Frühe Marktzutritte im Arzneimittelsektor: Anreize, Ausgestaltung und kartellrechtliche Bewertung [1 ed.] 9783428548873, 9783428148875

Nach den Erkenntnissen der Sektoruntersuchung-Pharma nutzen Arzneimittelhersteller eine Vielzahl patentrechtlicher Werkz

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Frühe Marktzutritte im Arzneimittelsektor: Anreize, Ausgestaltung und kartellrechtliche Bewertung [1 ed.]
 9783428548873, 9783428148875

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Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 288

Frühe Marktzutritte im Arzneimittelsektor Anreize, Ausgestaltung und kartellrechtliche Bewertung

Von

Sebastian Dworschak

Duncker & Humblot · Berlin

SEBASTIAN DWORSCHAK

Frühe Marktzutritte im Arzneimittelsektor

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 288

Frühe Marktzutritte im Arzneimittelsektor Anreize, Ausgestaltung und kartellrechtliche Bewertung

Von

Sebastian Dworschak

Duncker & Humblot · Berlin

Die Veröffentlichung wurde finanziell unterstützt durch den Freundeskreis der Düsseldorfer Juristischen Fakultät e.V., Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf (http://www.jura.hhu.de/fakultaet0/freundeskreis.html).

Die Juristische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat diese Arbeit im Jahre 2015 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D61 Alle Rechte vorbehalten

© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de Gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 0582-026X ISBN 978-3-428-14887-5 (Print) ISBN 978-3-428-54887-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-84887-4 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2015 von der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf als Dissertation angenommen. Sie entstand während meiner dortigen Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht sowie deutsches und internationales Unternehmens-, Wirtschafts- und Kartellrecht. Die mündliche Prüfung fand am 30. November 2015 statt. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Christian Kersting, LL.M. (Yale). Seine uneingeschränkte Unterstützung und sein Vertrauen haben ganz wesentlich zur Erstellung dieser Arbeit beigetragen. Besonderer Dank gebührt auch Herrn Prof. Dr. Jan Busche, der das Zweitgutachten zu dieser Arbeit verfasste. Herzlich bedanken möchte ich mich außerdem bei Frau Monika Scheithauer sowie allen Kolleginnen und Kollegen, die mich während meiner Zeit am Lehrstuhl begleitet und unterstützt haben. Die Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl wird mir immer in guter Erinnerung bleiben. Für die zahlreichen wertvollen Diskussionen nicht nur bei der Erstellung dieser Arbeit bin ich Herrn Alexander Belk, Herrn Robert Billerbeck und Herrn Kay Pipoh zu großem Dank verpflichtet. Für die überaus gründliche Durchsicht des Manuskripts danke ich Herrn Thomas Scherer, Frau Elena Engels, Frau Anna Sliber sowie Herrn Frank Dörnemann. Dem Freundeskreis der Düsseldorfer Juristischen Fakultät e.V. danke ich für die großzügige finanzielle Unterstützung bei der Veröffentlichung dieser Arbeit. Von Herzen bedanken möchte ich mich schließlich bei meinen Eltern Susanne und Heribert sowie meinem Bruder Lukas Dworschak. Ihr Rückhalt und ihre stets liebevolle Unterstützung liegen dieser Arbeit zugrunde. Ihnen ist die Arbeit gewidmet. Düsseldorf, im März 2016

Sebastian Dworschak

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Kapitel 1 Einführung

22

§ 1 Die Sektoruntersuchung-Pharma der Europäischen Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . 23 A. Anlass, Gegenstand und Umfang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 § 2 Problemdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 A. Wettbewerbsbeschränkung durch Wettbewerbsförderung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 B. Die Marktanteilsentwicklung autorisierter Generika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 C. Konkretisierung der kartellrechtlichen Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 I. Abschreckung generischer Wettbewerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 II. Vorzeichnung zukünftiger Marktstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 III. Projektion von Marktmacht in die Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 § 3 Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 A. Märkte für verschreibungspflichtige Fertighumanarzneimittel . . . . . . . . . . . . . . . . 44 B. Frühe Marktzutritte konzernunabhängiger Generikahersteller . . . . . . . . . . . . . . . . 45 § 4 Gang der Darstellung und Ausblick auf die Untersuchungsergebnisse . . . . . . . . . . . . 47

Kapitel 2 Rechtliche Einordnung und wirtschaftlicher Hintergrund

49

§ 1 Rechtliche Einordnung und Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 A. Einräumung der zivilrechtlichen Nutzungsbefugnisse an dem Arzneimittel . . . . . 51 B. Verschaffung arzneimittelrechtlicher Marktzulassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I. Erwerb einer eigenen Marktzulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 II. Die Übertragung von Arzneimittelzulassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 C. Gegenleistungen der Generikahersteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

10

Inhaltsverzeichnis D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

§ 2 Wirtschaftlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 A. Frühe Marktzutritte als Patentauslaufstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 I. Besonderheiten im Produktlebenszyklus eines Arzneimittels . . . . . . . . . . . . . 59 II. Frühe Marktzutritte als Patentauslaufstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 B. Frühe Marktzutritte als Bestandteil von Patentvergleichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 § 3 Die Bedeutung des Marktzutrittszeitpunkts im Arzneimittelsektor . . . . . . . . . . . . . . . 66 A. Begriff und Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 B. Besondere Ausprägung im Arzneimittelsektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 I. Hohe Produktloyalität auf Nachfrageseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. Fehlende Finanzierungsverantwortung und Informationsdefizite der Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2. Informationsdefizite und fehlende Finanzierungsverantwortung der Ärzte 72 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 II. Regulatorische Besonderheiten der Angebotsseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Qualitätswettbewerb zwischen Originalpräparaten und Generika . . . . . . . . 75 2. Preiswettbewerb zwischen Originalpräparaten und Generika . . . . . . . . . . . 75 a) Preiswettbewerb im Arzneimittelsektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 b) Preissensibilität und Substitutionsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 aa) Substitutionsförderung durch Rabattverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 bb) Weitere Auswahlkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

Kapitel 3 Kartellrechtliche Würdigung

80

§ 1 Die kartellrechtliche Bewertung früher Marktzutritte in den USA . . . . . . . . . . . . . . . 82 A. Relevante Aspekte des US-amerikanischen Zulassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 83 I. Paragraph IV Certifications . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 II. Exklusivitätsfrist für ANDA-Antragsteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 B. Meinungsstand zur Zulässigkeit autorisierter Generika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 I. Verwaltungspraxis der FDA und Rechtsprechung US-amerikanischer Gerichte 90 II. Standpunkte im US-amerikanischen Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 III. Standpunkt der Federal Trade Commission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 C. Übertragbarkeit der Argumente auf Deutschland und Europa . . . . . . . . . . . . . . . . 95

Inhaltsverzeichnis

11

§ 2 Frühe Marktzutritte als Gegenstand kartellrechtlicher Marktverhaltenskontrolle . . . . 97 A. Behinderungsmissbrauch gem. §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB, Art. 102 lit. b) AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 I. Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 II. Adressatenkreis der Missbrauchsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Sektorspezifische Marktabgrenzung im Arzneimittelbereich . . . . . . . . . . . . 101 2. Bedeutung von Immaterialgüterrechten im Rahmen der Beurteilung marktbeherrschender Stellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 III. Unbillige Behinderung generischer Wettbewerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 1. Behinderung generischer Wettbewerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 2. Unbilligkeit der Behinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) Immaterialgüterrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 aa) Komplementärverhältnis zwischen Kartellrecht und Immaterialgüterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 bb) Bisherige Auflösungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 cc) Konsequenzen für die Bewertung früher Marktzutritte . . . . . . . . . . . 114 b) Rückschlüsse auf das Vorliegen besonderer Umstände aus dem AstraZeneca-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 aa) Die Entscheidungen der Gemeinschaftsgerichte in der Rechtssache AstraZeneca . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 bb) Rückschlüsse für die Bewertung früher Marktzutritte . . . . . . . . . . . 117 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 c) Qualität der Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 d) Intensität der Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 aa) Marktverschließung durch Marktzutrittsschranken . . . . . . . . . . . . . . 122 bb) Auswirkungen auf die Verbraucherwohlfahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 cc) Konzeptionelle Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 B. Kartellrechtliche Lizenzierungspflicht als Korrektiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 I. Lizenzierungspflicht nach den Grundsätzen der Essential Facilities-Doktrin

132

1. Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen Magill TV Guide und IMS Health . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Verhinderung eines neuen Produktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 II. Diskriminierungstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 C. Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung gem. Art. 101 AEUV, § 1 GWB . . . . . 138 I. Bezwecken oder Bewirken einer Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . 139 II. Wettbewerbsbeschränkende Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Atypische Vertikalvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

12

Inhaltsverzeichnis 2. Beschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit unabhängiger Generikahersteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3. Konzeptionelle Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 IV. Exkurs: Kartellrechtlich relevante Nebenabreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1. Exklusiv- und Alleinlizenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2. Alleinbezugsverpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

§ 3 Frühe Marktzutritte als Gegenstand kartellrechtlicher Marktstrukturkontrolle . . . . . . 152 A. Frühe Marktzutritte als Anwendungsfall der Zusammenschlusskontrolle . . . . . . . 153 I. Aufgreiftatbestand der Zusammenschlusskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 1. Verhältnis der europäischen zur nationalen Zusammenschlusskontrolle . . . 155 2. Fusionskontrollrechtlich relevante frühe Marktzutritte und einschlägige Zusammenschlusstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Konzerninterne frühe Marktzutritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 b) Relevante Zusammenschlusstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3. Lizenzerwerb als Unternehmenszusammenschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 a) Kein Vermögenserwerb nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . 163 b) Kontrollerwerb nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) GWB, Art. 3 Abs. 1 lit. b) FKVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 aa) Begriff der Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 bb) Exklusivlizenzen als Kontrollmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 4. Langfristige Lieferverträge als Zusammenschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 a) Faktische Kontrolle infolge wirtschaftlicher Abhängigkeit . . . . . . . . . . . 170 b) Besonderheiten bei der Belieferung mit patentgeschützten Produkten

170

5. Übertragung einer arzneimittelrechtlichen Marktzulassung als Unternehmenszusammenschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 a) Vermögenserwerb oder Kontrollerwerb nach § 37 GWB, Art. 3 FKVO 171 b) Anforderungen an den Vermögensteil zur Erfassung externen Unternehmenswachstums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 aa) Begriff des externen Unternehmenswachstums . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 bb) Wesentlichkeit des Vermögensteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (1) Quantitative oder qualitative Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (2) Übergang der Marktstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 cc) Geschäftsbereich mit Marktpräsenz und Marktumsatz . . . . . . . . . . . 179 c) Arzneimittelzulassungen als wesentliche Vermögensteile mit Marktpräsenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

Inhaltsverzeichnis 7. Übertragung des Erstanbietervorteils als Unternehmenszusammenschluss

13 181

a) Erstanbietervorteil als anknüpfungsfähiger Vermögensbestandteil . . . . . 182 b) Frühe Marktzutritte als Konzentrationsvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 aa) Erhöhung der relativen Konzentration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 bb) Konzentration durch Dekonzentrationshemmung . . . . . . . . . . . . . . . 189 II. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 III. Eingriffsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Bestimmung des relevanten Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Kontrollfähigkeit zukünftiger Marktstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 3. Erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 a) Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 b) Untersagungsrelevante Bewertungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 aa) Qualität des Patents des Originalpräparateherstellers . . . . . . . . . . . . 197 bb) Indikation des Arzneimittels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 cc) Größe des betroffenen Arzneimittelmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 dd) Zeitlicher Zusammenhang zwischen Marktzutritt und Patentablauf 199 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 B. Anwendungsfall des Marktstrukturmissbrauchs gem. Art. 102 AEUV, § 19 GWB 200 I. Ursprung und dogmatische Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 1. Die Continental Can-Entscheidung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Einwände im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 II. Anwendungsbereich des Marktstrukturmissbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 1. Bislang diskutierte Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Eigenständiger Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

Kapitel 4 Fazit und Ausblick

211

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

„[…] if you sell the product one month later or not it doesn’t make a big difference, because there is no other company to sell it […]. But as a generic company I have to be first, because there are many companies that can sell the same product […]. The way of thinking is very different.“ Bedri Toker (Sandoz) im Wall Street Journal vom 4. Mai 2006

Einleitung Die Geltung des Wettbewerbsprinzips im Arzneimittelsektor ist unumstritten.1 Gleichwohl stellt die Anwendung der Vorschriften zum Schutz des Wettbewerbs im Arzneimittelsektor eine besondere Herausforderung dar, weil sich der Arzneimittelsektor in wettbewerblicher Hinsicht von anderen Wirtschaftssektoren unterscheidet2. Der Arzneimittelsektor unterliegt in großem Umfang staatlicher Regulierung.3 Letztere findet ihren Ausdruck etwa in der arzneimittelrechtlichen Zulassungspflicht nach §§ 21 ff. AMG oder in der Vorgabe erstattungsfähiger Festbeträge für Arzneimittel gem. §§ 35 ff. SGB V. Der Arzneimittelsektor ist überdies durch eine hohe Dichte an gewerblichen Schutzrechten, insbesondere Patentrechten, gekennzeichnet.4 Zur Amortisierung überdurchschnittlich hoher Ausgaben für die Erforschung, Entwicklung und arzneimittelrechtliche Zulassung neuer Arzneimittel sind pharmazeutische Unternehmen in besonderem Maße auf den Bestand immaterialgüterrechtlicher Ausschließlichkeitsrechte und deren effektive Verwertung angewiesen.5 Pharmakartellrechtliche Fragestellungen befinden sich vor diesem Hintergrund häufig an einer Schnittstelle, an der die Wertungen des Kartellrechts mit 1

Vgl. Lübbig/Klasse, Kartellrecht im Pharma- und Gesundheitssektor2 (2015), § 1 Rn. 1. Scherer, JEP 1993, 97 (98 ff.); von Falck/Slopek/Thiermann, GRUR 2015, 1050 (1050); Lübbig/Klasse, Kartellrecht im Pharma- und Gesundheitssektor2 (2015), § 2 Rn. 2; GA Jacobs, Schlussanträge v. 28. 10. 2004, Rs. C-53/03, Slg. 2005, I-4609, Rn. 77 – Syfait; vgl. auch EuG, Urt. v. 1. 7. 2010, Rs. T-321/05, Slg. 2010, II-2805, Rn. 183 – AstraZeneca. 3 EuG, Urt. v. 27. 9. 2006, Rs. T-168/01, Slg. 2006, II-2969, Rn. 104 – GlaxoSmithKline; Kommission, Entsch. v. 9. 7. 2014, AT.39612, C(2014) 4955 final, Rn. 62 – Perindopril (Servier); GA Jacobs, Schlussanträge v. 28. 10. 2004, Rs. C-53/03, Slg. 2005, I-4609, Rn. 76 ff. – Syfait, unter Bezugnahme auf die Regulierung von Preisen und des Vertriebs; von Falck/Slopek/ Thiermann, GRUR 2015, 1050 (1050). 4 Müller-Graff/Fischmann, GRUR Int 2010, 792 (793); GA Colomer, Schlussanträge v. 1. 4. 2008, Rs. C-468/06 bis C-478/06, Slg. 2008, I-7139, Rn. 84 – Lélos; vgl. auch Nusser/Gaisser, PharmR 2005, 409 (413). 5 Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 1; Klopschinski, GRUR Int 2011, 993 (993); Schmidt/Sule, EuZW 2012, 369 (372); Müller-Graff/Fischmann, GRUR Int 2010, 792 (799); Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1562); Avery, HLJ 2008, 171 (171). 2

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immaterialgüterrechtlichen Wertungen und bestimmten Mechanismen der Arzneimittelregulierung zusammentreffen.6 Mit dem Bestreben der Arzneimittelhersteller, den Parallelhandel mit Arzneimitteln in der Europäischen Union durch vertragliche Exportverbote, durch die Kontingentierung von Arzneimittellieferungen oder durch Preisspaltungen zu begrenzen, konzentrierte sich die Kartellrechtspraxis im Arzneimittelsektor dabei lange Zeit auf Verhaltensweisen7, die in einem Spannungsfeld zwischen Kartell- und Regulierungsrecht angesiedelt waren. Anreize zur Einschränkung des Parallelhandels ergeben sich bis heute vor allem aus dem unterschiedlichen Preisniveau von Arzneimitteln in den EU-Mitgliedstaaten, welches wiederum Folge der verschiedenartigen regulatorischen Eingriffe in die Preisbildungsfreiheit von Arzneimittelherstellern in den Mitgliedstaaten ist.8 Die Kartellrechtspraxis hatte sich deshalb wiederholt mit der Frage auseinanderzusetzen, ob und inwieweit sich aus der Regulierung der Arzneimittelmärkte, insbesondere im Bereich der Arzneimittelpreise, Besonderheiten für die kartellrechtliche Bewertung der genannten Maßnahmen ergeben.9 In jüngerer Vergangenheit gerieten hingegen vor allem solche Verhaltensweisen pharmazeutischer Unternehmen in den Fokus der Kartellaufsicht, die mit der Erlangung, Verwertung oder prozessualen Durchsetzung von Patentrechten oder ergänzenden Schutzzertifikaten in Zusammenhang standen.10 Im Rahmen der Sek-

6 Vgl. Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1556 f.) [„overlap between antitrust and regulatory law“]. 7 Lübbig/Klasse, Kartellrecht im Pharma- und Gesundheitssektor2 (2015), § 5 Rn. 1; Sule/ Schnichels, EuZW 2009, 129 (134); Schmidt/Sule, EuZW 2012, 369 (372); siehe hierzu auch Böttcher, GRUR Int 2009, 646 (650 ff.); Grigoriadis, EBLR 2014, 141. Zur Beeinträchtigung des Parallelhandels durch den Widerruf arzneimittelrechtlicher Marktzulassungen vgl. Kommission, Entscheidung v. 15. 6. 2005, COMP/A. 37.507/F3, Rn. 255 ff. – AstraZeneca. 8 EuGH, Urt. v. 29. 11. 1983, Rs. 181/82, Slg. 1983, 3849, Rn. 8 – Rousel; Kommission, Entsch. v. 10. 6. 1991, IV/M.072, Rn. 18 – Sanofi/Sterling; Lübbig/Klasse, Kartellrecht im Pharma- und Gesundheitssektor2 (2015), § 5 Rn. 1; Böttcher, GRUR Int 2009, 646 (650); Grigoriadis, EBLR 2014, 141 (142 f.). GA Jacobs, Schlussanträge v. 28. 10. 2004, Rs. C-53/03, Slg. 2005, I-4609, Rn. 84 – Syfait; EuG, Urt. v. 27. 9. 2006, Rs. T-168/01, Slg. 2006, II-2969, Rn. 129 – GlaxoSmithKline. 9 Vgl. nur EuGH, Urt. v. 16. 9. 2008, Rs. C-468/06 bis C-478/06, Slg. 2008, I-7139, Rn. 41 ff., 67 – Lélos; GA Jacobs, Schlussanträge v. 28. 10. 2004, Rs. C-53/03, Slg. 2005, I4609, Rn. 77 ff. – Syfait; kritischer GA Colomer, Schlussanträge v. 1. 4. 2008, Rs. C-468/06 bis C-478/06, Slg. 2008, I-7139, Rn. 86 ff. – Lélos; Grigoriadis, EBLR 2014, 141 (144 ff.); zur Haltung der Kommission siehe Böttcher, GRUR Int 2009, 646 (653); EuG, Urt. v. 27. 9. 2006, Rs. T-168/01, Slg. 2006, II-2969, Rn. 103 ff., insb. Rn. 147, 192 – GlaxoSmithKline; zu den Besonderheiten einer preisgestützten Marktabgrenzung, EuG, Urt. v. 1. 7. 2010, Rs. T-321/05, Slg. 2010, II-2805, Rn. 157 ff. – AstraZeneca; hierzu Müller-Graff/Fischmann, GRUR Int 2010, 792 (794 f.); EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 170 ff. – AstraZeneca. 10 Vgl. Drexl, IIC 2009, 751 (755); Strohm, Wettbewerbsbeschränkungen in Patentlizenzverträgen (1971), S. 205, bezeichnet das Patentkartellrecht gar als Sondergebiet des Kartellrechts; dies bereits früh befürchtend Treacy/Hopson, JIPLP 2008, 622 (624).

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toruntersuchung-Pharma11 diskutierte die Europäische Kommission ein ganzes Bündel derartiger Maßnahmen12 und auch der Europäische Gerichtshof war in der Rechtssache AstraZeneca13 bereits mit einem entsprechenden Fall betraut. In der Literatur wurde hieraus bereits der Schluss gezogen, die Kommission stünde mit dem Patentrecht derzeit auf „Kriegsfuß“.14 Die größte Aufmerksamkeit zogen hierbei bislang Maßnahmen auf sich, die im Verdacht standen, den Wettbewerb zwischen Originalpräparaten und Generika zu verzögern oder zu verhindern.15 Allen voran ging es um Fälle der vergleichsweisen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten, im Zuge derer sich Generikahersteller gegen Zahlung eines Entgelts16 durch Originalpräparatehersteller verpflichten, Arzneimittelmärkten fern zu bleiben (Pay-ForDelay Vereinbarungen).17 Patentvergleiche diesen Inhalts werden als Reverse Payment Settlements bezeichnet, weil die Vergleichszahlungen nicht, wie gewöhnlich, durch die Generikahersteller als vermeintliche Patentverletzer, sondern – gerade umgekehrt – durch die patentinnehabenden Originalpräparatehersteller geleistet werden.18 Durch Pay-For-Delay Vereinbarungen, so lautet der kartellrechtliche Vorwurf, kauften sich Originalpräparatehersteller vom frühzeitigen Wettbewerb durch Generikahersteller zulasten der Verbraucher und der öffentlichen Sozialversicherungssysteme frei.19 Im Falle von Reverse Payment Settlements blieben überdies ungültige und damit unberechtigte Patente zulasten auch derjenigen Generikahersteller bestehen, die an dem Patentvergleich nicht beteiligt seien.20

11 Siehe Kommission, Pharmaceutical Sector Sector Inquiry, Final Report v. 8. 7. 2009 (nachfolgend: Sektoruntersuchung-Pharma). 12 Berg/Köbele, PharmR 2009, 581 (582). 13 EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8 – AstraZeneca. 14 Besen/Gärtner/Mayer/Vormann, PharmR 2009, 432 (437). 15 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 11. 16 Typischerweise in Höhe zwei- bis dreistelliger Millionenbeträge, Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1568). 17 Schmidt/Sule, EuZW 2012, 369 (372 f.); Picht, E.C.L.R. 2013, 523 (523); Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 53; vgl. auch Kommission, SektoruntersuchungPharma, Rn. 1572 f.; FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. i. Pay-For-Delay Vereinbarungen traten bislang überwiegend im Kontext der vergleichsweisen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten in Erscheinung, Picht, ZWeR 2014, 83 (83 f.). Wie die Entscheidung der Kommission gegen das dänische Pharmaunternehmen Lundbeck zeigt, werden Pay-For-Delay Vereinbarungen aber auch außerhalb von Patentvergleichen geschlossen, siehe hierzu in und bei Fn. 19 f. (Kapitel 1). 18 Avery, HLJ 2008, 171 (181); Peritz, IIC 2009, 499 (499); Picht, ZWeR 2014, 83 (84); Choi/Den Uyl/Hughes, JECLAP 2014, 44 (44); Chen, VLR 2007, 459 (466 f.); US Supreme Court, Urt. v. 17. 6. 2013, Case No. 12 – 416, 133 S.Ct. 2223 (2227) – FTC v. Actavis Inc; Kommission, Entsch. v. 19. 6. 2013, AT.39226, C(2013) 3803 final, Rn. 640 – Lundbeck. 19 Picht, ZWeR 2014, 83 (84) m.w.N.; ders., E.C.L.R. 2013, 523 (523); Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1557, 1572); Heyers, BRJ 2011, 33 (35); kritisch Jansen/Johannsen, EuZW 2012, 893 (894 ff.). 20 Treacy/Hopson, JIPLP 2008, 622 (624); vgl. auch Hauck, WRP 2012, 673 (674).

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Nur wenig Aufmerksamkeit wurde demgegenüber bislang dem Umstand zuteil, dass auf Arzneimittelmärkten nicht selten auch ein gegenteiliges21 Verhalten von Originalpräparate- und Generikaherstellern zu beobachten ist. Oftmals wirken die patentinnehabenden Originalpräparatehersteller gerade nicht darauf hin, Generikahersteller vom Zutritt zu Arzneimittelmärkten abzuhalten. Vielmehr gestatten sie einzelnen konzernangehörigen oder konzernfremden Generikaherstellern, Arzneimittelmärkte bereits kurze Zeit vor Patentablauf22 zu betreten. Der Marktzutritt des Generikaherstellers wird dann, entsprechend seiner Vorverlagerung vor den Zeitpunkt des Patentablaufs, als früher Marktzutritt (Early Entry) bezeichnet.23 Frühen Marktzutritten liegen Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt (Early Entry-Agreements) zugrunde24, im Zuge derer die Originalpräparatehersteller den Generikaherstellern das Recht zur Nutzung der patentgeschützten Arzneimittel einräumen. Im Gegenzug verpflichten sich die Generikahersteller zur Zahlung einer einmaligen oder fortlaufenden, bisweilen auch umsatzbezogenen Vergütung an die Originalpräparatehersteller.25 Ziel dieser Strategie ist es, einzelnen Generikaherstellern einen zeitlichen Vorsprung gegenüber ihren Wettbewerbern zu verschaffen und auf diesem Wege sicherzustellen, dass diese Generikahersteller im Zeitraum nach Patentablauf einen Großteil des generischen Marktsegments besetzen können. Arzneimittel, die im Wege früher Marktzutritte vertrieben werden, werden als autorisierte Generika (Authorized Generics) bezeichnet.26 Bisweilen finden sich in 21

Chen, VLR 2007, 459 (471). Wagner, in: Martinek/Semler/Habermeier/Flohr, Vertriebsrecht3 (2010), § 51 Arzneimittel Rn. 63; Friedrich, PharmR 2010, 329 (336); Balto, Legal Times v. 20. 3. 2006. 23 Wagner, in: Martinek/Semler/Habermeier/Flohr, Vertriebsrecht3 (2010), § 51 Arzneimittel Rn. 63; Raasch/Schöffski, in: Schöffski/Fricke/Guminski, Pharmabetriebslehre2 (2008), S. 222; Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 86; von Falck/Slopek/Thiermann, GRUR 2015, 1050 (1053); vgl. auch Schwarz-Schütte, in: Handbuch Pharma-Management, Band 1 (1995), S. 457 (469); Pape, Neue Entwicklung im Pharma-Marketing (2000), S. 57; Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 1, 7, die in Anlehnung an die Bezeichnung der im Wege früher Marktzutritte vertriebenen Generika auch die Begriffe des authorized, branded oder pseudogeneric entry verwendet; siehe auch BGH, Urt. v. 5. 12. 2006, X ZR 76/05, BGHZ 170, 115 (116) = GRUR 2007, 221 (221) – Simvastatin. 24 Pautke, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht2 (2014), § 49 Rn. 38; Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 796, 808. 25 Wagner, in: Martinek/Semler/Habermeier/Flohr, Vertriebsrecht3 (2010), § 51 Arzneimittel Rn. 63; Raasch/Schöffski, in: Schöffski/Fricke/Guminski, Pharmabetriebslehre2 (2008), S. 222; Nieder, GRUR 2013, 32 (34). 26 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 796, 799; dies., SektoruntersuchungPharma, Zwischenbericht, Rn. 665; dies., Entsch. v. 9. 7. 2014, AT.39612, C(2014) 4955 final, Rn. 203 – Perindopril (Servier); FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. i; Porter, JCHLP 2005, 177 (182); Berndt/Mortimer/Bhattacharjya/Parece/Tuttle, Health Affairs 2007, 790 (790); Chen, VLR 2007, 459 (460); Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (252); Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (357); Balto, Legal Times v. 20. 3. 2006; Mylan Pharmaceuticals Inc, Citizen Petition v. 17. 2. 2004, S. 1; Gassner, A&R 2010, 3 (5). 22

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der Literatur auch die Bezeichnungen der Branded Generics27 oder Pseudo Generics28, die, ebenso wie der Begriff des frühen Marktzutrittes, regelmäßig synonym verwendet werden29. Autorisierte Generika sind demnach Arzneimittel, die mit Zustimmung der Originalpräparatehersteller durch unabhängige Generikahersteller oder durch Tochterunternehmen der Originalpräparatehersteller bereits vor Ablauf des Originalpräparatepatents als Generika vertrieben werden.30 Autorisierte Generika unterscheiden sich von gewöhnlichen Generika regelmäßig durch ihre chemische Zusammensetzung. Moderne Arzneimittel setzen sich grundsätzlich aus Wirkstoffen und Hilfsstoffen zusammen.31 Im Normalfall stimmen Generika und die entsprechenden, bereits zugelassenen Originalpräparate nur hinsichtlich ihrer Wirkstoffe, d. h. hinsichtlich ihrer arzneilich wirksamen Bestandteile, überein.32 Abweichungen bestehen demgegenüber im Bereich der verwendeten Hilfsstoffe.33 Letztere werden benötigt, „um für den Wirkstoff eine geeignete Darreichungsform – das eigentliche Arzneimittel – herzustellen bzw. um den Wirkstoff im menschlichen Körper zum gewünschten Wirkort zu transportieren“.34 Voraussetzung für die Zulassung eines Arzneimittels als Generikum ist gem. § 24b Abs. 2 S. 1 AMG darüber hinaus, dass das zuzulassende Arzneimittel und das Originalpräparat bioäquivalent sind.35 Die Wirkstoffe des Generikums müssen hierzu im menschlichen Körper innerhalb bestimmter Bandbreiten von Ausmaß und Ge27

Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (252); Ferrándiz, Health Economics 1999, 599 (610); Teva Pharmaceuticals USA, Citizen Petition v. 9. 6. 2004, S. 3; Grabowski/Vernon, JLE 1992, 331 (346) bezeichnen als Branded Generics einschränkend nur solche Generika, die durch ein Tochterunternehmen des Originalpräparateherstellers unter dem Namen des Originalpräparateherstellers vertrieben werden. 28 Hollis, CPP 2003, 21 (21 ff.); ders., Health Economics 2002, 723 (724). 29 Vgl. Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 7; Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (252); Teva Pharmaceuticals USA, Citizen Petition v. 9. 6. 2004, S. 17. 30 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Zwischenbericht, Rn. 665. Bisweilen wird dabei zusätzlich hervorgehoben, autorisierte Generika würden zwar als Generika, jedoch unter der Zulassung der entsprechenden Originalpräparate vertrieben, siehe FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 15; Berndt/Mortimer/Bhattacharjya/Parece/Tuttle, Health Affairs 2007, 790 (790); Rebman, JHCL 2009, 159 (167). 31 Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 10. 32 Rehmann, AMG4 (2014), Vorbemerkung zu §§ 21 – 37 Rn. 37; Kortland, in: Kügel/ Müller/Hofmann, AMG2 (2016), § 24b Rn. 66; Kommission, Entsch. v. 10. 12. 2013, AT.39685, C(2013) 8870 final, Rn. 27 – Fentanyl. 33 Yu/Gupta, IJPHM 2014, 126 (142 f.); vgl. auch Kortland, in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG2 (2016), § 24b Rn. 66. Aus dieser Abweichung dürfen sich allerdings nach dem Stand der Wissenschaft keine erheblichen Unterschiede im Hinblick auf die Sicherheit und Wirksamkeit des Präparats ergeben, EuGH, Urt. v. 3. 12. 1998, Rs. C-368/96, Slg. 1998, I-7967 (8015), Rn. 36 – Generics; Rehmann, AMG4 (2014), § 24b Rn. 4; Chen, VLR 2007, 459 (482). 34 Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 10. 35 Die Anforderungen zur Zulassung eines Präparats als Generikum gem. § 24b Abs. 2 S. 1 AMG entsprechen dabei im Wesentlichen den Vorgaben des EuGH, siehe Kortland, in: Kügel/ Müller/Hofmann, AMG2 (2016), § 24b Rn. 68. Zur Definition siehe EuGH, Urt. v. 3. 12. 1998, Rs. C-368/96, Slg. 1998, I-7967 (8015), Rn. 36 – Generics.

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schwindigkeit dem Originalpräparat vergleichbar freigesetzt, resorbiert und am Wirkungsort verfügbar werden.36 Während unabhängige Generika und die entsprechenden Originalpräparate insoweit lediglich dieselben Wirkstoffe aufweisen und bioäquivalent sind37, sind autorisierte Generika und die entsprechenden Originalpräparate zumeist chemisch identisch38. Schließlich werden autorisierte Generika im Regelfall von den Originalpräparateherstellern selbst39 oder jedenfalls nach deren Vorgaben40 hergestellt. Der Sache nach handelt es sich bei autorisierten Generika daher zumeist um Originalpräparate im Kleide von Generika.41 Bekannt gewordene Beispielsfälle autorisierter Generika42 betreffen etwa die Arzneimittel Zoccor und Sortis der Arzneimittelhersteller MSD Sharp & Dohme (Merck & Co.) und Pfizer, die u. a. zur Senkung des Cholesterinspiegels eingesetzt werden und lange Zeit die beiden weltweit umsatzstärksten Arzneimittel waren43. Nur zwei Monate vor Ablauf des Patents des Zoccor-Wirkstoffs Simvastatin im Jahre 2003 erteilte MSD Sharp & Dohme dem Arzneimittelhersteller Hexal sowie dessen Tochterunternehmen Betapharm das Recht zu einem frühen Marktzu-

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Kortland, in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG2 (2016), § 24b Rn. 68. Ferrándiz, Health Economics 1999, 599 (599). 38 Chen, VLR 2007, 459 (460, 480); Avery, HLJ 2008, 171 (182); Hollis, CPP 2003, 21 (23); Porter, JCHLP 2005, 177 (177 f.); Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (358); Rebman, JHCL 2009, 159 (159). 39 Avery, HLJ 2008, 171 (182); Chen, VLR 2007, 459 (460); Hollis, Health Economics 2002, 723 (724); Porter, JCHLP 2005, 177 (182); vgl. auch Mylan Pharmaceuticals Inc, Citizen Petition v. 17. 2. 2004, S. 2. 40 Vgl. Hollis, CPP 2003, 21 (23). 41 Dieser Aspekt autorisierter Generika wirft auch eine heilmittelwerbe- bzw. lauterkeitsrechtliche Fragestellung auf. Fraglich ist, ob die Bewerbung autorisierter Generika als „Generika“ als Irreführung der Verbraucher gem. § 3 S. 2 Nr. 3 lit. a) oder b) Heilmittelwerbegesetz (HWG) zu qualifizieren ist, vgl. Friedrich, PharmR 2010, 329 (330, 336). Das Landgericht Hamburg etwa betrachtete die Bewerbung eines mit dem Originalpräparat identischen Arzneimittels als Generikum als irreführend. Unter einem Generikum würden lediglich Originalpräparaten nachempfundene Arzneimittel verstanden, nicht aber mit Originalpräparaten chemisch identische Arzneimittel, die während der Patentlaufzeit auf Grundlage einer Lizenzvereinbarung vertrieben würden. Hinter mit dem Originalpräparat identischen Arzneimitteln stehe keine eigene Entwicklungsleistung ihres Herstellers. Durch die Bewerbung als Generikum werde dem Hersteller daher eine Entwicklungsleistung zugeschrieben, die dieser nicht erbracht habe, LG Hamburg, Urt. v. 10. 4. 2008, 327 O 129/08, juris.de, Rn. 25 ff. – Das erste generische Sartan; siehe auch LG Hamburg, Urt. v. 23. 4. 2009, 327 O 36/09 sowie LG Hamburg, Urt. v. 10. 6. 2008, 312 O 123/08, nachgewiesen bei Friedrich, PharmR 2010, 329 (331). Das OLG Hamburg stellte demgegenüber geringere Anforderungen an die Zulässigkeit der Bewerbung eines Arzneimittels als Generikum. Insbesondere sei hierfür nicht erforderlich, dass der Patentschutz des Originalpräparates bereits abgelaufen sei, OLG Hamburg, Urt. v. 2. 7. 2009, 3 U 221/08, PharmR 2009, 528 (532 ff.). Insgesamt ist die Rechtsprechung in diesem Bereich noch im Fluss. Zu dieser Problematik in den USA vgl. Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (388 ff.). 42 Weitere Beispiele aus den USA liefern Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (254 f.). 43 Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 193. 37

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tritt.44 Ähnlich verfuhr Pfizer im Jahr 2012 und gestattete dem indischen Arzneimittelhersteller Ranbaxy Laboratories für Deutschland und andere europäische Märkte die Markteinführung generischer Versionen seines Arzneimittels Sortis (Wirkstoff: Atorvastatin) bereits vor Patentablauf.45 Ein weiteres Beispiel betrifft den deutschen Arzneimittelhersteller Bayer, der dem Generikahersteller Barr Laboratories 1997 im Rahmen einer außergerichtlichen Beilegung einer Patentstreitigkeit das Recht gewährte, bereits sechs Monate vor Patentablauf ein Generikum des Antibiotikums Ciprobay (Wirkstoff: Ciprofloxacin) zu vertreiben.46 In der Vereinbarung war vorgesehen, dass Bayer seinen Vertragspartner mit Ciprobay-Tabletten beliefern und Barr diese zu einem deutlich niedrigeren Preis als dem Preis des Originalpräparates am Markt anbieten sollte.47 Frühe Marktzutritte stellen seit langem einen durchaus üblichen Vorgang auf Arzneimittelmärkten dies- und jenseits des Atlantiks dar.48 In den USA ist diese Strategie bereits seit Mitte der 1990er Jahre, verstärkt jedoch seit dem Jahr 2003 zu beobachten.49 Frühe Marktzutritte sind dort auch bereits seit längerem Gegenstand (kartell-)rechtlicher Kontroversen.50 Über die kartellrechtliche Bewertung früher Marktzutritte in Deutschland und Europa ist demgegenüber bislang nur wenig bekannt. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, diesen Befund im Wege einer Überprüfung früher Marktzutritte am Maßstab des europäischen und deutschen Kartellrechts zu ändern. Die insoweit angestrebten Erkenntnisse sind dabei insbesondere für Deutschland von großer Relevanz. Schließlich bildet Deutschland nach den USA den zweitgrößten Generikamarkt der Welt51 und den größten Europas, auf dem die größte Anzahl generischer wie auch früher Marktzutritte zu verzeichnen ist.52 Schätzungen von Industrieexperten zufolge wird die Strategie früher Marktzutritte in Deutschland bei deutlich mehr als einem Drittel der Patentabläufe gewählt53. 44

Siehe hierzu Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 196 f.; siehe hierzu auch die Entscheidung BGH, Urt. v. 5. 12. 2006, X ZR 76/05, BGHZ 170, 115 = GRUR 2007, 221 – Simvastatin. 45 Siehe hierzu Deutsche ApothekerZeitung v. 7. 3. 2012, abrufbar unter: http://www.deut sche-apotheker-zeitung.de/pharmazie/news/2012/03/07/early-entry-fuer-atorvastatin-generika/ 6707.html, letzter Abruf: 01. 03. 2016. 46 Siehe hierzu http://www.chemie.de/news/21641/generika-hersteller-machen-pharmaunter nehmen-das-leben-schwer.html, letzter Abruf: 01. 03. 2016; vgl. auch Heyers, BRJ 2011, 33 (36). 47 Ebda. 48 Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 7; Hollis, CPP 2003, 21 (Fn. 1). 49 Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (252); FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 1, 11 f.; Leibowitz, Vortrag v. 12. 5. 2005, S. 9; Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (359); Rebman, JHCL 2009, 159 (168). 50 Siehe hierzu Kapitel 3 § 1 B. 51 Rehmann, AMG4 (2014), § 24a Rn. 1. 52 Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 3 f. 53 Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 86; von Falck/Slopek/Thiermann, GRUR 2015, 1050 (1053).

Kapitel 1

Einführung Den Anlass für eine kartellrechtliche Analyse früher Marktzutritte im Arzneimittelsektor liefern die diesbezüglichen Erkenntnisse der Kommission im Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung-Pharma1 aus dem Jahre 2009. Ihre vorläufigen Ergebnisse waren bereits 2008 in einem Zwischenbericht veröffentlicht worden. Die Sektoruntersuchung-Pharma stellt die bislang umfangsreichste wettbewerbliche Untersuchung des europäischen Arzneimittelsektors dar.2 Im Verlauf dieser Untersuchung nahm die Kommission eine Vielzahl von Verhaltensweisen pharmazeutischer Unternehmen in den Blick, die zuvor überwiegend nicht als kartellrechtlich relevant eingestuft wurden.3 Die Ausführungen der Kommission lassen dabei durchaus an vielen Stellen Kritik erkennen.4 Einer kartellrechtlichen Bewertung enthält sich die Kommission jedoch5, sodass sich der Großteil der untersuchten Verhaltensweisen auch heute noch in einem „kartellrechtlichen Graubereich“ befindet6. Die nachfolgenden Ausführungen bemühen sich zunächst um eine Einordnung früher Marktzutritte in den Kontext der Sektoruntersuchung-Pharma. Anhand der Erkenntnisse der Kommission soll sodann deren Praxisrelevanz für Deutschland und 1 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 795 ff. Zur Sektoruntersuchung-Pharma siehe Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 39 ff.; Sule/Schnichels, EuZW 2009, 129; Besen/Gärtner/Mayer/Vormann, PharmR 2009, 432; Berg/Köbele, PharmR 2009, 581; siehe auch den Eröffnungsbeschluss der Kommission, Beschl. v. 15. 1. 2008, COMP/D2/39.514. 2 Sule/Schnichels, EuZW 2009, 129 (131); zum Umfang der Untersuchung siehe Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 14 ff., 1555; dies., Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 4 f. 3 Berg/Köbele, PharmR 2009, 581 (581). 4 Ähnlich auch Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 46 f. 5 Sule/Schnichels, EuZW 2009, 129 (133); Berg/Köbele, PharmR 2009, 581 (581); Besen/ Gärtner/Mayer/Vormann, PharmR 2009, 432 (437); Straus, GRUR Int 2009, 93 (93). Die Ausführungen des Abschlussberichts seien nicht als Leitlinien zur kartellrechtlichen Bewertung der untersuchten Maßnahmen zu verstehen, Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 22, 472, 797 und S. 378; dies., Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 6; kritisch Gassner, A&R 2010, 3 (7) und Porstner, in: Sektoruntersuchung Pharma (2010), 3 (7 f.). Zur kartellrechtlichen Bewertung sei vielmehr eine weitergehende, gründliche Analyse der benannten Instrumente erforderlich, Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 797 und S. 378; vgl. auch Ullrich, in: Sektoruntersuchung Pharma (2010), 29 (37). 6 Seitz, EuZW 2013, 377 (380); Tschammler, WuW 2013, 1071 (1079); vgl. auch Berg/ Köbele, PharmR 2009, 581 (591) und Heyers, BRJ 2011, 33 (34).

§ 1 Die Sektoruntersuchung-Pharma der Europäischen Kommission

23

Europa verdeutlicht sowie deren kartellrechtliche Problematik aufgezeigt werden. Im Fortgang dieser Arbeit wird der Abschlussbericht zur SektoruntersuchungPharma überdies wiederholt als Informationsgrundlage herangezogen.

§ 1 Die Sektoruntersuchung-Pharma der Europäischen Kommission Die Sektoruntersuchung-Pharma findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 17 der VO (EG) Nr. 1/2003. Hiernach ist die Kommission zur Untersuchung ganzer Wirtschaftszweige sowie zur Untersuchung bestimmter Arten von Vereinbarungen befugt. Im heutigen System der Legalausnahme7 betrachtet die Kommission die Beobachtung der Märkte als Grundlage für die Ermittlung und Sanktionierung von Kartellverstößen.8 Seit der Novellierung der Kartellverfahrensverordnung im Jahre 2003 greift sie daher zunehmend häufiger auf das Instrument der Sektoruntersuchung zurück.9 Sektoruntersuchungen dienen der Aufdeckung und Erforschung kartellrechtlich relevanter Praktiken und stellen damit primär ein Mittel zur Informationsgewinnung dar10.11 An ihre Durchführung schließen sich häufig weitergehende und auf einzelne Unternehmen bezogene kartellbehördliche Ermittlungs- und Durchsetzungsmaßnahmen an.12

7

Nach Art. 1 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1/2003 sind Kartellvereinbarungen, die die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllen, „nicht verboten, ohne dass dies einer vorherigen Entscheidung [der Wettbewerbsbehörde] bedarf“; siehe hierzu Lejeune, CR 2004, 467 (470). 8 Kommission, Weißbuch über die Modernisierung der Vorschriften zur Anwendung der Art. 85 und 86 EG-Vertrag, ABl. EG 1999/C 132/01, Rn. 115; Sura, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 17 VO 1/2003, Rn. 2; vgl. auch Ullrich, in: Sektoruntersuchung Pharma (2010), 29 (30). 9 Vgl. Burrichter/Hennig, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 2 (2012), Art. 17 VO 1/2003, Rn. 3 ff. Neben dem Arzneimittelsektor nahm die Kommission bereits eine Reihe weiterer Wirtschaftszweige wie etwa den Bankensektor oder die europäischen Gas- und Elektrizitätsmärkte in Blick. Eine Übersicht über die bisherigen Sektoruntersuchungen findet sich unter http://ec.europa.eu/competition/antitrust/sector_inquiries.html, letzter Abruf: 01. 03. 2016. Auch das Bundeskartellamt führte seit der Einführung dieses kartellbehördlichen Instruments im Jahre 2005 bereits zehn Sektoruntersuchungen auf Grundlage des § 32e GWB durch, Gildhoff, WuW 2013, 716 (716). Aktuell hat das Bundeskartellamt eine Sektoruntersuchung im Bereich Hausmüllentsorgung angekündigt. 10 Sule/Schnichels, EuZW 2009, 129 (134); Gildhoff, WuW 2013, 716 (716); Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 4. 11 Ullrich, in: Sektoruntersuchung Pharma (2010), 29 (30). 12 Vgl. Sule/Schnichels, EuZW 2009, 129 (133).

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Kap. 1: Einführung

Auch im Nachgang zur Sektoruntersuchung-Pharma führte die Kommission weitere Nachprüfungen bei Arzneimittelherstellern durch13 und leitete zudem eine Reihe formaler Kartellverfahren gegen pharmazeutische Unternehmen ein14. Den Durchsetzungsschwerpunkt bildete hierbei die vergleichsweise Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten, insbesondere in Form von Reverse Payment Settlements. Derartige Patentvergleiche stehen seit Abschluss der Sektoruntersuchung-Pharma unter der verstärkten Beobachtung der Kommission. Erst im Dezember 2015 wurde hierzu der jüngste Monitoring-Bericht der Kommission veröffentlicht, in dem die Kommission erneut feststellte, dass sich die Anzahl der – als kartellrechtlich kritisch erachteten – Patentvergleiche auf einem niedrigen Niveau stabilisiert habe.15 Formale Kartellverfahren leitete die Kommission in diesem Zusammenhang gegen das Pharmaunternehmen Les Laboratoires Servier und mehrere Generikahersteller16 sowie gegen den US-amerikanischen Pharmahersteller Cephalon und den israelischen Generikahersteller Teva ein17. Im Jahr 2014 fand das Verfahren gegen Les Laboratoires Servier und die beteiligten Generikahersteller seinen Abschluss. Wegen der Behinderung der Markteinführung kostengünstigerer Herz-KreislaufArzneimittel wurden die Unternehmen mit Geldbußen in Höhe von insgesamt 427,7 Millionen Euro belegt.18 Das im Jahr 2010 eröffnete Verfahren gegen das Pharmaunternehmen Lundbeck hatte demgegenüber Pay-For-Delay Vereinbarungen zum Gegenstand, die außerhalb von Patentvergleichen geschlossen wurden.19 Auch in diesem Verfahren erging zwischenzeitlich die Entscheidung der Kommission, mit der Lundbeck und mehrere Generikahersteller wegen der Verzögerung der Markteinführung generischer Versionen des Antidepressivums Citalopram in Höhe von insgesamt 146 Millionen Euro bebußt wurden.20 Im Januar 2013 übermittelte die 13

Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 1576; dies., Pressemitteilung v. 6. 10. 2009, MEMO/09/435; Gassner, A&R 2010, 3 (4). 14 Siehe hierzu Besen, PharmR 2013, 226; eine Übersicht liefern auch Lübbig/Klasse, Kartellrecht im Pharma- und Gesundheitssektor2 (2015), § 5 Rn. 46 ff.; Schmidt/Sule, EuZW 2012, 369 (374); Schnelle, GRUR-Prax 2010, 169 (169); Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 52 f. 15 Kommission, 6th Report on the Monitoring of Patent Settlements v. 2. 12. 2015, Rn. 50; siehe auch insgesamt die Monitoring-Berichte der Kommission unter http://ec.europa.eu/compe tition/sectors/pharmaceuticals/inquiry/, letzter Abruf: 01. 03. 2016. 16 Kommission, Pressemitteilung v. 8. 7. 2009, MEMO/09/322; Gassner, A&R 2010, 3 (4); siehe hierzu Besen, PharmR 2013, 226 (227); zu den Beschwerdepunkten siehe Kommission, Pressemitteilung v. 30. 7. 2012, EuZW 2012, 684. Zu weiteren mitgliedstaatlichen Verfahren vgl. Tschammler, WuW 2013, 1071 (1074). 17 Kommission, Pressemitteilung v. 28. 4. 2011, IP/11/511. 18 Kommission, Pressemitteilung v. 9. 7. 2014, IP/14/799; Kommission, Entsch. v. 9. 7. 2014, AT.39612, C(2014) 4955 final, S. 799 ff. – Perindopril (Servier). 19 Kommission, Zusammenfassung des Beschl. v. 19. 6. 2013, AT.39226, ABl. EU 2015/C 80/07, Rn. 6 – Lundbeck. 20 Kommission, Pressemitteilung v. 19. 6. 2013, IP/13/563; Kommission, Entsch. v. 19. 6. 2013, AT.39226, C(2013) 3803 final, S. 460 ff. – Lundbeck; kritisch Batchelor/Carlin, E.C.L.R. 2013, 454.

§ 1 Die Sektoruntersuchung-Pharma der Europäischen Kommission

25

Kommission schließlich auch an die Pharmaunternehmen Johnson & Johnson und Novartis Beschwerdepunkte. In diesem Verfahren lautete der Vorwurf der Kommission, der Wettbewerb zwischen Johnson & Johnson und Novartis im Hinblick auf das Opioid Fentanyl sei im Wege eines Co-Promotion Vertrages21 beschränkt worden.22 Mittlerweile erging auch in diesem Verfahren eine Entscheidung der Kommission, mit der die beiden Unternehmen aufgrund einer in dem streitgegenständlichen Co-Promotion Vertrag enthaltenen Pay-For-Delay Abrede bebußt wurden.23 In der Literatur wird davon ausgegangen, dass der Arzneimittelsektor auch zukünftig einen Durchsetzungsschwerpunkt der Kommission darstellen wird.24 Dahingehende Ankündigungen ließen sich auch bereits dem Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung-Pharma entnehmen.25

A. Anlass, Gegenstand und Umfang der Untersuchung Mit der Sektoruntersuchung-Pharma verfolgte die Kommission das Ziel, die Versorgung der Patienten in Europa mit „sicheren, wirksamen und erschwinglichen Arzneimitteln“ sicherzustellen.26 Dem Bestehen effektiven Wettbewerbs zwischen Arzneimittelherstellern, insbesondere zwischen Generika- und Originalpräparateherstellern, misst die Kommission in diesem Kontext große Bedeutung zu. Effektiver Wettbewerb sei insbesondere zur Kostensenkung und damit zur finanziellen Entlastung der öffentlichen Sozialversicherungssysteme in Europa erforderlich.27 Im Eröffnungsbeschluss zur Sektoruntersuchung-Pharma hegte die Kommission allerdings den Verdacht, „dass der Wettbewerb im europäischen pharmazeutischen Sektor möglicherweise eingeschränkt oder verfälscht ist“.28 Anzeichen hierfür lieferten der 21

Zu Co-Promotion Verträgen siehe Kapitel 2 § 1. Kommission, Zusammenfassung des Beschl. v. 10. 12. 2013, AT.39685, ABl. EU 2015/C 142/10, Rn. 2, 15 – Fentanyl; hierzu Besen, PharmR 2013, 226 (227 f.); siehe auch Kommission, Pressemitteilung v. 31. 1. 2013, EuZW 2013, 124; vgl. auch Drexl, in: FS-Köhler (2014), S. 85 (98). 23 Kommission, Pressemitteilung v. 10. 12. 2013, IP/13/1233; Kommission, Entsch. v. 10. 12. 2013, AT.39685, C(2013) 8870 final, S. 145 ff. – Fentanyl. 24 Heyers, BRJ 2011, 33 (40); Berg/Köbele, PharmR 2009, 581 (581). 25 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 1608, 1564, 1570. 26 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 5; dies., Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 1 f.; zu dem im Jahre 2008 von der Kommission vorgelegten „Arzneimittelpaket“ siehe auch Schmidt/Sule, EuZW 2012, 369 (369 f.); Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 72. 27 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 11; dies., Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 2; Cole, E.C.L.R. 2013, 227 (227); zustimmend Sule/Schnichels, EuZW 2009, 129 (134); Porstner, in: Sektoruntersuchung Pharma (2010), 3 (4); vgl. auch Besen/ Gärtner/Mayer/Vormann, PharmR 2009, 432 (433) und Müller-Graff/Fischmann, GRUR Int 2010, 792 (799). 28 Kommission, Beschl. v. 15. 1. 2008, COMP/D2/39.514, Ewgr. 3; dies., Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 4; dies., Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 1554. 22

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Kap. 1: Einführung

im Arzneimittelsektor zu verzeichnende Innovationsrückgang, der sich in der geringen Anzahl neu zugelassener innovativer Arzneimittel widerspiegle, sowie die zeitliche Verzögerung, mit der Generikahersteller Arzneimittelmärkte beträten.29 Die Kommission nahm daraufhin eine Reihe von Verhaltensweisen pharmazeutischer Unternehmen aus dem Zeitraum zwischen 2000 und 200830 in den Blick, die im Verdacht standen, für die Beschränkung des Wettbewerbs im Bereich innovativer und generischer Arzneimittel verantwortlich zu sein31. Hiervon betroffen waren vor allem Maßnahmen im Zusammenhang mit der Anmeldung und Durchsetzung von Arzneimittelpatenten32 sowie Maßnahmen, die mit dem Schutzrechtsablauf in Zusammenhang standen. Von den in Art. 17 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1/2003 genannten Ermittlungsbefugnissen machte die Kommission im Zuge ihrer Untersuchung umfassend Gebrauch. Sie richtete Auskunftsverlangen an Originalpräparate- und Generikahersteller und führte zudem Nachprüfungen bei einigen Unternehmen durch; auch wurden andere Marktakteure wie Ärzte- und Apothekerverbände, Krankenhäuser, Verbraucher oder die Patentämter der Mitgliedstaaten durch die Kommission befragt.33 Die Nachforschungen der Kommission gliederten sich in zwei Richtungen. Unter dem Blickwinkel des zu verzeichnenden Innovationsrückgangs wurden Verhaltensweisen zwischen Originalpräparateherstellern untersucht.34 Den Schwerpunkt der Untersuchung jedoch, dies verdeutlicht der Umfang der entsprechenden Ausführungen im Abschlussbericht, bildeten Verhaltensweisen zwischen Originalpräparate- und Generikaherstellern, die unter dem Aspekt der Marktzutrittsverzögerung von Generika in den Blick genommen wurden.35 Analysiert wurden damit Verhaltensweisen pharmazeutischer Unternehmen, die insgesamt 219 ausgewählte Wirkstoffe verschreibungspflichtiger Humanarzneimittel betrafen, welche im Untersuchungszeitraum oder kurze Zeit später ihre Marktexklusivität verloren; auch besonders umsatzstarke Arzneimittel wurden berücksichtigt.36 Von den Untersuchungsmaßnahmen der Kommission betroffen waren insgesamt 43 Originalpräparatehersteller und 27 Generikahersteller aus 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union.37 29

Ebda.; Straus, GRUR Int 2009, 93 (93). Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 14. 31 Kommission, Beschl. v. 15. 1. 2008, COMP/D2/39.514, Ewgr. 4. 32 Hufnagel, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts (2010), § 14 Rn. 164. 33 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 6 f.; einen Überblick über die Untersuchungsmaßnahmen liefern auch Sule/Schnichels, EuZW 2009, 129 (130 f.); Straus, GRUR Int 2009, 93 (93); Treacy/Hopson, JIPLP 2008, 622 (624); Heyers, BRJ 2011, 33 (33 f.); Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 40 f. 34 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 17. 35 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 11. 36 Sule/Schnichels, EuZW 2009, 129 (131). 37 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 15, 18. 30

§ 1 Die Sektoruntersuchung-Pharma der Europäischen Kommission

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B. Ergebnisse der Untersuchung Nach Abschluss der Sektoruntersuchung sah sich die Kommission in ihrem Anfangsverdacht bestätigt.38 Während zwischen 1995 und 1999 jährlich noch 40 neuartige Substanzen auf den Markt gelangten, lag die Anzahl neuartiger Substanzen zwischen 2000 und 2007 pro Jahr nur noch bei 27.39 Die Anzahl innovativer Arzneimittel war deshalb in der Tat rückläufig.40 Auch der Marktzutritt durch Generikahersteller war – gemessen am Zeitpunkt des Patentablaufs – um durchschnittlich mehr als sieben Monate verzögert.41 Selbst bei umsatzstarken Arzneimitteln, bei denen grundsätzlich mit zeitnahen Marktzutritten zu rechnen ist, lag die Zeitspanne zwischen dem Ablauf des Patents des Originalpräparates und dem Marktzutritt des ersten Generikaherstellers noch bei durchschnittlich vier Monaten.42 Verzögerungen dieser Art führten zu erheblichen Mehreinnahmen bei den Originalpräparateherstellern43 und belasteten im Gegenzug die öffentlichen Sozialversicherungssysteme alleine im Untersuchungszeitraum mit Mehrausgaben in Höhe von ca. 3 Milliarden Euro44. Originalpräparatehersteller seien für diese Zutrittsverzögerung mitverantwortlich, weil sie die wirtschaftliche Lebensdauer ihrer Originalpräparate durch den Einsatz einer Vielzahl patentrechtlicher Instrumente und Strategien verlängerten.45 Oftmals bedienten sich Originalpräparatehersteller mehrerer dieser Instrumente und

38 Besen/Gärtner/Mayer/Vormann, PharmR 2009, 432 (432); Sule/Schnichels, EuZW 2009, 129 (129, 131). 39 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 80, unter Verweis auf European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA), The Pharmaceutical Industry in Figures, 2006 Edition, S. 7. 40 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 1607; Besen/Gärtner/Mayer/Vormann, PharmR 2009, 432 (432). 41 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 192, 216, 1559; dies., Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 9; Sule/Schnichels, EuZW 2009, 129 (131); Besen/ Gärtner/Mayer/Vormann, PharmR 2009, 432 (432); Porstner, in: Sektoruntersuchung Pharma (2010), 3 (7). 42 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 193, 1559; dies., SektoruntersuchungPharma, Zusammenfassung, S. 9. 43 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 15 f. 44 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 217, 1561; dies., SektoruntersuchungPharma, Zusammenfassung, S. 10; Sule/Schnichels, EuZW 2009, 129 (131); Besen/Gärtner/ Mayer/Vormann, PharmR 2009, 432 (432); Straus, GRUR Int 2009, 93 (94); zu den Einsparungen durch Generika in den USA vgl. auch Saha/Grabowski/Birnbaum/Greenberg/Bizan, IJEB 2006, 15 (15). 45 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 1557, 1607 und S. 378; dies., Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 11; Sule/Schnichels, EuZW 2009, 129 (131); Besen/Gärtner/Mayer/Vormann, PharmR 2009, 432 (432); Berg/Köbele, PharmR 2009, 581 (581); Schweitzer/Becker, WRP 2012, 382 (385); Straus, GRUR Int 2009, 93 (93 f.); Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 43 f.

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Kap. 1: Einführung

Strategien parallel46, die von der Kommission und den Originalpräparateherstellern in ihrer Gesamtheit als „tool-box“ bezeichnet werden47. Der Einsatz dieser Instrumente sei überdies verstärkt bei meistverkauften Arzneimitteln zu beobachten.48 Als dieser „tool-box“ zugehörig betrachtete die Kommission neben einer Vielzahl weiterer Instrumente49, wie der vergleichsweisen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten50 oder bestimmten Lebenszyklusstrategien für Produkte der zweiten Generation51, auch die Strategie früher Marktzutritte52. Mit der Untersuchung früher Marktzutritte betrat die Kommission Neuland. Der praktischen Relevanz dieser Strategie nicht nur in den USA, sondern auch in Europa war sich die Kommission vor Abschluss der Sektoruntersuchung offensichtlich nicht bewusst53; ihre Nachforschungen zielten insoweit vor allem darauf ab, herauszufinden, ob und in welchem Umfang die Strategie früher Marktzutritte in Europa überhaupt verfolgt wird54. Bereits im Zwischenbericht zur Sektoruntersuchung hatte die Kommission in diesem Zusammenhang festgestellt, dass zwischen 2000 und 2007 45 % der Originalpräparatehersteller auch eine generische Version ihres Originalpräparates vertrieben, die hierfür erforderlichen Lizenzen an Dritte erteilten oder dies jedenfalls ernsthaft in Erwägung zogen.55 Diese Erkenntnis bestätigte die Kommission im Abschlussbericht. Nach den dortigen Angaben hatten im Untersuchungszeitraum 47 % der Originalpräparatehersteller eine den Verkauf eines Generikums betreffende Vereinbarung mit einem Generikahersteller geschlossen.56 Die Anzahl der ge46 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 17; Sule/Schnichels, EuZW 2009, 129 (132). 47 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 24; Lübbig/Klasse, Kartellrecht im Pharma- und Gesundheitssektor2 (2015), § 5 Rn. 42; Sule/Schnichels, EuZW 2009, 129 (131); Besen/Gärtner/Mayer/Vormann, PharmR 2009, 432 (433); Straus, GRUR Int 2009, 93 (93); zu solchen Maßnahmen in den USA siehe Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (251 f.). 48 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, S. 378; dies., Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 17. 49 Hierzu Besen/Gärtner/Mayer/Vormann, PharmR 2009, 432 (433 ff.); Berg/Köbele, PharmR 2009, 581 (586 ff.); Cole, E.C.L.R. 2013, 227 (227); Ullrich, in: Sektoruntersuchung Pharma (2010), 29 (34 ff.). 50 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 702 ff.; dies., SektoruntersuchungPharma, Zusammenfassung, S. 14; hierzu Besen/Gärtner/Mayer/Vormann, PharmR 2009, 432 (434 f.). 51 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 987 ff.; dies., SektoruntersuchungPharma, Zusammenfassung, S. 16 f.; hierzu Sule/Schnichels, EuZW 2009, 129 (132); Berg/ Köbele, PharmR 2009, 581 (589 f.); Cole, E.C.L.R. 2013, 227 (227 f.); Ullrich, in: Sektoruntersuchung Pharma (2010), 29 (36 f.). 52 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 795 ff.; dies., SektoruntersuchungPharma, Zusammenfassung, S. 14 f. 53 Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 389. 54 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 799; dies., Sektoruntersuchung-Pharma, Zwischenbericht, Rn. 665. 55 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Zwischenbericht, S. 419. 56 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 800.

§ 1 Die Sektoruntersuchung-Pharma der Europäischen Kommission

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schlossenen Vereinbarungen belief sich dabei insgesamt auf 285; hiervon betroffen waren 74 Arzneimittelwirkstoffe.57 87 dieser 285 Vereinbarungen qualifizierte die Kommission als Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt.58 Am Abschluss dieser Vereinbarungen waren 16 Originalpräparatehersteller beteiligt; gegenständlich bezogen sie sich auf 34 verschiedene Wirkstoffe.59 Bei den beteiligten Generikaherstellern handelte es sich stets um unabhängige Generikahersteller, d. h. um Unternehmen, die mit dem Originalpräparatehersteller konzernrechtlich nicht verbunden waren.60 Die in der Praxis ebenfalls vorzufindende Gestaltungsvariante, wonach frühe Marktzutritte durch Tochtergesellschaften oder andere mit dem Originalpräparatehersteller konzernrechtlich verbundene Unternehmen vollzogen werden, blieb unberücksichtigt.61 Die Mehrheit der Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt wurde in Deutschland geschlossen, gefolgt von Italien, den Niederlanden, Großbritannien und Frankreich.62 Appelt bestätigt diese Erkenntnis. Ihr zufolge waren alleine in Deutschland zwischen 2000 und 2007 16 Arzneimittelmärkte durch frühe Marktzutritte betroffen.63 In zeitlicher Hinsicht wurde das entsprechende Generikum bei etwa der Hälfte der Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt im letzten Jahr der Patentlaufzeit auf den Markt gebracht.64 Durchschnittlich waren diese Vereinbarungen noch mehr als zwei Jahre nach Patentablauf gültig.65 Dies wird durch Untersuchungen aus Deutschland und Kanada bestätigt. In Deutschland werden frühe Marktzutritte nach Appelt durchschnittlich vier Monate vor dem Verlust der Exklusivität vollzogen.66 Auch in Kanada lagen zwischen dem Vollzug eines frühen Marktzutrittes und dem Patentablauf zwischen 1994 und 1997 in aller Regel weniger als fünf Monate.67 Bei 29 der von der Kommission untersuchten Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt war das autorisierte Generikum das erste am Markt verfügbare Generikum eines Originalpräparates.68 In anderen Fällen reagierten die Originalpräparatehersteller im Wege eines frühen Marktzutrittes hingegen auf die Präsenz eines 57 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 801. Arzneimittelwirkstoffe werden häufig auch als INNs bezeichnet. INN bedeutet International Nonproprietary Name; es handelt sich um den internationalen Freinamen von Arzneimittelwirkstoffen. 58 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 808. 59 Ebda. 60 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 795. 61 Ebda. 62 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 810 im Zusammenhang mit dem Schaubild auf S. 298; für Deutschland auch Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 3 f. 63 Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 2. 64 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 817 und S. 310; dies., Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 15. 65 Ebda. 66 Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 2. 67 Hollis, CPP 2003, 21 (26). 68 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 817.

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Kap. 1: Einführung

Generikaherstellers.69 So resultierte aus 16 der untersuchten Vereinbarungen ein generischer Marktzutritt ein bis zwei Jahre vor dem Verlust der Exklusivität, wobei in 70 % dieser Fälle bereits ein Generikahersteller am Markt tätig war.70 Möglich ist der Vollzug eines frühen Marktzutritts als Reaktion auf die Präsenz eines Generikaherstellers insbesondere dann, wenn es sich bei dem Patent des Originalpräparateherstellers nicht um ein Schlüsselpatent handelt71 oder sich der Patentinhaber nicht zu dessen Durchsetzung imstande sieht72. In 86 Fällen stand das Originalpräparat zum Zeitpunkt der Markteinführung des Generikums noch unter Patentschutz.73 In zwei Fällen verfügte das Originalpräparat zusätzlich über Unterlagenschutz74; im Falle einer Vereinbarung verfügte der Originalpräparatehersteller nur noch über Unterlagenschutz, der Wirkstoff war jedoch nicht mehr patentgeschützt.75

C. Zwischenergebnis Die Erkenntnisse der Sektoruntersuchung-Pharma machen deutlich, dass die Strategie früher Marktzutritte auch unter europäischen Arzneimittelherstellern weit verbreitet ist. Im Untersuchungszeitraum der Sektoruntersuchung von 2000 bis 2008 waren alleine 87 frühe Marktzutritte durch unabhängige Generikahersteller zu verzeichnen; die meisten hiervon wurden in Deutschland vollzogen. Der Begriff des frühen Marktzutrittes beschreibt den Vertrieb eines Generikums nur kurze Zeit vor Ablauf des Patentschutzes des entsprechenden Originalpräparates. Frühen Marktzutritten liegen Vereinbarungen zugrunde, im Zuge derer Originalpräparatehersteller ihre Zustimmung zum Vertrieb des Generikums erteilen und sich die Generikahersteller im Gegenzug zur Zahlung einer einmaligen oder fortlaufenden Vergütung an die Originalpräparatehersteller verpflichten. Die im Wege früher Marktzutritte vertriebenen Generika werden als autorisierte Generika bezeichnet. Von den Gene69

Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 820. Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 818. 71 Schlüsselpatente sind im vorliegenden Kontext Patente, die zur Produktion und zum Vertrieb eines Arzneimittels nicht durch den Einsatz alternativer Technologien umgangen werden können. 72 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 809. Hierzu gehören auch diejenigen Fälle, in denen sich die Erlaubnis zu einem frühen Marktzutritt, wie von der Kommission festgestellt, als Gegenleistung eines Originalpräparateherstellers im Rahmen eines Patentvergleichs darstellt, siehe hierzu Kapitel 2 § 2 B. 73 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 806. 74 Während der ersten acht Jahre nach der Erstzulassung eines Originalpräparates stehen die zum Zwecke seiner Zulassung eingereichten Unterlagen unter Schutz. Erst nach Ablauf dieser Frist dürfen Generikahersteller nach § 24b AMG im Rahmen ihres Zulassungsverfahrens auch ohne die Zustimmung der Originalpräparatehersteller auf diese verweisen, was insbesondere die Einreichung eigener kostenintensiver klinischer und vorklinischer Studien entbehrlich macht, siehe hierzu Kapitel 2 § 1 B. I. 75 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 806. 70

§ 2 Problemdarstellung

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rika unabhängiger Hersteller unterscheiden sich autorisierte Generika regelmäßig durch ihre chemische Zusammensetzung. Während gewöhnliche Generika und die entsprechenden Originalpräparate lediglich in ihren aktiven Wirkstoffen übereinstimmen und zudem bioäquivalent sind, sind autorisierte Generika und die entsprechenden Vergleichspräparate zumeist chemisch identisch. Regelmäßig handelt es sich bei autorisierten Generika um Originalpräparate im Kleide von Generika.

§ 2 Problemdarstellung In der Rechtsprechung der nationalen und europäischen Kartellgerichte sowie in der Verwaltungspraxis des Bundeskartellamtes und der Kommission fand eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Phänomen früher Marktzutritte im Arzneimittelsektor bislang nicht statt.76 Nach den Angaben der Kommission im Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung-Pharma wurden elf der festgestellten Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt im Untersuchungszeitraum der Sektoruntersuchung-Pharma im Nachgang zu einer Zusage gegenüber einer nationalen Wettbewerbsbehörde geschlossen.77 Wenngleich die Begleitumstände dieser Vereinbarungen nicht bekannt sind, kann hieraus geschlossen werden, dass frühe Marktzutritte von Seiten der Kartellbehörden bisweilen als zulässig erachtet werden.78 Auch in der Literatur wird in Anlehnung an den Stand der Diskussion in den USA teilweise von der kartellrechtlichen Zulässigkeit dieser Strategie ausgegangen.79 Ohne nähere Begründung verweisen andere hingegen auf kartellrechtliche Bedenken, die gegenüber frühen Marktzutritten bestünden.80 Nach eingehender wettbewerbsökonomischer Untersuchung befürchtet auch Appelt, der Arzneimittelwettbewerb im Zeitraum nach Patentablauf könnte durch den Vollzug früher Marktzutritte beeinträchtigt werden.81

76 Zur Relevanz früher Marktzutritte in der bisherigen Entscheidungspraxis der Kommission siehe in und bei Fn. 108 f., 115 f. (Kapitel 2) sowie Fn. 148, 298, 462 ff. (Kapitel 3). 77 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 808. 78 Siehe hierzu auch in und bei Fn. 298, 462 ff. (Kapitel 3). 79 Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 334 Fn. 1377. Dennoch spricht sich Fackelmann im weiteren Verlauf seiner Arbeit für ein Verbot autorisierter Generika aus und verortet dieses im Bereich des Kartellrechts, ders., a.a.O., S. 551. 80 Friedrich, PharmR 2010, 329 (336). 81 Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 28.

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A. Wettbewerbsbeschränkung durch Wettbewerbsförderung? Ohne weiteres nachvollziehbar ist die kartellrechtliche Relevanz früher Marktzutritte freilich nicht. Ihren offensichtlichen Wirkungen nach zu urteilen, beschränken frühe Marktzutritte den Wettbewerb mit Arzneimitteln nicht. Vielmehr stellen sie sich als wettbewerbsförderlich dar, weil sie zur Zulassung eines weiteren Marktteilnehmers noch vor Patentablauf führen.82 Verfügen die beteiligten Originalpräparatehersteller über Schlüsselpatente, bedeutet der Vollzug früher Marktzutritte gar die erstmalige Eröffnung von Wettbewerb auf vormaligen Monopolmärkten. Vom Vollzug früher Marktzutritte profitieren vor diesem Hintergrund nicht nur die beteiligten Generikahersteller. Auch den Sozialversicherungsträgern und den Patienten kommt dieses Mehr an Wettbewerb in Form von niedrigeren Preisen zugute.83 Wenngleich es sich bei dieser Wettbewerbsförderung nur um eine Vorverlagerung des mit Patentablauf ohnehin einsetzenden Imitationswettbewerbs um wenige Monate handelt84, deutet daher zunächst nichts auf eine kartellrechtliche Relevanz früher Marktzutritte hin. Die zeitliche Nähe früher Marktzutritte zum Patentablauf sowie deren aus Sicht der Originalpräparatehersteller fremdnütziger, weil wettbewerbsfördernder Charakter lassen aber doch die Frage nach dem Nutzen dieser Strategie für die beteiligten Unternehmen aufkommen. Zwar erlangen die beteiligten Generikahersteller durch frühe Marktzutritte die Möglichkeit, erstmalig auf Arzneimittelmärkten tätig zu werden. Über diese Möglichkeit verfügten sie allerdings nur wenige Monate später mit Patentablauf ohnehin. Im Rahmen früher Marktzutritte wenden Generikahersteller demnach hohe Summen auf, um nur für wenige Monate an dem Ausschließlichkeitsrecht des Patentinhabers zu partizipieren. Für die beteiligten Originalpräparatehersteller bedeutet die vorzeitige Zulassung eines Generikaherstellers zum Markt dagegen den freiwilligen Verzicht auf dieses Ausschließlichkeitsrecht. Im Falle von Schlüsselpatenten geben Originalpräparatehersteller damit gar ihre Monopolstellung und einen Teil ihrer Monopolrente preis. Nachvollziehbar mag der Vollzug eines frühen Marktzutritts zwar sein, wenn er sich als bloße Reaktion auf den Marktzutritt eines anderen Generikaherstellers darstellt85. Eine Vielzahl früher Marktzutritte wird indes gerade nicht als Reaktion auf die Präsenz eines unabhängigen Generikaherstellers vollzogen. Vielmehr handelt es sich bei den im Wege 82

Hollis, CPP 2003, 21 (22); Avery, HLJ 2008, 171 (183); Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 139 f.; vgl. auch Kommission, Leitlinien zur Anwendung von Art. 101 AEUV auf Technologietransfer-Vereinbarungen (nachfolgend: TT-Leitlinien), ABl. EU 2014/ C 89/03, Rn. 17. 83 Vgl. US Supreme Court, Urt. v. 17. 6. 2013, Case No. 12 – 416, 133 S.Ct. 2223 (2234) – FTC v. Actavis Inc.; FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. vi f.; Leibowitz, Vortrag v. 12. 5. 2005, S. 9 f. 84 Siehe hierzu auch in und bei Fn. 64, 66 f. 85 Siehe hierzu in und bei Fn. 70 f.

§ 2 Problemdarstellung

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früher Marktzutritte vertriebenen Generika häufig um die ersten Generika am Markt.86 Ein Grund, den Marktzutritt eines Generikaherstellers vor Patentablauf zu akzeptieren oder gar herbeizuführen, ist insoweit zunächst nicht ersichtlich.87 Von wirtschaftlich agierenden Originalpräparateherstellern würde man grundsätzlich erwarten, dass sie ihre exklusiven Verwertungsrechte bis zum Zeitpunkt des Patentablaufs ausschöpfen.88 Schließlich haben diese Unternehmen auch während der bisherigen, nahezu vollständigen Patentlaufzeit auf eine Drittverwertung ihrer Patente durch Lizenzvergabe verzichtet und kommt dem Patentschutz doch gerade im Arzneimittelsektor eine besondere Bedeutung zu. Zur Amortisation überdurchschnittlich hoher Aufwendungen für die Erforschung und Entwicklung neuer Produkte sind Pharmaunternehmen in besonderem Maße auf das Bestehen immaterialgüterrechtlicher Ausschließlichkeitsrechte und deren effektive Verwertung, gerade auch in zeitlicher Hinsicht, angewiesen.89 Im Rahmen früher Marktzutritte verhalten sich Originalpräparatehersteller aber gegensätzlich und verkürzen die durch das regulatorische Erfordernis der arzneimittelrechtlichen Marktzulassung ohnehin bereits faktisch verkürzte90 Patentlaufzeit noch zusätzlich. Worin also liegt die Motivation von Arzneimittelherstellern zum Vollzug früher Marktzutritte? Aus welchem Grund setzen sich Originalpräparatehersteller nur kurze Zeit vor Patentablauf willentlich dem Wettbewerbsdruck durch Generikahersteller aus? Naheliegend erscheint, dass sich die Rentabilität früher Marktzutritte für Originalpräparatehersteller aus den Vergütungszahlungen ihrer Vertragspartner ergibt. Der Höhe nach müssten die Vergütungszahlungen hierzu die mit dem Verzicht auf das Ausschließlichkeitsrecht oder gar die Monopolstellung verbundenen Verluste der Originalpräparatehersteller übertreffen. Zweifel hieran ergeben sich jedoch aus der weit verbreiteten Praxis der Reverse Payment Settlements, im Zuge derer Originalpräparatehersteller Generikahersteller – gerade umgekehrt – für das Fernbleiben von Arzneimittelmärkten bezahlen. Reverse Payment Settlements beruhen auf der Existenz einer finanziellen Vergleichsmasse, welche den Vergleich für die Vertragsparteien wirtschaftlich gestaltet.91 Aus Sicht der Originalpräparatehersteller müssen deren Vergütungszahlungen (Reverse Payments) niedriger ausfallen, als der von ihnen im fortdauernden Zustand ohne generischen Marktzutritt erzielbare Gewinn.92 Für Generikahersteller bestehen umgekehrt dann Anreize zu derartigen 86

Siehe in und bei Fn. 68. Vgl. Picht, ZWeR 2014, 83 (84). 88 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 809, 836; vgl. auch Balto, Legal Times v. 20. 3. 2006. Nach von Falck/Slopek/Thiermann, GRUR 2015, 1050 (1053) wirkt der Vollzug eines frühen Marktzutrittes „kontraintuitiv“. 89 Siehe in und bei Fn. 5 (Einleitung). 90 Siehe hierzu Kapitel 2 § 2 A. I. 91 Vgl. Picht, ZWeR 2014, 83 (84); Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1580). 92 Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 57 f.; vgl. auch Kommission, Entsch. v. 9. 7. 2014, AT.39612, C(2014) 4955 final, Rn. 2938 – Perindopril (Servier); US Supreme Court, Urt. v. 17. 6. 2013, Case No. 12 – 416, 133 S.Ct. 2223 (2230) – FTC v. Actavis Inc. 87

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Vergleichen, wenn die ihnen zuteil werdenden Vergütungszahlungen den infolge ihres Marktzutritts erzielbaren Gewinn zumindest aufwiegen.93 Der Umstand, dass Reverse Payment Settlements in der Praxis weit verbreitet sind, lässt dann aber den Schluss zu, dass die Renditen der Originalpräparatehersteller im fortdauernden Zustand ohne generische Konkurrenz in aller Regel höher ausfallen, als die Gewinne von Generikaherstellern auf Duopolmärkten mit den Originalpräparateherstellern oder auf Märkten, auf denen weitere Generikahersteller tätig sind.94 Überträgt man diese Erkenntnis auf den Vollzug früher Marktzutritte, so müssten dann aber, um die entgangenen Gewinne der Originalpräparatehersteller auszugleichen, die Vergütungszahlungen der Generikahersteller höher ausfallen, als deren infolge ihrer Marktzutritte erzielbare Gewinne. Im Zeitraum vor Patentablauf bedeutet der Vollzug früher Marktzutritte insoweit entweder für die Generikahersteller oder für die Originalpräparatehersteller, die sich mit Vergütungszahlungen unterhalb ihres erzielbaren Monopolgewinnes zufriedengeben, einen Verlust und ist für eines der beiden Unternehmen wirtschaftlich gerade nicht rentabel. Wenngleich dieser aus der weit verbreiteten Praxis der Reverse Payment Settlements hergeleitete Schluss auf die Unrentabilität früher Marktzutritte im Zeitraum vor Patentablauf keinesfalls absolut zu setzen ist, weil beiden Strategien unterschiedliche und einzelfallabhängige patentrechtliche Ausgangssituationen zugrunde liegen95, bekräftigt er doch den Verdacht, dass sich der eigentliche Mehrwert früher Marktzutritte aus Wirkungen ergibt, die sich erst nach Patentablauf realisieren und die nicht ohne weiteres erkennbar sind96.

93 Gassner, A&R 2010, 3 (5); vgl. auch Kommission, Zusammenfassung des Beschl. v. 10. 12. 2013 im Verfahren AT.39685, ABl. EU 2015/C 142/10, Rn. 10 – Fentanyl; Kommission, Entsch. v. 10. 12. 2013, AT.39685, C(2013) 8870 final, Rn. 322 – Fentanyl. 94 So auch Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 57 m.w.N.; Picht, ZWeR 2014, 83 (84); Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1580 ff.). 95 So dürfte etwa von erheblicher Bedeutung sein, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Patent um ein Schlüsselpatent handelt. Auch muss bei der wirtschaftlichen Bewertung einer Marktzutrittsverzögerung die noch verfügbare Dauer der Patentlaufzeit Berücksichtigung finden. Gerade in diesem Punkt bestehen zwischen Reverse Payment Settlements und frühen Marktzutritten mitunter erhebliche Unterschiede. So erfolgte der Abschluss des Patentvergleichs im Fall Actavis etwa über fünf Jahre vor dem Patentablauf, während frühe Marktzutritte regelmäßig nur einige Monate vor Patentablauf vollzogen werden. Nicht zuletzt drohen bei Patentvergleichen häufig auch Trittbrettfahrereffekte, welche den Vergleich reizvoll gestalten. Zu den rechtlichen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen beiden Strategien siehe Kapitel 2 § 2 B. 96 Vgl. auch FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 39; vgl. auch Balto, Legal Times v. 20. 3. 2006 [„It makes sense only if the branded firm sees some long-term benefit, such as diminished generic competition“].

§ 2 Problemdarstellung

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B. Die Marktanteilsentwicklung autorisierter Generika Bestätigt wird dieser Verdacht schließlich durch den Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung-Pharma, aus dem hervorgeht, dass sich der eigentliche Mehrwert früher Marktzutritte aus deren Folgen für die Marktanteilsentwicklung autorisierter Generika im Zeitraum nach Patentablauf ergibt. Der Zeitpunkt des Patentablaufs markiert den Beginn der Verfallsphase im Lebenszyklus eines patentgeschützten Arzneimittels.97 Ab diesem Zeitpunkt sehen sich die Originalpräparatehersteller dem Imitationswettbewerb durch Generikahersteller ausgesetzt, die mit Preisnachlässen von bis zu 80 % auf den Markt drängen98. Für Originalpräparatehersteller resultieren hieraus in aller Regel drastische Umsatz- und Gewinneinbußen.99 Umsatzeinbußen von bis zu 50 % bereits innerhalb der ersten sechs Monate nach Patentablauf stellen hierbei keine Seltenheit dar.100 Von gravierenden Umsatz- und Gewinneinbrüchen betroffen sind insbesondere umsatzstarke Arzneimittel. Einer Studie für die Jahre 2003 und 2004 zufolge lag der Umsatzverlust des Originalpräparates innerhalb der ersten sechs Monate nach Patentablauf zwischen 22 und 60 %; ein Jahr nach Patentablauf lag die Spanne bereits bei 39 bis 81 %.101 Den Umsatzeinbußen entsprechend, verlieren die Originalpräparatehersteller mit Patentablauf auch drastisch an Marktanteilen.102 Verfügten Originalpräparatehersteller in den 1970er Jahren auch noch Jahre nach Patentablauf über Marktanteile von 90 %, so verweisen aktuellere Studien bereits auf einen generischen Marktanteil von über 70 % nur zwei Jahre nach Patentablauf.103 Stimmen aus den USA gehen gar davon aus, Generikahersteller könnten binnen Monaten 80 – 90 % des Marktes erobern.104 In Einzelfällen könne auch eine komplette Substitution zwischen dem Originalpräparat und Generika stattfinden.105 97

Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 3; siehe hierzu auch in Kapitel 2 § 2 A. Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 4; zu den Unterschieden im Bereich der durch Generika veranlassten Preisnachlässe in Deutschland und den USA vgl. Drexl, in: Sektoruntersuchung Pharma (2010), 13 (17). 99 Müller-Graff/Fischmann, GRUR Int 2010, 792 (799); Raasch/Schöffski, in: Schöffski/ Fricke/Guminski, Pharmabetriebslehre2 (2008), S. 216; Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 52; Kommission, Pressemitteilung v. 19. 6. 2013, IP/13/563; Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (251); Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (367) [„about 60 percent of the market share within its first year of entry“]; vgl. auch FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 104. 100 Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 52; vgl. auch Saha/Grabowski/Birnbaum/ Greenberg/Bizan, IJEB 2006, 15 (30 f.). 101 Raasch/Schöffski, in: Schöffski/Fricke/Guminski, Pharmabetriebslehre2 (2008), S. 216. 102 Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 4; Schmidt/Sule, EuZW 2012, 369 (372); vgl. auch Kommission, Entsch. v. 9. 7. 2014, AT.39612, C(2014) 4955 final, Rn. 106 – Perindopril (Servier); Kommission, Entsch. v. 10. 12. 2013, AT.39685, C(2013) 8870 final, Rn. 117 – Fentanyl. 103 Siehe die Studien bei Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 45. 104 Avery, HLJ 2008, 171 (172); Rebman, JHCL 2009, 159 (183). 105 Liang, ABX 1996, 599 (600 f.). 98

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Kap. 1: Einführung

Mit Patentablauf verändern sich die Wettbewerbsbeziehungen auf Arzneimittelmärkten damit substantiell zugunsten der Generikahersteller.106 Der Patentablauf bewirkt eine Umverteilung der Marktanteile vom Originalpräparatehersteller auf die hinzutretenden Generikahersteller. Im Normalfall haben Originalpräparatehersteller auf diese Umverteilung keinen Einfluss. Die Verteilung der Markanteile ergibt sich vielmehr als Ergebnis des Wettbewerbsprozesses zwischen den Generikaherstellern. Die Erkenntnisse der Kommission zeigen jedoch, dass autorisierte Generika gerade infolge ihres frühen Marktzutrittes nicht nur überdurchschnittlich erfolgreich im Zugewinn von Marktanteilen sind.107 Vielmehr besteht sogar die Wahrscheinlichkeit, dass autorisierte Generika nach Patentablauf die größten Marktanteile von den entsprechenden Originalpräparaten erlangen.108 Bestätigt wird dies durch die Ausführungen des Abschlussberichts zur Einführung sog. Produkte der zweiten Generation109. Diese Lebenszyklusstrategie, die auch als Evergreening bezeichnet wird110, ist dem Vollzug früher Marktzutritte durchaus vergleichbar. Beide Strategien zeichnen sich durch die Einführung eines mit dem Originalpräparat substituierbaren Arzneimittels nur kurze Zeit vor Patentablauf aus. Im Unterschied zu frühen Marktzutritten handelt es sich bei den Produkten der zweiten Generation jedoch nicht um Generika, sondern um fortentwickelte, patentgeschützte Originalpräparate, die allerdings häufig nur auf unwesentlich veränderten Formulierungen beruhen111. Werden Produkte der zweiten Generation vor Patentablauf eingeführt, so sinkt nach Ansicht der Kommission und im Einklang mit ihren Ausführungen zur Marktanteilsentwicklung autorisierter Generika „in beträchtlichem Ausmaß die Wahrscheinlichkeit, dass Generikahersteller bedeutende Marktanteile gewinnen“.112 In der Literatur wird in diesem Zusammenhang sogar davon gesprochen, das nur kurze

106

Vgl. Schweitzer/Becker, WRP 2012, 382 (385). Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 814, [„In particular generic companies with early entry deals are quite successful in gaining market shares.“]. Dieser Anknüpfungspunkt findet seine Stütze auch in den Angaben einiger Originalpräparatehersteller im Rahmen der Sektoruntersuchung, wonach die Fähigkeit eines Generikaherstellers, hohe Marktanteile zu gewinnen, bei der Auswahl des generischen Vertragspartners von Relevanz ist, dies., Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 838. 108 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 825, [„As the first generic product on the market can benefit from certain first-mover advantages and, thus, is likely to capture the largest market share of the originator company’s product, […]“]; so auch die interne Einschätzung des Arzneimittelherstellers Les Laboratoires Servier, Kommission, Entsch. v. 9. 7. 2014, AT.39612, C(2014) 4955 final, Rn. 1561 – Perindopril (Servier) [„Our partners will capture the majority of Perindopril market share“]. 109 Siehe hierzu auch in und bei Fn. 51. 110 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 994; Berg/Köbele, PharmR 2009, 581 (589). 111 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 990; Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 99; vgl. auch Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (251). 112 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 16 f.; dies., Sektoruntersuchung-Pharma, S. 367. 107

§ 2 Problemdarstellung

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Zeit vor Patentablauf eingeführte Arzneimittel könne die wirtschaftliche Rolle des Originalpräparats übernehmen.113 Belastbare Daten zur Marktanteilsentwicklung autorisierter Generika enthält der Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung-Pharma nicht. Im Abschlussbericht finden sich lediglich Angaben zur Höhe der kombinierten Marktanteile von autorisiertem Generikum und Originalpräparat im letzten Jahr der Laufzeit der zugrunde liegenden Vereinbarung über einen frühen Marktzutritt.114 Angesichts des Umstandes, dass die Vertragslaufzeit dieser Vereinbarungen den Zeitpunkt des Patentablaufs um durchschnittlich mehr als zwei Jahre überschritt115, handelt es sich hierbei um Marktanteilsdaten aus dem Zeitraum nach Patentablauf. Gleichwohl vermögen diese Daten für die vorliegende Untersuchung nur ein schwaches Indiz zu liefern, weil sie, wie die Kommission selbst betont, auf den Angaben der Unternehmen selbst beruhen und ihnen darüber hinaus unterschiedliche Marktabgrenzungs- und Berechnungsmethoden zugrunde gelegt wurden116. Den Angaben im Abschlussbericht zufolge lagen die kombinierten Markanteile bei zehn der untersuchten 87 Vereinbarungen bei über 40 %; bei sieben Vereinbarungen lag der kombinierte Marktanteil zwischen 30 und 40 % und bei 14 Vereinbarungen zwischen 20 und 30 %.117 In 50 Fällen wurde demgegenüber ein Marktanteil von unter 20 % festgestellt.118 Bei den verbleibenden sechs Vereinbarungen waren keine Marktanteile verfügbar.119 Damit lag der kombinierte Marktanteil von Originalpräparat und autorisiertem Generikum nach den Angaben der Arzneimittelhersteller immerhin in 29 Fällen über dem Marktanteil des größten Wettbewerbers auf dem Arzneimittelmarkt.120 Deutlichere Belege für die positive Marktanteilsentwicklung autorisierter Generika finden sich hingegen im ökonomischen Schrifttum. Zwar wurde die Marktanteilsentwicklung autorisierter Generika auf nationalen Arzneimittelmärkten bislang nicht untersucht.121 Soweit sich Appelt in ihrer Untersuchung nationaler Arzneimittelmärkte zu dieser Frage äußert, verweist sie jedoch auf entsprechende Erkenntnisse aus den USA und Kanada.122 Im dortigen ökonomischen Schrifttum wurde die positive Marktanteilsentwicklung autorisierter Generika bereits durch eine 113

Ullrich, in: Sektoruntersuchung Pharma (2010), 29 (36). Überdauerte die Laufzeit einer Vereinbarung über einen frühen Marktzutritt den Untersuchungszeitraum der Sektoruntersuchung, wurden stattdessen die Marktanteile für das Jahr 2007 ermittelt, Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 811. 115 Siehe in und bei Fn. 65. 116 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 811. 117 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 812. 118 Ebda. 119 Ebda. 120 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 813. 121 Dahingehende Untersuchungen sind bereits angekündigt, Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 28. 122 Ebda., S. 7 f. 114

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Kap. 1: Einführung

Vielzahl empirischer Untersuchungen belegt.123 Zwar befassen sich nicht alle dieser Untersuchungen ausschließlich mit dem Phänomen früher Marktzutritte zu Arzneimittelmärkten. Stets werden jedoch Aussagen zur Marktstellung solcher Generikahersteller getroffen, die als erste Unternehmen am Markt tätig werden. Die Erkenntnisse dieser Untersuchungen sind im vorliegenden Kontext insoweit gleichermaßen relevant, als es sich auch bei autorisierten Generika häufig um die ersten am Markt verfügbaren Generika handelt124. Nach einer Untersuchung des Kanadiers Hollis125 hat der Umstand, als erstes Generikaunternehmen am Markt tätig geworden zu sein, einen großen und dauerhaften Effekt auf die spätere Marktstellung dieses Unternehmens.126 Die Pionierstellung beim Marktzutritt beschreibt er gar als den größtmöglichen Vorteil eines Generikums.127 Das erste Generikaunternehmen am Markt verfüge gegenüber seinen Wettbewerbern über einen dauerhaften Marktanteilsvorsprung128 und damit über eine langfristige dominante Marktstellung129. Konkret seien die Marktanteile eines Unternehmens infolge eines frühen Marktzutritts um 20 – 35 % erhöht.130 Durchschnittlich liege der Marktanteil eines autorisierten Generikums in den ersten vier Jahren des Generikawettbewerbs bei 47 %; in 43 % der Fälle handle es sich dabei um das erste Generikum am Markt.131 Aus dem frühen Marktzutritt resultiere im ersten Jahr ein Marktanteilsvorsprung von 37 %, im vierten Jahr liege die Differenz immerhin noch bei 30 %.132 Umgekehrt schlage sich auch eine Verzögerung beim Marktzutritt über Jahre hinweg in den Marktanteilen von Generikaherstellern nieder.133 Infolge der frühen Präsenz eines autorisierten Generikums seien die Markt-

123 Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 547. Zu den ökonomischen Ursachen dieser positiven Marktanteilsentwicklung in Form sog. Erstanbietervorteile siehe Kapitel 2 § 3. 124 Siehe in und bei Fn. 68; vgl. auch Hollis, CPP 2003, 21 (28). 125 Der Beitrag befasst sich mit der Bedeutung des Marktzutrittszeitpunktes für die Marktanteilsentwicklung von Generika und insbesondere für autorisierte Generika. Ihm liegen Marktdaten aus den Jahren 1995 bis 1999 zugrunde. Betroffen sind 31 Arzneimittel, mit denen Generikaunternehmen zwischen 1994 und 1997 in Wettbewerb traten. Die gefundenen Ergebnisse beziehen sich auf reine Generikamärkte; das Originalpräparat wurde ausgeblendet. 126 Hollis, Health Economics 2002, 723 (723, 724, 732), [„large and lasting effect“]. 127 Hollis, Health Economics 2002, 723 (726); ders., CPP 2003, 21 (25); vgl. auch die Äußerungen zitiert in Bond/Lean, FTC Staff Report (1977), S. 27 f. 128 Hollis, CPP 2003, 21 (22, 24), [„The success of the pseudo-generic strategy in capturing market share is impressive“] oder [„lion’s share of the market“]; ders., Health Economics 2002, 723 (733); vgl. auch Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 14. 129 Hollis, CPP 2003, 21 (26), [„the first generic entrant into any market tends to retain a dominant position for many years“]; ders., Health Economics 2002, 723 (724). 130 Hollis, Health Economics 2002, 723 (723). 131 Hollis, Health Economics 2002, 723 (726). 132 Hollis, Health Economics 2002, 723 (732). 133 Hollis, Health Economics 2002, 723 (731).

