Karl Ludwig Schmidt: Und Wissenschaft Ist Leben [Reprint 2012 ed.] 3110154420, 9783110154429

Die seit 1925 erscheinenden Arbeiten zur Kirchengeschichte bilden eine der traditionsreichsten historischen Buchreihen i

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Karl Ludwig Schmidt: Und Wissenschaft Ist Leben [Reprint 2012 ed.]
 3110154420, 9783110154429

Table of contents :
Vorbemerkung
1. Kindheit und Studium 1891-1913
1.1. Die Familie
1.2. Kindheit und Jugendzeit
1.3. Studium in Marburg und Berlin
2. Der große Krieg 1914-1916
3. Die Berliner Jahre 1916-1921
3.1. Habilitation, Vikariat und Assistentenzeit
3.2. Mitgliedschaft in der Deutschen Demokratischen Partei (DDP)
3.3. Mitwirkung im »Kairos-Kreis«
3.4. Die »Kartell-Zeitung«
3.5. Bemühungen um eine Professur
4. Gießen 1921-1925
4.1. Die Fakultät
4.2. Schmidt in Gießen
4.3. Erste Annäherung an die »dialektische Theologie«
4.4. Eintritt in den »Republikanischen Lehrerbund« und die SPD
4.5. Berufung nach Jena
5. Jena 1925-1929
6. Die Bonner Zeit 1929-1933
6.1. Die Fakultät
6.2. Die Berufung Karl Barths und Karl Ludwig Schmidts nach Bonn . .
6.3· Sorge um Gogarten
6.4. Petersons Konversion
6.5. Weitere Neubesetzungen
6.6. Die »neue« Fakultät
6.7. Das Leben in Bonn
6.8. »Wirre und dunkle Zeitläufe«
6.9. Der »Fall Dehn«
6.10. Die Erklärung »Evangelische Kirche und Völkerverständigung« . ..
6.11. Die Streitigkeiten um den preußischen Kirchenvertrag
7. Das Jahr 1933
8. Die Odyssee
9. Die Basler Jahre 1935-1956
9.1. Die Basler Fakultät
9.2. Die ersten Jahre in Basel
9.3. Der Verlust der Theologischen Blätter
9.4. Die Schweizer Jahre bis 1944
9.5. Sorge um die zukünftige Gestalt Deutschlands
9.6. Die Gründung der Theologischen Zeitschrift
9.7. Berufungsverhandlungen
9.8. Die letzten Jahre
10. Anlagen
Anlage 1: Lizentiatenthesen Schmidts vom 1. August 1913
Anlage 2: Zweiter Weihnachtsgruß der Berliner Theologischen Universitätslehrer, 1915
Anlage 3: Aus dem Vorwort zu »Die Pfingsterzählung und das Pfingstereignis«, Leipzig 1919
Anlage 4: Aus »Der liberale Staatsgedanke in seiner Abgrenzung gegen Konservativismus und Sozialismus«
Anlage 5: Aus dem Schreiben Schmidts an K. Barth, 14.11.1926
Anlage 6: Zur Aufgabe und Funktion der »Theologischen Blätter«
Anlage 7: Aus dem Schreiben Schmidts an H. Lietzmann, 19.1.1923
Anlage 8: Aufruf des »Republikanischen Lehrerbundes«, 11.2.1922
Anlage 9: Aus dem Schreiben Schmidts an E. Seeberg, 26.5.1926
Anlage 10: Aus dem Schreiben M. Dibelius an A. Deißmann, 1.12.1928 . .
Anlage 11: Aus dem Schreiben Schmidts an F. Gegarten, 25.9.1929
Anlage 12: Aus dem Schreiben Schmidts an Michael, 20.3.1930
Anlage 13: Aus dem Schreiben E. Petersons an K. Barth, Ende 1930
Anlage 14: Aus dem Schreiben Schmidts an E. Seeberg, 17.5.1930
Anlage 15: Aus dem Schreiben Schmidts an H. Traub, 7.8.1932
Anlage 16: Aus dem »Barathrum«, Juni 1927
Anlage 17: Aus dem Schreiben K. Barths an G. Dehn, 20.10.1931
Anlage 18: »Evangelische Kirche und Völkerverständigung«
Anlage 19: »Frankfurter Zeitung«, 26.6.1931
Anlage 20: Schreiben Schmidts an P. Althaus, 11.9.1933
Anlage 21: Aus dem Schreiben Schmidts an Seeberg, 18.1.1931
Anlage 22: Entwurf eines Antwortschreibens Schmidts an die Marburger Fakultät, Ende Januar 1931
Anlage 23: Aus dem Schreiben Schmidts an K. Barth, 8./9.2.1933
Anlage 24: Aus dem Schreiben Schmidts an K. Barth, 12.2.1933
Anlage 25: Aus dem Schreiben Schmidts an K. Barth, 24.4.1933
Anlage 26: Stellungnahme E. Pfennigsdorfs, 19.1.1946
Anlage 27: Aus dem Schreiben Schmidts an Barth, 24.4.1933
Anlage 28: Schreiben Wolfs an K.L. Schmidt, 20.2.1947
Quellen- und Literaturverzeichnis

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Andreas Mühling Karl Ludwig Schmidt

w DE

G

Arbeiten zur Kirchengeschichte Begründet von

Karl Hollf und Hans Lietzmannf Herausgegeben von

Christoph Markschies, Joachim Mehlhausen und Gerhard Müller Band 66

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1997

Andreas Mühling

Karl Ludwig Schmidt .Und Wissenschaft ist Leben"

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1997

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek —

CIP-Einheitsaufnahme

Mühling, Andreas: Karl Ludwig Schmidt : „und Wissenschaft ist Leben" / Andreas Mühling. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1997 (Arbeiten zur Kirchengeschichte ; Bd. 66) Zugl.: Bonn, Univ., Diss., 1994 ISBN 3-11-015442-0 NE: GT

© Copyright 1996 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: Werner Hildebrand, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer GmbH, Berlin

VORWORT Es sind jetzt über fünf Jahre vergangen, seit mir im April 1991 Prof. Dr. Erich Gräßer den Vorschlag unterbreitete, eine forschungsgeschichtliche Arbeit über Karl Ludwig Schmidt anzufertigen. Wir beide ahnten damals nicht, was einmal daraus werden würde. Das Ergebnis liegt nun vor. Es wurde ein Buch über einen Neutestamentier, der in Theologie, Kirche und Gesellschaft seiner Verantwortung gerecht zu werden versuchte. Ein Buch über den deutschsprachigen theologischen »Wissenschaftsbetrieb« in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts. Und nicht zuletzt auch eins über die Vielschichtigkeit menschlichen Handelns. Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die überarbeitete und gekürzte Fassung meiner Dissertation, die im Sommersemester 1994 von der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Bonn angenommen wurde. Studien wie diese können nicht »im stillen Kämmerlein« entstehen. Sie verlangen die Mithilfe vieler. Und Hilfe wurde mir in den vergangenen Jahren von zahlreichen Menschen überreich zuteil. Ein bloßes »Danke« drückt nur höchst unvollkommen aus, was ich ihnen gegenüber an Dankbarkeit empfinde. Prof. Dr. Erich Gräßer hat mir nicht nur das Thema »Karl Ludwig Schmidt« gestellt und die Mühen des Hauptreferates auf sich genommen, sondern die Entstehung dieser Arbeit mit wertvollen Hinweisen begleitet. Sein steter Zuspruch trug wesentlich dazu bei, diese Arbeit fertigzustellen. Besonders dankbar bin ich fur die keinesfalls selbstverständliche Nachsicht seinem Doktoranden gegenüber, als die Arbeit eine doch so ganz andere Gestalt annahm als ursprünglich geplant war, und für seine feste Zuversicht, daß das Ziel doch glücklich erreicht werden würde. Er wurde mir zum OoVtotvater im besten Sinne des Wortes. Frau Ruth Schmidt und Prof. Dr. Martin Anton Schmidt haben mir nicht nur in zahllosen Briefen, Telefongesprächen und persönlichen Gesprächen unverdrossen Rede und Antwort gestanden, sondern auch vertrauensvoll den Einblick in ihre Familiengeschichte gestattet. Ruth und Martin Anton Schmidt wissen, wie dankbar ich für ihren fachlichen Rat und die mir entgegengebrachte menschliche Wärme bin. Ohne ihre Hilfe hätte diese Arbeit nicht geschrieben werden können. Prof. Dr. Heiner Faulenbach erstellte das Zweitgutachten und gab mir zahlreiche Hinweise mit auf den Weg, die in die Überarbeitung eingeflossen sind. In der Überarbeitungsphase half er mir in vielen Gesprächen, manche »Mine« im Manuskript »zu entschärfen«; ihm sei herzlich dafür gedankt. Frau Dr. Augusta Kümmel und Prof. Dr. Werner Georg Kümmel (f) begleiteten die Arbeit von Beginn an mit ihrem fachlichen Rat und nahmen die Mühe

VI

Vorwort

des Korrekturlesens auf sich. Ihre persönliche Bekanntschaft mit vielen der damaligen »Akteure« half mir, die beschriebenen Ereignisse besser zu verstehen. Frau Beate Alenfelder, Prodekan Pfr. Gerhard Althaus, Prof. Dr. Ernst Bammel, Prof. Dr. Hans Bietenhard, Prof. Dr. Eberhard Bethge, Prof. Dr. Werner Bieder, Frau Ehrentraut Bohren, Frau Marianne Bultmann, Frau Prof. Antje Bultmann-Lemke, Prof. Dr. Oscar Cullmann, Pfarrer D. Otto Dudzus, Prof. Dr. J.F.G. Goeterstf), Prof. Dr. Ernst Käsemann, Prof. Dr. Walter Kreck, Prof. Dr. Otto Michel(t), Frau Dr. Barbara Nichtweiß, Prof. Dr. Gerhard Sauter, Frau Veronika Schaufer, Pfarrer D. Wolfgang Scherffig, Prof. Dr. Eduard Schweizer, Pfarrer Dr. Hinrich Stoevesandt, Pfarrer D. Hellmut Traubtf), Pfarrer Peter Walter und Dekan Dr. Uvo Wolf haben Fragen beantwortet, Hinweise gegeben, bei der Materialbeschaffung geholfen und bereitwillig Archivalien zur Verfügung gestellt — ihnen allen gilt mein herzlicher Dank! Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiten des Bundesarchivs Koblenz, des Hauptstaatsarchivs Düsseldorf, der Landeskirchlichen Archive Düsseldorf und Nürnberg, der Stadtbibliothek Berlin sowie der Universitätsarchive Basel, Berlin, Bonn, Gießen, Jena und Marburg danke ich fur bereitwillige Unterstützung meiner Suche »vor Ort«. Weiter danke ich den Herausgebern der »Arbeiten zur Kirchengeschichte« für die Aufnahme meiner Arbeit in diese Reihe. Was Prof. Dr. Joachim Mehlhausen an Zeit, Kraft und Engagement in diese Arbeit investiert hat, geht weit über das Maß des Üblichen hinaus. Von seinen wohlbegründeten Anregungen habe ich, wie ich hoffe, vieles gelernt. Der Friedenskirchengemeinde Bonn wie auch der Ev. Kirche im Rheinland insbesondere Landeskirchenrat Christian Drägert, danke ich für die Unterstützung meines Promotionsvorhabens während des Vikariats. Der Rheinischen Landeskirche danke ich zudem für einen namhaften Druckkostenzuschuß. Als Wiss. Mitarbeiter von Prof. Dr. Helmut Merklein durfte ich »überkonfessionelle« theologische Förderung erfahren. Die Begegnungen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Neutestamendichen Seminars der Kath.Theol. Fakultät der Universität Bonn bleiben mir unvergeßlich und haben mich, der ich ein Theologe reformierter Tradition bin, geprägt. Frau Dorothee Ohlmeier vom Verlag Walter de Gruyter danke ich fiir die fachkundige Betreuung bei der Herstellung dieses Buches. Frau Eva Blasius hat wacker die verschiedenen Entstehungsstadien des Manuskriptes gelesen, orthographische Fehler ausgemerzt und stilistische Unebenheiten geglättet. Ihr Wirken kam der Lesbarkeit dieses Buches sehr zugute. Ein Wort noch zu meinen Eltern, Frau Brunhilde Mühling und Herrn Heinz Mühling (t). Sie ließen mir die Förderung zukommen, die für mich nötig war, und gaben mir zugleich den Raum, den ich brauchte, um meinen eigenen Weg gehen zu können. Ihnen sei deshalb dieses Buch in Dankbarkeit zugeeignet. Bonn, im Oktober 1996

Andreas Mühling

INHALT

Vorbemerkung

ι

1.

Kindheit und Studium 1891-1913

5

1.1. 1.2. 1.3.

Die Familie Kindheit und Jugendzeit Studium in Marburg und Berlin

5 7 9

2.

Der große Krieg 1914-1916

14

3.

Die Berliner Jahre 1916-1921

21

3.1. Habilitation, Vikariat und Assistentenzeit 3.2. Mitgliedschaft in der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) . . . 3.3. Mitwirkung im »Kairos-Kreis« 3.4. Die »Kartell-Zeitung« 3.5. Bemühungen um eine Professur

21 23 28 32 36

4.

Gießen 1921-1925

40

4.1. 4.2. 4.3. 4.4. 4.5.

Die Fakultät Schmidt in Gießen Erste Annäherung an die »dialektische Theologie« Eintritt in den »Republikanischen Lehrerbund« und die SPD Berufung nach Jena

40 41 48 50 54

5.

Jena 1925-1929

57

6.

Die Bonner Zeit 1929-1933

67

6.1. Die Fakultät 67 6.2. Die Berufung Karl Barths und Karl Ludwig Schmidts nach Bonn . . 68

X

Inhalt

6.3. 6.4. 6.5. 6.6. 6.7. 6.8. 6.9. 6.10. 6.11.

Sorge um Gogarten Petersons Konversion Weitere Neubesetzungen Die »neue« Fakultät Das Leben in Bonn »Wirre und dunkle Zeitläufe« Der »Fall Dehn« Die Erklärung »Evangelische Kirche und Völkerverständigung« Die Streitigkeiten um den preußischen Kirchenvertrag

7.

Das Jahr 1933

134

8.

Die Odyssee

164

9.

Die Basler Jahre 1935-1956

174

9.1. 9.2. 9.3. 9.4. 9.5. 9.6. 9.7. 9.8.

Die Basler Fakultät Die ersten Jahre in Basel Der Verlust der Theologischen Blätter Die Schweizer Jahre bis 1944 Sorge um die zukünftige Gestalt Deutschlands Die Gründung der Theologischen Zeitschrift Berufungsverhandlungen Die letzten Jahre

174 176 182 198 205 211 218 224

10.

Anlagen

226

Anlage 1: Lizentiatenthesen Schmidts vom 1. August 1913 Anlage 2: Zweiter Weihnachtsgruß der Berliner Theologischen Universitätslehrer, 1915 Anlage 3: Aus dem Vorwort zu »Die Pfingsterzählung und das Pfingstereignis«, Leipzig 1919 Anlage 4: Aus »Der liberale Staatsgedanke in seiner Abgrenzung gegen Konservativismus und Sozialismus« Anlage 5: Aus dem Schreiben Schmidts an K. Barth, 14.11.1926 Anlage 6: Zur Aufgabe und Funktion der »Theologischen Blätter« Anlage 7: Aus dem Schreiben Schmidts an H. Lietzmann, 19.1.1923 Anlage 8: Aufruf des »Republikanischen Lehrerbundes«, 11.2.1922 Anlage 9: Aus dem Schreiben Schmidts an E. Seeberg, 26.5.1926

76 81 83 86 90 93 99 . . . 109 116

226 227 227 228 228 229 229 229 230

Inhalt

XI

Anlage ίο: Aus dem Schreiben Μ. Dibelius an Α. Deißmann, 1.12.1928 . . Anlage 11: Aus dem Schreiben Schmidts an F. Gogarten, 25.9.1929 Anlage 12: Aus dem Schreiben Schmidts an Michael, 20.3.1930 Anlage 13: Aus dem Schreiben E. Petersons an K. Barth, Ende 1930 Anlage 14: Aus dem Schreiben Schmidts an E. Seeberg, 17.5.1930 Anlage 15: Aus dem Schreiben Schmidts an H. Traub, 7.8.1932 Anlage 16: Aus dem »Barathrum«, Juni 1927 Anlage 17: Aus dem Schreiben K. Barths an G. Dehn, 20.10.1931 Anlage 18: »Evangelische Kirche und Völkerverständigung« Anlage 19: »Frankfurter Zeitung«, 26.6.1931 Anlage 20: Schreiben Schmidts an R Althaus, 11.9.1933 Anlage 21: Aus dem Schreiben Schmidts an Seeberg, 18.1.1931 Anlage 22: Entwurf eines Antwortschreibens Schmidts an die Marburger Fakultät, Ende Januar 1931 Anlage 23: Aus dem Schreiben Schmidts an K. Barth, 8./9.2.1933 Anlage 24: Aus dem Schreiben Schmidts an K. Barth, 12.2.1933 Anlage 25: Aus dem Schreiben Schmidts an K. Barth, 24.4.1933 Anlage 26: Stellungnahme E. Pfennigsdorfs, 19.1.1946 Anlage 27: Aus dem Schreiben Schmidts an Barth, 24.4.1933 Anlage 28: Schreiben Wolfs an K.L. Schmidt, 20.2.1947

231 232 233 233 234 234 235 235 235 238 238 241 242 243 243 243 244 245 245

Quellen- und Literaturverzeichnis

246

VORBEMERKUNG Eine Beschäftigung mit Karl Ludwig Schmidt ist ertragreich und schwierig zugleich. Ertragreich deshalb, da sich mit Schmidt ein Neutestamentler aus theologischer Verantwortung heraus den kirchenpolitischen und gesellschaftspolitischen Herausforderungen seiner Zeit stellte; schwierig, da neben dem gedruckt vorliegenden Werk weitere schriftliche Zeugnisse in scheinbar nur geringer Zahl der Nachwelt überliefert wurden. 1 Das »scheinbar« deutet ein grundlegendes Problem dieser Arbeit an, deren Erarbeitung einen völlig unerwarteten Verlauf nahm. Als forschungsgeschichtliche Darstellung gedacht, der eine biographische Einfuhrung vorangestellt werden sollte, erhielt diese durch eine Vielzahl nicht zu erwartender Archivfunde ein starkes Eigengewicht. Intensives Nachfragen in zahlreichen Archiven und Privatnachlässen brachte überraschenderweise einen, wenn auch kleineren, so doch signifikanten Teil der beinahe unüberschaubaren und verloren geglaubten Korrespondenz von Schmidt ans Tageslicht. Hinzu kam eine unerwartet hohe Bereitschaft von Verwandten, Schülern, Freunden und Zeitgenossen, mit Gesprächsnotizen und Briefen an den Verfasser den Quellenbestand zu erweitern. Die Vernichtung der an Schmidt gerichteten Briefe blieb nicht folgenlos: Nur wenige Schriftwechsel sind noch vorhanden, die erhalten gebliebenen konnten meist nicht vollständig und zunächst auch nur einseitig rekonstruiert werden. Schmidt hatte jedoch die Angewohnheit, Kopien seiner eigenen Briefe wie auch die seiner Briefpartner an Dritte zu verschicken. So blieben in manchen Nachlässen dritter Personen viele Schriftstücke in Form einer Kopie erhalten. Neben Originalen finden sich also in den Privatnachlässen und Archiven Kopien der Briefe Schmidts und auch der seiner Gesprächspartner, ist daher oftmals in den rund 2000 aufgefundenen Briefen ein Gesprächsgang erkennbar.

Schmidt vernichtete 1955, ein Jahr vor seinem Tod, seine umfangreiche und wohlsortierte Korrespondenz. Der Grund: 1952 traf ihn als Spätfolge seiner schweren Verwundung aus dem 1. Weltkrieg ein schwerer Schlaganfall; wissenschaftliches Arbeiten war für ihn seitdem nicht mehr möglich. Somit mußte Karl Ludwig Schmidt das schon in Bonn geplante Vorhaben einer Neutestamentlichen Theologie aufgeben, auch eine geplante Autobiographie wurde für ihn unerreichbar (Gesprächsnotiz M.A. Schmidt vom 25.7.1993).

2

Vorbemerkung

Die quantitativen Schwerpunkte der Korrespondenzen liegen in den Jahren 1929-1937, also beginnend mit der Bonner Zeit bis zum Verlust der Theologischen Blätter und von 1945 bis 1948, den Gründungsjahren der Theologischen Zeitschrift. Die Wiedergabe der ungedruckten Materialen folgt in der Orthographie, Syntax, Grammatik und Interpunktion der Vorlage. Auslassungen werden mit Punkten »...«, Ergänzungen des Verfassers mit runder Klammmer »0« angezeigt. Der nicht erwartete Umfang des gesammelten Materials erforderte zwingend eine wichtige Beschränkung; die vorliegende Darstellung orientiert sich chronologisch am Lebensweg Schmidts und an den ihn beschäftigenden Problemen. Um diese zu erhellen, wurden nicht nur Briefe, sondern auch gedruckt vorliegende Materialen hinzugezogen. Eine unter dieser Prämisse vorgenommene Sichtung des gesammelten Materials zeigte trotzdem deutlich Arbeitsschwerpunkte und zentrale Themenbereiche im Schaffen Schmidts, die seinen Einfluß eindrucksvoll belegen. Schmidt bewegte sich im Spannungsfeld einer »Kirchenpolitik«, die sowohl »die Wahrnehmung bzw. Durchsetzung der an den Staat bzw. an die Gesellschaft gerichteten Ansprüche und Forderungen der Kirche« als auch »eine Verständigung und Entscheidung über den evangeliumsgemäßen Weg dieser Kirche in der konkreten geschichtlichen Situation« in den Blick nahm. 2 Sein Handeln als Theologe in den Auseinandersetzungen seiner Zeit richtet sich zunächst an Gruppen und Einzelpersonen innerhalb der Kirche, um am Maßstab von Schrift und Bekenntnis zu einer theologisch verantwortbaren Entscheidung zu kommen, aber darüber hinaus auch an staatliche wie gesellschaftspolitische Entscheidungsträger. Deshalb beschränkt sich die Darstellung auch auf den Versuch, die kirchengeschichtliche Bedeutung von Karl Ludwig Schmidt im Verhältnis seines zeitgeschichtlichen Umfeldes zu entfalten. Nicht zum Schaden der Sache. In der Biographie Schmidts wird nämlich das Bestreben deutlich, die bei vielen Theologen anzutreffende verhängnisvolle Spannung zwischen Lehre und Leben, von wissenschaftlicher Erkenntnis und praktischer Bewährung, aufzuheben. Theologie, und fiir Schmidt insbesondere die Neutestamentliche Theologie, hat sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen,

1

Zitate zum Begriff aus Mehlhausen, J„ Kirchenpolitik. Erwägungen zu einem undeutlichen Wort, Z T h K 85, 1988, 275-302: 28of. Joachim Mehlhausen weist in diesem Aufsatz auf den unscharfen Gebrauch des Begriffs »Kirchenpolitik« hin und nimmt eine Differenzierung in drei verschiedene Bedeutungsfelder vor (a.a.O. 280-282); neben einer staatlichen Kirchenpolitik, deren Objekte Kirchen und Religionsgemeinschaften sind, lassen sich noch das kirchenpolitische Handeln kirchlicher Organe, die sich an relevante Entscheidungsträger wenden, wie auch das innerkirchliche Handeln von Einzelpersonen und Gruppierungen notieren.

Vorbemerkung

3

ohne dabei ihr Proprium aufzugeben. Im Lebensvollzug hat sich der Wert einer Theologie zu bewähren — nahezu alle theologischen Positionen haben in den Augen Schmidts in diesem wichtigen Punkt angesichts der nationalsozialistischen Herausforderung für Kirche und Theologie, Staat und Gesellschaft versagt. Auch wenn die thematisch-biographische Zusammenstellung durch die einzelnen Archivfunde eher zufällig sein mag - die Biographie erfordert bei aller Einbildungskraft, Kenntnis und der Fähigkeit, einen Lebenslauf plastisch schildern zu können, eben doch ein exaktes Gerüst feststellbarer Daten, um ein anschauliches Bild einer Person überhaupt erst konstituieren zu können' - , so werden doch die wesentlichen Lebensziele von Karl Ludwig Schmidt deutlich. Der junge Schmidt schrieb 1919 einen Satz, der als grundlegendes Motto seines Lebens begriffen werden kann: »Und Wissenschaft ist Leben.« 4 Diese Grundüberzeugung gab Schmidt in seinem Leben niemals auf: weder als Hochschullehrer, noch als Herausgeber wichtiger theologischer Zeitschriften und erst recht nicht als Pfarrverweser im Schweizer Exil. »Wissenschaft«, konkret die Theologie als »Wissenschaft von der Religion« 5 kommt nach Ansicht Schmidts die Funktion zu, »das Leben zu erfassen«6. Theologie als Wissenschaft ist also der Versuch, die »ins Bewußtsein erhobene(n) Lebensakte«7 aus kirchlicher Sicht heraus zu verstehen und zu deuten. Auffallend ist, daß sich Schmidt der damaligen Diskussion über den Begriff »Leben« entzieht. Er beteiligt sich nicht an den Abstraktionen und Spekulationen über den Begriff »Leben«, sondern begreift »Leben« als die geschichtlich gewachsene Situation des jetzigen Menschen, in die hinein das Wort Gottes zur Geltung gebracht werden soll.8 Eine wissenschaftlich verantwortete Theologie, so Schmidts Überzeugung, hat mitten im »Leben« zu stehen, um glaubwürdig sein zu können. Schmidt begriff die wissenschaftliche Theologie als eine Funktion der Kirche. Somit wurden sämt-

3

4 s 6 7 8

Vgl. hierzu Sparn, W., Dichtung und Wahrheit. Einführende Bemerkungen zum Thema: Religion und Biographik, in: ders. (Hg.), Wer schreibt meine Lebensgeschichte?, Gütersloh 1990, 11-29: nf.; s. auch Seim, J., Zur Methode der Biographie, EvTh 39, 1979, 431-450 und Staats, R., Die zeitgenössische Theologenautobiographie als theologisches Problem, VF 39,1994, 62-81; Nowak, K., Biographie und Lebenslauf in der Neueren und Neuesten Kirchengeschichte, VF 39,1994, 44-62. Der Zweck und die Aufgabe unserer »Kartell-Zeitung«, KZATV 30,1919/1920,1-2:1. Theologie und Religion, Wissenschaft und Leben, ThBl 1,1922,1-4:1. Ebd. A.a.O. 4. Vgl. insg. den a.a.O. genannten Artikel Schmidts. Dieses Verständnis von zwei aufeinander bezogenen Größen deutet auch die Glosse »Aus Wissenschaft und Leben« in den Theologischen Blättern in, die neben Universitätsnachrichten auch solche von kirchenpolitischer und allgemeinpolitischer Art enthielten; vgl. zum Begriff Hübner, J., Art. Leben V. Historisch/Systematisch, TRE 20, 1990, 530-561.

4

Vorbemerkung

liehe Auseinandersetzungen, auch die fakultätspolitischer Natur, letztlich »innerkirchliche« Auseinandersetzungen, da es in ihnen stets um das Fundament, die Lehre und die Zukunft kirchlicher Verkündigung ging. Die Sorge um die kirchliche Verkündigung und ein aus dieser Verkündigung resultierendes Verantwortungsgefühl für die gesellschaftspolitischen Probleme seiner Zeit trieben Schmidt in die zahllosen Auseinandersetzungen, an denen er letztlich zerbrechen sollte. Schmidts Lebensgeschichte wurde so exemplarisch für die Geschichte seiner Zeit.

1. KINDHEIT UND STUDIUM 1891-1913 I.I. Die Familie Herkunft, Kindheit und Jugend Schmidts liegen weitgehend im Dunkeln, lediglich sein Geburtsdatum bietet einen sicheren Anhaltspunkt. Am 5. Februar 1891 in Frankfurt am Main als Erstgeborener eines Handwerksgesellen zur Welt gekommen, schien sein Lebenslauf von frühester Kindheit an durch unüberwindbare gesellschaftliche und wirtschaftliche Schranken festgelegt zu sein. Genaue Kenntnisse über Kindheit und Jugend des jungen Karl Ludwig, eine Zeit, in der wichtige Vorentscheidungen fiir den weiteren Lebenslauf eines Menschen fallen, sind nicht mehr zu ermitteln. Auch unsere Kenntnisse über seine Eltern sind sehr gering; allenfalls ein dürres Datengerüst ist noch zu rekonstruieren, hinter dem die Eltern Karl Ludwig Schmidts nur schemenhaft als eigenständige Personen zu erkennen sind. Schmidt entstammte einer evangelischen hessischen Bauernfamilie, deren Spuren sich bis in den Dreißigjährigen Krieg zurückverfolgen lassen.9 Die Schmidts waren einfache, bodenständige Menschen, denen die Welt des Bildungsbürgertums verschlossen blieb. An eine gründliche Ausbildung oder sogar an ein Universitätsstudium war nicht zu denken. Erste vorsichtige Anzeichen einer Neuorientierung innerhalb dieser Familie sind mit Schmidts Großvater festzustellen; dieser wurde nicht — wie so viele seiner Vorfahren — Bauer, sondern erlernte den Beruf des Bäckers. Auch Karl Ludwig Schmidts 1861 geborener Vater Anton Friedrich Schmidt wandte sich von der Familien tradition ab. Die gesellschaftlichen Prozesse in weiten Bereichen Deutschlands am Ende des 19. Jahrhunderts, die - bedingt durch die Industrialisierung - sich mit den Stichworten »Binnenwanderung« und »Verstädterung«10 umschreiben lassen, zwangen Schmidts Vater dazu, ein im industriellen Bereich angesiedeltes Handwerk zu ergreifen. Er entschloß sich, Schuhmacher zu werden, ein Beruf, der wegen der immer stärkeren Mechanisierung dieses Handwerkes ein wenn auch Schreiben Schmidts an seine Schwester Aenne Aßmus vom 21.12.1946, Kopie im N L K.L.S., Frenkendorf. Vgl. dazu Born, K.E., Von der Reichsgründung bis zum Ersten Weltkrieg, Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte 16, ioI985, 40-55; Görtemaker, M., Deutschland im 19. Jahrhundert, Schriftenreihe der Bundeszentrale fiir Politische Bildung 274, '1989, 143-206.

6

ι. Kindheit und Studium 1891-1913

geringes, so doch regelmäßiges Einkommen versprach. Nach der Lehre ging Anton Friedrich auf Wanderschaft, da sein Wunsch nach einer geregelten Anstellung in dieser von drückender Arbeitslosigkeit geprägten Zeit nicht erfüllt wurde. Diese Zeit der Wanderschaft, die über mehrere Jahre andauerte und ihn durch die industrialisierten Ballungszentren Deutschlands und auch Frankreichs führte, prägte Schmidts Vater menschlich zwar tief, führte bei ihm jedoch nicht zu einem partei- oder gesellschaftspolitischen Engagement. So gehörte Anton Friedrich Schmidt weder der SPD, die sich stark für die Belange der Handwerker einsetzte", noch einer Gewerkschaft an. Den sich an den Fabriken bildenden gewerkschaftlichen und parteipolitischen Gruppierungen verschloß er sich völlig. Ende der achtziger Jahre fand Schmidt in Frankfurt am Main eine feste Anstellung in einer mittelgroßen Manufaktur. Endlich befand sich Anton Friedrich Schmidt in der wirtschaftlichen Lage, die es ihm erlaubte, sich seßhaft zu machen und eine Familie zu gründen. Am 19. März 1890 heiratete er in Frankfurt die aus der Rhön stammende Bauerstochter Johannette Dorothea Stranz 11 ; am 5. Februar 1891 kam ihr Sohn Karl Ludwig zur Welt, im folgenden Jahr die Tochter Anna Margaretha. Eine besondere theologische Prägung erfuhr Schmidt von seinem Vater, der sich um die Jahrhundertwende mit einem kleinen Schustereibetrieb selbständig machte, nicht. Auch war dieser »rechtlich denkende Mensch« 1 ' nicht besonders religiös. Von eifriger Beteiligung der Familie Schmidt am Leben ihrer Kirchengemeinde ist nichts bekannt. Es wäre jedoch falsch, von diesem Tatbestand auf eine besondere Gegnerschaft der Familie Schmidt zur Kirche zu schließen Anton Friedrich Schmidt Schloß sich nicht der besonders in der Arbeiterschaft und der S P D stark verbreiteten antiklerikalen Bewegung an 14 , sondern blieb, bei aller Distanz zum kirchlichen Leben, der Kirche verbunden.'5 Es war vielmehr etwas ganz anderes, was dem jungen Karl Ludwig in seinem Elternhaus vermittelt wurde: der scharfe Blick für die gesellschaftlichen Verhältnisse der Arbeiterschaft sowie ein ausgeprägtes soziales Gerechtigkeitsgefühl. Karl Ludwig Schmidt wuchs nicht in einem wirtschaftlich abgesicherten, großbürgerlichen Elternhaus auf, in dem er, frei aller finanziellen Sorgen, von

Witt, P.C., Friedrich Ebert, Bonn 1987, 24. Personalbogen K.L. Schmidt v. 5.7.1933, HStA Düsseldorf NW5 899/3719,46-52. Der Vater starb 1925, die Mutter 1945. So Anton Friedrich Schmidts Enkel, der Basler Kirchengeschichtler Martin Anton Schmidt über seinen Großvater (Gesprächsnotiz vom 15.6.1991). Zu den Grundsatzpositionen der SPD zu Kirche und Religion in den Jahren 1891-1917 vgl. Ohlemüller, J.O.E., Sozialdemokratie und Evangelische Kirche 1918 bis 1922 (Diss. masch.), Bonn 1986, 17-26. Gesprächsnotiz M.A. Schmidt vom 15.6.1991.

1.2. Kindheit und Jugendzeit

7

einem gebildeten Umfeld in Wissenschaft und Kunst eingeführt wurde - und unterschied sich so in Herkunft und Prägung von einigen seiner späteren Kollegen. Vielmehr entstammte er einer »Familie kritischer Kleinbürger«'6, deren finanzielle Nöte Karl Ludwigs Zukunft als äußerst ungewiß erscheinen ließen. Erst der Student der Altphilologie näherte sich unter dem Einfluß Martin Rades in Marburg der Theologie, ohne dabei seinen scharfen Blick für gesellschaftliche und politische Probleme zu verlieren.

1.2. Kindheit und Jugendzeit Die Jahre der Kindheit und Jugend von Schmidt lassen sich biographisch nur unzureichend darstellen. Offensichdich ist seine geistige Begabung schon früh aufgefallen, da er von 1900 bis 1909 das traditionsreiche Frankfurter LessingGymnasium besuchen konnte. »Das war sicher kein einfacher, zumal damals ja auch noch finanziell belastender Entschluss für diese einfachen Leute. Aber Schmidt rechtfertigte ihn, indem er von 1900-1909 eigentlich immer Primus war.«'7 Besondere theologische Interessen entwickelte der junge Karl Ludwig während der Schulzeit nicht. Auch der Konfirmandenunterricht scheint spurlos an ihm vorübergegangen zu sein, über die Teilnahme am Gemeindeleben wissen wir nichts. Seine Liebe im Schulunterricht galt der Altphilologie. In Latein, Griechisch und Geschichte zeigte Schmidt so überragende Leistungen, daß ihm seine Lehrer nahelegten, in Marburg das Studium der Altphilologie zu beginnen. Hier, in seiner Frankfurter Gymnasialzeit, liegen letztlich auch die Wurzeln seines theologischen Ansatzpunktes, der in der formgeschichtlichen Habilitationsschrift »Der Rahmen der Geschichte Jesu« einen vorläufigen Höhepunkt fand. Neutestamentliche Exegese, so war zeitlebens Schmidts feste Überzeugung, hat mit exakter philologischer Arbeit einherzugehen, um den biblischen Schriften gerecht werden zu können. Die Vernachlässigung der Altphilologie innerhalb der neutestamentlichen Exegese war für Schmidt deutliches Indiz für einen »theologische(n) Simplizismus«1 , gegen den Karl Ludwig Schmidt vehement ankämpfte. 16

Ebd.

17

Stegemann, E.W., Zur Erinnerung an Karl Ludwig Schmidt, Ref 40, 1991, 255-260: 256. Grundlegend sind die Darstellungen von P. Vielhauer, Karl Ludwig Schmidt, in: Bonner Gelehrte. Beiträge zur Geschichte der Wissenschaften in Bonn. Evangelische Theologie, Bonn 1968, 190-214 sowie von E. Schweizer, Karl Ludwig Schmidt - Abschied von Illusionen über Jesus und die Kirche, T h Z 47,1991, 193-207. Zitiert aus einem Schreiben Schmidts an Hermann Strathmann vom 23.9.1936, Bestand Personen XXVII (Strathmann) Nr.2, LKA Nürnberg.

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8

ι. Kindheit und Studium 1891-1913

Neben der hohen Wertschätzung der Altphilologie lassen sich weitere Schmidt prägende Einflüsse der Frankfurter Jahre festhalten. In Frankfurt, ehemals freie Reichsstadt und Sitz des Deutschen Bundes, die erst 1866 dem preußischen Staat zugeschlagen wurde, hatte die Bevölkerung gegen den mächtigen preußischen Staat traditionell starke Vorbehalte. In dieser Frankfurter »Prägung« liegt seine Abneigung gegen jegliche nationalistische Politik begründet; gegen das nationale Säbelrasseln der wilhelminischen Zeit wurde Karl Ludwig in Frankfurt vollends immun.'9 Schwerer wog für ihn ein anderes Erbe der Frankfurter Jahre - Schmidt begegnete in dieser Stadt einem »rassischen« Antisemitismus; er begriff in diesem Sinne das Judentum als eine mindestens auch anders biologisch bedingte Größe. Ob sich Schmidt jemals von diesem »Antisemitismus« lösen konnte, ist fraglich, blieb doch Schmidts Beziehung zum Judentum zeitlebens äußerst problematisch. Sein Verhältnis zum Judentum stand in einem eigenartigen Spannungsverhältnis von latentem Antisemitismus auf der einen, von hoher theologischer Wertschätzung der heilsgeschichtlichen Bedeutung Israels20 auf der anderen Seite. Zugleich konnte er auf der persönlich-menschlichen Ebene einzelnen Juden wie beispielsweise Martin Buber und Hans Jonas mit hohem Respekt begegnen. Mit aller Vorsicht läßt sich die These aufstellen, daß Schmidt sich niemals — trotz gegenteiliger Beteuerungen - von einem »rassischen« Antisemitismus lösen, die daraus resultierenden verhängnisvollen politischen Folgerungen jedoch nicht mittragen konnte.11 Diese problematische Einstellung ist wichtige Vorbedingung zum Verständnis auch der theologischen Ansichten Schmidts zum Judentum und zu Israel; sie gilt nicht nur für den jungen Studenten, sondern ebenso auch für den Schmidt der frühen Schweizer Jahre, der noch im Jahre 1936 Zeugnis von einer verletzenden antisemitischen Einstellung ablegte. Über den damals in Zürich lehrenden jungen Neutestamender Werner Georg Kümmel, der jüdische Ahnen in seinem Familienstammbaum aufzuweisen hatte, von denen er erstmals 1932 erfuhr, schrieb Schmidt an den Mitherausgeber der Theologischen Blätter, Hermann Strathmann: »Nun sind die Schweizer Reformer ... sehr stolz auf ihren flott und klug redenden Kümmel (ich empfinde seinen Typ als recht jüdisch, was ich öfters feststellen muß, ohne deshalb Anti-

Gesprächsnotiz M A . Schmidt vom 15.6.1991. Schmidt betonte im Anschluß an Rom 9-11 stets die heilsgeschichtliche Sonderrolle des »fleischlichen Israels«, deren Verheißungen auch weiterhin bestehen und »am Ende der Tage in der eschatologischen Aufhebung aller nationalen Unterschiede auch noch gerettet werden wird«; vgl. Schmidt, Jerusalem als Urbild und Abbild, Erjb 18,1950, 244. Ein schönes Beispiel fur diese Frankfurter Einflüsse sind Schmidts Ausführungen in: Die Judenfrage im Lichte der Kapitel 9-11 des Römerbriefes, T h S t 13,1943, ^ 9 4 6 , 1 6 - 1 7 .

ΐ·3· Studium in Marburg und Berlin

9

semit zu sein)«." »Herr Kümmel - Zürich... entpuppt sich immer mehr als ein ganz gescheiter, aber gerade nicht mit theologischer Substanz sonderlich ausgestatteter Jüngling, dessen jüdische Abstammung, die eben nicht immer gut ausgeht, wohl auch zu verrechnen ist.«23 Neben dem Fehlurteil über die theologische Kompetenz von Kümmel überrascht das nach Meinung von Werner Georg Kümmel »rassistisch-antisemitische« Urteil24: Ein Indiz des schwierigen Frankfurter Erbes, das er nie abzuschütteln vermochte und das zugleich bei den Überlegungen Schmidts zum Verhältnis von Kirche und Judentum von dem heutigen Leser zu berücksichtigen ist. Nachdem Schmidt 1909 Frankfurt verlassen hatte, um in Marburg das Studium der Klassischen Philologie zu beginnen, kehrte er nie mehr in diese Stadt zurück, um in ihr zu leben. Trotzdem: Heimat - das war fiir Schmidt nur Frankfurt. Der demokratisch-republikanischen Frankfurter Tradition fühlte er sich trotz des zweifelhaften antisemitischen Erbes stets verbunden - Kultur und Geschichte der »Mainlinie« hatten ihn geprägt.

1.3. Studium in Marburg und Berlin 1909 begann Karl Ludwig Schmidt in Marburg mit dem Studium der Klassischen Philologie, wechselte aber nach einem Jahr zur Theologie über 15 , blieb jedoch weiterhin im Fach »Klassische Philologie« eingeschrieben. Vermutlich wird er noch als Student der Theologie Veranstaltungen der Philologischen Fakulät besucht haben, seine Neigungen auf dem Gebiet der Altphilologie brachte er nun massiv in seine theologische Arbeit ein. Mehr läßt sich über Brief vom 24.6.1936, Original im Bestand Personen X X V I I (Strathmann) Nr. 2, L K A Nürnberg. Brief an Strathmann vom 3.10.1936, Original im Bestand Personen X X V I I (Strathmann) Nr. 2, L K A Nürnberg. Brief an den Verf. vom 22.3.1992. Kümmel fuhrt weiter aus: Derartige »Bemerkungen aus der Feder eines vor den Nationalsozialisten ins Ausland abgewanderten Sozialdemokraten sind mir völlig unverständlich. Herr Schmidt musste wissen, dass ich mit dem Judentum keinerlei Beziehung gehabt hatte (ich habe erst etwa 1932 Uberhaupt zur Kenntnis genommen, dass ich jüdische Ahnen hatte), seine Beurteilung meines Verhaltens als teilweise durch meine jüdischen Ahnen zu erklären, setzt doch eindeutig den rein rassischen nationalsozialistischen Antisemitismus voraus, wenn er dies auch bestreitet«. Die genauen Gründe für die Entscheidung des Studienwechsels liegen leider völlig im Dunkeln, sie lassen sich nur vermuten. Die geläufige Meinung (vgl. Stegemann, Schmidt [s. Anm.17] 256; Vielhauer, Schmidt [s. Anm.17] 191), daß dieser Wechsel unter dem Einfluß von Wilhelm Herrmann erfolgt sei, ist nach den mir vorliegenden Briefen Schmidts nicht zu belegen.

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ι. Kindheit und Studium 1891-1913

Schmidts Studienzeit in dem von Martin Rade 26 und Wilhelm Herrmann 2 7 theologisch maßgeblich geprägten Marburg nicht sagen.28 O b Schmidt auf theologischer Standortsuche war, inwieweit Rade und Herrmann ihn in Marburg theologisch beeinflußt haben, wissen wir nicht. 29 Ende des Jahres 1910 finden wir Schmidt in Berlin wieder, wo er noch weitere sechs Semester Theologie studierte, ohne dabei auch hier das Studium der Altphilologie völlig aufzugeben. 30 Die Berliner Theologische Fakultät galt damals als die Erste im Deutschen Reich; ein Anspruch, den die gesamte Universität fiir sich erhob. In Berlin wurden Friedrich Delitzsch, bei dem er zusammen mit dem späteren Basier Professor Ernst Staehelin Syrisch und Aramäisch lernte'1, Karl

Zu Rade vgl. Schwöbel, C., Martin Rade. Das Verhältnis von Geschichte, Religion und Moral als Grundproblem seiner Theologie, Gütersloh 1980; vgl. auch ders., Martin Rade, in: Gestalten der Kirchengeschichte 10,1, hg. v. M. Greschat, Stuttgart u.a. 1985,163-173. Zu Herrmann vgl. auch Mahlmann, T., Art. Herrmann, Wilhelm, T R E 15,1986,165172; Kantzenbach, F.W., Programme der Theologie, München ^978,127-133; FischerAppelt, P., Wilhelm Herrmann, in: Gestalten der Kirchengeschichte 10,1, hg. v. M. Greschat, Stuttgart u.a. 1985, 59-69; Greive, W., Der Grund des Glaubens. Die Christologie Wilhelm Herrmanns, FSÖTh 26,1976. Es sind auch keine Briefe aus diesen Jahren, noch Seminararbeiten oder Beurteilungen seiner Lehrer erhalten geblieben - das Archivmaterial schweigt sich über Schmidts theologische Anfangszeit hartnäckig aus. Beiläufig ging Schmidt Jahre später doch noch einmal auf Herrmann und seine Marburger Studienzeit näher ein: »Ich habe als drittes Semester bei W. Herrmann Dogmatik gehört und war tief beeindruckt von dem existentiellen Ernst dieses starken Lehrers. Es dauerte bei mir und anderen nicht lange, daß wir gegen W. Herrmann die Frage nach der richtigen Exegese stellten. Und heute ist dieselbe Frage denkbar akut« (Schreiben an Helmut Gollwitzer vom 7.9.1936, Kopie im Bestand Personen XXVII [Strathmann] Nr.2, LKA Nürnberg). Eine fur Schmidt bezeichnende Aussage. Unsicher ist nur, ob diese Festellung der Einsicht des jungen Marburger Studenten oder nicht doch eher dem verklärten Rückblick des Basier Professors entstammt. Das Original seiner 1913 vorgelegten, nun in der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität Berlin aufbewahrten Lizentiaten-Thesen weist Schmidt als »stud theol et phil« aus. Brief Schmidts an E. Seeberg vom 16.6.26, N L Seeberg, BA Koblenz. Zu Staehelin vgl. auch Schmidt, M.A., Ernst Staehelin als ökumenischer Theologe, T h Z 46,1990, 339350. Neben dem Basler Neutestamentier Eberhard Vischer war es insbesondere Staehelin, der maßgeblich an der Berufung seines alten Freundes Schmidt nach Basel zum Winter-Semester 1935/36 beteiligt war: »Das eigentliche Gewicht haben aber hier (in Basel, A.M.) die Altbasler Eberhard Vischer und Ernst Staehelin, deren Eintreten für mich ich meine Berufung hierher zu verdanken habe« (Brief an Strathmann vom 24.3.1937, Original im Bestand Personen XXVII [Strathmann] Nr.4, LKA Nürnberg).

1.3. Studium in Marburg und Berlin

II

Holl 32 , Adolf v. Harnack 33 und insbesondere Adolf Deißmann 34 seine Lehrer. Das Studium in Berlin ging Schmidt konzentriert an.35 Besonders haben ihn hier die altkirchlichen Seminare Karl Holls beeindruckt.36 Bei Holl konnte Schmidt theologisch arbeiten und studieren und zugleich seine philologischen Kenntnisse unter Beweis stellen. So verfaßte er im W S 1911/12 eipe Seminararbeit über »Die Ethik und Ascetik des Prophyrius nach seinem Briefe an Marcella dargestellt und in ihren Grundzügen mit der Ethik und Ascetik des chrisdichen Altertums verglichen«, im Juli 1912 eine Arbeit mit dem Titel »Ist das System des Basilides nach der Darstellung Hippolyts in den Philosophumena vereinbar mit dem, was wir sonst von den Lehren des Basilides wissen?«.37 In beiden Arbeiten, von Holl mit »Gut« bewertet, deutet sich Schmidts formgeschichtlicher Ansatz an, den er einige Jahre später durchgeführt hat. Schon als Student zeigte sich Schmidt als genauer Kenner der literarischen Überlieferung altkirchlicher Texte, der den Vergleich mit anderen, auch profanen Schriften zieht und aus diesem Vergleich heraus die spezifische formale Struktur des zu behandelnden Textes darstellt. Inwieweit sich Schmidt am Vorabend der durch Holl hervorgerufenen Luther-Renaissance mit der Theolo51

Zu Holl vgl. auch Wallmann, J., Art. Holl, Karl, TRE15,1986, 514-518; hilfreich auch die Literaturzusammenstellung von H. Fischer in ders., Systematische Theologie, Stuttgart, Berlin, Köln 1992, 54.

33

Vgl. auch Kaltenborn, C.-J., Adolf von Harnack, in: Gestalten der Kirchengeschichte 10,1, hg. v. M. Greschat, Stuttgart u.a. 1985,70-87; Kantzenbach, F.W., Art. Harnack, Adolf von, T R E 14,1985, 450-458. Vgl. auch Plümacher, E., Art. Deißmann, Adolf, T R E 8, 1986, 406-408; Eckart, K.G., Adolf Deißmann, Licht vom Osten, in: 450 Jahre Evangelische Theologie in Berlin, hg. von G. Bester und C. Gestrich, Göttingen 1989, 381-385; Lessing, E., Zwischen Bekenntnis und Volkskirche, Bielefeld 1992, 90-94. Er legte während der Berliner Semester den Schwerpunkt auf die exegetischen Fächer und die Alte Kichengeschichte. Schmidt hatte zumindest größte Mühe, die damals auf der Tagesordnung stehenden philosophischen und dogmatischen Autoren zu lesen. Dieser Eindruck wird auch durch seine Lizentiaten-Thesen vom 1. August 1913 bestätigt. Zehn exegetischen und altkirchlichen Thesen stehen zwei systematische Thesen gegenüber. Es gelang ihm auch später nicht, diese Barrieren abzubauen, obwohl er als Ordinarius und in seiner Funktion als Schriftleiter der KZATV und der Theologischen Blätterst hr genau die theologischen Diskussionen auf diesem Gebiet beobachtete und pointiert dazu Stellung bezog.

54

Js

36

Schmidt hörte nach eigenem Bekunden »sehr intensiv Karl Holl, der voller Zorn die hohen Hörerzahlen bei Harnack und auch Deißmann verbuchte, während er nur wenige hatte« (Schreiben an Karl Barth vom 12.9.1947, Kopie im N L K.L.S., Frenkendorf).

37

Die Originale befinden sich im Besitz von Martin Anton Schmidt. Die Ergebnisse dieser Seminararbeiten wurden zusammen mit einer preisgekrönten Arbeit über das Johannesevangelium aus dem Jahre 1912 von Schmidt in seinen Thesenkatalog zu Erlangung des Grades eines Lizentiaten der Theologie aufgenommen (Thesen 4.5.7-8).

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ι. Kindheit und Studium 1891-1913

gie seines Lehrers auseinandergesetzt hat, ist nicht mehr festzustellen. Schmidts Wertschätzung für Holl läßt jedoch darauf schließen, daß er durch Holl wichtige theologische Impulse empfangen hat: Holls Abkehr vom liberalen Lutherbild, das die religöse Aktivität des Menschen betonte, hin zum Bild des von Gott entfremdeten und der Gnade des Evangeliums bedürftigen Menschen stellt einen wichtigen Einschnitt in der Theologiegeschichte dar. Der Besuch der Seminare Adolf von Harnacks bildete einen weiteren Studienschwerpunkt. Diese besuchte Schmidt regelmäßig, zuletzt, ab 1912, als Senior des Seminars. Harnack blieb fur Schmidt zeitlebens einer der wichtigsten theologischen Lehrer, der fur ihn etwas Wesentliches festgehalten hat: den Bezug einer philologisch exakt arbeitenden theologischen Wissenschaft zu den Problemen der Gegenwart. »Es gibt (fiir Harnack, A.M.) Probleme in der Geschichte, die niemals erledigt werden, die jede Generation neu erfassen muß«, urteilte Schmidt 1921 über seinen Lehrer Harnack.' 8 Es ist dieser Gegenwartsbezug der Theologie, den Schmidt bei Harnack neben aller philologischen Akribie anzog und faszinierte. »Geschichte war ihm wichtig in ihrer Bezogenheit auf die Gegenwart. Erkenntnis erschien ihm nur fruchtbar, wenn sie zusammenhing mit Willensbildung.«39 Dies ist eine wichtige theologische Einsicht für Schmidt: Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit theologischen und historischen Problemen muß einen Gegenwartsbezug haben, um nicht zu einer abstrakten Spielerei zu werden. Theologie ist nicht wissenschaftlicher Selbstzweck, sondern primär eine mitten im Leben stehende Kraft. Diesen Ansatz, der so sehr seinen politischen und sozialen Interessen entgegenkam, verinnerlichte Schmidt völlig. Charakteristisch dafür ist der Titel eines Aufsatzes, den er 1921 zu Ehren des 70. Geburtstages Harnacks verfaßte: »Marcion und wir. Die Gegenwartsbedeutung von Harnacks Marcion.« 40 Schmidt blieb Harnack bis zu Harnacks Tod 1930 tief verbunden; Harnack war ihm stets der große Lehrer, dem er in Respekt und Dankbarkeit gedachte und dessen Rat Schmidt suchte.41 Entscheidend fur seinen weiteren Lebenslauf sollte aber die Begegnung mit Adolf Deißmann werden. Deißmann, um dessen Berufung im Jahr 1908 an die Berliner Universität ein heftiger Streit entbrannnte 4 \ wurde Schmidts wichtig-

'8

Schmidt, Adolf von Harnack, in: Berliner Hochschulnachrichten 5. Semester, 1 9 2 1 , 1 7 .

