Kartellrechtliche Unwirksamkeit bei verfaßten Verbänden [1 ed.] 9783428476466, 9783428076468

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Kartellrechtliche Unwirksamkeit bei verfaßten Verbänden [1 ed.]
 9783428476466, 9783428076468

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KLAUSBENNER

Kartellrechtliche Unwirksamkeit bei verfaßten Verbänden

Schriften zum Wirtschafts recht Band 74

Kartellrechtliche Unwirksamkeit bei verfaßten Verbänden Von Dr. Klaus Benner

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Benner, Klaus: Kartellrechtliche Unwirksamkeit bei verfassten Verbänden / von Klaus Benner. - Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Schriften zum Wirtschaftsrecht ; Bd. 74) Zug!.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1992 ISBN 3-428-07646-X NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 3-428-07646-X

Vorwort Die Arbeit hat im Sommersemester 1992 der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau als Dissertation vorgelegen. Das Manuskript habe ich im Oktober 1991 abgeschlossen. Bis Mitte Oktober 1992 veröffentlichte Rechtsprechung und Literatur habe ich nachgetragen. Besonderen Dank schulde ich Frau Professor Dr. Christine Windbichler, die die Arbeit angeregt und den Fortgang der Untersuchung stets mit Interesse verfolgt und mit weiterführendem Rat gefördert hat. Mein Dank gilt auch Herrn Professor Dr. Joachim Stolterfoht für die Mühen des konstruktiven Zweitgutachtens.

Freiburg, im Oktober 1992 Klaus Benner

Inhaltsverzeichnis

A. Einführung in die Problemstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

B. Gegenstand und Gang der Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

Erster Teil Kartellrechtliche BeurteiIuDa von Gemeinschaf'tsuntemehmen (GU) am Maßstab von § 1 GWH und Art. 8S EWGV

Erstes Kapitel: Bew1eiIWII nach § 1 GWH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

A. Begriffsklärung und Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

B. Das Kartellverbot als möglicher Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dogmatische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . U. Auswertung der jüngeren Kartellrechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22 22 24

C. Konkretes Lösungskonzept für § 1 GWB als Prüfungsmaßstab für GU-Sachverhalte. I. Ausgangspunkt: § 1 GWB als umstrittener Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . U. Vertretene Konzeptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Traditionelle Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Altemativkonzeption (heute wohl h.M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Tatbestandsmerkmale von § 1 GWB .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertrag zwischen Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gemeinsamer Zweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Eignung zur Marktbeeinflussung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verhältnis von Wettbewerbsbeschränkungund Vertrag (Zurechnung) . . . . . .

25 25 26 26 27 27 30 30 31 34 34 35

D. Anwendung von § 1 GWB auf "typische" kooperative GU-Sachverhalte . . . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . U. "Gemeinsamer Zweck" im Sinne eines (aktuellen oder potentiellen) Wettbewerbsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37 37

m.

39

8

Inhaltsverzeichnis

m. Charakteristische (mögliche) WeUbewerbsbeschrinkungenim Sinne von § 1 GWH

im Zusammenhang mit GU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. WeUbewerbaverhältnisals Beurteilungsgnilldlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voruberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) WeUbewerbaverhältnis zwischen den Gesellschaftenilltemehmen . . . . . . . c) WeUbewerbsverhältnis zwischen GU und Gesellschaftenilltemehmen .... d) Stellungnahme und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. "Typische" WeUbewerbsbeschrinkungenim Zusammenhang mit GU . . . . . . a) Voruberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) GU als Kartellsurrogat beziehungsweise KartelIierungsinstrument ...... c) Gruppeneffekt .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sonstige Beschränkungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zurechnungszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. "Rationalitätsprinzip" als, Entscheidungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Problemfall Gruppeneffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Unwirksamkeitssanktionals Abgrenzbarkeitsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundkonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbarkeit und Anwendungsprobleme bei GU-Sachverhalten. . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . • . . . . . . . . . . . . • • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Fallgruppenbildung als Ergebnis der kartellrechtlichen Beurteilung . . . . . . . . . 1. Fälle mit Zugang zur Teilunwirksamkeitsproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Von Gesamtunwirksamkeit betroffene GU-Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . .

41 41 41 41 42 43 44 44 44 45 48 50 50 51 52 52 55 58 59 59 59

E. Legalisierungsmöglichkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

F. Zusammenfassung und Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

Zweites Kapitel: Beurteiluna DaCh Art. 85 EWGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

A. Art. 85 EWGV als möglicher Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dogmatische Grundlagen und Kommissionspraxis bis zum Inkrafttreten der Verordnung über die Kontrolle von Untemehmenszusammenschlüssen(FKVO) .... U. Rechtslage mit Inkrafttreten der FKVO und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

B. Art. 85 EWGV in der Anwendung auf kooperative GU-Sachverhalte . . . . . . . . . . I. Allgemeines zu Art. 85 I EWGV und Vergleich mit § 1 GWH . . . . . . . . . . . . U. Konkrete Anwendung von Art. 85 I EWGV auf "typische" GU-Konstellationen. m. FreisteIlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gruppenfreistellungsverordnungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. EinzelfreisteIlung gemäß Art. 85 m EWGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Nichtigkeitssanktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ratio und Grundkonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendung auf GU-Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66 66 68 69 69 70 72 72 73

C. Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . .

74

63 64

Inhaltsverzeichnis

9

Zweiter Teil

ZiYil- IDId lesellschaftsndatliche AuswirtnuIaea YOD KarteDYerbotsverstößea Erstes Kapitel: VOD Gesamtunwirksamkeit betroß'eae GU-Sachverbalte . . . . . . . .

7S

Vorbemerkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7S

A. Auswirkungen auf den Bestand des Rechtsträgers (Außenverhältnis) . . . . . . . . . . . I. Voruberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Vorgaben des historischen Gesetzgebers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . m. Zum Verhältnis von Gesellschafts- und Kartellrecht im allgemeinen. . . . . . . . . IV. Zivilrechtliche Unwirksamkeit nach § I GWB und Verbandsrecht im besonderen 1. Ausgangspunkt: Gesellschaftsrechtlicher Bestandsschutz als de facto-Reduktion des Nichtigkeitstatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begrundbarkeit der Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundkonzeptiondes § 1 GWB und Funktionsweise neben den §§ ISff., 2S IGWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unwirksamkeitssanktiondes § 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Telos . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zusammenspiel mit den übrigen Sanktionen des Kartellverbots . . . . . . c) Allgemein zur Systematik der GWB-Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Im Recht der Zusammenschlußkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonstige Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gebot verfassungskonfonner Auslegung als Konsequenz des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Vereinbarkeit mit Schutzzwecken des Kartellverbots . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung der kartellrechtlichen Vorgaben für die verbandsrechtliche Folgeuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Körperschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grenzen der Anerkennung der fehlerhaften Korporation? . . . . . . . . . . . . . . 2. Externes, auf Auflösung des Rechtsträgers gerichtetes Instrumentarium (als ultima ratio) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Amtslöschungsverfahren im Handelsregisterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auflösungsermächtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nichtanerkennung als fehlerhafte Gesellschaft wegen entgegenstehender höherrangiger Allgemeininteressen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zum Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einordnung der Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Argumentationsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. BeglÜndungsansätze für eine Anwendung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abwägung als Methode der EnlScheidungsfindung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Möglichkeit der systematisch-teleologischen Reduktion der Unwirksamkeitssanktion des § 1 GWB bei Gesellschaftsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verkehraschutzinteresse der Gesellschaftsgläubiger . . . . . . . . . . . . . . .

7S 7S 77 77 79 79 81 81 82 82 83 8S 8S 86 88 88 89 91 92 92 96 96 102 103 104 104 lOS lOS 106 108 108 108 109 111

10

Inhaltsverzeichnis

d) § 1 GWB als rechtsformneutraler Verbotstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . e) Verständnis des Phänomens fehlerhafter Verbände als Sanktionsproblem . . 4. ErJebnia und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fehlendes externes Instrumentarium? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vll. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

115 117 118 119 121

B. Auswirkungen im Innenverhältnis ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Internes, auf Auflösung des Rechtsträgers gerichtetes Instrumentarium . . . . . . . 1. Körperschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nichtigkeitsklagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auflösungsklage im GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Personenhandelsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ll. Auf die Beendigung von Einzelmitgliedschaften gerichtete verbandsrechtliche instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausschließung eines Gesellschafters. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) GmbH. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Personenhandelsgesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Austritt eines Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) GmbH. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Andere Rechtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kündigung gemäß § 13 I GWB analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassende Bewertung und Rangfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . m. Weitere Alternativen für die beteiligten Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nachträgliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsgestaltende Vorsorge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

122 122 122 122 123 125

c. Ergebnis

...............................................

143

Zweites Kapitel: Fälle mit Zugang zur Teilunwirksamkeitsproblematik . . . . . . . . .

145

A. Grundkonzeption und Grundsätzliches zur Behandlung teilnichtiger Rechtsgeschäfte.

145

B. Rechtslage bei Gesellschaftsverträgen und GU-Vertragswerken .... . . . . . . . . . . I. Abgrenzungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ll. Auswirkungen des kartellrechtlichen Vertragsmangels auf den Bestand der Gesellschaft (Außenverhältnis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Körperschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kartellverbotswidrige Regelung als Satzungsbestandteil . . . . . . . . . . . . . b) Beanstandete Regelung als selbständige Nebenabrede beziehungsweise rein schuldrechtliche Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unvereinbarkeit einzelner gesellschaftsvertraglicher Regelungen mit § 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unwirksame Regelung in selbständigen Nebenabreden beziehungsweise rein schuldrechtlichen Vereinbarungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

147 147

127 127 129 129 132 133 133 135 135 138 140 140 142

148 148 148 151 152 152 154 154

Inhaltsverzeichnis

m. Auswirkungen im Innenvemältnis zwischen den Gesellschaftern . . . . . . . . . . .

1. Vorüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einvernehmliche interne Problembewiltigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. VerbandsrechtlichesReaktionsinstrumentariumim Konfliktfall . . . . . . . . . .

11

ISS ISS

156 157

C. Fazit

157

Drittes Kapitel: Erglinzeade Bemerlruugeo zur Auswirkungsproblematik bei Verstoß gegeo Art. 85 I EWGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

159

A. Grundsätzliche Übernahme der kartellrechtlichen Vorgaben entsprechend dem deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

159

B. Komplellierung des verbandsrechtlichen Reaktionsinstrumentsriums im weiteren Sinn durch weitergehende kartellbehördliche Maßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

161

Schlußwort

164

Literaturverzeichnis

165

Einleitung A.

Emfühnma in die ProblemstelIllIlI

§ 1 GWB belegt Verträge, die zur Grundlage für wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen im Sinne der Vorschrift gemacht werden, mit zivilrechtlicher Unwirksamkeit. Für den Fall, daß der Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft beziehungsweise die Satzung einer juristischen Person von dieser Unwirksamkeitssanktion teilweise oder gar insgesamt erfaßt wird, gilt es seit jeher die keineswegs neue Frage zu beantworten, wie sich ein derart sanktionierter Kartellverbotsverstoß auf den Rechtsträger Gesamthandsgemeinschaft beziehungsweise juristische Person auswirkt. In der gängigen kartellrechtlichen Literatur finden sich dazu fast durchweg nur wenige, knappe Bemerkungenl ; in der RegierungsbegfÜndung zum GWB heißt es hierzu: " Die Frage, wie sich die Unwirksamkeit der kartellmäßigen Bindungen auf die übrigen vereins- oder gesellschaftsrechtlichen Rechte und Plichten und - falls das Kartell als juristische Person organisiert war - auf den Bestand der juristischen Person auswirkt, ist der Rechtsprechung zu überlassen. "2

Eine gewisse Aktualität und eine andere Dimension hinsichtlich ihrer praktischen Bedeutung hat die rechtsgebietsübergreifende Problemstellung jedoch durch einige neuere obergerichtliche Entscheidungen3 erhalten, die auch in der wirtschaftsrechtlichen Literatur ein durchaus beachtenswertes und zum Teil recht kritisches Echo gefunden haben4 •

I Vgl. etwa Emmerich, Kartellrecht, S. 8lf; Immenga, in: ImmengalMestmäcker, § 1 Rn. 399ff.; Langen, § 1 Rn. 120; Rinner, Wirtschaftsrecht, § 15 Rn. SO, S. 298.

2 BegrRegE BT-Drucks. Wll58, S. 31 r. Sp. 5.; an dieser Stelle wird dal'Überbinaus der Hinweis gegeben, daß sich die Gerichte bereits unter der Geltung der KVO von 1923 mit der Frage beschäftigt haben; eine Übersicht über die damalige, auf die Rechtslage seit Geltung des GWB nur bedingt übertragbare Rechtsprechung findet sich bei Wünsche, Unwirksame Kartcllvereinbarung, S.36f.

• OLG Hamm WuWIE OLG 3748; 4033 "Gemeinsamer Zeitungsverlag"; auch OLG Frankfurt WuWIE OLG 3498; 4323 "Nassauische Landeszeitung" , wenngleich hier kein Rechtsträger betroffen war; inzwischen bestätigt von BGH WuW/E BGH 2675. • Vgl. v.a. K. Schmidt, WuWIE OLG 37500., Urteilsanmerkungzu OLG Hamm WuW/E OLG

3748; den., AcP 186 (1986),421, 449ff; den., in: Wettbewerbspolitik und -recht, 1987, 19,23;

14

Einleitung

Diese - sogleich näher darzustellende - Entscheidungspraxis ist ein geradezu klassisches Beispiel für eine Fragestellung, die wohl unbewußt aus dem Bemühen von Lehre und insbesondere Rechtsprechung resultiert, die sich aus mancherlei Ungereimtheiten hinsichtlich Wortlaut und Systematik bestimmter Kartellrechtsvorschriften5 ergebenden Anwendungslücken durch eine ständige Erweiterung des Anwendungsbereichs derselben zu kompensieren; in concreto geht es hier um die weitgehende Überprüfung von Gemeinschaftsuntemehmen (GU) am Maßstab des Kartellverbots6• Im ähnlichen Sachverhalt zweier veröffentlichter Beschlüsse des OLG Hamm1 klagte eine Zeitungsverlags-GmbH&Co KG gegen eine Verlagsgesellschaft aus § 1 UWG. Im Prozeß wird darüber gestritten, ob die Klägerin als ein sogenanntes kooperatives GU überhaupt partei fähig oder ob sie wegen Verstoßes gegen § 1 GWB unwirksam gegründet und t1.eshalb unfähig sei, Partei eines Zivilprozesses zu sein. Das Landgericht hatte den Prozeß nach § 96 11 GWB zur Klärung dieser, seiner Ansicht nach kartell rechtlichen Vorfrage ausgesetzt; das OLG bestätigte jeweils die landgerichtlichen Aussetzungsbeschlüsse. Mit zunächst durchaus konsequent erscheinender Begründung wird der Gesellschaftsvertrag der Klägerin (insgesamt) als Grundlage einer gegen das Kartellverbot verstoßenden Kooperation von der Unwirksamkeitssanktion des § 1 GWB erfaßt, und die Anwendung der Grundsätze zur fehlerhaften Gesellschaft scheitert an den hier durch das Kartellverbot "verkörperten", entgegenstehenden höherrangigen Allgemeininteressen, nämlich dem Schutz der Allgemeinheit vor Beschränkungen des Wettbewerbs8 •

den., WuW 1988, 5ff.; den., Gesellschaftsrecht, § 6 m 3, S. 134; Schwintowsld, NJW 1988, 937ff; ferner kritisch: Benisch, in: Gemeinschaftsunternehmen, FIW H. 122, 51f.; Immenga, in: lmmengalMestmäckcr, § 1 Rn. 401; Niederleithinger, Kartellrechtspnxis 1988/89, S. 35; Pfeiffer, in: FS Benisch, 1989,313, 320 Fn. 33; Rittner, Wcttbewerbsrecht, S. 236 Fn. 12; dagegen zustimmend Emmerich, Kartellrecht, S. 81f. S

Dazu v.a. K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 19ff.; den., Kartellverbot, S. 15ff.

• Wegweisend hierfür BGHZ 96, 69 = WuW/E BGH 2169 = AG 1986, 194 "Mischwerkc". 7 WuW/E OLG 3748; 4033 "Gemeinsamer Zeitungsverlag"; nach K. Schmidt, WuW 1988,5, sind die beiden Beschlüsse nur Teil einer (gefestigten) Beschlußpnxis dieses Gerichts.

• Die Nichtanerkennung fehlerhafter Personengesellschaften bei Verstoß gegen ein dem Schutz vornngiger Allgemeininteressen dicnendcs Verbotsgesetz entspricht seit BGHZ 3, 285, 288 = NJW 1952,97 ständiger Rechtsprechung (jüngst wieder BGH WuW/E BGH 2675, 2678 "Nassauische Landeszeitung") und findet wcitgehend Zustimmung in der Lehre, vg\. etwa Heymannl Emmerich, HGB, § 105 Rn. 83ff.; R. Fischer, NJW 1955, 849, 850; den., NJW 1958,969,970; den., in GroßkommentarHGB (3. Aufl.), § 105 Anrn. 95ff.; Flume, Personengesellschaft, § 2 m,

B. Gegenstand und Gang der Untersuchung

15

Damit liegen erstmals obergerichtliche Entscheidungen vor, die einer in Vollzug gesetzten, im Außenverhältnis untemehmerisch tätigen Gesellschaft die rechtliche Anerkennung als fehlerhafte, gleichwohl aber wirksame Gesellschaft verweigem9 • Praktische Konsequenz dieser sich aus Rechtsgründen ergebenden rechtlichen Inexistenz eines unternehmenstragenden Rechtsträgers wäre unter anderem, daß er als Vertragspartner eines Dauerschuldverhältnisses, insbesondere auch als Arbeitgeber von Anfang an nicht in Betracht käme, obwohl alle Beteiligten unter Umständen seit Jahren davon ausgingen; der inexistente Rechtsträger bräuchte sich nicht an die Regelungen des Wettbewerbsrechts zu halten, obwohl er ein faktisch am Rechtsverkehr teilnehmendes Wirtschaftssubjekt ist (im umgekehrten Fall des Sachverhalts hätte sich etwa die Beklagte dann zu ihrem Vorteil auf ihre Inexistenz berufen können); er käme zudem als Maßnahmeadressat für den Bereich des GWB nicht in Betracht. Diese hypothetischen Überlegungen geben Anlaß, das scheinbar durch jeweils gesicherte BGH-Rechtsprechung zufriedenstellend gelöste Zusammenspiel zwischen GWB und Gesellschaftsrecht einer tiefergehenden, möglichst allen in Rede stehenden Interessen betroffener Beteiligter Rechnung tragenden Untersuchung zu unterziehen.

B. Gegeostand und Gaug der Untersuchung

Ausgangspunkt und damit "Hauptgegenstand " der Untersuchung ist, ob sich die Unwirksamkeitssanktion des § 1 GWB tatsächlich in der eben geschilderten Art und Weise auf den Bestand einer gesellschaftsrechtlichen Organisationseinheit auswirken kann oder möglicherweise sogar muß. Geprüft werden soll im einzelnen, ob die denselben Sachverhalt treffenden Rechtsfolgen des Kartell- und Gesellschaftsrechts immer hannonieren oder sich

S. 19; SocrgellHadding (11. Aufl.), § 705 Rn. 81; Hopt/Hehl, Gesellschaftsrecht Rn.32S; Ulmer, in Großkomrnentar RGB, § 105 Rn. 355f.; grds. zustimmend, aber mit Tendenz zur Einengung vergangenheitsrelevanterMängel, H. Wiedemann, WM-Beilage 8/1990, S. 26f. 9 Die bisherigen, die Grenzen für die Anerkennung fehlerhafter Gesellschaften markierenden BOR-Entscheidungen betrafen ausschließlich sog. Innengesellschaften, vgl. etwa aus jüngerer Zeit BORZ 62, 234 = NJW 1974, 1201; BGRZ 75, 214 = NJW 1980,638; BGRZ 97,243 = DB 1986, 1389; BGR WuWIE BGR 2675, 2678 "Nassauische Landeszeitung"; vertiefende Rechtsprechungsauswertungbei K. Schmidl, AcP 186 (1986), 421, 446ff.

16

Einleitung

widersprechen mit der Konsequenz, daß die eine zugunsten der anderen modifiziert werden oder gar ganz zurücktreten muß. Insbesondere wird zu fragen sein, wie sich die im Falle eines Kartellverbotsverstoßes eingreifenden kartellrechtlichen Sanktionen auf das Außen- und Innenverhältnis des verfaßten Verbandes auswirken, und ob das Gesellschaftsrecht (im Sinne von Verbandsrecht im weiteren Sinn, da auch behördliche Maßnahmen einzubeziehen sind) ein geeignetes Instrumentarium für eine Lösung der zu bewältigenden Sachfragen anbietet, die den Interessen aller Beteiligten in angemessener Weise Rechnung trägt. Behandelt werden also sowohl kartellrechtliche wie gesellschaftsrechtliche Fragen. Besonders anfällig für Kartellverbotsverstöße sind Unternehmenskooperationen, die in einem zumindest teilrechtstähigen GU als Unternehmensträger institutionalisiert werden, weshalb dieser - praktisch sicherlich bedeutsamste - "Unterfall " aus dem möglichen Gesamtspektrum an betroffenen Rechtsträgem exemplarisch herausgegriffen wird1o• Eine auf das Beispiel GU bezogene Untersuchung der Rechtsfolgen, die der Kartellverbotstatbestand samt dazugehöriger Sanktionen in Organisationsverhältnissen auslöst, macht die vorherige kartellrechtliche Prüfung des Kooperationssachverhalts am Maßstab des Kartellverbots erforderlich. Dies ergibt sich zum einen aus Formulierung und Funktionsweise des § 1 GWB, der eben Verträge mit zivilrechtlicher Unwirksamkeit belegt, "soweit sie geeignet sind, die Erzeugung oder die Marktverhältnisse für den Verkehr mit Waren oder gewerblichen Leistungen durch Beschränkung des Wettbewerbs zu beeinflussen·. Zum anderen ist es gerade bei den aufgrund ihrer rechtstatsächlichen Vielschichtigkeitund Komplexität als wettbewerbspolitisch durchaus ambivalent einzustufenden GU-Sachverhalten ll , deren Prüfung nach § 1 GWB Schwierig-

,. Die rechtstatsächliche Bedeutung von GU ist groß und nimmt ständig zu, vgl. BKartA TB

1989/90, S. 137: von den beim BKartA seit 1973 angezeigten 12396 Zusammenschlüssen bezogen sich 3009 aufGU; MonopolkommissionHG vm 1988/89, Tz. 46Sff.: unter den ausgewiesenen

Beteiligungen der "100 Größten" wurden 1988 194 GU registriert (Kriterium ist die direkte oder indirekte Kapitalbeteiligung von 2 oder mehreren Unternehmen aus dem Kreis der "100 Größten). Die HG-Kommission analysiert die Finanzoperationen der 1000 größten Industrieunternehmen der Gemeinschaft; im Berichtszeitraum 1988/89 entfielen von insgesamt 1122 Finanzoperationen 183 auf die Gründung gemeinsamer Tochtergesellschaften, vgl. 19. Wettbewerbsbericht (1990), S. 217f., Tab. 6. 11 So KunIRall, WuW 1986,765; OECD, Wettbewerbspolitik und GU, S. 25, 115; Steindotff, BB 1988, Beil. I zu H. 8, S. 3f.