§ 2 Problemdarstellung

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anteile nachfolgender Generikaunternehmen geringer.134 Dies gelte bereits für Generikaunternehmen, die den Markt nur kurze Zeit nach dem autorisierten Generikum beträten.135 Zwar nahm die Untersuchung nur die Marktanteilsentwicklung innerhalb von vier Jahren nach dem ersten Marktzutritt in Blick, jedoch wirkten frühe Marktzutritte aller Wahrscheinlichkeit nach noch über diesen Zeitraum hinaus.136 Untersuchungen aus den USA bestätigen dieses Ergebnis.137 Die Situation auf Generikamärkten wird hier bisweilen als Lotterie beschrieben, bei der sich Originalpräparatehersteller durch autorisierte Generika den ersten Preis in Form von überdurchschnittlich hohen Renten selbst vorbehielten.138 Auch diesen Untersuchungen zufolge verfügt der erste Generikahersteller am Markt über einen substantiellen Marktanteilsvorsprung gegenüber nachfolgenden Generikaherstellern.139 Dem Kenntnisstand der US-amerikanischen Federal Trade Commission (FTC) nach entfallen die größten Ausgabenanteile langfristig auf Erstanbieter.140 Nach Grabowski und Vernon hatte der Erstanbieter in der Hälfte der untersuchten Fälle auch ein Jahr nach Zulassung noch den größten Marktanteil inne; in vier weiteren Fällen sei der spätere Marktführer dem Erstanbieter nur binnen eines Monats gefolgt.141 In 134

Hollis, Health Economics 2002, 723 (732); so auch Kamien/Zang, SEJ 1999, 117 (129 ff.). 135 Hollis, Health Economics 2002, 723 (729); an anderer Stelle wird darauf verwiesen, das erste Generikaunternehmen erwarte ein Marktanteil von rund 35 %, während sich der Marktanteil des zweiten Generikaunternehmens nur noch auf 15 % belaufe, ders., CPP 2003, 21 (28). 136 Hollis, Health Economics 2002, 723 (732). 137 Teilweise wird dabei ausdrücklich auf die Erkenntnisse aus Kanada Bezug genommen, Yu/Gupta, IJPHM 2014, 126 (129). Gegenstand dieser Untersuchung war der Wettbewerb zwischen Generikaunternehmen in den ersten drei Jahren nach Patentablauf unter besonderer Berücksichtigung der wettbewerblichen Auswirkungen sog. Erstanbietervorteile (first-mover advantages). In den Blick genommen wurden 49 Moleküle aus 13 therapeutischen Kategorien, deren Patente im Zeitraum 1992 bis 2000 abliefen. Unter den betroffenen Arzneimitteln befanden sich elf autorisierte Generika, wovon fünf die ersten am Markt verfügbaren Generika darstellten. Inhaltlich wurde zwischen der Abgabe von Arzneimitteln in Apotheken und der Abgabe über Krankenhäuser unterschieden. 138 Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (252). Die Untersuchung befasste sich mit der Einführung autorisierter Generika und stützte sich hierbei auf Marktdaten aus dem Zeitraum zwischen Ende der 1980er bis Anfang der 90er Jahre. Der Fokus lag auf den Auswirkungen der Einführung autorisierter Generika auf die Generikapreise. 139 Caves/Whinston/Hurwitz, BPEA 1991, 1 (37), [„generic drug companies make money by being first to enter after patent expiration“]. Die Studie bezog sich auf Daten aus dem Zeitraum 1976 – 1987 und betraf 30 verschreibungspflichtige Arzneimittel, die in dieser Zeit ihren Patentschutz verloren. Zur positiven Marktanteilsentwicklung autorisierter Generika siehe auch Kamien/Zang, SEJ 1999, 117 (117) [„Stackelberg leadership“]; Yu/Gupta, IJPHM 2014, 126 (128, 135, 140); Bond/Lean, Advantage from Early Entry (1979), S. 20; Reiffen/ Ward, MDE 2007, 251 (256); Ferrándiz, Health Economics 1999, 599 (602). 140 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 93, 105. 141 Grabowski/Vernon, JLE 1992, 331 (346 Fn. 39) [„significant market advantage“], die die Marktanteilsentwicklung von Generikaunternehmen nach Patentablauf in Blick nahmen. Die Untersuchung stützte sich auf Marktdaten aus dem Zeitraum 1984 – 1988 und betraf 18 Originalpräparate, die zwischen 1983 und 1987 erstmals generischem Wettbewerb ausgesetzt

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Kap. 1: Einführung

nahezu allen Fällen sei der spätere Marktführer insoweit ein Erstanbieter gewesen.142 Auch nach der Untersuchung von Bond und Lean waren beide der in Blick genommenen Erstanbieter nach mehr als zehn Jahren immer noch die Marktführer, obwohl nachfolgende Generika günstiger angeboten und stärker beworben wurden.143 Nachfolgende Generikahersteller seien insoweit nicht imstande gewesen, den Erstanbieter zu verdrängen.144 Bisweilen wird der Marktanteilsvorsprung auch im Schrifttum der USA konkret beziffert. Nach Yu und Gupta ist der Marktanteil des ersten Generikaunternehmens im Vergleich zum Marktanteil des zweiten Generikaunternehmens während der ersten drei Jahre um 80 %, im Vergleich zum Marktanteil des dritten Generikaunternehmens gar um 225 % erhöht.145 Auch nach einer Untersuchung von Hurwitz und Caves lag der durchschnittliche Marktanteil des Erstanbieters bei 63 %.146

C. Konkretisierung der kartellrechtlichen Bedenken Die vorangegangen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass sich die Wirkungen früher Marktzutritte in der Tat nicht auf den Zeitraum vor Patentablauf beschränken.147 Der eingangs beschriebenen wettbewerbsfördernden Wirkung früher Marktzutritte im Zeitraum vor Patentablauf stehen vielmehr erhebliche und dauerhafte Marktanteilsvorsprünge autorisierter Generika im Zeitraum nach Patentablauf gegenüber. Die Wirkungen früher Marktzutritte stellen sich insoweit als ambivalent dar.148 Berücksichtigt man die Indizwirkung hoher Marktanteile nicht nur für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens, sondern auch für dessen Marktmacht149, so lassen sich durch den Vollzug früher Marktzutritte die späteren Machtverhältnisse auf Arzneimittelmärkten bereits vor Patentablauf zugunsten einzelner Generikahersteller vorzeichnen150. Anders gewendet, lässt sich für Originalpräparatehersteller im Wege früher Marktzutritte der mit Patentablauf unweiwaren und die zum Zeitpunkt des Patentablaufs einen Umsatz von mehr als 50 Millionen Dollar aufwiesen, sowie die dazugehörigen Generika. 142 Grabowski/Vernon, JLE 1992, 331 (346). 143 Bond/Lean, FTC Staff Report (1977), S. vi; siehe auch Robinson/Kalyanaram/Urban, Rev Ind Organ 1994, 1 (5); Hurwitz/Caves, JLE 1988, 299 (302). 144 Ebda. 145 Yu/Gupta, IJPHM 2014, 126 (142). 146 Hurwitz/Caves, JLE 1988, 299 (314). 147 Vgl. auch FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. iii. 148 Vgl. auch FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 38. 149 BGH, Beschl. v. 7. 3. 1989, KVR 3/88, WuW/E BGH 2575 (2580) – Kampffmeyer/ Plange; BGH, Beschl. v. 13. 7. 2004, KVR 2/03, WuW/E DE-R 1301 (1303) – Sanacorp/ ANZAG; Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), § 18 Rn. 90; Götting, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009), § 19 Rn. 32. 150 Vgl. auch Tauchner/Hölder, Patent World 2007, 11 (11) [„Whoever enters first will secure for himself the biggest chunk of the market…“].

§ 2 Problemdarstellung

41

gerlich einsetzende Abfluss von Marktanteilen zugunsten bestimmter Generikahersteller steuern.151 Wie auch von der Kommission im Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung-Pharma befürchtet, stellen frühe Marktzutritte für Originalpräparatehersteller damit ein Mittel dar, um dem Wettbewerb mit Generikaherstellern im Wege eines kontrollierten Marktzutrittes eines Generikaherstellers vorzugreifen.152 Kartellrechtliche Bedenken gegenüber der Strategie früher Marktzutritte ergeben sich hieraus in mehrfacher Hinsicht. I. Abschreckung generischer Wettbewerber Kartellrechtlich kritisch erscheinen frühe Marktzutritte zunächst hinsichtlich ihrer Wirkungen auf unabhängige Generikahersteller. Im Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung-Pharma befürchtet die Kommission, die frühe Präsenz marktanteilsstarker autorisierter Generika könnte die Attraktivität von Arzneimittelmärkten für andere Arzneimittelhersteller vermindern.153 Die Kommission deutet damit an, dass sich frühe Marktzutritte negativ auf das Marktzutrittsverhalten unabhängiger Generikahersteller auswirken und spricht frühen Marktzutritten insoweit einen Abschreckungseffekt gegenüber diesen Generikaherstellern zu.154 Dieser Verdacht erscheint in der Tat begründet und findet seine Stütze auch in internen Dokumenten von Originalpräparateherstellern, in denen autorisierte Generika mitunter als „nuclear weapon“ im Wettbewerb mit Generikaherstellern bezeichnet werden.155 Gelingt es Originalpräparateherstellern, die Umverteilung ihrer Marktanteile auf bestimmte Generikahersteller noch vor Patentablauf sicherzustellen, können unabhängige Generikahersteller im Zeitraum nach Patentablauf nur noch verhältnismäßig geringe Marktanteile erlangen. Die Höhe der auf einem Arzneimittelmarkt erzielbaren Marktanteile ist neben dem erzielbaren Preisniveau im Rahmen der Marktzutrittsentscheidungen von Generikaherstellern aber von besonderer Relevanz.156 Infolge eines frühen Marktzutrittes dürfte sich die Attraktivität des jeweiligen Arzneimittelmarktes deshalb in der Tat vermindern. Bildlich gesprochen sehen sich Generikahersteller in diesem Fall der Situation ausgesetzt, dass ein 151 Vgl. auch Porter, JCHLP 2005, 177 (209) [„to regain the market share that is taken away by generic manufacturers“]. 152 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 809 und S. 310, [„[…] However, strategic documents of originator companies confirm that early entry agreements are used to anticipate generic competition by providing for a controlled market launch of a generic product. […]“]; siehe auch dies., Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 15. 153 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 809, [„The early presence of a generic product limits the attractiveness of a market for other companies as the first generic product is likely to benefit from certain first-mover advantages.“]. 154 So auch Liang, ABX 1996, 599 (601); vgl. auch Kommission, SektoruntersuchungPharma, Rn. 1047. 155 Vgl. Kommission, Entsch. v. 9. 7. 2014, AT.39612, C(2014) 4955 final, Rn. 203 – Perindopril (Servier). 156 Porstner, in: Sektoruntersuchung Pharma (2010), 3 (8).

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Kap. 1: Einführung

Großteil des Kuchens (des Marktes) im Zeitpunkt des Patentablaufs als dem für unabhängige Generikahersteller frühestmöglichen Marktzutrittszeitpunkt bereits verteilt ist. Vor dem Hintergrund dieses vermuteten Abschreckungseffektes könnten frühe Marktzutritte kartellrechtlich als Behinderungsmissbräuche (§§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB, Art. 102 lit. b) AEUV) gegenüber unabhängigen Generikaherstellern157 oder die zugrunde liegenden Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt als wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen (§ 1 GWB, Art. 101 AEUV) zulasten unabhängiger Generikahersteller einzuordnen sein158. II. Vorzeichnung zukünftiger Marktstrukturen Ein weiterer kartellrechtlicher Anknüpfungspunkt ergibt sich aus der positiven Marktanteilsentwicklung autorisierter Generika selbst. Sind autorisierte Generika regelmäßig imstande, die größten Marktanteile von den entsprechenden Originalpräparaten zu erlangen und diese langfristig gegenüber unabhängigen Generikaherstellern zu behaupten, dann stellen frühe Marktzutritte ein Mittel zur Vorbestimmung zukünftiger Marktstrukturen dar. Im gravierendsten Fall verschaffen frühe Marktzutritte den Originalpräparateherstellern die Möglichkeit, den zukünftigen Marktführer auf Arzneimittelmärkten zu bestimmen. Marktstrukturveränderungen lassen sich im deutschen und europäischen Kartellrecht über das Instrument der Zusammenschlusskontrolle (§ 35 ff. GWB, Artt. 1 ff. der Fusionskontrollverordnung159) Rechnung tragen. Nach zwar umstrittener aber zutreffender Ansicht kommt daneben die Anwendung der allgemeinen Missbrauchsaufsicht (§ 19 Abs. 1 GWB, Art. 102 AEUV) in Form des sog. Marktstrukturmissbrauchs in Betracht. Im Rahmen der nachfolgenden kartellrechtlichen Analyse wird deshalb auch der Frage nachgegangen, ob sich die über frühe Marktzutritte ausgelösten Marktstrukturveränderungen einer Kontrolle über die Instrumente der Zusammenschlusskontrolle oder des Marktstrukturmissbrauchs unterziehen lassen.160 III. Projektion von Marktmacht in die Zukunft Gewissermaßen als Kehrseite der positiven Marktanteilsentwicklung autorisierter Generika befasst sich die kartellrechtliche Analyse mit der ebenfalls von der Kommission geäußerten Befürchtung, frühe Marktzutritte könnten von den Originalpräparateherstellern dazu eingesetzt werden, die vor Patentablauf erzielten Arzneimittel-Absätze für die Zeit nach Patentablauf zu verfestigen und damit trotz Patentablaufs weiterhin hohe Gewinne einzufahren161. Die Möglichkeit, die Ein157 158 159 160 161

Siehe hierzu Kapitel 3 § 2 A. Siehe hierzu Kapitel 3 § 2 C. VO (EG) Nr. 139/2004, nachfolgend: FKVO. Siehe hierzu Kapitel 3 § 3. Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 809, 825, 828.

§ 2 Problemdarstellung

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künfte aus dem patentgeschützten Produkt stabil zu halten sowie zusätzliche Einkünfte aus dem Abschluss der Vertriebsvereinbarungen zu ziehen, beschreibt die Kommission gar als maßgeblichen Beweggrund der Originalpräparatehersteller für den Vollzug früher Marktzutritte.162 Gelingt es Originalpräparateherstellern, den Großteil ihrer Marktanteile im Wege eines frühen Marktzutritts auf bestimmte Generikahersteller zu verlagern, profitieren hiervon auf den ersten Blick nur die beteiligten Generikahersteller. Bei genauerer Betrachtung kann sich die geförderte Marktstellung des Generikaherstellers jedoch auch als Vorteil für den Originalpräparatehersteller erweisen. Dies gilt einerseits für den Fall, dass der frühe Marktzutritt durch einen mit dem Originalpräparatehersteller konzernrechtlich verbundenen Generikahersteller vollzogen wird, sodass die im Wege des frühen Marktzutritts geschaffene Marktstellung des Generikaherstellers innerhalb derselben wirtschaftlichen Einheit verbleibt. Originalpräparatehersteller profitieren aber andererseits auch dann von der Marktstellung ihres generischen Vertragspartners, wenn die Zahlungspflicht des Generikaherstellers durch Bezugsverpflichtungen zulasten des Generikaherstellers flankiert wird. In der Tat enthielten nach den Erkenntnissen der Kommission aus der Sektoruntersuchung-Pharma auch 63 der 87 Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt Verpflichtungen der Generikahersteller zum Bezug von Produkten vom Originalpräparatehersteller.163 45 der 87 Vereinbarungen waren hierbei als exklusive Gesamtbezugsklauseln zulasten des Generikaherstellers ausgestaltet, verpflichteten die Generikahersteller also, sämtliche für das vertragsgegenständliche Arzneimittel erforderlichen Grundprodukte exklusiv vom Originalpräparatehersteller zu beziehen.164 17 der Vereinbarungen enthielten überdies jährliche Mindestabnahmemengen.165 Die Liefervereinbarungen insgesamt hatten hierbei eine durchschnittliche Laufzeit von 3,5 Jahren166, die Exklusivvereinbarungen eine durchschnittliche Laufzeit von 2,4 Jahren167. Zumeist wurden hierbei Fixpreise vereinbart, die auch nach Patentablauf unverändert blieben168; in anderen Fällen wurde als Preis ein Prozentsatz des Generika-Verkaufspreises vereinbart169. In den allermeisten der von der Kommission festgestellten Fälle profitierte vor diesem Hintergrund auch der Originalpräparatehersteller von den hohen Markt- und damit Absatzanteilen des Generikaherstellers. Wie auch im Falle der konzernrechtlichen Verbundenheit zwischen Originalpräparate- und Generikahersteller fungiert die im Wege des frühen Marktzutrittes geschaffene Marktstellung des Generikaherstellers in diesen Fällen gewissermaßen als Surrogat für die mit Patentablauf schwindende 162

Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 835. Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 821, 843. 164 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 827, 844; vgl. auch Liang, ABX 1996, 599 (599). 165 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 827, 850. 166 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 824. 167 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 845. 168 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 821 f. 169 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 823. 163

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Kap. 1: Einführung

Marktstellung des Originalpräparateherstellers170. Frühe Marktzutritte könnten damit ein Mittel zur Projektion der Marktmacht des Originalpräparateherstellers in die Zukunft und damit eine Form der faktischen Patentausdehnung darstellen171, der grundsätzlich über sämtliche der genannten kartellrechtlichen Instrumente Rechnung getragen werden könnte.

§ 3 Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den kartellrechtlichen Implikationen früher Marktzutritte zu Arzneimittelmärkten. Der Untersuchungsgegenstand soll dabei in zweifacher Hinsicht eingegrenzt werden:

A. Märkte für verschreibungspflichtige Fertighumanarzneimittel Als Arzneimittel gelten grundsätzlich alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten bestimmt sind oder die im oder am menschlichen oder tierischen Körper verwendet oder einem Menschen bzw. Tier verabreicht werden können, um die menschlichen bzw. tierischen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen.172 Eingrenzend werden im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch nur frühe Marktzutritte zu Märkten für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel173 für Menschen behandelt. Verschreibungspflichtige Arzneimittel sind Arzneimittel, die nach § 48 Abs. 1 AMG nur unter Vorlage einer ärztlichen oder zahnärztlichen Verschreibung an den Endverbraucher ausgehändigt werden dürfen. Besonderheiten, 170

Vgl. auch Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 1024. Auch in der Literatur wird in diesem Zusammenhang angemahnt, die an frühen Marktzutritten beteiligten Originalpräparatehersteller dürften mit Blick auf die Gegenleistungen ihrer generischen Vertragspartner aus kartellrechtlicher Sicht nicht so gestellt werden, als genössen sie über den Zeitpunkt des Patentablaufs hinaus Patentschutz, Wagner, in: Martinek/Semler/Habermeier/Flohr, Vertriebsrecht3 (2010), § 51 Arzneimittel Rn. 63; siehe auch Kamien/Zang, SEJ 1999, 117 (117 f.). 172 Vgl. § 2 Abs. 1 AMG sowie Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel. 173 Fertigarzneimittel sind nach § 4 Abs. 1 AMG „Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden oder andere zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder die, ausgenommen in Apotheken, gewerblich hergestellt werden. Fertigarzneimittel sind nicht Zwischenprodukte, die für eine weitere Verarbeitung durch einen Hersteller bestimmt sind“. 171

§ 3 Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes

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die sowohl auf Nachfrage- als auch auf Angebotsseite174 solcher Märkte bestehen und die unter anderem daraus resultieren, dass nicht der Patient selbst, sondern der verschreibende Arzt oder Apotheker über den Konsum der Arzneimittel entscheidet, lassen vermuten, dass frühen Marktzutritten gerade dort eine besondere kartellrechtliche Relevanz zukommt. Arzneimittel unterliegen der Verschreibungspflicht insbesondere dann, wenn ihre Stoffe in der Verordnung über verschreibungspflichtige Arzneimittel auf Grundlage des § 48 Abs. 2 AMG aufgenommen sind. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit unberücksichtigt bleiben demnach Märkte für Tierarzneimittel. Nicht behandelt werden überdies Märkte für nicht verschreibungspflichtige, apothekenpflichtige oder frei verkäufliche Arzneimittel, die als sog. OTC-Produkte (Over-The-Counter-Produkte) bezeichnet werden175. Die Unterschiede zwischen Märkten für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel und klassischen Konsumgütermärkten sind weniger stark ausgeprägt176, weil über deren Konsum nicht der verschreibende Arzt oder Apotheker, sondern der Patient selbst entscheidet.

B. Frühe Marktzutritte konzernunabhängiger Generikahersteller Für den Vollzug früher Marktzutritte stehen Originalpräparateherstellern in der Praxis verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten offen. Frühe Marktzutritte können einerseits durch unabhängige Generikaunternehmen vollzogen werden. In diesen, auch der Sektoruntersuchung-Pharma zugrunde liegenden177, Fällen gestatten Originalpräparatehersteller Generikaunternehmen, die außerhalb ihres Konzernverbundes stehen, das Generikum auf den Markt zu bringen178 ; frühe Marktzutritte können andererseits durch Generikaunternehmen vollzogen werden, die, etwa als deren Tochterunternehmen, konzernrechtlich mit dem Originalpräparatehersteller verbunden sind.179 Hinsichtlich ihrer Praxisrelevanz tritt die letztgenannte Gestaltungsvariante eindeutig hinter den Vollzug durch unabhängige Generikaunternehmen zurück. Obwohl Originalpräparatehersteller in der Vergangenheit verstärkt in Generikamärkte investierten und Generikaunternehmen übernahmen oder gründe-

174

Siehe hierzu Kapitel 2 § 3 B. Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 5. 176 Ehle/Schütze, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts (2010), § 10 Rn. 2. 177 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 795. 178 Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (255); FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 12, 19. 179 Friedrich, PharmR 2010, 329 (330); Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 1, 4; Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 88 f.; Schwarz-Schütte, in: Handbuch Pharma-Management, Band 1 (1995), S. 457 (469); Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (254); FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 14, 17, 32; Chen, VLR 2007, 459 (460); Rebman, JHCL 2009, 159 (159). 175

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Kap. 1: Einführung

ten180, waren laut einer Untersuchung aus Deutschland im Zeitraum zwischen 2002 und 2007 nur zwei durch Tochterunternehmen der Originalpräparatehersteller vollzogene frühe Marktzutritte zu verzeichnen181. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in den USA, wo autorisierte Generika ebenfalls verstärkt durch konzernexterne Generikahersteller und nicht durch Tochterunternehmen vermarktet werden.182 So vertrieb nach einer Studie der FTC nur ein Drittel der Arzneimittelhersteller das autorisierte Generikum selbst oder durch ein Tochterunternehmen.183 In Anlehnung an die auf konzernexterne frühe Marktzutritte begrenzten Erkenntnisse der Sektoruntersuchung-Pharma und angesichts der deutlich höheren Praxisrelevanz dieser Gestaltungsvariante, rückt die vorliegende Arbeit konzernexterne frühe Marktzutritte in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auf frühe Marktzutritte, die durch konzernrechtlich mit dem Originalpräparatehersteller verbundene Generikahersteller vollzogen werden, soll demgegenüber nur am Rande eingegangen werden. Der kartellrechtliche Prüfungsmaßstab weicht in diesen Fällen in erheblicher Weise vom Prüfungsmaßstab für konzernexterne frühe Marktzutritte ab, weil konzerninterne Vorgänge kartellrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar sind. So greift etwa das Kartellverbot für konzerninterne Kartellvereinbarungen aufgrund des sog. Konzernprivilegs nicht184 und auch die Zusammenschlusskontrolle ist auf konzerninterne Transaktionsvorgänge nicht anwendbar185.

180

Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 1566; dies., Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 3; Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (255); Rebman, JHCL 2009, 159 (168). Im Rahmen des Zusammenschlusses Teva/Cephalon übernahm sogar ein Generikahersteller einen Originalpräparatehersteller, Schmidt/Sule, EuZW 2012, 369 (375). 181 Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 10. 182 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 12. 183 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 18. 184 EuGH, Urt. v. 14. 7. 1972, Rs. 48/69, Slg. 1972, 619, Rn. 132, 135 – ICI/Kommission; EuGH, Urt. v. 31. 10. 1974, Rs. 15/74, Slg. 1974, 1147, Rn. 41 – Centrafarm BV und Adriaan de Peijper gegen Sterling Drug Inc.; EuGH, Urt. v. 4. 5. 1988, Rs. 30/87, Slg. 1988, 2507, Rn. 19 – Bodson; EuGH, Urt. v. 11. 4. 1989, Rs. 66/86, Slg. 1989, 803, Rn. 35 – Ahmed Saeed; EuGH, Urt. v. 24. 10. 1996, Rs. C-73/95 P, Slg. 1996, I-5482, Rn. 15 f. – Viho; Kersting, WuW 2014, 1156 (1158) m.w.N.; ders., Der Konzern 2011, 445 (445 f.); zur Ausklammerung konzerninterner Lizenzvereinbarungen siehe Mailänder, GRUR Int 1979, 378 (383). 185 Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht3 (2014), Art. 3 FKVO Rn. 6 f.; Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 17; Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 2 (2012), Art. 3 FKVO Rn. 12; Kommission, Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen gemäß der VO (EG) 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (nachfolgend: Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen), ABl. EU 2009/C 43/09, Rn. 51; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht3 (2014), § 25 Rn. 5.

§ 4 Gang der Darstellung und Ausblick auf die Untersuchungsergebnisse

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§ 4 Gang der Darstellung und Ausblick auf die Untersuchungsergebnisse Die vorliegende Arbeit gliedert sich in vier Kapitel. Im Anschluss an diese Einführung befasst sich das zweite Kapitel mit dem Rechtscharakter und dem wirtschaftlichen Hintergrund früher Marktzutritte. Erläutert wird in diesem Zusammenhang auch die besondere Bedeutung, welche dem Zeitpunkt des Marktzutritts für den Erfolg eines Arzneimittelherstellers zukommt. Ökonomisch stützt sich die Bedeutung des Marktzutrittszeitpunkts im Arzneimittelsektor auf die Existenz sog. Erstanbietervorteile, welche im Falle früher Marktzutritte für die überaus positive Marktanteilsentwicklung autorisierter Generika verantwortlich sind und damit zugleich die hinter dieser Strategie stehende Motivation der beteiligten Arzneimittelhersteller erklärbar machen.186 Die kartellrechtliche Würdigung früher Marktzutritte in Kapitel 3 bildet sodann den Kern der vorliegenden Arbeit. In seinem Aufbau folgt dieses Kapitel der gängigen Zweiteilung der kartellrechtlichen Instrumente in solche zur Kontrolle unternehmerischen Marktverhaltens und solche zur Kontrolle von Marktstrukturveränderungen. Zunächst werden frühe Marktzutritte als unternehmerisches Marktverhalten einer Überprüfung am Maßstab des kartellrechtlichen Behinderungs- und Diskriminierungsverbots (§§ 19, 20 GWB, Art. 102 AEUV) sowie am Maßstab des Kartellverbots (§ 1 GWB, Art. 101 AEUV) unterzogen. Im Mittelpunkt dieser Ausführungen steht die Frage, inwieweit die – gemessen am Zeitpunkt des Schutzrechtsablaufs – vorzeitige Zulassung eines Generikaherstellers unter dem Aspekt der Abschreckung unabhängiger Generikahersteller als missbräuchlich oder wettbewerbsbeschränkend gewertet werden kann. Im Anschluss hieran widmet sich die Arbeit den marktstrukturrelevanten Wirkungen früher Marktzutritte, die ihren Ausdruck in der überaus positiven Marktanteilsentwicklung autorisierter Generika finden. Frühe Marktzutritte werden in diesem Zusammenhang zunächst einer Überprüfung am Maßstab der Vorschriften zur Zusammenschlusskontrolle (§ 35 ff. GWB, Art. 1 ff. FKVO) unterzogen. Kernfrage ist hierbei, inwieweit sich der Vollzug früher Marktzutritte als Unternehmenszusammenschluss zwischen den beteiligten Originalpräparate- und Generikaherstellern qualifizieren lässt. Für die Annahme eines solchen Unternehmenszusammenschlusses kommen mehrere Anknüpfungspunkte in Betracht. Im Anschluss an die Ausführungen zur Zusammenschlusskontrolle werden frühe Marktzutritte einer Überprüfung am Maßstab des sog. Marktstrukturmissbrauchs auf Grundlage der § 19 GWB, Art. 102 AEUV unterzogen. Die Arbeit schließt in Kapitel 4 mit einer Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse und einem Ausblick auf deren Auswirkungen jenseits der Bewertung früher Marktzutritte im Arzneimittelsektor. Als Ergebnis dieser Arbeit wird sich zeigen, dass frühe Marktzutritte als unternehmerisches Marktverhalten aus der Perspektive des Kartellrechts nicht zu beanstanden sind. Frühe Marktzutritte verstoßen weder gegen das kartellrechtliche Be186

Siehe hierzu Kapitel 2 § 3.

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Kap. 1: Einführung

hinderungs- noch gegen das Diskriminierungsverbot und auch nicht gegen das Kartellverbot. Infolge ihrer marktstrukturverändernden Wirkungen sind frühe Marktzutritte jedoch als Unternehmenszusammenschlüsse im Sinne der § 37 GWB, Art. 3 FKVO zwischen den beteiligten Originalpräparate- und Generikaherstellern einzuordnen und damit vor ihrem Vollzug bei der im Einzelfall zuständigen Wettbewerbsbehörde anzumelden. Darüber hinaus bildet die Strategie früher Marktzutritte einen der bislang seltenen Anwendungsfälle des Marktstrukturmissbrauchs, anhand dessen sich der praxisrelevante Anwendungsbereich dieser bislang praktisch kaum relevant gewordenen Missbrauchskategorie verdeutlichen lässt.

Kapitel 2

Rechtliche Einordnung und wirtschaftlicher Hintergrund Bevor im nachfolgenden Kapitel in die kartellrechtliche Analyse früher Marktzutritte eingestiegen wird, befasst sich dieses Kapitel mit ihrer rechtlichen Einordnung, ihrem wirtschaftlichen Hintergrund sowie mit der besonderen Bedeutung, welche dem Zeitpunkt des Marktzutritts im Arzneimittelsektor zukommt. Sämtliche dieser Aspekte sind nicht nur grundlegend für das Verständnis der Strategie früher Marktzutritte, sondern prägen unmittelbar auch deren kartellrechtliche Bewertung. So ergeben sich aus ihnen nicht nur Anwendbarkeitsfragen, sondern auch inhaltliche Vorgaben, die an verschiedenen Stellen der kartellrechtlichen Bewertung, wie etwa im Rahmen der sachlichen Rechtfertigung früher Marktzutritte oder bei der Frage des Vorliegens eines Unternehmenszusammenschlusses, relevant werden. Die genannten Aspekte früher Marktzutritte werden vor diesem Hintergrund nachfolgend vorab und im Zusammenhang dargestellt, sodass an den verschiedenen Stellen der kartellrechtlichen Würdigung auf sie zurückgegriffen werden kann.

§ 1 Rechtliche Einordnung und Vertragsinhalt Im Nachgang zu frühen Marktzutritten vertreiben Originalpräparatehersteller und Generikahersteller identische Arzneimittel unter verschiedenen Bezeichnungen am Markt. Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt lassen sich daher als sog. CoMarketing-Verträge einordnen.1 Der Begriff des Co-Marketing umfasst eine Reihe unterschiedlicher Formen der Vertriebskooperation zwischen pharmazeutischen Unternehmen.2 Der Mehrzahl der Fälle liegt, wie auch dem Vollzug früher Marktzutritte, die Konstellation zugrunde, dass ein Arzneimittelhersteller den anderen mit dem Wirkstoff eines Fertigarzneimittels (oder mit dem Fertigarzneimittel3) beliefert, beide Arzneimittelhersteller diesen Wirkstoff zu identischen Fertigarzneimitteln

1 Vgl. http://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Co-Marketing-Arzneimittel, letzter Abruf: 01. 03. 2016. 2 Axster/Wissel, Pharma Recht 1992, 194 (194). 3 Lübbig/Klasse, Kartellrecht im Pharma- und Gesundheitssektor2 (2015), § 3 Rn. 73; Axster/Wissel, Pharma Recht 1992, 194 (194); Ehle/Schütze, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts (2010), § 10 Rn. 42.

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Kap. 2: Rechtliche Einordnung und wirtschaftlicher Hintergrund

verarbeiten und die Fertigarzneimittel unabhängig voneinander vertreiben.4 Darüber hinaus ist der Begriff des Co-Marketing zwar bislang ebenso wenig eindeutig bestimmt wie der häufig ähnlich verwandte und von ihm abzugrenzende Begriff der CoPromotion. Insbesondere liegt beiden Begriffen nach nationalem und internationalem Sprachgebrauch ein mitunter abweichendes Verständnis zugrunde.5 Für die Einordnung früher Marktzutritte sind diese begrifflichen Unterschiede allerdings ohne Bedeutung. Sowohl nach internationalem als auch deutschem Begriffsverständnis handelt es sich bei frühen Marktzutritten nicht um eine Form der Co-Promotion, welche nach internationalem Verständnis den Vertrieb zweier Arzneimittel unter einer einheitlichen Marke6 und nach nationalem Verständnis die lediglich unterstützende Mitbewerbung7 des Arzneimittels durch einen der Vertragspartner bezeichnet8. Als Grundlage eines Parallelvertriebs von Arzneimitteln9, bei dem verschiedene Marken genutzt werden10, sind Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt vielmehr als Co-Marketing-Verträge zu qualifizieren, die durch die Besonderheit gekennzeichnet sind, dass ein identisches Arzneimittel bereits vor Patentablauf von einem der Vertragspartner als Originalpräparat, von dem anderen Vertragspartner hingegen als (autorisiertes) Generikum vertrieben wird. Dem 4

Axster/Wissel, Pharma Recht 1992, 194 (194); Ehle/Schütze, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts (2010), § 10 Rn. 42. 5 Besen, in: Dieners, Compliance im Gesundheitswesen3 (2010), Kapitel 9. Rn. 33; Ehle/ Schütze, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts (2010), § 10 Rn. 41; Besen/Slobodenjuk, PharmR 2010, 221 (224); vgl. auch Axster/Wissel, Pharma Recht 1992, 194 (194); Lübbig/Klasse, Kartellrecht im Pharma- und Gesundheitssektor2 (2015), § 3 Rn. 71 f. 6 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, S. 426; dies., XXXI. Bericht über die Wettbewerbspolitik 2001, SEK(2002) 462 endg., Rn. 243; Wagner, in: Martinek/Semler/Habermeier/Flohr, Vertriebsrecht3 (2010), § 51 Arzneimittel Rn. 60 ff.; Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 73; hierzu auch Lübbig/Klasse, Kartellrecht im Pharma- und Gesundheitssektor2 (2015), § 3 Rn. 72. 7 Der Begriff Co-Promotion soll eine Form des einseitigen Vertriebs kennzeichnen, bei der der Vertragspartner nur unterstützend bei der Bewerbung des Arzneimittels tätig wird, Besen, in: Dieners, Compliance im Gesundheitswesen3 (2010), Kapitel 9. Rn. 33; Ehle/Schütze, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts (2010), § 10 Rn. 41; Besen/Slobodenjuk, PharmR 2010, 221 (224). Zum Inhalt eines solchen Co-Promotion Vertrages siehe Kommission, Entsch. v. 10. 12. 2013, AT.39685, C(2013) 8870 final, Rn. 153 ff. – Fentanyl. 8 Auf nationaler Ebene scheidet insbesondere auch eine Einordnung als sog. Mitvertrieb aus. Als Mitvertrieb wird der Vertrieb eines Arzneimittels durch zwei Arzneimittelhersteller unter einer einheitlichen Marke (sowie unter derselben arzneimittelrechtlichen Marktzulassung und in derselben Verpackung) bezeichnet, Ehle/Schütze, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts (2010), § 10 Rn. 41. Im Rahmen früher Marktzutritte werden hingegen verschiedene Marken im zulassungsrechtlichen Sinne genutzt, für die getrennte Marktzulassungen erforderlich sind, Wagner, in: Martinek/Semler/Habermeier/Flohr, Vertriebsrecht3 (2010), § 51 Arzneimittel Rn. 62. Die gemeinschaftsrechtlichen Zulassungsverfahren kennen einen Mitvertrieb nicht, Rehmann, AMG4 (2014), § 29 Rn. 5. 9 Ehle/Schütze, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts (2010), § 10 Rn. 41; Besen, in: Dieners, Compliance im Gesundheitswesen3 (2010), Kapitel 9. Rn. 33; Besen/Slobodenjuk, PharmR 2010, 221 (224). 10 Siehe die Nachweise in Fn. 6.

§ 1 Rechtliche Einordnung und Vertragsinhalt

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Marktzutritt des beteiligten Generikaherstellers stehen dabei grundsätzlich zwei rechtliche Hindernisse entgegen, welche den weiteren Inhalt und den Rechtscharakter dieser Co-Marketing-Verträge prägen: Während der Patentlaufzeit verfügt der patentinnehabende Originalpräparatehersteller über das ausschließliche Recht, die patentgeschützte Lehre zu verwerten (§ 9 PatG). Eine Nutzung des patentgeschützten Arzneimittels durch den Generikahersteller kommt daher nur mit dessen Zustimmung in Betracht. Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt sind daher einerseits stets durch die Einräumung der zivilrechtlichen Nutzungsrechte an einem patentgeschützten Arzneimittel geprägt. Die Einräumung der zivilrechtlichen Nutzungsrechte an dem patentgeschützten Arzneimittel alleine versetzt Generikahersteller aber noch nicht in die Lage, das autorisierte Generikum auch tatsächlich vertreiben zu dürfen. Zur Gewährleistung der Sicherheit und Wirksamkeit von Arzneimitteln11 ist für den Vertrieb von Arzneimitteln in sämtlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union vielmehr zusätzlich die Erteilung einer arzneimittelrechtlichen Marktzulassung erforderlich12 (Art. 6 Abs. 1 RiL 2001/83/EG). Zum Erhalt einer solchen stehen Arzneimittelherstellern neben den nationalen Zulassungsverfahren auch ein zentralisiertes sowie ein dezentralisiertes europäisches Zulassungsverfahren offen13. In Deutschland dürfen Arzneimittel gem. § 21 Abs. 1 AMG „nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind“. Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt sehen vor diesem Hintergrund häufig neben der Einräumung der zivilrechtlichen Nutzungsbefugnisse an dem Arzneimittel die Übertragung einer arzneimittelrechtlichen Marktzulassung vom Originalpräparatehersteller auf den Generikahersteller vor oder beinhalten Regelungen, nach denen der Originalpräparatehersteller im Verfahren zur Erteilung einer Marktzulassung an den Generikahersteller, etwa durch die Zurverfügungstellung der für die Zulassung erforderlichen Studien, unterstützend tätig wird.

A. Einräumung der zivilrechtlichen Nutzungsbefugnisse an dem Arzneimittel Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt können den Charakter eines Lizenz- oder Liefervertrages aufweisen. Bei den im Rahmen der SektoruntersuchungPharma festgestellten 87 Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt handelte es sich in 17 % der Vereinbarungen um Lieferverträge, in 16 % der Vereinbarungen 11

Winnands, in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG2 (2016), § 21 Rn. 2. Wagner, in: Martinek/Semler/Habermeier/Flohr, Vertriebsrecht3 (2010), § 51 Arzneimittel Rn. 14; Sedelmeier, Pharma Recht 1994, 3 (3); Kommission, Entsch. v. 10. 12. 2013, AT.39685, C(2013) 8870 final, Rn. 25 – Fentanyl; Kommission, Entsch. v. 19. 6. 2013, AT.39226, C(2013) 3803 final, Rn. 84 – Lundbeck. 13 Siehe hierzu Kortland, in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG2 (2016), Vorbemerkung zu § 21 Rn. 4 ff. 12

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Kap. 2: Rechtliche Einordnung und wirtschaftlicher Hintergrund

hingegen um Lizenzverträge.14 57 % der Vereinbarungen waren demgegenüber als typengemischte Verträge ausgestaltet und enthielten sowohl lizenzrechtliche und liefervertragliche Elemente als auch vertriebsvertragliche Elemente.15 Auch nach den Erkenntnissen Appelts waren die meisten der in Deutschland vollzogenen frühen Marktzutritte als Lizenz- oder Lieferverträge zu qualifizieren.16 Gegenstand eines Lizenzvertrages ist die zeitlich begrenzte Teilhabe bzw. die Übertragung der dem Patentinhaber gem. § 9 PatG zustehenden Nutzungsrechte.17 Der Begriff des Lizenzvertrages hat im deutschen Recht nur eine Teilregelung in den §§ 15 Abs. 2 und 3 sowie 24 PatG erfahren, ist gesetzlich aber nicht definiert18. Lizenzverträge werden heute überwiegend als Verträge sui generis angesehen.19 Lieferverträge sind demgegenüber als Kaufverträge nach § 433 BGB einzuordnen. Für die Qualifikation einer Vereinbarung über einen frühen Marktzutritt als Lizenz- und nicht als Liefervertrag ist entscheidend, dass der Generikahersteller nach dem Regelungsinhalt dieser Vereinbarung berechtigt sein soll, die durch den Originalpräparatehersteller patentierte Lehre zu benutzen. Dies hängt davon ab, ob der Generikahersteller zur Vornahme von Nutzungshandlungen berechtigt sein soll, die gem. § 9 S. 2 PatG dem Ausschließlichkeitsrecht des Patentinhabers unterfallen.20 Der Umfang dieser Befugnisse wiederum ergibt sich aus dem Gegenstand des Patents.21 Das Patentgesetz enthält seit Aufhebung des sog. Stoffschutzverbotes für Arzneimittel im Jahre 1968 keine Sonderregelungen zur Patentfähigkeit von Arzneimitteln.22 Die Patentfähigkeit von Arzneimitteln beurteilt sich daher nach den 14

Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 840. Ebda. 16 Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 10. Siehe auch Chen, VLR 2007, 459 (490); Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (374); Hollis, Health Economics 2002, 723 (725 f.), nach denen Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt als Lizenzverträge zu qualifizieren sind. 17 Osterrieth, Patentrecht5 (2015), Rn. 694; Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 7. 18 Osterrieth, Patentrecht5 (2015), Rn. 689. 19 Ullmann/Deichfuß, in: Benkard, PatG11 (2015), § 15 Rn. 81 m.w.N. 20 Hierzu gehört zunächst eine Reihe von vorbereitenden Handlungen, die nach der sog. Roche-Bolar-Regelung gem. § 11 Nr. 2b PatG (Art. 10 Abs. 6 RiL 2001/83/EG) bereits vor Ablauf des Patentschutzes erlaubt sind, Rehmann, AMG4 (2014), § 24a Rn. 1. Der Name entstammt dem amerikanischen Gerichtsverfahren zwischen Roche Products Inc. und Bolar Pharmaceuticals Corp. Inc., das zulasten von Bolar entschieden wurde, Rehmann, AMG4 (2014), § 24b Rn. 22. Gestattet ist hiernach die Durchführung von Studien und Versuchen zur Vorbereitung eines Zulassungsantrags. Insbesondere Bioverfügbarkeitsstudien sind dabei trotz des Patentschutzes zulässig, Gassner, GRUR Int 2004, 983 (990). Angeboten werden darf das Produkt vor Patentablauf jedoch noch nicht, BGH, Urt. v. 5. 12. 2006, X ZR 76/05, BGHZ 170, 115 = GRUR 2007, 221 – Simvastatin. 21 Hufnagel, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts (2010), § 14 Rn. 75. 22 Müller, Die Patentfähigkeit von Arzneimitteln (2003), S. 47. Nach dem Stoffschutzverbot waren „Erfindungen von Nahrungs-, Genuß- und Arzneimitteln sowie von Stoffen, die auf chemischem Wege hergestellt werden, soweit die Erfindungen nicht ein bestimmtes Verfahren zur Herstellung der Gegenstände betreffen“ vom Patentschutz ausgeschlossen. Über die 15

§ 1 Rechtliche Einordnung und Vertragsinhalt

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allgemeinen Patentfähigkeitskriterien der §§ 1 ff. PatG.23 Gem. § 1 Abs. 1 PatG werden Patente „für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind“. Patente im Arzneimittelsektor lassen sich in Erzeugnis- und Verfahrenspatente untergliedern (§ 9 S. 2 Nr. 1 bis 3 PatG). Erzeugnispatente können hierbei für neue Wirkstoffe24, für neue Wirkstoffkombinationen sowie für neue Darreichungsformen erlangt werden.25 Das Patent gewährt in diesen Fällen einen absoluten Stoffschutz, in dessen Folge jede gewerbliche Verwertung des Wirkstoffes dem Patentinhaber vorbehalten bleibt. Wird für bereits bekannte Stoffe erstmals eine medizinische Indikation gefunden (sog. erste medizinische Indikation), kommt hingegen nur ein zweckgebundener Stoffschutz in Betracht. Der Schutz ist dann auf diese konkrete Verwendung beschränkt. Für weitere medizinische Verwendungen sowie für Herstellungsverfahren für Arzneimittel können Arzneimittelhersteller Verfahrenspatente erlangen.26 Bezieht sich das Arzneimittelpatent auf einen Wirkstoff oder auf ein Herstellungsverfahren für einen Wirkstoff und beliefert der Originalpräparatehersteller den Generikahersteller mit diesem Wirkstoff, sind Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt als Lieferverträge zu qualifizieren. Mit dem erstmaligen Inverkehrbringen des Wirkstoffs erschöpft sich in diesem Fall nämlich die Möglichkeit des Schutzrechtsinhabers zur weiteren Einflussnahme, weil die auf die Belohnung ihres Inhabers abzielende Rechtfertigungswirkung des Schutzrechts aufgebraucht ist.27 Nichts anderes gilt, wenn sich das Patent auf die Formulierung des Arzneimittels bezieht und der Originalpräparatehersteller den Generikahersteller mit diesem Arzneimittel beliefert. Die Einordnung der zugrundeliegenden Vereinbarung als Vertriebslizenz kommt in diesem Fall nur in Betracht, wenn der Generikahersteller das Vertragsprodukt ab Lager des Lizenzgebers an andere Marktteilnehmer auslie-

demnach für Arzneimittel bestehende Einschränkung auf Verfahrenspatente sollte eine Monopolisierung von Mitteln verhindert werden, die der Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit dienen, Deutsch, GRUR Int. 1983, 489 (490); siehe hierzu auch Dersin, GRUR 1955, 311 (319 ff.). 23 Hufnagel, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts (2010), § 14 Rn. 2; Müller, Die Patentfähigkeit von Arzneimitteln (2003), S. 47. 24 Patente für Wirkstoffe werden als Primärpatente bezeichnet, Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 10 f. 25 Hufnagel, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts (2010), § 14 Rn. 3; Kommission, Entsch. v. 9. 7. 2014, AT.39612, C(2014) 4955 final, Rn. 65 – Perindopril (Servier). 26 Rehmann, AMG4 (2014), § 24b Rn. 17. 27 Rehmann, AMG4 (2014), Vorbemerkung zu §§ 21 – 37 Rn. 40; Lübbig/Klasse, Kartellrecht im Pharma- und Gesundheitssektor2 (2015), § 3 Rn. 73; Jestaedt, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Kartellrecht und Geistiges Eigentum Rn. 1239; Axster/ Wissel, Pharma Recht 1992, 194 (198); Mailänder, GRUR Int 1979, 378 (382); Kommission, TT-Leitlinien, ABl. EU 2014/C 89/03, Rn. 6; siehe auch Kellermann, GRUR 1959, 569 (572).

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Kap. 2: Rechtliche Einordnung und wirtschaftlicher Hintergrund

fert, sodass keine Erschöpfung eintritt.28 Eine Qualifikation der frühen Marktzutritten zugrundeliegenden Vereinbarungen als Lizenzverträge kommt überdies in Betracht, wenn sich das Patent auf die Formulierung des Arzneimittels erstreckt, der Originalpräparatehersteller den Generikahersteller aber nur mit dem zugrunde liegenden Wirkstoff beliefert.29 Um einen Lizenzvertrag handelt es sich zudem, wenn der Originalpräparatehersteller den Generikahersteller insgesamt nur mit den zur Produktion des Arzneimittels erforderlichen Grundprodukten beliefert. In beiden Fällen weisen die zugrunde liegenden Vereinbarungen den Charakter einer Herstellungs- und Vertriebslizenz auf.30

B. Verschaffung arzneimittelrechtlicher Marktzulassungen Die zivilrechtliche Erlaubnis zum Betreten des Arzneimittelmarktes seitens des patentinnehabenden Originalpräparateherstellers alleine versetzt Generikahersteller noch nicht in die Lage, das Generikum am Markt anbieten zu können. Der Generikahersteller bedarf hierzu vielmehr zusätzlich einer arzneimittelrechtlichen Marktzulassung. Nach den Erkenntnissen der Kommission beinhalteten die festgestellten 87 Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt deshalb häufig auch Regelungen zur Übertragung arzneimittelrechtlicher Marktzulassungen oder jedenfalls die Verpflichtung des Originalpräparateherstellers, den Generikahersteller mit den zur Erlangung einer eigenen Marktzulassung erforderlichen Studien und Informationen zu versorgen.31 Arzneimittelrechtliche Marktzulassungen können Generikahersteller im Rahmen früher Marktzutritte demnach grundsätzlich auf zwei Wegen erlangen.32 Der Originalpräparatehersteller kann den Generikahersteller 28 Osterrieth, Patentrecht5 (2015), Rn. 696; Kellermann, GRUR 1959, 569 (572). Nach den Erkenntnissen der FTC handelt es sich in den USA häufig nur um Vertriebslizenzen, da die Produktion des autorisierten Generikums beim Originalpräparatehersteller verbleibt, FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 19. 29 Vgl. Axster/Wissel, Pharma Recht 1992, 194 (198). 30 Vgl. Osterrieth, Patentrecht5 (2015), Rn. 694. 31 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 802, 831, 846. 32 Die alleine auf nationaler Ebene bestehende Möglichkeit der Einräumung eines Mitvertriebsrechts scheidet aus, weil ein Mitvertriebsrecht voraussetzt, dass die Arzneimittel unter derselben Bezeichnung vertrieben werden, Krüger, in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG2 (2016), § 9 Rn. 20. Weil aber Originalpräparatehersteller und Generikahersteller ihre Produkte unter unterschiedlichen Bezeichnungen vertreiben, handelt es sich zulassungsrechtlich auch um unterschiedliche Arzneimittel, für die jeweils eine separate Marktzulassung erforderlich ist. Eine Arzneimittelzulassung bezieht sich insoweit stets nur auf ein bestimmtes Arzneimittel eines bestimmten Herstellers, Rehmann, AMG4 (2014), Einführung Rn. 14; vgl. auch ders., AMG4 (2014), § 21 Rn. 15. Im Rahmen der Antragstellung ist in diesem Zusammenhang gem. § 22 Abs. 1 Nr. 2 AMG insbesondere die Bezeichnung des Arzneimittels anzugeben, was den für die spätere Vermarktung vorgesehenen Namen meint, Winnands, in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG2 (2016), § 22 Rn. 26. Beim Co-Marketing sind vor diesem Hintergrund regelmäßig beide Vertragspartner im Besitz einer arzneimittelrechtlichen Marktzulassung, Wagner, in: Martinek/Semler/Habermeier/Flohr, Vertriebsrecht3 (2010), § 51 Arzneimittel Rn. 62.

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entweder beim Erwerb einer eigenen Marktzulassung unterstützen oder dem Generikahersteller unmittelbar eine Marktzulassung übertragen. Dieser Zweiteilung folgen die nachfolgenden Ausführungen. I. Erwerb einer eigenen Marktzulassung Der Generikahersteller hat zunächst die Möglichkeit zur Beantragung einer eigenen Marktzulassung. Zuständig für die Erteilung in Deutschland sind das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie das Paul-EhrlichInstitut (PEI). Im Falle früher Marktzutritte wird der Originalpräparatehersteller dem Generikahersteller typischerweise das hierfür notwendige Know-How in Form der erforderlichen Zulassungsunterlagen zur Verfügung stellen.33 Die Zulassung des autorisierten Generikums selbst ist dem Generikahersteller gem. §§ 24a, 24b AMG unter vereinfachten Bedingungen möglich, weil der Generikahersteller im Regelfall auf die Zulassung des Originalpräparates als Referenzarzneimittel Bezug nehmen kann. Entgegen der normalen Zulassungsvoraussetzungen müssen Generikahersteller in diesen Fällen lediglich die pharmazeutische Qualität sowie Bioverfügbarkeit und Bioäquivalenz ihres Produktes zu dem Referenzarzneimittel belegen, hinsichtlich der – regelmäßig zeit- und kostenintensiven – klinischen und vorklinischen Studien kann hingegen auf das Referenzarzneimittel verwiesen werden.34 Nach § 24a AMG besteht für Arzneimittelhersteller diese Möglichkeit einerseits dann, wenn der Inhaber der Referenzzulassung der Bezugnahme zustimmt. Für den im Rahmen früher Marktzutritte unwahrscheinlichen Fall, dass der Originalpräparatehersteller nicht zustimmt, ist dem Generikahersteller eine Bezugnahme nach der auf Generika beschränkten Vorschrift35 des § 24b AMG auch dann möglich, wenn seit der Zulassung des Referenzarzneimittels bereits acht Jahre vergangen sind36. Eine Vermarktung des Generikums darf dann erst mit Ablauf von zehn Jahren seit der Zulassung des Referenzarzneimittels erfolgen.37 Während der ersten acht Jahre seit der Erstzulassung verfügt der Inhaber der Referenzzulassung daher über einen sog. Unterlagenschutz, der den Vorantragsteller vor der unbefugten Benutzung seiner Zulassungsunterlagen schützt38. Nach den Erkenntnissen der Kommission stand das Originalpräparat nur bei drei der 87 beobachteten Vereinbarungen über einen frühen

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Vgl. Axster/Wissel, Pharma Recht 1992, 194 (201). Berg/Köbele, PharmR 2009, 581 (587); siehe auch Kommission, Entsch. v. 19. 6. 2013, AT.39226, C(2013) 3803 final, Rn. 87 – Lundbeck. 35 Rehmann, AMG4 (2014), § 24b Rn. 2. 36 Kloesel/Cyran, AMG (Lfg. 125, 2013), § 24b Anm. 1; von Falck/Slopek/Thiermann, GRUR 2015, 1050 (1057). 37 Gassner, GRUR Int 2004, 983 (988 f.); Kloesel/Cyran, AMG (Lfg. 125, 2013), § 24b Anm. 1; Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 4 f. 38 Gassner, GRUR Int 2004, 983 (984); siehe hierzu von Falck/Slopek/Thiermann, GRUR 2015, 1050 (1057 f.). 34

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Kap. 2: Rechtliche Einordnung und wirtschaftlicher Hintergrund

Marktzutritt noch unter Unterlagenschutz.39 Auch für den im Rahmen früher Marktzutritte unwahrscheinlichen Fall einer fehlenden Zustimmung durch den Originalpräparatehersteller, dürfte sich der Generikahersteller daher im Regelfall auf dessen Zulassung berufen. II. Die Übertragung von Arzneimittelzulassungen Im Rahmen der Praxis früher Marktzutritte ist der Fall relevanter, dass der Originalpräparatehersteller dem Generikahersteller unmittelbar eine Marktzulassung überträgt. Die Rechtsnatur der Arzneimittelzulassung ist dabei umstritten.40 Als gesichert gilt, dass es sich hierbei nicht um ein dingliches Recht41 und insbesondere nicht um ein gewerbliches Schutzrecht handelt42. Aus Arzneimittelzulassungen resultieren schließlich keine Ansprüche gegenüber Dritten; sie gewähren ihrem Inhaber lediglich das Recht, das zugelassene Arzneimittel in der zugelassenen Indikation in Verkehr zu bringen.43 Der BGH beschreibt die Arzneimittelzulassung als „unselbstständiges, im öffentlichen Recht wurzelndes Hilfsrecht zur Ausübung des privatrechtlichen Herstellungs- und Vertriebsrechts“.44 Andere betrachten die Arzneimittelzulassung entweder als personenbezogenes oder sachbezogenes öffentliches Recht.45 Umstritten sind auch die Voraussetzungen ihrer Übertragung. Hier geht es um die Frage, ob bereits die zivilrechtliche Übertragung konstitutiv ist46 oder ob es zusätzlich einer Anzeige gegenüber der Zulassungsbehörde bedarf47. Dass die Arzneimittelzulassung als vermögenswertes Recht48 übertragbar ist, ist hingegen unumstritten.49 Ihre Übertragung ist der Zulassungsbehörde hierbei gem. § 29 AMG anzuzeigen.50 In der Sache handelt es sich bei der Übertragung der Arzneimittelzulassung um eine nachträgliche Änderung der bereits im Rahmen des Zulas39

Siehe in und bei Fn. 75 (Kapitel 1). Wagner, in: Martinek/Semler/Habermeier/Flohr, Vertriebsrecht3 (2010), § 51 Arzneimittel Rn. 26. 41 Sedelmeier, Pharma Recht 1994, 3 (3). 42 von Graevenitz/Besen, PharmR 2009, 1 (2); Rehmann, AMG4 (2014), Vorbemerkung zu §§ 21 – 37 Rn. 39. 43 Rehmann, AMG4 (2014), Vorbemerkung zu §§ 21 – 37 Rn. 39. 44 BGH, Beschl. v. 1. 3. 1990, IX ZR 147/89, NJW 1990, 2931 (2932). 45 Rehmann, AMG4 (2014), Einführung Rn. 14; Kortland, in: Kügel/Müller/Hofmann, 2 AMG (2016), Vorbemerkung zu § 21 Rn. 15; Wagner, in: Martinek/Semler/Habermeier/Flohr, Vertriebsrecht3 (2010), § 51 Arzneimittel Rn. 26. 46 Wagner, in: Martinek/Semler/Habermeier/Flohr, Vertriebsrecht3 (2010), § 51 Arzneimittel Rn. 26. 47 Sedelmeier, Pharma Recht 1994, 3 (3 f.). 48 von Graevenitz/Besen, PharmR 2009, 1 (2); Kortland, in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG2 (2016), Vorbemerkung zu § 21 Rn. 17. 49 Sedelmeier, Pharma Recht 1994, 3 (3); von Graevenitz/Besen, PharmR 2009, 1 (2); Rehmann, AMG4 (2014), Vorbemerkung zu §§ 21 – 37 Rn. 39. 50 Kortland, in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG2 (2016), Vorbemerkung zu § 21 Rn. 20. 40

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sungsantrags zu bezeichnenden Person des Antragstellers nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 AMG und damit des Inhabers der Zulassung.51 Einer Zustimmung durch die Zulassungsbehörde bedarf der Wechsel des pharmazeutischen Inhabers nicht.52 Im Rahmen früher Marktzutritte übertragen werden freilich nicht die arzneimittelrechtlichen Zulassungen der Originalpräparatehersteller selbst. Vielmehr halten Arzneimittelhersteller für diese Fälle sog. Doubletten-Zulassungen bereit, die dann auf den Generikahersteller übertragen werden können.53 Die Übertragung von Doubletten-Zulassungen ist dabei gerade im Rahmen von Co-Marketing-Verträgen üblich.54

C. Gegenleistungen der Generikahersteller Im Gegenzug für die Erlaubnis, den Arzneimittelmarkt noch vor Patentablauf betreten zu dürfen, verpflichten sich die beteiligten Generikahersteller zur Zahlung einer einmaligen und/oder fortlaufenden, oft auch umsatzbezogenen, Vergütung.55 Im Falle der eingangs erwähnten Vereinbarung über einen frühen Marktzutritt zwischen MSD Sharp & Dohme (Merck & Co.) und Hexal sowie deren Tochter Betapharm für den cholesterinsenkenden Wirkstoff Simvastatin belief sich die Vergütung auf einen „mittleren zweistelligen Millionenbetrag“.56 Nicht selten wird diese Vergütungspflicht zusätzlich durch Bezugsverpflichtungen zulasten der Generikahersteller flankiert.57

D. Zwischenergebnis Frühe Marktzutritte sind eine besondere Form des Co-Marketing. Ihre Besonderheit liegt darin, dass das Arzneimittel noch vor Patentablauf von einem der Vertragspartner als Generikum, vom anderen hingegen als Originalpräparat vertrieben wird. Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt setzen sich regelmäßig aus einer zivilrechtlichen sowie einer regulierungsrechtlichen Komponente zusam51

Die Übertragung einer im zentralisierten europäischen Verfahren erteilten Zulassung richtet sich demgegenüber nach dem besonderen Verwaltungsverfahren der VO (EG) Nr. 2141/ 96, siehe hierzu ebda. 52 Wagner, in: Martinek/Semler/Habermeier/Flohr, Vertriebsrecht3 (2010), § 51 Arzneimittel Rn. 26. 53 Vgl. Winnands, in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG2 (2016), § 21 Rn. 92; Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 87. 54 Besen/Slobodenjuk, PharmR 2010, 221 (224); Ehle/Schütze, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts (2010), § 10 Rn. 42. 55 Siehe in und bei Fn. 25 (Einleitung). 56 Trömel, Generika-Markt gewinnt an Dynamik, Handelsblatt v. 27. 8. 2003, S. 9. 57 Siehe in und bei Fn. 163 ff. (Kapitel 1).

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Kap. 2: Rechtliche Einordnung und wirtschaftlicher Hintergrund

men. In zivilrechtlicher Hinsicht werden dem Generikahersteller durch sie die Nutzungsrechte an dem Arzneimittel des Originalpräparateherstellers eingeräumt. Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt sind vor diesem Hintergrund häufig als Lizenzverträge einzuordnen. Unter dem Gesichtspunkt der Erschöpfung können sie aber auch als reine Lieferverträge zu qualifizieren sein. Auf regulierungsrechtlicher Seite beinhalten Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt häufig die Übertragung arzneimittelrechtlicher Doubletten-Zulassungen.

§ 2 Wirtschaftlicher Hintergrund Von der gewöhnlichen Drittverwertung von Patenten durch Lizenzvergabe unterscheiden sich frühe Marktzutritte durch den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Marktzutritt und Patentablauf58. Um Kannibalisierungseffekte für das Originalpräparat zu vermeiden59, werden frühe Marktzutritte üblicherweise nur wenige Monate vor Patentablauf vollzogen60. Frühe Marktzutritte haben deshalb den Charakter einer Patentauslaufstrategie, mit welcher die Originalpräparatehersteller auf die Besonderheiten im Produktlebenszyklus ihres Arzneimittels reagieren. Darüber hinaus stellen frühe Marktzutritte aber auch ein Mittel zur vergleichsweisen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten dar. Enge Bezüge bestehen hierbei insbesondere zu der eingangs beschriebenen Strategie der Reverse Payment Settlements. Bevor auf diesen Aspekt früher Marktzutritte näher eingegangen wird, soll nachfolgend zunächst deren Charakter als Patentauslaufstrategie verdeutlicht werden.

A. Frühe Marktzutritte als Patentauslaufstrategie Der Lebenszyklus eines Arzneimittels lässt sich üblicherweise in sechs Phasen unterteilen.61 Der Forschungs- und Entwicklungsphase folgt die Markteinführung des Arzneimittels.62 Der Markteinführung folgt die Wachstumsphase, welche in die Reifephase mündet; hieran schließen sich die Verfallsphase sowie die Degenerationsphase an.63

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Siehe in und bei Fn. 22 (Einleitung). Vgl. Hollis, CPP 2003, 21 (28). 60 Siehe in und bei Fn. 64, 66 f. (Kapitel 1). 61 Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 15 ff.; Guminski, in: Schöffski/Fricke/Guminski, Pharmabetriebslehre2 (2008), S. 200; siehe hierzu auch von Falck/Slopek/Thiermann, GRUR 2015, 1050 (1051). 62 Ebda. 63 Ebda. 59

§ 2 Wirtschaftlicher Hintergrund

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I. Besonderheiten im Produktlebenszyklus eines Arzneimittels Bereits oben wurde gezeigt, dass die mit Patentablauf einsetzende Verfallsphase im Lebenszyklus eines Arzneimittels mit raschen und gravierenden Umsatz- und Gewinneinbußen für Arzneimittelhersteller verbunden ist; Umsatzeinbrüche von 50 % innerhalb von nur wenigen Monaten stellen hierbei keine Seltenheit dar.64 Dieser intensiven Verfallsphase ist eine ebenso lange65 wie kostenintensive Forschungs- und Entwicklungsphase vorgelagert.66 Die Forschungs- und Entwicklungsphase eines Arzneimittels wird durch klinische und vorklinische Studien geprägt. Vorklinische Studien sollen vor allem potentielle Wirkorte und Wirkstoffe identifizieren; in klinischen Studien werden die neuen Wirkstoffe hingegen am Menschen getestet.67 In aller Regel beträgt der Forschungs- und Entwicklungszeitraum bei Arzneimitteln zwischen acht und dreizehn Jahren.68 Pro neuem Arzneimittel fallen dabei Kosten zwischen 500 Millionen und 1,3 Milliarden US-Dollar an.69 Gleichzeitig besteht für forschende Arzneimittelhersteller ein beachtliches Risiko des Misserfolges.70 Nach Angaben von Arzneimittelherstellern wird regelmäßig nur eine aus einer Million getesteter Substanzen im Ergebnis auch Bestandteil eines Arzneimittels.71 Andere Quellen verweisen demgegenüber darauf, dass nur 64

Siehe in und bei Fn. 97 ff. (Kapitel 1). Gassner, GRUR Int 2004, 983 (983). 66 Ebda.; Schweitzer/Becker, WRP 2012, 382 (382); Nusser/Gaisser, PharmR 2005, 409 (410); Klopschinski, GRUR Int 2011, 993 (993); EuG, Urt. v. 27. 9. 2006, Rs. T-168/01, Slg. 2006, II-2969, Rn. 271 – GlaxoSmithKline; GA Jacobs, Schlussanträge v. 28. 10. 2004, Rs. C-53/03, Slg. 2005, I-4609, Rn. 89 – Syfait m.w.N.; Avery, HLJ 2008, 171 (171). Nach Angaben des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI) investierte die pharmazeutische Industrie in Deutschland alleine im Jahre 2010 rund 3,7 Milliarden Euro in die Erforschung und Entwicklung neuer Arzneimittel, BPI, Pharma-Daten 2012, S. 12. 67 Nusser/Gaisser, PharmR 2005, 409 (411). 68 Yu/Gupta, IJPHM 2014, 126 (128); Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (253); Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (356); Scherer, JEP 1993, 97 (99); Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 9; Straus, GRUR Int 2009, 93 (105) [zehn bis fünfzehn Jahre]. 69 DiMasi/Hansen/Grabowski, JHE 2003, 151 (180); Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (253); Müller, Die Patentfähigkeit von Arzneimitteln (2003), S. 1; Straus, GRUR Int 2009, 93 (105); Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 18 f.; Gassner, GRUR Int 2004, 983 (983); ders., GRUR Int 2005, 541 (541); Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 17. Der Arzneimittelsektor ist daher durch ein auffälliges Missverhältnis zwischen Imitations- und Innovationskosten geprägt, Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 34. Während Originalpräparatehersteller hohe Fixkosten in Form der Kosten für die Erforschung und Entwicklung neuer Arzneimittel zu tragen haben, sind die von Generikaherstellern für die Produktion von Arzneimitteln zu tragenden variablen Kosten sehr gering, Schweitzer/Becker, WRP 2012, 382 (382); GA Jacobs, Schlussanträge v. 28. 10. 2004, Rs. C-53/03, Slg. 2005, I-4609, Rn. 89 – Syfait m.w.N.; Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1562 f.). 70 Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 17; vgl. auch Kommission, Entsch. v. 19. 6. 2013, AT.39226, C(2013) 3803 final, Rn. 67 – Lundbeck. 71 Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 16. 65

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Kap. 2: Rechtliche Einordnung und wirtschaftlicher Hintergrund

eine aus 5.000 bis 10.000 Substanzen die Marktreife erreicht.72 DiMasi, Hansen und Grabowski sprechen während der klinischen Studienphase von einer Erfolgsquote von 21,5 %.73 Selbst bei zugelassenen Substanzen aber, decken die Erlöse in zwei Dritteln der Fälle die vorangegangenen Forschungs- und Entwicklungskosten nicht.74 Im Ergebnis werden daher zwei Drittel der Substanzen über ein Drittel der Substanzen „quersubventioniert“.75 Anreize zu Investitionen in die Erforschung und Entwicklung neuer Arzneimittel bestehen für forschende Pharmaunternehmen nur, wenn ein hinreichender Return On Investment zu erwarten ist.76 Dem Patentsystem kommt im Arzneimittelsektor deshalb eine Schlüsselrolle zu.77 Durch die Gewährung zeitlich befristeter Monopolrechte setzt das Patentsystem Anreize zu Innovation78 und fördert im Wege der Pflicht zur Offenlegung von Erfindungen zugleich den Imitationswettbewerb nach Wegfall des Monopolrechts. Die gesetzlich vorgesehene Laufzeit dieses Monopolrechts beträgt 20 Jahre (§ 16 PatG), ist im Bereich von Arzneimittelpatenten häufig jedoch faktisch um die Hälfte verkürzt79. Weil die Forschungs- und Entwicklungsphase von Arzneimitteln äußerst zeitintensiv ist, der Arzneimittelhersteller zum Schutz vor forschenden Wettbewerbern aber zu möglichst frühzeitigen Patentanmeldungen gezwungen ist80, liegen zwischen der Patentierung und der Zulassung von Arzneimitteln im Regelfall elf weitere Jahre81. Selbst wenn der Arzneimittelhersteller in der Lage sein sollte, ein sog. ergänzendes Schutzzertifikat zu erlangen, welches die Wirkungen des Grundpatents faktisch um fünf Jahre verlängert82, verbleibt ihm zur Amortisierung seiner hohen F&E-Kosten bis zum Eintritt der Verfallsphase effektiv nur gut die Hälfte der vorgesehenen Patentlaufzeit. Originalpräparatehersteller sind deshalb stets bemüht, ihr Monopolrecht durch die Wahl einer geeigneten Patentauslauf- bzw. Produktzyklusstrategie möglichst lange auszudeh72

Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Zwischenbericht, Rn. 139. DiMasi/Hansen/Grabowski, JHE 2003, 151 (165). 74 Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 19; Avery, HLJ 2008, 171 (172); vgl. auch Schmidt/ Sule, EuZW 2012, 369 (372). 75 Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 19. 76 Vgl. Hufnagel, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts (2010), § 14 Rn. 1. 77 Hufnagel, PharmR 2003, 267 (267); ders., in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts (2010), § 14 Rn. 1; Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 18; Caves/ Whinston/Hurwitz, BPEA 1991, 1 (2). 78 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung S. 2. 79 von Falck/Slopek/Thiermann, GRUR 2015, 1050 (1052); Reich, GRUR Int 1986, 765 (766); Hurwitz/Caves, JLE 1988, 299 (301); Gassner, GRUR Int 2005, 541 (541); vgl. auch ders., GRUR Int 2004, 983 (983); Rehmann, AMG4 (2014), § 24a Rn. 1; Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 11; Vorderwülbecke, Mißbrauchsaufsicht über Pharmaunternehmen (1979), S. 71. 80 von Falck/Slopek/Thiermann, GRUR 2015, 1050 (1051 f.). 81 Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 17. 82 Rehmann, AMG4 (2014), § 24b Rn. 18; Kommission, Entsch. v. 19. 6. 2013, AT.39226, C (2013) 3803 final, Rn. 66 – Lundbeck. 73

§ 2 Wirtschaftlicher Hintergrund

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nen.83 Auf diese Weise sollen die mit Patentablauf eintretenden Umsatz- und Gewinnverluste eingedämmt werden.84 Ihre dahingehenden Versuche eröffnen „eines der in der Praxis interessantesten Schlachtfelder des Pharmapatentrechts“.85 II. Frühe Marktzutritte als Patentauslaufstrategie Im Hinblick auf den Umfang der mit Patentablauf eintretenden Umsatz- und Gewinnverluste kommt der Wahl einer geeigneten Patentauslaufstrategie große Bedeutung zu.86 Wie insbesondere interne Dokumente von Originalpräparateherstellern aus den USA belegen, wird in diesem Zusammenhang häufig auch die Strategie früher Marktzutritte relevant.87 Auch frühe Marktzutritte eröffnen Originalpräparateherstellern die Möglichkeit, die mit Patentablauf einsetzenden Umsatzund Gewinnverluste abzumildern.88 In der Sache geschieht dies dadurch, dass Originalpräparatehersteller bereits vor Patentablauf Teile des generischen Marktsegments in Beschlag nehmen.89 Frühe Marktzutritte lassen sich deshalb einerseits als adaptive Patentauslaufstrategien beschreiben90, die durch die Einführung neuer, aber wirkstoffgleicher Produkte gekennzeichnet sind91. Mit Raasch lassen sich frühe Marktzutritte aber andererseits auch der Gruppe der Extraktionsstrategien zurechnen92, welche die fortdauernde Vermarktung bislang patentgeschützter Arzneimittel unter optimaler Ausnutzung ihres Ertragspotentials zum Gegenstand haben93. Schwarz-Schütte beschreibt frühe Marktzutritte demgegenüber nicht als Produktstrategie sondern als Form der Preispolitik, die das Ziel verfolgt, bereits vor Patentablauf möglichst viele Verordnungen zu generieren.94 Im Vorfeld eines frühen Marktzutritts haben die Originalpräparatehersteller dabei grundsätzlich abzuwägen, ob die aus dessen Vollzug resultierenden finanziellen Vorteile die aus dem vorzei83

Hufnagel, PharmR 2003, 267 (267); vgl. auch Reich, GRUR Int 1986, 765 (766). Vgl. Schmidt/Sule, EuZW 2012, 369 (373). 85 Hufnagel, PharmR 2003, 267 (272). 86 Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 49; vgl. auch Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 50; Raasch/Schöffski, in: Schöffski/Fricke/Guminski, Pharmabetriebslehre2 (2008), S. 216. 87 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 67. 88 So auch Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 1. 89 Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (255); FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 67. 90 Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 88; von Falck/Slopek/Thiermann, GRUR 2015, 1050 (1054). 91 Zur Definition siehe Raasch/Schöffski, in: Schöffski/Fricke/Guminski, Pharmabetriebslehre2 (2008), S. 220. 92 Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 88; so auch von Falck/Slopek/Thiermann, GRUR 2015, 1050 (1053). 93 Zur Definition siehe Raasch/Schöffski, in: Schöffski/Fricke/Guminski, Pharmabetriebslehre2 (2008), S. 220. 94 Schwarz-Schütte, in: Handbuch Pharma-Management, Band 1 (1995), S. 457 (469). 84

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Kap. 2: Rechtliche Einordnung und wirtschaftlicher Hintergrund

tigen Verlust des Monopolrechts resultierenden Umsatzeinbußen aufwiegen.95 Nach den Erkenntnissen der Kommission aus der Sektoruntersuchung-Pharma wird diese Entscheidung von den Originalpräparateherstellern einzelfallbezogen und von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich gefällt; dabei spielt die Größe des jeweiligen Arzneimittelmarktes ebenso eine Rolle wie die Stellung und Expertise des potentiellen generischen Vertragspartners.96 Eine augenscheinlich ähnliche, im Ergebnis aber nicht vergleichbare Strategie für Originalpräparatehersteller stellte es dar, den Preis des Originalprodukts bereits vor Patentablauf auf das generische Preisniveau abzusenken.97 Auch auf diesem Wege könnten Teile des niedrigpreisigen Generikasegments durch Originalpräparatehersteller bereits vor Patentablauf besetzt werden. Die Praxis zeigt jedoch, dass Originalpräparatehersteller ihre Preise vor oder mit Ablauf des Patents in aller Regel gerade nicht senken, sondern oftmals sogar geringfügig erhöhen.98 Originalpräparatehersteller nehmen damit bewusst eine Segmentierung des Arzneimittelmarktes in Käufer, die bereit sind, für Arzneimittel mehr zu bezahlen, und kostenempfindlichere Käufer in Kauf.99 Hieraus kann geschlossen werden, dass die mit dem Vollzug früher Marktzutritte für das Originalpräparat verbundenen Kannibalisierungseffekte im Ergebnis weniger gravierend ausfallen als die mit etwaigen Preissenkungen verbundenen Gewinnverluste. III. Zwischenergebnis Infolge der spezifischen Besonderheiten im Produktlebenszyklus von Arzneimitteln besteht für Originalpräparatehersteller ein erhöhtes Bedürfnis danach, die mit Patentablauf üblicherweise einsetzenden Umsatz- und Gewinnverluste durch geeignete Patentauslaufstrategien einzudämmen. Frühe Marktzutritte bieten Originalpräparateherstellern vor diesem Hintergrund die Möglichkeit, durch eine frühzeitige Platzierung eines (autorisierten) Generikums am Markt ebenfalls vom Generikageschäft zu profitieren.100

95 Wagner, in: Martinek/Semler/Habermeier/Flohr, Vertriebsrecht3 (2010), § 51 Arzneimittel Rn. 63. 96 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 837 ff. 97 Vgl. Rebman, JHCL 2009, 159 (192). 98 Yu/Gupta, IJPHM 2014, 126 (127); Saha/Grabowski/Birnbaum/Greenberg/Bizan, IJEB 2006, 15 (18); Ferrándiz, Health Economics 1999, 599 (601); Gorecki, IJIO 1986, 371 (375). 99 Ferrándiz, Health Economics 1999, 599 (601); FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 54; Grabowski/Vernon, JLE 1992, 331 (339); Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 46. 100 Zum Phänomen sog. Erstanbietervorteile, welches der Strategie früher Marktzutritte zugrunde liegt, siehe Kapitel 2 § 3.

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B. Frühe Marktzutritte als Bestandteil von Patentvergleichen Nach den bisherigen Erkenntnissen weist die Strategie früher Marktzutritte im Regelfall den Charakter einer Patentauslaufstrategie auf. Frühe Marktzutritte dienen Originalpräparateherstellern in diesem Zusammenhang dazu, die mit Patentablauf einsetzenden Umsatz- und Gewinneinbußen abzumildern. Die Erkenntnisse aus der Sektoruntersuchung-Pharma101 und auch die aktuelle Entscheidungspraxis der Kommission belegen jedoch, dass frühe Marktzutritte häufig auch im Kontext der vergleichsweisen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten vorzufinden sind. In besonderem Maße relevant werden frühe Marktzutritte hierbei im Rahmen von Reverse Payment Settlements. Der Abschluss eines Reverse Payment Settlements wurde eingangs als der entgegengesetzte Fall eines frühen Marktzutrittes beschrieben.102 Während Generikahersteller die Originalpräparatehersteller im Rahmen von Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt für die Möglichkeit zu einem vorzeitigen Marktzutritt bezahlen, zeichnen sich Reverse Payment Settlements gerade dadurch aus, dass Originalpräparatehersteller Generikahersteller für eine Verzögerung ihres Marktzutrittes vergüten. Bei genauerer Betrachtung besteht zwischen der Praxis der Reverse Payment Settlements und Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt jedoch eine enge Verbindung. Hergestellt wird diese Verbindung über die im Rahmen von Reverse Payment Settlements vereinbarte Gegenleistung der Originalpräparatehersteller: So finden sich im Rahmen von Reverse Payment Settlements häufig Klauseln, nach denen sich die Originalpräparatehersteller gegenüber den Generikaherstellern verpflichten, zukünftig kein autorisiertes Generikum zu vertreiben.103 Derartige „NoAG“-Klauseln sind in den USA zwar weit verbreitet, nach den Erkenntnissen der Kommission in Europa hingegen wenig praxisrelevant.104 Der ungleich bedeutsamere Bezug zwischen Reverse Payment Settlements und frühen Marktzutritten aber liegt darin, dass der Zeitpunkt, zu dem die Generikahersteller den Markt im Rahmen von Reverse Payment Settlements betreten dürfen, regelmäßig ebenfalls vor dem Zeitpunkt des eigentlichen Patentablaufs liegt.105 Die Einräumung des Rechts zu einem frühen Marktzutritt stellt sich daher in vielen Fällen als unmittelbarer Bestandteil der Vergütungsleistung der Originalpräparatehersteller dar.106 Dies spiegelt sich bereits in den Erkenntnissen der Kommission aus der Sektoruntersuchung101 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 13; Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 44 f. 102 Siehe in und bei Fn. 21 (Einleitung). 103 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 13, 26, 145 ff. 104 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 794. 105 Picht, ZWeR 2014, 83 (83 f.); Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 60; Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1568). 106 Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 168; Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1616); vgl. auch Jansen/Johannsen, EuZW 2012, 893 (896).

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Kap. 2: Rechtliche Einordnung und wirtschaftlicher Hintergrund

Pharma wider, nach denen der Vermögenstransfer im Rahmen von Reverse Payment Settlements nicht nur in Direktzahlungen der Originalpräparatehersteller an Generikahersteller bestehen kann, sondern auch in Lizenzerteilungen, Vertriebsvereinbarungen oder anderen Nebenabsprachen.107 Aktuell bestätigt wird die Relevanz früher Marktzutritte im Rahmen von Reverse Payment Settlements dabei etwa durch die Entscheidung der Kommission gegen den Arzneimittelhersteller Les Laboratoires Servier, in welcher die Kommission feststellte, dass Servier im Rahmen von zwei Reverse Payment Settlements entsprechende Lizenz- und Vertriebsvereinbarungen getroffen108 und auch mit einem weiteren Generikahersteller darüber Verhandlungen geführt hatte109. Reverse Payment Settlements sind vor diesem Hintergrund häufig ihrerseits als frühe Marktzutritte zu qualifizieren. In den USA wurden Reverse Payment Settlements unter diesem Gesichtspunkt häufig als kartellrechtskonform bewertet.110 So rufen nach Ansicht der FTC Vergleiche, in denen sich Originalpräparatehersteller und Generikahersteller zwar auf ein späteres, aber noch vor dem Zeitpunkt des Patentablaufs liegendes Markteintrittsdatum einigen, grundsätzlich keine kartellrechtlichen Bedenken hervor.111 Der Court of Appeals für das Eleventh Circuit bestätigte diese Einschätzung und betrachtete Reverse Payment Settlements insoweit für zulässig, als diese es Generikaherstellern ermöglichen, den Markt noch vor Patentablauf zu betreten; derartige Reverse Payment Settlements halten sich nach Ansicht des Gerichts noch innerhalb des „scope of the patents“.112 Schließlich bewertete auch der US-Supreme Court den Vollzug früher Marktzutritte in seiner Entscheidung in der Rechtssache Actavis113 als 107 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 13 f.; dies., Sektoruntersuchung-Pharma, S. 269; Drexl, in: Sektoruntersuchung Pharma (2010), 13 (15 f.); vgl. auch Kommission, Entsch. v. 19. 6. 2013, AT.39226, C(2013) 3803 final, Rn. 1151 ff. – Lundbeck. 108 Konkret handelte es sich hierbei um eine Vertriebsvereinbarung mit dem Generikahersteller Teva sowie um eine Lizenzvereinbarung mit dem slowenischen Unternehmen Krka, siehe Kommission, Entsch. v. 9. 7. 2014, AT.39612, C(2014) 4955 final, Rn. 174, 651 ff., 741 ff., 1515 ff., 2778 sowie Rn. 906 ff., 1670 ff. – Perindopril (Servier). 109 Kommission, Entsch. v. 9. 7. 2014, AT.39612, C(2014) 4955 final, Rn. 975, 1927 – Perindopril (Servier). 110 Drexl, in: Sektoruntersuchung Pharma (2010), 13 (20, 23 f.). 111 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 140. Siehe auch die Meinung der FTC im Fall Schering-Plough Corp., No. 9297, S. 25 f. [„A settlement agreement is not illegal simply because it delays generic entry until some date before expiration of the pioneer’s patent.“] und S. 86 [„[…] we do not challenge agreements on entry dates, standing alone.“]; vgl. auch Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1588 f.). 112 United States Court of Appeals, Eleventh Circuit, Urt. v. 25. 4. 2012, Case No. 10 – 12729, 677 F.3d 1298 (1310) – FTC v. Watson Pharmaceuticals; siehe auch US Supreme Court, Urt. v. 17. 6. 2013, Case No. 12 – 416, 133 S.Ct. 2223 (2227) – FTC v. Actavis Inc. 113 Das Unternehmen Solvay Pharmceuticals war Inhaber eines Patents für das Arzneimittel AndroGel. Actavis und Paddock beantragten noch vor Ablauf dieses Patents die Zulassung generischer Versionen von AndroGel und gaben hierzu im Rahmen von Paragraph-IV Certifications an, Solvay Pharmaceuticals Patent sei ungültig und werde durch ihre Arzneimittel

§ 2 Wirtschaftlicher Hintergrund

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eine kartellrechtskonforme Alternative zu Reverse Payments im Rahmen von Patentvergleichen.114 Die Kommission ließ die Ausgestaltung von Reverse Payment Settlements als frühe Marktzutritte oder den kumulativen Abschluss von Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt bislang zwar nicht zur Rechtfertigung von Reverse Payment Settlements genügen.115 Auch die Kommission deutete allerdings bereits an, dass sie die Lösung patentrechtlicher Streitigkeiten durch die Vereinbarung eines vor dem Zeitpunkt des Patenablaufs gelegenen Markteintrittsdatums für den beteiligten Generikahersteller oder durch die Gewährung einer Lizenz nicht als wettbewerbsbeschränkend betrachtet.116 nicht verletzt. Solvay erhob daraufhin gegen Actavis und Paddock Patentverletzungsklage. Die FDA bestätigte indes den Zulassungsantrag von Actavis. Anstatt jedoch das Generikum auf den Markt zu bringen, schloss Actavis mit Solvay 2006 ein Reverse Payment Settlement. Actavis verpflichtete sich hierin, das Generikum bis zum 31. August 2015 nicht auf den Markt zu bringen. Dieser Zeitpunkt lag 65 Monate vor dem eigentlichen Patentablauf, US Supreme Court, Urt. v. 17. 6. 2013, Case No. 12 – 416, 133 S.Ct. 2223 (2229) – FTC v. Actavis Inc. Im Gegenzug erhielt Actavis von Solvay jährlich Zahlungen von mehreren Millionen US-Dollar, für als „andere Dienstleistungen“ bezeichnete Leistungen. Ähnliche Vereinbarungen wurden auch zwischen Solvay und Paddock sowie zwischen Solvay und Par geschlossen. Par hatte zwar keine eigene Arzneimittelzulassung beantragt, jedoch mit Paddock vereinbart, die Kosten des Patentprozesses sowie die hieraus resultierenden Gewinne zu teilen, siehe ebda. 114 US Supreme Court, Urt. v. 17. 6. 2013, Case No. 12 – 416, 133 S.Ct. 2223 (2226, 2237) – FTC v. Actavis Inc.; Picht, ZWeR 2014, 83 (88). 115 Im Servier-Verfahren wies die Kommission den Einwand eines betroffenen Unternehmens, der Patentvergleich sei infolge der dem Generikahersteller zugleich gewährten Lizenz nicht wettbewerbsbeschränkend, sondern wettbewerbsfördernd, zurück, weil die gewährte Lizenz nur für sieben EU-Mitgliedstaaten galt, während sich der Patentvergleich in zwanzig Mitgliedstaaten nachteilig auswirkte, Kommission, Entsch. v. 9. 7. 2014, AT.39612, C(2014) 4955 final, Rn. 1755 – Perindopril (Servier). Im selben Verfahren hielt sie dem Einwand eines weiteren Arzneimittelherstellers entgegen, dass die neben dem Reverse Payment Settlement beabsichtigte Vertriebsvereinbarung gerade nicht zu einer früheren Präsenz generischer Anbieter geführt hatte, weil der Vollzug dieser Vereinbarung von der Entscheidung des Originalpräparateherstellers oder von der Bedingung abhängig war, dass auch unabhängige Generikahersteller den Markt betreten, dies., a.a.O., Rn. 1927. Den tatsächlichen Abschluss einer Vertriebsvereinbarung im Rahmen eines Reverse Payment Settlements wertete die Kommission in Übereinstimmung mit dem High Court of Justice of England and Wales schließlich als bloßes Scheinkonstrukt, weil die Belieferung des Generikaherstellers zwar vertraglich vorgesehen war, der Originalpräparatehersteller den Generikahersteller im Ergebnis jedoch nie belieferte, sondern sich darauf zurück zog, dem Generikahersteller die für den Fall der Nichtbelieferung vorgesehene monatliche Vertragsstrafe zu bezahlen, dies., a.a.O., Rn. 1572 f., 1558 ff. Auch im Fentanyl-Verfahren der Kommission, das zwar keinen Patentvergleich, gleichwohl aber eine Pay-For-Delay Abrede betraf, lehnte die Kommission eine Rechtfertigung der Pay-For-Delay Abrede durch eine kumulativ geschlossene Vereinbarung über einen frühen Marktzutritt ab, weil es sich hierbei nach Einschätzung der Kommission um rechtlich separat zu betrachtende Verträge handelte, Kommission, Entsch. v. 10. 12. 2013, AT.39685, C(2013) 8870 final, Rn. 307, 429 – Fentanyl. Weder sei dem Generikahersteller im Rahmen der streitgegenständlichen Pay-For-Delay Abrede verbindlich das Recht zu einem frühen Marktzutritt eingeräumt worden, noch sei der Marktzutritt im Ergebnis zeitlich vor dem Marktzutritt durch unabhängige Generikahersteller möglich gewesen, dies., a.a.O., Rn. 303 ff., 428 ff. 116 Kommission, Entsch. v. 19. 6. 2013, AT.39226, C(2013) 3803 final, Rn. 79 f. – Lundbeck.

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Kap. 2: Rechtliche Einordnung und wirtschaftlicher Hintergrund

C. Zwischenergebnis Aus den vorangegangenen Ausführungen wurde deutlich, dass frühen Marktzutritten regelmäßig die Funktion einer Patentauslaufstrategie zukommt. Für Originalpräparatehersteller stellen frühe Marktzutritte ein Mittel dar, um die mit Patentablauf einsetzenden Umsatz- und Gewinneinbußen abzumildern. Frühe Marktzutritte ermöglichen es Originalpräparateherstellern damit zugleich, auf die Besonderheiten im Produktlebenszyklus eines Arzneimittels, der insbesondere durch eine kostenintensive und lange Einführungsphase sowie eine intensive Verfallsphase gekennzeichnet ist, zu reagieren. Der Vollzug früher Marktzutritte stellt sich damit als unmittelbare Ausübung immaterialgüterrechtlicher Kernbefugnisse dar. Praktische Relevanz kommt frühen Marktzutritten überdies im Rahmen von Reverse Payment Settlements zu.117 Das Recht zu einem frühen Marktzutritt stellt sich im Zusammenhang mit Reverse Payment Settlements häufig als Bestandteil der Vergütungsleistungen der Originalpräparatehersteller dar. Die kartellrechtliche Analyse früher Marktzutritte im Fortgang dieser Arbeit hat deshalb auch Auswirkungen auf die kartellrechtliche Bewertung von Reverse Payment Settlements und stellt die tendenziell großzügige Haltung der Kartellbehörden gegenüber Reverse Payment Settlements, die gleichzeitig als frühe Marktzutritte zu qualifizieren sind, auf die Probe.