39

Schmidt, Harnack, T h B l 9 , 1 9 3 0 , 1 6 3 - 1 7 1 : 1 7 2 .

40

K Z A T V 31, 1920/1921, 83-85.

41

V o n der umfangreichen Korrespondenz zwischen Harnack und Schmidt sind leider nur noch sechs Postkarten und Briefe von Schmidt an Harnack aus den Jahren 19151930 erhalten, die sich jetzt im Harnack-Nachlaß der Berliner Staatsbibliothek befinden.

42

Vgl. zum »Fall Deissmann« Mehnert, G . , Evangelische Kirche und Politik 1917 —1919, Düsseldorf 1959, 25-27.

ι. Kindheit und Studium 1891-1913

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ster Lehrer und väterlicher Freund. »Mein alter Schüler und Freund ... Karl Ludwig Schmidt... war vor dem Kriege Senior meines Seminars und wurde dann noch Assistent« so Deißmann Jahre später.43 Deißmann schien von dem jungen Studenten, der 1912 auch den Königlichen Preis der Universität Berlin mit einer Arbeit über das Johannesevangelium gewann44, beeindruckt zu sein, denn er förderte Schmidt während seiner sechs Semester in Berlin intensiv und riet ihm auch zur Promotion. Die Promotionsarbeit wurde sehr schnell fertig gestellt, da Schmidt seine preisgekrönte Arbeit über das Johannesevangelium nur zu überarbeiten hatte und diese Fassung dann einreichen durfte: Am 1. August 1913 verteidigte Schmidt seine Theologischen Thesen zum Erwerb des Grades eines Lizentiaten der Theologie 45 und wurde ab Oktober 1913 - mit zweiundzwanzig Jahren und ohne Theologisches Examen - Deißmanns Assistent. »Karl Ludwig Schmidt wurde durch Erlass des Herrn Ministers vom 27. September 1913 UI Nr. 7152 vom 1. Oktober ab auf ein Jahr ... als Assistent am Neutestamendichen Seminar angenommen. Diese Annahme als Assistent wurde dann von Jahr zu Jahr entsprechend erneuert. Es wurde ihm ... nicht nur die Leitung des Neutestamendichen Proseminars anvertraut, sondern er wurde auch ... während meiner Erkrankung im Sommer 1920 noch dazu mit der Leitung des Neutestamendichen Seminars beauftragt.«46 Deißmann wurde entscheidend für Schmidt: Mit ihm wurde nicht nur ein exakter Exeget Schmidts theologischer Freund und Förderer, sondern zugleich auch ein Theologe mit ausgeprägten kultur- und kirchenpolitischen sowie ökumenischen Interessen sein Berater. Deißmann führte Schmidt in die Neutestamentliche Exegese ein - und zugleich ins Leben hinaus.

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44

45 46

Schreiben Deißmanns an den Kurator der Universität Bonn vom n.1.1934, Original in der Personalakte K.L.S., 130, UA Bonn. Vgl. Schmidts Eintrag in das »Album Professorum« der Universität Bonn. Die Arbeit selbst trägt den Titel »Das Problem der Einheitlichkeit des Johannes-Evangeliums mit besonderer Berücksichtigung der neueren Interpolationshypothesen« und steht unter dem Mono: »Verstehen lehren ist eben das Hauptgeschäft der Philologie« (das Original der rund 120 Spalten umfassenden Arbeit befindet sich im N L K.L.S., Frenkendorf). Vgl. auch Faulenbach, H., Das Album Professorum der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms-Universität, Academica Bonnensia io, 1995, 270-272:271. Vgl. Anlage 1. Brief Deißmanns an den Kurator der Universität Bonn vom 28.1.1930, Original in der Personalakte K.L.S., 42, UA Bonn.

2. DER GROSSE KRIEG 1914-1916 Karl Ludwig Schmidt war gerade 10 Monate Assistent von Adolf Deißmann, als die Ermordung des östereichischen Thronfolgers und seiner Frau am 28. Juni 1914 zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs führte. 47 Opferbereitschaft, glühende Liebe zum Vaterland, ein alle Klassen und Bevölkerungsschichten überwindendes Gemeinschaftsgefühl steigerte sich in diesen Wochen als ein »metaphysisch« qualifiziertes Gefühl deutschen Erwachens hinein - wo eigentlich ein klarer Verstand gefordert wäre. Dieses Gefühl nationalen »Erwachens« machte auch vor der Theologie nicht halt, wie unzählige kirchliche Artikel, Kriegspredigten und Aufrufe beweisen. »Die Mehrzahl der deutschen Theologen ging von dem Gedanken aus, Deutschlands Sache sei gerecht; darum müsse auch der gerechte Weltenlenker auf Deutschlands Seite stehen - und dies um so mehr, als Gott dem deutschen Volke besondere Aufgaben in der Welt zugewiesen habe wie die Geschichte (Luther, Friedrich der Große, Goethe, Bismarck) allfallig beweise. Um dieser Mission willen sei das deutsche Volk es auch der Menschheit, ja Gott selbst schuldig, sein Volkstum — Hort des Protestantismus — gegen die Zerstörungswut der Feinde zu verteidigen; Kriegsdienst wird zum Gottesdienst.«48 Auch Schmidts Lehrer Deißmann wird von dieser Begeisterungswelle erfaßt. Er ist Mitunterzeichner des von Reinhold Seeberg verfaßten »Aufruf deutscher Kirchenmänner und Professoren: An die evangelischen Christen im Ausland«49; seine zahlreichen Reden und Ansprachen unterscheiden sich nur gering von den anderen dieser Zeit. 50

Vgl. zur Juli-Krise insgesamt: Juli 1914. Die europäische Krise und der Ausbruch des Ersten Weltkriegs, dtv dokumente, hg. v. I. Geiss, 2 i98o. Besier, G., Die protestantischen Kirchen Europas im Ersten Weltkrieg, Göttingen 1984, 18. Vgl. insg. Nowak, K., Geschichte des Christentums in Deutschland, München 1995,197-204. Besier, Die protestantischen Kirchen (s. Anm.48) 40-45. Vgl. Deißmann, Α., Deutscher Schwertsegen. Kräfte der Heimat fiirs reisige Heer, Stuttgart/Berlin 1915. Deißmann verlor jedoch nicht die besondere, theologisch begründete Gemeinschaft der im Krieg beteiligten Völker aus dem Auge; auch die Fürbitte für den vom Kriegsleid ebenso betroffenen Gegner ist ein im Chor der Kriegspredigten ungewöhnlicher Ton (a.a.O. 49).

2. Der große Krieg 1914-1916

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Wie weit sich Schmidt von der vorherrschenden Haltung zum Krieg und der These von Deutschlands Sendung in der Welt beeinflussen ließ, oder ob er nicht vielmehr eine kritisch-reservierte Haltung gegenüber dem Krieg und seiner ideologischen Begründung einnahm, ist nicht mehr genau nachzuvollziehen. Leider sind - mit Ausnahme einiger weniger Feldpostkarten — keine Briefe, Aufsätze oder biographische Notizen mehr aus dieser Zeit vorhanden, die darüber Aufschluß geben könnten. Hält man sich jedoch das enge freundschaftliche Verhältnis zwischen Deißmann und Schmidt vor Augen, könnte man sich zwischen den beiden Neutestamentlern durchaus eine weitgehende Übereinstimmung in der Beurteilung der politischen und theologischen Lage vorstellen. Dieser Eindruck wird Jahre später von Deißmann selbst bestätigt. »Als der Krieg ausbrach, meldete er (d.i. Karl Ludwig Schmidt, A.M.) sich als Freiwilliger, wurde aber wegen eines schweren Bruchleidens als kriegsuntauglich erklärt. Er hat sich damit aber nicht, was vielleicht mancher anderer getan hätte, zufrieden gegeben, sondern sich freiwillig einer Operation unterzogen, um dadurch kriegstauglich zu werden. Notdürftig von dieser Operation geheilt, trat er dann als Kriegsfreiwilliger ein, machte die blutigen Kämpfe in Russland mit, bis er durch eine schwere Verwundung seiner rechten Hand (die bis heute noch nicht völlig gebrauchsfähig ist) tatsächlich kriegsuntauglich wurde. ... Karl Ludwig Schmidt hatte sich ... im Krieg... als ein bis auf die Knochen nationaler Deutscher bewährt.«51 War Schmidt ein kriegsbegeisterter, von Deutschlands Größe und Sendung überzeugter Theologe? Dem Brief zufolge scheint es beinahe so. Das Datum der Abfassung darf jedoch flir die Beurteilung dieses Briefes nicht ignoriert werden. Dieser 1934 verfaßte Brief Deißmanns an den Kurator der Universität Bonn war ein Bittbrief Deißmanns fur seinen zu diesem Zeitpunkt schon durch die Nationalsozialisten abgesetzten Schüler und Freund. Deißmann wollte mit seinem Brief fur Schmidt angemessene Versorgungsbezüge bewirken und tat alles, um Schmidt in ein möglichst gutes, und das hieß im Jahre 1934, »nationales« Licht zu stellen. Daß darunter - von Deißmann sicherlich genau einkalkuliert - die historische Genauigkeit leiden kann, ist zumindest vorstellbar. Deißmanns Version steht auch den späteren Erzählungen Schmidts im Familienkreise entgegen. Schmidts aus Frankfurt mitgebrachte Skepsis gegen militärische Begeisterung und Schwärmerei fur Deutschland wurde von seiner späteren Frau Ursula v. Wegnern nur gestärkt. Karl Ludwig Schmidt hat sich entgegen der Darstellung Deißmanns in Wahrheit nicht freiwillig gemeldet, sondern wartete stattdessen den Einberufungsbefehl ab.52

Brief Deißmanns vom n.1.1934, Original in der Personalakte K.L.S., 46, UA Bonn. Auch die Darstellung Deißmanns in dem Brief vom 11. Januar 1934, Schmidt habe sich eigens zur Wiederherstellung seiner Einsatzfähigkeit einer Operation unterzogen, entspricht nach Auskunft von M.A. Schmidt vom 20.2.1993 nicht der Wirklichkeit.

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ζ. Der große Krieg 1914-1916

In diesen Monaten lernte Schmidt Ursula v. Wegnern, die Tochter des Staatsministers Martin v. Wegnern, kennen. Sie wurde am 1. Januar 1893 geboren und gehörte einer einflußreichen thüringischen Familie an, die von Martin Luther abstammte53 und im 18. Jahrhundert in Ostpreußen geadelt wurde. Politisch stand die Familie den Deutschnationalen nahe und sympatisierte in der Weimarer Republik mit der DNVP. Der Monarchie wilhelminischer Prägung begegneten die v. Wegnerns jedoch mit großer Skepsis, zu sehr stießen die vollmundigen Selbstdarstellungen Wilhelms II. die Familienmitglieder ab. Die Tochter Ursula hingegen nahm politisch in ihrer Familie eine Außenseiterposition ein. Sie teilte zwar die familiäre Ablehnung der wilhelminischen Monarchie, stand aber selbst dem bürgerlichen Liberalismus nahe. Doch nicht nur innerhalb ihrer eigenen Familie nahm diese gebildete, politisch interessierte und der »alten«, d.h. ersten bürgerlichen Frauenbewegung nahestehende Adelige54 eine Sonderrolle ein, sondern sie bildete auch in Herkunft und Erziehung einen völligen Gegenpol zu Schmidt. In einer Gesellschaft, in der die sozialpolitischen Spannungen von einem älteren, in der Verfassung noch nicht ausgetragenen ständischen Konflikt zwischen Bürgertum und Adel überdeckt wurden, war die Beziehung zwischen dem Sohn eines Schumachergesellen und der adligen Tochter eines Staatsministers ein Affront gegenüber dem Standesbewußtsein aller beteiligten Familien.55 Im Mai 1918 heirateten die beiden.56 Die gegenseitige Beeinflussung innerhalb dieser Beziehung war sehr stark: Ursula v. Wegnern lernte aus einer für sie völlig unbekannten Perspektive die sozialen Fragen und drängenden Probleme der Arbeiterschaft kennen, Schmidt, der sich in seiner Abneigung gegen allen Militarismus bestärkt sah, näherte sich politisch allmählich einem sozial akzentuierten, bürgerlichen Liberalismus, wie er in der D D P seine deutlichste Ausprägung fand. Die ersten Kriegsmonate verbrachte Schmidt weiterhin als Deißmanns Assistent am Neutestamentlichen Seminar. Er meldete sich eben nicht, im Gegensatz zur kriegsbegeisterten Mehrheit seiner Altersgenossen, freiwillig zum Heer, sondern wartete lieber ab, bis ihm der Einberufungsbefehl zugestellt wurde. 57 S. M. Clasen, Das neue Luther-Nachkommenbuch, Limburg i960, 250.253^ Vgl. Gerhard, U., Art. Frauenbewegung, Handlexikon zur Politikwissenschaft, hg. v. W. Mickel, Bundeszentrale fur politische Bildung, Schriftenreihe 237,1986,150-155. S. auch Nave-Herz, R., Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland, Bonn '1988, 22-32.41-49. Zu Staat und Gesellschaft am Vorabend des Ersten Weltkrieges vgl. Erdmann, K.D., Der Erste Weltkrieg, Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte 18,1980,19-36; hier auch weitere Literatur. Personalbogen K.L. Schmidt v. Juli 1933, HStA Düsseldorf NW5 899/3719, 46-52. Dieses abwartende Verhalten wird ausdrücklich von seinem Sohn Martin Anton Schmidt bestätigt, Gesprächsnotiz M A . Schmidt vom 23.11.1991.

2. Der große Krieg 1914-1916

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Dies dauerte nicht lange. Anfang 1915, an einem Wendepunkt des Krieges, erhielt Schmidt den Befehl, sich zum 15. Februar 1915 beim 2. Ersatzbataillon des 43. Infantrie-Regimentes zu melden. Die militärische Lage war zu dieser Zeit für das kaiserliche Deutschland mehr als heikel.58 Nach der schweren Niederlage der Russen in der Masurenwinterschlacht (7.-21.2.191$) bot sich der 2. Obersten Heeresleitung jedoch die Chance, gegen Rußland einen schweren militärischen Schlag zu fuhren und damit die Entente an ihrer schwächsten Stelle zu treffen, denn Rußlands mangelnde industrielle Rüstung und die weiterhin schwellende revolutionäre Stimmung unter den Soldaten machten sich trotz der russischen Anfangserfolge in Ostpreußen und Galizien in Kampfkraft und Moral der Truppen negativ bemerkbar. Darüber hinaus eröffnete sich für die deutsche Heeresleitung die Möglichkeit, durch eine erfolgreiche Offensive gegen Rußland den unheilvollen Zweifrontenkrieg zu beenden59, den wankenden österreichischen Bündnispartner zu stützen und die ganze Kraft an die Westfront zu werfen, um hier die endgültige Entscheidung zu suchen. Schmidts 43. Infanterie-Regiment (IR), das ursprünglich vor dem Kriege in Königsberg und Pillau stationiert war, gehörte der 8. Deutschen Armee an, der der Schutz des Landes ösdich der Weichsel zugedacht war. Schmidt, als Musketier eingezogen, war noch bis Anfang April in Neuhausen bei Königsberg in Preußen stationiert, wo er sich im Ausbildungslager befand. »Ich bin auf die Liste der Offiziersaspiranten gesetzt worden und werde auch im Führen und Kommandieren ausgebildet«60, schrieb er im April 191 j an seinen Lehrer Adolf v. Harnack. Nach abgeschlossener Grundausbildung hielt sich Schmidt Anfang Juni 1915 im Ersatzbataillon des Regiments auf, das in diesen Tagen in Polen stationiert war. Eine Feldpostkarte an Harnack, die kurz vor den Kämpfen vor Zurawnow geschrieben wurde, gewährt einen kurzen Einblick in sein Soldatenleben: »Endlich bin ich im Felde, vorläufig noch in Reserve in der Nähe von ... (unleserlich). Wir leben friedlich in einem endlos langen polnischen Dorf, das z. Teil zerschossen ist und von einem Teil der Einwohner geräumt ist.

Hubatsch, W., Der Erste Weltkrieg. Die Mittelmächte 1914-1918, Schriftenreihe Innere Führung. Beiträge zur Zeitgeschichte und Geschichte 5, 1966, 65. Vgl. Erdmann, Erster Weltkrieg (s. Anm.55) 107-119; es war ein verhängnisvoller Fehler der deutschen Politik, nicht schon Ende 1914 einen Sonderfrieden mit Rußland gesucht zu haben, wozu Falkenhayn den Reichskanzler Bethmann-Hollweg gedrängt hatte. Die Erkenntnis, einen Zweifrontenkrieg nicht mehr gewinnen zu können, setzte sich in der O H L schon Ende 1914 durch (a.a.O. 118). Vgl. hierzu auch Haffner, S., Die sieben Todsünden des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg, Bergisch Gladbach, '1981, 2.5-53; Mai, G., Das Ende des Kaiserreiches, München 1987. Feldpostkarte Schmidts an Adolf v. Harnack vom 11.4.1915, Original im N L HarnackK.L.Schmidt, Blatt ir, Deutsche Staatsbibliothek Berlin.

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2. Der große Krieg 1914-1916 Heute am Fronleichnamstag haben sich die Leute, die zu uns ganz friedlich sind, schön herausgeputzt. Die Frauen sind ganz buntgekleidet. - Ich tue hier Unteroffiziersdienst und habe in meiner Korporalschaft 12 stramme pommersche Grenadiere, deren Plattdeutsch ich nicht immer verstehe. ... An einem der letzten Sonntage habe ich vor 3 Kompanien einen Gottesdienst gehalten, der ganz die Form eines Feldgottesdienstes hatte. Ich denke, daß ich mich hier in derselben Weise weiterbetätigen kann.« 6 '

Diese Hoffnung zerschlug sich schnell. Die Ruhe wurde abrupt beendet, als es der 11. und 12. Deutschen Armee gelang, die russischen Truppen aus Polen zu vertreiben und der Befehl ausgegeben wurde, an der gesamten Ostfront dem Feind frontal nachzusetzen. Ende August befindet sich Schmidts Regiment kurz vor der Linie Brest-Litowsk- Lemberg. Bei Losince gerät Schmidt in die schwersten Kämpfe seiner Militärzeit. Dorndorf erinnert sich: »Der Feind zog sich weiter in östlicher Richtung zurück, die verbündeten Truppen folgten ... ö s t lich dieses Ortes war die Vorhut... auf (den) Feind gestoßen, der jetzt ernsten Widerstand leistete. In mehrtägigen Gefechten, in welchen die zusammengeschmolzenen Kompanien so völlig verausgabt wurden, daß aus den Fußmeldern des Regiments- und der Bataillionsstäbe ein Zug zur Flankendeckung gebildet werden mußte, wurden die Russen geworfen.« 61 Von Losince aus wurde Schmidts völlig erschöpftes Regiment in den Gefechten um Mikitk eingesetzt, das am 13. September 1915 erobert werden konnte. Hier erhielten die noch übrig gebliebenen Soldaten des 43. IR den Befehl, den strategisch wichtigen Fluß Styr zu erreichen. Trotz dieser schweren Kämpfe fand Schmidt immer wieder Zeit zur theologischen Arbeit: »Ich habe mir immer Mühe gegeben, auch mitten im Kriege, der nicht so ohne weiteres als die große Störung betrachtet werden sollte, philologisch und theologisch zu arbeiten. Weil ich im Gefecht eine gelehrte Broschüre las, während die anderen sich eingebuddelt hatten, wurde ich eklig verwundet.«6' Der Marsch des Regiments zum Fluß Styr vollzog sich unter heftigen Gefechten; während einer Ruhepause wurde der in die Lektüre theologischer Literatur vertiefte Karl Ludwig Schmidt am 23. September 1915 an der Hand und am Kopf lebensgefährlich verletzt.

Feldpostkarte Schmidts an Harnack vom 3.6.1915, Original im N L Harnack-K.L. Schmidt, Blatt 2r, Deutsche Staatsbibliothek Berlin. Dorndorf, G., Das Infanterie-Regiment Nr. 43. Erinnerungsblätter deutscher Regimenter 43, 1923, 82. Dorndorf, Schmidts Regimentskommandeur, verfaßte in o.g. Reihe diese Erinnerungen über das 43. IR. Dies ist fiir uns heute ein besonders glücklicher Zufall, da die gesamte schriftliche Überlieferung der ehemaligen preußischen Armee im 2. Weltkrieg in Berlin bei einem Luftangriff im Februar 1945 vernichtet wurde und damit unwiderruflich verlorenging (Mitteilung des Freiburger Bundesarchivs/Militärarchivs an den Verf. vom 26.8.1991). Brief an Karl Barth vom 12.2.1933, Original im KBA, Basel.

2. Der große Krieg 1914-1916

19

Diese schwere Verletzung beendete Schmidts aktive Soldatenzeit. Er wurde zunächst ins Lazarett des 48. Reserve-Infantrie-Regiments nach Küstrin, von dort ins Auguste-Victoria Krankenhaus in Berlin-Weißensee64 verlegt, wo er am 29. September 1915 das Eiserne Kreuz 2. Klasse (ΕΚ II), das für Mannschaftsdienstgrade in dieser Phase des Krieges nur sehr selten verliehen wurde, erhielt. So schwer seine Verwundung auch war, so konnte er doch im Lazarett seine Studien fortsetzen. Hier begann er, unter größten Mühen seine Habilitationsschrift zu schreiben: »Im Lazarett habe ich mit der Ausarbeitung meiner Habilitationsschrift angefangen, mit der linken Hand mühsam schreibend, da die rechte steif war.« 6 ' Schmidt erholte sich nie mehr völlig von seinen Kriegsverletzungen.66 Noch Jahrzehnte später konnte er nur sehr mühsam mit seiner rechten Hand schreiben, weshalb er fast immer die Schreibmaschine benutzte, und seine Kopfverletzung machte sich regelmäßig mit starken Kopfschmerzen bemerkbar.67 Anfang Juni 1916 wurde Schmidt, da er nach seiner schweren Verwundung nicht mehr einsatzfähig war, ehrenvoll mit Rentenanspruch entlassen. Umgehend meldete er sich bei Deißmann zurück und nahm seinen Dienst an der Berliner Theologischen Fakultät erneut auf. Nur noch wenig sprach Schmidt in den folgenden Jahren über den Krieg ihn kümmerten vielmehr die politischen Folgen des Weltkriegs fur Deutschland und seine Bewohner. Den kriegsverherrlichenden Rückblicken, die jegliche Verantwortung Deutschlands am Krieg negierten und das Massensterben politisch und religiös verklärten, verschloß er sich völlig.68 Schmidts Einstellung zum Krieg war eine völlig sachliche: Er hatte den Krieg als das kennengelernt, was er war - eine grauenvolle Sinnlosigkeit. 6 ' Die Opferbereitschaft, der Mut, der Idealismus und das Vertrauen hunderttausender junger Soldaten in die politische Führung wurde nach Schmidts Ansicht im Krieg mißbraucht. Der

Feldpostkarte K.L. Schmidts an Deißmann vom 3.11.1915, Sondernachlaß Deißmann, Mappe 30g, Stadtbibliothek Berlin. Brief an Barth vom 12.2.1933, Original im K B A , Basel. Seine Verwundung war so schwer, daß er noch drei Jahre später, am 9. August 1918, das Verwundeten-Abzeichen erhielt (Personalbogen K.L.S., Bestand D , Nr. 2576, U A Jena). Gesprächsnotiz M.A. Schmidt vom 15.6.1991. Z u dieser Einstellung paßt auch der von ihm mitunterzeichnete »Zweite Weihnachtsgruß der Berliner Theologischen Universitätslehrer an ihre Studenten im Feld« von 1915, der, vergleicht man ihn mit anderen öffentlichen Aufrufen aus jenen Kriegsjahren, von einiger Sachlichkeit geprägt ist (vgl. Anlage 2). Schmidt teilte Remarques Sicht vom Krieg, wie sie der Autor in seinem auflagenstarken Roman »Im Westen nichts Neues« geschildert hat. (Schreiben Schmidts an Karl Barth vom 6.12.1929, Original im K B A , Basel).

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2. Der große Krieg 1914-1916

einzelne Soldat konnte ein Held sein, seine Taten jedoch wurden durch eine unfähige politische und militärische Führung korrumpiert. So stolz Schmidt auch auf sein ΕΚ II gewesen war - Schmidt empfand das Eiserne Kreuz als Bestätigung seiner Tapferkeit und Bewährung im Felde —, hat er es doch nach Auskunft seines Sohnes Martin Anton nie öffentlich getragen.70 Das Eiserne Kreuz war fur Schmidt Symbol eines politischen Systems, dessen politische und militärische Entscheidungen er ablehnte und dem er das völlige Scheitern angesichts brennender sozialer Probleme vorwarf.

Das öffentliche Anlegen des Ε Κ II konnte in der Tat während der Jahre der Weimarer Republik als Bekenntnis zum Kaiserreich und nachträglicher Legitimation des politischen Systems mißverstanden werden, eine Gefahr, der Schmidt möglichst ausweichen wollte.

3. DIE BERLINER JAHRE 1916-1921 3.1. Habilitation, Vikariat und Assistentenzeit Bis 1921 sollte Schmidt nun in Berlin leben und arbeiten: Einem politisch interessierten Menschen wie Karl Ludwig Schmidt wird es schwergefallen sein, in diesen aufgewühlten Monaten in der Stille und Abgeschiedenheit eines Studierzimmers zu arbeiten - um so erstaunlicher ist sein Arbeitspensum und das Endergebnis. Im Juni 1916, als Assistent Deißmanns wieder mit der Leitung des neutestamentlichen Proseminars beauftragt, nahm Schmidt die längst fällige Vorbereitung auf das Erste Theologische Examen auf. Dieses Examen absolvierte er Ende 1916 71 . Danach führte er die Arbeit an seiner im Feldlazarett begonnenen Habilitationsschrift »Der Rahmen der Geschichte Jesu. Literarkritische Untersuchungen zur ältesten Jesusüberlieferung« weiter. Schmidt muß Tag und Nacht an dieser Arbeit gesessen haben, denn schon am 1. Oktober 1917 trat er seinen Dienst als Stadtvikar von Berlin bei Generalsuperintendent Friedrich Lahusen an. Mit seiner Habilitiationsschrift, die er am 15. Januar 1918 der Fakultät vorlegte72 und Adolf Deißmann widmete, wird er zusammen mit Martin Dibelius73, dessen »Formgeschichte des Evangeliums« 1919 veröffentlicht wurde, und Rudolf Bultmann 74 (Die Geschichte der synoptischen Tradition, 1921) zum Begründer der »Formgeschichtlichen Methode« in der Erforschung des Neuen Testaments. »Prioritätsfragen sind hier müßig: die formgeschichtlichen Ideen >lagen in der Luft v g l · insg. I42f.; Stang, D D P (s. Anm.89) 69-73-353-364·

28

3· Die Berliner Jahre 1916-1921

und Wirklichkeit, Untätigkeit angesichts brennender sozialer Probleme und zieht daraus sofort den entsprechenden Schluß: den Austritt aus der D D P . 9 6

3.3. Mitwirkung im »Kairos-Kreis« Es wäre fälsch, zum Ende des Jahres 1919 bei Schmidt eine weltanschauliche und theologische Krise zu vermuten, doch befand er sich von nun an auf parteipolitischer Standortsuche. Enttäuscht vom Versagen des Liberalismus angesichts der akuten politischen Probleme Deutschlands löste er zwar die parteipolitische Bindung, stand jedoch dem Liberalismus weiterhin nahe. Karl Ludwig Schmidts Aufgeschlossenheit fur soziale Fragen, die täglich erlebte N o t eines Großteils der Bevölkerung, das Empfinden des Scheiterns der bürgerlich-liberalen und konservativ-nationalen Parteien sowie die Freundschaft mit einem Kollegen an der Berliner Universität, dem Privatdozenten Paul Tillich 97 , führte Schmidt in den von Paul Tillich 1920 gegründeten »Kairos-Kreis«. In diesem Gesprächskreis überdachte Schmidt nicht nur die sozialistischen Grundanschauungen, sondern überprüfte durch die vielen Gespräche zugleich auch seine bisherigen theologischen Grundüberzeugungen. »Der Begriff ->Kairos< wurde der Kristallisationspunkt fur einen elitären, aber völlig unorganisierten Kreis, der sich in gewissen Abständen zum gemeinsamen Gespräch in einem Berliner Restaurant traf. ... Das einigende Band des Kreises war die sozialistische Idee, gesehen in der religiösen Dimension«, erinnert sich Adolf Löwe, einer der aktiven Mitglieder dieses Kreises.98 Es handelt sich hier also um einen eher lockeren Gesprächskreis, der sich um Klärung grundsätzlicher Probleme bemühte und deren Ergebnisse in den eigens dafür geschaffenen »Blättern fur religiösen Sozialismus«, die von 1920-1927 bestanden, veröffentlicht wurden. Es ging darum, sich von verschiedenen Seiten der wahren Form des Sozialismus intellektuell zu nähern und ihn philosophisch, theologisch und soziologisch zu begründen. Die kon-

Personalbogen Schmidt v. Juli 1933, HStA Düsseldorf NW5 899/3719, 46-52. S. Ratschow, C.H., Paul Tillich, in: Gestalten der Kirchengeschichte 10,2, hg. v. M. Greschat, Stuttgart u.a. 1986, 123-149. Literatur zu Tillich in Fischer, Systematische Theologie (s.Anm.32) 150-152 mit weiterführender Literatur; Tillich, H „ Ich allein bin, Gütersloh 1993. Zur Vielschichtigkeit des religiösen Sozialismus s. die Einleitung von R. Breipohl, Dokumente zum religiösen Sozialismus in Deutschland, hg. v. R. Breipohl, T B 46. Hist.Theologie, München 1972; zur theologischen Umbruchsituation insg. vgl. Nowak, Geschichte (s. Anm.44) 212-216 mit weiterer Literatur. In: Paul Tillich. Ein Lebensbild in Dokumenten, Ergänzungs- und Nachlaßbände zu den gesammelten Werken von Paul Tillich, Bd. V , 1980,153.

3·3· Mitwirkung im »Kairos-Kreis·

29

krete Einflußnahme auf die politische Gesamtsituation oder die direkte Umsetzung war dabei zunächst nicht vorgesehen. Günther Dehn" erinnert sich: »Monate hindurch nahm ich nach dem Kriege auch an den Zusammenkünften des sogenannten Kairoskreises teil. Kairos bedeutet Zeit im qualifizierten Sinne, Zeit der Entscheidung und nahenden Erfüllung. Geistige Voraussetzung unserer Gespräche war, daß durch den Sozialismus ein neues Zeitalter heraufgefiührt werde, auf das man sich in gründlicher Besinnung auf seine echte Gestalt vorbereiten müsse. Man suchte ihn nicht nur soziologisch, sondern zugleich auch philosophisch und theologisch zu begründen. Bei aller Anerkennung der Bedeutung von Marx war man nicht marxistisch. Es war ein hochintellektueller Kreis, und manchmal gingen die Referate und Diskussionen über mein Fassungsvermögen hinaus. Die Kirchenfrage spielte hier keine Rolle. Ich nenne von den Teilnehmern (ihre Zahl ging nie über zehn bis zwölf hinaus): Paul Tillich, Alexander Rüstow, Karl Mennicke, Eduard Heimann, Löwe, Karl-Ludwig Schmidt.« 100 Doch auch in diesem Kreis erwies sich Karl Ludwig Schmidt als Liberaler. Im Sommer 1920 hielt er in dieser Runde einen Vortrag zum Thema »Der liberale Staatsgedanke in seiner Abgrenzung gegen Konservatismus und Sozialismus« und grenzte sich entschieden gegen den kollektivistischen Machtgedanken, der gleichermaßen fur den konservativen wie auch für den sozialistischen Staatsgedanken konstitutiv sei, scharf ab.101 Schmidt erwies sich als genauer Beobachter der politischen Lage, der um seine Außenseiterposition in dieser Runde sehr wohl wußte. »Übereinstimmung und Verschiedenheit der Auffassung sind unserm Kreise eigentümlich.... Die zweifellos vorhandene Spannung (in diesem Kreis, A.M.) erstreckt sich auf das religiöse und das politische Gebiet. Wir sind ganz verschiedene religiöse Typen.«101 Einigendes Band der Gruppe bildete die Einsicht in die Ursachen sozialer Not und ihrer Probleme. »Wir alle sind nicht nur solche, die sich mit sozialen Problemen beschäftigen, Kenner dieser Dinge sein wollen, sondern vor allem solche, die Bekenner der sozialen und sozialistischen Probleme sind«I03 Die Differenzierung von sozialen und sozialistischen Problemen und die Voranstellung der sozialen Probleme wird kein Zufall sein: Schmidt war kein »Bekenner sozialistischer Probleme«, sondern ein Liberaler, dessen soziale Grundeinstellung ihn mit dem »Kairos-Kreis« verband. Schon in diesem Vortrag deutete sich an, daß »Sozialismus« für ihn keine kon-

99

Vgl. Goeters, J.F.G., Art. Dehn, Günther, T R E 8,1981, 390-392.

100

Dehn, G., Die alte Zeit, die vorigen Jahre, München 1962, 223.

101

Zu diesem Vortrag vgl. Schmidt, Der liberale Staatsgedanke in seiner Abgrenzung gegen Konservativismus und Sozialismus, in: BRS 2, 1921,17-20. A.a.O. 17. Ebd. (Hervorhebung vom Verf.)

101 103

3· Die Berliner Jahre 1916-1921



krete politische Ideologie darstellt, sondern zu einer Chiffre der höchsten Form menschlicher Gemeinschaft, der Kirche wird. »Nennen wir diese Gemeinschaft, wie wir wollen, Kirche, christliche Gemeinde, sozialistische Lebensgemeinschaft.«'04 Schmidt lehnte in dem Vortrag sowohl den sozialistischen Staat als auch den konservativen Staatsgedanken ab, da beide Formen den Machtgedanken vergötzen müssen, um ihre Ideologie durchsetzen zu können, zugleich das Individuum negieren und ihre Gruppe (Staat bzw. Gesellschaft) bevorzugen. Am Ende des Vortrages skizzierte Schmidt sein Verständnis eines Staates, in dem die berechtigten Interessen des Einzelnen als auch die der gesellschaftlichen Gruppen am ehesten verwirklicht werden können.105 »Recht verstandener Sozialismus« war für Schmidt keine religiös verbrämte politische Ideologie, sondern Ausdrucksform kirchlichen Lebens, welche Gott und den Menschen ins Blickfeld nimmt. Der Staat kann allenfalls die Rahmenbedingung abgeben zur Förderung des Einzelnen und zum Aufbau der Gemeinde Gottes. Diese Sicht Schmidts deutete sich schon in seiner Rezension über Max Bürcks 1919 in Berlin erschienenen Abhandlung »Vom Staatskirchentum zur Menschheitsreligion« an, dem Schmidt attestierte, er habe eine »treffliche Schrift« mit einer »Fülle guter Einzelgedanken« verfaßt.106 Hierin begrüßte Schmidt lebhaft die Einschätzung Bürcks vom Versagen der verfaßten evangelischen Kirche, die zu einer »christianisierten Staatsreligion« geworden sei und sich so völlig von den Bedürfnissen und Empfindungen des Volkes entfernt habe; den modernen Anforderungen der Zeit und ihren Antworten, beispielsweise Sozialismus und Pazifismus, stand die Kirche deshalb völlig verständnislos gegenüber. Schmidt differenzierte den Begriff des Sozialismus, indem er einräumte, daß der Sozialismus »von Haus aus von einer gleichsam eschatologischen Spannung getragen« sei, jedoch verschiedene Typen entwickelt habe.107 Es gelte, sich auf die »inneren guten Triebkräfte« des Sozialismus zu konzentrieren, womit sich Schmidt von dem »Heilsmotiv«, das der sozialistischen Geschichtsdeutung eigen ist, abgrenzte und allein auf die sozial berechtigten Anliegen des Sozialismus hinwies. Schmidt faßte den Begriff des »Sozialismus« jedoch nicht politisch auf, sondern umschrieb mit diesem Begriff eher eine Lebenshaltung Einzelner und der Gemeinschaft. Sozialismus und Pazifismus, dem Schmidt ebenfalls unterschiedliche Ausprägungen einräumte und »dessen rechte Art gegenüber verwa-

104 ,os ,o6 107

A.a.O. 20. Vgl. Anlage 4. KZATV 30,1919/1920, 74. Ebd.

3·3· Mitwirkung im »Kairos-Kreis«

31

schenem und eigennützigem Weltbürgertum«108 abgegrenzt werden muß, sollten eine Synthese eingehen und politisch in Deutschland umgesetzt werden. Jeder Christ in Deutschland sei dafür verantwortlich, »ob und wie in welchem Sinne Sozialismus und Pazifismus verwirklicht werden«.109 Mit diesen Worten deutete Schmidt sein Verständnis vom Sozialismus als einer Lebensgemeinschaft jenseits politischer Grenzen an; in einer Lebensgemeinschaft habe auch die »von bedeutenden Theologen der Gegenwart vertretene Scheidung zwischen Individualethik und Staatsethik«110 keinen Sinn. Im Grunde blieb Schmidt politisch stets ein Liberaler. Sein Eintritt in die SPD 1924 war nicht Folge und Ergebnis seiner Teilnahme am »Kairos-Kreis«, auch nicht Begeisterung fur das sozialistische Welt- und Menschenbild, sondern Ergebnis nüchterner politischer Einschätzung und Einsicht in die Verstrickung Deutschlands in der Kriegsschuldfrage. Dabei gab er auch in der SPD seine liberalen Grundüberzeugungen nicht auf; ihm schwebte als ideale politische Partei eine rein profane Sozialdemokratische Partei nach dem Vorbild der englischen Labour-Party vor, in der auch liberale Grundpositionen weiten Raum einnehmen sollten."1 Die Mitarbeit und der Gedankenaustausch mit den Berliner Religiösen Sozialisten blieb eine wichtige Episode im Leben von Schmidt. Sie endete, als er im Sommer 1921 den Ruf nach Gießen annahm und mit seiner Familie Berlin verließ. Mit Tillich blieb Schmidt jedoch freundschaftlich verbunden, wovon auch die rege Mitarbeit Tillichs in den Theologischen Blättern Zeugnis ablegt. Tillich »ist ein so ungemein feiner und gütiger Mensch, den man gern haben und umhegen muß, damit er nicht zerrieben wird«, urteilte Schmidt 1921. 111 So unterschiedlich ihr Denken und theologisches Vorgehen auch gewesen sein mag, neben ihrer persönlichen Zuneigung verband beide ein gemeinsames Ziel: »Tillich und ich haben uns viel über Wissenschaft und Leben unterhalten, beide, Philosophie und Theologie arbeiten am Problem des menschlichen Lebens und Denkens - die Synthese ist unser Hauptanliegen ...«"'

,o8 109

Ebd. Ebd. Ebd.

111

Vgl. das Schreiben an G . Hölscher(?) v. 29.9.1929, Kopie des Exerptes im N L K.L.S., Frenkendorf. In einem Brief an Karl Barth vom 14.11.1926 beschreibt K.L. Schmidt in sehr drastischen Worten sein Verhältnis zur metaphysisch »geladenen« Sozialdemokratie; vgl. Anlage 5.

1,1

Brief an Margot Müller, in: Paul Tillich (s. Anm.98) 152. Brief an Margot Müller aus dem Jahre 1923, in: ebd.

32

3· Die Berliner Jahre 1916-1921 3.4. Die »Kartell-Zeitung«

Neben dem Entschluß einer Universitätslaufbahn fiel in die Berliner Zeit ein weiteres Ereignis, das Schmidts Leben nachhaltig beeinflussen sollte: Er wurde im August 1919 zum Schriftleiter der »Kartell-Zeitung. Organ des Eisenacher Kartells Akademisch-Theologischer Vereine« bestellt. Diese Zeitung war das Informationsblatt einer 1874 gegründeten und zunächst in Heidelberg, Jena, Breslau und Zürich, dann aber an allen wichtigen deutschsprachigen Universitätsstädten vertretenen nichtschlagenden evangelisch-theologischen Burschenschaften, die allerdings auch Nichttheologen aufnahmen. Ziel dieses Verbandes mit erstaunlich breiter Meinungsvielfalt der Mitglieder war, sich mit aktuellen theologischen Problemen wissenschaftlich auseinanderzusetzen und zu einer Meinungsfindung zu kommen; auch politische und fachübergreifende Themen wurden dabei erörtert." 4 Obwohl die einzelnen Kartellvereine von ihrer aktiven Mitgliedschaft her nie sehr groß waren, war ihr Einfluß jedoch nicht unbeträchtlich. Unter den zahlreichen »Alten Herren«, die nahezu alle Pfarrer oder Professoren wurden und deren Zusammengehörigkeitsgefühl untereinander stark ausgeprägt war, finden sich Namen wie Adolf Deißmann, Johannes Weiß, Otto Eißfeldt" 5 , Hermann Gunkel" 6 , Hermann L. Strack, die Bonner Professoren und Privatdozenten Rudolf Knopf, Johannes Meinhold, Gustav Anrieh, aber auch Emil Pfenningsdorf und Johann Wilhelm Schmidt-Japing. Die Kartellvereine standen auch Nichtmitgliedern offen. Z u den Stiftungsfesten fanden sich Universitätslehrer wie Paul Tillich oder Rudolf Bultmann, die nicht Mitglied im Akademisch-Theologischen Verein (AThV) waren, ein, um in diesem Kreis einen Vortrag zu halten oder mit ihren Kollegen über theologische Probleme zu diskutieren. Schmidt, der schon während seines ersten Semesters in Marburg dem Eisenacher-Kartell beigetreten war, wurde mit dieser Berufung zum Schriftleiter der K Z A T V eine Aufgabe übertragen, die zwar höchst zeitaufwendig war, aber zugleich seinem Mitteilungsbedürfnis und seiner stark ausgeprägten Vorliebe zum Organisieren und Redigieren entgegenkam.

114

Die Geschichte des Eisenacher Kartells A T h V beschreibt Arnold Hein in den Nachrichten des Eisenacher Kartells Akad.-Theol. Vereine 3,1924,6-7.22-23.32-40.53-54.7779; vgl. auch zur weiteren Geschichte des 1928 mit dem Leipziger Kartell vereinigten und 1929 in »Schmalkaldener Kartell theologischer Verbindungen an deutschen Hochschulen« umbenannten Verbandes die »Nachrichten des Schmalkaldener Kartells 7 (1), 1929, 1-3.9-12.

"5

Vgl. Galling, K „ Art. Eißfeldt, Otto, R G G ' 2,1958, 40 7 f.; Zobel, H.-J., Art. Eißfeldt, Otto, T R E 9, 1982, 482-486. Vgl. Galling, K., Art. Gunkel, Hermann, R G G ' 2,1958,1908-1909; Wonneberger, R., Art. Gunkel, Hermann, T R E 14, 1985, 297-300.

3·4· Die »Kartell-Zeitung«

33

Entscheidend fur den Entschluß, Schriftleiter der KZATV zu werden, war neben der Freude an dieser Arbeit ein ganz anderer Punkt: Die Kartell-Zeitung sollte nach den Vorstellungen Schmidts ein Forum reger Diskussion der theologischen Disziplinen sein, zugleich aber auch zum interdisziplinären Gespräch einladen - anscheinend vermißte Schmidt ein derartiges Organ in der damaligen deutschsprachigen theologischen Zeitschriftenlandschaft. Wir »müssen miteinander reden, wir müssen debattieren. Wir wollen mehr Kritiken und Repliken haben, wir wollen Aufsätze schreiben und Leitsätze aufstellen, auf die ein anderer oder andere antworten«, beschwor Schmidt seine Bundesbrüder zu Beginn seiner Amtszeit."7 Ihm schwebte eine Zeitung vor, die über den Kreis des Eisenacher-Kartells hinaus von der großen theologischen öfFendichkeit gelesen und beachtet werden sollte, eine Zeitung, die unterschiedlichen theologischen Strömungen Raum geben und diskutieren sollte, die Entwicklungen in Kirche, Politik und Gesellschaft mit wachem Blick registrieren, kommentieren und zu beeinflussen sucht — eben genau das, was er erst mit den Theologischen Blättern verwirklichen konnte. Doch bis zu einer Zeitschrift vom Format der Theologischen Blätter war es fiir Schmidt noch ein langer Weg; er war nämlich noch zu stark an die Satzung des Eisenacher Kartells gebunden. § 39 dieser Satzung sah vor, daß neben wissenschafdichen Aufsätzen und Rezensionen theologischer und zeitgeschichtlicher Literatur, Artikel von allgemeinem studentischen Interesse, allgemeinen Universitätsnachrichten und Personalnachrichten auch Vereinsnachrichten stehen mußten."8 In dieser Spannung zwischen Wissenschaftlichkeit und Vereinsklüngel stand die KZATV seit ihrem Bestehen im Jahr 1880, meist zugunsten der Vereinsnachrichten. Schmidt wird diesen Konflikt, der auch fiir das faktische Ende der Kartell-Zeitung verantwortlich zu machen ist, deutlich gesehen haben, konnte diese Spannung zunächst jedoch noch nicht beheben, da die Kartellstatuten den äußeren Rahmen der Zeitung vorschrieben. Dennoch leistete Schmidt beachtliche Arbeit. Unterstützt durch den als Geschäftsleiter eingesetzten Georg Bertram"9 machte er mit hohem persönlichen Einsatz die Kartell-Zeitung zu einem Verbandsblatt, in dem sich wissenschaftliche Artikel und Rezensionen von neu erschienener Fachliteratur, Nachrichten aus Kirche und Universität mit Berichten und Anzeigen aus der Welt des Eisenacher Kartells abwechselten. Sehr bald zeigte sich aber ein Problem, das Schmidt stark zu schaffen machte und aus der diese Zeitung bestimmenden ungelösten Spannung von wissenschaftlichem Anspruch einerseits, Vereins-

117 1,8

Schmidt, Kartell-Zeitung (s. Anm.j) 1. Ebd. Vgl. Meyer, Α., Art. Bertram, Georg, R G G 1 1 , 1 9 2 7 , 928.

34

3· Die Berliner Jahre 1916-1921

interesse andererseits resultierte: die Bindung einer wissenschaftlichen Zeitung an die berechtigten Interessen eines Vereinsorgans. Dieses Problem jedoch stand Schmidts Vision von einer breit angelegten und diskussionsfreudigen Zeitung, die zugleich pointiert Stellung bezieht, entgegen. Die Provinzialität der Kartellberichte, die rein quantitativ rund ein Drittel des zur Verfügung stehenden Platzes einnahmen, konnte Außenstehende nur langweilen.110 Neben diesen inhaltlichen und stilistischen Beeinträchtigungen barg die Bindung der KZATV an das Eisenacher-Kartell noch eine weitere fatale Konsequenz. Durch die Beschränkung auf das Kartell war die Zahl der Mitarbeiter viel zu klein, um auf Dauer auch für eine breitere Leserschaft interessant zu sein. Die Artikel dieser Zeitung sollten vornehmlich durch Mitglieder des Kartells verfaßt werden, die sich aber als äußerst schreibfaul erwiesen. So mußten häufig Vereinsberichte ausfallen; dann sprangen oft Karl Ludwig Schmidt und Georg Bertram ein, um eine Rezension oder einen Aufsatz zu verfassen. Durch die beiden letzten Jahrgänge der KZATV hindurch zieht sich die Klage Schmidts über mangelndes Interesse der Bundesbrüder am Verfassen wissenschaftlicher Aufsätze und der Vereinsnachrichten.111 Daß es Schmidt trotzdem gelang, die Zahl der Abonnenten in einer für Deutschland wirtschaftlich schweren Zeit innerhalb weniger Monate zu verdoppeln und das Niveau dieses Blattes trotz aller Probleme deutlich zu heben, stärkte Schmidts Stellung als Schriftleiter innerhalb des Kartells - endlich besaß er die Möglichkeiten im Kartell, um die KZATV in seinem Sinne zu verändern. Diese Einflußnahme gelang ihm erstaunlich schnell; Schmidt überwand in kurzer Zeit die starken verbandsinternen Widerstände gegen die Öffnung der bis dahin internen, nicht für die Öffentlichkeit bestimmten KZATV. Das Ergebnis der intensiven Vorgespräche Schmidts: Der 1921 in Eisenach tagende Kartelltag beschloß ohne größere Widerstände der Delegierten die »wissenschafdiche Ausgestaltung der Kartell-Zeitung« und überwies diesen Beschluß an den Ausschuß der Kartell-Zeitung.1" Dieser Ausschuß folgte völlig den Vorstellungen Schmidts: Von 1922 an erfolgte die Umbenennung der KZATV in Theologische Blätter, die von nun an ein allgemein-theologisches Monatsorgan darstellen sollten. Zugleich wurden die für Schmidt unliebsamen Vereinsnachrichten auf eine gesonderte Beilage der Theologischen Blätter reduziert, die nur den Mitgliedern, und nicht der breiten theologischen Öffentlichkeit, zugesandt wurde. Damit hatte sich Schmidt die optimalen redaktionellen und konzeptionellen Voraussetzungen der Zeitung geschaffen, deren Verwirklichung er

110

Vgl. Schmidt, Kartell-Zeitung (s. Anm.j) 2.

111

So beispielsweise K Z A T V 31, 1920/1921, 63.

121

Vgl. das Protokoll dieses Kartelltages in der K Z A T V 31, 1920/1921, ioof.

3-4· Die »Kartell-Zeitung«

35

seit 1919 anvisierte und die neben der formgeschichtlichen Arbeit sein Lebenswerk werden sollte.113 In der vorletzten Ausgabe der KZATV beschrieb Schmidt programmatisch die Aufgabe und Funktion seiner Zeitung und nannte die Begriffe, die für seine Arbeit bestimmend werden sollten: Wissenschaftlichkeit, Unabhängigkeit, Form und Spiegelbild aktueller theologischer Diskussion, von theologischem Allgemeininteresse.124 Unter diesen Stichworten schuf Schmidt eine theologische Fachzeitschrift, deren Niveau und Vielseitigkeit bis zu seinem von der Gestapo erzwungenen Ausschluß von der redaktionellen Verantwortung im Jahre 1937 bis heute unerreicht blieb. Keiner theologischen Richtung verpflichtet, ließ Schmidt in den Theologischen Blättern die verschiedensten theologischen Stimmen zu Wort kommen, wenn sie nur seinen hohen qualitativen Anforderungen entsprachen. Phillip Vielhauer beschrieb drei Eigenschaften Schmidts, die die Theologischen Blätter entscheidend prägten: Sein »Qualitätsempfinden bewahrte sie vor dem Absinken zu einem allgemeinen Parlatorium; seine Aufgeschlossenheit wirkte sich in ihrer Weltoffenheit und ökumenischen Weite aus; sein kritisches Verantwortungsbewußtsein bestimmte ihre klare, kompromißlose Haltung in den entscheidenden Fragen der Zeit.«125 Schmidt gelang es stets, den Theologischen Blättern ihre theologische Unabhängigkeit zu bewahren — sie wurden nie zu einer »Positionszeitschrift« wie etwa die »Christliche Welt« oder »Zwischen den Zeiten«. Schmidt gestaltete die Theologischen Blätter zu einem Spiegelbild der kirchenpolitischen und theologischen Auseinandersetzungen der damaligen Zeit, in denen sich nahezu alle theologischen Größen jener Jahre zu Wort meldeten. Wurde die bis etwa 1930 in den Theologischen Blättern geführte theologische Auseinandersetzung zu einem Ringen zwischen liberaler und dialektischer Theologie, an der sich auf Seiten der dialektischen Theologie besonders Barth und Gogarten, aber auch Bultmann beteiligten, so trat die Auseinandersetzung mit der konservativen und konfessionellen Theologie in den zwanziger Jahren hingegen fest völlig in den Hintergrund. Das Jahr 1930 wurde jedoch zu einem Wendepunkt; bedingt durch das politische Erstarken der Nationalsozialisten und die verstärkte Diskussion völkischer Gedanken in Theologie und Kirche drängte sich den Theologischen Blättern die grundsätzliche Debatte über diese Problemkreis auf. 125

Wesentlichen Anteil an der Umgestaltung der KZATV, die bislang bei dem Berliner Verlag v. Liebheit und Thiesen erschienen waren, in die Theologischen Blätter hatte auch der Verleger Gustav Rost von der C. Hinrichs'schen Buchhandlung aus Leipzig, der bis zu seinem Tod im November 1934 Schmidt ein zuverlässiger Verleger werden sollte; vgl. auch Schmidts Nachruf auf Gustav Rost, in: ThBl 13,1934, 362; Geist, L., »Ein Geschäft recht geistiger Natur«. Zum 200. Jahrestag der Gründung des J.C. Hinrichs'schen Verlages Leipzig, Leipzig 1991, 47.