B. Gegenstand und Gang der Untersuchung

17

keiten bereitet, wichtig, genau herauszuarbeiten, worin die nach § 1 GWB zu erfassende Wettbewerbsbeschränkung liegt und welchem Vertrag beziehungsweise Vertragsteil sie zugerechnet werden kannl2 • Das Ergebnis dieser Prüfung ist dann wiederum Grundlage für die Beantwortung der Fragestellung, was an beanstandeter vertraglicher Regelung der Unwirksamkeitssanktion des § 1 GWB unterfällt und wie sich dies auf einen betroffenen Rechtsträger auswirkt. Dieselbe Problematik stellt sich im Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrages; "parallele" Beurteilungsgrundlage ist hier Art. 85 EWGV. Soweit sich das Verbot in Art. 85 I EWGV wegen wettbewerbsbeschränkender Zwecke oder Wirkungen (auch) auf den Gesellschaftsvertrag beziehungsweise die Satzung eines Rechtsträgers erstreckt, ordnet Art. 85 II EWGV die zivilrechtliche Nichtigkeit der verbotenen Vereinbarungen an. Das "Zusammenspiel" des kartellrechtlichen Verbotstatbestandes und der Nichtigkeitssanktion des EWGV mit den Regelungen des deutschen Gesellschaftsrechts ist somit ebenso untersuchungsbedürftig l3 • In einem Ersten Teil werden also GU-Sachverhalte, die typischerweise wettbewerbsrechtliche Probleme im Hinblick auf das Kartellverbot aufwerfen, einer kartellrechtlichen Beurteilung einmal am Maßstab des § 1 GWB (Erstes Kapitel) sowie zum zweiten am Prüfungsmaßstab des Art. 85 EWGV (Zweites Kapitel) unterzogen. Da beide Beurteilungsgrundlagen in hier interessierender Hinsicht in ihrer Grundsubstanz deckungsgleich sind, erscheint eine völlig getrennte Tatbestandsprüfung derselben Sachverhalte wenig sinnvoll. Die Ausführungen zu Art. 85 EWGV können demnach auf Abweichungen und Eigenheiten in der kartellrechtlichen Prüfung im Vergleich zu § 1 GWB beschränkt werden; umgekehrt wird die kartellrechtliche Prüfung nach § 1 GWB durch Einbeziehung der umfangreichen Kommissionspraxis zu GU in rechtstatsächlicher Hinsicht an Anschaulichkeit gewinnen.

12 Diese selbstverständliche Grundvoraussetzung juristischer Arbeit vermißt man z. T. bei der Lektüre der bereits zitierten Entscheidungen des OLG Hamm sowie des OLG Frankfurt (Fn. 3), in denen etwas undifferenziert Schlagworte aus dem "Mischwerke"-Beschluß des BGH (Fn. 6) übernommen und zur Entscheidungsgrundlagegemacht werden. U

Ein diesbzgl. Defizit sieht Sleindorff, BB 1977, 1613, 1616.

2 BeMcr

18

Einleitung

Diese kartell rechtliche TatbestandspfÜfung soll - entsprechend ihrer dienenden Funktion für den primären Untersuchungsgegenstand - bereits so in Ergebnisse (im Sinne einer Fallgruppenbildung) münden, daß darauf aufbauend - in einem Zweiten Teil - die Erörterung der Auswirkungsproblematik in der erforderlichen Differenziertheit vorgenommen werden kann. Die grundsätzlichen Ausführungen in den ersten beiden Kapiteln behandeln die insoweit einheitlichen Rechtsfolgen von Verstößen gegen § 1 GWB oder Art. 85 EWGV; das Dritte Kapitel schließlich erörtert die aus dem teilweise verschieden ausgestalteten Sanktionsinstrumentariumdes EG-Kartellrechts resultierenden Besonderheiten.

Erster Teil

Kartellrechtliche Beurteilung von GU am Maßstab von § 1 GWB und Art. 85 EWGV Erstes Kapitel Beurteilung nach § 1 GWB

A. Begriffsklänmg und Voriiberlegungeo

Angesichts der Erscheinungs- und Typenvielfalt, die mit dem Begriff GU Goint venture) verbunden wird, ist zunächst eine begriffliche Eingrenzung zur Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes vorzunehmen. Denn der Begriff des Gemeinschaftsunternehmens ist kein einheitlich feststehender, er wird vielmehr je nach Untersuchungsgegenstand oder -ansatz unterschiedlich weit oder eng gezogen!. Im vorliegenden Zusammenhang ist vor allem maßgeblich, daß die Zusammenarbeit in einem zumindest teilrechtsfiihigen Unternehmens- und Rechtsträger auf vertraglicher Grundlage institutionalisiert wird. Demgemäß wird nachfolgend unter einem GU ein rechtlich selbständiges Unternehmen verstanden, das aufgrund eines WVertragspaketes w von zwei oder mehreren wirtschaftlich voneinander unabhängigen Unternehmen gemeinsam kontrolliert und zu gemeinsamen unternehmerischen Zwecken eingesetzt wird. Ausgegrenzt sind damit sogenannte Funktionsgemeinschaften in Form von Innengesellschaften oder rein schuldrechtlichen Absprachen sowie Fälle nicht

1 So u.&. die Definitionsansätze bei von Hahn, in: Schwerpunkte des Kartellrechts 1974175,57; Immenga, in: Der GmbH-Konzern, 134, 137; KunIRall, WuW 1986,765; G. Wiedemann, Gemeinschaftsunternehmen,S. 44; sowie in der Rechtsprechung, BGHZ 96,69,78 = WuW/E BGH 2169,2170 "Mischwerke".

20

I. Teil, I. Kapitel: Beurteilung nach § I GWB

vertraglich koordinierten parallelen Anteilsbesitzes, die durchaus den GUBegriff der Zusammenschlußkontrolle nach § 23 II Nr. 2 S. 3 GWB erfüllen können. Die Kooperation in einem so definierten GU wird entweder durch Neugründung eines Unternehmensträgers oder durch Anteilserwerb an einem bereits bestehenden Unternehmen - eventuell verknüpft mit der Einbringung von Sacheinlagen wie einem Geschäftsbetrieb, know how o.ä. - realisiert. Im Vordergrund der vorzunehmenden Untersuchung stehen jedenfalls Kooperationssachverhalte auf vertraglicher Grundlage2, die im Hinblick auf das Kartellverbot eine potentielle "Anfälligkeit" aufweisen; aus dem Abstimmungsverbot des § 25 I GWB resultierende kartellrechtliche Bedenken werden nur soweit nötig im konkreten Zusammenhang angesprochen3 • Da die aus den im Zusammenhang mit einem GU-Vorhaben geschlossenen Verträgen resultierenden Wettbewerbsbeschränkungen Ansatzpunkt der kartellrechtlichen Prüfung sind, ist ein kurzer Überblick über die typische Vertragsstruktur für das Verständnis des weiteren Vorgehens unabdingbar. Die Errichtung von GU als Medium zur Umsetzung eines bestimmten wirtschaftlichen Konzepts erfordert primär eine auf die jeweiligen Interessen, die die Mütter durch oder mit dem GU verfolgen, abgestimmte Vertragsgestaltung. Die Komplexität des einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs spiegelt sich in einem Vertragsgeflecht von Horizontal- und Vertikalverträgen wider4 • Allgemein ergibt sich aus der Wirtschaftspraxis für "typische" GU, daß die Vertragsgestaltung durch einen dreistufigen Aufbau des Vertragswerks gekennzeichnet isf. In der sogenannten Grundvereinbarung (joint venture agreement) elDlgen sich die Partner der Unternehmenskooperation und Gesellschafter der zu grün-

2 Was nach der Erfahrung der wirtschaftsrechtlichen Praxis auch der Regelfall und in Anbetracht der eingesetzten Investitionsvolumina verständlich ist. 3 Fragen des Zusanunenschlußkontrollrechts sind nicht Gegenstand der Untersuchung, hierzu ausführlich Fischer, in: Gemeinschaftsuntemehmen, FIW H. 122, 57ff.; G. Wiedemann, Gemeinschaftsunternehmen, s. 212ff.

• G. Wiedemann, Gemeinschaftsunternehmen, S. 8.5. > Vg\. Langefeld-Wirth, RIW 1990, I, 3; ders., JointVentures, S. 113; G. Wiedemann, Gemeinschaftsunternehmen, S. 85f.; v.a. unter dem Aspekt von Kollisionsproblemen zwischen den Einzelverträgen, Ebenrorh, JZ 1987, 265ff.

A. BegrifTsklärung und Voruberlegungen

21

denden gemeinsamen Tochtergesellschaft auf die grundlegenden Rahmenbedingongen der Zusammenarbeit, wie Ziel, Gegenstand und Modalitäten der Kooperation sowie Aufgabenkreis des GlJIi. Der Rechtsträger muß durch den Abschluß eines Gesellschaftsvertrages beziehungsweise einer Satzung errichtet werden; im Organisationsstatut des GU werden primär, aber nicht nur gesellschaftsrechtliche Regelungen getroffen7• Daneben schließen das GU und einzelne oder alle Gesellschafterunternehmen, aber auch letztere untereinander eine Reihe von Durchfiihrungsverträgen (Separatverträge), die aus funktionaler Sicht die Tätigkeit und Funktionsfähigkeit des GU ermöglichen und absrutzen8 • Ihr Inhalt richtet sich vorrangig nach der Funktion des GU und dem damit verfolgten betriebswirtschaftlichen Konzept; exemplarisch zu nennen sind die Überlassung von Patenten und Lizenzen, die Bereitstellung von know how, technischer Assistenz, Produktionsanlagen, Zulieferverträge über Rohstoffe etc. 9 Die Komplexität von Untersuchungsgegenstand und Prüfungsmaßstab läßt ein dreistufiges Vorgehen sinnvoll erscheinen. Zuerst wird in aller Kürze der heute grundsätzlich ausdiskutierten Frage nachgegangen, ob und wann § 1 GWB typischerweise überhaupt als Prüfungsmaßstab in Betracht kommt. Dann erfordern die bestehenden Rechtsprobleme um den Prüfungsmaßstab eine Stellungnahme, um die konkret angewendete Arbeitsgrundlage transparent zu machen. Schließlich ist die eigentliche kartellrechtliche Prüfung - immer unter dem Aspekt, den Ausgangspunkt für die Untersuchung der Auswirkungsproblematik herauszuarbeiten - vorzunehmen.

• Weitere Details zu Inhalt und rechtlicher Würdigung finden sich bei LangeJeld-Wirth, Joint Ventures, S. 114fT., insb. das Schaubild S. 122, zur Rechtsnatur S. 125fT.; G. Wiedemann, Gemeinschaftsunternehmen, S. 86fT.; Formulierungsbeispiel bei Benisch, Kooperationsfibel, S. 547fT. und LangeJeld-Wirth, Joint Ventures, S. 183fT. 7 Vertragsmuster bei Benisch, Kooperationsfibel, S. 544, 551; ausführlich LangeJeld-Wirth, Joint Ventures, Schaubild 28, S. 117fT.

• Gansweid, Gemeinsame Tochtergesellschaften, S. 600.; G. Wiedemann, Gemeinschaftsunternehmen, S. 92.

• Vgl. LangeJeld-Wirth, Joint Ventures, S. 117fT.; G. Wiedemann, Gemeinschaftsunternehmen, S.93fT.

22

1. Teil, 1. Kapitel: Beurteilung nach § 1 GWB

B. Das ICartelh'erbot als möglicher PrüfuDgsmaßstab

1. Dogmatische Grundlagen Die kartell rechtliche Beurteilung von GU ist exemplarisch für die seit 10krafttreten des GWB als problematisch erkannte Abgrenzung zwischen Kartell und Zusammenschluß 1o• Denn gerade die mittels eines selbständigen Rechtsträgers institutionalisierte Unternehmenskooperation bewegt sich oft im Grenzbereich zwischen Verhaltenskoordinierung der Muttergesellschaften und struktureller Marktveränderung durch externes Unternehmenswachstum, erscheint somit sowohl vom Kartellverbot als auch vom Regelungskomplex Zusammenschlußkontrolle her erfaßbarll • Die an dieser Stelle zu bewältigende Aufgabe besteht aber nicht darin, Lösungen dafür aufzuzeigen, wann ein bestimmter GU-Sachverhalt ausschließlich nach § 1 GWB, nach den Vorschriften des Zusammenschlußkontrollrechts oder nach beiden Regelungskomplexen zu beurteilen ist. Dieser "Dauerbrenner" in Kartellrechtswissenschaft und -praxis soll und muß also im vorliegenden Zusammenhang nicht nochmals "aufgerollt" werden l2 , zumal die grundsätzlichen Positionen hierzu bereits seit langem eingenommen worden sind und ein "neues" Lösungskonzept dazu nicht angeboten werden kann13 •

10 Vgl. dazu aus dem "frühen" Schrifttum, KaT1te, WuW 1963, 565ff.; Rasch, WuW 1961, 79ff.; Leube, ZHR 141(1977),313; die Aktualität der Problematik belegen auch in jüngster Zeit erschienene Beiträge, Benisch, in: FS Rittncr, 1991, 17ff.; sowie Monopolkommission HG vm 1988/89 Tz. 205, zusammenfa88Cnd Tz. 1096ff., speziell zu F&E-GU; allgemein zur Beurteilung sog. strategischer Allianzen, BKartA TB 1989/90, S. 30ff. 11 So auch von Gamm, Kartellrecht, § 1 Rn. 19; MonopolkommissionHG vm 1988/89Tz. 205; PaschJce, Der Zusammenschlußbegriffdes Fusionskontrollrechts, ZHR-Beiheft 63, S. 71. 12 Einen jeweils kurzen instruktiven Überblick über die Lösungsansätze der Lehre bieten u.a. MiJschel, Wettbewerbsbeschränkungen,S. 129, Rn. 200; K. Schmidl, AG 1987,333,335; SteindoTjf, BB 1988, Beil. 1 zu H. 8, S. 6f.; eine aktuelle Zusammenfassung aus Sicht der Rechtsprechung bei von Gamm, Kartellrecht, § 1 Rn. 20f; umfassend zur Problematik Immenga, in: ImmengalMestmäcker, § 1 Rn. 499ff.; Kleinmann/BechlOld, Einl. Rn. 113ff.; guter, wohl aktuellster Überblick über die historische Entwicklung der Kartellrechtspraxis bis heute, Benisch, in: FS Rinner, 1991, 17ff.

13 Ein Patentrezept LS. einer operational handhabbaren Unterscheidung kann es angesichts der rechtstatsächlichen Erscheinungsvielfalt und Komplexität von GU wohl ohnehin nicht geben; in dieser Richtung Emmerich, Kartellrecht, S. 368; K. Schmidl, AG 1987, 333, 337; auch die Wirtschaftswissenschaften können für die wettbewerbspolitische Beurteilung von GU keine eindeutigen Vorgaben machen, vgl. KurzlRall, WuW 1986,765, 776f.

B. Das Kartellvcrbot als möglichcr Prüfungsmaßstab

23

Ausreichende Prämisse für die an dieser Stelle zu erörternden Fragen ist, daß § 1 GWB überhaupt auf bestimmte GU-Sachverhalte Anwendung findet, also kartellrechtlicher Prüfungsmaßstab sein kann. Dies ist jedoch seit dem "OAM"-Beschluß des BGW4 für den Geltungsbereich des GWB höchstrichterlich "jedenfalls" für "kooperative GU"lS positiv entschieden. Weitgehend einig ist man sich seither in Praxis und Lehre darüber, daß die auf eine durch Vertragsgestaltung und -durchführung herbeigeführte Interessenkoordinierung gerichtete Konstellation von GU der Schranke des Kartellverbotes unterliegf 6 • Weiterhin unklar ist demgegenüber bis heute die - für die vorzunehmende Untersuchung irrelevante - Frage, was als konzentrativer Sachverhalt nicht von der Kontrolle des § 1 GWB erfaßt wird und eventuell ausschließlich der Zusammenschlußkontrolle unterfällt17 , beziehungsweise wie eine Berücksichtigung auch prokompetitiver Effekte erfolgen kann l8 • Im folgenden sollen deshalb "typische", dem Kartellverbot grundsätzlich unterliegende (kooperative) GU-Konstellationen einer konkreten Tatbestandsprüfung unterzogen werden und zwar bereits mit Blick darauf, welche Verträge beziehungsweise Vertragsteile von der Unwirksamkeitssanktion erfaßt werden.

" BGHZ 96, 69 = WuW/E BGH 2169 "Miachwcrkc" (bcteiligt waren dic Oberbergischcn Asphaltmischwcrkc, abgckürzt OAM). U Dic Unterscheidung zwischen konzentrativcn (mit Vollfunktionen) und kooperativen (zur Wahrnehmung von Tcilfunktioncn) GU geht auf Benisch, in: FS H. Kaufmann, I ?72, 73, 78f., 82 zurück; ders., Kooperationsfibel, S. 286f.

.. Vgl. statt vielcr von Gamm, Kartellrecht, § 1 Rn. 21; H. Wiedemann, Gescllschaftsrecht I, § 13 n 3b, S. 748; "Beleg" hierfür auch die Untersuchung von Wertenbruch, Die Rechtsfolgen der Doppelkontrollc von GU nach dem GWB, 1990 (FIW-Schriftenrcihe Heft 138), der dic ganze Arbeit auf dcr Prämissc cincr Doppclkontrolle aufbaut. 17 So mit wünschcnswerter Deutlichkeit Paschke, ZHR-Beiheft 63, S. 73; v.a. damit befaßt sich demgemäß auch die "Rezcnsionsflut" zum "Mischwerkc"-Beschluß, vgl. Emmerich, AG 1986, 345, 352; von Gamm, AG 1987,329; Huber, in: Gcmeinschaftsuntemchmen, FIW H. 122, 1; Immenga, ZHR 150 (1986),366; KiJhler, ZGR 1987, 271; Mederleithinger, in: Schwerpunkte des Kartellrechts 1985/86,21, 61fT.; K. Schmidt, AG 1987,333; Steindot:ff, BB 1988, Beil. 1 zu H. 8. 11 Hierzu cingehendSteindot:ff, BB 1988, Beil. 1 zu H. 8, S. 12fT.; ders., in: FS Beniach, 1989, 255,265; ebcnso, wenn auch mit dogmatisch anderem AnsatzpunktJ. Wilhelm, WuW 1987,965, 971fT.

1. Teil, 1. Kapitel: Beurteilung nach § 1 GWB

24

11. Auswertung der jilngeren Kartellrechtspraxis Angesichts der großen praktischen Bedeutung von GU wurde nach der grundsätzlichen Entscheidung des BGH19 für eine kartellrechtliche Doppelkontrolle Gedenfalls bei kooperativen GU) verschiedentlich eine Untersagungswelle befürchtet2ll. Davon kann nach einer Analyse der Entscheidungspraxis des BKartA indes nicht die Rede sein21 • Nach Aufhebung seiner Verwaltungsgrundsätze zu G~ orientiert sich das BKartA de facto an einem Entwurf neuer Grundsätze aus dem Jahre 1986 23 , in dem die Kriterien aus dem "Mischwerke"-Beschluß umgesetzt worden sind. Seither hat das Amt keine offiziell veröffentlichte Untersagungsverfügung gemäß §§ 37a I, 1 GWB gegenüber einem GU erlassen24 • Aus den veröffentlichten Stellungnahmen zu GU-Vorhaben ergibt sich, daß weiterhin eine Trennung nach konzentrativen und kooperativen Sachverhalten vorgenommen wird, wobei eine Prüfung auch nach § 1 GWB nur selten angezeigt erschien2S • Hervorhebenswert ist, daß dem BKartA häufig vor Durchführung des GU-Vorhabens und damit auch vor der eigentlichen Gründung des GU das entsprechende

.9

BGHZ 96, 69

= WuW/E BGH 2169 "Mischwerke" .

Zu den Besorgnissen der Wirtschaft Harms, bei Gerlach, Diskussionsbericht, WuW 1989, 717; Mederleirhinger, EWiR 1986, 69f; Stockmann, WuW 1988,269. 20

2. Ausgewertet wurden die Entscheidungssammlung in WuW/E BKartA sowie die Tätigkeitsberichte aus den Berichtszeiträurnen 1985/86, 1987/88, 1989/90. 22 Die Erklärung des BKartA in TB 1985/86, S. 24f., "die Verwaltungsgrundsätzeseien überholt", istala Aufhebung derselben zu verstehen, vgl. Steindottf, BB 1988, Beil. 1 zu H. 8, S. 11.

:13 So Stockmann, Leiter der 6. Beschlußabteilung des BKartA, im Diskussionsbericht von Benisch, WuW 1987, 905; der Entwurf ist publiziert in: Gemeinschaftsunternehmen, FIW H. 122, S. 54f.; dies genügt den Anforderungen an eine Veröffentlichung gern. § 50 I 3 GWB nicht, so daß neue Verwaltungsgrundsätzenicht vorliegen; dazu auch Steindottf, BB 1988, Beil. 1 zu H. 8, S. 11.

:u Gegenüber einem GU von Zernentherstellem wurde ein Bußgeld verhängt, vgl. Mederleirhinger, Kartellrechtspraxis 1988/89, S. 30 (unveröffentlicht); nach Stockmann, aaO, macht das Amt von seinem Verfolgungsermessen großzügig Gebrauch; den., WuW 1988, 269, 274; auf die praktische Folgelosigkeit des "Mischwerke-Beschlusses" verweisen auch: MonopolkommissionHG vm 1988/89 Tz. 1019; Mederleirhinger, in: Schwerpunkte des Kartellrechts 1985/86,21, 65; den., Kartellrechtspraxis 1988/89, S. 31. 2S So ausdriicklich Monopolkommission HG vm 1988/89 Tz. 1019; keine Prüfung von § 1 GWB durch das BKartA z.B. bei folgenden GU-Vorhaben: TB 1987/88, S. 53,58,72, ll1f.; TB 1989/90, S. 71, 72, 83, 109 (Prüfung nach § 1 GWB noch nicht abgeschlossen), ebenso 112; WuW 1990,20, 1020; 1991, 106, 192f., 291.

C. Konkretes Lösungskonzept fiir § 1 GWB als Prüfungsmaßstab

25

Vertragswerk zum Zwecke einer informellen Prüfung vorgelegt und um die Erteilung einer kartell rechtlichen "Unbedenklichkeitsbescheinigung" gebeten wird26 • Zudem reagieren die beteiligten Unternehmen zum Teil vor der Einleitung offizieller Verfahren "freiwillig" auf entsprechende Abmahnungen, indem sie sich zu Vertragsänderungen bereiterklären oder vom Vorhaben ganz Abstand nehmen27 • In der jüngeren obergerichtlichen Rechtsprechung "erfreuen" sich die Ausführungen des "Mischwerke "-Beschlusses durchaus einer gewissen Anziehungskraft28 , woraus für die beteiligten Unternehmen das verstärkte Risiko der zivil rechtlichen Unwirksamkeit der abgeschlossenen Verträge erwächst.

C. Konkretes Lösungskonzept für i 1 GWB als Prüfunasmaßstab f"Ur GU-Sachverhalte

l. Ausgangspunkt: § 1 GlWl als umstrittener Tatbestand

§ 1 GWB ist bekanntlich eine Vorschrift, deren dogmatisches Verständnis bis heute heillos kontrovers geblieben ist29 • Zentraler Erklärungsansatz für die mißverständliche Formulierung und die mangelnde systematische Ausgewogenheit im Verhältnis insbesondere zu den §§ 15ff., 25 GWB ist die Orientierung des damaligen Gesetzgebers am kartellorganisationsrechtlichen Denken der 20er Jahre30 , das heißt dem "Glauben" daran, daß zu verbietende Kartellierung in ganz bestimmten Vertragsformen realisiert wird31 • Insoweit einhellig 26 Dies ergibt sich implizit z.B. aus den Fällen BKartA TB 1987/88, S. 11, 72, 73f.; weitere unveröffentlichte Beispiele finden sich bei Monopolkommission HG vm 1988/89 Tz. 1020, speziell zu F&E-GU; Wenenbruch, BB 1992, 219ff. leitet neuerdings einen Anspruch auf Erteilung eines verbindlichen kartellbehördlichen Negativattests aus Art. 12 I und 20 m GG her.

27 Vgl. BKartA TB 1987/88, S. 54f., 72, 74; soweit das GU bereits gegründet bzw. durch den Erwerb entspr. Anteilspakete installiert worden ist, stellt sich auch hier die Auswirkungsprobiematik!

21 Vgl. insb. die Entscheidungen des OLG Hamm, Frankfurt oben Einleitung S. 13, Fn. 3; allgemeine Auswertung bei Steindorff, BB 1988, Beil. 1 zu H. 8, S. 8ff. 29 Baums, luS 1990,608; MiJschel, in: Wettbewerbspolitikund -recht, 1987,4; Belke, ZHR 143 (1979),74,94, spricht von einem" Auslegungschaos" .

.. Möschel, Wettbewerbsbeschränkungen, S. 101, Rn. 156; ausfiihrlieh K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 19ff; den., Kartellverbot, S. Hff. 31 Vgl. BegrRegE BT-Drucks. W1158, S. 30; MiJschel, Wettbewerbsbeschränkungen,S. 101, Rn. 156, spricht diesbzgl. von der "Beschränktheit dieser rechtsformenorientierten historischen Perspektive" .