§ 3 Die Bedeutung des Marktzutrittszeitpunkts im Arzneimittelsektor Der Erfolg früher Marktzutritte als Patentauslaufstrategie fußt auf der positiven Marktanteilsentwicklung autorisierter Generika im Zeitraum nach Patentablauf. Nach den Erkenntnissen der Kommission und der eingangs dargestellten ökonomischen Untersuchungen resultiert die positive Marktanteilsentwicklung autorisierter Generika aus deren Pionierstatus beim Marktzutritt. Die hohen Marktanteile autorisierter Generika sind demnach Ausdruck sog. Erstanbietervorteile (FirstMover Advantages).118 Nach einer Begriffsbestimmung sowie einer Skizzierung der Entstehung dieser Erstanbietervorteile befassen sich die nachfolgenden Ausführungen mit deren besonderer Ausprägung und damit einhergehender besonderer Relevanz auf Märkten für verschreibungspflichtige Arzneimittel.

117

Die überwiegende Anzahl autorisierter Generika wurde in den USA allerdings nicht im Kontext von Patentvergleichen vertrieben, FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 20, 26. 118 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 825; Schweitzer/Becker, WRP 2012, 382 (385); Chen, VLR 2007, 459 (478 ff.); FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 93, 103. Zum Begriff des Erstanbietervorteils siehe Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökononomie2 (2011), S. 192.

§ 3 Die Bedeutung des Marktzutrittszeitpunkts im Arzneimittelsektor

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A. Begriff und Entstehung Der in den Wirtschaftswissenschaften nicht immer einheitlich definierte Begriff des Erstanbietervorteils bezeichnet den Vorteil, der sich für Unternehmen infolge von Pionierstrategien ergibt119. Erfasst werden demnach alle ökonomischen Vorteile, die Unternehmen alleine daraus erlangen, dass sie Produkte zeitlich vor anderen Unternehmen am Markt anbieten.120 Im Vergleich zu nachfolgenden Unternehmen können Erstanbieter den Markt zunächst über einen längeren Zeitraum und ohne bzw. nur unter geringem Wettbewerbsdruck bedienen121 und hierdurch hohe Gewinne erzielen. Mit dem Begriff des Erstanbietervorteils werden allerdings nicht primär diejenigen Vorteile bezeichnet, die Unternehmen bereits während ihrer Pionierphase zuteilwerden. Erstanbietervorteile sind vor allem solche Vorteile, die Pionierunternehmen auch im Zustand zunehmender Konkurrenz, d. h. im Nachgang zu dem Marktzutritt weiterer Marktteilnehmer, noch zuteilwerden.122 Erstanbietervorteile drücken sich in dieser Phase etwa in den Marktanteilsvorsprüngen des Pionierunternehmens123 oder in dessen Fähigkeit aus, höhere Preise verlangen zu können124. Die Entstehung von Erstanbietervorteilen beschreiben Lieberman und Montgomery als einen endogenen und mehrstufigen Prozess.125 Am Beginn dieses Prozesses steht die Pionier-Möglichkeit eines Unternehmens.126 Diese resultiert aus einer wettbewerblichen Asymmetrie, die auf die einzigartigen Ressourcen des Pionierunternehmens oder einfach auf Glück zurückzuführen sein kann und die dem Pionierunternehmen einen Vorsprung gegenüber seinen Wettbewerbern verschafft.127 Ergreift ein Unternehmen diese Pionier-Möglichkeit, hängt die Höhe und Nachhaltigkeit seiner Erstanbietervorteile in einem zweiten Schritt davon ab, inwieweit es seine Pionier-Möglichkeit kapitalisieren kann.128 Erstanbietervorteile werden insoweit zunächst als potentielle Vorteile begriffen, die sich erst im Laufe der Zeit durch das Hinzutreten weiterer Umstände konkretisieren.129 Lieberman und Mongomery verweisen in diesem Zusammenhang vor allem auf drei Umstände, die für die Realisierung von Erstanbietervorteilen verantwortlich sind. Erstanbietervorteile

119

Busch, Pionier-Vorteile (2005), S. 17. Haucap/Dewenter, First-Mover Vorteile (2006), S. 1. 121 Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 7; Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (256). 122 Haucap/Dewenter, First-Mover Vorteile (2006), S. 1. 123 Robinson/Kalyanaram/Urban, Rev Ind Organ 1994, 1 (1 f., 19); Conrad, IJIO 1983, 353 (353 f., 363); Haucap/Dewenter, First-Mover Vorteile (2006), S. 2; Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 7. 124 Conrad, IJIO 1983, 353 (353 f., 363). 125 Lieberman/Montgomery, SMJ 1988, 41 (41). 126 Ebda. 127 Lieberman/Montgomery, SMJ 1988, 41 (41 ff.); Patterson, JMS 1993, 759 (761). 128 Busch, Pionier-Vorteile (2005), S. 26. 129 Patterson, JMS 1993, 759 (765). 120

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Kap. 2: Rechtliche Einordnung und wirtschaftlicher Hintergrund

ergeben sich hiernach aus dem Technologievorsprung des Pionierunternehmens130, aus dem Umstand, dass es dem Pionierunternehmen bereits gelungen ist, knappe Ressourcen, wie etwa Regalstellplätze, zum Nachteil nachstoßender Wettbewerber zu besetzen, sowie aus Wechselkosten der Marktgegenseite.131 Als Ursachen werden darüber hinaus auch Informationsunvollkommenheiten132 sowie bestehende Unsicherheiten auf Konsumentenseite133 genannt, die letztlich zu einer Präferenz der Konsumenten zu bereits am Markt etablierten Produkten führen134.

B. Besondere Ausprägung im Arzneimittelsektor Erstanbietervorteile stellen keine Besonderheit des Arzneimittelsektors dar. Erstanbietervorteile werden Pionierunternehmen vielmehr unabhängig vom jeweiligen Industriesektor überall dort zuteil, wo strukturelle oder strategische Marktzutrittsschranken den Marktzutritt zeitlich nachfolgender Anbieter erschweren.135 Die Erstanbietervorteile von Pionierunternehmen auf Arzneimittelmärkten im Allgemeinen sowie die Erstanbietervorteile autorisierter Generika im Besonderen weisen jedoch eine besondere Ausprägung auf, weil sich Arzneimittelmärkte sowohl auf Nachfrage- als auch auf Angebotsseite von gewöhnlichen Konsumgütermärkten unterscheiden136. Die nachfolgenden Ausführungen befassen sich zunächst mit der auf Nachfrageseite bestehenden Besonderheit in Form der hohen Produktloyalität der zur Auswahl über Arzneimittel berufenen Ärzte und Apotheken. Im Anschluss daran wird auf die Besonderheiten der Angebotsseite eingegangen, die sich aus der Regulierung von Arzneimittelmärkten ergeben.

130 Wird die Möglichkeit durch ein Patent erlangt, wirken Erstanbietervorteile typischerweise über den Patenablauf hinaus an, Robinson/Kalyanaram/Urban, Rev Ind Organ 1994, 1 (17). 131 Lieberman/Montgomery, SMJ 1988, 41 (41 f.). Zur Bedeutung von Wechselkosten im Kontext von Marktzutrittsschranken vgl. Jickeli, Marktzutrittsschranken (1990), S. 222. 132 Schmalensee, AER 1982, 349 (349); Patterson, JMS 1993, 759 (761); Conrad, IJIO 1983, 353 (363). 133 Schmalensee, AER 1982, 349 (349); Lieberman/Montgomery, SMJ 1988, 41 (46 f.). 134 Siehe Bain, Barriers to competition (1956), S. 116 [„Thus a general tendency of buyers to prefer established to new products may place potential entrants to a differentiated-product industry at a disadvantage as compared to firms already established in the industry.“]; vgl. auch Robinson/Kalyanaram/Urban, Rev Ind Organ 1994, 1 (7 f., 18) m.w.N. sowie Schmidt/Engelke, WiSt 1989, 399 (400). 135 Haucap/Dewenter, First-Mover Vorteile (2006), S. 1; vgl. auch Patterson, JMS 1993, 759 (762 f.). 136 Scherer, JEP 1993, 97 (98 ff.); Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 35; Bond/Lean, FTC Staff Report (1977), S. 75; Vorderwülbecke, Mißbrauchsaufsicht über Pharmaunternehmen (1979), S. 24.

§ 3 Die Bedeutung des Marktzutrittszeitpunkts im Arzneimittelsektor

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I. Hohe Produktloyalität auf Nachfrageseite Arzneimittelmärkte zeichnen sich durch eine Aufspaltung von Konsum, Entscheidung und Finanzierungsverantwortung aus.137 Gegenüber gewöhnlichen Konsumgütermärkten weisen Märkte für verschreibungspflichtige Arzneimittel auf Nachfrageseite die Besonderheit auf, dass der Konsument des Arzneimittels und derjenige, der die Entscheidung über die Auswahl des Arzneimittels trifft, personenverschieden sind.138 Über die Auswahl verschreibungspflichtiger Arzneimittel entscheiden nicht die Patienten, sondern die behandelnden Ärzte.139 Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch der mit der Abgabe des Arzneimittels betraute Apotheker in den Entscheidungsprozess miteinbezogen.140 § 48 AMG normiert in diesem Zusammenhang den arzneimittelrechtlichen Grundsatz, nach welchem dem behandelnden Arzt die alleinige Hoheit über die Auswahl von Arzneimitteln zukommt.141 § 17 Abs. 5 S. 1 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) konkretisiert diesen Grundsatz und bestimmt, dass Apotheken grundsätzlich an die Verordnungsentscheidung des Arztes gebunden sind. Eine Ausnahme hierzu bildet die Regelung des § 129 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V, welche die Kompetenz zur Auswahl des Arzneimittels in zwei Fällen auf den Apotheker verlagert. Gem. § 129 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a) SGB V sind Apotheken zur Abgabe „eines preisgünstigen Arzneimittels“ verpflichtet, wenn der behandelnde Arzt das Arzneimittel „nur unter seiner Wirkstoffbezeichnung verordnet“ hat. Nach der sog. aut-idem-Regelung des § 129 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. b) SGB V gilt diese Verpflichtung zudem auch dann, wenn der behandelnde Arzt die „Ersetzung des Arzneimittels durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel nicht ausgeschlossen“ hat.142 Die aut-idem-Regelung ist im Bereich von Verordnungen für Patienten innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung seit dem Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz aus dem Jahre 2002 als grundsätzliche Ersetzungsbefugnis der Apotheken ausgestaltet (§ 73 Abs. 5 S. 2 AMG). Die Gestaltung der Rezeptformulare der Ärzte trägt dem Rechnung, indem sie eine Ersetzung des Arzneimittels grundsätzlich zulässt; möchte ein Arzt die Ersetzung nicht zulassen, muss er dies aktiv in einem entsprechenden Feld vermerken.143 137

Schweitzer/Becker, WRP 2012, 382 (382). Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 35 f. 139 Hurwitz/Caves, JLE 1988, 299 (305); Scherer, JEP 1993, 97 (98); Chen, VLR 2007, 459 (472); Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 4; dies., Sektoruntersuchung-Pharma, Zwischenbericht, Rn. 98; Yu/Gupta, IJPHM 2014, 126 (136); Vorderwülbecke, Mißbrauchsaufsicht über Pharmaunternehmen (1979), S. 25; Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 93. 140 Ehle/Schütze, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts (2010), § 10 Rn. 2; Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 4; Lübbig/Klasse, Kartellrecht im Pharma- und Gesundheitssektor2 (2015), § 2 Rn. 9. 141 Barth, in: Spickhoff, Medizinrecht2 (2014), § 129 SGB V Rn. 3. 142 Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 5 f.; so auch in den USA, Yu/Gupta, IJPHM 2014, 126 (130). 143 Barth, in: Spickhoff, Medizinrecht2 (2014), § 129 SGB V Rn. 4. 138

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Kap. 2: Rechtliche Einordnung und wirtschaftlicher Hintergrund

Der Patient als Konsument des Arzneimittels kann die Auswahlentscheidung des behandelnden Arztes vor diesem Hintergrund allenfalls faktisch im Rahmen des Behandlungsgesprächs beeinflussen.144 Aus Sicht des Patienten bestehen hierzu allerdings weder finanzielle Anreize, noch kommt dem Patient überhaupt die Fähigkeit zu, die Verordnungsentscheidung des Arztes beurteilen zu können. Die Praxis zeigt gerade, dass sich Patienten und Ärzte im Regelfall nicht über die Wahl des konkreten Arzneimittels austauschen.145 1. Fehlende Finanzierungsverantwortung und Informationsdefizite der Patienten Finanzielle Anreize, die Verordnungsentscheidung des Arztes zu hinterfragen, bestehen aus Sicht der Patienten nicht, weil der Patient für die Kosten des Arzneimittels nicht oder jedenfalls nicht in voller Höhe aufkommen muss146. Die Kosten des Arzneimittels werden vielmehr bis zur Höhe des Referenzpreises von der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet (§ 31 Abs. 2 SGB V).147 Zahlungen leistet der Patient nur indirekt über seinen Krankenversicherungsbeitrag, dessen Höhe jedoch nicht von der Menge der konsumierten Gesundheitsleistungen abhängt.148 Der Preis eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels wird für den Patienten allenfalls indirekt über die von ihm zu leistende Zuzahlung relevant. Die Zuzahlung betrifft dabei grundsätzlich 10 % des Endkundenpreises, mindestens jedoch fünf und höchstens zehn Euro.149 Weil die meisten Arzneimittel aber zu einem Preis unterhalb von 50 Euro verkauft werden, wird die Kostensensibilität des Patienten über die Höhe seiner Zuzahlungen kaum gefördert.150 Überdies werden Zuzahlungen auch nur dann fällig, wenn der Preis des Arzneimittels nicht um 30 % oder mehr unter dem Referenzpreis liegt; Generikahersteller setzen ihre Preise jedoch regelmäßig einheitlich bei eben dieser Grenze fest151, sodass für Generika ohnehin nur in seltenen Fällen Zuzahlungen anfallen. Im Bereich von Arzneimitteln weisen die Patienten vor

144 Vgl. Bond/Lean, FTC Staff Report (1977), S. 75; Gorecki, IJIO 1986, 371 (373); Yu/ Gupta, IJPHM 2014, 126 (130, 136). 145 Barth, Pharmazeutische Industrie 2003, 572 (576). 146 Schweitzer/Becker, WRP 2012, 382 (382); siehe auch die Nachweise in Fn. 147. 147 EuGH, Urt. v. 7. 2. 1984, Rs. 238/82, Slg. 1984, 523, Rn. 20 – Duphar; GA Jacobs, Schlussanträge v. 28. 10. 2004, Rs. C-53/03, Slg. 2005, I-4609, Rn. 97 – Syfait m.w.N.; EuG, Urt. v. 27. 9. 2006, Rs. T-168/01, Slg. 2006, II-2969, Rn. 131 – GlaxoSmithKline; Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 9; Vorderwülbecke, Mißbrauchsaufsicht über Pharmaunternehmen (1979), S. 25, 35; Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 92. 148 Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 38 f. 149 Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 6. 150 Vgl. ebda. m.w.N. 151 Ebda.

§ 3 Die Bedeutung des Marktzutrittszeitpunkts im Arzneimittelsektor

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diesem Hintergrund nur eine geringe Kostensensibilität auf.152 Aus Patientensicht bestehen daher keine Anreize, den Arzt zur Informationsbeschaffung über kostengünstigere Therapiemöglichkeiten anzuhalten.153 Im Gegenteil: Für Patienten bestehen gerade umgekehrt Anreize zur übermäßigen Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen.154 Jedenfalls bei komplexeren Indikationen ist es dem Patienten – verstärkt durch den situativen Kontext von Notfall und Krankheit – auch gar nicht möglich, die Diagnose und Verordnungsentscheidung des Arztes oder die Qualität der durchgeführten Arzneimitteltherapie zu hinterfragen155.156 In aller Regel kennen Patienten nur wenige der für eine Therapie geeigneten Arzneimittel157 und gerade neu am Markt erhältliche Arzneimittel sind ihnen unbekannt158. Für Patienten wird deshalb häufig der Preis eines Arzneimittels zum ausschlaggebenden Qualitätskriterium.159 Einer Umstellung auf andere als den bislang konsumierten Arzneimitteln stehen Patienten aufgrund von Unsicherheiten160 und Zweifeln über deren qualitative Gleichwertigkeit161 oder aufgrund von hiermit verbundenen Medikationsveränderungen grundsätzlich kritisch gegenüber162. Die Umstellung auf andere Arzneimittel ist für Patienten insoweit mit Wechselkosten verbunden163, in deren Folge Patienten eine hohe Loyalität zu bereits bekannten Arzneimitteln aufweisen164.

152 EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 57, 180 – AstraZeneca; EuG, Urt. v. 1. 7. 2010, Rs. T-321/05, Slg. 2010, II-2805, Rn. 178 – AstraZeneca; Vorderwülbecke, Mißbrauchsaufsicht über Pharmaunternehmen (1979), S. 33; Siebert/Pries, PharmR 2007, 147 (148); vgl. auch Kommission, Entsch. v. 19. 6. 2013, AT.39226, C(2013) 3803 final, Rn. 92 – Lundbeck; Yu/Gupta, IJPHM 2014, 126 (130); Scherer, JEP 1993, 97 (99); Chen, VLR 2007, 459 (473 f.). 153 Hellerstein, RJE 1998, 108 (112). 154 Ebda.; Chen, VLR 2007, 459 (474); Vorderwülbecke, Mißbrauchsaufsicht über Pharmaunternehmen (1979), S. 33. 155 Vgl. Schweitzer/Becker, WRP 2012, 382 (382); Vorderwülbecke, Mißbrauchsaufsicht über Pharmaunternehmen (1979), S. 30; Bond/Lean, FTC Staff Report (1977), S. 75. 156 Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 35 f. 157 Ferrándiz, Health Economics 1999, 599 (601). 158 Bond/Lean, FTC Staff Report (1977), S. 6 m.w.N.; dies., Advantage from Early Entry (1979), S. 5. 159 Vorderwülbecke, Mißbrauchsaufsicht über Pharmaunternehmen (1979), S. 33. 160 Zu wechselbedingten Unsicherheiten als Wechselbarrieren siehe Coppik/Haucap, WuW 2016, 50 (52). 161 Yu/Gupta, IJPHM 2014, 126 (130); Hollis, Health Economics 2002, 723 (724); Chen, VLR 2007, 459 (473). 162 Hollis, Health Economics 2002, 723 (724); Yu/Gupta, IJPHM 2014, 126 (143). 163 Raasch/Schöffski, in: Schöffski/Fricke/Guminski, Pharmabetriebslehre2 (2008), S. 222. 164 Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 547.

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Kap. 2: Rechtliche Einordnung und wirtschaftlicher Hintergrund

2. Informationsdefizite und fehlende Finanzierungsverantwortung der Ärzte Infolge der beschriebenen Informationsdefizite befindet sich der Patient in einem Abhängigkeitsverhältnis zu seinem behandelnden Arzt165, der das Arzneimittel nicht selbst konsumiert, aber über dessen Auswahl entscheidet. Als die maßgeblichen Entscheidungsträger weisen Ärzte jedoch ihrerseits nur eine geringe Bereitschaft auf, Patienten auf andere Arzneimittel umzustellen.166 Das Verschreibungsverhalten von Ärzten folgt gewissen Gewöhnungsmustern167 und ist ebenfalls durch eine hohe Loyalität zu bereits am Markt etablierten Arzneimitteln geprägt168. Der EuGH spricht in diesem Zusammenhang von einer „Unbeweglichkeit in der ärztlichen Verschreibungspraxis“.169 Spiegelbildlich zur Patientenseite liegen dem Verschreibungsverhalten der Ärzte häufig ebenfalls Informationsunvollkommenheiten170 sowie Unsicherheiten im Hinblick auf die qualitative Gleichwertigkeit von Arzneimitteln171 zugrunde. Bereits dem Grunde nach kennen Ärzte nur einen Bruchteil der am Markt verfügbaren Arzneimittel.172 Von ca. 9000 in Deutschland zugelassenen Arzneimitteln befinden sich nur etwa 400 im Verschreibungsrepertoire eines Arztes.173 Überdies müssen auch die Ärzte für die Kosten einer Arzneimitteltherapie nicht aufkommen.174 Auch für Ärzte bestehen vor diesem Hintergrund kaum Anreize zur Verschreibung kostengünstigerer Arzneimittel, was dazu führt, dass die Ärzte

165

Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Zwischenbericht, Rn. 98. Ferrándiz, Health Economics 1999, 599 (601); Bond/Lean, FTC Staff Report (1977), S. 80; Chen, VLR 2007, 459 (474 ff.). 167 Raasch, Der Patentauslauf (2010), S. 58. 168 Ferrándiz, Health Economics 1999, 599 (601); Vorderwülbecke, Mißbrauchsaufsicht über Pharmaunternehmen (1979), S. 32; Grabowski/Vernon, JLE 1992, 331 (332 f.) [„brand loyalty“]; Bond/Lean, FTC Staff Report (1977), S. vi, 57, 76; dies., Advantage from Early Entry (1979), S. 20 f.; Hurwitz/Caves, JLE 1988, 299 (305); für Kanada Gorecki, IJIO 1986, 371 (372). 169 EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 47 – AstraZeneca. Nichts anderes gilt für die bisweilen ebenfalls in den Entscheidungsprozess miteinbezogenen Apotheken, Hollis, Health Economics 2002, 723 (724, 732); Grabowski/Vernon, JLE 1992, 331 (346 Fn. 38); Yu/Gupta, IJPHM 2014, 126 (130). 170 Schweitzer/Becker, WRP 2012, 382 (382); Vorderwülbecke, Mißbrauchsaufsicht über Pharmaunternehmen (1979), S. 32; Scherer, JEP 1993, 97 (98); Caves/Whinston/Hurwitz, BPEA 1991, 1 (5); Chen, VLR 2007, 459 (474 f.); Yu/Gupta, IJPHM 2014, 126 (129). 171 Yu/Gupta, IJPHM 2014, 126 (129 f.); Caves/Whinston/Hurwitz, BPEA 1991, 1 (5, 11); Hurwitz/Caves, JLE 1988, 299 (305); Gorecki, IJIO 1986, 371 (372); Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 37. 172 Ferrándiz, Health Economics 1999, 599 (601); vgl. auch EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 50 – AstraZeneca. 173 Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 58; vgl. auch Vorderwülbecke, Mißbrauchsaufsicht über Pharmaunternehmen (1979), S. 32. 174 Bond/Lean, FTC Staff Report (1977), S. 75. 166

§ 3 Die Bedeutung des Marktzutrittszeitpunkts im Arzneimittelsektor

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ihrerseits eine nur geringe Preissensibilität aufweisen.175 Im Unterschied zu normalen Konsumgütermärkten ist die Nachfrage nach Arzneimitteln deshalb nur durch eine geringe Preiselastizität geprägt176. Da Preiserhöhungen weder von den Patienten als Konsumenten des Arzneimittels noch von den verschreibenden Ärzten zu tragen sind, führen Preiserhöhungen tendenziell nicht zu einem Rückgang der Nachfrage.177 Aus der beschriebenen Entkopplung von Konsumentscheidung und Finanzierungsverantwortung folgt vielmehr auch im Bereich der ärztlichen Entscheidung die Gefahr, dass kostenintensivere Arzneimittel verschrieben werden als nötig178. Der Umstellung eines Patienten auf ein anderes Arzneimittel stehen auch die behandelnden Ärzte und Apotheken kritisch gegenüber. Auch für sie ist eine solche Umstellung mit Wechselkosten verbunden.179 Wechselkosten bestehen dabei nicht nur in Form der Kosten der Beschaffung von Informationen über neue Arzneimittel.180 Vielmehr wirken sich die Wechselkosten der Patienten auch als Wechselkosten der Ärzte und Apotheken aus.181 Schließlich ist die Beratung und Überzeugung von Patienten, die neuen Arzneimitteln kritisch gegenüberstehen, nicht nur mühsam182, sondern auch zeitintensiv183. Den Wechselkosten für Ärzte stehen gleichzeitig keinerlei Erträge gegenüber184 und auch die finanziellen Anreize für Apotheken, Pati175

Grabowski/Vernon, JLE 1992, 331 (332 f.); Scherer, JEP 1993, 97 (101); vgl. auch Bond/Lean, FTC Staff Report (1977), S. 43, 54, 79; Hurwitz/Caves, JLE 1988, 299 (300, 305); Siebert/Pries, PharmR 2007, 147 (148); Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 92; EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 57, 180 – AstraZeneca; EuG, Urt. v. 1. 7. 2010, Rs. T-321/05, Slg. 2010, II-2805, Rn. 178 – AstraZeneca; Kommission, Entsch. v. 19. 6. 2013, AT.39226, C(2013) 3803 final, Rn. 92 – Lundbeck. 176 Schweitzer/Becker, WRP 2012, 382 (382); EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 180 – AstraZeneca. Zu den Auswirkungen der geringen Preiselastizität der Nachfrage auf die kartellrechtliche Marktabgrenzung siehe Kapitel 3 § 2 A. II. 1. 177 Vorderwülbecke, Mißbrauchsaufsicht über Pharmaunternehmen (1979), S. 90 f.; vgl. auch Hurwitz/Caves, JLE 1988, 299 (300). 178 Ferrándiz, Health Economics 1999, 599 (601). 179 Yu/Gupta, IJPHM 2014, 126 (131); Hollis, Health Economics 2002, 723 (732); Chen, VLR 2007, 459 (480 ff.); Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (256, 259); Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 7, 14, 27; Raasch/Schöffski, in: Schöffski/Fricke/Guminski, Pharmabetriebslehre2 (2008), S. 222; vgl. auch Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 17; dies., Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 989, 1010, 1025. 180 Hellerstein, RJE 1998, 108 (111). 181 Hollis, Health Economics 2002, 723 (724, 732); Yu/Gupta, IJPHM 2014, 126 (143); vgl. auch Grabowski/Vernon, JLE 1992, 331 (332 f.) [„brand loyalty“]; Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 1037 f. 182 Hollis, Health Economics 2002, 723 (724, 732). 183 Raasch, Der Patentauslauf2 (2010), S. 52; Hollis, Health Economics 2002, 723 (724 und 732). Darüber hinaus wird nicht selten befürchtet, die Patienten könnten aus der Verschreibung eines anders bezeichneten Arzneimittels schließen, es handle sich tatsächlich um ein wirkstoffverschiedenes Arzneimittel und daher falsche Dosierungen zu sich nehmen, Hollis, Health Economics 2002, 723 (724). 184 Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 39.

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Kap. 2: Rechtliche Einordnung und wirtschaftlicher Hintergrund

enten auf andere Arzneimittel umzustellen, sind gering185. Für Apotheken ergeben sich aus einer derartigen Umstellung nämlich allenfalls geringfügige Unterschiede in der Höhe der ihnen zufließenden Abgabegebühr.186 Gerade in Deutschland besteht die Vergütung für Apotheken jedoch maßgeblich aus einem von der Höhe des jeweiligen Arzneimittelverkaufspreises unabhängigen Festbetrag zuzüglich von 3 % des einzelfallabhängigen Arzneimittelverkaufspreises.187 3. Zwischenergebnis Arzneimittelmärkte sind durch eine starke Tendenz der zur Auswahl über Arzneimittel berufenen Ärzte und Apotheken zu bereits am Markt etablierten Arzneimitteln gekennzeichnet. Die Ursachen hierfür liegen in der fehlenden Finanzierungsverantwortung von Ärzten und Apotheken sowie in deren Informationsdefiziten im Hinblick auf die am Markt verfügbaren Arzneimittel. Vor allem aber ist die Umstellung von Patienten auf alternative Arzneimittel für Ärzte und Apotheken mit Wechselkosten verbunden, denen zugleich keinerlei Erträge der Ärzte und Apotheken gegenüberstehen. Diese Wechselkosten beruhen auf den Kosten der Beschaffung von Informationen über neue Arzneimittel, insbesondere aber aus der Zeit und Mühe, die Ärzte und Apotheken zur Beratung und Überzeugung von umstellungsskeptischen Patienten investieren müssen. II. Regulatorische Besonderheiten der Angebotsseite Die im Rahmen der Umstellung von Patienten auf alternative Arzneimittel anfallenden Wechselkosten sind von unabhängigen Generikaherstellern nur schwer zu überwinden.188 Infolge der regulatorischen Besonderheiten, die auch auf der An185

Hurwitz/Caves, JLE 1988, 299 (306). Hollis, Health Economics 2002, 723 (724, 726); ders., CPP 2003, 21 (25). 187 Holstein/Bruggmann, PharmR 2006, 116 (117); Mand, NJW 2010, 3681 (3682); Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 6; vgl. auch Hurwitz/Caves, JLE 1988, 299 (306). 188 Zur Situation in Kanada siehe Hollis, Health Economics 2002, 723 und ders., CPP 2003, 21, nach dem unter dem in Kanada bestehenden Referenzpreissystem nur geringe Anreize für Preissenkungen und damit nur geringe Anreize für Generikahersteller bestehen, um mit anderen Anbietern in einen Preiswettbewerb zu treten. Nach dem Referenzpreissystem würden die Kosten eines Arzneimittels nur bis zur Höhe eines zuvor festgelegten Referenzpreises erstattet. Der Referenzpreis entspreche dabei regelmäßig dem Preis des günstigsten verfügbaren (generischen) Arzneimittels. Liege der Preis eines Arzneimittels über dem Referenzpreis, so müsse die Preisdifferenz von den Patienten selbst getragen werden. Verlange ein Arzneimittelhersteller insoweit einen höheren Preis, entspreche dessen Preis also nicht dem Referenzpreis, so laufe dieser Arzneimittelhersteller Gefahr, die Absatzmengen zu verlieren. Aus demselben Grund würden auch Preissenkungen von Generikaunternehmen innerhalb kürzester Zeit von deren Wettbewerbern nachvollzogen. Im Ergebnis führe dies dazu, dass Generika regelmäßig zu einem einheitlichen Preis verkauft würden. Der Wettbewerb auf Generikamärkten finde daher eher über Werbemaßnahmen gegenüber den verschreibenden Ärzten oder über indirekte Zahlungen oder Belohnungen gegenüber Apotheken statt. 186

§ 3 Die Bedeutung des Marktzutrittszeitpunkts im Arzneimittelsektor

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gebotsseite von Arzneimittelmärkten bestehen, scheiden für unabhängige Generikahersteller regelmäßig sowohl Qualitätsverbesserungen als auch Preissenkungen als Mittel der eigenen Absatzförderung aus.189 1. Qualitätswettbewerb zwischen Originalpräparaten und Generika Das Anbieten qualitativ höherwertiger Generika scheidet regelmäßig bereits deshalb aus, weil sich Generika und Originalpräparate nach den Vorgaben des Arzneimittelzulassungsrechts in qualitativer Hinsicht entsprechen müssen190. Generika und Originalpräparate müssen dieselben aktiven Wirkstoffe aufweisen und bioäquivalent sein.191 Vorstellbar wäre ein Qualitätswettbewerb zwischen Generika und autorisierten Generika allenfalls dann, wenn das Generikum aufgrund der verwendeten Hilfsstoffe einen größeren therapeutischen Nutzen vorzuweisen hätte.192 Auch für diesen Fall aber erscheint zumindest fragwürdig, ob sich das unabhängige Generikum im Rahmen der Auswahlentscheidung von Ärzten und Apotheken gegenüber dem autorisierten Generikum durchsetzen könnte. Schließlich weisen autorisierte Generika in qualitativer Hinsicht die Besonderheit auf, dass sie mit den Originalpräparaten chemisch identisch sind.193 2. Preiswettbewerb zwischen Originalpräparaten und Generika Auch Preissenkungen erscheinen als Mittel zur Förderung des eigenen Absatzes im Kontext autorisierter Generika als wenig erfolgversprechend. Zwar belässt der nationale Regulierungsrahmen Generikaherstellern die hierfür erforderliche Preisbildungsfreiheit. Wie nachfolgend gezeigt wird, steht dem Erfolg von Preissenkungen jedoch die nur geringe Preissensibilität der Ärzte und Patienten194 entgegen, die vorliegend auch nicht durch die substitutionsfördernde Regelung des § 129 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V überwunden werden kann.

189

S. vi. 190 191 192 193 194

Hollis, Health Economics 2002, 723 (725, 732); Bond/Lean, FTC Staff Report (1977), Yu/Gupta, IJPHM 2014, 126 (129); Hollis, Health Economics 2002, 723 (725). Siehe in und bei Fn. 32 ff. (Einleitung). Vgl. Bond/Lean, FTC Staff Report (1977), S. 76. Siehe in und bei Fn. 38 (Einleitung). Siehe in und bei Fn. 175.

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Kap. 2: Rechtliche Einordnung und wirtschaftlicher Hintergrund

a) Preiswettbewerb im Arzneimittelsektor Im Gegensatz zu vielen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, wie etwa Frankreich und Spanien195, werden die Arzneimittelpreise in Deutschland nicht unmittelbar hoheitlich festgesetzt; Arzneimittelhersteller können ihren Verkaufspreis vielmehr grundsätzlich frei bestimmen.196 Eine unmittelbare staatliche Vorgabe findet sich nur in Form der Zwangsrabatte, die Arzneimittelhersteller den gesetzlichen Krankenkassen gewähren müssen (§ 130a SGB V).197 Darüber hinaus werden die Arzneimittelpreise in Deutschland jedoch auch über die staatliche Vorgabe erstattungsfähiger Festbeträge im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung beeinflusst. Überschreitet der Preis eines Arzneimittels den vorgesehenen Festbetrag, muss der Versicherte den überschießenden Preisanteil selbst tragen (§ 31 Abs. 2 SGB V).198 In der Praxis kommt die Vorgabe erstattungsfähiger Festbeträge einer faktischen Preisregulierung gleich.199 Um die zuzahlungsfreie Erstattungsfähigkeit ihrer Arzneimittel zu wahren, setzen Arzneimittelhersteller ihre Preise nämlich regelmäßig auf Höhe oder unterhalb der Festbeträge fest.200 Der Preiswettbewerb im Arzneimittelsektor ist deshalb in der Tat eingeschränkt.201 Einschränkungen der Preisbildungsfreiheit der Arzneimittelhersteller ergeben sich aus der Festbetragsfestsetzung aber nur im Hinblick auf Preiserhöhungen, die ihre Grenze regelmäßig in der Höhe der Festbeträge finden. Der Preiswettbewerb nach unten bleibt von der Festbetragsfestsetzung freilich unberührt202, sodass unabhängige Generikahersteller zur Absatzförderung ohne weiteres auch Preissenkungen vornehmen können. b) Preissensibilität und Substitutionsförderung Dem Erfolg einer solchen Preissenkung dürfte im Regelfall jedoch die geringe Preissensibilität der Marktgegenseite entgegenstehen. Zwar normiert das nationale Recht mit der Regelung zur Substitution von Arzneimitteln in § 129 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V einen Mechanismus, der den Absatz kostengünstigerer Arzneimittel fördern 195

Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 174. Schweitzer/Becker, WRP 2012, 382 (383 f.); Hofmann, in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG2 (2016), § 78 Rn. 28; Axer, NZS 2002, 57 (62); Mand, NJW 2010, 3681 (3681); EuG, Urt. v. 1. 7. 2010, Rs. T-321/05, Slg. 2010, II-2805, Rn. 161 – AstraZeneca; Kommission, Entsch. v. 19. 6. 2013, AT.39226, C(2013) 3803 final, Rn. 89 – Lundbeck; siehe auch den Nachweis in Fn. 195. 197 Schweitzer/Becker, WRP 2012, 382 (383); Mand, NJW 2010, 3681 (3682). 198 Axer, NZS 2002, 57 (58). 199 Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 174. Nach Schweitzer/Becker, WRP 2012, 382 (384) haben die Festbeträge regelmäßig die Wirkung eines Preiskartells. 200 Vgl. Axer, NZS 2002, 57 (62). 201 Vorderwülbecke, Mißbrauchsaufsicht über Pharmaunternehmen (1979), S. 28; Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 91; vgl. auch Hollis, Health Economics 2002, 723 (725, 726, 733); ders., CPP 2003, 21 (25). 202 Vgl. Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 174. 196

§ 3 Die Bedeutung des Marktzutrittszeitpunkts im Arzneimittelsektor

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soll. Geht es jedoch um die Ersetzung von autorisierten Generika durch unabhängige Generika, läuft dieser Mechanismus grundsätzlich ins Leere. Dies ergibt sich bereits daraus, dass § 129 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V eine Pflicht der Apotheken zur Abgabe „eines preisgünstigen Arzneimittels“ nur dann vorsieht, wenn der Arzt das Arzneimittel nur nach seinem Wirkstoff bezeichnet oder die Ersetzung des Arzneimittels durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel nicht ausgeschlossen hat (aut-idem Regelung). Auch eine Ersetzung des Arzneimittels nach § 129 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V obliegt damit aber der alleinigen Entscheidungsgewalt des behandelnden Arztes. Möchte der Arzt angesichts der mit der Umstellung verbundenen Wechselkosten an der Verschreibung des autorisierten Generikums festhalten, kann er dessen Ersetzung ohne weiteres ausschließen. Eine Ersetzung des autorisierten Generikums durch ein unabhängiges Generikum kommt dann von vorneherein nicht in Betracht.203 Die Regelung des § 129 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V ist zudem aber auch in der Sache nicht geeignet, die Verschreibung unabhängiger Generika gegenüber autorisierten Generika zu fördern. Für den Fall, dass der verschreibende Arzt die Ersetzung des Arzneimittels zugelassen oder das Arzneimittel nur nach seinem Wirkstoff bezeichnet hat, ergeben sich die Kriterien nach denen die Apotheke die Auswahlentscheidung zu vollziehen hat aus § 129 Abs. 1 S. 2 und 3 SGB V i.V.m. dem Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung. Auf die Aushändigung unabhängiger Generika anstelle von autorisierten Generika sind die dort niedergelegten Kriterien aber gerade nicht ausgelegt. aa) Substitutionsförderung durch Rabattverträge Seit Verabschiedung des Beitrags-Sicherungsgesetzes im Jahr 2007 steht Krankenkassen gem. § 130a Abs. 8 SGB V die Möglichkeit zum Abschluss von Rabattverträgen mit Arzneimittelherstellern offen.204 Für Krankenkassen bieten diese Rabattverträge den Vorteil, dass hierin in Addition zu den gesetzlich vorgesehenen Zwangsrabatten (§ 130a SGB V) weitere Rabatte vereinbart werden können.205 Für Arzneimittelhersteller ergibt sich die Attraktivität von Rabattverträgen demgegenüber aus der mit ihrem Abschluss einhergehenden Substitutionspflicht für Apotheken gem. § 129 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 4 Abs. 2 des Rahmenvertrags über die Arzneimittelversorgung.206 Hiernach sind Apotheken im Falle des Bestehens eines Rabattvertrages zwischen der Krankenkasse des Patienten und einem Arzneimittelhersteller verpflichtet, das rabattierte Arzneimittel dieses Herstellers auszugeben.207 Unter mehreren rabattgünstigen Arzneimitteln kann die Apotheke hingegen nach pflichtgemäßem Ermessen frei wählen.208 Eine Förderung des Absatzes un203 204 205 206 207 208

Vgl. Gorecki, IJIO 1986, 371 (377, 393). Kersting/Faust, WuW 2011, 6 (10). Willenbruch, PharmR 2010, 321 (321). Schweitzer/Becker, WRP 2012, 382 (383). Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 6. Schweitzer/Becker, WRP 2012, 382 (387).

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Kap. 2: Rechtliche Einordnung und wirtschaftlicher Hintergrund

abhängiger Generika durch Rabattverträge ließe sich insoweit aber nur dann wirksam erreichen, wenn zwar der unabhängige Generikahersteller, nicht aber der Hersteller des autorisierten Generikums über einen Rabattvertrag mit der Krankenkasse des Patienten verfügte. Andernfalls hinge die Entscheidung zwischen unabhängigem und autorisiertem Generikum nach wie vor von der Entscheidung des ebenfalls durch eine hohe Produktloyalität geprägten Apothekers ab. In der Praxis werden Rabattverträge nun aber häufig gerade mit solchen Unternehmen abgeschlossen, die, wie die Hersteller autorisierter Generika, als erste Unternehmen am Markt tätig werden.209 Die Möglichkeit zum Abschluss von Rabattverträgen löst die Problematik autorisierter Generika daher nicht, sondern verschärft diese noch zusätzlich. Schließlich stützt sich die Verschreibung autorisierter Generika im Nachgang zu dem Abschluss eines Rabattvertrages nicht mehr nur rein faktisch auf die starre Verschreibungspraxis der Ärzte, vielmehr sind die Apotheken dann auch rechtlich zur Aushändigung der autorisierten Generika verpflichtet (§ 129 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 4 Abs. 2 des Rahmenvertrags über die Arzneimittelversorgung).210 bb) Weitere Auswahlkriterien Kommt die Abgabe eines rabattgünstigen Arzneimittels nicht in Betracht, muss der Apotheker gem. § 4 Abs. 4 des Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung eines der drei preisgünstigsten Arzneimittel aushändigen. Im Falle einer autidem Ersetzung ist er zudem befugt, das ärztlich verordnete Arzneimittel auszuhändigen. Zur Förderung unabhängiger Generika ist auch dieses Auswahlkriterium nicht geeignet. Im Regelfall werden autorisierte Generika nämlich zum selben Preis verkauft wie unabhängige Generika.211 Solange aber das autorisierte Generikum zu den drei günstigsten Generika gehört, belässt die Regelung den Apothekern einen hinreichenden Entscheidungsspielraum, um an der Aushändigung autorisierter Generika festzuhalten.

C. Zwischenergebnis Der Erfolg früher Marktzutritte beruht ökonomisch auf den Erstanbietervorteilen, die den Herstellern autorisierter Generika als den ersten am Markt tätigen Generikaherstellern zuteil werden. Ausdruck dieser Erstanbietervorteile sind die hohen Marktanteile autorisierter Generika im Zeitraum nach Patentablauf. Erstanbietervorteile sind keine Besonderheit des Arzneimittelsektors, sie erfahren auf Arznei209 Progenerika, Newsletter, 2. Ausgabe 2011, Nach dem Patentablauf nur noch Generika! Fragen an Prof. Dr. Gerd Glaeske, S. 5; vgl. auch Schweitzer/Becker, WRP 2012, 382 (385). 210 Siehe hierzu auch Schweitzer/Becker, WRP 2012, 382 (385 f.), die gegenüber dem Abschluss von Rabattverträgen vor Patentablauf kartellrechtliche Bedenken hegen. Vgl. auch Porstner, in: Sektoruntersuchung Pharma (2010), 3 (6, 12), nach dessen Einschätzung Rabattverträge dem generischen Wettbewerb gefährlich werden können. 211 Chen, VLR 2007, 459 (460 f.).

§ 3 Die Bedeutung des Marktzutrittszeitpunkts im Arzneimittelsektor

79

mittelmärkten jedoch eine besondere Ausprägung. Ursächlich hierfür sind neben der fehlenden Finanzierungsverantwortung der entscheidungstragenden Marktakteure und bestehenden Informationsunvollkommenheiten vor allem die mit der Umstellung von Patienten verbundenen Wechselkosten. Wechselkosten bestehen zunächst aus Sicht der Patienten, die neuen Arzneimitteln kritisch gegenüberstehen. Die Wechselkosten der Patienten wirken sich jedoch gleichzeitig auch als Wechselkosten der behandelnden Ärzte und Apotheken aus, weil die im Vorfeld einer Umstellung erforderliche Beratung und Überzeugung der Patienten nicht nur mühevoll, sondern auch zeitintensiv ist. Während in diesem Zusammenhang eine Umstellung von Originalpräparaten auf autorisierte Generika aufgrund der hiermit verbundenen Kosteneinsparungen im Regelfall noch eher akzeptiert und seitens der Ärzte vorangetrieben wird, stehen Patienten und Ärzte insbesondere weiteren, weniger kostenerheblichen Umstellungen auf nachfolgende Generika kritisch gegenüber.212 Die substitutionsfördernden Mechanismen des § 129 Abs. 1 S. 1 SGB V vermögen hieran nichts zu ändern, weil diese einzig auf eine finanzielle Entlastung der öffentlichen Sozialversicherungssysteme durch die Ersetzung von Originalpräparaten durch Generika, aber gerade nicht auf die Förderung von Wettbewerb zwischen Generikaherstellern abzielen. Frühe Marktzutritte stellen nach alledem eine Patentauslaufstrategie dar, mit der sich die Wechselkosten der Patienten und Ärzte und damit letztlich die nachfrageund angebotsseitig bestehenden Besonderheiten von Arzneimittelmärkten gezielt zur Abmilderung der mit Patentablauf einsetzenden Umsatz- und Gewinnverluste fruchtbar machen lassen.213 Frühe Marktzutritte tragen insoweit der außerordentlichen Bedeutung des Marktzutrittszeitpunkts im Arzneimittelsektor214 Rechnung.

212

Raasch/Schöffski, in: Schöffski/Fricke/Guminski, Pharmabetriebslehre2 (2008), S. 222; Hollis, Health Economics 2002, 723 (724); von Falck/Slopek/Thiermann, GRUR 2015, 1050 (1053); vgl. auch Berg/Köbele, PharmR 2009, 581 (589). 213 Vgl. auch Chen, VLR 2007, 459 (482 f.). 214 Vgl. Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 1032.

Kapitel 3

Kartellrechtliche Würdigung Das Kartellrecht dient dem Schutz des Wettbewerbs vor privat veranlassten Beschränkungen.1 Wettbewerbsbeschränkungen lassen sich systematisch in zwei Grundtypen unterscheiden.2 Das Kartellrecht wendet sich gegen Beschränkungen des Wettbewerbs durch „Maßnahme“ sowie gegen Wettbewerbsbeschränkungen durch „Zustand“.3 Der Begriff der „Maßnahme“ bezeichnet das Verhalten von Unternehmen am Markt; der Begriff „Zustand“ ist hingegen Ausdruck für die Struktur eines Marktes.4 Der Begriff der Marktstruktur wird verstanden als die Zusammensetzung und das Gefüge eines Marktes und umfasst je nach Weite der Definition eine Vielzahl von Einzelmerkmalen.5 Zu den wichtigsten Merkmalen der Marktstruktur zählen der absolute sowie der relative Konzentrationsgrad eines Marktes als Ausdruck für die Anzahl der dort tätigen Marktteilnehmer6 sowie die Höhe ihrer Marktanteile7.8 Marktverhalten und Marktstruktur stehen zueinander in Wechselwirkung.9 Sowohl die Betrachtung des Wettbewerbsgeschehens anhand von Marktstrukturen als auch dessen Betrachtung nach dem Marktverhalten von Unternehmen dient der Prüfung, ob die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs ernstlich gefährdet ist.10 Eine 1

Wiedemann, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008), § 1 Rn. 1. Schmidt, BB 1990, 719 (720). 3 Borchardt/Fikentscher, in: Fikentscher, Recht und wirtschaftliche Freiheit (1992), S. 89 (118); Mestmäcker, in: FS-Raisch (1995), S. 441 (453); Schmidt, BB 1990, 719 (720). 4 Schmidt, BB 1990, 719 (720). 5 Siehe hierzu Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 79 ff. 6 Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 2 (2012), Art. 3 FKVO Rn. 1. 7 Kommission, Erla¨ uterungen zu den Priorita¨ ten der Kommission bei der Anwendung von Artikel 82 des EG-Vertrags auf Fa¨ lle von Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen (nachfolgend: Prioritätenmitteilung), ABl. EU 2009/C 45/02, Rn. 13; dies., Das Problem der Unternehmenskonzentration im Gemeinsamen Markt v. 1. 12. 1965, SEK (65) 3500, WuW 1966, 330 (345). 8 Bartling, Leitbilder der Wettbewerbspolitik (1980), S. 21; Meessen, in: Loewenheim/ Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009), Einführung in das deutsche und europäische Kartellrecht Rn. 9; Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 80; Freitag, WuW 1971, 294 (297); vgl. auch Hoppmann, Fusionskontrolle (1972), S. 36, 41 f. 9 Ullrich, ZHR 137 (1973), 134 (154 f.); BGH, Beschl. v. 2. 12. 1980, KVR 1/80, WuW/E 1749 (1755) – Klöckner Becorit. 10 Ebda. 2

Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

81

strikte Trennung zwischen Marktverhalten und Marktstruktur ist kaum möglich.11 Wettbewerbsschädliches Marktverhalten fußt häufig, wie im Falle des Missbrauchs von Marktmacht, auf bestimmten Marktstrukturen.12 Umgekehrt beeinflusst wettbewerbsschädliches Marktverhalten regelmäßig auch die Struktur des jeweiligen Marktes.13 Der Mehrwert der Unterscheidung zwischen Marktverhalten und Marktstruktur liegt insoweit nicht in der materiell-rechtlichen Beurteilung von Wettbewerbsbeschränkungen, sondern vielmehr in der Möglichkeit zu deren Systematisierung und eindeutigen Zuordnung zu den zu ihrer Sanktionierung vorgesehenen kartellrechtlichen Instrumenten.14 Das europäische und deutsche Kartellrecht begegnet Wettbewerbsbeschränkungen mit den Instrumenten des Kartellverbots (§ 1 GWB, Art. 101 AEUV), der Missbrauchsaufsicht (§§ 19, 20 GWB, Art. 102 AEUV) und der Zusammenschlusskontrolle (§§ 35 ff. GWB, FKVO).15 Der Unterscheidung zwischen Marktstruktur und Marktverhalten entsprechend, lassen sich diese Instrumente als Instrumente der Marktverhaltenskontrolle einerseits sowie der Marktstrukturkontrolle andererseits begreifen.16 Die Instrumente des Kartellund des Missbrauchsverbots werden dabei grundsätzlich der Marktverhaltenskontrolle zugeordnet.17 Bei der Zusammenschlusskontrolle handelt es sich hingegen um ein Instrument der Strukturkontrolle.18 Die Instrumente unterscheiden sich insoweit nach ihrem Kontrollgegenstand.19 Gegenüber der Strategie früher Marktzutritte bestehen sowohl verhaltensbezogene als auch marktstrukturbezogene Bedenken. Unter dem Aspekt einer möglichen Behinderung generischer Wettbewerber wurden frühe Marktzutritte eingangs als möglicherweise kartellrechtswidriges Verhalten umschrieben. Unter dem Topos der Vorzeichnung zukünftiger Marktstrukturen wurden zudem Bedenken gegenüber den marktstrukturellen Wirkungen früher Marktzutritte geäußert. Die nachfolgende kartellrechtliche Würdigung unterzieht frühe Marktzutritte zunächst einer Überprüfung am Maßstab der auf die Kontrolle unternehmerischen Marktverhaltens 11

Vgl. Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 216. Vgl. Ullrich, ZHR 137 (1973), 134 (154). 13 Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 216. 14 Vgl. Mestmäcker, in: FS-Raisch (1995), S. 441 (453). 15 Baake/Kuchinke/Wey, WuW 2010, 502 (503). 16 Schmidt, BB 1990, 719 (720); Bechtold/Bosch, GWB8 (2015), Einführung Rn. 55; vgl. auch Bartling, Leitbilder der Wettbewerbspolitik (1980), S. 59 ff. 17 Stein, Der wettbewerblich erhebliche Einfluß (1994), S. 18; Ulshöfer, Kontrollerwerb (2003), S. 251 f.; Bechtold/Bosch, GWB8 (2015), Einführung Rn. 55 f.; Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 216, 245; Berg, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 102 AEUV Rn. 1; Ehlermann, WuW 1991, 535 (536); vgl. auch Wiedemann, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008), § 1 Rn. 1. 18 Paschke, Der Zusammenschlussbegriff (1989), S. 68; Ehlermann, WuW 1991, 535 (536); Karl, Der Zusammenschlussbegriff (1996), S. 46; Schmidt, BB 1990, 719 (720); Mestmäcker, in: FS-Raisch (1995), S. 441 (453); Wiedemann, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008), § 1 Rn. 1. 19 Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 83. 12

82

Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

ausgerichteten Instrumente der Missbrauchsaufsicht und des Kartellverbots. Im Anschluss werden frühe Marktzutritte einer Überprüfung am Maßstab der Zusammenschlusskontrolle sowie des Marktstrukturmissbrauchs unterzogen, die als Marktstrukturkontrolle ausgestaltet sind. Beiden Aspekten voraus geht ein Ausblick auf die kartellrechtliche Bewertung früher Marktzutritte in den USA.

§ 1 Die kartellrechtliche Bewertung früher Marktzutritte in den USA Die Strategie früher Marktzutritte hat in den USA bereits eine lange Tradition. Autorisierte Generika werden dort bereits seit Mitte der 1990er Jahre und in größerem Umfang seit dem Jahr 2003 vertrieben.20 Entsprechend umfangreich ist in den USA auch der Fundus an rechtlichen, rechtspolitischen und ökonomischen Argumenten, die im Schrifttum, in den Entscheidungen einiger Gerichte sowie in einer Untersuchung der FTC für und wider die kartellrechtliche Zulässigkeit früher Marktzutritte vorgetragen werden.21 In Ermangelung eines entsprechenden Meinungsstandes in Europa geht das vorliegende Kapitel der Frage nach, ob sich die in den USA vorgetragenen Argumente auch für die kartellrechtliche Bewertung früher Marktzutritte in Europa fruchtbar machen lassen. Die nachfolgenden Ausführungen folgen damit dem Ansatz der Kommission und großer Teile des kartellrechtlichen Schrifttums, die im Rahmen der dies- und jenseits des Atlantiks gleichermaßen verzögert geführten Diskussion um die Kartellrechtskonformität von Reverse Payment Settlements ebenfalls ein gesteigertes Interesse an der US-amerikanischen Rechtspraxis erkennen ließen.22 Die Diskussion um die Zulässigkeit früher Marktzutritte wird in den USA stark durch das dortige System der Arzneimittelzulassung bestimmt. Nachfolgend soll deshalb zunächst ein Überblick über die insoweit relevanten Aspekte des US-amerikanischen Zulassungssystems gewährt werden. Regelungen hierzu finden sich im Federal Food, Drug and Cosmetic Act. Im Anschluss hieran wird der bisherige Meinungsstand in den USA dargestellt und schließlich dessen Übertragbarkeit auf die kartellrechtliche Bewertung früher Marktzutritte in Europa untersucht.

20 Siehe die Nachweise in Fn. 49 (Einleitung). Auch in Kanada sind autorisierte Generika bereits auf fast jedem Arzneimittelmarkt vorhanden, Hollis, CPP 2003, 21 (21); vgl. auch ders., Health Economics 2002, 723 (731). 21 In die USA wird die Diskussion meist unter dem Stichwort der „authorized generics“ geführt. 22 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 780 ff.; Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 71. Aus der Literatur vgl. nur Picht, ZWeR 2014, 83; Choi/Den Uyl/ Hughes, JECLAP 2014, 44; Treacy/Hopson, JIPLP 2008, 622.

§ 1 Die kartellrechtliche Bewertung früher Marktzutritte in den USA

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A. Relevante Aspekte des US-amerikanischen Zulassungsrechts Der Vertrieb von Arzneimitteln unterliegt in den USA dem Vorbehalt einer arzneimittelrechtlichen Marktzulassung durch die Food and Drug Administration (FDA)23, einer dem US Department of Health and Human Services unterstellten Behörde mit Sitz in Rockville (Maryland). Die Erteilung der Marktzulassung erfolgt auf Antrag des Arzneimittelherstellers und erfordert den Nachweis der Wirksamkeit und Sicherheit des zuzulassenden Präparates. Hinsichtlich der Anforderungen, die im Rahmen dieses Nachweises an den Antragsteller gestellt werden, ist zwischen der Zulassung von Originalpräparaten und der Zulassung von Generika zu unterscheiden.24 Die Zulassung eines neuen Originalpräparates erfolgt im Wege einer sog. New Drug Application (NDA).25 Im Rahmen einer NDA muss der Originalpräparatehersteller die Wirksamkeit und Sicherheit seines Arzneimittels durch eigens durchgeführte, mitunter sowohl zeit- als auch kostenintensive vorklinische und klinische Studien nachweisen.26 Als Besonderheit des US-amerikanischen Zulassungsrechts muss der Zulassungsantrag des Originalpräparateherstellers darüber hinaus eine Auflistung sämtlicher für das Arzneimittel relevanter Patente enthalten.27 Nach Zulassung des Arzneimittels werden diese Patentinformationen zusammen mit dem Arzneimittel im sog. Orange Book (offiziell: Approved Drug Products with Therapeutic Equivalence Evaluations) veröffentlicht.28 Das Orange Book enthält somit eine Auflistung aller bislang durch die FDA zugelassener Arzneimittel29 und führt die eingereichten Patentinformationen jeweils in deren Anhang auf30. 23 Siehe 21 U.S.C. § 355(a). FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 2; Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (253); Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1564); Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (360). 24 Siehe hierzu Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 31 ff. 25 Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (361); Porter, JCHLP 2005, 177 (178); FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 2; United States District Court, District of Columbia, Urt. v. 23. 12. 2004, No. CIV.A.04-1416(RBW), 355 F. Supp. 2d 111 (113) – Teva Pharmaceuticals v. Food and Drug Administration. Der Stellung einer NDA gehen die Kommunikation zwischen Arzneimittelhersteller und FDA während der vorklinischen Forschungsphase sowie das Einreichen einer sog. Investigational New Drug Application (IND) voraus, siehe Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 31. 26 Avery, HLJ 2008, 171 (174). 27 Siehe 21 U.S.C. § 355(b)(1). Porter, JCHLP 2005, 177 (179); Chen, VLR 2007, 459 (464 f.); Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (361); Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 32, 160; US Supreme Court, Urt. v. 17. 6. 2013, Case No. 12-416, 133 S.Ct. 2223 (2228) – FTC v. Actavis Inc. 28 Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (361); Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1615). 29 Porter, JCHLP 2005, 177 (179); Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 32.

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

Die Wirksamkeit und Sicherheit eines zuzulassenden Generikums kann nach USamerikanischem Zulassungsrecht auf zwei grundsätzlich unterschiedlichen Wegen nachgewiesen werden. Ein Generikahersteller kann der FDA zu diesem Zweck ebenfalls eigene vorklinische und klinische Studien vorlegen.31 Alternativ kann sich der Antragsteller hierzu aber auch die entsprechenden Studien und Daten Dritter zunutze machen. Dies ist zunächst im Wege einer sog. konsensualen Zulassung möglich.32 In diesem Fall legt der Antragsteller der FDA keine eigenen Wirksamkeits- und Sicherheitsstudien vor, sondern nimmt mit Zustimmung des Inhabers einer Referenzzulassung auf die im Rahmen dieser Referenzzulassung durchgeführten Studien Bezug.33 Daneben besteht die Möglichkeit einer sog. bibliografischen Zulassung34, bei welcher der Antragsteller die Wirksamkeit und Sicherheit seines Präparats zwar ebenfalls durch Studien nachweist, hierzu allerdings nicht auf eigens durchgeführte, sondern vielmehr auf anderweitig veröffentlichte Studien und Daten zurückgreift.35 Seit Verabschiedung des als Hatch-Waxman Act bekannten36 Drug Price Competition and Patent Term Restauration Acts im Jahre 198437 steht einem Generikahersteller schließlich auch der Weg über eine sog. Abbreviated New Drug Application (ANDA) offen.38 Die Möglichkeit der ANDA-Zulassung hat das Zulassungsverfahren für Generika in den USA erheblich verkürzt und damit einen wichtigen Beitrag zur Förderung des Generikawettbewerbs geleistet39. Im Rahmen einer ANDA verzichtet der Antragsteller vollständig auf den Nachweis der Wirksamkeit und Sicherheit seines Arzneimittels und verweist stattdessen in dieser Hinsicht auf die Zulassungsunterlagen eines Referenzarzneimittels (eines Originalpräparates)40. In Abgrenzung zur bibliographischen Zulassung erschöpfen sich die Angaben des Antragstellers bei dieser Zulassungsform in dem Verweis, dass der 30

Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 161. Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 33. 32 Ebda. 33 Ebda. 34 Siehe 21 U.S.C. § 355(b)(2). Diese Zulassungsform wird inoffiziell auch als „paper NDA“ bezeichnet. 35 Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 33. 36 Gassner, GRUR Int 2005, 541 (541). 37 Siehe hierzu Avery, HLJ 2008, 171 (175 ff.); Reich, GRUR Int 1986, 765. Zu den Neuerungen des Hatch-Waxman Acts gehörte auch die Schaffung einer „experimental use exemption“. Hiernach stellen Laborversuche im Vorfeld von arzneimittelrechtlichen Zulassungsanträgen keine Patentverletzungshandlungen dar, Avery, HLJ 2008, 171 (176). 38 Chen, VLR 2007, 459 (463); Berndt/Mortimer/Bhattacharjya/Parece/Tuttle, Health Affairs 2007, 790 (790 f.); Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (253); Avery, HLJ 2008, 171 (175); Porter, JCHLP 2005, 177 (179); Saha/Grabowski/Birnbaum/Greenberg/Bizan, IJEB 2006, 15 (16); Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 56. 39 Vgl. nur Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1567); Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (366 f.); Picht, ZWeR 2014, 83 (86) m.w.N. 40 Porter, JCHLP 2005, 177 (179); Chen, VLR 2007, 459 (464); FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 2 f.; United States Court of Appeals, Fourth Circuit, Urt. v. 5. 7. 2006, Case No. 05-2160, 454 F.3d 270 (272) – Mylan Pharmaceuticals v. Food and Drug Administration. 31

§ 1 Die kartellrechtliche Bewertung früher Marktzutritte in den USA

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Nachweis der Wirksamkeit und Sicherheit des Präparates bereits im Rahmen der Referenzzulassung erbracht wurde. Im Gegensatz zur konsensualen Zulassung ist die Zustimmung des Inhabers der Referenzzulassung nicht erforderlich. Der Antragsteller muss im Rahmen einer ANDA lediglich nachweisen, dass sein Generikum und das Referenzarzneimittel dieselben aktiven Wirkstoffe41 enthalten und bioäquivalent42 sind.43 I. Paragraph IV Certifications Als Kehrseite der Pflicht der Originalpräparatehersteller, im Rahmen von NDAZulassungen auch die für das Arzneimittel relevanten Patente anzugeben, sind Generikahersteller im Rahmen der ANDA-Zulassung überdies zur Einreichung sog. Patent Certifications verpflichtet44. Aus diesen geht hervor, dass die Patente des Referenzarzneimittels durch den Vertrieb des zuzulassenden Generikums nicht verletzt werden.45 Der Antragsteller muss hierzu auf die im Orange Book veröffentlichten Patentinformationen des Referenzarzneimittels Bezug nehmen und angeben, dass zu dem jeweiligen Referenzarzneimittel keine Patentinformationen vorliegen (I), dessen Patent bereits abgelaufen ist (II) oder aber noch vor Zulassung des Generikums ablaufen wird (III). Nicht zuletzt kann der Antragsteller angeben, das Patent des Originalpräparates sei ungültig oder werde durch den Vertrieb des zuzulassenden Generikums nicht verletzt (IV).46 Insbesondere aus dieser Variante der Patent Certification, welche, der Nummerierung der gesetzlichen Regelung entsprechend, als „Paragraph IV Certification“ bezeichnet wird47, erwächst zwischen den betroffenen Generika- und Originalpräparateherstellern ein besonderes Konfliktpotential. Schließlich signalisiert der Generikahersteller dem Originalpräpara-

41

Chen, VLR 2007, 459 (463); Avery, HLJ 2008, 171 (175 f.). Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1565); Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (363); Rebman, JHCL 2009, 159 (163); Saha/Grabowski/Birnbaum/Greenberg/Bizan, IJEB 2006, 15 (16). 43 Siehe 21 U.S.C. § 355(j)(2)(A)(ii) und (iv). US Supreme Court, Urt. v. 17. 6. 2013, Case No. 12-416, 133 S.Ct. 2223 (2228) – FTC v. Actavis Inc.; siehe hierzu auch in und bei Fn. 32 ff. (Einleitung). 44 Vgl. 21 U.S.C. § 355(j)(2)(A)(vii). Avery, HLJ 2008, 171 (176); Chen, VLR 2007, 459 (465); Rebman, JHCL 2009, 159 (164 f.); Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 161; Reich, GRUR Int 1986, 765 (769). 45 US Supreme Court, Urt. v. 17. 6. 2013, Case No. 12-416, 133 S.Ct. 2223 (2228) – FTC v. Actavis Inc. 46 21 U.S.C. § 355(j)(2)(A)(vii)(IV); siehe auch US Supreme Court, Urt. v. 17. 6. 2013, Case No. 12-416, 133 S.Ct. 2223 (2224) – FTC v. Actavis Inc.; Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1565); Gassner, A&R 2010, 3 (4); FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 3. 47 Porter, JCHLP 2005, 177 (185); Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (364). 42

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

tehersteller hiermit, den Markt noch vor Ablauf des Patents des Originalpräparates betreten zu wollen.48 An die Einreichung einer Paragraph IV Certification knüpft das US-amerikanische Zulassungsrecht eine Reihe besonderer Rechtsfolgen: Nachdem der Antragsteller den betroffenen Originalpräparatehersteller pflichtgemäß über die Einreichung der Paragraph IV Certification benachrichtigt hat49, kann der Originalpräparatehersteller binnen 45 Tagen Patentverletzungsklage gegen den Antragsteller erheben50. Da die Einreichung eines Zulassungsantrags als zulassungsbezogene Handlung gem. 35 U.S.C. § 271(e)(1) des Patent Acts grundsätzlich keine Patentverletzungshandlung darstellt, fingiert51 35 U.S.C. § 271(e)(2)(A) zu diesem Zwecke das Vorliegen einer Patentverletzung.52 Verzichtet der Originalpräparatehersteller auf die Erhebung einer Patentverletzungsklage, darf die FDA das Generikum zulassen. Umgekehrt resultiert für die FDA aus der Erhebung einer Patentverletzungsklage die Pflicht, die Zulassung des Generikums zu verzögern. Eine Zulassung des Generikums kommt für diesen Fall erst mit Ablauf einer 30-monatigen Sperrfrist53 ab Erhalt der Benachrichtigung über die Paragraph IV Certification in Betracht, oder aber, sobald die Nichtigkeit oder Nichtverletzung des Patents gerichtlich festgestellt wird oder das Patent ausläuft.54 Da ein Patentverletzungsprozess in den USA selten weniger als 30 Monate andauert55, kommt diese Sperrfrist praktisch einer automatischen 30-monatigen Zulassungsverzögerung gleich.56 Aus Sicht der Ori48 Vgl. Chen, VLR 2007, 459 (465); United States Court of Appeals, Fourth Circuit, Urt. v. 5. 7. 2006, Case No. 05-2160, 454 F.3d 270 (272) – Mylan Pharmaceuticals v. Food and Drug Administration. 49 Porter, JCHLP 2005, 177 (185 f.); Gassner, A&R 2010, 3 (4); United States District Court, District of Columbia, Urt. v. 23. 12. 2004, No. CIV.A.04-1416(RBW), 355 F. Supp. 2d 111 (113) – Teva Pharmaceuticals v. Food and Drug Administration. 50 Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 56; Drexl, in: Sektoruntersuchung Pharma (2010), 13 (19); Porter, JCHLP 2005, 177 (186); Treacy/Hopson, JIPLP 2008, 622 (623). 51 Avery, HLJ 2008, 171 (177); Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (366); US Supreme Court, Urt. v. 17. 6. 2013, Case No. 12-416, 133 S.Ct. 2223 (2228) – FTC v. Actavis Inc. 52 Drexl, in: Sektoruntersuchung Pharma (2010), 13 (19); vgl. auch Picht, ZWeR 2014, 83 (85). 53 Picht, ZWeR 2014, 83 (85 f.); Peritz, IIC 2009, 499 (500). 54 Siehe 21 U.S.C. § 355(j)(5)(B)(iii). Chen, VLR 2007, 459 (465); Avery, HLJ 2008, 171 (177); FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 3; Gassner, A&R 2010, 3 (4); vgl. auch US Supreme Court, Urt. v. 17. 6. 2013, Case No. 12-416, 133 S.Ct. 2223 (2228) – FTC v. Actavis Inc. Nachdem zunächst ein missbräuchlicher Umgang mit der 30-monatigen Sperrfrist seitens der Originalpräparatehersteller zu beobachten war, kann die Sperrfrist seit dem Medicare Prescription Drug, Improvement, and Modernization Act aus dem Jahr 2003 nur noch einmalig ausgelöst werden, hierzu Avery, HLJ 2008, 171 (184 f.); Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (373). 55 Vgl. Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1608). 56 Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 162 f. m.w.N.; ähnlich auch Drexl, in: Sektoruntersuchung Pharma (2010), 13 (19).

§ 1 Die kartellrechtliche Bewertung früher Marktzutritte in den USA

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ginalpräparatehersteller hat sie die Wirkung einer einstweiligen Unterlassungsverfügung57, für die der Originalpräparatehersteller jedoch keine weitergehenden Angaben, wie etwa zur Dringlichkeit oder zu dem erwarteten Schaden, machen muss.58 II. Exklusivitätsfrist für ANDA-Antragsteller Die Einreichung von ANDA IV-Zulassungsanträgen bietet Generikaherstellern nach alledem zwar die Möglichkeit, Arzneimittelmärkte bereits vor Patentablauf und ohne Durchführung kostenintensiver vorklinischer und klinischer Studien betreten zu können. Gleichzeitig setzen sich Generikahersteller hiermit aber auch erheblichen rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken aus. Der Möglichkeit zu einem vorzeitigen Marktzutritt steht das Privileg der Originalpräparatehersteller gegenüber, unter der Fiktion der Patentverletzungshandlung gem. 35 U.S.C. § 271(e)(2)(A) und damit unter erleichterten Voraussetzungen Patentverletzungsklage erheben zu können. Paragraph IV Certifications sind für Generikahersteller deshalb einerseits mit dem erhöhten Risiko kostenträchtiger Patentverletzungsprozesse59 und folglich mit dem Risiko einer 30-monatigen Zulassungsverzögerung60 verbunden. Andererseits besteht für die Generikahersteller stets auch das Problem möglicher Trittbrettfahrer. Selbst wenn der Generikahersteller nämlich im Patentverletzungsprozess obsiegt, kommt die Nichtigerklärung des Patents nicht nur ihm als Antragsteller zugute. Vielmehr kann im Nachgang an die Nichtigerklärung des Patents auch jeder weitere Generikahersteller den Markt betreten, und zwar ohne zuvor die mit der Einreichung der Paragraph IV Certification verbundenen Risiken getragen zu haben.61 Um für Generikahersteller entgegen dieser Risiken Anreize zu schaffen, Originalpräparatepatente durch frühzeitige Zulassungsanträge anzugreifen62, gewährt das 57

Avery, HLJ 2008, 171 (189). Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1608); Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 162. 59 Porter, JCHLP 2005, 177 (188); Teva Pharmaceuticals USA, Citizen Petition v. 9. 6. 2004, S. 5; FDA, Antwort auf die Citizen Petitions von Mylan Pharmaceuticals und Teva Pharmaceuticals USA v. 2. 7. 2004, S. 12; United States District Court, District of Columbia, Urt. v. 23. 12. 2004, No. CIV.A.04-1416(RBW), 355 F. Supp. 2d 111 (114) – Teva Pharmaceuticals v. Food and Drug Administration; vgl. auch Picht, ZWeR 2014, 83 (86), nach dem die 30-monatige Sperrfrist für Originalpräparatehersteller besondere Anreize zur Erhebung einer Patentverletzungsklage setzt. 60 Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 327 f. 61 Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1605); Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 328. 62 Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 328, 387; Rebman, JHCL 2009, 159 (166); United States Court of Appeals, Fourth Circuit, Urt. v. 5. 7. 2006, Case No. 05-2160, 454 F.3d 270 (273) – Mylan Pharmaceuticals v. Food and Drug Administration; vgl. auch Avery, HLJ 2008, 171 (178); Porter, JCHLP 2005, 177 (187); Un58

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

US-amerikanische Zulassungsrecht dem ersten erfolgreichen Paragraph IV-Antragsteller eine 180 Tage andauernde Exklusivitätsfrist63. Während dieser Frist darf die FDA keine weiteren ANDA-Zulassungsanträge genehmigen64, sodass sich der Antragsteller zwar stets dem Wettbewerbsdruck durch das Originalpräparat ausgesetzt sieht, vom Wettbewerb durch nachfolgende Generikahersteller grundsätzlich jedoch abgeschirmt wird. Die Exklusivitätsfrist beginnt im Regelfall mit dem Erstverkauf des Generikums („first commercial marketing“)65 und steht unter dem Vorbehalt verschiedener Verfallstatbestände66. Ihr Wert für Generikahersteller wird in den USA mit mehreren hundert Millionen US-Dollar beziffert.67 In der Diskussion um die Zulässigkeit früher Marktzutritte nimmt die Exklusivitätsfrist des ersten Paragraph IV-Antragstellers eine entscheidende Rolle ein.

B. Meinungsstand zur Zulässigkeit autorisierter Generika Die Strategie früher Marktzutritte hat in den USA seit dem Jahr 2003 an Relevanz gewonnen.68 Seit diesem Zeitpunkt ist zu beobachten, dass Originalpräparatehersteller auf Niederlagen in Paragraph IV-Patentprozessen verstärkt mit der Einführung autorisierter Generika reagieren.69 Dies führt dazu, dass sich Generikahersteller regelmäßig bereits während der Exklusivitätsfrist nicht nur, wie üblich, dem Wettderstahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (365); Chen, VLR 2007, 459 (461, 465); Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1605). 63 Siehe 21 U.S.C. § 355(j)(5)(B)(iv)(I). Picht, ZWeR 2014, 83 (86); ders., E.C.L.R. 2013, 523 (523); Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 56; Gassner, A&R 2010, 3 (4); Drexl, in: Sektoruntersuchung Pharma (2010), 13 (18); Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 1; Peritz, IIC 2009, 499 (500); Avery, HLJ 2008, 171 (178); Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (262); Chen, VLR 2007, 459 (461); Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1560); Porter, JCHLP 2005, 177 (180); US Supreme Court, Urt. v. 17. 6. 2013, Case No. 12-416, 133 S.Ct. 2223 (2228 f.) – FTC v. Actavis Inc.; FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 3. 64 Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 326 f.; Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 76; Avery, HLJ 2008, 171 (178); Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1578). 65 Picht, ZWeR 2014, 83 (86); Porter, JCHLP 2005, 177 (180, 198). Als „first commercial marketing“ wird seit dem Medicare Prescription Drug, Improvement, and Modernization Act aus dem Jahr 2003 auch der Vertrieb des Generikums unter der NDA-Zulassung des Originalpräparates erfasst, womit entsprechenden Settlement-Vereinbarungen zwischen Originalpräparate- und Generikaherstellern Rechnung getragen werden sollte, siehe Porter, JCHLP 2005, 177 (191 f.). 66 Gassner, A&R 2010, 3 (4); Avery, HLJ 2008, 171 (185 f.); Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (372 f.); Porter, JCHLP 2005, 177 (193 f.) Diese Verfallstatbestände wurden größtenteils durch den Medicare Prescription Drug, Improvement, and Modernization Act eingeführt, ders., JCHLP 2005, 177 (193). 67 Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1579). 68 Siehe in und bei Fn. 49 (Einleitung). 69 Vgl. Chen, VLR 2007, 459 (494).

§ 1 Die kartellrechtliche Bewertung früher Marktzutritte in den USA

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bewerbsdruck durch das Originalpräparat, sondern auch dem Wettbewerbsdruck durch ein autorisiertes Generikum ausgesetzt sehen. Die Regelung der Exklusivitätsfrist steht der Einführung autorisierter Generika dabei nicht entgegen.70 Nach deren Wortlaut ist die FDA lediglich verpflichtet, bis zum Ablauf von 180 Tagen keine weitere ANDA-Zulassung zu genehmigen.71 Autorisierte Generika beruhen indes gerade nicht auf neuen ANDA-Zulassungen, sondern vielmehr auf den bereits genehmigten NDA-Zulassungen der entsprechenden Originalpräparate.72 Eine gesetzgeberische Klarstellung dahingehend, dass die Exklusivitätsfrist auch der Einführung autorisierter Generika entgegensteht, wurde bislang nicht vorgenommen. Zwar beseitigte der Medicare Prescription Drug, Improvement, and Modernization Act aus dem Jahr 2003 zahlreiche bis dato aufgetretene „Schlupflöcher“ des Hatch-Waxman Acts. Unterbunden wurden hierbei insbesondere auch einige Missbrauchsfälle im Zusammenhang mit den Regelungen zur Exklusivitätsfrist.73 Die Möglichkeit zur Einführung autorisierter Generika während der Exklusivitätsfrist aber blieb unangetastet. Ob hieraus der Schluss zu ziehen ist, der US-amerikanische Gesetzgeber billige die Einführung autorisierter Generika während der Exklusivitätsfrist, wird in den USA unterschiedlich beurteilt.74 Denkbar erscheint, das Schweigen des Medicare Prescription Drug, Improvement, and Modernization Acts in dieser Hinsicht darauf zurückzuführen, dass dem USGesetzgeber die Dringlichkeit der Problematik zum damaligen Zeitpunkt nicht bewusst war. In der Tat traten autorisierte Generika in den USA in größerem Umfang erst nach den legislatorischen Neuerungen des Jahres 2003 auf.75 Bei der Einführung autorisierter Generika handelte es sich allerdings auch bereits vor der Novellierung des Hatch-Waxman Acts um keine unbekannte Taktik.76 Mehr spricht insoweit dafür, dass der US-amerikanische Gesetzgeber in dieser Hinsicht bewusst keine Regelung schaffen wollte und die Einführung autorisierter Generika während der Exklusivitätsfrist des ersten Paragraph IV-Antragstellers in der Tat billigt. 70

Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (262); Porter, JCHLP 2005, 177 (207); Avery, HLJ 2008, 171 (196). 71 Siehe 21 U.S.C. § 355(j)(5)(B)(iv)(I): „[…] if the application contains a certification described in [paragraph IV] and is for a drug for which a first applicant has submitted an application containing such a certification, the application shall be made effective on the date that is 180 days after the date of the first commercial marketing of the drug (including the commercial marketing of the listed drug) by any first applicant“. Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (375); Avery, HLJ 2008, 171 (182, 196). 72 Berndt/Mortimer/Bhattacharjya/Parece/Tuttle, Health Affairs 2007, 790 (791); FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 4, 15; Morse/Coe, Legal Times v. 10. 4. 2006. 73 Siehe hierzu Porter, JCHLP 2005, 177 (189 ff.). 74 Die Billigung durch den US-amerikanischen Gesetzgeber bejahend Porter, JCHLP 2005, 177 (204); kritisch Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (382 f.). 75 Siehe in und bei Fn. 49 (Einleitung). 76 Berndt/Mortimer/Bhattacharjya/Parece/Tuttle, Health Affairs 2007, 790 (791); vgl. auch United States District Court, District of Columbia, Urt. v. 23. 12. 2004, No. CIV.A.04-1416 (RBW), 355 F. Supp. 2d 111 (118) – Teva Pharmaceuticals v. Food and Drug Administration.

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

I. Verwaltungspraxis der FDA und Rechtsprechung US-amerikanischer Gerichte Die FDA lässt autorisierte Generika in ständiger Verwaltungspraxis auch während der Exklusivitätsfrist des ersten ANDA-Antragstellers zu.77 Auf die hiergegen von Generikaherstellern erhobenen Beschwerden entgegnete die FDA in der Vergangenheit, sie sei für die Regulierung wettbewerbsrechtlicher Angelegenheiten ohne Bezug zur öffentlichen Gesundheit weder zuständig noch verfüge sie angesichts des eindeutigen Wortlauts des 21 U.S.C. § 355(j)(5)(B)(iv)(I) über eine rechtliche Grundlage, um gegen autorisierte Generika vorzugehen.78 Die Einführung autorisierter Generika befinde sich darüber hinaus im Einklang mit der Zielsetzung des Hatch-Waxman Acts, da sie bereits während der Exklusivitätsfrist zu mehr Wettbewerb auf Arzneimittelmärkten führe.79 In der US-amerikanischen Rechtsprechung stieß diese Haltung der FDA wiederholt auf Zustimmung.80 In der Entscheidung Teva Pharmaceuticals v. FDA urteilte der United States District Court for the District of Columbia, der Wortlaut des 21 U.S.C. § 355(j)(5)(B)(iv)(I) sei eindeutig und ermögliche es der FDA lediglich, spätere ANDA-Zulassungen zu verzögern.81 Auf autorisierte Generika, die auf den NDA-Zulassungen der entsprechenden Originalpräparate beruhen, sei die Frist insoweit nicht anzuwenden.82 Bestätigt wurde diese Entscheidung schließlich vom Court of Appeals, District of Columbia Circuit.83 Auch der Court of Appeals für das Fourth Circuit schloss sich dem in der Entscheidung Mylan Pharmceuticals v. FDA an. Zwar, so das Gericht, schmälere die Einführung autorisierter Generika zweifelsohne den wirtschaftlichen Wert der Exklusivitätsfrist für den ersten Paragraph IV-Antragsteller, § 21 U.S.C. 355 (j)(5)(B)(iv)(I) biete jedoch gleichwohl keine rechtliche Grundlage, um die Einführung autorisierter Generika zu verzögern.84 77 FDA, Antwort auf die Citizen Petitions von Mylan Pharmaceuticals und Teva Pharmaceuticals USA v. 2. 7. 2004, S. 13; FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 13; Avery, HLJ 2008, 171 (196); Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (359). 78 FDA, Antwort auf die Citizen Petitions von Mylan Pharmaceuticals und Teva Pharmaceuticals USA v. 2. 7. 2004, S. 2 ff.; zustimmend Porter, JCHLP 2005, 177 (202 f.); kritisch Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (383 ff.). 79 FDA, Antwort auf die Citizen Petitions von Mylan Pharmaceuticals und Teva Pharmaceuticals USA v. 2. 7. 2004, S. 11 f.; zur Zielsetzung des Hatch-Waxman Acts vgl. auch Rebman, JHCL 2009, 159 (166); kritisch Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (385 ff.). 80 Vgl. Rebman, JHCL 2009, 159 (169 ff.); FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 4, 13; Morse/Coe, Legal Times v. 10. 4. 2006. 81 United States District Court for the District of Columbia, Urt. v. 23. 12. 2004, No. CIV.A.04-1416(RBW), 355 F. Supp. 2d 111 (117 f.) – Teva Pharmaceuticals v. Food and Drug Administration. 82 Ebda. 83 United States Court of Appeals, District of Columbia Circuit, Urt. v. 3. 6. 2005, No. 055004, 410 F.3d 51 (55) – Teva Pharmaceuticals v. Food and Drug Administration. 84 United States Court of Appeals, Fourth Circuit, Urt. v. 5. 7. 2006, Case No. 05-2160, 454 F.3d 270 (276 f.) – Mylan Pharmaceuticals v. Food and Drug Administration.

§ 1 Die kartellrechtliche Bewertung früher Marktzutritte in den USA

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II. Standpunkte im US-amerikanischen Schrifttum Im US-amerikanischen Schrifttum wird die Zulässigkeit früher Marktzutritte unterschiedlich beurteilt. Einige Autoren halten die Einführung autorisierter Generika kartellrechtlich für zulässig. Die Einführung autorisierter Generika stelle angesichts der regulatorischen Rahmenbedingungen, die auf die Substitution von Originalpräparaten durch Generika abzielten, für Originalpräparatehersteller die einzige Möglichkeit dar, um mit Generikaherstellern in Wettbewerb zu treten und die mit Patentablauf drohenden Umsatzeinbußen abzufangen.85 Die Möglichkeit zur Einführung autorisierter Generika diene der Amortisierung der Forschungs- und Entwicklungskosten der Originalpräparatehersteller und setze damit Anreize zu Innovation.86 Vor allem aber seien autorisierte Generika auch deshalb nicht kartellrechtswidrig, weil sie die Arzneimittelpreise während der Exklusivitätsfrist um bis zu 50 % senkten und damit das Verbraucherwohl förderten.87 Der Großteil der Literaturstimmen hegt gegenüber der kartellrechtlichen Zulässigkeit früher Marktzutritte hingegen Bedenken. Übereinstimmend qualifizieren Liang, Balto und Chen die Einführung autorisierter Generika als eine Maßnahme zur Verdrängung potentieller Wettbewerber.88 Liang zieht hierzu eine Parallele zur Fallgruppe der Kampfpreise in Vernichtungsabsicht.89 Im Wege des Vertriebs eines preisgünstigeren autorisierten Generikums verzichte der Originalpräparatehersteller auf seine Monopolrente, um den Marktzutritt für unabhängige Generikahersteller unattraktiv zu gestalten.90 Zur Abschreckung unabhängiger Generikahersteller nehme der Originalpräparatehersteller insoweit bewusst Gewinneinbußen in Kauf, um langfristig erneut höhere Preise verlangen zu können.91 Nach Balto verhindern autorisierte Generika die Durchdringung von Arzneimittelmärkten durch Generikahersteller, indem ein Großteil des Marktes bereits vor dem potentiellen Marktzutritt durch Generikahersteller besetzt wird.92 Den Versuch, Monopolprofite durch das regulatorische System zu sichern, beschreibt er als die möglicherweise schädlichste Form wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens.93 Chen ordnet die Einführung autorisierter Generika demgegenüber der kartellrechtlichen Fallgruppe des Marktmachttransfers zu.94 Unter Ausnutzung der bestehenden Informationsunvollkom85

Morse/Coe, Legal Times v. 10. 4. 2006. Rebman, JHCL 2009, 159 (183 f.). 87 Morse/Coe, Legal Times v. 10. 4. 2006 [„the suggestion that their introduction somehow violates antitrust law is baseless“]; Rebman, JHCL 2009, 159 (186 f.). 88 Liang, ABX 1996, 599 (611 ff.); Balto, Legal Times v. 20. 3. 2006; Chen, VLR 2007, 459 (483). 89 Liang, ABX 1996, 599 (611 ff.); vgl. auch Balto, Legal Times v. 20. 3. 2006. 90 Ebda. 91 Ebda. 92 Balto, Legal Times v. 20. 3. 2006. 93 Ebda. 94 Chen, VLR 2007, 459 (491). 86

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

menheiten und Unsicherheiten auf Seiten der verschreibenden Ärzte und Patienten schränkten autorisierte Generika, die mit Originalpräparaten chemisch identisch sind, den Absatz lediglich bioäquivalenter unabhängiger Generika ein.95 Gleichzeitig erhöhten sie die werbebedingten Kosten für unabhängige Generikahersteller.96 Im Ergebnis transferierten Originalpräparatehersteller durch autorisierte Generika ihre Marktmacht in das generische Marktsegment, um Generikahersteller abzuschrecken und damit den Monopolverlust beim Originalpräparat zu verhindern (sog. defensiver Marktmachttransfer).97 Andere leiten die Kartellrechtswidrigkeit aus einem Widerspruch zur Exklusivitätsfrist des ersten Paragraph IV-Antragstellers ab.98 Von Generikaherstellern wird in diesem Zusammenhang vorgetragen, autorisierte Generika, die unter den NDAZulassungen der Originalpräparatehersteller vertrieben werden, seien mit gewöhnlichen Generika auf Grundlage von ANDA-Zulassungen gleichzusetzen; bereits aus diesem Grund sei ihr Vertrieb während der Exklusivitätsfrist unzulässig.99 Darüber hinaus vermindere die Einführung autorisierter Generika die Anreize für unabhängige Generikahersteller, Originalpräparatepatente durch frühzeitige Paragraph IV Certifications anzugreifen, und widerspreche daher der Intention des Hatch-Waxman Acts.100 Autorisierte Generika seien aus diesem Grund auch mit den Vorschriften des Kartellrechts nicht zu vereinbaren. Die Einführung autorisierter Generika wirke für unabhängige Generikahersteller als Marktzutrittsschranke und werde von Originalpräparateherstellern genutzt, um Generikahersteller für die Entwicklung und den Vertrieb von Konkurrenzprodukten zu bestrafen.101 Hierdurch würden Arzneimittelmärkte monopolisiert.102 Weite Teile der Literatur haben sich dieser Auffassung der Generikahersteller angeschlossen. Die Einführung autorisierter Generika, so die gleichlaufende Argumentation in der Literatur, schrecke vor Angriffen auf Originalpräparatepatente durch Paragraph IV-Zulassungsanträge ab103 und beschränke damit langfristig den Wettbewerb.104 95

Chen, VLR 2007, 459 (483 f.). Chen, VLR 2007, 459 (484). 97 Chen, VLR 2007, 459 (492 ff.). 98 Vgl. Rebman, JHCL 2009, 159 (168 f.). 99 Mylan Pharmaceuticals Inc, Citizen Petition v. 17. 2. 2004, S. 1. Siehe hierzu auch Porter, JCHLP 2005, 177 (199 ff.); Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (375 f.). 100 United States District Court, District of Columbia, Urt. v. 23. 12. 2004, No. CIV.A.041416(RBW), 355 F. Supp. 2d 111 (115, 118) – Teva Pharmaceuticals v. Food and Drug Administration; Teva Pharmaceuticals USA, Citizen Petition v. 9. 6. 2004, S. 2, 4, 6 f.; Avery, HLJ 2008, 171 (197); vgl. auch Mylan Pharmaceuticals Inc, Citizen Petition v. 17. 2. 2004, S. 1 f. AA FDA, Antwort auf die Citizen Petitions von Mylan Pharmaceuticals und Teva Pharmaceuticals USA v. 2. 7. 2004, S. 11 f.; kritisch auch Porter, JCHLP 2005, 177 (204 f.). 101 FDA Week v. 19. 11. 2004, Mylan Sues Over Authorized Generics Citing Antitrust Violations. 102 Ebda. 103 Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (379); vgl. auch Avery, HLJ 2008, 171 (183, 196). 96

§ 1 Die kartellrechtliche Bewertung früher Marktzutritte in den USA

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Hemphill äußert sich hingegen zurückhaltender und stellt die Kartellrechtswidrigkeit autorisierter Generika unter den Vorbehalt, dass hiervon tatsächlich Abschreckungseffekte gegenüber der Stellung von Paragraph IV-Anträgen ausgehen.105 Er trägt damit dem Umstand Rechnung, dass in der Frage der von autorisierten Generika ausgehenden Abschreckungswirkung in den USA bislang in der Tat noch keine Einigkeit erzielt wurde. Von ökonomischer Seite wird dieser Abschreckungswirkung in den USA überwiegend widersprochen. Nach Bernd et al. reduzieren autorisierte Generika zwar die Gewinne der ersten Paragraph IV-Antragsteller während der Exklusivitätsfrist; die zu erwartenden Gewinne seien allerdings immer noch ausreichend, um die Kosten des Patentangriffs zu kompensieren.106 Dass autorisierte Generika andere Generikahersteller von der Einreichung von Paragraph IV Certifications abschreckten, sei daher unwahrscheinlich107 und werde im Übrigen bislang auch empirisch nicht belegt108. Aus den bisherigen Untersuchungen in diese Richtung gehe vielmehr hervor, dass die Anzahl an Paragraph IV Certifications ungeachtet der Einführung autorisierter Generika hoch bleibe.109 Reiffen und Ward sprechen der Einführung autorisierter Generika demgegenüber zwar einen Abschreckungseffekt gegenüber nachfolgenden Generikaherstellern zu110, betrachten die Einführung autorisierter Generika jedoch allenfalls auf kleinen Arzneimittelmärkten als bedenklich111. III. Standpunkt der Federal Trade Commission Zu einer ganz ähnlichen Einschätzung gelangte schließlich auch die FTC, die sich im Rahmen einer umfangreichen Untersuchung aus dem Jahre 2011 mit den kurzund langfristigen Auswirkungen autorisierter Generika befasste.112 Die Untersu104 Leibowitz, Vortrag v. 12. 5. 2005, S. 10; Porter, JCHLP 2005, 177 (205 ff.). AA Morse/ Coe, Legal Times v. 10. 4. 2006; FDA, Antwort auf die Citizen Petitions von Mylan Pharmaceuticals und Teva Pharmaceuticals USA v. 2. 7. 2004, S. 13, nach deren Argumentation ein abschreckender Effekt nicht zu belegen sei, weil auch andere Generikahersteller im Wissen, dass für sie keine Exklusivitätsfrist mehr in Betracht kommt, Paragraph IV Certifications einreichten; so auch Rebman, JHCL 2009, 159 (180 ff.). Fackelmann plädiert im Ergebnis ebenfalls für ein Verbot autorisierter Generika und verortet dieses Verbot in der Sphäre des Kartellrechts, Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 551 f. 105 Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1622). 106 Berndt/Mortimer/Bhattacharjya/Parece/Tuttle, Health Affairs 2007, 790 (793). Die Untersuchung beruht auf Daten aus dem Zeitraum 1999 bis 2003; in den Blick genommen wurde die Einführung autorisierter Generika zwischen 2003 und 2004. Siehe hierzu auch FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 5; Rebman, JHCL 2009, 159 (189 f.). 107 Berndt/Mortimer/Bhattacharjya/Parece/Tuttle, Health Affairs 2007, 790 (793, 798). 108 Berndt/Mortimer/Bhattacharjya/Parece/Tuttle, Health Affairs 2007, 790 (794, 798). 109 Berndt/Mortimer/Bhattacharjya/Parece/Tuttle, Health Affairs 2007, 790 (794). 110 Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (257, 259). 111 Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (263); vgl. hierzu auch Rebman, JHCL 2009, 159 (188 f.). 112 Siehe hierzu Rebman, JHCL 2009, 159 (172 ff.).