114

Vgl. Anlage 6. Vielhauer, Schmidt (s. Anm.17) 208.

115

3

6

3· Die Berliner Jahre 1916-1921

»Es ist bezeichnend für das Denken in theologischen Fronten«, wie Vielhauer richtig erkennt, »daß die >Theologischen Blätter« ganz gegensätzlich beurteilt wurden.«"6 Während der Herausgeber des »Protestantenblattes«, Wilhelm Schubring, die Theologischen Blätter als Organ der kulturkritischen Theologie, das Barthianismus, bezeichnete, verstand der Schriftleiter der »Allgemeinen Evangelisch-Lutherischen Kirchenzeitung«, Laible, die Theologischen Blätter als ein »liberales Unternehmen«. Schmidt gestand Schubring einen »furor protestanticus, der seinem an Alter ehrwürdigen und an theologischer Erfahrung jugendlich gebliebenen Blatt angemessen ist«, zu und schlug vor, »daß sich die Herren Schubring und Laible auseinandersetzen, in welcher Weise man den bösen Ketzer verspeist, der »barthianisch - kulturkritisch< und »neuprotestantisch - liberal« in einem ist.«"7 Unbeirrt hielt Schmidt an seinen Prinzipien fest: »Und nun frage ich meine Mitarbeiter und die Leser der Theol. Bl.: wollen wir nicht wie bisher die theologische Aussprache, der unser Organ dient, in ihrer ganzen Breite und möglichst auch in ihrer ganzen Tiefe im Fluß lassen? Können und dürfen wir etwas anderes tun? So einseitig, eintönig und langweilig, wie das Protestantenblatt uns das andemonstrieren möchte, sieht wirklich eine theologische Zeitschrift, die in dem jetzigen Gespräch ihren Platz hat, nicht aus.«128

3.5. Bemühungen um eine Professur So theologisch und politisch anregend die Atmosphäre Berlins fiir Schmidt auch war, die neu geschlossenen Freundschaften ihn menschlich und theologisch bereicherten und ihm die Arbeit als Schriftleiter der KZATV, bzw. der Theologischen Blätter Freude bereitete, war Schmidt gezwungen, Berlin zu verlassen, da er sich in größten Geldschwierigkeiten befand. Schmidt erhielt als Privatdozent nur ein schmales Salär. Im Juli 1919 brachte die Geburt seines ersten Sohnes Martin Anton weitere finanzielle Probleme mit sich. Zwar trug der im WS 1920/1921 erteilte Lehrauftrag für Sprache und Geschichte der Septuaginta-Bibel zu einer leichten Entspannung im Haushaltsetat bei, doch war auch für ihn in einer Zeit, in der durch die wirtschaftlichen Einschränkungen und Belastungen des Versailler Vertrages das deutsche Volk vor einer Zerreißprobe stand, seine wirtschaftliche Lage alles andere als günstig.

116 117

A.a.O. 210. Schmidt, Die Theol. Bl. ein Organ der kulturkritischen Theologie?, ThBl 6, 1927,

283f.

,2i

A.a.O. 284.

3·5· Bemühungen um eine Professur

37

Sehr schnell machte Schmidt die Erfahrung, daß die Zusammensetzung einer Berufungsliste genauer Vorgespräche bedarf. Als er 1920 gemeinsam mit Ernst Lohmeyer 129 und Gerhard Kittel für den Breslauer neutestamendichen Lehrstuhl auf einer Liste stand, erhielt Lohmeyer und nicht Schmidt den Ruf, »weil ich«, so seine Lehre daraus, »in Berufungsangelegenheiten alles an mich herankommmen ließ«, schrieb er im Februar 1921 an Harnack. 130 Dies sei, so fuhrt Schmidt in diesem Brief weiter aus, ein Fehler gewesen; er wende sich deshalb mit der Bitte um Unterstützung an Harnack. Schmidt sei zu Ohren gekommen, daß »Bultmann jetzt den Ruf als Nachfolger Heitmüllers (in Marburg, A.M.) erhalten (hat). Ich überlege mir, wer wohl, wenn Bultmann annimmt, fur Gießen in Betracht kommt. Sehr würde ich mich freuen, wenn Sie gegebenfalls irgendwie für mich eintreten könnten. ... Als ich nun neben Lohmeyer und Gerhard Kittel fur Breslau auch auf der Liste stand, wurde mir ... vom Kultusministerium eröffnet, man habe sich fiir L. (und nicht für mich) auch aus wirtschaftlichen Gründen entschieden. L. sei verheiratet, habe große Schulden machen müssen, habe sich zudem Ϊ Ο Ι mir habilitiert. Daß auch ich verheiratet bin, ein Kind habe, dem bald ein zweites folgen wird, daß auch ich in größter Geldschwierigkeit bin ... war im Kultusministerium nicht bekannt, weil offenbar niemand auf diese Seite meines Seins aufmerksam gemacht hatte.«' 3 ' Leider ist über den weiteren Verlauf dieses Besetzungsverfährens nur noch wenig auszumachen. 131 Deißmann intervenierte im April 1921 zugunsten Schmidts, der - wohl wegen seiner formgeschichtlichen Forschungen und seiner politischen Ansichten — in »hessischen Theologenkreisen als besonders radikal« und als an den Belangen der hessischen Landeskirche völlig uninteressiert galt. Folglich sah man dort einer möglichen Berufung Schmidts sehr

129

130

,3

'

1,2

Vgl. Cullmann,0„ Ernst Lohmeyer, T h Z 7,1951,158fr.; Schmauch, W., Art. Lohmeyer, Ernst, R G G ' 4, i960, 440-441; Haufe, G., Art. Lohmeyer, Ernst, TRE 21,1991, 444447; Hutter, U., Theologie als Wissenschaft: zu Leben und Werk Ernst Lohmeyers (1890-1946), JSKG 69, 1990, 103-126. Schmidt kannte Lohmeyer aus gemeinsamen Berliner Studientagen; er gehörte dort gemeinsam mit Lohmeyer einer Studentengruppe »von besonders geförderten Leuten« an (Schreiben an Karl Barth vom 12.9.1947, Kopie im NL K.L.S., Frenkendorf). Brief an Harnack vom 21.2.1921, Original im NL Harnack-K.L. Schmidt, Bl. 3r/4v, Deutsche Staatsbibliothek Berlin. Ebd. Das Universitätsarchiv in Gießen besitzt leider nur sehr geringe Bestände über Karl Ludwig Schmidt aus dieser Zeit. Glücklicherweise befinden sich in den Restbeständen des durch Martin Anton Schmidt verwalteten Nachlasses von K.L. Schmidt einige wenige Archivalien aus der Gießener Zeit.

38

3· Die Berliner Jahre 1916-1921

skeptisch entgegen.1" Deißmann, von 1895-1897 selbst Pfarrer der Hessischen Landeskirche, bemühte sich in Briefen an Gustav Krüger, diesen Eindruck zu zerstreuen; neben seiner fachlichen Qualität hob Deißmann besonders Schmidts volkskirchliche Verbundenheit hervor: »Karl Ludwig Schmidt rechne ich, bei großer Achtung vor seiner wissenschaftlichen Persönlichkeit, kirchlich durchaus zu den lebendigen und fruchtbaren Menschen und habe die feste Überzeugung, daß er, wie der Gießener Fakultät, so auch der hessischen Kirche ein wertvolles Glied werden würde. Die Liebenswürdigkeit seines Wesens wird ihm zudem den Austausch mit der hessischen Geistlichkeit, den er wohl sofort pflegen würde, wesentlich erleichtern, wie er ja auch durch seine Herkunft aus Frankfurt mit unserer ganzen Luft am Main, Rhein und Lahn von Jugend auf vertraut ist.«134 Es ist davon auszugehen, daß neben Deißmann auch der äußerst einflußreiche Adolfv. Harnack dem liberalen Gießener Kirchengeschichder Gustav Krüger den jungen Schmidt als Nachfolger Bultmanns nahegelegt hat; während der Feier seines 70. Geburstages Anfang Mai 1921 führte Harnack Schmidt mit Krüger zusammen, wahrscheinlich, damit sich Krüger persönlich ein Bild von Schmidt machen konnte. Dieser Begegnung kam für die spätere Berufung entscheidende Bedeutung zu. Das Ernennungsschreiben nimmt ausdrücklich auf dieses Gespräch zwischen Krüger und Schmidt Bezug.'35 Auf dem für die späteren Theologischen Blättern so wichtigen Kartelltag die Nachricht, daß er zum Nachfolger Bultmanns ernannt wurde'3i; am 9. Juni erfolgte die offizielle Bestätigung des Rufes nach Gießen als ordendicher Professor für Neutestamentliche Theologie; der Dienstantritt war für den 1. Oktober 1921 vorgesehen.'37 Damit war der Dreißigjährige am Ziel seiner Wünsche. Endlich war er als ordentlicher Professor einer anerkannten Universität wirtschafidich abgesichert'38, besaß ge-

133

So die Einschätzung Deißmanns in einem Empfehlungsschreiben an Gustav Krüger vom 29.4.1921, Kopie im Sondernachlaß Deißmann, Stadtbibliothek Berlin.

134

Ebd. Die Darstellung Deißmanns ist zumindest geschönt. Schmidts Interesse am Leben seiner Heimatgemeinde war weder in Frankfurt noch in Berlin sonderlich ausgeprägt; erst in der Schweiz sollte Schmidt als Pfarrverweser Zugang zu einem lebendigen kirchlichen Leben finden. Schreiben des Oberregierungsrates Löhlein, Hess. Landesamt fur das Bildungswesen, vom 17. Mai 1921, Original im N L K.L.S., Frenkendorf.

136 137

Vgl. Mutzinger, R., Stimmungsbild vom Kartelltag 1921, K Z A T V 31, 1920/1921, 100. Schreiben des Oberregierungsrates Löhlein, Hess. Landesamt fur das Bildungswesen, vom 9.6.1921, Original im N L K.L.S., Frenkendorf. Dort befindet sich auch die Ernennungsurkunde zum 1. Oktober 1921; Schreiben des Rektors der Landesuniversität Gießen vom 14.11.29, Original in der Personalakte K.L.S., 18, U A Bonn.

138

Nach Angaben des Hessischen Kultusministeriums vom 30.9.1921 stand Schmidt ein jährliches Gehalt von rund 30.000.- R M zu; eine Summe, die seine Berliner Bezüge um mehr als das Doppelte überstieg. (Original im N L K.L.S., Frenkendorf.)

3·5· Bemühungen um eine Professur

39

nügend Freiraum fur eigene theologische Forschungen und hielt mit den Theologischen Blättern das Organ in der Hand, welches nun ganz nach seinen Vorstellungen fur eine breite theologische Öffentlichkeit ausgestaltet werden konnte. Trotzdem wird ihm der Abschied aus Berlin nicht leicht gefallen sein. Mit den meisten seiner Freunde aus dieser Zeit hielt er zeitlebens engen Kontakt, der Berliner Theologischen Fakultät, die ihm im Dezember 1921 die theologische Ehrendoktorwürde verlieh139, blieb er besonders verbunden.

1,9

Personalbogen Schmidt, UA Jena, Bestand D, Nr. 2576.

4. GIESSEN 1921-1925 4.1. Die Fakultät Der Ruf nach Gießen im Juni 1921 als Nachfolger Rudolf Bultmanns erfolgte auf einstimmigen Vorschlag der Fakultät, die sich damals aus Rudolf Bultmann, Schmidts späterem Bonner Kollegen Gustav Hölscher I4°, Gustav Krüger, seinem Bundesbruder Emil Walter Mayer und Martin Schian zusammensetzte. Neben Bultmann verließ Hölscher die Fakultät, so daß nicht nur Karl Ludwig Schmidt, sondern fur das Alte Testament auch Hans Schmidt berufen wurde.141 Die Gießener Theologische Fakultät genoß seit den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts unter den Theologen einen guten Ruf. Stark von der Theologie Albrecht Ritschis beeinflußt, zeichnete sich die Gießener Fakultät durch eine hohe publizistische Produktivität aus, wovon die in Gießen gegründeten bzw. geleiteten Zeitschriften wie die »Zeitschrift für Alttestamentliche Wissenschaft«, die »Zeitschrift für Neutestamentliche Wissenschaft«, die »Zeitschrift fur Theologie und Kirche« oder die »Theologische Literaturzeitung« noch heute Zeugnis ablegen. Gießen bot Schmidt somit ein gutes literarisches Umfeld für die Redaktion der Theologischen Blätter. Das hohe Ansehen, daß die Gießener Theologische Fakultät besaß, verdankte sie nicht allein den zahlreichen theologischen Fachzeitschriften, sondern insbesondere den religionsgeschichtlichen Arbeiten des Alttestamentlers Hermann Gunkel, der von 1907 bis 1920 in Gießen lehrte, und denen des früh verstorbenen Neutestamentiers Wilhelm Bousset.142 Beide Forscher lieferten auch der sog. »Formgeschichtlichen Methode« die wichtige Grundeinsicht, die zu der Voraussetzung dieser Metho-

140 141

141

Vgl. Plöger, O., Art. Hölscher, Gustav, RGG 5 3,1959, 411. Vgl. auch das Schreiben vom 31.5.1933 in der Personalakte K.L.S., Dekanatsarchiv der Ev.-Theol.-Fak. der Universität Bonn. Aus der Gießener Zeit sind neben dem gedruckt vorliegenden Material eigenartigerweise fast keine Quellen mehr vorhanden. Im Universitätsarchiv Gießen befinden sich von Schmidt mit einer Ausnahme (das Manuskript des ZNW-Artikels von 192z) keinerlei Archivalien; Briefe aus dieser Zeit liegen nur in sehr spärlicher Anzahl vor. Vgl. Verheule, A.F., Wilhelm Bousset, Amsterdam 1973; Kamiah, W., Art. Bousset, Wilhelm, RGG 3 i, 1957, 1373-1374; Schmidt, J.M., Art. Bousset, Wilhelm, T R E 7, 1981, 97-101.

4-2. Schmidt in Gießen

41

de werden sollte: Die »Erkenntnis, daß einer bestimmten literarischen Form ein bestimmter Inhalt entspricht und beiden ein bestimmter, festumrissener soziologischer Ort, was Gunkel >Sitz im Leben< nennt, zugehört.«143 Schmidt trat als Nachfolger Bultmanns, des Mitbegründers der »Formgeschichtlichen Methode«144, in eine Fakultät ein, die für ihn in mehrfacher Hinsicht ein günstiges Arbeiten versprach: Theologisch liberal geprägt, standen hier formgeschichtliche Exegese und Religionsgeschichte im Mittelpunkt, ohne daß jedoch andere theologische Disziplinen vernachlässigt wurden.145 Und - fur Schmidt mit seinen publizistischen Neigungen wesentlich — die redaktionelle Arbeit theologischer Zeitschriften hatte in Gießen eine große Tradition.

4.2. Schmidt in Gießen Die Gießener Semester sind für Schmidt eine gute Zeit gewesen. Theologisch ließ es sich fiir Schmidt an der Gießener Fakultät, deren Dekan er 1924 wurde, gut arbeiten. Die Familie erhielt Zuwachs, 1921 wurde die Tochter Dorothea, 1923 der Sohn Andreas geboren. Schmidts Haus stand den Studenten und seinen Bundesbrüdern offen, oft erhielt er Besuch von Kollegen, insbesondere von Paul Tillich, der ihn häufig in Gießen aufsuchte.146 Mit großem Eifer machte er sich an die Redaktion der Theologischen Blätter und arbeitete auf neutestamentlichem Gebiet seine in Berlin herausgearbeiteten formgeschichtlichen Ansätze

Klatt, W., Die »Religionsgeschichtliche Schule in Gießen«, in: Theologie im Kontext der Geschichte der Alma Mater Ludoviciana, hg. v. B. Jendorff u.a., Gießen 1983,124; vgl. insg. m-137. Schmidt war der wissenschaftlichen Leistung Gunkels dankbar verbunden und fühlte sich als ein Schüler dieses berühmten Alttestamentlers. So erschien sein wichtiger Aufsatz »Die Stellung der Evangelien in der allgemeinen Literaturgeschichte« in der 1923 von Hans Schmidt herausgegebenen Gunkel-Festschrift, die Gunkel »von seinen Schülern und Freunden und in ihrem Namen« zugeeignet wurde. Zu Gunkels religionsgeschichtlichem Ansatz siehe auch Klatt, W., Hermann Gunkel, FRLANT ioo, 1969. Bultmann lehrte als direkter Nachfolger Boussets nur von 1920 bis 1921 in Gießen. Zur Universität Gießen vgl. Gundel, H.G., Art. Gießen. Universität, TRE 13, 1984, 261-266. Schmidt verband mit Paul Tillich eine enge Freundschaft, wovon auch die zahlreichen Veröffendichungen Tillichs in den Theologischen Blättern insbesondere der ersten drei Jahrgänge Zeugnis ablegen. Daß Tillich zu Beginn des Sommersemesters 1924 außerordentlicher Professor für Systematische Theologie in Marburg werden konnte, verdankt er Schmidt, der dort fiir den alten Freund seinen Einfluß geltend machte. Vgl. auch Paul Tillich (s. Anm. 98) 152.

42·

4· Gießen 1921-1925

weiter aus.147 Neben der Evangelienforschung, die fur Schmidt im Wesentlichen durch die forschungsgeschichdiche Problemstellung und die Frage nach einer neutestamentlichen Theologie bestimmt war, rückte in Gießen nun auch, bedingt durch sein Interesse an der neutestamentlichen Theologie, die Paulusforschung verstärkt in den Mittelpunkt, worauf nicht nur Schmidts Vortrag vor der theologischen Konferenz zu Gießen »Die Stellung des Apostels Paulus im Urchristentum«*48 aus dem Jahr 1924, sondern auch sein Artikel »Eschatologie und Mystik im Urchristentum« in der Z N W 4 9 hinweisen. Die Vorlesungsverzeichnisse der Gießener Jahre belegen diese fur Schmidt grundlegenden Problemkreise. Mit Recht läßt sich eine gewisse Einseitigkeit konstatieren, mit der er theologische Fragestellungen aufgreift. Schon in Gießen sind - beinahe - alle Themen genannt, die Schmidts theologisches Lebenswerk charakterisieren; lediglich die Beschäftigung mit den johanneischen Schriften rückte im Verlauf der Jahre zugunsten der Auseinandersetzung um die theologische Deutung des Judentums in den Hintergrund. Biblische Theologie, das Problem der Kirche im Urchristentum, die Darstelllung paulinischer Theologie, insbesondere anhand des Römer-, Galater- und der Korintherbriefe, formgeschichtliche Fragestellungen: Gießen markiert wesendiche Eckpunkte im theologischen Schaffen Karl Ludwig Schmidts.150 Diese frühzeitige Festlegung auf die Themen, die Schmidts wissenschaftliche Arbeit bestimmen sollten, ist jedoch literarisch kaum greifbar. Neben dem formgeschichtlichen Aufsatz fur die Gunkel-Festschrift, dem Umfang nach eine kleine Monographie, sind keine weiteren größeren Arbeiten in Gießen entstanden: Die Arbeit an den Theologischen Blättern ließ Schmidt zu ausgedehnter literarischer Arbeit keinen Raum. Den Theologischen Blättern widmete er zu dieser Zeit den Großteil seiner Arbeitskraft; hier lag der Schwerpunkt seiner Arbeit in Gießen. Während der formgeschichtliche Beitrag eine Fortfuhrung der Berliner Forschungen war und neue Arbeitsschwerpunkte erst allmählich in Seminaren und Vorlesungen ausgestaltet wurden, schuf Schmidt in diesen Jahren eine theologische Zeitschrift von höchstem Rang. Wieviel Zeit und Kraft ihn das Führen endloser Korrespondenzen, die er alleine zu bewältigen hatte, das Korrigieren und Redigieren kostete, läßt sich allenfalls erahnen. Die Theologischen Blätter, deren inhaldiche Gestalt Schmidt grundlegend in Gießen fest-

147

148

Die Stellung der Evangelien in der allgemeinen Literaturgeschichte, in: EUCHARIFTERION, FS Hermann Gunkel, 1923, 50-134. Abgedruckt bei Schmidt, K.L., Neues Testament, Judentum, Kirche, TB 69,1981,131-

147· •49 Z N W 21, 1922, 277-291. 150 Zu den einzelnen Lehrveranstaltungen Schmidts vgl. die Vorlesungsverzeichnisse der Hessischen Ludwigs-Universität zu Gießen, Gießen 1921-1925.

4-2. Schmidt in Gießen

43

schrieb, wurden nicht nur innerhalb kürzester Zeit zu einer der führenden theologischen Zeitschriften in Deutschland151, sondern zugleich wurden für Schmidt zu einem, wenn nicht sogar dem wichtigsten Bestandteil seines Lebenswerkes.1'1 Diese Zeitschrift erhielt jedoch nicht nur Lob, sondern wurde auch zu einem Quell ständigen Ärgers und Streites. Schmidts direkte und keine persönlichen Rücksichten nehmende Art und Weise, Fragen aufzuwerfen und Probleme zu benennen, schuf ihm in vielen Theologenkreisen nicht nur Freunde, sondern auch zahlreiche Gegner. »Es soll nicht verschwiegen werden, daß er an der Polemik als solcher Freude hatte. Er war eine Kampfesnatur«, bilanzierte Oscar Cullmann in seiner Ansprache anläßlich Schmidts Beerdigung am 13. Januar 1956153 - ein Diktum Cullmanns, welches nicht gerade falsch, aber doch zumindest mißverständlich ist. Schmidt intendierte, wenn er sich in die Kämpfe stürzte, niemals die Polemik um ihrer selbst willen, sondern stets die zu vertretende Sache. »Aber es gab ihm schon eine gewisse Befriedigung«, so sein Sohn Martin Anton Schmidt, »wenn er diese Sache kämpferisch, konkret vertreten konnte, wenn er bestimmte Personen, wie etwa Althaus, zur Auseinandersetzung stellen, ihnen keine Ausflüchte und Verwedelungen gestatten, sie mit der Falschheit ihrer Position, ihrem persönlichen Anteil an der großen Lüge konkret - und das heißt: persönlich - konfrontieren konnte. Aber er kämpfte nicht gegen ihm unsympathische Personen als Personen, sondern er kämpfte gegen Vertreter — die ihm als Personen mehr oder weniger sympathisch, mitunter auch gar nicht so unsympathisch waren - als Vertreter, Advokaten, mitunter auch, was ihn besonders reizte, als Verharmloser einer ganz und gar unsympathischen Sache.«154 Den Maßstab und Anknüpfungspunkt seiner oftmals schonungslos vorgetragenen Kritik bildete also stets ein sachliches Problem, das Schmidt erkannt hatte und dessen Lösung er anstrebte. Diese kritischen Stellungnahmen stets als einen Ruf zur Sache verstehend, vertrat er seine oft harten Worte unabhängig von Amt, Ansehen und Stellung der Personen, an die seine Sachkritik gerichtet war. Dabei wurde nur zu oft von den Adressaten die Sachebene mit einer persönlichen Ebene vertauscht; die sachlich Kritisierten

151

So stieg allein in dem wirtschaftlich äußerst schwierigen Jahr 1922 die Zahl der Abonnenten von 1.000 auf 1.800 (Nachrichten des Eisenacher Kartells Akad.-Theol. Vereine 32,1922, 75).

151

Der wachsenden theologischen und publizistischen Bedeutung Schmidts trug auch die Bonner Theologische Fakultät Rechnung, als sie 1923 Schmidt nach Dibelius und Mayer auf Platz zwei der Berufungsliste fur die Nachfolge Heitmüllers setzte (vgl. Bizer, E., Zur Geschichte der Evangelisch-Theologischen Fakultät von 1919 bis 1945, in: Bonner Gelehrte. Beiträge zur Geschichte der Wissenschaften in Bonn. Evangelische Theologie, Bonn 1968, 227-275: 238). T h Z 12,1956,1-9: 6. BriefM.A. Schmidts an Pfr. Reinel vom 11.10.1989, Kopie im Besitz von M.A. Schmidt.

'H

44

4· Gießen 1921-192$

fühlten sich häufig persönlich angegriffen und gerieten dann regelmäßig in heftigen Streit mit Schmidt. Unstimmigkeiten zwischen allen Beteiligten, die sich kaum mehr aus der Welt schaffen ließen, waren die Folge. Ein Beispiel: 1921 erschien in der »Christlichen Welt« eine Rezension Schmidts, die er noch als Berliner Privatdozent verfaßt hatte, über Eduard Meyers »Ursprung und Anfänge des Christentums« 155 - ein totaler Verriß dieses Buches des berühmten Berliner Althistorikers. Schmidt fuhr in seiner Rezension Meyer gegenüber schwere Geschütze auf: Er warf dem Althistoriker ein bewußtes Ignorieren neuester Ergebnisse der neutestamentlichen Forschung vor und hielt eine willkürliche Auswahl der Literatur vor. Theologische Voreingenommenheit präge das Buch Meyers. Schmidt Schloß die Besprechung resümierend mit den Worten: »Zum Schluß noch ein persönliches Wort! Gerade als einer der jüngsten Vertreter des neutestamendichen Faches, den die Evangelien ins Ersatzbataillion, ins Feld, ins Lazarett begleitet haben, habe ich mit meiner Kritik nicht milder sein können. Durch ein Buch wie das besprochene kommt die Kritik in Not, wenn sie unwahrhaftig ist. Meyers Buch haftet das Zufällige an; es fließt nicht im Strome der strengen Wissenschaft; es ist auch kein Outsiderbuch, das uns auf dem Wege der Intuition neue Erkenntnisse bringt: es ist ein Gelehrtenbuch, wie solche jahraus jahrein geschrieben werden. Daß es sich hier nicht um den Protest des Theologen gegen den Nichttheologen, des Fachmenschen gegen den Outsider handelt, wird nach alledem rein selbstverständlich sein. Es handelt sich nur um den Protest der Wissenschaft gegen den unwissertschaftlichen Geist eines gtfeierten Wissenschaftlers.,«"6 Durch solche harten Urteile schuf sich Schmidt nicht nur den Ruf eines gefiirchteten Rezensenten 157 , sondern auch eine Vielzahl von Gegnern, die über Schmidts Stil verärgert waren und sich nur zu oft persönlich angegriffen fuhl-

1. Band: Die Evangelien, Stuttgart/Berlin '"'1921. Die Rezension Schmidts »Eduard Meyer und die Evangelienforschung« ist abgedruckt in der C W 35,1921,114-120. A.a.O. 120. Meyer stellte 1923 in einem Brief an Hans Lietzmann über diese Rezension lakonisch fest: »Nur das möchte ich noch hinzufügen, daß mich Urteile wie die von Schmidt (der mir, damals noch hier [d.i. Berlin, A.M.] Privatdozent, einen höchst naiven Brief ex cathedra über Band I geschrieben hat), in keiner Weise aufregen, sondern nur belustigt haben« (Brief vom 3.12.1922, abgedruckt in: Lietzmann, Glanz und Niedergang der deutschen Universität [s. Anm.77] 480). Vgl. nur das ironische Diktum Holls über seinen ehemaligen Schüler: »Daß solcher wichtigtuerischer Quatsch jetzt geschrieben wird und in Ermangelung von Besserem gedruckt werden muß! Da warte ich lieber, bis auch der große Karl Ludwig in Gießen sein Votum gegeben hat« (Brief an Lietzmann vom 2.4.1923, a.a.O. 487).

4·ΐ. Schmidt in Gießen

45

ten. Deren Groll traf Schmidt jedoch nur selten im direkten Anschluß an die VeröfFendichung seiner Rezensionen, sondern staute sich auf, bis dieser dann an einem unerwarteten und fur Schmidt nicht kalkulierbaren Zeitpunkt um so heftiger hervorbrach. So sah sich Schmidt 1923 überraschend mit den persönlichen Vorwürfen des Patristikers Hans Lietzmann158 konfrontiert, der sich in einem 1923 in der »Historischen Zeitschrift« erschienenen Aufsatz genötigt sah, Eduard Meyer nachträglich zu verteidigen.'59 Für Lietzmann stand fest: »Anfanger in der neutestamentlichen Wissenschaft haben sogar geglaubt, sich ihre ersten Sporen dadurch zu vergolden, daß sie M. gegenüber einen Ton anschlugen, dessen sich eine wissenschaftlich gereifte Persönlichkeit schämen würde.«160 Schmidt antwortete postwendend. Er war aber in seiner Antwort sehr darauf bedacht, der Diskussion die persönliche Schärfe zu nehmen, indem er Lietzmann einen rein privaten Brief schickte und nicht die Auseinandersetzung coram publico suchte;101 theologische Rede und Widerrede war nach fester Überzeugung Schmidts fiir die Weiterentwicklung theologischer Wissenschaft viel zu wichtig, als daß der Dialog durch persönliche Angriffe belastet werden dürfte. In einem zweiten Brief an Lietzmann - Lietzmanns Antwort ist verlorengegangen — wies Schmidt ausdrücklich auf diesen Punkt hin: »So bereit ich auch bin, meinen Ton preiszugeben, so sehr beschäftigen mich auch jetzt noch diese symptomatischen Vorgänge. Vielleicht bietet sich einmal die Gelegenheit, daß ich Ihnen mündlich berichte.... Wenn Sie mit unter dem Eindruck meiner Ihnen abwegig erscheinenden Kritik jetzt milder geurteilt haben, so nehme ich das hin, indem ich an meinem Teil die sachliche Aussprache ohne persönliche Schärfe weiterzuführen suche.«'62 »So sehr beschäftigen mich auch jetzt noch diese symptomatischen Vorgänge« - als ahne er schon im Jahre 1923 das Unheil voraus, welches ihn zehn Jahre später ereilen sollte. Harter, doch stets sachlicher Kritik eines Fachkollegen wurde schon damals mit emotionaler und heftiger Polemik begegnet, das Gespräch untereinander abgebrochen, die Stimmung in der Fachwelt gegen den Kritiker aufgeputscht und dabei auch die persönliche und berufliche Schädigung des Rezensenten in Kauf genommen. Es ist deutlich, wie sehr sich schon

158

S. auch Eltester, W., Art. Hans Lietzmann, R G G ' 4,1960, 375-376. Ausfuhrlich auch die Darstellung Lietzmanns durch K. Aland in Lietzmann, Glanz und Niedergang der deutschen Universität (s. Anm.77) iff.

159

Rez. Eduard Meyer, Ursprünge und Anfänge des Christentums, H Z 129,1923,98-104.

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°

A.a.O. 99.

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Vgl. Anlage 7. Brief vom 24.1.1923, in: Lietzmann, Glanz und Niedergang der deutschen Universität (s. Anm.77) 462.

161

46

4· Gießen 1921-192$

Anfang der zwanziger Jahre Schmidts Forderung nach einer offen geführten wissenschaftlichen Rede und Widerrede, die er auch niemals aufgegeben hat, dem tatsächlich geführten wissenschaftlichen Gedankenaustausch gegenüberstanden. Auch wenn diese Streitigkeit zwischen Lietzmann und Schmidt vorläufig beigelegt wurde, blieben doch in sehr vielen Fällen die Beziehungen gespannt, so gespannt, daß es jederzeit wieder - im Falle Lietzmanns im Jahre 1927 - zu neuen heftigen und persönlichen Ausbrüchen kam. So verbindlich und freundlich Schmidt im Umgang mit Menschen war, wurde das persönliche Verhältnis zu seinen Fachkollegen durch seine harte Kritik häufig nachhaltig gestört. Nicht nur durch seine Rezensionen und seine Tätigkeit als Schriftleiter der Theologischen Blätter geriet Schmidt ins Kreuzfeuer der Kritik, sondern auch durch seine ausgeprägte Neigung zur Fakultätspolitik. Schon in Gießen entfaltete Schmidt betriebsame Aktivitäten, wenn es darum ging, ausgeschriebene Stellen mit von ihm favorisierten Kandidaten zu besetzen. Nützlich waren ihm dabei nicht nur die zahlreichen Kontakte, die die Arbeit an den Theologischen Blättern mit sich brachte, sondern auch die Verbindungen zu seinen Bundesbrüdern im »Akademisch-Theologischen-Verein«. Entscheidend fur seinen wachsenden Einfluß in Stellenbesetzungsfragen, der in Bonn seinen Höhepunkt erreichen sollte, waren sein unermüdlicher Fleiß im Schreiben zahlloser Briefe, hohe Fachkompetenz, Menschenkenntnis und ein einnehmendes Wesen, das sich im persönlichen Gespräch entfaltete. Schmidt rückte so im Lauf der Jahre immer mehr in den Mittelpunkt bei der Besetzung von Ordinariaten und trat an diesem Punkt das Erbe Harnacks an. Schmidts Einfluß erstreckte sich über das gesamte damalige Deutsche Reich, er brachte Kandidaten ins Gespräch, gab oft den Ausschlag fur eine Berufung und war häufig Ursache von Ablehnungen. Ein gefährliches Spiel für ihn, der sich spätestens in Bonn einer immer dichter werdenden Front von Kollegen gegenübersah, die sich durch diese für Außenstehende völlig undurchsichtigen Aktivitäten Schmidts abgeschreckt fühlten. Von den zahlreichen Bemühungen Schmidts bei den anstehenden Stellenneubesetzungen der Gießener Zeit ist die Diskussion um die Nachfolge des Gießener Systematikers Emil Walter Mayer besonders interessant. Zum Ende des Wintersemesters 1923/1924 stand die Emeritierung Mayers an; Schmidt bemühte sich umgehend um einen fähigen Nachfolger. Geeignet waren seiner Ansicht nach nicht nur Paul Tillich, sondern auch Friedrich Gogarten und Albert Schweitzer'6', den Schmidt menschlich wie theologisch außerordentlich schätzte. Seit Beginn der zwanziger Jahre bekannt, führten Schweitzer und Schmidt miteinander einen regen Schriftwechsel über vornehmlich theologi-

Zu Schweitzer vgl. auch Schweitzer, Α., Aus meinem Leben und Denken, Frankfurt/ M. 1952; Gräßer, E., Albert Schweitzer als Theologe, BHTh 60,1979.

4-2. Schmidt in Gießen

47

sehe Fragen 164 und besuchten sich bis in die vierziger Jahre hinein regelmäßig. Ein Ergebnis dieser Bekanntschaft ist im Jahre 1923 die Mitarbeit Schweitzers an den Theologischen Blättern.l6f Eindringliche Worte richtete Schmidt an Deißmann: »Es ist außerordentlich wichtig, daß Du nicht nur ein gutes Wort über Tillich gesagt, sondern auch auf Schweitzer und Gogarten hingewiesen hast, d.h. gerade auch auf die beiden, die ich ohnehin schon in erster Linie in Betracht gezogen hatte. Leider, leider hat Schweitzer, mit dem ich seit längerer Zeit korrespondiere, endgültige Vorbereitungen für seine Ausreise nach Afrika fur den Januar 1924 getroffen. Am letzten Sonntag bin ich übrigens zus. mit Frick u. Laqueur (dzt. Rektor) im Hause von EW Mayer mit Schweitzer zusammengetroffen. Er war, aus London u. Holland kommend, von Frankfurt a/M aus zu kürzerem Besuch nach Gießen gekommen. Und wir hatten eine reiche Stunde mit einander. Abgesehen von dem festen Ausreiseplan Schweitzers ist inzwischen auch eine andere Schwierigkeit aufgetaucht. Die hessische Regierung will die bereits beschlossenen Emeritierungen nicht durchführen, so daß EW Mayer vorläufig bleibt ...« 66 So kam es auch: Mayer blieb in seinem Amt, Schweitzer trat am 21. Februar seine zweite Ausreise nach Afrika an. Interessant ist diese Besetzungsfrage doch in drei Punkten: Sie verdeutlicht nicht nur Schmidts fakultätspolitische Bemühungen der Gießener Zeit, sondern markiert schon sehr früh das Bemühen Schmidts um ein Ordinariat fur Friedrich Gogarten. Wesentlich ist aber dies: Die Bemühungen um die Mayer-Nachfolge sind schwache Erinnerung an ei-

164

Ein Indiz dafür ist der Brief Schmidts an Deißmann vom 28.10.1923. Hierin heißt es u.a.: »Lieber Deißmann, als ich Deinen Brief vom 5.10. erhielt, hatte ich gerade Vandenhoeck & Ruprecht gebeten, Dir meine Arbeit über >Die Stellung der Evangelien in der allgemeinen Literaturgeschichte« an Deine Berliner Adresse zu schicken. Inzwischen habe ich einige sehr freundliche Beurteilungen erfahren, u.a. von Reitzenstein und Albert Schweitzer ... » (Original im Sondernachlaß Deißmann, Mappe 174, Stadtbibliothek Berlin. Auf diesen Fund hat mich Prof. Günter Wirth, Berlin, aufmerksam gemacht).

165

166

Schweitzer verfaßte fur die Theologiseben Blätter den Aufsatz »Ein missionsgeschichtliches Buch von einem Missionar gelesen«, ThBl 2, 1923, 219-223. Der Inhalt der Gespräche ist nicht bekannt, auch die Korrespondenz zwischen Schweitzer und Schmidt ist lt. Schreiben des Albert-Schweitzer-Archivs in Günsbach vom 9.11.1991 verlorengegangen. Brief an Deißmann vom 22./23.12.1923, Original im Sondernachlaß Deißmann, Stadtbibliothek Berlin.

48

4· Gießen 1921-1925

nen intensiven und lang anhaltenden gedanklichen Austausch zwischen Albert Schweitzer und Karl Ludwig Schmidt, dessen Inhalte verlorengegangen sind.

4.3. Erste Annäherung an die »dialektische Theologie« In die Gießener Zeit fiel ein weiteres, für Schmidt theologisch und menschlich wichtiges Ereignis: die Annäherung an die »dialektische Theologie« und die beginnende Freundschaft mit Karl Barth. Schon im Mai 1921 findet sich eine freundliche Kommentierung von Barths'67 erstem Römerbrief, die auf eine Verteidigung Barths und der »neuen« Theologie hinausläuft.'68 Schmidt kam in diesem Aufsatz zu dem Schluß, daß die theologischen Erneuerer - im Gegensatz zu Harnack - nach dem Weltkrieg nicht Marcion, sondern Paulus als Fundament ihrer Theologie ansahen und schloß seine Betrachtung mit dem Wunsch: »Mögen uns kräftige Pauliner erstehen!«.'69 Seine erste persönliche Begegnung mit Karl Barth hatte Schmidt im September 1922 auf einer Pfarrerkonferenz in Wiesbaden, wo Barth über »Das Problem der Ethik in der Gegenwart« sprach. »Darin ging Barth davon aus, >daß das Problem der Ethik in der Gegenwart Beunruhigung, Bedrängnis, Angriff ist, das unheimliche, störende Eintreten eines fremden steinernen Gastes in die heiteren Zirkel unseres LebensOhne Chiliasmus, und wenn es nur ein Quentchen wäre, keine Ethik.am liebsten mit einer kleinen Unechtheitserklärung operieren möchten Ich glaube nun nicht, daß mit einem solchen in der Hitze des Gefechts gemachten Zugeständnis die Frage in meinem Sinne beantwortet ist. Aber so viel ist sicher: die Frage bleibt und ist noch nicht beantwortet. Bedeutsam ist, daß wie hier im Ethischen so auch im Dogmatischen dieselbe Frage der Verinhaldichung auftaucht. Barth und Gogarten sind christozentrisch eingestellt. Für den, der diese ihre Haltung fur etwas Wesendiches und nicht fur etwas Appendixmäßiges hält, entsteht dann die Frage, warum beide im Gegensatz zu Paulus und Luther ihre >Christologie< nicht verinhaldichen, sondern bei dem Hinweis stehen bleiben. Die Antwort, daß sie nicht anders können, ist ernst, läßt aber doch die ganze schwere Frage offen. Ist hier der Mensch, der uns als der Verzweifelte und doch von Gott in Gnaden Angenommene gezeigt wird, wirklich der, von dem Paulus sagt, daß Gottes Kraft im Schwachen mächtig sei, oder ist er nur - Skeptiker?«'73 Die Frage der »Verinhaltlichung« der Ethik und Dogmatik, und damit die Frage nach dem Wert historisch-kritischer Forschungsergebnisse fur den Inhalt und die Verkündigung christlicher Lehre stellte sich schon bei der ersten Begeg-

171

Weitaus offener und auch ehrlicher als in dem Brief an Bultmann äußert sich Barth in einem Rundbrief an seine Freunde: »Gut war auch Bultmann, der sich offen auf unsere Seite stellte (in Wiesbaden auch Dibelius und K.L. Schmidt, eine merk- und vielleicht etwas fragwürdige Hilfstruppe, die da zu uns stößt!)« (Brief vom 7.10.1922, Karl Barth Gesamtausgabe V. Briefe, Karl Barth - Eduard Thurneysen. Briefwechsel 2 [19211930], Zürich 1974,105).

175

ThBl 2, 1923,10.



4· Gießen 1921-1925

nung der beiden späteren Freunde. Auf der einen Seite Barth, der radikal die Betonung auf den »gepredigten Christus« setzte, auf der anderen Schmidt, der die Bedeutung historisch-kritischer Exegese hervorhob, indem er den Christus des Glaubens stets mit dem Jesus der Geschichte zusammensah. Diese Frage sollte zu einer fruchtbaren, lebenslangen Kontroverse fuhren, die zwar nie ausgeräumt werden konnte, doch beiden Beteiligten stets neue Anregungen gab. Nach dieser Begegnung verloren sich Barth und Schmidt etwas aus den Augen; zwar veröffentlichte Barth gelegentlich einen Aufsatz in den Theologischen Blättern174, doch zu einer intensiven Zusamenarbeit und zu reger theologischer Diskussion sollte es erst Ende der zwanziger Jahre in Bonn kommen.

4.4. Eintritt in den »Republikanischen Lehrerbund« und die SPD Karl Ludwig Schmidt, ein Liberaler, der erst 1920 die DDP aufgrund ihrer Sprachlosigkeit angesichts brennender sozialer Probleme verlassen hatte, fühlte sich auch in Glessen durch die Not des Volkes politisch gefordert. Die politischen Belastungen fur die junge Demokratie forderten Schmidt deshalb zu offener politischer Stellungnahme heraus. So trat Schmidt in Gießen zunächst einem Zusammenschluß von Universitätsprofessoren und Lehrern, dem »Republikanischen Lehrerbund« bei, die loyal zur Demokratie und fest zur Weimarer Reichsverfässung standen. Martin Anton Schmidt schreibt über seinen Vater: »Er hatte eine positive (wenn auch nicht unkritische), loyale Einstellung zur Weimarer Republik. Diese war für ihn die Obrigkeit von Römer 13, nicht das vergangene Kaiserreich. Was ihn bei vielen >national< gesinnten Kollegen so irritierte, war, daß sie Römer 13 positiv

174

Besonders hervorzuheben ist, daß es Schmidt 1923 gelang, die sich sträubenden Barth und Tillich in den Theologischen Blättern zu Rede und Widerrede über den »Begriff des Paradoxes« zu bewegen — ein »Spektakel«, wie Barth seinem Freund Thurneysen gegenüber versicherte (Brief Barths an Thurneysen, Barth - Thurneysen, Briefwechsel [s. Anm.172] 209f.). Vgl. insg. Tillich, P., Kritisches und positives Paradox, ThBl 2, 1923,263-269; Barth, K., Von der Paradoxie des »positiven Paradoxes«. Antworten und Fragen an Paul Tillich, a.a.O. 296-299; Tillich, P., Antwort an Karl Barth, a.a.O. 296299 sowie Gogarten, F., Zur Geisteslage des Theologen, ThBl 3,1924, 6-8). Diese offen ausgetragene Diskussion macht nicht nur den Einfluß Schmidts und seiner Theologischen Blätter schon in diesen Jahren deutlich, sondern verrät auch Schmidts Willen zum theologischen Austausch, ohne den ein gemeinsames Bemühen um theologische Grundeinsichten nicht denkbar ist. Zugleich zeigt Schmidts Nachwort zu dieser Diskussion (vgl. ThBl 2,1923, 299) eine Öffnung zur Theologie Karl Barths an, die ihm dadurch möglich wurde, daß er bei Barth die Fragestellungen der historisch-kritischen Methode berücksichtigt sah.

4·4· Eintritt in den »Republikanischen Lehrerbund« und die S P D

51

auf eine Obrigkeit anwandten, die seit 1918 nicht mehr existierte und sich zur existierenden Obrigkeit illoyal verhielten.«175 Auch wenn Zeitpunkt und konkreter Anlaß des Beitrittes von Schmidt zum »Republikanischen Lehrerbund« nicht mehr feststellbar ist, verrät ein mit von Schmidt unterzeichneter und am 11. Februar 1922 im »Giessener Anzeiger« veröffentlichter A u f r u f 7 6 deutlich seine politischen Beweggründe: Neben der absoluten Loyalität zur demokratisch-republikanischen Staatsform und der Entschlossenheit, die Weimarer Republik zu verteidigen, war es das Parteischranken übergreifende Bekenntnis zur »sozial gerichteten Republik«, zur Verpflichtung, die Jugend »zu sozialem Fühlen und Handeln... und zu demokratischer Achtung vor der freien Persönlichkeit und ihren Rechten« zu erziehen, die Schmidt anzog. Schmidt blieb seiner politischen Grundüberzeugung treu; das urliberale Credo von der einzigartigen Würde des Individuums Schloß fur Schmidt zugleich das Bekenntnis zur sozialen Einbindung dieses Individuums ein, wodurch die Forderung eines sozialen Bewußtseins und gesellschaftlichen Engagements impliziert wurde. In die Gießener Zeit fällt auch die Annäherung Schmidts an die SPD, die, ähnlich wie der »Republikanische Lehrerbund«, neben ihrer sozialpolitischen Akzentuierung auch durch ihr bedingungsloses Eintreten für die Weimarer Republik hervortrat. Durch die aktive Mitwirkung Schmidts im »Republikanischen Lehrerbund« ist diese Annäherung an die SPD daher auch nicht sonderlich erstaunlich, war doch die SPD nach ihrem Selbstverständnis die eigentliche Trägerin »der demokratischen Republik« und verstand sich als »Anwalt der Armen, der Schaffenden und Enterbten«, wie es Wilhelm Keil auf dem Parteitag der S P D von 1925 formulierte.' 77 1924 trat Karl Ludwig Schmidt schließlich in die S P D ein: für Theologen damals ein ungewöhnlicher Schritt.178 Erstaunlich ist hierbei die Tatsache, daß ein derartig politisch denkender und an den gesellschaftlichen Problemen interessierter Theologe wie Schmidt, der aus seiner politischen Grundeinstellung niemals einen Hehl machte und dadurch mit dem Vorwurf eines »Parteibuchschiebers«'79 konfrontiert wurde, nur selten öffendich Rechenschaft über seine politischen Beweggründe ablegte. Über dem Schmidt so beschäftigenden Thema der politischen Verantwortung eines Chri-

175

So Μ Λ . Schmidt in einem Brief vom 4.11.1988 an Pfr. Reindl, Kopie im Besitz von M . A . Schmidt.

176

Vgl. Anlage 8.

177

Miller.S., Potthoff.H., Kleine Geschichte der S P D , Bonn ^1988,121.

178

Vgl. den Eintrag Schmidts ins Bonner »Album Professorum«, in: Faulenbach, Album

179

So lautete ein weit verbreiteter Vorwurf gegen Schmidt; vgl. nur die Auseinanderset-

(s. Anm.44) 272. zung Schmidts mit Stapel in T h B l 11,1931, i87f.28jf. Z u Stapel vgl. Keinhorst, W . , Wilhelm Stapel - ein evangelischer Christ im Nationalsozialismus. Grantwanderer zwischen Politik und Theologie, E H S . T , Reihe 23, 1993.

5*

4· Gießen 1921-1925

sten in der Gesellschaft liegt weitgehend ein dichter Schleier. Mit einer Ausnahme: Ende Juni 1929 nämlich, es wurden zu jener Zeit die Bonner Berufungsverhandlungen um die Besetzung des neutestamendichen Lehrstuhls gefuhrt, schrieb Schmidt auf Anraten Rudolf Bultmanns an Gustav Hölscher, der kurz zuvor den Ruf auf den Bonner alttestamentlichen Lehrstuhl erhalten hatte, einen langen Brief, in dem Schmidt rückblickend seine politische Grundeinstellung darlegte und sein Verhältnis zur S P D und zum religiösen Sozialismus schilderte. Schmidt hoffte, durch die offene Darlegung seiner politischen Ziele seinen in den Bonner Verhandlungen diskutierten Ruf eines angeblich überzeugten »SPD-Theologen« entkräften zu können. 1 * 0 »Ich bin 1924«, so Schmidt rückblickend im Juni 1929, »einige Zeit vor meinem Ruf nach Jena in Gießen in die S P D eingetreten, weil ich im Rahmen des republikanischen Lehrerbundes, in dem Sozialisten, Demokraten und Zentrumsleute - entsprechend der Weimarer Koalition in der Hessischen Regierung—friedlich mit einander arbeiteten, das Vertrauen nicht nur der Demokraten, sondern vor allem der Sozialdemokraten hatte und mich schließlich für verpflichtet hielt, mich dann auch ganz offen zu einer politischen Partei zu bekennen. Bei den an sich mir in manchen Dingen sympathischen Demokraten störte mich vor allem ihre numerische Schwäche. Es scheint mir keine Konjunkturpolitik zu sein, daß man, wenn man politisch mitarbeiten will, nicht gerade eine Partei wählt, die schon wegen ihrer Schwäche keine rechten Entfaltungsmöglichkeiten bietet.181 Und dann scheint mir vor allem dies entscheidend zu sein, daß der unser politisches und vor allem unser gesellschaftliches Leben beherrschende Gegensatz zwischen >bürgerlich< und >sozialistisch< (mehr oder minder = marxistisch«) eine große Gefahr fur die Universität, vor allem aber für die Kirche bedeutet. Wenn in England die Labour Party weder gesellschaftlich noch kirchlich geächtet ist, so scheint mir das geradezu vorbildlich zu sein. Nun weiß ich allerdings sehr gut, daß unsere deutsche sozialdemokratische Partei in der Praxis ganz anders aussieht als die englische Arbeiterpartei, die ja

180

Mit diesem Brief hat es eine eigenartige Bewandtnis, da es sich hier um ein von Schmidt selbst angefertigtes Exerpt eines Schreibens an einen namentlich nicht näher genannten Bonner Professor handelt. Ein Schreiben Schmidts an den damaligen Bonner Dekan, Erik Peterson, vom 8.7.1929 (Original im N L Peterson, UA Turin), läßt jedoch den Schluß zu, daß Gustav Hölscher der Adressat gewesen sein muß.

181

Bei den Reichstagswahlen 1924 erreichte die D D P 6,3% der abgegebenen Stimmen, 1928 erhielt sie nur noch 4,9%. Schmidt bestätigt an dieser Stelle, daß fur ihn im wesentlichen rein pragmatische Gründe für den Eintritt in die SPD ausschlaggebend waren. Sein in der Familie bis 1933 häufig vorgetragener Stoßseufzer »Wo soll ich denn sonst hin?!« markiert deudich das Dilemma eines heimatlosen bürgerlichen Liberalismus in der Weimarer Republik (Gesprächsnotiz M.A. Schmidt vom 20.2.1993).