26

1. Teil, 1. Kapitel: Beurteilung nach § I GWB

ist demgegenüber heute die Erkenntnis von Kartellrechtspraxis und -wissenschaft, daß Kattellpraktiken im Sinne der Gleichschaltung von Aktionsparametern bei wirtschaftlich und rechtlich selbständigen Wettbewerbern in Verträgen jedweder Art vereinbart werden können32• Die darüber hinaus hingegen weiterbestehenden Kontroversen stellen den eine tatbestandlicbe Prüfung von § 1 GWB im Hinblick auf zu untersuchende Sachverhalte anvisierenden Rechtsanwender vor die Aufgabe, sich einem vertretenen Lösungskonzept anschließen beziehungsweise eventuell ein solches entwickeln zu müssen. Denn Nachvollziehbarkeit des gewonnenen Ergebnisses setzt insoweit in erster Linie auch Transparenz hinsichtlich des wettbewerbsrechtlichen Prüfungsmaßstabes voraus; offengelegt werden muß, welches Konzept zu § 1 GWB generell und welche Definitionen der einzelnen Tatbestandsmerkmale für die vorzunehmende Subsumtion zugrundegelegt werden. Dieses Lösungskonzept ist wiederum Ergebnis der Beschäftigung mit der Frage, welche Streitpunkte für die hier vorzunehmende Prüfung typischer, nach § 1 GWB zu beurteilender GU-Sachverhalte überhaupt relevant sind. Hierzu zählt zunächst einmal eine Stellungnahme zum systematischen Verständnis der §§ 1, 15ff., 2S GWB, das sich auch auf die bei einzelnen Tatbestandsmerkmalen des § 1 GWB bestehenden Probleme auswirkt, zumal die neuere Konzeption gerade am Beispiel des "Demonstrationsobjektes" GU ihre Vorzüge herausstreiche3 • 11. Vertretene Konzeptionen

1. Traditionelle Auffassung Die "traditionelle" Konzeption34 sieht § 1 GWB als Grundtatbestand gegen Kartelle, wobei den einzelnen Tatbestandsmerkmalen bestimmte Abgrenzungsfunktionen zukommen und insofern jeweils Ausgangspunkt für auftauchende

52 Bellce, ZHR 143 (1979),74,76; von Gamm, Kartellrecht, § 1 Rn. 1; den., NJW 1988,1245; Mestmiicker, in: HoppmannIMestmäcker, S. 40; K. Schmidl, BB 1979, 1173, 1174 .

., K. Schmidl, Kartellverbot, S. 157ff., 161; den., AG 1987,333,334.

so Vgl. zu dieser Tenninologie, MiJschel, Wettbewerbsbeschränlrungen, S. 10lf., Rn. 157f.; vertreten durch von Gamm, Kartellrecht, § 1 Rn. 1; Langen, § 1 Rn. 2f., § 25 Rn. 2; Rittner, Wenbewerbsrccht, S. 209f., 215; G. Wiedemann, Gemeinschaftsunternehmen, S. 185f.; J. Wilhelm, ZHR 149 (1985), 444.

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C. Konkretes Lösungskonzept für § 1 GWB als PrüfungsmaßBlab

Rechtsprobleme sind. In der praktischen Rechtsanwendung folgt die Tatbestandsprüfung der vom Gesetzeswortlaut vorgegebenen Abfolge3'. Primärer Ansatzpunkt der wettbewerbsrechtlichen Prüfung ist ein Vertrag. 2. Alternativkonzeption (heute wohl h.M.) Eine von K. Schmidt umfassend ausgebaute Alternativkonzeption die jedenfalls in der neueren Literatur als herrschend zu bezeichnen iSf7, sieht dagegen in §§ 25 I, 1 I GWB ein umfassendes Verbot horizontaler Verhaltenskonzertierung, will also das kartell rechtliche Verbot von einem Vertrag trennen (sogenannte vertragsunabhängige Gegenstandstheorie). Grundtatbestand ist § 25 I GWB; § 1 GWB stellt - insoweit funktionsähnlich mit § 134 BGB - lediglich eine Sanktionsvorschrift dar und belegt im Fall einer vertraglichen Verhaltensabstimmung diesen Vertrag mit zivilrechtlicher UnwirksamkeifB. Vorrangiger Ansatzpunkt der kartell rechtlichen Prüfung des so verstandenen Kartellverbots ist also eine zu ermittelnde horizontale Verhaltensabstimmung. W

W36

,

I11. Fazit und Stellungnahme Von entscheidender Bedeutung für die vorliegende Untersuchung ist die Frage, ob der einer GU-Gründung zugrundeliegende Gesellschaftsvertrag nach § 1 GWB unwirksam sein kann. Zwar betont die neuere Auffassung, daß sich das so verstandene (vertragsunabhängige) Kartellverbot nicht gegen das Kartell beziehungsweise das GU als solches richtet, sondern gegen eine damit verbundene Verhaltensabstimmung seiner Mutterunternehmen usw. Dennoch wird ein Gesellschaftsvertrag oder eine Satzung nicht als ein Vertrag angesehen, der niemals von der Unwirksamkeitssanktion des § 1 GWB erfaßt werden könnte39 • Vielmehr kann auch ein Gesellschaftsvertrag nach § 1 GWB unwirksam

» "Schulmäßig" z.B. KG WuW/E OLG 3417 "Asphaltmischwcrkc". 36 K. Schmidt, Kartellvcrfahrcnsrccht, S. 8ff.; den., Kartellvcrbot, S. 9ff., 51ff.; den., ZHR 142 (1978), 147ff; den, in: FS Robcrt Fischcr, 1979,693, 694f. 37 Zustimmcnd Emmerich, Kartellrccht, S. 49; MlJschel, Wcttbcwcrbsbcschränkungen, U.a. S. l02f., Rn. 158f.; Steindoifl, BB 1977,569; sympathisiercndlmmenga, in: Imrncnga/Meslmäckcr, Einl. Rn. 27, § 1 Rn. 9, § 25 Rn. 6 .

.. K. Schmidt, Kartellverfahrcnsrccht, S. 8ff., 33f.; den., ZHR 142 (1978), 147, 151. ,. In diesem Sinn wird die Konzeption abcr m.E. zum Tcil mißverstanden, vgl. die Formulierung bei Steindoifl, BB 1988, Beil. 1 zu H. 8, S. 20.

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1. Teil, 1. Kapitel: Beurteilung nach § 1 GWB

sein, soweit er zurechenbar die Basis für eine Verhaltensabstimmung darstellto, weil er selbst wettbewerbsbeschränkende Regelungen enthält beziehungsweise im Zusammenwirken mit anderen Vertragsteilen des GU-Gesamtvertragswerks wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen hat4!. Dieses Zurechnungsproblem ist maßgeblich dafür, ob § 1 GWB nur Teile eines Vertrages oder denselben insgesamt erfaßt; Teil- beziehungsweise Gesamtunwirksamkeit sind wiederum die maßgebliche WeichensteIlung für die hier zu erörternde Auswirkungsproblematik. Die Frage, inwieweit eine Satzung (zurechenbar) für festgestellte Verhaltensabstimmungen als Ursache ausgemacht werden kann, stellt sich somit bei beiden Konzeptionen in derselben Schärfe, so daß insoweit keine einen Vorteil hinsichtlich dieses materiellrechtlichen Anwendungsproblems für sich reklamieren kann. Eine andere Frage ist es, ob die neuere Konzeption hilft, eine sachgerechte Erfassung des wettbewerbsgetährdenden Potentials von GU zu ermöglichen42• Ein gewichtiger Fortschritt in der Handhabung des § 1 GWB besteht sicherlich in der Abkehr vom kartellorganisationsrechtlichen Denken und in der Hinwendung zur vertragsformunabhängigen Erfassung horizontaler Verhaltensbindungen zwischen aktuellen und potentiellen Wettbewerbern. Hilfreich ist m.E. aber auch das Verständnis um die Multifunktionalitätdes § 1 GWB, der neben seiner praktisch eher untergeordneten Rolle als Grundvorschrift für die nach den §§ 2-8 GWB legalisierbaren (klassischen) Kartellabsprachen eben vor allem auch alle weiteren, wettbewerbsfunktional gleichstehenden wettbewerbsbeschränkenden Abreden erfassen so1l43. Rittner sieht in dieser Multifunktionalität einen wesentlichen Grund für die Anwendungs-

40

So K. Schmidl, AG 1987,333, 337f., der explizit auf die Auswirlrungsproblematikeingeht.

Besonders deutlich MOschel, Wettbewerbsbeschränlrungen, S. 142, Rn. 221 (der an dieser Stelle die Reichweite und Funktion der Unwirksamkcitssanktion sehr eingehend erörtert, Rn. 220ff.); Steindorff, BB 1979, Beil. 3, S. 6; den., BB 1988, Beil. 1 zu H. 8, S. 20. o.

02 MOschet, Wettbewerbsbeschränlrungen, S. 103, Rn. 159, sieht mit ihrer Hilfe ganz generell die Chance, "die richtigen Fragen zu stellen."

os Rittner, Wirtschaftsrecht, § 15 Rn. 4, S. 278; den., Wettbewerbsrecht, S. 207f.; die erste, inzwischen erfüllte Aufgabe war die Zerschlagung der herkömmlichen Branchenkartelle.

c. Konkretes Lösungskonzept für § 1 GWB als Prüfungsmaßstab

29

probleme des § 1 GWB 44 • Insbesondere kann diese Erkenntnis als Begründung dafür fruchtbar gemacht werden, warum das Gesetz erst die Durchführung (§ 37a I GWB) beziehungsweise das sich Hinwegsetzen über einen nach § 1 unwirksamen Vertrag (§ 38 I Nr. 1 GWB) für verboten erklärt, den zeitlich vorher erfolgenden Vertragsschluß scheinbar nicht. Bei "dieser etwas umständlichen Regelung"4.S hatte der Gesetzgeber nämlich nur die erstgenannte Funktion vor Augen, so daß aus dieser Sicht das Kartellverbot in den §§ 38 I Nr. 1, 1 I GWB normiert is~. Da aber für die praktisch wichtige·Auffangfunktion" die §§ 2-8 GWB in der Regel nicht eingreifen, wirkt § 1 GWB de facto als präventives Kartellverbot, das bereits den Vertragsschluß als solchen mißbilligt1 • Grundlegend ist weiterhin die Trennung zwischen dem wettbewerbsrechtlichen Verbot und den jeweiligen Sanktionen, die in der notwendigen Deutlichkeit von K. Schmidt herausgearbeitet worden ist48 • Sie ermöglicht das Verständnis des GWB als einem Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen, aufgebaut auf Verboten und Sanktionen. Dennoch ist die Einstufung des § 25 I GWB als Grundtatbestand de lege lata nicht begrüDdbar und nicht geboten49 • Vielmehr bestehen für aus horizontaler Verhaltensabstimmung resultierende Wettbewerbsbeschränkungen drei in verschiedenen Vorschriften normierte Verbote mit zum Teil unterschiedlichen SanktionenSO: - § 1 GWB enthält als Grundtatbestand (entsprechend seiner praktischen Bedeutung) das Verbot von Kartellabsprachen aller Art51 ; es wird sank.. Rittner, Wettbewerbsrecht, S. 207 Fn. 6. os Rillner, Wettbewerbsrecht, S. 209; ebenso deutlich Ingo Schmidl, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 155 Fn. 11. Das Kartellverbot sehen in §§ 38 I Nr. I, 1 GWB normiert: BGH WuW/E BGH 1985, 1987 NIW 1984, 2819, 2822 "Familienzeitung"; Immenga, in: ImmengalMestmäcker, § 1 Rn. 5, 14f.; Langen, § 1 Rn. 4; MüUer-Henneberg, in: Gemeinschaftskonunentar, § 1 Rn. 2; instruktiv zum Streit um die das Kartellverbot eigentlich normierende Grundlage, J. Wilhelm, ZHR 149 (1985), 444.

=

46

47 Baums, JuS 1990,608; Rittner, Wettbewerbsrecht, S. 209; dementsprechend für § 1 GWB als Grundlage des Kartellverbots: Wilhelm, ZHR 149 (1985), 444; und auch z.T. der BGH, vgl. etwa BGHZ 96, 69, 77 = WuW/E BGH 2169 "Mischwerke" .

.. Vgl. nur K. Schmidl, Kartellverfahrensrecht, S. 8ff.; den., ZHR 142 (1978),147, 150ff. • 9 von Gamm, Kartellrecht, § 1 Rn. 1; Rittner, Wettbewerbsrecht, S. 209f., G. Wiedemann, Gemeinschaftsunternehmen, S. 185f.; J. Wilhelm, ZHR 149 (1985), 444. >0

Zu diesem pragmatischen Verständnis des Kartellverbots und seiner Umgehungstatbestände,

J. Wilhelm, ZHR 149 (1985), 444, 446; auch von Gamm, Kartellrecht, § 1 Rn. 1.

30

1. Teil, 1. Kapitel: Beurteilung nach § I GWB

tioniert durch die zivilrechtliche Unwirksamkeit nach § 1 GWB, die Untersagungsverfügung des § 37a I GWB sowie die Bußgeldbewehrung in § 38 I Nr. 1 GWB. - § 25 I GWB normiert das Verbot abgestimmten Verhaltens ohne vertragliche Grundlage und ist vom (unbewußten) autonomen Parallelverhalten abzugrenzen52; Sanktionen sind die §§ 37a 11, 38 I Nr. 8 GWB. - Schließlich statuiert § 38 I Nr. 11 GWB ein bußgeldbewehrtes Empfehlungsverbot gegen Umgehungen durch gleichförmiges Verhalten. Unter Berücksichtigung der aufgeführten "Anregungen" der Alternativkonzeption und ihrem Grundanliegen entsprechend kann m.E. die Tatbestandsprüfung von § 1 GWB von einigem Problemballast befreit werden, aber durchaus nach "bewährtem Muster" ablaufen. Denn immerhin ist § 1 GWB lex lata mit insoweit durchaus verbindlichen Vorgaben für den RechtsanwenderJ •

N. Tatbestandsmerlanale von § 1 GWB 1. Vertrag zwischen Unternehmen

Der Vertragsbegriff in § 1 GWB war vor Einführung des Verbots abgestimmter Verhaltensweisen mit Abgrenzungsaufgaben belastet und deshalb überaus umstritten54 • Seit Einführung des § 25 I GWB verläuft die "Tren-

" Diese Sicht findet sich auch bei MiJschel, grds. einem Vertreter der Alternativkonzeption, in: Wettbewerbspolitik und -recht, 1987,3,4, wo er einen Refonnvorschlag für § 1 GWB macht, der wiederum an "Verträge zwischen Unternehmen ... " anknüpft. n Vgl. zu dieser seit Einführung des § 25 GWB jetzt vorrangigen Problematik Rittner, Wettbewerbsrecht, S. 216; die insg. geringe praktische Bedeutung der Vorschrift wird durch die geringe Anzahl von Untersagungs- bzw. Bußgeldverfahren dokumentiert, die wegen Verstoßes gegen das Abstimrnungsverbotbeim BKartA anhängig sind, vgl. BKartA TB 1987/88, S. 128; TB 1989190, S. 138: jeweils I Verfahren im Berichtszeitraum! " Bedenken hins. der Gesetzeskonfonnität der Alternativkonzeption äußern Rittner, Wettbewerbsrecht, S. 210; J. Wilhelm, ZHR 150 (1986), 320, 329; ohnehin ist die Verwendung eines Prüfungsschemas nach der "reinen" vertragsunabhängigenGegenstandstheorie in der Praxis bisher nicht zu bemerken. Zu prüfen wäre eine horizontale Vemaltensabstimrnung, die zu spürbaren Wettbewerbsbeschränkungen führt, § 25 I GWB; dann wäre zu fragen, ob dies zurechenbar auf einen Vertrag zurückgeht, den die Sanktion des § I GWB zu trefTen hat. S< Immenga, in: ImrnengalMestmäcker, § I Rn. 109fT.; Langen, § 1 Rn. 23fT.; Lukes, KarteIlvertrag, S. 253fT. zur Problematik der Willensübereinkunft; MiJschel, Wettbewerbsbeschränkungen, S. 104, Rn. 160f.; Maller-Uri, Kartellrecht, S. 43fT.

C. Konkretes Lösungskonzept für § 1 GWB als Prüfun,smaßstab

31

nungslinie" zwischen kartell rechtlich verbotener Verhaltensabstimmung und erlaubtem autonomem Parallelverhalten der Unternehmen~~, so daß der Vertrag im Sinne von § 1 GWB unproblematisch als Schuldvertrag verstanden werden kannS6• Erfaßt werden soll jede vertragliche Abstimmung von Aktionsparametern bei Wettbewerbern. Der Unternehmensbegriff ist gemäß der Prämisse, ein möglichst weitreichendes und effektives Kartellverbot zu garantieren, weit und funktional auszulegen~7. Zweck des GWB ist es, den Wettbewerb im gesamten Bereich der Wirtschaft umfassend zu schützen. Dementsprechend hat der Unternehmensbegriff die Funktion, die Sphäre des privaten Verbrauchs sowie den hoheitlichen Tätigkeitsbereich des Staates und seiner Gliederung von der Gesetzesanwendung auszuklammern. Für die Annahme eines Unternehmens im Sinne des § 1 GWB genügt jede selbständige, nicht rein private und außerhalb des Erwerbslebens liegende Tätigkeit einer Person in der Erzeugung oder Verteilung von Waren oder gewerblichen Leistungen~. 2. Gemeinsamer Zweck Einig ist man sich über die Funktion dieses Tatbestandsmerkmals, "Kartellverträge" im Sinne von § 1 GWB von den Austausch- beziehungsweise Individualverträgen der §§ 15ff., insbesondere 18 GWB abzugrenzenS9 • Mit Blick auf die durchaus als ambivalent eingestuften Wirkungen vertikaler Beschränkungen ist eine Trennung zwischen Kartell- und Austauschverträgen auch prinzipiell sinnvolfO. Als wenig tauglich hat sich dagegen das Unterscheidungs-

"Vgl. Emmerich, Kartcllrecht, S. 49; Rittner, Wettbewerbsrecht, S. 217. '" Einschränkungen können sich allenfalls aus dem Tatbestandsmerkmal des gemeinsamen Zwecks ergeben. 57 Vgl. nur BGHZ 36, 91, 103 :: WuW 1962,284:: WuW/E BGH 442, 449 "Gummistrümpfe"; Emmerich, Kartcllrecht, S. 34; von Gamm, Ksrtcllrecht, § 1 Rn. 8, 12; Maller-Henneberg, in: Gemeinschaftskommentar, § 1 Rn. 5ff. II Vgl. etwa BGH aaO; BGHZ 67,81,84; 69, 59, 60; WuW/E BGH 1474, 1477 "Architektenkammer"; Fuchs, Kartcllvertrag, S. 11; von Gamm, Kartcllrecht, § 1 Rn. 8 mwN; zu Einzelheiten Immenga, in: ImmengalMestmäcker, § 1 Rn. 34ff.

" Deutlich jüngst Niederleithinger, in: FS Benisch, 1989,277, 284f. unter Einbeziehung der Regierungsbegründung zum GWB; Ritmer, Wirtschaftsrecht, § 15 Rn. 21, S. 285; ders., Wettbewerbsrecht, S. 217f. .. Emmerich, Ksrtcllrecht, S. 55.

32

1. Teil, 1. Kapitel: Beurteilung nach § I GWB

kriterium des gemeinsamen Zwecks erwiesen, was durch die offensichtlichen Anwendungsprobleme der Praxis61 sowie generell durch eine Vielzahl von Versuchen in der Lehre dokumentiert wird, dem Merkmal einen subsumtionsfähigen Inhalt zu geben62 • Der Streit um die sinnvolle Ausfüllung des Merkmals hatte für die Beurteilung (kooperativer) GU in der Vergangenheit keine Bedeutung63 ; für die allenfalls relevante Abgrenzung der Anwendungsbereiche der §§ 1 und 23ff. GWB wird der gemeinsame Zweck in aller Regel nicht als Lösungsansatz instrumentalisiert64 • Auch die methodisch nachvollziehbare Untersuchung von an sich hinsichtlich des gemeinsamen Zwecks unproblematischen Sachverhaltsgestaltungen erfordert aber "unglücklicherweise", dem Merkmal einen subsumtionstähigen Inhalt geben zu müssen, der zudem eine insgesamt widerspruchsfreie und in sich sinnvolle Tatbestandsprüfung des § 1 GWB ermöglicht. Dies erscheint bei Zugrundelegung einer gebräuchlichen Formulierung der heute wohl herrschenden Auffassung, der sich neuerdings auch der BGH angeschlossen zu haben scheint, aber nicht möglich. Danach ist ein gemeinsamer Zweck zu bejahen, wenn sich die Vertragsbeteiligten als aktuelle oder potentielle Wettbewerber gegenüberstehen und durch die Vereinbarung den Wettbewerb untereinander

61 Vgl. hierzu die Analyse der Entwicklung in der Rechtsprechung, Mederleilhinger, in: FS Benisch, 1989, 277ff.

.. Vgl. nur K. Schmidt, Kartellverbot, S. 55ff.; Schwarz, Kartellvertrag und sonstige wettbewerbsbeschränkende Verträge, S. 69ff., 94; J. Wilhelm, ZHR 150 (1986), 320, 352; ders., ZHR 150 (1986), 434, 445; Lenz, Personenverbände - Verbandspersonen - Kartellverträge, S. 345ff., 360; Baums, JuS 1990,608,610; Fuchs, Kartellvertrag, S. 24. " So Gansweid, Gemeinsame Tochtergesellschaften, S. 246; G. Wiedemann, Gemeinschaftsunternehmen, S. 173f.. Dies lag aber v.a. an der heute als überholt geltenden Orientierung an § 705 BGB, was eine exemplarische Analyse der "klassischen" Fälle der BGH-Praxis zeigt, in denen das Merkmal zumeist problemlos bejaht wird. An der im Laufe der Zeit höchst unterschiedlichen Begründung zeigt sich auch die Entwicklung in der Rechtsprechung; vgl. nur BGHZ 65, 30, 33 = NJW 1975, 1837, 1838 "ZVN" : der gemeinsame Zweck wird mit dem Unternehmensgegenstand des Gesellschaftsvertrages gleichgesetzt, d.h. bejaht, weil ein Gesellschaftsvertrag zu beurteilen war; WuWIE BGH 190 I, 1903 "Transportbeton-Vertrieb 11": "Errichtung der Vertriebsgesellschaft diente dem gemeinsamen Zweck, ... Wettbewerb zwischen den Gesellschafterunternehmen auszuschließen"; BGHZ 96,69,87 = WuW/E BGH 2!69, 2174f. "Mischwerke": gemeinsamer Zweck liegt in der Koordinierung gegensätzlicher Interessen; ebenso WuW/E BGH 2675, 2678 "Nassau ische Landeszeitung"; nicht auszuschließen ist, daß der BGH auch heute noch für di~ Annahme eines gemeinsamen Zwecks allein auf das Vorliegen eines Gesellschaftsvertrag abstellt, vgl. implizit WuW/E BGH 2285, 2287 "Spielkarten"; so auch Mederleilhinger, in: FS Benisch, 1989, 277,283 . .. Anders aber J. Wilhelm, WuW 1987,965, 971ff.