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

chung wurde durch die Anfragen mehrerer US-Senatoren sowie des Abgeordneten Waxman, einem Urheber des Hatch-Waxman Acts, veranlasst113 und nahm jeweils 59 Originalpräparate- und Generikahersteller sowie zwei Unternehmen in den Blick, die ausschließlich autorisierte Generika vertrieben114. Im Untersuchungszeitraum zwischen 2001 und 2008 vertrieben diese Unternehmen 119 autorisierte Generika.115 Auf nachfolgende Paragraph IV-Antragstellungen abschreckend wirken autorisierte Generika nach den Erkenntnissen der FTC nur unter engen Voraussetzungen.116 Bereits aus dem Umstand, dass die weit überwiegende Anzahl autorisierter Generika im Untersuchungszeitraum nicht während der Exklusivitätsfrist eines Paragraph IVAntragstellers, sondern unabhängig hiervon vertrieben worden sei117, sei erkennbar, dass Originalpräparatehersteller mit der Einführung autorisierter Generika nicht das Ziel verfolgten, die Exklusivitätsfrist eines ANDA-Antragstellers zu unterwandern118. Vielmehr sei die Umsatzstärke des Originalpräparates für den Vertrieb autorisierter Generika ausschlaggebend.119 Autorisierte Generika seien verstärkt auf Märkten vorzufinden, auf denen auch viele generische ANDA-Antragsteller tätig sind.120 Die Einführung autorisierter Generika sei demnach vor allem auf die Attraktivität von Arzneimittelmärkten zurückzuführen.121 Eine Kausalbeziehung zwischen der Stellung von ANDA-Anträgen und dem Vertrieb autorisierter Generika bestehe gerade nicht.122 Die Einführung autorisierter Generika sei für Originalpräparatehersteller auch wirtschaftlich nicht unrentabel123 und auch deshalb nicht mit dem alleinigen Motiv der Vereitelung generischer Paragraph IV-Anträge erklärbar124. Zwar seien mit der Einführung autorisierter Generika die Gewinne der jeweiligen Originalpräparate gesunken.125 Negative Auswirkungen auf die Gesamtgewinne der Originalpräparatehersteller seien infolge der Einführung autorisierter Generika aber gerade nicht zu beobachten, was dem Umstand geschuldet sein könne, dass die Gewinneinbußen beim Verkauf des Originalpräparates durch den Verkauf des autorisierten Generikums kompensiert würden126. 113

FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 1. FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 7. 115 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 11. 116 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. iii. 117 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 11, 26 f., 30, 32, 72. 118 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 32. 119 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 11, 29, 32. 120 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 96 f. 121 Ebda.; so auch Rebman, JHCL 2009, 159 (183). 122 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 96 f. 123 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 34, 61 ff., 107. Nach Kamien/Zang, SEJ 1999, 117 (130 f.) gilt dies auch für den Zeitraum nach dem Patentablauf. 124 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. iv, 77. 125 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 60. 126 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. iv, 61 ff. 114

§ 1 Die kartellrechtliche Bewertung früher Marktzutritte in den USA

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Umgekehrt seien die Gewinne und Marktanteile der ersten ANDA-Antragsteller infolge der Präsenz autorisierter Generika sowohl während127 als auch nach dem Ablauf der Exklusivitätsfrist128 geringer ausgefallen. Die Arzneimittelausgaben, die während der Exklusivitätsfrist auf das Generikum des ersten Paragraph IV-Antragstellers entfielen, seien mitunter um 40 bis 52 % reduziert gewesen.129 Auch liege es nahe, dass die Aussicht auf hohe Gewinne während und außerhalb der Exklusivitätsfrist für das Stellen von Paragraph IV-Anträgen ausschlaggebend sei.130 Nach einer genaueren Analyse der Anreizstrukturen, bei der die Kosten des Patentstreits und die Wahrscheinlichkeit des generischen Obsiegens ebenso eine Rolle spielten wie die absehbaren und von der Größe des Marktes abhängigen Gewinne131, stellte die FTC jedoch fest, dass die von autorisierten Generika ausgehenden Abschreckungswirkungen gegenüber der Paragraph IV-Antragstellung allenfalls auf kleinen und mittelgroßen Arzneimittelmärkten spürbar seien132. Auf größeren Märkten sei hingegen auch eine mit dem autorisierten Generikum geteilte Exklusivitätsfrist so rentabel, dass die Antragstellung selbst bei geringen Erfolgsaussichten im Patentprozess profitabel sei.133

C. Übertragbarkeit der Argumente auf Deutschland und Europa Die Frage nach der kartellrechtlichen Zulässigkeit früher Marktzutritte (autorisierter Generika) ist im US-amerikanischen Recht nach alledem bislang noch nicht eindeutig beantwortet. Von staatlicher Seite wird die Einführung autorisierter Generika durchweg für zulässig erachtet. Im Einklang mit der Rechtsprechung einiger US-amerikanischer Gerichte lässt die FDA autorisierte Generika in ständiger Verwaltungspraxis auch während der Exklusivitätsfrist der ersten erfolgreichen Paragraph IV-Antragsteller zu. Auch der US-amerikanische Gesetzgeber sah bislang keinen Handlungsbedarf; der Medicare Prescription Drug, Improvement, and Modernization Act aus dem Jahre 2003 ließ die Möglichkeit zur Einführung autorisierter Generika schließlich unberührt. Im US-amerikanischen Schrifttum wird die Einführung autorisierter Generika demgegenüber vielfach als kartellrechtswidrig qualifiziert. Wenngleich die überwiegende Anzahl autorisierter Generika in den USA gerade nicht im Zusammenhang mit der Exklusivitätsfrist eines Paragraph IV-Antragstellers vertrieben wird, leiten weite Teile des Schrifttums die Kartellrechts127

FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 33, 63. FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. iii, 106; so auch Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (374). 129 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 33, 57 ff. 130 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 39, 105. 131 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 109. 132 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 117 ff. 133 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 117. 128

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

widrigkeit autorisierter Generika dabei aus deren abschreckender Wirkung gegenüber potentiellen Paragraph IV-Antragstellern und damit letztlich aus einem Widerspruch zur Regelung der Exklusivitätsfrist des ersten Paragraph IV-Antragstellers im Hatch-Waxman Act ab. Der vorgetragene Abschreckungseffekt fußt bislang allerdings auf einer unsicheren ökonomischen Tatsachengrundlage. Bisherige ökonomische Untersuchungen, allen voran die Untersuchung der FTC, sprechen eher dafür, dass von autorisierten Generika kein Abschreckungseffekt gegenüber Paragraph IV-Anträgen ausgeht. Für die kartellrechtliche Bewertung früher Marktzutritte in Deutschland und Europa lässt sich der Großteil der in den USA vorgetragenen Argumente vor diesem Hintergrund nicht fruchtbar machen.134 Einer Übertragung steht der Umstand entgegen, dass der regulatorische Rahmen in Deutschland und Europa entscheidend von demjenigen der USA abweicht135. Das deutsche und europäische Zulassungsrecht kennen gerade keinen der Paragraph IV Certification vergleichbaren Mechanismus und sehen daher auch keine Exklusivitätsfrist für Generika vor, die bereits vor Patentablauf vertrieben werden sollen.136 Allenfalls im Bereich der Arzneimittel für seltene Leiden (sog. Orphan Drugs) findet sich in Europa eine vergleichbare Regelung.137 Die Frage nach der Zulässigkeit autorisierter Generika stellt sich in Deutschland und Europa deshalb nicht in derselben Dringlichkeit wie in den USA.138 Argumente, die in der Diskussion in den USA bislang vorgetragen wurden, sind damit im Ergebnis auf Deutschland und Europa nur insoweit übertragbar, als sie vom spezifischen Kontext der US-amerikanischen Arzneimittelregulierung losgelöst sind. Die Problematik früher Marktzutritte in Deutschland und Europa liegt nicht in einer möglichen Vereitelung vorzeitiger Angriffe auf Originalpräparatepatente, 134

Insgesamt kritisch auch Gassner, A&R 2010, 3 (4 f.). Treacy/Hopson, JIPLP 2008, 622 (624). 136 Vgl. Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 387; Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 78; Batchelor/Carlin, E.C.L.R. 2013, 454 (455); Lorenz, PharmR 2007, 221 (224 f.). 137 Gassner, GRUR Int 2004, 983 (983 f.). 138 Die Besonderheiten des US-amerikanischen Arzneimittelzulassungsrechts führen auch zu einer besonderen wettbewerblichen Relevanz von Reverse Payment Settlements. Die Leistung hoher Vergleichszahlungen an Generikahersteller stellt aus der Sicht von Mitbewerbern ein Signal für die Schwäche des streitgegenständlichen Patentes dar und provoziert aus diesem Grund regelmäßig weitere Angriffe auf das Patent, was den Nutzen der Reverse Payment Settlements grundsätzlich in Frage stellt. Vor dem Hintergrund des US-amerikanischen Zulassungssystems wirkt dieses Korrektiv indes nur eingeschränkt. Schließlich verfügt der erste Paragraph IV-Antragsteller über die beschriebene Exklusivitätsfrist. Den Inhaber dieser Exklusivitätsfrist im Rahmen eines Vergleichs am Marktzutritt zu hindern, stellt daher eine besonders effektive Möglichkeit für Originalpräparatehersteller dar, sich dem Wettbewerbsdruck durch Generikahersteller zu entziehen, weil derartigen Patentvergleichen über die Exklusivitätsfrist eine Drittwirkung gegenüber den nicht an dem Vergleich beteiligten Generikaherstellern zukommt, siehe hierzu Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 57, 76; Avery, HLJ 2008, 171 (181 f.); Understahl, Fordham IPLJ 2005, 355 (368, 372); Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1586 f.). 135

§ 2 Kartellrechtliche Marktverhaltenskontrolle

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sondern vielmehr in der möglichen Abschreckung gegenüber Generikaherstellern insgesamt. Auf den gegenüber der Strategie früher Marktzutritten in den USA erhobenen Behinderungsvorwurf in den Fallgruppen des Marktmachttransfers und der Kampfpreise in Vernichtungsabsicht ist insoweit im weiteren Verlauf dieser Arbeit zurückzukommen.139

§ 2 Frühe Marktzutritte als Gegenstand kartellrechtlicher Marktverhaltenskontrolle Nach den Erkenntnissen der Kommission aus dem Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung-Pharma vermindert die frühe Präsenz marktanteilsstarker autorisierter Generika die Attraktivität von Arzneimittelmärkten für unabhängige Generikahersteller.140 Befürchtet wird, dass unabhängige Generikahersteller hierdurch vom Zutritt zu Arzneimittelmärkten abgeschreckt werden. Als einseitiges unternehmerisches Verhalten der Originalpräparatehersteller könnten frühe Marktzutritte vor diesem Hintergrund als Behinderungsmissbrauch gegenüber unabhängigen Generikaherstellern gem. §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB, Art. 102 lit. b) AEUV einzuordnen sein.141 Unter demselben Aspekt könnten die frühen Marktzutritten zugrunde liegenden Vereinbarungen gegen das Kartellverbot der § 1 GWB, Art. 101 AEUV verstoßen, welches neben der Missbrauchsaufsicht zur Anwendung gelangt142. Wie im Folgenden zunächst für das missbrauchsrechtliche Behinderungsverbot und im Anschluss daran für das Kartellverbot gezeigt wird, halten frühe Marktzutritte einer Marktverhaltenskontrolle am Maßstab dieser kartellrechtlichen Verbotstatbestände im Ergebnis allerdings stand.

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Siehe hierzu in und bei Fn. 299 ff., 367. Siehe in und bei Fn. 153 (Kapitel 1). 141 In diese Richtung auch Schweitzer/Becker, WRP 2012, 382 (385 f.), nach denen die Wirkung eines frühen Marktzutrittes der Wirkung eines bereits vor Patentablauf abgeschlossenen Rabattvertrages gem. § 130a Abs. 8 SGB V gleicht. Den Abschluss eines Rabattvertrages vor Patentablauf wiederum qualifizieren Schweitzer und Becker als kartellrechtlichen Behinderungsmissbrauch. Zwar könne es einem Originalpräparatehersteller nicht verboten sein, nach Patentablauf mit Generikaherstellern in Preiswettbewerb zu treten. Durch den Abschluss eines Rabattvertrages bereits vor Patentablauf verschaffe sich der Originalpräparatehersteller jedoch einen privilegierten Status bei der Verordnung von Arzneimitteln durch Ärzte und deren Abgabe durch Apotheken. Generikahersteller würden insoweit durch ein Verhalten behindert, das dem Originalpräparatehersteller alleine aufgrund seiner Ausschließlichkeitsstellung möglich sei. Kritisch gegenüber dem Abschluss von Rabattverträgen vor Patentablauf auch Porstner, in: Sektoruntersuchung Pharma (2010), 3 (12). 142 Berg/Mudrony, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 101 AEUV Rn. 201; Mestmäcker, in: FS-Raisch (1995), S. 441 (449); EuG, Urt. v. 10. 7. 1990, Rs. T-51/89, Slg. 1990, II-309, Rn. 25 – Tetra Pak I; siehe hierzu auch Kommission, Entsch. v. 9. 7. 2014, AT.39612, C(2014) 4955 final, Rn. 2923 ff. – Perindopril (Servier). 140

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

A. Behinderungsmissbrauch gem. §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB, Art. 102 lit. b) AEUV Der Behinderungsmissbrauch bildet neben dem Ausbeutungs- und dem Marktstrukturmissbrauch die dritte übergeordnete Kategorie des Missbrauchs von Marktmacht nach europäischem und nationalem Kartellrecht.143 Behinderungsmissbräuche dienen der Absicherung der eigenen Marktmacht gegenüber aktuellen oder potentiellen Wettbewerbern144; sie wirken insoweit vor allem im Horizontalverhältnis zwischen den Normadressaten der Missbrauchsaufsicht und ihren Wettbewerbern145. In der Praxis der Europäischen Kommission kommt der Missbrauchskategorie des Behinderungsmissbrauchs gegenüber Ausbeutungs- und Marktstrukturmissbräuchen die weitaus größte praktische Bedeutung zu.146 Anhaltspunkte zur Beurteilung missbräuchlicher Behinderungen durch die Kommission lassen sich der Prioritätenmitteilung zur Anwendung des Art. 102 AEUV auf Behinderungsmissbräuche147 entnehmen. I. Bestandsaufnahme Eine Auseinandersetzung mit der Strategie früher Marktzutritte zu Arzneimittelmärkten im Kontext der Missbrauchsaufsicht fand bislang nicht statt.148 Aus der bisherigen Rechtsprechung zum Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Zusammenhang mit gewerblichen Schutzrechten ist zwar bekannt, dass die Verweigerung einer Lizenz als missbräuchlich qualifiziert werden kann.149 Nach der

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Berg, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 102 AEUV Rn. 44; Jung, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim, Recht der EU (2015), Art. 102 AEUV Rn. 163, 325. Mitunter wird der Marktstrukturmissbrauch auch als Unterfall des Behinderungsmissbrauchs verstanden, Eilmansberger, in: Streinz, EUV/AEUV2 (2012), Art. 102 Rn. 118. 144 Vgl. Lübbig/Klasse, Kartellrecht im Pharma- und Gesundheitssektor2 (2015), § 4 Rn. 25. 145 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), § 19 Rn. 18; Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 1 (2012), Art. 102 Rn. 199. 146 Bulst, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 102 Rn. 94; Fuchs/ Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 1 (2012), Art. 102 Rn. 199. 147 Kommission, Prioritätenmitteilung, ABl. EU 2009/C 45/02. 148 In dem Verfahren gegen den französischen Arzneimittelhersteller Les Laboratoires Servier und mehrere Generikahersteller stellte die Kommission zwar fest, dass Servier auch Vereinbarungen über den Vertrieb autorisierter Generika geschlossen hatte, Kommission, Entsch. v. 9. 7. 2014, AT.39612, C(2014) 4955 final, Rn. 203 ff. – Perindopril (Servier). Im Rahmen der missbrauchsrechtlichen Würdigung von Serviers Verhalten blieb dieser Aspekt jedoch unberücksichtigt. Die Annahme eines Marktmachtmissbrauchs stützte die Kommission alleine auf die durch Servier abgeschlossenen Patentvergleichsvereinbarungen sowie den Erwerb konkurrierender Technologien, Rn. 2961. 149 Siehe hierzu Kapitel 3 § 2 B.; siehe auch Kersting/Dworschak, NZKart 2013, 46 (50).

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Entscheidung des Gerichts in der Rechtssache Tetra Pak I150 sowie der Entscheidung der Kommission gegen den französischen Arzneimittelhersteller Les Laboratoires Servier151 kann überdies auch der Erwerb einer Lizenz durch ein marktbeherrschendes Unternehmen gegen das Missbrauchsverbot verstoßen. Nicht zuletzt belegt insbesondere die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache AstraZeneca, dass auch der originäre Erwerb eines Schutzrechts einen Anwendungsfall der Missbrauchsaufsicht bilden kann.152 Ob allerdings, wie im Falle früher Marktzutritte, auch die vorzeitige Eröffnung eines Marktes durch die Erteilung einer Lizenz durch ein marktbeherrschendes Unternehmen der Missbrauchsaufsicht unterfallen kann, ist bislang nicht geklärt. Es handelte sich hierbei insoweit um einen neuartigen Anwendungsfall des Behinderungsmissbrauchs, der zur Folge hätte, dass ein Marktbeherrscher kartellrechtlich verpflichtet wäre, einen Markt bis zum Zeitpunkt des Patentablaufs geschlossen zu halten. Das Behinderungsverbot ist neuen Missbrauchsformen dabei grundsätzlich zugänglich, seine bisherigen Fallgruppen sind nicht abschließend153.

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Gegenstand dieser Entscheidung war der Erwerb einer ausschließlichen Lizenz für ein neuartiges Abfüllverfahren für mit Ultrahochtemperatur behandelte Milch im Wege eines Unternehmenszusammenschlusses. Tetra Pak Rausing SA übernahm die Liquipak-Gruppe, zu der auch diejenigen Unternehmen gehörten, die Inhaber der ausschließlichen Lizenz waren. Das Gericht betonte, der Erwerb einer ausschließlichen Lizenz durch ein Unternehmen stelle für sich betrachtet keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung dar. Im konkreten Fall lägen jedoch „besondere Umstände“ vor, welche den Erwerb der Lizenz missbräuchlich gestalteten. Nicht nur werde durch den Erwerb der Lizenz Tetra Paks marktbeherrschende Stellung verstärkt, vielmehr werde auch der Eintritt neuer Konkurrenten behindert oder verzögert, weil es nur über die streitgegenständliche Lizenz möglich sei, mit Tetra Pak zu konkurrieren. Durch den Lizenzerwerb durch Tetra Pak werde insoweit jeder Wettbewerb auf dem Markt faktisch ausgeschlossen, EuG, Urt. v. 10. 7. 1990, Rs. T-51/89, Slg. 1990, II-309, Rn. 23 f. – Tetra Pak I. Siehe hierzu Heinemann, Immaterialgüterschutz (2002), S. 476; Berg, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 102 AEUV Rn. 111; Mestmäcker, in: FS-Raisch (1995), S. 441 (448). 151 In diesem Fall erwarb Servier u. a. die Rechte an einer Patentanmeldung sowie KnowHow bezüglich des Arzneimittelwirkstoffs Perindopril des schweizerischen Pharmaunternehmens Azad ohne diese Konkurrenztechnologie jemals zu nutzen, Kommission, Entsch. v. 9. 7. 2014, AT.39612, C(2014) 4955 final, Rn. 149 f., 306 ff., 2798 ff., 2919 – Perindopril (Servier). Die Kommission wertete diesen Erwerb als Teil einer missbräuchlichen Gesamtstrategie Serviers zur Verhinderung generischen Wettbewerbs, siehe oben in Fn. 148. 152 EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 93 – AstraZeneca; vgl. auch das nach Zusagen eingestellte Verfahren gegen den Arzneimittelhersteller Boehringer Ingelheim (Case COMP/B–2/A. 39. 246), das sog. Sperrpatente zum Gegenstand hatte, Kommission, Pressemitteilung v. 6. 7. 2011, IP/11/842; siehe hierzu Straus, GRUR Int 2009, 93 (94 f.). 153 Berg, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 102 AEUV Rn. 6; Nothdurft, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 19 Rn. 286. Eines Rückgriffs auf die Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB bedarf es zur Erfassung neuartiger Fallgruppen regelmäßig nicht, da das Regelbeispiel des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB seinerseits als Generalklausel ausgestaltet ist, ders., in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 19 Rn. 184.

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

II. Adressatenkreis der Missbrauchsaufsicht Die kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht unterzieht einseitige unternehmerische Verhaltensweisen nur im Falle des Vorliegens bestimmter Marktstrukturen einer Kontrolle. Dem Kreis der Normadressaten der Missbrauchsaufsicht unterfallen nur marktbeherrschende Unternehmen. Grundvoraussetzung für die Überprüfung früher Marktzutritte am Maßstab der Missbrauchsaufsicht ist damit, dass die beteiligten Originalpräparatehersteller als marktbeherrschende Unternehmen zu qualifizieren sind.154 Nach Lübbig und Klasse stolpert man im Arzneimittelsektor zwar nicht auf Schritt und Tritt aber doch an vielen Straßenkreuzungen über marktbeherrschende Stellungen oder jedenfalls über Positionen relativer Marktmacht.155 Der Begriff der marktbeherrschenden Stellung bezeichnet die wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens, welche dieses Unternehmen in die Lage versetzt, wirksamen Wettbewerb zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit zu einem unabhängigen Verhalten gegenüber Wettbewerbern, Abnehmern und Verbrauchern verschafft.156 Die Beurteilung einer marktbeherrschenden Stellung erfolgt dabei stets im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller relevanter Umstände des Einzelfalls157, bei der vor allem den Marktanteilen des jeweiligen Unternehmens eine Indizwirkung zukommt158. Sie lässt sich daher naturgemäß im Rahmen der vorliegenden abstrakten Abhandlung nicht leisten. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich deshalb darauf, auf zwei Besonderheiten aufmerksam zu machen, die im Rahmen der Beurteilung der marktbeherrschenden Stellung eines patentinnehabenden Originalpräparateherstellers relevant werden. Zunächst wird auf die sektorspezifischen Besonderheiten der Marktabgrenzung im Pharmasektor159 eingegangen. Da der Arzneimittelsektor eine hohe Dichte an gewerblichen Schutzrechten aufweist160, folgt hierauf eine Darstellung der grundsätzlichen Bedeutung gewerblicher Schutzrechte im Rahmen der Marktbeherrschungsbeurteilung.

154

Vgl. Beier, in: FS-Quack (1991), S. 15 (20). Lübbig/Klasse, Kartellrecht im Pharma- und Gesundheitssektor2 (2015), § 4 Rn. 4. 156 EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 175 – AstraZeneca; Kommission, Prioritätenmitteilung, ABl. EU 2009/C 45/02, Rn. 10; Müller-Henneberg, WuW 1968, 659 (670) definiert Marktmacht als die „Chance, höhere Preise als bei wirksame[m] Wettbewerb durchzusetzen“. 157 Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), § 18 Rn. 87; dies., in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 1 (2012), Art. 102 AEUV Rn. 86; Bardong, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 18 Rn. 77. 158 EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 176 – AstraZeneca; Kommission, Entsch. v. 9. 7. 2014, AT.39612, C(2014) 4955 final, Rn. 2735 – Perindopril (Servier); Berg, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 102 AEUV Rn. 30; siehe auch die Nachweise in Fn. 149 (Kapitel 1). 159 Siebert/Pries, PharmR 2007, 147 (148). 160 Siehe die Nachweise in Fn. 4 (Einleitung). 155

§ 2 Kartellrechtliche Marktverhaltenskontrolle

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1. Sektorspezifische Marktabgrenzung im Arzneimittelbereich Der Beurteilung der marktbeherrschenden Stellung vorgelagert ist stets die Abgrenzung des relevanten Marktes in sachlicher und räumlicher Hinsicht.161 In räumlicher Hinsicht handelt es sich bei Arzneimittelmärkten aufgrund der regulatorischen Unterschiede in den EU-Mitgliedstaaten regelmäßig um nationale Märkte.162 Die Abgrenzung des relevanten Marktes in sachlicher Hinsicht erfolgt grundsätzlich nach dem Kriterium der Substituierbarkeit des Produktes oder der Dienstleistung auf Nachfrage- und Angebotsseite (sog. Bedarfsmarktkonzept163 und Angebotsumstellungsflexibilität der Hersteller).164 Im Bereich von Arzneimitteln ist dabei regelmäßig nur das Kriterium der Nachfragesubstituierbarkeit maßgeblich165, da die Umstellungsflexibilität von Arzneimittelherstellern aufgrund des regulatorischen Marktzulassungserfordernisses gering ist.166 Nach dem Bedarfsmarktkonzept gehören all diejenigen Produkte zum selben sachlich relevanten Markt, die aus Sicht der Marktgegenseite funktional austauschbar sind.167 Im Arzneimittelsektor wird die Entscheidung über die Wahl verschreibungspflichtiger Arzneimittel dabei grundsätzlich nicht durch die Patienten als Konsumenten der Arzneimittel, sondern durch die verschreibenden Ärzte getroffen.168 Entscheidend ist demnach die Austauschbarkeit des Arzneimittels aus Sicht der verschreibenden Ärzte.169 Eine Beurteilung am Maßstab des sog. „SSNIP“-Tests („small but significant and non-transitory increase in price“-Test), nach dem diejenigen Produkte als demselben Markt zugehörig betrachtet werden, auf welche die Marktgegenseite im Falle von Preiserhöhungen ausweicht, scheidet regelmäßig aus, weil die verschreibenden Ärzte nur eine geringe

161 Siebert/Pries, PharmR 2007, 147 (147); Berg, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 102 AEUV Rn. 8. Ein Erfordernis zur zeitlichen Abgrenzung von Arzneimittelmärkten besteht nicht. 162 Kommission, Entsch. v. 10. 6. 1991, IV/M.072, Rn. 17 f. – Sanofi/Sterling; Kommission, Entsch. v. 19. 6. 2013, AT.39226, C(2013) 3803 final, Rn. 592 – Lundbeck; Siebert/Pries, PharmR 2007, 147 (151 f.); Ehle/Schütze, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts (2010), § 10 Rn. 56; Besen/Slobodenjuk, PharmR 2010, 221 (224); Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 103; vgl. auch KG, Beschl. v. 18. 10. 1995, Kart 18/93, WuW/E OLG 5549 (5556) – Fresenius/Schiwa. 163 BGH, Beschl. v. 11. 11. 2008, KVR 60/07, WuW/E DE-R 2451 (2453) – E.ON/Stadtwerke Eschwege; Coppik/Haucap, WuW 2016, 50 (51) m.w.N. 164 Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 91. 165 Siebert/Pries, PharmR 2007, 147 (148). 166 Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 93. 167 Bardong, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 18 Rn. 19; Lübbig/ Klasse, Kartellrecht im Pharma- und Gesundheitssektor2 (2015), § 2 Rn. 9; Siebert/Pries, PharmR 2007, 147 (148). 168 Siehe hierzu in und bei Fn. 138 f. (Kapitel 2). 169 BGH, Urt. v. 3. 7. 1976, KVR 4/75, GRUR 1977, 169 (172) – Vitamin B12; KG, Beschl. v. 18. 10. 1995, Kart 18/93, WuW/E OLG 5549 (5556) – Fresenius/Schiwa; KG, Beschl. v. 5. 1. 1976, Kart 41/74, WuW/E OLG 1645 (1649) – Valium Librium; Seitz, EuZW 2013, 377 (378).

102

Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

Preissensibilität aufweisen.170 Ärzte treffen ihre Entscheidung vielmehr nach medizinisch-therapeutischen Gesichtspunkten, d. h. nach der Eignung des Arzneimittels zur Heilung oder Prävention der jeweiligen Krankheit.171 Vor diesem Hintergrund erfolgte die Marktabgrenzung im Arzneimittelbereich bislang überwiegend nach der sog. „anatomic-therapeutic-chemical-classification“ der Weltgesundheitsorganisation (ATC-Klassifikation).172 Hiernach werden Arzneimittel entsprechend ihrer Zusammensetzung und therapeutischen Eigenschaften auf verschiedenen Ebenen in Gruppen zusammengefasst.173 Arzneimittel innerhalb derselben therapeutischen Untergruppe werden dann als einem sachlichen Markt zugehörig angesehen.174 Ausgangsbasis der Marktabgrenzung im Arzneimittelsektor ist für gewöhnlich die 3. Ebene der ATC-Klassifikation175, auf der Gruppen von Arzneimitteln mit gleicher medizinischer Verwendung geführt werden. Nicht selten werden aber auch zusätzliche Kriterien zur Marktabgrenzung herangezogen, was zu engeren Marktabgrenzungen führen kann. So unterscheidet die Kommission regelmäßig zwischen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und OTC-Arzneimitteln176 oder unterscheidet Arzneimittel nach ihrer spezifischen Wirkungsweise177. In der Rechtssache AstraZeneca lösten sich die Kommission und die Unionsgerichte demgegenüber von dem 170

Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 93. EuG, Urt. v. 1. 7. 2010, Rs. T-321/05, Slg. 2010, II-2805, Rn. 187 – AstraZeneca; KG, Beschl. v. 18. 10. 1995, Kart 18/93, WuW/E OLG 5549 (5557) – Fresenius/Schiwa; Lübbig/ Klasse, Kartellrecht im Pharma- und Gesundheitssektor2 (2015), § 2 Rn. 9. 172 Kommission, Entsch. v. 10. 6. 1991, IV/M.072, Rn. 13 – Sanofi/Sterling; KG, Beschl. v. 18. 10. 1995, Kart 18/93, WuW/E OLG 5549 (5557) – Fresenius/Schiwa; Bechtold/Bosch/ Brinker, EU-Kartellrecht3 (2014), Art. 2 FKVO Rn. 16; Römhild/Lübbig, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts (2010), § 15 Rn. 181; Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 94 f.; Besen/Slobodenjuk, PharmR 2010, 221 (223 f.); Berg/Köbele, PharmR 2009, 581 (585); Siebert/Pries, PharmR 2007, 147 (148); kritisch Bauroth, PharmR 2005, 386 (391 f.). 173 EuG, Urt. v. 1. 7. 2010, Rs. T-321/05, Slg. 2010, II-2805, Rn. 154 – AstraZeneca; Berg/ Brankin, EuZW 2011, 91 (92); Sodan/Schlüter, NZS 2007, 455 (456); siehe hierzu auch Gabriel, NZS 2008, 455 (558). 174 Ehle/Schütze, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts (2010), § 10 Rn. 56; Seitz, EuZW 2013, 377 (378). 175 Kommission, Entsch. v. 10. 6. 1991, IV/M.072, Rn. 14 – Sanofi/Sterling; EuG, Urt. v. 27. 9. 2006, Rs. T-168/01, Slg. 2006, II-2969, Rn. 155 – GlaxoSmithKline; Römhild/Lübbig, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts (2010), § 15 Rn. 181; Lübbig/Klasse, Kartellrecht im Pharma- und Gesundheitssektor2 (2015), § 2 Rn. 11; Pautke, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht2 (2014), § 49 Rn. 16; Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 94; Seitz, EuZW 2013, 377 (378); Berg/Brankin, EuZW 2011, 91 (92); Siebert/Pries, PharmR 2007, 147 (148). 176 Ehle/Schütze, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts (2010), § 10 Rn. 56; Römhild/Lübbig, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts (2010), § 15 Rn. 181; Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 96 f.; Besen/Slobodenjuk, PharmR 2010, 221 (224); Siebert/Pries, PharmR 2007, 147 (149); vgl. auch EuG, Urt. v. 1. 7. 2010, Rs. T-321/05, Slg. 2010, II-2805, Rn. 150 – AstraZeneca. 177 Kommission, Entsch. v. 10. 6. 1991, IV/M.072, Rn. 14 – Sanofi/Sterling; Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 99 ff.; Siebert/Pries, PharmR 2007, 147 (149). 171

§ 2 Kartellrechtliche Marktverhaltenskontrolle

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bisherigen, eher schematischen Ansatz der Marktabgrenzung anhand der ATCKlassifikation.178 Als maßgebliches Kriterium wurde vielmehr auf die „therapeutische Überlegenheit“ von AstraZenecas Arzneimittel Losec abgestellt179, die sich gerade auch in dessen höherem Preis widerspiegele180. Trotz der dem Grunde nach therapeutisch identischen Verwendungen beider Präparate gelangten die Kommission und die Unionsgerichte insoweit zur Annahme sachlich verschiedener Märkte. Damit wurden erstmals spezifische Kriterien für die Marktabgrenzung im Rahmen pharmakartellrechtlicher Missbrauchsfälle etabliert.181 Für die sachliche Marktabgrenzung zwischen Originalpräparaten und Generika sind diese neueren Entwicklungen freilich ohne Bedeutung. Zwar weichen Originalpräparate und die entsprechenden Generika in der Höhe ihres Preises mitunter stark voneinander ab, sie weisen jedoch stets identische therapeutische Verwendungen auf und stimmen überdies in ihren aktiven Wirkstoffen überein. Originalpräparate und Generika gehören daher in sachlicher Hinsicht stets denselben Arzneimittelmärkten an.182 2. Bedeutung von Immaterialgüterrechten im Rahmen der Beurteilung marktbeherrschender Stellungen Die Beurteilung einer marktbeherrschenden Stellung erfolgt stets im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände des Einzelfalls.183 Berücksichtigungsfähig ist hierbei insbesondere auch die Stellung eines Unternehmens als Erstanbieter am Markt.184 Auch die Inhaberschaft eines Immaterialgüterrechts kann grundsätzlich als Indiz für das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung herangezogen werden.185 Einigkeit besteht jedoch darüber, dass aus der Inhaberschaft 178 Müller-Graff/Fischmann, GRUR Int 2010, 792 (794); kritisch Besen, GRUR-Prax 2013, 33 (34). 179 EuG, Urt. v. 1. 7. 2010, Rs. T-321/05, Slg. 2010, II-2805, Rn. 149 ff. – AstraZeneca; auch der EuGH verwies auf die unterschiedliche Eignung der Arzneimittel zur Behandlung schwerer und weniger schwerer Krankheitsverläufe, EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 41 – AstraZeneca; siehe hierzu Besen, GRUR-Prax 2013, 33 (33 f.); Seitz, EuZW 2013, 377 (378 f.). 180 EuG, Urt. v. 1. 7. 2010, Rs. T-321/05, Slg. 2010, II-2805, Rn. 157 ff. – AstraZeneca; Müller-Graff/Fischmann, GRUR Int 2010, 792 (794). 181 Müller-Graff/Fischmann, GRUR Int 2010, 792 (794); Miege/Gärtner/Besen, PharmR 2010, 586 (587); im Vorlageverfahren EuGH, Urt. v. 16. 8. 2008, Rs. C-468/06 bis 467/06, Slg. 2008, I-7139 – Lélos stellte sich die Frage der Marktbeherrschung nicht. 182 Kommission, Entsch. v. 27. 5. 2005, IV/M.3751, Rn. 14 ff. – Novartis/Hexal; Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 97 f.; Siebert/Pries, PharmR 2007, 147 (149). 183 Siehe die Nachweise in Fn. 157. 184 EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 185 – AstraZeneca. 185 EuG, Urt. v. 1. 7. 2010, Rs. T-321/05, Slg. 2010, II-2805, Rn. 270 ff. – AstraZeneca; siehe auch GA Mazák, Schlussanträge v. 15. 5. 2012, Rs. C-457/10 P, Rn. 129 – AstraZeneca; Miller, EIPR 1994, 415 (415).

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

eines Immaterialgüterrechts alleine keinesfalls automatisch eine marktbeherrschende Stellung des Schutzrechtsinhabers folgt.186 3. Zwischenergebnis Zur Überprüfbarkeit früher Marktzutritte am Maßstab der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht muss es sich bei dem jeweiligen Originalpräparatehersteller um ein marktbeherrschendes Unternehmen handeln. Die Abgrenzung des relevanten Marktes erfolgte im Arzneimittelsektor bislang anhand der ATC-Klassifikation der WHO, wurde in der Entscheidung AstraZeneca jedoch um missbrauchsspezifische Kriterien ergänzt. Der Umstand, dass der Originalpräparatehersteller Inhaber des Arzneimittelpatents ist, führt keinesfalls automatisch zum Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung. Das Immaterialgüterrecht kann jedoch ebenso wie der Umstand, dass es sich bei dem Originalpräparatehersteller um den Erstanbieter am Markt handelt, im Rahmen der Marktbeherrschungsprüfung berücksichtigt werden. Ergibt die Prüfung einer marktbeherrschenden Stellung schließlich, dass eine solche nicht vorliegt, lassen sich frühe Marktzutritte alleine am Maßstab des Kartellverbots überprüfen.187 III. Unbillige Behinderung generischer Wettbewerber Neben der Qualifizierung der Originalpräparatehersteller als marktbeherrschende Unternehmen müsste der Vollzug eines frühen Marktzutrittes überdies als unbillige bzw. missbräuchliche Behinderung unabhängiger Generikahersteller einzuordnen sein. Die Prüfung einer unbilligen Behinderung erfolgt zweistufig: In einem ersten Schritt gilt es eine Behinderung der Generikahersteller festzustellen. Den Kern der Prüfung bildet sodann die Frage, ob diese Behinderung als unbillig einzuordnen ist. Im Falle früher Marktzutritte lässt sich – den nachfolgenden Ausführungen entsprechend – zwar eine Behinderung unabhängiger Generikahersteller bejahen, diese Behinderung ist jedoch nicht als unbillig einzuordnen.

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EuGH, Urt. v. 8. 6. 1971, Rs. 78/70, Slg. 1971, 487, Rn. 16 – Deutsche Grammophon; EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 186 – AstraZeneca; Berg, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 102 AEUV Rn. 32; Drexl, in: FS-Köhler (2014), S. 85 (96); Berg/Köbele, PharmR 2009, 581 (585); Besen/Gärtner/Mayer/Vormann, PharmR 2009, 432 (434); Straus, GRUR Int 2009, 93 (99); Heinemann, GRUR 2006, 705 (706); vgl. auch US Departement of Justice & FTC, Antitrust Enforcement and Intellectual Property Rights: Promoting Innovation and Competition (2007), S. 22; Ebenroth/Bohne, EWS 1995, 397 (399), verweisen darauf, dass gewerbliche Schutzrechte unter bestimmten Umständen auch für sich genommen eine marktbeherrschende Stellung vermitteln können; für Schlüsselpatente auch Buhrow/Nordemann, GRUR Int 2005, 407 (413). 187 Siehe hierzu Kapitel 3 § 2 C.

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1. Behinderung generischer Wettbewerber Als kartellrechtlich relevante Behinderung ist jedes Verhalten anzusehen, das die wettbewerbliche Betätigungsfreiheit eines anderen Unternehmens nachteilig beeinflusst.188 Dass die betroffenen Generikahersteller im Zeitpunkt des Vollzuges früher Marktzutritte noch nicht auf den entsprechenden Arzneimittelmärkten tätig sind, hindert die Annahme einer kartellrechtlichen Behinderung nicht. Der Behinderungsmissbrauch erfasst auch Beeinträchtigungen nur potentieller Wettbewerber189 und wendet sich damit gleichermaßen gegen Verhaltensweisen, welche bereits die Entwicklung von Wettbewerb behindern190. Zur Annahme einer Behinderung erforderlich ist eine negative Auswirkung auf die Wettbewerbschancen des betroffenen Unternehmens191, d. h. auf dessen Möglichkeit zu Geschäftsabschlüssen mit Dritten.192 In der Praxis ist das Tatbestandsmerkmal der Behinderung in aller Regel unstreitig und sein Vorliegen wird nur knapp festgestellt.193 Auch im Falle früher Marktzutritte ist eine Einschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit unabhängiger Generikahersteller zu bejahen. Vor dem Hintergrund der hohen Produktloyalität der verschreibenden Ärzte, Apotheker und Patienten194 reduzieren sich durch die frühe Präsenz autorisierter Generika die Chancen für unabhängige Generikahersteller, bedeutende Absätze zu tätigen und dadurch Marktanteile zu gewinnen195. Damit reduziert sich für unabhängige Generikahersteller zugleich die Rentabilität eines möglichen Marktzutrittes.196 Zwar beschränken frühe Marktzutritte die wirtschaftliche Handlungsfreiheit unabhängiger Generikahersteller demnach nicht unmittelbar, sehr wohl aber mittelbar darüber, dass der produktloyalen und damit 188 BGH, Urt. v. 14. 7. 1998, KZR 1/97, WuW/E DE-R 201 (203) – Schilderpräger im Landratsamt; BGH, Urt. v. 12. 11. 1991, KZR 18/90, WuW/E BGH 2762 (2768) – Amtsanzeiger; BGH, Beschl. v. 22. 9. 1981, KVR 8/80, WuW/E BGH 1829, (1832) – Original-VWErsatzteile II; Nothdurft, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 19 Rn. 197; Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009), § 20 Rn. 67. 189 Bulst, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 102 Rn. 90; Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU (2015), Art. 102 AEUV Rn. 214; Mestmäcker, in: FSRaisch (1995), S. 441 (450). 190 EuGH, Urt. v. 13. 2. 1979, Rs. 85/76, Slg. 1979, 461, Rn. 91 – Hoffmann La Roche. 191 Markert, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), § 19 Rn. 103; Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009), § 20 Rn. 67. 192 Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009), § 20 Rn. 67 m.w.N. 193 Nothdurft, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 19 Rn. 197. 194 Siehe die Nachweise in Fn. 164, 168 (Kapitel 2). 195 Siehe die Nachweise in Fn. 112, 133 ff., 144 (Kapitel 1). Man könnte insoweit argumentieren, frühe Marktzutritte behinderten potentielle Wettbewerber durch die Herbeiführung eines erhöhten Konzentrationsgrades auf dem jeweiligen Arzneimittelmarkt, vgl. Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU (2015), Art. 102 AEUV Rn. 332. 196 Siehe den Nachweis in Fn. 153 (Kapitel 1). Eine Behinderung unabhängiger Generikahersteller ist auch dann anzunehmen, wenn deren Marktzutritt nicht ausbleibt, sondern sich lediglich verzögert, vgl. GA Mazák, Schlussanträge v. 15. 5. 2012, Rs. C-457/10 P, Rn. 97 – AstraZeneca.

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wechselunwilligen Marktgegenseite bereits vor Patentablauf ein alternatives Generikum angeboten wird.197 Am Vorliegen einer Behinderung änderte sich schließlich auch dann nichts, wenn man berücksichtigen wollte, dass es unabhängigen Generikaherstellern gegebenenfalls durch gesteigerte Werbemaßnahmen möglich ist, höhere Absätze zu generieren. Zur Annahme einer Behinderung genügt nämlich bereits die Belastung eines anderen Unternehmens mit zusätzlichen Kosten.198 Überdies ist Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel auch nur gegenüber den behandelnden Ärzten, nicht aber gegenüber den Patienten möglich (§ 10 Abs. 1 HWG). 2. Unbilligkeit der Behinderung Beschränkungen der Handlungsfreiheit anderer Marktteilnehmer gehen nicht nur mit missbräuchlichen Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen, sondern auch mit wettbewerbskonformen Verhaltensweisen dieser Unternehmen einher. Die Schwierigkeit bei der Beurteilung von Behinderungsmissbräuchen liegt deshalb in der Trennung zwischen erlaubten und wünschenswerten wettbewerblichen Vorstößen marktbeherrschender Unternehmen und dem verbotenen Missbrauch von Marktmacht.199 Der Begriff der Behinderung ist vor diesem Hintergrund wertneutral.200 Eine Unterscheidung zwischen wettbewerbskonformen und missbräuchlichen Verhaltensweisen erfolgt tatbestandlich erst im Rahmen einer Unbilligkeitsprüfung. Einigkeit besteht hierbei zunächst darüber, dass marktbeherrschende Unternehmen 197

Zu mittelbaren Behinderungen siehe Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009), § 20 Rn. 67, 136; Nothdurft, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 19 Rn. 197; Markert, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), § 19 Rn. 105. 198 BGH, Urt. v. 3. 6. 2003, X ZR 215/01, GRUR 2003, 896 (896) – Chirurgische Instrumente. Der von frühen Marktzutritten ausgehenden Behinderung lässt sich überdies auch nicht entgegenhalten, die behindernde Wirkung früher Marktzutritte realisiere sich erst nach dem Patentablauf und damit zu einer Zeit, zu der die Originalpräparatehersteller bereits nicht mehr über eine marktbeherrschende Stellung verfügten. Für das Erfordernis einer marktbeherrschenden Stellung ist zwar in der Tat der Zeitpunkt der Begehung der Missbrauchshandlung maßgeblich, EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 110 – AstraZeneca. Auf Generikahersteller abschreckend zu wirken vermag allerdings bereits die Aussicht auf die Einführung autorisierter Generika (vgl. Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 14), sodass die Missbrauchshandlung bereits mit dem Abschluss der Vereinbarung über einen frühen Marktzutritt und damit vor Patentablauf begangen wird, vgl. EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 106 ff. – AstraZeneca. Nicht zuletzt verfängt auch das potentielle Gegenargument nicht, die Möglichkeit zu einem frühen Marktzutritt sei gerade nicht Ausfluss der marktbeherrschenden Stellung des Originalpräparateherstellers, sondern vielmehr Ausfluss seines hiermit nicht identischen Schutzrechts. Eines Kausalzusammenhanges zwischen der marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens und deren missbräuchlicher Ausnutzung bedarf es nämlich gerade nicht, EuG, Urt. v. 1. 7. 2010, Rs. T-321/05, Slg. 2010, II2805, Rn. 267 – AstraZeneca m.w.N. 199 Nothdurft, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 19 Rn. 186. 200 Ulmer, GRUR 1977, 565 (575).

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bei der Beurteilung ihres Verhaltens strengeren Maßstäben unterliegen als nicht marktbeherrschende Unternehmen.201 Marktbeherrschenden Unternehmen kann insoweit ein Verhalten verboten sein, das nicht marktbeherrschenden Unternehmen ohne Weiteres erlaubt ist.202 Missbräuchlich ist ein Verhalten, wenn es sich im Hinblick auf die Zielsetzungen des Kartellrechts objektiv als Fehlverhalten darstellt.203 Der EuGH und die nationalen Kartellgerichte beurteilen die Missbräuchlichkeit einer Verhaltensweise anhand einer Unterscheidung zwischen Maßnahmen des Leistungs- und Maßnahmen des Nichtleistungswettbewerbs.204 Missbräuchlich sind mit dem EuGH insoweit Verhaltensweisen, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, welche von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen.205 Als Maßnahmen des Nichtleistungswettbewerbs lassen sich grundsätzlich solche Maßnahmen qualifizieren, die auf die Durchsetzung des eigenen Angebots durch andere Mittel als eine bessere Leistung gerichtet sind.206 Eine aussagekräftige und vor allem abschließende Definition des Begriffs des Leistungswettbewerbs ist allerdings nicht möglich.207 Operabel wird die Trennung zwischen Maßnahmen des Leistungs- und Nichtleistungswettbewerbs letztlich nur durch die Vorgabe einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung der Kartellgesetze.208 Hierbei hat ein „Ausgleich zwischen der notwendigen Handlungsfreiheit auch marktbeherrschender Unternehmen und dem Schutzbedürfnis von Mitbewerbern und Markt“ stattzufinden.209 An eine unbillige Behinderung potentieller Wettbe-

201

(574). 202

Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), § 19 Rn. 25; Ulmer, GRUR 1977, 565

Nothdurft, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 19 Rn. 184. Kommission, Das Problem der Unternehmenskonzentration im Gemeinsamen Markt v. 1. 12. 1965, SEK (65) 3500, WuW 1966, 330 (346). 204 Ulmer, GRUR 1977, 565 (566); KG, Beschl. v. 26. 1. 1977, Kart 27/76, WuW/E OLG 1767 (1772) – Kombinationstarif; KG, Beschl. v. 12. 11. 1980, Kart 32/79, WuW/E OLG 2403 (2405) – Fertigfutter. 205 EuGH, Urt. v. 13. 2. 1979, Rs. 85/76, Slg. 1979, 461, Rn. 91 – Hoffmann La Roche; EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 74 – AstraZeneca. 206 Ulmer, GRUR 1977, 565 (568, 570). 207 Ulmer, GRUR 1977, 565 (570). Die Schwierigkeit der Abgrenzung zeigt sich bereits darin, dass Nipperdey die gezielte Preisunterbindung – entgegen der heutigen Auffassung – noch als Maßnahme des Leistungswettbewerbs qualifizierte, Nipperdey, Wettbewerb und Existenzvernichtung (1930), S. 164 ff. 208 Nothdurft, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 19 Rn. 186; KG, Beschl. v. 12. 11. 1980, Kart 32/79, WuW/E OLG 2403 (2405) – Fertigfutter. 209 Ulmer, GRUR 1977, 565 (576). 203

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werber, wie im Falle früher Marktzutritte, werden dabei höhere Anforderungen gestellt als an eine Behinderung aktueller Wettbewerber.210 a) Immaterialgüterrechtliche Vorgaben Vorgaben für die Interessenabwägung zur Bestimmung der Unbilligkeit früher Marktzutritte könnten sich aus dem Charakter früher Marktzutritte als Patentauslaufstrategie und damit aus dem Umstand, dass sich der Vollzug früher Marktzutritte als die Ausübung immaterialgüterrechtlicher Befugnisse darstellt, ergeben. Die Möglichkeit und Reichweite einer kartellrechtlichen Kontrolle der Ausübung immaterialgüterrechtlich gewährleisteter Befugnisse ist dabei seit je her Gegenstand kartellrechtlicher Auseinandersetzungen.211 Wie im Folgenden gezeigt wird, steht der immaterialgüterrechtliche Hintergrund früher Marktzutritte der kartellrechtlichen Unzulässigkeit jedoch nicht grundsätzlich entgegen. aa) Komplementärverhältnis zwischen Kartellrecht und Immaterialgüterrecht Entgegen einer früher weit verbreiteten Ansicht besteht heute Einigkeit darüber, dass sich das Verhältnis von Kartellrecht und Immaterialgüterrecht nicht als ein abstraktes Spannungsverhältnis212 begreifen lässt.213 Kartell- und Immaterialgüterrecht stehen vielmehr in einem Komplementärverhältnis zueinander.214 Zwar lassen sich die unterschiedlichen Schutzrichtungen beider Rechtsmaterien auf den ersten Blick nicht leugnen. Das Kartellrecht dient dem Schutz des Wettbewerbs vor Beschränkungen.215 Eingebettet in das europäische Binnenmarktprojekt zielt es auf die Offenhaltung der Märkte in der Europäischen Union ab.216 Immaterialgüterrechte stellen demgegenüber territorial gewährte und zeitlich begrenzte Ausschließlichkeitsrechte dar. Ihren Schutzrichtungen nach wirken Immaterialgüter210

Vgl. Deselaers, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU (2015), Art. 102 AEUV Rn. 461. 211 Klawitter, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008), § 13 Rn. 1. Die enge Verzahnung beider Rechtsmaterien wird bereits daraus ersichtlich, dass das weltweit erste Kartellgesetz, das englische Statute of Monopolies, gleichzeitig auch patentrechtliche Bestimmungen enthielt, Axster/Osterrieth, in: Pfaff/Osterrieth, Lizenzverträge3 (2010), Rn. 142. 212 Siehe nur Sack, RIW 1997, 449 (449); ders., WRP 1999, 562 (563); ders., in: FS-Fikentscher (1998), S. 740 (740); aus der neueren Literatur Heusch, GRUR 2014, 745 (745, 750); hierzu auch Ullrich, GRUR Int 1996, 555 (555); für einen Überblick über die sog. Konfliktthese siehe Heinemann, Immaterialgüterschutz (2002), S. 1 ff. 213 Vgl. Albert, Patente in der Fusionskontrolle (2011), S. 15 f.; Schumacher/Schmid, GRUR 2006, 1 (2) [„ein Konflikt besteht indes nur scheinbar“]; Kommission, TT-Leitlinien, ABl. EU 2014/C 89/03, Rn. 7. 214 Heinemann, Immaterialgüterschutz (2002), S. 1, 24 ff.; Drexl, in: FS-Köhler (2014), S. 85 (90); vgl. auch Kommission, TT-Leitlinien, ABl. EU 2014/C 89/03, Rn. 7. 215 Siehe in und bei Fn. 1. 216 Vgl. Wiedemann, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008), § 1 Rn. 4.

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rechte tendenziell marktverschließend217, während das Kartellrecht gerade zur Offenhaltung der Märkte bestimmt ist. Die Annahme eines fundamentalen Spannungsverhältnisses fußte jedoch auf einer Überinterpretation der marktverschließenden Wirkung von Immaterialgüterrechten und war zudem einem heute als überholt geltenden Wettbewerbsleitbild218 geschuldet. Die These der marktverschließenden Wirkung von Immaterialgüterrechten beruhte auf einem Missverständnis des Zusammenhangs zwischen der Inhaberschaft eines Immaterialgüterrechts und der Innehabung von Marktmacht. Nach heutigem Verständnis gewähren Immaterialgüterrechte kein wirtschaftliches Monopol.219 Vielmehr ist der sachlich relevante Markt in aller Regel weiter zu fassen, als die durch ein Patent geschützte Lehre. Wettbewerbsfähige Produkte lassen sich daher im Regelfall auch auf anderem technischen Wege anbieten, sodass gewerbliche Schutzrechte nicht per se wettbewerbsbeschränkend sind220. Zwar schließen Immaterialgüterrechte den Imitationswettbewerb aus, sie fördern aber zugleich den Innovationswettbewerb zwischen Unternehmen, weil die immaterialgüterrechtlich abgesicherte Ausschließungsbefugnis eines Unternehmens für andere Unternehmen Anreize zur Innovation setzt.221 Gerade diese Hervorbringung von Innovationen aber ist zugleich eine wichtige Zielfunktion des Wettbewerbs und der dem Schutz des Wettbewerbs dienenden Vorschriften des Kartellrechts.222 Versteht man Wettbewerb nicht als Zustand vollkommener Konkurrenz, sondern als stetigen Prozess, der durch innovationsbedingte wettbewerbliche Vorstöße und Nachahmungen geprägt ist223, so fügen sich die immaterialgüterrechtlichen Ausschließlichkeits-

217

Vgl. Axster/Osterrieth, in: Pfaff/Osterrieth, Lizenzverträge3 (2010), Rn. 143. Vgl. hierzu Ullrich, GRUR Int 1996, 555 (556). 219 Miller, EIPR 1994, 415 (417); Axster, GRUR 1954, 143 (145); Foroghi, IPRB 2014, 152 (153); Busche, in: FS-Tilman (2003), S. 645 (649); Ullrich, GRUR Int 1996, 555 (556); aA noch Heine, GRUR 1948, 170 (170). 220 Jestaedt, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Kartellrecht und Geistiges Eigentum Rn. 1234; Klawitter, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008), § 13 Rn. 4; Kellermann, GRUR 1958, 581 (581); ders., GRUR 1959, 569 (569); aA Sack, WRP 1999, 592 (593); ders., in FS-Fikentscher (1998), S. 740 (740); zurückhaltender Ullrich/Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 2 (2012), GRUR B. Rn. 9, nach denen Schutzrechte als gesetzlich vorgesehene Wettbewerbsbeschränkungen jedenfalls nicht tatbestandsmäßig sind. Buhrow/Nordemann, GRUR Int 2005, 407 (417), sprechen von einer „Wettbewerbsbeschränkung um des Wettbewerbs willen“. 221 Drexl, in: FS-Köhler (2014), S. 85 (90); Beier, in: FS-Quack (1991), S. 15 (17 f.); Heinemann, GRUR 2006, 705 (705); Oppenländer, GRUR Int 1982, 598 (599); Mailänder, GRUR Int 1979, 378 (379); Kommission, TT-Leitlinien, ABl. EU 2014/C 89/03, Rn. 7; Heine, GRUR 1948, 170 (170, 175), nach dem das ausschließliche Recht einen „Anreiz für die Offenbarung der erfinderischen Idee“ setzt. 222 Heinemann, Immaterialgüterschutz (2002), S. 27; Conde Gallego, GRUR Int 2006, 16 (17); Foroghi, IPRB 2014, 152 (152); Ullrich, ZHR 137 (1973), 134 (146); Kommission, TTLeitlinien, ABl. EU 2014/C 89/03, Rn. 7; Hemphill, NYU Law Review 2006, 1553 (1598). 223 Siehe hierzu Schmidt/Engelke, WiSt 1989, 399 (402). 218

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rechte deshalb nahtlos in das heutige Wettbewerbsleitbild ein224. Ein abstraktes Spannungsverhältnis zwischen Kartell- und Immaterialgüterrecht liegt nach heutigem Verständnis nicht vor, vielmehr sind beide Rechtsmaterien miteinander in Wechselwirkung stehende Bestandteile einer funktionierenden Wettbewerbsordnung.225 Zwischen den Wertungen des Kartellrechts und der Nutzung immaterialgüterrechtlicher Befugnisse kann es nichtsdestotrotz im Einzelfall zu Spannungen kommen226, die im Rahmen der Rechtsanwendung aufzulösen sind. Wie jedes andere Recht können auch die Rechte des geistigen Eigentums missbräuchlich eingesetzt werden.227 Wenngleich es daher der Auflösung eines abstrakten Spannungsverhältnisses zwischen beiden Rechtsmaterien nicht bedarf, muss zwischen den Regelungszielen beider Rechtsmaterien in Einzelfällen ein angemessener Ausgleich gefunden werden228. Dabei können dem immaterialgüterrechtlich gewährleisteten Handlungsspielraum im Zweifel kartellrechtliche Grenzen zu setzen sein.229 bb) Bisherige Auflösungsversuche Der Wandel in der Interpretation des Verhältnisses zwischen Kartell- und Immaterialgüterrecht lässt sich auch anhand der Handhabung kartellrechtlicher Fragestellungen mit immaterialgüterrechtlichem Bezug durch die Rechtsprechung und den nationalen Gesetzgeber nachvollziehen. Verallgemeinernd dreht sich die Diskussion heute entgegen früher vertretener Ansätze nicht mehr um die Schaffung kartellrechtsfreier immaterialgüterrechtlicher Handlungsspielräume. Es geht nicht mehr um die Frage, ob die Ausübung immaterialgüterrechtlicher Befugnisse einer kartellrechtlichen Kontrolle unterliegt, sondern nur noch um die Frage, wie diese Kontrolle zu erfolgen hat.230 Dem Spannungsverhältnis zwischen Kartell- und Immaterialgüterrecht wurde in Deutschland lange Zeit über die sog. Inhaltetheorie Rechnung getragen. Die Inhaltetheorie rezipierte die US-amerikanische Inherency Doctrine231 und fand in 224 Heinemann, GRUR 2006, 705 (713) [„Fundament der Wettbewerbsordnung“]; vgl. auch Klawitter, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008), § 13 Rn. 4; Foroghi, IPRB 2014, 152 (155). 225 Mailänder, GRUR Int 1979, 378 (379); vgl. auch Jestaedt, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Kartellrecht und Geistiges Eigentum Rn. 1236; Axster/Osterrieth, in: Pfaff/Osterrieth, Lizenzverträge3 (2010), Rn. 148; Meier-Beck, WRP 2006, 790 (793); nach Heinemann, GRUR 2006, 705 (713) wird dies durch die gleichmäßige Anwendung des Kartellrechts auf Immaterialgüterrechte gerade deutlich. 226 Heinemann, GRUR 2006, 705 (705) [„zahlreiche Konfliktfelder“]. 227 KG, Beschl. v. 5. 1. 1976, Kart 41/74, WuW/E OLG 1645 (1648) – Valium Librium; Heinemann, Immaterialgüterschutz (2002), S. 26. 228 Vgl. Heinemann, GRUR 2006, 705 (713). 229 Vgl. Mailänder, GRUR Int 1979, 378 (380). 230 Drexl, in: FS-Köhler (2014), S. 85 (90); Heinemann, GRUR 2006, 705 (706). 231 Heine, GRUR 1960, 265 (268).

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§§ 17, 18 GWB a.F. eine gesetzliche Verankerung232. Gem. § 17 GWB a.F. waren „Lizenzverträge […] verboten, soweit dem Lizenznehmer Beschränkungen auferlegt werden, die über den Inhalt des gewerblichen Schutzrechts hinausgehen“. Nach der Inhaltetheorie wurden Wettbewerbsbeschränkungen im Zusammenhang mit Immaterialgüterrechten demnach als unbedenklich betrachtet, wenn sie den Schutzbereich des Ausschließlichkeitsrechts nicht überstiegen.233 Immaterialgüterrechten wurde insoweit ein kartellrechtsfester Kern zugewiesen.234 Im Einzelfall war stets zu prüfen, welche Befugnisse dem Inhaber des Immaterialgüterrechts durch das Immaterialgüterrecht eingeräumt wurden, und, ob die streitgegenständliche Klausel von dieser Befugnis Gebrauch machte. Dabei wurde insbesondere jede Erstreckung des Schutzrechts in den schutzrechtsfreien Raum, sei es durch die Verlängerung der Schutzrechtsdauer oder durch seine Erstreckung auf nicht geschützte Gegenstände, als kartellrechtswidrig betrachtet. Die Inhaltetheorie wurde überwiegend im Rahmen des Kartellverbots, vereinzelt jedoch auch im Rahmen der Missbrauchskontrolle herangezogen235. Sie verlor ihr rechtliches Fundament mit Streichung der §§ 17, 18 GWB a.F. im Zuge der 7. GWB Novelle.236 Damit wurde der Erkenntnis Rechnung getragen, dass gerade auch die Kernbefugnisse eines Immaterialgüterrechts zu wettbewerbsbeschränkenden Zwecken eingesetzt werden können237. Die gemeinschaftsrechtlichen Kartellvorschriften enthielten demgegenüber zu keiner Zeit besondere Regelungen zur Bewertung von Wettbewerbsbeschränkungen, die mit der Ausübung gewerblicher Schutzrechte in Zusammenhang stehen.238 Der Rechtsprechung des EuGH war ursprünglich eine Trennung zwischen dem Bestand und der Ausübung von Immaterialgüterrechten zu entnehmen.239 In der Rechtssache Consten Grundig, welche die Verhinderung von Parallelimporten durch Markenrechte zum Gegenstand hatte, rechtfertigte der EuGH die Anwendung des Kartellverbots auf Vereinbarungen über Markenrechte. Insbesondere die Kompetenzzuweisung des Art. 354 AEUV stehe einer Anwendung nicht entgegen. Zwar lasse der Vertrag gem. Art. 345 AEUV die Eigentumsordnungen der Mitgliedstaaten, zu denen auch die Vorschriften über gewerbliche Schutzrechte gehören, unberührt.240 Ein kartellrechtliches Verbot, Schutzrechte zur Verhinderung von Parallelimporten 232

Drexl, in: FS-Köhler (2014), S. 85 (85). Heinemann, GRUR 2006, 705 (705). 234 Nordemann, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009), § 1 Rn. 204. 235 So etwa Beier, in: FS-Quack (1991), S. 15 (15 ff.); Miller, EIPR 1994, 415. 236 Heinemann, GRUR 2006, 705 (706). 237 Ebda. 238 Ullrich/Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 2 (2012), GRUR B. Rn. 1; Ullrich, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 2 (2012), GRUR A. Rn. 1; Heinemann, Immaterialgüterschutz (2002), S. 289. 239 Montag, EuZW 1997, 71 (71); Ullrich, ZHR 137 (1973), 134 (145); Massaguer Fuentes, GRUR Int 1987, 217 (220); Theune, GRUR Int 1977, 111 (118). 240 EuGH, Urt. v. 13. 7. 1966, Rs. 56 und 58/64, Slg. 1966, 322 (394) – Consten Grundig. 233

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einzusetzen, betreffe aber nicht den Bestand dieser Schutzrechte, sondern alleine deren Ausübung.241 In der Rechtssache Parke Davis vollzog der EuGH die Trennung zwischen Bestand und Ausübung auch für Patentrechte.242 Die Trennung zwischen Bestand und Ausübung von Immaterialgüterrechten weist deutliche Bezüge zur Inhaltetheorie im nationalen Recht auf. Beiden Ansätzen ist eine abstrakte Zweigliederung der immaterialgüterrechtlichen Befugnisse gemeinsam. Im Gegensatz zur Inhaltetheorie des nationalen Rechts wurde die Trennung zwischen Bestand und Ausübung im europäischen Recht allerdings gerade nicht dazu benutzt, um die Anwendung des Kartellrechts auf Immaterialgüterrechte auszuschließen, sondern vielmehr um diese zu legitimieren243. In seiner Entscheidung in der Rechtssache Deutsche Grammophon übertrug der EuGH seine Rechtsprechung zum Bestand und zur Ausübung von Immaterialgüterrechten auf das Verhältnis von Immaterialgüterrechten zur Warenverkehrsfreiheit. Zugleich ergänzte er die Trennung zwischen Bestand und Ausübung um die sog. Lehre vom spezifischen Gegenstand. Art. 36 EGV (AEUV) rechtfertige Beschränkungen des Handelsverkehrs nur, soweit diese zur Wahrung derjenigen Rechte erforderlich seien, die den spezifischen Gegenstand des Eigentums ausmachten.244 Der spezifische Gegenstand wurde dabei als ein Bündel immaterialgüterrechtlicher Kernbefugnisse verstanden245, zu denen das Recht, Dritten die Nutzung zu untersagen246, ebenso gehöre, wie das Recht zur Lizenzverweigerung247 oder das Recht zur Sicherung des Erfinderlohns248, insbesondere durch Lizenzvergabe249. In der Literatur wird hieraus auch heute noch häufig der Schluss gezogen, über die Zweiteilung in Bestand und Ausübung in der Fortentwicklung zur Lehre vom spezifischen Gegenstand ließen sich wettbewerbsrechtlich unbedenkliche Maßnahmen im Zusammenhang mit der Ausübung von Immaterialgüterrechten und wettbewerbswidrige Maßnahmen schematisch voneinander unterscheiden. Während die Ausübung von Immaterialgüterrechten dem europäischen Kartellrecht unterliege, 241

Ebda. EuGH, Urt. v. 29. 2. 1968, Rs. 24/67, Slg. 1968, 85 (112 f.) – Parke Davis; die Entscheidung EuGH, Urt. v. 8. 6. 1982, Rs. 258/78, Slg. 1982, 2015, Rn. 28 – Maissaatgut bezog sich demgegenüber auf ein Sortenschutzrecht. 243 Heinemann, GRUR 2006, 705 (706); vgl. auch ders., Immaterialgüterschutz (2002), S. 305. 244 EuGH, Urt. v. 8. 6. 1971, Rs. 78/70, Slg. 1971, 487, Rn. 11 – Deutsche Grammophon. 245 Heinemann, Immaterialgüterschutz (2002), S. 303; Miller, EIPR 1994, 415 (415); kritisch Ullrich, ZHR 137 (1973), 134 (146). 246 EuGH, Urt. v. 5. 10. 1988, Rs. 53/87, Slg. 1988, 6039, Rn. 11 – Circa Renault; EuGH, Urt. v. 5. 10. 1988, Rs. 238/87, Slg. 1988, 6211, Rn. 8 – Volvo. 247 Ebenroth/Bohne, EWS 1995, 397 (399); Müller, EuZW 1998, 232 (236). 248 Axster/Osterrieth, in: Pfaff/Osterrieth, Lizenzverträge3 (2010), Rn. 192. 249 EuGH, Urt. v. 31. 10. 1974, Rs. 15/74, Slg. 1974, 1147, Rn. 9 – Centrafarm BV und Adriaan de Peijper gegen Sterling Drug Inc.; Theune, GRUR Int 1977, 111 (118), der darauf hinweist, dass nur die grundsätzliche Möglichkeit zur Lizenzvergabe, nicht aber bestimmte Arten der Lizenzierungen zum Bestand des Patentrechts gehörten. 242

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lasse das europäische Kartellrecht Maßnahmen, die dem Bestand von Immaterialgüterrechten zuzurechnen sind, unberührt.250 Tatsächlich aber erscheint zweifelhaft, ob der EuGH mit der Trennung zwischen dem Bestand und der Ausübung von Immaterialgüterrechten bezweckte, materiell-rechtliche Vorgaben für die kartellrechtliche Bewertung der Ausübung von Immaterialgüterrechten zu machen. Bei genauerer Betrachtung nämlich hat der EuGH die Formel vom Bestand und der Ausübung eines Schutzrechts in seiner Rechtsprechung zwar erwähnt, kaum jedoch angewendet.251 Hieraus wird ersichtlich, dass der EuGH mit der Trennung zwischen dem Bestand und der Ausübung gerade keine materiell-rechtlichen Vorgaben für die kartellrechtliche Behandlung von Immaterialgüterrechten bezweckte. Vielmehr wollte der EuGH mit ihr einer zu weiten Ausdehnung der Gemeinschaftszuständigkeit vorbeugen.252 Ihr kommt mithin primär ein kompetenzverteilender Charakter zu.253 Konsequent wird die Trennung zwischen dem Bestand und Ausübung von Immaterialgüterrechten in jüngeren kartellrechtlichen Entscheidungen der Unionsgerichte auch nicht mehr erwähnt254 und wurde somit in der Tat aufgegeben.255 Auch mit der Lehre vom spezifischen Gegenstand verfolgte der EuGH jedoch nicht den Zweck einer abstrakten Abgrenzung zwischen kartellrechtswidrigen und kartellrechtskonformen Schutzrechtsausübungen.256 Im Rahmen von kartellrechtlichen Entscheidungen wurde die Lehre vom spezifischen Gegenstand nie schematisch 250

Siehe nur Cepl/Rüting, WRP 2013, 305 (306); Jansen/Johannsen, EuZW 2012, 893 (896). Andere kritisierten die Trennung zwischen Bestand und Ausübung als unmöglich, Ensthaler/Bock, GRUR 2009, 1 (5); Montag, EuZW 1997, 71 (73) [„eher künstliche Unterscheidung zwischen Bestand und Ausübung des Immaterialgüterrechts“]; vgl. auch Busche, in: FS-Tilman (2003), S. 645 (649) [„von vorneherein irreführend“]. Miller, EIPR 1994, 415 (416 ff.) unterscheidet zwischen dem Gebrauch von Marktmacht und dem Gebrauch immaterialgüterrechtlicher Befugnisse und sieht den Gebrauch immaterialgüterrechtlicher Befugnisse insoweit nicht als tatbestandsmäßig an. 251 Vgl. nur EuGH, Urt. v. 6. 10. 1982, Rs. 262/81, Slg. 1982, 3381, Rn. 14 ff. – Coditel II; EuGH, Urt. v. 8. 6. 1982, Rs. 258/78, Slg. 1982, 2015, Rn. 28 ff. – Maissaatgut; so auch Heinemann, Immaterialgüterschutz (2002), S. 241. 252 Heinemann, Immaterialgüterschutz (2002), S. 239. 253 So auch Heinemann, Immaterialgüterschutz (2002), S. 241. 254 Ebenroth/Bohne, EWS 1995, 397 (400). 255 Sack, WRP 1999, 592 (594); Riziotis, GRUR Int 2004, 367 (375); Busche, in: FS-Tilman (2003), S. 645 (649); Höppner, GRUR Int 2005, 457 (458). Joliet spricht in diesem Zusammenhang von einem beredten Schweigen des EuGH, Joliet, GRUR Int 1991, 177 (182). Nach Montag, EuZW 1997, 71 (75) hat der EuGH die Trennung zwischen Bestand und Ausübung in seiner Magill-Entscheidung durchbrochen. Nach Müller, EuZW 1998, 232 (236) erfuhr die Lehre vom spezifischen Gegenstand in der Magill-Entscheidung eine Relativierung. 256 Vielmehr ist auch die Lehre vom spezifischen Gegenstand dem Versuch einer Kompetenzaufteilung zuzuschreiben. Sie dient dem EuGH in diesem Zusammenhang dazu, sich von den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zu emanzipieren. Über die Lehre vom spezifischen Gegenstand wird für alle Mitgliedstaaten einheitlich ermittelt, welche Kernfunktionen gewerblichen Schutzrechten zukommen, Sack, in: FS-Fikentscher (1998), S. 740 (741). Die Lehre vom spezifischen Gegenstand dient insoweit primär der Abstrahierung nationaler Gegebenheiten, Heinemann, Immaterialgüterschutz (2002), S. 239 f., 322.

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angewendet. Zwar klang diese in der Rechtsprechung der Unionsgerichte wiederholt an, wenn bestimmte Maßnahmen eines Unternehmens zu den Kernrechten eines Immaterialgüterrechts gezählt wurden.257 Auch in diesen Entscheidungen wurde die Lehre vom spezifischen Gegenstand aber regelmäßig nur in einem negativen Sinne dahingehend verwendet, dass bestimmte Maßnahmen gerade nicht zu den Kernbefugnissen eines Immaterialgüterrechts zu zählen sind.258 Unterfiel eine Maßnahme dem spezifischen Gegenstand eines Immaterialgüterrechts, begnügte sich der EuGH hiermit demgegenüber nicht, sondern stellte auf den wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang der Maßnahme ab.259 Dieser Ansatz war im Übrigen auch bereits in Art. 2 Abs. 2 der Gruppenfreistellungsverordnung für Technologietransfer-Vereinbarungen (VO (EG) Nr. 240/96) niedergelegt. Hiernach waren die sog. weißen Klauseln, die typischerweise Maßnahmen zum Gegenstand hatten, die dem spezifischen Gegenstand zuzuordnen waren, ebenfalls nur unter dem Vorbehalt „besonderer Umstände“ freigestellt.260 Gerade jüngere Entscheidungen, in denen die Ausübung typischer immaterialgüterrechtlicher Kernbefugnisse wie der originäre Erwerb eines Ausschließlichkeitsrechts (AstraZeneca) oder der Erwerb einer Lizenz (Tetra Pak I) als missbräuchlich erachtet wurden, bestätigen diesen nicht schematischen, sondern an den einzelfallabhängigen rechtlichen und wirtschaftlichen Gesamtumständen orientierten Ansatz der Unionsgerichte.261 cc) Konsequenzen für die Bewertung früher Marktzutritte Bei der Beurteilung der Unbilligkeit der von frühen Marktzutritten gegenüber unabhängigen Generikaherstellern ausgehenden Behinderung bestehen damit im Ergebnis grundsätzlich keine Besonderheiten. Frühe Marktzutritte sind nicht bereits deshalb kartellrechtskonform, weil sie sich als Patentverwertungshandlungen und damit als Ausübung immaterialgüterrechtlicher Befugnisse darstellen.262 Auch im Bereich von Fällen im Schnittfeld zwischen Kartell- und Immaterialgüterrecht nimmt der EuGH zur Beurteilung der Missbräuchlichkeit eine einzelfallbezogene

257

Vgl. etwa EuG, Urt. v. 16. 12. 1999, Slg. 1999, II-3989, Rn. 56 – Micro Leader. Vgl. auch Heinemann, Immaterialgüterschutz (2002), S. 305. 259 So auch Heinemann, Immaterialgüterschutz (2002), S. 305 ff. mit Nachweisen zur einschlägigen Rechtsprechung des EuGH; vgl. auch Massaguer Fuentes, GRUR Int 1987, 217 (223, 229) zur Maissaatgut-Entscheidung des EuGH, der die Berücksichtigung des einzelfallabhängigen wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs für den vorzugswürdigen Ansatz hält. 260 Heinemann spricht in diesem Zusammenhang von einer „widerlegbaren Vermutung“ der Kartellrechtskonformität derartiger Maßnahmen, Heinemann, Immaterialgüterschutz (2002), S. 304. 261 Vgl. auch Ebenroth/Bohne, EWS 1995, 397 (400), nach denen der spezifische Gegenstand eines Schutzrechts nicht absolut zu betrachten ist, sondern sich aus einer Einzelfallabwägung ergibt. 262 Vgl. KG, Beschl. v. 5. 1. 1976, Kart 41/74, WuW/E OLG 1645 (1647) – Valium Librium. 258

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Interessenabwägung vor.263 Unternehmen können demnach gewerbliche Schutzrechte erwerben, lizenzieren und gegen Dritte verteidigen, ohne dass ihnen daraus ein Missbrauchsvorwurf gemacht werden kann.264 Derartige Maßnahmen sind dem Grunde nach keine Maßnahmen des Nichtleistungswettbewerbs.265 Gleichwohl können die genannten Maßnahmen im Einzelfall als missbräuchlich zu bewerten sein, wenn besondere Umstände hinzutreten. Nur zu vermuten bleibt hierbei, dass die Unionsgerichte in Analogie zu den bisherigen Entscheidungen zu Lizenzverweigerungen266 auch für die vorliegend diskutierten Fälle der Lizenzerteilung zur Annahme der Missbräuchlichkeit nur bei Hinzutreten „außergewöhnlicher Umstände“ gelangen werden, sodass die Interessenabwägung gewissermaßen vorstrukturiert wäre. Wie im Rahmen der nachfolgenden Ausführungen gezeigt wird, liegen im Falle früher Marktzutritte derart besondere oder gar außergewöhnliche Umstände, welche diese Strategie als missbräuchlich qualifizierten, gerade nicht vor. Bei dem Vollzug früher Marktzutritte handelt es sich mit Blick auf das missbrauchsrechtliche Behinderungsverbot vielmehr um eine kartellrechtlich zulässige Patentauslaufstrategie. b) Rückschlüsse auf das Vorliegen besonderer Umstände aus dem AstraZeneca-Verfahren Eine erste Annährung an die Frage der Missbräuchlichkeit früher Marktzutritte erlauben die Entscheidungen des EuGH und des Gerichts in dem Verfahren gegen den schwedisch-britischen Arzneimittelhersteller AstraZeneca267. Das AstraZenecaVerfahren ist für die vorliegende Untersuchung nicht nur deshalb von besonderer Relevanz, weil es die erste Entscheidung des EuGH zum Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Arzneimittelsektor nach sich zog.268 Vielmehr kommt ihm vor allem deshalb besondere Bedeutung zu, weil hierin ebenfalls um die kartellrechtliche Zulässigkeit einer Patentauslaufstrategie gestritten wurde, die unter dem Verdacht stand, generischen Wettbewerb zu verhindern bzw. zu verzögern269.

263

Hierfür plädierend auch Ullrich, ZHR 137 (1973), 134 (146) [„Einzelfallprüfung der Konkordanz oder des Konflikts von Patentschutz und Wettbewerbsfreiheit“]. 264 Beier, in: FS-Quack (1991), S. 15 (31). 265 Beier, in: FS-Quack (1991), S. 15 (32). 266 Siehe hierzu in und bei Fn. 376. 267 EuG, Urt. v. 1. 7. 2010, Rs. T-321/05, Slg. 2010, II-2805 – AstraZeneca; EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8 – AstraZeneca. 268 Berg/Brankin, EuZW 2011, 91 (91); vgl. auch Müller-Graff/Fischmann, GRUR Int 2010, 792 (793). 269 Müller-Graff/Fischmann, GRUR Int 2010, 792 (793).

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aa) Die Entscheidungen der Gemeinschaftsgerichte in der Rechtssache AstraZeneca Konkret waren von der Kommission zwei Maßnahmen AstraZenecas beanstandet worden, welche die Kommission als missbräuchliche Ausnutzung des Patentsystems sowie des Verfahrens für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln qualifizierte.270 AstraZeneca vertrieb mit Losec (Wirkstoff: Omeprazol) ein äußerst umsatzstarkes Arzneimittel zur Linderung von durch Übersäuerung bedingten Magen-Darm-Erkrankungen. Der erste Verstoß AstraZenecas bestand nach Ansicht der Kommission und der Unionsgerichte in der Angabe irreführender Information gegenüber nationalen Patentämtern zur Erlangung ergänzender Schutzzertifikate.271 Anstelle des für die Erteilung ergänzender Schutzzertifikate maßgeblichen Datums der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen hatte AstraZeneca den Ämtern das Datum der ersten Preisgenehmigung übermittelt, obwohl interne Dokumente belegten, dass AstraZeneca um die Relevanz des Datums für das erste Inverkehrbringen für die Erteilung ergänzender Schutzzertifikate wusste. Die Patentämter erteilten daraufhin ergänzende Schutzzertifikate, auf die AstraZeneca keinen Anspruch oder nur für eine verkürzte Dauer einen Anspruch hatte. Das Gericht wertete diese irreführenden Angaben gegenüber den Patentämtern als Verhaltensweise, die dem Leistungswettbewerb fremd sei, weil sie einzig darauf abgezielt habe, Generikaanbieter vom Markt fernzuhalten.272 Auch der EuGH sah in dem „konstante[n] und geradlinige[n] Verhalten“ AstraZenecas, mit dem AstraZeneca die Patentämter und die Gerichte vorsätzlich zu täuschen versuchte, um sein Monopol möglichst lange zu wahren, eine Maßnahme des Nichtleistungswettbewerbs.273 Ein derartiges Verhalten entspreche nicht der besonderen Verantwortung, die marktbeherrschende Unternehmen dafür trügen, dass sie den Wettbewerb nicht durch dem Leistungswettbewerb fremde Verhaltensweisen beschränkten.274 Relevanter für die Bewertung früher Marktzutritte ist der zweite von der Kommission erhobene und von den Gerichten bestätigte Missbrauchsvorwurf. Die Kommission und die Unionsgerichte wandten sich hierbei gegen den von AstraZeneca vorgenommenen Widerruf der arzneimittelrechtlichen Zulassungen von Losec in Dänemark, Norwegen und Schweden.275 Der Widerruf der arzneimittelrechtlichen Zulassungen stand hierbei im Zusammenhang mit der von AstraZeneca geplanten Produktumstellung von Losec Kapseln zu Losec Tabletten 270

Kommission, Entscheidung v. 15. 6. 2005, COMP/A. 37.507/F3, Rn. 626 ff. – AstraZeneca. 271 Kommission, Entscheidung v. 15. 6. 2005, COMP/A. 37.507/F3, S. 198 – AstraZeneca. 272 EuG, Urt. v. 1. 7. 2010, Rs. T-321/05, Slg. 2010, II-2805, Rn. 355, 608 – AstraZeneca. 273 EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 93 – AstraZeneca; kritisch Straus, GRUR Int 2009, 93 (106). 274 EuG, Urt. v. 1. 7. 2010, Rs. T-321/05, Slg. 2010, II-2805, Rn. 355 – AstraZeneca; EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 98 – AstraZeneca. 275 Zu möglichen technischen Folgen eines solchen Widerrufs siehe Tschammler, WuW 2013, 1071 (1073). Zu der dieser Strategie ähnlichen Auslistung von Patenten aus dem Orange Book in den USA siehe Avery, HLJ 2008, 171 (198 ff.).

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(Losec MUPS). Das Bestehen der Marktzulassung des Originalpräparats war zu dem damaligen Zeitpunkt noch Voraussetzung für ein verkürztes Zulassungsverfahren entsprechender Generika276 sowie für die Erteilung von Einfuhrlizenzen an Parallelimporteure.277 Auch in dieser Maßnahme wurde ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung AstraZenecas erblickt.278 Marktbeherrschende Unternehmen dürften das regulatorische Verfahren nicht in einer Weise in Anspruch nehmen, die den Marktzutritt von Generika verhindere oder erschwere, wenn hierfür weder ein berechtigtes Interesse noch objektive Rechtfertigungsgründe bestünden.279 Im vorliegenden Fall ziele AstraZenecas Verhalten einzig darauf ab, Mitbewerber so lange wie möglich vom Markt fern zu halten280 und laufe deshalb offenkundig dem Leistungswettbewerb zuwider281. bb) Rückschlüsse für die Bewertung früher Marktzutritte Den beiden in der Rechtssache AstraZeneca behandelten Missbrauchshandlungen kommt heute aufgrund veränderter rechtlicher Rahmenbedingungen keine praktische Bedeutung mehr zu.282 Der Entscheidung des EuGH wird in der Literatur aber mitunter eine Bedeutung über die konkret benannten Missbrauchshandlungen hinaus auch für weitere Lebenszyklus- und Patentauslaufstrategien beigemessen.283 Erste Rückschlüsse lassen sich dabei in der Tat auch auf die kartellrechtliche Bewertung der Patentauslaufstrategie früher Marktzutritte ziehen. Zwar bewerteten die Gerichte im konkreten Fall den Widerruf von Arzneimittelzulassungen als missbräuchlich, im Ausgangspunkt ihrer Entscheidungen betonten jedoch beide Gerichte, die Entwicklung einer Strategie, die den Absatzeinbruch eines Unternehmens minimieren und es in die Lage versetzen soll, dem durch Generika verursachten Wettbewerb zu 276

Natz, PharmR 2010, 431 (431). Sule/Schnichels, EuZW 2009, 129 (133 f.). 278 Kommission, Entscheidung v. 15. 6. 2005, COMP/A. 37.507/F3, S. 198 – AstraZeneca. 279 EuG, Urt. v. 1. 7. 2010, Rs. T-321/05, Slg. 2010, II-2805, Rn. 672 – AstraZeneca; EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 134, 149 – AstraZeneca. 280 EuG, Urt. v. 1. 7. 2010, Rs. T-321/05, Slg. 2010, II-2805, Rn. 829 – AstraZeneca; EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 154 – AstraZeneca. 281 EuG, Urt. v. 1. 7. 2010, Rs. T-321/05, Slg. 2010, II-2805, Rn. 816 f. – AstraZeneca; EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 164 – AstraZeneca. 282 Art. 10 Abs.1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. 11. 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel wurde durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. 3. 2004 dahingehend geändert, dass es nunmehr genügt, dass das Referenzarzneimittel „seit mindestens acht Jahren in einem Mitgliedstaat oder in der Gemeinschaft genehmigt ist oder genehmigt wurde“. Überdies hat der EuGH in der Entscheidung EuGH, Urt. v. 11. 12. 2003, Rs. C-127/00, Slg. 2003, I-14781 – Hässle über den zuvor unklaren Begriff der „ersten Marktzulassung“ im Sinne einer ersten technischen Zulassung entschieden, Gassner, GRUR Int 2004, 983 (993). 283 Müller-Graff/Fischmann, GRUR Int 2010, 792 (799 f., 802); Seitz, EuZW 2013, 377 (378); Tschammler, WuW 2013, 1071 (1074) [„Referenzpunkt“]; Besen, GRUR-Prax 2013, 33 (34) [„weitreichende Konsequenzen“]. 277

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begegnen, sei selbst bei einem Unternehmen in beherrschender Stellung legitim und als Teil des normalen Wettbewerbs zu werten, von dem die Verbraucher potentiell profitierten.284 Etwas anderes gelte nur, wenn die konkrete Maßnahme als Maßnahme des Nichtleistungswettbewerbs zu qualifizieren sei.285 Die Ausführungen der Gerichte lassen sich hierbei zunächst als Konkretisierung des Grundsatzes begreifen, wonach auch marktbeherrschende Unternehmen nicht zur Förderung fremden Wettbewerbs verpflichtet sind286. Originalpräparatehersteller sind daher kartellrechtlich nicht gezwungen, Generikaherstellern den Markt ohne Gegenmaßnahmen zu überlassen. Den Entscheidungen in der Rechtssache AstraZeneca lässt sich demnach eine grundsätzliche Billigung von Patentauslaufstrategien durch die Unionsgerichte entnehmen, die im Ansatz gegen die Kartellrechtswidrigkeit auch früher Marktzutritte spricht.287 Vor allem aber entziehen die Aussagen der Unionsgerichte der eingangs aufgeworfenen Argumentation, wonach frühe Marktzutritte bereits deshalb bedenklich sind, weil ihre Wirkungen über den Zeitpunkt des Patentablaufs hinausreichen und damit einer faktischen Patentausdehnung gleichkommen, den Boden. Schließlich sind Wirkungen, die über den Zeitpunkt des Patentablaufs hinausreichen, insbesondere in Form einer Minimierung der mit Patentablauf ansonsten eintretenden Umsatz- und Gewinneinbußen, Patentauslaufstrategien wesensimmanent. Beschränkten sich die Wirkungen einer Patentauslaufstrategie auf die Zeit vor Patentablauf, wäre die Patentauslaufstrategie vollständig wirkungslos. Auch die Unionsgerichte billigen Patentauslaufstrategien allerdings nur, sofern diese als Maßnahmen des Leistungswettbewerbs einzuordnen sind.288 Als Kriterium zur Beurteilung von Maßnahmen des Nichtleistungswettbewerbs im Zusammenhang mit Patentauslaufstrategien lässt sich den AstraZeneca-Entscheidungen hierbei das Kriterium der Abschreckung generischen Wettbewerbs entnehmen. Nachteilige Folgen für generische Wettbewerber gehen mit Patentauslaufstrategien jedoch stets einher und können deshalb nicht per se zur Missbräuchlichkeit der Patentauslaufstrategie führen. Konsequent stellte der EuGH insoweit einschränkend darauf ab, dass der streitgegenständliche Widerruf von Arzneimittelzulassungen nur deshalb als Maßnahme des Nichtleistungswettbewerbs zu qualifizieren sei, weil die Abschre284 EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 129 – AstraZeneca; EuG, Urt. v. 1. 7. 2010, Rs. T-321/05, Slg. 2010, II-2805, Rn. 804 – AstraZeneca; vgl. auch Drexl, in: Sektoruntersuchung Pharma (2010), 13 (27). 285 Ebda. 286 Nothdurft, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 19 Rn. 229 m.w.N. 287 In diese Richtung deutet auch die Entscheidung des BGH in der Rechtssache Simvastatin, in der das Gericht betonte, dass auch die Zeit unmittelbar vor Patentablauf exklusiv dem Patentinhaber vorbehalten sei. Folglich bewertete der BGH das Anbieten eines Generikums vor Patenablauf für die Zeit nach Patentablauf mit dem Ziel, sich bereits im Vorfeld des Patentablaufs eine verbesserte Marktposition im Zeitpunkt des Patentablaufs zu verschaffen, als schutzrechtsverletzend, BGH, Urt. v. 5. 12. 2006, X ZR 76/05, BGHZ 170, 115 (118 ff.) – Simvastatin; siehe hierzu Tauchner/Hölder, Patent World 2007, 11; vgl. auch Buhrow/ Nordemann, GRUR Int 2005, 407 (417). 288 Siehe in und bei Fn. 285.