4·4· Hintritt in den »Republikanischen Lehrerbund« und die S P D

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sogar hohe anglikanische Geistliche in ihren Reihen hat. M.E. müßte in Deutschland dasselbe um der viel genannten Volkseinheit willen und schließlich doch auch um der Kirche willen erstrebt werden. Und die S P D ist offiziell nicht antikirchlich, ist offiziell auch nicht gegen die Universitäten, wie sie sich geschichtlich entwickelt haben.Daß ich für meine Person kein Marxist bin, dürfte jedem bekannt sein, der auch nur ein bißchen meine theologische Haltung kennt. Und wegen dieser meiner Haltung stehe ich im schärfsten Kampf gegen unsere Thüringer Sozialdemokratie, die im ganzen freidenkerisch eingestellt ist. Zuerst habe ich mir alle Mühe gegeben, meinen Standpunkt in Parteiversammlungen geltend zu machen, indem ich immer die Lebenskreise, in die ich hineingestellt bin, also Kirche und Universität verteidigte, wenn die üblichen blöden freidenkerischen Angriffe kamen. Einer meiner engeren Freunde holte sich bei einem solchen Kampf eine Rüge durch die überwältigende Majorität einer Parteiversammlung. Diese Rüge schwebte dann ein Jahr lang beim Bezirksvorstand und wurde schließlich zurückgezogen. Verschiedene Male habe ich gegen unsere sozialistische Lokalpresse Beschwerde gefuhrt beim Presse-Ausschuß und auch beim Parteivorstand. Da ich so gut wie nichts durchsetzen konnte, habe ich mich schließlich vom politischen Leben völlig zurückgezogen - seit über zwei Jahren habe ich keine Parteiveranstaltung mehr besucht. Ich habe überlegt, ob ich nicht überhaupt austreten sollte.' 81 Aber das habe ich bis jetzt unterlassen, weil ich die SPD, wie sie zwar nicht in der Praxis, aber doch offiziell und anderwärts vielleicht auch in der Praxis besser ist, als ich es bis jetzt erfahren habe, nach wie vor für eine wichtige Partei halte, in der um des Staates und auch der Kirche willen andere Kräfte allmählich durchgesetzt werden müssen. Sie werden mich so weit kennen, daß Sie mich mit diesen Anschauungen nicht für einen Phantasten halten. Ich sammele weiter meine Erfahrungen und werde mich nicht scheuen, nötig werdende Konsequenzen zu ziehen: ich bin eigendich, was die Praxis angeht, ein apolitischer Mensch, glaube aber, daß die Universität ihre an sich nötige politische Neutralität im Augenblick nur wahren kann, wenn sie zu ihren Mitgliedern nicht nur Deutschnationale usw., sondern auch Sozialdemokraten zählt. In Jena liegen die Dinge so, daß die SPD-Leute den ganzen bürgerlichen >Aufkläricht< geerbt haben (Ernst Haeckel usw.). Wenn die Fakultät ab und zu von Freidenkern eingeladen wurde, so legte sie Wert darauf, ... daß ich mich mit den Leuten herumschlug. Nun, das habe ich dann in verschiedenen großen Volksversammlungen gemacht: in der SPD-Presse gewann ich

181

Auf Deißmanns Rat hin unterließ es Schmidt, die SPD zu verlassen; vgl. auch das Schreiben Schmidts an Deißmann vom 21. Juli 1929: »Sehr lieb ist es mir, daß du mich darin bestärkt hast, aus der SPD nicht auszutreten« (Sondernachlaß Deißmann, Mappe 502, Stadtbibliothek Berlin).

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4· Gießen 1921-1915 einen knappen Achtungserfolg, während mich die kommunistische Presse scharf angriff und die S P D fiir rettungslos >bürgerlich< erklärte, solange sie mich enrage; die beste Presse hatte ich in solchen Fällen auf der rechten politischen Seite. Ich betone, daß ich um der Theologischen Fakultät und der Kirche willen solche Veranstaltungen mitgemacht habe, zumal ich von der Fakultät ausdrücklich darum gebeten wurde. An sich hätte ich lieber meine eigenen theologischen Arbeiten gemacht, anstatt diese Kämpfe durchzuführen. U m meiner eigenen theologischen Arbeit willen habe ich mich auch sofort vom kirchenpolitischen Leben zurückgezogen. Hier in Thüringen haben die religiösen Sozialisten eine gar nicht so schwache Partei in der Synode. Ich sollte der Laienspitzenkandidat sein. Und die Kirchenleitung hätte es gerne gesehen, wenn ich in die Synode eingezogen wäre. Aber ich merkte schnell, daß ich die Kirchenpolitik von Emil Fuchs, der ein Schwärmer, aber kein Kirchenmann ist, nicht mitmachen konnte. Ich habe mich dann von der Kirchenpolitik völlig zurückgezogen und denke, daß dies zunächst meiner Arbeit zu gute gekommen ist. Meine Studie über die Kirche des Urchristentums oder meine Artikel in der 2. Aufl. der R G G ' 8 ' haben doch sicherlich kein sozialistisches Gepräge. Jedenfalls sind die sogenannten religiösen Sozialisten nicht zufrieden mit meiner theologischen und kirchlichen Haltung... Ich darf Sie bitten, mich über den Verlauf Ihrer Bonner Verhandlungen, soweit sie mich betreffen, zu unterrichten. Z u m mindesten wäre es mir doch recht interessant, zu erfahren, daß ich, wenn ich von Ihrer Fakultät abgelehnt würde, ein Opfer meiner >politischen< Haltung wäre.« 1 ® 4

Schmidt blieb - trotz seiner Mitgliedschaft in der S P D und, zum Ende des Zweiten Weltkrieges, der Schweizer Episode seiner Mitarbeit im politisch von Kommunisten gesteuerten »Freien Deutschland« — zeitlebens ein bürgerlicher Liberaler, der glaubte, im Parteienspektrum der Weimarer Republik seine V o r stellungen einer sozialen parlamentarischen Demokratie in und mit der S P D am wirksamsten durchsetzen zu können.

4.5. Berufung nach Jena E n d e 1924 erhielt Schmidt, noch keine vierunddreißig Jahre alt, einen R u f an die Universität Jena. In Jena mußte der neutestamentliche Lehrstuhl, der zu-

Vgl. hier besonders den Artikel »Jesus Christus«, R G G 2 3, 1929, 110-151. Schreiben an Gustav Hölscher (?) vom 29.9.1929, Durchschlag des Exerptes im N L K.L.S., Frenkendorf.

4·5· Berufung nach Jena

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gleich auch einen Lehrauftrag für Systematische Theologie umfaßte, neu besetzt werden. Auch die Jenaer Fakultät185 versprach für Schmidt ein günstiges Arbeiten; der Einfluß der Religionsgeschichtlichen Schule und des Kreises der »Freunde der Christlichen Welt« war an dieser Fakultät stark ausgeprägt. Dennoch oder gerade deswegen bemühte sich Schmidt von Anfang an, die Fakultät personell so zu verändern, daß sie in höherem Maße als bisher die verschiedenen Positionen in der theologischen Diskussion widerspiegelte - ein Bemühen, das ihn bei seinen Jenaer Kollegen nicht unbedingt beliebt machte. Dies war Schmidt jedoch um so wichtiger, da er sich theologisch allmählich von der liberalen Theologie gelöst hatte, ohne dabei ihre Methoden - Freiheit vom Zwang überlieferter Dogmen und die feste Überzeugung vom Sinn historisch-kritischer Exegese - aufzugeben. Schmidt wurde theologisch zu einem homo pro se und ließ sich trotz seiner großen Sympathie für die »dialektische Theologie« und der späteren Freundschaft mit Karl Barth keiner theologischen Richtung mehr zurechnen, wovon auch die Vielseitigkeit der Theologischen Blätter Zeugnis ablegt. Neben Weinel lehrten in Jena der Praktische Theologe Wilhelm Thümmell86, ab 1924 als Nachfolger des Patristikers Hans Lietzmann Karl Heussi, der in Jena zum fakultätsinternen Gegenspieler Schmidts werden sollte, ferner der Alttestamentler Willy Staerk und Hans Hinrich Wendt. Die Liste, die von der Fakultät am 24. Oktober 1924 einstimmig beschlossen und der Thüringischen Landesregierung vorgelegt wurde, sah primo et pari loco neben Karl Ludwig Schmidt den Neutestamentier Hans Windisch'87, damals Professor an der Universität Leiden, vor. An zweiter Stelle wurde der damalige Breslauer Professor Ernst Lohmeyer genannt, die dritte Stelle blieb unbesetzt. Obwohl Hans Windisch und Karl Ludwig Schmidt beide einstimmig auf den ersten Platz der Liste gesetzt worden waren, verrät das Schreiben der Fakultät an die Landesregierung ihre Präferenz. »Von den beiden an erster Stelle vorgeschlagenen Gelehrten ist Hans Windisch der ältere und durch zahlreichere Arbeiten auf sehr

185

Die Jenaer theologische Fakultät war traditionell eine schwach besuchte Fakultät. Im Sommersemester 1925 waren hier 39 Studenten eingeschrieben, lediglich Gießen hatte von den deutschen theologischen Fakultäten mit 37 eingeschriebenen Studenten weniger aufzuweisen. (Im Vergleich dazu u.a. Berlin 226, Tübingen 417, Marburg 161, Bonn 81, Leipzig 155). A n den anderen theologischen Fakultäten in Deutschland sah es jedoch auch nicht viel besser aus - durchschnitdich 5 0 % der Studenten hatten die Fakultäten seit dem SS 1919 verloren, erst mit Beginn des SS 1927 setzte wieder ein starkes Interesse an dem Theologiestudium ein. Genaue Statistiken in den T h B l 6, 1927, 54 und 7 , 1 9 2 8 , 209.)

186

Als Nachfolger Thümmels setzte sich Schmidt sehr für Günther Dehn ein, ohne sich allerdings mit dieser Ansicht aufgrund der starken Bedenken, die Heussi Dehn gegenüber hegte, in der Fakultät durchsetzen zu können (Brief an Erich Seeberg vom 26.5.1926, N L Seeberg, B A Koblenz).

187

Vgl. die Würdigung Hans Windischs von G . Delling in der T h L Z 81,1956, 499fr.

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4· Gießen 1921-1925

verschiedenen Gebieten ausgewiesene Forscher, Karl Ludwig Schmidt der tatkräftigere und frischere. Er ist durch den Krieg etwas an grösserer Aktion gehindert worden, hat aber seit zwei Jahren eine Zeitschrift >Theologische Blätter< herausgegeben und mit solcher Kraft und solchem Geschick geleitet, dass von ihm das Beste erwartet werden darf.«188 Dieser Aspekt gab wohl den Ausschlag zugunsten Schmidts, zumal mit Weinel ein Theologe den neutestamentlichen Lehrstuhl verließ, der sich stets »um Lebensnähe und Gesprächsfähigkeit der Theologie«' 89 bemüht hatte - eine Tradition, die gerade Schmidt in Jena zu wahren versprach. Am 27. November 1924 erging der offizielle Ruf an Schmidt, den er doch erst nach einigem Zögern im Januar 1925 annahm - Schmidt wollte Gießen erst dann wirklich verlassen, wenn seine Nachfolge fur ihn befriedigend geklärt war. 190

188

189 190

Schreiben des Dekans der Theologischen Fakultät Jena an die Thüringische Regierung vom 30.10.24, Bestand BA, Nr. 909, Blatt 56, Original im UA Jena. Pältz, E.H., Art. Jena. Universität, T R E 16, 1987, $59-563: 561. Den Ruf als Nachfolger Schmidts in Gießen sollte Ernst Lohmeyer erhalten, der jedoch in Breslau gehalten werden konnte; das preuß. Kultusministerium machte Lohmeyer zum persönlichen Ordinarius. Erst nachdem Schmidt nach dem Abwinken Lohmeyers sichergestellt hatte, daß Georg Bertram den Gießener Ruf erhielt, entschied sich Karl Ludwig Schmidt zur Annahme des Jenaer Rufes.

5. JENA 1 9 2 5 - 1 9 2 9 Die »goldenen Zwanziger«, die Halbzeit von Weimar, waren fiir Schmidt und seine Familie in Jena eine glückliche und theologisch fruchtbringende Zeit. Neben der Arbeit an den Theologischen Blättern, die er in Jena zu den einflußreichsten theologischen Publikationen ausbaute, und den Verpflichtungen an der Universität, wo er auch als Dekan der Theologischen Fakultät seine organisatorischen Fähigkeiten unter Beweis stellte, hat er in den Jenaer Jahren »ein neues, vielleicht sein ureigenstes Genus, die lexikographische und biblisch-theologische Studie gefunden. Die über die Kirche des Urchristentums, die erste, 1927 in der von ihm herausgegebenen Deissmann-Festschrift erschienen, ist gleich ein grosser W u r f und zudem bezeichnend auch fur den thematischen Bereich, dem er sich neben der formgeschichtlichen Fragestellung zuwendet: Kirche, Staat und Gottesreich. «' 9 ' In diesem Spannungsverhältnis von Kirche und Gottesreich steht auch Schmidts Mitarbeit in der ökumenischen Bewegung, der er sich von 1927 an intensiv zuwandte. So nahm er vom 2. bis 9. April 1927 an der Ersten Britisch-Deutschen Theologenkonferenz in Canterbury 1 ® 2 sowie an der vom 3. bis 21. August durchgeführten »Weltkirchenkonferenz für

191 191

Stegemann, Schmidt (s. Anm.17) 2j7f. Diese Tagung, von der ausfuhrlich in den ThBl 6,1927,114-142 berichtet wird, stand unter dem Motto »Das Wesen des Reiches Gottes und seine Beziehung zur menschlichen Gesellschaft«; vgl. den Vortrag von Schmidt »Das überweltliche Reich Gottes in der Verkündigung Jesu«, a.a.O. 118-120. Die Britisch-Deutschen Theologenkonferenzen gehen auf die 192$ von der Stockholmer Weltkirchenkonferenz fur Praktisches Christentum eingesetzte Kommission fiir ökumenische Zusammenarbeit der Professoren der Theologie, deren Vorsitz Adolf Deißmann übernommen hatte, zurück In Stockholm zeigte sich nämlich, daß die unterschiedliche Bekenntnisgrundlage die Beurteilung praktischer Probleme weitaus stärker beeinflußte als ursprünglich vorausgesehen wurde; die Empfehlung der Stockholmer Weltkirchenkonferenz zu einem intensiven Austausch von Theologen unterschiedlicher Konfessionen und Nationen zur Klärung strittiger Fragen daher auch nur folgerichtig war. Diesem Austausch sollte die Theologenkommission dienen, ab 1927 kamen zusätzlich die Britisch-Deutschen Konferenzen hinzu, die auf dem Hintergrund der Erfahrungen des 1. Weltkrieges von besonderer Bedeutung fiir den ökumenischen Dialog waren (vgl. auch Schweitzer, W., Art. Praktisches Christentum, Bewegung für, Ökumene Lexikon, hg. v. H. Krüger, W. Löser, W. Müller-Römheld, Frankfurt a.M. 1983, 971-979, dort auch weitere Literatur).



5· Jena 1925-1929

Glauben und Verfassung« in Lausanne' 9 ', vom 11. bis 18. August 1928 an der Zweiten Britisch-Deutschen Theologenkonferenz auf der Wartburg 194 und, schon während der Bonner Zeit, 1930 und 1931 an den Ost-Westlichen Theologenkonferenzen von Novisad und Bern teil.195 Den vorläufigen Abschluß seiner ökumenischen Arbeit bildete Schmidts Teilnahme an der Dritten BritischDeutschen Theologenkonferenz, die vom 23. bis zum 28. März 1931 in Chichester stattfand.' 96 Schmidt gehörte zwar noch bis 1936 der »Kommission fiir ökumenische Zusammenarbeit der Professoren der Theologie« des »ökumenischen Rates fur Praktisches Christentum« an - er trat dieser Kommission auf Anregung seines Lehrers und Freundes Adolf Deißmann schon Anfang 1928 bei —, doch ließen ihm die starke berufliche Anspannung in Bonn und die eskalierenden kirchenpolitischen und theologischen Probleme, die Schmidt in zunehmendem Maße ab 1930 bedrängten, keine Zeit mehr zu einer intensiven Mitarbeit in der ökumenischen Bewegung. Schmidts ökumenisches Engagement hatte mehrere Gründe. Neben persönlichen Motiven - sein Freund Deißmann war als Vorsitzender der Theologenkommission an führender Stelle im »ökumenischen Rat fiir Praktisches Christentum« eingebunden - waren es auch theologische Gründe, die Schmidt zur Mitarbeit bewegten. Schmidts exegetischer Schwerpunkt in den Jenaer Jahren, die Arbeit an ekklesiologischen Fragen' 97 , traf sich mit den Fragestellungen der ökumenischen Bewegung, so daß sich Schmidt durch eine Mitarbeit in der Ökumene neue Erkenntnisse und Fortschritte für seine eigene Arbeit erhoffte. Hatte sich der »ökumenische Rat fiir Praktisches Christentum«, in deren

193

1,4

Vgl. seinen dort gehaltenen Vortrag über »Die Notwendigkeit der christlichen Einheit für die Darstellung der christlichen Wahrheit«, in: ThBl 6,1927, 254-257. Zur Konferenz insgesamt vgl. Rouse, R., Neill, S.C., Geschichte der ökumenischen Begegung 2, Theologie der Ökumene 6/2, 1958, 22-28. Diese Tagung hatte die »Christologie« zum Thema; Schmidt hielt im Rahmen der Beratungen sowohl einen Vortrag über Ίησοΰς Χριστός Θεοϋ υιός σωτήρ, abgedruckt in ThBl 7,1928, 254-256 als auch eine Meditation über Mt 9, 35-38 in a.a.O. 275^ Zur Tagung insg. vgl. a.a.O. 238-282.

195

Die vom 3.-10. August 1929 in Novisad durchgeführte Tagung hatte den »Philipperbrief« zum Thema (vgl. den ausfuhrlichen Bericht dazu in den ThBl 8,1929, 265-289); die Berner Tagung vom 6.-12. August 1930 den »Epheserbrief« (Berichte über die Berner Tagung sind in ThBl 9, 1930, 313-356 abgedruckt).

196

Ein Bericht über diese Tagung zum Thema »Corpus Christi« findet sich in den ThBl 10, 1931, 145-172; Schmidts dort gehaltener Vortrag »Die religiöse Gemeinschaft im Lichte der Lehre Jesu« a.a.O. 147-149. So erschien 1927 in der Deißmann-Festschrift Schmidts Aufsatz »Die Kirche des Urchristentums«; 1928 sein am 19.10.1927 in Eisenach auf dem ersten deutschen evangelischen Theologentag gehaltener Vortrag »Das Kirchenproblem im Urchristentum« (abgedruckt in: ThBl 6, 1927, 293-302).

197

j. Jena 1925-1929

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Theologenkommission sich Schmidt schließlich engagierte und in deren Verantwortung auch die Britisch-Deutschen Theologenkonferenzen durchgeführt wurden, zum Ziel gesetzt, »das Bewußtsein der Gemeinschaft der Kirchen in der Betätigung christlicher Ethik bei den sozialen Problemen des modernen Lebens zu pflegen und zu fördern«198, so konnte die »Bewegung für Glauben und Kirchenverfassung« eine klare theologische Basis, »das Bekenntnis des Glaubens an Jesus Christus, den Sohn Gottes, unseren Herrn und Heiland« aufweisen. Von dieser gemeinsamen theologischen Basis aus war es das Ziel, darüber zu beraten, »was uns gemeinsam ist und was uns trennt«. 1 " Gemeinsame Beratungen, Nachdenken über die sozialen Probleme des modernen Lebens, interkonfessionelle Gespräche - mit diesen Stichworten klingt der eigentliche und tiefere Beweggrund für Schmidts ökumenisches Engagement an. Es war primär nicht die persönliche Beziehung zu Deißmann oder ein bestimmendes theologisches Motiv, das Schmidt zur Mitarbeit bewogen hat. So überraschend es klingt: Im Gegensatz zu vielen anderen, auch deutschen Mitwirkenden an der ökumenischen Bewegung, trieb ihn nicht die Sorge über die Zerrissenheit der einen Chrisdichen Kirche zur Mitarbeit in den ökumenischen Konferenzen. Diesen Zustand der kirchlichen Spaltung hat Schmidt zwar theologisch zutiefst bedauert, doch hatte er sich persönlich damit abgefunden. Ihn interessierte an der Ökumene etwas ganz anderes, wie er häufig seiner Familie gegenüber betonte: das Kennenlernen anderer Theologen, die Möglichkeit zum gedanklichen Austausch, die vielen Reisen, das Knüpfen neuer Kontakte und Beziehungen. So ist es auch verständlich, daß Schmidts Tätigkeit in der »Bewegung für Glauben und Kirchenverfassung« auf die Lausanner Weltkonferenz beschränkt blieb; die schwierigen satzungsrechtlichen Probleme innerhalb des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes schränkten Schmidts Bedürfnis nach verstärktem Kontakt mit ausländischen Kollegen doch zu stark ein200, eine

198

Verfassung des »Ökumenischen Rates fur Praktisches Christentum«, Absatz 2; zitiert nach Armin Boyens, Kirchenkampf und Ökumene 1933-1939, München 1969,15. Vgl. insg. ijf. S. auch W. Weiße, Praktisches Christentum und Reich Gottes. Die ökumenische Bewegung Life and Work 1919-1937, Göttingen 1991.

199

Deutscher amtlicher Bericht über die Weltkonferenz zu Lausanne, 3.-21. August 1927, hg. v. H. Sasse, 1929, zitiert nach Boyens, Ökumene (s. Anm.198) i8f. Vgl. insg. a.a.O. 18-20; Epting, K.-Ch., Art. Glauben und Kirchenverfassung, Bewegung für, in: Ökumene Lexikon (s. Anm.192) 476-483.

100

»Der Kirchenausschuß der DEKB stellte auf seiner Sitzung vom 4. und 5.3.1926 fest, >daß die Verfassung des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes ihm eine offizielle Beteiligung unmöglich mache.< Nach der Kirchenverfassung waren nämlich Fragen des Bekenntnisses, der Kirchenverfassung und Verwaltung den einzelnen Landeskirchen vorbehalten« (Boyens, Ökumene [s. Anm.198] 19). Es ist das Verdienst von Friedrich Siegmund-Schultze, daß trotzdem 37 fuhrende deutsche Theologen in Lausanne teilgenommen haben. Auf seine Initiative hin richtete die Deutsche Vereinigung des

6o

5. Jena 1925-1929

Mitarbeit im »Rat fxir Praktisches Christentum« entsprach deshalb eher seinen Vorstellungen. Trotzdem: Schmidt war sich trotz aller persönlicher Motive der besonderen Bedeutung der Ökumene und seiner ökumenischen Verantwortung als Neutestamender durchaus bewußt. Diese Einstellung von Schmidt zeigt sich deudich in seinem Vortrag über »Die Notwendigkeit der chrisdichen Einheit für die Darstellung der chrisdichen Wahrheit«, den er am 10. August 1927 in der Kathedrale von Lausanne hielt. Die christlichen Kirchen, so Schmidt, sprächen nur dann in einer theologisch wahrhaftigen Sprache, wenn diese stets das einigende Band der einen Kirche zur Sprache bringe: die Erwartung des kommenden Reiches Gottes. Diese eschatologische Erwartung sei es also, die die Kirchen eine und ihnen zugleich die Legitimation theologischen Redens gewähre. Nur in dem Bewußtsein der chrisdichen Einheit lasse sich die christliche Wahrheit angemessen darstellen. »Von der christlichen Wahrheit reden«, so Schmidt in Lausanne, »bedeutet nichts anderes, als von der christlichen Einheit reden«.201 Schmidts Aussagen stehen in einer direkten Linie mit seiner ein Jahr zuvor erschienenen lexikographischen und biblisch-theologischen Studie zur Kirche des Urchristentums.201 Hierin charakterisierte er den Begriff Ekklesia vom alttestamentlichen, frühjüdischen und neutestamentlichen Sprachfeld her als eine Umschreibung für eine zunächst rein profane »Versammlung«; »Kirche« ist also somit eine Versammlung von Menschen, die jedoch unter einem eschatologischen Vorbehalt steht: Als Gottesvolk konstituiert sich die »Kirche« erst jenseits des jüngsten Gerichtes. Daher gilt: »Man darf nicht zu viel Wesens machen von allerlei Verfassungsdingen, die die älteste Kirche als eine konkrete Versammlung von Menschen ... ausgebildet hat«.203 Entscheidend ist den unterschiedlichen Ausprägungen der Kirche vielmehr der gemeinsame Glaube an das kommende Reich Gottes. Problematisch wurde an dieser »selbstverständlichen«204 unterschiedlichen Ausprägung jedoch der kirchengeschichtliche Übergang einer res iuris humani in ein ius divinum10'', der nicht nur die Entstehung des Frühkatholizismus, sondern in der Ausbildung einer »Hierarchie vom Menschen« auch den Verlust des gemeinsamen Bewußtseins als Volk Gottes und damit letztlich der christlichen Einheit zur Folge hatte.206 Diese kirchliche Zer-

»Weltbundes für internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen« einen Ausschuß zur Vorbereitung der Lausanne-Konferenz ein, der wiederum eine deutsche Delegation flir Lausanne zusammenstellte (a.a.O. 20). 101

Schmidt, Einheit (s. Anm.193) 255.

102

In: Festgabe für Adolf Deissmann zum 60. Geburtstag, Tübingen 1927, 258-319.

203

A.a.O. 318.

104

Ebd.

105

Ebd.

106

A.a.O. 319.

5· Jena 1925-1919

61

splitterung, so Schmidt in Lausanne, hat letztlich in »menschlicher Selbstsucht« ihre Wurzel107; eine Selbstsucht, die sogar in der Theologie ihre Ausprägung findet. Schmidt wendet sich an dieser Stelle radikal - hier zeigt sich, was Schmidt von Karl Barth lernte — und entschieden gegen jede Vereinnahmung Gottes durch den Menschen, gegen jede Form einer Darstellung der Kirche »als ein bürgerlicher, humanitärer, ästhetischer, religiöser Verein«108 und versteht - auch hier die Parallele zu Barth - den Sozialismus als notwendiges Gericht über diese Formen der Kirche.109 Schmidt begreift die Ökumene letzdich als Aufruf zur theologischen Besinnung auf die biblischen Schriften: »Die Einheit ist zu beziehen auf das Evangelium und nicht auf die traditiones humana*«2I° - nur in dieser gemeinsamen Rückbesinnung aller chrisdichen Kirchen auf das Evangelium, welches Zeugnis eschatologischer Naherwartung sei, ließe sich die christliche Wahrheit angemessen darstellen. Schmidt weiter: »Nur der Kirche gilt die Verheißung des Reiches Gottes. Und wir dürfen von der Una Sancta nur wissen und reden als der Ecclesia militans. Eine Ecclesia triumphans, die alle Menschen unter ihrem Zepter vereinigte, gibt es nicht. Unsere Einheit besteht in der Hoffnung auf das kommende Reich Gottes, in dem sein wird Gott Alles in Allem.«111 In dieser Hoffnung auf das kommende Reich Gottes gewissenhaft im engen gedanklichen Austausch mit Theologen verschiedener Konfessionen an der Erforschung des Neuen Testamentes zu arbeiten, darin erkannte Schmidt seinen eigenen, bescheidenen - und doch notwendigen - Beitrag zur ökumenischen Bewegung. In Jena verbrachte Karl Ludwig Schmidt eine gute Zeit. 1929 schrieb er bei seinem Abschied aus Jena dem Rektor der Universität Jena: »An die 9 Semester, die ich in Jena habe verleben dürfen, werde ich immer mit großer Dankbarkeit zurückdenken. Daß ich als Dekan, als Leiter der Jenaer Hochschulwochen ... und in anderen Angelegenheiten eine enge Beziehung zur Universität Jena gehabt habe, wird mir immer wichtig sein. Der Universität Jena gelten meine herzlichsten Wünsche.«111

107

Schmidt, Einheit (s. Anm.193) 256.

208

A.a.O. 257.

209

Ebd. »Und es gibt Christen«, fährt Schmidt fort, »die in der sozialistischen Bewegung stehen und denen es um den Protest der Kirche gegen die Selbstsetzung des Menschen zu tun ist« - eine Anspielung auf seine eigene Position. »Aber es muß zugleich darauf hingewiesen werden, daß die sozialistische Internationale, soweit sie von einer sozialistischen Metaphysik getragen ist, selbst wieder unter das Gericht fallt« (ebd).

2.0

A.a.O. 2 5 6f.

2.1

A.a.O. 257.

212

Schreiben vom 14.9.1929, Bestand BA, Nr. 909, Original im UA Jena. Die Familie erhält Zuwachs; 1925 kommt seine zweite Tochter Veronika, 1927 sein fünftes und letztes Kind Christopher Karl Ludwig zur Welt.

62

J. Jena 1925-1929

Die politische Situation gewährte Schmidt in Jena einige Jahre der Ruhe schon bald sollte die Politik ihn in seiner theologischen Existenz herausfordern und damit ihn und die Sicherheit seiner Familie auf das Äußerste gefährden. Doch soweit war es noch nicht; vielmehr nutzte Schmidt diese Phase des äußeren Friedens und der inneren Zufriedenheit zu intensiver theologischer und redaktioneller Arbeit. In Jena nahm seine theologische Konzeption Gestalt an, wurden die Grundgedanken, die schon in der Berliner Zeit vorhanden waren, entfaltet. Die Arbeitsbedingungen fur Schmidt waren in Jena, vergleicht man sie mit denen, die er in Berlin oder Gießen vorgefunden hatte, deutlich besser"'; sein ohnehin schon hohes Arbeitspensum steigerte sich in diesen Jahren außergewöhnlich. Neben den Verpflichtungen an der Universität"4 und der Arbeit als Schriftleiter der Theologischen Blätter führte er einen erstaunlich breiten und ausfuhrlichen Briefwechsel mit beinahe allen wichtigen deutschsprachigen Theologen dieser Jahre. Dabei standen in diesen Korrespondenzen weniger theologische Sach-, als vielmehr fakultätsinterne Personalfragen im Vordergrund. Schmidt erwies sich als genauer Kenner fakultätspolitischer Vorgänge und war über Personalinterna an den einzelnen Universitäten genauestens unterrichtet. Dieses Wissen nutzte die mehrheitlich mit Sozialdemokraten besetzte preußische Regierung und befragte Schmidt regelmäßig bei zu besetzenden neutestamendichen Lehrstühlen um seine Meinung über die betreffenden Kandidaten. »In den letzten Jahren«, so schrieb Schmidt 1928 an Deißmann, »bin ich jeweils von der preußischen Regierung um ein Votum in n.t. Besetzungsfragen gebeten worden.«"5 Auf diese Weise wurde Schmidt zu einem einflußreichen, im Hintergrund wirkenden Berater der preußischen Regierung, an dessen Urteil nur schwer vorbeizugehen war. Mehr noch: Tatsächlich läßt sich sagen, daß Schmidt in diesen Jahren eine entscheidende Rolle bei der Verteilung von Ordinariaten gespielt hat" 6 ; der Vorwurf des »Papsttums« ihm gegenüber ließ auch nicht lange auf sich warten." 7

Schreiben d. Thüringischen Ministeriums für Volksbildung und Justiz v. 22.1.1925, UA Jena, Bestand D, Nr. 2576. Die Jenaer Veranstaltungen markieren deutlich die neutestamendichen Arbeitsschwerpunkte dieser Zeit. Neben formgeschichtlichen Studien und Einleitungsfragen, der Arbeit an dem Johannesevangelium und den Johannesbriefen rückten nun im wesentlichen der Römerbrief (neben einer Vorlesung im SS 1928 führte Schmidt hierzu im W S 28/29 ~ gemeinsam mit Gogarten - eine 4-stündiges Konservatorium »an Hand von Luthers Vorlesung von 1515« durch), die Korintherbriefe, das Bemühen um eine Biblische Theologie sowie das Problem urchrisdicher Gemeindebildung in den Vordergrund (vgl. hierzu die im Universitätsarchiv Jena vorhandenen Vorlesungsverzeichnisse von 1925-1930). Brief vom 3.6.1928, Original im Sondernachlaß Deißmann, Mappe 306, Stadtbibliothek Berlin. Ein Eindruck, der auch von Karl Barth bestätigt wird. Als es 1927 darum ging, fiir

5· Jena 1925-1919

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Das größte Engagement in den Berufungsfragen zeigte Schmidt in seinem Bemühen, dem Jenaer Privatdozenten und Dorndorfer Pfarrer Friedrich Gogarten218 ein systematisches Ordinariat zu verschaffen - ein Vorhaben, das trotz seiner großen Einflußmöglichkeiten zunächst scheiterte. Anlaß und Ort der ersten persönlichen Begegnung zwischen Karl Ludwig Schmidt und Friedrich Gogarten, damals Pfarrer im kleinen thüringischen Ort Stelzendorf, ist nicht mehr feststellbar. Es ist aber sicher, daß diese spätestens 1923 stattgefunden hat. Im Januar 1923 erschien in den Theologischen Blättern ein Aufsatz Gogartens »Zur Geisteslage des Theologen. Noch eine Antwort an Paul Tillich« 219 , der eine lange Reihe von Aufsätzen Gogartens in den Theologischen Blättern eröffnete. Gogarten gehörte spätestens seit 1922, der Gründung der Zeitschrift »Zwischen den Zeiten«, nach Einschätzung Schmidts zu den wichtigsten, die theologische Diskussion im deutschsprachigen Raum bestimmenden Personen.120 Schon sehr früh lag fur Schmidt - bei aller Ablehnung von Gogartens politischer Haltung - die Faszination dieses Mannes in seiner theologischen Bedeutung, der er angemessen Gehör verschaffen wollte.221

2,7

118

219

110 221

Thurneysen eine Ehrenpromotion zu »beschaffen«, die ihm die akademische Laufbahn eröffnen sollte, schrieb Barth an seinen Freund: »Ich habe bei diesem Anlaß den längst geplanten Brief an K. L. Schmidt in dieser Sache geschrieben, und wir wollen hoffen, dieser Vielgewandte wisse klugen Rat« (Barth - Thurneysen, Briefwechsel [s. Anm.172] 489f·)· Diesen Vorwurf erhob Erich Seeberg Schmidt gegenüber (Brief Schmidts an E. Seeberg vom 10.9.1929, Original im NL Seeberg, BA Koblenz). Von Schmidts Kollegen in Jena störte sich an diesem Verhalten besonders der Kirchengeschichtler Karl Heussi. Das Verhältnis war deshalb von Anfang an weniger theologisch, als vielmehr menschlich nachhaltig gestört, weshalb Schmidt schon 1926 seine Beziehungen ausspielte, um Heussi aus Jena »fortzuloben« (vgl. Anlage 9). Zu Gogarten, der auf Anregung Schmidts von der Gießener Theologischen Fakultät 1924 die Ehrendoktorwürde erhielt, vgl. auch Henke, P., Art. Gogarten, Friedrich, TRE 13, 1984, 563-567; Ratschow, C.H., Art. Gogarten, Friedrich, RGG5 2, 1958, i684f.; Fischer, Systematische Theologie (s. Anm.32) iji.·, Moltmann II (s. A n m . 1 6 7 ) 93-218. Dies war die einzige Ehrenpromotion, die Schmidt während seiner gesamten Dienstzeit initiiert und durchgesetzt hat; zu weiteren sah er keine Veranlassung. ThBl 3,1924, 6-8. Der im Nachlaß von Gogarten erhalten gebliebene Schriftwechsel (ungefähr vierzig Briefe Schmidts und drei von Gogarten) setzt mit dem Jahr 1923 ein, weist mit Ausnahme einer Postkarte vom November 1925 bis Sept. 1929 eine unerklärliche Lücke auf, um dann im Jahre 1932 völlig abzubrechen, ohne daß dabei die letzte Karte von Schmidt an Gogarten in irgendeiner Weise Abschiedscharakter trägt. Vgl. auch Schmidts »Anmerkung der Schriftleitung« zu Gogartens Aufsatz, a.a.O. 6. »Sie werden mir darin zustimmen«, schrieb Schmidt 1929 im Zusammenhang der Bemühungen, fiir Gogarten in Münster ein Ordinariat zu verschaffen, »daß ein Übergehen von Gogarten auf die Dauer unerträglich ist. Der Mann hat eine Qualität ohnegleichen; und die allein dürfte entscheidend sein, einerlei wie man gerade zu der von ihm vertretenen Theologie stehen mag« (Brief an Adolf Reichwein vom 8.11.1929, Kopie im KBA, Basel).

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j. Jena 1925-1929

Schmidt wird nicht, bei aller Skepsis seinen Lehrern gegenüber, die radikale Kritik Gogartens an der Welt des 19. Jahrhunderts, an den liberalen theologischen und kulturellen Traditionen der Vergangenheit, an »Sittlichkeit« und »Kulturreligion« geteilt haben, dazu stand er dem theologischen Liberalismus mit seinem hohen Ethos der Wissenschaftlichkeit noch immer zu nahe. Doch verstand Schmidt es als wesentliche Aufgabe, Gogartens Theologie stärkeren Nachdruck zu verleihen - es entsprach eben seiner festen Grundüberzeugung, daß allen maßgeblichen Stimmen innerhalb der wissenschaftlichen Theologie Raum gegeben werden müsse. Mit dieser Überzeugung wurde Schmidt zu dem Förderer Gogartens: Er brachte ihn schon Ende 1923 an der Gießener Fakultät neben Albert Schweitzer ins Gespräch als Nachfolger des Systematikers Mayer 1 "; Gogarten verdankte Schmidt auch die Gießener Ehrenpromotion im Jahre 1924, und im Jahr 1925 den Lehrauftrag für Systematische Theologie in Jena. Zugleich wird Schmidt auch menschlich recht gut mit Gogarten ausgekommen sein; der Briefwechsel zwischen den beiden trägt einen persönlichen und warmen Charakter. Die Zusammenarbeit zwischen Gogarten und Schmidt führte im Wintersemester 1928/29 sogar zu einer gemeinsamen vierstündigen Lehrveranstaltung, einem »Konversatorium über den Römerbrief an Hand von Luthers Vorlesung von 1515«.223 Trotz aller Bemühungen befürchtete Schmidt auch weiterhin eine zu geringe Beachtung der Theologie Gogartens, ein Verstummen Gogartens in der theologischen Diskussion. Deshalb bemühte er sich nach den gescheiterten Gießener und Jenaer Versuchen erneut, Gogarten eine Professur zu verschaffen, so in den Jahren 1929 und 1930 im Zusammenhang mit seiner und Barths Berufung nach Bonn - allerdings erfolglos. Auch in der Jenaer Zeit wurde der Konflikt zwischen Lietzmann und Schmidt fortgeführt. Im Jahr 1927 kam es noch einmal zu einem persönlichen Angriff Lietzmanns auf Schmidt. Der Anlaß dieser Attacke war ein von Hans Michael Müller, damals Habilitand in Jena, in den Theologischen Blättern veröffentlichter Aufsatz »Der Chrisdiche Glaube und das erste Gebot. Ein Beitrag zum Verständnis von Luthers Rechtfertigungslehre in Auseinandersetzung mit Karl Holls Lutherdarstellung«.224 Müller unternahm in diesem Aufsatz den Versuch, den ein Jahr zuvor verstorbenen Karl Holl mit seinen eigenen Thesen zu wiederlegen, wobei er teilweise die angemessenen wissenschaftlichen Umgangsformen ignorierte. Die publizistische Aufregung über die angebliche Müllersche Entehrung eines Verstorbenen war groß; auch das »Protestantenblatt«, ein Organ des »freien Protestantismus«, sah sich erneut in die Pflicht genommen, die Theolo-

111

S.o. 49f. Vgl. auch den Brief Schmidts an Deißmann vom 22-/23.12.1923, Original im Sondernachlaß Deißmann, Mappe 174, Stadtbibliothek Berlin.

113

Vorlesungsverzeichnis Universität Jena, W S 1928/29,18.

114

T h B l 6 , 1 9 2 7 , 269-281. Z u Müller vgl. auch Lessing, Volkskirche (s. Anm.34) 2iif.

j. Jena Ι925_Ι929

65

gischen Blätter als ein Organ der »kulturkritischen Theologie« zu entlarven. Amüsiert nahm Schmidt zu diesen Vorwürfen Stellung und schloß in einer Erklärung, dessen Abdruck von dem Protestantenblattverv/eigen wurde, mit der deutlichen Mahnung, sich allein theologischen Sachfragen zu stellen: »Aus alledem«, so Schmidt, »dürfte erhellen, daß es sich um Fragen handelt, die nicht mit dem als Verdikt gemeinten Ausdruck >Kulturkritik< zu erledigen sind. Es handelt sich nicht um eine mit der Methode des Etikettierens zu lösende Kinderpreisfrage, sondern um eine ernste theologische Frage, die auch dem Protestantenblatt wichtig sein müßte.«" 5 Weitaus ernster, da sachbezogen, nahm er die kritische Stellungnahme Heinrich Bornkamms »Christus und das i. Gebot in der Anfechtung bei Luther«" 6 , die Schmidt als Beitrag zur Versachlichung der Diskussion verstand und dem er im Februar 1928 eine Antwort Müllers nachschickte." 7 Lietzmann, der Holl menschlich sehr nahe gestanden hatte und sich nun offenbar mit ihm identifizierte, fühlte sich durch diesen Artikel Schmidts persönlich auf das Schwerste getroffen und schrieb Karl Ludwig Schmidt einen heftigen Brief, dem er eine Erklärung, die in ihrer Grobheit Lietzmanns Betroffenheit erkennen läßt, mit der Forderung um Veröffentlichung in den Theologischen Blättern beilegte. Der Schlußsatz dieser Erklärung lautete: »Man soll die Jugend lehren, daß sie in ihrem Herzen Ehrfurcht hegt gegen die Großen in der Wissenschaft, die ihr vorangegangen sind und daß sie auch im Widerspruch diesem Gefühl Raum und Ausdruck gibt. Dann wird uns künftig ein so beschämendes Schauspiel erspart bleiben.« 128 In dem nun sich entwickelnden Briefwechsel zwischen Lietzmann und Schmidt lehnte Schmidt den Abdruck dieser Erklärung ab und bemühte sich noch einmal, die Diskussion wieder auf die sachbezogene Ebene zurückzufuhren. »Und dem entspricht es«, führte Schmidt näher aus, »daß andere Theologen - ich denke dabei wieder nur an die Lutherkenner unter ihnen - in dem Müller'schen Aufsatz einen besonders wertvollen Beitrag zur Lutherforschung sehen. Und das soll nun alles ein »beschämendes Schauspiel· sein?! Um nicht die Richtigstellung von Mißverständnissen heraufzubeschwören, bin ich leider gezwungen, ausdrücklich zu betonen, daß Leute wie Barth, Gogarten, Bultmann, die mit mir den Mül-

125

226 227 12i

Zu H.M. Müllers Kritik an Karl Holl, ThBl 7,1928, 14-26: 25. Direkter Anlaß, auf diese Vorgänge in den Theologischen Blättern öfFendich einzugehen, waren »allerlei peinliche Vorgänge im Anschluß an den genannten Müller'schen Aufsatz - ich erinnere vor allem an die in der Öffentlichkeit des Eisenacher Theologentages von Herrn Professor D. Emanuel Hirsch gegen einen Autor der Theol. Bl. und implicite gegen mich als deren Schriftleiter nur halb ausgesprochen Vorwürfe« (ebd.). ZSTh 5,1927, 457-477Abgedruckt in den ThBl 7, 1928, 37-48. Lietzmann, Glanz und Niedergang der deutschen Universität (s. Anm.77) S. 93; zum ganzen Vorgang vgl. die Seiten 92-94.

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5· Jena ι $ ι $ - ι $ ι $

ler'schen Aufsatz billigen, nicht Pate gestanden haben.«"9 Daraufhin sandte Lietzmann seine Erklärung an Emanuel Hirsch2'0, den Herausgeber der »Theologischen Literaturzeitung«, der auch sogleich bereit war, die Erklärung zu veröffentlichen. Doch nun machte der Verlag Hinrichs Schwierigkeiten, bei dem sowohl die Theologischen Blätter als auch die »Theologische Literaturzeitung« erschienen; der Verlag befürchtete zu Recht, daß es im Falle einer Veröffentlichung der Erklärung in der »Theologischen Literaturzeitung« zu einer heftigen Aueinandersetzung zwischen den beiden renommierten Publikationen des Verlages kommen würde. Der Streit eskalierte derart, daß es zu einer Intervention Harnacks kommen mußte, die die Situation entschärfte und so eine im persönlichen Bereich weitgehend spannungsfreie Diskussion ermöglichte. Dieser Streit des Jahres 1927/1928 sollte exemplarisch für die weiteren Auseinandersetzungen der nächsten Jahre werden. Hier deutetete sich bereits an, daß der Umgangston von Fachkollegen in den kommenden Jahren nur zu oft nicht mehr durch das gemeinsame Bemühen um den Erkenntnisfortschritt innerhalb der theologischen Forschung bestimmt werden würde, sondern durch heftige persönliche Angriffe. Angriffe, in denen sich politische, theologische und persönliche Motive vermischten und unter dem Vorwand der Wissenschaftlichkeit vorgetragen wurden. Gerade zum theologischen Widerspruch reizende Personen wie Günther Dehn, Karl Barth oder Karl Ludwig Schmidt sollten von nun an im ständigen Kreuzfeuer auch unsachlicher und persönlich verletzender Kritik stehen.

129

Brief vom 23.12.1927, a.a.O. 608.

1,0

Vgl. Birkner, H.J., Art. Hirsch, Emanuel, T R E 15,1986, 390-394; Fischer, Systematische Theologie (s. Anm.32) 54f. mit weiterführender Literatur.

6. DIE BONNER ZEIT 1929-1933 6.1. Die Fakultät Die Bonner Theologische Fakultät stand im Jahre 1929 an einem kritischen Punkt. Die Folgen einer langen Besatzungszeit hatten sich nicht nur negativ in der Zahl der Theologiestudierenden bemerkbar gemacht, sondern auch durch Emeritierungen und einer durch das Gebot des Sparens ausgehenden Stellenbesetzungspolitik des preußischen Kultusministeriums.13' Die Fakultät war im Sommer-Semester 1928 auf vier ordentliche Professoren zusammengeschmolzen: Die Professur fur das Alte Testament wurde durch Johannes Meinhold 2 ' 2 wahrgenommen, der zum Sommersemester 1928 emeritiert wurde. Die Professur fur Neues Testament war nicht besetzt und wurde von dem Systematiker Hans Emil Weber und dem Kirchengeschichtler Erik Peterson2'3 mit übernommen, in Dogmatik las trotz seiner 1927 erfolgten Emeritierung immer noch Otto Ritschi. 2 ' 4 Die Praktische Theologie wurde durch Emil PfennigsdorP 35 vertreten, den Universitätsprediger und Vorkämpfer für eine nationale Volkskirche - später Barths und Schmidts heftigster Gegner in Bonn. Hans Emil Weber 236 , »vor dessen wirklichem Können ich (d.i. K.L.S., A.M.) immer den größten Respekt gehabt habe«237, stand für Systematische Theologie und Neues Testament und 131

Vgl. hierzu Faulenbach, Album (s. Anm.44) 16-20.

151

Vgl. a.a.O. 185-190.

133

Schmidt schätzte Peterson hoch ein: »Wir haben wahrhaftig keinen Ueberfluß an Männern seines Ranges«, heißt es in einem Brief an Seeberg vom 8.9.1929; ein aus der Feder Schmidts seltenes Lob (Original im N L Seeberg, BA Koblenz). Zu Erik Petersons Leben und Werk vgl. auch die ausfuhrliche Darstellung von B. Nichtweiß, Erik Peterson. Neue Sicht auf Leben und Werk, Freiburg u.a. 1992; Faulenbach, Album (s. Anm.44) 255-260.

234

Vgl. Bizer, Otto Ritsehl, in: Bonner Gelehrte (s. Anm.17) 143-152; Faulenbach, Album (s. Anm.44) 208-211. Vgl. Glaue, P., Art. Pfennigsdorf, E., R G G 2 4, 1930, 1151; Faulenbach, Album (s.Anm.44) 228-231.

2.5

2.6

1.7

Vgl. auch Bizer, Hans Emil Weber, in: Bonner Gelehrte (s. Anm.17) 169-189; Schott, E., Art. Weber, Hans Emil, R G G ' 6,1962,1551E; Faulenbach, Album (s. Anm.44) 225-227. Brief an Strathmann vom 7.10.36, Original im Bestand Personen XXVII (Strathmann) Nr. 3, LKA Nürnberg.

68

6. Die Bonner Zeit 1929-1933

sollte Barths fachlicher Rivale in Bonn werden. Wilhelm Goeters 2 ' 8 vertrat die Kirchengeschichte und legte seinen Forschungsschwerpunkt auf die Geschichte und Theologie der Reformationszeit, besonders in deren reformierter Überlieferung. Erik Peterson, »der bohrend die Frage nach Gott und seiner Wahrheit im Horizont der Kirche stellte«239, vertrat das Neue Testament und die Alte Kirchengeschichte. Unterstützt wurden die Professoren an der Bonner Fakultät im Sommersemester 1928 durch die Privatdozenten Martin Thilo (Altes Testament), Paul Erfurth (Innere Mission und Wohlfahrtspflege), Johann Wilhelm SchmidtJaping (Religionsphilosophie), Friedrich Horst (Altes Testament), Walter Ruttenbeck (Theologiegeschichte) sowie Hermann Schlingensiepen (Praktische Theologie). 240 »In dieser Lage erkannte das Berliner Ministerium - insbesondere dort der Ministerialdirektor Werner Richter - die Chance,... endlich die schon lange erstrebte personelle wie theologische Erneuerung der Fakultät durchzusetzen.«24' Da in Bonn also gleich drei Ordinariate vakant waren, wurden die folgenden Monate von dem Bemühen der Bonner beherrscht, an dieser reduzierten Fakultät die ausgeschriebenen Stellen zu besetzen. Bei dem traditionell liberal besetzten Lehrstuhl fiir Altes Testament einigte sich die Fakultät am schnellsten — hier wurde zum Sommer-Semester 1929 Gustav Hölscher aus Marburg berufen. 242

6.2. Die Berufung Karl Barths und Karl Ludwig Schmidts nach Bonn Erheblich schwieriger sollte sich jedoch das Berufungsverfahren fur den neutestamentlichen Lehrstuhl gestalten. Nachdem das Preußische Kultusministerium die Stelle zum 1. April 1928 neu eingerichtet und die Haushaltsmittel dafür bereitgestellt hatte, schlug die Fakultät in der ersten Sitzung des Jahres 1928 Erik Peterson als neuen Lehrstuhlinhaber vor - eine Entscheidung, die in Berlin auf völliges Unverständnis stieß, wie aus der Berliner Antwort vom 2. März deutlich wird. 245 2,8

Vgl. auch Faulenbach, Album (s. Anm.44) 232-235.

135

Dembowski, H., Die Evangelisch-Theologische Fakultät zu Bonn in den Jahren 19301935, M E K G R 39,1990, 335-361: 336. Vgl. auch Bizer, Evangelisch-Theologische Fakultät, in: Bonner Gelehrte (s. Anm.152) 227-275; Goeters, J.F.G., Art. Bonn, T R E 7, 1981, 75-79; ders., Karl Barth in Bonn 1930-1935, EvTh 47, 1987,137-150.

140

Vgl. insgesamt zum Personalbestand der Bonner Fakultät: Personal-Verzeichnis fiir das S.-S. 1928 und Vorlesungsverzeichnis für Winter-Semester 1928/29, Bonn 1928.

241

Faulenbach, Album (s. Anm.44) 16. Zu Hölscher vgl. a.a.O. 261-269.

141 143

Abgedruckt bei Bizer, Evangelisch-Theologische Fakultät, in: Bonner Gelehrte (s. Anm.152) 244.

6.2. Die Berufung Karl Barths und Karl Ludwig Schmidts nach Bonn

69

Nach dieser Zurückweisung des Bonner Vorschlages zog sich die Suche nach einer »reifen und allseitig anerkannten Persönlichkeit, der der Ruf des erfolgreichen Dozenten vorausgeht«144 - so das ministeriale Anforderungsprofil - bis in den Juli hin, als in der Fakultätssitzung vom 17. Juli 1928 folgende Liste einstimmig und pari passu beschlossen wurde: der damalige Rektor der Heidelberger Universität, Martin Dibelius, von dem sich die Fakultät ganz besonders eine Aufwertung ihres wissenschaftlichen Rufes versprach, Johannes Behm und Hans Windisch. Berufen wurde Dibelius, der jedoch am 14. November mit der Begründung ablehnte, »daß die dortige fakultätspolitische und kirchliche Situation mit Schwierigkeiten belastet ist, die für den mit den Verhältnissen nicht Vertrauten nicht leicht zu übersehen und erst recht nicht leicht zu überwinden sind.«245 So mußte es erneut - sehr zum Schaden der Fakultät, weil dadurch die Behebung der mißlichen Zustände unnötig verzögert wurde - zu einer zweiten Liste kommen. Im Juni des Jahres 1929 wurden die Namen Bultmann, Lohmeyer, Schmidt und Leipoldt diskutiert, am 3. Juli konkretisierte sich die Liste auf Leipoldt, Lohmeyer, Schrenk und Bultmann; Schmidt wurde nicht berücksichtigt. Doch die in der Fakultätssitzung vom 5. Juli endgültig beschlossene Liste sah wiederum anders aus; das Protokoll vermerkt: »Für die neutestamentliche Professur sollen dem Ministerium pari passu in Vorschlag gebracht werden: Leipoldt, Lohmeyer, Schmidt (Carl Ludwig). An Stelle von Schmidt ist in den Verhandlungen auch Bultmann ernsthaft in Erwägung gezogen (worden).«246 Der Grund fur diesen plötzlichen Stimmungsumschwung zwischen dem 3. und dem 5. Juli ist auf das Drängen Gustav Hölschers zurückzuführen, der entscheidende Impulse für die Erneuerung der Fakultät gab. Hölscher nämlich setzte in seinen eigenen Berliner Berufungsverhandlungen durch, daß, wie Faulenbach notiert, »keiner der vakanten Bonner Lehrstühle gegen seinen Wil144

Ebd.