C. Konkretes Lösungskonzcpt für § 1 GWB als Prüfungsmaßstab

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(horizontal) ein- oder wechselseitig beschränken6S • Problematisch ist an dieser Definition, daß nicht einsichtig ist, welche selbständige Funktion das Merkmal der Wettbewerbsbeschränkung noch hat, wenn diese bereits im Rahmen des gemeinsamen Zwecks zu prüfen ist66 • Hier werden vielmehr in einer Art Gesamtbetrachtung mehrere Tatbestandsmerkmale zusammen geprüft; dies wird der eigenständigen Abgrenzungsfunktion, die der Gesetzgeber als verbindliche Vorgabe dem Merkmal des gemeinsamen Zwecks beigemessen hat, jedoch nicht gerecht. Vorzugswürdig ist es demgegenüber, mit dem gemeinsamen Zweck ausschließlich die Horizontalität der beteiligten Vertragspartner "abzuprüfen", das heißt zu fragen, ob zwischen den Beteiligten aktueller oder zumindest potentieller Wettbewerb besteht, und der Vertrag dazu bestimmt und geeignet ist, diesbezüglich unmittelbare oder mittelbare Regelungen zu treffen67 • Damit kann das Merkmal bei entsprechend stringenter Fassung der Voraussetzungen des potentiellen Wettbewerbs68 die ihm zugedachte Abgrenzungsfunktion durchaus erfüllen69 • Begründung dafür, daß bei Fehlen eines Wettbewerbsverhältnisses eine weitere Prüfung von § 1 GWB ausscheidet, ist, daß den nach den §§ 1S ff., insbesondere 18 GWB zu beurteilenden Verträgen typischerweise Absatzbeziehungen, nicht aber Wettbewerbsverhältnisse zugrundeliegeniO • Umgekehrt wird es ohne solche Absatzbeziehungen zu vertraglichen Regelungen über

t5.S So, mit dem Erfordernis der Wettbewerbsbeschränlrungbereits beim gemeinsamen Zweck, K. Schmidl, Ksrtellverbot, S. 57; Möschel, Wettbewerbsbeschränlrungen,S. 112, Rn. 175; Steindorff, BB 1977,569,570; von Gamm, Ksrtellrecht, § 1 Rn. 26; ders., NIW 1988, 1245, 1246; Fuchs, Ksrtellvertrag, S. 23; BGH WuW/E BGH 2285, 2287 "Spielkarten".

156

Hierauf verweist auch Baums, JuS 1990,608,612.

So Emmerich, Ksrtellrecht, S. 56f. (unter Verweis auf § 20 IV GWB); auch K. Schmidt, ZHR 149 (1985), 1,6 (insoweit klarer formuliert); U~r, NIW 1982, 1275f.; diesem Verständnis des gemeinsamen Zwecks entspricht auch der Reformvorschlag zu § 1 GWB bei Möschel, in: Wettbewerbspolitik und -recht, 1987,3,4. 67

61 Potentieller Wettbewerb ist anzunehmen, wenn die ,Parteien zwar nicht in aktuellem Wettbewerb stehen, aber nach kaufmännisch vernünftiger Betrachtungsweise die Möglichkeit besteht, daß sie in Wettbewerb zueinander treten (z.B. bei Marktnähe der zu beurteilenden Produkte); eingehend Immenga, DB 1984, 385, 387ff.; kritisch zur Berücksichtigung subjektiver Elemente Maasch, ZHR 150 (1986), 657, 672ff., 677. Aktueller Wettbewerb besteht zwischen den Parteien dann, wenn sie sich hins. des von ihnen hergestellten oder vertriebenen Produkts oder der von ihnen erbrachten Dienstleistung an denselben Abnehmerkrcis wenden. 69 Für einen "Rest" an Überschneidungsfällen wird sicherlich die Immanenztheorie bemüht werden müssen; kritisch dagegen Baums, JuS 1990,608,612.

70

K. Schmidl, Ksrtellverbot, S. 59; Steindortf, BB 1977,569,570.

3 Senner

34

1. Teil, 1. Kapitel: Beurteilung nach § 1 GWB

das Verhalten der Beteiligten am Markt in der Regel nur bei bestehendem Wettbewerb kommen71.

3. Wettbewerbsbeschränkung Die Einordnung des Tatbestandsmerkmals im Hinblick auf seine Bedeutung beziehungsweise überhaupt selbständige Funktion ist nicht einheitlich72 • Aus der wettbewerbspolitischen Stoßrichtung des § 1 GWB als einer Marktverhaltenskontrolle ergibt sich, daß unter einer Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von § 1 I GWB, jedenfalls in erster Linie, künstliche Beschränkungen der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit der Unternehmen am Markt zu verstehen sind. Voraussetzung ist demnach, daß sich die an der Kartellabsprache Beteiligten durch Vertrag im Gebrauch ihrer Aktionsparameter im Wettbewerb beschränken73. Gerade für die Beurteilung von GU-Sachverhalten bietet dieses Tatbestandsmerkmal in teleologischer Interpretation die Möglichkeit, auch prokompetitive Wirkungen zu becücksichtigen74• Das genaue Herausarbeiten typischer Beschränkungen bleibt der konkreten Anwendung des § 1 GWB vorbehalten. Im übrigen ist auch die Behandlung dieses Tatbestandsmerkmals Beleg dafür, daß die "Grundsatzgefechte" zu § 1 GWB insoweit wenig zur Behebung materiellrechtlicher Anwendungsprobleme beitragen. 4. Eignung zur Marktbeeinflussung Das Merkmal dient der Ausgrenzung von Bagatellfällen unterhalb einer Spürbarkeitsgrenze7s • Die Feststellung, ob die Außenwirkungen der Verhal71

Niederleithinger, in: FS Benisch, 1989,277,290.

vgl. Emmerich, Kartellrecht, S. 59 "zentrales Tatbestsndsmerkmal"; ebenso SteindorjJ, BB 1988, Beil. 1 zu H. 8, S. 19; den., in FS Benisch, 1989,255,256; dagegenJ. Wilhelm, ZUR 150 (1986),434,435; ders., WuW 1987,965,971; Baums, JuS 1990,608. 72

,. Emmerich, Kartellrecht, S. 60; von Gamm, Kartellrecht, § 1 Rn. 42; ausführlich [mmenga, in: ImmengalMestmäcker, § 1 Rn. 224ff.; Langen, § 1 Rn. 77ff.; umstritten ist hingegen, ob § 1 GWB auch die vertragliche Beschränkung der wettbewerblichen Handlungsfreiheit Dritter erfaßt, vgl. Emmerich, Kartellrecht, S. 60f. mwN; instruktiv J. Wilhelm, ZUR 150 (1986), 434, 438f., 445ff. 74

SteindorjJ, BB 1988, Beil. 1 zu H. 8, S. 16ff.; den., in: FS Benisch, 1989,255,265.

7' Dazu Holtschneider, WuW 1980, 99ff.; Maasch, ZUR 150 (1986), 657, 678ff.; Langen, § 1

Rn. 56ff.; auch BGHZ 68, 6, 1Off.

= NJW 1977, 804f. "Fertigbeton" .

c. Konkretes Lösungskonzept für § 1 GWB als Prüfungsmaßstab

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tensabreden keine am Markt spürbaren Auswirkungen auf die Freiheit wettbewerblicher Betätigung zeitigen, ist eine Frage des Einzelfalls und wirft für die Beurteilung von GU keine besonderen Probleme au(16. 5. Verhältnis von Wettbewerbsbeschränkung und Vertrag (Zurechnung) Auch das vom kartellorganisationsrechtlichen Denkansatz befreite Kartellvertragsverbot des § 1 GWB nach der Alternativkonzeption kann im wesentlichen keine neuen befriedigenderen Ansätze zur Ermittlung des vom Gesetz geforderten Zurechnungszusammenhangs zwischen der festgestellten horizontalen Verhaltenskonzertierung und der möglichen vertraglichen Grundlage liefern. An dieser Stelle bleiben daher dieselben Grundsätze diskutabel, wie sie die klassische Konzeption im Streit um Gegenstands-, Zweck- und Folgetheorie herausgearbeitet hatTI. Kann der Zurechnungszusammenhang nicht bejaht werden, sind die zu beurteilenden vertraglichen Absprachen nicht Grundlage der wettbewerbsbeschränkenden Verhaltenskonzertierung; der Kartellvertragsverbotstatbestand des § 1 GWB greift nicht ein, vielmehr ist die Anwendbarkeit des (nichtvertraglichen) Abstimmungsverbotes des § 25 I GWB zu prüfen. Aus Sicht der hier vertretenen Normierung des Kartellverbots (im weiteren Sinn) in mehreren Verbotstatbeständen18 ist die Entscheidung der Zurechnungsfrage durchaus maßgeblich für die Reichweite des Verbotstatbestandes § 1 GWB (als Kartellvertragsverbot)79. Die Herausarbeitung der Zurechnungsvoraussetzungen hat sich vornehmlich an einem kartellrechtlich-funktionalen Verständnis des ganzen Tatbestandes zu

7. Hier wird wie bei der Marktstrukturpriifung Zusammenschlußkontrolle mit einer Marktabgrenzung nach dem Bedarfsmarktkonzept gearbeitet, vgl. von Gamm, Kartellrecht, § 1 Rn. 41; MUller-Henneberg, in: Gemeinschaftskommentar, § I Rn. 91ff. 77

Insoweit am deutlichsten, Möschel, Wenbewerbsbeschränkungen,Rn. 219, S. 141.

7.

Siehe oben C 111, S. 29f.

79 AA Möschel, Wenbewerbsbeschränkungen,S. 116f., Rn. 184, der entspr. dem GedankenK. Schmidts von einem einheitlichen Verbotstatbestand der horizontalen Verhaltensabstimmung gem. §§ 25 I, 1 I GWB ausgeht; konsequenterweise ist die Frage der Zurechnung dann lediglich relevant dafür, ob die Unwirksamkeitssanktioneingreift. Mit demselben Ansatz wie hier aber Möschel, in: Wettbewerbspolitik und -recht, 1987, 3, 4, bei seinem Reformvorschlag für § 1 GWB; auch Emmerich, Kartellrecht, S. 63.

36

1. Tcil, 1. Kapitel: Beurteilung nach § 1 GWB

orientierenllO • Selbstverständlich immer noch ausreichend und dementsprechend unproblematisch - aber eben nicht Voraussetzung für eine Zurechnung ist die ausdrückliche Vereinbarung als wettbewerbsbeschränkend eingestufter Verpflichtungen. Grundsätzlich ist bei einer Umschreibung der Tatbestandsvoraussetzung zu berücksichtigen, daß es sich vorwiegend um ein Problem der Beweisführung etwa für die eingreifenden Kartellbehörden handelt. Instrument kann - wie bei der Entscheidung aller Kausalitätsfragen - lediglich eine wertende Gesamtbetrachtung sein, die sich auf nachvollziehbare subjektive wie objektive Kriterien stützt; grundlegend für die heute herrschende Meinung war die "ZVN"-Entscheidung des BG~I. In etwas konkretisierter Formulierung ist maßgeblich, daß die zu beurteilende Vertragsgestaltung angesichts der konkreten Marktverhältnisse zu einer Marktbeeinflussung durch Wettbewerbsbeschränkung führen kann und die Beteiligten sich hierüber einig sind; dabei ist als Indiz auf ihr zu erwartendes kaufmännisch vernünftiges Verhalten abzustellen82• In erster Linie ist danach an die von den Parteien gemeinsam verfolgten Zwecke anzuknüpfen; zu fragen ist also, was sie bei Vertragsschluß mit der entsprechenden Vereinbarung bezweckt haben. Für die Ermittlung dieses subjektiven Kriteriums sind die vermutlichen (objektiven) Wirkungen der vertraglich vereinbarten Verhaltensabstimmung häufig ein wichtiges Indiz, da rational handelnde Unternehmen, die die Marktverhältnisse stets genau kennen, die Wirkungen ihres Verhaltens (hier Vertragsschlusses) berücksichtigen und anstreben83 • Soweit man sich über die Methode dieser kartellrechtsfunktionalen, wertenden Gesamtbetrachtung für die Herausarbeitung des Zurechnungszusammenhangs einig ist, erscheint die hierfür bemühte Terminologie zwei trangigll4 • Dieser Ansatz ermöglicht eine wirtschaftlich realistische Betrachtungs-

.. von Gamm, Kartellrecht, § 1 Rn. 41; Rill1ler, Wettbewcrbsrecht, S. 212. 11

BGHZ 65,30 = NIW 1975, 1837 = WuWIE BGH 1367 "ZVN".

BGHZ 65, 30, 39f. = NIW 1837, 1840 "ZVN"; BGHZ 96, 69, 83 = WuW/E BGH 2169, 2172 "Mischwerke"; von Gamm, Kartellrecht, § 1 Rn. 29,31; Steindorff, BB 1988, Beil. 1 zu H. 8, S. 20; ähnlich K. Schmidt, ZHR 139 (1978), 147, 167; zustimmend Ulmer, WuW 1979,433, 443, für dasselbe Problem bei Art. 85 I EWGV . 12

.. Emmerich, Kartellrccht, S. 64 . .. G. WiedemQ1lll, Gcmcinschaftsuntemehmen, S. 176f., spricht vom "Rationalitätsprinzip"; nicht immer explizit verwendct wird der Terminus der sog. "cingeschränkten Folgetheorie" für Bestrebungcn, die Folgctheoric durch das Urtcil adäquater Kausalität objektiv einzuschränken, vgl. Baur, Mißbrauch, S. 128f.; ders., JZ 1978, 586, 590; Köhler, Wettbewerbsbeschränkungendurch Nachfrager, 1977, S. 98f.; K. Schmidl, ZHR 139 (1978), 147, 167; Steindorff, BB 1970, 824, 828; ausführlich Immenga, in: ImmengalMestmäcker, § 1 Rn. 283ff., insb. Rn. 307; damit wird

D. Anwendung von § 1 GWB alifkooperative GU-Sachverhalte

37

weise und stellt einen wettbewerbspolitisch vertretbaren Kompromiß zwischen Wettbewerbsschutz und Rechtssicherheit dar. Das "kaufmännisch vernünftige Verhalten" steht der weiteren Verfeinerung als Basis für die Herausarbeitung weiterer Hilfsindizien durchaus offen, mit denen sich die Zurechnungsfrage in Problemfällen lösen läßtIS.

D. AnweodUDg von i 1 GWH auf "typische" kooperative GU-Sachverbalte

l. Vorbemerkung An dieser Stelle ist eine umfassende tatbestandliche Prüfung aller nur denkbaren, nach § 1 GWB eventuell problematischen GU-Sachverhalte weder beabsichtigt noch möglich. Dem steht zum einen die nahezu unbegrenzte Vielfalt hinsichtlich Einsatzmöglichkeiten und Ausgestaltungspotential von GU als Parameter von Unternehmensstrategien entgegen, die eine katalogähnliche (rechtstatsächliche) Erfassung, die zudem der ständig zu beobachtenden Innovation auf diesem Sektor Rechnung tragen müßte, kaum zulassen86 • Zum anderen soll die wettbewerbsrechtliche Beurteilung nach § 1 GWB für die vorliegende Untersuchung lediglich als Arbeitsgrundlage für die sachgerechte Erfassung der Auswirkungsproblematik dienen81 •

Auf der anderen Seite stehen (auch) Gerichtsentscheidungen zur Diskussion, die - sicherlich aus praktischen Notwendigkeiten und Zwängen heraus - in doch recht pauschaler Art und Weise Sachverhalte einzelnen "herausgepickten"

man in der Sache zum selben Ergebnis kommen: nur was objektiv vorhersehbar ist, wird bei kaufmännisch vernünftigem Verhalten angestrebt werden. os So evtl. auch bei GU; G. Wiedemann, Gemeinschaftsunternehmen,S. 176 Fn. 22, 23, weist darauf hin, daß der BGH das Kriterium auch bereits bei anderen GWB-Normen zur Beurteilung unternehmerischer Maßnahmen eingesetzt hat. 115 Vgl. OECD, Wettbewerbspolitik und GU, S. 5ff., 15ff. ausführlich zu den unterschiedlichen Arten von GU sowie den betriebswirtschaftlichen Gründen für eine GU-Gründung; auch Benisch, Kooperationsfibel, S. 274ff.; lliopoulos, GU im EGKS- und EWG-Kartellrecht, S. 222ff. kritisch gegenüber einer möglichen (dauerhaften) Kategorisicrung in kooperative oder konzentrative GU.

n Zur vertieften Erörterung wird bereits vorab auf die einschlägige Spezialliteratur verwiesen, die sich vorrangig auf die wettbewerbsrechtliche Beurteilung nach § 1 GWB konzentriert: Gansweid, Gemeinsame Tochtergesellschaften, S. 345ff.; G. Wiedemann, Gemeinschaftsunternehmen, S. 173ff.; SteindoTff, BB 1988, Beil. 1 zu H. 8, S. 12ff.; MonopolkommissionHG vm 1988/89 Tz. 1017ff. zu F&E-GU, zusammenfassend Tz. 1096ff.

38

1. Teil, 1. Kapitel: Beurteilung nach § 1 GWB

BGH-Formeln untelWerfen und SO ZU einfachen, logisch klingenden Ergebnissen gelangenD. Hieraus elWächst der Anspruch an eine rechtswissenschaftliche Arbeit, zumindest die problematischen Tatbestandsmerkmale von § 1 GWB bei im Zusammenhang mit GU auftretenden charakteristischen Wettbewerbsbeschriinkungen so genau herauszuarbeiten, daß den aus rechtsstaatlicher Sicht an ein präventives Verbot zu stellenden Anforderungen Genüge getan ist. Der notwendige Kompromiß zwischen umfassender Einzelfallbetrachtung und der aus Sicht der Investitionsentscheidungen treffenden Wirtschaftssubjekte zu fordernden Rechtssicherheit89 liegt in der Herausarbeitung von Fallgruppen auf der Basis veröffentlichter Kasuistik und Stellungnahmen von Kartellbehörden und Gerichten!lO. Die mit Blick auf die bei üblichen Betrachtungsweisen velWendeten Kriterien91 sicherlich als atypisch zu bewertende Einteilung der GU-Sachverhalte ist maßgeblich beeinflußt von der notwendigen Eignung für die Behandlung der zivil- und gesellschaftsrechtlichen Auswirkungen auf betroffene Rechtsträger. In eigenen Gliederungspunkten werden im folgenden lediglich die Tatbestandsmerkmale des § 1 GWB einer näheren differenzierten Prüfung unterzogen, die einer gewissen "Kategorisierung" überhaupt zugänglich sind. Problematisch und ergiebig zugleich erscheinen unter diesem Aspekt die Fragen, worin die jeweils genau herauszuarbeitende Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von § 1 GWB besteht, welchem zugrundeliegenden Vertrag beziehungsweise Vertragsteil dieselbe zugerechnet werden kann und - eng damit verknüpft -, ob die unmittelbare Rechtsfolge der Unwirksamkeitssanktion des § 1 GWB die Teil- oder Gesamtunwirksamkeit betroffener Gesellschaftsverträge und Satzungen zur Folge hat. Die Eignung zur Marktbeeinflussung ist ein stark

a Vgl. OLG Hamm WuW/E OLG 4033, 4036 "Gemeinaamer Zeitungsverlag"; das BKartA hane hingegen in seiner Stellungnahme keine kartellrechtlichen Bedenken im Hinblick auf § 1 GWB gesehen, vgl. am Ende des Sachvemalts, WuWIE OLG 4034 .

.. Hierru instruktiv K. Schmidt, AG 1987,333; ferner OECD, Wettbewerbspolitik und GU, S. 117 Nr. 315 . .. In dieser Quellenabhängigkeit liegt sicherlich ein Manko im Hinblick auf die Ermittlung der rechtstalsächlichen Bedeutung und Ausgestaltung von GU; da aber quasi lediglich Basisdaten rur die Behandlung der Auswirkungsproblematik benötigt werden, erscheint dies hinnehmbar; vgl. Gansweid, Gemeinaame Tochtergesellschaften, S. 17, der bei Unternehmen eine entsprechende Umfrage gestartet hat. tI Vgl. etwa Gansweid, Gemeinaame Tochtergesellschaften, S. 260ff.: vertikale, horizontale GU; G. Wiedemann, Gemeinschaftsunternehmen, S. SOff.: GU mit Voll- und Teilfunktionen.

D. Anwendung von § 1 GWB auf kooperative GU-Sachvemalte

39

von den jeweiligen Marktgegebenheiten im Einzelfall abhängiges Tatbestandsmerkmal, so daß insoweit verallgemeinernde Ausführungen wenig hilfreich erscheinen92 • 11. "Gemeinsamer Zweck" im Sinne eines (aktuellen oder potentiellen) Wettbewerbsverhilltnisses

Nach dem oben näher dargelegten Verständnis des gemeinsamen Zwecks soll das Merkmal die Sachverhalte "herausfiltern ", bei denen das zu beurteilende Vertragswerk beziehungsweise einzelne vertragliche Verpflichtungen nicht das Wettbewerbsverhältnis von aktuellen oder potentiellen Wettbewerbern betreffen oder dafür Regelungen treffen wollen. Bei der Errichtung einer gemeinsamen Tochtergesellschaft auf entsprechender vertraglicher Grundlage ist daher zu prüfen, ob sich die Mütter untereinander oder die Mütter im Verhältnis zum GU als aktuelle oder potentielle Wettbewerber gegenüberstehen. Dies ist bei GU, deren Tätigkeitsbereich auf derselben Produktionsstufe wie derjenige der Mütter angesiedelt ist (horizontale GU), problemlos zu bejahen; insoweit besteht aktueller Wettbewerb zwischen den Gründern und zwischen dem GU und den Gründern. Das Vertragswerk ist zu einem "gemeinsamen Zweck" geschlossen und die Prüfung der weiteren Tatbestandsmerkmale von § 1 GWB eröffnet93 • Soweit das GU im Verhältnis zu seinen Gesellschaftern auf einer vor- (als Lieferant oder als Hersteller eines Vorproduktes) oder nachgelagerten (als Abnehmer) Stufe tätig wird (vertikales GU), stehen die Gründergesellschafter in aller Regel in aktuellem Wettbewerb. Betriebswirtschaftlicher Hintergrund

.. Wobei dem Tatbestandsmerkmal durchaus große Bedeutung für die endgültige kartellrechtliche Beurteilung zukommt; vgl. von Gamm, AG 1987, 329, 332, sieht hierin ein einen wichtigen Ansatzpunkt zur großzügigen Beurteilung von GU; exemplarisch auch die Zurückweisung in BGH WuW/E BGH 2285, 2288 "Spielkarten" u.a. wegen unzureichender Tatsachenfeststellungzu dieser Tatbestandsvoraussetzung . •s Ob bestimmte Regelungen z.B. im Gesellschaftsvertrag, die das Vemältnis zwischen dem GU und den Gesellschaftern tangieren, als sog. "konzerninterne" Vereinbarungen einer kartellrechtlichen Prüfung nach Wettbewemsbeschränkungeni.S.v. § 1 GWB entzogen bleiben sollen, ist eine beim Tatbestandsmerkmal Wettbewemsbeschränkung anzusprechende Fragestellung; dort ist zu entscheiden, ob für diese Regelungen die Immanenztheorie fruchtbar gemacht werden kann (dazu sogleich unten).

40

1. Teil, 1. Kapitel: Beurteilung nach § 1 GWB

dieser kartellrechtlich besonders problematischen Konstellationen sindja gerade die Vereinheitlichung von Teilfunktionen wie Einkauf oder Vertrieb aus RationalisierungsgfÜnden etc. \14. Steht die Tätigkeit des GU in keiner unmittelbaren Beziehung zu den Wirtschafts- und Tätigkeitsbereichen der Gesellschafter (konglomerates GU), hängt die Anwendbarkeit des § 1 GWB davon ab, ob diese auf Drittmärkten aktuelle oder potentielle Wettbewerber sind, wobei insbesondere letztere Voraussetzung Anwendungsprobleme aufwirft. Besteht kein aktuelles oder potentielles Wettbewerbsverhältnis zwischen den Muttergesellschaften oder zwischen letzteren und dem GU, ist der "gemeinsame Zweck" im so verstandenen Sinn zu verneinen; für eine Anwendung des Kartellverbots ist kein Raum9S • Denn das Kartellvertragsverbot des § 1 GWB will entsprechend seiner wettbewerbspolitischen Zielsetzung vertragliche Verhaltensbindungen von Wettbewerbern bezüglich ihrer Aktionsparameter wegen der wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen auf Marktteilnehmer vor- oder nachgeordneter Wirtschaftsstufen und auf Konkurrenten erfassen; fehlt es aber an einem Wettbewerbsverhältnis zwischen den Vertragsbeteiligten, kann die vertragliche Regelung diesbezüglich auch keine Verhaltenskoordinierung anstreben96• Hier kann jedoch der Anwendungsbereich anderer Kartellrechtsvorschriften eröffnet sein. Mit dem so ausgefüllten und angewendeten Merkmal

.. Mit dem Wettbewerbsvemältnis zwischen den Griindergesellschaftem kann die Anwendbarkeit von § 1 GWB einheitlich nach seiner wettbewerbspolitischen Zielsetzung gerade auch in allen "klassischen" GU-Fällen der Praxis bestätigt werden, so in BGHZ 65, 30 = WuW/E 1367 "ZVN"; WuWIE BGH 1901 "Transportbeton-Vertrieb U"; BGHZ 96, 69 = WuW/E BGH 2169 "Mischwerke"; BKartA WuW/E BKartA 2117 "AraI"; WuW/E BKartA 2143 "Glasfaserkabel". 9S Dies entspricht der Sache nach dem Vorgehen dea BKartA, das sich nach Aufgabe seiner Verwaltungsgrundsätze zu GU de facto an einem nicht gern. § 50 I 3 GWB veröffentlichten, deshalb nicht verbindlichen Neuentwurfvom Okt. 1986 orientiert (dazu bereits oben S. 12 mwN); abgedruckt in: Gemeinschaftsuntemehmen, FIW H. 122, S. 54f. (dort Nr. 2!); vgl. SIOc1cnuuua, WuW 1988,269,273; auch Mederleithinger, in: Schwerpunkte 1985/86,21,64; ders., KarteIlrechtspraxis 1988/89, S. 33f.; vgl. aus der Amtspraxis BKartA TB 1985/86, S. 64; TB 1987/88, S. 72; WuW 1990,20; auch bereits BKartA, OB 1977,2176; ebenso Ulmer, WuW 1979,433, 434 zu Art. 85 EWGV .