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ckung von Generikaherstellern bei objektiver Betrachtung das einzige Motiv des Originalpräparateherstellers sei.289 Auch dies spricht jedoch gegen die Qualifikation früher Marktzutritte als Maßnahmen des Nichtleistungswettbewerbs. Schließlich wirken sich frühe Marktzutritte im Gegensatz zu dem von den Gemeinschaftsgerichten beanstandeten Widerruf arzneimittelrechtlicher Marktzulassungen, aus dem sich im konkreten Fall keine unmittelbaren Vorteile für den Originalpräparatehersteller ergaben, positiv auf die Folgen des Patentablaufs für Originalpräparatehersteller aus. Wie gezeigt, stellen frühe Marktzutritte nämlich ein Mittel dar, um die Gewinne der Originalpräparatehersteller über den Zeitpunkt des Patentablaufs hinaus zu konservieren290. Frühe Marktzutritte weichen damit entscheidend von der in AstraZeneca beanstandeten Maßnahme ab, weil sie nicht mit dem alleinigen Motiv der Zugangsvereitelung erklärbar sind.291 cc) Zwischenergebnis Nach den Entscheidungen der Unionsgerichte in der Rechtssache AstraZeneca bestehen gegenüber der Patentauslaufstrategie früher Marktzutritte als unternehmerisches Verhalten keine grundsätzlichen Bedenken. Vielmehr erkennen die Unionsgerichte das Interesse patentinnehabender Originalpräparatehersteller an, die mit Patentablauf einsetzenden Umsatzeinbrüche durch entsprechende Maßnahmen vor Patentablauf zu minimieren. Zwar steht die grundsätzliche Billigung von Patentauslaufstrategien durch die Unionsgerichte unter dem Vorbehalt, dass es sich hierbei um Maßnahmen des Leistungswettbewerbs handelt. Das in den Entscheidungen in der Rechtssache AstraZeneca als missbrauchsbegründend herangezogene Kriterium, wonach die Maßnahme den alleinigen Zweck einer Zugangsvereitelung verfolgte, liegt bei frühen Marktzutritten aber gerade nicht vor. c) Qualität der Einschränkung Gegen eine Qualifikation früher Marktzutritte als unbillige Behinderung unabhängiger Generikahersteller spricht überdies auch die Qualität der mit frühen Marktzutritten verbundenen Einschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit der Generikahersteller. Festzustellen ist hierbei zunächst, dass frühe Marktzutritte von den bislang bekannten Fällen mittelbarer Behinderungen in qualitativer Hinsicht deutlich abweichen. Anders als etwa im Falle von Ausschließlichkeitsbindungen in Form von Bezugsbindungen oder Kopplungsbindungen wirken die Originalpräparatehersteller bei frühen Marktzutritten nicht unmittelbar auf die Marktgegenseite 289

Siehe den Nachweis in Fn. 280. Siehe in und bei Fn. 123 ff. 291 Nichts anderes gilt, wenn man nicht auf den objektiven Charakter früher Marktzutritte, sondern auf die subjektiven Zielsetzungen der Originalpräparatehersteller abstellt, vgl. EuG, Urt. v. 1. 7. 2010, Rs. T-321/05, Slg. 2010, II-2805, Rn. 359 – AstraZeneca; Müller-Graff/ Fischmann, GRUR Int 2010, 792 (797). Zur Motivation der Originalpräparatehersteller siehe in und bei Fn. 332. 290

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ein. Vielmehr beschränkt sich das Verhalten der Originalpräparatehersteller darauf, der Marktgegenseite bereits vor Patentablauf ein alternatives Produkt anzubieten. Würde der Originalpräparatehersteller mit diesem Produkt in Wettbewerb zu anderen Unternehmen treten, würde wohl niemand ernsthaft eine Einordnung dieser Produkteinführung als Maßnahme des Nichtleistungswettbewerbs in Erwägung ziehen. Vielmehr ist gerade anerkannt, dass es auch marktbeherrschenden Unternehmen nicht verwehrt ist, in benachbarte Märkte einzudringen.292 Die Besonderheit früher Marktzutritte liegt insoweit alleine darin begründet, dass der Originalpräparatehersteller mit dieser Strategie nicht in Wettbewerb zu anderen Unternehmen, sondern gewissermaßen in Wettbewerb zu sich selbst tritt. Am Charakter dieser Handlung als bloße Produkteinführung und damit als eindeutige Maßnahme des Leistungswettbewerbs vermag dies indes nichts zu ändern. Die „Verführung“ der Marktgegenseite durch neue Produkteinführungen ist dem Wettbewerb schließlich ebenso wesensimmanent wie die „Verführung“ der Marktgegenseite durch günstigere Preise.293 Dies wird im Ergebnis auch durch die Entscheidungen der Unionsgerichte in der Rechtssache AstraZeneca sowie durch die aktuelle Entscheidung der Kommission gegen den Arzneimittelhersteller Les Laboratoires Servier bestätigt. Die Kommission konstruierte den AstraZeneca vorgeworfenen Missbrauch ursprünglich nicht nur aus dem beschriebenen Widerruf der Arzneimittelzulassungen, sondern zusätzlich aus der gleichzeitigen Produktumstellung von Losec Kapseln zu Losec Tabletten (Losec MUPS).294 Das Inverkehrbringen von Losec MUPS als eine frühen Marktzutritten vergleichbare Produkteinführung wurde von den Gerichten aber gerade nicht aufgegriffen. Vielmehr äußerte sich das Gericht in dieser Hinsicht dahingehend, dass im vorliegenden Fall kein Anlass bestehe, AstraZeneca das Inverkehrbringen von Losec MUPS oder die Zurücknahme von Losec Kapseln vorzuwerfen.295 Diese Handlung sei nicht geeignet, die Einführung von Generika und die Paralleleinfuhren zu verzögern.296 Auch der EuGH widersprach dieser Einschätzung nicht.297 In der Einführung eines Arzneimittels wurde nach alledem richtigerweise kein Missbrauch erblickt. Noch deutlicher tritt diese Einschätzung aus der Entscheidung der Kommission gegen den Arzneimittelhersteller Les Laboratoires Servier hervor, in der die Kommission den Abschluss von Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt durch Servier zwar explizit feststellte, im Rahmen ihrer missbrauchsrechtlichen Würdigung aber gerade nicht beanstandete.298

292

Ulmer, GRUR 1977, 565 (573). Vgl. BGH, Urt. v. 4. 11. 2003, KZR 38/02, WuW/E DE-R 1210 (1212 f.) – Strom und Telefon II. 294 Kommission, Entscheidung v. 15. 6. 2005, COMP/A. 37.507/F3, Rn. 789 – AstraZeneca. 295 EuG, Urt. v. 1. 7. 2010, Rs. T-321/05, Slg. 2010, II-2805, Rn. 811 – AstraZeneca. 296 Ebda. 297 EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 121 – AstraZeneca. 298 Siehe hierzu in Fn. 148. 293

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Dieser Erkenntnis lässt sich auch nicht entgegenhalten, es handle sich bei frühen Marktzutritten entgegen ihrem wettbewerbsrechtlich neutralen Erscheinungsbild um eine Verdrängungsstrategie nach dem Vorbild der Fallgruppe der Kampfpreise in Vernichtungsabsicht299. Zwar wird aus der Fallgruppe der Kampfpreise in Vernichtungsabsicht ersichtlich, dass auch an sich wettbewerbsrechtlich unbedenkliche oder gar zu begrüßende Maßnahmen, wie Preissenkungen, in Ausnahmefällen als missbräuchlich bewertet werden können. Mit der Fallgruppe der Kampfpreise in Vernichtungsabsicht sind frühe Marktzutritte indes nicht vergleichbar. Zwar sind Kampfpreistaktiken auch gegenüber potentiellen Wettbewerbern, wie im vorliegenden Fall noch nicht am Markt tätigen Generikaherstellern, möglich.300 Kampfpreistaktiken können in diesem Zusammenhang insbesondere angewendet werden, um die Erwartungen potentieller neuer Marktteilnehmer zu beeinträchtigen und diese somit vom Markt fernzuhalten.301 Die Fallgruppe der Kampfpreise in Vernichtungsabsicht hat jedoch Fälle vor Augen, in denen ein Unternehmen bewusst wirtschaftliche Verluste in Kauf nimmt, um Mitbewerber zu verdrängen oder vom Markt abzuhalten und damit langfristig erneut hohe Monopolgewinne einfahren zu können.302 Erforderlich ist dabei regelmäßig, dass ein Unternehmen unterhalb der Selbstkosten am Markt anbietet. Im Rahmen früher Marktzutritte nehmen Originalpräparatehersteller jedoch gerade keine wirtschaftlichen Verluste in Kauf.303 Frühe Marktzutritte stellen deshalb keinen Sonderfall der Fallgruppe der Kampfpreise in Vernichtungsabsicht dar.304 Im Übrigen entsprechen gezielte Preisunterbietungen auch bereits grundlegend nicht der Intention der Originalpräparatehersteller, die mit frühen Marktzutritten auf eine Segmentierung des Marktes in kostensensible und weniger kostensensible Abnehmer abzielen, die aber mit Preissenkungen gerade nicht zu erreichen ist.305 d) Intensität der Einschränkung Auch die Intensität der mit dem Vollzug früher Marktzutritte verbundenen Einschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit der Generikahersteller lässt den Schluss auf eine kartellrechtlich relevante Behinderung nicht zu.306 Zur Abgrenzung missbräuchlicher Behinderungen von zulässigen Wettbewerbshandlungen zieht die 299

Siehe hierzu in und bei Fn. 89; siehe hierzu auch Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 334 f. 300 Vgl. Kommission, Prioritätenmitteilung, ABl. EU 2009/C 45/02, Rn. 63, 66. 301 Kommission, Prioritätenmitteilung, ABl. EU 2009/C 45/02, Rn. 68. 302 Vgl. Mestmäcker, in: FS-Raisch (1995), S. 441 (460). 303 Siehe in und bei Fn. 123 ff. 304 So auch Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 334 f. 305 Siehe hierzu in und bei Fn. 97 ff. (Kapitel 2). 306 Die Erheblichkeit der Beeinträchtigung anderer Unternehmen ist im Rahmen der Interessenabwägung zur Bestimmung der Missbräuchlichkeit einer Verhaltensweise ebenfalls zu berücksichtigen, Nothdurft, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 19 Rn. 200.

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Kommission das sog. Konzept der wettbewerbswidrigen Marktverschließung heran.307 Nach diesem Ansatz zeichnen sich missbräuchliche Behinderungen dadurch aus, dass sie Konkurrenten in wettbewerbswidriger Weise vom Markt ausschließen.308 Auch nach der Rechtsprechung des BGH haben die Interessen eines marktbeherrschenden Unternehmens mit Blick auf den auf die Offenhaltung von Märkten gerichteten Telos der Missbrauchsaufsicht309 zurückzutreten, wenn sich das Verhalten des Marktbeherrschers als Marktzutrittssperre für andere Unternehmen auswirkt.310 Als Marktzutrittssperre für unabhängige Generikahersteller wirken sich frühe Marktzutritte im Regelfall jedoch nicht aus. Zwar bestehen auf Arzneimittelmärkten auch im Nachgang zu frühen Marktzutritten wirtschaftliche Marktzutrittsschranken zulasten unabhängiger Generikahersteller. Auch sind diese grundsätzlich von Einfluss auf die Marktzutrittsentscheidungen von Unternehmen.311 Den nachfolgenden Ausführungen entsprechend, erreichen diese Marktzutrittsschranken im Falle früher Marktzutritte jedoch im Regelfall bereits nicht die Intensität einer Marktzutrittssperre. Selbst wenn man aber von einer marktverschließenden Wirkung früher Marktzutritte ausgehen wollte, wäre diese nach dem Ansatz der Kommission nicht als wettbewerbswidrig zu qualifizieren und überdies bereits dem Grunde nach nicht über das Instrument des als Marktverhaltenskontrolle ausgestalteten Behinderungsmissbrauchs zu sanktionieren. aa) Marktverschließung durch Marktzutrittsschranken Der Begriff der Marktzutrittsschranken bezeichnet alle Widerstände rechtlicher, wirtschaftlicher oder technischer Art312, die potentielle Wettbewerber am Eintritt in einen Markt hindern oder die den Eintritt dieser Unternehmen erschweren.313 Marktzutrittsschranken folgen ökonomisch aus den Kosten, die Unternehmen zum Zwecke eines Marktzutrittes tragen müssen und die von den bereits am Markt eta307

Bulst, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 102 Rn. 96. Kommission, Diskussionspapier über Marktmissbräuche (2005), Rn. 58; dies., Prioritätenmitteilung, ABl. EU 2009/C 45/02, Rn. 19. 309 Bundesregierung, Bericht über Änderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drucks. IV/617, S. 70, 96; Nothdurft, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 19 Rn. 229. 310 BGH, Urt. v. 12. 3. 1991, KZR 26/89, WuW/E BGH 2707 (2716 f.) – Krankentransportunternehmen II; BGH, Beschl. v. 13. 12. 2005, KVR 13/05, WuW/E DE-R 1726 (1729) – Stadtwerke Dachau; BGH, Beschl. v. 21. 2. 1995, KVR 10/94, WuW/E BGH 2990 (2997) – Importarzneimittel; BGH, Urt. v. 13. 7. 2004, KZR 17/03, WuW/E DE-R 1377 (1379) – Sparberaterin. 311 Jickeli, Marktzutrittsschranken (1990), S. 2 m.w.N. 312 Vgl. Kommission, Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (nachfolgend: Leitlinien für horizontale Zusammenschlüsse), ABl. EU 2004/C 31/03, Rn. 71. 313 Jickeli, Marktzutrittsschranken (1990), S. 3. 308

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blierten Unternehmen nicht getragen werden müssen (sog. versunkene Kosten).314 Im Falle früher Marktzutritte deuten bereits die im Zeitraum nach Patentablauf stetig hohen Marktanteile autorisierter Generika315 auf die Existenz von Marktzutrittsschranken hin.316 Um rechtliche Marktzutrittsschranken kann es sich hierbei nicht handeln, da mit Wegfall des patentrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts jeder Generikahersteller zur Nutzung des patentgeschützten Arzneimittels berechtigt ist.317 Hierin liegt zunächst ein wesentlicher Unterschied zu der vermeintlich ähnlich gelagerten Entscheidung des Gerichts in der Rechtssache Tetra Pak I, in der zwar nicht die Erteilung einer Lizenz, wohl aber der Erwerb einer solchen als missbräuchlich qualifiziert wurde.318 Anders als in den Fällen früher Marktzutritte war Mitbewerbern der Marktzutritt im Fall Tetra Pak I in der Tat bereits aus rechtlichen Gründen versperrt. Bei der von Tetra Pak I erworbenen Lizenz handelte es sich nämlich um eine ausschließliche Lizenz an einer für die Tätigkeit am Markt erforderlichen Schlüsseltechnologie, sodass durch den Erwerb dieser Lizenz faktisch jeder Wettbewerb ausgeschlossen war.319 Auch im Nachgang zu dem Vollzug früher Marktzutritte aber sind Generikahersteller in rechtlicher Hinsicht ohne weiteres in der Lage, den Markt zu betreten. Abschreckend zu wirken vermögen alleine die infolge des frühen Marktzutritts geschmälerten Gewinnaussichten für unabhängige Generikahersteller. Gravierende Unterschiede ergeben sich insoweit auch zu der ebenfalls auf das Missbrauchsverbot gestützten Entscheidung der Kommission gegen den Arzneimittelhersteller Les Laboratoires Servier, in welcher die Kommission den Erwerb konkurrierender Technologien sowie den Abschluss von Reverse Payment Settlements als zwei Bestandteile einer missbräuchlichen Gesamtstrategie zur Verhinderung generischen Wettbewerbs betrachtete.320 Schließlich lag auch diesem Verhalten das Ziel zugrunde, die Entstehung generischen Wettbewerbs durch die Errichtung rechtlicher Marktzutrittsschranken insoweit zur Gänze zu verhindern, als Servier mit den Umgehungserfindungen der Generikahersteller und

314

Schellhaaß/Neumann, WuW 1986, 196 (199); Schmidt/Engelke, WiSt 1989, 399 (401). Zur Marktanteilsentwicklung autorisierter Generika siehe in und bei Fn. 107 ff. (Kapitel 1). 316 Vgl. Kommission, Prioritätenmitteilung, ABl. EU 2009/C 45/02, Rn. 17. Fackelmann nimmt „eine Art psychologische Markteintrittsbarriere“ für unabhängige Generikahersteller an, Fackelmann, Patentschutz und ergänzende Schutzinstrumente (2009), S. 335. AA Grabowski/ Vernon, JLE 1992, 331 (347), nach denen keine Marktzutrittsschranken bestehen. 317 Zu denken wäre allenfalls an eine rechtliche Marktzutrittsschranke in Form des arzneimittelrechtlichen Zulassungserfordernisses. Zum einen aber ist die Marktzulassung von Generika bereits unter erheblich erleichterten Bedingungen möglich, siehe hierzu in und bei Fn. 34 ff. (Kapitel 2). Zum anderen steht der Vollzug früher Marktzutritte hierzu auch in keinerlei Zusammenhang. 318 Siehe zu dieser Entscheidung in und bei Fn. 150. 319 Ebda. 320 Siehe hierzu in Fn. 148. 315

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deren Angriffen auf das Originalpräparat beide Quellen generischen Wettbewerbs321 zu eliminieren versuchte. In Betracht kommt deshalb nur eine wirtschaftliche Marktzutrittsschranke zulasten unabhängiger Generikahersteller. Eine solche ergibt sich vorliegend aus der im Zeitpunkt des möglichen generischen Marktzutritts bereits ausgeprägten Konsumentenpräferenz322 für das autorisierte Generikum und dem zur Überzeugung der Konsumenten erforderlichen erhöhten Werbeaufwand für unabhängige Generikahersteller323. Eine Marktzutrittssperre ergäbe sich hieraus allerdings nur, wenn die infolge des erhöhten Werbeaufwands erhöhten Grenzkosten unabhängiger Generikahersteller dazu führten, dass diese Generikahersteller den Zielmarkt nicht mehr mit preislich konkurrenzfähigen Produkten bedienen könnten. Ökonomische Untersuchungen sprechen dabei jedoch gerade gegen einen solchen marktverschließenden Effekt.324 Nach Appelt wirken sich frühe Marktzutritte nicht abschreckend auf unabhängige Generikahersteller aus.325 Gegenstand dieser Untersuchung aus dem Jahre 2010 waren 75 nationale Märkte für apothekenpflichtige Humanarzneimittel, die nur einen aktiven Wirkstoff enthielten und zwischen 2002 und 2007 ihre Exklusivität verloren hatten.326 Im Untersuchungszeitraum beobachtete Appelt auf 16 dieser Märkte frühe Marktzutritte, wobei sich deren Gesamtzahl auf 26 belief, da Originalpräparatehersteller häufig mit zwei Generikaherstellern parallel zusammenarbeiteten.327 Nach der Bestimmung derjenigen Generikahersteller, die als potentielle Zutrittskandidaten 321 Kommission, Entsch. v. 9. 7. 2014, AT.39612, C(2014) 4955 final, Rn. 2794 – Perindopril (Servier); Kommission, Entsch. v. 19. 6. 2013, AT.39226, C(2013) 3803 final, Rn. 617 – Lundbeck. 322 Vgl. auch Kommission, Leitlinien für horizontale Zusammenschlüsse, ABl. EU 2004/C 31/03, Rn. 71 [„Kundentreue“]; zu den finanziellen und technischen Schwierigkeiten des Eindringens in einen durch eine hohe Konzentration gekennzeichneten Markt siehe auch EuGH, Urt. v. 21. 2. 1973, Rs. 6/72, Slg. 1973, 215, Rn. 30 – Continental Can. 323 Vgl. Bond/Lean, FTC Staff Report (1977), S. 5 ff.; vgl. auch Bardong, in: Langen/ Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 2 FKVO Rn. 238. 324 AA Hollis, der von einer abschreckenden Wirkung früher Marktzutritte ausgeht und hinsichtlich der Intensität dieser Abschreckungswirkung nach der Größe des jeweiligen Arzneimittelmarktes differenziert. Auf mittelgroßen Märkten, verstanden als Märkte, die grundsätzlich für den Originalpräparatehersteller sowie für einen weiteren Generikahersteller profitabel wären, wirkten frühe Marktzutritte abschreckend. Mit dem Marktzutritt seien für unabhängige Generikahersteller hohe Fixkosten verbunden, die sich im Falle eines bereits am Markt etablierten und infolge günstigerer Kostenstrukturen und Erstanbietervorteile sehr erfolgreichen autorisierten Generikums nicht amortisieren ließen. Auf großen Arzneimittelmärkten, die grundsätzlich für mehr als einen Generikahersteller profitabel wären, verhinderten autorisierte Generika den Zutritt unabhängiger Generikahersteller zwar nicht gänzlich, wohl aber führten sie zu einer Zutrittsverzögerung, Hollis, Health Economics 2002, 723; ders., CPP 2003, 21. 325 Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 3, 26, 28. 326 Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 8 ff. 327 Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 10.

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in Betracht kamen, gelangte Appelt zu der Erkenntnis, dass frühe Marktzutritte keine signifikanten negativen Auswirkungen auf das Marktzutrittsverhalten unabhängiger Generikahersteller haben.328 Vielmehr bestehe zwischen der Wahrscheinlichkeit früher und unabhängiger Marktzutritte ein Gleichlauf, weil den Marktzutrittsentscheidungen der Originalpräparate- und Generikahersteller derselbe Parameter zugrunde liege; der entscheidende Faktor sei für Originalpräparatehersteller wie auch für unabhängige Generikahersteller die Größe des jeweiligen Arzneimittelmarktes im Zeitraum vor Patentablauf sowie – hiermit verbunden – die dort erzielbaren Gewinne.329 Dementsprechend sei mit wachsender Größe der in den Blick genommenen Märkte stets sowohl die Anzahl früher Marktzutritte als auch die Anzahl unabhängiger Marktzutritte gestiegen.330 Generische Marktzutritte seien dabei fast ausschließlich auf mittelgroßen und großen Arzneimittelmärkten zu beobachten gewesen, die Umsatzvolumina zwischen 17,6 bis 78,3 Millionen Euro aufwiesen.331 Im Ergebnis stehe hinter der Patentauslaufstrategie früher Marktzutritte deshalb nicht die Absicht der Originalpräparatehersteller, den Marktzutritt unabhängiger Generikahersteller zu verhindern; vielmehr verfolgten Originalpräparatehersteller mit frühen Marktzutritten das Ziel, Gewinne aus dem Geschäft mit Generika zu ziehen und damit den mit Patentablauf einsetzenden Umsatz- und Gewinneinbruch abzufedern.332 Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Untersuchung von Reiffen und Ward sowie durch die US-amerikanische FTC.333 In ihrer Untersuchung aus dem Jahre 2007 befassten sich Reiffen und Ward mit den Auswirkungen früher Marktzutritte auf das Preisniveau von Generika.334 Zu diesem Zweck wurden zunächst die Auswirkungen früher Marktzutritte auf die Gewinne von Generikaherstellern untersucht; sodann wurden die Auswirkungen von Gewinnveränderungen auf die Anzahl generischer Wettbewerber und letztlich die Auswirkungen einer verringerten Anzahl generischer Wettbewerber auf das generische Preisniveau untersucht.335 Reiffen und Ward teilten zunächst den eingangs formulierten Verdacht, frühe Marktzutritte könnten von Originalpräparateherstellern zur Abschreckung unabhängiger Generikahersteller eingesetzt werden: Weil autorisierte Generika der „erste 328

Siehe den Nachweis in Fn. 325. Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 23, 28; vgl. auch Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (259); Saha/Grabowski/Birnbaum/Greenberg/Bizan, IJEB 2006, 15 (26). Überdies habe die Dauer der vorherigen Monopolstellung des Originalpräparateherstellers – entgegen der Erkenntnisse vorangegangener Untersuchungen – einen positiven Einfluss auf den generischen Marktzutritt. Der letzterem entgegenstehende goodwill eines Originalpräparateherstellers werde mittlerweile durch die Veränderungen im rechtlichen Rahmen, wie etwa der aut-idem Regelung, neutralisiert, Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 20 f. 330 Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 10 f. 331 Ebda. 332 Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 3, 27. 333 Auch Saha/Grabowski/Birnbaum/Greenberg/Bizan, IJEB 2006, 15 (18) verneinen einen Abschreckungseffekt unter Verweis auf Grabowski/Vernon, JLE 1992, 331. 334 Siehe zu dieser Untersuchung bereits in und bei Fn. 110 f. 335 Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (253). 329

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Preis“ in Form von hohen Gewinnen garantiert sei, könnten potentielle Anbieter durch sie abgeschreckt werden.336 Die Untersuchung gelangte jedoch ebenfalls zu der Erkenntnis, dass frühe Marktzutritte die Anzahl nachfolgender generischer Marktzutritte allenfalls in geringem Umfang reduzieren können; durchschnittlich und unabhängig von der Größe des Arzneimittelmarktes sei die Anzahl generischer Marktzutritte infolge eines frühen Marktzutrittes (lediglich) um 1,7 bis 2,4 Marktzutritte reduziert.337 Nicht zuletzt wird die Abschreckungswirkung früher Marktzutritte auch durch die Erkenntnisse der US-amerikanischen FTC in Frage gestellt, die sich im Wesentlichen mit den Erkenntnissen Appelts decken.338 Eine Abschreckungswirkung spricht die FTC autorisierten Generika nach eingehender ökonomischer Untersuchung allenfalls auf kleinen bis mittelgroßen Märkten zu.339 bb) Auswirkungen auf die Verbraucherwohlfahrt Nach der Mehrzahl der ökonomischen Untersuchungen geht von frühen Marktzutritten demnach im Ergebnis keine marktverschließende Wirkung aus. Abschreckend zu wirken vermögen frühe Marktzutritte allenfalls auf kleinen und mittelgroßen Arzneimittelmärkten. Selbst wenn man aber vorliegend von einer marktverschließenden Wirkung, insbesondere auf kleinen und mittelgroßen Arzneimittelmärkten, ausgehen wollte, ließe sich diese marktverschließende Wirkung nach der Konzeption der Kommission nicht als wettbewerbswidrig qualifizieren. In Anlehnung an den von ihr propagierten sog. More Economic Approach340 betrachtet die Kommission eine Marktverschließung nämlich nur dann als wettbewerbswidrig, wenn sie – insbesondere durch höhere Preise – negative Wirkungen auf die Verbraucherwohlfahrt zeitigt341. Zunächst sind autorisierte Generika im Regelfall aber nicht teurer als die Generika unabhängiger Hersteller.342 Andernfalls würde regelmäßig auch die substitutionsfördernde Regelung des § 129 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V eingreifen und die Apotheken wären verpflichtet, das kostengünstigere unabhängige Generikum auszuhändigen.343 Vor allem aber gelangte ein Großteil der bisherigen ökonomischen Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass sich frühe Marktzutritte positiv auf das Preisniveau auf Arzneimittelmärkten auswirken. Zwar dürfte nach 336

Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (252, 255). Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (259). Die Gesamtzahl der vollzogenen und unterbliebenen generischen Marktzutritte lässt sich der Untersuchung nicht entnehmen. 338 Siehe in und bei Fn. 112 ff. 339 Siehe in und bei Fn. 132 f.; vgl. auch die Untersuchung von Berndt et al., nachgewiesen in Fn. 106. 340 Vgl. Kommission, Weißbuch über die Modernisierung der Vorschriften zur Anwendung der Art. 85 und 86 EG-Vertrag, ABl. EG 1999/C 132/01, Rn. 78. 341 Kommission, Prioritätenmitteilung, ABl. EU 2009/C 45/02, Rn. 19, 5; dies., Diskussionspapier über Marktmissbräuche (2005), Rn. 54; Bulst, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 102 Rn. 96. 342 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. iii. 343 Siehe hierzu in und bei Fn. 203 ff. (Kapitel 2). 337

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Ansicht der Kommission die Wettbewerbswidrigkeit der vermeintlichen Marktverschließung noch nicht bereits dadurch entfallen, dass frühe Marktzutritte das Preisniveau auf dem Arzneimittelmarkt im Zeitraum vor Patentablauf senken. Zwischen dem Marktzutritt des Generikaherstellers und dem Zeitraum des Patentablaufs liegen im Regelfall nämlich nur wenige Monate; derart kurzfristige Preissenkungen schließen eine Schädigung der Verbraucher aber gerade nicht aus344. Insbesondere nach den Erkenntnissen der FTC sind mit dem Vollzug früher Marktzutritte allerdings auch langfristige Preissenkungen verbunden.345 Hiervon, so die FTC, profitierten die Konsumenten durch geringere Zuzahlungen oder niedrigere Krankenkassenbeiträge sowie durch eine geringere Steuerlast.346 Auch Rebman sowie Kamien und Zang sehen mit der Einführung autorisierter Generika verbundene Vorteile für die Konsumenten.347 Andere gehen davon aus, dass die Verbraucher durch den Vollzug früher Marktzutritte jedenfalls nicht geschädigt werden.348 cc) Konzeptionelle Bedenken Nach den bisherigen Ausführungen zur Intensität der mit frühen Marktzutritten verbundenen Beschränkungen für unabhängige Generika scheidet die Qualifikation früher Marktzutritte als kartellrechtlicher Behinderungsmissbrauch aus. Frühe Marktzutritte wirken im Regelfall bereits nicht marktverschließend und fördern zudem die Verbraucherwohlfahrt durch niedrigere Arzneimittelpreise. Eine Abschreckungswirkung früher Marktzutritte gegenüber unabhängigen Generikaherstellern ließe sich jedoch auch aus konzeptionellen Gründen nicht über das als Marktverhaltenskontrolle ausgestaltete Behinderungsverbot der §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB, Art. 102 lit. b) AEUV erfassen. Als Ursache des vermeintlich zögerlichen Marktzutrittsverhaltens unabhängiger Generikahersteller wurde oben das Bestehen einer wirtschaftlichen Marktzutrittsschranke identifiziert.349 Weil die grundsätzlich produktloyale Marktgegenseite (Ärzte und Apotheken) auf Arzneimittelmärkten im Zeitpunkt des Patentablaufs bereits Präferenzen für das autorisierte Generikum entwickelt hat, können unabhängige Generikahersteller nur unter gesteigerten und kostenintensiven Werbebe344 Bulst, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 102 Rn. 96. Zu den (geringen) Vorteilen für Verbraucher im Zeitraum vor Patentablauf vgl. auch Kamien/Zang, SEJ 1999, 117 (131). 345 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 33, 63, 93, 101, 118; aA Hollis, CPP 2003, 21 (22, 26); Chen, VLR 2007, 459 (497); nach Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (253) steigen die generischen Preise durch frühe Marktzutritte um 0,5 – 1,6 %; Berndt/Mortimer/Bhattacharjya/ Parece/Tuttle, Health Affairs 2007, 790 (798) sehen nur geringe Auswirkungen auf das Arzneimittelpreisniveau. 346 FTC, Authorized Generic Drugs (2011), S. 35 f. 347 Rebman, JHCL 2009, 159 (186 f.); Kamien/Zang, SEJ 1999, 117 (119, 131). 348 Berndt/Mortimer/Bhattacharjya/Parece/Tuttle, Health Affairs 2007, 790 (794, 798); Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (262); Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 27. 349 Siehe in und bei Fn. 322.

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mühungen gegenüber den verschreibenden Ärzten Verordnungen generieren. Marktzutrittsschranken, wie der vorliegend diskutierten, kommt im Rahmen der Missbrauchsaufsicht, wie auch im Kartellrecht insgesamt, eine zentrale Bedeutung zu.350 Im Rahmen der Missbrauchsaufsicht werden Marktzutrittsschranken bereits in der Marktbeherrschungsprüfung relevant351 und bestimmen demnach über deren Anwendbarkeit. Schließlich eröffnen Marktzutrittsschranken Unternehmen wettbewerbliche Verhaltensspielräume, weil diese Unternehmen infolge der Existenz von Marktzutrittsschranken nicht durch potentiellen Wettbewerb kontrolliert werden.352 Marktzutrittsschranken werden überdies im Rahmen der Beurteilung wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen selbst relevant. Ihr Vorliegen ist in diesem Zusammenhang einerseits die Voraussetzung dafür, dass ein unternehmerisches Verhalten als wettbewerbswidrig qualifiziert werden kann.353 So wohnt etwa gezielten Preisunterbietungen nur dann eine Tendenz zur wettbewerbswidrigen Monopolisierung des Marktes inne, wenn der Markt durch Marktzutrittsschranken gekennzeichnet ist.354 Vor allem aber können Marktzutrittsschranken auch zur Wettbewerbswidrigkeit eines Verhaltens führen, wenn und weil ihre Entstehung Folge dieses Verhaltens ist.355 Marktzutrittsschranken werden dabei grundsätzlich unterschieden nach strukturellen (absoluten) und strategisch gesetzten Marktzutrittsschranken.356 Strukturelle Marktzutrittsschranken sind solche, die den Unternehmen „von Außen“ vorgegeben sind; strategische Marktzutrittsschranken können demgegenüber von den Unternehmen mitgestaltet und errichtet werden.357 Kartellrechtlich betrachtet, sind strategische Marktzutrittsschranken Gegenstand von Normen, die sich gegen wettbewerbsbeschränkendes Verhalten richten.358 Im Unterschied zu der auf die Kontrolle von Marktstrukturen ausgerichteten Zusammenschlusskontrolle werden im Rahmen der auf eine Marktverhaltenskontrolle gerichteten Instrumente des Kartellverbots und der Missbrauchsaufsicht nur strategisch gesetzte Marktzutrittsschranken relevant.359 Strukturelle Marktzutritts350

Jickeli, WuW 1992, 101 (101). Bundesregierung, Regierungsentwurf 2. GWB-Novelle v. 18. 8. 1971, BT-Drs. VI/2520, S. 22; Schmidt/Engelke, WiSt 1989, 399 (403); Jickeli, WuW 1992, 195 (206); Freitag, WuW 1971, 294 (295). 352 Vgl. Jickeli, WuW 1992, 101 (108) und Bartholomeyczik, WuW 1971, 764 (765 ff.). 353 Jickeli, Marktzutrittsschranken (1990), S. 235, 239 ff. 354 Jickeli, Marktzutrittsschranken (1990), S. 239 f., 242 f. 355 Jickeli, WuW 1992, 195 (207); ders., Marktzutrittsschranken (1990), S. 235, 247 ff. 356 Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökononomie2 (2011), S. 192; Jickeli, Marktzutrittsschranken (1990), S. 3 f.; Schmidt/Engelke, WiSt 1989, 399 (399 f.). 357 Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 2 (2012), Art. 2 FKVO Rn. 299. 358 Ebda. 359 Jickeli, WuW 1992, 195 (207); Müller, EuZW 1998, 232 (236); vgl. auch Coppik/ Haucap, WuW 2016, 50 (54), die zwischen wettbewerbswidrig herbeigeführten und dem Markt immanenten und damit wettbewerbskonformen Wechselschranken unterscheiden. 351

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schranken sind dem Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens demgegenüber nicht zurechenbar.360 Behinderungsmissbräuche im Bereich potentiellen Wettbewerbs, wie die vorliegend diskutierte Behinderung unabhängiger Generikahersteller, lassen sich vor diesem Hintergrund als Setzung strategischer Marktzutrittsschranken ansehen.361 Um eine strategisch gesetzte Marktzutrittsschranke handelt es sich im Falle früher Marktzutritte jedoch gerade nicht. Bereits die vorangegangenen Ausführungen zu den angebots- und nachfrageseitig auf Arzneimittelmärkten bestehenden Besonderheiten362 machen deutlich, dass die Schwierigkeiten zeitlich nachfolgender Arzneimittelhersteller Arzneimittelmärkten immanent sind.363 Auch aus Studien geht in diesem Zusammenhang hervor, dass nicht nur die Hersteller autorisierter Generika, sondern auch Generikahersteller, die den Markt erst nach Patentablauf betreten, in den Genuss von Erstanbietervorteilen gegenüber zeitlich nachfolgenden Generikaherstellern kommen.364 Die hohe Bedeutung des Marktzutrittszeitpunktes auf Arzneimittelmärkten ist letztlich im System der Arzneimittelmarktregulierung angelegt. Nicht umsonst ist der Gesetzgeber bemüht, die Substitution von Arzneimitteln durch gesetzliche Regelungen, wie etwa § 129 SGB V, zu fördern. Man mag insoweit zwar argumentieren, die Originalpräparatehersteller machten sich die auf Arzneimittelmärkten bestehenden Marktzutrittsschranken im Wege früher Marktzutritte zunutze, von den Originalpräparateherstellern gesetzt werden diese aber nicht. Vielmehr lässt sich argumentieren, die produktloyale Marktgegenseite setze diese Marktzutrittsschranken selbst.365 dd) Zwischenergebnis Die Intensität der mit frühen Marktzutritten verbundenen Beschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit unabhängiger Generikahersteller erreicht nach alledem nicht den Grad einer kartellrechtlich relevanten Behinderung. Frühe Marktzutritte wirken sich nach bisherigen ökonomischen Erkenntnissen bereits nicht als Marktzugangssperre aus. Selbst wenn man von einer marktverschließenden Wirkung früher Marktzutritte ausgehen wollte, wäre diese jedoch weder als wettbewerbswidrig zu qualifizieren noch einer Kontrolle über das als Marktverhaltenskontrolle ausgestaltete Behinderungsverbot nach §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB, Art. 102 lit. b) AEUV zugänglich.

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Müller, EuZW 1998, 232 (236). Jickeli, WuW 1992, 195 (206). 362 Siehe hierzu Kapitel 2 § 3 B. 363 Vgl. Coppik/Haucap, WuW 2016, 50 (54). 364 Appelt, Authorized Generic Entry (2010), S. 26 f.; vgl. auch Reiffen/Ward, MDE 2007, 251 (252, 256). 365 Vgl. Bond/Lean, FTC Staff Report (1977), S. 6. 361

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IV. Ergebnis Im Ergebnis halten frühe Marktzutritte einer Marktverhaltenskontrolle am Maßstab des kartellrechtlichen Behinderungsverbots nach §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB, Art. 102 lit. b) AEUV stand. Frühe Marktzutritte lassen sich nicht als unbillige Behinderung unabhängiger Generikahersteller qualifizieren. Dem steht bereits entgegen, dass es sich beim Vollzug früher Marktzutritte in der Sache um Produkteinführungen handelt und solche nicht als Maßnahmen des Nichtleistungswettbewerbs eingeordnet werden können. Darüber hinaus erreicht die mit frühen Marktzutritten verbundene Einschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit unabhängiger Generikahersteller auch nicht den Grad einer kartellrechtlich relevanten Behinderung. Frühe Marktzutritte lassen sich unter dem Gesichtspunkt der Behinderung von Wettbewerbern damit auch nicht, wie in den USA vorgetragen366, als Anwendungsfall eines Marktmachttransfers begreifen.367 Diese Einschätzung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH und der aktuellen Verwaltungspraxis der Kommission. Das Interesse von Originalpräparateherstellern, die mit Patentablauf eintretenden Umsatzeinbrüche durch die Wahl der geeigneten Patentauslaufstrategie abzumildern, fand im AstraZeneca-Verfahren die grundsätzliche Billigung des EuGH. Zwar beanstandeten die Gemeinschaftsorgane in der jüngeren Vergangenheit verstärkt Verhaltensweisen pharmazeutischer Unternehmen, mit diesen Verhaltensweisen ist der Vollzug früher Marktzutritte allerdings nicht vergleichbar. Im Übrigen wurden Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt im Servier-Verfahren von der Kommission explizit festgestellt und gerade nicht beanstandet und auch der EuGH hielt die von AstraZeneca vorgenommene Produktumstellung kurze Zeit vor Patentablauf kartellrechtlich für zulässig.

B. Kartellrechtliche Lizenzierungspflicht als Korrektiv Der wettbewerbsverzerrenden Wirkung früher Marktzutritte, die in den Marktanteilsvorsprüngen autorisierter Generika zum Ausdruck kommt, ließe sich auch dadurch Rechnung tragen, dass es Originalpräparateherstellern verwehrt wird, vor Patentablauf nur einzelne Generikahersteller zum Markt zuzulassen. Wären Originalpräparatehersteller verpflichtet, alle zugangswilligen Generikahersteller durch Lizenzgewährung zeitgleich zum Markt zuzulassen, wären alle Generikahersteller in der Lage, bereits vor Patentablauf zu gleichen Bedingungen miteinander in Wett366

Siehe in und bei Fn. 97. Der Zuordnung früher Marktzutritte zur Fallgruppe des Marktmachttransfers steht überdies entgegen, dass Generika und Originalpräparate denselben sachlich relevanten Märkten und nicht etwa, wie in Fällen des Marktmachttransfers üblich, separaten Märkten zugehörig sind, siehe in und bei Fn. 182. Zur Diskussion eines möglichen Marktstrukturmissbrauchs durch den Transfer von Marktmacht siehe in und bei Fn. 828 ff. Zur Bewertung der mit frühen Marktzutritten häufig einhergehenden Ausschließlichkeitsbindungen siehe Kapitel 3 § 2 C. IV. 367

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bewerb zu treten. Die nachfolgenden Ausführungen befassen sich daher mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Originalpräparatehersteller kartellrechtlich zur Zulassung weiterer Generikahersteller vor Patentablauf veranlasst werden können. Eine Pflicht zur Lizenzerteilung zulasten der Originalpräparatehersteller kann aus einem Verstoß gegen das kartellrechtliche Diskriminierungs- und Behinderungsverbot der §§ 19, 20 GWB, Art. 102 AEUV resultieren. Die Lizenzgewährung stellt sich in diesen Fällen als die notwendige Maßnahme zur Abstellung des diskriminierenden oder behindernden Verhaltens des Normadressaten dar. In der Sache handelt es sich bei den Fällen der Lizenzverweigerung um einen besonderen Anwendungsfall missbräuchlicher Geschäfts- bzw. Lieferverweigerungen.368 Voraussetzung für die Begründung einer Lizenzierungspflicht über das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot ist das Vorliegen einer Ungleichbehandlung durch den Normadressaten; das Diskriminierungsverbot als Stütze der Lizenzierungspflicht scheidet insoweit für diejenigen Fälle aus, in denen der Normadressat bislang keine Lizenzen erteilt hat.369 Eine Pflicht zur Lizenzerteilung kann sich dann nur aus dem kartellrechtlichen Behinderungsverbot in Gestalt eines Zugangsanspruchs nach den Grundsätzen der sog. Essential Facilities-Doktrin370 ergeben. Im Falle früher Marktzutritte scheidet die Begründung einer kartellrechtlichen Lizenzierungspflicht unter beiden Gesichtspunkten aus. Im Folgenden wird zunächst gezeigt, dass sich eine Lizenzierungspflicht zulasten der an frühen Marktzutritten beteiligten Originalpräparatehersteller nicht über die Grundsätze der Essential Facilities-Doktrin herleiten lässt.371 Im Anschluss daran wird die – im Ergebnis ebenfalls zu verneinende – Frage diskutiert, ob sich eine solche Lizenzierungspflicht im Falle früher Marktzutritte auf das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot stützen lässt.

368 Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 1 (2012), Art. 102 Rn. 329; Foroghi, IPRB 2014, 152 (153); Kommission, Prioritätenmitteilung, ABl. EU 2009/C 45/02, Rn. 78; Höppner, GRUR Int 2005, 457 (457). 369 EuG, Urt. v. 12. 6. 1997, Rs. T-504/93, Slg. 1997, II-923, Rn. 124 – Tiercé Ladbroke; vgl. auch Schnelle, GRUR-Prax 2010, 169 (171); Höppner, GRUR Int 2005, 457 (459). 370 Auch die Fälle des Zugangs zu wesentlichen Einrichtungen sind der Fallgruppe der Geschäftsverweigerung in Gestalt einer Nichtaufnahme von Geschäftsbeziehungen zuzuordnen, Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 1 (2012), Art. 102 Rn. 331; vgl. auch Müller, EuZW 1998, 232 (232, 234). 371 Im nationalen Recht unterfallen gewerbliche Schutzrechte dem Begriff der wesentlichen Einrichtungen in § 19 Abs. 2 Nr. 4 GWB nicht. Gewerbliche Schutzrechte lassen sich hier alleine über §§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 1 GWB erfassen, Buhrow/Nordemann, GRUR Int 2005, 407 (408).

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

I. Lizenzierungspflicht nach den Grundsätzen der Essential Facilities-Doktrin Eine kartellrechtliche Pflicht des Originalpräparateherstellers zur Vergabe weiterer Lizenzen an unabhängige Generikahersteller lässt sich nicht auf die Grundsätze der Essential Facilities-Doktrin stützen. Zwar ist die Geltung der Grundsätze der Essential Facilities-Doktrin auch für immaterialgüterrechtlich geschützte Zugangsobjekte dem Grunde nach anerkannt372, ihre Anwendung in diesem Bereich knüpft die Rechtsprechung jedoch an strenge Voraussetzungen. Der EuGH betont in ständiger Rechtsprechung, das ausschließliche Recht zur Vervielfältigung gehöre zu den Vorrechten eines Schutzrechtsinhabers.373 Die Möglichkeit, ein Immaterialgüterrecht nur für sich zu nutzen, entspreche gerade dem Wesen eines Ausschließlichkeitsrechts.374 Eine Lizenzverweigerung als solche könne daher keinen Missbrauch darstellen.375 In der Ausübung eines Ausschließlichkeitsrechts sei vielmehr nur unter „außergewöhnlichen Umständen“ ein Missbrauch von Marktmacht zu erblicken.376 Im Falle früher Marktzutritte liegen derart außergewöhnliche Umstände, wie nachfolgend gezeigt wird, nicht vor. 1. Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen Magill TV Guide und IMS Health Außergewöhnliche Umstände, welche die Lizenzverweigerung eines Unternehmens als missbräuchlich gestalteten, bejahte der EuGH erstmals in der Entscheidung in der Rechtssache Magill. Der EuGH sah sich in diesem Verfahren mit dem Lizenzbegehren des Verlages Magill konfrontiert, der beabsichtigte, in Irland und Nordirland einen umfassenden wöchentlichen TV-Programmführer herauszugeben.377 Zu diesem Zwecke wollte Magill urheberrechtlich geschützte Programminformationen dreier großer Fernsehsender nutzen. Diese Fernsehsender hatten bis zu diesem Zeitpunkt wöchentliche Programmvorschauen nur für ihren jeweiligen Sender veröffentlicht. Wollten sich Verbraucher umfassend über das TV-Programm informieren, waren sie insoweit gezwungen, auf mehrere TV-Programmführer zu372

Kritisch Busche, in: FS-Tilman (2003), S. 645 (652 ff.). EuGH, Urt. v. 6. 4. 1995, Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743, Rn. 49 – Magill. 374 EuG, Urt. v. 17. 9. 2007, Rs. T-201/04, Slg. 2007, II-3601, Rn. 691 – Microsoft. 375 EuGH, Urt. v. 5. 10. 1988, Rs. 238/87, Slg. 1988, 6211, Rn. 8 – Volvo; EuGH, Urt. v. 6. 4. 1995, Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743, Rn. 49 – Magill; EuG, Urt. v. 17. 9. 2007, Rs. T-201/04, Slg. 2007, II-3601, Rn. 331, 691 – Microsoft. 376 EuGH, Urt. v. 6. 4. 1995, Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743, Rn. 50 – Magill; EuG, Urt. v. 17. 9. 2007, Rs. T-201/04, Slg. 2007, II-3601, Rn. 331, 691 – Microsoft; vgl. auch EuGH, Urt. v. 5. 10. 1988, Rs. 238/87, Slg. 1988, 6211, Rn. 9 – Volvo; siehe hierzu auch bei Fn. 266. 377 Zum Tatbestand der Entscheidung siehe EuGH, Urt. v. 6. 4. 1995, Rs. C-241/91 P und C242/91 P, Slg. 1995, I-743, Rn. 7 ff. – Magill. 373

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rückzugreifen. Der EuGH qualifizierte die Weigerung der Fernsehsender, Magill eine Lizenz zur Nutzung ihrer Programmdaten zu erteilen, als missbräuchlich.378 Zur Begründung der außergewöhnlichen Umstände des Falles verwies der EuGH zunächst auf seine bisherige Rechtsprechung zu missbräuchlichen Lieferverweigerungen379. Letztere qualifizierte der EuGH in den Urteilen Commercial Solvents und Telemarketing unter drei Voraussetzungen als missbräuchlich. Die Belieferung durch den Normadressaten müsse für die Ausübung der Tätigkeit dieses Unternehmens unerlässlich sein, sodass die Lieferverweigerung geeignet sei, jeglichen Wettbewerb auf dem abgeleiteten Markt auszuschalten; überdies dürfe die Lieferverweigerung nicht sachlich gerechtfertigt sein.380 Der EuGH ging dann jedoch über die bis dato an missbräuchliche Lieferverweigerungen gestellten Anforderungen hinaus und forderte zusätzlich, dass durch die Lizenzverweigerung das Auftreten eines neuen Erzeugnisses verhindert werden müsse, für das potentiell eine Nachfrage der Verbraucher bestehe.381 Hierin lag die eigentliche Besonderheit der auf immaterialgüterrechtlich geschützte Zugangsobjekte angewandten Essential Facilities-Doktrin.382 Unklarheit bestand im Nachgang an das Magill-Urteil des EuGH zunächst darüber, ob die vom EuGH genannten Kriterien der Unerlässlichkeit der Lizenz für die Tätigkeit auf einem abgeleiteten Markt sowie das Auftreten eines neuen Produkts zur Einordnung einer Lizenzverweigerung als missbräuchlich kumulativ oder aber nur alternativ vorliegen müssen.383 In der Entscheidung Ladbroke interpretierte das Gericht die Aussagen des EuGH in der Rechtssache Magill dahingehend, dass entweder eine unerlässliche Ressource betroffen sein oder das Auftreten eines neuen Erzeugnisses verhindert werden müsse.384 Dieser Interpretation trat der EuGH in der Rechtssache IMS Health entgegen. Begehrt wurde in diesem Verfahren eine Lizenz zur Nutzung einer urheberrechtlich geschützten Bausteinstruktur, die auf einer regionalen Segmentierung des deutschen Arzneimittelmarktes beruhte und nach der Daten über den Absatz von Arzneimitteln gesammelt wurden.385 Der EuGH verwies auf die bereits in Magill aufgestellten Kriterien und betonte, dass diese kumulativ

378 EuGH, Urt. v. 6. 4. 1995, Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743, Rn. 54 – Magill. 379 EuGH, Urt. v. 6. 4. 1995, Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743, Rn. 54 – 65 – Magill. 380 EuGH, Urt. v. 6. 3. 1974, Rs. 6 und 7/73, Slg. 1974, 223, Rn. 25 – Commercial Solvents; EuGH, Urt. v. 3. 10. 1985, Rs. 311/84, Slg. 1985, 3261, Rn. 25 f. – Télémarketing; siehe auch EuGH, Urt. v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, Rn. 38 – Bronner. 381 EuGH, Urt. v. 6. 4. 1995, Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743, Rn. 54 – Magill; kritisch Montag, EuZW 1997, 71 (74). 382 Vgl. EuG, Urt. v. 17. 9. 2007, Rs. T-201/04, Slg. 2007, II-3601, Rn. 334 – Microsoft; Foroghi, IPRB 2014, 152 (153, 155) [„Modifizierte Essential-Facilities-Lehre“]. 383 Heinemann, GRUR 2006, 705 (710). 384 EuG, Urt. v. 12. 6. 1997, Rs. T-504/93, Slg. 1997, II-923, Rn. 131 – Tiercé Ladbroke. 385 Siehe EuGH, Urt. v. 29. 4. 2004, Rs. C-418/01, Slg. 2004, I-5039, Rn. 2 ff. – IMS Health.

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vorliegen müssten.386 Der uneingeschränkten Geltung der Essential FacilitiesDoktrin erteilte der EuGH damit für den Bereich immaterialgüterrechtlich geschützter Zugangsobjekte erneut eine Absage.387 Entgegen der sonstigen Rechtsprechung zu Fällen wesentlicher Einrichtungen, genügt damit die Verhinderung von Wettbewerb auf einem abgeleiteten Markt für die Begründung einer Lizenzierungspflicht nach den Grundsätzen der Essential Facilities-Doktrin nicht. Vielmehr muss stets das Auftreten eines neuen Produktes verhindert werden, für das auf Seiten der Verbraucher eine Nachfrage besteht. Diese Einschränkung der Essential Facilities-Doktrin im Bereich immaterialgüterrechtlich geschützter Zugangsobjekte vermag zu überzeugen. Akzeptiert man den Bestand immaterialgüterrechtlicher Ausschließlichkeitsrechte aufgrund ihrer innovationsund damit zugleich wettbewerbsfördernden Wirkung, dann ist ein Zurücktreten kartellrechtlicher Wertungen angemessen. Dies gilt freilich nur dann, wenn der innovationsfördernde Zweck von Immaterialgüterrechten nicht in sein Gegenteil verkehrt wird, indem ein Schutzrecht innovationshemmend zur Verhinderung neuer Produkte eingesetzt wird. Die Abwehr von Imitationswettbewerb durch einen Schutzrechtsinhaber kann nicht missbräuchlich sein, wohl aber die Abwehr von Innovationswettbewerb.388 2. Verhinderung eines neuen Produktes Aufgeworfen ist damit die Frage, ob Generika als neue Produkte im Sinne dieser Rechtsprechung qualifiziert werden können. Dies ist, wie nun gezeigt wird, nicht der Fall. Die Anforderungen, die an ein neues Produkt zu stellen sind, sind bislang noch nicht abschließend geklärt. In der Rechtssache IMS Health betonte der EuGH, das lizenzbegehrende Unternehmen dürfe nicht „im Wesentlichen […] Erzeugnisse oder Dienstleistungen [anbieten], die vom Inhaber des Rechts des geistigen Eigentums bereits angeboten werden“.389 Das Unternehmen müsse vielmehr beabsichtigen, Produkte einzuführen, „die der Inhaber nicht anbietet“.390 Das Produkt des Inhabers darf insoweit nicht lediglich plagiiert werden.391 Überwiegend wird heute vertreten, es müsse sich bei dem Produkt nicht um eine gänzlich neue Produktkategorie handeln. So wird es teilweise als ausreichend erachtet, wenn das neue Produkt eine (wesentlich) höhere Qualität aufweist.392 Generalanwalt Tiziano stellte demgegen386

EuGH, Urt. v. 29. 4. 2004, Rs. C-418/01, Slg. 2004, I-5039, Rn. 38 – IMS Health; Foroghi, IPRB 2014, 152 (155). 387 So zutreffend Höppner, GRUR Int 2005, 457 (459). 388 Schnelle, GRUR-Prax 2010, 169 (172). 389 EuGH, Urt. v. 29. 4. 2004, Rs. C-418/01, Slg. 2004, I-5039, Rn. 49 – IMS Health. 390 Ebda. 391 Ensthaler/Bock, GRUR 2009, 1 (4 f.); vgl. auch EuG, Urt. v. 17. 9. 2007, Rs. T-201/04, Slg. 2007, II-3601, Rn. 656 – Microsoft. 392 Deselaers, EuZW 1995, 563 (566); Heinemann, GRUR 2006, 705 (712); Foroghi, IPRB 2014, 152 (155) [„technologische Verbesserungen“]. Auch Montag, EuZW 1997, 71 (74)

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über darauf ab, dass durch das neue Produkt Bedürfnisse der Verbraucher befriedigt werden müssten, die durch die bisherigen Produkte nicht befriedigt würden.393 Die Kommission forderte in der Rechtssache Microsoft grundlegende neue Elemente, welche aus der eigenen Anstrengung des zugangsbegehrenden Unternehmens resultierten394. Das Gericht beanstandete diese Anforderungen nicht395, betonte jedoch, die Verhinderung eines neuen Produktes sei mit Blick auf die Vorschrift des Art. 102 lit. b) AEUV nicht die einzige Möglichkeit, die Verbraucher zu schädigen; eine Schädigung der Verbraucher könne vielmehr auch durch eine Einschränkung der technischen Entwicklung eintreten.396 Generika sind nach diesen Kriterien regelmäßig nicht als neue Produkte im Sinne der Rechtsprechung der Unionsgerichte anzusehen. Bereits aus den Anforderungen, die an die Zulassung eines Arzneimittels gestellt werden, folgt, dass Generika und Originalpräparate in aller Regel qualitativ gleichwertig sind. Generika und Originalpräparate müssen dieselben aktiven Wirkstoffe aufweisen und bioäquivalent sein. Die Tätigkeit von Generikaherstellern beschränkt sich deshalb im Wesentlichen darauf, die aktiven Wirkstoffe des Originalpräparates mit anderen Hilfsstoffen zu kombinieren. Forschend tätig sind Generikahersteller nur in begrenztem Umfang.397 Die eigentlichen innovatorischen Leistungen werden gerade nicht von Generikaherstellern, sondern von forschenden Originalpräparateherstellern erbracht.398 Zur Annahme eines neuen Produktes ließe sich allenfalls an den geringeren Preis anknüpfen, zu dem Generikahersteller die Generika regelmäßig anbieten. Die Annahme, bereits eine mit dem Produkt verbundene Preissenkung führe zur Missbräuchlichkeit einer Lizenzverweigerung, lässt sich jedoch mit dem vom EuGH gewählten Kriterium des neuen Produkts nur schwerlich vereinbaren. Überdies sind Preissenkungen die normale Folge von Wettbewerb; für den Bereich immaterialgüterrechtlich geschützter Zugangsobjekte ließ es der EuGH jedoch gerade nicht genügen, dass der Inhaber des Schutzrechts im Wege der Lizenzverweigerung jeglichen Wettbewerb ausschließt.399 Selbst unter der Annahme, bei den von unabhängigen Generikaherstellern angebotenen Generika handelte es sich um neue Produkte im Sinne der Rechtsprechung wendet sich dagegen, dass eine jede noch so unerhebliche Verbesserung eines Produktes zur Annahme eines neuen Produktes ausreicht. 393 GA Tizzano, Schlussanträge v. 2. 10. 2003, Rs. C- 418/01, Slg. 2004, I-5039, Rn. 62, 66 – IMS Health; zustimmend Ensthaler/Bock, GRUR 2009, 1 (5). 394 EuG, Urt. v. 17. 9. 2007, Rs. T-201/04, Slg. 2007, II-3601, Rn. 626, 631 – Microsoft. 395 EuG, Urt. v. 17. 9. 2007, Rs. T-201/04, Slg. 2007, II-3601, Rn. 649 – Microsoft. 396 EuG, Urt. v. 17. 9. 2007, Rs. T-201/04, Slg. 2007, II-3601, Rn. 647 – Microsoft; kritisch Hausmann, MMR 2008, 381 (385); siehe hierzu auch Picht, GRUR Int 2014, 1 (8). 397 Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 18; vgl. auch Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Zusammenfassung, S. 8 f., wonach bei Generikaherstellern im Jahr 2007 nur 7 % der Kosten auf F&E Maßnahmen entfielen. 398 Schmid, Reverse Payment Settlements (2012), S. 18; Vorderwülbecke, Mißbrauchsaufsicht über Pharmaunternehmen (1979), S. 28. 399 Höppner, GRUR Int 2005, 457 (462).

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der Unionsgerichte, lassen sich die Entscheidungen in den Rechtssachen Magill und IMS Health für den vorliegenden Fall nicht fruchtbar machen. Schließlich hatten diese Entscheidungen Situationen zum Gegenstand, in denen dem Patentinhaber vorgeworfen wurde, anderen die Einführung eines innovativen Produktes zu verwehren, gleichzeitig aber dieses Produkt nicht selbst anzubieten.400 Solange demnach der Markt durch den Patentinhaber selbst oder, wie im Falle früher Marktzutritte, mit dessen Zustimmung durch einen Dritten bedient wird, kann aus den auf immaterialgüterrechtlich geschützte Zugangsobjekte angewendeten Grundsätzen der Essential Facilities-Doktrin keine Lizenzierungspflicht resultieren.401 II. Diskriminierungstatbestand Auch eine kartellrechtliche Lizenzierungspflicht zulasten der Originalpräparatehersteller auf Grundlage des Diskriminierungsverbotes nach §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB, Art. 102 lit. c) AEUV scheidet vorliegend aus.402 Eine Diskriminierung liegt vor, wenn der Normadressat andere Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund ungleich behandelt. Als relevante Ungleichbehandlung könnte vorliegend zwar daran angeknüpft werden, dass der Originalpräparatehersteller im Rahmen eines frühen Marktzutrittes nur bestimmten Generikaherstellern Lizenzen für einen Marktzutritt erteilt, anderen hingegen nicht. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch in jedem Fall sachlich gerechtfertigt. Zwar scheitert das Vorliegen einer kartellrechtlich relevanten Diskriminierung vorliegend nicht daran, dass Generikahersteller keine neuen Produkte vertreiben möchten. Für Diskriminierungssachverhalte hat das aus der Rechtsprechung zur Anwendung der Essential FacilitiesDoktrin bekannte Kriterium der Verhinderung eines neuen Produkts nämlich keine Bedeutung.403 Eine unterschiedliche Behandlung lizenznahmewilliger Unternehmen kann jedoch grundsätzlich bereits deshalb keinen Missbrauch darstellen, weil dies andernfalls in eine Gewährung einer Zwangslizenz an jedermann münden würde.404 Bei der Wahl der Lizenzvertragspartner müssen Patentinhabern insoweit weitreichende Entscheidungsspielräume zukommen.405 Zu Recht betonte der BGH in seiner Standard-Spundfass-Entscheidung auch im Kontext einer Ungleichbehandlung, dass 400

Höppner, GRUR Int 2005, 457 (461). Heinemann, GRUR 2006, 705 (710); Höppner, GRUR Int 2005, 457 (461); Buhrow/ Nordemann, GRUR Int 2005, 407 (414); vgl. auch Montag, EuZW 1997, 71 (76). 402 Handelt es sich bei dem generischen Vertragspartner um ein Tochterunternehmen des Originalpräparateherstellers, scheitert der Diskriminierungstatbestand nach deutschem Verständnis bereits am Merkmal der „gleichartigen Unternehmen“, da konzernverbundene Unternehmen nicht als solche erfasst werden, siehe nur BGH, Urt. v. 10. 2. 1987, KZR 6/86, WuW/ E 2360 (2365) – Freundschaftswerbung; Nothdurft, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 19 Rn. 210 m.w.N. 403 Höppner, GRUR Int 2005, 457 (459). 404 Axster/Osterrieth, in: Pfaff/Osterrieth, Lizenzverträge3 (2010), Rn. 344. 405 Nothdurft, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 19 Rn. 234. 401

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die unterschiedliche Behandlung von Interessenten bei der Gestattung der Benutzung eines Schutzrechts ein wesentliches Element der Ausschließungswirkung des Schutzrechts darstelle.406 Die Ausschließlichkeitswirkung bestehe gerade darin, Dritte von der Benutzung ausschließen zu können; hiervon umfasst sei insbesondere auch das Recht, nur einzelnen Bewerbern Lizenzen zu erteilen.407 Für die sachliche Rechtfertigung bestehe grundsätzlich ein weitreichender Spielraum.408 Strengere Anforderungen seien an die sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung nur dann zu stellen, wenn besondere Umstände hinzuträten, welche die Freiheit des Wettbewerbs gefährdeten.409 Derartige Umstände wurden bislang allerdings nur bejaht, wenn sich die marktbeherrschende Stellung des Patentinhabers nicht alleine aus der der Erfindung zugrunde liegenden Eigenleistung ergab, sondern vielmehr daraus, dass sich die patentrechtlich geschützte Lehre auf Nachfrageseite bereits als Standard etabliert hatte.410 Eine Ausnahme von der Freiheit zur Lizenzvergabe nimmt der BGH insoweit nur für den Fall an, dass die Marktmacht durch ein Verhalten Dritter erlangt wurde.411 Dieser besondere Umstand aber liegt im Falle früher Marktzutritte gerade nicht vor. Im Übrigen gelten auch im Hinblick auf die sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung die bereits im Rahmen des Behinderungsmissbrauchs vorgebrachten Rechtfertigungsgründe. Auch die Zeit unmittelbar vor Patentablauf ist als exklusive Verwertungsphase dem Patentinhaber zugewiesen.412 Der Patentinhaber darf während dieser Zeit insbesondere Maßnahmen ergreifen, um die mit Patentablauf einsetzenden Umsatzeinbrüche abzumildern.413 Wählt der Patentinhaber hierzu die Patentauslaufstrategie eines frühen Marktzutrittes, so ist er hierbei jedoch in besonderem Maße darauf angewiesen, nur einzelnen Generikaunternehmen Lizenzen erteilen zu dürfen. Schließlich wäre der wirtschaftliche Wert einer derartigen Lizenzierung aus der Perspektive des generischen Vertragspartners um ein Vielfaches geschmälert, wenn zeitgleich auch andere Generikahersteller den Markt betreten könnten und der Generikahersteller aus diesem Grund seinen, vom Originalpräparatehersteller erkauften, Erstanbietervorteil nicht kapitalisieren könnte. III. Ergebnis Eine Lizenzierungspflicht zulasten der an frühen Marktzutritten beteiligten Originalpräparatehersteller lässt sich weder auf die Grundsätze der Essential Facilities-Doktrin noch auf das allgemeine Diskriminierungsverbot stützen. Für die 406 407 408 409 410 411 412 413

BGH, Urt. v. 13. 7. 2004, KZR 40/02, GRUR 2004, 966 (968) – Standard-Spundfass. Ebda. Ebda. Ebda. Ebda. Buhrow/Nordemann, GRUR Int 2005, 407 (418). Siehe hierzu in Fn. 287. Siehe hierzu in und bei Fn. 284.

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Anwendbarkeit der Essential Facilities-Grundsätze fehlt es bereits am Merkmal der Verhinderung eines neuen Produktes. Überdies greifen diese Grundsätze auch deshalb nicht, weil der Originalpräparatehersteller den Markt mit dem neuen Produkt – vermittelt über seinen generischen Vertragspartner – selbst bedient. Das Diskriminierungsverbot als Grundlage der Lizenzierungspflicht scheidet demgegenüber aus, weil die Ungleichbehandlung von Generikaherstellern, wie im Fall des Behinderungsverbots, sachlich gerechtfertigt ist. Die wettbewerbsverzerrende Wirkung früher Marktzutritte, die in den Marktanteilsvorsprüngen autorisierter Generika ihren Ausdruck findet und deren zeitlichem Vorsprung vor unabhängigen Generikaherstellern geschuldet ist, lässt sich daher im Ergebnis nicht dadurch korrigieren, dass unabhängigen Generikaherstellern im Wege einer kartellrechtlichen Lizenzierungspflicht zulasten der Originalpräparatehersteller die Möglichkeit verschafft wird, Arzneimittelmärkte zeitgleich mit den autorisierten Generika zu betreten.

C. Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung gem. Art. 101 AEUV, § 1 GWB Unter dem Aspekt der Verhinderung generischen Wettbewerbs wurden frühe Marktzutritte im Rahmen der vorstehenden Ausführungen zum kartellrechtlichen Behinderungs- und Diskriminierungsverbot als einseitige Verhaltensweisen414 der Originalpräparatehersteller in den Blick genommen. Angesichts der frühen Marktzutritten zugrundeliegenden Vereinbarungen lassen sich diese aber auch als zweiseitige Verhaltensweisen der Originalpräparate- und Generikahersteller begreifen. Damit sind frühe Marktzutritte zugleich einer Überprüfung am Maßstab des auf zweiseitige Verhaltensweisen ausgerichteten Kartellverbots der Art. 101 AEUV, § 1 GWB zugänglich, das neben der Missbrauchsaufsicht zur Anwendung gelangt415. Das Kartellverbot wendet sich gegen Vereinbarungen, Beschlüsse und abgestimmte Verhaltensweisen, die eine „Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken“.416 Es zielt wie das Behinderungsverbot auf 414 Zur Erfassung einseitiger Verhaltensweisen über Art. 102 AEUV siehe EuGH, Urt. v. 21. 2. 1973, Rs. 6/72, Slg. 1973, 215, Rn. 25 – Continental Can. 415 Siehe in und bei Fn. 142. Nicht anwendbar ist das Kartellverbot hingegen, wenn es sich bei dem beteiligten Generikahersteller um ein Unternehmen handelt, das mit dem Originalpräparatehersteller konzernrechtlich verbunden ist. Nach dem sog. Konzernprivileg findet das Kartellverbot nämlich auf konzerninterne Vereinbarungen keine Anwendung, siehe hierzu in und bei Fn. 184 (Kapitel 1). 416 Der Differenzierung im Wortlaut des Kartellverbots nach der „Verhinderung“, „Einschränkung“ und „Verfälschung“ von Wettbewerb kommt keine praktische Bedeutung zu. Regelmäßig werden die verschiedenen Formen der Wettbewerbsbeeinträchtigung unter dem einheitlichen Begriff der „Wettbewerbsbeschränkung“ zusammengefasst, Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 221 f.; Hengst, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 101 AEUV Rn. 172; Roth/Ackermann, in: FK-Kartellrecht, Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen (Lfg. 68, 2009), Rn. 234 f. AA etwa Krauß, in: Langen/Bunte, Deutsches

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eine Kontrolle unternehmerischen Marktverhaltens ab417 und erfasst hierbei über den Begriff der „Vereinbarung“ jede Willensübereinstimmung von Unternehmen über ihr Verhalten am Markt418. Wie nachfolgend gezeigt wird, halten frühe Marktzutritte auch einer Marktverhaltenskontrolle am Maßstab des Kartellverbots stand. I. Bezwecken oder Bewirken einer Wettbewerbsbeschränkung Dem Kartellverbot unterfallen sowohl Vereinbarungen, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken, als auch solche, die eine Wettbewerbsbeschränkung bewirken. Die beiden Tatbestandsvarianten unterscheiden sich vor allem aus verfahrensrechtlicher Perspektive anhand der Anforderungen, die an den Nachweis des Vorliegens einer Wettbewerbsbeschränkung gestellt werden. Mit dem EuGH erfordert die Annahme einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung keine Feststellungen im Hinblick auf die tatsächlichen Auswirkungen der Vereinbarung auf den Wettbewerb.419 Bei bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen sind die Auswirkungen der Vereinbarung auf den Wettbewerb hingegen stets positiv festzustellen.420 Unterschieden werden bezweckte und bewirkte Wettbewerbsbeschränkungen anhand der Intensität der Auswirkungen der Vereinbarung auf den Wettbewerb.421 Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt lassen sich allenfalls der Gruppe von Vereinbarungen zuordnen, die eine Wettbewerbsbeschränkung bewirken. Eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung scheidet zwar noch nicht deshalb aus, weil sich frühe Marktzutritte positiv auf das Preisniveau von Arzneimitteln und damit auf die Verbraucherwohlfahrt auswirken422. Einer dahingehenden, am More Economic Kartellrecht12 (2014), § 1 GWB Rn. 124, die in der „Verfälschung“ des Wettbewerbs den Oberbegriff erblickt. 417 Siehe in und bei Fn. 17. 418 Siehe nur EuGH, Urt. v. 15. 7. 1970, Rs. 45/69, Slg. 1970, 769, Rn. 28 – Böhringer; Kommission, Entsch. v. 19. 6. 2013, AT.39226, C(2013) 3803 final, Rn. 608 – Lundbeck; Hengst, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 101 AEUV Rn. 77; Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 1 (2012), Art. 101 Abs. 1 AEUV Rn. 55; Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), § 1 GWB Rn. 81. 419 EuGH, Urt. v. 30. 6. 1966, Rs. 56/65, Slg. 1966, 282 (303) – Société Technique Minière; EuGH, Urt. v. 13. 7. 1966, Slg. 1966, 322 (390 f.) – Consten Grundig; EuGH, Urt. v. 30. 1. 1985, Rs. 123/83, Slg. 1985, 402, Rn. 22 – BNIC/Clair; EuGH, Urt. v. 4. 6. 2009, Rs. C-8/08, Slg. 2009, I-4529, Rn. 29 ff. – T-Mobile Netherlands; EuGH, Urt. v. 6. 10. 2009, Rs. C-501/06 P, C-513/06 P, C-515/06 P und C-519/06 P, Slg. 2009, I-9291, Rn. 55 – GlaxoSmithKline; Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht3 (2014), Art. 101 AEUV Rn. 79; Kommission, Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 101 AEUV auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (nachfolgend: Horizontal-Leitlinien), ABl. EU 2011/C 11/01, Rn. 24. 420 Kommission, Horizontal-Leitlinien, ABl. EU 2011/C 11/01, Rn. 26; EuGH, Urt. v. 30. 6. 1966, Rs. 56/65, Slg. 1966, 282 (337) – Société Technique Minière. 421 Kommission, Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG-Vertrag, ABl. EU 2004/ C 101/08, Rn. 21; Hengst, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 101 AEUV Rn. 224. 422 Siehe hierzu in und bei Fn. 345 ff.

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Approach der Kommission orientierten Interpretation des Merkmals „bezwecken“ hat der EuGH in den Entscheidungen in den Rechtssachen GlaxoSmithKline und T-Mobile Netherlands eine Absage erteilt. Das Kartellverbot schütze nicht nur die Interessen einzelner Wettbewerber und Verbraucher, sondern gerade auch den Wettbewerb als Institution; zur Feststellung eines wettbewerbswidrigen Zwecks einer Vereinbarung seien daher keine Nachteile für die Verbraucher und insbesondere keine Auswirkungen auf die Verbraucherpreise erforderlich.423 Als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen gelten regelmäßig allerdings nur sog. Kernbeschränkungen wie etwa Preisbindungen oder Absprachen über die Aufteilung von Märkten424, denen ein besonders hohes Potential für Wettbewerbsschädigungen zukommt425. Anhaltspunkte zur Unterscheidung zwischen bezweckten und bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen liefern insoweit die Listen der schwarzen Klauseln in den einschlägigen Gruppenfreistellungsverordnungen.426 Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt beinhalten nach den vorstehenden Erkenntnissen zu deren Vertragsinhalt regelmäßig keine Kernbeschränkungen.427 Insbesondere lässt sich weder die Zulassung des Generikaherstellers zum Markt durch Lizenzerteilung noch dessen Zulassung durch Belieferung mit dem patentgeschützten Arzneimittel als Kernbeschränkung qualifizieren.428 Ein besonders hohes Potential zur Schädigung des Wettbewerbs geht von frühen Marktzutritten bereits deshalb nicht aus, weil die Zulassung des Generikaherstellers zum Markt den Wettbewerb in einem ersten Schritt sogar fördert und nicht beschränkt. Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt bezwecken demnach keine Beschränkung des Wettbewerbs, sondern können diese allenfalls bewirken. II. Wettbewerbsbeschränkende Wirkung Auch unter dem Gesichtspunkt einer wettbewerbsbeschränkenden Wirkung unterfallen frühe Marktzutritte dem Kartellverbot allerdings nicht, denn unabhängige Generikahersteller werden durch frühe Marktzutritte nicht in kartellrechtlich rele423 EuGH, Urt. v. 6. 10. 2009, Rs. C-501/06 P, C-513/06 P, C-515/06 P und C-519/06 P, Slg. 2009, I-9291, Rn. 63 f. – GlaxoSmithKline; EuGH, Urt. v. 4. 6. 2009, Rs. C-8/08, Slg. 2009, I-4529, Rn. 38 f. – T-Mobile Netherlands. 424 Hengst, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 101 AEUV Rn. 119, 224; Faull/Nikpay, EU Competition Law3 (2014), Art. 101 Rn. 3.187; Zimmer, in: Immenga/ Mestmäcker, GWB5 (2014), § 1 GWB Rn. 136, 132; Kommission, Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG-Vertrag, ABl. EU 2004/C 101/08, Rn. 23. 425 Kommission, Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG-Vertrag, ABl. EU 2004/ C 101/08, Rn. 21. 426 Kommission, Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG-Vertrag, ABl. EU 2004/ C 101/08, Rn. 23. 427 Zur rechtlichen Einordnung früher Marktzutritte siehe Kapitel 2 § 1. 428 Dies gilt auch im Falle von Alleinbezugsverpflichtungen zulasten der Generikahersteller (vgl. EuGH, Urt. v. 11. 9. 2008, Rs. C-279/06, Slg. 2008, I-6681, Rn. 43 – CEPSA) sowie im Falle von Exklusiv- oder Alleinlizenzen.

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vanter Weise am Marktzutritt gehindert. Zwar schützt das Kartellverbot wie das Behinderungsverbot nicht nur den aktuellen, sondern auch den potentiellen Wettbewerb429 und somit auch bislang noch nicht am Markt tätige unabhängige Generikahersteller. Wie im Folgenden dargestellt wird, weichen Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt jedoch bereits in der Art und Weise der Herbeiführung der vermeintlichen Abschreckungswirkung gegenüber unabhängigen Generikaherstellern vom Typus einer wettbewerbsbeschränkenden Vertikalvereinbarung ab. Darüber hinaus lässt sich eine Einschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit unabhängiger Generikahersteller und damit eine Beschränkung des Wettbewerbs aber auch in der Sache nicht feststellen. 1. Atypische Vertikalvereinbarung Mit dem EuGH soll das Kartellverbot die Selbstständigkeit der Unternehmen am Markt gewährleisten (sog. Selbstständigkeitspostulat).430 Eine Wettbewerbsbeschränkung liegt demnach vor, wenn die wirtschaftliche Handlungsfreiheit aller oder einzelner der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen im Wege der Vereinbarung beschränkt wird.431 Erfasst werden einerseits Beschränkungen der Handlungsfreiheit der Vertragsparteien im Verhältnis untereinander.432 Ausreichend sind andererseits aber auch Beschränkungen der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit einer Vertragspartei im Verhältnis zu dritten Unternehmen.433 Dem Kartellverbot unterfallen damit sowohl Wettbewerbsbeschränkungen im Horizontalverhältnis als auch Wettbewerbsbeschränkungen im Vertikalverhältnis.434 Vertikalvereinbarungen 429 Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), § 1 GWB Rn. 110; Bechtold/Bosch/ Brinker, EU-Kartellrecht3 (2014), Art. 101 AEUV Rn. 74; Hengst, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 101 AEUV Rn. 163; vgl. auch Bartholomeyczik, WuW 1971, 764 (765); Fikentscher, WuW 1961, 788 (792); Lorenz, PharmR 2007, 221 (221). 430 EuGH, Urt. v. 16. 12. 1975, verb. Rs. 40 bis 48, 50, 54 bis 56, 111, 113 und 114/73, Slg. 1975, 1663, Rn. 173/174 – Suiker Unie; Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht3 (2014), Art. 101 AEUV Rn. 66; Hengst, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 101 AEUV Rn. 147. Zur unternehmerischen Selbstständigkeit als Wettbewerbsvoraussetzung siehe Fikentscher, WuW 1961, 788 (792). 431 EuGH, Urt. v. 21. 2. 1984, Rs. 86/82, Slg. 1984, 883, Rn. 46 – Hasselblad; Bundesregierung, Regierungsentwurf 2. GWB-Novelle v. 18. 8. 1971, BT-Drs. VI/2520, S. 19; Bechtold/ Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht3 (2014), Art. 101 AEUV Rn. 76; Roth/Ackermann, in: FKKartellrecht, Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen (Lfg. 68, 2009), Rn. 296. 432 Berg/Mudrony, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 101 AEUV Rn. 74. 433 Ebda.; Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 222; EuGH, Urt. v. 13. 7. 1966, Rs. 56 und 58/64, Slg. 1966, 322 (387) – Consten Grundig; EuG, Urt. v. 12. 6. 1997, Rs. T-504/ 93, Slg. 1997, II-923, Rn. 156 – Tiercé Ladbroke. 434 Krauß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 1 GWB Rn. 182; Roth/ Ackermann, in: FK-Kartellrecht, Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen (Lfg. 68, 2009), Rn. 258; Jungermann, in: FK-Kartellrecht, Fallgruppen I. Art. 101 Abs. 1, 3 AEUV (Lfg. 74, 2011), Rn. 2; Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), § 1 GWB Rn. 5; Theune, GRUR Int 1977, 111 (111 f.).

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werden zwischen Unternehmen auf verschiedenen Wirtschaftsstufen geschlossen; bei Horizontalvereinbarungen stehen die beteiligten Unternehmen hingegen auf derselben Wirtschaftsstufe.435 Das Gefährdungspotential von Vertikalvereinbarungen für den Wettbewerb wird dabei grundsätzlich geringer eingeschätzt als das Gefährdungspotential horizontaler Vereinbarungen.436 Seinen Ausdruck findet diese wettbewerbstheoretische Grundaussage etwa in der Gruppenfreistellungsverordnung für Technologietransfer-Vereinbarungen (VO (EU) Nr. 317/2014, nachfolgend: TT-GVO), die Horizontalvereinbarungen strenger reglementiert als Vertikalvereinbarungen.437 Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt sind als Vertikalvereinbarungen einzustufen. Denkbar wäre im Falle früher Marktzutritte zwar, die hieran beteiligten Generikahersteller ungeachtet des noch bestehenden Patentschutzes als potentielle Wettbewerber der Originalpräparatehersteller auf dem Markt für das vertragsgegenständliche Arzneimittel einzuordnen. Dies würde die Annahme einer Horizontalvereinbarung nahelegen. Mit der Kommission sind Unternehmen jedoch dann nicht als potentielle Wettbewerber einzuordnen, wenn sie sich in einer ein- oder zweiseitigen patentrechtlichen Sperrposition befinden, wenn also eine der Vertragsparteien am Markt nicht teilnehmen kann, ohne ein Technologierecht der anderen Vertragspartei zu verletzen.438 Dieser Rechtsgedanke entstammt der TT-GVO und gilt damit jedenfalls für frühe Marktzutritte, die auf Grundlage von Lizenzverträgen vollzogen werden. Im Zeitpunkt des Vollzugs früher Marktzutritte stehen die Arzneimittel der Originalpräparatehersteller nämlich noch unter Patentschutz, sodass ein Tätigwerden der Generikahersteller nur unter Verletzung des Patentrechts des Originalpräparateherstellers möglich ist. Auch wenn Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt den Rechtscharakter reiner Belieferungsverträge aufweisen, gilt richtigerweise jedoch nichts anderes. Schließlich sollen mit der Einordnung von Lizenzverträgen als Vertikalvereinbarungen im Falle von Sperrpatenten Vereinbarungen privilegiert werden, die das Entstehen von Wettbewerb überhaupt erst ermöglichen. Diese Wertung gilt jedoch unabhängig davon, ob der Generikahersteller im Wege der Lizenzerteilung oder im Wege der Belieferung im Zusammenspiel mit der hiermit verbundenen Erschöpfung des Schutzrechts439 in die Lage versetzt wird, den Markt zu betreten. Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt sind daher 435

Jungermann, in: FK-Kartellrecht, Fallgruppen I. Art. 101 Abs. 1, 3 AEUV (Lfg. 74, 2011), Rn. 22. 436 Monopolkommission, Hauptgutachten XI. (1995/1995), BT-Drs. 13/5309, Rn. 938; Jungermann, in: FK-Kartellrecht, Fallgruppen I. Art. 101 Abs. 1, 3 AEUV (Lfg. 74, 2011), Rn. 3; Roth/Ackermann, in: FK-Kartellrecht, Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen (Lfg. 68, 2009), Rn. 258; Krauß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 1 GWB Rn. 178. 437 Vgl. nur die Unterschiede im Bereich der nicht freigestellten Beschränkungen in Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 TT-GVO. 438 Kommission, TT-Leitlinien, ABl. EU 2014/C 89/03, Rn. 29; Lübbig, GRUR 2004, 483 (487); Schumacher/Schmid, GRUR 2006, 1 (6); Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 1 (2012), Art. 1 TT-GVO Rn. 65. 439 Siehe hierzu in und bei Fn. 27 ff. (Kapitel 2).

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sowohl in Gestalt von Lizenz- als auch in Gestalt von Belieferungsverträgen als Vertikalvereinbarungen zwischen Originalpräparate- und Generikaherstellern zu qualifizieren.440 Von gewöhnlichen Vertikalvereinbarungen weichen Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt unter dem Gesichtspunkt der Abschreckung unabhängiger Generikahersteller jedoch sowohl in ihrer Wirkungsweise als auch in ihrem Erscheinungsbild ab. Kartellrechtswidrige Vertikalvereinbarungen beschränken den Wettbewerb zwischen mindestens einem an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen und dritten Unternehmen. Vorliegend steht in diesem Zusammenhang eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs zwischen beteiligten Arzneimittelherstellern und unabhängigen Generikaherstellern in Rede. Eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit dritter Unternehmen wird bei Vertikalvereinbarungen jedoch – dem Selbstständigkeitspostulat des EuGH entsprechend – grundsätzlich über eine Beschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit eines der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen vermittelt. Vertikalvereinbarungen zeichnen sich in einem ersten Schritt durch eine Beschränkung der Handlungsfreiheit eines der Vertragspartner aus. Erst in einem zweiten Schritt führt diese Beeinträchtigung zu einer Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit unbeteiligter dritter Unternehmen. Alleinbezugsverpflichtungen als klassische Vertikalvereinbarungen441 etwa hindern primär den an der Vereinbarung beteiligten Abnehmer am Bezug von Produkten anderer Lieferanten. Erst hierdurch wird die Handlungsfreiheit dieser Lieferanten eingeschränkt, weil ihnen der Abnehmer als eigener Abnehmer entzogen wird. Die vermeintlich wettbewerbsbeschränkende Wirkung früher Marktzutritte ergibt sich nun aber gerade nicht aus einer Beschränkung, sondern aus einer Erweiterung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit eines der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen. Schließlich erhalten die beteiligten Generikahersteller im Rahmen früher Marktzutritte Zugriff auf Ressourcen des Originalpräparateherstellers, die sie erst in die Lage versetzen, den Markt zu betreten. Bereits die Wirkungsweise früher Marktzutritte entspricht vor diesem Hintergrund nicht der Wirkungsweise einer 440

Diese Bewertung setzt sich nicht in Widerspruch zu den aktuellen Entscheidungen der Kommission gegen die Arzneimittelhersteller Lundbeck, Les Laboratoires Servier und Johnson & Johnson/Novartis. Zwar bewertete die Kommission die beteiligten Originalpäparate- und Generikahersteller in diesen Entscheidungen stets als (zumindest) potentielle Wettbewerber, siehe Kommission, Entsch. v. 19. 6. 2013, AT.39226, C(2013) 3803 final, Rn. 621 ff. – Lundbeck; Kommission, Entsch. v. 9. 7. 2014, AT.39612, C(2014) 4955 final, Rn. 1156 ff. – Perindopril (Servier); Kommission, Entsch. v. 10. 12. 2013, AT.39685, C(2013) 8870 final, Rn. 221 ff. – Fentanyl. Diese Entscheidungen hatten jedoch Pay-For-Delay-Vereinbarungen (Reverse Payment Settlements) zum Gegenstand und betrafen insoweit Situationen, in denen die Beständigkeit des Originalpräparatepatents in Zweifel stand oder das Originalpräparatepatent gar bereits abgelaufen war. Wie die Kommission zu Recht feststellte, kam in diesen Entscheidungen auch der – im Falle früher Marktzutritte einschlägige – Rechtsgedanke der TTGVO mangels Lizenzierungsvorgangs gerade nicht zum Tragen, siehe Kommission, Entsch. v. 19. 6. 2013, AT.39226, C(2013) 3803 final, Rn. 632 – Lundbeck. 441 Vgl. Hengst, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 101 AEUV Rn. 208.

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wettbewerbsbeschränkenden Vertikalvereinbarung. In ihrem Erscheinungsbild gleichen frühe Marktzutritte vielmehr Unternehmenszusammenschlüssen, die über die Zusammenschlusskontrolle der §§ 35 ff. GWB sowie über die europäische FKVO erfasst werden. Auch im Falle eines Unternehmenszusammenschlusses resultieren die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen nämlich daraus, dass die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des erwerbenden Vertragspartners erweitert wird, indem ihm der Zugriff auf die Ressourcen des veräußernden Vertragspartners gewährt wird.442 2. Beschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit unabhängiger Generikahersteller Der Anwendung des Kartellverbots auf Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt steht dieser abweichende Wirkungsmechanismus zunächst noch nicht zwingend entgegen. Nach umstrittener Ansicht unterfallen dem Kartellverbot nämlich auch Vereinbarungen, die ausschließlich die wirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten Dritter, wie vorliegend die Handlungsmöglichkeiten unabhängiger Generikahersteller, beeinträchtigen, und damit gerade ohne eine Einschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen einhergehen.443 In der Tat beantworten die Rechtsprechung der Unionsgerichte und die Verwaltungspraxis der Kommission die Frage, ob auch die isolierte Beeinträchtigung von Drittinteressen über das Kartellverbot erfasst werden kann, nicht immer eindeutig.444 Der EuGH stellt im Einklang mit dem von ihm formulierten Selbstständigkeitspostulat jedoch regelmäßig auf die Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit der Vertragsparteien ab und prüft das Vorliegen von Drittbeeinträchtigungen allenfalls ergänzend.445 Auch in den Fällen, in denen der

442

Vgl. in und bei Fn. 585. Roth/Ackermann, in: FK-Kartellrecht, Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen (Lfg. 68, 2009), Rn. 296 ff.; Faull/Nikpay, EU Competition Law3 (2014), Art. 101 Rn. 3.344; Berg/Mudrony, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 101 AEUV Rn. 74 unter Verweis auf EuG, Urt. v. 21. 2. 1995, Rs. T-29/92, Slg. 1993, II-1, Rn. 204 – SPO u. a./Kommission; Theune, GRUR Int 1977, 111 (112); siehe zu dieser Fragestellung auch Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 1 (2012), Art. 101 Abs. 1 AEUV Rn. 108. 444 Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 222; siehe auch Hirsch/Burkert, in: Gleiss/Hirsch, EG-Kartellrecht4 (1993), Art. 85 (1) Rn. 133 ff. 445 Siehe nur EuGH, Urt. v. 28. 5. 1998, Rs. C-7/95 P, Slg. 1998, I-3111, Rn. 87 ff. – John Deere; EuGH, Urt. v. 23. 11. 2006, Rs. C-238/05, Slg. 2006, I-11125, Rn. 51 ff. – AsnefEquifax; EuGH, Urt. v. 21. 2. 1984, Rs. 86/82, Slg. 1984, 883, Rn. 46 ff. – Hasselblad; siehe auch die Nachweise zur Rechtsprechung bei Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 223; so auch Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 1 (2012), Art. 101 Abs. 1 AEUV Rn. 110; Hengst, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 101 AEUV Rn. 184; zu der gleichlaufenden Rechtsprechung des BGH siehe BGH, Urt. v. 29. 01. 1975, KRB 4/74, WuW/E BGH 1337 (1342) – Aluminium-Halbzeug; BGH, Urt. v. 14. 01. 1997, KZR 41/95, WuW/E BGH 3115 (3118) – Druckgussteile; nach Sandrock, AWD 443

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EuGH bislang primär auf die Außenwirkungen einer Vereinbarung abstellte, war eine Beschränkung der Handlungsfreiheit der Parteien unstreitig gegeben, der EuGH betonte lediglich, dass eine solche Beschränkung nicht in jedem Falle zur Annahme einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung genüge.446 Die Kommission rückt im Rahmen ihres More Economic Approach zwar verstärkt die Außenwirkungen einer Vereinbarung in den Vordergrund.447 Bei genauerer Betrachtung verzichtet jedoch auch die Kommission auf eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen jedenfalls im Grundsatz gerade nicht.448 Wenngleich die bisherige Rechtsprechung und Verwaltungspraxis insoweit Raum für eine Interpretation des Merkmals der Wettbewerbsbeschränkung im Sinne einer isolierten Beeinträchtigung von Drittinteressen belassen, lässt sich ihnen doch die Tendenz entnehmen, dass eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit der Vertragsparteien in diesem Zusammenhang nicht verzichtbar ist. Dieser Ansatz vermag zu überzeugen.449 Bereits aus dem Katalog der Regelbeispiele des Art. 101 lit. a) bis c) AEUV wird ersichtlich, dass das Kartellverbot im Einklang mit dem Selbstständigkeitspostulat des EuGH Vereinbarungen erfassen soll, die sich durch eine Beschränkung der Handlungsfreiheit der Vertragsparteien auszeichnen. Nur eine solche Orientierung an der Handlungsfreiheit der Vertragsparteien vermittelt dem Begriff der Wettbewerbsbeschränkung und damit dem Anwendungsbereich des Kartellverbots hinreichend klare Konturen. Ließe man demgegenüber die Beeinträchtigung von Drittinteressen, wie diejenigen unabhängiger Generikahersteller, zur Annahme einer Wettbewerbsbeschränkung genügen, hätte dies nicht nur, wie bereits angedeutet, Abgrenzungsschwierigkeiten zum Anwendungsbereich der Zusammenschlusskontrolle zur Folge, sondern würde auch die Grenzen zwischen dem Kartellverbot und der Missbrauchsaufsicht verwischen.450 1970, 337 (339) handelt es sich bei den einschränkenden Wirkungen für die Vertragsparteien und den Wirkungen auf Dritte um „zwei Seiten ein und derselben Medaille“. 446 EuGH, Urt. v. 18. 7. 2006, Rs. C-510/04 P, Slg. 2006, I-6991, Rn. 42 – Meca-Medina; siehe auch Hengst, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 101 AEUV Rn. 177. 447 Kommission, Horizontal-Leitlinien, ABl. EU 2011/C 11/01, Rn. 24 ff.; Roth/Ackermann, in: FK-Kartellrecht, Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen (Lfg. 68, 2009), Rn. 297; Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 1 (2012), Art. 101 Abs. 1 AEUV Rn. 108. 448 Kommission, Horizontal-Leitlinien, ABl. EU 2011/C 11/01, Rn. 27; Kommission, Entsch. v. 19. 6. 2013, AT.39226, C(2013) 3803 final, Rn. 608 – Lundbeck. 449 So auch Stockenhuber, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU (2015), Art. 101 AEUV Rn. 122; Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 227; Hirsch/Burkert, in: Gleiss/Hirsch, EG-Kartellrecht4 (1993), Art. 85 (1) Rn. 136; in diese Richtung auch Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 1 (2012), Art. 101 Abs. 1 AEUV Rn. 116; siehe auch Müller-Henneberg, WuW 1968, 659 (667), nach dem das Kartellverbot ausschließlich darauf abzielt, den „freiwilligen Verzicht auf das Recht [zu] erfassen, gewisse Handlungen auf dem Markt vorzunehmen […]“. 450 Siehe hierzu Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 223 ff.