245

Abgedruckt bei Bizer, Evangelisch-Theologische Fakultät, in: Bonner Gelehrte (s. Anm.152) 244. Im Klartext: »Martin Dibelius hat mir geschrieben, daß er wegen des Bonner Wirrwarrs in Bezug auf die Besetzung der systematischen Professur abgelehnt hätte« (Brief Schmidts an Seeberg vom 8.9.1929, Original im N L Seeberg, BA Koblenz). Im Deißmann-Nachlaß ist ein Schreiben Martin Dibelius', datiert vom 1. Dezember 1928, erhalten geblieben, in dem er seinen der Bonner Fakultät gegenüber ablehnenden Entschluß Deißmann ausfuhrlich begründete (vgl. Anlage 10). Die Bonner suchten nach Ansicht von Martin Dibelius in dieser Phase der Berufungsverhandlungen einen »unpolitischen«, d.h. den unterschiedlichen fakultätspolitischen Interessengruppen freies Spiel lassenden und zugleich hoch renommierten Repräsentanten ihrer Fakultät; ein Konzept, das mit der Ablehnung des Rufes durch Dibelius gescheitert war.

146

Abgedruckt bei Bizer, Evangelisch-Theologische Fakultät, in: Bonner Gelehrte (s.Anm.152) 245.

6. Die Bonner Zeit 1929-1933



len besetzt werden sollte, sofern er selbst nach Bonn gehe.«247 »Zuerst sollte«, so Hölscher in seinen Erinnerungen, »die Besetzung der Neutestamentlichen Professur erledigt werden. Ich war fur den aus Gießen bekannten Karl Ludwig Schmidt, der sich durch seine Schrift >Der Rahmen der Geschichte Jesu (i9i9)< zuerst bekannt gemacht hatte und damals auch Bultmanns, als Nachfolger in Gießen, Interesse hatte und seit 1925 Professor in Jena war.«148 So ist deutlich, weshalb plötzlich Schmidt fur die Besetzung des Neutestamentlichen Lehrstuhls genannt wurde: Die Hölscher im Kultusministerium gegebene Zusicherung, »daß Berufungen nur mit seiner (Hölschers, A.M.) Zustimmung erfolgen sollen«, gab ihm die nötige Rückendeckung, seinen Wunschkandidaten durchzusetzen.149 Dieser Eindruck wird von Ritsehl selbst bestätigt, wenn er feststellt, daß der Vorschlag Schmidt nicht zu umgehen gewesen sei, »obwohl ich und einige andere Kollegen erhebliche Bedenken hatten, da die Auswahl allzu gering war. ... So wurde denn Schmidt unser Kollege.«250 Der Ruf nach Bonn erging am 23. Juli 1929 an Schmidt 151 , der jedoch die Annahme dieses Rufes mit der Diskussion um die Besetzung des Systematischen Lehrstuhls verknüpfte. Die Besetzung dieses Lehrstuhls — der Nachfolge Otto Ritschis - zog sich ebenfalls über viele Monate hin und brachte langwierige und zähe Verhandlungen in der Fakultät mit sich. Schon bei der ersten Liste, die die Fakultät 1928 aufstellte, gingen die Meinungen stark auseinander. Während Georg Wehrung aus Halle von der Fakultätsmehrheit primo loco ernannt wurde, benannte eine Minderheit, die aus Peterson und Goeters bestand, Karl Barth. Als daraufhin das Preußische Kultusministerium den Fakultätsvorschlag ablehnte und eine neue Liste erbat, wurde am 1. August 1929 - nachdem fakultätsintern eine Vielfalt von Namen »so bunt wie sie überhaupt sein kann« 151 genannt wurde, von der Mehrheit folgende Liste beschlossen: 1. Emanuel Hirsch, Göttingen; 2. Georg Wehrung, Halle; 3. Johann Wilhelm Schmidt-Japing, Privatdozent in Bonn. Eine Minderheit, bestehend aus Peterson, Goeters und Hölscher, benannte 1. Barth; 2. Brunner253; 3. Gogarten, wobei sich Goeters an der dritten Stelle der Fakultätsmehrheit anschloß.254 247

Faulenbach, Album (s. Anm.44) 17.

148

Zitiert bei a.a.O. i j f .

249

A.a.O. 18.

250

Zitiert bei Bizer, Evangelisch-Theologische Fakultät, in: Bonner Gelehrte (s. Anm.152) 245.

251

Schreiben des Preuß. Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 23.7.1929, Bestand BA, Nr. 909, Blatt 127, Original im U A Jena.

252

Bizer, Evangelisch-Theologische Fakultät, in: Bonner Gelehrte (s. Anm.152) 247.

2

"

Weiterführende Literatur zu Brunner bei Fischer, Systematische Theologie (s. Anm.32) 18.

2,4

Vgl. zum Berufungsverfahren insg. Bizer, Evangelisch-Theologische Fakultät, in: Bonner Gelehrte (s. Anm.152) 245-248; Goeters, Karl Barth (s. Anm.239) i38f.

6.2. Die Berufung Karl Barths und Karl Ludwig Schmidts nach Bonn

71

Zur Erinnerung: Schmidt erhielt den Ruf am 23. Juli, die Liste für die Besetzung des systematischen Lehrstuhls wurde am 1. August beschlossen. Am 14. September nahm Schmidt den Ruf nach Bonn an, am selben Tag erhielt Barth seinen Ruf aufgrund des Sondervotums.155 Allgemein wird angenommen, Barth sei, ähnlich wie Schmidt, »auf Initiative von Minister... Becker in der Absicht einer durchgreifenden Reorganisation der Fakultät«156 berufen worden. Ritsehl vermutete sogar eine rein politische Entscheidung des Ministers; Barths »sozialistische Neigungen« hätten den Ausschlag gegeben.157 Darüber hinaus empfahl der Kurator der Universität »nach einem Gespräch mit Peterson und Hölscher dem Minister persönlich, Barth wegen seines gewinnenden Wesens und bereits bestehenden kirchlichen Rückhalts im Rheinland den Vorzug zu geben vor Gogarten, den man für Münster ins Auge fassen könne.«158 Alle diese Begründungen mögen bei der Wahl mitgeschwungen haben, der Wunsch nach einer durchgreifenden Reorganisation, politische Motive oder die Begeisterung des Kurators fur Barths charmantes Auftreten159, entscheidend war jedoch etwas ganz anderes: Schmidt nutzte die sieben Wochen vom 23. Juli bis zum 14. September in der ihm eigenen Art und spannte ein vielfaltiges Netz von Kontakten, um seine Wünsche durchsetzen zu können. Sein Talent fiir Fakultätspolitik hatte er schon in Jena zur Genüge bewiesen, unschlagbar wurde »der große Manager«160, wenn es um die Durchsetzung persönlicher Interessen ging. Ritsehl berichtet in seiner Autobiogra-

2

"

»Vor einer Woche«, so Schmidt am 21.9.1929 in einem Brief an Hans Emil Weber, »bin ich noch einmal in Berlin gewesen, und als mir auf dem Preußischen Ministerium gesagt wurde, Barth habe den Ruf nach Bonn erhalten, habe ich sofort zugesagt« (Kopie des Schreibens im N L Peterson, UA Turin). Barths Ernennung zum 1. April 1930 wurde dann am 26. Oktober ausgesprochen (Goeters, Karl Barth [s. Anm.239] 139); Barths Eintrag ins Album Professorum bei Faulenbach, Album (s. Anm.44) 273276.

2,6

Goeters, Karl Barth (s. Anm.239) I39-

257

Bizer, Evangelisch-Theologische Fakultät, in: Bonner Gelehrte (s. Anm.152) 248. Zu Becker vgl. auch E. Wende, C.H. Becker. Mensch und Politiker, Stuttgart 1959. Goeters, Karl Barth (s. Anm.239) '39·

2,8 259

Die Sympathie des Kurators fur Barth wurde nach Ansicht Schmidts entscheidend durch Gustav Hölscher verursacht: »Uebrigens habe ich mit meiner Vermutung, daß Hölscher bei Becker noch einen besonderen Schritt getan hat, Recht gehabt: er hat im entscheidenen Augenblick mit dem Bonner Kurator Dr. Proske ... vereinbart, daß er einen persönlichen Schritt fur Barth bei Becker tue, und der Kurator hat das persönlich in Berlin besorgt« (Brief an Gogarten vom 8.11.1929, Original im N L Gogarten, Göttingen).

260

So Thurneysens Urteil über Schmidt vom 26.9.1929, also kurz nach Abschluß der Berufungsverhandlungen formuliert; vgl. Barth - Thurneysen, Briefwechsel (s. Anm.172) 675.

72

6. Die Bonner Zeit 1929-1933

phie, man habe später in Bonn erzählt, »Schmidt habe den Ruf hierher [nur] unter der Bedingung angenommen, daß Barth Nachfolger [Ritschis] werden solle.«161 Auch wenn dieses Diktum Ritschis in seiner Einseitigkeit so nicht richtig ist und der Gang der Verhandlungen doch verwickelter war, erkannte er doch etwas Wesentliches: Schmidt war die treibende Kraft in der Besetzung dieses systematischen Lehrstuhls. 262 Schmidts Verhandlungsziel war es, daß Barth nach Bonn berufen werden und Friedrich Gogarten in Münster dessen Platz einnehmen sollte. Falls Barth ablehnte, mußte nach Schmidts Vorstellungen Gogarten nach Bonn geholt werden. 26 ' Dieses Ziel wurde von Schmidt nie offen ausgesprochen; er wußte seine wahren Absichten gut zu verschleiern. Schmidt suchte in den Berufungsgesprächen dadurch Gogarten eine gute Ausgangsbasis fiir Münster zu verschaffen, indem er Gogarten von sich aus als aussichtsreichen Kandidaten für Bonn ins Spiel brachte 164 , seinen »Vorschlag« jedoch umgehend zugunsten Barths zurückzog — verbunden mit der Forderung, daß Gogarten als Ausgleich fur diesen »Verzicht« Schmidts den Ruf nach Münster erhalten müsse. In den zahlreichen Gesprächen bewies »der große Manager« hohes Verhandlungsgeschick,

261

161

Abgedruckt in: Bizer, Evangelisch-Theologische Fakultät, in: Bonner Gelehrte (s. Anm.152) 248. Anders Nichtweiß, Peterson (s. Anm.233) 521. Sie behauptet, Peterson sei »also in der Tat die >treibende Kraft< (hier nimmt Nichtweiß ein Votum von Goeters, Karl Barth [s. Anm.239] 138 auf) gewesen für die Berufung Barths nach Bonn«. Nichtweiß trifft nicht völlig die Problemlage. Zwar war Peterson die »treibende Kraft« für die Berufung Barths, doch nicht in den entscheidenden Wochen des Spätsommers und Frühherbst 1929 — Goeters' Diktum bezieht sich allein auf die Verhandlungen des Jahres 1928. Petersons Einfluß in den Verhandlungen des Jahres 1929 hingegen war gering. Dies deutet Nichtweiß selbst an, wenn sie die Verquickung der Ritschl-Nachfolge mit der Diskussion um die Wiederbesetzung des Neutestamentlichen Lehrstuhles als »in einer für Peterson unglücklichen Weise« bezeichnet, Peterson »zutiefst erbittert« (ebd.) über diese Verknüpfung reagierte. Genau dies war jedoch Schmidts entscheidender und letztlich erfolgreicher Ansatzpunkt.

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Anders Nichtweiß, a.a.O. 523^ unter Berufung auf das Schreiben Schmidts an Seeberg vom 8.9.1929: »Schmidt persönlich hätte Gogarten bevorzugt, da er in Jena schon mehrere Jahre fruchtbar mit ihm zusammengearbeitet hatte und ihm endlich eine Berufung gönnte, gab aber schließlich Petersons und Hölschers Drängen auf Karl Barth nach«. Genau diesen Eindruck suchte Schmidt in seinen Verhandlungen zu erwecken - und ließ sich dieses Nachgeben mit einem Lehrstuhl fiir Gogarten in Münster »bezahlen«.

164

Schmidt wußte in diesem Pokerspiel genau, daß Gogarten in der Wahl vom 1. August nur auf Platz 3 der Minderheitenliste gesetzt wurde, Ministerialdirektor Richter hingegen sich Gogarten in Bonn wünschte - um so wichtiger war Schmidt der scheinbare Kampf fiir die Berufung Gogartens nach Bonn.

6.2. Die Berufung Karl Barths und Karl Ludwig Schmidts nach Bonn

73

politischen Instinkt und die Fähigkeit, die unterschiedlichen Interessen gegeneinander auszuspielen; die Strategie, die er hierbei verwendete, zeichnete sich durch Geschmeidigkeit sowie ultimative Härte aus. In der Woche nach dem 23. Juli hielt sich Schmidt in Bonn auf, um Gespräche mit den Bonner Professoren zu fuhren und die personalpolitische Interessenlage vor Ort zu sondieren. In diesen Gesprächen stellte er fest, daß niemand in Bonn den von Minister Becker bevorzugten Wilhelm Koepp wünschte. Dies machte Schmidt am 29. Juli in Berlin Ministerialdirektor Richter sehr deutlich und verwies zugleich auf seine Ziele: »Meine Basis (in der Verhandlung mit Richter, A.M.) war die: ich wußte, daß Hölscher, Peterson und Goeters sich auf eine Liste Barth und E. Brunner einigen würden; was die anderen Bonner wollten, war unklar. Ich habe Richter alles mir bekannte Material vorgetragen und dabei die mich sehr erfreuende Feststellung gemacht, daß Richter mehr für Gogarten als für Barth zu haben war, da er Barth nicht von Münster wegnehmen möchte. Sofort nach dem Gespräch mit Richter habe ich mir folgende Notizen gemacht: >Ich sagte Richter, daß ich meine persönlichen Wünsche in Bezug auf Gogarten, die allerdings letztlich sachlich seien, in meinen Gesprächen mit Hölscher und Peterson zu Gunsten von Barth und Brunner zurückgestellt hätte ... Richter hat gegen diese Liste nichts einzuwenden. Er befürchtet nur, daß Brunner die Schweiz nicht verlassen wollte. Bei Barth befürchtet er dasselbe für Münster. Vor allem aber meinte er, daß die gerade durch Barth reorganisierte Münsterer Fakultät Barth nicht verlieren dürfe. Ich entgegnete, daß ja gerade Gogarten besser nach Münster passe, daß er ja auch schon einmal dort auf einer Liste gestanden habe... Trotzdem hält Richter die Kandidatur Gogarten (in Bonn) für geeigneter. Er werde sich dafür einsetzen - trotz aller Bedenken, die man gegen Gogartens >Intoleranz< haben könnte. An sich könne das Ministerium Gogarten von sich aus berufen. Es sei aber besser, wenn wenigstens auf einem Seperatvotum der Bonner Fakultät Gogarten genannt werde... Ich entgegnete Richter, daß ich... aus sachlichen Gründen an der Kandidatur Barth festhalten müsse: ich wolle jedenfalls auf Barth einzuwirken versuchen, daß er einen Ruf nach Bonn nicht ablehnen dürfe.« 16 ' Dieses Gespräch im Kultusministerium schaffte wesentliche Grundlagen der späteren ministeriellen Entscheidung zugunsten des Sondervotums für Barth. Bei gleichzeitiger Ablehnung des Vorschlages Koepp eröffneten sich Schmidt

165

Brief an E. Seeberg vom 8.9.1929, Original im N L Seeberg, BA Koblenz. Erich Seeberg war zu der Zeit einflußreicher Berater im Preußischen Kultusministerium und machte sich wie Becker für Koepp stark

6. Die Bonner Zeit 1929-1933

74

alle Möglichkeiten: Er sah die beste Lösung darin, »daß Barth den Ruf erhält und annimmt, und daß, wenn er wider Erwarten ablehnen sollte, Gogarten den Ruf erhält. Außerdem habe ich Herrn Ministerialdirektor Richter gegenüber keinen Hehl daraus gemacht, daß ich es aus sachlichen, für die Theologie geradezu entscheidenen Gründen auf die Dauer fur untragbar halte, Gogarten zu übergehen. Deshalb möchte ich erneut dafür plädieren, daß Gogarten, wenn Barth nach Bonn kommen sollte, nach Münster berufen wird.« 266 Schmidt verknüpfte auch gegenüber dem preußischen Kultusministerium die Annahme seines Rufes mit der Diskussion um die Besetzung des systematischen Lehrstuhls; ein Anliegen, für das er auch die Unterstützung des Kultusministeriums fand. Ein wesendiches Ergebnis dieses Gespräches mit Richter war nämlich, daß Schmidt aus dem Ministerium die Bonner Vorschlagslisten erhielt und sich so umgehend im Kultusministerium zu den Vorschlägen äußern konnte. 267 Diesen wichtigen Vorteil nutzte Schmidt sofort; kurz nach der Bonner Mehrheitsentscheidung fur Hirsch teilte Schmidt dem Kultusministerium sein Mißfallen über diese Entscheidung mit: »So sehr ich Hirsch-Göttingen und Wehrung-Halle schätze und ihre Gewinnung fur einen wesentlichen Fakultätsgewinn halten möchte, so muß ich zunächst einmal bezweifeln, ob die beiden genannten Kollegen überhaupt zu gewinnen sind, ferner ob gerade Wehrung in die schwierigen Bonner Verhältnisse hineinpaßt, und schließlich ob es tunlich ist, Hirsch aus dem Fach der von ihm so glänzend vertretenen Kirchengeschichte herauszunehmen. Ausdrücklich aber möchte ich mich mit den Herren Goeters, Hölscher und Peterson in Bezug auf Barth-Münster und Brunner-Zürich und mit den Herren Hölscher und Peterson in Bezug auf Gogarten solidarisch erklä-

256

Ebd.

267

Vgl. auch das Schreiben Schmidts vom 28.8.1929 an den Oberregierungsrat Dr. v. Staa vom preuß. Kultusministerium: »Am 9. d. Monats (d.i. der 9. August, A.M.) haben Sie mir mitgeteilt, daß die Vorschläge der Bonner Evangelisch-Theologischen Fakultät fur die Neubesetzung der systematischen Professur noch nicht eingegangen seien. Sollten sie inzwischen eingegangen sein, so bitte ich ergebenst, mich unterrichten zu wollen. Wie ich Ihnen am j.d.M. mitgeteilt habe, ist am 29. Juli d.J. zwischen Herrn Ministerialdirektor Dr. Richter und mir vereinbart worden, daß mir die Vorschläge der Bonner Evangelisch-Theologischen Fakultät für die Neubesetzung der systematischen Professur geschickt werden, damit ich mich zu ihnen äußern kann« (Kopie im N L Peterson, UA Turin).

168

Staa ist diesem Wunsch Schmidts nachgekommen: »Nach einer Vereinbarung mit Herrn Ministerialdirektor Richter sind mir die Bonner Vorschlagslisten fur die Neubesetzung der systematischen Professur mitgeteilt worden«, so Schmidt an H.E. Weber am 21.9.1929 (Kopie im N L Peterson, UA Turin). So Schmidt vermutlich an Richter, Zitat dieses Schreibens in dem Brief an Weber vom 21.9.1929 (Kopie im N L Peterson, UA Turin).

6.2. Die Berufung Karl Barths und Karl Ludwig Schmidts nach Bonn

75

Die Mehrheitsentscheidung der Bonner Fakultät zugunsten Hirschs verschob die Situation und erforderte eine härtere Gangart in der Verhandlung - Schmidt schaltete um auf eine »Ultimationspolitik«, wie er es nannte. Dabei kam ihm die Erklärung der Thüringischen Regierung entgegen, die ihm fur den Fall des Verbleibens in Jena nicht nur ein höheres Grundgehalt und eine zweite Orientreise bewilligte, sondern auch die »>Erhöhung der Lehrbeauftragung für den Pfarrer und Privatdozenten D. Gogarten von 40 auf 70 v.H. der Anfangsstufe 2b (4400 RM)< ... Für den Fall, daß ich in Jena bleibe, ist ferner in Ausicht genommen, daß ... fur D. Gogarten über den genannten Lehrauftrag hinaus eine persönliche Professur eingerichtet wird ... Für Jena habe ich in Bezug auf die Besetzung des systematischen Faches den Spatz in der Hand, für Bonn nur die Taube auf dem Dach.« 169 Mit diesen Angeboten im Rücken eröffnete Schmidt dem Kultusministerium ein zweifaches »Entweder — Oder«: 1. »Wenn Koepp der Bonner Fakultät aufgedrängt werden sollte, ... dann kann ich dem nur in der Weise Rechnung tragen, daß ich in Jena bleibe.«270 2. Barth bzw. Gogarten muß nach Bonn berufen werden, da Schmidt ansonsten in Jena bleiben würde. An Gogarten schrieb Schmidt: »Sie wissen, daß Richter am liebsten Barth in Münster gelassen und Sie sofort nach Bonn berufen hätte. Aber ich habe nicht verhindern können, daß Hölscher (und wohl auch Peterson) verschiedene Male an Richter und auch an Becker geschrieben haben, Barth müsse nach Bonn. Wenn ich nun meinerseits Barth für Bonn abgelehnt hätte, so hätte ich mich nicht geniert, in der von mir geübten >Ultimationspolitik< Barth abzulehnen und zu sagen: >Ich komme nur dann nach Bonn, wenn Gogarten berufen wird!« 27 ' Dadurch stellte er das Kultusministerium vor eine ultimative Entscheidung. Mit Blick auf die Ablehnung von Dibelius warnte Schmidt den im Kultusministerium einflußreichen Kirchengeschichtler Erich Seeberg in seiner Funktion »als Berater des Ministeriums«: »Soll ich gezwungen sein, dasselbe zu tun? Jedenfalls kann es für die preußische Regierung nicht erfreulich sein, wenn ich jetzt trotz des wirklich guten Angebotes auch noch ablehne. Neben mir stehen noch Leipoldt und Loh-

169

Kopie eines Briefes vom 3.9.1929 an Windelband, N L Seeberg, BA Koblenz.

170

Brief an E. Seeberg vom 8.9.1929, Original im N L Seeberg, BA Koblenz. Ein Gedanke, der Schmidt alles andere als unsympathisch war. Im gleichen Brief malte er sich seine Zukunft in Jena aus: »Ich würde mir dann in Jena ein schönes Haus bauen, im nächsten Jahr Rektor der Universität sein und gerne meine hoffentlich zahlreichen Lebensjahre in Jena beschließen.« Brief an Gogarten vom 22.9.1929, Original im N L Gogarten, Göttingen.

171

76

6. Die Bonner Zeit 1929-1933 meyer auf der Liste. Leipoldt dürfte der Bonner Aufgabe nicht gewachsen sein. Und über Lohmeyer haben Sie geschrieben: >De facto handelt es sich ja nur um Sie oder Lohmeyer. Daß dann besser Sie in die verfahrenen Verhältnisse passen als der rezeptive Aesthet Lohmeyer, ist mir zweifellose Ich will einmal dieses für Lohmeyer wohl doch zu scharfe Urteil als richtig unterstellen: welchen Plan haben Sie für Bonn, wenn ich wegen Koepp den Ruf ablehne? Daß ich um der mir wichtigen Arbeit willen zu finanziellen Opfern bereit bin, habe ich oben schon ausgeführt.... Und in meinem Fall liegt schließlich kein Verzicht vor, da die Thüringische Regierung mir denkbar entgegen gekommen ist . . λ 7 1

Die Briefe und Gespräche Schmidts hatten Erfolg. A m 14. September erhielt Barth aufgrund der Sonderliste, entgegen dem Wunsch der Fakultätsmehrheit, den Ruf nach Bonn; am selben T a g nahm Karl Ludwig Schmidt seinen Ruf vom 23. Juli an. 1 7 3 Damit wurde Schmidt mit Wirkung vom 1. November 1929 als ordentlicher Professor fur Neues Testament und Direktor des Evangelischen Seminars berufen; zu seinem Assistenten wurde für die Dauer eines Jahres stud, theol. Adolf Macholz ernannt. 174

6.3. Sorge um Gogarten M i t der Annahme dieses Rufes zum 1. November 1929 nach Bonn stand Schmidt nun bei Gogarten in der Pflicht, der in Jena einen Lehrstuhl erhalten hätte, wenn Schmidt dem Bonner Ruf gegenüber standhaft geblieben wäre. In den folgenden Tagen bemühte sich Schmidt darum, Gogarten Zuversicht für die Verhandlungen in Münster zu vermitteln und zugleich Barth davon zu überzeugen, daß Gogarten sein Nachfolger in Münster werden müßte. Nachdem der erste Teil des Planes - Barth den Bonner Ruf zu beschaffen — geglückt war, sollte nun der zweite Teil in die Wirklichkeit umgesetzt werden: Gogarten mußte nach Münster berufen werden.

272

Brief an E. Seeberg vom 8.9.1929, Original im N L Seeberg, BA Koblenz.

273

Schreiben Schmidts an den Rektor der Universität Jena, Prof. v. Zahn, vom 14.9.1929, Bestand BA, Nr. 909, Blatt 128, Original im UA Jena. Karl Ludwig Schmidt war über den an Barth ergehenden Ruf hocherfreut: »Ich bin stolz darauf, daß es mir gelungen ist, eine Minderheitenliste durchzudrücken, an deren Stelle Barth gestanden hat« (Schreiben an Gogarten vom 22.9.1929, N L Gogarten, Göttingen).

274

Schreiben des Preußischen Ministers fur Wissenschaft, Kunst und Volksbildung UI Nr. 17482.1 vom 15.10.1929 (Original des Ernennungsschreibens in der Personalakte K.L.S., 10.19, UA Bonn).

6.3· Sorge um Gogarten

77

»Ich darf Ihnen versichern«, schrieb Schmidt am 22. September 1929 an Gogarten, »daß ich in meiner Berufungssache das Menschenmögliche für Sie getan habe und weiter das Menschenmögliche für Sie tun werde. An sich könnte ich, wenn es sich jetzt nur um Barth handelte, das Nötige schriftlich erledigen. Aber allein um Ihretwegen fahre ich für mein eigenes Geld nach Berlin, nachdem ich Barth sofort geantwortet habe: >Ich bin herzlich froh, daß Sie grundsätzlich entschlossen sind, den Ruf nach Bonn anzunehmen. Ich habe den bestimmten Eindruck, daß Sie für Bonn gerade der richtige Mann sind. Für Gogarten habe ich die gute Zuversicht, daß er der richtige Mann für Münster ist und daß er dorthin berufen wird, wenn Sie sich für ihn mit allen Kräften einsetzend Ich muß nun mit Barth genau durchsprechen, wie er jetzt vorgehen muß.«275 Doch schon in diesen Tagen befürchtete Schmidt ein nur halbherziges Vorgehen Barths fur Gogarten. »Wie die Sache liegt, mögen Sie ersehen aus einem Passus, den ich jetzt an Bultmann geschrieben habe: >Leider ist immer wieder eins betrüblich: Barth glaubt nicht, daß er Gogarten in Münster durchdrücken werde. Soll ich eigentlich auf die Dauer der einzige sein, der fur Gogarten etwas Reales durchsetzt?Alter Marburger< 1983-1984, Berlin 1984,10-15; Literatur bei Fischer, Systematische Theologie (s. Anm.32) 171.

316

Zu Kähler vgl. Hermann, R., Art. Kahler, Martin, RGG 3 3,1959, io8iff.; Kantzenbach, Programme der Theologie (s. Anm.27) 120-126.

3,7

S. auch Luck, U., Art. Adolf Schlatter, RGG 3 5, 1961, i42of.; Literatur bei Fischer, Systematische Theologie (s. Anm.32) 6ji.

318

Bizer, Evangelisch-Theologische Fakultät, in: Bonner Gelehrte (s. Anm.152) 254.

3,9

»Am Samstag abend ist regelmäßig bei Barth, der nicht gerne seinen Bau verläßt, ein zwangloser Austausch bei Bier, Pfeife und Zigarren. Teilnehmer sind: Wolf, SchmidtJaping, Lieb, Fuchs und ich. Ich bin verhältnismäßig selten da. Gestern aber hatten Barth, Lieb, Fuchs und ich eine Debatte von gut drei Stunden über das Wunder im allgemeinen und über die Jungfrauengeburt im besonderen. Ich nenne das nur als exemplum« (Brief Schmidts an Erich Seeberg vom 23.10.1932, Original im N L Seeberg, BA Koblenz).

88

6. Die Bonner Zeit 1929-1933

aktivitäten nach.320 Besonders schnell knüpfte Schmidt mit Barth und Hölscher freundschaftliche Bande, begegnete aber auch Weber und Goeters angesichts ihrer theologischen Leistung mit großem Respekt. Mit Karl Barth bildete sich in der täglichen Zusammenarbeit allmählich eine feste Freundschaft heraus. Die beiden mochten sich; sie schätzten aneinander ihre persönlichen Eigenarten, Fähigkeiten und politischen Grundüberzeugungen. Schmidt teilte Barths theologische Grundentscheidungen und nahm an Barths in Bonn entstandenen Prolegomena zur Kirchlichen Oogmatik regen Anteil. Doch blieb das theologische Verhältnis der beiden nicht ohne Spannungen. Die sich schon in den zwanziger Jahren andeutende exegetische Eigenständigkeit von Schmidt brachte ihm von Seiten der Bonner Barth-Schüler den Vorwurf ein, eigentlich kein Theologe, sondern Philologe zu sein.311 Dieses grundlegende Problem zwischen Schmidt und Barth konnte niemals endgültig geklärt werden, die theologische Spannung blieb bestehen. Der sich herauskristallisierende modus vivendi bestand in dem gemeinsamen Arbeiten an dem gemeinsamen theologischen Ziel bei gegenseitiger Respektierung der unterschiedlichen Ansätze; Barth wurde für Schmidt der unentbehrliche Ratgeber in dogmatischen Spezialfragen, Schmidt für Barth zur entscheidenden exegetisch-philologischen Instanz. Besondere Freude hatte Schmidt an seinen jungen Kollegen Lieb, Wolf und Fuchs322, die er nach Kräften zu fördern suchte. Der Förderung junger Theologen hatte sich Schmidt schon in der Gießener und Jenaer Zeit verschrieben. Er sah es als seine Pflicht an, dem theologischen Nachwuchs ein präzises exegetisches Handwerkszeug an die Hand zu geben, damit auch in Zukunft in Theologie und Kirche auf die Herausforderungen der Gegenwart exegetisch richtige, biblisch angemessene Antworten gegeben werden können. Wesentlicher Nebeneffekt fur Schmidt: Aus den von ihm geförderten Theologen rekrutierten sich zahlreiche Mitarbeiter fur die Theologischen Blätter.

320

Vgl. die beiden Briefe Schmidts vom 27.12.19932 und 2.1.1933 an Hölscher, abgedruckt bei: Dembowski, Die Evangelisch-Theologische Fakultät zu Bonn (s. Anm.239) 348. Gesprächsnotiz H. Traub vom 19.2.1993. I n einem Brief an den Bonner Barth-Schüler Hellmut Traub ging Schmidt am 7. August 1932 auf diesen Vorwurf ein; vgl. Anlage

15· Im Urteil der Bonner Studenten bildeten in der Bonner Fakultät vor 1933 Barth, Schmidt, Lieb, Fuchs und Wolf eine gemeinsame theologische und politische »Fraktion«, wie sich Hellmut Traub erinnert: »Hölscher war uns allen menschlich in höchsten Maßen lieb und man konnte ihn nur hoch verehren; zumal er ein eminenter Könner war. Nur eben: er passte uns nicht in die theologische Landschaft, freilich völlig in die menschlich-politische.... Goeters wie Weber hielten sich zurück, ersterer war sich noch garnicht klar, wohin er gehörte. Klingemann und Pfennigsdorf waren brutal deutsch-national und für uns theologisches Jenseits; Schmidt-Japing war >FeindStadtgarten< dazu kommt auch der alte König, den ich bis jetzt noch nicht gesehen habe. ... Oefters bin ich mit Hölscher zusammen, der sich ganz besonders auf die Aussprache freut, die er mit Ihnen haben möchte, und der deshalb bedauert, daß wir nun alle beide beinahe nach Godesberg unsre Wohnung verlegt haben ... Sie lesen also schon um 7 Uhr vorm. (im Sommersemester 1930, A.M.) Ich wollte mich um 8 Uhr anschließen. Aber nun wird's so, daß ich M o Di D o Fr um 7 Uhr Synoptiker und um 8 Uhr Einleitung ins N . T . lese. Die Wahl der Frühstunde macht in dem offenbar mehr gemütlichen Rheinland einen geradezu revolutionären Eindruck.«333

Brief an Gogarten vom 14.5.1930, Original im N L Gogarten, Göttingen. Brief an Gogarten vom 14.5.1930, Original im N L Gogarten, Göttingen. Brief vom 6.12.1929, Original im KBA, Basel.

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6. Die Bonner Zeit 1929-1933

Schmidt nahm mit Beginn des Wintersemesters 1929/30 ein großes Arbeitspensum an der Bonner Universität auf sich — neben seiner zeitaufwendigen Tätigkeit als verantwortlicher Schriftleiter der Theologischen Blätter. Diese zeitliche Belastung war für Schmidt aber kein Hinderungsgrund, auch noch verantwordicher Redakteur fur die ebenfalls im Hinrichs'schen Verlag erscheinenden »Theologische Literaturzeitung« werden zu wollen, deren verantwortlicher Schriftleiter Emanuel Hirsch 1930 diese Funktion abgeben wollte. Von Harnack, dem Begründer der ThLZ, als Nachfolger Hirschs vorgeschlagen, traf Schmidt Ende März 1930 mit dem Beirat der ThLZ in Leipzig zusammen, wo es zu harten Verhandlungen um die Nachfolge Hirschs kam. Lietzmann und Hirsch, die auf jeden Fall Schmidts »Übernahme« der ThLZ verhindern wollten, schlugen Günther Bornkamm als Gegenkandidaten vor und machten den Einwand geltend, niemand könne gleichzeitig Schriftleiter von zwei Zeitungen sein. Diesem Einwand beugte sich Schmidt nach langen Diskussionen und stimmte dem »Kompromißvorschlag« - Walter Bauer - zu, natürlich nicht, ohne diese Zustimmung mit großen Vergünstigungen für die Theologischen Blätter erkauft zu haben. Von dem Gespräch erhielt Gogarten umgehend einen zusammenfassenden Bericht: »Für die ThBl ist aber etwas sehr Gutes aus dem ganzen Wirrwarr herausgekommen: nachdem schon vor Jahresfrist die ThBl ohne Verteuerung ihren Jahresumfang von 288 Spalten auf 320 Spalten gebracht haben, soll nunmehr, wiederum ohne Verteuerung, der Jahresumfang 368 Spalten betragen. Das ist ein sehr schönes Ergebnis meiner Verhandlungen, die ich jetzt mit Rost in Leipzig geführt habe. Wirklich lustig ist, daß ich das alles dem Terrorismus des Hirsch-Lietzmann-Konzerns zu verdanken habe, der meine >Hintermänner< (Anspielung auf den von Hirsch vorgebrachten Verdacht, hinter dem Übernahmewunsch Schmidts steckten >Hintermänner< und dies sei in erster Linie Gogarten, A.M.) fxir unerträglich hält.«334

Die Formulierung »Terrorismus des Hirsch-Lietzmann-Konzerns« offenbart das nunmehr völlig zerrüttete Verhältnis zwischen Schmidt und Hirsch, aber auch Lietzmann. Sie nimmt die scharfe Reaktion Schmidts auf die HirschAlthaus-Erklärung »Evangelische Kirche und Völkerverständigung« von 1931 vorweg und ist vor dem Hintergrund des gespannten Verhältnisses zwischen Hirsch und Schmidt zu sehen. Schmidts Bonner Lehrveranstaltungen, in denen er die ganze Breite seiner theologischen Neigungen und Fähigkeiten aufzeigte, umfaßten in jedem Semester regelmäßig ein Seminar, meist zwei Vorlesungen und eine Neutestamentliche Sozietät. Ab WS 1930/31 wurde in der Verantwortung Schmidts auch ein

Brief an Gogarten vom 5.4.1930, Original im N L Gogarten, Göttingen.

6.8. »Wirre und dunkle Zeitläufe«

93

Proseminar durchgeführt. Neben forschungs- und religionsgeschichdichen Fragestellungen sowie Einleitungsfragen nahm Schmidt in diesen Veranstaltungen Aspekte johanneischer Theologie auf, beschäftigte sich mit den Synoptikern, dem Römerbrief, dem Galaterbrief, den Korintherbriefen, dem Hebräerbrief sowie den Pastoralbriefen und ging auf die Probleme »Reich Gottes« und »Christologie« ein. Ein besonderer Schwerpunkt lag in seinem Bemühen um eine Biblische Theologie, der er sich in zwei großen Vorlesungen im WS 1931/32 und WS 1932/33 näherte. Daneben ist - als Reflex seiner Arbeit am Theologischen Wörterbuch - die neutestamendiche Sozietät über »Das Wörterbuch des Neuen Testaments« vom Sommersemester 1931 hervorzuheben. Wichtig ist auch seine einstündige Vorlesung flir Hörer aller Fakultäten des Sommersemesters 1932 über »Urchristentum, Judentum, Griechentum«, die seine in späteren Jahren zentrale Beschäftigung mit dem Problemkreis »Kirche und Judentum« einleiten sollte.335

6.8. »Wirre und dunkle Zeitläufe« Anfang 1930 stand Schmidt, knapp vierzig Jahre alt, auf der Höhe seiner Schaffenskraft und gewann einen bis dahin unerreichten Einfluß. Kein Gerücht, das er überhörte und nicht kommentierte, keine wichtige Stellenbesetzung, zu der er einen Ratschlag zu erteilen vergaß, kein Ereignis in Kirche und Theologie, das er übersah. Schmidts Stellung war umstritten, aber bis dahin nicht ernsthaft angreifbar - ein anerkannter Neutestamender, Ratgeber in zahllosen Berufungsfragen, Schriftleiter einer der einflußreichsten theologischen Zeitschriften zur Zeit der Weimarer Republik. Fest von sich selbst überzeugt, trotzte er allen Problemen und Ränkespielen in der unbeirrten Überzeugung, die entscheidenden Fäden beinahe jeder Intrige fest kontrollierend in seinen Händen zu halten. Dies war sein erster schwerer Fehler. Schmidt verlor in diesen Monaten in dem an Überheblichkeit grenzendem Gefühl, jeder Situation gewachsen zu sein, seine Bescheidenheit und maßvolle Selbsteinschätzung. Erst 1937 - mit dem erzwungenen Verlust der Theologischen Blätter- wich dieser Ton aus Schmidts Briefen, und zwar um den Preis einer tiefen Identitätskrise. Dabei leiteten ihn durchaus ehrenwerte Motive. Der sich auf ihre biblischen Grundlagen wissenschaftlich besinnenden Theologie mußte in Universität und Kirche Gehör verschafft werden; ein Ziel, fur das Schmidt stets vehement eintrat. Schmidts Fehleinschätzungen sollten jedoch nicht nur die Umsetzung die-

Alle Angaben Uber die Veranstaltungen vom SS 1930 bis SS 1933 sind dem amtlichen »Verzeichnis der Vorlesungen«, Bonn 1930-1933, entnommen.

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6. Die Bonner Zeit 1929-1933

ses Zieles schwer belasten, sondern sich zugleich auch auf sein persönliches Schicksal verhängnisvoll auswirken. Zum einen schien Schmidt - bei seinem politischen Interesse völlig unbegreiflich - ab 1928 bis zur Septemberwahl im Jahre 1930 die politische Szene zu ignorieren und auch nicht die Gefahren, die in einer deutsch-völkischen Theologie lagen, zu beachten. Dies ist das eigentlich Erstaunliche. Ein durch und durch politischer Mensch wie Schmidt »nahm« sich zwei politikfreie Jahre und verkannte die Gefahren, die durch die deutschchristlichen bzw. völkischen Gruppierungen der Kirche drohten. Schmidt registrierte zwar die völkische Theologie und die deutsch-christlichen Gruppierungen sehr genau, vermochte jedoch diese Bewegungen und die hinter diesen Gruppierungen stehende Geisteshaltung nicht mit der allgemeinen politischen Einstellung der Wähler im Deutschen Reich in Verbindung zu bringen. So unterschätzte Schmidt völlig die in diesen Bewegungen liegende politische und theologische Sprengkraft, die sich dann mit voller Wucht zu entfalten droht, wenn das allgemeinpolitische Klima zugunsten einer »deutschen Politik« umschlägt, wie es dann auch 1933 tatsächlich geschah. Doch Schmidt war nicht der einzige, der diesen Fehler beging. Eine Umfrage des Präsidenten des Kirchenausschusses der D E K , Hermann Kapier, bei den einzelnen Landeskirchen anläßlich der Reichstagswahl im Mai 1928, wie sich in den Landeskirchen die völkische Bewegung entwickelt habe, ergab, daß in keiner Landeskirche der völkischen Bewegung besondere Bedeutung zugemessen wurde. Auch kirchlicherseits sah man nicht die Gefahr, die in der wechselseitigen Beziehung von völkischer Bewegung und »nationaler Politik« lagen. Die kirchliche Front Ende der zwanziger Jahre verlief, wie Scholder zu Recht feststellt, »nicht... zwischen moderner politischer Theologie auf der einen und traditioneller kirchlicher oder liberaler Theologie auf der anderen Seite, sondern ... sie verlief zwischen konservativem Landeskirchentum und der Theologie des Wortes Gotttes«" 6 . Wahrscheinlich hielt Schmidt nach der Reichstagswahl vom Mai 1928, bei der die N S D A P auf 2,6% der abgegebenen Stimmen absackte, die politische Situation fur so gefestigt, daß er die deutsch-christliche Theologie fur ein Gespenst hielt, welches bald von selbst verschwinden werde - eine Fehleinschätzung, wie wir heute wissen. Er wurde von dem Ergebnis der Reichstagwahl 1930, bei der die Nationalsozialisten schlagartig ihre Mandate verachtfachten und nach der SPD zweitstärkste politische Gruppierung im Reichstag wurde, überrascht, erkannte aber von diesem Tage an deutlich die Beziehungen zwischen der Tagespolitik und den Vorgängen in Theologie und Kirche.

Scholder, Die Kirchen 1 (s. Anm.79) 153; insg. 151-159; Meier, K „ Der evangelische Kirchenkampf 1, Göttingen 1 i984, 3-47; Nowak, Geschichte (s.Anm.44) 235-242.

6.8. »Wirre und dunkle Zeitläufe«

95

»Am 14. September«, schrieb er am 21. September 1930 an Friedrich Gogarten nach Jena, » - ich bin an diesem Tage zusammen mit Lieb auf 2400 Μ. Höhe im Nebel der Schweizer Berge herumgekraxelt - ist das liberale und das konservative Bürgertum zerrieben worden. Hugenberg als der Schrittmacher Hiders hat sogar noch am besten abgeschnitten. Daß wir in Deutschland noch ein Minimum von Autorität haben und so noch essen, schlafen, denken können, liegt jetzt allein beim katholischen Zentrum und bei der freidenkerisch verseuchten Sozialdemokratie, die glücklicherweise weniger als je die kommunistische Ideologie mitmacht und auf Dauer das einzige Bollwerk gegen die noch schlimmere nationalsozialistische Ideologie darstellt.«337

Der andere Fehler Schmidts war eine permanente Fehleinschätzung der Reaktionen der Fachkollegen auf seine oftmals schonungslos vorgetragene Sachkritik. Obwohl im persönlichen Gespräch äußerst liebenswürdig, bildete sich durch Schmidts gefurchtete öffentliche Voten und Kommentierungen eine starke Gegnerschaft, die sich durch seine Anmerkungen und Kritik nur zu oft persönlich getroffen fühlte. Diese Gegnerschaft wurde für Schmidt dadurch gefährlich, daß sie ihrerseits einflußreich war und aus einer Mischung von theologischer Sachkritik und persönlicher Antipathie Schmidt gegenüber - wobei im Einzelfall die Zuordnung dieser beiden Größen unterschiedlich war - gegen Schmidt vorging. Dieser Kreis sollte Schmidts Sturz betreiben, seine Vertreibung mit Wohlwollen sehen und sich - bestenfalls - in den Krisenmonaten des Jahres 1933 der von Schmidt geforderten Solidarität enthalten. Zur Jahreswende 1929/30 war die Geduld einiger Fachkollegen mit der Art und Weise, in der Schmidt theologische Werke in den Theologischen Blättern besprach oder besprechen ließ, am Ende. Schon seit 1926 sorgte Schmidt mit der in den Theologischen Blättern erscheinenden Glosse »Barathrum« für großen Ärger unter vielen betroffenen Kollegen, spießte doch hierin eine »societa quidam occultas« zur Freude der studentischen Leser3'8 Stilblüten aus Neuerscheinungen respektlos auf, unabhängig davon, welcher theologischen Richtung und welchem großen Namen sie zugehörten. »Inwiefern sollen all die scharf und lustig schwirrenden Pfeile aus einem besonderen theologischen Köcher stammen?«, wandte sich Schmidt schon 1927 an die Gegner des »Barathrum« und verdeutlichte noch einmal die Intention dieser Einrichtung. »Sehr viele Glossen melden nicht den Protest der Theologie, nicht einer besonderen Theologie und nicht der Theologie überhaupt, an, sondern den Protest der nüchternen Vernunft gegen die Unklarheit und den taumelnden Synkretismus in der theologi-

Brief an Gogarten, Original im N L Gogarten, Göttingen. Vgl. zu den verhängnisvollen Folgen der Septemberwahl K.D. Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik, Düsseldorf 7I984Gesprächsnotiz W.G. Kümmel vom 30.11.1992.

96

6. Die Bonner Zeit 1929-1933

sehen Ausdrucksweise der Gegenwart. Wer genau hinhört, hört doch wohl den Ruf zur Sache ...«"' Wer hinter dieser geheimnisvollen »societas« steckte, ist nicht mehr genau in Erfährung zu bringen. Es handelte sich um einen kleinen Kreis von Eingeweihten, deren Identität von Schmidt strengstens geheim gehalten wurde. Diese versorgten Schmidt mit kleinen Stilblüten aus theologischen Werken und glossierten die Zitate mit einer passenden lateinischen Kommentierung. Diese witzig-ironischen Kommentare erweckten bei vielen Betroffenen, die diese Art von Humor nicht sonderlich schämen, keine besondere Begeisterung — und trugen somit nicht zu Schmidts Beliebtheit unter seinen Kollegen bei.340 Auch wenn Schmidt nicht der Verfasser dieser Bemerkungen war, wie meist vermutet wurde, traf er doch die endgültige Entscheidung über Veröffentlichung oder NichtVeröffentlichung und hatte als Schriftleiter die Verantwortung fur den Abdruck dieser viele Kollegen verletzenden Anmerkungen in den Theologischen Blättern zu tragen. Das Ende des »Barathrum« war vorprogrammiert: Verärgerte Kollegen übten im Laufe der Jahre auf das »Barathrum« einen immer stärkeren Druck aus, so daß Schmidt allmählich nicht mehr genügend Zusendungen fur diese Glosse erhielt und Ende 1929 zu seinem großen Bedauern gezwungen war, das »Barathrum« einzustellen. Der Arger über die Rezensionen in den Theologischen Blättern blieb jedoch auch nach der Schließung des »Barathrum« bestehen. Ende 1930 erhielt Schmidt eine offene Erklärung von Theologieprofessoren, die ihre Sorge über den Stil theologischer Rezensionen kundtaten. Obwohl neben der »Theologischen Literatur-Zeitung« - die ThLZ sah von einer Veröffentlichung der Erklärung ab die Theologischen Blätter, das »Theologische-Literatur-Blatt« und die Zeitschrift »Christentum und Wissenschaft« diese Erklärung mit Bitte um Abdruck erhielten, bezog Schmidt diesen Wunsch auf sich und das Rezensionswesen in den Theologischen Blättern. Überrascht war Schmidt von der Vielfalt der Namen, die diese Erklärung unterzeichneten, auch sein alter Lehrer Deißmann war darunter. »Nicht klar ist mir«, so schrieb er an Seeberg, »auf welche Weise die bis jetzt deutliche Wolke von Zeugen zustandegekommen ist.«341 Etwas Licht in diese Angelegenheit bringt der Briefwechsel zwischen Deißmann und Kohlmeyer, den Schmidt natürlich nicht kannte. In der Tat richtete sich diese Erklärung primär gegen Schmidt und seine Theologischen Blätter und sollte allein in der »Theologischen Literatur-Zeitung« veröffentlicht werden. Doch auf Bitten von Arthur Titius, denen sich Adolf Deißmann anschloß, wurde auf einen Abdruck in der ebenfalls beim Hinrichs'schen Verlag erschei-

539 ,4

°

341

Schmidt, ThBl Organ der kulturkritischen Theologie (s. Anm.127) 283. Vgl. Anlage 16. Brief vom 15.12.1930, Original im N L Seeberg, BA Koblenz.

6.8. »Wirre und dunkle Zeitläufe«

97

nenden ThLZ verachtet. »Ich habe vielmehr«, so schrieb Deißmann am 10. Dezember 1930 an Kohlmeyer, »als Herr Kollege Titius mir mitteilte, er lege aus ganz bestimmten Gründen großen Wert darauf, ihm gesagt, ich persönlich wolle mit Rücksicht auf seine offenbar sehr gewichtigen Gründe nicht dagegen sein, daß der Abdruck in der Theologischen Literatur-Zeitung unterbleibe. Ich halte es aber fur selbstverständlich, daß die Erklärung veröffentlicht werden muß und habe nie daran gedacht, von ihr zurückzutreten.«341 Auf Intervention Deißmanns - sogar dieser war gegen Schmidt aufgebracht — sollte nun diese Erklärung nicht nur in den Theologischen Blättern, sondern auch in dem »Theologischen-Literatur-Blatt« und der Zeitschrift »Christentum und Wissenschaft« veröffentlicht werden. Kohlmeyer antworte am 13. Dezember: »Ich habe schon... die Erklärung an die von Ihnen genannten Zeitschriften gesandt ... und von K.L. Schmidt bereits die Antwort, daß er die Erklärung gerne aufnimmt, nur noch wissen möchte, ob sie auch anderen Blättern zuginge (was ich mitzuteilen unterlassen hatte). Die übrigen Unterzeichner habe ich unterrichtet von der veränderten Disposition, v. Soden hat sich sehr wenig erbaut geäußert, ihm sind Th.Lit.Blatt und TheolBlätter unsympathisch. Er zog seine Unterschrift zwar nicht zurück, sprach sich aber so aus, daß ich ihm antwortete, ich müsse es ihm natürl. anheimgeben, ob er diese Konsequenz noch ziehen wolle, hoffe aber daß er bleibt.«343 Die im Januarheft der Theologischen Blättern abgedruckte Erklärung lautete dann - mit der Unterschrift v. Sodens - wie folgt: »Erklärung.Ein konkreter Fall 344 sowie die längere Beobachtung des Tones bestimmter theologischer Polemik gibt uns Anlaß, dagegen Verwahrung einzulegen, daß neuerdings Unsachlichkeit und Ueberheblichkeit die Fruchtbarkeit der theologischen Debatte zu zerstören beginnen. Wir wünschen, daß die mühsam erkämpfte Objektivität und die schuldige Achtung vor entgegenstehender Meinung zum Nutzen der Sache in der Auseinandersetzung gewahrt bleiben, damit bei aller Differenziertheit der Ueberzeugung die zu erstrebende Einheit der Theologie nicht gefährdet werde.Deißmann. Klostermann. Walther Köhler. Kohlmeyer. Lütgert. E. Schaeder. Scheel. Hans Schmidt, v. Soden. Wehrung. Η. E. Weber. Wobbermin.« 345

341

543

344 345

Brief vom 10.12.1930, Kopie im Sondernachlaß Deißmann, Mappe 177, Stadtbibliothek Berlin. Brief an Deißmann, Original im Sondernachlaß Deißmann, Mappe 177, Stadtbibliothek Berlin. Leider ist dieser Vorfall nicht mehr genau verifizierbar. ThBl io, 1931, 28.

98

6. Die Bonner Zeit 1929-1933

Gewichtige Gegner, die Schmidt gegen sich aufgebracht hatte. Die Erklärung ging sachlich jedoch völlig an Schmidts Intention vorbei, der eine »Einheit der Theologie« auf Kosten von Klarheit und exegetischer Wahrhaftigkeit ablehnte. Gerade das Aufspießen von theologisch fälschen, da unbiblischen Tendenzen in Theologie und Kirche, das Bekämpfen einer seiner Meinung nach sich immer weiter ausbreitenden Neigung zu theologisch nichtssagenden Worthülsen und rhetorisch geschickt verpackten Nichtigkeiten - ihnen galt seit Bestehen der Theologischen Blätter sein Kampf zugunsten theologischer Wahrhaftigkeit. Für Schmidt konnte es keine »Fruchtbarkeit der theologischen Debatte« geben, wenn diese nicht mit den Kriterien von Schrift und Bekenntnis, dem Bemühen um Verständlichkeit und dem Streben nach theologischer Wahrheit geführt wurde. Eine »Einheit der Theologie«, die sich nicht an diesen Kriterien messen ließ, lehnte Schmidt ab. Auch wenn die Inhalte dieser Erklärung Schmidt sachlich nicht treffen konnten, beging er die Nachlässigkeit, die ihm in dieser Erklärung entgegengebrachten persönlichen Animositäten nicht wahrzunehmen. Diese persönliche Ebene des Streites wurde von Schmidt überhaupt nicht zur Kenntnis genommen; so fuhr er fort, es sich immer weiter mit seinen Kollegen zu verscherzen. Und dies in der Zeit, in der Schmidt mehr denn je auf die Solidarität eben derjeniger, die er vor den Kopf gestoßen hatte, angewiesen war. Diese Tendenz wird in Schmidts abschließender Zusammenfassung dieses Vorfalls deudich; sie enthält kein Wort des persönlichen Verständnisses fur die Betroffenen, kein Wort des Einlenkens. »Unter den Unterzeichnern der Erklärung ist jedenfalls ein Kollege, der mir mal etwas für das >Barathrum< eingeschickt hat. Hans von Soden allerdings ist ein eifriger Gegner des >Barathrum< und hatte s.Z. zusammen mit Hirsch, der fälschlicherweise Gogarten in Verdacht hatte, einen öffentlichen Angriff auf das >Barathrum< vor, der von Harnack eröffnet werden sollte. Allerdings hätte man auf Harnack verzichten müssen, da er mir mal gesagt hatte, daß er sich Uber das >Barathrum< freue. So überschneiden sich in merkwürdiger Weise die Linien. Warum Hirsch einmal so und das andere Mal so eingestellt ist546, erscheint mir unklar.«347

Schmidt erkannte allerdings deutlich die Schwierigkeit dieser Glosse und räumte selbst ein: »Gerne buche ich, daß das Barathrum der ThBl mit seiner >Bosheit< und >Gemütlichkeit< eine Sache fur sich ist.«348

346

347 348

Schmidt bezieht sich hier auf die Weigerung Hirschs, diese Erklärung in der T h L Z abzudrucken. Brief an Seeberg vom 12.12.1930, Original im N L Seeberg, BA Koblenz. Brief an Seeberg vom 15.12.1930, Original im N L Seeberg, BA Koblenz.