.. Mit dieser Überlegung als einer Art Grundvoraussetzung für die Anwendung von § 1 GWB operieren auch KJeinmann/BechlolJ, Einl. Rn. 126ff. sowie Steindotff, BB 1988, Beil. 1 zu H. 8, S. 17f., die bestimmte Fallkonstellationen herausarbeiten, in denen § 1 GWB nicht zur Anwendung kommen kann, weil ea eben am Wettbewerbsvemältnis fehlt. Dogmatisch "sauber" läßt sich dies bereits beim so verstandenen Merkmal dea gemeinsamen Zwecks unterbringen.

D. Anwendung von § 1 GWB auf kooperative GU-Sachverhalte

41

des "gemeinsamen Zwecks" lassen sich dieselben sachlichen Ergebnisse wie in der bisherigen Praxis97 erreichen, dies hingegen mit einheitlicher und damit transparenter Begründung und im Einklang mit der Dogmatik und dem "wettbewerbspolitischen Auftrag" des § 1 GWB. III. Charakteristische (mögliche) Wettbewerbsbeschriinkungen im Sinne von § 1 GWB im Zusammenhang mit GU 1. Wettbewerbsverhältnis als Beurteilungsgrundlage a) Vorüberlegung Bei den hier maßgeblichen GU-Konstellationen kann der vertraglichen Regelung aktueller beziehungsweise potentieller Wettbewerb sowohl zwischen den Gesellschafterunternehmen als auch zwischen dem GU und den Müttern zugrundeliegen; dementsprechend kommen die Beziehungen zwischen den Müttern sowie dem GU und einzelnen oder allen Müttern als Ansatzpunkte für die Prüfung von Wettbewerbsbeschränkungen in Betracht98 • Vorab muß jedoch geklärt werden, ob diese sich gedanklich als "Nährboden" für Verhaltensbindungen eignenden wettbewerblichen Beziehungen der kartellrechtlichen Prüfung nach § 1 GWB überhaupt "zur Verfügung stehen", oder derselben aufgrund sich aus anderen Gesetzen und Rechtsinstituten ergebender Wertungen der Gesamtrechtsordnung apriori entzogen sind99 • b) Wettbewerbsverhältnis zwischen den Gesellschafterunternehmen Die Beziehungen zwischen den in aktuellem beziehungsweise potentiellem Wettbewerb stehenden Gesellschafterunternehmen als Ansatzpunkt für Verhaltensbindungen unterliegen unstreitig der kartellrechtlichen Prüfung gemäß § 1 GWB 1OO , soweit es sich um wirtschaftlich selbständige Unternehmen handelt.

97

Vgl. die Nachweise in Fn. 94.

9I/mmenga, in: ImmengalMestmäcker, § 1 Rn. 526; Langen, § 1 Rn. 139; Mauer-Uri, Kartcll-

recht, S. 97.

99 Immerhin können Existenz und Funktionstihigkeit des GU, aber auch berechtigte Gesellschafterinteressen der Mütter gewisse Verhaltensmaßregeln erforderlich machen; vgl. OECD, Wettbewerbspolitik und GU, S. 118, Nr. 319. 100 /mmenga, in: ImmengalMestmäcker, § 1 Rn. 526: "eindeutiges Eingreifen des Kartcllverbots"; Maller-Uri, Kartcllrecht, S. 97 Rn. 106; Steindortf, BB 1988, Beil. 1 zu H. 8, S. 16.

42

1. Teil, 1. Kapitel: Beurteilung nach § 1 GWB

c) Wettbewerbsverhältnis zwischen GU und Gesellschafterunternehmen An dieser Stelle ist gedanklich zwischen Regelungen der Marktbeziehungen der Mütter gegenüber dem GU und solchen Abreden zu unterscheiden, die dem GU in seinem Wettbewerbsverhalten gegenüber einer, mehreren oder allen Müttern Beschränkungen auferlegen, da die einschlägige Kartellrechtsliteratur zu divergierenden Ergebnissen gelangt. Ein Teil der Lehre entzieht das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter mit diesbezüglichen, auf Verhaltens- oder Handlungsbeschränkungen der Muttergesellschaften gerichteten Regelungen (Wettbewerbsverbote zulasten der Mütter, Marktaufteilungen) apriori einer wettbewerbsrechtlichen Kontrolle am Maßstab des Kartellverbots 1ol . Diese sogenannten konzeminternen (im Falle einer bestehenden Konzernbeziehung) Beschränkungen werden als kartellrechtsfrei eingeordnet lO2. Die wohl überwiegende Auffassung bejaht demgegenüber die generelle Anwendbarkeit des § 1 GWB auf dieses (potentielle) Wettbewerbsverhältnis lO3 . Ein genereller Vorrang des Gesellschaftsrechts wird abgelehnt, da andernfalls das Kartellrecht sich durch gesellschaftsvertraglich verankerte Handlungsbeschränkungen verdrängen ließelO4 . Für die umgekehrte "Stoßrichtung " , das heißt Beschränkungen des GU in seinem Marktverhalten gegenüber der oder den Müttern, ist die Annahme einer kartellrechtsfreien Beziehung vorherrschende AnsichtlO!i. Insoweit handele es sich um die autonome Selbstbeschränkung des GU über die Wahrnehmung von GesellschafterrechtenlO6 . Gegen eine generelle kartell rechtliche Neutralität der

101 So Huber, GU, S. 112; KJeinmann/Bechlold, Einl. Rn. 119; Steindot:ff, BB 1988, Beil. 1 zu H. 8, S. 16. 101

Insb. Steindot:ff, BB 1988, Beil. 1 zu H. 8, S. 16.

I" Gansweid, Gemeinsame Tochtergesellschaften, S. 237ff.; Immenga, in: Imrnenga/Mestmäcker, § 1 Rn. 527; implizit MonopolkommissionHG vm 1988/89 Tz. 193 für F&E-GU; K. Schmidt, Kartellverbot, S. 166f.; insoweit auch KJeinmann/Bechlold, Ein!. Rn. 133f. UM

Vgl. etwa J. Bour, Mißbrauch, S. 167.

Ebel, § 1 Rn. 54; Huber, GU, S. 120ff.; KJeinmann/Bechlold, Ein!. Rn. 132; Langen, § 1 Rn. 56; Steindot:ff, BB 1988, Beil. 1 zu H. 8, S. 16; H. Wiedemann, Gesellschaftsrechtl, § 1311 3b, S. 746; BKartA TB 1968, S. 38; TB 1989/90, S. 31 im Zusammenhang mit "konzemintemen Allianzen"; KG WuWIE OLG 1377, 1382 "Starbtromkabel"; wohl auch BGH WuW/E BOH 1901, 1903 "Transportbeton-Vertrieb 11" . lOS

• 00 vgl. BMWi, Kooperationsfibel, S. 39; Eder, GmbH-Rdschau 1979, 51, 52f.; KJeinmann/ Bechlold, Ein!. Rn. 132; ; Steindot:ff, BB 1988, Beil. 1 zu H. 8, S. 16.

D. Anwendung von § 1 GWH auf kooperative GU-Sachverhalte

43

zu Lasten des GU möglichen Verhaltensbeschränkungen hat sich eine durchaus gewichtige Gegenmeinung herausgebildet lO7 • Insbesondere Immenga weist daraufhin, daß durch die Instrumentalisierung des von den Gründern abhängigen GU deren Interessen nicht nur gegenüber der Tochtergesellschaft, sondern auch untereinander abgegrenzt werden können und deshalb § 1 GWB nicht grundsätzlich unanwendbar wird llll • d) Stellungnahme und Ergebnis Die apriori vorgenommene Ausgrenzung bestimmter das Marktverhalten von Wettbewerbern tangierender Regelungen aus dem Anwendungsbereich des Kartellverbots birgt das Risiko der Entstehung von WKartellrechtsnischen w, die dem Anliegen effektiven und umfassenden Wettbewerbsschutzes zuwiderlaufen. Eine andere Frage ist, wie dem berechtigten Anliegen der Vertreter kartellrechtsfreier konzeminterner Beschränkungen, nämlich mit den erlaubten Mitteln des Gesellschafts- und Konzernrechts grundsätzlich erwünschte Strukturen schaffen zu können und diese wOrganisationsinstrumente Wnicht über die wettbewerbsrechtliche Schiene auszuhöhlen, auf andere, wettbewerbskonforme Weise Rechnung getragen werden kann. Für die Auflösung beziehungsweise schonende Lösung des Spannungsfeldes ist der Gedanke der Immanenztheorie zu instrumentalisieren lO9 • Ausgehend von der generellen Anwendbarkeit des § 1 GWB und damit auch dessen tatbestandlicher Erfüllung ist im Einzelfall zu fragen, ob beispielsweise das von den Muttergesellschaften zugunsten des GU übernommene Wettbewerbsverbot im Hinblick auf zeitlichen Rahmen, marktbezogenen Umfang usw. für Existenz und betriebswirtschaftlich sinnvollen Einsatz des GU entsprechend des mit ihm verfolgten Konzeptes funktionsnotwendig ist11o • Bei Bejahung dieser Fragestellung ist bei gleichwohl erfülltem Tatbestand des § 1 GWB eine teleologische Reduktion vorzunehmen. Vergleichbare Überlegungen lassen sich im Hinblick auf sonstige in diesem Ver-

107 Emmerich, Kartellrecht, S. 62; Gansweid, Gemeinsame Tochtergesellschaften, S. 235f.; Immenga, in: ImmengalMestmäcker, § I Rn. 529; Mestmllcker, GU, 414, 441; MiJschel, Wellbewerbsbeschrän1rungen,S. 132, Rn. 202 (a.E.); K. Schmidt, Kartellverbot, S. 166f..

101

Immenga, in: ImmengalMestmäcker, § 1 Rn. 529.

109 So insb. K. Schmidt, Kartellverbot, S. 165ff.; den., AG 1987,333, 336f.; eingehend den. , ZHR 149 (1985), Iff.

110 Vgl. Kleinmann/Bechtold, Ein!. Rn. 134; allgemein für bestimmte als legitim anerkannte Rechtsinstitute oder Rechtsgeschäfte, Immenga, in: ImmengalMestmäcker, § I Rn. 351.

1. Teil, 1. Kapitel: Beurteilung nach § 1 GWB

44

hältnis "notwendige", da immanente Verhaltensbindungen und -beschränkungen anstellen I 11. Als Ergebnis ist daher festzubalten, daß grundsätzlich alle im vorliegenden Zusammenhang "denkbaren" Wettbewerbsverhältnisse der kartellrechtlichen Prüfung gemäß § 1 GWB auf eventuell relevante Beschränkungen hin zugänglich sind. Eine apriori Ausgrenzung widerspricht dem Regelungsanliegen des § 1 GWB, den Schutz des Wettbewerbs umfassend und effektiv und ohne Berücksichtigung der Art der instrumentalisierten Verträge zu gewährleisten. Funktionsnotwendige, systemimmanente Beschränkungen aus zwingenden Vorgaben des Gesellschaftsrechts lassen sich mit dem Gedanken der Immanenztheorie angemessen behandeln. 2. "Typische" Wettbewerbsbeschränkungen im Zusammenhang mit GU a) Vorüberlegung Die enorme Bandbreite und Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten von GU bedingt, daß auch ihr wettbewerbsgetährdendes Potential nicht abschließend beurteilt werden kann, die wettbewerbspolitische Beurteilung der rechtstatsächlichen Entwicklung des Phänomens GU vielmehr naturgemäß "hinterherhinkt" . Dennoch lassen sich aufgrund der Erfahrungen der wettbewerbsrechtlichen Praxis eine Reihe von Verhaltensweisen im Sinne wettbewerbsgetährdender Praktiken feststellen, die immer wieder auftauchen, und somit - im Sinne einer Art Orientierungshilfell2 - als quasi "typische" Wettbewerbsbeschränkungen im Zusammenhang mit GU bezeichnet werden können; letztere sollen im folgenden in einer Art Überblick dargestellt werden. b) GU als Kartellsurrogat beziehungsweise KartelIierungsinstrument GU können als Instrumente von Umgehungsstrategien für die nach §§ 1, 25 I GWB verbotene Verhaltenskoordinierung bezüglich einzelner oder mehrerer Aktionsparameter eingesetzt werden. Dies trifft insbesondere auf Einkaufsoder Verkaufs-GU zu, bei denen die Mütter auf demselben sachlich relevanten

111

Dazu sogleich näher unten bei 2.

Im Sinne der Forderung nach einer herauszuarbeitenden Kasuistik, vgl. K. Schmidl, AG 1987,333,337. 112

D. Anwendung von § 1 GWB auf kooperative GU-Sachverbalte

45

Markt tätig sind und in einem Zuliefer- oder Abnehmerverhältnis zum GU stehen. Gerade auf Märkten mit homogenen Massengütern läßt sich die im GU institutionalisierte Zusammenarbeit zur Gleichschaltung von Preisen und Konditionen, aber auch für Markt- und Gebietsaufteilungen instrumentalisieren. Bezüglich dieser wichtigen Wettbewerbsparameter findet praktisch kein Wettbewerb unter den Müttern mehr statt, wodurch die Wahlmöglichkeiten der Marktgegenseite zumindest reduziert, wenn nicht ganz eliminiert werden. In diesen Fällen, deren praktische Bedeutung durch "Meilensteine" der Kartellrechtspraxis dokumentiert wirdll3 , ist das GU lediglich Kartellersatzform. Eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von § 1 GWB liegt vor; das Eingreifen von § 1 GWB ist unproblematisch und geboten ll4 • c) Gruppeneffekt Als Gruppeneffekt (Spill-over-Effekt) wird gemeinhin der - quasi automatisch - aus der Zusammenarbeit im GU resultierende Wettbewerbsdämpfungseffekt auf die übrige Tätigkeit der Mütter auf demselben sachlichen Markt des GU (enger Gruppeneffekt) oder auf Drittmärkten (weiter Gruppeneffekt) bezeichnet llS • Problematisch ist, ob diese - ebenfalls in der Verhaltensbeziehung zwischen den Muttergesellschaften anzusiedelnde - Wettbewerbsbeschränkung als lediglich faktische Auswirkung der Zusammenarbeit im GU überhaupt nach § 1

... Vgl. etwa BGHZ 65, 30 = WuW/E BGH 1367 = NIW 1975, 1837 "ZVN"; BGH WuW/E BGH 1901 "Transportbeton-Vertrieb 11"; BGHZ 96, 69 = WuW/E BGH 2169 "Mischwerk:e"; KG WuW/E OLG 2259 = BB 1980,953 "Siegerländer Transportbeton"; BKartA WuW/E BKartA 2117 "Aral". 114 Huber, GU, S. 125; Köhler, Wettbewerbsbeschränkungen durch Nachfrager, S. 134; Steindorff, BB 1988, Beil. 1 zu H. 8, S. 17; K. SchmidJ, AG 1987,333,338, meint wohl v.a. diese Fälle, wenn er von einer sog. "konstitutionellen" Kartellrechtswidrigkeit spricht. Ihre "Dunkelziffer" ist nach Auffassung des BKartA hoch, vgl. Karrte, FAZ vom 7.5.88, S. 15: "die Hälfte der GU sind "nackte" Kartelle, die bei uns jedoch als Fusion durchlaufen". IU Ähnliche Umschreibung bei Emmerich, Kartellrecht, S. 365, 622; Begriff und Theorie des Gruppeneffektes wurden von der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl entwickelt, die in ihrer SIDMAR-Entscheidung, 11. Gesamtbericht Nr. 346-351, S. 355ff., die Auffassung vertrat, "es sei unvermeidbar, daß die Grunderunternehmenbei der Ausübung der Kontrolle über ein GU und insb. bei der Preisfestsetzung ihre eigenen Preise für gleiche und ähnliche Erzeugnisse mitberucksichtigen und gegebenenfalls alle Preise aufeinander abstimmen würden".

46

1. Teil, I. Kapitel: Beurteilung nach § 1 GWB

GWB als einem Instrument einer Marktverhaltenskontrolle erfaßt werden kann ll6 oder ein Gesichtspunkt ist, der lediglich im Rahmen der Zusammenschlußkontrolle als einer Marktstrukturprüfung zu berücksichtigen istll7• Maßgeblich ist, daß auch ein derartiger Gruppeneffekt lediglich eine Verhaltenskoordinierung von Wettbewerbern, nämlich der Mütter, auf bestimmten Märkten umschreibt. Diese ist - vorbehaltlich der Erfüllung der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen - gemäß § 25 I GWB und, soweit dafür eine vertragliche Grundlage ermittelt werden kann, gemäß § 1 GWB verboten. Letzteres ist eine Frage der Zurechnung, grundsätzlich erscheint demnach der sogenannte Gruppeneffekt als ein von § 1 GWB erfaßbarer Wettbewerbsbeschränkungstyp l18. Praktisch vorrangig ist demgegenüber, welche Voraussetzungen an die Annahme eines Gruppeneffekts im Sinne einer nach § 1 GWB erfaßbaren Wettbewerbsbeschränkung, die von seiten der Kartellbehörde oder in einem Gerichtsverfahren ja bewiesen werden muß, zu stellen sind. Im R~en der anzustellenden Wahrscheinlichkeitsprognose anband aller maßgeblichen Einzelfallumstände kann immerhin vorweg eine gewisse Konkretisierung von .Situationen und Umständen vorgenommen werden, die bei Gemeinschaftsgründungen zur Annahme eines erheblichen wettbewerbsbeschränkenden Gruppeneffektes Anlaß geben können. Hierfür ist es sachgerecht, auf das Verhältnis der Tätigkeitsund Wirtschaftsbereiche von GU und Gründerunternehmen zueinander abzustel-

116 So Gansweid, Gemeinsame Tochtergesellschaften, S. 266f.; Immenga, in: GmbH-Konzern, S. 134, 149; Mestmilcker, GU, 414, 44Of.; Miischel, Wettbewerbsbeschränkungen,S. 130ff., Rn. 202; G. Wiedemann, Gemeinschaftsunternehmen, S. 189f.; Sreindorjf, BB 1988, Beil. I zu H. 8, S. 18, spricht von "Rückwirlrungsfillen"; auch ständige Entscheidungspraxisder EG-Kommission zu Art. 85 EWGV, vgl. nur ABlEG 1978 Nr. L 322, S. 26,31 "WANO-Schwarzpulver";jüngst ABlEG 1989 Nr. L 226, S. 25, 30 "UIP". 117

Benisch, Kooperationsfibel, S. 280; Huber, GU, S. 108ff., S. 169f.; FranJifuner Kommentar,

§ 23 Rn. 163; KkinmannlBechtold, Einl. Rn. 135; Kiihler, ZGR 1987,271,282; Langen, § 1 Rn. 142; H. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 13 D 3b, S. 748. 111 Der zudem ja zwangsläufig nur bei kooperativen Sachverhalten auftritt; sind die Mütter keine Wettbewerber, kann kein Dämpfungseffekt eintreten; daß die Mütter keine aktuellen oder potentiellen Wettbewerber sind, wird aber gerade zur Voraussetzung rur einen konzentrativen Sachverhalt gemacht, der lediglich der Zusammenschlußkontrolle unterliegt; das Problem liegt letztlich darin, den Begriff des potentiellen Wettbewerbs sachgerecht zu bestimmen, da er darüber entscheidet, ob überhauptVerhaltensbindungeni.S.v. § 1 GWB in Frage kommen, vgl. dazu Sreindorjf, BB 1988, Beil. 1 zu H. 8, S. 17.

D. Anwendung von § 1 GWB auf kooperative GU-Sachvernalte

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len, mithin ZU fragen, ob es sich aus deren Sicht um eine horizontale, vertikale oder diagonale (konglomerate) Integration handelt1l9• Soweit die Gründer auf dem Markt des GU weiterhin tätig bleiben (horizontales GU), koordinieren die Gründergesellschafter mit dem GU in der Regel einen Teil ihrer eigenen unternehmerischen Interessen auf dem betreffenden Markt. Sie beschränken ihre wettbewerbliche Handlungsfreiheit dadurch, daß sie gemeinsam agieren, einen Teil ihrer Ressourcen einem Handlungsverbund mit Konkurrenten unterstellen. Dieser sogenannte enge Gruppeneffekt ist quasi automatisch - regelmäßig zu erwarten und als Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von § 1 GWB zu bewertenl:lD. Berühren sich die Tätigkeitsbereiche von Müttern und GU nicht und sind die Mütter aktuelle beziehungsweise potentielle Wettbewerber auf Drittmärkten (konglomerates GU), so wird ein wettbewerbsbeschränkender (weiter) Gruppeneffekt zumeist zu verneinen sein; eine These dahingehend, daß es insoweit ebenfalls zwangsläufig zu Verhaltenskoordinierungen auf den anderen Märkten koDlIIien wird, erscheint nicht vertretbar. Vielmehr ist es erforderlich, die Vereinbarungen auf Indizien hin zu untersuchen, die - bei der gebotenen Gesamtbetrachtung und der Unterstellung wirtschaftlich rationalen Verhaltens - das Urteil rechtfertigen, marktübergreifende Einsc~gen der wettbewerblichen Selbständigkeit gehörten von vornherein zu den Zielsetzungen der Gründerunteinehmen l21 . "' Huber, GU, S. 21tT.; zustimmend Ulmer, WuW 1979,433,444. 120 G. Wiedemann, Gemeinschaftsunternehmen, S. 189f.; z.B. BKartA WuW/E BKartA 2143, 2149 "Glasfaserkabel": hier wird ein wettbewerbsbeschränkenderenger GruppenetTekt hinsichtlich zweier Gesellschafter angenommen; weitere Beispiele finden sich in der Entscheidungspraxis der EG-Kommission zu Art. 85 I EWGV, vgl. ABlEG 1977 Nr. L 215, S. 11, 16 "De Laval Stork"; ABlEG 1977 Nr. L 327, S. 26, 32 "GEC-Weir"; ABlEG 1978 Nr. L 322, S. 26, 31 "WANOSchwarzpulver"; WuW/E EV 993, 994 "RockweIl/Iveco"; WuW/E EV 1291, 1293 "OlivettiCanon"; ABlEG 1988 Nr. L 230, S. 39, 42 "Iveco-Ford" (in den drei letzten Fällen erfolgte jeweils eine Freistellung des GU-Vornabens gern. Art. 85 m EWGV). 121 Insoweit überschneiden sich Überlegungen zur Ermittlung der Wettbewerbsbeschränkungmit solchen zur Zurechnung derselben; als krasses Beispiel für ein derartiges Indiz mag folgender hypothetischer Sachvernalt dienen: - gründen 2 Steinbruchunternehmengemeinsam ein Modegeschäft, kann 8US diesem Vorgang allein ein wettbcwerbsbeschränkenderGruppenetTekt nicht abgeleitet werden. - haben die Gründer jedoch bei Regelung der Gewinnverteilung des GU demjenigen einen Gewinn bonus versprochen, der im vorausgegangenenIahr am wenigsten in das traditionelle Absatzgebiet des Mitgesellschafters geliefert hat, kann eine Wettbewerbsbeschränkungi.S.v. § 1 GWB eher bejaht werden.