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

Selbst wenn man aber die isolierte Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten Dritter und damit – im Falle früher Marktzutritte – die vermeintliche Beeinträchtigung unabhängiger Generikahersteller zur Verwirklichung des Kartellverbots genügen lassen wollte, unterfallen frühe Marktzutritte dem Kartellverbot nicht. In Anlehnung an die vorstehenden Ausführungen zum kartellrechtlichen Behinderungsverbot451 hindern frühe Marktzutritte unabhängige Generikahersteller nämlich gerade nicht am Betreten des Arzneimittelmarktes im Zeitraum nach Patentablauf, sondern schmälern für diesen Zeitraum allenfalls die Gewinnaussichten dieser Unternehmen. Wenngleich das Kartellverbot einer Abwägung der wettbewerbsschädlichen und wettbewerbsförderlichen Wirkungen einer Vereinbarung auf Tatbestandsebene nicht zugänglich ist und damit keine Rule of Reason nach US-amerikanischem Vorbild vorsieht452, erfordert die Beurteilung einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung doch stets ein Werturteil darüber, wann die Beschränkung der Handlungsfreiheit eines Unternehmens in eine tatbestandliche Wettbewerbsbeschränkung umschlägt453. Auch die Unionsgerichte handhaben das Kartellverbot in dieser Hinsicht flexibel und berücksichtigen etwa stets den jeweiligen wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext der Vereinbarung454. In einer Vielzahl von Entscheidungen gelangten die Unionsgerichte auf diesem Wege, trotz einer an sich gegebenen Beschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit der Vertragsparteien, zur Unanwendbarkeit des Kartellverbots.455 Nach dem Vollzug früher Marktzutritte stehen dem Marktzutritt unabhängiger Generikahersteller mit Patentablauf keinerlei rechtliche Hindernisse entgegen. Auch ökonomische Untersuchungen lassen den Schluss zu, dass das Marktzutrittsverhalten und damit die wirtschaftliche Handlungsfreiheit unabhängiger Generikahersteller durch frühe Marktzutritte nicht in relevantem Umfang beeinflusst wird.456 Zur Begründung einer Beschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit unabhängiger Generikahersteller wäre insoweit allenfalls an deren verringerte Gewinnaussichten infolge früher Marktzutritte anzuknüpfen.457 Ein infolge geringerer Gewinnaussichten vermindertes Interesse eines Unternehmens, mit anderen Unternehmen in Wettbewerb zu 451

Siehe in und bei Fn. 312 ff. EuG, Urt. v. 2. 5. 2006, Rs. T-328/03, Slg. 2006, II-1231, Rn. 69 – O2 m.w.N.; Theune, GRUR Int 1977, 111 (115); vgl. auch Fikentscher, WuW 1961, 788 (800); nach Massaguer Fuentes, GRUR Int 1987, 217 (224) wird die Betrachtungsweise des EuGH jedoch bisweilen von der Rule of Reason des US-Antitrustrechts beeinflusst. 453 Heinemann, Immaterialgüterschutz (2002), S. 359; vgl. auch Roth/Ackermann, in: FKKartellrecht, Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen (Lfg. 68, 2009), Rn. 307. 454 Siehe nur EuGH, Urt. v. 23. 11. 2006, Rs. C-238/05, Slg. 2006, I-11125, Rn. 49 – AsnefEquifax; EuGH, Urt. v. 19. 2. 2002, Rs. C-309/99, Slg. 2002, I-1577, Rn. 97 – Wouters; EuGH, Urt. v. 28. 2. 1991, Rs. C-234/89, Slg. 1991, I-935, Rn. 14 – Delimitis; EuG, Urt. v. 2. 5. 2006, Rs. T-328/03, Slg. 2006, II-1231, Rn. 66 – O2. 455 Siehe die Übersicht bei Hengst, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 101 AEUV Rn. 185 ff. 456 Siehe in und bei Fn. 324 ff. 457 Siehe hierzu in und bei Fn. 127 ff. 452

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treten, berührt die wirtschaftliche Handlungsfreiheit dieses Unternehmens aber gerade nicht in kartellrechtlich relevantem Umfang, sondern lässt dessen wirtschaftliche Handlungsfreiheit vielmehr unberührt.458 3. Konzeptionelle Bedenken Selbst unter der Annahme, die Marktzutrittsmöglichkeiten unabhängiger Generikahersteller würden durch frühe Marktzutritte beeinträchtigt, bestehen jedoch auch gegenüber deren Einordnung als wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen die im Rahmen des Behinderungsverbots vorgetragenen konzeptionellen Bedenken. Gegenstand des als Marktverhaltenskontrolle ausgestalteten459 Kartellverbots kann ebenfalls alleine die Setzung strategischer Marktzutrittsschranken sein.460 Die Beeinträchtigung der Marktzutrittsmöglichkeiten unabhängiger Generikahersteller ist hingegen der hohen Produktloyalität der verschreibenden Ärzte und Apotheker geschuldet, die ihrerseits auf den nachfrage- und angebotsseitig bestehenden Besonderheiten von Arzneimittelmärkten beruht und damit gerade nicht als strategische, sondern als strukturelle Marktzutrittsschranke einzuordnen ist.461 III. Ergebnis Unter dem Aspekt der Abschreckung unabhängiger Generikahersteller verstoßen frühe Marktzutritte damit im Ergebnis auch nicht gegen das Kartellverbot der Art. 101 AEUV, § 1 GWB. Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt haben den Charakter von Vertikalvereinbarungen. Bereits in der Art und Weise der Herbeiführung dieser vermeintlichen Abschreckungswirkung gegenüber unabhängigen Generikaherstellern entsprechen diese Vereinbarungen jedoch nicht dem Bilde einer Vertikalvereinbarung, sondern vielmehr dem Bilde eines Unternehmenszusammenschlusses, weil sie die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der beteiligten Generikahersteller nicht beschränken, sondern erweitern. Darüber hinaus genügt die isolierte Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit unbeteiligter Dritter zur Annahme einer Wettbewerbsbeschränkung bereits im Allgemeinen nicht und lässt sich bei frühen Marktzutritten im Besonderen auch nicht feststellen. Schließlich bleibt es unabhängigen Generikaherstellern auch im Nachgang zu frühen Marktzutritten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht unbenommen, die Arzneimittelmärkte nach Patentablauf zu betreten. Die Vereinbarkeit früher Marktzutritte mit dem Kartellverbot steht auch im Einklang mit der derzeitigen Verwaltungspraxis der Kommission, die derartige Vereinbarungen in mehreren aktuellen Entscheidungen nicht beanstandete. In der 458 459 460 461

Vgl. Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 227. Siehe in und bei Fn. 17. Siehe in und bei Fn. 358 ff. Ebda.

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

Entscheidung gegen den Arzneimittelhersteller Lundbeck grenzte die Kommission den Abschluss einer wettbewerbsbeschränkenden Vertriebsvereinbarung zwischen Lundbeck und Merck ausdrücklich vom Abschluss einer Vereinbarung über einen frühen Marktzutritt ab462. Darüber hinaus beanstandete sie auch die Einführung eines autorisierten Generikums von Lundbecks Antidepressivum Citalopram durch Nycomed in Dänemark463 nicht. Ebenso verfuhr die Kommission in ihrer Entscheidung gegen den Arzneimittelhersteller Les Laboratoires Servier, in der sie den Abschluss von Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt durch Servier zwar feststellte464, diese Vereinbarungen aber weder im Kontext ihrer Missbrauchsprüfung465 noch vor dem Hintergrund des Kartellverbotes aufgriff. Von Relevanz war eine Vereinbarung über einen frühen Marktzutritt schließlich auch im Kommissionsverfahren gegen Johnson & Johnson und Novartis. Hierin stellte die Kommission fest, dass die Parteien neben einer von der Kommission als wettbewerbsbeschränkend identifizierten Pay-For-Delay Vereinbarung in Gestalt eines Co-Promotion-Vertrages auch eine Vereinbarung über einen frühen Marktzutritt geschlossen hatten.466 Auch gegenüber dieser Vereinbarung äußerte die Kommission indes keinerlei kartellrechtliche Bedenken, sondern betonte vielmehr, dass eine derartige Vereinbarung ohne die in der Entscheidung festgestellten wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen einhergehe.467 IV. Exkurs: Kartellrechtlich relevante Nebenabreden 1. Exklusiv- und Alleinlizenzen Die Vereinbarkeit früher Marktzutritte mit dem Kartellverbot wird auch nicht in Frage gestellt, wenn frühe Marktzutritte, wie in der Sektoruntersuchung-Pharma für einige wenige Fälle festgestellt468, auf der Grundlage von Exklusiv- oder Alleinlizenzen vollzogen werden. Zwar schränken Exklusiv- oder Alleinlizenzen die Möglichkeit der Lizenzgeber zur Vergabe weiterer Lizenzen ein und beschränken insoweit die wirtschaftliche Handlungsfreiheit dieser Unternehmen.469 Zugleich 462

Kommission, Entsch. v. 19. 6. 2013, AT.39226, C(2013) 3803 final, Rn. 800 – Lundbeck. Vgl. Kommission, Entsch. v. 19. 6. 2013, AT.39226, C(2013) 3803 final, Rn. 27, 128 Fn. 258 – Lundbeck. 464 Siehe den Nachweis in Fn. 148. 465 Ebda.; siehe auch bei Fn. 298. 466 Kommission, Entsch. v. 10. 12. 2013, AT.39685, C(2013) 8870 final, Rn. 195 ff. – Fentanyl. 467 Kommission, Entsch. v. 10. 12. 2013, AT.39685, C(2013) 8870 final, Rn. 433 – Fentanyl. 468 Kommission, Sektoruntersuchung-Pharma, Rn. 827, 852. 469 OLG Düsseldorf, Urt. v. 23. 3. 2005, U (Kart) 31/04, WuW 2005, 1263 (1264). Nach Theune unterfallen Alleinlizenzen dem Kartellverbot nicht bereits deshalb, weil sie den Lizenzgeber daran hindern, weitere Lizenzen zu erteilen, da es sich hierbei nur um eine Beschränkung des Lizenzgebers auf dem Lizenzmarkt als einem dem Warenmarkt untergeordneten Hilfsmarkt handelt, Theune, GRUR Int 1977, 111 (113). Alleinlizenzklauseln seien unter 463

§ 2 Kartellrechtliche Marktverhaltenskontrolle

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verlieren dritte Unternehmen hierdurch die Möglichkeit, ihrerseits Lizenzen zu beziehen.470 Ungeachtet der Möglichkeit einer Freistellung über die TT-GVO, deren Anwendbarkeit mit Blick auf die Originalpräparatehersteller regelmäßig an der 30 %-Marktanteilsschwelle des Art. 3 Abs. 2 TT-GVO scheitern dürfte, erfüllen Exklusiv- oder Alleinlizenzen zwischen Nicht-Wettbewerbern nach Ansicht der Kommission jedoch regelmäßig die Voraussetzungen einer Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV, § 2 GWB.471 Auch in der Rechtsprechung der Kartellgerichte wurde die Zulässigkeit ausschließlicher Lizenzverträge wiederholt bejaht.472 2. Alleinbezugsverpflichtungen Ungleich größere kartellrechtliche Bedenken rufen demgegenüber die im Rahmen der Sektoruntersuchung-Pharma festgestellten Bezugsverpflichtungen zulasten der beteiligten Generikahersteller hervor, die frühe Marktzutritte in 63 der 87 Fälle flankierten473. Kartellrechtlich unbedenklich sind Bezugsverpflichtungen nur, wenn es sich um einfache Bezugsverpflichtungen handelt, denn diese sind Austauschverträgen immanent und ohne Austauschverträge ist funktionierender Wettbewerb undenkbar.474 45 der von der Kommission festgestellten Bezugsverpflichtungen waren jedoch als sog. Alleinbezugs- und Gesamtbezugsverpflichtungen ausgestaltet und verpflichteten die Generikahersteller insoweit zum exklusiven Bezug sämtlicher für das vertragsgegenständliche Arzneimittel erforderlicher Bestandteile vom Originalpräparatehersteller.475 Andere Vereinbarungen gaben den Generikaherstellern hingegen Mindestabnahmemengen vor.476 Alleinbezugsverpflichtungen wirken grundsätzlich wettbewerbsbeschränkend, wenn und weil sie Abnehmer auf eine diesem Aspekt kartellrechtlich unbedenklich, ders., GRUR Int 1977, 111 (115); so auch Ullrich, ZHR 137 (1973), 134 (149); ähnlich auch Mailänder, GRUR Int 1979, 378 (384), nach dem die ausschließliche Lizenz lediglich die vorbestehende Alleinstellung des Lizenzgebers auf den Lizenznehmer verlagert oder eine Auflockerung der Wettbewerbsverhältnisse bewirkt, soweit der Lizenznehmer neben dem Lizenzgeber tätig wird. 470 Theune, GRUR Int 1977, 63 (66). 471 Kommission, TT-Leitlinien, ABl. EU 2014/C 89/03, Rn. 194; so auch Theune, GRUR Int 1977, 111 (119 f.). Zur Freistellung ausschließlicher Lizenzen über Art. 101 Abs. 3 AEUV siehe auch Ullrich, ZHR 137 (1973), 134 (162 ff.); zur Gruppenfreistellung siehe Axster, GRUR 1985, 581 (585 f.). Zur Qualifikation der an frühen Marktzutritten beteiligten Originalpräparate- und Generikahersteller als Nicht-Wettbewerber siehe in und bei Fn. 438 ff. 472 Vgl. nur EuGH, Urt. v. 8. 6. 1982, Rs. 258/78, Slg. 1982, 2015, Rn. 58 – Maissaatgut und EuGH, Urt. v. 6. 10. 1982, Rs. 262/81, Slg. 1982, 3381, Rn. 15 f. – Coditel II; hierzu Massaguer Fuentes, GRUR Int 1987, 217 (222 ff.); so auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 23. 3. 2005, U (Kart) 31/04, WuW 2005, 1263 (1264); hierzu insgesamt Sack, WRP 1999, 592 (600 ff.). 473 Siehe hierzu in und bei Fn. 163 ff. (Kapitel 1). 474 Krauß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 1 GWB Rn. 260; vgl. auch Holzmüller/von Köckritz, BB 2009, 1712 (1712). 475 Siehe in und bei Fn. 164 (Kapitel 1). 476 Siehe hierzu in und bei Fn. 165 (Kapitel 1).

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

Bezugsquelle beschränken und damit andere Lieferanten vom Markt ausschließen.477 Nichts anderes gilt für die in Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt ebenfalls vorzufindenden Gesamtbedarfsklauseln478 und Mindestabnahmemengen479, welche vergleichbare Wirkungen erzielen. Im Rahmen der kartellrechtlichen Bewertung der mit frühen Marktzutritten einhergehenden Alleinbezugsverpflichtungen muss vor diesem Hintergrund zunächst in zeitlicher Hinsicht sowie nach dem Umfang des Patents des Originalpräparateherstellers differenziert werden. Kommt ohnehin nur ein Bezug des vertragsgegenständlichen Produkts vom Originalpräparatehersteller in Betracht, weil es sich hierbei um ein patentgeschütztes Produkt handelt, hat die Bezugsverpflichtung im Zeitraum vor Patentablauf keine wettbewerbsrechtliche Relevanz.480 Für diesen Fall nämlich ist ausgeschlossen, dass andere Lieferanten am Absatz ihrer Produkte gehindert werden. Für die Zeit nach Patentablauf sowie im Falle nicht patentgeschützter Produkte kommt hingegen zunächst eine Freistellung der Alleinbezugsverpflichtung nach der Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung (Vertikal-GVO) in Betracht. Hierzu darf der individuelle Marktanteil der Parteien 30 % nicht überschreiten (Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO) und die Bezugsverpflichtung darf eine maximale Laufzeit von fünf Jahren aufweisen (Art. 5. lit. a) i.V.m. Art. 1 lit. d) Vertikal-GVO). Nach den Erkenntnissen der Kommission betrug die durchschnittliche Laufzeit der Alleinbezugsverpflichtungen im Falle früher Marktzutritte 2,4 Jahre.481 Gegenüber der Anwendung der Vertikal-GVO im Falle 477

Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker5, Teil 1 (2014), § 1 GWB Rn. 342; vgl. auch Ulmer, GRUR 1977, 565 (571). Der Annahme einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung steht vorliegend auch der sog. „Markterschließungsgedanke“ des EuGH nicht entgegen, siehe hierzu Roth/Ackermann, in: FK-Kartellrecht, Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen (Lfg. 68, 2009), Rn. 356. Hierunter werden Fallgestaltungen zusammengefasst, in denen es ohne die vermeintlich wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung überhaupt keinen Wettbewerb der beteiligten Unternehmen auf dem relevanten Markt gäbe, siehe ebda. Der Markterschließungsgedanke findet seine Grundlage in der Entscheidung Société Technique Minière, in der der EuGH das Vorliegen einer Wettbewerbsbeschränkung für zweifelhaft hielt, weil „sich die Vereinbarung gerade für das Eindringen eines Unternehmens in ein Gebiet, in dem es bisher nicht tätig war, als notwendig erweist“, EuGH, Urt. v. 30. 6. 1966, Rs. 56/65, Slg. 1966, 282 (304) – Société Technique Minière; siehe hierzu Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht3 (2014), Art. 101 AEUV Rn. 133; Hengst, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 101 AEUV Rn. 216. Relevant wurde der Markterschließungsgedanke auch in der Entscheidung EuG, Urt. v. 02. 05. 2006, Rs. T-328/03, Slg. 2006, II-1231, Rn. 74 ff. – O2. Im Falle früher Marktzutritte scheidet die Anwendung dieses Markterschließungsgedankens infolge der zeitlichen Nähe früher Marktzutritte zum Patentablauf aus. Schließlich könnten die an frühen Marktzutritten beteiligten Generikahersteller den Markt nur kurze Zeit später ohnehin betreten, sodass eine Privilegierung dieser Strategie über den Markterschließungsgedanken nicht gerechtfertigt erscheint. 478 Krauß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 1 GWB Rn. 268. 479 Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), § 1 GWB Rn. 342; Krauß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 1 GWB Rn. 272. 480 Vgl. Axster/Wissel, Pharma Recht 1992, 194 (200). 481 Siehe den Nachweis in Fn. 167 (Kapitel 1).

§ 2 Kartellrechtliche Marktverhaltenskontrolle

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früher Marktritte bestehen daher in zeitlicher Hinsicht keine Bedenken. Regelmäßig dürfte die Anwendbarkeit der Vertikal-GVO in diesen Fällen jedoch an den hohen Marktanteilen der beteiligten Originalpräparatehersteller scheitern. Die kartellrechtliche Zulässigkeit der Alleinbezugsverpflichtungen hängt dann davon ab, ob die Voraussetzungen einer Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV, § 2 GWB gegeben sind. Verfügt der Originalpräparatehersteller gar über eine marktbeherrschende Stellung482, steht der Alleinbezugsverpflichtung zulasten des Generikaherstellers auch das Missbrauchsverbot des Art. 102 AEUV, §§ 19, 20 GWB entgegen483. Nach der Rechtsprechung des EuGH nämlich nutzt ein Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung aus, wenn es Abnehmer verpflichtet, ihren gesamten Bedarf oder einen beträchtlichen Teil hiervon ausschließlich vom Marktbeherrscher zu beziehen.484 Die kartellrechtliche Bewertung der im Rahmen früher Marktzutritte vereinbarten Alleinbezugsverpflichtungen hängt damit im Ergebnis maßgeblich von der Marktstellung des beteiligten Originalpräparateherstellers im Einzelfall ab. Verfügt der Originalpräparatehersteller über eine marktbeherrschende Stellung oder liegen dessen Marktanteile oberhalb von 30 %, sind Alleinbezugsverpflichtungen zulasten der Generikahersteller im Regelfall unzulässig. Hierdurch wird das eingangs dieser Arbeit angesprochene Problem, wonach frühe Marktzutritte ein Mittel zur Projektion der Marktmacht des Originalpräparateherstellers in die Zukunft darstellen, entschärft. Ohne die Möglichkeit zum Abschluss von Alleinbezugsverpflichtungen zulasten der beteiligten Generikahersteller profitieren Originalpräparatehersteller schließlich in weitaus geringerem Maße von den geförderten Marktstelllungen dieser Generikahersteller, sodass diese im Zeitraum nach Patentablauf auch nicht als Surrogate der schwindenden Marktstellungen der Originalpräparatehersteller fungieren können.

D. Ergebnis Der Vollzug früher Marktzutritte bewegt sich an der Grenze zwischen einem kartellrechtswidrigen Marktverhalten und der zulässigen Ausnutzung eines pharmaregulierungsrechtlichen Schlupflochs. Einer kartellrechtlichen Marktverhaltenskontrolle am Maßstab der §§ 1, 19, 20 GWB, Artt. 101, 102 AEUV halten frühe Marktzutritte allerdings stand. Rückschlüsse aus der kartellrechtlichen Bewertung früher Marktzutritte in den USA lassen sich nicht ziehen, weil der dortige regulatorische Rahmen entscheidend von demjenigen in Deutschland und Europa abweicht. Nach europäischem und deutschem Kartellrecht lässt sich die Zulassung eines Generikaherstellers vor Patentablauf weder als kartellrechtlicher Behinde482 483 484

Zum Begriff der marktbeherrschenden Stellung siehe in und bei Fn. 156 ff. Holzmüller/von Köckritz, BB 2009, 1712 (1716). EuGH, Urt. v. 13. 2. 1979, Rs. 85/76, Slg. 1979, 461, Rn. 89 – Hoffmann La Roche.

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

rungsmissbrauch gegenüber unabhängigen Generikaherstellern noch als wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung zwischen Originalpräparate- und Generikaherstellern qualifizieren. Beide kartellrechtlichen Verbotstatbestände greifen nicht ein, weil unabhängige Generikahersteller durch frühe Marktzutritte nicht in kartellrechtlich relevanter Weise vom Marktzutritt abgehalten werden. Unter dem Gesichtspunkt einer Marktverhaltenskontrolle handelt es sich bei frühen Marktzutritten demnach um eine zulässige Patentauslaufstrategie, mit der Originalpräparatehersteller auf die mit Patentablauf drohenden Umsatz- und Marktanteilseinbußen insbesondere dadurch reagieren können, dass sie bestimmten Generikaherstellern deutliche Marktanteilsvorsprünge gegenüber anderen Generikaherstellern verschaffen. Entschärfen lassen sich die Marktanteilsvorsprünge autorisierter Generika auch nicht im Wege von kartellrechtlichen Zwangslizenzen zugunsten unabhängiger Generikahersteller. Gesetzgeberischer Maßnahmen zur Schließung des für den Erfolg früher Marktzutritte ursächlichen pharmaregulierungsrechtlichen Schlupflochs bedarf es gleichwohl nicht. Sehr wohl nämlich lässt sich bereits über die vorstehende kartellrechtliche Marktverhaltenskontrolle verhindern, dass Originalpräparatehersteller ihre Marktmacht im Wege früher Marktzutritte in größerem Umfang in die Zukunft projizieren, weil die zu diesem Zwecke vereinbarten Alleinbezugsverpflichtungen zulasten der beteiligten Generikahersteller im Regelfall sowohl gegen das Kartellals auch gegen das Missbrauchsverbot verstoßen. Vor allem aber bildet die Strategie früher Marktzutritte, wie im nachfolgenden Abschnitt dieser Arbeit gezeigt wird, sowohl einen Anwendungsfall der Zusammenschlusskontrolle als auch einen der bislang seltenen Anwendungsfälle des Marktstrukturmissbrauchs auf Grundlage der Art. 102 AEUV, § 19 GWB. Der wettbewerbsverzerrenden Wirkung früher Marktzutritte in Gestalt der bedeutenden Marktanteilsvorsprünge autorisierter Generika lässt sich daher hinreichend über die im Anschluss näher betrachtete kartellrechtliche Marktstrukturkontrolle Rechnung tragen.

§ 3 Frühe Marktzutritte als Gegenstand kartellrechtlicher Marktstrukturkontrolle Die kartellrechtlichen Bedenken gegenüber der Strategie früher Marktzutritte als abschreckend wirkendes und vermeintlich behinderndes Marktverhalten haben sich vorstehend nicht bestätigt. Auch der im Wege früher Marktzutritte geschaffene „Zustand“ gibt jedoch, wie eingangs dieser Arbeit dargelegt, Anlass, die Kartellrechtskonformität dieser Strategie zu hinterfragen. Nach den vorstehenden Erkenntnissen sind Generikahersteller im Wege früher Marktzutritte in der Lage, sich vorzeitig und ohne generischen Wettbewerbsdruck am Markt zu etablieren. Infolge der vor allem durch regulatorische Besonderheiten auf Arzneimittelmärkten bedingten, hohen Produktloyalität der Marktgegenseite können autorisierte Generika

§ 3 Kartellrechtliche Marktstrukturkontrolle

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erhebliche Marktanteilsvorsprünge gegenüber zeitlich nachfolgenden Generikaherstellern erlangen und langfristig behaupten.485 Frühe Marktzutritte, die rechtlich als Lizenz- oder Lieferverträge zu qualifizieren sind486, stellen sich somit als Transaktionsvorgänge zwischen Originalpräparate- und Generikaherstellern dar, denen eine erhebliche Relevanz für die Marktanteilsentwicklung auf Arzneimittelmärkten und damit für die Struktur von Arzneimittelmärkten im Zeitraum nach Patentablauf zukommt. Grundsätzlich lassen sich Marktstrukturveränderungen kartellrechtlich über das Instrument der Zusammenschlusskontrolle sowie über die Missbrauchsvariante des Marktstrukturmissbrauchs auf Grundlage der § 19 GWB, Art. 102 AEUV erfassen. Inwieweit diese Möglichkeiten im Falle früher Marktzutritte in Betracht kommen, soll nachfolgend genauer analysiert werden. Dabei wird zunächst gezeigt, dass es sich bei der Strategie früher Marktzutritte um einen Anwendungsfall der Zusammenschlusskontrolle handelt. Im Anschluss wird der Frage nachgegangen, ob frühe Marktzutritte einen Anwendungsfall des Marktstrukturmissbrauchs darstellen, was ebenfalls zu bejahen ist.

A. Frühe Marktzutritte als Anwendungsfall der Zusammenschlusskontrolle Marktstrukturrelevanten Transaktionsvorgängen zwischen Unternehmen begegnet das deutsche und europäische Kartellrecht primär mit dem „besondere[n] Instrument“487 der Zusammenschlusskontrolle. Die Zusammenschlusskontrolle wurde als Reaktion auf die zunehmende Unternehmenskonzentration auf Märkten eingeführt.488 Der Begriff der Konzentration bezeichnet die Ballung eines Merkmals auf eine bestimmte Anzahl von Merkmalsträgern.489 Vollständige Konzentration liegt vor, wenn der gesamte Merkmalsbetrag auf einen Merkmalsträger entfällt.490 Im Falle der Unternehmenskonzentration bilden die Marktanteile oder Umsatzanteile von Unternehmen das Merkmal und die Unternehmen die Merkmalsträger.491 Vollständige Konzentration liegt demnach auf Monopolmärkten vor. Mit der relativen und absoluten Konzentration existieren dabei unterschiedliche Formen der Konzentrationsbestimmung.492 Die absolute Konzentration nimmt die Zahl der Merkmalsträger, also die Anzahl der am Markt tätigen Unternehmen in den Blick, während die relative Konzentration die Gleich- bzw. Ungleichverteilung der 485 486 487 488

S. 16. 489 490 491 492

Siehe in und bei Fn. 97 ff. (Kapitel 1). Siehe in und bei Fn. 14 ff. (Kapitel 2). Siehe Erwägungsgrund 6 der FKVO. Bundesregierung, Regierungsentwurf 2. GWB-Novelle v. 18. 8. 1971, BT-Drs. VI/2520, Böhlk, Der Zusammenschlussbegriff (1979), S. 55. Ebda. Vgl. Böhlk, Der Zusammenschlussbegriff (1979), S. 56 f., 59. Böhlk, Der Zusammenschlussbegriff (1979), S. 56.

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

Merkmale auf die Merkmalsträger und damit das Verhältnis der auf die am Markt tätigen Unternehmen entfallenden Marktanteile erfasst.493 In den Vorschriften zur Zusammenschlusskontrolle spiegelt sich die eingangs der kartellrechtlichen Bewertung früher Marktzutritte beschriebene Erkenntnis wider, wonach Beschränkungen des Wettbewerbs nicht nur aus dem Verhalten von Unternehmen am Markt resultieren können. Funktionierender Wettbewerb erfordert vielmehr als Grundvoraussetzung das Bestehen bestimmter Wirtschaftsstrukturen.494 Erforderlich ist eine hinreichende Anzahl wettbewerblicher Entscheidungsträger, denen der für das Agieren im Wettbewerb notwendige Verhaltensspielraum zukommt.495 Um missbrauchsgeneigte Marktstrukturen zu verhindern496, um also zu gewährleisten, dass die Struktur eines Marktes den dort tätigen Unternehmen den erforderlichen wettbewerblichen Verhaltensspielraum belässt497, unterstellt die Zusammenschlusskontrolle marktstrukturrelevante Transaktionsvorhaben einem System des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt. Marktstrukturrelevante Transaktionsvorhaben sind bei den zuständigen Wettbewerbsbehörden anzumelden (Art. 4 Abs. 2 FKVO, § 39 GWB) und dürfen ohne deren Freigabe grundsätzlich nicht vollzogen werden (Art. 7 Abs. 1 FKVO, § 41 GWB).498 Die Vorschriften der Zusammenschlusskontrolle etablieren demnach ein System der ex ante-Kontrolle499 und tragen damit den praktischen und rechtlichen Schwierigkeiten Rechnung, die mit einer erst nachträglichen Entflechtung wettbewerbsbeschränkender Transaktionsvorgänge verbunden sind500. Dieser präventive Regelungscharakter501 unterscheidet die Zusammenschlusskontrolle in erheblicher Weise von den Instrumenten des Kartellverbots und der Missbrauchsaufsicht, mittels derer Wettbewerbsbeschränkungen nur ex post aufgegriffen und sanktioniert werden können502. Ein Bedürfnis nach einer 493

Böhlk, Der Zusammenschlussbegriff (1979), S. 56, 59 f. Kommission, Das Problem der Unternehmenskonzentration im Gemeinsamen Markt v. 1. 12. 1965, SEK (65) 3500, WuW 1966, 330 (332). 495 Bundesregierung, Regierungsentwurf 2. GWB-Novelle v. 18. 8. 1971, BT-Drs. VI/2520, S. 17. Mit anderen Worten soll die Zusammenschlusskontrolle verhindern, dass die Gesamtheit der Austauschbeziehungen von einer immer geringer werdenden Anzahl unternehmerischer Interessen gesteuert wird, Böhlk, Der Zusammenschlussbegriff (1979), S. 23. 496 Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht3 (2014), § 24 Rn. 27. 497 Vgl. Stein, Der wettbewerblich erhebliche Einfluß (1994), S. 18 m.w.N. 498 Zum Verfahren siehe Bechtold, RIW 1990, 253 (259 f.). 499 Möschel, Ordo 52 (2001), 63 (63). 500 Bechtold, RIW 1990, 253 (260); Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 248; vgl. auch Bundesregierung, Regierungsentwurf 2. GWB-Novelle v. 18. 8. 1971, BT-Drs. VI/ 2520, S. 19; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht3 (2014), § 24 Rn. 4. 501 Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 2 (2012), Art. 3 FKVO Rn. 30 m.w.N.; Bechtold, RIW 1990, 253 (253); Ehlermann, WuW 1991, 535 (544); Möschel, Ordo 52 (2001), 63 (63); Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht3 (2014), § 24 Rn. 4. 502 Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 2 (2012), Einleitung FKVO Rn. 11. 494

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präventiven Kontrollmöglichkeit besteht dabei insbesondere auch bei frühen Marktzutritten, bei denen eine Wiederherstellung wettbewerbskonformer Marktstrukturen nicht nur mit rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten verbunden, sondern sogar unmöglich ist. In Anbetracht des immateriellen Charakters der für die positive Marktanteilsentwicklung autorisierter Generika verantwortlichen Erstanbietervorteile sind in diesen Fällen selbst strukturelle Entflechtungsmaßnahmen bereits dem Grunde nach ungeeignet. Die aus dem Vollzug früher Marktzutritte resultierenden Marktanteilsvorsprünge gegenüber unabhängigen Generikaherstellern lassen sich den an frühen Marktzutritten beteiligten Generikaherstellern insoweit nachträglich nicht mehr entziehen, sondern allenfalls im Wege einer ex anteKontrolle verhindern. I. Aufgreiftatbestand der Zusammenschlusskontrolle Eine Überprüfung früher Marktzutritte am Maßstab der Zusammenschlusskontrolle setzt voraus, dass frühe Marktzutritte die Aufgreifkriterien der nationalen oder europäischen Zusammenschlusskontrolle erfüllen.503 Die Aufgreifkriterien bestimmen, bei Vorliegen welcher Transaktionsvorgänge die durch den Transaktionsvorgang beeinflusste Struktur eines Marktes am Eingriffsmaßstab der erheblichen Behinderung wesentlichen Wettbewerbs, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung (§ 36 Abs. 1 S. 1 GWB, Art. 2 Abs. 2 FKVO), zu überprüfen ist.504 Als Aufgreifkriterien normiert das nationale Recht das Vorliegen eines Unternehmenszusammenschlusses (§ 37 GWB) sowie das Erreichen bestimmter Umsatzschwellen durch die an dem Zusammenschluss beteiligten505 Unternehmen (§ 35 GWB). Das europäische Recht entspricht dem, indem es einen Unternehmenszusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung voraussetzt (Art. 1 Abs. 1 FKVO) und diese ebenfalls anhand der Umsätze der beteiligten Unternehmen beurteilt (Art. 1 Abs. 2 und 3 FKVO). 1. Verhältnis der europäischen zur nationalen Zusammenschlusskontrolle Die erforderlichen Umsatzschwellen der europäischen Zusammenschlusskontrolle (Art. 1 Abs. 2 und 3 FKVO) liegen der Höhe nach deutlich über denjenigen des 503

Vgl. Albert, Patente in der Fusionskontrolle (2011), S. 31. Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 15. 505 An einem Zusammenschluss „beteiligt“ sind dabei stets das Erwerbsunternehmen im Ganzen einschließlich seiner Unternehmensgruppe und der erworbene Unternehmensteil, BGH, Beschl. v. 23. 10. 1979, KVR 3/78, WuW/E BGH 1655 (1656) – Zementmahlanlage II; Greuner, GRUR 1976, 285 (288). Im Falle der Lizenzierung eines gewerblichen Schutzrechts sind dies etwa der Lizenznehmer und der Lizenzgegenstand, Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 17. Zur Prüfung der Umsatzschwellen werden insoweit die Umsätze des Erwerbers sowie die Umsätze, welche der Veräußerer mit der Vermarktung des gewerblichen Schutzrechts erzielt hat, herangezogen, Strohmayr, GRUR 2010, 583 (584). 504

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nationalen Rechts (§ 35 Abs. 1 und 2 GWB), sodass dieser alleine große und grenzüberschreitende Zusammenschlüsse unterfallen506. Liegt ein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung vor, wenden die Mitgliedstaaten auf diesen Zusammenschluss die nationale Zusammenschlusskontrolle nicht an (Art. 21 Abs. 3 FKVO).507 Die Beurteilung von Zusammenschlüssen mit gemeinschaftsweiter Bedeutung unterliegt vielmehr der ausschließlichen Zuständigkeit der Kommission (sog. One-Stop-Shop).508 § 35 Abs. 3 GWB stellt insoweit ebenfalls klar, dass die Vorschriften des GWB nicht anzuwenden sind, soweit ein Zusammenschluss der ausschließlichen Zuständigkeit der Kommission unterfällt.509 Abhängig von der Höhe der von den beteiligten Originalpräparate- und Generikaherstellern erzielten Umsätze können frühe Marktzutritte deshalb entweder der nationalen oder aber der europäischen Zusammenschlusskontrolle unterfallen. 2. Fusionskontrollrechtlich relevante frühe Marktzutritte und einschlägige Zusammenschlusstatbestände Der Anwendungsbereich der Zusammenschlusskontrolle wird maßgeblich durch den Begriff des Unternehmenszusammenschlusses bestimmt.510 Nur Transaktionsvorgänge, die einen der in Art. 3 FKVO oder § 37 GWB normierten Zusammenschlusstatbestände erfüllen, unterfallen der fusionskontrollrechtlichen Anmeldepflicht und können am Maßstab des Eingriffstatbestandes der Zusammenschlusskontrolle überprüft werden. Die europäische Zusammenschlusskontrolle normiert als einzigen Zusammenschlusstatbestand den Zusammenschluss durch Kontrollerwerb. Gem. Art. 3 Abs. 1 FKVO wird ein Zusammenschluss durch eine „dauerhafte Veränderung der Kontrolle“ bei den beteiligten Unternehmen bewirkt. Kontrollveränderungen können dabei durch die Fusion zweier bislang voneinander unabhängiger Unternehmen (Art. 3 Abs. 1 lit. a)) oder aber durch den anderweitigen Erwerb von Kontrolle über „die Gesamtheit oder über Teile eines oder mehrerer anderer Unternehmen“ eintreten (Art. 3 Abs. 1 lit. b)). Gegenüber der Fusion stellt der Kontrollerwerb nach Art. 3 Abs. 1 lit. b) den praktisch relevanteren Zusammenschlusstatbestand dar.511 Die Zusammenschlusstatbestände des nationalen Rechts sind demgegenüber differenzierter ausgestaltet. Geordnet nach der Intensität 506

Lübbig/Klasse, Kartellrecht im Pharma- und Gesundheitssektor2 (2015), § 6 Rn. 5. Bechtold, RIW 1990, 253 (261); Dreher, WuW 2002, 828 (829). 508 Ehlermann, WuW 1991, 535 (537); Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht3 (2014), § 24 Rn. 47; Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 2 (2012), Einleitung FKVO Rn. 36 f. 509 Lübbig/Klasse, Kartellrecht im Pharma- und Gesundheitssektor2 (2015), § 6 Rn. 15; Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 74. 510 Ehlermann, WuW 1991, 535 (538); Stein, Der wettbewerblich erhebliche Einfluß (1994), S. 33. 511 Ulshöfer, Kontrollerwerb (2003), S. 16; Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 16. 507

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des Zugriffs auf die Ressourcen des anderen Unternehmens512 normiert § 37 Abs. 1 GWB die Zusammenschlusstatbestände des Vermögenserwerbs (Nr. 1) und des Anteilserwerbs (Nr. 3) und ergänzt diese um den Umgehungstatbestand der Erlangung wettbewerblich erheblichen Einflusses (Nr. 4). Der im nationalen Recht ebenfalls als Generalklausel ausgestaltete513 Zusammenschlusstatbestand des Kontrollerwerbs in § 37 Abs. 1 Nr. 2 entstammt der europäischen Zusammenschlusskontrolle und wurde erst im Zuge der sechsten GWB-Novelle in das GWB übernommen514. Ausweislich der Regierungsbegründung zur sechsten GWB-Novelle soll bei der Auslegung des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB die europäische Rechts- und Verwaltungspraxis berücksichtigt werden.515 a) Konzerninterne frühe Marktzutritte Die Annahme eines Unternehmenszusammenschlusses erfordert im Ausgangspunkt stets die Beteiligung von mindestens zwei Unternehmen, die vor dem Zusammenschluss voneinander unabhängig waren.516 Die Einordnung eines frühen Marktzutritts als Zusammenschluss scheidet demnach immer dann aus, wenn es sich bei dem beteiligten Generikahersteller, wie in der Praxis ebenfalls gängig517, um ein mit dem Originalpräparatehersteller konzernrechtlich verbundenes Unternehmen handelt.518 Die Kommission verweist in ihrer konsolidierten Mitteilung in diesem Zusammenhang darauf, dass die „interne Reorganisation in einer Unternehmens-

512

Bach, in: MünchKom, GWB2 (2015), § 37 Rn. 4. Kallfaß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 37 Rn. 2; Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), § 37 Rn. 76. 514 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), § 37 Rn. 10; Kallfaß, in: Langen/ Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 37 Rn. 2. 515 Bundesregierung, Regierungsentwurf 6. GWB-Novelle, BT-Drs. 13/9720, S. 57; Albert, Patente in der Fusionskontrolle (2011), S. 34 f.; vgl. auch BGH, Beschl. v. 10. 10. 2006, KVR 32/05, BGHZ 170, 130 (136) – Lizenzerwerb als Unternehmenszusammenschluss. Auf eine separate Darstellung des europäischen und nationalen Kontrollerwerbstatbestandes wird vor diesem Hintergrund verzichtet. 516 Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 17; Wessely/Wegner, in: MünchKom, Europäisches Wettbewerbsrecht2 (2015), Art. 3 FKVO Rn. 7. Eine Ausnahme hierzu bildet die Regelung des § 37 Abs. 2 GWB, mit der sich unter der Voraussetzung einer wesentlichen Verstärkung der Unternehmensverbindung auch Zusammenschlüsse bereits zuvor zusammengeschlossener Unternehmen erfassen lassen, Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 2 (2012), Art. 3 FKVO Rn. 12. Der Hauptanwendungsfall konzerninterner früher Marktzutritte, bei dem der frühe Marktzutritt durch eine Tochter des Originalpräparateherstellers vollzogen wird, lässt sich indes auch hierüber nicht erfassen, vgl. nur Kallfaß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 37 Rn. 60 m.w.N. 517 Siehe hierzu in und bei Fn. 179 ff. (Kapitel 1). 518 Vgl. Wessely/Wegner, in: MünchKom, Europäisches Wettbewerbsrecht2 (2015), Art. 3 FKVO Rn. 11; Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 17; Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 2 (2012), Art. 3 FKVO Rn. 12. 513

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gruppe“ keinen Unternehmenszusammenschluss darstelle.519 Teilweise wird vertreten, die Erfassung konzerninterner Transaktionsvorgänge scheitere im Rahmen des Kontrollerwerbstatbestandes bereits am Tatbestandsmerkmal des „Erwerbs“.520 Konzernzugehörige Gesellschaften sind vom Mutterunternehmen bereits vor dem Zusammenschluss abhängig. Kontrolle könne aber dort nicht erlangt werden, wo Kontrolle bereits bestehe.521 Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Die Ausklammerung konzerninterner Transaktionsvorgänge über das Tatbestandsmerkmal des Erwerbs von Kontrolle überzeugt jedoch nur für Zusammenschlussvorhaben, bei denen das Mutterunternehmen, das bereits Kontrolle ausübt, auf der Erwerberseite steht. Steht hingegen, wie regelmäßig im Falle früher Marktzutritte, ein Tochterunternehmen auf der Erwerberseite, erscheint ein Erwerb von Kontrolle über die Mutter jedenfalls denkbar. Im Rahmen aller Zusammenschlusstatbestände steht der Erfassung konzerninterner Transaktionsvorgänge jedoch richtigerweise das Merkmal eines „anderen Unternehmens“ entgegen. Der kartellrechtliche Unternehmensbegriff wird von den Unionsgerichten auch für den Bereich der Zusammenschlusskontrolle522 in ständiger Rechtsprechung funktional interpretiert.523 Er umfasst jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung.524 Aus dem Merkmal der Rechtsformunabhängigkeit folgt, dass auch eine Mehrheit rechtlich selbstständiger Gesellschaften ein Unternehmen im wettbewerbsrechtlichen Sinne bilden kann, sofern die Gesellschaften zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst sind.525 Ein ver519

Kommission, Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, ABl. EU 2009/C 43/09, Rn. 51; siehe auch dies., Entsch. v. 7. 3. 1994, IV/M.397, Rn. 5 ff. – Ford/Hertz; so auch Bundesregierung, Regierungsentwurf 2. GWB-Novelle v. 18. 8. 1971, BT-Drs. VI/2520, S. 28. 520 Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 133 f. 521 Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 134; vgl. auch Körber, in: Immenga/ Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 2 (2012), Art. 3 FKVO Rn. 12. 522 Wessely/Wegner, in: MünchKom, Europäisches Wettbewerbsrecht2 (2015), Art. 3 FKVO Rn. 7 f.; Montag/Kacholt, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht (2015), H. I. § 4 Rn. 8; Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 2 (2012), Art. 3 FKVO Rn. 7; Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), § 37 Rn. 218; Baron, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 3 FKVO Rn. 9; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht3 (2014), § 25 Rn. 2; Kokott/Dittert, WuW 2012, 670 (681). 523 Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht3 (2014), Art. 101 AEUV Rn. 11; Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 1 (2012), Art. 101 Abs. 1 Rn. 8. 524 Siehe nur EuGH, Urt. v. 11. 7. 2013, Rs. C-440/11 P, ECLI:EU:C:2013:514, Rn. 36 – Stichting; EuGH, Urt. v. 20. 01. 2011, Rs. C-90/09 P, Slg. 2011, I-1, Rn. 34 – General Química; EuGH, Urt. v. 10. 9. 2009, Rs. C-97/08 P, Slg. 2009, I-8237, Rn. 55 – Akzo Nobel; EuGH, Urt. v. 23. 4. 1991, Rs. C-41/90, Slg. 1991, I-1979, Rn. 21 – Höfner u. Elser; EuG, Urt. v. 4. 3. 2003, Rs. T-319/99, Slg. 2003, II-357, Rn. 35 – FENIN; Kommission, Entsch. v. 19. 6. 2013, AT.39226, C(2013) 3803 final, Rn. 737 – Lundbeck; siehe auch Kersting/Faust, WuW 2011, 6 (6). 525 Siehe nur EuGH, Urt. v. 8. 5. 2013, Rs. C-508/11 P, ECLI:EU:C:2013:289, Rn. 46 – Eni SpA; EuGH, Urt. v. 20. 1. 2011, Rs. C-90/09 P, Slg. 2011, I-1, Rn. 35 – General Química; EuGH, Urt. v. 10. 9. 2009, Rs. C-97/08 P, Slg. 2009, I-8237, Rn. 56 – Akzo Nobel; EuGH, Urt. v. 12. 7. 1984, Rs. 170/83, Slg. 1984, 2999, Rn. 11 – Hydrotherm; Kersting, WuW 2014, 1156

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äußerndes Unternehmen ist im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle deshalb nur dann als „anderes“ Unternehmen zu qualifizieren, wenn es nicht der wirtschaftlichen Einheit des Erwerbers zugehörig ist.526 Die Unionsgerichte bejahen das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit in ständiger Rechtsprechung, wenn Mutter- und Tochtergesellschaften einheitlich am Markt auftreten527, weil die Tochtergesellschaften ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmen können, sondern vielmehr insbesondere aufgrund wirtschaftlicher, organisatorischer oder rechtlicher Bindungen im Wesentlichen den Weisungen der Muttergesellschaften unterworfen sind528. In Anlehnung an die Ausklammerung konzerninterner wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen aus dem Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV (Konzernprivileg)529 sollen Transaktionsvorgänge dabei bereits dann nicht der Zusammenschlusskontrolle unterfallen, wenn zuvor auch nur die Möglichkeit einer Einflussnahme bestand530. Vom EuGH wird diese Möglichkeit sowie die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses widerlegbar vermutet, wenn die Muttergesellschaft alle oder fast alle Anteile der Tochtergesellschaft hält.531 b) Relevante Zusammenschlusstatbestände Auch im Falle der Beteiligung eines konzernfremden Generikaherstellers sind einige der genannten Zusammenschlusstatbestände zur Erfassung früher Marktzutritte bereits dem Grunde nach nicht geeignet, weil frühe Marktzutritte entscheidend vom gängigen Bild eines Unternehmenszusammenschlusses abweichen. Frühe Marktzutritte stellen sich nicht als eine Verbindung ganzer Unternehmen oder als die (1157); Mansdörfer/Timmerbeil, EuZW 2011, 214 (215); Mestmäcker, in: FS-Raisch (1995), S. 441 (449). 526 Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 2 (2012), Art. 3 FKVO Rn. 12; siehe auch Kersting, WuW 2014, 1156 (1158). 527 Kersting, WuW 2014, 1156 (1162); ders., Der Konzern 2011, 445 (446). 528 Siehe nur EuGH, Urt. v. 11. 7. 2013, Rs. C-440/11 P, ECLI:EU:C:2013:514, Rn. 38 – Stichting; EuGH, Urt. v. 8. 5. 2013, Rs. C-508/11 P, ECLI:EU:C:2013:289, Rn. 46 – Eni SpA; EuGH, Urt. v. 20. 1. 2011, Rs. C-90/09 P, Slg. 2011, I-1, Rn. 37 – General Química; EuGH, Urt. v. 10. 9. 2009, Rs. C-97/08 P, Slg. 2009, I-8237, Rn. 59 – Akzo Nobel; EuGH, Urt. v. 28. 6. 2005, verb. Rs. C-189/02 P, C-202/02 P, C-205/02 P bis C-208/02 P und C-213/02 P, Slg. 2005, I5425, Rn. 117 – Dansk Rørindustri; EuGH, Urt. v. 14. 7. 1972, Rs. 48/69, Slg. 1972, 619, Rn. 132/135 – ICI; EuG, Urt. v. 30. 9. 2003, Rs. T-203/01, Slg. 2003, II-4071, Rn. 290 – Michelin; Kommission, Entsch. v. 19. 6. 2013, AT.39226, C(2013) 3803 final, Rn. 1234 – Lundbeck; siehe auch Kersting, Der Konzern 2011, 445 (446). 529 Siehe hierzu in und bei Fn. 184 (Kapitel 1). 530 Stockenhuber, Europäische Fusionskontrolle (1995), S. 77; Körber, in: Immenga/ Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 2 (2012), Art. 3 FKVO Rn. 12. 531 EuGH, Urt. v. 11. 7. 2013, Rs. C-440/11 P, ECLI:EU:C:2013:514, Rn. 40 – Stichting; EuGH, Urt. v. 3. 5. 2012, Rs. C-289/11 P, ECLI:EU:C:2012:270, Rn. 46 ff. – Legris Industries; EuGH, Urt. v. 29. 9. 2011, Rs. 520/09 P, Slg. 2011, I-8901, Rn. 40 ff. – Arkema; EuGH, Urt. v. 29. 9. 2011, Rs. C-521/09 P, Slg. 2011, I-8947, Rn. 56 ff., 95 – Elf Aquitaine; EuGH, Urt. v. 10. 9. 2009, Rs. C-97/08 P, Slg. 2009, I-8237, Rn. 61 ff. – Akzo Nobel; siehe hierzu auch Kersting, WuW 2014, 1156 (1162 ff.); Kokott/Dittert, WuW 2012, 670 (673 ff.).

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

Übernahme ganzer operativer Einheiten von Unternehmen durch andere Unternehmen dar.532 Vielmehr werden frühe Marktzutritte durch die Lizenzierung von Patentrechten, den Abschluss langfristiger Lieferverträge sowie gegebenenfalls durch die Übertragung arzneimittelrechtlicher Marktzulassungen vollzogen. Frühe Marktzutritte unterfallen daher zunächst nicht dem Zusammenschlusstatbestand der Fusion zwischen Unternehmen nach Art. 3 Abs. 1 lit. a) FKVO. Der Zusammenschlusstatbestand der Fusion erfasst rechtliche Fusionen in Form der Verschmelzung durch Aufnahme oder der Verschmelzung durch Neugründung.533 Die Verschmelzung durch Aufnahme bezeichnet einen Vorgang, bei dem eine oder mehrere Gesellschaften ihre gesamten Aktiva und Passiva im Wege der Auflösung ohne Abwicklung auf eine andere Gesellschaft übertragen.534 Nichts anderes gilt für die Verschmelzung durch Neugründung, wobei bei dieser Variante mindestens zwei Gesellschaften ihr Vermögen auf eine neu gegründete Gesellschaft übertragen535 und ihre Rechtspersönlichkeit verlieren536. Die Kommission und herrschende Ansicht in der Literatur fassen unter den Fusionstatbestand überdies auch wirtschaftliche Fusionen537, bei denen die beteiligten Unternehmen, wie etwa im Falle der Gründung von Gleichordnungskonzernen nach deutschem Recht (§ 18 Abs. 2 AktG), ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit ohne gleichzeitige Aufgabe ihrer Rechtspersönlichkeit verlieren538. Bei der Erteilung einer Lizenz oder der Übertragung einer Marktzulassung sowie bei dem Abschluss eines Liefervertrages verliert jedoch keines der beteiligten Unternehmen seine Rechtspersönlichkeit und die Unternehmen unterstellen sich auch nicht einer dauerhaften gemeinsamen wirtschaftlichen Leitung.539 Ebenso scheiden auf Ebene des nationalen Rechts der Zusammenschlusstatbestand des Anteilserwerbs gem. § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB sowie der Tatbestand der Erlangung wettbewerblich erheblichen Einflusses gem. § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB aus. Beim Vollzug früher Marktzutritte werden keine Anteile an Kapital- oder Perso-

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Vgl. von Graevenitz/Besen, PharmR 2009, 1 (1). Kommission, Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, ABl. EU 2009/C 43/09, Rn. 9; Käseberg, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 3 FKVO Rn. 19; Karl, Der Zusammenschlussbegriff (1996), S. 117; Bechtold, RIW 1990, 253 (254). 534 Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 109. 535 Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 110. 536 Käseberg, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 3 FKVO Rn. 19. 537 Kommission, Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, ABl. EU 2009/C 43/09, Rn. 10; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht3 (2014), § 25 Rn. 9; Käseberg, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 3 FKVO Rn. 20; aA Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 112 ff., nach der der Fusionstatbestand nur Fusionen im gesellschaftsrechtlichen Sinne erfasst; aA auch Karl, Der Zusammenschlussbegriff (1996), S. 117. 538 Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 110. 539 So auch Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 18. 533

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nengesellschaften oder sonstigen Personenvereinigungen übernommen540, sondern einzelne Vermögensgegenstände übertragen. Der Tatbestand der Erlangung eines wettbewerblich erheblichen Einflusses soll seinem Zweck nach die Vermittlung faktischer Einflussmöglichkeiten erfassen, die zwar keine Kontrolle ermöglichen, aber dennoch wettbewerblich erheblich sind.541 Dabei sollen jedoch nur gesellschaftsrechtlich vermittelte Verbindungen, wie etwa Anteilsbeteiligungen unter 25 %, erfasst werden.542 Stets erforderlich ist die Erlangung von Einfluss im Inneren der Gesellschaft.543 Die Übertragung einzelner Vermögensgegenstände oder schuldrechtliche Verbindungen, wie im Falle früher Marktzutritte, genügen auch dieser Anforderung nicht. Zur Erfassung früher Marktzutritte kommen nur solche Zusammenschlusstatbestände in Betracht, die durch die Übertragung einzelner Vermögensgegenstände oder durch den Abschluss schuldrechtlicher Verpflichtungsgeschäfte verwirklicht werden können. Frühe Marktzutritte können daher auf nationaler Ebene dem Zusammenschlusstatbestand des Vermögenserwerbs unterfallen, der ausweislich seines Wortlauts in § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB gerade auch durch den „Erwerb des Vermögens eines anderen Unternehmens […] zu einem wesentlichen Teil“ verwirklicht werden kann. Überdies lassen sich frühe Marktzutritte sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene grundsätzlich über den Zusammenschlusstatbestand des Kontrollerwerbs erfassen. Ein Kontrollerwerb nach Art. 3 Abs. 1 lit. b) FKVO und § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB setzt voraus, dass ein Unternehmen durch ein Kontrollmittel die Kontrolle über einen Kontrollgegenstand erlangt.544 Als Kontrollgegenstand benennen die genannten Vorschriften die „Gesamtheit oder Teile eines oder mehrerer anderer Unternehmen“. Kontrollgegenstand kann ein Unternehmen sein, das eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt.545 Die Kontrolle kann sich jedoch auch auf das Vermögen, Teile des Vermögens546 oder gar einzelne Vermögensgegenstände547 eines 540 Zu den Voraussetzungen eines Anteilserwerbs siehe Kallfaß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 37 Rn. 34. 541 Kallfaß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 37 Rn. 47. 542 Kallfaß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 37 Rn. 48 m.w.N. 543 Ebda. 544 Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 19. 545 Kommission, Mitteilung über den Begriff des Zusammenschlusses der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. EG 1998/C 66/02, Rn. 11. 546 Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 2 (2012), Art. 3 FKVO Rn. 59; Albert, Patente in der Fusionskontrolle (2011), S. 33; Kommission, Mitteilung über den Begriff des Zusammenschlusses der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. EG 1998/C 66/02, Rn. 11. 547 Riesenkampff/Lehr, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009), Art. 3 FKVO Rn. 24; Kommission, Entsch. v. 16. 2. 2010, Comp/M.5721, Rn. 8 – Quelle/ Primondo; aA Stockenhuber, Europäische Fusionskontrolle (1995), S. 110, der dies damit begründet, dass andernfalls die Grenze zum Erwerb von Gegenständen im (Umsatz-)Handel verschwimmen würde. In der Sache geht es hierbei um die Abgrenzung zwischen externem und

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anderen Unternehmens beziehen. Der Begriff des Unternehmensteils bezeichnet insoweit einen Vermögensteil des Unternehmensrechtsträgers.548 Für die Verwirklichung des Zusammenschlusstatbestandes genügt die Kontrollerlangung über diesen Vermögensteil; eine darüber hinausgehende Kontrollerlangung über das gesamte Unternehmen des Veräußerers ist nicht erforderlich.549 Die Kontrollbeziehung kann sich in diesen Fällen mangels Handlungsfähigkeit des Vermögensteils nur aus Eigentums- oder Nutzungsrechten an diesem sowie aus vertraglichen Beziehungen mit dem Träger des anderen Unternehmens, wie etwa Pacht- oder Mietverträgen, ergeben.550 Nachfolgend wird nun genauer untersucht, ob und unter welchen Voraussetzungen frühe Marktzutritte als Zusammenschlüsse zwischen Originalpräparate- und Generikaherstellern zu werten sind, weil die mit frühen Marktzutritten einhergehende Lizenzierung von Patentrechten, der Abschluss langfristiger Lieferverträge oder die Übertragung arzneimittelrechtlicher Marktzulassungen den Vermögenserwerbs- oder Kontrollerwerbstatbestand zu erfüllen vermag. Dabei wird sich zeigen, dass frühe Marktzutritte auf den ersten Blick keinen Anwendungsfall der Zusammenschlusskontrolle darstellen. Auf den zweiten Blick weisen frühe Marktzutritte jedoch Besonderheiten auf, die ihre Erfassung über die Zusammenschlusskontrolle möglich und angezeigt erscheinen lassen. 3. Lizenzerwerb als Unternehmenszusammenschluss Wenngleich die Lizenzierung gewerblicher Schutzrechte im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle bislang eine untergeordnete Rolle spielte551, gehen sowohl die Kommission als auch das BKartA und nicht zuletzt auch die Kartellgerichte von der Möglichkeit zur Herbeiführung eines Unternehmenszusammenschlusses durch die Lizenzierung gewerblicher Schutzrechte aus. In ihrer konsolidierten Mitteilung über Zuständigkeitsfragen nimmt die Kommission ausdrücklich auf die Übertragung auch immateriellen Vermögens mittels Lizenzen Bezug.552 Auf nationaler Ebene wurde die Möglichkeit zur Herbeiführung eines Unternehmenszusammenschlusses durch Lizenzerteilung im Verfahren National Geographic gar bereits durch den BGH internem Unternehmenswachstum. Dieser Abgrenzung lässt sich aber hinreichend über die erforderliche Marktbedeutung des Vermögensteils Rechnung tragen. 548 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), § 37 Rn. 224; Bechtold/Bosch, 8 GWB (2015), § 37 Rn. 10. 549 Vgl. BKartA, Beschl. v. 2. 8. 2004, B 6-26/04, WuW/E DE-V 947 (950) – National Geographic; Albert, Patente in der Fusionskontrolle (2011), S. 55. 550 Ulshöfer, Kontrollerwerb (2003), S. 24; Albert, Patente in der Fusionskontrolle (2011), S. 33. 551 Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 2; Strohmayr, GRUR 2010, 583 (583). 552 Kommission, Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, ABl. EU 2009/C 43/09, Rn. 24.

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bestätigt.553 Dem Verfahren lag der gemeinsame Erwerb einer Lizenz zur erstmaligen Herausgabe einer deutschsprachigen Fassung des Magazins National Geographic von der US-amerikanischen National Geographic Society durch den deutschen Gruner + Jahr Verlag sowie einen spanischen Verlag zugrunde.554 Die Lizenznehmer erwarben 1999 für zehn Jahre das Recht, die Marke National Geographic sowie den Inhalt und die äußeren Erscheinungsmerkmale des Magazins zu nutzen. Das deutschsprachige Magazin wurde von einem Gemeinschaftsunternehmen, an dem die beiden Lizenznehmer beteiligt waren, herausgegeben. Als Gruner + Jahr im Jahr 2004 zusätzlich die Anteile des spanischen Verlages an dem Gemeinschaftsunternehmen übernehmen wollte und diesen Zusammenschluss beim BKartA anmeldete, erlangte das BKartA Kenntnis von dem Lizenzerwerb im Jahr 1999 und untersagte diesen mit der Begründung, es handle sich um einen nicht genehmigungsfähigen Unternehmenszusammenschluss.555 Das OLG Düsseldorf trat dieser Auffassung allerdings entgegen556, sodass sich infolgedessen der BGH mit diesem Fall zu befassen hatte. Zwar lehnte auch der BGH das Vorliegen eines Zusammenschlusses aufgrund der Umstände des konkreten Falles ab.557 Gleichwohl bejahte der BGH in seiner Entscheidung die grundsätzliche Möglichkeit zur Erfassung von Lizenzierungen über das Instrument der Zusammenschlusskontrolle.558 a) Kein Vermögenserwerb nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB Den Zusammenschlusstatbestand des Vermögenserwerbs nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB vermag die Lizenzierung gewerblicher Schutzrechte allerdings nicht zu erfüllen. Zwar erfasst die Vorschrift neben den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge gerade auch Einzelrechtsübertragungen.559 Überdies vermögen grundsätzlich auch gewerbliche Schutzrechte im Rahmen des Vermögenserwerbstatbestandes relevant

553

BGH, Beschl. v. 10. 10. 2006, KVR 32/05, BGHZ 170, 130 – Lizenzerwerb als Unternehmenszusammenschluss. 554 Zum Tatbestand der Entscheidung siehe BGH, Beschl. v. 10. 10. 2006, KVR 32/05, BGHZ 170, 130 (130 f.) – Lizenzerwerb als Unternehmenszusammenschluss. 555 BKartA, Beschl. v. 2. 8. 2004, B 6-26/04, WuW/E DE-V 947 (950 ff.) – National Geographic. 556 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15. 6. 2005, IV Kart 24/04 (V), WuW/E DE-R 1504 (1506) – National Geographic. 557 BGH, Beschl. v. 10. 10. 2006, KVR 32/05, BGHZ 170, 130 (132) – Lizenzerwerb als Unternehmenszusammenschluss. 558 BGH, Beschl. v. 10. 10. 2006, KVR 32/05, BGHZ 170, 130 (132 ff.) – Lizenzerwerb als Unternehmenszusammenschluss; Strohmayr, GRUR 2010, 583 (584); siehe auch Bechtold/ Bosch, GWB8 (2015), § 37 Rn. 9 f.; Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), § 37 Rn. 225; zur Einordnung eines Lizenzerwerbs als Vorgang externen Unternehmenswachstums vgl. Ullrich, ZHR 137 (1973), 134 (153). 559 Kallfaß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 37 Rn. 11; Bechtold/ Bosch, GWB8 (2015), § 37 Rn. 4.

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zu werden.560 Insbesondere unterfallen gewerbliche Schutzrechte unstreitig dem Vermögensbegriff der Zusammenschlusskontrolle.561 Der Zusammenschlusstatbestand des Vermögenserwerbs erfordert jedoch stets den Übergang des Vollrechts562, d. h. einen Wechsel der Inhaberschaft des Immaterialgüterrechts563. Im Falle der Lizenzierung eines Immaterialgüterrechts verbleibt die Rechtsinhaberschaft jedoch beim Lizenzgeber, welcher dem Lizenznehmer lediglich ein Nutzungsrecht an seinem Immaterialgüterrecht einräumt.564 Anders als deren Übertragung unterfällt die Lizenzierung von gewerblichen Schutzrechten insoweit nicht dem Zusammenschlusstatbestand des § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB.565 Etwas anderes gilt nur, wenn Gegenstand der Transaktion nicht die (erstmalige) Einräumung eines Nutzungsrechts, sondern dessen Übertragung selbst ist; in diesem Fall liegt ein „Erwerb“ im Sinne 560 Heinemann, Immaterialgüterschutz (2002), S. 523. Siehe auch BGH, Beschl. v. 7. 7. 1992, KVR 14/91, BGHZ 119, 117 – Warenzeichenerwerb. In dieser Entscheidung wertete der BGH in Übereinstimmung mit dem Bundeskartellamt und dem KG den Erwerb des für Aluminiumfolien, Zinnfolien und Kunststofffolien eingetragenen Warenzeichens FRAPPAN durch Kraft von Melitta als Unternehmenszusammenschluss. Siehe auch BKartA, Freigabe-Beschl. v. 3. 3. 2000, B7-30020-U-221/99 – Cisco/IBM, der die Übertragung gewerblicher Schutzrechte und Kundendaten betraf. 561 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), § 37 Rn. 41; Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 136; vgl. auch Kommission, Mitteilung über den Begriff des Zusammenschlusses der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. EG 1998/C 66/02, Rn. 11. 562 Bechtold/Bosch, GWB8 (2015), § 37 Rn. 4; von Merveldt, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), § 37 GWB Rn. 4; Albert, Patente in der Fusionskontrolle (2011), S. 54; BGH, Beschl. v. 10. 10. 2006, KVR 32/05, BGHZ 170, 130 (132) – Lizenzerwerb als Unternehmenszusammenschluss; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15. 6. 2005, VI-Kart 24/04 (V), WuW/E DE-R 1504 (1504 f.) – National Geographic. 563 Riesenkampff/Lehr, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009), § 37 Rn. 6; Bach, in: MünchKom, GWB2 (2015), § 37 Rn. 11; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28. 6. 2006, VI-Kart 18/05 (V), WuW/E DE-R 1805 (1807) – MSV. 564 Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 6. 565 BGH, Beschl. v. 10. 10. 2006, KVR 32/05, BGHZ 170, 130 (132) – Lizenzerwerb als Unternehmenszusammenschluss; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15. 6. 2005, VI Kart 24/04 (V), WuW/E DE-R 1504 (1504 f.) – National Geographic; Strohmayr, GRUR 2010, 583 (584); Bechtold/Bosch, GWB8 (2015), § 37 Rn. 4. Ein Vermögenserwerb scheidet auch im Fall einer ausschließlichen Lizenz aus. Zwar ist die Einräumung einer ausschließlichen Lizenz der Übertragung des Schutzrechts wirtschaftlich vergleichbar. So verliert der Lizenzgeber mit der Vergabe einer ausschließlichen Lizenz das Recht, das Immaterialgüterrecht selbst zu nutzen. Auch berechtigt eine ausschließliche Lizenz den Lizenznehmer regelmäßig zur Wahrnehmung der gegenüber jedermann wirkenden Abwehrrechte, sodass der ausschließlichen Lizenz absolute bzw. dingliche Wirkung zukommt, Albert, Patente in der Fusionskontrolle (2011), S. 50; Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 12. Mit dem BGH und der herrschenden Ansicht im Schrifttum bedarf es einer fusionskontrollrechtlichen Gleichstellung ausschließlicher Lizenzen mit dem Erwerb des Schutzrechts gleichwohl nicht, weil ausschließliche Lizenzen grundsätzlich dem Zusammenschlusstatbestand des Kontrollerwerbs unterfallen können, BGH, Beschl. v. 10. 10. 2006, KVR 32/05, Rn. 9, BGHZ 170, 130 (132) – Lizenzerwerb als Unternehmenszusammenschluss; Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 77 f.; aA für ausschließliche Lizenzen an Urheberrechten Strohmayr, GRUR 2010, 583 (584 in Fn. 12).

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eines Inhaberwechsels und damit der Zusammenschlusstatbestand des § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB vor.566 Frühe Marktzutritte zeichnen sich jedoch dadurch aus, dass den beteiligten Generikaherstellern erstmalig ein Nutzungsrecht am Patentrecht des Originalpräparateherstellers eingeräumt wird. Der Tatbestand des Vermögenserwerbs scheidet zur Erfassung früher Marktzutritte daher in jedem Fall aus. b) Kontrollerwerb nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) GWB, Art. 3 Abs. 1 lit. b) FKVO In der Entscheidung Quelle/Primondo bejahte die Kommission das Vorliegen eines Zusammenschlusses in Form eines Kontrollerwerbs im Falle einer vollständigen Übertragung von Marken, Markenanmeldungen, eines Patents sowie anderer immaterieller Vermögensgegenstände und gab diesen Zusammenschluss nur unter Zusagen frei.567 Auch die bloße Lizenzierung gewerblicher Schutzrechte vermag den Tatbestand des Kontrollerwerbs allerdings zu erfüllen.568 Im Gegensatz zum Tatbestand des Vermögenserwerbs erfordert ein Kontrollerwerb nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB, Art. 3 Abs. 1 lit. b) FKVO nämlich keine eigentumsrechtliche Absicherung der Kontrolle569. Vielmehr kommt nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) GWB und Art. 3 Abs. 2 lit. a) FKVO neben der Kontrollerlangung durch Eigentumsrechte auch die Kontrollerlangung durch Nutzungsrechte in Betracht570, wenn und weil beide Kontrollmittel in ihrem wirtschaftlichen Ergebnis übereinstimmen571, sodass der

566 Ulshöfer, Kontrollerwerb (2003), S. 108; Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), § 37 Rn. 28; Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 77; Riesenkampff/Lehr, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009), § 37 Rn. 6; Kallfaß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 37 Rn. 12; Bach, in: MünchKom, GWB2 (2015), § 37 Rn. 11; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28. 6. 2006, VI-Kart 18/05 (V), WuW/E DE-R 1805 (1808) – MSV; KG, Urt. v. 22. 5. 1985, WuW/E OLG 3591 (3594) – Coop SchleswigHolstein/Deutscher Supermarkt. 567 Kommission, Entsch. v. 16. 2. 2010, Comp/M.5721, Rn. 8 ff. – Quelle/Primondo. 568 Bechtold/Bosch, GWB8 (2015), § 37 Rn. 10, 18; Riesenkampff/Lehr, in: Loewenheim/ Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009), § 37 Rn. 10; Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), § 37 Rn. 225; vgl. auch KG, Beschl. v. 15. 1. 1988, Kart I/86, WuW/E OLG 4095 (4102) – W + i Verlag/Weiss-Druck. 569 Kallfaß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 37 Rn. 18; BKartA, Beschl. v. 2. 8. 2004, B 6-26/04, WuW/E DE-V 947 (950) – National Geographic. 570 Inhaltlich überschneidet sich der Kontrollerwerb nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) GWB zu großen Teilen mit dem Zusammenschlusstatbestand des Vermögenserwerbs in § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB. Weil die in § 37 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) GWB genannte Eigentumsverschaffung auf nationaler Ebene bereits dem Vermögenserwerb nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB unterfällt, beschränkt sich der Anwendungsbereich des Kontrollerwerbs nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) GWB im Wesentlichen auf die Einräumung von Nutzungsrechten am Vermögen anderer Unternehmen, Bach, in: MünchKom, GWB2 (2015), § 37 Rn. 41; Albert, Patente in der Fusionskontrolle (2011), S. 55. 571 Stockenhuber, Europäische Fusionskontrolle (1995), S. 107 f.

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

Einräumung von Nutzungsrechten dieselbe Marktstrukturrelevanz zukommt wie der Verschaffung von Eigentum572. aa) Begriff der Kontrolle Frühe Marktzutritte erfüllen damit den Zusammenschlusstatbestand des Kontrollerwerbs, wenn der Generikahersteller als Lizenznehmer über das Nutzungsrecht am Patentrecht des lizenzgebenden Originalpräparateherstellers die Kontrolle über das Patentrecht als Vermögensteil des Originalpräparateherstellers erlangt.573 Art. 3 Abs. 2 FKVO beschreibt den Begriff der Kontrolle als die „Möglichkeit […], einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben“.574 Nicht erforderlich ist damit zunächst, dass der bestimmende Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auch tatsächlich ausgeübt wird.575 Ausweislich des Wortlauts des Art. 3 Abs. 2 FKVO liegt Kontrolle vielmehr bereits dann vor, wenn die Möglichkeit eines bestimmenden Einflusses besteht.576 Eine nähere Beschreibung des bestimmenden Einflusses enthalten die Vorschriften und auch die Erwägungsgründe der Zusammenschlusskontrolle nicht.577 Im Schrifttum wurde in diesem Zusammenhang bereits argumentiert, eine allgemeine Definition des Kontrollbegriffs sei schwierig.578 Einigkeit besteht jedoch darüber, dass es sich bei dem Begriff der Kontrolle um einen qualitativen Begriff579 handelt, der eine Vielzahl von Zusammenschlussformen, insbesondere auch neuartige, erfassen kann.580 Erforderlich ist stets eine Ge-

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Vgl. Albert, Patente in der Fusionskontrolle (2011), S. 49 f. Vgl. Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), § 37 Rn. 225; Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 22. 574 Der Kontrollbegriff des Art. 3 Abs. 2 FKVO ist an die zu dem montanrechtlichen Kontrollbegriff in Art. 66 § 1 EGKS-Vertrag ergangene Entscheidung Nr. 24/54 der Hohen Behörde (ABl. EGKS 1954, S. 345 f.) angelehnt, Karl, Der Zusammenschlussbegriff (1996), S. 121; Stein, Der wettbewerblich erhebliche Einfluß (1994), S. 175 f.; Wiedemann, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008), § 15 Rn. 34. Nach Art. 1 dieser Entscheidung ist Kontrolle die „Möglichkeit […], die Tätigkeit eines Unternehmens auf dem Gebiete der Erzeugung, der Preise, der Investierungen, der Versorgung, des Absatzes oder der Verwendung des Gewinns zu bestimmen“. Auf die Entscheidungspraxis der hohen Behörde und später der Kommission zu Art. 66 EGKS-Vertrag kommt es angesichts der umfangreichen Kommissionspraxis zur FKVO heute allerdings nicht mehr an, Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 2 (2012), Art. 3 FKVO Rn. 26. 575 Kommission, Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, ABl. EU 2009/C 43/09, Rn. 16. 576 Ebda. 577 Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 20. 578 Stockenhuber, Europäische Fusionskontrolle (1995), S. 83. 579 Stein, Der wettbewerblich erhebliche Einfluß (1994), S. 174; Kommission, Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, ABl. EU 2009/C 43/09, Rn. 7. 580 Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 16; Körber, in: Immenga/ Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 2 (2012), Art. 3 FKVO Rn. 27; Ehlermann, WuW 1991, 535 (539). 573

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samtwürdigung aller rechtlichen und tatsächlichen Umstände.581 In der Literatur wird der Begriff der Kontrolle auf verschiedene Weisen umschrieben. Bisweilen wird er als lenkender Einfluss auf die Geschäftsstrategie eines Unternehmens definiert.582 Nach anderer Ansicht meint Kontrolle die Fähigkeit, eine Gesellschaft unternehmerisch zu führen.583 Wiederum andere betrachten Kontrolle als die Möglichkeit, das strategische Wirtschaftsverhalten eines Unternehmens zu bestimmen oder strategische Entscheidungen zu blockieren.584 In Fällen wie dem vorliegenden, in denen alleine die Übertragung einzelner Vermögensgegenstände zur Diskussion steht, erscheinen diese Begriffsbestimmungen freilich wenig praktikabel. Zur Ausfüllung des Kontrollbegriffs erscheint hier eine Orientierung am Zweck der Fusionskontrollvorschriften unumgänglich. Die Zusammenschlusskontrolle knüpft an die Veränderung der Verfügungsmacht über Ressourcen im Wettbewerb an.585 Die in Art. 3 Abs. 3 FKVO aufgeführte Tätigkeit des Zielunternehmens meint deshalb den Einsatz der im Zielunternehmen gebundenen Ressourcen im Marktgeschehen.586 Kontrolle liegt damit vor, wenn das Erwerberunternehmen die Möglichkeit erhält, bestimmenden Einfluss auf die Entscheidung über den Einsatz der Ressourcen im Marktgeschehen auszuüben.587 Die Kontrolle kann sich dabei einerseits mittelbar aus dem Einfluss auf den Unternehmensträger ergeben.588 Diese Form der Kontrolle setzt beim Entscheidungsprozess im Zielunternehmen selbst an, berührt die reale Verfügungsbefugnis über die Ressourcen aber nicht.589 Andererseits kann sich die Kontrolle aber auch aus der Einräumung von Eigentums- oder Nutzungsrechten an den Ressourcen des Zielunternehmens ergeben.590 In diesen Fällen entfällt der unternehmerische Handlungsspielraum des veräußernden Unternehmens im Hinblick auf seine Ressourcen unmittelbar.591 Die Entscheidungsbefugnis über den unternehmerischen Einsatz der Ressourcen entspricht dann der realen Verfügungsbefugnis über bzw. der realen Zugriffsmöglichkeit auf die Ressourcen.592 581 Kommission, Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, ABl. EU 2009/C 43/09, Rn. 16. 582 Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 20 m.w.N. 583 Kallfaß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 37 Rn. 16. 584 Riesenkampff/Lehr, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009), § 37 Rn. 9. 585 Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 59, 125; vgl. auch Karl, Der Zusammenschlussbegriff (1996), S. 119 und Bundesregierung, Regierungsentwurf 2. GWBNovelle v. 18. 8. 1971, BT-Drs. VI/2520, S. 28. 586 Karl, Der Zusammenschlussbegriff (1996), S. 157. 587 Ebda. 588 Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 59; Karl, Der Zusammenschlussbegriff (1996), S. 119, 159. 589 Karl, Der Zusammenschlussbegriff (1996), S. 159. 590 Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 59. 591 Karl, Der Zusammenschlussbegriff (1996), S. 158. 592 Ebda.; Albert, Patente in der Fusionskontrolle (2011), S. 50.

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

bb) Exklusivlizenzen als Kontrollmittel Die lizenzbedingte Einräumung eines Nutzungsrechts genügt den Anforderungen des Kontrollbegriffs vor diesem Hintergrund stets dann, wenn das Nutzungsrecht dem Erwerber in gleicher Weise wie die Übertragung des Schutzrechts selbst die Verfügungsbefugnis über bzw. die Zugriffsmöglichkeit auf das Schutzrecht ermöglicht.593 Ausschlaggebend hierfür ist die Art der im Einzelfall vereinbarten Lizenz. Bei einfachen Lizenzen ist die Erlangung von Kontrolle ausgeschlossen, denn in diesen Fällen behält der Inhaber des Schutzrechts sich selbst das Nutzungsrecht vor und ist zudem weiterhin befugt, auch anderen Unternehmen Lizenzen zu erteilen.594 Nichts anderes gilt für Alleinlizenzen, bei denen der Lizenznehmer zwar keine weiteren Lizenzen gewähren darf, selbst jedoch zur Nutzung berechtigt bleibt595. In beiden Fällen erlangt der Lizenznehmer keine dem Vollrechtserwerb vergleichbare Verfügungsbefugnis über das Patentrecht.596 Die Erlangung von Kontrolle über Immaterialgüterrechte durch Einräumung eines Nutzungsrechts an dem Immaterialgüterrecht kann mit der herrschenden Ansicht im Schrifttum insoweit nur das Ergebnis exklusiver (ausschließlicher) Lizenzverträge sein.597 Nur in diesen Fällen ist dem Lizenzgeber die Befugnis entzogen, das Schutzrecht selbst zu nutzen und anderen Unternehmen weitere Lizenzen zu erteilen.598 Dies entspricht 593

Albert, Patente in der Fusionskontrolle (2011), S. 50. Ebda.; Theune, GRUR Int 1977, 63 (67). 595 Schumacher/Schmid, GRUR 2006, 1 (7); Ullrich, ZHR 137 (1973), 134 (136); Sack, RIW 1997, 449 (454); vgl. auch Mailänder, GRUR Int 1979, 378 (385). 596 Denkbar wäre allenfalls, bei einfachen Lizenzen oder Alleinlizenzen – wie etwa auch bei 50/50 Beteiligungen – einen Fall gemeinsamer Kontrolle über das Patentrecht anzunehmen. Allerdings bleiben Lizenznehmer und Lizenzgeber bei diesen Lizenzformen in ihren Entscheidungen frei, müssen bei Entscheidungen also nicht zusammenwirken, vgl. Stein, Der wettbewerblich erhebliche Einfluß (1994), S. 182. Es liegt insoweit kein Fall gemeinsamer Kontrolle, sondern allenfalls ein Fall voneinander unabhängiger Kontrolle vor, Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 23. 597 Albert, Patente in der Fusionskontrolle (2011), S. 50, 64 f.; Strohmayr, GRUR 2010, 583 (585); vgl. auch KG, Beschl. v. 15. 1. 1988, Kart I/86, WuW/E OLG 4095 (4102) – W + i Verlag/ Weiss-Druck; aA Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 23 ff., der die Erteilung einfacher Lizenzen unter teleologischen Gesichtspunkten genügen lassen will. So sei auch im Falle einfacher Lizenzen eine Verschlechterung der Wettbewerbssituation durch die Stärkung des Erwerbers denkbar, insbesondere bei Schlüsseltechnologien. Der Zugriff auf bislang nicht verfügbare Technologien vergrößere die Produktpalette des Erwerbers. Hiermit könne eine Verminderung wirtschaftlicher Risiken sowie ein uneinholbarer Vorsprung gegenüber Konkurrenten einhergehen. Konkurrenten könnten den Markt verlassen, sodass im Ergebnis eine Konzentrationswirkung vorliege. Die Feststellung derartiger Wirkungen ist richtigerweise jedoch Gegenstand des Eingriffs- und nicht des Aufgreiftatbestandes. Zu den marktstrukturellen Wirkungen ausschließlicher Lizenzen siehe auch Ullrich, ZHR 137 (1973), 134 (152 f.). 598 Kommission, TT-Leitlinien, ABl. EU 2014/C 89/03, Rn. 190; Sack, RIW 1997, 449 (454); EuGH, Urt. v. 8. 6. 1982, Rs. 258/78, Slg. 1982, 2015, Rn. 49 f. – Maissaatgut; Ullrich, ZHR 137 (1973), 134 (136); Schumacher/Schmid, GRUR 2006, 1 (7); zu dem in den Mitgliedstaaten mitunter abweichenden Verständnis des Begriffs der ausschließlichen Lizenz siehe Theune, GRUR Int 1977, 63 (66 f.). 594

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auch der Ansicht der Kommission, die stets verlangt, dass es sich bei dem Vermögensteil um einen Vermögensteil mit Marktpräsenz handelt599. Bei Lizenzverträgen, die ohne zusätzliche Übertragung von Vermögenswerten einhergehen, sei dies jedoch nur der Fall, wenn es sich um Exklusivlizenzen zumindest für ein bestimmtes Gebiet handle.600 Bei anderen Lizenzen sei auszuschließen, dass sie für sich genommen einen Geschäftsbereich bildeten, dem ein Marktumsatz zugerechnet werden könne.601 Nach den Erkenntnissen der Kommission aus der Sektoruntersuchung-Pharma wurde im Rahmen früher Marktzutritte nur in 31 Fällen die Freiheit des Lizenzgebers zur Vergabe weiterer Lizenzen (oder zur Belieferung anderer Unternehmen) eingeschränkt.602 Sofern die festgestellten Lizenzvereinbarungen insoweit überhaupt Einschränkungen zulasten der Originalpräparatehersteller enthielten, handelte es sich allenfalls um Alleinlizenzen und gerade nicht um ausschließliche Lizenzen, bei denen die Originalpräparatehersteller zugleich gezwungen gewesen wären, den Vertrieb des Originalpräparates einzustellen. Unter dem Gesichtspunkt der hiermit verbundenen Lizenzerteilung scheidet die Anwendung der Zusammenschlusskontrolle auf frühe Marktzutritte deshalb grundsätzlich aus. 4. Langfristige Lieferverträge als Zusammenschlüsse Auch unter dem Aspekt des Abschlusses langfristiger Lieferverträge zwischen den Originalpräparate- und Generikaherstellern scheidet eine Qualifikation früher Marktzutritte als Zusammenschlüsse zwischen diesen Unternehmen aus. Umstritten ist bereits, ob langfristige Liefer- und Bezugsverträge überhaupt Kontrolle im Sinne der § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB, Art. 3 FKVO vermitteln können.603 Entgegen dem ersten ZKVO-Entwurf604 und Art. 1 der Entscheidung Nr. 24/54 der hohen Behörde605, in denen Beschaffungs- und Absatzverträge noch explizit genannt wurden, führt Art. 3 Abs. 1 lit. b) FKVO derartige Verträge nicht als Kontrollmittel auf. Zwar nennt die Vorschrift des Art. 3 Abs. 1 lit. b) auch „Verträge“. Hierbei handelt es sich ausweislich des Wortlauts des Art. 3 Abs. 2 lit. b) allerdings vor allem um Verträge, die bestimmenden Einfluss „auf die Zusammensetzung, die Beratungen oder Beschlüsse

599 Kommission, Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, ABl. EU 2009/C 43/09, Rn. 24; dies., Entsch. v. 16. 2. 2010, Comp/M.5721, Rn. 8 – Quelle/Primondo. 600 Kommission, Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, ABl. EU 2009/C 43/09, Rn. 24. 601 Ebda. 602 Siehe in und bei Fn. 468. 603 Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 2 (2012), Art. 3 FKVO Rn. 56; Richter, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008), § 19 Rn. 104. 604 Stockenhuber, Europäische Fusionskontrolle (1995), S. 88. 605 Hohe Behörde, Entsch. v. 6. 5. 1954, Nr. 24/54, ABl. EGKS 1954, S. 345; Stein, Der wettbewerblich erhebliche Einfluß (1994), S. 176.

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der Organe des Unternehmens gewähren“, also um Verträge, die ihrem Gegenstand nach den Zugriff auf die Unternehmensleitung ermöglichen. a) Faktische Kontrolle infolge wirtschaftlicher Abhängigkeit Ein Kontrollerwerb kann sich nach Art. 3 Abs. 1 lit. b) FKVO jedoch auch in sonstiger Weise ergeben. Nach herrschender Meinung kommt in diesem Zusammenhang insbesondere die Eingehung enger Belieferungs-, Abnahme- oder Darlehensbeziehungen in Betracht606, „bei denen sich die Möglichkeit zur Kontrolle nicht aus dem Charakter des Rechtsgeschäfts bzw[.] der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung selbst ableitet, sondern sich als Ergebnis der besonderen wirtschaftlichen etc[.] Verhältnisse des Einzelfalles darstellt“607. Kontrolle ergibt sich in diesen Fällen faktisch aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Vertragspartners.608 Mit der Kommission genügen wirtschaftliche Abhängigkeiten dem Erfordernis der Kontrollerlangung allerdings nur, wenn sie, anders als im Falle früher Marktzutritte, mit strukturellen Verflechtungen zwischen den Unternehmen einhergehen.609 Selbst unter der Annahme zusätzlicher struktureller Verflechtungen, ließe sich über eine wirtschaftliche Abhängigkeit jedoch allenfalls eine Kontrollerlangung des Originalpräparateherstellers über den Generikahersteller und nicht, wie vorliegend von Interesse, umgekehrt begründen. b) Besonderheiten bei der Belieferung mit patentgeschützten Produkten Zur Annahme einer Kontrollerlangung des Generikaherstellers über den Originalpräparatehersteller ließe sich allenfalls argumentieren, langfristige Lieferverträge über patentgeschützte Produkte seien im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle analog zu den Fällen von Lizenzerteilungen zu behandeln, wenn sich das Schutzrecht des Lieferanten mit der Belieferung erschöpft610. Zur Diskussion stünde dann ebenfalls die Erlangung von Kontrolle über das Patentrecht des Originalpräparateherstellers. Auch unter Zugrundelegung dieser Analogie erlangt der Erwerber über die Belieferung allerdings nur die Möglichkeit, das ehemals patentgeschützte Produkt zu nutzen. Wie bei der Erteilung von einfachen Lizenzen und Alleinlizenzen 606

Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 2 (2012), Art. 3 FKVO Rn. 55. 607 Stockenhuber, Europäische Fusionskontrolle (1995), S. 86. 608 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), § 37 Rn. 98; Kellerbauer, in: Berg/ Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 3 FKVO Rn. 15; Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 171, 166; Stockenhuber, Europäische Fusionskontrolle (1995), S. 138; aA Knöpfle, NJW 1992, 472 (474). 609 Kommission, Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, ABl. EU 2009/C 43/09, Rn. 20; Kellerbauer, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 3 FKVO Rn. 15. 610 Zum Erschöpfungsgrundsatz siehe in und bei Fn. 27 ff. (Kapitel 2).

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fehlt es insoweit gerade an der Erlangung von Kontrolle über das Schutzrecht. Eine Kontrollerlangung ist vielmehr nur denkbar, wenn es sich um Exklusivlieferverträge handelt und sich der Lieferant zusätzlich verpflichtet, das patentgeschützte Arzneimittel nicht mehr selbst zu vertreiben. Die von der Kommission in der Sektoruntersuchung-Pharma festgestellten Vereinbarungen über einen frühen Marktzutritt enthielten jedoch nur in wenigen Fällen Einschränkungen der Originalpräparatehersteller im Hinblick auf die Belieferung anderer Unternehmen.611 5. Übertragung einer arzneimittelrechtlichen Marktzulassung als Unternehmenszusammenschluss Anknüpfungspunkt der Einordnung eines frühen Marktzutritts als Unternehmenszusammenschluss kann auch die hiermit in vielen Fällen einhergehende Übertragung612 einer arzneimittelrechtlichen Marktzulassung vom Originalpräparate- auf den Generikahersteller sein613. In der juristischen Diskussion fand bislang nur eine unzureichende Auseinandersetzung mit der Rolle arzneimittelrechtlicher Marktzulassungen im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle statt.614 Die bisherige Rechtsprechungs- und Verwaltungspraxis zur Herbeiführung von Unternehmenszusammenschlüssen durch die Übertragung einzelner Vermögensgegenstände legt ein Eingreifen der Zusammenschlusskontrolle, wie nachfolgend gezeigt wird, durchaus nahe. Gleichwohl scheitert die Annahme eines Zusammenschlusses durch die Übertragung einer arzneimittelrechtlichen Marktzulassung im Falle früher Marktzutritte an den quantitativen und qualitativen Anforderungen, die von den Kartellgerichten und -behörden an fusionskontrollrechtlich relevante Vermögensteile gestellt werden. a) Vermögenserwerb oder Kontrollerwerb nach § 37 GWB, Art. 3 FKVO Die Übertragung einer arzneimittelrechtlichen Zulassung bildet einen tauglichen (Kontroll-)Erwerbsvorgang im Sinne der §§ 37 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 lit. a) GWB, 611 Siehe den Nachweis in Fn. 468. Im Falle früher Marktzutritte ließe sich deshalb allenfalls an eine Kontrollerlangung durch Eigentumsrechte an den gelieferten Arzneimitteln oder Arzneimittelbestandteilen als Teile des Vermögens des Originalpräparateherstellers selbst denken. In diesem Fall fehlte es jedoch am Merkmal der Wesentlichkeit dieser Vermögensteile, siehe hierzu in und bei Fn. 641 ff. 612 Wird der Originalpräparatehersteller im Zulassungsverfahren des Generikaherstellers lediglich unterstützend tätig, lässt sich ein Zusammenschluss allenfalls über die zur Nutzung der Zulassungsunterlagen des Originalpräparateherstellers erteilte Lizenz über Geschäftsgeheimnisse konstruieren, zu derartigen Lizenzen siehe Wagner, in: Martinek/Semler/Habermeier/ Flohr, Vertriebsrecht3 (2010), § 51 Arzneimittel Rn. 28. 613 Zur Übertragung arzneimittelrechtlicher Marktzulassungen siehe in und bei Fn. 40 ff. (Kapitel 2). 614 von Graevenitz/Besen, PharmR 2009, 1 (1).

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Art. 3 Abs. 1 lit. b) FKVO.615 Auch unterfallen arzneimittelrechtliche Zulassungen dem fusionskontrollrechtlichen Vermögensbegriff und stellen damit zunächst einen tauglichen Erwerbsgegenstand dar. Der fusionskontrollrechtliche Vermögensbegriff ist weit auszulegen.616 Zum Vermögen eines Unternehmens gehören alle geldwerten materiellen und immateriellen Güter und Rechte einschließlich subjektiver Rechte und Chancen, sofern diese im Verkehr gehandelt werden können.617 Arzneimittelrechtliche Marktzulassungen müssen in langwierigen und kostenintensiven Verfahren erlangt werden.618 Zwar handelt es sich bei ihnen nicht um gewerbliche Schutzrechte619, gleichwohl gewähren Arzneimittelzulassungen ihrem Inhaber das Recht, das Arzneimittel in Verkehr zu bringen, und verkörpern damit einen wesentlichen wirtschaftlichen Wert, der sich im Wege des Verkaufs oder der Einräumung von Mitvertriebsrechten auch realisieren lässt620. b) Anforderungen an den Vermögensteil zur Erfassung externen Unternehmenswachstums Wenngleich der fusionskontrollrechtliche Vermögensbegriff weit auszulegen ist und den Zusammenschlusstatbeständen des Vermögens- und Kontrollerwerbs damit einen ebenso weiten Anwendungsbereich beschert, soll doch nicht jeder Transaktionsvorgang zwischen Unternehmen der nationalen oder europäischen Zusammenschlusskontrolle unterfallen. Die Zusammenschlusskontrolle wendet sich nicht gegen jedwede Form des Zuwachses von Marktmacht, sondern alleine gegen den Zuwachs von Marktmacht infolge externen Unternehmenswachstums621. Transak615

Mit dem BGH sind im Falle eines Vermögenserwerbs nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB auch die Voraussetzungen eines Kontrollerwerbs erfüllt, BGH, Beschl. v. 7. 7. 1992, KVR 14/91, BGHZ 119, 117 (125 f.) – Warenzeichenerwerb; kritisch Knöpfle NJW 1992, 472 (472). 616 Albert, Patente in der Fusionskontrolle (2011), S. 33. 617 Kallfaß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 37 Rn. 7; Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), § 37 Rn. 39; Riesenkampff/Lehr, in: Loewenheim/ Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009), § 37 Rn. 3; Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 136; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28. 6. 2006, VI-Kart 18/05 (V), WuW/E DE-R 1805 (1806) – MSV; KG, Beschl. v. 15. 1. 1988, Kart I/86, WuW/E OLG 4095 (4102) – W + i Verlag/Weiss-Druck; BKartA, Beschl. v. 2. 8. 2004, B 6-26/04, WuW/E DE-V 947 (950) – National Geographic; einschränkend Bechtold/Bosch, GWB8 (2015), § 37 Rn. 5; Bach, in: MünchKom, GWB2 (2015), § 37 Rn. 10 [unternehmerisch genutztes Vermögen]; einschränkend auch Albert, Patente in der Fusionskontrolle (2011), S. 33 [Vermögen, das unternehmerisch genutzt werden kann]. 618 von Graevenitz/Besen, PharmR 2009, 1 (2). 619 Zur Rechtsnatur der Arzneimittelzulassung siehe in und bei Fn. 40 ff. (Kapitel 2). 620 Bach, in: MünchKom, GWB2 (2015), § 37 Rn. 9. 621 Bundesregierung, Regierungsentwurf 2. GWB-Novelle v. 18. 8. 1971, BT-Drs. VI/2520, S. 19; Bechtold/Bosch, GWB8 (2015), Einführung Rn. 56; Kallfaß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 35 Rn. 1; Meessen, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009), Einführung Rn. 28; Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), Vor § 35 Rn. 1; Ulmer, GRUR 1977, 565 (566); vgl. auch Rittner, in: Schwarze, Recht und

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tionsvorgänge, welche als internes Unternehmenswachstum einzuordnen sind, bleiben demgegenüber von der Zusammenschlusskontrolle unberührt622 und lassen sich alleine über die Instrumente der Missbrauchsaufsicht623 und des Kartellverbots kontrollieren. Nach einigen grundlegenden Ausführungen zum Begriff und zu den Voraussetzungen externen Unternehmenswachstums, wird nachfolgend die Frage behandelt, ob die Übertragung einer arzneimittelrechtlichen Marktzulassung als Vorgang externen Unternehmenswachstums eingeordnet werden kann. aa) Begriff des externen Unternehmenswachstums Für den Anwendungsbereich der Zusammenschlusskontrolle kommt der Abgrenzung zwischen externem und internem Unternehmenswachstum damit eine entscheidende Bedeutung zu. Problematisch ist diese Abgrenzung vor allem in Fällen wie dem vorliegenden, in denen nicht das gesamte Vermögen eines Unternehmens, sondern nur einzelne Vermögensgegenstände übertragen werden. Der Begriff des externen Wachstums weist enge Bezüge zum Begriff des Konzentrationsvorgangs auf und ist insgesamt nur schwer zu fassen. Zurückzuführen ist das Erfordernis externen Unternehmenswachstums auf den Zweck der Zusammenschlusskontrolle. Die Zusammenschlusskontrolle ist auf den Schutz wettbewerbsfähiger Marktstrukturen gerichtet.624 Ihr Anwendungsbereich ist daher auf solche Transaktionsvorgänge begrenzt, die Auswirkungen auf die Marktstruktur zeitigen können. Um im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle relevant zu werden, müssen Vermögensgegenstände daher von Relevanz für die Marktstruktur sein, d. h. geeignet sein, im Falle ihrer Übertragung, strukturelle Marktveränderungen herbeizuführen625. In der Literatur wird der Begriff des externen Wachstums bisweilen als der von außen kommende Zugewinn von Verfügungsmacht über Produktionsmittel definiert, der herbeigeführt wird, indem einer anderen Wirtschaftseinheit die Verfügungsmacht über diese Produktionsmittel genommen wird.626 Andere verstehen unter externem Unternehmenswachstum den Zukauf bestehender Marktanteile627, der von der Möglichkeit abzugrenzen ist, seine Marktstellung im Wege internen Unterneh-

Ökonomie (2006), S. 17 (23); BGH, Beschl. v. 10. 10. 2006, KVR 32/05, BGHZ 170, 130 (133) – Lizenzerwerb als Unternehmenszusammenschluss. 622 Bundesregierung, Regierungsentwurf 2. GWB-Novelle v. 18. 8. 1971, BT-Drs. VI/2520, S. 19; BGH, Beschl. v. 10. 10. 2006, KVR 32/05, BGHZ 170, 130 (133) – Lizenzerwerb als Unternehmenszusammenschluss. 623 Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 15. 624 Vgl. hierzu in und bei Fn. 494 ff. 625 Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 123 [„geeignet sein, Marktmacht zu begründen“]. 626 Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 108 f. 627 Strohmayr, GRUR 2010, 583 (585).