6-9· Der »Fall Dehn«

99

Auch in dieser Diskussion deutete sich eine Krise an, die drei Jahre später ihren Höhepunkt erreichen sollte - Schmidt geriet ab 1930 aufgrund theologischer und persönlicher Fehleinschätzungen in immer größer werdende Bedrängnis. Auf mögliche Konsequenzen dieses immer stärker werdenden Drucks gegen ihn nahm er keine Rücksicht; beinahe hektisch, dabei auf seine strapazierte Gesundheit nicht achtend, schrieb Schmidt Brief auf Brief, um auf die kirchenpolitischen Ereignisse jener Jahre Einfluß zu nehmen. Die Theologischen Blätter öffneten sich breit der Diskussion über die konservative »politische Theologie« und deren Einflußnahme in Theologie und Kirche und bezogen dezidiert eine Gegenposition. Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus nahm seit 1931 in dieser Zeitschrift deutlich zu; zugleich nahmen die Auseinandersetzungen zwischen dialektischer und liberaler Theologie immer geringeren Raum ein - andere Probleme waren dringlicher. Schmidt kommentierte scharf die Vorgänge in Kirche und Theologie; zugleich wurde sein Ton verletzender. Die Offenheit seines Urteils, unterstützt durch die Treffsicherheit seiner spitzen Zunge, verscherzte ihm manche Sympathien, die ihm sonst durch sein freundliches Wesen und seine Aufgeschlossenheit wohl zugeflogen wären.

6.9. Der »Fall Dehn« In die Phase des leidenschaftlichen Mahnens und Warnens von Karl Ludwig Schmidt fällt auch der heftige Streit um den sog. »Fall Dehn«, der in den Jahren 1931 und 1932 Theologie, Universität und kirchliche Öffentlichkeit intensiv beschäftigte. Den Auftakt zu diesen Auseinandersetzungen bildete ein Vortrag Dehns über »Kirche und Völkerversöhnung«, den er am 9. November 1928 in Magdeburg gehalten hatte. Dehn, Schmidts alter Freund aus gemeinsamen Tagen im Berliner »Kairos-Kreis«, verurteilte in diesem Vortrag die damals in konservativ-bürgerlichen Kreisen stark verbreitete Verherrlichung des Krieges und bemühte sich, einer nüchternen Betrachtung des Krieges Raum zu geben. Ohne einen »naiven« Pazifismus zu vertreten und den Krieg als legitimes letztes Mittel der Verteidigung des Volkes abzulehnen, wehrte er sich doch entschieden gegen die im kirchlichen Raum weit verbreitete Gleichsetzung von einem Tod fiir das Vaterland und dem christlichen Opfertod und stellte zugleich die Militärseelsorge in Frage.349 Die in der damaligen Zeit für viele provozierend

349 C W 45,1931, 203. Die Rede ist dort auf den Seiten 194-204 abgedruckt. Vgl. auch die Dokumentation von Dehn selbst: Kirche und Völkerversöhnung, Berlin 1931 sowie in seiner Autobiographie, Die alte Zeit (s. Anm.ioo) die Seiten 247-285, insb. 28of. Eine gute Darstellung des »Fall Dehn« geben auch Bizer, E., Der »Fall Dehn«, FS Günter Dehn, hg. v. W. Schneemelcher, Neukirchen 1957, 239-261; Scholder, Die Kirchen 1

ΙΟΟ

6. Die Bonner Zeit 1929-1933

wirkende Radikalität dieses Vortrages, der am Ende der Veranstaltung prompt zu heftigen Diskussionen und erregten Debatten unter den Zuhörern führte, lag auf einer ganz anderen Ebene als die der Hirsch/Althaus-Erklärung. Während diese die Solidarität mit einer bestimmten politischen Einsicht als Voraussetzung theologischen Redens forderten, wies der Dehn'sche Vortrag diese Annahme aus hermeneutischen und erkenntnistheoretischen Überlegungen strikt ab. Politische Fragen besaßen für Dehn keinerlei Bedeutung für das theologische Reden, statt dessen habe sich Kirche immer und zuallererst am Willen und am Wort Gottes zu orientieren.350 Dehns Vortrag sollte ein bemerkenswertes Nachspiel haben. Einzelne Teilnehmer wandten sich sowohl an das Berliner Konsistorium als auch an die öffendichkeit und warfen Dehn vor, er hätte »die im Weltkrieg gefallenen Helden als >Mörderreklamierentheologischen Einzeluntersuchung< reden will, so muß demgegenüber erwähnt werden, daß jede Predigt nicht explizit, wohl aber implizit Theologie in sich haben muß.«377

Diese scharfen Ausfahrungen stellten eine politisch äußerst geschickte Reaktion dar. Schmidt nahm die These vom völkischen Offenbarungscharakter des Weltkrieges auf und verknüpfte diese mit der theologischen Grundvoraussetzung der politischen Theologie, daß nur der, der sich politisch mit eben diesem völkischen Erwachen solidarisiere, theologisch legitim reden könne. Anhand eigenen Erlebens wies Schmidt auf die Unmöglichkeit dieser hermeneutischen Grundvoraussetzung hin, da der Weltkrieg individuell verschieden erlebt und erlitten wurde; durch die Argumentation auf politischer Ebene, entzog Schmidt auch den theologischen Folgerungen den Boden. Durch die Auseinandersetzungen um Dehn sahen sich Schmidt und Barth unversehens in den Mittelpunkt der Auseinandersetzungen gestellt. Doch unterschiedlich war ihr Vorgehen angesichts der vergifteten Beziehungen der Streitenden. Während Barth durch theologische Argumentation die Probleme anging und lösen wollte, stellte sich Schmidt streitlustig der politischen Auseinandersetzung, dabei auch vor persönlichen Streitigkeiten nicht zurückweichend. Wer die politischen Irrtümer der politischen Theologen aufdeckt, deckt zugleich auch ihre theologischen Irrtümer auf, so war Schmidts feste Überzeugung. Schmidts Polemik jener Jahre stand im Dienst der Theologie. So unterschiedlich die Methoden von Schmidt und Barth gewesen sind, so waren sie sich doch einig in ihren Zielen: »Aber eines dürfte klar sein: Gegenüber einem solchen Wirrwarr von sogenannten Theologen- und Laienmeinungen werden wir uns weiter bemühen müssen, das Evangelium zu lehren und zu predigen, d.h. es uns sagen zu lassen und es zu hören, ob wir nun Theologen oder Laien sind.«' 78 Neben den heftigen Auseinandersetzungen, die Schmidt als Folge der Erwiderung auf den Dörries-Aufsatz zu fuhren hatte379, soll noch der Streit mit dem Herausgeber des »Deutschen Volkstum«, Wilhelm Stapel, der im Mai 1931 in der genannten Zeitschrift in Anknüpfung an die Diskussion über Barths

577

Ebd.

37

Schmidt, Zum Fall Dehn (s. Anm.375) 94.

379

Vgl. nur ThBl n, 1931, 187^285^

*

ιο8

6. Die Bonner Zeit 1929-1933

und Hirschs Ausführungen seinen Aufsatz »Der Neocalvinismus und die Politik« veröffentlichte 380 , erwähnt werden. In diesem Aufsatz vertrat Stapel die zweifelhafte These des Gegensatzes einer trennenden, rationalen, westlichen, also calvinistischen und einer in eins setzenden, mythischen, teutonischen, also lutherischen Theologie - eine These, die von Schmidt sofort passend als die Pseudotheologie eines »Pseudotheologen, dessen Haltung primär politisch ist«, qualifiziert wurde.' 81 Schmidt stach mit dieser treffenden Charakterisierung in ein Wespennest und mußte sich im weiteren Verlauf böse Verleumdungen gefallen lassen, die ein Jahr später, nach der nationalsozialistischen Machtergreifung, erneut gegen ihn vorgebracht werden sollten. Ohne auf theologische Inhalte einzugehen, griff Stapel zum Mittel ehrverletzender Polemik. In der 1. Augustnummer des »Deutschen Volkstum« hieß es: »Ich bin ein ΖΛ/Vwtheologe — gut. Aber wann ist man ein >Pseudoprimär politisch< ist, sagt Schmidt. Wer bestimmt das? Bestimmt das ein Professor, der von dem sozialdemokratischen Kultusminister Grimme aus politischen Affinitäten auf einen akademischen Lehrstuhl gesetzt worden ist? Bestimmt es der nur sekundär politische Karl Ludwig Schmidt kraft seines Amtes? Oder wer sonst?«'82 Dieses bösen Vorwurfes eines »Parteibuchprofessors« mußte sich Schmidt von nun an ständig erwehren. Obwohl jeder Grundlage entbehrend — weder wurde Schmidt wegen seiner Mitgliedschaft in der SPD noch aufgrund einer Initiative des sozialdemokratischen Kultusminister Grimme nach Bonn berufen - preußischer Kultusminister war 1929 nämlich der parteilose Carl Becker - , fiel die Verleumdung, die einen wichtigen Ausgangspunkt der DC-Angriffe gegen Schmidt im Jahr 1933 darstellen sollte, trotzdem auf fruchtbaren Boden. Schmidts Intervention mit der Bitte um Richtigstellung wurde von Stapel in der 1. Augustnummer seiner Zeitschrift hämisch kommentiert: »Aber das weiß jedes Kind in Paneuropa, ja der Oikumene, daß der große, weltberühmte Theologe Schmidt, der Pazifist und Oekumeniker, schon vor Grimmes Zeiten nach Bonn gekommen ist .,.«' 8 '; Ausführungen, die Schmidt sich die Frage stellen lassen, was »für Vorstellungen sich ein geistreichelnder Pseudotheologe wie Stapel von meiner theologischen Arbeit im Zusammenhang mit den oekumenisch-kirchlichen Fragen wohl machen mag? Vermutlich gar keine!«'84 Verleumdungen, Diffamierungen und verletzende Lügen beschlossen für Schmidt den »Fall Dehn«; von nun an sollte er selbst im Mittelpunkt unsach'8o

Stapel, W., Der Neocalvinismus und die Politik, Deutsches Volkstum 1932, 39J-440.

381

Schmidt, Der Fall Dehn und schlimmere Dinge (s. Anm.375) 188.

381

Abgedruckt in: Schmidt, Noch einmal: Der Fall Dehn und schlimmere Dinge, ThBl 11, 1932, 285-286: 286.

383

Ebd.

384

Ebd.

6.10. Die Erklärung »Evangelische Kirche und Völkerverständigung«

109

licher Kritik stehen. Der Streit um Dehn klärte theologische Fronten und Positionen, gewährte zugleich aber auch ein erschreckendes Bild der Verwilderung in den Formen der theologischen und politischen Auseinandersetzung, in der das Ansehen und die Würde eines Menschen nur noch wenig galt. Nicht nur Günther Dehn wurde geschadet, auch Schmidt gehörte durch sein entschiedenes Eintreten für Dehn zu den Betroffenen in diesen Auseinandersetzungen. So wurde der »Fall Dehn« fur Schmidt die düstere Ouvertüre harter Kämpfe in Bonn, die mit seiner Vertreibung aus Deutschland endeten. Dunkel orakelte er im September 1932 mit Blick auf Stapel: »Nächstens werden wir Unsinn nicht mehr Unsinn, Torheit nicht mehr Torheit nennen dürfen, weil der Verbreiter von Unsinn und Torheit sich in dem Wahne wiegt, es sei auf nichts anderes als auf seine persönliche Diffamierung abgesehen.«'85 Schmidt konnte nicht ahnen, wie sehr er mit seinen Spekulationen recht behalten sollte.

6.10. Die Erklärung »Evangelische Kirche und Völkerverständigung« Die Reichstagswahl vom September 1930 öffnete nicht nur Schmidt schlagartig die Augen über die Gefahren des Nationalsozialismus, sondern führte auch innerhalb der Deutschen Evangelischen Kirche erstmals zu einer breiten Diskussion über die nationalsozialistische Bewegung. Bemerkenswert an dieser Diskussion war, daß der sprunghafte Anstieg des Nationalsozialismus nicht nur politisch, sondern auch theologisch bedacht wurde. »Charakteristisch fur die Haltung vieler protestantischer Theologen zum Nationalsozialismus war«, so formuliert Joachim Mehlhausen, »daß man sich durch ihn herausgefordert fühlte, bestimmte theologische Sachfragen mit großer Intensität neu zur Diskussion zu stellen. Weil der Nationalsozialismus als Kraftquellen der Nation Blut, Boden, Geschichte und Religion hochschätzte und geradezu fur heilig erklärte, erhielten die theologischen Fragen nach der Bedeutung einer Theologie der Schöpfungsordnungen sowie nach der Offenbarung Gottes in der Geschichte besonders Gewicht.«' 86 Die Konsequenzen dieser Haltung wurden erschreckend deutlich, als die renommierten Professoren Althaus' 87 und Hirsch einen Generalangriff gegen 385

Ebd.

386

Mehlhausen, J., Art. Art. Nationalsozialismus und Kirchen, T R E 24, 1994, 43-78:48. Vgl. auch Scholder, Die Kirchen 1 (s. Anm.79), 2i2f.; insg. 212-215; Meier, Kirchenkampf 1 (s. Anm.336) 12-15. Vgl. die Darstellung von Meiser, M., Paul Althaus als Neutestamentler. Eine Untersuchung der Werke, Briefe, unveröffendichten Manuskripte und Randbemerkungen, C T h M Reihe A, 15,1993. S. auch Graß, H., Art. Althaus, Paul, T R E 2,1978, 329-337; weitere Literatur bei Fischer, Systematische Theologie (s. Anm.32) 55f.

j8/

no

6. Die Bonner Zeit 1929-1933

die deutsche Gruppe des »Weltbundes fur Internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen« starteten. Den Anlaß bot eine vom 1. bis 3. Juni 1931 in Hamburg stattfindende Sitzung, die die große, für September 1931 geplante Tagung dieser Organisation vorbereiten sollte. Dieser am 1. August 1914 — dem Tag des Kriegsausbruchs - gegründete Weltbund war ein Zweig der ökumenischen Bewegung und hatte sich auf der Grundlage eines christlichen Humanismus das Ziel gesetzt, »durch die Kirchen einen Geist der Freundschaft zwischen den Völkern zu pflegen, um so den zu Haß und Krieg fuhrenden Bestrebungen entgegenzuwirken«388. Neben dem grundsätzlichen Problem »der nationalen und internationalen Verpflichtung« ging es in dieser Vorbereitungstagung der deutschen Sektion des Weltbundes um konkrete, daraus resultierende Fragen: um die Fragen der »Minderheiten« und besonders der »Abrüstung«. Dabei waren es gerade die politischen Implikationen der Abrüstungsfrage, die besonders die konservativ eingestellten kirchlichen Kreise empörten und in Opposition zur ökumenischen Bewegung treten ließen. Die der Ökumene verpflichteten Theologen standen weithin im Ruf, auf eklatante Weise gegen Deutschlands nationale Interessen zu verstoßen und die Folgen des Versailler Vertrages zu verharmlosen. Dieses Bild vieler konservativ-kirchlicher Gruppierungen von den in der Ökumene engagierten deutschen Theologen stellte jedoch eine unzulässige Verkürzung dar. Die deutschen Mitglieder des Weltbundes waren angesehene und mitten im Leben stehende Theologen, die keineswegs gegen die nationalen Anliegen Deutschlands handelten. Im Gegenteil: Die Problematik der politischen Situation Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg, die Kriegsschuldfrage sowie der Versailler Vertrag wurden regelmäßig und nicht ohne Erfolg von deutschen Delegationen auf die Tagesordnung ökumenischer Konferenzen gebracht.389 Die Hirsch/Althaus-Erklärung wurde in Hamburg sehr genau registriert und brachte mit sich, daß »durch die Arbeit des Kongresses bei aller Bekenntnisfreudigkeit doch auch eine starke Erregung und ein betontes Bemühen, die Friedensarbeit mit der nationalen Würde zu vereinen«, ausging390, wie es in einem zusammenfassenden Tagungsbericht hieß. Konsequenterweise reagierten die Mitglieder der Vorbereitungstagung sofort auf die von ihnen als kontraproduktiv empfundene Hirsch/Althaus-Erklärung. So lautete denn auch - an

5

Zitiert nach Scholder, Kirchen 1 (s. Anm.79) 213. Zum Weltbund vgl. auch Gressel, H., Art. Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen, Ökumene Lexikon (s. Anm.192) 1247-1252.

589

Vgl. hierzu Zoellner.W., Die ökumenische Arbeit des Deutschen Evangelischen Kirchenausschusses und die Kriegsschuldfrage, Berlin 1931. So Walther Hunzinger in seinem Bericht über »Die Hamburger Tagung der Deutschen Vereinigung fur internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen«, C W 45,1931, 627-633: 628.

6.10. Die Erklärung »Evangelische Kirche und Völkerverständigung«

III

die Adresse der Befürworter der Hirsch/Althaus-Erklärung gewandt - eindeutig und folgerichtig die einstimmig angenommene Erklärung zur Abrüstungsfrage: »Die Völker der Welt stehen vor der Entscheidung, ob sie ihre Sicherheit auf äußere Gewalt oder auf die Gerechtigkeit ihrer Verträge und gegenseitiges Vertrauen gründen wollen. Die Deutsche Weltbund-Vereinigung erwartet von den Kirchen der Welt eine unmißverständliche Entscheidung fur eine Politik der Gerechtigkeit und des Vertrauens.«391 Dies jedoch genügte den Theologen konservativer Prägung nicht. Für sie kam jede ökumenische Annäherung mit den ehemaligen Weltkriegsgegnern einem Verrat an den nationalen Interessen Deutschlands gleich. An diesem Punkt vermischten sich zwei Problemkreise: Nach Ansicht der politischen Theologen brachte nur das Einlassen in die konkrete politische Situation die Erkenntnis der Offenbarung göttlichen Willens in Deutschlands Geschichte sowie das rechte Verständnis des Wortes Gottes in dieser Geschichte mit sich. Diese theologische Grundeinsicht berührte sich mit der allgemeinen politischen Stimmung zu Beginn der dreißiger Jahre: »Die Betonung von Nation, Ehre, Gemeinschaft und Gleichberechtigung, das Streben nach Freiheit von den Fesseln der Pariser Friedensordnung, nach >Licht< und >Luft ICJJIi

234.

Vgl. die scharfen Reaktionen Hirschs in den Schreiben an Lietzmann vom 11. und 30. Juni 1931; abgedruckt in Lietzmann, Glanz und Niedergang der deutschen Universität (s. Anm.77) 681.756. Schmidt wird Karl Barth um Rat in diesem persönlichen Bereich mit Paul Althaus gefragt haben; Barths Antwort war im Sinne Schmidts, wie seinem Schreiben vom 10.9.1931 an Barth zu entnehmen ist:

6.io. Die Erklärung »Evangelische Kirche und Völkerverständigung«

113

Schmidt kannte Althaus durch die gemeinsame Arbeit in der ökumenischen Bewegung und schätzte ihn sehr; theologische Differenzen wurden zugunsten der ökumenischen Ziele zurückgestellt. Althaus wirkte seit September 1926, als er in den Deutschen Ausschuß für die Weltkonferenz für Glaube und Kirchenverfässung in Lausanne gewählt wurde401, gemeinsam mit Schmidt in zahlreichen Kommissionen mit und nahm mit Schmidt an wichtigen ökumenischen Tagungen teil.40' Um so menschlich erschütternder und theologisch überraschend kam für Schmidt die Hirsch/Althaus-Erklärung. Es ist anzunehmen, daß Althaus von Schmidt in den Grundlinien zumindest Verständnis fur diese Erklärung erhoffte, wenn er auch keine Übernahme der theologischen Positionen von ihm erwarten konnte; ein Indiz hierfür ist, daß die Theologischen Blätter diese Erklärung mit beiliegender Erläuterung erhielten: »Die Erklärung geht nur einer sorgfältig begrenzten Auswahl von solchen Zeitschriften und Zeitungen zu, die dem einen oder dem anderen von den beiden Unterzeichneten, sei es nach ihrer vaterländischen, sei es nach ihrer kirchlichen Gesinnung nahestehen«.4°4 Da die Theologischen Blätter diese Erklärung im Gegensatz zu vielen konservativen Zeitschriften erhielten, wird sie von Althaus an Schmidt verschickt worden sein. Daß es Hirsch getan haben sollte, ist angesichts seiner persönlichen Differenzen zu Schmidt undenkbar. Schmidt schien die Intention von Althaus gespürt zu haben und wandte sich, trotz aller Enttäuschung, noch vor dem Erscheinungstag der Theologischen Blätter direkt an ihn, um den Schaden nicht nur von Althaus selbst, ftir den Schmidt eine theologische und menschliche Isolation befürchtete, sondern auch von ihrer Beziehung abzuwenden. Zugleich warb Schmidt um Verständnis für seine Position: »Lieber Herr Althaus, bevor Ihnen der beiliegende >Zusatz des Herausgebers der ThBl< zu Ihrer und Herrn Hirschs Erklärung in der Juni-Nr. der T h B l zu Gesicht kommt, möchte ich Ihnen ein persönliches W o n , das die Sache betrifft, sagen. Sie haben unsere Britisch-Deutschen Theologenkonferenzen in Canterbury 1927,

»In Sachen Althaus-Hirsch sind wir einig. Ich freue mich Ihrer Meinung, daß man den Althaus glimpflich behandeln soll« (Original im K B A , Basel). 401

Vgl. Frieling, R., Die Bewegung fur Glauben und Kirchenverfassung 1910-1937, Veröffentlichungen des Konfessionskundlichen Institutes des Evangelischen Bundes 16, 1970, 72.

4 J

°

So gehörte er u.a. gemeinsam mit Schmidt der »Kommission für ökumenische Zusammenarbeit der Professoren der Theologie« innerhalb der Bewegung für Praktisches Christentum an und nahm an den Britisch-Deutschen Theologenkonferenzen in Canterbury 1927 und auf der Wartburg 1928 teil. Vgl. a.a.O. i j o f i .

404

ThBl 10,1931,178.

6. Die Bonner Zeit 1929-1933 auf der Wartburg 1928 mitgemacht, einen Beitrag zum >Mysterium< Christi 1930 geliefert und uns zur Konferenz in Chichester 1931 ein ganz besonders herzliches Schreiben geschickt. Da haben Sie niemals die Haltung eingenommen, die nun auf einmal in der von Ihnen mit unterzeichneten Erklärung verlangt wird. Im Gegenteil: gerade Sie sind es gewesen, der die Gemeinschaft mit den englischen Kollegen herzlicher betont hat, als das andere, z.B. auch ich in bestimmten Situationen fertig bringen. Vor 4 Jahren haben Sie in Canterbury einmal von der Wichtigkeit gemeinsam erlebter Geschichte für Deutsche und Engländer gesprochen und das an - Blücher und Wellington illustriert. Frick sagte damals im Privatgespiäch ganz witzig, da habe ja nun er keinen Teil daran, weil seine Vorfahren als Rheinbündler auf der Seite Napoleons gestanden und gekämpft hätten. Sie besinnen sich darauf, daß wir deutschen Kollegen am Schluß der Canterbury-Konferenz in einer der Krypta-Kapellen der Kathedrale einen deutschen Choral sangen und wohl alle sehr gerührt waren. Sie haben damals Ihrer eigenen starken Rührung in der Weise Ausdruck verliehen, daß Sie auf den Dean Bell zutraten und jedenfalls dem Sinne nach dies betonten: so etwas wenige Jahre nach dem Kriege, in dem Sie Ihren Bruder verloren hätten; das solle nun vergessen sein! Ich besinne mich auf diese Szene deshalb besonders genau, weil ich sofort darnach mit einigen Kollegen über diese Ihre Einstellung sprach und betonen zu müssen glaubte, daß ich mich nicht für befugt halten könnte, den Engländern das zu vergessen, was sie uns nun doch mal in der Kriegsund Nachkriegszeit angetan haben. Nachdem Sie sich nunmehr mit Herrn Hirsch zu der uns beschäftigenden Erklärung zusammengetan haben, bedauere ich lebhaft, daß ich s.Z. keine Gelegenheit gefunden habe, mit Ihnen die Frage, wie man sich den Engländern gegenüber zu verhalten hat, durchzusprechen. Ich glaube von mir sagen zu dürfen, daß ich mehr als Sie diesem oder jenem Engländer bittere Wahrheiten gesagt habe. Was sollte aber gerade dann eine solche Erklärung wie die Ihrige wirklich helfen können? Theologisch, kirchlich, politisch und menschlich liegen die Dinge verwickelter u. tiefer, als Ihre gut gemeinte und nicht in allem unsympathische Erklärung vermuten läßt. Mich hat primär als Theologen und Gemeindeglied Ihr Votum so erschüttert, daß ich drauf und dran war, in meinem Zusatz darauf hinzuweisen, wie gerade solche Leute, die sich gedrungen fühlen, mit einer m.E. in jeder Beziehung verhängnisvollen Erklärung vor die Oeffentlichkeit zu treten, in praxi nicht das tun, was sie von anderen fordern. Ich denke dabei nicht an Herrn Hirsch, der ja wohl nicht wie Sie englischen Kollegen ohne feststellbaren Vorbehalt begegnet ist, sondern eben an Sie. Ich war drauf und dran, ohne Namensnennung von Ihrem mir bisher bekannt gewordenen Verhalten zu berichten. Ich habe es nicht getan, weil ich mir selbst nicht wie ein Thersites Ihnen gegenüber vorkommen wollte. Wo kommen wir theologisch und kirchlich hin, wenn wir die Haltung, die so schwankende Haltung des psychikos anthropos pflegen? Als ich als Schwerverwundeter in einem Lazarett in Rußland von russischen Gefangenen rührend betreut wurde, da ging es mir wohl auch durch den Kopf: erst schießen einen diese Feinde so übel zusammen, und dann werden sie schließlich sentimental!

6.10. Die Erklärung »Evangelische Kirche und Völkerverständigung«

II 5

Sollte man nicht auf solche Dienste verzichten?! N u n , ich bin dankbar, daß ich damals dann doch etwas anderes zu spüren meinte: es gibt eine Gemeinschaft trotz dessen, was zwischen uns Menschen steht.... Ich breche ab. Ich möchte hoffen, daß Sie meinen Zusatz zu Ihrer Erklärung verstehen. Ich konnte und durfte hier nicht schweigen. W e n n Sie Ihre Erklärung nur mir fiir die T h B l geschickt hätten, hätte ich Sie eindringlich gebeten, sie zurückzuziehen. Dieser modus war leider nicht möglich, weil die Erklärung, als ich sie bekam, in den Händen auch anderer Schriftleiter war.« 40 '

Die Hirsch/Althaus-Erklärung und Schmidts Stellungnahme zu dieser Erklärung zerrüttete trotz aller Bemühungen Schmidts, bei Althaus Verständnis für seine Position zu erlangen, das Verhältnis zwischen den beiden nahezu völlig. Althaus brach den Kontakt mit Schmidt, von einer Ausnahme im Jahr 1933 abgesehen, vollständig ab.4°6 Schmidt sah in Althaus einen liebenswerten, aber doch wankelmütigen und dem Einfluß von Hirsch unterliegenden Menschen, der sich davon befreien müsse. »Menschlich habe ich den lieben Althaus nach wie vor geradezu gern«, schreibt er Jahre später an Strathmann. »Aber sachlich geht es mit ihm wirklich nicht. Er sollte zunächst mal in den ThBl eine Reinigungsmensur schlagen, indem er sich mit seinem Freund Hirsch beschäftigt. Nein, Althaus irrlichtert zu sehr herum. Immer wieder entdecke ich bei ihm nicht den Theologen, sondern den liebenswerten Patrioten, der in seiner erschreckenden Weise theologische Sünden zudeckt. Und auch mit seinem Patriotismus ist es unter Umständen schwach bestellt, was ich, wie Sie wissen, gerade in England in böser Weise erlebt habe. Gewiß, immer wieder ist's das gute Herz, das mit ihm durchgeht. Aber es ist doch schon ein starkes Stück, den Herrn Engländern, die uns auf Jahrzehnte hinaus durch eine teuflische Blockade geschwächt haben, das alles zu verzeihen, um dann allerdings wieder genau umgekehrt kriegerische Töne im Schlepptau des unglückseligen Hirsch anzuschlagen.« 407 Trotz dieses menschlich wie theologisch unerfreulichen Streites schätzte Schmidt Althaus auch weiterhin sehr und suchte den gedanklichen Austausch mit ihm. Deutlicher Hinweis fur das Vertrauen, das Schmidt auch nach den Auseinandersetzungen um die Hirsch/Althaus-Erklärung Althaus gegenüber aufbrachte, ist ein langer und im Ton offen gehaltener Brief Schmidts an Alt-

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Brief an Althaus vom 10.6.1931, Kopie im Sondernachlaß Deißmann, Mappe 337, Stadtbibliothek Berlin.

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Schreiben vom n.9.1933, Original im Privatnachlaß Althaus, Nürnberg. Im Privatnachlaß Althaus, Nürnberg befindet sich noch der von KLS am 11.9.1933 geschriebene Antwortbrief.

407

Brief an Strathmann vom 7.10.1936, Original im Bestand Personen XXVII (Strathmann) Nr. 3, LKA Nürnberg.

II 6

6. Die Bonner Zeit 1929-1933

haus vom 11. September 1933, den Schmidt ihm trotz des nun beinahe drei Jahre währenden eisigen Schweigens zusandte. 408 Eines machen die oben geschilderten Ereignisse der Jahre 1930 und 1931 deuüich: Vieles von dem, was 1933 zum Scheitern weiter Teile von Theologie und Kirche führte, war schon zu Beginn der dreißiger Jahre sichtbar - das Ignorieren der Gefahren einer »politischen Theologie«, fehlende theologische Handlungskonzepte gegenüber den Problemen in Staat und Gesellschaft, theologische und politische Hilflosigkeit von Kirchenleitungen und Theologie sowie die daraus resultierende Verwirrung in der theologischen Beurteilung. Schmidts Verbitterung wird verständlicher, bedenkt man, daß er schon Ende 1930 diese Gefahren präzise benannte und aufzeigte, jedoch kaum jemand auf ihn hörte — bis es dann im Jahre 1933, nicht zuletzt auch fur Schmidt selbst, zu spät war.

6.11. Die Streitigkeiten um den preußischen Kirchenvertrag Neben den zahlreichen Problemen um die Neubesetzungen an der Bonner Fakultät, den Auseinandersetzungen um die Hirsch/Althaus-Erklärung sowie den Streitigkeiten um den »Fall Dehn« wurde Schmidt durch ein weiteres Ereignis stark in Anspruch genommen: die zum Teil heftig geführte Auseinandersetzung um den preußischen Kirchenvertrag. Waren die ersten Verhandlungen des preußischen Staates mit den evangelischen Landeskirchen bereits im Jahre 1925 an der sog. »politischen Klausel«, mit der der preußische Staat das Recht in Anspruch nahm, auf die Besetzung kirchenleitender Amter einzuwirken 409 , gescheitert, erhob sich nach Abschluß des preußischen Konkordates von zahlreichen evangelischen Theologen erneut die Forderung nach einem »evangelischen Konkordat«. Der Ende Januar 1930 als Nachfolger von Carl Heinrich Becker zum preußischen Kultusminister ernannte Adolf Grimme griff deshalb nach seiner Amts408

409

Anlaß dieses Briefes war die Antwort Althaus1 an Schmidt auf das in der Septembernummer der Theologischen Blätter von 1933 abgedruckte Zwiegespräch zwischen Martin Buber und Karl Ludwig Schmidt vom 14. Februar dieses Jahres; Althaus wurde diese Ausgabe zur Information zugeschickt; vgl. Anlage 20. Zur sog. »politischen Klausel« vgl. Gräfin von Rittberg, E., Der Preussische Kirchenvertrag von 1931, Bonn i960,161-174: besonders i6if. Zur Diskussion um den Staatskirchenvertrag s. auch Nowak, K., Evangelische Kirche und Weimarer Republik, Göttingen 1981,179-187; zur Diskussion vgl. auch die Protokolle der Fakultätentage Breslau 1930 und Halle 1932 mit den entsprechenden Anlagen. Grundlegend hierzu auch Heckel, M., Die theologischen Fakultäten im weltlichen Verfassungsstaat, JusEcc 31, 1986, 84-126.322-348.

6.U. Die Streitigkeiten um den preußischen Kirchenvertrag

117

Übernahme die seit 1929 laufenden Vorverhandlungen 410 energisch auf. Unterstützt von dem Bonner Kirchenrechtler Johannes Heckel 4 ", brachte er die Verhandlungen erneut in Gang. Die schon bald von Heckel entworfene Gesetzesvorlage, die die Übernahme der für die altpreußischen Fakultäten gültigen Regelungen der Kabinettsorder von 1855 im Interesse einer Vereinheitlichung des Berufungsverfahrens im wesentlichen nun auch auf die neupreußischen Fakultäten vorsah, stieß unter den neupreußischen Fakultäten Göttingen, Kiel und besonders Marburg auf heftigen Protest. Die bisher gültige Order König Friedrich Wilhelms IV. regelte die Kompetenzen von Fakultät und Kirche bei der Berufung von Theologieprofessoren an den Theologischen Fakultäten in Berlin, Bonn, Breslau, Greifswald, Halle, Königsberg und Münster. Hierin wurde der zuständigen kirchlichen Behörde das Recht eingeräumt, vor der Berufung an die Fakultät eine Stellungnahme über Bekenntnis und Lehre des Anzustellenden abzugeben. Gebunden war das Kultusministerium an dieses Votum nicht, auch wenn die ablehnende Stellungnahme der kirchlichen Behörde zu einem Kandidaten sehr schwer wog, wie die Vorgänge von 1888 um die Berufung Adolf v. Harnacks von Marburg nach Berlin eindrücklich beweist, die beinahe an der ablehnenden Haltung des ev. Oberkirchenrates gescheitert wäre. 4 ' 2 Die 1866 hinzugekommenen neupreußischen Landeskirchen mit ihren Fakultäten Göttingen, Kiel und Marburg blieben ausdrücklich von dieser Regelung ausgenommen; die Entscheidung über eine Berufung traf allein das Kultusministerium auf Vorschlag der Fakultät, die kirchlichen Behörden wurden an diesem Verfahren nicht beteiligt. Im Zentrum der Marburger Kritik stand insbesondere der Art. 11, Abs. 2 des Vertragsentwurfes41', welcher festlegte, daß bei der Anstellung von ordentlichen und außerordentlichen Professoren auch an den Theologischen Fakultäten Göttingen, Kiel und Marburg den zuständigen kirchlichen Behörden ein gutachterliches Anhörungsrecht zustehen soll-

410 411

411

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414

Vgl. von Rittberg, Kirchenvertrag (s. Anm.409) 130-20$. Zu Heckel vgl. Scholder, Die Kirchen und das Dritte Reich 2, Frankfurt/M., Berlin 1985, 24 und mit weiterer Literatur Anm. 42, 371. Vgl. Rittberg, Kirchenvertrag [s. Anm.409] 285, Anm. 418; Huber, E.R., Huber, W., Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert 3, Berlin 1983, 645-648. Zur Berufung Harnacks vgl. Wendland, W., Die Berufung Adolf Harnacks nach Berlin im Jahre 1888, J B B K G 29, 1934, 103-121; von Zahn-Harnack, Α., Adolf von Harnack, Berlin 1 i95i, 115-127; Kantzenbach, Harnack (s. Anm.33) 452. »Vor der Anstellung eines ordendichen oder außerordentlichen Professors an einer evangelisch-theologischen Fakultät wird der kirchlichen Behörde Gelegenheit zu gutachterlicher Äußerung gegeben werden« (in: Rittberg, Kirchenvertrag [s. Anm.409] 318). Vgl. hierzu Huber, E.R., Huber, W., Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert 4, Berlin 1988, 705-721;, Lessing, Volkskirche (s. Anm.34) 32-37; Heckel, Theologische

π8

6. Die Bonner Zeit 1929-1933

Die heftig eskalierenden Auseinandersetzungen fanden im Verlauf der weiteren Diskussion Ende 1930 einen ersten Höhepunkt. Anlaß war ein vertrauliches Schreiben an die »Kirchenregierungen in Wiesbaden und Kassel« vom 19. November 1930 der Marburger Theologen Heinrich Frick, Heinrich Hermelink sowie Hans v. Soden - Emil Balla und Rudolf Bultmann schlossen sich diesem Brief im Dezember 1930 inhaltlich voll an - in dem diese renommierten Theologen den Kirchenaustritt und die Niederlegung ihrer theologischen Lehrämter fur den Fall der Annahme des Kirchenvertrages ankündigten. 4 ' 5 Die Unterzeichnenden dieses Briefes sahen in dem geplanten Vertrag einen Angriff auf »das Kernstück unseres theologischen Berufe, nämlich die volle Verantwortung für die uns aufgetragene eigenste Sache«4'6 und kündigten an, daß es ihnen »gewissenshalber unmöglich« sein werde, im Fall einer Vertragsratifizierung »noch Glieder eines derartig unevangelisch gewordenen Kirchenkörpers und Inhaber von in ihrer wesentlichen Verantwortlichkeit geschwächten Lehrstühlen zu bleiben«4'7. Dahinter stand neben dem Bemühen, historisch gewachsene Rechte zu verteidigen, das Verständnis von einer Theologischen Fakultät, der auch kirchliche Funktionen zukommen. Genau dies war das Problem: Welche kirchliche Funktion kommt einer Theologischen Fakultät in einem Staate zu, der die Trennung von Kirche und Staat anstrebt? Welche Verhältnisbestimmung zwischen Fakultät und Kirchenleitung, zwischen freier theologischer Forschung und kirchlicher Lehrautorität war in den Verhandlungen anzustreben? Für die Marburger Fakultät war die »Verantwortung des Theologen und das Selbstverständnis der Theologie als Wissenschaft... hier in einer Weise berührt, die sie als eine Gewissensfrage« empfand 4 ' 8 ; eine Auffassung, die Schmidt nicht nur aus politischen, sondern insbesondere aus biblischen Einsichten heraus rundum ablehnte. Schmidt betonte stets den aus dem Neuen Testament begründeten konstitutiven Zusammenhang zwischen kirchlicher Lehre und Kirchenleitung. Nach Ansicht von Schmidt übersahen die Marburger nicht nur die simple Tat-

415

Fakultäten (s. Anm.409) 96f. Anm.183; Barth - Bultmann, Briefwechsel (s. Anm.372) 116-129.247-257, auf Seite 120 umfangreiche Literatur. Die Marburger Fakultät sah »in der Neuregelung mit der Lehr- und Bekenntnisgutachtung der zu Berufenden durch die Kirchenleitung den Versuch einer Kontrolle der theologischen Wissenschaft durch das Kirchenregiment (Denkschrift R. Bultmanns) oder gar einer »Unterordnung der Fakultät hinsichtlich der Lehre unter eine kirchenregimentliche Instanz< (Denkschrift H . v. Sodens)« (aus: Wilfried Härle, Heinrich Leipold [Hgg.], Lehrfreiheit und Lehrbeanstandung i, Gütersloh 1985, 137. Vgl. auch die dort auf den Seiten 139-147 abgedruckten Denkschriften von v. Soden, Frick und Bultmann). Abgedruckt bei Huber, Staat 4 (s. Anm.414) 707^ Vgl. auch Barth - Bultmann, Briefwechsel (s. Anm.372) i2of. Anm. 5.

4.6

Huber, Staat 4 (s. Anm.414) 707.

4.7

A.a.O. 708.

4.8

Härle/Leipold, Lehrfreiheit (s. Anm.414) 137. Vgl. auch Heckel, Theologische Fakultäten (s. Anm.409) 150-158.168^

6.Ii. Die Streitigkeiten um den preußischen Kirchenvertrag

119

sache, daß in der Weimarer Republik die Theologischen Fakultäten unter staatlicher Aufsicht standen, ihnen also vom gesetzlichen Rahmen her nur geringfügig kirchliche Funktionen zukamen - die Marburger ignorierten ebenfalls den schon genannten engen historischen und biblischen Zusammenhang von Kirchenleitung und kirchlicher Lehre. Die verfaßte Kirche hatte also nach Schmidts fester Überzeugung auch die biblisch wohlbegründete Pflicht, an staatlichen theologischen Ausbildungsstätten auf die richtige Kirchenlehre Einfluß zu nehmen. Schmidts Ansatzpunkt, der ihn in dieser Diskussion von den Marburgern trennte, war die nach seiner Ansicht von den Marburgern »hinwegdisputierte« Tatsache staatlicher Fakultäten innerhalb der Weimarer Republik; auch die Unterscheidung in sichtbare und unsichtbare Kirche mit gleichzeitiger Übertragung von Funktionen der unsichtbaren Kirche auf die Fakultäten lehnte Schmidt ab. »Alle mehr oder weniger klaren Erörterungen über das Wesen der Kirche, die meistens von dem völlig mißverstandenen Satz von der sichtbaren und unsichtbaren Kirche belastet sind, helfen nichts gegenüber der Tatsache, daß die Kirche, mit der wir es zu tun haben, durch die Kirchenleitung dargestellt wird«, führte Schmidt in einer Auseinandersetzung mit Rade aus.4'9 Schmidt an anderer Stelle weiter: »>Immer wieder wird der aussichtslose Versuch gemacht, die Tatsache, daß die jetzigen Evangelisch-Theologischen Fakultäten staatlich und nicht kirchlich sind, hinwegzudisputieren. Und über den von der Reformation her bestehenden Zusammenhang zwischen Kirchenleitung und Kirchenlehre wird weder historisch und systematisch nachgedachte Ich füge hinzu: auch, ja gerade im Neuen Testament ist der konstitutive Zusammenhang zwischen Kirchenleitung und Kirchenlehre betont.«410 Darauf kam es Schmidt in den heftigen Diskussionen an: »in der Jetztzeit der Trennung von Staat und Kirche die genannte Verantwortung empfinden und bestätigen (zu)müssen«! Anders formuliert: bei aller Wahrung des Status-Quo kirchliche Verantwortung an der staatlichen Ausbildung der Theologen wahrzunehmen. 421 419

4ZO

421

Schmidt, Evangelisch-Theologische Fakultät und Evangelische Kirche, ThBl 9,1930, 235-240: 238. Zum Abschluß des Vertrages des Freistaates Preußen mit den Evangelischen Landeskirchen, ThBl 10,1931, 213-214: 214. Den Nachweis eines biblisch begründeten konstitutiven Zusammenhanges zwischen Kirchenleitung und Kirchenlehre lieferte Schmidt in seinem Vortrag »Kirchenleitung und Kirchenlehre im Neuen Testament«, abgedruckt in TARWPV N.F. 26,1931, 9-22. Schmidt, Evangelisch-Theologische Fakultät (s. Anm.419) 240.

I20

6. Die Bonner Zeit 1929-1933

Schmidt trat im April 1930 in die Debatte ein. Zunächst beteiligte er sich noch nicht öfFendich an der Diskussion, sondern führte einen intensiven Briefwechsel mit Martin Rade zu dieser Frage. Der Kontakt fand jedoch im September 1930 seinen vorläufigen Abschluß, als Schmidt in seinem Artikel »Evangelisch-Theologische Fakultät und Evangelische Kirche« öffentlich gegen Rade Position bezog. 4 1 1 Dieser Artikel hatte für Schmidt große Nachwirkungen. Er zerstörte nicht nur das Verhältnis zwischen Rade und Schmidt 4 1 ', sondern Schmidt wurde durch die harte Auseinandersetzung mit Martin Rade immer stärker in die Auseinandersetzungen hineingezogen, wobei er sich den Ruf eines »Spezialfachmanns« erwarb. 414 Rades Reaktion auf Schmidts Artikel war sehr heftig. Rade wertete diesen als »Vertrauensbruch« 415 und Schloß daraufhin Schmidt, wie er glaubte, aus dem »Kreis der Freunde der Christlichen Welt« aus. Umgehend antwortete Schmidt:»Aus Ihrem letzten Brief (d.i. der Brief Rades vom 27.7.31, A.M.) erfahre ich, daß Sie mich wegen meiner Ausführungen in der Sept.-Nr. 1930 der T h B l aus dem Kreis der Freunde der C W dimittiert haben, ohne mir eine Mitteilung darüber zukommen zu lassen. Nach Ihrer Meinung habe ich einen >Vertrauensbruch< begangen. Ich kann das nicht zugeben. Weder mir noch anderen, die mit mir über den casus belli gesprochen haben, ist klar, inwiefern ein Vertrauensbruch vorliegen sollte. Klar ist, daß ein Bruch zwischen Ihnen und mir eingetreten ist. Nach meinem sehr bestimmten Eindruck haben Sie durch Ihr persönliches Verhalten mir gegenüber in Sachen des evangelischen Konkordates den entscheidenen Bruch getan. Gar nicht klar ist mir, inwiefern der Zwist zwischen Ihnen und mir Sie zu der Meinung gebracht hat, daß ich >keinen Wert mehr darauf lege, zu den Freunden der C W gezählt zu werdenDie Marburger Haltung scheint mir weder theologisch noch politisch richtig zu sein. In meinen Angriffen auf die Rade'schen Ausführungen habe ich mich im wesendichen als Theologe geäußert und die politische Fragestellung nur angedeutet. Doch hätte ich gerade als Mitglied unsrer SPD auch zum Politischen noch mancherlei zu sagen ... Ich greife ... nur einen einzelnen Punkt schnell heraus: so wie es mir theolo-

416

Schreiben Schmidts an Rade vom 29.7.1931, Original im Ms. 839 ( N L Rade), U B Marburg.

417

D.i. der »Verein der Freunde der Christlichen Welt«; vgl. zu Rade auch die Einleitung Schwöbeis zum Briefwechsel, in: Barth - Rade, Briefwechsel (s. Anm.365) 9-56; zum V F C W die Seite 13.

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Kopie aus Ms. 839 ( N L Rade), U B Marburg.

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6. Die Bonner Zeit 1929-1933

gisch und politisch notwendig zu sein scheint, daß das besondere Verhältnis zwischen Staatsfakultät und Kirche genau geklärt wird, so halte ich's wiederum aus theologischen und politischen Gründen ftir notwendig, daß die genannte sogenannte politische Klausel im Sinne der preußischen Regierung bejaht wird.< Ich weiß nicht, wie Sie zur politischen Klausel stehen.... Eines schönen Tages haben wir mal eine Regierung, die nicht säkularisiert neutral bleibt, sondern sich pseudotheologisch interessiert zeigt. Was dann? Zu Grimme habe ich vorerst kein rechtes Vertrauen, ob er wirklich staatspolitisch vorgeht, wie ich das viel eher Braun 4 2 ' oder auch Severing zutraue. Ich furchte, daß sich Grimme von einer liberalen Staatsideologie ä la Rade, v. Soden, Hermelink (>Freiheit der theologischen Wissenschaft, >Gewissen des freien Forschers< usw. usw.) einfangen läßt.«43° Seeberg teilte Schmidts Meinung 431 und wurde für ihn in der Diskussion um den Staatskirchenvertrag zum wichtigsten Berliner Ansprechpartner. Mehr noch: Schmidt und Seeberg sprachen alle wesentlichen Probleme intensiv miteinander durch und stimmten das Vorgehen der Bonner und Berliner Fakultät genau ab. Der Schulterschluß zwischen Karl Ludwig Schmidt und Erich Seeberg stand vor einer ersten großen Bewährungsprobe, als am 17. Januar die Professoren Wobbermin aus Göttingen, Frick aus Marburg und Hans Schmidt aus Halle, der zugleich Vorsitzender des Fakultätentages der Ev.-Theol. Fakultäten war, zu einer Besprechung in Göttingen zusammenkamen. Gesprächsgrundlage dieses Treffens war der Bericht über ein wenige Tage zuvor in Berlin auf Bitten der Marburger vertraulich geführtes Gespräch der Marburger Professoren v. Soden, Hermelink, Frick, Balla und Bultmann mit den Ministern Grimme und HöpkerAschofP' 2 sowie den Referenten Richter, Trendelenburg 4 " und Heckel. 434 Das

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430

Zu dem langjährigen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Preußens vgl. auch die Biographie H. Schutzes, Otto Braun oder Preußens demokratische Sendung, Frankfurt/M. u.a. 1977. Brief an Seeberg vom 15.2.1930, Original im N L Seeberg, BA Koblenz.

431

So antwortete Seeberg am 24.12.1930: »Lieber Herr Schmidt, vielen Dank fur Ihren freundlichen Brief... In puncto Kirchenvertrag stimmen wir im wesentlichen überein, obwohl Sie ja in ecclesiasticis noch weiter gehen als ich.... Hoffendich gibt man den Marburger Velleitäten und Wichtigtuereien nicht nach; ihre Macht besteht im Grunde in dem Prävalieren einer veralteten Ideologie in den politischen Kreisen, die die Macht haben« (Original im N L Seeberg, BA Koblenz).

431

Dr. Hermann Höpker-Aschoff gehörte der Landesregierung als preuß. Finanzminister an. Ministerialrat Dr. Friedrich Trendelenburg war Leiter der geistlichen Abteilung im preußischen Kultusministerium. Rittberg, Kirchenvertrag (s. Anm.409) i96f.

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6.Ii. Die Streitigkeiten um den preußischen Kirchenvertrag

123

Ergebnis dieses Göttinger Gespräches war dies: A u f Fricks Antrag hin sollte zum 24. Januar 1931 ein außerordentlicher Fakultätentag einberufen werden, »der sich mit dem gen. Staatskirchenvertrag und dessen Auswirkungen auf die altpreußischen Fakultäten befassen sollte«.435 N o c h am selben Tag, am 17. Januar 1931, wurden Gerüchte über dieses Treffen womöglich gezielt einigen Fakultäten zugespielt 4 ' 6 - von nun an standen Schmidt und Seeberg in ständigem Kontakt miteinander, um ein gemeinsames Vorgehen der Bonner und Berliner Fakultät zu erreichen. 437 A m 18. Januar war Schmidt noch davon überzeugt, gemeinsam mit Seeberg eine Minderheitenposition zu vertreten. Folglich glaubte er auch nicht, die möglichen Beschlüsse eines von der Mehrheit beschickten Fakultätentages ignorieren zu können. So war es nun fiir Schmidt in den Tagen nach dem 18. Januar entscheidend, gemeinsam mit Berlin eine Mehrheit gegen den am 24. Januar geplanten Fakultätentag zu finden. Angesichts der klug von den Marburgern kalkulierten Kürze der Zeit ein schwieriges Unterfangen. Zunächst einigten sich die beiden darauf, daß die Theologischen Fakultäten von Berlin und Bonn Einspruch gegen den von den Marburgern angeregten Fakultätentag einlegten. Einen Einblick in die Begründung dieses Einspruches und in die hektische Betriebsamkeit jener Tage gewährt ein Brief Schmidts an Rudolf Bultmann vom 20. Januar 1931: »Lieber Herr Bultmann, Ihren Brief vom 18.i. 43 ', den ich heute vormittag erhalten habe, möchte ich sofort beantworten. Bei unsrer Bonner Fakultät - ich habe vorgestern und gestern mit unserm dzt. Dekan Goeters gesprochen - liegt bis jetzt nur der Einspruch der Fakultät Berlin gegen den von der Fakultät Marburg angereg-

435

Barth - Bultmann, Briefwechsel (s. Anm.372) 121 Anm. 6.

436

Dies deutet nicht nur der u.g. Brief Schmidts an Seeberg vom 18.1.31, sondern auch ein Schreiben des Hallenser Alttestamentlers und Bundesbruders von Karl Ludwig Schmidt, Otto Eißfeldt vom 18. Januar an: »Was nun die Marburger Sache angeht, so weißt Du wohl, daß Frick gestern die Vertreter von Göttingen und Kiel zu einer Aussprache mit den Marburgern und einem Bericht über ihre Erfolge in Berlin nach Göttingen geladen hat und auch daß Hans Schmidt zugezogen worden ist. Er ist aber wohl noch nicht zurück. So weiß ich von dem Göttinger Ergebnis nichts, übrigens auch nichts von dem Berliner Resultat« (Kopie im N L Seeberg, BA Koblenz).