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1. Teil, 1. Kapitel: Beurteilung nach § I GWB

Schwierigkeiten bereiten die Fälle vertikaler Integration, also die Errichtung eines GU durch die Gründer zur Herstellung von Zwischenprodukten oder zur Weiterverarbeitung. Hier besteht die spezifische, von diesem GU-Typ ausgehende Wettbewerbsgefährdung darin, daß bei strategisch wichtigen Vorprodukten durch die GU-Quote die Vorproduktmengen und damit letztlich Marktanteile festgeschrieben werden. Für die Feststellung eines wettbewerbsbeschränkenden (weiten) Gruppeneffekts im Einzelfall ist maßgeblich auf das wirtschaftliche Gewicht des GU für die Eigentätigkeit der Mütter abzustellen, aber auch auf Marktstruktur (mehr oder weniger oligopolistisch) sowie auf Homogenität oder Heterogenität der Erzeugnisse der konkurrierenden Muttergesellschaften122 • d) Sonstige Beschränkungen Auch bei im übrigen kartellrechtsneutralen GU-Errichtungen unterwerfen sich die Gesellschafterunternehmen zugunsten des GU bestimmten wettbewerbswerbsbeschränkenden Verhaltensbindungen. Häufig werden den Gründern vertragliche Wettbewerbsverbote auferlegt, die grundsätzlich einer kartellrechtlichen Kontrolle nach § 1 GWB zu unterziehen sind. Zur Beantwortung der Frage, ob mit der zu beurteilenden vertraglichen Verpflichtung eine nach § 1 GWB zu beanstandende Wettbewerbsenthaltung einhergeht, ist der Gedanke der Immanenztheorie zu instrumentalisierenl23 • Anerkannt wird, daß gesellschaftsrechtlichen Organisationsformen bestimmte Wettbewerbsbeschränkungen we- sensimmanent sind, die mit Hilfe des dogmatischen Instruments einer teleologischen Reduktion dem Anwendungsbereich des Kartellverbots entzogen werden. Die auf GU bezogene Kernfrage lautet, ob das zu beurteilende Wettbewerbsverbot für die Sicherung und Förderung der Funktionsfähigkeit einer im übri-

122 SteindoTff, BB 1988, Beil. I zu H. 8, S. 20; Ulmer, WuW 1979,433, 444; vgl. allgemein den umfassenden Katalog von Beurteilungskriterien bei KunIRall, WuW 1986,765, 774f.; im Fall "Montedison-Hercules" beanstandete die EG-Kommission einen wenbewerbsbeschränkenden Groppeneffekt auf im Verhältnis zum (geplanten) GU nachgelagerten Märkten, 17. Wenbewerbsbericht (1987), S. 67 (= WuW 1988, 36, 37), woraufhin die Gründer die dortigen Tätigkeiten einstellten. 123 Ausführlich zur Problematik, K. Schmidr, ZUR 149 (1985), Iff., insb. 14ff.; G. Wiedemann, Gemeinschaftsunternehmen, S. 180ff.; ders., BB 1984,285,293; speziell zur GmbH, Ivens, DB 1988,215.

D. Anwendung von § 1 GWB auf kooperative GU-Sachvemalte

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gen kartellrechtlich zulässigen Betätigung des GU bei sachgerechter Betrachtungsweise erforderlich und notwendig istl24 • Zur Diskussion steht damit letztlich die Frage der kartell rechtlichen und der der fraglichen Organisationsfonn immanenten Ausgewogenheit der Vertragsgestaltuni 2S • Grundsätzlich sind hierbei strenge Maßstäbe anzulegen; Tätigkeit und Funktion des GU müßten durch Handlungen, die den Müttern untersagt sind, gefährdet sein. Als unzulässige und damit wettbewerbsbeschränkende Absprachen sind solche exemplarisch zu erwähnen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Kooperation stehen, die das Verhalten auf von der Kooperation nicht berührten Märkten betreffen oder nachvertragliche Wettbewerbsverbote, die den Beteiligten auch nach Abschluß einer zeitlich begrenzten Zusammenarbeit oder nach ihrem Ausscheiden auferlegt werden l26 • Für die Beurteilung von Beschränkungen, die dem GU in seinem Marktverhalten gegenüber den Müttern beziehungsweise Dritten auferlegt werden, gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Bei sogenannten Produktions-GU, bei denen die Mütter ganz oder (sachlich, regional) teilweise auf die Herstellung eines (Zwischen-) Produktes verzichten und diese einem GU übertragen, werden typischerweise Quotenregelungen für Produktion und/oder Vertrieb getroffen, die marktaufteilende Wirkungen haben sowie Mengenbeschränkungen nach sich ziehen können und so anderen Anbietern dieser Zwischenprodukte die Nachfrage entziehen beziehungsweise Vorproduktmengen und damit letztlich Marktanteile festschreiben. Des weiteren liegt ein "typisches" wettbewerbsgefährdendes Potential in Regelungen, mit denen sich die Mütter zum Austausch von Informationen oder know how verpflichten, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den im GU vergemeinschafteten Tätigkeitsbereichen stehen und dann dort zu wett-

1>4 von Hahn, in: Schwerpunkte des Kartellrechts 1974175,57,69; Kleinmann/Bechtold, Einl. Rn. 133; OECD, Weubewerbspolitik und GU, S. 118; ähnlich BGH NIW RR 1986, 1298 = WuW/E BGH 2271, 2273 "Taxigenossenschaft" . Ilj

von Gamm, NIW 1988, 1245, 1248.

Beispiel für die Beanstandung durch die Kartellbehörde und spätere Aufhebung durch die Beteiligten in einer Mitteilung der Kommission gem. Art. 19 m VO Nr. 17/62, WuW 1991, 199, 202; die zu weitgehende Fassung eines Weubewerbsverbotes wurde im Fall BKartA TB 1973, S. 84 beanstandet. 1:05

4 Benner

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1. Teil, 1. Kapitel: Beurteilung nach § 1 GWB

bewerbsbeschränkenden Verhaltensabstimmungen führen. Auch Abstimmungen über die materiellen und immateriellen Eigentumsrechte wie Patente, Lizenzen und good will sind an dieser Stelle zu nennen. Insbesondere bei ProduktionsGU sowie bei vertikal integrierten GU werden häufig zwischen GU und Müttern besondere Liefer- und Bezugspflichten oder Ausschließlichkeitsbindungen wie Spezialisierungsabsprachen unterschiedlicher Stufen, Erteilung von Alleinvertriebsrechten, Aufteilung der Serviceleistungen etc. vereinbart. Diese vertikalen Beschränkungen können als Gegenstand gleichlautender, parallel mit allen Gesellschaftern abgeschlossener Verträge auch zu horizontalen, nach § 1 GWB erfaßbaren Wettbewerbsbeschränkungen führen 127. IV. Zurechnungszusammenhang

1. "Rationalitätsprinzip " als Entscheidungsgrundlage Die generelle Handhabung des Zurechnungselements wurde oben dargestelltl28 • Keine weiteren Probleme bereitet im Zusammenhang mit GU die Zurechnung der oben beschriebenen ausdrücklich vereinbarten Wettbewerbsbeschränkungen, wie zeitlich überlangen oder sachlich unangemessenen Wettbewerbsverboten oder ähnlichen Abreden. Der Zurechnungszusammenhang bei einem als Kartellsurrogat "eingesetzten" GU warf in der kartellrechtlichen Praxis keine besonderen Probleme auf. Das der GU-Errichtung zugrundeliegende Vertragswerk im Sinne einer funktionalen Einheitl29 sollte entsprechend den kaufmännisch vernünftigen Zielvorstellungen der Beteiligten die anvisierte Verhaltenskoordinierung steuern; hieraus resultierte dann jeweils zurechenbar die im einzelnen festgestellte Wettbewerbsbeschränkung l30 • 127 Sog. Sternverträge (die Problematik ist nicht notwendig mit der Existenz eines GU verknüpft), vgl. Möschel, Wettbewerbsbeschränkungen, S. 142, Rn. 223f.; Müller-Henneberg, in: Gemeinschaftskommentar, § 1 Rn. 36; K. Schmidt, Kartellverbot, S. 134ff.; "klassischer" Fall in OLG Stuttgart WuW/E OLG 1083 "Fahrschulverkauf"; z.B. aus jüngerer Zeit OLG Düsseldorf WuW/E OLG 4599 "Abschlepp-Gemeinschaft"; WuW/E OLG 4691; BKartA WuW/E BKartA 2267 "System-gut Logistik Service". 121

Siehe oben C IV 5, S. 35ff.

Vgl. Möschel, Wettbewerbsbeschränkungen,S. 141, Rn. 221; Steindor:fJ, BB 1979 Beil. 3, S. 6; auch BGH WuW/E BGH 1073, 1077 = WuW 1970,429,433 "Schallplatten U": Rahmenvertrag. 129

\:10 S.o. die Nachweise in Fn. 113; problematisch - und eng damit verknüpft - ist die Frage, welchem Vertragsteil bei einem Geflecht von Honzontal- und Vertikalabsprachendie wettbewerbsbeschränkende Wirkung zugerechnet wird; sie ist im Zusammenhang mit der Reichweite der Unwirksamkeitssanktion abzuhandeln.

D. Anwendung von § 1 GWB auf kooperative GU-Sachvemalte

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2. Problemfall Gruppeneffekt Problematisch erscheint hingegen die Zurechnung "faktischer" Auswirkungen wie der des Gruppeneffekts als einer erwarteten Wettbewerbsdämpfung zwischen den Müttern aufgrund der vertraglich institutionalisierten Zusammenarbeit im GU. Nachgewiesen werden muß ja, daß die Gesellschafter sich bei Vertragsschluß über den Eintritt dieser wettbewerbsbeschränkenden Folge einig waren!3!; gefragt werden muß, wann das zu erwartende kaufmännisch vernünftige Verhalten der Beteiligten Auswirkungen auf nicht vergemeinschaftet~ Parameter oder Drittmärkte befürchten läßt. Hier erscheint es im Sinne der Rechtssicherheit angezeigt, nach zusätzlichen spezifischen Kriterien beziehungsweise Hilfsindizien zu suchen, die in die der unmittelbaren Beweisführung zugängliche Entscheidung der Zurechnungsfrage mittels einer wertenden Gesamtbetrachtung einfließen und diese maßgeblich bestimmen. Insoweit kann zum Teil an die oben bei der Ermittlung eines erheblichen Gruppeneffekts im Sinne einer Wettbewerbsbeschränkung gemachte Differenzierung angeknüpft werden. Für den Fall des horizontalen GU zur Kapazitätserweiterung der Mütter entspricht die Anpassung des Einsatzes der Aktionsparameter kaufmännisch vernünftigem Verhalten; hier haben die für das Marktverhalten des GU getroffenen Entscheidungen der Mütter notwendig eine Abstimmung ihres eigenen Marktverhaltens zur FolgeJ32 • Die GfÜndergesellschafter sind sich also bei Vertragsschluß über die wettbewerbsbeschränkende Folge einig; letztere kann der GU-Gründung zugerechnet werden. Der aus einer Vertikalintegration resultierende Gruppeneffekt läßt sich dem GU-Vertragswerk insbesondere dann zurechnen, wenn das GU von den Gesellschaftern tatsächlich gemeinsam beherrscht wird, das heißt ein Zwang zur Abstimmung besteht, und die Tätigkeit des GU für die Eigeninteressen der Gesellschafterunternehmen von maßgeblicher Bedeutung ist J33 • Hinsichtlich der Zurechnung

131

Siehe oben S. 36 mit Nachweisen in Fn. 82 .

• 32

So z.B. EG-Kommission, 7. Wetlbewerbsbericht (1977), S. 137f. "ICI-Montedison".

Als negative Indizien formuliert bei Steindorff, BB 1988, Beil. 1 zu H. 8, S. 20; vgl. auch zu den Anforderungen an die Annahme einer gemeinsamen Kontrolle des GU, EG-Kommission, Bekanntmachung Über Konzentrations- und Kooperationstatbestände, ABlEG 1990 Nr. C 203, S. 10, 11: Gemeinsame Kontrolle liegt vor, wenn die Gründer bei Entscheidungen über die Tätigkeit des GU aufeinander angewiesen sind, und zwar entweder aufgrund der Rechte, die sie an dem GU erworben haben, oder aufgrund von Verträgen oder sonstigen Umständen. Eine gemeinsa;ne 133

S2

1. Teil, 1. Kapitel: Beurteilung nach § 1 GWB

eines weiten Gruppeneffekts bei konglomeraten GU lassen sich zusätzliche Indizien nur schwerlich ausmachen. Allgemein ist für die Entscheidung der Zurechnungsfrage insoweit zu fordern, nur vorhersehbare Wettbewerbsfolgen zu berucksichtigenl34 , die von der Zielsetzung wirtschaftlich rational handelnder Unternehmen umfaßt werden.

V. Unwirksamkeitssanktion als Abgrenzbarkeitsproblem 1. Grundkonzeption Da somit grundsätzlich im Zusammenhang mit GU-Sachverhalten Beschränkungen auftreten, die den Tatbestand des § 1 GWB erfüllen, stellt sich die Frage, was an zugrundeliegenden vertraglichen Absprachen von der zivilrechtlichen Unwirksamkeitssanktion erfaßt wird. Deren Reichweite ist durch das in den Tatbestand von § 1 I GWB eingeflochtene "soweit" auf die eigentlich kartellverbotswidrigen Vertragsbestandteile begrenztm. Vor dem Hintergrund der bei Schaffung des GWB aktuellen klassischen Kartellel36 wollte der Gesetzgeber damit eine Art Verhältnismäßigkeitsprinzip installierenl37 , das einen möglichst geringen Eingriff in die privatautonome Vertragsgestaltung im Sinne des relativ mildesten Mittels garantieren sollte. Auf dem Boden der Gegenstandstheorie sollten nur die eigentlichen Kartellbindungen im Sinne einzelner wettbewerbsbeschränkender Verpflichtungen dem Verdikt der (schwebenden) zivilrechtlichen Unwirksamkeit l38 unterworfen werden; gesetzlich umgesetzt wurde also die Anweisung an den Rechtsanwender und damit die kartellrechtliche Praxis, die kartellverbotswidrigen Vertragsbestandteile von (soweit vor-

Kontrolle wäre dagegen zu verneinen, wenn einer der Griinder allein die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens bestimmen kann. ,.. Jeweils rur Art. 85 I EWGV, Ulmer, WuW 1979, 433, 445; Steindotff, BB 1977, 1613, 1616f. ,., Die Frage gehört (lediglich) "sachlich" zu den Rechtsfolgeproblemen, vgl. Rinner, Wettbewerosrecht, S. 231.

'36 An denen sich auch die Ausgestaltung der §§ 2-8 GWB orientierte. m v.d. Groeben-Karpenstein, 3. Auß., Art. 85 Rn. 97; WünscM, Unwirksame Ksrtellvereinbarung, S. 53; allgemein zum Postulat geringstmöglicher Eingriffe des Kartellrechts in die Privatautonomie, Rinner, ZGR 1990,203, 206. ,,. Soweit eine Legalisierung gem. §§ 2-8 GWB (von vornherein) nicht in Betracht kommt, Nichtigkeit, vgl. von Gamm, Kartellrecht, § 1 Rn. 84; Immenga, in: ImmengalMestmäcker, § 1 Rn. 394; MiJlIer/Gießler/Schol'l., § 1 Rn 119; WesmclclLoewenMim, § 1 Rn. 95; auch BGR WuW/E BGR 1871, 1875 "Transportbeton-Vertrieb I".

D. Anwendung von § 1 GWB auf kooperative GU-Sachverhalte

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handenen) kartell rechtlich neutralen Teilen abzugrenzen und so die Reichweite der Unwirksamkeitssanktion zu ermitteln. Dahinter steht das gesetzgeberische Ziel, die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der an der Kartellabsprache Beteiligten zumindest formal wiederherzustellen; über die Beseitigung der rechtlichen Existenz der Verpflichtung zu wettbewerbsbeschränkendem Verhalten soll interner Kartellzwang mittels Verweigerung von Rechtsschutz verhindert werden, um so letztlich den vor Abschluß der Absprachen bestehenden marktkonformen Zustand wieder zu erreichen. Als "Modell" für diese gesetzgeberische Grundkonzeption mag ein klassisches Kartell (in der Rechtsform einer GbR, GmbH oder Doppelgesellschaft) dienen, bei dem sich die Gesellschafter in ausdrücklich vereinbarten Klauseln im Gesellschaftsvertrag zu einem bestimmten (einheitlichen) Verhalten bezüglich eines oder mehrerer Aktionsparameter verpflichtet haben (bei der GmbH eventuell Sonderleistungspflichten gem. § 3 11 GmbHG)139. Mangels Freistellungsfähigkeitnach §§ 2-8 GWB werden die als Ursache der festgestellten Wettbewerbsbeschränkungen ausgemachten Kartellpflichten von der Unwirksamkeitssanktion erfaßt; sie sind als eindeutig kartellverbotswidrige Vertragsteile von den übrigen kartellrechtlich neutralen gesellschaftsvertraglichen (Organisations-) Regelungen abgrenzbar. Die betroffenen Verpflichtungen sind nicht einklagbar, ihre Einhaltung kann nicht über Vertragsstrafen erzwungen werden usw. In diesen Fällen läßt sich die primäre ratio legis der Unwirksamkeitssanktion, nämlich internen Kartellzwang durch Verweigerung von privatem Rechtsschutz zu verhindern und so die Brüchigkeit des Kartells von innen heraus zu fördernI«!, erfolgreich in die Rechtspraxis umsetzen. Idealiter gliedert sich die gesetzlich vorgesehene Prüfung in zwei Teile. Auf einer ersten Stufe ist - als Teil der eigentlichen kartellrechtlichen Prüfung nach der Reichweite der Unwirksamkeitssanktion, also danach zu fragen, welche Klauseln beziehungsweise Vertragsteile des zu beurteilenden Vertrages von derselben erfaßt werden. Als Ergebnis ist zum einen eine Teilunwirksamkeit lediglich einzelner Klauseln141 sowie zum anderen die Gesamtunwirksamkeit

1]9 Beispiele bei Held, Rechtsfonnen zulässiger Kartelle, FIW H. 10, S. 41,67, 70ff.; aus der Rechtsprechung KG WuWIE OLG 1253 = WuW 1972, 503 "Tubenhersteller U" zu Verpflichtungen im Rahmen eines Marktinformationsvertrages. 140

MlJschel, Wettbewerbsbeschränkungen,Rn. 163, 184 a.E., 220.

141

Die Teilnichtigkeit ist der usprunglich vom Gesetzgeber gedachte Regelfall, vgl. Immenga,

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1. Teil, 1. Kapitel: Beurteilung nach § 1 GWB

des ZU prüfenden Vertragswerks denkbar. Letztere kann wiederum daraus resultieren, daß die Wettbewerbsbeschränkung nur einer Kombination mehrerer Vertragsteile im Sinne einer funktionalen Einheit zugerechnet werden kann, oder deshalb zu bejahen sein, weil die wettbewerbsbeschränkenden Vertragsteile sich aus einem Gesamtvertrag nicht sinnvoll heraustrennen lassen, mithin die Abgrenzbarkeit verneint werden muß. Ein brauchbares und allseits akzeptiertes Kriterium für diesen Prüfungsschritt der Abgrenzbarkeit ist in Praxis und Lehre nicht herausgearbeitet l42 • Die Frage sollte sich m.E. an der übergeordneten ratio der Unwirksamkeitssanktion orientieren, letztlich zur Beseitigung von wettbewerbsbeschräokenden, vertraglich vereinbarten Verhaltensweisen beizutragen. Kerngedanke einer als Kriterium einzusetzenden Kontrollüberlegung muß sein, ob die Eliminierung der wettbewerbsbeschränkenden Klauseln nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geeignet ist, das durch sie unterbundene, idealiter angestrebte Verhalten zu ermöglichen. Danach wäre eine Abgrenzbarkeit zu verneinen, wenn eine Streichung der Klausel am beanstandeten wettbewerbsbeschräokenden Verhalten nichts ändern würde. Soweit die Beteiligten von sich aus die Behandlung des Gesamtvertragswerks als untrennbar "wünschen", weil sie zum Beispiel das zur Prüfung gestellte Vertragswerk nur insgesamt oder überhaupt nicht realisieren wollen, steht der Berücksichtigung dieser subjektiven Zielsetzung der Beteiligten aus wettbewerbsrechtlicher Sicht nichts entgegen; sie garantiert ja gerade ein aus wettbewerbspolitischer Sicht vorzugswürdiges umfassendes Eingreifen von Kartellverbot und Unwirksamkeitssanktion. An die Feststellung von Teil- oder Gesamtunwirksamkeit als Ergebnis der kartellrechtlichen Prüfung schließt sich auf einer zweiten Stufe die Frage nach in: IrnmengalMestmäcker, § 1 Rn. 397; Langen, § 1 Rn. 120; MOller-Henneberg, in: Gemeinschaftskommentar, § 1 Rn. 133; Pfeiffer, in: FS Benisch, 1989,313,318; deutlich zu Art. 85 n EWGV, von Gamm, Kartellrecht, Art. 85 EWGV Rn. 91. .42 Der BGH stellt darauf ab, "ob der übrige Vertragsinhalt auch ohne die unwirksamen Abreden einen selbständiger Geltung tihigen Regelungsinhalt behält", vgl. WuW/E BGH 2288, 2289 "Pronuptia"; 2565, 2569 "Schaumstoffplatten"; z.T. wird das "Kriterium" der Umstände des jeweiligen Einzelfalles vorgeschlagen, wobei dann darum gestritten wird, ob hierfür eine rein objektive Betrachtung vorzunehmen ist, so Fuchs, Kartellvertrag, S. 38f.; Gleiss/Hirsch, Art. 85 Rn. 435, oder auch die subjektiven Ziele der Beteiligten zu berücksichtigen sind, so v.d. GroebenKarpenstein, 3. Aufl., Art. 85 Rn. 97; ein weiterer Vorschlag tindet sich bei Mestmäc/cer, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 572; häutig wird aber auch das Erfordernis der Trennbarkeit postuliert, ohne dafür ein Kriterium vorzuschlagen, vgl. Emmerich, Kartellrecht, S. 91, 564 zu Art. 85 n EWGV; von Gamm, Kartellrecht, § 1 Rn. 80; Pfeiffer, in: FS Benisch, 1989,313, 318f.

D. Anwendung von § I GWB auf kooperative GU-Sachverhalte

ss

den Auswirkungen dieser Unwirksamkeit auf andere Vertragsteile beziehungsweise eventuell betroffene Rechtsträger an; hierbei handelt es sich grundsätzlich um eine Problematik des allgemeinen Zivil- und Gesellschaftsrechts l43 • Zu prüfen wird nun sein, ob die gesetzgeberische Grundkonzeption auch bei der Erfassung und Sanktionierung festgestellter Wettbewerbsbeschränkungen im Zusammenhang mit GU so funktionieren kann. 2. Anwendbarkeit und Anwendungsprobleme bei GU-Sachverhalten Die grundsätzliche Funktionsfähigkeit der eben aufgezeigten Grundkonzeption der Unwirksamkeitssanktion erscheint bei modemen GU-Konstellationen nicht generell gesichert. Zum einen hat die unmittelbare Rechtsfolge zivilrechtlicher Unwirksamkeit als quasi unselbständiger Unterpunkt der übergeordneten (vorentscheidenden) Zurechnungsfrage mit dem nach Abkehr von der Gegenstandstheorie durch die "ZVN"-Entscheidung 44 erheblich erweiterten Anwendungsbereich des § 1 GWB zu "kämpfen". Gerade dieser Fall ist paradigmatisch für die modeme Erscheinungsform des GU als einem Kartellsurrogat. Wenn im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung einem Gesamtvertragswerk aus Horizontal- und Vertikalabsprachen eine wettbewerbsbeschränkende horizontale Verhaltensbindung der Gesellschafterunternehmen zugerechnet werden kann, ohne daß entsprechend abgrenzbare vertragliche Verpflichtungen herausgreitbar wären (im Fall "ZVN" handelte es sich um ein sogenanntes Torsosyndikat), "versagt" das in der Begrenzung der Unwirksamkeitssanktion angelegte Abgrenzbarkeitspostulat l4j • Dementsprechend betraf die im "ZVN" -Fall mit der Rechtsbeschwerde angegriffene Untersagungsverfügung des BKartA gemäß §§ 37a I, 1 I GWB auch das Gesamtvertragswerk einschließlich des Gesellschaftsvertrages des GU I46 • Somit läßt sich durchaus die These formulieren, daß die mit der Abkehr von der Gegenstandstheorie ver-

14' Dazu unten im Zweiten Teil; bei Teilnichtigkeit ist grds. § 139 BGB einschlägig, vgl. etwa von Gamm, Kartellrecht, § I Rn. 85; Möschel, Wettbewerbsbeschränkungen, S. 140, Rn. 216; Müller-Henneberg, in: Gemeinschaftskommentar,§ I Rn. 133; WestricklLoewenheim, § I Rn. 97; ausführlich Fuchs, Kartellvertrag, S. 37ff. I"

80HZ 65, 30

= WuW/E BGH 1367.