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menswachstums durch eigene, neue Vermarktungstätigkeiten628 bzw. durch die Ausdehnung bestehender Geschäftstätigkeit629 auszubauen. Internes Unternehmenswachstum entsteht also durch den Einsatz von Ressourcen im Wettbewerb während externes Unternehmenswachstum durch den bloßen Zukauf von (marktstrukturrelevanten) Ressourcen entsteht. Als Vorgänge internen Unternehmenswachstums werden etwa der Erwerb eines bisher nicht genutzten Grundstücks in strategisch günstiger Lage630 oder der Kauf eines Fuhrparks631 qualifiziert. Mit dem BGH stellt überdies auch der Erwerb bislang ungenutzter Verlagsrechte einen internen Wachstumsvorgang dar.632 Infolge der Begrenzung des Anwendungsbereichs der Zusammenschlusskontrolle auf externe Wachstumsvorgänge behandelt die Rechtsordnung das externe Unternehmenswachstum durch Übernahme bestehender wirtschaftlicher Ressourcen grundsätzlich strenger, als das Wachstum eines Unternehmens aus eigener Kraft (internes Wachstum).633 Dem liegt die wettbewerbspolitische Erwägung zugrunde, dass internes Unternehmenswachstum in aller Regel auf einem unternehmerischem Erfolg beruht634, neue wirtschaftliche Kapazitäten schafft635 und sich zudem am Markt durchsetzen muss636. Als Ergebnis von Wettbewerbsprozessen und als auf Leistung beruhend ist internes Wachstum vor diesem Hintergrund gesamtwirtschaftlich erwünscht637. Auch externes Unternehmenswachstum kann zwar grundsätzlich zu begrüßen sein, wenn und weil es zu Effizienzsteigerungen der zusammengeschlossenen Unternehmenseinheit führt.638 Externes Unternehmenswachstum schafft jedoch gerade keine neuen wirtschaftlichen Kapazitäten, sondern verändert lediglich die Kontrolle über bereits vorhandene wirtschaftliche Kapazitäten639 und begründet zudem die Gefahr von Machtballungen am Markt640. 628 Ebda.; siehe zum Begriff des internen Unternehmenswachstums auch Kommission, Das Problem der Unternehmenskonzentration im Gemeinsamen Markt v. 1. 12. 1965, SEK (65) 3500, WuW 1966, 330 (331). 629 Heinemann, Immaterialgüterschutz (2002), S. 525. 630 Kallfaß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 37 Rn. 10. 631 Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 43. 632 BGH, Beschl. v. 10. 10. 2006, KVR 32/05, BGHZ 170, 130 (135 f.) – Lizenzerwerb als Unternehmenszusammenschluss; Kallfaß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 37 Rn. 10. 633 Kallfaß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 35 Rn. 1. 634 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), Vor § 35 Rn. 1. 635 Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 90; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht3 (2014), § 24 Rn. 24; Mestmäcker, in: FS-Hallstein (1966), S. 322 (325). 636 Kallfaß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 35 Rn. 1. 637 Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 55; Heinemann, Immaterialgüterschutz (2002), S. 525. 638 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), Vor § 35 Rn. 1; vgl. auch Bundesregierung, Regierungsentwurf 2. GWB-Novelle v. 18. 8. 1971, BT-Drs. VI/2520, S. 16 ff. 639 Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht3 (2014), § 24 Rn. 24.

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bb) Wesentlichkeit des Vermögensteils Der BGH trägt der Abgrenzung zwischen externem und internem Unternehmenswachstum über das Merkmal der „Wesentlichkeit“ des Vermögensteils Rechnung.641 Nach dem Wortlaut des § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB kommt ein Zusammenschluss durch Vermögenserwerb nur bei dem Erwerb des Vermögens „zu einem wesentlichen Teil“ in Betracht. Nichts anderes gilt nach nationalem Recht für den Zusammenschlusstatbestand des Kontrollerwerbs an Vermögensteilen nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB. Zwar findet das Tatbestandsmerkmal der Wesentlichkeit des Vermögensteils im Wortlaut des Kontrollerwerbstatbestandes keinen Niederschlag. Mit dem BGH und der herrschenden Ansicht in der Literatur ist im Rahmen des Kontrollerwerbstatbestandes jedoch derselbe Maßstab anzulegen, wie im Rahmen des § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB.642 Auch ein Kontrollerwerb an Vermögensgegenständen, etwa durch Nutzungs- oder Eigentumsrechte, kommt daher nur in Betracht, wenn er sich auf wesentliche Teile des Vermögens bezieht.643 Zur Auslegung des Wesentlichkeitsmerkmals im Kontrollerwerbstatbestand lässt sich hierbei auf die Rechtsprechung zum Vermögenserwerbstatbestand rekurrieren. (1) Quantitative oder qualitative Beurteilung Nach der zunächst nicht auf einzelne Vermögensgegenstände, sondern auf betriebliche Teileinheiten644 bezogenen Rechtsprechung des BGH beurteilt sich die Wesentlichkeit eines Vermögensteils anhand einer quantitativen und qualitativen Betrachtung645. Ausschlaggebend für die Wesentlichkeit eines Vermögensteils sei 640

Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), Vor § 35 Rn. 1. BGH, Beschl. v. 10. 10. 2006, KVR 32/05, BGHZ 170, 130 (133) – Lizenzerwerb als Unternehmenszusammenschluss. In der Literatur wird dem Erfordernis externen Wachstums mitunter nicht beim Tatbestandsmerkmal der Wesentlichkeit, sondern bereits beim Tatbestandsmerkmal des Vermögens Rechnung getragen. Vom Begriff des Vermögens seien nur bislang unternehmerisch genutzte Vermögensgegenstände erfasst, Bach, in: MünchKom, GWB2 (2015), § 37 Rn. 10. 642 BGH, Beschl. v. 10. 10. 2006, KVR 32/05, BGHZ 170, 130 (132 f.) – Lizenzerwerb als Unternehmenszusammenschluss; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15. 6. 2005, VI-Kart 24/04 (V), WuW/E DE-R 1504 (1505) – National Geographic; Kallfaß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 37 Rn. 17; Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 82. 643 Ebda.; Albert, Patente in der Fusionskontrolle (2011), S. 55 f.; Bechtold/Bosch, GWB8 (2015), § 37 Rn. 18; Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), § 37 Rn. 224; Richter, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008), § 19 Rn. 95; Riesenkampff/Lehr, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009), § 37 Rn. 10. 644 Hierunter versteht der BGH „jede Zusammenfassung persönlicher und sachlicher Mittel […], die sich von anderen Betriebsteilen, z. B. aufgrund ihrer organisatorischen Selbstständigkeit oder ihrer räumlichen Trennung oder ihres speziellen Produktions- oder Vertriebszwecks deutlich unterscheidet“, BGH, Beschl. v. 20. 11. 1975, KVR 1/75, BGHZ 65, 269 (272 f.) – Zementmahlanlage I. 645 BGH, Beschl. v. 20. 11. 1975, KVR 1/75, BGHZ 65, 269 (272) – Zementmahlanlage I; hierzu Greuner, GRUR 1976, 284; kritisch Böhlk, Der Zusammenschlussbegriff (1979), 641

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nicht alleine, dass der Vermögensteil mit Blick auf das Vermögen des Veräußerers in quantitativer Hinsicht wesentlich sei, wenn und weil bei dem Rechtsträger auf Veräußererseite nur noch unbedeutende Vermögenswerte zurückblieben646 ; die Auslegung des Zusammenschlusstatbestandes des § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB nach seinem Wortlaut und Zweck gebiete es vielmehr, auch eine qualitative Begründung der Wesentlichkeit eines Vermögensteils anzuerkennen647. So erfasse die Vorschrift gerade nicht den „Erwerb des Vermögens eines anderen Unternehmen ganz oder im Wesentlichen“ sondern den „Erwerb ganz oder zu einem wesentlichen Teil“.648 Überdies sei es mit der auf die Kontrolle der Unternehmenskonzentration gerichteten Zielsetzung der Zusammenschlusskontrolle kaum vereinbar, die Annahme eines Unternehmenszusammenschlusses im Wege einer rein quantitativen Beurteilung des Wesentlichkeitsmerkmals alleine vom Gesamtvermögen des Veräußerers abhängig zu machen.649 Ein wesentlicher Vermögensteil liege deshalb auch dann vor, wenn der Erwerb eine betriebliche Teileinheit betreffe, die im Rahmen der gesamten nach außen gerichteten Tätigkeit des Veräußerers unabhängig von dessen Größe eine

S. 47 ff.; BGH, Beschl. v. 13. 3. 1979, KVR 8/77, BGHZ 74, 172 (176 ff.) – Kettenstichnähmaschinen; BGH, Beschl. v. 7. 7. 1992, KVR 14/91, BGHZ 119, 117 (120 f.) – Warenzeichenerwerb; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28. 6. 2006, VI-Kart 18/05 (V), WuW/E DE-R 1805 (1806 f.) – MSV; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15. 6. 2005, VI-Kart 24/04 (V), WuW/E DE-R 1504 (1505) – National Geographic; Albert, Patente in der Fusionskontrolle (2011), S. 56; Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 83; Thomas, in: Immenga/ Mestmäcker, GWB5 (2014), § 37 Rn. 46; Riesenkampff/Lehr, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009), § 37 Rn. 4; Strohmayr, GRUR 2010, 583 (584). 646 Zur Bestimmung der quantitativen Wesentlichkeit siehe Thomas, in: Immenga/ Mestmäcker, GWB5 (2014), § 37 Rn. 47. 647 BGH, Beschl. v. 20. 11. 1975, KVR 1/75, BGHZ 65, 269 (272 ff.) – Zementmahlanlage I; BGH, Beschl. v. 13. 3. 1979, KVR 8/77, BGHZ 74, 172 (178 ff.) – Kettenstichnähmaschinen. Dieser weiten Interpretation des Wesentlichkeitsmerkmals wurde in der Literatur mitunter widersprochen, weil sie gegen die Pflicht zur europarechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts verstoße. Der Erwerb von Vermögensteilen unterfalle im europäischen Recht nicht dem Zusammenschlussbegriff der FKVO, sodass auch die Vorschrift des § 23 Abs. 2 Nr. 1 GWB a.F. entsprechend auszulegen sei. Die Wesentlichkeit eines Vermögensteils sei alleine „quantitativ im Sinne einer zahlenmäßigen Minderung des Ganzen zu verstehen“. Die vom BGH vorgenommene extensive Interpretation des Merkmals sei mit dem Begriff des „Zusammenschlusses“ nicht zu vereinbaren. Ein solcher sei nach dem allgemeinen Sprachgebrauch gegeben, „wenn aus einer bislang getrennten Mehrheit eine Einheit“ werde. Die Fusionskontrolle sei insoweit darauf gerichtet, die Unabhängigkeit von Unternehmen zu erhalten. Im Falle des bloßen Übergangs einer Betriebseinheit blieben die Unternehmen aber ohnehin voneinander unabhängig, Knöpfle, NJW 1992, 472 (472 ff.). 648 BGH, Beschl. v. 7. 7. 1992, KVR 14/91, BGHZ 119, 117 (120 f.) – Warenzeichenerwerb; BGH, Beschl. v. 20. 11. 1975, KVR 1/75, BGHZ 65, 269 (272) – Zementmahlanlage I; BGH, Beschl. v. 13. 3. 1979, KVR 8/77, BGHZ 74, 172 (177 f.) – Kettenstichnähmaschinen. 649 BGH, Beschl. v. 7. 7. 1992, KVR 14/91, BGHZ 119, 117 (120) – Warenzeichenerwerb; BGH, Beschl. v. 20. 11. 1975, KVR 1/75, BGHZ 65, 269 (273) – Zementmahlanlage I.

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eigene Bedeutung habe.650 Dies sei der Fall, sofern der Erwerb der betrieblichen Teileinheit geeignet sei, die Stellung des Erwerbers auf dem Markt zu verändern bzw. zu stärken.651 (2) Übergang der Marktstellung In seiner Entscheidung Warenzeichenerwerb übertrug der BGH seine zuvor für betriebliche Teileinheiten gültige Rechtsprechung zur Auslegung des Wesentlichkeitsmerkmals auf einzelne Vermögensgegenstände und bejahte dessen Voraussetzungen für den Fall eines alleinigen Erwerbs eines Warenzeichens.652 Dem schloss sich auch das BKartA an.653 Die Beurteilung der Wesentlichkeit erfuhr dabei zugleich eine Konkretisierung.654 Ein Vermögensteil sei qualitativ wesentlich, wenn er geeignet sei, die Stellung des Erwerbers auf dem Markt zu stärken.655 Vorzunehmen sei eine marktbezogene, nicht eine erwerbsbezogene Prüfung; nicht die Auswirkungen des Erwerbs auf den konkreten Erwerber seien entscheidend.656 Das Erfordernis einer solchen Prüfung sei vielmehr dem Eingriffstatbestand vorbehalten.657 Entscheidend sei alleine die abstrakte Eignung des Vermögensteils, die Stellung eines Erwerbers, der bereits auf dem Markt tätig sei, zu verändern.658 Dabei genüge jedoch nicht jeder Zuwachs von Marktmacht.659 Aus der tatbestandlichen Alternative des Erwerbs des ganzen Vermögens ergebe sich vielmehr, dass der Erwerb des Vermögens „zu einem wesentlichen Teil“ nur solche Fälle erfasse, bei denen der Erwerber in gleicher Weise wie bei dem Erwerb des Vermögens im Ganzen die Gelegenheit habe, in die Marktstellung des Veräußerers einzutreten.660 Bei dem relevanten Vermögensteil müsse es sich insoweit um abtrennbares Vermögen handeln, das tragende Grundlage 650 BGH, Beschl. v. 20. 11. 1975, KVR 1/75, BGHZ 65, 269 (272) – Zementmahlanlage I; BGH, Beschl. v. 13. 3. 1979, KVR 8/77, BGHZ 74, 172 (178 f.) – Kettenstichnähmaschinen; BGH, Beschl. v. 23. 10. 1979, KVR 3/78, WuW/E BGH 1655 (1655) – Zementmahlanlage II. 651 BGH, Beschl. v. 13. 3. 1979, KVR 8/77, BGHZ 74, 172 (178) – Kettenstichnähmaschinen; BGH, Beschl. v. 12. 2. 1980, KVR 4/79, WuW/E BGH 1763 (1771) – Bituminöses Mischgut; BGH, Beschl. v. 7. 7. 1992, KVR 14/91, BGHZ 119, 117 (121) – Warenzeichenerwerb; zustimmend Ulshöfer, Kontrollerwerb (2003), S. 110; Albert, Patente in der Fusionskontrolle (2011), S. 56; noch offen gelassen BGH, Beschl. v. 20. 11. 1975, KVR 1/75, BGHZ 65, 269 (270 f.) – Zementmahlanlage I. 652 BGH, Beschl. v. 7. 7. 1992, KVR 14/91, BGHZ 119, 117 (120 ff.) – Warenzeichenerwerb; siehe hierzu Fezer, GRUR 1993, 847. 653 Siehe nur BKartA, Beschl. v. 3. 3. 2000, B7-30020-U-221/99 = WuW/E DE-V 227 (228) – Cisco/IBM. 654 AA Bechtold/Bosch, GWB8 (2015), § 37 Rn. 8, nach denen das Kriterium der „qualitativ eigenen Bedeutung“ vom BGH aufgegeben und ersetzt wurde. 655 BGH, Beschl. v. 7. 7. 1992, KVR 14/91, BGHZ 119, 117 (121) – Warenzeichenerwerb. 656 Ebda. 657 Vgl. ebda. 658 Ebda. 659 Ebda. 660 BGH, Beschl. v. 7. 7. 1992, KVR 14/91, BGHZ 119, 117 (122 f.) – Warenzeichenerwerb.

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(Substrat) der Marktstellung des Veräußerers und daher geeignet sei, die Marktstellung des – insoweit vom Markt ausscheidenden – Veräußerers auf den Erwerber zu übertragen.661 Ein bekanntes Warenzeichen könne, wie in dem zu entscheidenden Fall, bereits als solches eine große Werbewirksamkeit entfalten und damit nicht nur einen hohen Vermögenswert, sondern auch die Grundlage der Marktstellung des Inhabers darstellen.662 Dies gelte vor allem dann, wenn die unter dem Warenzeichen vertriebenen Produkte mit allgemein zugänglichem Fertigungswissen hergestellt werden könnten und der Erwerber aus diesem Grund bereits durch den Erwerb des Warenzeichens in die Marktstellung des Veräußerers einrücken könne.663 In der Entscheidung in der Rechtssache National Geographic664 übertrug der BGH seine Interpretation des Wesentlichkeitsmerkmals schließlich auch auf die Lizenzierung gewerblicher Schutzrechte. Der BGH verwies hierzu im Wesentlichen auf seine bisherige Rechtsprechung und hierbei insbesondere auf den Beschluss in der Rechtssache Warenzeichenerwerb.665 Eine Neuerung erfuhr die Rechtsprechungspraxis des BGH in der Rechtssache National Geographic jedoch insoweit, als der BGH für die Annahme eines wesentlichen Vermögensteils und damit für die Annahme eines externen Wachstumsvorgangs verlangte, dass das veräußernde Unternehmen vor dem Zusammenschluss bereits auf dem relevanten Markt tätig war.666 Da National Geographic im konkreten Fall zuvor jedoch keine deutsche Ausgabe des Magazins vertrieben hatte und insoweit über keine Marktstellung auf dem deutschen Markt verfügte, lehnte der BGH in Übereinstimmung mit dem OLG Düsseldorf das Vorliegen eines Zusammenschlusses ab.667 (3) Zwischenergebnis Die Zusammenschlusskontrolle zielt auf die Kontrolle externen Unternehmenswachstums ab. Bei der Übertragung einer arzneimittelrechtlichen Marktzulassung im Rahmen des Vollzuges eines frühen Marktzutrittes handelt es sich deshalb nur dann um einen Unternehmenszusammenschluss, wenn diese Übertragung als Vorgang externen Unternehmenswachstums einzuordnen ist. Mit dem BGH handelt es sich bei der Übertragung einzelner Vermögensgegenstände um einen Vorgang externen Wachstums, wenn der erworbene Vermögensgegenstand als wesentlich zu 661

BGH, Beschl. v. 7. 7. 1992, KVR 14/91, BGHZ 119, 117 (123) – Warenzeichenerwerb; Bechtold/Bosch, GWB8 (2015), § 37 Rn. 8. 662 BGH, Beschl. v. 7. 7. 1992, KVR 14/91, BGHZ 119, 117 (124) – Warenzeichenerwerb. 663 BGH, Beschl. v. 7. 7. 1992, KVR 14/91, BGHZ 119, 117 (124 f., 128) – Warenzeichenerwerb. 664 Siehe hierzu in und bei Fn. 553 ff. 665 BGH, Beschl. v. 10. 10. 2006, KVR 32/05, BGHZ 170, 130 (132) – Lizenzerwerb als Unternehmenszusammenschluss. 666 BGH, Beschl. v. 10. 10. 2006, KVR 32/05, BGHZ 170, 130 (135 f.) – Lizenzerwerb als Unternehmenszusammenschluss; so auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15. 6. 2005, VI-Kart 24/ 04 (V), WuW/E DE-R 1504 (1507) – National Geographic. 667 Ebda.; zustimmend Loewenheim, LMK 2007, 238427.

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qualifizieren ist. Dies ist der Fall, wenn sein Übergang abstrakt geeignet ist, die Stellung des Erwerbers auf dem relevanten Markt zu stärken. Hierzu verlangt der BGH, dass der Vermögensteil tragende Grundlage der Marktstellung des Veräußerers war und deshalb geeignet ist, die Marktstellung des Veräußerers auf den Erwerber überzuleiten. cc) Geschäftsbereich mit Marktpräsenz und Marktumsatz Welche Anforderungen im Rahmen des europäischen Kontrollerwerbstatbestands an den übertragenen Vermögensgegenstand zu stellen sind, ist umstritten. Teilweise wird vertreten, das europäische Recht stelle keine weiteren Anforderungen qualitativer oder quantitativer Art an den Vermögensteil.668 Andere befürworten eine Übertragung des Wesentlichkeitskriteriums auf den europäischen Kontrollerwerbstatbestand.669 Wiederum andere lehnen die Übertragung des Wesentlichkeitskriteriums ab und verlangen stattdessen, der Vermögensteil müsse die Möglichkeit begründen, auf ein anderes Unternehmen bestimmenden Einfluss auszuüben.670 Der Vermögensteil sei insoweit immer dann von fusionskontrollrechtlicher Relevanz, wenn er den Erwerber in die Lage versetze, über diejenigen Ressourcen zu verfügen, die für die Ausübung der Tätigkeit des Veräußerers „von solcher Bedeutung [seien], dass die Durchführung nur unter Einsatz dieser Ressourcen realisiert werden [könne]“.671 Die Kommission selbst verlangt, dass der übertragene Vermögensgegenstand einen Geschäftsbereich mit eigener Marktpräsenz bildet, dem eindeutig ein Marktumsatz zugeordnet werden kann.672 Damit bewegt sie sich der Sache nach auf der Linie des BGH. Über die Merkmale der Marktpräsenz und des Marktumsatzes wird nämlich sichergestellt, dass mit dem Vermögensgegenstand eine Marktstellung verbunden ist, in welche der Erwerber einrücken kann. Der Umstand, dass dem Vermögensteil ein Marktumsatz zuzuordnen ist, fungiert insoweit, wie Pohlmann zu Recht feststellt, als Indiz dafür, dass der Vermögensgegenstand Marktmacht vermittelt.673 Insgesamt scheint die Kommission ihren Blick jedoch – entgegen dem BGH – weniger auf die Wirkungen des Transaktionsvorgangs für den Veräußerer als vielmehr auf dessen Wirkungen für den Erwerber674 auszurichten.

668 Ulshöfer, Kontrollerwerb (2003), S. 54; vgl. auch Kallfaß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 37 Rn. 17. 669 Albert, Patente in der Fusionskontrolle (2011), S. 34 f. 670 Karl, Der Zusammenschlussbegriff (1996), S. 204. 671 Ebda. 672 Kommission, Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, ABl. EU 2009/C 43/09, Rn. 24. 673 Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 123. 674 Vgl. hierzu in und bei Fn. 714 ff.

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c) Arzneimittelzulassungen als wesentliche Vermögensteile mit Marktpräsenz Ein Tätigwerden des Erwerbers einer arzneimittelrechtlichen Marktzulassung und damit zugleich ein Einrücken dieses Erwerbers in die Marktstellung des Veräußerers ist im Zeitraum vor Patentablauf nur denkbar, wenn mit der Arzneimittelzulassung zugleich auch die zivilrechtlichen Befugnisse zur Nutzung des Arzneimittels eingeräumt werden.675 Jeweils für sich betrachtet sind die zivilrechtlichen Nutzungsbefugnisse und die arzneimittelrechtliche Zulassung für einen Generikahersteller wertlos.676 In der Praxis wird eine alleinige Übertragung einer Arzneimittelzulassung ohne die entsprechenden Nutzungsrechte daher kaum je vorkommen. Soweit in Verträgen die Rede ist von der Übertragung der „Arzneimittelzulassung“, ist dies bei verständiger Würdigung deshalb so auszulegen, dass neben der Übertragung der öffentlich-rechtlichen Befugnis auch die privatrechtlichen Befugnisse an dem entsprechenden Arzneimittel erfasst sind.677 Im Unterschied zur Verwirklichung des Zusammenschlusstatbestandes des Kontrollerwerbs mittels Lizenzerteilung678 wird man für diesen Fall allerdings die Erteilung von einfachen Lizenzen oder Alleinlizenzen, wie im Falle früher Marktzutritte üblich, genügen lassen müssen, weil die erforderliche Konzentrationswirkung bereits durch die Übertragung der Arzneimittelzulassung erzeugt wird. Gleichwohl unterfällt die Übertragung arzneimittelrechtlicher Marktzulassungen im Rahmen früher Marktzutritte der Zusammenschlusskontrolle angesichts der zur Annahme eines Zusammenschlusses an den übertragenen Vermögensgegenstand gestellten Anforderungen nicht. Dies folgt bereits daraus, dass im Falle früher Marktzutritte nicht die Marktzulassungen der Originalpräparatehersteller selbst, sondern für diesen Fall bereit gehaltene Doubletten-Zulassungen übertragen werden.679 Die Übertragung einer solchen Doubletten-Zulassung führt aber gerade nicht dazu, dass, wie vom BGH verlangt, der Veräußerer den Vertrieb des Arzneimittels einstellen muss und insoweit aus dem Markt ausscheidet. Auch ermöglicht eine solche Übertragung dem Erwerber nicht, in die Marktstellung des Originalpräparateherstellers einzurücken. Vielmehr kann der Originalpräparatehersteller auf Grundlage seiner Marktzulassung am Markt tätig bleiben. Einer bislang ungenutzten Doubletten-Zulassung lässt sich nicht zuletzt aber auch die von der Kommission geforderte Marktpräsenz oder ein Marktumsatz nicht zuordnen. Selbst unter der Annahme, es handle sich bei der übertragenen Marktzulassung um die Marktzulassung des Originalpräparateherstellers, scheidet ein Zusammen675

von Graevenitz/Besen, PharmR 2009, 1 (3 ff.); vgl. auch Richter, in: Wiedemann, in: Handbuch des Kartellrechts2 (2008), § 19 Rn. 82 [„geldwerte Rezepturen“]. 676 von Graevenitz/Besen, PharmR 2009, 1 (2); Kortland, in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG2 (2016), Vorbemerkung zu § 21 Rn. 18. 677 Kortland, in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG2 (2016), Vorbemerkung zu § 21 Rn. 19. 678 Siehe hierzu in und bei Fn. 593 ff. 679 Siehe in und bei Fn. 53 f. (Kapitel 2).

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schluss aber stets dann aus, wenn das Arzneimittel, wie bei nahezu allen von der Kommission festgestellten frühen Marktzutritten680, zum Zeitpunkt der Übertragung nicht mehr über Unterlagenschutz verfügt681. In diesen Fällen nämlich ist es nachfolgenden Generikaherstellern unter erleichterten Voraussetzungen möglich, eigene Marktzulassungen zu erlangen, weil sie auf die Zulassung des Originalpräparates als Referenzarzneimittel Bezug nehmen dürfen. Die Marktzulassung des Originalpräparateherstellers ist insoweit ohne weiteres duplizierbar. Duplizierbare Güter entfalten regelmäßig jedoch gerade nicht die zur Annahme eines Zusammenschlusses erforderliche marktstrukturrelevante Wirkung.682 6. Zwischenergebnis Die marktstrukturellen Wirkungen früher Marktzutritte sind einer Überprüfung am Maßstab der Zusammenschlusskontrolle grundsätzlich nicht zugänglich, weil frühe Marktzutritte bereits nicht den Aufgreiftatbestand der Zusammenschlusskontrolle erfüllen. Der Aufgreiftatbestand wird vorliegend weder durch die Erteilung von einfachen Lizenzen oder Alleinlizenzen noch durch den Abschluss langfristiger Belieferungsverträge über das patentgeschützte Arzneimittel und auch nicht durch die Übertragung einer arzneimittelrechtlichen Doubletten-Zulassung erfüllt. Zur fusionskontrollrechtlichen Erfassung dieser Lizenz- oder Lieferverträge fehlt es bereits am Merkmal der Kontrollerlangung, weil Generikahersteller die Verfügungsbefugnis über das Patent des Originalpräparateherstellers allenfalls im Wege von Exklusivlizenzen erlangen können. Hinsichtlich der Übertragung arzneimittelrechtlicher Marktzulassungen vom Originalpräparate- auf den Generikahersteller liegt demgegenüber zwar eine Kontrollerlangung vor, die Übertragung einer Doubletten-Zulassung erfüllt jedoch nicht die Voraussetzungen, die zur Annahme externen Unternehmenswachstums an den übertragenen Vermögensgegenstand gestellt werden. 7. Übertragung des Erstanbietervorteils als Unternehmenszusammenschluss Die Bewertung früher Marktzutritte darf allerdings nicht bei einer isolierten Betrachtung dieser mit frühen Marktzutritten offensichtlich verbundenen Transak680

Siehe hierzu in und bei Fn. 75 (Kapitel 1). Siehe hierzu in und bei Fn. 36 ff. (Kapitel 2). 682 Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 55. Zur Wesentlichkeit der Marktzulassung des Originalpräparateherstellers käme man in solchen Fällen allenfalls über eine quantitative Betrachtung, welche die Kosten und Zeit berücksichtigt, die zum Erhalt der Marktzulassung aufgewendet wurden und die sich im Wert der Marktzulassung niederschlagen. Allerdings muss bezweifelt werden, dass der Wert der Marktzulassung im Verhältnis zu dem sonstigen Vermögen des Originalpräparateherstellers als quantitativ wesentlich betrachtet werden kann; zur quantitativen Wesentlichkeit eines Vermögensgegenstandes siehe in und bei Fn. 646. 681

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tionsvorgänge stehen bleiben. Eine solche Betrachtungsweise würde weder den strukturellen Wirkungen früher Marktzutritte noch der Intention der beteiligten Arzneimittelhersteller gerecht. Erforderlich ist vielmehr eine Gesamtwürdigung aller rechtlichen und tatsächlichen Umstände683, im Zuge derer insbesondere der situative Kontext früher Marktzutritte in Form des bevorstehenden Patentablaufs Berücksichtigung finden muss. Bereits aus der zeitlichen Nähe früher Marktzutritte zum Patentablauf wird dann aber ersichtlich, dass es den an frühen Marktzutritten beteiligten Arzneimittelherstellern hierbei nicht um die Einräumung von Nutzungsrechten an den patentgeschützten Arzneimitteln oder um die Übertragung der arzneimittelrechtlichen Marktzulassungen gehen kann. Schließlich stünde es den Generikaherstellern mit Patentablauf nur kurze Zeit später ohnehin frei, die patentgeschützte Lehre der Originalpräparatehersteller unentgeltlich zu nutzen und das Arzneimittel selbst herzustellen. Auch wäre es den Generikaherstellern möglich, auf die Marktzulassungen der Originalpräparatehersteller als Referenzzulassungen zu verweisen und damit unter erleichterten Voraussetzungen eigene Marktzulassungen zu erhalten, weil die Originalpräparatehersteller im Zeitpunkt früher Marktzutritte regelmäßig nicht mehr über Unterlagenschutz verfügen684. Im Kern geht es den Arzneimittelherstellern im Rahmen früher Marktzutritte darum, den Generikaherstellern einen zeitlichen Vorsprung gegenüber unabhängigen Generikaherstellern zu verschaffen. Schließlich ist es gerade dieser zeitliche Vorsprung und nicht die Einräumung des Nutzungsrechts am Patent des Originalpräparateherstellers oder die Übertragung der arzneimittelrechtlichen Marktzulassung, welcher den Grundstein für die positive Marktanteilsentwicklung autorisierter Generika legt685. Dann aber muss die fusionskontrollrechtliche Überprüfung früher Marktzutritte auch an der Verschaffung dieses zeitlichen Vorsprungs als dem marktstrukturrelevanten Transaktionsvorgang ansetzen. a) Erstanbietervorteil als anknüpfungsfähiger Vermögensbestandteil Ökonomisch betrachtet, zielt die Verschaffung dieses zeitlichen Vorsprungs darauf ab, dem Generikahersteller die Vorteile eines Erstanbieters am Markt zukommen zu lassen.686 Den eigentlich marktstrukturrelevanten Transaktionsvorgang im Rahmen früher Marktzutritte bildet deshalb die Übertragung des Erstanbietervorteils vom Originalpräparate- auf den Generikahersteller. Der Erstanbietervorteil lässt sich in diesem Zusammenhang als Bestandteil des Vermögens des Originalpräparateherstellers und damit zugleich als tauglicher Anknüpfungspunkt eines Kontroll- oder Vermögenserwerbs nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) GWB, Art. 3 Abs. 1 lit. b) FKVO, § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB begreifen. Der fusionskontrollrechtliche 683 Kommission, Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, ABl. EU 2009/C 43/09, Rn. 16. 684 Siehe in und bei Fn. 75 (Kapitel 1). 685 Siehe in und bei Fn. 118 ff. (Kapitel 2). 686 Siehe ebda.

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Vermögensbegriff ist schließlich weit auszulegen.687 Er umfasst insbesondere auch alle geldwerten immateriellen Güter und Chancen eines Unternehmens, sofern diese im Verkehr gehandelt werden können.688 Erstanbietervorteile verkörpern für Generikahersteller einen nicht unerheblichen wirtschaftlichen Wert. Bisweilen wird der Umstand, als erster Generikahersteller auf einem Arzneimittelmarkt tätig werden zu können, gar als der wichtigste Faktor für den Erfolg eines Generikaherstellers beschrieben.689 Belegt wird dies durch die hohen Summen, die Generikahersteller bereit sind, für den Status als Erstanbieter am Markt zu bezahlen690. Überdies zeigt bereits die Häufigkeit, mit der frühe Marktzutritte in der Praxis vollzogen werden, dass Erstanbietervorteile im Verkehr auch tatsächlich gehandelt werden. Die Möglichkeit zur Qualifikation des Erstanbietervorteils als geldwerten und übertragbaren Vermögensbestandteil des Originalpräparateherstellers ist auf die Besonderheiten des Arzneimittelsektors zurückzuführen. Während Erstanbietervorteile grundsätzlich aus endogenen Prozessen heraus entstehen691 und mangels Verkörperung nicht übertragen und gehandelt werden können, beruhen die im Arzneimittelsektor vorzufindenden Erstanbietervorteile regelmäßig auf patentrechtlich abgesicherten Technologievorsprüngen der Originalpräparatehersteller. Der Erstanbietervorteil ist deshalb am Patentrecht des Originalpräparateherstellers verhaftet und lässt sich aus diesem Grund faktisch im Wege der Lizenzierung des Patentrechts auf andere Unternehmen übertragen. Das patentrechtliche Nutzungsrecht fungiert insoweit als notwendiger Träger des Erstanbietervorteils, seine Übertragung ist jedoch nicht Selbstzweck der Transaktion. Zweck der Transaktion ist vielmehr alleine die Übertragung des Erstanbietervorteils. Dieser wird auch in fusionskontrollrechtlich relevanter Weise übertragen, denn der Originalpräparatehersteller kann im Nachgang an den Vollzug des frühen Marktzutritts zwar beliebig viele weitere Lizenzen erteilen, er kann jedoch keinem weiteren Generikahersteller den Erstanbietervorteil einräumen. Faktisch entledigt sich der Originalpräparatehersteller insoweit mit der ersten Übertragung des Erstanbietervorteils der Verfügungsbefugnis über den Erstanbietervorteil.692 Umkehrt lässt sich der Erstanbietervorteil von dem erwerbenden Generikahersteller auch kapitalisieren. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei diesem Unternehmen bei genauerer Betrachtung nicht um 687

Siehe in und bei Fn. 616. Siehe in und bei Fn. 617. 689 Siehe in und bei Fn. 127 (Kapitel 1). 690 Siehe hierzu in und bei Fn. 25 (Einleitung), 55 f. (Kapitel 2). 691 Siehe den Nachweis in Fn. 125 (Kapitel 2). 692 Dass sich diese Kontrollbeziehung nur faktisch daraus ergibt, dass der Originalpräparatehersteller nach der Zulassung des ersten Generikaherstellers keinen weiteren Generikahersteller mehr als Erstanbieter zulassen kann, hindert die Annahme einer Kontrollerlangung nicht. Entscheidend ist nicht die Art und Weise der Kontrollerlangung, sondern das materielle Ergebnis in Form eines Kontrollerwerbs, Ulshöfer, Kontrollerwerb (2003), S. 54; Albert, Patente in der Fusionskontrolle (2011), S. 32; Stein, Der wettbewerblich erhebliche Einfluß (1994), S. 37 f.; Kallfaß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 37 Rn. 11; Bechtold, RIW 1990, 253 (255). 688

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den ersten Anbieter am Markt handelt, weil der Originalpräparatehersteller bereits zuvor am Markt tätig war. Arzneimittelmärkte weisen nämlich die weitere Besonderheit auf, dass sich die dortigen Wettbewerbsbeziehungen mit Patentablauf substantiell zugunsten von Generikaherstellern verändern693. Mit Patentablauf betritt mit den Generikaherstellern eine neue Generation von Anbietern den Markt, unter denen sich der vom Originalpräparatehersteller erlangte Erstanbietervorteil gewissermaßen aktualisiert. Schließlich handelt es sich bei dem an dem Vollzug des frühen Marktzutritts beteiligten Generikahersteller um den Erstanbieter unter den Generikaherstellern. Bereits diese Blickveränderung hinsichtlich der im Rahmen früher Marktzutritte relevanten Transaktionsvorgänge stellt die fusionskontrollrechtliche Bewertung dieser Strategie auf eine neue Grundlage. Für eine fusionskontrollrechtlich relevante Lizenzvergabe fordert die Kommission nämlich nur dann die Erteilung exklusiver Lizenzen, wenn keine weiteren Vermögenswerte übertragen werden.694 Mit dem Vollzug früher Marktzutritte geht somit aber nicht nur – vereinzelt – die Übertragung einer arzneimittelrechtlichen Marktzulassung, sondern stets auch die Übertragung des Erstanbietervorteils einher, der zusammen mit dem eingeräumten Nutzungsrecht als dessen Träger die Grundlage für das Einrücken des Generikaherstellers in die Marktstellung des Originalpräparateherstellers bildet.695 Unter Zugrundelegung dieser Übertragung handelt es sich bei dem Vollzug früher Marktzutritte daher um einen fusionskontrollrechtlich relevanten Transaktionsvorgang. b) Frühe Marktzutritte als Konzentrationsvorgänge Die Erfassung früher Marktzutritte entspricht auch dem Zweck der Zusammenschlusskontrolle, die auf die Kontrolle konzentrativer Vorgänge gerichtet ist696. Im Konzentrationsmemorandum der Kommission aus dem Jahr 1965 wird Konzentra693

Siehe den Nachweis in Fn. 106 (Kapitel 1). Kommission, Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, ABl. EU 2009/C 43/09, Rn. 24. 695 Die Kontrollerlangung über den Erstanbietervorteil genügt auch dem in Art. 3 Abs. 1 FKVO sowie in Erwgr. 20 der FKVO niedergelegten Kriterium der Dauerhaftigkeit. Dauerhaftigkeit bedeutet nicht Endgültigkeit, sodass auch zeitlich befristete Vereinbarungen oder die zeitlich begrenzte Übertragung eines Rechts fusionskontrollrechtlich relevant sein können, Kommission, Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, ABl. EU 2009/C 43/09, Rn. 28; Bach, in: MünchKom, GWB2 (2015), § 37 Rn. 41. Für die fusionskontrollrechtliche Bewertung früher Marktzutritte ist dabei der Zeitraum entscheidend, in dem der Generikahersteller von dem erworbenen Erstanbietervorteil profitiert und in dem die Strukturveränderung in Form der beträchtlichen Marktanteilsvorsprünge gegenüber unabhängigen Generikaherstellern anhält. Als Mindestdauer lässt sich der Verwaltungspraxis der Kommission eine Mindestdauer von drei Jahren entnehmen, Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 33. Diese ist im Falle früher Marktzutritte regelmäßig erfüllt, zu den dauerhaften Marktanteilsvorsprüngen autorisierter Generika siehe in und bei Fn. 125 ff. (Kapitel 1). 696 Stein, Der wettbewerblich erhebliche Einfluß (1994), S. 39; Ehlermann, WuW 1991, 535 (537). 694

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tion definiert als die Zusammenfassung mehrerer Unternehmen unter eine einheitliche wirtschaftliche Leitung in einer auf Dauer berechneten Weise und unter Aufgabe ihrer wirtschaftlichen Selbstständigkeit.697 Auch im Schrifttum wird der Verlust der wirtschaftlichen Selbstständigkeit eines der beteiligten Unternehmen als prägendes Merkmal eines Konzentrationsvorgangs hervorgehoben.698 Der Begriff der Konzentration beschreibt insoweit Wettbewerbsbeschränkungen, die sich durch den Wegfall eines selbstständigen Wettbewerbers, Anbieters oder Nachfragers auszeichnen.699 Ergebnis eines Konzentrationsvorgangs ist eine verringerte Anzahl autonomer wirtschaftlicher Planungseinheiten am Markt.700 Inhaltlich lässt sich der Begriff der Konzentration vor diesem Hintergrund nicht streng vom Begriff des externen Wachstums abgrenzen. Auch der BGH fordert im Rahmen seiner auf die Abgrenzung zwischen externem und internem Unternehmenswachstum abzielenden Interpretation des Wesentlichkeitsmerkmals nämlich ein vollständiges Einrücken des Erwerbers in die Marktstellung des Veräußerers mit der Folge, dass der Veräußerer aus dem Markt ausscheidet.701 Das Ausscheiden des Veräußerers, d. h. sein Verschwinden als selbstständige Planungseinheit am Markt, entspricht jedoch gerade auch der Definition eines Konzentrationsvorgangs. Beide Begriffe umschreiben insoweit dasselbe Phänomen, der Begriff der Konzentration betont jedoch eher das Ergebnis des Phänomens für den Markt, während der Begriff des externen Unternehmenswachstums auf dessen Entstehungsprozess abstellt. Dem Erfordernis eines konzentrativen Vorgangs kommt eine Abgrenzungsfunktion zu. Mit ihm werden Unternehmenszusammenschlüsse von kooperativen Wirkungen unterschieden702, die über das als per-se Verbot ausgestaltete Kartellverbot erfasst werden sollen. Die Übergänge zwischen beiden Wirkungen sind fließend.703 Ihre Abgrenzung bereitet insbesondere deshalb Schwierigkeiten, weil sich beide Wirkungen nicht in ihrer Natur, sondern nur in ihrem Grad unterscheiden.704 Auch Verhaltenskoordinierungen wie etwa Preisabsprachen führen nämlich für den Bereich des Gegenstandes der Koordinierung zum Wegfall selbstständiger

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Kommission, Das Problem der Unternehmenskonzentration im Gemeinsamen Markt v. 1. 12. 1965, SEK (65) 3500, WuW 1966, 330 (341). 698 Bechtold, RIW 1990, 253 (254); Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht3 (2014), § 25 Rn. 5. 699 Vgl. Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht3 (2014), § 24 Rn. 21. 700 Ulshöfer, Kontrollerwerb (2003), S. 248. 701 BGH, Beschl. v. 10. 10. 2006, KVR 32/05, BGHZ 170, 130 (134) – Lizenzerwerb als Unternehmenszusammenschluss; BGH, Beschl. v. 7. 7. 1992, KVR 14/91; BGHZ 119, 117 (128) – Warenzeichenerwerb. 702 Stein, Der wettbewerblich erhebliche Einfluß (1994), S. 187 f. 703 Kommission, Das Problem der Unternehmenskonzentration im Gemeinsamen Markt v. 1. 12. 1965, SEK (65) 3500, WuW 1966, 330 (341). 704 Vgl. Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 91.

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Planungseinheiten am Markt.705 Eine Abgrenzung ist dennoch erforderlich, weil Unternehmenskoordinationen und -konzentrationen im Grad ihrer Wettbewerbsschädlichkeit unterschiedlich beurteilt werden706. Durch die Koordination von Unternehmen am Markt werden Marktergebnisse nicht im Wettbewerb entdeckt, sondern von vorneherein festgelegt, was in aller Regel zu schlechteren Marktergebnissen führt.707 Während Verhaltenskoordinierungen zwischen Unternehmen den Wettbewerb daher unmittelbar bereits im Zeitpunkt der Koordinierung beschränken, sind Konzentrationsvorgänge nicht als „unmittelbar wettbewerbsbeschränkend, sondern allenfalls als wettbewerbsgefährdend“ einzuordnen.708 Von Konzentrationen geht nicht per se eine Verhaltenskoordination gegenüber anderen Marktteilnehmern aus und sie führen auch nicht zwingend zu schlechteren Marktergebnissen.709 Vielmehr werden im Wege konzentrativer Vorgänge durch Synergieeffekte und Größenvorteile häufig gerade auch bessere Marktergebnisse erzielt.710 Aus wettbewerbstheoretischer Sicht sind Konzentrationsvorgänge daher im Ergebnis nur ausnahmsweise zu verbieten.711 Die Vorschriften zur Zusammenschlusskontrolle tragen dem Rechnung, indem sie Konzentrationsvorgänge lediglich einem System des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt unterstellen und zugleich hohe Anforderungen an die Untersagung eines Zusammenschlusses stellen. Konzentrationsvorgänge sind nach § 36 Abs. 1 S. 1 GWB, Art. 3 Abs. 3 FKVO für den Fall einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs, insbesondere durch die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung, zu untersagen (sog. Konzentrationsprivileg). Verhaltenskoordinierungen zwischen Unternehmen werden mit dem Kartellverbot hingegen einem per-se Verbot unterstellt, auch wenn sie nicht zur Entstehung übermäßiger Marktmacht führen. Die Abgrenzung zwischen dem konzentrativen oder kooperativen Charakter eines Vorgangs hat vor diesem Hintergrund vor allem deshalb Bedeutung, weil sie über die Strenge des kartellrechtlichen Prüfungsmaßstabs entscheidet.

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Lohse, Kartellfreie Gemeinschaftsunternehmen (1992), S. 62. Im Zweifel muss der Schwerpunkt der Wirkungen ermittelt werden, Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 94. 706 Vgl. Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 220. 707 Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 89, 92. 708 Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 225; Bundesregierung, Regierungsentwurf 2. GWB-Novelle v. 18. 8. 1971, BT-Drs. VI/2520, S. 18; vgl. auch Mestmäcker, in: FSRaisch (1995), S. 441 (445). 709 Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 93; vgl. auch Mestmäcker, in: FSHallstein (1966), S. 322 (332). 710 Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 93; vgl. auch Kommission, Das Problem der Unternehmenskonzentration im Gemeinsamen Markt v. 1. 12. 1965, SEK (65) 3500, WuW 1966, 330 (330 f.). 711 Kommission, Das Problem der Unternehmenskonzentration im Gemeinsamen Markt v. 1. 12. 1965, SEK (65) 3500, WuW 1966, 330 (343).

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aa) Erhöhung der relativen Konzentration Vom klassischen Bilde eines konzentrativen Vorgangs weichen frühe Marktzutritte insoweit ab, als sie die Anzahl der wirtschaftlichen Planungseinheiten am Markt nicht verringern. Zwar kann der beteiligte Generikahersteller im Zeitraum nach Patentablauf die größten Marktanteile des Originalpräparateherstellers für sich behaupten.712 Der Generikahersteller nimmt die Marktstellung des Originalpräparateherstellers jedoch nie vollständig ein, sodass der Originalpräparatehersteller auch nicht aus dem Markt ausscheidet. Bei genauerer Betrachtung ist ein vollständiges Ausscheiden des Veräußerers zur Annahme eines Konzentrationsvorganges jedoch auch nicht erforderlich. Bereits aus der bisherigen Verwaltungspraxis der Kommission und des BKartA wird ersichtlich, dass das Merkmal der zahlenmäßigen Abnahme wirtschaftlicher Planungseinheiten am Markt nicht absolut zu setzen ist.713 Nach der konsolidierten Mitteilung der Kommission über Zuständigkeitsfragen sowie nach der Ansicht des BKartA kann ein Unternehmenszusammenschluss nämlich auch im Falle der Auslagerung interner Unternehmenstätigkeiten vorliegen (sog. Outsourcing), wenn zu diesem Zweck Vermögenswerte an das Erwerbsunternehmen übertragen werden.714 Eine Marktpräsenz oder Marktstellung, in welche der Erwerber einrücken könnte, lässt sich diesen Vermögenswerten infolge ihrer bislang nur intern erfolgten Nutzung nicht zuordnen. Mit der Kommission soll in diesen Fällen gleichwohl ein Zusammenschluss anzunehmen sein, wenn die übertragenen Vermögenswerte den Erwerber in die Lage versetzen, „sofort oder innerhalb kurzer Zeit“ eine eigene Marktpräsenz respektive Marktstellung aufzubauen.715 Damit genügt zur Annahme eines Zusammenschlusses nach Ansicht der Kommission bereits der Übergang einer nur potentiellen Marktstellung auf den Erwerber. Dies entspricht der Ansicht des BKartA716 und stößt auch bei großen Teilen der Literatur auf Zustimmung717. Wenn 712

Siehe hierzu in und bei Fn. 108 (Kapitel 1). In dieselbe Richtung lassen sich die Ausführungen des BGH in der Entscheidung Warenzeichenerwerb interpretieren, in der es der BGH genügen ließ, dass das veräußernde Unternehmen seine Marktstellung nur teilweise aufgab, BGH, Beschl. v. 7. 7. 1992, KVR 14/91, BGHZ 119, 117 (129) – Warenzeichenerwerb. 714 Kommission, Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, ABl. EU 2009/C 43/09, Rn. 25 f.; zur Haltung des BKartA siehe Bach, in: MünchKom, GWB2 (2015), § 37 Rn. 30; zustimmend Kallfaß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 37 Rn. 10. 715 Kommission, Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen, ABl. EU 2009/C 43/09, Rn. 26. 716 BKartA, Beschl. v. 2. 8. 2004, B 6-26/04, WuW/E DE-V 947 (951 f.) – National Geographic; aA OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15. 6. 2005, IV Kart 24/04 (V), WuW/E DE-R 1504 (1506 ff.) – National Geographic; BGH, Beschl. v. 10. 10. 2006, KVR 32/05, BGHZ 170, 130 (135 f.) – Lizenzerwerb als Unternehmenszusammenschluss; kritisch auch Monopolkommission, Hauptgutachten XVI. (2004/2005), BT-Drs. 16/2460, Rn. 449 ff. 717 Albert, Patente in der Fusionskontrolle (2011), S. 66 f.; Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 85 f.; aA von Merveldt, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), § 37 GWB Rn. 6. 713

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aber bereits der Übergang einer nur potentiellen Marktstellung zur Annahme eines Unternehmenszusammenschlusses führt und damit der Umstand, dass der Veräußerer nie am Markt tätig war und deshalb auch nicht vom Markt ausscheiden kann, unberücksichtigt bleibt, dann muss dies erst recht für Konstellationen gelten, in denen der Veräußerer über eine Marktstellung verfügt, der Erwerber den Veräußerer aber nicht vollständig, sondern nur teilweise aus seiner Marktstellung verdrängt.718 Auch in der Literatur wird es als hinreichende, nicht aber als notwendige Voraussetzung angesehen, dass der Erwerber im Rahmen eines Zusammenschlusses in die Stellung des Veräußerers einrückt.719 Bei der Beurteilung eines Zusammenschlusses seien nicht die Wirkungen des Transaktionsvorgangs für den Veräußerer, sondern vielmehr dessen Wirkungen für den Erwerber in den Vordergrund zu rücken720. Diese Interpretation des Zusammenschlussbegriffs vermag mit Blick auf den Zweck der Zusammenschlusskontrolle zu überzeugen. Dem Zweck der Zusammenschlusskontrolle entspricht es, missbrauchsgeneigte Marktstrukturen, d. h. die Entstehung oder Verstärkung von Marktmacht zu verhindern.721 Für die Entstehung oder Verstärkung der Marktmacht auf Erwerberseite ist die Zukunft der Marktstellung des Veräußerers jedoch von untergeordneter Bedeutung. Wettbewerblich unzureichend kontrollierte Verhaltensspielräume können nämlich auch dann entstehen, wenn der Veräußerer, wie im Falle früher Marktzutritte, zwar am Markt verbleibt, seine Marktmacht jedoch im Wege des Transaktionsvorgangs auf den Erwerber überträgt. Zwar stellt die Zusammenschlusskontrolle zur Bestimmung der Unternehmenskonzentration vorwiegend auf die Anzahl der auf einem Markt tätigen Unternehmen ab und richtet sich damit vor allem an der Kontrolle der absoluten Unternehmenskonzentration auf Märkten aus.722 Die Anzahl der Marktteilnehmer ist 718 Über ein Abrücken vom Merkmal des Ausscheidens des Veräußerers vom Markt ließe sich auch der stetig wachsenden Marktstrukturrelevanz immaterieller Vermögensgüter effektiv Rechnung tragen. Unternehmen investieren heute zunehmend weniger in körperliche Vermögenswerte, dafür umso häufiger in immaterielle Vermögensgüter, Spangler, Zusammenschluss durch Lizenzierung (2010), S. 1; siehe auch Klopschinski/Prinz zu Waldeck und Pyrmont, GRUR Int 2008, 393 (400). Immaterielle Güter zeichnen sich aber gerade durch eine NichtRivalität im Konsum aus. Immaterialgüterrechte können grundsätzlich durch beliebig viele Personen gleichzeitig genutzt werden, Heinemann, Immaterialgüterschutz (2002), S. 5. Anders als im Rahmen von Transaktionen über marktstrukturrelevantes materielles Vermögen, geht die Erlaubnis zur Nutzung immaterieller Güter deshalb nicht zwingend damit einher, dass der Veräußerer seine Nutzungsmöglichkeit verliert und insoweit aus dem Markt ausscheidet. 719 Albert, Patente in der Fusionskontrolle (2011), S. 66; siehe auch Bach, in: MünchKom, GWB2 (2015), § 37 Rn. 28. 720 Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, GWB4 (2007), § 37 Rn. 17 m.w.N. zur Rechtsprechung; Albert, Patente in der Fusionskontrolle (2011), S. 45 f.; in diese Richtung auch Ulshöfer, Kontrollerwerb (2003), S. 110 f.; Kallfaß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 37 Rn. 9 f. 721 Siehe in und bei Fn. 496 f. 722 Böhlk, Der Zusammenschlussbegriff (1979), S. 60; vgl. auch Körber, in: Immenga/ Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 2 (2012), Art. 3 FKVO Rn. 1, der die Struktur eines Marktes maßgeblich über die Anzahl der dort tätigen Marktteilnehmer bestimmt sieht.

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jedoch nicht die einzige Bestimmungsgröße wettbewerbsrechtlich kritischer Konzentration. Konzentration liegt vielmehr auch im Falle relativer Konzentration vor, wenn sich die Marktanteile als Merkmal und zugleich als Indikator für die Marktmacht eines Unternehmens ungleich auf die am Markt tätigen Unternehmen als Merkmalsträger verteilen.723 Konzentrative Wirkungen und hieraus resultierende wettbewerbliche Verhaltensspielräume können insoweit auch ohne das Ausscheiden von Marktteilnehmern eintreten. Unter Berücksichtigung der Vorgabe zur Auslegung der Zusammenschlusstatbestände am Maßstab der wettbewerbsschützenden Zielsetzung des Kartellrechts724, kann es im Rahmen der Beurteilung eines Zusammenschlusses deshalb im Ergebnis nicht darauf ankommen, dass sich die Anzahl der am Markt tätigen Planungseinheiten verringert. Entscheidend ist vielmehr alleine das Eintreten von Marktmachtverschiebungen. Der Einordnung früher Marktzutritte als konzentrative Vorgänge steht es demzufolge nicht entgegen, dass der Erwerber nur teilweise in die Marktstellung des Veräußerers einrückt, weil dieser Vorgang dem Erwerber einen bedeutsamen und dauerhaften Marktanteilsvorsprung und damit einen wettbewerblich nur unzureichend kontrollierten Verhaltensspielraum verschafft. bb) Konzentration durch Dekonzentrationshemmung Der Anwendung der Zusammenschlusskontrolle auf frühe Marktzutritte steht auch nicht entgegen, dass die beteiligten Generikahersteller den Markt hierdurch erst betreten, sodass frühe Marktzutritte augenscheinlich gerade nicht konzentrativ, sondern vielmehr dekonzentrativ wirken. Richtig ist zwar, dass der Vollzug früher Marktzutritte zunächst zum Hinzutreten einer weiteren Planungseinheit zum Markt führt. Bereits aus der Verwaltungspraxis der Kommission, welche die Zusammenschlusskontrolle auch im Falle der Auflösung von Gemeinschaftsunternehmen anwendet, wird jedoch ersichtlich, dass ein Unternehmenszusammenschluss auch im Falle dekonzentrativer Wirkungen anzunehmen sein kann.725 Vor allem aber ist die augenscheinlich dekonzentrative Wirkung früher Marktzutritte nur dem besonderen Kontext des bevorstehenden Patentablaufs geschuldet und bildet gerade einen notwendigen Aspekt der besonderen konzentrativen Wirkungsweise früher Marktzutritte. Auf Arzneimittelmärkten büßen Originalpräparatehersteller mit Patentablauf regelmäßig einen Großteil ihrer Marktanteile ein, die von einer Vielzahl hinzutretender Generikahersteller für sich behauptet werden.726 Der Patentablauf markiert insoweit den Beginn eines gesetzlich vorgesehenen Dekonzentrationsprozesses. Im Unterschied zu gewöhnlichen Konzentrationsvorgängen rückt der Generikaher723

Siehe in und bei Fn. 493. Paschke, Der Zusammenschlussbegriff (1989), S. 28 f. 725 Kallfaß, in: Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht12 (2014), § 37 Rn. 4; Wiedemann, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008), § 15 Rn. 78a. 726 Siehe in und bei Fn. 97 ff. (Kapitel 1). 724

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steller im Rahmen eines frühen Marktzutritts demnach nicht in eine auch für die Zukunft beständige Marktstellung, sondern in die ohnehin zu schwinden drohende Marktstellung des Originalpräparateherstellers ein. Die von frühen Marktzutritten ausgehende Gefährdung der Struktur von Arzneimittelmärkten resultiert insoweit nicht daraus, dass frühe Marktzutritte die Unternehmenskonzentration auf diesen Märkten unmittelbar erhöhten und damit deren bestehende Struktur zum Nachteil des Wettbewerbs ausgestalteten. Die Wirkungen früher Marktzutritte auf die im Zeitpunkt des frühen Marktzutritts bestehende Marktstruktur sind kartellrechtlich vielmehr zu begrüßen, weil frühe Marktzutritte zum Tätigwerden eines weiteren Marktteilnehmers führen. Sehr wohl aber gefährden frühe Marktzutritte die zukünftige Struktur dieser Arzneimittelmärkte, indem sie sich den dort mit Patentablauf einsetzenden Dekonzentrationsprozess zur teilweisen Übertragung der Marktstellung des Originalpräparateherstellers auf den Generikahersteller zunutze machen, das Eintreten der dekonzentrativen Wirkung im Sinne einer Verteilung dieser Marktstellung auf eine Vielzahl von Generikaherstellern aber gerade verhindern.727 Die Zulassung des Generikaherstellers wirkt demnach zwar vordergründig dekonzentrativ, die dekonzentrative Wirkung schlägt jedoch mit Patentablauf in eine konzentrative Wirkung um, weil die vorzeitige Zulassung des Generikaherstellers den mit Patentablauf einsetzenden Dekonzentrationsprozess beeinträchtigt. Die Übertragung von Erstanbietervorteilen im Wege früher Marktzutritte nur kurze Zeit vor Patentablauf steigert damit die relative Konzentration auf dem späteren Arzneimittelmarkt durch die Hemmung von Dekonzentration. II. Zwischenergebnis Im Wege früher Marktzutritte erlangen Generikahersteller die Kontrolle über die Erstanbietervorteile der Originalpräparatehersteller und sind dadurch in der Lage, zu weiten Teilen in die Marktstellungen der Originalpräparatehersteller einzurücken. Frühe Marktzutritte sind vor diesem Hintergrund als Zusammenschlüsse der beteiligten Originalpräparate- und Generikahersteller nach §§ 37 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 lit. a) GWB, Art. 3 Abs. 1 lit. b) FKVO zu qualifizieren. Bei Erreichen der erforderlichen Umsatzschwellen nach § 35 GWB, Art. 1 Abs. 2 und 3 FKVO erfüllen frühe Marktzutritte damit den Aufgreiftatbestand der nationalen und europäischen Zusammenschlusskontrolle. Frühe Marktzutritte sind deshalb vor ihrem Vollzug nach Art. 4 Abs. 2 FKVO, § 39 GWB bei den zuständigen Wettbewerbsbehörden anzumelden und dürfen ohne deren Freigabe innerhalb der hierfür vorgesehenen Fristen nicht vollzogen werden (Art. 7 Abs. 1 FKVO, § 41 GWB GWB).

727 Zur Kontrollfähigkeit zukünftiger Marktstrukturen im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle siehe in und bei Fn. 737 ff.

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III. Eingriffsvoraussetzungen Ein Transaktionsvorhaben zwischen Unternehmen, das die Aufgreifschwellen der Zusammenschlusskontrolle erfüllt, wird durch die Kartellbehörden auf Grundlage des sog. SIEC-Tests (Significant Impediment to Effective Competition) untersagt, wenn es zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung, führt (Art. 2 Abs. 3 FKVO). Der in der europäischen Zusammenschlusskontrolle bereits seit 2004 als Eingriffskriterium verankerte SIEC-Test wurde im Zuge der Achten GWB-Novelle auch in das deutsche Recht übernommen (§ 36 Abs. 1 GWB). Mit seiner Übernahme sollte eine weitgehend gleichlaufende Beurteilung von Zusammenschlussvorhaben auf deutscher und europäischer Ebene erreicht und damit ein gemeinsames „level playing field“ geschaffen werden.728 Der SIEC-Test ersetzte im deutschen Recht den bis dato gültigen Marktbeherrschungstest.729 Das Eingriffskriterium der Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung ist in § 36 Abs. 1 GWB seitdem (nur noch) als Regelbeispiel ausgestaltet.730 Im Zuge der GWB-Novellierung ging der Gesetzgeber allerdings davon aus, die Beurteilung von Zusammenschlussvorhaben werde auch zukünftig vorwiegend am Maßstab des Marktbeherrschungstests erfolgen.731 Entsteht durch einen Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung oder wird eine solche durch den Zusammenschluss verstärkt, soll ausweislich der Regierungsbegründung stets auch eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs nach den Grundsätzen des SIEC-Tests gegeben sein.732 1. Bestimmung des relevanten Marktes Der Überprüfung eines Unternehmenszusammenschlusses am Eingriffstatbestand der erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs ist die Bestimmung des relevanten Marktes vorgelagert.733 Relevant ist dabei stets derjenige Markt, auf dem 728

Bundesregierung, Gesetzesentwurf 8. GWB Novelle, BT-Drs. 17/9852, S. 28; kritisch Kühnen, WuW 2012, 458 (463 ff.). 729 Esser/Höft, NZKart 2013, 447 (447). 730 Bundesregierung, Gesetzesentwurf 8. GWB Novelle, BT-Drs. 17/9852, S. 28; Kühnen, WuW 2012, 458 (464); zum europäischen Recht siehe Kellerbauer, in: Berg/Mäsch, Kartell2 recht (2015), Art. 2 FKVO Rn. 21. 731 Bundesregierung, Gesetzesentwurf 8. GWB Novelle, BT-Drs. 17/9852, S. 28; Bechtold/ Bosch, GWB8 (2015), § 36 Rn. 4; so auch die europäische Untersagungspraxis, Bechtold/ Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht3 (2014), Art. 2 FKVO Rn. 23; Kühnen, WuW 2012, 458 (461). 732 Bundesregierung, Gesetzesentwurf 8. GWB Novelle, BT-Drs. 17/9852, S. 28; vgl. auch Kommission, Leitlinien für horizontale Zusammenschlüsse, ABl. EU 2004/C 31/03, Rn. 4; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14. 8. 2013, VI Kart 1/12 (V), WuW 2014, 70 (80), Rn. 141 – Liberty Global/Kabel BW; Weitbrecht/Willems, ZWeR 2013, 365 (375); aA Kühnen, WuW 2012, 458 (464); Esser/Höft, NZKart 2013, 447 (453). 733 Vgl. Kommission, Leitlinien für horizontale Zusammenschlüsse, ABl. EU 2004/C 31/ 03, Rn. 10; v. Merveldt, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), § 36 GWB Rn. 6.

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sich der Zusammenschluss auswirken wird. Im Falle früher Marktzutritte handelt es sich hierbei um den Markt für das vertragsgegenständliche Arzneimittel, auf dem der Originalpräparatehersteller bereits tätig ist und sein generischer Vertragspartner mit Vollzug des frühen Marktzutritts tätig werden wird.734 Einer Untersagung früher Marktzutritte über die europäische Zusammenschlusskontrolle steht dabei nicht entgegen, dass es sich bei den im Rahmen früher Marktzutritte relevanten Arzneimittelmärkten in geografischer Hinsicht meist um nationale Märkte handelt.735 Für die Eingriffsschwelle der europäischen Zusammenschlusskontrolle notwendig, aber auch ausreichend, ist nach Art. 2 Abs. 3 FKVO nämlich das Vorliegen einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs „in einem wesentlichen Teil“ des Gemeinsamen Marktes. Ein wesentlicher Teil des Gemeinsamen Marktes kann anerkanntermaßen aber gerade auch aus dem gesamten Gebiet eines Mitgliedstaates sowie im Falle größerer Mitgliedstaaten gar aus einzelnen Regionen dieser Mitgliedstaaten bestehen.736 2. Kontrollfähigkeit zukünftiger Marktstrukturen Die Beurteilung von Zusammenschlussvorhaben am Maßstab des SIEC-Tests erfolgt auf Grundlage einer auswirkungsbasierten Analyse des Zusammenschlussvorhabens.737 Erforderlich ist stets eine Bewertung der im Rahmen einer Prognoseentscheidung738 vorhersehbaren Wirkungen des Einzelfalles.739 Zur Feststellung dieser Wirkungen werden die Wettbewerbsbedingungen, die sich infolge des Zusammenschlusses ergeben werden, mit denjenigen Wettbewerbsbedingungen verglichen, die ohne den Zusammenschluss bestünden.740 Grundsätzlich zielt die Zusammenschlusskontrolle darauf ab, bestehende Marktstrukturen zu erhalten.741 Re734 Zur sachlichen Marktabgrenzung von Arzneimittelmärkten siehe in und bei Fn. 163 ff. Zur sachlichen Marktabgrenzung im Falle von Generika und Originalpräparaten siehe in und bei Fn. 182. 735 Siehe in und bei Fn. 162. 736 Bardong, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 2 FKVO Rn. 121; Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht3 (2014), Art. 2 FKVO Rn. 56. 737 v. Merveldt, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), § 36 GWB Rn. 4; Esser/Höft, NZKart 2013, 447 (448); Kühnen, WuW 2012, 458 (459). 738 Bechtold/Bosch, GWB8 (2015), § 36 Rn. 9. 739 Kommission, Leitlinien für horizontale Zusammenschlüsse, ABl. EU 2004/C 31/03, Rn. 13. 740 Kommission, Leitlinien für horizontale Zusammenschlüsse, ABl. EU 2004/C 31/03, Rn. 9; BGH, Beschl. v. 19. 6. 2012, KVR 15/11, WuW/E DE-R 3695 (3697) – Haller Tagblatt; BGH, Beschl. v. 8. 6. 2010, KVR 4/09, WuW/E DE-R 3067 (3075) – Springer/Pro Sieben II; BGH, Beschl. v. 11. 11. 2008, KVR 60/07, WuW/E DE-R 2451 (2460) – E.ON/Stadtwerke Eschwege; BGH, Beschl. v. 12. 2. 1980, KVR 4/79, WuW/E BGH 1763 (1766) – Bituminöses Mischgut; Kellerbauer, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 2 FKVO Rn. 4; Bechtold/ Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht3 (2014), Art. 2 FKVO Rn. 28, 65; v. Merveldt, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), § 36 GWB Rn. 22; Bechtold/Bosch, GWB8 (2015), § 36 Rn. 10. 741 Paschke, Der Zusammenschlussbegriff (1989), S. 16.

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gelmäßig bilden daher die im Zeitpunkt des Zusammenschlusses vorherrschenden Wettbewerbsbedingungen den Vergleichsmaßstab im Rahmen des Eingriffstatbestandes.742 Im Falle früher Marktzutritte führte eine derart verengte Betrachtung freilich dazu, dass die Auswirkungen früher Marktzutritte auf die Marktstruktur als positiv bewertet werden müssten, weil die Zulassung eines weiteren Marktteilnehmers die Wettbewerbsbedingungen im Vergleich zur Monopolphase vor dem frühen Marktzutritt stets verbessert. Den wettbewerblich kritischen Wirkungen früher Marktzutritte, die erst im Zeitraum nach Patentablauf aktuell werden, sowie dem präventiven Charakter743 der Zusammenschlusskontrolle würde eine solche Betrachtung nicht gerecht werden. Richtigerweise beschränken sich die Kartellbehörden bei der Bestimmung derjenigen Wettbewerbsbedingungen, die ohne den Zusammenschluss bestünden, deshalb nicht auf den aktuellen Stand der Marktstruktur im Zeitpunkt des Zusammenschlusses, sondern treffen auch in dieser Hinsicht eine Prognoseentscheidung744. Der Prognosezeitraum beträgt dabei regelmäßig drei bis fünf Jahre.745 In das Vergleichsszenario werden demnach auch verlässliche, zukünftige Veränderungen der Marktstruktur, wie etwa bevorstehende Marktzutritte, eingestellt.746 Im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle relevant werden können vor diesem Hintergrund gerade auch Märkte, die erst zukünftig entstehen oder die sich im Zeitpunkt des Zusammenschlusses noch in der Entstehungsphase befinden.747 Den Eingriffstatbestand der Zusammenschlusskontrolle zu erfüllen vermögen auch Transaktionsvorgänge, die im Vorfeld einer Marktöffnung stattfinden. Die Zusammenschlusskontrolle dient insoweit nicht nur dem Schutz bestehender Marktstrukturen, sondern vielmehr auch dem Schutz zukünftiger Marktstrukturen.748 Auch im Falle früher Marktzutritte beschränkt sich das Vergleichsszenario mithin nicht auf die Struktur des Arzneimittelmarktes im Stadium vor Vollzug des frühen Marktzutritts. Berücksichtigungsfähig sind vielmehr auch dessen zeitliche Nähe zum Patentablauf sowie der damit auf Arzneimittelmärkten für gewöhnlich einsetzende Dekonzentrationsprozess. Die Auswirkungen früher Marktzutritte sind damit im 742 Kommission, Leitlinien für horizontale Zusammenschlüsse, ABl. EU 2004/C 31/03, Rn. 9; Kellerbauer, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 2 FKVO Rn. 4. 743 Siehe die Nachweise in Fn. 501. 744 BGH, Beschl. v. 19. 6. 2012, KVR 15/11, WuW/E DE-R 3695 (3697) – Haller Tagblatt. 745 BGH, Beschl. v. 19. 6. 2012, KVR 15/11, WuW/E DE-R 3695 (3701) – Haller Tagblatt; Kellerbauer, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 2 FKVO Rn. 4; Bechtold/Bosch, GWB8 (2015), § 36 Rn. 11. 746 Kommission, Leitlinien für horizontale Zusammenschlüsse, ABl. EU 2004/C 31/03, Rn. 9; Kellerbauer, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 2 FKVO Rn. 4 f.; Bechtold/ Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht3 (2014), Art. 2 FKVO Rn. 44; Bardong, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 2 FKVO Rn. 65, 140. 747 Bardong, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 2 FKVO Rn. 66. 748 Siehe nur OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14. 8. 2013, VI Kart 1/12 (V), WuW 2014, 70 (77 ff.), Rn. 121 ff. – Liberty Global/Kabel BW, in dem das Gericht als Untersagungskriterium auf die Verhinderung zukünftigen potentiellen Wettbewerbs abstellte; siehe hierzu Melcher, WuW 2014, 389.

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Ergebnis anhand eines Vergleichs mit der Struktur des Arzneimittelmarktes im Zeitraum nach Patentablauf zu ermitteln, in dem der Arzneimittelmarkt regelmäßig zu gleichen Bedingungen durch eine unbestimmte Anzahl von Generikaherstellern betreten wird und der Originalpräparatehersteller folglich erheblich an Marktanteilen einbüßt749. 3. Erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs Bei der Beurteilung einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs berücksichtigen die Kartellbehörden sowohl die mit dem Zusammenschluss verbundenen nicht-koordinierten (unilateralen) wie auch dessen koordinierte Auswirkungen auf den Wettbewerb. Die Einführung des SIEC-Tests sollte dabei insbesondere dazu beitragen, die nicht-koordinierten Wirkungen eines Zusammenschlusses unterhalb der Marktbeherrschungsschwelle besser erfassen zu können.750 Nicht-koordinierte Wirkungen ergeben sich aus der mit dem Zusammenschluss unmittelbar verbundenen Beseitigung von Wettbewerbsdruck, ohne dass sich die Zusammenschlussparteien hierfür mit anderen Unternehmen abstimmen müssen.751 Nicht-koordinierte Effekte entsprechen insoweit der Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung.752 Koordinierte Wirkungen liegen demgegenüber vor, wenn der Zusammenschluss die am Markt verbleibenden Unternehmen in die Lage versetzt, sich besser über ihr Wettbewerbsverhalten abstimmen zu können und dadurch eine gemeinsame marktbeherrschende Stellung zu begründen oder eine solche zu verstärken.753 Im Falle früher Marktzutritte erscheinen insbesondere die hiermit verbundenen nicht-koordinierten Wirkungen als bedenklich. Zwar führt der Vollzug eines frühen Marktzutrittes nicht zu einer unmittelbaren Verringerung des Wettbewerbsdrucks durch den Wegfall eines (potentiellen) Wettbewerbers754, sondern vielmehr zum Hinzutreten eines generischen Wettbewerbers. Zu befürchten bleibt jedoch, dass der Vollzug eines frühen Marktzutrittes zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung auf Seiten dieses generischen Wettbewerbers führt. In der Terminologie des SIEC-Tests ließe sich die von frühen Marktzutritten ausgehende Behinderung wirksamen Wettbewerbs dadurch charakterisieren, dass frühe 749 Zu den mit Patentablauf einsetzenden Marktanteilsverlusten siehe in und bei Fn. 97 ff. (Kapitel 1). 750 Bundesregierung, Gesetzesentwurf 8. GWB Novelle, BT-Drs. 17/9852, S. 28; siehe auch Erwgr. 25 der FKVO; Kellerbauer, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 2 FKVO Rn. 22; Weitbrecht/Willems, ZWeR 2013, 365 (375); Kühnen, WuW 2012, 458 (459); vgl. auch Bechtold/Bosch, GWB8 (2015), § 36 Rn. 4. 751 Kellerbauer, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 2 FKVO Rn. 33. 752 Kellerbauer, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 2 FKVO Rn. 34; Bechtold/ Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht3 (2014), Art. 2 FKVO Rn. 22. 753 Kellerbauer, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 2 FKVO Rn. 36, 51; Bechtold/ Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht3 (2014), Art. 2 FKVO Rn. 22. 754 Siehe hierzu Bardong, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 2 FKVO Rn. 143; Bechtold/Bosch, GWB8 (2015), § 36 Rn. 24.

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Marktzutritte die Ergebnisoffenheit des Wettbewerbsprozesses755 und damit den Charakter wirksamen Wettbewerbs als Verfahren zur Entdeckung effizienter Marktstrukturen756 vereiteln, indem sie den Erfolg bestimmter Unternehmen bereits im Vorfeld der Marktöffnung vorbestimmen. Fusionskontrollrechtlich problematisch ist dabei nicht, dass frühe Marktzutritte zur Verschiebung und Vereinigung existierender Marktmacht führten, wohl aber, dass frühe Marktzutritte unter Aushebelung der Marktkräfte zur Überleitung und damit zum Fortbestand von Marktmacht über den Zeitpunkt des Patentablaufs hinaus führen. a) Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung Ein Unternehmen ist marktbeherrschend, wenn es über einen vom Wettbewerb nur unzureichend kontrollierten Verhaltensspielraum verfügt, sich also gegenüber Wettbewerbern, Abnehmern und Verbrauchern unabhängig verhalten kann.757 Auch unter der Geltung des SIEC-Tests kommt dem Marktanteilszuwachs auf Seiten des Zusammenschluss-Erwerbers eine wichtige Indizwirkung für dessen zusammenschlussbedingte Marktstellung und damit für die Beurteilung des Zusammenschlussvorhabens selbst zu.758 Im deutschen Recht wird das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung nach § 18 Abs. 4 GWB ab einer Marktanteilshöhe von 40 % vermutet. Nach europäischem Recht liefern hingegen Marktanteile von 50 % regelmäßig den Beweis für das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung.759 Von besonderer Bedeutung für die Indizwirkung der Marktanteile eines Unternehmens ist auch deren Abstand zu den Marktanteilen der Wettbewerber760 sowie ihre Stabilität761. Inwieweit der Marktanteilszuwachs eines am Vollzug eines frühen Marktzutritts beteiligten Generikaherstellers seiner Höhe nach eine Indiz755

Meessen, JZ 2009, 697 (698). Schellhaaß/Neumann, WuW 1986, 196 (196 f.); zum Charakter des Wettbewerbs als Entdeckungsverfahren siehe auch Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht3 (2014), § 3 Rn. 1 f.; Meessen, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009), Einführung in das deutsche und europäische Kartellrecht Rn. 7; siehe umfassend auch von Hayek, Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren (1968), S. 1 ff. 757 BGH, Beschl. v. 11. 11. 2008, KVR 60/07, WuW/E DE-R 2451 (2453) – E.ON/Stadtwerke Eschwege; Mestmäcker, in: FS-Raisch (1995), S. 441 (444); siehe auch in und bei Fn. 156. 758 Kommission, Leitlinien für horizontale Zusammenschlüsse, ABl. EU 2004/C 31/03, Rn. 27. 759 Siehe nur EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 176 – AstraZeneca. 760 Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht3 (2014), Art. 2 FKVO Rn. 33; Bardong, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 2 FKVO Rn. 161; Kellerbauer, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 2 FKVO Rn. 42; siehe auch BGH, Beschl. v. 11. 11. 2008, KVR 60/07, WuW/E DE-R 2451 (2459) – E.ON/Stadtwerke Eschwege; BGH, Beschl. v. 8. 6. 2010, KVR 4/09, WuW/E DE-R 3067 (3075) – Springer/Pro Sieben II. 761 Bardong, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 2 FKVO Rn. 162; BGH, Beschl. v. 8. 6. 2010, KVR 4/09, WuW/E DE-R 3067 (3071) – Springer/Pro Sieben II. 756

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

wirkung oder gar den Beweis für dessen marktbeherrschende Stellung begründet, lässt sich losgelöst vom Einzelfall nur schwer beurteilen. Die bisherigen ökonomischen Untersuchungen zur Marktanteilsentwicklung autorisierter Generika legen den Schluss auf eine marktbeherrschende Stellung der Generikahersteller allerdings nahe.762 So handelt es sich nach bisheriger Kenntnislage bei den Herstellern autorisierter Generika häufig auch noch Jahre nach ihrem Marktzutritt um die Marktführer auf Arzneimittelmärkten.763 Konkret werden die Marktanteile des Erstanbieters während der ersten Jahre nach dem Marktzutritt hierbei mit 47 % oder gar mit 63 % beziffert.764 Ein Erreichen der für die Annahme einer marktbeherrschenden Stellung erforderlichen Marktanteilsschwellen liegt insoweit nahe. Überdies wurde aus diesen Untersuchungen ersichtlich, dass die Marktanteile des generischen Erstanbieters gerade auch im Vergleich zu den Marktanteilen nachfolgender Generikahersteller in aller Regel deutlich erhöht sind. Teilweise wurden hierbei durchschnittliche Erhöhungen um 20 – 35 % festgestellt.765 Andere gingen gar von im Vergleich zum zweiten Anbieter um 80 % und im Vergleich zum dritten Anbieter um 225 % erhöhte Marktanteile aus.766 Regelmäßig dürfte daher nicht nur die absolute Höhe der Marktanteile des generischen Erstanbieters, sondern auch dessen Marktanteilsabstand zu nachfolgenden Generikaherstellern das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung stützen. Nicht zuletzt sind die Hersteller autorisierter Generika aber auch in der Lage, ihre hohen Marktanteile über einen verhältnismäßig langen Zeitraum gegenüber nachfolgenden Generikaherstellern zu behaupten. Teilweise wurden frühen Marktzutritten hierbei Wirkungen bescheinigt, die über einen Zeitraum von vier Jahren hinausreichen.767 Bisweilen wurden positive Wirkungen auf die Marktanteilsentwicklung aber auch nach zehn Jahren noch festgestellt.768 Insgesamt dürfte sich aus dem Marktanteilszuwachs auf Seiten der an frühen Marktzutritten beteiligten Generikahersteller damit regelmäßig der Schluss auf die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung ziehen lassen. b) Untersagungsrelevante Bewertungskriterien Im Übrigen erfolgt die Beurteilung eines Unternehmenszusammenschlusses im Allgemeinen769 sowie die Beurteilung einer marktbeherrschenden Stellung im Be762

tel 1).

Zur Marktanteilsentwicklung autorisierter Generika siehe in und bei Fn. 97 ff. (Kapi-

763 Siehe in und bei Fn. 142 f. (Kapitel 1). Zur Bedeutung der Stellung als Markführer für die Marktmacht eines Unternehmens siehe Bardong, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 2 FKVO Rn. 132. 764 Siehe in und bei Fn. 131, 146 (Kapitel 1). 765 Siehe in und bei Fn. 130 (Kapitel 1). 766 Siehe in und bei Fn. 145 (Kapitel 1). 767 Siehe in und bei Fn. 136 (Kapitel 1). 768 Siehe in und bei Fn. 143 (Kapitel 1). 769 Siehe in und bei Fn. 739.

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sonderen770 stets anhand einer Gesamtbewertung aller relevanten Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Für die fusionskontrollrechtliche Bewertung früher Marktzutritte lassen sich gleichwohl eine Reihe allgemeingültiger Kriterien aufzeigen, welche die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung beeinflussen und damit die Entscheidung über deren Untersagung in die eine oder andere Richtung lenken. Entscheidendes Kriterium für die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung auf Seiten des Generikaherstellers ist hierbei die Ausprägung der im Einzelfall auf ihn übergeleiteten Erstanbietervorteile. aa) Qualität des Patents des Originalpräparateherstellers Ein Kriterium, das für die Realisierung der mit frühen Marktzutritten verbundenen Erstanbietervorteile und damit für deren Auswirkungen auf die Marktstellung des Generikaherstellers bedeutsam ist, stellt die Qualität des Originalpräparatepatents dar.771 Zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung auf Seiten der Generikahersteller führen frühe Marktzutritte tendenziell eher dann, wenn es sich bei dem Patent des Originalpräparateherstellers um ein Schlüsselpatent handelt, wenn das Patent des Originalpräparateherstellers also zur Herstellung und zum Vertrieb des Arzneimittels nicht durch andere technische Lehren umgangen werden kann. Handelt es sich hingegen nicht um ein solches Schlüsselpatent, sind regelmäßig auch andere Originalpräparatehersteller am Markt tätig, die Arzneimittel anbieten, die zwar auf anderen patentierten Lehren beruhen, die mit dem vertragsgegenständlichen Arzneimittel jedoch austauschbar sind und mit diesem in Wettbewerb stehen. Die Wirkungen, die sich aus dem Erstanbieterstatus des autorisierten Generikums ergeben, und damit die Marktstrukturrelevanz des frühen Marktzutritts dürfte für diesen Fall bereits dem Grunde nach abgeschwächt sein, weil bereits vor Patentablauf mehrere Unternehmen am Markt tätig sind.772 Überdies bleibt zu vermuten, dass die Wettbewerber des Originalpräparateherstellers in diesen Fällen auf den frühen Marktzutritt des Originalpräparateherstellers ebenfalls mit der vorzeitigen Zulassung von Generikaherstellern reagieren und dem generischen Erstanbieter damit die Möglichkeit nehmen, sich ohne generischen Wettbewerbsdruck am Markt zu etablieren. Auszuschließen ist die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung auf Seiten des generischen Erstanbieters aber auch im Falle alternativer technischer Lehren zur Herstellung und zum Vertrieb des Arzneimittels nicht. Schließlich können konkurrierende Originalpräparatehersteller von dem bevorstehenden Vollzug des frühen Marktzutritts im Einzelfall keine Kenntnis erlangen oder aus anderen Gründen außerstande sein, auf den frühen Marktzutritt ihrerseits mit der vorzeitigen Zulassung weiterer Generikahersteller zu reagieren. 770

Siehe in und bei Fn. 157. Die Kommission hegt gegenüber Zusammenschlussvorhaben im Arzneimittelsektor generell eher Bedenken, wenn das betreffende Produkt noch patentgeschützt ist, vgl. Lübbig/ Klasse, Kartellrecht im Pharma- und Gesundheitssektor2 (2015), § 6 Rn. 20. 772 Vgl. Ullrich, ZHR 137 (1973), 134 (160), nach dem ausschließliche Lizenzen dann zu Marktanteilsvorsprüngen führen, wenn ihre Substituierbarkeit erheblich eingeschränkt ist. 771

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bb) Indikation des Arzneimittels Ebenfalls ausschlaggebend für die fusionskontrollrechtliche Bewertung früher Marktzutritte ist die Indikation des vertragsgegenständlichen Arzneimittels. Handelt es sich hierbei um ein Arzneimittel zur Behandlung von Dauerkrankheiten, so weisen die Patienten und Ärzte auf der Marktgegenseite infolge des erhöhten Arzneimittelbedarfs regelmäßig eine höhere Preissensibilität auf.773 Die Vorteile des generischen Erstanbieters gegenüber nachfolgenden Generikaherstellern sind für diesen Fall allenfalls in abgeschwächter Form vorhanden, weil die Marktgegenseite eine geringere Produktloyalität774 und die hieraus resultierende wirtschaftliche Marktzutrittsschranke775 eine geringere Intensität aufweist. Schließlich stellen für unabhängige Generikahersteller in solchen Fällen auch Preissenkungen ein taugliches Mittel dar, um die Marktgegenseite entgegen der hiermit verbundenen Kosten vom Wechsel auf alternative kostengünstigere Arzneimittel zu überzeugen.776 Sind insoweit aber die Vorteile, welche der Hersteller des autorisierten Generikums aus seinem Status als Erstanbieter am Markt erlangen kann, weniger stark ausgeprägt, erscheint auch die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung auf Seiten dieser Hersteller als weniger wahrscheinlich. cc) Größe des betroffenen Arzneimittelmarktes Von besonderer Bedeutung für die fusionskontrollrechtliche Überprüfung früher Marktzutritte ist die Größe des betroffenen Arzneimittelmarktes im Zeitpunkt vor Patentablauf. Kann eine starke Markstellung über einen gewissen Zeitraum auch fusionskontrollrechtlich noch zu akzeptieren sein, wenn hierdurch Anreize zur Entwicklung neuer Produkte oder neuer Märkte gesetzt werden, so darf der Wettbewerb durch den Zusammenschluss keinesfalls dauerhaft ausgeschlossen werden.777 Ein Zusammenschlussvorhaben findet insoweit dort seine Grenze, wo potentielle Konkurrenz verhindert wird.778 Nach ständiger Rechtsprechung und Verwaltungspraxis berücksichtigungsfähig sind im Rahmen der fusionskontrollrechtlichen Überprüfung daher auch die mit dem Zusammenschluss verbundenen Entmutigungseffekte gegenüber potentiellen Wettbewerbern, welche diese von 773

Bond/Lean, FTC Staff Report (1977), S. 77. Siehe in und bei Fn. 164, 168 (Kapitel 2). 775 Siehe hierzu in und bei Fn. 323. Zur Berücksichtigungsfähigkeit struktureller Marktzutrittsschranken im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle siehe in und bei Fn. 358 ff.; siehe auch Kommission, Leitlinien für horizontale Zusammenschlüsse, ABl. EU 2004/C 31/03, Rn. 71. 776 Zur Berücksichtigungsfähigkeit des Bestehens von Wechselkosten bei der Beurteilung eines Zusammenschlusses siehe Kommission, Leitlinien für horizontale Zusammenschlüsse, ABl. EU 2004/C 31/03, Rn. 31; Kellerbauer, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 2 FKVO Rn. 46. 777 Bardong, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 2 FKVO Rn. 169. 778 Vgl. Bundesregierung, Regierungsentwurf 2. GWB-Novelle v. 18. 8. 1971, BT-Drs. VI/ 2520, S. 30. 774

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nachstoßendem Wettbewerb abhalten.779 Nach den Erkenntnissen der oben dargestellten ökonomischen Untersuchungen sind derartige Abschreckungseffekte, die von frühen Marktzutritten ausgehen, jedoch allenfalls auf kleinen bis mittelgroßen Märkten zu befürchten.780 Allenfalls auf solchen Märkten werden die Wachstumschancen potentieller generischer Wettbewerber in wettbewerblich erheblicher Weise eingeschränkt.781 Sofern die beteiligten Unternehmen die Umsatzschwellen der Art. 1 Abs. 2 und 3 FKVO, § 36 Abs. 1 GWB erreichen, sollten frühe Marktzutritte zu kleinen bis mittelgroßen und damit tendenziell gesättigten Arzneimittelmärkten demnach eher untersagt werden, als frühe Marktzutritte zu großen Arzneimittelmärkten.782 dd) Zeitlicher Zusammenhang zwischen Marktzutritt und Patentablauf Erwägungsgrund 29 der FKVO verlangt, dass im Rahmen der Beurteilung der Auswirkungen eines Zusammenschlusses auch den hiermit verbundenen „begründeten und wahrscheinlichen Effizienzvorteilen“ Rechnung getragen wird.783 Die Berücksichtigung von Effizienzvorteilen ist dabei bereits im Wesen des auswirkungsbasierten SIEC-Tests angelegt.784 Wenngleich die Berücksichtigung von Effizienzvorteilen bislang kaum eine praktische Bedeutung erlangt hat785, können mit dem Zusammenschlussvorhaben verbundene Effizienzvorteile im Einzelfall die an sich gegebene Behinderung wirksamen Wettbewerbs ausschließen786. Als Effizienzvorteile, welche den Verbrauchern zugutekommen787, sind im Falle früher Marktzutritte stets die hiermit verbundenen langfristigen Preissenkungen zu be-

779 BGH, Beschl. v. 19. 6. 2012, KVR 15/11, WuW/E DE-R 3695 (3697) – Haller Tagblatt; BGH, Beschl. v. 8. 6. 2010, KVR 4/09, WuW/E DE-R 3067 (3075) – Springer/Pro Sieben II; BGH, Beschl. v. 11. 11. 2008, KVR 60/07, WuW/E DE-R 2451 (2461) – E.ON/Stadtwerke Eschwege; BKartA, Beschl. v. 3. 3. 2000, B7-30020-U-221/99 = WuW/E DE-V 227 (234) – Cisco/IBM; siehe hierzu auch Esser/Höft, NZKart 2013, 447 (453); kritisch Bechtold/Bosch, GWB8 (2015), § 36 Rn. 22. 780 Siehe hierzu in und bei Fn. 132 f., 339. 781 Vgl. Kommission, Leitlinien für horizontale Zusammenschlüsse, ABl. EU 2004/C 31/ 03, Rn. 36. 782 Vgl. zu diesem Untersagungskriterium auch Kommission, Entscheidung v. 22. 5. 2000, COMP/M.1878, Rn. 63 – Pfizer/Warner-Lambert; siehe hierzu Lübbig/Klasse, Kartellrecht im Pharma- und Gesundheitssektor2 (2015), § 6 Rn. 25. 783 Siehe auch Kellerbauer, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 2 FKVO Rn. 25. 784 Esser/Höft, NZKart 2013, 447 (455). 785 Kellerbauer, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 2 FKVO Rn. 79. 786 Kommission, Leitlinien für horizontale Zusammenschlüsse, ABl. EU 2004/C 31/03, Rn. 76; Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht3 (2014), Art. 2 FKVO Rn. 7, 61 ff.; Kellerbauer, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 2 FKVO Rn. 79. 787 Kommission, Leitlinien für horizontale Zusammenschlüsse, ABl. EU 2004/C 31/03, Rn. 78.