437

Vgl. das Schreiben Schmidts an Seeberg vom 18.1.1931; Anlage 21. Kopie im N L Seeberg, BA Koblenz. Bultmann informierte in diesem Schreiben Schmidt über den geplanten Fakultätentag und bat ihn dringenst, daran teilzunehmen. Zugleich war Bultmann um die Zusage Schmidts zu einem vertraulichen Informationsgespräch bei dem - so sicherlich Bultmanns Hintergedanke - der letzte Versuch unternommen werden sollte, Schmidt die Marburger Positionen näherzubringen.

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6. Die Bonner Zeit 1929-1933 ten Fakultätentag vor, zu dem die Einladung ja wohl auch noch eintreffen wird. Nach meiner Meinung müssen wir uns dem Berliner Einspruch voll anschließen. Unser Dekan Goeters und Karl Barth haben diesselbe Meinung. Morgen vormittag haben wir Fakultätssitzung. Und es darf unterstellt werden, daß sich Pfennigsdorf und Weber anschließen werden. Bleibt Hölscher, der a priori als >Marburger< betrachtet werden muß. Er steht in der Front Baumgarten, Mandel, Mulert, Windisch (Kiel), Dörries, Wobbermin (Göttingen), Balla, Frick, Hermelink, Niebergall, Otto, Rade, v. Soden (Marburg) in einer Front, zu der auch leider Sie gehören, was für diese Front ein Schönheitsfehler und m.E. sachlich sehr zu bedauern ist. Warum ich das bedauere, habe ich in meinem Ihnen bekannten Artikel in den ThBl und dann auch in Briefen an Sie, zuletzt in meinem Brief vom 6.I. 439 , ausgeführt. Sie sind auf meine zuletzt Ihnen gegenüber formulierten Einwände nicht eingegangen. Selbstverständlich bin ich aber gerne bereit, gerade mit Ihnen den durch die Marburger Opposition verwirrten Komplex genau mündlich durchzusprechen, und freue mich über Ihren Vorschlag, mich hier in Bonn zu besuchen. Meine Frau und ich freuen uns, wenn wir Sie beherbergen dürfen.Vorerst nehme ich an, daß der a.o. Fakultätentag gar nicht zustandekommt. Was sollte wohl eine solche Tagung bezwecken? Es liegen die Beschlüsse des Breslauer Fakultätentages vor, an denen alle Fakultäten abgesehen von Marburg festhalten werden. Um das festzustellen, bedarf es wirklich keines Fakultätentages. Oder hofft Marburg, daß es seine Oppositionsbasis verbreitern kann? Da die Evangelische Kirche der altpreußischen Union die vielgenannte Kabinettsorder von 1855 für ein Minimum halten und im Falle einer Beseitigung dieses Minimums alle Folgerungen ziehen wird, die ich für unausweichlich halte, zumal mir aus theologisch-kirchlichen und staatspolitischen Gründen das genannte Minimum noch nicht einmal auszureichen scheint, könnte es sich höchstens darum handeln, daß auf dem Fakultätentag je nach seiner zufälligen Zusammensetzung eine gewisse Sympathie für Marburg herauskäme. In Altpreußen würde es dann bei dem Zustand bleiben, der sich seit 75 Jahren durchaus bewährt hat. Und es könnte der Versuch gemacht werden, für Marburg eine besondere Regelung zu treffen. Nun liegen ja aber auch von den neupreußischen Kirchen bindende Erklärungen vor, daß sie die Kabinettsorder von 1855 für ein Minimum halten. Der Staat wird sich damit abzufinden haben. Und die Demokraten dürften trotz des wohl etwas schwankenden Höpker-Aschoff bei der Stange bleiben. Ein Auffliegen der preußischen Koalition würden ja gerade die Demokraten zu zahlen haben, deren bescheidene >Massen< bei der nächsten Landtagswahl im wesentlichen die - Nationalsozialisten verstärken werden. Die dann auftauchenden neuen Aspekte für ein Konkordat brauche ich nicht zu schildern. Es kommt jetzt alles darauf an, daß die jetzige preußische Regierung, deren Tage ohnehin bald gezählt sein dürften, das Konkordat unter Dach

Diese Briefe von Schmidt sind nicht gefunden worden.

6.11. Die Streitigkeiten um den preußischen Kirchenvertrag und Fach bringt. Die Marburger können vielleicht ein bißchen in der Weise aus ihrer splendid isolation heraus kommen, daß ihre Opposition auf die zwei anderen neupreußischen Fakultäten Göttingen und Kiel übergreift, weil diese auch bei anderer sachlicher Stellungnahme den universitätspolitischen Gesichtspunkt geltend machen dürften, daß ihnen bewilligt wird, was auch Marburg bewilligt wird. Bei der Haltung der Kirchen ist aber auch das eine ganz platonische Angelegenheit. Schließlich können dann auch die altpreußischen Fakultäten den universitätspolitischen Gesichtspunkt ins Feld fuhren — keine Fakultäten zweiten Ranges!, »Gleichheit vor dem Gesetz«! —, was aber erst recht eine platonische Angelegenheit bleiben dürfte. Rebus sie stantibus ist ein Fakultätentag völlig nutzlos.Offenbar will Marburg trotzdem seine Opposition nicht aufgeben. Die Ihnen und Ihren Kollegen vorschwebende Gewissensfrage kann zwar sachlich keinen Eindruck machen ich halte einen solchen Rückzug theologisch-kirchlich und auch politisch fur unmöglich mag aber doch seine Folgen fur Marburg haben, die dann von den einen mit Sympathie und von den anderen mit Antipathie betrachtet werden, was realiter belanglos ist. Leider ist zu befürchten, daß Marburg sich nicht mehr zurückfindet. Inzwischen ist durchgesickert, daß $ Marburger Kirchenaustritt und Professurniederlegung angekündigt haben. Ich habe das jetzt von einem Frankfurter Pfarrer, der mich vor ein paar Tagen hier in Bonn besucht hat, gehört. Es scheint, daß diese Dinge in Marburg ins Publikum gedrungen und von dort auch anderswo bekannt geworden sind. Selbst wenn ich mich mal auf den Standpunkt der Marburger Opposition stellen wollte, so habe ich nun fur diese Dinge, vor allem für die Androhung eines Kirchenaustritts gar kein Verständnis. Wenn gerade diese Sache nun den Kirchen bekannt werden sollte, so werden unsre Landeskirchen schließlich auch noch in auch mir bedenklichen Prestige-Gelüsten usw. versteift. Soviel ich weiß, gehören Hermelink und v.Soden der Synode der Kirche von Hessen-Kassel an. Was soll man nun dazu sagen, daß Mitglieder einer Kirchensynode sozusagen in einem noch schwebenden Verfahren mit solchen antikirchlichen Drohungen kommen?! Eine Aussprache auf dieser Basis scheint mir völlig zwecklos zu sein. Erstaunlich ist insbesondere die Haltung von Frick, der mir als invertierter CSVer vorkommt, der nun das verbrennt, was er mal angebetet hat. Mit Absicht habe ich mich heute Ihnen gegenüber im wesentlichen auf die realpolitische Seite des ganzen Komplexes beschränkt. Daß ich bei alledem nicht primär taktisch vorgehe, obwohl sicherlich aus sachlicher Verantwortung heraus unter Umständen die Taktik Pflicht wird, werden Sie mir sicherlich glauben. Und ich sagte ja schon, daß ich mich gerade mit Ihnen besprechen möchte. Schade, daß wir das nicht neulich in Breslau getan haben, wo ja mein Artikel schon vorlag! Es ist bezeichnend, wie sich die Vertreter einer Ideologie von vorgestern mit mir auseindersetzen. Rade, der mich angefleht hat, ich möchte zu seinen Thesen Stellung nehmen, schweigt sich nun in seiner Chrisd. Welt aus. Nebenbei: das ist ja schließlich auch nicht liberal, wenn man gerade in solcher Weise reagiert. ...Soeben teilt mir unser Dekan Goeters mit, daß mit Eilbrief die Einladung zum Fakultätentag

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6. Die Bonner Zeit 1929-1933 eingegangen sei. Da steht nun drin, daß 5 Marburger nötigenfalls ihre Professur niederlegen und aus der Kirche austreten wollen. Dabei wird von 4 Fakultäten gesprochen, aus deren Mitte heraus ein solcher Fakultätentag gewünscht wird. Wer mag die vierte Fakultät außer Marburg, Kiel, Göttingen sein? Mit herzlichen Grüßen Ihr (gez.) Karl Ludwig Schmidt«. 440

A m nächsten Tag, dem 21. Januar, beschloß die Bonner Fakultät mit sieben Stimmen gegen eine die Nicht-Beschickung des außerordentlichen Fakultätentages. Karl Barth, der sich aus dieser Diskussion weitgehend herausgehalten hatte, zeigte hier seine »einzige lebhaftere Geste in dieser Sache«. »Ich erklärte mich gegen jenen Fakultäten-Tag, weil ich es für unmöglich hielt, unter dem Druck Ihrer [d.i. Bultmanns, A . M . ] feierlich erfolgten Drohung mit dem Kirchenaustritt und Amtsniederlegung würdig mit Ihnen zu verhandeln.« 441 Schmidt informierte daraufhin am 22. Januar Bultmann über die Ergebnisse der Bonner Fakultätssitzung vom 21. Januar: »Lieber Herr Bultmann, ich hatte gehofft, Sie würden mich auf meinen Eilbrief 441 hin telefonisch anrufen - bei der Marburger Eile, mit der jetzt die einzelnen Theologischen Fakultäten beglückt werden, wäre das durchaus stilecht gewesen —, oder Sie würden sofort hierher nach Bonn kommen, um das neue Material vorzulegen, von dem aus doch Ihre Fakultät so etwas wie eine Revision des Standpunktes der Fakultäten erhofft. Unsre Bonner Fakultät hat nunmehr in ihrer gestrigen Sitzung folgendes Telegramm (mit 7 gegen die eine Stimme von Hölscher) beschlossen, das sofort an Hans Schmidt und an alle 9 preußischen Schwesterfakultäten geschickt worden ist und das Sie vielleicht schon kennen: >Evangelisch-Theologische Fakultät Bonn erklärt sich gegen Abhaltung des Fakultätentages und lehnt Beteiligung unter allen Umständen ab. Vorliegende Mitteilung ergeht gleichzeitig an alle Fakultäten.« Vertraulich möchte ich Ihnen etwas über die Haltung Hölschers mitteilen, nicht, um den von mir als Menschen sehr geschätzten Hölscher anzuschwärzen, son-

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Kopie im N L Seeberg, BA Koblenz. Schmidt schickte Seeberg seinen Brief an Bultmann als Doppelkopie »zur vertraulichen Kenntnisnahme«, wie er handschriftlich der Doppelkopie anmerkte. Schreiben Barths an Bultmann vom 27.5.1931, in: Barth - Bultmann, Briefwechsel (s. Anm.372) n6f. Der Briefwechsel zwischen Barth und Bultmann verdeutlicht das gestörte Verhältnis, zu dem es wegen dieser Frage zwischen den beiden Theologen gekommen war. Bultmann warf Barth einseitige Information und Beeinflussung durch Schmidt vor und beklagte die fehlende Kommunikation zwischen Bonn und Marburg (vgl. das Schreiben Bultmanns an Barth vom 14.6.1931, Barth - Bultmann, Briefwechsel [s. Anm.372] 123 und die Antwort Barths vom 20.6.1931, a.a.O. 127). Damit ist der oben zitierte Brief Schmidts an Bultmann vom 20.1.31 gemeint.

6.U. Die Streitigkeiten um den preußischen Kirchenvertrag dem um die Lage zu beleuchten. Hölscher meinte mal zwischendurch, Barth und ich würden niemals von der >Kirche< anerkannt werden, und war dann einigermaßen erstaunt, zu vernehmen, daß sogar er (Hölscher) selbst durch den Engpaß des EOK-Votums ohne Fährnis hindurchgekommen sei. Jedenfalls ist von einem Einspruch gegen Hölscher von dieser Seite nichts bekannt geworden. Hölscher ist offenbar gar nicht klar, daß er sich aus dem freien Marburg in das unfreie Bonn begeben hat. Barth hat mir aufgetragen, ich sollte Ihnen ausdrücklich sagen, daß er Ihre Haltung ganz abwegig finde. In unserer Fakultätssitzung hat sich übrigens Barth am schärfsten gegen die Marburger Politik des Diepistoleaufdiebrustsetzens ausgesprochen. Ich mußte mich dem anschließen. Es scheint, daß Marburg durch die freundliche Haltung des Ministeriums ihm gegenüber ein bißchen verwöhnt worden ist. An Richters und Grimmes Stelle hätte ich mir eine solche Politik wirklich nicht gefallen lassen. Mir kommt das alles nicht staatspolitisch, weil unordentlich vor. Ist es aber nun zu verantworten, daß Marburg mit den anderen Fakultäten allein auf der Basis verhandeln will, daß die Marburger Fünf gleich die äußersten Folgerungen ins Auge fassen, wenn sich ihr Standpunkt nicht durchsetzt?! Wie kann v.Soden rebus sie stantibus es verantworten, in der Nichteinberufung des Fakultätentages eine unkollegiale Handlung zu sehen?! Im übrigen beruft er sich wieder mal aufs Gewissen, ohne zu bedenken, daß wir anderen bei unserer schärfsten Opposition gegen Marburg diesen nicht ganz unbekannten Rückzug auch antreten könnten, und zwar mit mehr Recht, wenn ich an die große soziale Verantwortung denke, die uns jetzt in der gegenwärtigen politischen und kirchlichen Lage auferlegt ist. Und was soll die Behauptung, daß 1929 ein geschiedenes Vorgehen der alt- und der neupreußischen Fakultäten vereinbart gewesen sei? Davon hat Ihr Dekan Bornhäuser in Breslau kein Sterbenswörtchen verlauten lassen. Ueberhaupt: warum hat Marburg nicht den Breslauer Fakultätentag ernst genommen und dort seine praktischen, politischen, kirchlichen Bedenken vorgetragen, anstatt nun auf einmal Ihr theologisches Gutachten ins Feld zu führen? Bis jetzt hat man von der Marburger Seite aus in dieser Richtung gar nichts gemerkt. Was Rade, Hermelink in der Frankfurter Zeitung oder in der Christl.Welt haben laut werden lassen, hat doch wohl auch nach Ihrer Meinung keine theologische Substanz. Ferner: wenn Alt- und Neupreußen in dieser Sache schiedlich-friedlich auseinandergehen sollen, dann ist nun vollends nicht einzusehen, daß die altpreußischen Fakultäten dazu die Hand bieten sollen, Marburg die Kastanien aus dem Feuer zu holen! Dann mag Marburg zusehen, wie es allein, vielleicht im Bunde mit Kiel und Göttingen mit Staat und Kirche fertig wird. Wie kann auch nur erwartet werden, daß es in Altpreußen mit Bejahung der altpreußischen Fakultätsgenossen sozusagen Fakultäten zweiten Ranges geben soll, während die wahren echten Theologischen Fakultäten nur in Neupreußen oder gar nur im Regierungsbezirk Kassel sein sollten?! An diesem Tatbestand mit seiner nicht zu verkennenden Tragweite kann auch Ihr Votum, das Sie vor kurzem in Berlin vorgetragen haben, gar nichts ändern. Sie beschuldigen mich eines Rade - Komplexes. Es handelt sich bei mir dann schon eher um einen Marburg - Komplex, den

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6. Die Bonner Zeit 1929-1933 zu haben ich durchaus Veranlassung habe. Ich möchte aber allen Ernstes vorschlagen, daß Sie nicht in dieser Weise gegen mich operieren möchten. Und um Ihnen die Durchführung dieses meines Vorschlages zu erleichtern, verzichte ich vorerst darauf, Ihnen vorzuhalten, welchen Komplex ich bei Ihnen mit Bestimmtheit zu sehen glaube. Sie betonen, daß sich das seit 75 Jahren bestehende altpreußische System nicht bewährt habe, und haben Mühe, konkrete Fälle zu nennen, sodaß sie auf die Fälle Bultmann, Dibelius, Windisch hinweisen, die ja nun wirklich keine feststellbaren Fälle geworden sind. Ich erinnere erneut daran, daß Bousset nicht durch die Kirche, sondern durch - Harnack vom Ordinariat ferngehalten worden ist. Soll man nun deshalb sagen, die Praxis des Fakultätenvorschlages sei unhaltbar? Ihr Haupteinwand geht dahin, daß ich nicht wüßte, was denn Marburg nun eigentlich in Halle vorzubringen habe. Nun, ich bin durchaus im Bilde darüber, was da vorgebracht werden kann und wird. Sie selbst legen dabei Wert auf Ihr eigenes theologisches Gutachten. Aber gerade dieses kann mich nun nicht überzeugen.443 Bei alledem bin ich Ihnen herzlich dankbar, daß Sie mir Ihre grundsätzlichen Darlegungen zugänglich gemacht haben. Eigentlich ist es ja etwas tragikomisch, daß nun bei der Marburger Haltung ein Gutachten eine Rolle spielt, das von den Kielern und Göttingern, soweit sie auf Marburger Seite stehen, aber vor allem auch von Ihren eigenen Marburger Kollegen wohl kaum verstanden wird, so deudich allerdings auch die Stimme von Wilhelm Herrmann durchtönt, die mir aber im heutigen Marburg kaum noch Resonanz zu haben scheint. Zum mindesten möchte ich nun dafür plädieren, daß Sie, sobald es geht, Ihr Gutachten veröffentlichen. Gerne stelle ich Ihnen dazu die ThBl zur Verfügung. Ich würde jedenfalls eine sachliche Auseinandersetzung mit Ihnen coram publico theologico begrüßen. ...Soeben habe ich von Erich Seeberg, den ich telefonisch angerufen habe, erfahren, daß der Fakultätentag abgesagt ist. Hans Schmidt hat in der D A Z soeben einen Aufsatz gegen Mandel, der sich neulich in der D A Z geäußert hat, geschrieben. 444 Mit herzlichen Grüßen Ihr (gez.) Karl Ludwig Schmidt«.445

445

Damit wird eine theologische Stellungnahme Rudolf Bultmanns vom 18. Januar 1931 angesprochen sein, die die Erklärung der Marburger Theologieprofessoren vom November 1930 untermauert (abgedruckt in Barth - Bultmann, Briefwechsel [s. Anm.372] 247f·)·

444

Hans Schmidt, der Vorsitzende des Fakultätentages und Kollege Karl Ludwig Schmidts aus Gießener Zeit, schrieb in der am 22. Januar 1931 erschienenen Ausgabe der »Deutschen Allgemeinen Zeitung« einen Artikel zu der Problematik des geplanten Fakultätentages; ein Artikel, mit dem nach Ansicht der Marburger Fakultät Schmidt seine als Vorsitzender des Fakultätentages notwendige Neutralität grob verletzt hat (vgl. das Protestschreiben der Marburger Fakultät auf die Absage Schmidts vom 24.1.1931 an

6.U. Die Streitigkeiten um den preußischen Kirchenvertrag

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Kurz darauf schrieb Schmidt an Seeberg: »Lieber Herr Seeberg, ich brauche wohl nicht besonders zu unterstreichen, daß ich Ihrem Eilbrief vom 21.i. 44 * resdos zustimme. Es war gut, daß Sie mir einen Eilbrief geschickt hatten. Ich hatte ihn vor meinem Kolleg in den Händen und konnte mit unserem Dekan Goeters sofort die mir nötig erscheinenden Schritte besprechen. Telefonisch wollte ich Ihnen vorschlagen, daß Berlin und Bonn jedenfalls folgendes Telegramm an Hans Schmidt schicken sollten: >Wir erheben geschäftsordnungsgemäßen Einspruch gegen Einberufung des Fakultätentages, da von 10 Stimmen 5 Stimmen gegen Einberufung.< Oder nötigenfalls: >Wir erheben geschäftsordnungsgemäße schwere Bedenken gegen Einberufung des Fakultätentages, da von 10 Stimmen 4 Stimmen gegen Einberufung.< Erfreulicherweise ist das ja nun alles überflüssig geworden, da der Fakultätentag abgesagt ist.Was wird nun weiter geschehen? Marburg wird, denke ich, an den Minister appellieren und sich schließlich Uber die anderen Fakultäten beschweren, daß sie kein Verständnis für die freie Theologie hätten usw. usw. Was wird dann der Minister tun? Wenn er Geschmack an Debatten mit und zwischen Theologieprofessoren hat, dann mag er alle Fakultäten zu sich nach Berlin bitten. Vorerst scheint mir aber ein anderes wichtiger zu sein: ich greife Ihre Intention auf und plädiere dafür, daß der Minister nun endlich mal wirklich die andere Seite anhört. Ich nehme an, daß ihm ein in dieser Richtung gehender Rat gegeben wird. Wenn das nicht gelingt, dann möchte ich mir Uberlegen, ob ich nicht den Minister bitte, mich bald einmal in Berlin anzuhören. Andere, in erster Linie Sie sollten dasselbe tun. Was meinen Sie dazu? Betrüblich finde ich die Art, wie Hans Schmidt als Vorsitzender des Fakultätentages gehandelt hat. Wenn er nicht erfaßte, daß er auf die Marburger mit ihren Drohungen nicht zu hören brauchte, so durfte er jedenfalls auf keinen Fall den Fakultätentag anberaumen mit der vagen Aussicht, ihn eventuell wieder abzusagen, sondern er mußte erst mal darüber abstimmen lassen, ob überhaupt ein Fakultätentag stattfinden soll. Mit seinem schlichten Artikel in der D A Z mag Hans Schmidt so etwas wie eine Reinigungsmensur geschlagen haben. Aber ich finde, daß eine solche Führung der Fakultätengschäfte, wie wir sie nun erlebt haben, auf die Dauer nicht erträglich ist. Wenn Halle keinen besseren Präses stellen kann, dann

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444

Hans Schmidt in seiner Funktion als Vorsitzender des Fakultätentages sowie an die altpreußischen - Theologischen Fakultäten Berlin, Bonn, Breslau, Greifswald, Königsberg und Münster, abgedruckt in Barth - Bultmann, Briefwechsel [s. Anm.372] 248-254). Kopie des Schreibens (erneut von Schmidt zur vertraulichen Kenntnisnahme an Seeberg geschickt) im N L Seeberg, BA Koblenz. Nicht mehr erhalten.

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6. Die Bonner Zeit 1929-1933 sollte m.E. der Vorort an Berlin übergehen, was ohnehin mancherlei für sich haben dürfte. Mit freundlichen Grüßen stets Ihr (gez.) Karl Ludwig Schmidt«. 447

»Was wird nun weiter geschehen?« - eine Frage, die Schmidt auch die nächsten Tage intensiv beschäftigte. Um den 22. Januar herum kursierende Gerüchte, der Fakultätentag fände nun doch, auf Initiative der Marburger, mit einem Rumpfparlament in Halle statt, zerschlugen sich zur Freude Schmidts sehr bald. 44 * Die Reaktion der Marburger Fakultät erfolgte prompt und heftig. Sie bestand in einem Protestschreiben, das am 24.1.1931 sowohl an Hans Schmidt als auch an die Theologischen Fakultäten in Berlin, Bonn, Breslau, Greifswald, Königsberg und Münster verschickt wurde und das deutliche Marburger Mißfallen über die Absage zum Inhalt hatte. Zugleich wurde in diesem Schreiben die Amtsführung des Vorsitzenden Schmidt scharf kritisiert.449 Schmidt reagierte sofort auf das Marburger Schreiben und initiierte gemeinsam mit Karl Barth eine ebenso scharfe Replik, wie der Brief an Seeberg vom 27.1.1931 deutlich zeigt:»Inzwischen ist ja nun wohl auch bei Ihnen das einigermaßen tolle Schreiben von Marburg gegen Hans Schmidt und die Fakultäten, die die a.o. Tagung abgelehnt haben, eingegangen. Zuerst dachte ich, man könnte und sollte vorerst dieses Schreiben auf sich beruhen lassen. Es ist aber doch wohl eine Antwort nötig, weil die Marburger ihren Erguß wieder mal gleich an den Minister weiter geleitet haben. Daraufhin habe ich sofort eine Antwort entworfen, sie mit Karl Barth durchgesprochen und beide Entwürfe (siehe die beiden Anlagen!450) an Goeters zum Umlauf in der Fakultät geschickt. Ich denke, daß sich alle Bonner Kollegen abgesehen von Hölscher Barths oder meinem Entwurf anschließen werden.«451 Der von Schmidt entworfene452, von Barth gekürzte Entwurf 453 , der sich noch einmal scharf gegen die Androhung der Amtsniederlegung und des

447 448 449 4!

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451

451 45

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Original im N L Seeberg, BA Koblenz. Schreiben Schmidts an Seeberg vom 24.1.1931, Original im N L Seeberg, BA Koblenz. Vgl. Barth - Bultmann, Briefwechsel (s. Anm. 372) 248-254. Das von Schmidt entworfene und von Barth gekürzte Antwortschreiben ist abgedruckt bei a.a.O. 255. Schreiben Schmidts an Seeberg vom 27.1.1931, Original im N L Seeberg, BA Koblenz. So ist es auch gekommen: Die Bonner Fakultät beschloß einstimmig mit Ausnahme Gustav Hölschers den von Schmidt verfaßten und von Barth gekürzten Entwurf und schickte ihn am 28. Januar der Marburger Fakultät zu (Barth - Bultmann, Briefwechsel [s. Anm.372] 255). Vgl. Anlage 22. Kopie im N L Seeberg, BA Koblenz.

6.Ii. Die Streitigkeiten um den preußischen Kirchenvertrag

131

Kirchenaustrittes von fünf Marburger Professoren wandte, durch die eine gemeinsame Basis nicht gefunden werden könne, wurde am 28.1.1931 als »Antwort an Marburg inzwischen nicht nur an den Adressaten, den Minister und Hans Schmidt, sondern auch an alle deutschen Evangelisch-Theologischen Fakultäten geschickt, also nicht nur an die preußischen, weil ja auch Marburg alle Fakultäten mit einer Kopie seines üblen Ergusses bedacht hat. Im übrigen stimme ich Ihnen durchaus zu, wenn Sie den Marburger Velleitäten nicht zu viel Wichtigkeit beigemessen haben möchten.«454 In der Tat: Die Absage des Fakultätentages war eine wichtige Vorentscheidung über den Staatskirchenvertrag; zwar lud Ende Januar 1931 der Kultusminister auf Initiative der Marburger noch einmal Vertreter aller preußischen Fakultäten zu einer Besprechung nach Berlin ein, doch zeigte sich im Verlauf der Gespräche nur, daß die Marburger mit ihren Forderungen nun völlig isoliert waren.455 Schmidt nahm sich auch die Mahnung Seebergs, »den Marburger Velleitäten nicht zu viel Wichtigkeit beizumessen«, nach diesen wichtigen Vorentscheidungen zu Herzen und reduzierte sein Engagement deudich - in den erhaltenen Briefen ist von Februar 1931 an diese Diskussion kein Thema mehr fur Schmidt.456 Lediglich in der März-Ausgabe der Theologischen Blätter griff Schmidt noch einmal erneut in die Diskussion ein, als er anhand zahlreicher Zitate aus der Reformationszeit und des 17. Jahrhunderts die These zu widerlegen suchte, daß nach »evangelischer Überzeugung ... der in der EvangelischTheologischen Fakultät vertretene Lehrstand und nicht das Kirchenregiment über Lehre und Bekenntnis« zu entscheiden habe.457 Hinter dieser These steht die Vorstellung einer klaren Scheidung zwischen den Theologischen Fakultäten als Lehrinstanz und der Kirchenleitung als Verwaltungsinstanz; für Schmidt stellte dies eine Unmöglichkeit dar, da nicht nur die Tatsache der Theologischen Fakultäten als reine Staatsfakultäten ignoriert, sondern auch übersehen wurde, daß die Trennung zwischen Fakultät und Kirchenleitung »in der kirchlichen Praxis« unbekannt ist.458

454

Brief Karl Ludwig Schmidts an Seeberg vom 29.1.1931, Original im N L Seeberg, BA Koblenz.

455

Zu diesem Gespräch s. auch Rittberg, Kirchenvertrag (s. Anm.409) zoof. Vgl. insg. zu den Auseinandersetzungen auf dem Fakultätentag die Protokolle der Fakultätentage Breslau 1930 und Halle 1932.

456

Der Brief Barths an Bultmann vom 20.6. zeigt jedoch deutlich, daß Schmidt am 17.2.31 in einem verloren gegangenen Brief noch einmal ausführlich (»Bl. 5 Mitte«) auf diese Frage einging (vgl. Barth - Bultmann, Briefwechsel [s. Anm.372] 127).

457

Evangelisch-Theologische Fakultät und Evangelische Kirche, ThBl 10,1931,74-80: 79.

458

Vgl. a.a.O. 76.

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6. Die Bonner Zeit 1929-1933

Die Diskussion im Frühjahr 1931 fand ihren vorläufigen Abschluß darin, daß die Marburger Fakultät sich mit dem Kompromiß einverstanden erklärte, daß das Votum der Kirchenleitung zu einem Berufungsvorschlag »nicht an das Kultusministerium, sondern an die Fakultät selbst gerichtet sein müsse«. Da die in Art. 11,2 erreichte Regelung auch in diesem Sinne verstanden werden konnte, willigte Marburg schließlich ein. 459 Umstritten blieb jedoch auch weiterhin die wesendiche Frage nach der »kirchlichen bzw. kirchenleitenden Funktion, die den theologischen Fakultäten« an einer staadichen Universität zukommt. 460 Die Ratifizierung des für Schmidt »erfreulichen« Vertrages schloß »glücklicherweise« die Diskussion darüber ab. 46 ' Zwar gab es noch einige publizistische »Nachhutgefechte«, die Schmidt in den Theologischen Blättern aufnahm und kommentierte462, doch war für ihn mit diesem Vertrag die Frage nach der kirchlichen Funktion einer Theologischen Fakultät als Staatsfäkultät geklärt: Die Theologische Fakultät hat nicht kirchliche Funktionen von Kirchenleitung und Kirchenlehre - aus möglichen Ressentiments gegenüber Staat und Kirchenleitung heraus - zu übernehmen. Im Gegenteil: Staat, Kirchenleitung und Fakultät haben gemeinsam Verantwortung für die Ausbildung der Theologen zu tragen. Die kirchliche Lehre obliegt somit auch der gemeinsamen Verantwortung von Staat und Kirchenleitung. Schmidt faßte in seinem fur ihn diese Diskussion abschließenden Schlußwort zusammen: »Im übrigen darf ich mich auf

459 Wesentlich für die Marburger Zustimmung war die in einem amtlichen Schlußprotokoll von allen Beteiligten getragene Interpretation (abgedruckt in Rittberg, Kirchenvertrag [s. Anm.409] 320-324: besonders 322-324), »daß die Kirchenbehörde im Falle einer Beanstandung vor Eintritt in das Verfahren mit der betreffenden Fakultät vertraulich mündliche Fühlung nimmt, so daß die Heimlichkeit des Verfahrens beseitigt war. Zugleich wurde nun in der gemeinsamen Verhandlung zwischen Fakultät und Verwaltungsbehörde gegenüber dem Ministerium zum Ausdruck gebracht, daß beide Körperschaften als Organe der Kirche hier ihre gemeinsame Verantwortung wahrnehmen, daß aber den evangelischen Fakultäten grundsätzlich eine andere Stellung gegenüber der Kirchenleitung zukommt als den katholischen Fakultäten gegenüber der bischöflichen Lehrgewalt der Kirche« (Härle/Leipold, Lehrfreiheit [s. Anm. 414] 138). Aufschlußreich auch Fricks Brief an Minister Grimme vom 3.6.1931, abgedruckt in: C W 45,1931, 66if. 460

461

461

Vgl. Huber, Staat 4 (s. Anm.414) 706; ähnlich auch Frick, die Marburger Opposition gegen den Fakultätenartikel im Staatsvertrag, CW 45,1931, 650-662: 660. Der Vertrag wurde im preußischen Landtag am 11.5.1931 mit 201 gegen 56 Stimmen bei 105 Enthaltungen angenommen und trat am 29. Juni 1931 in Kraft; vgl. Huber, Staat 4 (s. Anm.414) 708 mit Anm. 1; zur Verabschiedung dieses Vertrages durch Landeskirchen, Regierung und Parlament Rittberg, Kirchenvertrag (s. Anm.409) 205-214. So das Urteil Schmidts in seinem Aufsatz, Zum Abschluß des Vertrages des Freistaats Preußen mit den Evangelischen Landeskirchen, ThBl 10,1931, 213-214: 213. Ebd.

6.Ii. Die Streitigkeiten um den preußischen Kirchenvertrag

133

meine entsprechenden Ausführungen in den ThBl 1930, Nr. 9 und 1931, Nr.3 beziehen. Ich wiederhole den Schlußsatz meines zweiten Aufsatzes: >Immer wieder wird der aussichtslose Versuch gemacht, die Tatsache, daß die jetzigen Evangelisch-Theologischen Fakultäten staatlich und nicht kirchlich sind, hinwegzudisputieren. Und über den von der Reformation her bestehenden Zusammenhang zwischen Kirchenleitung und Kirchenlehre wird weder historisch noch systematisch nachgedachte Ich füge hinzu: auch, ja gerade im Neuen Testament ist der konstitutive Zusammenhang zwischen Kirchenleitung und Kirchenlehre betont.«46* Der von Schmidt betonte »konstitutive Zusammenhang« von Kirchenleitung und kirchlicher Lehre hatte, neben den oben skizzierten theologischen Gründen, auf dem Hintergrund der sich abzeichnenden politisch instabilen Lage fur Schmidt allerdings noch einen tieferen Grund: Nur der möglichst enge Zusammenschluß von Kirchenleitung und Fakultät kann die Theologie nicht nur vor christlich verbrämten Ideologien, sondern auch vor den Eingriffen eines totalitären Staates schützen. Angesichts des sprunghaften Anwachsens der Nationalsozialisten, der sich immer weiter verbreitenden »politischen Theologie« und der sich allmählich organisierenden »Deutschen Christen« war für Schmidt jetzt, 1932, keine Zeit mehr für alte liberale Parolen. »Auch den Marburgern dürfte jetzt wohl deudich sein, daß die möglichst enge Verbindung zwischen Kirchenbehörde und Fakultät die Theologie, die nur von der Kirche her ihre Substanz und Würde hat, vor einem omnipotenten Staat schützen muß und kann«, schrieb Schmidt in den für ihn äußerst kritischen Tagen des April 1933 an den ehemaligen westfälischen Generalsuperintendenten Wilhelm Zoellner. Ob Fakultät und Kirchenbehörde eine Schutzfunktion in dieser für die Theologie bedrohlichen Situation überhaupt noch übernehmen können, darüber war sich Schmidt nicht im klaren. Vorausschauend Schloß er: »Allerdings werde ich in Bezug auf solches Können von Tag zu Tag skeptischer«.464

463

A.a.o. 214.

464

Zitiert nach Faulenbach, H., Heinrich Josef Oberheids theologisches Examen im Jahr 1932 und das Geschick seines Prüfers Karl Ludwig Schmidt im Jahr 1933, in: »Daß unsere Augen aufgetan werden«, FS Hermann Dembowski, hg. von J.-E. Gutheil, S. Zoske, Frankfurt/M. u.a., 1989, 57-97: 71.

7. DAS JAHR 1933 Schmidt sollte mit seiner Skepsis recht behalten. Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 wurde denn auch in weiten Teilen des Protestantismus begrüßt.465 Hider machte zu Beginn seiner Amtszeit kirchenpolitische Aussagen von weitreichender Bedeutung und suchte in der Öffentlichkeit den Eindruck zu vermitteln, »daß eine an christlichen Grundwerten orientierte Regierung die Verantwortung im Staat übernommen habe«.466 Diesen Aussagen schenkte Schmidt jedoch keinen Glauben. Er war vielmehr davon überzeugt, daß es gerade nach dem 30. Januar 1933 entscheidend darauf ankomme, politisch und theologisch deutlich Position gegen den Nationalsozialismus und die damit zusammenhängende »politische Theologie« zu beziehen. So gehörte er zu den ersten Theologen in Deutschland, die das Verhältnis von Judentum und Kirche angesichts der Herausforderung des Nationalsozialismus deutlich erkannten und problematisierten. An Bultmann gewandt, der Schmidt das Manuskript seiner Semestereröffnungsvorlesung »Die Aufgabe der Theologie in der gegenwärtigen Situation«467 zur Veröffentlichung zugesandt hatte, stellte Schmidt fest:»Sie wenden sich beiläufig gegen die Diffamierung der Juden. Das ist sicherlich gut und recht. Aber von dieser Diffamierung lebt nun mal das in Deutschland konkret gewordene >Volkstum 15-31·

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Vgl. insg. Bracher, K.D., Demokratie und Machtergreifung: Der Weg zum 30. Januar 1933, in: Nationalsozialistische Diktatur 1933-1945, hg.v. K.D. Bracher, M. Funke, H.A. Jakobsen, Schriftenreihe fiir politische Bildung 192,1986,17-36. Ab Februar 1933 schuf Barth »die theologischen Grundlagen des kirchlichen Widerstandes«, so Hellmut Traub in einem Gespräch mit dem Verfasser am 19.2.1993; vgl. auch Stoevesandt, H., »Von der Kirchenpolitik zur Kirche!« Zur Entstehungsgeschichte von Karl Barths Schrift »Theologische Existenz heute!« im Juni 1933, Z T h K 76,1979, 118-138.

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7· Das Jahr 1933

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Buber, mit dem er wenige Wochen zuvor, am 14. Januar 1933, das berühmte öffentliche »Zwiegespräch« in Stuttgart gefuhrt fuhrt, offenbarte Schmidt die Motive seines Entschlusses: »Sehr geehrter, lieber Herr Buber, ... Sie werden verstehen, daß ich mich mehr als je mit der leidigen Politik befasse. Ich kann und will mir nicht helfen: dieser >deutschennationalen< Regierung schäme ich mich als Deutscher und als evangelischer Christ. Während ich bis jetzt jeden Antrag der SPD, dieses oder jenes Mandat anzunehmen, abgelehnt habe, habe ich nun dieses Mal ein ganz bescheidenes Mandat angenommen: als mich vor wenigen Tagen die SPD-Leitung dringend bat, habe ich ja gesagt. ... Ich stehe an 3.Stelle, also an todsicherer Stelle.... Gegenüber der offiziellen Parole des Evangelischen Bundes478, daß sich jeder Evangelische für diese Regierung einzusetzen habe, gegenüber den Nazi-Anträgen, die >Religion< auf Berufsschulen obligatorisch zu machen usw. usw., wird man gerade um der recht verstandenen Kirche willen die Freiheit des Gewissens - schließlich handelt es sich hier nun doch nicht um einen liberalen Ladenhüter - betonen müssen.«479 Schmidt wurde als Kandidat der S P D für die Kommunalwahl in der Sitzung des Wahlausschusses am 7. März 1933 zugelassen480 und am 12. März in den Bonner Stadtrat gewählt. 481 Obwohl sich in Bonn rein rechnerisch Schmidts Hoffnungen auf eine bürgerlich-sozialdemokratische-Zentrumskoalition, die von den Kommunisten toleriert wurde, erfüllten, erübrigten sich angesichts der handstreichartigen Machtübernahme der N S D A P in den preußischen Rathäusern derartige Spekularionen. Mit der Bonner Machtübernahme der N S D A P 4 8 2 endet

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Zum Evangelischen Bund vgl. insg. Fleischmann-Bisten, Der Evangelische Bund (s. Anm.464). Abgedruckt in: Buber, M., Briefwechsel aus sieben Jahrzehnten. Band II: hg. v. G. Schaeder, Heidelberg 1973, 471. Vgl. Amtsblatt der Stadt Bonn 4, 8. März 1933, Nr.j, 1. Schmidt stand, wie vereinbart, auf Listenplatz 3 der 28 Personen umfassenden SPD-Liste (ebd.). Vgl. Amtsblatt der Stadt Bonn 4, 22. März 1933, Nr. 5,1. Von der SPD wurden fünf Kandidaten gewählt, wobei ein Kandidat sein Amt nicht antrat; ein Nachfolger wurde nicht mehr bestimmt (ebd.). In Bonn erhielten die NSDAP 34,5%, die Kampffront Schwarz-Weiß-Rot 9,8%, das Zentrum 36,1%, die SPD 9,9%, die KPD 7,1% und die Sonstigen 2,6% der abgegebenen Stimmen (s. General-Anzeiger vom 13.3.1933; vgl. auch Vogt, Bonn [s. Anm.474] 517)· Schon am 14. März kam es zur Beurlaubung des Bonner Oberbürgermeisters Wilhelm Lürken und zur Einsetzung eines Staatskommisars, Wilhelm Rickert (General-Anzeiger, I4.3-I933)·

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η. Das Jahr 1933

ein Prozeß auf kommunaler Ebene, der mit der Verordnung zur Auflösung aller kommunaler Parlamente vom 4. Februar 1933 einsetzte, mit heftigen publizistischen Angriffen auf die städtische Beamtenschaft fortgeführt wurde und in der ersten Stadtverordnetenversammlung nach der Wahl am 31. März seinen vorläufigen Abschluß fend.485 Nach dieser freiwilligen Preisgabe politischer Kompetenzen des Stadtrates nahm der Druck auf die nicht der N S D A P angehörenden kommunalen Mandatsträger weiter zu.4*4 Schmidt, der von der SPD fur den Schulausschuß nominiert worden war, sah sich jetzt nicht nur an der Universität einer beruflichen Diffamierung, sondern auch als Stadtverordneter einer politischen Entmündigung ausgesetzt. Er wurde nicht zu den Ausschußsitzungen eingeladen, erhielt keine Beratungsunterlagen, auch die allgemeinen Informationen aus der Stadtverwaltung wurden ihm vorenthalten. Konsequenterweise teilte Schmidt am 21.4.1933 dem Bonner NS-Oberbürgermeister Rickert mit, daß er sein Bonner Stadtverordnetenmandat niederlegen werde.485 Rickert nahm diesen Rücktritt an und informierte am 9. Mai die Bonner Stadtverordnetenversammlung von dieser Entscheidung Schmidts.486 Schmidts tapferes Eintreten fur die Weimarer Republik war vergebens, sein Einsatz gescheitert. Doch damit nicht genug. Seine Kandidatur fiir den Bonner Stadtrat war der Startschuß einer üblen und beispiellosen Kampagne gegen ihn: »Nicht der theologische Standort, sondern die politische Einstellung diente den Deutschen Christen als Hebel, die ihnen nicht Gefugigen anzugreifen.«487 Ein Theologieprofessor, der den Kampf gegen den Nationalsozialismus nicht nur auf theologischer, sondern auch auf politischer Ebene führte, war nicht nur für viele Studenten, Pfarrer und Professoren, sondern ebenso auch für das preußische, nun mit Nationalsozialisten besetzte Kultusministerium nicht mehr tragbar.

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In dieser von Stahlhelm und NSDAP dominierten Versammlung - die KPD-Fraktion fehlte durch ein ministerielles Verbot, die Mitglieder der SPD-Fraktion, aber auch viele Mitglieder der Zentrumsfraktion hatten aufgrund massiver Behinderungen nach der Kommunalwahl an dieser Sitzung des Bonner Stadtrates demonstrativ gefehlt »gingen >ohne Erörterung« die ohnehin schon stark eingeschränkten Kompetenzen des Stadtrates »weitgehend auf den Verfassungs- und Finanzausschuß, den späteren Hauptausschuß über«, deren Mitglieder von der NSDAP ernannt wurden (Vogt, Bonn [s. Anm.474] 521). Die Gleichschaltung vollzog sich in diesen Tagen nicht nur auf Reichsebene, sondern nahm auch in Bonn, gedeckt durch die gleichgeschaltete preußische Regierung, eine rasante Geschwindigkeit an. So tönt der »Westdeutsche Beobachter« in seiner Ausgabe vom 28.3.1933: »Der neue Geist im Bonner Rathaus - Die Säuberungsaktion geht weiter: Fort mit allen Bonzen!« Das Rücktrittsschreiben ist abgedruckt bei Faulenbach, Schmidt (s. Anm.464) 72. Vgl. Amtsblatt der Stadt Bonn 5,13.5.1933, Nr.7, 39.46. Faulenbach, Schmidt (s. Anm.464) 63.

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Die Verleumdungskampagne gegen Schmidt, der zu der Zeit noch S P D Stadtverordneter war, eröffnete der nationalsozialistisch orientierte Vorstand der Bonner evangelisch-theologischen Fachschaft. Der Vorsitzende der Bonner Fachschaft, stud, theol. Wilhelm Werner, teilte Schmidt am 23. März 1933 in Koblenz, w o dieser Prüfungen abnahm, in Anwesenheit des damaligen Dekans Gustav Hölscher den Inhalt einer Resolution der Bonner Fachschaft mit, die Werner am 30. März Schmidt noch einmal schriftlich zukommen ließ. Inhalt dieses Schreibens war der Vorwurf, Schmidt hätte durch sein SPD-Stadtverordnetenmandat die breite kirchliche öffendichkeit provoziert. Es Schloß mit der Forderung, dieses Mandat niederzulegen.488 V o n dieser »Verhandlung« zwischen Werner, Schmidt und Hölscher berichtete Schmidt am 26. März aus dem D - Z u g Frankfurt/Berlin: »Lieber Herr Barth, ... Stoltenhoff 48 ', der politisch ganz rechts steht, benimmt sich in den jetzt schwebenden Dingen ganz gut.... Er ist sehr in Sorge, ob es beim Beginn des Semesters an unserer Fakultät Krach gibt. Denken Sie, die theol. Fachschaft hat ihren Vorsitzenden stud, theol. Werner zu mir nach Koblenz geschickt und mich aufgefordert, mein Stadtverordnetenmandat niederzulegen. Grund: Die evangelische Kirche (des Rheinlandes) nehme daran Ärgernis! Diese Wirrköpfe u. Heuchler!!! Das Gespräch fand in meinem Hotelzimmer statt, und ich hatte Hölscher als Zeugen hinzugezogen. Ich sagte: Quod non! und Hölscher hat ganz ordentlich sekundiert. - Ich berichtete dann gleich darüber Stoltenhoff, der darauf hinwies, daß der genannte stud.theol. seine Kompetenzen überschritten habe.«490 M i t gleicher Post vom 30. März erhielt Schmidt von Werner eine Stellungnahme zu dieser Verhandlung: »Der von dem Unterfertigten als Nationalsozialist jahrelang geführte Kampf gegen die S.P.D. ist nicht beendigt für Unterfertigten mit dem Sieg der nationalen Revolution. Die Verhandlungen des Unterfertigten mit Herrn Professor D.Schmidt und ihr Inhalt sind für Unterfertigten durchaus keine >BagatelleIch sehe mit Bestimmtheit voraus, daß wir Bonner SPD-Leute Barth, Fuchs, Lieb und KLS uns nicht in Bonn halten können, es sei denn, daß ein politischer Umschwung kommt (Stahlhelm, Reichswehr)Fronten< auch in diesem sehr gesegneten Lande sehr fraglich, ganz abgesehen davon, daß es wirklich nicht gerade mein Herzenswunsch ist, in Basel vor Anker zu gehen« (a.a.O. 53F.).

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Abgedruckt bei Prolingheuer, H., Der Fall Karl Barth, Neukirchen-Vluyn 1977, 233; vgl. auch 1-3.

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η. Das Jahr 1933 die Bonner Ev.-Theol. Fachschaft bittet, mein Stadtverordnetenmandat niederzulegen, möchte ich wiederum an sich nicht weiter tragisch nehmen. Die Art des Vorgehens aber ist eine bare Unmöglichkeit. Dabei sind nun ausgerechnet die alten und jungen >Theologen< päpstlicher als der Papst. ... Ich schrieb Ihnen schon einige Male, daß ich gerne mit Ihnen einen gemeinsamen modus procedendi überlegen möchte. Durch Ihren Brief an den kommissarischen preußischen Kultusminister Rust, den Sie fur sich allein in eigenster Sache geschrieben haben, ist diese Gemeinsamkeit zum mindesten in Frage gestellt. Sie betonen Rust gegenüber, daß Sie sich an den politischen Kämpfen nicht beteiligt hätten. Da ich das in bestimmten Zusammenhängen, wenn die S P D oder ein ähnlicher Verband mir eine Aufgabe übertrug, getan habe, so etwas für meine selbstverständliche Pflicht haltend, bin ich durch ein solches Diktum Ihrerseits ganz ordendich - abgeseilt. ... Und da ich nun mal beim Kritisieren Ihrer Stellungnahme bin, darf ich noch dies hinzufügen: knapp und frei gesagt, ist festzustellen, daß Sie in Ihrer Loyalitätserklärung gegenüber dem neuen Kurs etwas verharmlosen, was nie und nimmer eine Verharmlosung verträgt, nämlich den - Faschismus, der von Zwangsläufigkeiten lebt, die Ihnen nicht bekannt sind. Rebus sie stantibus dürfen Sie sich nicht wundern, wenn Ihre erfreulich eindeutige Erklärung, daß Sie nicht aus der S P D austreten können, von den Regierenden usw. ebenfalls — verharmlost wird ... Konkret gesprochen: eines Tages sitzt vielleicht der Schweizer Karl Barth nach wie vor an der reichsdeutschen Universität Bonn, und der Reichsdeutsche KLS, alter Frontsoldat, niemals trotz dreier Rufe einer Universität aufoktroyiert, ist abgesetzt und muß schließlich in die freie - Schweiz flüchten ... Mir will dieser Aspekt nicht unbedingt gefallen. Aber dieser Aspekt ist da.«5°°

Schmidts Analyse basierte, neben den Bonner Erfahrungen, die er bisher mit dem »Dritten Reich« gemacht hatte, auf dem berüchtigten »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« vom 7. April 1933, welches den Nationalsozialisten das juristische Instrument in die Hand gab, nicht nur Juden, sondern auch politische Gegner aus ihren beamteten Positionen vertreiben zu können. 501 Dieses Gesetz bildete denn auch, neben einer Anordnung des Ministeriums Rust zur »Gleichschaltung der Universitäten« vom 21. April 1933, die Basis zur Umgestaltung der Bonner Fakultät; zahlreiche Entlassungen mißliebiger Professoren waren die Folge. Schmidt ahnte bereits Mitte April, daß spätestens mit dem »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« zwischen Juden

s

°°

501

Schreiben vom 15.4.1933, Original im KBA, Basel. Vgl. auch die bei Faulenbach, Schmidt (s. Anm.464) 96 Anm. 90 genannten Stellen aus dem Reichsgesetzblatt, Teil I, 1933, 175-177.187f.195.233-235.245-252.389.518: »Bei der Entlassung nach §4 war die gesamte politische Betätigung eines Beamten seit dem 9. November 1918 zu würdigen. Sozialdemokratisch orientierte Beamte waren zu entlassen; dieser Grund allein genügte« (ebd.).

7. Das Jahr 1933

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und politischen Gegnern des NS-Regimes in der Behandlung kein Unterschied gemacht werden würde und befürchtete deshalb - aufgrund seines jahrelangen Engagements fur die Weimarer Republik - schon zu diesem frühen Zeitpunkt seine Entlassung.502 Um so wichtiger war ihm die sachliche und persönliche Solidarität seiner ihm nahestehenden Kollegen. An Barth schrieb er: Für »mich ist eine Solidarität in solchem Zusammenhang eine Selbstverständlichkeit. In Ihrem Vokabelschatz kam doch bisher dieses der S P D geradezu heilige Wort auch vor. Vgl. unsre gemeinsame Erklärung fur besagten Günther Dehn! Jetzt wollen Sie, wenn ich den Märtyrertod auf dem Katheder sterben sollte, >weinend und protestierend dabeistehenErbitte Beurlaubung für Sommersemester 1933 zum Zwecke wissenschaftlicher Arbeiten, erbitte Drahtantwort.« Am 29.d.M. nachm. habe ich folgende telegraphische Mitteilung erhalten: >Erbetener Urlaub für Sommersemester 1933 genehmigt. Für Kultusminister (gez.) Achelis.Deutschen Revolution ein kräftiger Kater Ihrerseits. ... Nun, ich will Ihr offenbar existentiell sein sollendes Auf und Ab nicht wiederholen, indem ich die Wellenlinie nachziehe. Das Fazit war fur mich und andere, die inzwischen von Ihrem neuesten >energischen< Schritt gehört haben, nichts besonderes: heimlich haben Sie sich - gedrückt. Ich habe immer ein gewisses Vergnügen daran, wenn die NSDAP-Presse gute Witze über die >Märzgefällenen< 1933 macht. Sie haben immerhin eins geschafft: Sie sind ein >Märzgefallener< post festum im Juni geworden. Vielleicht haben Sie wenigstens das gelernt: politische Einstellungen - von Arbeit werden Sie hier selbst nicht zu reden wagen - macht sich nicht so schön bezahlt, wie Ihnen das zuerst vorgeschwebt haben mag. Doch lassen wir die Politik, die Ihnen eine terra incognita ist! Persönlich wäre mir wahrhaftig lieber gewesen, Sie hätten die Finger davon gelassen, sodaß mein Konto nicht ausgerechnet durch das Märchen belastet zu werden brauchte, daß ich Sie veranlaßt hätte, in die S P D einzutreten. Wichtiger ist für den, der sich im Bezirk von Theologie und Kirche verantwortlich weiß, daß Sie mit all diesen Ihren ungeklärten Nöten die J B zusammengebracht haben. Es bleibt Ihnen vorbehalten, diese Verquickung zu analysieren. Sie werden es mit sich abzumachen haben, warum Sie Herrn Künneth feierlich mitteilen zu müssen glaubten, Sie seien nun aus der S P D ausgetreten. Wenn diese Leute von der J B einen gewissen Instinkt haben, werden sie gut daran tun, gerade auf Ihre nun angekündigte Mitarbeit keine Häuser zu bauen. Ob Sie überhaupt ahnen, daß Sie auf einmal dem bißchen Politik, das Ihnen unterlaufen ist, eine ganz unzulässige Betonung gegeben haben?! Sie wissen, daß Herr Barth nach wie vor der S P D angehört und dabei in maßgebender Weise an der jetzt so wichtigen Arbeit der ernst zu nehmenden Reformierten beteiligt ist.518 ... Noch wichtiger und nun wirklich ganz schlimm ist es, daß Sie es in dem Gespräch am Freitag abend gewagt haben, mir und dann auch Herrn

Schmidt meint hier Barths maßgebliche Mitarbeit sowohl an den reformierten »14 Düsseldorfer Thesen« vom 20. Mai 1933 als auch an den »Achtzehn Forderungen der Reformierten zur Gestalt der Kirche« vom 4. Juni 1933,1η denen dem künftigen »Reichsbischof« theologische und lehramtliche Kompetenzen abgesprochen und diesem Amt lediglich repräsentative und geschäftsfuhrende Aufgaben innerhalb der Deutschen Ev. Kirche eingeräumt wurden (vgl. u.a. Meier, Kirchenkampf 1 [s. Anm.336] 3i9f.; v. Norden, Kirchenkampf [s. Anm.514] 19-23).