Anders Wilnsche, Unwirksame Kartellvereinbarung, S. 67f.; eine jedenfalls materiell ausweitende Tendenz der Entscheidung sieht auch G. Wiedemann, Oemeinschaftsuntemehmen,S. 178. 145

146 BOHZ 65, 30, 31 = NIW 1975, 1837, 1838 im Sachverhalt; ebenso in BOHZ 96,69,73 = WuW/E BGH 2169 "Mischwerke".

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1. Teil, 1. Kapitel: Beurteilung nach § 1 GWB

folgte Effektivierung des Wettbewerbsschutzes zumindest teilweise mit dem Verzicht auf die Einhaltung des Abgrenzbarkeitspostulats bei Anwendung der Unwirksamkeitssanktion einhergeht147 • Zum anderen ist der vertraglichen Ausgestaltung von GU als der rechtlichen Umsetzung einer im Einzelfall höchst komplexen Untemehmensstrategie eben oft immanent, daß alle Verträge und Vertragsteile derart aufeinander abgestimmt sind, daß sich die Herauslösung einzelner Teile nicht sinnvoll durchführen läßt l48 • Der Wille, das mit Blick auf das jeweils umzusetzende wirtschaftliche Konzept ausgestaltete • Vertragspaket " nur in dieser Form der Untemehmenskooperation zugrundelegen zu wollen, manifestiert sich auch in der häufig zu beobachtenden Tatsache, daß die Partner es den Kartellbehörden insgesamt zum Zwecke einer "informatorischen" Beurteilung vorlegen149 beziehungsweise die kartellrechtliche Prüfung von sich aus auf den Gesamtvertrag bezogen sehen wolleniso. Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ist die Frage nach der Reichweite der Unwirksamkeitssanktion für die angesprochenen "typischen" Wettbewerbsbeschränkungen differenziert zu beantworten. Entsprechend dem ursprünglichen Konzept der begrenzten Vertragsunwirksamkeit lassen sich die Fälle lösen, in denen lediglich einzelne, konkrete Vertragsbestimmungen als Ursache befürchteter oder eingetretener Wettbewerbsbeschränkungen "herausgefiltert" wurden, wie beispielsweise bei Wettbewerbsverboten, Liefer- und Lizenzabreden usw. Diese Regelungen werden - unabhängig davon, ob sie in der Grundvereinbarung, im GU-Statut oder in Nebenabreden vereinbart sindabgrenzbar von der Unwirksamkeitssanktion erfaßt. Durch die begrenzte zivilrechtliche Unwirksamkeit entfällt die vertragliche Grundlage für das beanstandete wettbewerbsbeschränkende Verhalten; das übrige Vertragswerk hat einen selbständiger Geltung fähigen Regelungsinhalt l51 • Deshalb lassen sie sich -

'47 Mit dieser Tendenz auch G.

Wiedemann, Gemeinschaftsuntemehmen,S. 199.

,.. Zu den einzelnen Verträgen sowie zur "typischen" Vertragsstruktur s.o. S. 20.

'4' Dazu oben S. 25 Fn. 26; für das Kartellrecht des EWG-Vertrages sieht Art. 2 VO Nr. 17 von 1962 die Erteilung eines sog. Negativattestes vor; Beispiel dafür Kommission, ABlEG 1990 Nr. L 209, S. 15 "ElopakIMetal Box - Odin" uo Vgl. z.B. Kommission ABlEG 1988 Nr. L 230, S. 39, 40 "Iveco-Ford".

u, Z.B. wohl in BGH WuW/E BGH 1871, 1872 "Transportbetonvertrieb I"; OLG Stuttgart WuW/E OLG 2790 "Ziegelvertrieb".

D. Anwendung von § 1 GWB .uf kooperative GU-S.chverh.lte

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obwohl auch Teil eines komplexen Gesamtvertragswerks - sinnvoll aus dem übrigen Vertragswerk herauslösen152; die mögliche Abgrenzbarkeit führt also zur Teilunwirksamkeit der betreffenden Regelung als Ergebnis der kartellrechtlichen Prüfung. Soweit aber der im GU institutionalisierten Zusammenarbeit ein wettbewerbsbeschränkender Gruppeneffekt zugerechnet werden kann oder die Gesellschafter das GU als Kartell einsetzen, wird das gesamte Vertragswerk insbesondere einschließlich des Organisationsstatuts von der Unwirksamkeitssanktion erfaßt 153 • Denn Grundlage und Basis der als wettbewerbswidrig eingestuften Zusammenarbeit der Gesellschafterunternehmen im GU ist nun einmal zurechenbar das gesamte Vertragskonzept im Sinne einer funktionalen Einheit1S4 ; mangels Abgrenzbarkeit ist auch das gesamte Vertragswerk zivilrechtlich unwirksam. Dokumentiert wird diese Aufkündigung des Abgrenzbarkeitspostulats durch eine mittlerweile gängige Entscheidungspraxis bei Kartellbehörden wie Gerichten, bei der Gesamtvertragswerke für unwirksam erklärt und ihre Durchführung untersagt werdenISS. Hinter der als erforderlich angeführten gesamtwirtschaftlichen Betrachtungsweise1S6 steckt wohl vor allem der Gedanke effektiven Wettbewerbsschutzes, zumal der Umfang der Unwirksamkeit nach § 1 GWB Grundlage für die Reichweite von Untersagungsverfügung gemäß § 37a I GWB und Bußgelddrohung gem. § 38 I Nr. 1 GWB ist. Aus wettbewerbspolitischer Sicht ist diese Ausdehnung der Nichtigkeitssanktion zu rechtfertigen, da die ratio derselben, nämlich die formale Wiederherstellung der Handlungsfreiheit der Kartellpartner zu erreichen, bei den "modemen" Kartellformen leerläuft. Hier vermag die zivilrechtliche Unwirksamkeit einzel-

"'1 Ob die betreffende Regelung für die Zusammenarbeit der P.rtner existentielle Bedeutung h.t, ist eine Frage der Auswirkungen, .ber keine eigentlich kartellrechtliche Frage mehr.

m Von der Nichtigkeit .uch des Gesellschaftsvertrages gehen .us: Emmerich, Kartellrecht, S. 82; Gansweid, Gemeinsame Tochtergesellschaften, S. 268; MiJschel, Wettbewerbsbeschrinkungen, S. 142, Rn. 221; Spilker, Vereinbarkeit von GU mit Art. 85 EWGV, S. 226; Steindorff, BB 1979 Beil. 3, S. 6 .

..,. Instruktiv zur funktionalen Einheit, Steindorff, •.•. 0., S. 6f. m Vgl. v.a. die Nachweise in Fn. 113 zum deutschen Recht; Gessmtbetrachtung des zu beurteilenden Vertragswerks .uch bei Kommission, WuW/E EV 993 "Rockwell/lveco"; WuW/E EV 1291 "Olivetti/Canon"; WuW/E EV 1299 "EnichemlICI" . ..,,, Ausdrücklichz.B. Kommission, WuW/E EV 1299 "EnichemlICI"; ABlEG 1989 Nr. L 226, S. 25, 30 "UIP"; .uch in der Bekanntmachung über die be.bsichtigte FreisteIlung im F.ll "Alupower-Chloride", WuW 1990,741,742.

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1. Teil, I. Kapitel: Beurteilung fIIch § 1 GWB

ner Verpflichtungen dies angesichts der in die Zusammenarbeit im GU investierten Werte nicht zu leisten'''. Demnach führt die oben angesprochene "Kontrollüberlepng" , daß nämlich die Unwirksamkeit einzelner Klauseln am wettbewerbsbeschrinkenden Verhalten insgesamt nichts ändern würde, zur Verneinung der Abgrenzbarkeitsfrage. Diese "Macht des Faktischen" kann wettbewerbsrechtHch effizient wohl lediglich durch die umfassende und stringente kartellrechtliche Sanktion der Gesamtunwirksamkeit sowie entsprechenden weiteren Maßnahtnen bekämpft werden. Der wettbewerbspolitische Hintergrund wird auch dadurch erhärtet, daß in Fällen mit "hartgesottenen" WettbewerbssÜßdern wohl nur die Gesamtunwirksamkeit der Kooperationsgrundlage ein effizientes Mittel sein wird, dieselben zum Umdenken zu bewegen lSll • Gerade bei der Anwendung auf GU-Sachverhalte kann also die Unwirksamkeitssanktion nicht immer entsprechend der geset%geberischen Grundkonzeption funktionieren; zum Teil erfaßt sie mangels Abgrenzbarkeit das Gesamtvertragswerk und damit auch den Gesellschaftsvertrag insgesamt. 3. Ergebnis Im Zusammenhang mit GU-Vorhaben erfaßt die Unwirksamkeitssanktion abgrenzbar die als Grundlage für typische Wettbewerbsbeschränkungen wie Wettbewerbsverbote etc. dienenden Vertragsklauseln und führt zur Teilnichtigkeit. Bei Wettbewerbsbeschränkungen wie einem zu beanstandenden Gruppeneffekt sowie dem "Einsatz" des GU als Kartellierungsinstrument führt dagegen die unmittelbare Rechtsfolge der zivilrechtlichen Unwirksamkeit mangels Abgrenzbarkeit zur Nichtigkeit des gesamten Vertragswerks einschließlich des Gesellschaftsvertrages; hier resultiert die Wettbewerbsbeschränkung letztlich aus einer in einer bestimmten Art und Weise gestalteten Zusammenarbeit im GU, so daß aus Gründen effizienten Wettbewerbsschutzes ein umfassendes Eingreifen der Unwirksamkeitssanktion zu rechtfertigen ist .

..7

In diesem Sinn auch Koch, WiR 1974,29, 65f.

"1 Berüchtigt die kartellrechtlich außerordentlich auffällige Baustoftbranche, die in den meisten, bereits erwähnten Fällen involviert war, vgl. die Nachweise in Fn. 113.

E. LegalisierungsßlÖglichkeiten

59

Demnach kann als Ergebnis der kartellrechtlichen Untersuchung sowie als Grundlage und Ausgangspunkt für die Erörterung der Auswirkungsproblematik eine Fallgruppenbildung in Fälle der Teil- und der Gesamtunwirksamkeit vorgenommen werden.

VI. Fallgruppenbildung als Ergebnis der kartellrechtlichen Beurteilung 1. Fälle mit Zugang zur Teilunwirksamkeitsproblematik

Die kartell rechtliche Beurteilung typischer, nach § 1 GWB problematischer kooperativer Sachverhalte hat ergeben, daß von der Unwirksamkeitssanktion des § 1 GWB einzelne abgrenzbare wettbewerbsbeschränkende Klauseln als Teil eines im übrigen kartellrechtlich neutralen und nach § 1 GWB unbedenklichen GU-Vorhabens erfaßt werden können. Typische Wettbewerbsbeschränkungen mit der kartellrechtlich angeordneten Folge zivilrechtlicher Teilunwirksamkeit sind Wettbewerbsverbote, sonstige Nebenabreden wie Lizenzabreden, Liefer- und Bezugspflichten, Quotierungen, auf Marktaufteilungen abzielende Regelungen usw. Je nachdem, wo die Parteien die Regelungen innerhalb des Vertragswerks plaziert haben, können das eigentliche Organisationsstatut des GU, aber auch die Grundvereinbarung sowie separate Nebenabreden betroffen sein. 2. Von Gesamtunwirksamkeit betroffene GU-Sachverhalte Soweit ein erheblicher auf das GU zurückzuführender Gruppeneffekt oder die Instrumentalisierung der gemeinsamen Tochtergesellschaft als Kartellersatzform nach § 1 GWB als wettbewerbsbeschränkend zu beanstanden sind, ergreift die Unwirksamkeitssanktion des § 1 GWB das Vertragswerk mangels Abgrenzbarkeit insgesamt. Betroffen ist demzufolge auch das dem GU zugrundeliegende Organisationsstatut beziehungsweise der Gesellschaftsvertrag.

E. LegaJisienmgsmöglichkeiteo

Angesichts der potentiellenkartellrechtlichen "Anfälligkeit" kooperativer GU im Hinblick auf § 1 GWB stellt sich die Frage, inwieweit eine Freistellung insbesondere nach den §§ 5 11, III, 5a, 5b und 5c GWB in Betracht kommt. Die Ansichten darüber, ob diese Freistellungstatbestände für die in Rede stehende institutionalisierte Untemehmenskooperation von ihrer tatbestandlichen Ausge-

60

1. Teil, 1. Kapitel: Beurteilung nach § 1 GWB

staltung her generelle, großflächige Legalisierungsmöglichkeiten schaffen, sind geteiltl~. W

W

Eine detaillierte Stellungnahme ist einzelfallabhängig, einige grundsätzliche ElWägungen lassen sich jedoch anstellen. Dogmatische Bedenken gegen eine breite Freistellung nach den §§ 5ff. GWB ergeben sich jedoch bereits daraus, daß gemäß dem Regelungsanliegen der insoweit einheitlich konzipierten Vorschriften die vorausgesetzten Rationalisierungserfolge und Spezialisierungswirkungen etc. jeweils bei den Partnern der Kartellabsprache eintreten und diese zudem bestimmte Größenmerkmale aufweisen müssen l60 . Bei vielen GUGestaltungen ist der Rationalisierungseffekt aber gerade beim GU selbst und nicht bei seinen Gesellschaftern angestrebt. Auch ein Blick auf die rechtstatsächliche Bedeutung der §§ 5ff. GWB zeigtl61 , daß die Tatbestände im Verhältnis zur großen Anzahl an GU für die damit verfolgten Konzepte zur Freistellung wenig geeignet sind. Ihnen kann somit eine der Freistellung gemäß Art. 85 III EWGV vergleichbare Bedeutung 62 nicht zugesprochen werden, was aber nicht heißt, daß sie im Einzelfall nicht zur Legalisierung der beanstandeten Zusammenarbeit herangezogen werden könnenl63 .

F. ZusammeofusWll und Zwischeneflebois

1) GU-Sachverhalte, die aufgrund der zugrundeliegenden VertragsgestaItung und -durchführung Anhaltspunkte für eine wettbewerbsbeschränkende Inter-

"9 Einschätzung als wenig brauchbar: Huber, GU, S. 94ff.; zustimmend Steindorff, BB 1988, Beil. 1 zu H. 8, S. 12; generell geeignet: Gansweid, Gemeinsame Tochtergesellschaften, S. 269f.; G. Wiedemann, Gemeinschaftsunternehmen, S. 206ff. 160 Steindorff, BB 1988, Beil. 1 zu H. 8, S. 12; vgl. auch Immenga, in: ImmengalMestmäcker, § 5 Rn. 6: Rationalisierungsmaßnahrnenmüssen unmittelbarer Inhalt des Vertrages sein.

I"

Vgl. zu den im Berichtazeitraumjeweils neu angerneldetenVerfahren, BKartA TB 1987/88, S.132; TB 1989/90, S. 142; eine gewisse Bedeutung hat sicherlich § 5b GWB für mittelständische Unternehmen, vgl. dazu die Übersicht über die angemeldeten, beantragten und in Kraft befindlichen Kartelle in BKartA TB 1989/90, S. 144ff. 162

Dazu sogleich unten im 2. Kapitel.

So wurde im spektakulären "Mischwerke"-Fall eine Lcgalisierunggem. § 5b GWB erreicht, vgl. die Bekanntmachung des BKartA, WuW 1986, 370 (auch BKartA TB 1985/86, S. 55); weiterhin BGH WuWIE BGH 2321 "Mischguthersteller"; auch BKartA WuWIE BKartA 2267 "System-gut Logistik Service"; speziell zur FreisteIlung von F&E-GU, Monopolkomrnission HG vm 1988/89 Tz. 987ff., 1084ff. 163

F. Zusammenfassung und ZwillChenergebnis

61

essenkoordinierung aufweisen, unterliegen der kartell rechtlichen Schranke des Kartellverbots unabhängig davon, ob sie zugleich einen Zusammenschlußtatbestand erfüllen (Doppelkontrolle). Auch nach dem dies klarstellenden "Mischwerke"-Beschluß des BGH ist in der Praxis des BKartA keine Untersagungswelle von GU zu beobachten. Die obergerichtliche Rechtsprechung hat dagegen zum Teil die Schranke des § 1 GWB in extensiver Weise gegenüber GU eingesetzt. 2) Für den sachgerechten "Einsatz" des Kartellverbots als Prüfungsmaßstab ist von einem vom kartellorganisationsrechtlichen Denken befreiten, grundsätzlich zwischen dem Verbot und den seiner Durchsetzung dienenden Sanktionen unterscheidenden Verständnis desselben auszugehen. § 1 GWB enthält als Grundtatbestand das Verbot vertraglicher Kartellabsprachen aller Art und wird sanktioniert durch die Anordnung zivilrechtlicher Unwirksamkeit in § 1 GWB, die Untersagungsverfügung gemäß § 37a I GWB sowie die Bußgelddrohung in § 38 I Nr. 1 GWB. Ergänzt wird das Kartellvertragsverbot durch das Verbot abgestimmten Verhaltens nach § 25 I GWB und das Empfehlungsverbot in § 38 I Nr. 11 GWB. 3) Die konkrete Anwendung des Kartellverbots auf "typische" kooperative GU-Sachverhalte ergab, daß grundsätzlich alle denkbaren Verhaltensbeziehungen im Sinne von Wettbewerbsverhältnissen zwischen dem GU und den Muttergesellschaften der kartell rechtlichen Prüfung unterliegen. Aus gesellschaftsrechtlichen Erwägungen funktionsnotwendig zu fordernde Einschränkungen lassen sich mit der Immanenztheorie angemessen behandeln. Die kartellrechtliche Erfassung charakteristischer Wettbewerbsbeschränkungen im Zusammenhang mit GU, die auf der Grundlage komplexer Gesamtvertragswerke betrieben werden, läßt sich teilweise nicht mehr entsprechend der gesetzgeberischen Grundkonzeption so vornehmen, daß einzelne Vertragsklauseln beziehungsweise -teile als ursächlich ausgemacht und dann abgrenzbar von der Unwirksamkeitssanktion erfaßt werden. Vielmehr kann das GfÜndungsvertragswerk eines GU mangels Abgrenzbarkeit der beanstandeten Wettbewerbsbeschränkung insgesamt zivilrechtlich unwirksam sein. Als Ergebnis der differenzierten kartellrechtlichen Beurteilung von GU-Sachverhalten am Maßstab von § 1 GWB ist festzuhalten, daß in ihrem Zusammenhang häufig charakteristische Wettbewerbsbeschränkungen zu registrieren sind, die den Tatbestand des Kartellverbots erfüllen. Die zurechenbar zugrundeliegenden vertraglichen Vereinbarungen werden von der unmittelbaren Rechtsfolge zivilrechtlicher Unwirksamkeit ex tunc erfaßt. Hiervon kann der Gesellschaftsvertrag bezie-

62

I. Teil, I. Kapitel: Beurteilung nach § I GWB

hungsweise die Satzung des GU betroffen sein, und zwar teilweise mit einzelnen Klauseln oder insgesamt, soweit die Unwirksamkeitssanktiondas GU-Vertragswerk als Ganzes erfaßt, also auf das GU-Statut durchschlägt. In beiden Fällen stellt sich die Frage nach den Auswirkungen, die Kartellverbotstatbestand und zivilrechtliche Nichtigkeit in den betroffenen Organisationsverhältnissen auslösen.

Zweites Kapitel

Beurteilung nach Art. 8S EWGV A. Art. 85 EWGV als möaJicher Prüfungsmaßstab

1. Dogmatische Grundlagen und Kommissionspraxis bis zum Inkrafttreten der Verordnung aber die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlassen (FKVO)

Art. 8S I EWGV ist als Generalklausei konzipiert und soll horizontale Wettbewerbsbeschränkungen wie vertragliche Verhaltensbindungen und sonstige abgestimmte Verhaltensweisen, aber auch vertikale Beschränkungen in Austauschverträgen erfassenl • Mit diesem - im Vergleich zu § 1 GWB • generell größeren Anwendungsbereich gehen "naturgemäß" auch potentiell größere Zugriffsmöglichkeiten im Hinblick auf GU-Vorhaben, in deren Zusammenhang verschiedenste Wettbewerbsbeschränkungen zu beobachten sind, einher. Zudem gab es im EWG-Kartellrecht vor dem 21.9.1990 keine "offizielle" Zusammenschlußkontrolle im Sinne einer Marktstrukturprüfung, die der Kontrolle nach den §§ 23 ff. GWB vergleichbar gewesen wäre2 ; das für den deutschen Rechq;kreis charakteristische Abgrenzungsproblem zwischen beiden RegelungskOJnplexen existierte mithin in dieser Form nicht. Die Stellung des Art. 8S EWGV als einem quasi "konkurrenzlosen" Prüfungsmaßstab spiegelt sich auch in der Entscheidungspraxis der EG-Kommission zu GU wider. Letztere ü;t gekennzeichnet vom Versuch, den Anwen-

I Mestmiicker, Europäisches Wettbewerl;Jsrecht, § 13 politik und Kartellrecht, S. 192.

m, S. 191; lngo Schmidt, Wettbewerbs-

2 Zu der auf der Grundlage des Art. 86 EWGV durch die Kommission praktizierten bescheidenen Fusionskontrolle, vgl. den knappen instruktiven Überblick bei Emmerich, Kartellrecht, S. 609ff. 3 Überblick und Kritik hierzu bei lliopoulos, GU im EGKS- und EWG-Kartellrecht, 1986, S. 187ff. (EG-Kartellrechtspraxis ist für den Be~ich der Beurteilung von GU ausschließlich Kommissionspraxis, da es aufgrund weitgehender Freistellung der angemeldeten Vorhaben zu keinen Entscheidungen des EuGH kommt).

64

1. Teil, 2. Kapitel: Beurteilung nach Art. 85 EWGV

dungsbereich des Art. 85 EWGV im Hinblick auf GU-Sachverhalte auszudehnen, um mögliche, aus dem Fehlen einer Zusammenschlußkontrolle resultierende Kontrolldefizite zu kompensieren·. Grundsätzlich ist also eine im Vergleich zum deutschen Recht weitergehende Anwendung des "Kartellverbots" des Art. 85 I EWGV zu verzeichnen5 ; da die Kommission zugleich aber großzügig vom flexiblen FreisteIlungsinstrument des Art. 85 III EWGV Gebrauch macht, bedeutet dies letztendlich keine strengere Behandlung von GU-Vorhaben durch die EG-Kartellrechtspraxis6 • Die Berücksichtigung "rein" konzentrativer Sachverhalte wird dogmatisch durch eine Trennungstheorie umgesetzt, die anband bestimmter Kriterien - vor der eigentlichen Anwendung des Art. 85 EWGV - apriori eine Ausgrenzung von Sachverhalten vornimmt, die als konzentrative GU kategorisiert werden7 • Bei diesen Kriterien war im Laufe der Zeit eine Entwicklung zu einer immer strengeren Abfassung zu beobachten, die den erwähnten Versuch, den kartellbehördlichen Kontrollbereich über Art. 85 I EWGV zu erweitern, dokumentiert. Zuletzt waren die Voraussetzungen für die Annahme eines konzentrativen Sachverhalts so eng gefaßtB, daß jedenfalls für die hier zu beurteilenden (kooperativen) Sachverhalte die Anwendbarkeit von Art. 85 I EWGV problemlos eröffnet war.

II. Rechtslage mit Inkrafttreten der FKVO und Ausblick Mit der Einführung einer europäischen Zusammenschlußkontrolle durch die FKVO vom 21.12.198

n 3, S. 57ff., mißt dem Streit nur für das Innenvemältnis

So Dörr, Fehlemafte GmbH, S. 108, 117; Fuchs, Kartcllvertng, S. 85; Rowedder-Zimmer-

mann, GmbHG, § 75 Rn. 14. M

Vgl. das Beispiel bei Huber, GU, S. 34.