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

rücksichtigen788. Die Berücksichtigungsfähigkeit der von frühen Marktzutritten kurzfristig ausgehenden Preissenkungen vor Patentablauf sollte hingegen in Abhängigkeit von dem zeitlichen Zusammenhang zwischen Marktzutritt und Patentablauf bestimmt werden. Profitieren die Patienten nur für eine verhältnismäßig kurze Zeit vom vorzeitigen Wettbewerb auf Arzneimittelmärkten durch niedrigere Preise, so müssen diese Effizienzvorteile unberücksichtigt bleiben. Umgekehrt sollten diese Preissenkungen umso eher berücksichtigt werden, je weiter der Zeitpunkt des Marktzutritts vom Zeitpunkt des Patentablaufs entfernt liegt. Je weiter der Marktzutritt des Generikaherstellers in zeitlicher Hinsicht vor dem Zeitpunkt des Patentablaufs liegt, desto eher halten frühe Marktzutritte damit auch insgesamt der fusionskontrollrechtlichen Überprüfung stand. IV. Ergebnis Mit der Zusammenschlusskontrolle hält das Kartellrecht ein geeignetes Instrument bereit, um den marktstrukturrelevanten Wirkungen früher Marktzutritte in Form der gravierenden Marktanteilsvorsprünge autorisierter Generika zu begegnen. Die Zusammenschlusskontrolle nimmt frühe Marktzutritte daraufhin in den Blick, ob von diesen eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs, insbesondere durch die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung, ausgeht. Frühe Marktzutritte ziehen eine Behinderung wirksamen Wettbewerbs nach sich, weil sie den Erfolg bestimmter Generikahersteller bereits im Vorfeld der Öffnung von Arzneimittelmärkten durch Patentablauf vorzeichnen und damit den Charakter wirksamen Wettbewerbs als ergebnisoffenes Entdeckungsverfahren vereiteln. Überdies sind frühe Marktzutritte bereits deshalb im Regelfall zu untersagen, weil sie angesichts der im ökonomischen Schrifttum festgestellten Höhe der Marktanteile der beteiligten Generikahersteller das Regelbeispiel der Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung erfüllen. Im Übrigen stellen der Charakter des Originalpräparatepatents als Schlüsselpatent, die Indikation des vertragsgegenständlichen Arzneimittels, die Größe des betroffenen Arzneimittelmarktes sowie die zeitliche Nähe des Marktzutritts zum Patentablauf relevante Kriterien zur Beurteilung der Wettbewerbskonformität früher Marktzutritte dar.

B. Anwendungsfall des Marktstrukturmissbrauchs gem. Art. 102 AEUV, § 19 GWB Den marktstrukturrelevanten Wirkungen früher Marktzutritte lässt sich auch über das allgemeine Missbrauchsverbot der Art. 102 AEUV, § 19 GWB Rechnung tragen. Frühe Marktzutritte bilden in diesem Zusammenhang einen Anwendungsfall des 788 Kommission, Leitlinien für horizontale Zusammenschlüsse, ABl. EU 2004/C 31/03, Rn. 80. Zu den mit frühen Marktzutritten verbundenen Preissenkungen siehe in und bei Fn. 345 ff.

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sog. Marktstrukturmissbrauchs. Der Marktstrukturmissbrauch wird neben dem praxisrelevanteren789 Behinderungsmissbrauch und dem Ausbeutungsmissbrauch als dritte übergeordnete Kategorie des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung begriffen.790 Ungeachtet dessen hat der Marktstrukturmissbrauch in der Rechtsprechung und im Schrifttum bislang kaum Konturen erfahren. Entsprechend gering blieb auch die praktische Relevanz dieser Missbrauchskategorie, die sich überwiegend im Schatten der ebenfalls auf die Kontrolle von Marktstrukturveränderungen ausgerichteten Zusammenschlusskontrolle nach §§ 35 ff. GWB, Artt. 1 ff. FKVO bewegte. Nach einer Darstellung des Ursprungs des Marktstrukturmissbrauchs in der Rechtsprechung des EuGH sowie der ihm entgegengehaltenen dogmatischen Einwände, soll der Anwendungsbereich des Marktstrukturmissbrauchs nachfolgend aufgezeigt und am Beispiel früher Marktzutritte konkretisiert werden. I. Ursprung und dogmatische Einwände Ihren Ursprung findet die Missbrauchskategorie des Marktstrukturmissbrauchs in der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Continental Can. Hierin bejahte der EuGH erstmals die Anwendbarkeit des bis dato einzig als Marktverhaltenskontrolle verstandenen Missbrauchsverbots auf strukturelle Marktveränderungen in Form von Unternehmenszusammenschlüssen.791 Mit Mestmäcker kennzeichnet die Entscheidung insoweit in der Tat den Beginn einer Betrachtungsweise, welche die strikte Trennung zwischen Marktstruktur und Marktverhalten für den Bereich der Missbrauchsaufsicht überwindet.792 Dies gilt für die europäische Missbrauchsaufsicht ebenso wie für die Missbrauchsaufsicht des nationalen Rechts auf Grundlage des § 19 GWB. Zwar betraf die Continental Can-Entscheidung des EuGH naturgemäß die Auslegung der europäischen Missbrauchsvorschrift des Art. 102 AEUV. Nach Art. 3 Abs. 2 S. 2 VO 1/2003 darf die nationale Missbrauchsaufsicht im Vergleich zur europäischen Missbrauchsaufsicht allerdings nur strenger, nicht aber milder ausgestaltet sein. Die Vorschrift des Art. 3 Abs. 2 S. 2 VO 1/2003 gebietet es daher, die Fallgruppe des Marktstrukturmissbrauchs auch im nationalen Recht betreffend den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung anzuerkennen. Die nachfolgende Konkretisierung des Anwendungsbereichs des Marktstrukturmissbrauchs beansprucht somit Geltung sowohl für das europäische als auch für das nationale Recht.

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Siehe in und bei Fn. 146. Siehe in und bei Fn. 143. 791 Ulshöfer, Kontrollerwerb (2003), S. 251; Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 1 (2012), Art. 102 AEUV Rn. 383; Bulst, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 102 Rn. 375. 792 Mestmäcker, in: FS-Raisch (1995), S. 441 (456 f.); siehe auch Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht3 (2014), § 16 Rn. 5. 790

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

1. Die Continental Can-Entscheidung des EuGH Gegenstand der Entscheidung in der Rechtssache Continental Can war der über eine Tochtergesellschaft vermittelte 80 %ige Anteilserwerb der Continental Can Company Inc. an ihrem niederländischen Wettbewerber Thomassen & DrijverVerblifa NV (TDV), welcher im Bereich der Herstellung von Verpackungsmaterial tätig war.793 Die Kommission erblickte hierin einen Missbrauch von Marktmacht nach Art. 102 AEUV. Weil Continental Can über ihre Tochtergesellschaft Schmalbach-Lubeca-Werke AG nach Ansicht der Kommission über eine beherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des gemeinsamen Marktes für bestimmte Leichtverpackungen sowie auf dem Markt für Metalldeckel für Glasbehälter verfügte, wertete und sanktionierte die Kommission den Erwerb der Aktienmehrheit an TDV als einen Zusammenschluss Continental Cans mit ihrem letzten ernst zu nehmenden Wettbewerber, der jeden bestehenden Restwettbewerb auf dem relevanten Markt beseitigte.794 Der EuGH bestätigte diese Bewertung, hob die Entscheidung der Kommission aber aufgrund von Zweifeln im Bereich der Marktabgrenzung auf795. Zur dogmatischen Begründung796 der Anwendbarkeit des Art. 102 AEUV auf strukturelle Marktveränderungen wandte sich der EuGH zunächst gegen die Unterscheidung zwischen Maßnahmen, welche die Struktur eines Unternehmens betreffen, und solchen, die sich auf den Markt auswirken, und relativierte damit die strikte Trennung zwischen Marktstruktur- und Marktverhaltenskontrolle für den Bereich der Missbrauchsaufsicht.797 Nach dem EuGH kann schließlich auch jede strukturelle Maßnahme die Marktverhältnisse beeinflussen, wenn sie das entsprechende Unternehmen größer und wirtschaftlich stärker macht.798 Weiter führte der EuGH einen teleologischen Gesichtspunkt ins Feld. Nach Art. 3 lit. g) des Vertrages sei der Wettbewerb im Gemeinsamen Markt vor Verfälschungen zu schützen.799 Wenn der Wettbewerb im Gemeinsamen Markt aber bereits vor Verfälschungen zu schützen sei, dann fordere die Vorschrift erst Recht, dass der Wettbewerb im Gemeinsamen Markt nicht ausgeschaltet werde.800 Artt. 101 und 102 AEUV zielten in diesem Zusammenhang gleichermaßen auf die Aufrechterhaltung wirksamen 793

Zum Tatbestand der Entscheidung siehe EuGH, Urt. v. 21. 2. 1973, Rs. 6/72, Slg. 1973, 215 (218 ff.) – Continental Can. 794 Kommission, I. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1972, Rn. 92 ff.; siehe auch EuGH, Urt. v. 21. 2. 1973, Rs. 6/72, Slg. 1973, 215 (228 f.) – Continental Can; zur Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen auf Grundlage des Missbrauchsverbots durch die Kommission siehe allgemein Kommission, Das Problem der Unternehmenskonzentration im Gemeinsamen Markt v. 1. 12. 1965, SEK (65) 3500, WuW 1966, 330 (346). 795 EuGH, Urt. v. 21. 2. 1973, Rs. 6/72, Slg. 1973, 215, Rn. 33 ff. – Continental Can. 796 Siehe hierzu auch Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 249. 797 EuGH, Urt. v. 21. 2. 1973, Rs. 6/72, Slg. 1973, 215, Rn. 21 – Continental Can. 798 Ebda. 799 EuGH, Urt. v. 21. 2. 1973, Rs. 6/72, Slg. 1973, 215, Rn. 24 – Continental Can. 800 Ebda.; in diese Richtung auch Mestmäcker, in: FS-Hallstein (1966), S. 322 (342 f.).

§ 3 Kartellrechtliche Marktstrukturkontrolle

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Wettbewerbs ab.801 Dem Vertrag könne aber nicht unterstellt werden, er erfasse über Art. 101 AEUV bereits jede wettbewerbsbeeinträchtigende Vereinbarung, wolle es in Art. 102 AEUV hingegen erlauben, dass Unternehmen eine so beherrschende Stellung erlangten, dass der Wettbewerb praktisch ausgeschlossen werde.802 Vielmehr müsse die Schutzlücke, die daraus entstehe, dass Unternehmen ihre Verbindungen zueinander derart eng gestalteten, dass sie Art. 101 AEUV umgingen, ohne dem Anwendungsbereich des Art. 102 AEUV zu unterfallen, geschlossen werden.803 Art. 102 AEUV sei vor diesem Hintergrund auch auf unternehmerische Eingriffe in die Struktur eines Marktes anwendbar.804 Ein Missbrauch liege in solchen Fällen jedenfalls dann vor, wenn der Wettbewerb auf den betroffenen Märkten praktisch ausgeschlossen werde.805 Einer gänzlichen Ausschaltung des Wettbewerbs bedürfe es zur Annahme eines Marktstrukturmissbrauchs allerdings nicht zwingend; vielmehr genüge es, dass der Wettbewerb so wesentlich behindert werde, dass die verbleibenden Wettbewerber kein ausreichendes Gegengewicht mehr bilden könnten.806 2. Einwände im Schrifttum Im Schrifttum stieß die Erstreckung des Anwendungsbereichs des Missbrauchsverbots auf strukturelle Marktveränderungen bereits vielfach auf Kritik. Ihr wurde entgegengehalten, Art. 102 AEUV sei gerade kein Instrument zur Kontrolle von Marktstrukturen.807 Insbesondere Joliet verwies in diesem Zusammenhang darauf, der Erwerb oder der Bestand einer beherrschenden Stellung sei über Art. 102 AEUV nicht verboten.808 Andere befürchteten gar, die Trennung zwischen Missbrauchs- und Monopolisierungsverbot werde verwischt.809 Zuzugeben ist dieser Kritik, dass die Entstehung und auch der Bestand einer marktbeherrschenden Stellung der Missbrauchsaufsicht in der Tat nicht unterfallen810. Der insoweit eindeutige 801

EuGH, Urt. v. 21. 2. 1973, Rs. 6/72, Slg. 1973, 215, Rn. 25 – Continental Can. Ebda. 803 Ebda. 804 EuGH, Urt. v. 21. 2. 1973, Rs. 6/72, Slg. 1973, 215, Rn. 26, 29 – Continental Can. 805 EuGH, Urt. v. 21. 2. 1973, Rs. 6/72, Slg. 1973, 215, Rn. 29 – Continental Can. 806 Ebda. 807 Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 256; Schmidt, BB 1990, 719 (722). 808 Joliet, RTDEur. 1969, 645 (688 f.) 809 Zu dieser Kritik siehe Mestmäcker, in: FS-Raisch (1995), S. 441 (455) m.w.N. Mitunter wurde dem Marktstrukturmissbrauch auch entgegengehalten, er unterlaufe das Erfordernis einer Kausalbeziehung zwischen Missbrauch und marktbeherrschender Stellung, siehe ebda.; vgl. auch Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 246 f. Eine Kausalbeziehung zwischen Missbrauch und marktbeherrschender Stellung wird nach der Rechtsprechung der Unionsgerichte aber gerade nicht gefordert, siehe den Nachweis in Fn. 198; Mestmäcker/ Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht3 (2014), § 16 Rn. 4. 810 Kommission, Prioritätenmitteilung, ABl. EU 2009/C 45/02, Rn. 1; dies., Das Problem der Unternehmenskonzentration im Gemeinsamen Markt v. 1. 12. 1965, SEK (65) 3500, WuW 1966, 330 (345); Mestmäcker, in: FS-Raisch (1995), S. 441 (445); ders., in: FS-Hallstein 802

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

Wortlaut des Art. 102 AEUV verbietet schließlich einzig die „missbräuchliche Ausnutzung“ einer beherrschenden Stellung. Bei genauerer Betrachtung konterkariert die Fallgruppe des Marktstrukturmissbrauchs diese gesetzgeberische Grundentscheidung aber nicht.811 Schließlich setzt auch die Anwendung der Missbrauchsaufsicht auf strukturelle Marktveränderungen als Grundvoraussetzung das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung bereits vor Herbeiführung der Marktstrukturveränderung voraus.812 Nur strukturelle Marktveränderungen unter Beteiligung eines bereits marktbeherrschenden Unternehmens lassen sich insoweit über die Fallgruppe des Marktstrukturmissbrauchs erfassen. Letztere unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht von den sonstigen Anwendungsfällen des Missbrauchsverbots, die ebenfalls nicht auf die Sanktionierung marktbeherrschender Stellungen an sich, wohl aber auf den Schutz des Restwettbewerbs vor weiteren Beschränkungen gerichtet sind813. Das Erfordernis einer bereits bestehenden marktbeherrschenden Stellung mag man der Kontrolle struktureller Marktveränderungen über die Missbrauchsaufsicht zwar als konzeptionelle Schwäche entgegenhalten.814 Auch zeigt sich insbesondere in dieser Voraussetzung die Überlegenheit der Zusammenschlusskontrolle auf Grundlage der §§ 35 ff. GWB, Artt. 1 ff. FKVO. Die dogmatische Berechtigung des Marktstrukturmissbrauchs stellt diese Einschränkung jedoch nicht in Frage. Die Legitimität des Art. 102 AEUV als primärrechtliche Marktstrukturkontrolle ist deshalb heute auch weitgehend unbestritten.815 Seit Einführung der Zusammenschlusskontrolle hat sich die Diskussion zunehmend auf das Konkurrenzverhältnis zwischen dem Marktstrukturmissbrauch und der Zusammenschlusskontrolle verlagert. Teilweise wurde hierbei der Versuch unternommen, die Bedeutung des Marktstrukturmissbrauchs mit Blick auf die nunmehr mögliche Kontrolle von Marktstrukturveränderungen über die Zusammenschlusskontrolle nach §§ 35 ff. GWB, Artt. 1 ff. FKVO zu relativieren.816 Bisweilen wurde gar vertreten, die Missbrauchsaufsicht sei auf Unternehmenszusammenschlüsse nach Einführung der Zusammenschlusskontrolle nicht mehr anwendbar.817 Der Geltung des Marktstrukturmissbrauchs lässt sich die Einführung der Zusammen(1966), S. 322 (330); Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, GWB5 (2014), § 19 Rn. 24; EuGH, Urt. v. 6. 12. 2012, Rs. C-457/10 P, PharmR 2013, 8, Rn. 188 – AstraZeneca. 811 So auch Mestmäcker, in: FS-Hallstein (1966), S. 322 (330). 812 Mestmäcker, in: FS-Hallstein (1966), S. 322 (330); Bulst, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 102 Rn. 374. Art. 102 AEUV ist insoweit nur auf die Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung anwendbar, Ulshöfer, Kontrollerwerb (2003), S. 252. 813 Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 1 (2012), Art. 102 AEUV Rn. 5. 814 Siehe nur Ulshöfer, Kontrollerwerb (2003), S. 252. 815 Vgl. Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU (2015), Art. 102 AEUV Rn. 328. 816 Ulshöfer, Kontrollerwerb (2003), S. 251. 817 Dreher, WuW 2002, 828 (831 ff.); Schmidt, BB 1990, 719 (722, 725), der in der Einführung der Zusammenschlusskontrolle das Ende der Continental Can-Doktrin erblickt; siehe auch Mestmäcker, in: FS-Raisch (1995), S. 441 (454).

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schlusskontrolle jedoch richtigerweise bereits deshalb nicht entgegenhalten, weil der Markstrukturmissbrauch seine Grundlage in der primärrechtlichen Vorschrift des Art. 102 AEUV findet und diese nicht durch Sekundärrecht in Form der FKVO abbedungen oder eingeschränkt werden kann818. Die Missbrauchskategorie des Marktstrukturmissbrauchs beansprucht insoweit auch nach Einführung der Zusammenschlusskontrolle unverändert Geltung für sich. Sie ist stets neben der Zusammenschlusskontrolle anwendbar und wird infolge ihrer primärrechtlichen Verankerung auch durch eine positive Freigabeentscheidung einer Kartellbehörde nach den sekundärrechtlichen Vorschriften zur Zusammenschlusskontrolle nicht beeinflusst. Konsequent findet der Marktstrukturmissbrauch auch in der Rechtsprechung der Unionsgerichte bis in jüngere Entscheidungen hinein Erwähnung. So erhob das Gericht in den Rechtssachen Microsoft und AstraZeneca gegenüber diesen Unternehmen den Vorwurf, die Unternehmen hätten durch den Erwerb eines erheblichen Marktanteils in die Struktur des Marktes eingegriffen.819 II. Anwendungsbereich des Marktstrukturmissbrauchs Einigkeit besteht mit Blick auf die Continental Can-Doktrin des EuGH darüber, dass Unternehmenszusammenschlüsse der Fallgruppe des Marktstrukturmissbrauchs zuzuordnen sind.820 Frühe Marktzutritte unterfallen dem Marktstrukturmissbrauch damit zunächst dann, wenn diese – den vorstehenden Ausführungen entsprechend – durch konzernfremde Generikahersteller vollzogen werden und damit als Unternehmenszusammenschlüsse zwischen den beteiligten Original- und Generikaherstellern einzuordnen sind. Für den Bereich der Unternehmenszusammenschlüsse und damit auch für diese Gestaltungsvariante früher Marktzutritte hat der Marktstrukturmissbrauch freilich durch die Einführung der Zusammenschlusskontrolle nach §§ 35 ff. GWB, Art. 1 ff. FKVO deutlich an Bedeutung verloren.821 Schließlich ist die Zusammenschlusskontrolle der Überprüfung von Unternehmenszusammenschlüssen am Maßstab der Missbrauchsaufsicht konzeptionell 818 Bulst, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 102 Rn. 374; Berg, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 102 AEUV Rn. 140; Fuchs/Möschel, in: Immenga/ Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 1 (2012), Art. 102 AEUV Rn. 384 f.; Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU (2015), Art. 102 AEUV Rn. 337; Mestmäcker, in: FSRaisch (1995), S. 441 (454); Heinemann, Immaterialgüterschutz (2002), S. 522. 819 EuG, Urt. v. 1. 7. 2010, Rs. T-321/05, Slg. 2010, II-2805, Rn. 353 – AstraZeneca; EuG, Urt. v. 17. 9. 2007, Rs. T-201/04, Slg. 2007, II-3601, Rn. 664 – Microsoft. 820 Siehe nur Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 1 (2012), Art. 102 AEUV Rn. 383; Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU (2015), Art. 102 AEUV Rn. 325; Kommission, Entsch. v. 10. 11. 1992, IV/33.440, ABl. EG Nr. L 116/ 21, Rn. 22 ff. – Warner-Lambert/Gillette; EuGH, Urt. v. 17. 11. 1987, verb. Rs. 142 und 156/84, Slg. 1987, 4487, Rn. 65 – Philip Morris. 821 Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU (2015), Art. 102 AEUV Rn. 338; Berg, in: Berg/Mäsch, Kartellrecht2 (2015), Art. 102 AEUV Rn. 140; Bulst, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 102 Rn. 374.

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

überlegen, weil diese nicht verlangt, dass eines der beteiligten Unternehmen bereits vor dem Zusammenschluss marktbeherrschend ist, und zudem die Möglichkeit einer präventiven Kontrolle bietet822. Praktische Bedeutung kann der Missbrauchskategorie des Marktstrukturmissbrauchs in diesen Fällen nur zukommen, wenn sich das Zusammenschlussvorhaben unterhalb der Aufgreifschwellen des Art. 1 Abs. 2 FKVO823 oder unterhalb der Schwelle eines Kontrollerwerbs824 bewegt. Im Regelfall dürften die marktstrukturrelevanten Wirkungen derartiger Zusammenschlüsse jedoch keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken hervorrufen. Richtigerweise unterfallen frühe Marktzutritte dem Marktstrukturmissbrauch aber auch dann, wenn diese unter Beteiligung eines konzernangehörigen Generikaherstellers erfolgen.825 In dieser Gestaltungsvariante scheidet die Annahme eines Unternehmenszusammenschlusses und damit die Anwendung der Zusammenschlusskontrolle aus, weil die beteiligten Unternehmen vor dem Zusammenschluss nicht voneinander unabhängig waren.826 Zwar wird der Zusammenschluss von Unternehmen im Schrifttum regelmäßig als das wichtigste und mitunter auch als das einzige Anwendungsbeispiel des Marktstrukturmissbrauchs genannt. Nach richtiger Ansicht Mestmäckers kommt der Continental Can-Doktrin des EuGH jedoch eine über die Erfassung von Unternehmenszusammenschlüssen hinausgehende Bedeutung zu.827 1. Bislang diskutierte Anwendungsfälle Bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs des Marktstrukturmissbrauchs lassen die Rechtsprechung und Literatur bislang keine klare Linie erkennen. Insbesondere fehlt es an abstrakten Kriterien, welche dem Anwendungsbereich des Marktstrukturmissbrauchs Konturen verleihen. Als Anwendungsfälle sollen neben Unternehmenszusammenschlüssen insbesondere auch Marktmachtausdehnungen der Kategorie des Marktstrukturmissbrauchs zuzuordnen sein.828 Erfasst werden 822 Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU (2015), Art. 102 AEUV Rn. 339. Pohlmann, Der Unternehmensverbund (1999), S. 248, führt die Untauglichkeit der Rechtsfolgen des Art. 102 AEUVals Argument gegen die Fähigkeit dieser Vorschrift zur Kontrolle von Marktstrukturveränderungen ins Feld; so auch Schmidt, BB 1990, 719 (722); zur Zusammenschlusskontrolle als Präventivkontrolle siehe in und bei Fn. 812 f., 499 ff. 823 Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 1 (2012), Art. 102 AEUV Rn. 387; vgl. auch Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU (2015), Art. 102 AEUV Rn. 338; aA Bulst, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 102 Rn. 374. 824 Vgl. Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU (2015), Art. 102 AEUV Rn. 339. 825 Siehe zu dieser Gestaltungsvariante in und bei Fn. 179 ff. (Kapitel 1). 826 Siehe hierzu in und bei Fn. 516 ff. 827 Mestmäcker, in: FS-Raisch (1995), S. 441 (454). 828 Stimmen im Schrifttum erblicken mitunter auch im Aufbau von Ineffizienzen oder im Unterlassen von Innovationsmaßnahmen einen Marktstrukturmissbrauch, Lübbig, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009), Art. 82 EG Rn. 194; Fuchs/Möschel,

§ 3 Kartellrechtliche Marktstrukturkontrolle

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sollen dabei einerseits Fälle der wettbewerbswidrigen Ausdehnung von Marktmacht auf bislang noch nicht beherrschte Nachbarmärkte.829 Einen Anwendungsfall des Marktstrukturmissbrauchs soll andererseits aber auch die Ausdehnung von Marktmacht auf dem bereits beherrschten Markt, insbesondere durch den Erwerb einer Konkurrenztechnologie, wie er der Tetra Pak I-Entscheidung des Gerichts zugrunde lag, darstellen.830 Die Ausdehnung von Marktmacht auf bislang nicht beherrschte Märkte, wie etwa durch Kopplungsgeschäfte, lässt sich allerdings bereits lückenlos über das missbrauchsrechtliche Behinderungsverbot sanktionieren831 und stellt insoweit gerade keinen Anwendungsfall des Marktstrukturmissbrauchs dar. Unter dem Aspekt des Schutzes von Handelspartnern vor nachteiligen Geschäftsbedingungen kommt in diesen Fällen zudem die Annahme eines Ausbeutungsmissbrauchs in Betracht.832 Selbiges gilt für den als Anwendungsfall des Marktstrukturmissbrauchs geführten Erwerb einer ausschließlichen Lizenz, wie er der Entscheidung Tetra Pak I zugrunde lag. Ungeachtet des Umstandes, dass ein solcher Erwerb regelmäßig ohnehin als Zusammenschluss zu werten ist und damit dem Regime der Zusammenschlusskontrolle unterfällt833, lässt sich auch der Erwerb einer ausschließlichen Lizenz über das missbrauchsrechtliche Behinderungsverbot erfassen. Auch Erwerbsvorgänge, wie der Erwerb einer Lizenz oder eines Unternehmens, lassen sich nämlich als Marktverhalten begreifen, durch welches im Falle Tetra Pak I Konkurrenten unbillig behindert wurden, weil ihnen hierdurch der Zugang zu der einzigen verfügbaren Konkurrenztechnologie versperrt wurde834.

in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 1 (2012), Art. 102 AEUV Rn. 391. Den Anlass zur Bildung dieser Fallgruppe lieferte die Bekanntmachung der Kommission über die Anwendung der EG-Wettbewerbsregeln auf den Postsektor aus dem Jahr 1998, nach der „eine andere Form des Missbrauchs“ auch in der Bereitstellung eines völlig unzulänglichen Dienstes oder in der Nichtnutzung des technischen Fortschritts liegen kann, Kommission, Bekanntmachung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf den Postsektor und und über die Beurteilung bestimmter staatlicher Maßnahmen betreffend Postdienste, ABl. EG 1998/C 39/02, Rn. 2.7. 829 Heinemann, Immaterialgüterschutz, 2002, S. 448, 526; Fuchs/Möschel, in: Immenga/ Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 1 (2012), Art. 102 AEUV Rn. 391; vgl. auch Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU (2015), Art. 102 AEUV Rn. 326. 830 Ullrich/Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 2 (2012), GRUR B. Rn. 52; Bulst, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 102 Rn. 376. Dieser Fall ließe sich freilich auch der Anwendung des Marktstrukturmissbrauchs auf Unternehmenszusammenschlüsse zuordnen, denn der Erwerb der ausschließlichen Lizenz erfolgte im Fall Tetra Pak I gerade im Wege eines Zusammenschlusses mit dem Inhaber dieser Lizenz, EuG, Urt. v. 10. 7. 1990, Rs. T-51/89, Slg. 1990, II-309, Rn. 6 – Tetra Pak I. 831 Siehe hierzu Kommission, Prioritätenmitteilung, ABl. EU 2009/C 45/02, Rn. 49. 832 Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 1 (2012), Art. 102 AEUV Rn. 4. 833 Siehe in und bei Fn. 551 ff. 834 Siehe in und bei Fn. 319.

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

2. Eigenständiger Anwendungsbereich Über einen praxisrelevanten Anwendungsbereich, der über die Erfassung von Zusammenschlüssen hinausgeht, verfügt die Missbrauchskategorie des Marktstrukturmissbrauchs unter Zugrundelegung der bislang diskutierten Anwendungsfälle insoweit nicht. Gleichwohl lässt sich ein solcher – auch praktisch relevanter – Anwendungsbereich in Abgrenzung zu den als Marktverhaltenskontrolle ausgestalteten Missbrauchstatbeständen bestimmen. Aus den vorstehenden Ausführungen wird dabei zunächst deutlich, dass das bloße Vorliegen eines unternehmerischen Marktverhaltens kein taugliches Kriterium darstellt, um Marktstrukturmissbräuche verlässlich von den als Marktverhaltenskontrolle ausgestalteten Missbrauchstatbeständen abzugrenzen. Schließlich liegt auch Marktstrukturmissbräuchen stets ein unternehmerisches Verhalten zugrunde, welches die kartellrechtliche Kontrolle auslöst. Ebenso scheidet die bloße Herbeiführung einer Marktstrukturveränderung als Abgrenzungskriterium aus. Bereits aus der Missbrauchsdefinition des EuGH, nach der gerade solche Maßnahmen des Nichtleistungswettbewerbs als missbräuchlich einzuordnen sind, welche die Struktur eines Marktes beeinflussen können835, wird ersichtlich, dass strukturelle Marktveränderungen nicht nur die Folge von Marktstrukturmissbräuchen, sondern vielmehr das Ergebnis jedes Missbrauchs von Marktmacht sind. Entscheidend für die Bestimmung des Anwendungsbereichs des Marktstrukturmissbrauchs ist deshalb nicht die Frage, ob eine Marktstrukturveränderung eintritt, sondern vielmehr die Art und Weise, wie diese Marktstrukturveränderung herbeigeführt wird. Im Rahmen der als Marktverhaltenskontrolle ausgestalteten Missbrauchstatbestände wird die Veränderung der Marktstruktur stets durch ein missbräuchliches Marktverhalten des Normadressaten vermittelt. Die Marktstrukturveränderung erfolgt insoweit zielgerichtet auf Kosten der Adressaten des missbräuchlichen Marktverhaltens. Der Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung des Normadressaten oder der Erstreckung dieser Marktstellung auf einen Nachbarmarkt steht spiegelbildlich eine Beeinträchtigung der Marktstellung der durch das missbräuchliche Verhalten betroffenen Unternehmen gegenüber. Im Falle von Kopplungspraktiken etwa erstrecken marktbeherrschende Unternehmen ihre Marktstellung auf benachbarte Märkte und verändern damit die dortige Marktstruktur. Die Marktstrukturveränderungen ergeben sich mittelbar daraus, dass die wettbewerbliche Handlungsfreiheit der auf dem Nachbarmarkt tätigen Wettbewerber beschränkt wird, indem diesen Wettbewerbern die Abnehmer der gekoppelten Produkte als eigene Abnehmer entzogen werden. Der Zufluss an Marktmacht auf Seiten des marktbeherrschenden Unternehmens resultiert aus einem Abfluss von Marktmacht auf Seiten der Wettbewerber auf dem Nachbarmarkt. Derartige Marktstrukturveränderungen unterfallen dem Anwendungsbereich des Marktstrukturmissbrauchs nicht, sondern werden reflexartig über das ihnen vorgeschaltete 835

Siehe in und bei Fn. 205.

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missbräuchliche Marktverhalten durch das Behinderungs- und Ausbeutungsverbot sanktioniert. Im Gegensatz hierzu wird im Rahmen des Marktstrukturmissbrauchs bereits die bloße „Herbeiführung einer Marktstruktur“ als Missbrauch gewertet836, ohne, dass dieser Marktstrukturveränderung ein seinerseits als missbräuchlich zu bewertendes Verhalten zugrunde liegt837. In den Anwendungsbereich des Marktstrukturmissbrauchs fallen demnach Fälle, in denen die Veränderung der Marktstruktur nicht über ein missbräuchliches Marktverhalten vermittelt, sondern unmittelbar oder direkt herbeigeführt wird838. Die Verstärkung oder Erstreckung der Marktstellung des Normadressaten erfolgt in diesen Fällen nicht zielgerichtet auf Kosten der Marktstellung anderer Unternehmen, sondern geht abstrakt zulasten der Marktstruktur und damit zulasten des Wettbewerbs als Institution. Dem Anwendungsbereich des Markstrukturmissbrauchs unterfällt damit in der Tat vor allem der Zusammenschluss von Unternehmen. Dem Zusammenschluss von Unternehmen liegt schließlich kein missbräuchliches Verhalten zugrunde und die Verstärkung der Marktstellung des Erwerbers folgt auch nicht aus der Beeinträchtigung der Marktstellung eines anderen Unternehmens, sondern vielmehr aus der freiwilligen Überleitung der Marktstellung des Veräußerers. Der Anwendungsbereich des Markstrukturmissbrauchs geht jedoch über die bloße Erfassung von Unternehmenszusammenschlüssen hinaus und erfasst auch alle weiteren Fälle von Marktstrukturveränderungen, die sich nicht aus der Beeinträchtigung fremder Marktpositionen schöpfen. Ein eigenständiger Anwendungsbereich kommt dem Marktstrukturmissbrauch dabei insbesondere in Fällen zu, in denen marktbeherrschende Unternehmen bereits im Vorfeld einer bevorstehenden Marktöffnung Maßnahmen ergreifen, die andere Unternehmen zwar nicht beeinträchtigen, wohl aber die spätere Struktur des betroffenen Marktes vorzeichnen. Diesen Fällen lässt sich auch der Vollzug früher Marktzutritte zuordnen, bei denen sich die marktstrukturrelevanten Wirkungen gerade nicht aus einer Beeinträchtigung anderer Unternehmen, sondern vielmehr aus einer Begünstigung bestimmter Unternehmen ergeben. Als Marktstrukturmissbräuche zu sanktionieren sind derartige Maßnahmen in Anlehnung an die Continental Can-Entscheidung des EuGH, wenn der Wettbewerb 836

Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht (1974), S. 412. Heinemann, Immaterialgüterschutz (2002), S. 522, 453. 838 Bulst, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht12 (2014), Art. 102 Rn. 93, 374; Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 1 (2012), Art. 102 AEUV Rn. 383. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch die Erzwingung eines Unternehmenszusammenschlusses durch ein marktbeherrschendes Unternehmen nicht der Fallgruppe des Marktstrukturmissbrauchs zuordnen, weil in diesen Fällen ein missbräuchliches Verhalten gegeben ist. AA Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Europäisches Kartellrecht5, Teil 1 (2012), Art. 102 AEUV Rn. 390; siehe hierzu auch Kommission, Das Problem der Unternehmenskonzentration im Gemeinsamen Markt v. 1. 12. 1965, SEK (65) 3500, WuW 1966, 330 (346). 837

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Kap. 3: Kartellrechtliche Würdigung

auf dem betroffenen Markt durch sie so wesentlich behindert wird, dass (zukünftige) Mitbewerber kein ausreichendes Gegengewicht mehr bilden können.839 Taugliches Kriterium zur Bestimmung der Missbräuchlichkeit solcher Vorfeldmaßnahmen ist insoweit in Analogie zum Eingriffstatbestand der Zusammenschlusskontrolle die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung auf dem betroffenen Markt. Ausschlaggebend für die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung auf Seiten des beteiligten Generikaherstellers ist im Falle früher Marktzutritte die Ausprägung der vom Originalpräparatehersteller übergeleiteten Erstanbietervorteile, zu deren Beurteilung die im Rahmen der Ausführungen zur Zusammenschlusskontrolle entwickelten Kriterien heranzuziehen sind.840 Entscheidend ist damit zunächst auf die Qualität des betroffenen Schutzrechts abzustellen. Auch im Rahmen des Marktstrukturmissbrauchs begegnen der Strategie früher Marktzutritte vor allem dann Bedenken, wenn es sich hierbei um ein Schlüsselpatent handelt. Von zentraler Bedeutung ist überdies die Größe und damit die Attraktivität des betroffenen Arzneimittelmarktes im Zeitraum vor Patentablauf. Mit zunehmender Größe dieses Marktes schwinden auch die gegenüber frühen Marktzutritten gehegten kartellrechtlichen Bedenken, weil in diesem Fall unabhängig vom Vollzug früher Marktzutritte mit dem Zutritt weiterer Generikahersteller zu rechnen ist. Zuletzt sind auch die Indikation des Arzneimittels sowie der zeitliche Zusammenhang zwischen frühem Marktzutritt und Patentablauf von Bedeutung. Je kürzer die Phase zwischen dem frühen Marktzutritt und dem Zeitpunkt des Patentablaufs ist, desto eher sind frühe Marktzutritte als Marktstrukturmissbräuche zu untersagen. Umgekehrt spricht es gegen die Annahme eines Marktstrukturmissbrauchs, wenn das betroffene Arzneimittel seiner Indikation nach der Behandlung von Dauerkrankheiten dient.

839 840

Siehe den Nachweis in Fn. 806. Siehe in und bei Fn. 769 ff.

Kapitel 4

Fazit und Ausblick Die Forschungs- und Entwicklungsphase im Produktlebenszyklus eines Arzneimittels erzeugt nicht nur hohe Kosten, sondern ist auch in besonderem Maße zeitintensiv und verkürzt die effektive Laufzeit von Arzneimittelpatenten faktisch um die Hälfte. Zur Abmilderung der mit Patentablauf einsetzenden Gewinn- und Marktanteilsverluste an Generikahersteller hat die Wahl der geeigneten Patentauslaufstrategie für forschende Arzneimittelhersteller deshalb einen hohen Stellenwert. Eine Möglichkeit, auf das bevorstehende Ende der patenrechtlichen Schutzfrist zu reagieren, stellt der Vollzug früher Marktzutritte dar. Im Rahmen dieser Patentauslaufstrategie lassen Originalpräparatehersteller einzelne Generikahersteller bereits kurze Zeit vor Patentablauf zum Markt zu, indem sie diesen Unternehmen Lizenzen zur Nutzung des patentgeschützten Arzneimittels erteilen oder die Generikahersteller mit dem patentgeschützten Arzneimittel beliefern. Im Gegenzug verpflichten sich die Generikahersteller zur Leistung von Vergütungszahlungen und gegebenenfalls zum Bezug des Arzneimittels oder dessen Ausgangsstoffen von den Originalpräparateherstellern. Mit dem Vollzug früher Marktzutritte verfolgen Originalpräparatehersteller das Ziel, den beteiligten Generikaherstellern einen zeitlichen Vorsprung gegenüber ihren Wettbewerbern zu verschaffen und damit bereits vor Patentablauf die Weichen dafür zu stellen, dass diese Generikahersteller im Zeitraum nach Patentablauf einen Großteil des generischen Marktsegments besetzen können. Ökonomisch betrachtet zielt die Strategie früher Marktzutritte darauf ab, den hieran beteiligten Generikaherstellern im Wege der Überleitung von Erstanbietervorteilen den Status eines Erstanbieters am Markt zu verschaffen. Ausdruck dieser Erstanbietervorteile und zugleich der Anlass für kartellrechtliche Bedenken gegenüber der Strategie früher Marktzutritte sind die bedeutenden Marktanteilsvorsprünge, welche Generikahersteller nach den Erkenntnissen ökonomischer Untersuchungen gegenüber zeitlich nachfolgenden Wettbewerbern durch frühe Marktzutritte erlangen. Diese Marktanteilsvorsprünge finden ihre Ursache in den nachfrage- und angebotsseitig bestehenden Besonderheiten von Arzneimittelmärkten, die in ihrer Gesamtheit zu einer starken Präferenz der Marktgegenseite zu vorzeitig verfügbaren, bereits am Markt etablierten Produkten führen und die von zeitlich nachfolgenden Anbietern nur schwer zu überwinden ist. Anlässlich der deutlichen Marktanteilsvorsprünge, welche Generikahersteller infolge früher Marktzutritte gegenüber zeitlich nachfolgenden Wettbewerbern erlangen, wurden frühe Marktzutritte im Rahmen der vorliegenden Arbeit sowohl einer kartellrechtlichen Marktverhaltenskontrolle als auch einer Marktstrukturkontrolle

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unterzogen. Der Marktverhaltenskontrolle am Maßstab des missbrauchsrechtlichen Behinderungs- und Diskriminierungsverbots sowie des Kartellverbots hielten frühe Marktzutritte stand. Die Marktstrukturkontrolle ergab hingegen, dass der Vollzug früher Marktzutritte der fusionskontrollrechtlichen Anmeldepflicht der Art. 4 Abs. 2 FKVO, § 39 GWB unterliegt und zudem einen der bislang seltenen Anwendungsfälle des Marktstrukturmissbrauchs auf Grundlage der Art. 102 AEUV, §§ 19, 20 GWB darstellen kann: Ausgangspunkt der Marktverhaltenskontrolle war der Verdacht, die vorzeitige Zulassung einzelner Generikahersteller zum Markt könnte andere Generikahersteller vom Marktzutritt abschrecken und damit als behinderndes und folglich kartellrechtswidriges Marktverhalten einzuordnen sein. Dieser Verdacht hat sich durch die Erkenntnisse dieser Arbeit nicht bestätigt. Die zur Annahme eines kartellrechtswidrigen Marktverhaltens erforderliche Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten unabhängiger Generikahersteller lässt sich im Falle früher Marktzutritte weder ökonomisch feststellen noch kartellrechtlich begründen. Frühe Marktzutritte verstoßen weder gegen das missbrauchsrechtliche Behinderungs- noch gegen das Kartellverbot, weil unabhängige Generikahersteller durch sie nicht in kartellrechtlich relevanter Weise vom Marktzutritt abgehalten werden. Der Erfassung früher Marktzutritte über das Behinderungs- und das Kartellverbot steht überdies bereits die konzeptionelle Zweiteilung der kartellrechtlichen Verbotstatbestände in Instrumente zur Marktverhaltenskontrolle einerseits und Instrumente zur Marktstrukturkontrolle andererseits entgegen. Zeitliche Vorsprünge einzelner Arzneimittelhersteller sind ebenso wie die hieraus resultierenden Wettbewerbsvorteile dieser Unternehmen bereits im System der Arzneimittelmarktregulierung angelegt. Der von frühen Marktzutritten vermeintlich ausgehende Abschreckungseffekt ist daher auf die Existenz struktureller Marktzutrittsschranken zulasten zeitlich nachfolgender Generikahersteller zurückzuführen. Die abschreckende Wirkung früher Marktzutritte lässt sich insoweit bereits grundsätzlich nicht über die auf die Kontrolle unternehmerischen Marktverhaltens ausgerichteten Tatbestände des Kartell- und Behinderungsverbots sanktionieren, deren Anwendungsbereich auf die Erfassung verhaltensbedingter, d. h. strategisch gesetzter, Marktzutrittsschranken beschränkt ist. Auch eine kartellrechtliche Pflicht der Originalpräparatehersteller zur Zulassung weiterer Generikahersteller vor Patentablauf nach den Grundsätzen der Essential Facilities-Doktrin oder unter Diskriminierungsgesichtspunkten scheidet aus. Der Annahme eines Kontrahierungszwangs zulasten der Originalpräparatehersteller über die immaterialgüterrechtlich modifizierten Grundsätze der Essential FacilitiesDoktrin steht entgegen, dass die Originalpräparatehersteller im Falle früher Marktzutritte den Markt – vermittelt über ihren generischen Vertragspartner – selbst bedienen, wohingegen das missbrauchsrechtliche Diskriminierungsverbot mangels Vorliegens einer sachlich ungerechtfertigten Ungleichbehandlung als Grundlage der Lizenzierungspflicht ausscheidet. Unter dem Gesichtspunkt einer Marktverhaltenskontrolle handelt es sich bei frühen Marktzutritten damit im Ergebnis um eine kartellrechtlich nicht zu beanstandende Patentauslaufstrategie, die unter Berück-

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sichtigung der AstraZeneca-Entscheidungen der Gemeinschaftsgerichte und der aktuellen Verwaltungspraxis der Kommission auch die Billigung der Kartellgerichte und Wettbewerbsbehörden findet. Der wettbewerbsverzerrenden Wirkung früher Marktzutritte stehen die Kartellbehörden gleichwohl nicht machtlos gegenüber. Zwar lässt sich der Strategie früher Marktzutritte nicht über das Kartell-, das Behinderungs- oder das Diskriminierungsverbot Rechnung tragen. Infolge ihrer besonderen Marktstrukturrelevanz unterfallen frühe Marktzutritte jedoch dem Anwendungsbereich der nationalen und europäischen Zusammenschlusskontrolle. Tatbestandlich handelt es sich um einen Anwendungsfall des Kontrollerwerbs nach Art. 3 Abs. 1 lit. b) FKVO, § 37 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) GWB; im Rahmen der nationalen Zusammenschlusskontrolle ist zudem der Zusammenschlusstatbestand des Vermögenerwerbs nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB einschlägig. Im Wege früher Marktzutritte verschaffen Originalpräparatehersteller Generikaherstellern zeitliche Vorsprünge gegenüber Wettbewerbern. Bei fusionskontrollrechtlicher Betrachtung erlangen die Generikahersteller auf diesem Wege die Kontrolle über die ökonomischen Erstanbietervorteile der Originalpräparatehersteller, die als übertragbare, immaterielle Bestandteile des Vermögens der Originalpräparatehersteller und damit als Teil eines anderen Unternehmens im Sinne der genannten Zusammenschlusstatbestände einzuordnen sind. Nach ihrer Überleitung auf die Generikahersteller aktualisieren sich diese Erstanbietervorteile, weil auf Arzneimittelmärkten im Zeitpunkt des Patentablaufs mit den Generikaherstellern eine neue Generation von Anbietern auftritt, unter denen der Wettlauf um den Status des (generischen) Erstanbieters am Markt neu eröffnet wird. Der Annahme eines Unternehmenszusammenschlusses steht dabei nicht entgegen, dass die Originalpräparatehersteller auch im Nachgang zu frühen Marktzutritten unverändert am Markt tätig bleiben. Zwar standen im Rahmen der bisherigen Anwendung der Zusammenschlusskontrolle Veränderungen der absoluten Unternehmenskonzentration, d. h. Verringerungen der Anzahl der am Markt eigenverantwortlich tätigen Wettbewerbssubjekte, im Vordergrund und erhöht sich die absolute Konzentration auf Arzneimittelmärkten durch frühe Marktzutritte gerade nicht. Infolge der Übertragung der Erstanbietervorteile rücken einzelne Generikahersteller jedoch zu weiten Teilen in die Marktstellungen der Originalpräparatehersteller ein, die sich ohne den Vollzug früher Marktzutritte mit Patentablauf auf eine Vielzahl von Generikaherstellern verteilen würden. Frühe Marktzutritte wirken insoweit konzentrativ, weil sie den mit Patentablauf einsetzenden Dekonzentrationsprozess hemmen und zu einem Anstieg der relativen Konzentration auf dem Arzneimittelmarkt im Zeitraum nach Patentablauf führen. Veränderungen der relativen Konzentration aber reichen nicht nur im Falle früher Marktzutritte, sondern auch grundsätzlich zur Annahme eines für die Anwendung der Zusammenschlusskontrolle erforderlichen Konzentrationsvorgangs aus. Schließlich zielt die Zusammenschlusskontrolle darauf ab, die Entstehung oder Verstärkung von Marktmacht zu verhindern. Für die Entstehung oder Verstärkung von Marktmacht aber ist es irrelevant, ob das veräußernde Unternehmen

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gänzlich vom Markt ausscheidet, solange es nur seine Marktmacht auf das Erwerberunternehmen überleitet. Die Erkenntnisse dieser Arbeit zur Überprüfbarkeit früher Marktzutritte am Maßstab der Zusammenschlusskontrolle belegen, dass sich der Anwendungsbereich dieses kartellrechtlichen Instruments weit vom gängigen Verständnis eines Unternehmenszusammenschlusses entfernt hat. Der Anwendungsbereich der Zusammenschlusskontrolle ist nicht auf die Übernahme ganzer Unternehmen oder unternehmerischer Teileinheiten durch andere Unternehmen beschränkt. Bei der Zusammenschlusskontrolle handelt es sich vielmehr um ein umfassendes Instrument der Marktstrukturkontrolle, das auf jedwede Form transaktionsbedingter Marktstrukturveränderungen und insoweit auch auf die Übertragung einzelner marktstrukturrelevanter Vermögensgegenstände anwendbar ist. Insbesondere seit den Entscheidungen des BGH in den Rechtssachen Warenzeichenerwerb und National Geographic ist anerkannt, dass auch die Übertragung einzelner immaterieller Vermögensgüter die Voraussetzungen eines Unternehmenszusammenschlusses erfüllen kann. Nach den Erkenntnissen dieser Arbeit gilt dies auch für die Übertragung von Erstanbietervorteilen und damit in der Sache für Fälle, in denen Unternehmen anderen Unternehmen zeitliche Vorsprünge gegenüber ihren Wettbewerbern verschaffen. Die Bedeutung dieser Erkenntnis geht über den Arzneimittelsektor hinaus. Wenngleich die Vorteile von Erstanbietern auf Arzneimittelmärkten infolge der dortigen angebots- und nachfrageseitig bestehenden Besonderheiten überdurchschnittlich stark ausgeprägt sind, handelt es sich hierbei nicht um ein Spezifikum dieser Märkte. Erstanbietervorteile bestehen vielmehr auf allen Märkten, auf denen strukturelle oder strategische Marktzutrittsschranken den Marktzutritt zeitlich nachfolgender Anbieter erschweren. Die Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit lassen sich daher auf die vorzeitige Zulassung von Unternehmen zu Märkten anderer innovationslastiger Industriesektoren, wie etwa auf Märkte der Internetindustrie, übertragen. Voraussetzung hierfür ist freilich nicht nur, dass die dortigen Unternehmen über Erstanbietervorteile verfügen, sondern auch, dass diese Unternehmen durch die Inhaberschaft zeitlich befristeter, immaterialgüterrechtlicher Ausschließlichkeitsbefugnisse zu deren gezielter Übertragung auf andere Unternehmen in der Lage sind. Als Unternehmenszusammenschlüsse zwischen den an ihnen beteiligten Originalpräparate- und Generikaherstellern sind frühe Marktzutritte damit im Ergebnis vor ihrem Vollzug bei den zuständigen Wettbewerbsbehörden anzumelden und dürfen ohne deren Freigabe innerhalb der hierfür vorgesehenen Fristen nicht vollzogen werden. Dies ermöglicht es, frühe Marktzutritte vorab auf ihre Wettbewerbsverträglichkeit hin zu überprüfen. Der fusionskontrollrechtlichen Anmeldepflicht unterliegen frühe Marktzutritte dabei nicht nur, wenn sie den Charakter einer Patentauslaufstrategie aufweisen. Anmeldepflichtig sind frühe Marktzutritte vielmehr auch dann, wenn sie, wie häufig der Fall, im Rahmen der vergleichsweisen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten durch Reverse Payment Settlements Bestandteil der Vergütungsleistungen der patentinnehabenden Originalpräparateher-

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steller sind. Die Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit beeinflussen damit indirekt auch die kartellrechtliche Behandlung von Reverse Payment Settlements. Beinhalten Reverse Payment Settlements zugleich frühe Marktzutritte, müssen sie – auch unabhängig des in der Vergangenheit erfolgten Monitorings dieser Vergleichsvereinbarungen durch die Kommission – den Wettbewerbsbehörden zur Kenntnis gebracht werden, was einen weiteren Beitrag dazu leisten dürfte, dass pharmazeutische Unternehmen zukünftig von dieser – überwiegend als kartellrechtlich kritisch erachteten – Form des Patentvergleichs Abstand nehmen werden. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde überdies gezeigt, dass frühe Marktzutritte dem Anwendungsbereich des Marktstrukturmissbrauchs auf Grundlage der Art. 102 AEUV, §§ 19, 20 GWB unterfallen. Sowohl der Ursprung dieser Missbrauchskategorie als auch ihr bisheriger, wenig praxisrelevanter Anwendungsbereich liegen im Bereich der Zusammenschlüsse von Unternehmen. Frühe Marktzutritte unterfallen dem Anwendungsbereich des Marktstrukturmissbrauchs allerdings nicht nur infolge ihres Charakters als Unternehmenszusammenschlüsse. Vielmehr ließ sich am Beispiel früher Marktzutritte vorstehend zeigen, dass der Anwendungsbereich des Marktstrukturmissbrauchs über die Erfassung von Unternehmenszusammenschlüssen hinausgeht. Ein eigenständiger, durch praktisch handhabbare Konturen umrissener Anwendungsbereich kommt dem Marktstrukturmissbrauch nach den vorstehenden Erkenntnissen in sämtlichen Fällen unternehmerisch veranlasster Marktstrukturveränderungen zu, denen, wie frühen Marktzutritten, kein missbräuchliches Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens vorgeschaltet ist. Relevant wird die Missbrauchskategorie des Marktstrukturmissbrauchs damit vor allem im Falle von Maßnahmen, welche im Vorfeld einer Marktöffnung ergriffen werden, um die spätere Struktur dieser Märkte vorzuzeichnen. Im Falle früher Marktzutritte ist dieser zweite Anknüpfungspunkt für die Annahme eines Marktstrukturmissbrauchs dabei insbesondere in Fällen relevant, in denen frühe Marktzutritte nicht durch konzernexterne, sondern durch konzernangehörige Generikahersteller vollzogen werden und damit nicht der Zusammenschlusskontrolle unterfallen. Sowohl die Zusammenschlusskontrolle als auch die Missbrauchskategorie des Marktstrukturmissbrauchs nehmen frühe Marktzutritte daraufhin in den Blick, ob von diesen eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs, insbesondere durch die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung, ausgeht. Bereits die in ökonomischen Untersuchungen festgestellte Höhe der Marktanteile autorisierter Generika deuten dabei auf die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung auf Seiten der beteiligten Generikahersteller hin, sodass frühen Marktzutritten im Regelfall die Vollzugsfreigabe zu versagen ist und diese als Marktstrukturmissbräuche zu qualifizieren sind. Maßgebliches Untersagungskriterium ist grundsätzlich die Ausprägung der im Wege früher Marktzutritte übergeleiteten Erstanbietervorteile, bei deren Beurteilung wiederum die Größe des Arzneimittelmarktes, die Qualität des betroffenen Schutzrechts, die Indikation des betroffenen Arzneimittels sowie der

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zeitliche Zusammenhang zwischen frühem Marktzutritt und Patentablauf zu berücksichtigen sind. Wie bereits eingangs dieser Arbeit durch das Zitat Bedri Tokers angedeutet, kommt dem Wettbewerbsfaktor Zeit im Arzneimittelsektor nach alledem in der Tat eine besondere Bedeutung zu. Im Wege der Patentauslaufstrategie früher Marktzutritte machen sich Arzneimittelhersteller diese Bedeutung gezielt zunutze, um die Struktur von Arzneimittelmärkten bereits vor Patentablauf für den Zeitraum nach Patentablauf zu ihren Gunsten vorzuzeichnen. Dahingehenden Versuchen der Arzneimittelhersteller lässt sich kartellrechtlich jedoch effektiv mit dem Instrument der Zusammenschlusskontrolle und der Missbrauchskategorie des Marktstrukturmissbrauchs begegnen.

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Stichwortverzeichnis Abbreviated New Drug Application 84 f., 87 ff., 92, 94 f. Abgabegebühr 74 Actavis-Entscheidung 34, 64 f. Alleinbezugsverpflichtung 140, 143, 149 ff. – Bezugsverpflichtung siehe dort – Einzelfreistellung 151 – Gesamtbedarfsklausel siehe dort – Kartellverbot siehe dort – Mindestabnahmemenge siehe dort – Missbrauchsverbot 151 – Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung 150 f. ANDA siehe Abbreviated New Drug Application AndroGel 64 Anteilserwerb 157, 160 f., 202 – Unternehmenszusammenschluss siehe dort Approved Drug Products with Therapeutic Equivalence Evaluations siehe Orange Book Arzneimittel 19, 44 – Fertigarzneimittel 44, 49 f. – Humanarzneimittel 26, 44, 117, 124 – OTC-Produkt 45, 102 – Referenzarzneimittel 55, 84 f., 117, 181 – Tierarzneimittel 45 – verschreibungspflichtiges 26, 44 f., 66, 69 f., 101 f., 106 Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz 69 Arzneimittelregulierung 15 f., 57 f., 68 ff., 82 ff., 129, 151 f., 212 – Arzneimittelzulassung siehe dort – Aut-idem-Regelung siehe dort – Festbetrag siehe dort – Preisregulierung siehe dort – Rabattvertrag siehe dort – Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung siehe dort

– Substitutionsförderung 75 ff., 79, 126, 129 – Zwangsrabatt siehe dort Arzneimittelwirkstoff 19 f., 29 Arzneimittelzulassung 15 f., 33, 50 f., 54 ff., 65, 82 ff., 116 ff., 123, 160, 162, 171 ff., 178, 180 ff., 184 – Bezugnahme 55, 84 – bibliografische 84 – Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte siehe dort – Doubletten-Zulassung siehe dort – Erwerb 55 f. – konsensuale 84 f. – Paul-Ehrlich-Institut siehe dort – Rechtsnatur 56 – Referenzzulassung 55, 84 f., 182 – Übertragung 51, 54, 56 ff., 160, 162, 171 ff., 178, 180 ff. – Widerruf 16, 116 ff. – Wirtschaftlicher Wert 172 AstraZeneca-Entscheidung 17, 99, 102 ff., 106, 114 ff., 130, 205, 213 – Ergänzendes Schutzzertifikat siehe dort – Irreführende Patentinformationen 116 – Leistungswettbewerb siehe dort – Losec siehe dort – Missbräuchliche Ausnutzung des Patentsystems 116 – Nichtleistungswettbewerb siehe dort – Omeprazol siehe dort – Patentauslaufstrategie 115, 117 ff., 130, 212 f. – Widerruf einer Arzneimittelzulassung 16, 116 ff. ATC-Klassifikation 102 ff. – Marktabgrenzung siehe dort – Weltgesundheitsorganisation siehe dort Atorvastatin 21 Aufgreiftatbestand 155, 168, 181, 190 – Gemeinschaftsweite Bedeutung 155 f.

234

Stichwortverzeichnis

– One-Stop-Shop siehe dort – Umsatzschwellen 155, 190, 199 – Unternehmenszusammenschluss siehe dort – Zusammenschlusskontrolle siehe dort Ausbeutungsmissbrauch 98, 201, 207, 209 Ausschließlichkeitsrecht 15, 32 f., 51 f., 108 ff., 114, 123, 132, 134 Authorized Generics siehe Autorisierte Generika Aut-idem-Regelung 69, 77 f., 125 Autorisierte Generika 18 ff. – Chemische Identität 20, 31, 75, 92 – Marktanteilsvorsprung siehe dort – Marktführer 39 f. Azad 99

Barr Laboratories 21 Bayer 21 Bedarfsmarktkonzept 101 – Marktabgrenzung siehe dort – Nachfragesubstituierbarkeit 101 Behinderung 24, 81, 104 ff., 155, 186, 191 f., 194, 199 f., 215 – Behinderungsmissbrauch siehe dort – mittelbare 105 f. – Potentieller Wettbewerb siehe dort – unbillige siehe Unbilligkeit – unmittelbare 105 – wertneutral 106 – Wettbewerbliche Betätigungsfreiheit 105 – Wettbewerbschancen 105 Behinderungsmissbrauch 42, 97 ff., 137, 201 – Behinderung siehe dort – Horizontalverhältnis 98 – Marktverhaltenskontrolle siehe dort – Praktische Bedeutung 98 – Prioritätenmitteilung 98 – Unbilligkeit siehe dort Beitrags-Sicherungsgesetz 77 Bestand und Ausübung 111 ff. – Consten Grundig-Entscheidung siehe dort – Deutsche Grammophon-Entscheidung siehe dort – Legitimationswirkung 112

– Lehre vom spezifischen Gegenstand siehe dort – Parke Davis-Entscheidung siehe dort Betapharm 20, 57 Bezugsverpflichtung 43, 57, 149 ff. – Alleinbezugsverpflichtung siehe dort – einfache 149 – Kartellverbot siehe dort BfArM siehe Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Bioäquivalenz 19 f., 31, 55, 75, 85, 92, 135 Boehringer Ingelheim-Verfahren 99 Branded Generics siehe Autorisierte Generika Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte 55 Cephalon 24, 46 Ciprobay 21 Ciprofloxacin 21 Citalopram 24, 148 Co-Marketing-Vertrag 49 ff., 54, 57 Commercial Solvents-Entscheidung 133 Consten Grundig-Entscheidung 111 f. – Bestand und Ausübung siehe dort Continental Can-Entscheidung 201 f., 204 ff., 209 – Marktstrukturmissbrauch siehe dort Co-Promotion-Vertrag 25, 50, 148 – Fentanyl-Entscheidung siehe dort Deutsche Grammophon-Entscheidung 112 – Bestand und Ausübung siehe dort Diskriminierungsverbot 47 f., 131, 136 ff., 212 f. – Sachliche Rechtfertigung 136 ff. – Standard-Spundfass-Entscheidung siehe dort – Ungleichbehandlung 131, 136 ff., 212 Doubletten-Zulassung 57 f., 180 f. Drug Price Competition and Patent Term Restauration Act siehe Hatch-Waxman Act Early Entry siehe Früher Marktzutritt Early Entry-Agreement siehe Vereinbarung über einen frühen Marktzutritt Eingriffstatbestand 156, 177, 191 ff., 210

Stichwortverzeichnis – – – – – – – – – – –

Effizienzvorteil 199 f. Entmutigungseffekt 198 Koordinierte Wirkung 194 Marktbeherrschungstest 191 Nicht-koordinierte Wirkung 194 Prognoseentscheidung 192 f. Prognosezeitraum 193 Relevanter Markt 191 f. SIEC-Test siehe dort Vergleichsszenario 193 Zukünftige Markstruktur 42, 81, 190, 192 f. – Zusammenschlusskontrolle siehe dort Eingriffsvoraussetzungen siehe Eingriffstatbestand Entdeckungsverfahren 195, 200 Ergänzendes Schutzzertifikat 16, 60, 116 Erschöpfungsgrundsatz 53 f., 58, 142, 170 Erstanbieter 39 f., 67, 103 f., 182 ff, 196 ff., 211, 213 f. Erstanbietervorteil 38 f., 47, 66 ff., 78 f., 124, 129, 137, 155, 181 ff., 190, 197, 210, 211, 213 ff. – Endogener Prozess 67, 183 – Marktanteilsvorsprung siehe dort – Marktzutrittsschranke siehe dort – Mehrstufiger Prozess 67 – Pionier-Möglichkeit 67 – Pionierstrategie 67 – Potentielle Vorteile 67 – Produktloyalität siehe dort – Ressourcenbesetzung 68 – Technologievorsprung 68, 183 – Übertragbarkeit 183 – Vermögensbestandteil 182 ff. – Wettbewerbliche Asymmetrie 67 Essential Facilities-Doktrin 131 ff., 136 ff., 212 – Geschäftsverweigerung siehe dort – Immaterialgüterrechtlich geschützte Zugangsobjekte 132 ff. – IMS Health-Entscheidung siehe dort – Ladbroke-Entscheidung siehe dort – Lieferverweigerung siehe dort – Magill-Entscheidung siehe dort Evergreening siehe Produkte der zweiten Generation Ex ante Kontrolle 154 f.

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Exklusivitätsfrist 87 ff. – ANDA-Zulassung siehe Abbreviated New Drug Application – Anreizfunktion 87 f. – Autorisierte Generika siehe dort – First Commercial Marketing 88 – Mylan Pharmaceuticals-Entscheidung siehe dort – New Drug Application siehe dort – Teva Pharmaceuticals-Entscheidung siehe dort Experimental Use Exemption 84 Ex post Kontrolle 154 Externes Unternehmenswachstum 161 ff., 172 ff., 178, 181, 185 – National Geographic-Entscheidung 185 – Wesentlichkeit des Vermögensteils 175

FDA siehe Food and Drug Administration Federal Food, Drug and Cosmetic Act 82 ff. Federal Trade Commission 39, 46, 54, 64, 82, 93 ff., 125 ff. Fentanyl-Entscheidung 25, 65, 143, 148 Festbetrag 15, 76 First-Mover Advantage siehe Erstanbietervorteil Food and Drug Administration 65, 83 f., 86, 88 ff., 95 Forschungs- und Entwicklungsphase 58 ff., 211 – Anreizwirkung des Patentsystems 60 – Arzneimittelzulassung siehe dort – Dauer 59 f., 211 – DiMasi Studie 60 – Klinische Studien siehe dort – Kosten 59 f., 211 – Return On Investment 60 – Vorklinische Studien siehe dort FRAPPAN 164 – Warenzeichenerwerb-Entscheidung siehe dort Früher Marktzutritt 18, 49 ff. – Autorisierte Generika siehe dort – Bezugsverpflichtung 43, 57, 149 ff., 211 – konzernexterner 45 f. – konzerninterner 45 f., 157 ff. – Patentvergleich 63 ff.

236

Stichwortverzeichnis

– Vereinbarung über einen frühen Marktzutritt siehe dort – Vergütungszahlung siehe dort FTC siehe Federal Trade Commission Fusion 156, 160 – rechtliche 160 – Unternehmenszusammenschluss siehe dort – Verschmelzung durch Aufnahme 160 – Verschmelzung durch Neugründung 160 – wirtschaftliche 160 Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel 44, 117 Generikum 19 f. – Arzneimittelzulassung 55 f. – Autorisierte Generika siehe dort – Bioäquivalenz siehe dort Gesamtbedarfsklausel 150 f. Geschäftsverweigerung 131 Gewerbliche Schutzrechte 15, 56, 98, 100, 104, 109, 111, 113, 115, 131, 155, 162 ff., 172, 178 GlaxoSmithKline-Entscheidung 140 – Verbraucherwohlfahrt siehe dort Gruppenfreistellungsverordnung 114, 140, 142 f., 149 ff. – Marktanteilsschwelle 149 f. – Schwarze Klauseln 140 – Technologietransfer-Vereinbarungen 114, 142, 149 – Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung 150 f. – Weiße Klauseln 114 Hatch-Waxman Act 84, 89 f., 92, 94, 96 Heilmittelwerbegesetz 20, 106 Hexal 20, 57 Hilfsstoffe 19, 74, 135 Horizontalvereinbarung 141 f. – Kartellverbot siehe dort – Wirtschaftsstufe 141 f. HWG siehe Heilmittelwerbegesetz Imitationswettbewerb 32, 35, 60, 109, 134 Immaterialgüterrecht 104, 108, 110 f., 114, 132, 164, 168 – Bestand und Ausübung siehe dort

– Komplementärverhältnis siehe dort – Konfliktthese siehe dort – Lehre vom spezifischen Gegenstand siehe dort – Marktverschließende Wirkung 108 f. – Spannungsverhältnis siehe dort – Wirtschaftliches Monopol 109, 103 f. IMS Health-Entscheidung 133 ff. – Essential Facilities-Doktrin siehe dort Informationsdefizit siehe Informationsunvollkommenheit Informationsunvollkommenheit 68, 70, 72, 74, 79, 91 f. Inhaltetheorie 110 ff. Inherency Doctrine 110 Innovationswettbewerb 109, 134 Interessenabwägung 107 f., 115, 121 – Außergewöhnliche Umstände 115, 132 f. – Besondere Umstände 99, 115, 137 – Freiheit des Wettbewerbs 107, 137 – Immaterialgüterrechtliche Vorgaben 108 ff. – Marktzutrittssperre siehe dort – Offenhaltung der Märkte 108 f., 122 Internes Unternehmenswachstum 161 f., 173 ff., 185 – National Geographic-Entscheidung 174, 185 Irreführung 20 – AstraZeneca-Entscheidung siehe dort – Heilmittelwerbegesetz siehe dort Johnson & Johnson/Novartis-Entscheidung 25, 143, 148 – Co-Promotion-Vertrag siehe dort – Pay-For-Delay siehe dort Kampfpreise in Vernichtungsabsicht 91, 97, 121 Kannibalisierungseffekte 58, 62 Kartellverbot 46 ff., 81 f., 97, 104, 111, 128, 138 ff., 154, 173, 185 f., 212 – Alleinbezugsverpflichtung siehe dort – Bewirken 138 ff. – Bezwecken 138 ff. – Drittinteressen 144 ff. – GlaxoSmithKline-Entscheidung siehe dort

Stichwortverzeichnis – – – – – – – – –

Horizontalvereinbarung siehe dort Kernbeschränkung siehe dort Konzernprivileg siehe dort Marktverhaltenskontrolle siehe dort Per-se Verbot 185 f. Potentieller Wettbewerb siehe dort Rule of Reason siehe dort Selbstständigkeitspostulat siehe dort T-Mobile Netherlands-Entscheidung siehe dort – Vertikalvereinbarung siehe dort – Werturteil 146 – Wettbewerbsbeschränkung siehe dort – Wirtschaftliche Handlungsfreiheit 141, 143 ff. Kaufvertrag 52 Kernbeschränkung 140 – Marktaufteilung 140 – Preisbindung 140 – Schwarze Klausel 140 Klinische Studien 30, 55, 59 f., 83 f., 87 Komplementärverhältnis 108 Konfliktthese 108 Konsolidierte Mitteilung 157, 162, 187 Konsumentenpräferenz 68, 124, 127, 211 Kontrolle 156, 158, 161, 166 ff., 174, 176, 190, 213 – Bestimmender Einfluss 166 f., 169, 179 – faktische 170 – gemeinsame 168 – Kontrollerwerb siehe dort – Kontrollgegenstand siehe dort – Kontrollmittel siehe dort – mittelbare 167 – qualitativer Begriff 166 – reale Verfügungsbefugnis 167 – unmittelbare 167 Kontrollerwerb 156 ff., 161 f., 164 ff., 170 ff., 175, 179 f., 183, 206, 213 – Arzneimittelzulassung 171 ff. – eigentumsrechtliche Absicherung 165 – Erstanbietervorteil 181 ff. – Kontrolle siehe dort – Liefervertrag 169 ff. – Lizenzerwerb 165 ff. – Quelle/Primondo-Entscheidung siehe dort

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– Unternehmenszusammenschluss siehe dort Kontrollgegenstand 161 – Erstanbietervorteil 181 ff. – Patentrecht 166, 168, 170 – Vermögen siehe dort – Vermögensteil 161 f. Kontrollmittel 161, 165, 168 f. – Alleinlizenz 168, 170 – Eigentumsrecht 162, 165, 167, 171, 175 – Einfache Lizenz 168, 170 – Entscheidung Nr. 24/54 der hohen Behörde 166, 169 – Exklusivliefervertrag 171 – Exklusivlizenz 168 f. – Liefervertrag 169 ff. – Nutzungsrecht 162, 164 ff., 167 f., 175 – Wirtschaftliche Abhängigkeit 170 – ZKVO-Entwurf 169 Konzentration siehe Unternehmenskonzentration Konzentrationsmemorandum 184 f. Konzentrationsvorgang 173, 184 ff., 189, 213 – Abgrenzungsfunktion 185 – Marktergebnis 186 Konzernprivileg 46, 138, 159 Kooperative Wirkung 185 f. Kopplung 207 f., 119 Kostensensibilität 70 f., 73, 75 f., 102, 198 Kraft 164 Krankenversicherung 69 f., 76 – Krankenversicherungsbeitrag 70 – Zuzahlung 70, 76, 127 Krka 64 Ladbroke-Entscheidung 133 – Neues Produkt 133 Lebenszyklus siehe Produktlebenszyklus Lebenszyklusstrategie siehe Patentauslaufstrategie Legalausnahme 23 Lehre vom spezifischen Gegenstand 112 ff. – Deutsche Grammophon-Entscheidung siehe dort – Immaterialgüterrechtliche Kernbefugnisse 112 – Lizenzvergabe 112

238

Stichwortverzeichnis

– Lizenzverweigerung 112 – Nutzungsuntersagung 112 – Sicherung des Erfinderlohns 112 Leistungswettbewerb 107, 116 ff., 120 – Interessenabwägung 107 Les Laboratoires Servier-Entscheidung 24, 36, 64, 98 f., 120, 123, 143, 148 – Reverse Payment Settlement siehe dort Liefervertrag 43, 51 ff., 58, 153, 160, 162, 169 ff., 181 – Alleinbezugsverpflichtung siehe dort Lieferverweigerung 131, 133 – Commercial Solvents-Entscheidung siehe dort – Telemarketing-Entscheidung siehe dort Liquipak 99 Lizenzerteilung 64, 115, 131, 140, 142, 162, 169 f., 180 Lizenzerwerb 99, 114, 123, 162 f. – National Geographic-Entscheidung siehe dort – Tetra Pak I-Entscheidung siehe dort Lizenzgewährung siehe Lizenzerteilung Lizenzierungspflicht 130 ff., 212 – Diskriminierungsverbot siehe dort – Essential Facilities-Doktrin siehe dort – IMS Health-Entscheidung siehe dort – Ladbroke-Entscheidung siehe dort – Magill-Entscheidung siehe dort – Microsoft-Entscheidung siehe dort Lizenzvertrag 52, 54, 58, 111, 142, 149, 168 f. – Absolute Wirkung 164 – Alleinlizenz 140, 148 f., 168 ff., 180 f. – ausschließlicher 99, 123, 149, 164, 168 f., 197, 207 – Dingliche Wirkung 164 – einfacher 168, 170, 180 f. – Exklusivlizenz 140, 148 f., 168 f., 181, 184 – Herstellungslizenz 54 – Vertriebslizenz 54 Lizenzverweigerung 98, 112, 115, 131 ff., 135 Losec 103, 116 f., 120 – Losec Kapseln 116, 120 – Losec MUPS 117, 120

Lundbeck-Entscheidung 17, 24, 143, 148 – Pay-For-Delay siehe dort Magill-Entscheidung 113, 132 f., 136 – Lizenzierungspflicht siehe dort – Neues Produkt 133 Marktabgrenzung 16, 37, 100 ff., 202 – Angebotsumstellungsflexibilität 101 – AstraZeneca-Entscheidung 102 ff. – ATC-Klassifikation siehe dort – Bedarfsmarktkonzept siehe dort – räumliche 101 – sachliche 101 ff. – sektorspezifische 100 ff. – SSNIP-Test siehe dort – zeitliche 101 Marktanteilsvorsprung 38 ff., 67, 130, 138, 152 f., 155, 184, 189, 197, 200, 211 Marktbeherrschende Stellung siehe Marktbeherrschung Marktbeherrschung 100 ff., 106 f., 155, 191, 195 ff., 203 f., 208 ff., 215 – Einzelfallbetrachtung 100, 103, 196 f. – Erstanbieter 103 f. – Gesamtbetrachtung 100, 103, 196 f. – Immaterialgüterrecht 103 f. – Kausalzusammenhang 106 – Marktanteil 40, 100, 195 f. – Marktzutrittsschranke siehe dort – Vermutung 195 Markterschließungsgedanke 150 Marktmachttransfer 91 f., 97, 130 – defensiver 92 Marktsegmentierung 62, 121, 133 Marktstruktur 42, 80 f., 173, 190, 193, 201, 208 f. – Marktstrukturkontrolle siehe dort – Marktstrukturmissbrauch siehe dort – missbrauchsgeneigte 154 – Systematisierung 81 – Unternehmenskonzentration siehe dort – Wechselwirkung 80 Marktstrukturkontrolle 81 f., 152 ff., 202, 204, 211 f., 214 – Marktstrukturmissbrauch siehe dort – Marktverhaltenskontrolle siehe dort – Strukturelle Marktzutrittsschranke 128 f. – Zusammenschlusskontrolle siehe dort

Stichwortverzeichnis Marktstrukturmissbrauch 42, 47 f., 82, 98, 152 f., 200 ff., 212, 215 f. – Anwendungsbereich 205 ff. – AstraZeneca-Entscheidung 205 – Behinderungsverbot 201, 207, 209 – Continental Can-Entscheidung siehe dort – Dogmatische Einwände 203 ff. – Kopplungsgeschäft 207 – Marktbeherrschende Stellung 204 – Marktmachtausdehnung 206 – Marktöffnung 215 – Microsoft-Entscheidung 205 – Monopolisierungsverbot 203 – Praktische Relevanz 201 – Präventive Kontrolle 206 – Primärrecht 204 f. – Restwettbewerb 202, 204 – Strukturelle Marktveränderung 201 ff., 208 – Tetra Pak I-Entscheidung 207 – Unternehmenszusammenschluss 201 f., 205 ff. – Ursprung 201 – Zusammenschlusskontrolle 201, 204 ff., 210 Marktverhalten 80 – Systematisierung 81 – Wechselwirkung 80 Marktverhaltenskontrolle 81, 97, 122, 127 ff., 139, 147, 151 f., 201 f., 208, 211 f. – Kartellverbot siehe dort – Marktstrukturkontrolle siehe dort – Missbrauchsaufsicht siehe dort – Strategische Marktzutrittsschranke 128 f. Marktzulassung siehe Arzneimittelzulassung Marktzutrittsschranke 68, 92, 122 ff., 127 ff., 147, 198, 212, 214 – absolute 128 – psychologische 123 – rechtliche 123 – strategische 68, 128 f., 147, 212, 214 – strukturelle 68, 128, 147, 198, 212, 214 – technische 122 – Versunkene Kosten siehe dort – Werbeaufwand 124 – wirtschaftliche 122, 124, 127, 198 Marktzutrittssperre 122, 124

239

Marktzutrittszeitpunkt 30, 42, 47, 49, 66 ff., 129, 200 Medicare Prescription Drug, Improvement, and Modernization Act 86, 88 f., 95 Melitta 164 Merck 20, 57, 148 Microsoft-Entscheidung 135, 205 – Neues Produkt 135 Mindestabnahmemenge 43, 149 f. Missbrauchsaufsicht 42, 81 f., 97 ff., 104, 122 f., 128, 138, 145, 151 f., 154, 173, 200 ff. – Adressatenkreis 100 – Einseitiges Verhalten 97, 100, 138 – Ex post Kontrolle siehe dort – Gewerbliche Schutzrechte 98 f. – Hoffmann La Roche-Entscheidung 105, 107, 151 – Lizenzerwerb siehe dort – Lizenzverweigerung siehe dort – Marktbeherrschung siehe dort – Neue Missbrauchsformen 99 Missbrauchsverbot siehe Missbrauchsaufsicht Mitvertrieb 50, 54, 172 Monitoring 24, 215 More Economic Approach 126, 139 f., 145 – Verbraucherwohlfahrt siehe dort MSD Sharp & Dohme 20, 57 Mylan Pharmaceuticals-Entscheidung 90 Nachfragesubstituierbarkeit siehe Bedarfsmarktkonzept National Geographic-Entscheidung 162 f., 178, 214 – Externes Unternehmenswachstum siehe dort – Kontrollerwerb siehe dort – Lizenzerwerb siehe dort – Unternehmenszusammenschluss siehe dort NDA siehe New Drug Application New Drug Application 83 f., 85, 88 ff., 92 Nichtleistungswettbewerb 107, 115 f., 118 ff., 130, 208 – Interessenabwägung 107 – Missbrauchsaufsicht siehe dort Nutzungsbefugnis 51, 180

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Stichwortverzeichnis

Nutzungsrecht 51 f., 58, 162, 164 ff., 180, 182 ff. Nycomed 148 Omeprazol 116 One-Stop-Shop 156 – Zusammenschlusskontrolle siehe dort Orange Book 83, 85, 116 Orphan Drugs 96 Paddock 64 f. Par 65 Paragraph IV Certification 64, 85 ff., 92 f., 96 – Benachrichtigung 86 – Einstweilige Unterlassungsverfügung 86 f. – Exklusivitätsfrist siehe dort – Patentverletzungsklage 86 – Sperrfrist 86 f. Parallelhandel 16, 111, 120 Parallelimporte siehe Parallelhandel Parke Davis-Entscheidung 112 – Bestand und Ausübung siehe dort Patentablauf 18, 35, 60 – Marktanteilsentwicklung 35 ff. – Patentauslaufstrategie siehe dort – Preisnachlass 35 – Produktlebenszyklus siehe dort – Umsatz- und Gewinneinbußen 35 ff. Patentausdehnung 44, 118 Patentauslaufstrategie 28, 36, 58, 61 ff., 66, 79, 108, 115, 117 ff., 125, 130, 137, 152, 211 f., 214, 216 – adaptive 61 – AstraZeneca-Entscheidung siehe dort – Extraktionsstrategie 61 – Marktsegmentierung siehe dort – Produktlebenszyklus siehe dort Patent Certification 85 Patentlaufzeit 20, 29, 33 f., 51, 60, 211 – effektive 60, 211 Patentvergleich 17, 24, 30, 34, 63, 65 f., 96, 98, 215 – Früher Marktzutritt 63 f. – No-AG-Klausel 63 – Pay-For-Delay siehe dort – Reverse Payment Settlement siehe dort

Patentverletzungsklage 65, 86 f. Paul-Ehrlich-Institut 55 Pay-For-Delay 17, 24 f., 65, 143, 148 – Lundbeck-Entscheidung siehe dort PEI siehe Paul-Ehrlich-Institut Perindopril 99 Pfizer 20 f., 199 Pionierstatus 66 Potentieller Wettbewerb 91, 98, 105, 107 f., 121 f., 128 f., 141 ff., 193 f., 198 f. – Patentrechtliche Sperrposition 142 Potentieller Wettbewerber siehe Potentieller Wettbewerb Preisbildungsfreiheit 16, 75 f. Preiselastizität 73 Preisregulierung 15, 75 f. – Erstattungsfähigkeit 15, 76 – faktische 76 – Festbetrag siehe dort – Zwangsrabatt siehe dort Preissensibilität siehe Kostensensibilität Preiswettbewerb 74 ff., 97 – eingeschränkter 75 – Preisbildungsfreiheit siehe dort – Preisregulierung siehe dort Produkte der zweiten Generation 28, 36 – Evergreening 36 Produktlebenszyklus 58 f., 62, 66, 211 – Forschungs- und Entwicklungsphase siehe dort – Verfallsphase siehe dort Produktloyalität 68 f., 78, 105, 147, 152, 198 – Abhängigkeitsverhältnis 72 – Auswahlentscheidung 69 f., 72, 77 f. – Finanzierungsverantwortung 69 f., 72 ff., 79 – Gewöhnungsmuster 72 – Informationsunvollkommenheit siehe dort – Kostensensibilität siehe dort – Personenverschiedenheit 69 – Preiswettbewerb siehe dort – Qualitätswettbewerb siehe dort – Unsicherheiten siehe dort – Verschreibungspraxis 72, 78 – Verschreibungsrepertoire 72 – Wechselkosten siehe dort

Stichwortverzeichnis Produktumstellung 116, 120, 130 – AstraZeneca-Entscheidung siehe dort Projektion von Marktmacht 42, 44, 151 Pseudo Generics siehe Autorisierte Generika Qualitätswettbewerb 75 Quelle/Primondo-Entscheidung 165 – Kontrollerwerb siehe dort – Unternehmenszusammenschluss siehe dort Rabattvertrag 77 f., 97 – Substitutionspflicht 77 f. Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung 77 f. Ranbaxy Laboratories 21 Referenzpreis 70, 74 – Arzneimittelregulierung siehe dort – Kanada 74 Regulierung siehe Arzneimittelregulierung Reverse Payment Settlement 17, 24, 33 f., 58, 63 ff., 82, 96, 123, 143, 214 f. – Actavis-Entscheidung 64 f. – Les Laboratoires Servier-Entscheidung siehe dort – Monitoring-Berichte 24 – Patentvergleich siehe dort Roche-Bolar-Regelung 52 Rule of Reason 146 Schlüsselpatent 30, 32, 34, 104, 197, 200, 210 Sektoruntersuchung 23 Sektoruntersuchung-Pharma 17, 22 ff., 31, 35, 36 f., 41, 43, 45 f., 51, 62 f., 97, 148 f., 169, 171 – Abschlussbericht 22 f., 25 f., 28, 31, 35 ff., 41, 97 – Anlass 25 f. – Auskunftsverlangen 26 – Ergebnisse 27 ff. – Eröffnungsbeschluss 22, 25 – Marktzutrittsverzögerung 26 – Nachprüfungen 24, 26 – Tool-Box siehe dort – Umfang 25 f. – Zwischenbericht 22, 28

241

Selbstständigkeitspostulat 141, 143 ff. SIEC-Test 191 f., 194 f., 199 – Achte GWB-Novelle 191 – auswirkungsbasierte Analyse 192 – Effizienzvorteil 199 f. – erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs 191, 194 ff., 215 – Koordinierte Wirkung 194 – Nicht-koordinierte Wirkung 194 Significant Impediment to Effective Competition siehe SIEC-Test Simvastatin-Entscheidung 18, 21, 52, 118 Solvay Pharmaceuticals 64 f. Sortis 20 f. Sozialversicherungssystem 17, 25, 27, 32, 79 Spannungsverhältnis 108 ff. Sperrpatent 99, 142 SSNIP-Test 101 – Marktabgrenzung siehe dort Standard-Spundfass-Entscheidung 136 f. – Diskriminierungsverbot siehe dort – Lizenzierungspflicht siehe dort Stoffschutz 53 – absoluter 53 – Stoffschutzverbot 52 – zweckgebundener 53 Telemarketing-Entscheidung 133 – Lieferverweigerung siehe dort Tetra Pak I-Entscheidung 99, 114, 123, 207 – Lizenzerwerb siehe dort – Marktstrukturmissbrauch siehe dort Teva Pharmaceuticals 24, 46, 64, 90 Teva Pharmaceuticals-Entscheidung 90 T-Mobile Netherlands-Entscheidung 140 – Verbraucherwohlfahrt siehe dort Tool-Box 28 – Sektoruntersuchung-Pharma siehe dort Umgehungserfindung 123 Unbilligkeit 104, 106 ff., 207 – Behinderung siehe dort – Behinderungsmissbrauch siehe dort – Fehlverhalten 107 – Interessenabwägung siehe dort – Leistungswettbewerb siehe dort – Nichtleistungswettbewerb siehe dort

242

Stichwortverzeichnis

Unsicherheiten 68, 71 f., 92 Unterlagenschutz 30, 55 f., 181 f. Unternehmensbegriff 158 f. – funktionaler 158 – Rechtsformunabhängigkeit 158 – Wirtschaftliche Einheit siehe dort Unternehmenskonzentration 153 f., 176, 184 ff., 188, 190, 213 – absolute 80, 153, 188, 213 – Dekonzentrationshemmung 189 – Dekonzentrationsprozess 189 f., 193, 213 – Dekonzentrative Wirkung 189 f. – Gemeinschaftsunternehmen 189 – Marktmachtverschiebungen 189 – Outsourcing 187 – Potentielle Marktstellung 187 f. – relative 80, 153, 187 ff., 213 – vollständige 153 Unternehmenszusammenschluss 46 ff., 99, 144, 147, 155 ff., 201 f., 204 ff., 213 ff. – Anteilserwerb siehe dort – Aufgreiftatbestand siehe dort – Beteiligte 155 – Dauerhaftigkeit 184 – Externes Unternehmenswachstum siehe dort – Fusion siehe dort – Interne Reorganisation 157 f. – Internes Unternehmenswachstum siehe dort – Kontrollerwerb siehe dort – Konzerninterner Transaktionsvorgang 46, 157 ff. – Vermögenserwerb siehe dort – Wettbewerblich erheblicher Einfluss siehe dort – Zusammenschlusskontrolle siehe dort USA 21, 27 f., 31, 35, 37, 39 f., 46, 54, 61, 63 f., 66, 69, 82 ff., 116, 130, 151 – Abbreviated New Drug Application siehe dort – Actavis-Entscheidung siehe dort – Hatch-Waxman Act siehe dort – Kampfpreise in Vernichtungsabsicht siehe dort – Marktmachttransfer siehe dort – New Drug Application siehe dort – Orange Book siehe dort

– – – –

Paragraph IV Certification siehe dort Patent Certification siehe dort Rule of Reason siehe dort Zulassungsrecht 83 ff.

Verbraucherwohlfahrt 126 f., 139 – GlaxoSmithKline-Entscheidung siehe dort – More Economic Approach siehe dort – Preissenkungen 127, 139, 199 f. – T-Mobile Netherlands-Entscheidung siehe dort Vereinbarung über einen frühen Marktzutritt 18, 29, 31, 37, 42 f., 49 ff., 57 f., 63, 65, 106, 120, 130, 139 ff., 147 f., 150, 171 – Liefervertrag 51 f. – Lizenzvertrag 51 f. – Sektoruntersuchung-Pharma 28 ff. Verfallsphase 35, 58 ff., 66 – Patentablauf siehe dort – Produktlebenszyklus siehe dort Vergleichsweise Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten siehe Patentvergleich Vergütungszahlung 18, 30, 33 f., 57, 63, 211, 214 Vermögen 172, 175 ff., 182 ff., 188 – Arzneimittelzulassung 172 – Erstanbietervorteil 182 ff. – Gewerbliches Schutzrecht 164 – Marktpräsenz 169, 179 f., 187 – unternehmerisch genutztes 172 – Wesentlichkeit 175 ff. Vermögenserwerb 157, 161 ff., 171 f., 175, 182 – Einzelrechtsübertragung 163 – Gesamtrechtsnachfolge 163 – Unternehmenszusammenschluss siehe dort – Vermögen siehe dort – Vollrechtserwerb 164, 168 Versunkene Kosten 122 f. – Marktzutrittsschranke siehe dort Vertikalvereinbarung 141 ff., 147 – atypische 141 ff. – Gefährdungspotential 142 – Kartellverbot siehe dort – Wirtschaftsstufe 141 f.

Stichwortverzeichnis Vollkommene Konkurrenz 109 Vorklinische Studien 30, 55, 59, 83 f., 87 Warenzeichenerwerb-Entscheidung 164, 172, 177 f., 187, 214 – Lizenzerwerb siehe dort – Marktbezogene Prüfung 177 – Unternehmenszusammenschluss siehe dort – Wesentlichkeit des Vermögensteils siehe dort Wechselkosten 68, 71, 73 f., 77, 79, 198 Weltgesundheitsorganisation 102, 104 Wesentlichkeit des Vermögensteils 161, 171, 175 ff., 185 – Externes Unternehmenswachstum siehe dort – Internes Unternehmenswachstum siehe dort – National Geographic-Entscheidung 162 f., 178, 214 – Quantitative und qualitative Beurteilung 171, 175 ff., 179, 181 – Warenzeichenerwerb-Entscheidung siehe dort Wettbewerblich erheblicher Einfluss 157, 160 f. Wettbewerbsbeschränkung 32, 80 f., 111, 138 ff., 145 ff., 150, 154, 185 – durch Maßnahme 80 – durch Zustand 80 – Kartellverbot siehe dort Wettbewerbseröffnung siehe Wettbewerbsförderung Wettbewerbsförderung 32 Wettbewerbsleitbild 109 f. Wettbewerbsprinzip 15 Wettbewerbswidrige Marktverschließung 122 ff., 126 f. – Behinderungsmissbrauch siehe dort

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– More Economic Approach siehe dort – Verbraucherwohlfahrt siehe dort WHO siehe Weltgesundheitsorganisation Wirkstoff siehe Arzneimittelwirkstoff Wirtschaftliche Einheit 43, 158 f. – Bestimmender Einfluss 159 – Konzerninterner Transaktionsvorgang 158 – Konzernprivileg siehe dort – Unternehmensbegriff siehe dort – Vermutung 159 Zeitlicher Vorsprung 18, 138, 182, 211 Zoccor 20 Zugangsvereitelung 119 Zulassungspflicht siehe Arzneimittelzulassung Zusammenschluss siehe Unternehmenszusammenschluss Zusammenschlusskontrolle 42, 46 f., 81 f., 128, 144 f., 152 ff., 162 ff., 166 f., 169 ff., 176, 178, 180 f., 184, 186, 188 ff., 198, 200 f., 204 ff., 210, 213 ff. – Anmeldeerfordernis 48, 154, 156, 190, 212, 214 – Aufgreiftatbestand siehe dort – Eingriffstatbestand siehe dort – Entflechtung 154 f. – Erlaubnisvorbehalt 154, 186 – Ex ante Kontrolle siehe dort – konzerninterner Transaktionsvorgang 46, 158 – Marktstrukturkontrolle siehe dort – One-Stop-Shop siehe dort – Präventiver Regelungscharakter 154, 193, 206 – Vollzugsverbot 154 Zwangslizenz siehe Lizenzierungspflicht Zwangsrabatt 76 f.