Es bleiben dann Fälle wie der Verstoß gegen das Zündwarenmonopol, das Arbeitsverminlungsmonopol, die Anwaltstätigkeit in einer GmbH etc., vgl. Rowcdder-Ritmer, GmbHG, § 1 Rn. 16; Luner/HommelhoJ!, GmbHG, § 75 Rn. 3 .

113 Vgl. Beehr, Austritt aus der GmbH, S. 147 Fn. 15; Rowedder-Ra.mer, GmbHG, § 61 Rn. 7; Scholz-K. Sehmidt, GmbHG, § 75 Rn. 23; Hachenburg-Ulmer, GmbHG (1. Aufl.), § 61 Rn. 23.

124

2. Tcil, 1. Kapitel: GU-s.chvcmalte bei Gcsamtunwirtaamkcit

seine (potentielle) Anwendbarkeit in der zu beurteilenden Konstellation hin gepcüft l84 • Die Auflösung der Gesellschaft kann im Wege der als Instrument des Minderheitenschutzes ausgestalteten Auflösungsklage betrieben werden, wenn die Erreichung des mit dem Eingehen des Gesellschaftsverhältnisses anvisierten Gesellschaftszwecks unmöglich geworden ist (§ 61 I Alt. 1 GmbRG) oder andere, in den Verhältnissen der Gesellschaft liegende wichtige Auflösungsgründe vorhanden sind (§ 61 I Alt. 2 GmbRG). Die erste Alternative ist als verselbständigter Unterfall der allgemeineren zweiten Alternative aufzufassen l85 • Die Unmöglichkeit der Zweckerreichung .kann rechtlicher oder wirtschaftlicher Natur sein, und muß als dauerhafte Unmöglichkeit feststehen l86 • Gesellschaftszweck ist insbesondere auch die vertraglich entsprechend niedergelegte Zusammenarbeit der Gesellschafter im GU; diese kann aber bei Gesamtnichtigkeit des Gesellschaftsvertrages nicht durchgeführt werden, ohne dabei automatisch gegen § 38 I Nr. 1 GWB zu verstoßen, so daß rechtliche Unmöglichkeit im Sinne von § 61 I Alt. 1 GmbRG bejaht werden kannl81 • Eine genauere Erörterung der zweiten Alternative kann somit wegen ihres "Auffangcharakters" dahinstehen l88 • Die Kartellrechtswidrigkeit der Satzung stellt mithin einen wichtigen, zur Auflösungklage berechtigenden Grund dar. Für den (hypothetischen) Fall, daß die Gesellschafter keine sonstige (vorzugswürdige) Lösung zur Wiederherstellung des kartellrechtskonformen Zustands finden, kann folglich ein Gesellschafter mit mindestens 10% Beteiligung mittels

,.. Demcntsprechcnd wird dic Auflösungsklagc von Fuchs, Kartcllvcrtrag, S. 86 "bemüht", der zuvor dic Voraussetzungcn cincs Nichtigkeitsgrundes verneint hat. ,1.5

Vgl. bereits RGZ 164, 129, 132; Becker, Austrin aus dcr GmbH, S. 32; Luner/Hommelhoff,

§ 61 Rn. 7; Roweddcr-Rasner, GmbHG, § 61 Rn. 4; Scholz-K. Schmidl, GmbHG, § 61 Rn. 15; Hachcnburg-Ulmer, GmbHG (1. Aufl.), § 61 Rn. 10.

,. Ständigc Rechtsprechung, vgl. RG HRR 1935, Nr. 1404; JW 1903,249; 1912, 360f.; 1927, 1684; Rowcddcr-Rasner, GmbHG, § 61 Rn. 5; Scholz-K. Schmidl, GmbHG, § 61 Rn. 19f.; Hachcnburg-Ulmer, GmbHG (1. Aufl.), § 61 Rn. 17. '17 Fuchs, Kartcllvcrtrag, S. 86; Rowedder-Rasner, GmbHG, § 61 Rn. 5; Scholz-K. Schmidl, GmbHG (6. Aufl.), § 62 Rn. 17; Schulu-Osterloh, in Baumbach/Hucck, GmbHG, § 61 Rn. 8; Hachenburg-Ulmer, GmbHG (1. Aufl.), § 61 Rn. 18; a.A. WQnsche, Unwirksame Kartcllvcreinbarung, S. 91f.

,. Zumal dicse A1ternativc insb. "zwischcnmcnschlichc Problcmkonstcllationcn" crfassen will, vgl. Becker, Austrin aus dcr GmbH, S. 32: tiefgreifcndes, unhcilbares Zerwürfnis zwischcn dcn Gesellschaftern, odcr der Gesellschaftermindemeit ist dcr wcitere Verblcib in der Gesellschaft wegcn bcstimmter Gcsellschafterbcschlüssc nicht zumutbar.

B. Auswirkungen im Innenverhältni.

125

der - zur Nichtigkeitsklage subsidiären - Auflösungsklage, die aber praktisch -totes Recht- ist l89 , die Beendigung der kartellrechtswidrigen Zusammenarbeit einleitenl90 • 2. Pecsonenhandelsgesellschaften Internes Instrument für die Gesellschafter einer auf kartell rechtswidriger Vertragsgrundlage betriebenen Pecsonenhandelsgesellschaft (GU vor allem als GmbH&Co KG) zur Geltendmachung des Vertragsmangels ist die Erhebung einer Auflösungsklage gemäß § 133 HGB. Als Konsequenz der Behandlung der anerkannt fehlerhaften Gesellschaft als eine voll wirksame, eventuell auflösbare Gesellschaft kann auch sie nur durch ein Gestaltungsurteil nach §§ 131 Nr. 6, 133 HGB aufgelöst werden l91 • Nicht einheitlich beurteilt wird die Frage, ob der festgestellte Vertragsmangel per se einen zur Auflösungsklage berechtigenden wichtigen Grund darstelltl92 , oder ob ein solcher gleichwohl im jeweiligen Einzelfall nachgewiesen werden muß 193 • Erstere insbesondere von der Rechtsprechung des BGH begründete Auffassung geht richtigerweise davon aus, daß die Auflösungsklage nur das rechtstechnische Mittel ist, um den betreffenden Anfechtungs- beziehungsweise Nichtigkeitsgrund geltend zu machen; demnach sollte für diese Fälle das Instrument auch weinsetzbar sein, wenn im Einzelfall einmal die W

119

Becker, Austritt aus der GmbH, S. 36; Scholz-K. Schmidl, GmbHG (6. Aufl.), § 61 Rn. 17 .

Zu verfahrensrechtlichen Details, vgl. Rowedder-Rasner, GmbHG, § 61 Rn. 9ff.; Scholz-K. Schmidl, GmbHG, § 61 Rn. 4ff. •90

191 Heute einhellige Meinung, vgl. BGHZ 3, 285, 290; 47, 293, 300; 63, 338, 345; Baumbach/DudenlHopt, § 105 Anm. 8 H; HeymannlEmmerich, § 105 Rn. 96; Fischer, in Großkommentar HGB (3. Aufl.), § 105 Anm. 87; Flume, Personengesellschaft, § 2 m, S. 21; H. Wester/IUUIII, Personengesellschaftarecht,Rn. 785.; z.T. wird § 133 HGB lediglich analog für anwendbar gehalten, Ulmer, in Großkommentar HGB (3. Aufl.), § 133 Anm. 4; Wiesner, Fehlerhafte Gesellschaft, S. 122; da die fehlerhafte Gesellschaft aber eben eine wirksame Gesellschaft ist, ist eine Analogie entbehrlich. 192 So die h.M., vgl. BGHZ 3,285, 290ff.; WM 1974,318,319; Ennan, Personalgesellschaften auf mangelhafter Vertragsglllndlage, S. 30f.; A. Hueck, OHG, § 7 m Ib, S. 84f.; G. Hueck, Gesellschaftarccht, S. 100; ReinhardtlSchullz, Gesellschaftarccht, S. 112f., Rn. 239; Soergell Hadding (11. Aufl.), § 705 Rn. 78; MünchKomm-Ulmer, § 705 Rn. 263; H. Weber, Fehlerhafte Gesellschaft, S. 77 .

•., Flume, Personengesellschaft, § 2 m, S. 2If.; K. Schmidl, AcP 186 (1986), 421, 442; Teubner, in AK BGB 1979, § 705 Rn. 12, 16; sowie (früher) RGZ 165, 193, 199f.; RG DR 1941, 1943.

126

2. Tcil, 1. Kapitel: GU-Sachvcrbalte bei Gcaamtunwirbamkcit

strengen Voraussetzungen für das Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht gegeben sein sollten. Vor allem sollte die nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts l94 maßgebliche Frage der Zumutbarkeit der Fortsetzung keine Rolle spielen dürfen. Konsequenz dieser generellen Berücksichtigung des Vertragsmangels als wichtigen Grund ist hingegen, daß auf der anderen Seite die Einschränkung des Vorbehalts mißbräuchlicher Rechtsausübung gemacht wirdl95 • Die Gegenauffassung leitet aus der grundsätzlichen Annahme, daß die Gesellschaft durch den Anfechtungs- oder Nichtigkeitstatbestand in ihrer rechtlichen Geltung eben nicht tangiert ist, ab, daß konsequenterweise im Zeitpunkt der Auflösungsklage zu prüfen ist, ob der Nichtigkeitstatbestand (noch) einen wichtigen Auflösungsgrund darstelltl96 ; eingeräumt wird aber, daß dies in aller Regel der Fall sein wirdl91 •

In der Sache werden letztlich beide Auffassungen zum selben Ergebnis führen; Voraussetzung ist, daß zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein relevanter Vertragsmangel besteht. Da es hingegen insbesondere die insoweit flexiblere Gegenansicht besser hervorzuheben erlaubt, daß bei einer Anwendung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft nicht zwangsläufig aus einer (abgelehnten) Abwicklung ex tunc eine Abwicklung ex nunc wird l98 , vielmehr unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gegebenheiten und Notwendigkeiten sowie der aus der zwischenzeitlichen Zusammenarbeit resultierenden gewachsenen Gesellschaftsbeziehungen durchaus auch andere Maßnahmen zur Fehlerbeseitigung ergriffen werden können, ist ihr zuzustimmenl99 • Parallel zur Rechtslage bei der GmbH zu § 61 GmbHG wird vor allem die dauerhafte Unerreichbarkeit des Gesellschaftszwecks in aller Regel einen

194

Vgl. dic Nachwcise in Fn. 193 .

Vgl. Fischer, in Großkomrnentar HGB (3. Aufl.), § lOS Anm. 91; SoergellHadding (11. Aufl.), § 70S Rn. 78; A. Hueck, OHG, § 7 m lb, S. 8Sf.; Ulmer, in Großkomrncntar HGB, § lOS Rn. 361. •9>

... Flume, Personengcsellschaft, § 2

m, S. 22 .

• 97

Flume, aaO, S. 22; K. Schmidl, AcP 186 (1986), 421, 442.

1..

K. Schmidl, AcP 186 (1986), 421, 442.

Dic vom BGH vertretene Anerkennung jedcs Anfcchtungs- und Nichtigkeitstatbestandc8 als Auflösungsvoraulsetzung sicht Ictztlich auch Ulmer, in Großkommcntar HGB (3. Aufl.), § 133 Anm. 43 als zu fonnal und zu weitgchcnd an; für Korrekturen dcr h.M. im Interesse der Erhaltung gcmeinsam gcschaffcner Werte in der Gcsellschaft auch H. Wiedemann, WM-Bcilagc 811990, S. 28. 199

B. Auswirkungen im Innenverhältnia

127

wichtigen Auflösungsgnmd darstellenDI. Da beim Betrieb eines GU eben auch die konkret vereinbarte Zusammenarbeit der Gesellschafter in der vertraglich niedergelegten Form zum Gesellschaftszweck erhoben worden ist, kann die kartellrechtliche Beanstandung derselben als wichtiger Gnmd im Sinne des § 133 HGB angesehen werden:101• Als ultima ratio kann die Geltendmachung des kartellrechtlichen Mangels somit über die Auflösungsklage gemäß § 133 HGB erfolgen:102; nach entsprechendem Gestaltungsurteil wird die aufgelöste Gesellschaft nach den Liquidationsvorschriften der §§ 145ff. HGB abgewickelt, soweit der Gesellschaftsvertrag hierfür keine abweichenden Regelungen enthält:103. Anstelle des gesellschaftsvertraglieh abdingbaren Gestaltungsklagerechts kann ein funktional gleichwertiges einseitiges Lösungsrecht vereinbart werden, wobei dann die Fehlerhaftigkeit durch einseitige Erklänmg (z.B. als außerordentliches KÜDdigungsrecht) geltend gemacht und gegebenenfalls die Auflösung der Gesellschaft herbeigeführt werden kann2D4 • 11. Auf die Beendigung von EinzelmitgliedschaJten gerichtete verbandsrechtliche Instrumente 1. Vorbemerkung Nach dem Ergebnis der vorstehenden Ausführungen ist ein hinlängliches Instrumentarium vorhanden, um den Verstoß gegen § 1 GWB qua Auflösung und Liquidation des Rechtsträgers GU zu beenden beziehungsweise zu beseitigen. Zwar trägt dieses Ergebnis wesentlich dazu bei, die Anwendung bestandsschütmnder Regelungen auf kartell rechtswidrige Personenverbände und damit eine Ablehnung ihrer ex tune-Nichtigkeit rechtfertigen zu können. Dennoch er-

2QO

BGHZ 69, 160, 162; HeymannlEmmerich, § 133 Rn. 13.

Vgl. Ulmer, in Großkommentar HGB (3. Aufl.), § 133 Anm. 38, wonach bereits die Änderung der Mar1ctverhältnisse als Grunde in Betracht kommen. 20.

m Zu prozcsaualen Einzelheiten vgl. HeymannlEmmerich, § 133 Rn. 14ff; Ulmer, in Großkommentar HGB (3. Autl.), § 133 Anm. 48ff. 203 Vgl. BGHZ 3, 285, 289; A. Hueck, OHG, § 7 m 3, S. 92; Krajt/Kreutz, Gesellschaftsrecht, S. 155; Wiesner, Fehlerhafte Gesellschaft, S. I 28f.

21M Vgl. BGHZ 31, 295, 298ff.; 47, 293, 302; BGH LM Nr. 6 zu § 140 HGB, Ulmer, in Großkommentsr HGB, § 105 Rn. 362; Westermann, Peraonengesellschaftsrecht, Rn. 654.

128

2. Teil, 1. Kapitel: GU-Sachverhalte bei Gesamtunwirbamkeit

scheint es angesichts der aus einer Liquidation zu erwartenden wirtschafts- und sozialpolitischen Konsequenzen31S geradezu zwingend, deren Charakter einer ultima ratio-Lösung zu betonen, und nach wirtschaftlich und sozial verträglicheren Instrumentarien zu suchen, mit denen sich die Wiederherstellung eines wettbewerbskonformen Zustandes ebenso erreichen läßfD6. Denn wenn das Kartellverbot einer rückwirkenden Anerkennung des fehlerhaften Verbandes für die Vergangenheit nicht entgegensteht, streitet es - argumentum a fortiori - erst recht nicht - jedenfalls nicht vorrangig - für eine Beseitigung der Kartellrechtswidrigkeit qua Auflösung und Zerschlagung des "verursachenden" Rechtsträgers. Das bedeutet aber umgekehrt, daß, sofern das Gesellschaftsrecht noch weitere interne, mildere Reaktionsmöglichkeiten bereithält, die zu einem wettbewerbsrechtlich ebenso vertretbaren Ergebnis führen, sich gerade aus gesellschaftsrechtlichen Wertungen eine andere "Rangfolge" zur Geltendmachung des Fehlers beziehungsweise zu dessen Beseitigung ergeben kann. Deren abstrakte Untersuchung wird zwar dadurch erschwert oder behindert, daß jeder GUSachverhalt aufgrund der ihm eigenen Besonderheiten nur einer umfassenden Einzelfallbetrachtung zugänglich ist2D1; der Ausgangsfragestellung kann jedoch die Beantwortung der Frage dienlich sein, ob die auf die Beendigung von einzelnen Mitgliedschaften abzielenden Instrumente der Ausschließung beziehungsweise des Austritts von Gesellschaftern auch im vorliegenden Zusammenhang von den tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen her für die Problemlösung fruchtbar gemacht werden können. Der Unterschied zwischen beiden Instituten besteht vor allem darin, daß die Initiative zur Beendigung von verschiedenen Seiten ausgeht. In Betracht zu ziehen ist die zwangsweise Trennung von einem Gesellschafter, wenn intern keine Einigung über das weitere procedere als Reaktion auf

"" Soweit es nicht gelingt, die VemlÖgenswerte wieder auf die Mütter zurückzuübertngen (etwa über eine Aufteilung der Betriebsstätten o.ä.) bzw. einen Erweroer zu finden, wäre eine Einstellung der Geschäftstätigkeit bei Vorliegen der sonstigen Vonussetzungen eine Betriebsänderung i.S.v. § 111 Nr. 1 BetrVG, für die ein Sozialplan gem. § 112 I BetrVG aufLustellen wäre. 206 Lediglich die Auflösung der Gesellschaft als Instrument zur Geltendmachung des Fehlers steht aber im Vordergrund der Rcchtsfolgenbetnchtungbei der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, vgl. etwa Werrenbnu:h, Rechtsfolgen der Doppelkontrolle, S. 9; gegen die Patentlösung der "Schließung von Fabriken" bei Huber, GU, S. 93, 163 auch G. Wiedemann, Gemeinschaftsunternehmen, S. 202.

2117 Erinnert sei an die Konzeption des GU "als eine in Vertngsform gegossene bestimmte Unternehmensstntegie", was sich bereits bei der kartellrechtlichen Beurteilung niedergeschlagen hat, 8.0. Erster Teil, 1. Kapitel, D I, S. 37f.

B. Auswirkunaen im Innenvemältnia

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die Kartellrechtswidrigkeit zu erzielen ist und keine rechtsgestaltende Vorsorge getroffen wurde. Denkbar wäre die Tauglichkeit der beiden Institute etwa in Fallkonstellationen, in denen ein Gesellschafter z.B. einer möglichen Legalisierung nach den §§ 5ff. GWB "im Wege steht"2D8 oder den Gruppeneffekt wegen der Präsenz auf einem bestimmten Markt verursacht usw. Hier würde gerade die Einzelliquidation dieser Mitgliedschaft zur Herbeiführung des kartellrechtskonformen Zustandes führen; da dann das betroffene Vertragswerk den Tatbestand des § 1 GWB nicht mehr erfüllt, wäre die Ausschließung zugleich Instrument zur Geltendmachung des Fehlers als auch - über ihre Realisierung - zu dessen Beseitigung. Die Heilung des fehlerbehafteten Gesellschaftsvertrages beziehungsweise der Satzung bereitet dabei zivilrechtsdogmatisch keine unüberwindlichen Schwierigkeiten, zumal sie im Kapitalgesellschaftsrecht in den §§ 276 AktG, 76 GmbHG vorgesehen ist. Gleichgültig, ob die Kartellrechtswidrigkeit von Anfang an vorgelegen hat oder der Gesellschaftsvertrag erst später in den Anwendungsbereich von § 1 GWB gerät, schlägt der Vertragsmangel nach Eintragung beziehungsweise Invollzugsetzung auf das Außenverhältnis nicht mehr durch; das Risiko der Geltendmachung des Fehlers von außen oder durch die Gesellschafter selbst ist den Beteiligten zumutba~. Kann dagegen der Kartellverbotsverstoß abgestellt werden, wird der Gesellschaftsvertrag geheilt, eine Neuvornahme ist nicht zu fordem 2lO • 2. Ausschließung eines Gesellschafters a) GmbH Für den praktisch wichtigsten Fall des GU in der Rechtsform einer GmbWII ist der gesetzlich nicht geregelte, praeter legem entwickelte Aus-

201 So z.B. im Fall BGH WuW/E BGH 2321 "Mischguthersteller", in dem einem Rationalisierungskartell die Freistellung gem. § Sb GWB verwehrt wurde, weil ein Mitglied nicht als kleines oder mittleres Unternehmen angesehen werden konnte; vgl. auch die Entwicklung im "OAM"-Fall, wo nach dem Ausscheiden einiger Gesellschafter eine Freistellung nach § Sb GWB angestrebt wurde, WuW 1986,370. 209 Allgemein zum Unwirksamwerden von Verträgen, BelJce, ZHR 143 (1979),74, 87 Fn. 40; auch MiJschel, Wettbewerbsbeschränkungen, S. 146, Rn. 229).

110 Anders, aber nicht für einen Gesellschaftsvertrag, BGH WuW/E BGH 2321, 2326 "Mischguthersteller"; ebenso generell zu privatrechtlichen Rechtsgeschäften, Sandrock, Kartellrecht und Genossenschaften, S. 58. 111 Nach den Angaben der MonopolkommissionHG erfaßten GU in der Rechtsform der GmbH errichtet.

9 Benner

vm 1988/89 Tz. 470 sind 75,2% der dort

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2. Teil, 1. Kapitel: GU-Sachverhalte bei Geaamtunwirbamkeit

schluß eines GmbH-Gesellschafters aus wichtigem Grund im Grundsatz anerkannt212; Streit herrscht dagegen vor allem noch in prozeduralen Detailpunkten sowie über die dogmatische Grundlage213 • Voraussetzung für den zwangsweisen Ausschluß eines Gesellschafters ist ein wichtiger in seiner Person oder seinem Verhalten liegender Grund, der die Fortführung der Gesellschaft mit ihm für die Mitgesellschafter unzumutbar macht. Zu dessen konkreter Beschaffenheit verlangt die Rechtsprechung, daß eine unter Einbeziehung aller einschlägigen Umstände vorzunehmende Gesamtbewertung zu erfolgen hat, die klären soll, ob die weitere Mitgliedschaft in der Gesellschaft noch tragbar isf l4 • Der wichtige Grund muß dem Gesellschafter zurechenbar, dagegen nicht notwendigerweise von ihm verschuldet sein, da die Ausschließung keinen pönalen Charakter hat215 • In Abgrenzung dazu kann ein objektiv angelegter Zustand in den Verhältnissen der Gesellschaft, der keine eindeutige Zuordnung zu einem Gesellschafter gestattet, grundsätzlich kein tauglicher Ausschlußgrund sein216; insoweit muß auf die Auflösungsklage gemäß § 61 GmbHG als weitergehendes Instrument zur Problemlösung zurückgegriffen werden. Auf den ersten Blick ist die Kartellrechtswidrigkeit der Satzung gemäß § 1 GWB wohl ein Umstand, der nicht primär einem Gesellschafter zurechenbar ist, sondern objektiv die konkret vereinbarte Zusammenarbeit im zu beurteilenden GU betrifft. Jedenfalls läßt sich die Fallkonstellation nicht ohne weiteres unter die gängige Kasuistik zu den Ausschlußgcüoden subsumieren217 • Letztlich handelt es sich aber um eine Wertungsfrage, die sich auch an der anzustre212 Vgl. aUI der RcchtsprechungBGHZ 9, 157, 159 = NJW 1953,780; 16,317,322 = NJW 1955, 667; 32, 17, 22 = NJW 1960, 866; aus der Literatur etwa Hueck, in Baumbach/Hucck, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 2; Lutter/Hommelho.J!, GmbHG, § 34 Rn. 23; Rowedder, GmbHG, § 34 Rn. 39; Hachenburg-Ulmer, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 3; Scholz-Willler, GmbHG, § 15 Rn. 130. 21' Dazu Hachenburg-Ulmer, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 18ff.; eine Ansicht sieht die dogmatische Grundlage in § 140 HGB, so R. Fischer, in: FS W. Schmidt, 1959, 117, 131; BaumbachlHueck, GmbHG, 13. Aufl. 1970, Einf. 2)A. zu § 34; eine andere sicht die gescllschaftsrechtliche Treuepflicht i.V.m. dem Grundaatz der Lösbarkeit von Dauerrechtsbeziehungenals Grundlage, BGHZ 9, 157, 163; zust. Balz, Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, S. 49. 214

RGZ 169,330, 333f.; BGHZ 9, 157, 159f.; 16,317,322.

m Hachenburg-Ulmer, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 10. 21