η. Das Jahr 1933 Barth und Herrn Wolf vorzuhalten, daß wir Ihre neue Liebe, die J B , nicht ernst genug nähmen. Wir haben dabei immer sorgfaltig auch diese Spielart der sich jetzt aufmachenden Bewegungen, der Sie jetzt kanonische Würde in dem von Ihnen laut vorgebrachten Kampf gegen die Deutschen Christen zueignen möchten, verfolgt.... Möge es Ihnen klarer und klarer werden, daß mich bei alledem nicht das Daß Ihres letzten Schrittes, dem, wer weiß welche, folgen werden, sondern allein das Wie Ihrer Haltung beschäftigen muß. Es ist nur einige Tage her, daß Sie Uber all das, was Ihnen jetzt ans Herz gewachsen sein will, mit sachlicher Zuspitzung, aber noch mehr mit persönlicher Zuspitzung herzogen, daß unsereiner immer bremsen mußte. Als ich Sie fragte, warum Sie nun gerade dem von Ihnen immer bis zum Ueberdruß als Apologet >gebrandtmarkten< Typ Künneth ... Ihren Dienst anboten, meinten Sie, diesen Herrn Künneth als bloßen Geschäftsführer der J B verharmlosen zu können. Als ich dann nach Ihrem neuen Theologen fragte, sagten Sie - ein bißchen verschämt - nur den Namen Gogarten. O! O! Wer war denn bis vor wenigen Tagen ein Hauptrufer im Kampf gegen Gogarten? ... Wie konnten Sie so >wacker< über alle, aber auch über alle Bonner Kollegen herziehen, sodaß ich ja immer bremsen mußte! Wie >arm< standen Ihre Nichtordinarienkollegen Horst, Schmidt-Japing usw. usw. vor Ihnen, weil sie eine schwankende Haltung hätten. Alle, aber nun auch wirklich alle sind von Ihnen weit überboten worden! Und das, das letztlich allein ist es, was Ihren >Schritt< innerlich unglaubhaft macht. Es geht, schon rein menschlich gesehen, nicht an, mit Steinen nur so um sich zu werfen, wenn man wie Sie im Glashaus sitzt. Und mir gegenüber ist es ein Vertrauensbruch schlimmster Sorte, mich tagaus, tagein mit all Ihren äußeren und inneren Nöten zu beschäftigen, kaum einen Brief zu schreiben, den Sie mir zuerst nicht vorlegten, und dann mich durch Briefkopien über einen Vorgang zu unterrichten, dem gerade in Ihren eigenen Augen eine beachtliche Bedeutung eignet. Ich habe unter den Leuten von der J B manchen guten Freund, den ich ernst nehme, den ich schätze. Ich vermag aber nicht ernstzunehmen und zu schätzen, was Sie da getan haben. Ja, das Wie Ihrer Haltung ist eine bare Unmöglichkeit. Ich sage Ihnen damit nichts Neues. Ich habe in den vergangenen Semestern immer wieder auf Ihre Taktlosigkeiten hinweisen müssen. Immer wieder wurde mir von Dozenten und Studenten geklagt, daß Sie sich in einem ungeklärten Uebereifer ergingen. Sie besinnen sich darauf, wie oft ich Ihnen die Leviten lesen mußte. Da fuhren Sie mit den Studenten schulmeisterlich Schlitten. Da waren Sie auf der anderen Seite absonderlich höflich und ängstlich nach oben. Und dann hatten Sie vor allem das zweifelhafte Charisma des Redens und Schwätzens und Zwischentragens hin und her. Ich habe Ihnen xmal konkret solche Dinge vorgehalten. Immer wieder glaubte ich, daß solche mir gar nicht angenehmen Schwierigkeiten als solche bei Ihrer Arbeit zu tragen seien. Ich erinnere etwa daran, daß ich Sie warnte, gegen Bultmann allzusehr vom Leder zu ziehen, und durchdrückte, daß Ihr opus primum, in dem Sie von Bultmann doch recht stark abhängig sind, nicht nur mir, sondern auch Bultmann gewidmet werden müsse.

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7· Das Jahr 1933 Jetzt sehe ich, daß aus solchen Schwierigkeiten volle Unmöglichkeiten geworden sind, die in einem sauberen Zusammenleben nicht mehr getragen werden können. Daher Schluß!« 519

Wenige Tage später, am 15. Juni 1933, erschien Schmidt »zum einzigsten und letztenmal nach seiner Beurlaubung« 530 in einer von Ernst W o l f initiierten Fakultätssitzung. Wichtigster Tagesordnungspunkt war eine Stellungnahme Schmidts zu den über ihn umlaufenden Gerüchten. 531 A u f dieser Fakultätssitzung brachte Karl Ludwig Schmidt folgende Stellungnahme vor: »Der Fakultät, insbesonderheit dem Herrn Dekan (Pfennigsdorf, A.M.) bin ich sehr dankbar, daß mir Gelegenheit gegeben wird, zu Vorwürfen und Verleumdungen, die gegen meinen Beruf und meine Person in der letzten Zeit gerichtet worden sind, mündlich Stellung zu nehmen, nachdem ich bereits schriftlich dem vorigen und jetzigen Herrn Dekan das eine und andere mitgeteilt habe.Das preußische Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums kann deshalb nicht ohne weiteres auf mich angewandt werden, weil nach den Ausfuhrungsbestimmungen meine Mitgliedschaft bei der S P D als solche noch keinen Grund zur Zwangsbeurlaubung und Dienstentlassung gibt, sondern allein Grad und Art meiner politischen Haltung und . Betätigung. Dabei steht im Vordergrund die Frage, ob jemand die nationale und nationalsozialistische Bewegung gehässig bekämpft hat. So sehr ich zu meiner wirklich vorhandenen politischen Haltung stehe, so sehr muß ich im Interesse meiner beruflichen und persönlichen Ehre und auch im Interesse der Fakultät, der ich angehöre, mit aller Entschiedenheit gegen Vorwürfe und Verleumdungen Front machen, die gegen mich in den letzten Wochen in einer mehr oder minder großen Oeffendichkeit gemacht worden sind, und zugleich die Fakultät um wirksamen Schutz bitten.

519

Kopie des Briefes vom 11. Juni 1933, N L Wolf, BA Koblenz. Schmidt fühlte sich auch nach dieser unerfreulichen Trennung für Fuchs und seine Familie verantwortlich und bot ihm in diesem Brief die Leitung des Proseminars ab dem 1. Oktober 1933 an, da »ein Hauptteil Ihrer Einnahmen von der Proseminarleitung abhängt«; deshalb wollte Schmidt von dem ihm »zustehenden Recht, die Stelle des Leiters dieses Proseminars anderweitig zu besetzen,... keinen Gebrauch machen« (ebd.). Faulenbach, Schmidt (s. Anm.464) 79. Am selben Tag trafen Schmidt und Wolf mit Generalsuperintendent Stoltenhoff zusammen; ob dieses Treffen vor oder nach der Fakultätssitzung stattgefunden hat, ist nicht mehr feststellbar. Das Gespräch wird aber ergebnislos verlaufen sein - nicht zuletzt auch deshalb, da Stoltenhoff die theologische Motivation von Schmidts politischem Handeln nicht zu erkennen schien; vgl. Stoltenhoff, E., Die gute Hand Gottes, (s. Anm. 489) 259. Vgl. hierzu Faulenbach, Schmidt (s. Anm.464) 79-81.

η. Das Jahr 1933

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Zunächst ein Wort über die Art meiner Beurlaubung, über die auch in Kollegenkreisen hier und da falsche Vorstellungen herrschen. Zur Klar- und Richtigstellung ist zu sagen: 1) Mein Urlaub ist von mir beantragt und zwar zu einem bestimmten Zwecke, nämlich zum Zwecke wissenschaftlicher Arbeiten. 2) Mein Urlaub ist befristet für das laufende Sommer-Semester 1933. Alles Nähere ergibt sich aus meinem Schreiben vom 30. April d.J. an den Herrn Dekan, das ich in ähnlichem Wordaut an den Herrn Rektor und an den Herrn Kurator geschickt habe. 531 Ich lese den betr. Passus vor. Ganz entsprechend hat die ördiche Presse berichtet. In dem von mir herausgegebenen >Theologischen Blättern< habe ich noch einen etwas genaueren Bericht gegeben.535 Ich lese vor. Die Fakultät hat aus diesem status die richtige Folgerung gezogen, daß ich zwar für das laufende Semester von meinen Pflichten entbunden bin, nicht aber von meinen Rechten. So bin ich zum Vertreter der Fakultät auf der rheinischen Provinzialsynode bis zum Jahre 1937 gewählt worden. Ich habe mit schuldigem Dank diese Wahl angenommen, aber dem Herrn Dekan gegenüber betont, daß ich mich vorerst von Fall zu Fall durch meinen bestellten Vertreter vertreten lassen wolle: Schreiben vom 2. Juni d.J. an den Herrn Dekan, das ich hiermit vorlese.534 In sachlich korrekter und freundlicher Weise wurde ich von Herrn D. Weber gebeten, an seiner Stelle als Beisitzer beim Latinum und Graecum fur Theologen zu fungieren. Ich habe in einem Schreiben vom 5. Mai d.J. an den Herrn Dekan von der Erfüllung dieser Bitte absehen zu müssen geglaubt. Auch dieses Schreiben lese ich vor.535 Am 8. Mai d.J. habe ich dem Herrn Dekan ordnungsgemäß das Verzeichnis meiner im Winter-Semester zu haltenden Vorlesungen und Uebungen eingereicht. In meiner Wohnung habe ich Ende Mai im Nebenfach eine philosophische Doktorprüfung auf Bitte der Philosophischen Fakultät Köln abgenommen, nachdem ich dem betr. Dekan Herrn Dr. Heimsoeth meinen status quo geschildert hatte. Unsre Fachschaft hat mich durch ihren Vorsitzenden Herrn stud.theol. Nierhaus zu dem gestrigen Vortrag von Wilhelm Stapel einladen lassen, welcher freundlichen Einladung ich nicht gefolgt bin.536 Alle diese Angaben haben hier nur den einen Sinn, die Art meiner jetzigen Beurlaubung zu verdeutlichen.Unter den falschen Angaben über mich hat wochenlang eine Hauptrolle gespielt, ich sei mit unbekanntem Ziel ins Ausland verreist. In Kölner politischen Kreisen wurde aus dieser Nachricht die Mitteilung gemacht, ich sei nach England oder nach Holland oder auch in die Schweiz geflohen. In Wirklichkeit bin ich sechs Wochen lang in Deutschland verreist gewesen und kann

531

Schreiben an den damaligen Dekan Hölscher in der Personalakte K.L.S., Dekanatsarchiv Ev.-Theol.Fak. Bonn.

533

Vgl. ThBl 12,1933. ijjf· Nicht mehr erhalten.

534 535

Nicht mehr erhalten.

536

Vgl. hierzu ausfuhrlich Faulenbach, Schmidt (s. Anm.464) 95 Anm. 79.

154

7· Das Jahr 1933 ein lückenloses Alibi über meinen Aufenthalt in Koblenz (bei den theologischen Prüfungen), Jena, Halle und vor allem in Berlin zur Verfugung stellen. Als ich vor kurzem von drei englischen Kollegen nach England eingeladen wurde, und zwar für die Zeit meiner Beurlaubung if not for longer, habe ich diese Ginladung abgelehnt.557 Mein Stadtverordnetenmandat, über das begreiflicherweise in manchen Kreisen gesprochen wurde, habe ich am 21. April d.J. niedergelegt. Das betreifende Schreiben an den Herrn (damals noch kommissarischen) Oberbürgermeister Ich darf bei dieser Gelegenheit mitteilen, daß meine Uebernahme des genannten Mandats an den Berliner Regierungsstellen als eine Auswirkung meiner Parteizugehörigkeit keinen Anstoß erregt hat. Man hätte mir sonst nicht in dieser freundlichen Weise einen wissenschaftlichen Urlaub bewilligt. Der vorsemestrige Vorsitzende unsrer Fachschaft Herr stud, theol. Werner hat im Auftrag des Vorstandes der Fachschaft am 30. März einen sachlich und persönlich unmöglichen Brief geschrieben; es hat sich dann herausgestellt, daß er vom Vorstand zu diesem Briefe nicht autorisiert worden ist. Derselbe Herr Werner hat in den Ferien eine Aktion gegen mich bei der Altherrenschaft der Ev.-theol.Vbdg. >RheinmarkRheinmark< unternommen worden sind. Ich gehöre nach wie vor dem Schmalkaldener Kartell Theologischer Verbindungen an Deutschen Hochschulen an und bin auf dem Kartelltag in der Pfingstwoche 1933 für ein weiteres Jahr zum

5,7

Schmidt erhielt am zi. Mai 1933 aus Birmingham von einem ihm bis dahin unbekannten Kollegen die Einladung, die auch im Namen anderer englischer Theologen, unter ihnen der bekannte Neuttestamender James Rendel-Harris, ausgesprochen wurde, den Sommer des Jahres 1933 in England zu verbringen: »>We should be delighted to have you as our guest for the remainder of our summer-term if not for longer.« Vorerst habe ich freundlich abgelehnt« (Original des Briefes an Erich Seeberg vom 22.5.1933, N L Seeberg, BA Koblenz). Schmidt glaubte in diesen Wochen noch daran, fur seine politischen Ziele, nun allerdings verhaltener, in Deutschland arbeiten und ihm nahestehenden Personen mit Rat und Tat helfen zu können. »In Köln habe ich einige Sitzungen zusammen mit SPDGenossen und Gewerkschaftlern gehabt; in den besonders kritischen Tagen bin ich fiänf Wochen lang in Deutschland herumgereist und habe in Berlin an einer geheimen Zusammenkunft der religiösen Sozialisten teilgenommen (Mennicke, Tillich, Ed. Heimann, Ernst v. Harnack u.a.), nachdem ich zwei Tage lang mit Tillich in Aßmannshausen am Rhein konferiert habe« (Orginal des Briefes an Barth vom 13.7.1943, KBA, Basel). Tillich suchte in jenen Wochen häufig den Rat Schmidts: Neben dem Treffen am Rhein kamen beide im April in Berlin zusammen, wo Schmidt Tillich dringend von einem ähnlichen Schreiben wie dem von Karl Barth an Rust vom 4. April 1933 abriet; vgl. das Schreiben Schmidts an Barth vom 24.4.1933 (Anlage 27).

538

Vgl. Faulenbach, Schmidt (s. Anm.464) 72.

7· Das Jahr 1933

155

Schriftleiter der /Theologischen Blätter< bestimmt worden.539 ...Die schlimmsten, gefährlichsten und bedauerlichsten Angriffe gegen mich wie gegen andere Kollegen unserer Fakultät sind dann in einem Eingesandt der Glaubensbewegung Deutsche Christen Landesleitung Rheinland und Saargebiet an die >Bonner Zeitung< erfolgt. Die Kollegen D. Barth, D. Hölscher, D. Wolf und ich haben dazu eine Erklärung am zi. Mai abgegeben, die vom Herrn Dekan an verschiedene maßgebende Instanzen geschickt worden ist.540 Gegen mich hat dann Herr Landrat Dr. Krummacher, der Führer der genannten Landesgruppe, in einer öffendichen Versammlung der Deutschen Christen in der Bonner Beethovenhalle ebenso gravierende wie völlig abwegige Vorwürfe erhoben. Ich habe dazu am 31. Mai d.J. Herrn Krummacher einen Brief geschrieben, den ich hiermit vorlese. Herr Krummacher hat mir am 6. Juni d.J. geantwortet: ich lese auch diesen Brief vor und gebe ihn zu den Fakultätsakten. Ein weiterer Vorwurf betraf meine fakultätspolitische Arbeit in unsrer Fakultät. Alles Nähere ergibt sich aus einem Brief an den Herrn Kurator der Universität Bonn vom 5. Juni d.J., den ich vorlese und zu den Fakultätsakten gebe.«'4' Nach Verlesung seiner Erklärung verließ Schmidt umgehend die Sitzung, war er als »Beurlaubter« doch nur »dazugeladen«.542 A m Ende der Sitzung zeigte sich dann deutlich die Intention dieser Erklärung; Ernst Wolf brachte einen Antrag betreffend der »Gefahrdung der derzeitigen Zusammensetzung der Dozentenschaft dieser Fakultät« ein.543 Dieser Antrag hatte im wesentlichen die Forderung zum Inhalt, den personellen Bestand der Dozenten auch im Wintersemester 1933/34 gerade im Blick auf Schmidt unangetastet zu lassen; die Angriffe und Verleumdungen gegen Schmidt seien »haltlos«. Das Original dieses Antrages enthält den handschrifdichen Zusatz Wolfs »Antrag nicht angenommen«. Wolf war laut Protokollbuch als einziger in der Diskussion fiir Schmidt eingetreten544, während die Mehrheit der Fakultät sich dem Votum Schmidt-Japings anschloß und den Antrag von Ernst Wolf ablehnte.545 539

Diese Verbindung wurde von Seiten des Schmalkilldener-Kartells zum Ende des Jahres 1933 gelöst; ab 1934 erschienen die Theologischen Blätter ohne interne Kartellbeilage in eigener Verantwortung Schmidts im Verlag der Hinrichs'schen Buchhandlung. Karl Ludwig Schmidt versprach Ende 1933 den Lesern: »Bei alledem werden die ThBl das bleiben, was sie seit 12 Jahren gewesen sind« (ThBl 12,1933, 349, vgl. insg. 348f.).

540

S.o. Original in der Personalakte K.L.S., Dekanatsarchiv Ev.-Theol.Fak. Bonn. Zu den zuletzt genannten Vorwürfen vgl. Faulenbach, Schmidt (s. Anm.464) j6fF. A.a.O. 79. Dieser undatierte Antrag, Faulenbach a.a.O. 95f. Anm. 80, ordnet ihn zu Recht der Sitzung vom 15. Juni zu, befindet sich im Orginal in der Personalakte K.L.S., Dekanatsarchiv Ev.-Theol.Fak. Bonn.

541

541 543

544 545

Faulenbach, Schmidt (s. Anm.464) 95 Anm. 80. Noch Jahre später warf Schmidt seinem späteren Freund Barth sein Verhalten in jener

i56

7. Das Jahr 1933

Mit diesem Schritt der Bonner Fakultät wurde fur Schmidt die Lage in Bonn unhaltbar. Entgegen den Reaktionen im »Fall Dehn« gab es nun für den politisch Verfolgten keinerlei Solidaritätsbekundungen von den Kollegen. Schmidt stand, lediglich von Ernst Wolf unterstützt, allein den kommenden weiteren Anschuldigungen gegenüber. Düster orakelte er Martin Buber gegenüber: »Ob und wie lange fur meinen Beruf und fur meine Person an der Bonner Universität und in der Deutschen Evangelischen Kirche noch Tag ist, wird immer problematischer.«546 Schwer wurde Schmidt auch durch die Aussagen des in Schutzhaft genommenen und des Kommunismus beschuldigten Bonner Professors Alfred Kantorowicz547 belastet, der sich in den Verhören zu Unrecht auf Lieb und Schmidt als Entlastungszeugen berief.548 Daraufhin erhielt Schmidt auf Initiative des »Referenten« zur Durchführung des genannten Gesetzes, Lie. Vogelsang, nach dem 23. Juni 1933 den »Fragebogen zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April«, den Schmidt mit den Angaben zu seiner politischen Zugehörigkeit am 5. Juli unterzeichnete und zurückschickte.549 Vogelsangs Votum war das Ende für Schmidt: »SPD; betätigt als Stadtverordneter der SPD. Nach Angabe von Prof. Kantorowicz (s.d.) Mitglied der Sozialistischen Arbeitsgemeinschaft in Bonn, in welcher Kantorowicz nach eigener Angabe >der einzige ganz entschiedene hervortretende Bekämpfer der KPD< war!... Vgl. K.L.Schmidt: Literarisch-politische Fehde mit Wilhelm Stapel im >Deutschen Volkstum< 1932.«55° Das Votum des Generalreferenten lautete »Zu entlassen«, Achelis setzte eigenhändig zur Begründung »§4« hinzu.551 Schmidts bedrohliche Ahnungen des Jahres 1932, die ihn im Zusammenhang der Auseinandersetzungen mit Stapel befielen, erfüllten sich; neben den falschen Behauptungen von Alfred Kantorowicz lieferte die Fehde mit Stapel

Sitzung vom 15. Juni 1933 vor: »In der Universität Bonn habe ich damals eine Fronde bilden wollen, für die D u nicht zu haben gewesen bist. Vielleicht besinnst D u Dich darauf, wie ich im Sommer während meines Urlaubs eine Fakultätssitzung mitmachte, bei der Schmidt-Japing vom Leder zog und alle, alle schwiegen. Solltest D u damals wirklich nicht Luthers Lehre von den beiden Reichen nachgelebt haben?« (Brief vom 13.7.1943, Original im K B A , Basel). 546

Schreiben vom 26.6.1933, abgedruckt in Buber, Briefwechsel (s. Anm.479) 496-497:

497· 547

Schmidt war Kantorowicz' Nachfolger auf dem für Professoren reservierten Listenplatz 3 der Bonner SPD-Liste.

548

Vgl. Bizer, Evangelisch-Theologische Fakultät, in: Bonner Gelehrte (s. Anm.152) 256.

549

Diese Unterlagen liegen im H S t A N R W , A D N W 5 899/3719, 46-52.

550

Vgl. Bizer, Evangelisch-Theologische Fakultät (s. Anm.152) 256; H S t A N R W , A D N W 5 899/3719, 47. Ebd.

7· Das Jahr 1933

157

den zuständigen Regierungsstellen den willkommenen Anlaß, sich des seit Monaten bekämpften Bonner Neutestamenders zu entledigen." 2 Enttäuschend war es (ur Schmidt auch, daß ihn die Rheinische Kirche fallen ließ. Stoltenhoff ließ ihm in einem Schreiben vom 30. Juni 1933 über den Konsistorialrat Euler mitteilen, daß seine Beteiligung am zweiten Examen »unter den augenblicklichen Verhältnissen« für »untunlich« gehalten werde.553 Schmidts Kampf um die eigene berufliche Existenz hinderte ihn daran, nicht nur die Diskussionen um Kirchenverfassung und Reichsbischofamt und die Wirkung von Barths Schrift »Theologische Existenz Heute!«, sondern auch das Eingreifen des Staatskommisars Jäger in das Gefüge der evangelischen Landeskirchen Preußens, speziell der rheinischen Provinzialkirche, publizistisch darzustellen und zu kommentieren — selbst in seiner Korrespondenz finden sich fast keine Hinweise darauf.554 Doch fend sich Schmidt nach dem Ende des Staatskommissariats am 13. Juli 1933555 bereit, bei aller persönlicher Enttäuschung über Barths Verhalten, seine Kandidatur zur Kirchenwahl am 23. Juli 1933 zu unterstützen. Der am 11. Juli von den Vertretern der Evang. Landeskirchen angenommene Entwurf einer Reichskirchenverfässung, der am 14. Juli Reichsgesetz wurde, sah die Neuwahl fur alle unmittelbar zu wählenden kirchlichen Organe im gesamten Deutschen Reich schon für den 23. Juli 1933 vor556 - eine »abenteuerliche Zumutung« 557 , die die Gegner der massiv von den Nationalsozialisten unterstützten »Deutschen Christen«55® unter starken Zeitdruck setzte.

Faulenbach, Schmidt (s. Anm.464) 82 und besonders 96 Anm. 85. A.a.O. 82. 554

Vgl. hierzu u.a. v. Norden, Kirchenkampf (s. Anm.514) 30-46; Faulenbach, H., Die Evangelische Kirche des Rheinlands in der NS-Zeit, RhV 59, 1995, 230-248: 235-237.

555

Vgl. hierzu nur Mehlhausen, Nationalsozialismus (s. Anm.386) jif.; dort weitere Lit.

556

Scholder, Die Kirchen 1 (s. Anm.79) $6of.; vgl. Liermann, H. (Hg.), Kirchen und Staat, Bd. 1, München 1954, 52; Mehlhausen, J., Kirche zwischen Irrtum und Wahrheit. Barmen 1934-1984, in: Claussen, R., Schwarz, S. (Hgg.), Vom Widerstand lernen. Von der Bekennenden Kirche zum 20. Juli 1944, Bonn 1986,101-114; vgl. insg. auch Kirchliches Jahrbuch für die evangelische Kirche in Deutschland 1933-1944, hg. v. J. Beckmann, Gütersloh 1948, 2off.

557

Scholder, Die Kirchen 1 (s. Anm.79) 560. Zu den Kirchenwahlen im Rheinland vgl. Faulenbach, Ev. Kirche des Rheinlandes (s. Anm.554) 237-239; insg. v. Norden, Kirchenkampf (s. Anm.514) 47-56 mit zahlreicher Literatur. Für die Bonner Gemeinde vgl. Hinz-Wessels, Α., Die Evangelische Kirchengemeinde Bonn in der Zeit des Nationalsozialismus (1933-1945), Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bonn 57, 1996, 134154·

558

So forderte die Kreisleitung der NSDAP Bonn im »Westdeutschen Beobachter« vom 20. Juli 1933 alle »evangelischen Parteigenossen« auf, sich in die Wahllisten einzutragen und die D C zu wählen. Neben dieser propagandistischen Unterstützung konnten sich die D C der logistischen Unterstützung der NSDAP sicher sein.

158

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In Bonn wurde fur die Kirchenwahlen neben der Liste »Deutsche Christen«559 und einer jungreformatorisch orientierten »Liste Klingemann«560 in aller Eile eine von Karl Barth initiierte Liste »Für die Freiheit des Evangeliums« aufgestellt. Neben Gerichtsassessor Otto Bleibtreu, Charlotte v. Kirschbaum und Doris Hellbardt561 kandidierten u.a. auch Barth, Hölscher und Wolf für diese Liste. Karl Ludwig Schmidt gehörte neben Ursula Schmidt, Hellmut Traub, Fritz Lieb, Ruth Lieb, Nelly Barth und einigen anderen zu denen, die die Kandidaten der Liste »Für die Freiheit des Evangeliums« bei dem Vorsitzenden des Wahlausschusses, Pfarrer MummenhofF, offiziell vorschlugen.502 Am Vorabend der Wahl trat Barth gemeinsam mit Schmidt, Wolf Hölscher und dem Juristen Bleibtreu bei einer öffendichen Kundgebung, der eigentlichen Gründungsversammlung der Liste »Für die Freiheit des Evangeliums«, auf; Barth hielt die Wahlrede und wandte sich hierin entschieden gegen die »Deutschen Christen« wie auch gegen die jungreformatorische Bewegung. 56 ' Beide Gruppierungen knechteten das Evangelium, die Jungreformatorische Bewegung würde lediglich heimlich das vertreten, wofür die D C offen kämpften; »unfrei und zwar im selben Punkte, kraft desselben fatalen >undschlagartig< ist das gekommen - vor dem radikalen Nichts. 575 ... Ja, Ernst Fuchs! Es ist eine Tragikomödie. Nun hat der Mann so treu und brav die Hakenkreuzfahne in existentieller Haltung gehißt und ist dennoch, offenbar als mein früherer Assistent — daß ich ihm gekündigt hatte, ist der Behörde nicht mehr bekannt geworden - in die

57

'

Vgl. Bizer, Evangelisch-Theolologische Fakultät, in: Bonner Gelehrte (s. Anm.152) 255.

574

Faulenbach, Schmidt (s. Anm.464) 82f. Bizers Behauptung, Kantorowicz' Einlassungen wären letztlich entscheidend fur Schmidts Entlassung gewesen (Bizer, Evangelisch-Theologische Fakultät, in: Bonner Gelehrte [s. Anm.152] 255), ist zu punktuell gedacht und bedenkt nicht die gesamte, monatelang gegen Schmidt geführte Kampagne. Zu Oberheid vgl. neben dem o.g. Aufsatz von Faulenbach auch ders., Ein Weg durch die Kirche. Heinrich Josef Oberheid, SVRKG 105, 1992, bes. 41 ff. Ernst Fuchs wurde, gemeinsam mit Schmidt und Lieb, am 15. September 1933 entlassen (vgl. HStA NRW, A D N W 5, 896/3720, 134-138; dort auch das Gesuch Ernst Fuchs' vom November 1933 um Erneuerung der Lehrbefugnis, verbunden mit einem klaren Bekenntnis zum nationalsozialistischen Staat).

575

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161

Wüste geschickt worden. Ich wünsche ihm alles Gute, auch wenn ich selbst nichts fur ihn tun kann. Es ist grausam, daß sich der Aermste zwischen alle nur vorhandenen Stühle gesetzt hat. ... Ich hoffe bestimmt, daß wir uns in Bonn noch sehen.«576

Nach seiner Entlassung am 15. September vollzog Schmidt einen totalen Bruch mit der Fakultät, in die er so viel Arbeit, Kraft - und auch Liebe investiert hatte. Lediglich mit Barth, Hölscher, Lieb und Wolf unterhielt er auch über diesen verhängnisvollen Tag hinaus weiterhin enge theologische und persönliche Kontakte, alle anderen brach Schmidt verbittert und enttäuscht ab. Ende September kam es zu einem kurzen, Schmidt eigentümlich berührenden Briefwechsel mit einem Bonner Kollegen, der sich aktiv an der Absetzung Schmidts beteiligt hatte. Schmidt-Japing plagte sein schlechtes Gewissen und er machte Schmidt gegenüber einen unbeholfenen Rechtfertigungsversuch, der wohl auch eine Entschuldigung sein sollte. »Lieber Herr Schmidt«, beginnt Schmidt-Japing seinen Brief vom 27.9.1933, »in der Stadt gehen Gerüchte, daß Sie auch fur das kommende Semester beurlaubt seien, diesmal nicht auf eigenen Antrag, sondern durch Verfugung der Behörde. Ich weiß nicht, was daran wahr ist. Aber diese Nachricht gibt mir Anlaß, an Sie zu schreiben, um wieder einen menschlichen und christlichen Kontakt mit Ihnen herzustellen.... Herr Barth hat seinerzeit - es war noch im Semester - sehr erregt die theologischen Beziehungen nicht nur sondern auch die persönlichen zwischen ihm und mir abbrechen zu müssen gemeint und dabei auch in Ihrem Namen gesprochen. Ich weiß nicht, ob er dazu autorisiert war. Jedenfalls möchte ich den Versuch nicht unterlassen, von mir aus noch einmal das Gespräch, das wir nun seit einiger Zeit theologisch und persönlich gefuhrt haben, und für das ich dankbar bin, in Gang zu bringen, selbst wenn es nur ein paar Worte des Abschieds sein könnten. Ich kann mir nicht denken, daß unsere politischen Differenzen, die ja niemals verborgen gewesen sind, oder unsere kirchenpolitisch auseinandergehende Haltung eine menschliche und theologische Nähe unmöglich machen sollten. Es hat mir immer daran gelegen, offen und männlich mit Ihnen zu handeln und zu Ihnen zu stehen. Ich möchte das bis zum letzten Augenblick weiter tun. Um Ihnen das zu sagen, habe ich diesen Brief geschrieben. - Es drängt mich, Sie auch in dieser Stunde von Haus zu Haus herzlich zu grüßen als Ihr (gez.) F.W. Schmidt-Japing«577. Schmidt ging auf diesen Versuch nicht mehr ein - das Schreiben an SchmidtJaping vom 30. September ist sein letzter in Bonn geschriebener privater Brief. Er wurde nicht nur zu einer persönlichen Abrechnung mit Schmidt-Japing, sondern zugleich auch mit der Bonner Fakultät. 576 577

Brief an Barth vom 24. September, Original im KBA, Basel. Kopie des Schreibens im N L Wolf, BA Koblenz.

7· Das Jahr 1933 »Sehr geehrter Herr Schmidt-Japing, ... was nun Ihren Brief anbelangt, so haben sich bis jetzt noch niemals bei mir so schnell zwei Sprichwörter aufgedrängt wie dieses Mal: O, si tacuisses, philosophus mansisses!, und: Qui s'excuse, s'accuse!... Was Sie über Herrn Barth schreiben, klärt schon das Wesentliche: Zwischen ihm und mir hat, wenn er ihnen die Gemeinschaft aufkündigte, keine Verabredung bestanden; aber Herr Barth hat mit Recht a priori angenommen, daß er und ich gegen Sie solidarisch sind. Sie sind im Verlauf unsres Gesprächs, an dem Sie zuerst ganz besonders intensiv teilgenommen haben, umgefallen; zum mindesten bezogen Sie so etwas wie eine Brückenstellung nach Seiten der d e u t schen Christen« und wohl auch zur NSDAP. Das haben Sie aber nicht uns klipp und klar gesagt, sondern wir haben das immer wieder von anderer Seite ... gehört. Ich habe sogar jedes Mal solchen Mitteilungen widersprochen und auf die Arbeitsgemeinschaft mit Ihnen hingewiesen. Ganz allmählich ging mir dann ein Licht über Ihre wirkliche Haltung auf.... Ich habe bis zur Stunde mit Zeitgenossen aus dem Bereich der >Deutschen Christen«, und auch der N S D A P eine menschliche und bis zu gewissem Grade sogar eine sachliche Gemeinschaft, wenn die vollste gegenseitige Offenheit eine Basis ist. Bei Ihnen kann ich nur feststellen, daß diese Basis nicht vorhanden ist, so sehr Sie mir das jetzt auch einreden möchten.Was nun mich und mein jetziges Geschick anlangt, so habe ich Ihnen vorzuhalten, daß Sie sich im Rahmen der Fakultät nicht so für mich eingesetzt haben, wie ich das von Ihnen bei meiner denkbar positiven Förderung erwartet hätte, daß Sie sich überhaupt nicht für mich eingesetzt haben. Die Herren Barth, Hölscher und Wolf wollten das einzig Mögliche, was mich in Bonn hätte erhalten können, seitens der Fakultät tun, nämlich dem Ministerium den gemeinsamen Wunsch unterbreiten, daß ich im nächsten Semester meine Dozententätigkeit wieder aufnehmen möchte. Die Herren Pfennigsdorf, Weber und Goeters wollten einen solchen m.E. geradezu selbstverständlichen Schritt nicht tun. ... Herr Horst... Schloß sich natürlich dem Dekan an usw.... Es ist mir aber bei Ihnen, den ich nicht zu den ängstlichen Nichtordinarien rechnen zu dürfen glaubte, eine schwere Enttäuschung, daß Sie den, ich wiederhole, selbstverständlichen Schritt nicht mittun wollten. Ich weiß, Sie haben im Gespräch mit anderen allerlei Ausflüchte gemacht (daß Sie s.Zt. 1929 bei meiner Berufung sich der Stimme enthalten haben - das wurde ja auf einmal geradezu feierlich ausgegraben - hätte wirklich nicht von Ihnen ins Feld geführt werden dürfen), meine Lage verharmlost, man könne mit einer solchen Erklärung noch warten, bis wirklich Gefahr im Verzuge sei. Das alles so unangenehm ä la Weber! Ich hätte nicht gedacht, daß gerade Sie als alter Politiker das, was jetzt geschieht, so peinlich verharmlosen können. Schlagartig« ... ist nun meine Entlassung gekommen. Und wenn es Ihnen Spaß macht, können sie die Krokodilstränen weinen. Schöner wäre mehr Zivilcourage gewesen! ... Wirklich, nach alledem hätten Sie mir gegenüber sich anders benehmen müssen, als Sie sich nunmehr benommen haben. Ich darf und muß Ihnen ganz ruhig ins Gesicht sagen: ich habe den Eindruck, daß Sie die ja nicht ganz unbekannte Taktik befolgt haben, durch mich nach

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Möglichkeit sich fördern zu lassen, aber dann von mir abzurücken, jedenfalls nichts fur mich zu tun. Ja, dieses dann! Ich hatte allerlei Einfluß, und dann hatte ich keinen mehr. W e n n ich recht sehe, haben mich die d e u t schen Christen< des Rheinlands zu Fall gebracht. A n Verleumdungen und Verdrehungen hat es nur so gehagelt. Ich dachte manchmal, warum rührt sich da nicht mal der Herr Schmidt-Japing, der doch jetzt wohl ganz gut mit diesen >Deutschen Christen< steht?! Vielleicht wenden Sie ein, Sie hätten da mancherlei in Stille für mich getan.« 578

In jenen Wochen nach dem 15. September wird bei Schmidt, dem aus politischen Gründen endassenen Theologen, der feste Entschluß gereift sein, aus Sicherheitsgründen Deutschland zu verlassen, mußte er doch in dem sich ausbreitenden Terror täglich mit seiner Verhaftung rechnen. Die Einladung nach Bern zu seinem theologischen Vortrag bot ihm daher, war seine Familie nun in ganz Deutschland verstreut untergebracht, eine willkommene Möglichkeit zur Emigration, auch wenn seine eigene Zukunft in der Schweiz völlig offen und ungeklärt war. Schmidt hatte in der Schweiz theologische Freunde, verfugte dort unter den Theologen durch seine Arbeiten über einen beträchtlichen Bekanntheitsgrad - zumal seine Entlassung in der deutschsprachigen Schweiz sehr genau in der Presse registriert worden war.579 Schmidt konnte also in der Schweiz durchaus mit einer freundlichen Aufnahme rechnen. Trotzdem: Die Schweizer Emigration war flir Schmidt schmerzlich, der Ausgang völlig ungewiß. Am 3. November 1933, seinem letzten Tag in Bonn, trug sich Schmidt mit dem Curriculum Vitae ins »Album professorum« der Bonner Fakultät ein' 80 und verließ am nächsten Tag die Stadt, in der er über mehrere Jahre gelebt und gearbeitet hatte, in Richtung Schweiz. Er sollte niemals nach Bonn zurückkehren. Nachfolger Schmidts wurde zum Wintersemester 1933/34 Ethelbert StaufFer, ein Mann, der sich damals zu den Deutschen Christen bekannte.581

578

Kopie des Schreibens an Schmidt-Japing vom 30.9.1993 im N L Wolf, B A Koblenz.

579

Y g | »Basler Nachrichten«, 25.9.1933.

580

Faulenbach, Album (s.Anm.44) 270-272.

581

Zur Geschichte der Bonner Fakultät ab 1934 vgl. Bizer, Evangelisch-Theologische Fakultät, in: Bonner Gelehrte (s. Anm.152) 257-275.

8. DIE ODYSSEE Nach dem Berner Vortrag begann für Schmidt eine monatelange Odyssee, die ihn durch verschiedene Kantone der Schweiz führte. Das Land war ihm von Mentalität und Sprache seiner Bewohner nicht sonderlich vertraut. Ständig war er von Ausweisung bedroht und mußte von seiner Familie getrennt leben. Seine ersten Schweizer Tage nach dem Vortrag vor der Bemer Theologischen Gesellschaft verbrachte Schmidt als Gast in verschiedenen Berner Pfarrhäusern, bis er Ende November vom Frenkendorfer Pfarrer Sandreuter in das geräumige Pfarrhaus von Frenkendorf (Kanton Basel-Land) eingeladen wurde. Dort in Frenkendorf betäubte Schmidt die tiefe Verbitterung über seine erzwungene Ausweisung aus Bonn mit der redaktionellen Arbeit an den Theologischen Blättern, die durch die sich in Deutschland überstürzenden politischen Ereignisse keinesfalls routinemäßig war.581 Ohne auf seine in der Schweiz ungeklärte Stellung als Emigrant zu achten - die Schweiz betrieb eine regide Ausländerpolitik, die Schmidt stets mit der Ausweisung bedrohte - blieb er auch in dieser schwierigen persönlichen Situation seiner Linie als Herausgeber der Theologischen Blätter treu, obwohl die Familie noch in Deutschland lebte und somit möglichen Repressionen der GeStaPo ausgesetzt war. Auch während seiner Emigration, so war Schmidts feste Überzeugung, sollten die Theologischen ß^fo^rweiterhin das bleiben, was in dem letzten Jahrzehnt ihre theologische Bedeutung ausgemacht hatte: ein Forum intensiver Rede und Gegenrede. So fanden nicht nur die kirchenpolitischen Vorgänge in Deutschland in den Theologischen Blättern rege Beachtung, Schmidt bezog auch in der Schweiz eindeutig Position gegen den Nationalsozialismus und die Häresie der »Deutschen Christen«. Besonderes Engagement zeigte Schmidt Ende 1933 in seiner Unterstützung der theologischen Front gegen den im September 1933 von der Synode der Altpreußischen Union beschlossenen Arierparagraphen im Raum der Kirche; es kam Schmidts Interesse an dem Verhältnis von Kirche und Judentum sehr entgegen, daß der kirchenpolitische Kampf im Herbst 1933 um die Frage der Gültigkeit des Arierparagraphen gefuhrt wurde. Noch in Bonn hatte Schmidt die von Bultmann verfaßte Erklärung »Neues Testament und Rassenfrage« unterzeichnet; in der Schweiz setzte er sich fur die von Werner Georg Kümmel verfaßte ausländische Solidaritätserklärung für die Bultmann'sehen Thesen ein und gab den darüber

582

Schreiben Schmidts vom 4.12.1933 an Karl Barth, Original im KBA, Basel.

8. Die Odyssee

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zum Teil heftig geführten Auseinandersetzungen publizistisch breiten Raum. 5 8 ' Schmidt fühlte sich in der Schweiz jedoch nicht recht heimisch, wozu im wesentlichen neben der ungeklärten Schweizer Aufenthaltsgenehmigung auch seine völlig ungewisse berufliche Zukunft beitrug. Im Dezember des Jahres 1933, nun zu Gast bei Pfarrer Walter Hächler im Pfarrhaus Kilchberg (Kanton Basel-Land), erwog Schmidt ernsthaft, dem Beispiel seines Freundes Tillich zu folgen und in die U S A zu emigrieren.584 Diesen Plan verwarf er jedoch zum Jahreswechsel 1933/1934. Schmidt hatte sich zwangsläufig mit dem Gedanken befassen müssen, längerfristig in der Schweiz zu leben. Längerfristig deshalb, da Schmidt fur sich im »Dritten Reich« keine Lebens- und Arbeitsmöglichkeiten mehr sah, zumal er die bittere Feststellung machen mußte, daß sein politischer Einsatz zugunsten der Weimarer Verfassung nicht nur von vielen seiner Kollegen, sondern auch von der sich formierenden innerkirchlichen Opposition des »Pfarrernotbundes«585 keinesfalls gewürdigt wurde. Ende 1933 stellte Schmidt nicht nur seiner eigenen Situation, sondern auch Theologie und Kirche ein trosdoses Zeugnis aus: »Ich gewinne immer mehr den Eindruck, daß diese ganze reichsdeutsche sogenannte kirchliche Opposition im Grunde ein Aufflackern der - politisch immer mehr enttäuschten »Bürgen ist, denen es nie sonderlich viel ausgemacht hat, auch mal mit Lehre und Bekenntnis zu paradieren, wenn solche ehrwürdigen Dinge aus der geschichtlichen Vergangenheit mit plumper Hand gepackt werden. Ich muß schon gestehen: ich verstehe es recht gut, ja ich billige es in gewisser Weise, wenn sich da die NSDAP-Leute und sogar die D C kein χ für ein u machen lassen. Konkret persönlich gesprochen - es hat gerade in solchen Zeiten doch wohl seinen Sinn, sein eigenes Geschick existentiell und exemplarisch zu nehmen - ist es doch so: keiner von den Notbündlern denkt etwa daran, zu mir zu halten, der ich zwar Sozialist bin und war, aber damit keine kirchlichen Dinge verraten habe (soweit man sozusagen amdich von sich sprechen kann). Im Gegenteil: >man< wird sich in strengster Vaterlandsliebe«, besser: >Bürgerlichkeit< von mir distanzieren und sich mit den NSDAP- und sogar mit den DC-Leuten immer wieder solidarisch fühlen ...«$86

s8

'

584

Vgl. hierzu ausführlich Mühling, Α., »Es hat diese ganze Aussprache nun doch ihren Sinn«. Anmerkungen zu Karl Ludwig Schmidt und der Neutestamentler-Erklärung des Jahres 1933, T h Z 49,1993, 353-364. Schmidt erhielt Ende November das konkrete Angebot einer einjährigen Gastprofessur an der Yale University, »die ich damals eigentlich nur deshalb ausgeschlagen habe, weil ich nicht meine Kinder nach USA >verpflanzen< wollte« (Brief an seine Schwester Aenne Assmus vom 6.2.1948, Kopie im N L K.L.S., Frenkendorf).

585

Zum Pfarrernotbund vgl. Niemöller, W., Der Pfarrernotbund. Geschichte einer kämpfenden Bruderschaft, A G K 25,1971.

586

Schreiben an Karl Barth vom 4.12.1933, Original im KBA, Basel.

166

8. Die Odyssee

Die fur Schmidt aussichtslose Lage, ohne Familie und feste Anstellung, stets von Ausweisung bedroht, in einem ihm fremden Land leben zu müssen, wurde ganz besonders dadurch verschärft, daß Schmidt jene ersten Monate in der Schweiz ohne jegliches Einkommen verbrachte. Schmidts finanzielle Situation war bis zum Sommer 1934, dem Zeitpunkt seiner ersten Schweizer Anstellung in Zürich-Seebach, schlichtweg katastrophal. Ohnehin durch seine Entlassung mit einer sehr geringen Pension bedacht, wurde diese auf ein deutsches Sperrkonto eingezahlt, das fur Schmidt von der Schweiz aus nicht greifbar war. Er lebte in diesen Monaten von den aus Deutschland mitgebrachten Bargeldbeständen, verkaufte einige seiner Bücher587 und nahm Kredite bei Freunden auf. Es war abzusehen, daß Schmidt dieser bedrückenden finanziellen Situation nicht mehr lange gewachsen sein würde. Der Kilchberger Pfarrer Walther Hächler nahm sich des Emigranten Karl Ludwig Schmidt an und bot ihm neben freier Unterkunft im Pfarrhaus auch seine Hilfe bei der Stellensuche an. Mit seiner Unterstützung und der der Kirchenbehörden - der langjährige Freund Karl Barths, Lukas Christ, war zu jener Zeit Konventspräsident - erhielt der nur mit dem 1. Theologischen Examen versehene Schmidt zügig zum Februar 1934 die Ordination der Basellandschaftlichen Kirche, die unverzichtbare Voraussetzung für ein Pfarramt war.588 Doch mit der Ordination allein war die finanzielle Misere noch nicht behoben, weshalb sich Schmidt ab Februar 1934 intensiv um eine Pfarrstelle bemühte. Die eifrige Suche danach hatte einen konkreten Grund: Nur als Pfarrer würde er wegen der damit gesicherten Unterkunft in einem Pfarrhaus kurzfristig so schnell in der Lage sein, seiner großen Familie in der Schweiz Wohnung bieten zu können. Erst wenn seine Familie wieder gemeinsam leben könnte, erst wenn seine finanzielle Lage sich etwas entspannt hätte, dann erst könne sich Schmidt um eine Professur an einer Schweizer Universität bewerben, so war sein Plan.' 89 Besonders zermürbend für Schmidt war der Umgang mit den Schweizer Behörden, erhielt er doch als emigrierter deutscher Professor in der Schweiz nur die viert- und letztbeste der Ausländerbewilligung, die sog. »D- Bewilligung«. Diese »Toleranzbewilligungen« wurden nur für eine kurze Zeit erteilt und bei der Fremdenpolizei hinterlegt. Nach kurzer Zeit abgelaufen, begann fur Schmidt erneut das demütigende Warten und die gründliche Befragung durch die

Auch über 1934 hinaus blieb seine finanzielle Situation angespannt und zwang ihn dazu, Bücherbestände aus seiner Bibliothek zu verkaufen; Schreiben Peter Walters vom 11.4.1993 und 14.5.1993 an den Verf. Karte Schmidts an Rudolf Bultmann vom 20.2.1934, Original im N L Bultmann, Sig.Nr. M n 2-1497, U B Tübingen. Die Ordination wurde vom Konventspräsidenten Lukas Christ vorgenommen, wie ein Photo der Ordination aus dem Besitz Peter Walters zeigt. Brief an Karl Barth vom 25.2.1934, Original im KBA, Basel.

8. Die Odyssee

167

Fremdenpolizei, um eine Verlängerung zu erlangen. Erschwerend kam hinzu, daß grundsätzlich die Schweizer Behörden für die Ausstellung einer Aufenthaltsgenehmigung in der Schweiz einen sog. »Heimatschein« der betreffenden Heimatgemeinde des Emigranten verlangten, Schmidt jedoch keinen Bonner »Heimatschein« vorlegen konnte und so stets mit seiner Ausweisung nach Deutschland zu rechnen hatte. Zahlreiche Anträge Schmidts an die Bonner Stadtverwaltung auf Ausstellung des »Heimatscheines« wurden auf Anweisung der GeStaPo »stillschweigend ausgesetzt«590, die auf diese Weise selbst auf den in der Schweiz lebenden Emigranten noch massiv Druck ausübte. Erst im Mai 1935 sollte Schmidt in den Besitz des ersehnten »Heimatscheines« gelangen. Damit war die größte Furcht vor der Ausweisung gebannt.59' Diese Zeit bis zur Ausstellung des »Heimatscheines« führte Schmidt an die Grenzen psychischer und körperlicher Belastbarkeit. Zwar war die Drohung einer Ausweisung schon in Zürich-Seebach und später in Lichtensteig in etwas weitere Ferne gerückt, da Schmidt dort in guten Beziehungen zu den betreffenden kantonalen Kirchenbehörden und auch zu den politischen Behörden stand, doch schwebte das Damoklesschwert der Abschiebung nach wie vor über ihm. Selbst als Basler Professor erhielt Schmidt nur die »D-Bewilligung«, konnte sich aber sicher sein, als Professor an einer Schweizer Fakultät nicht mehr nach Deutschland abgeschoben zu werden. In der Tat entzog ihm das Preußische Kultusministerium am 14.12.1935, Schmidt stand in seinem ersten Basler Semester, die »notwendige Genehmigung zum Aufenthalt in der Schweiz«; der Verlust des »Heimatscheines« hatte für Schmidt mit der einen Ausnahme, daß ihm die bisher auf ein Sperrkonto eingezahlte Pension gestrichen wurde, jedoch keinerlei negativen Folgen. 592 Trotzdem: Die Möglichkeit, in der Schweiz auch als Basler Professor keine »Toleranzbewilligung« zu erhalten, bestand auch über 1935 hinaus. Selbst ohne Abschiebung nach Deutschland hätte dies unangenehme Konsequenzen für Schmidt gehabt, da er im Falle einer Nichtbewilligung in einem juristisch völlig ungeklärten und rechtlosen Zustand in der Schweiz hätte leben müssen. Im Mai 1934 erhielt Schmidt eine auf vier Monate befristete Pfarrverweserstelle in der Gemeinde von Zürich-Seebach - seine erste pfarramtliche Tätigkeit überhaupt, sieht man einmal von dem Vikariat in Berlin ab. Trotz schlechter Bezahlung nahm ihn die Arbeit völlig in Beschlag, bei »4300 evangelischen Gemeindegliedern habe ich auch viele Kasualien, gleich in den ersten

So heißt es in einer Anweisung des preuß. Kultusministeriums an den Kölner Regierungspräsidenten, Kopie in der Personalakte K.L.S., 140, U A Bonn. Vgl. insgesamt diesen Vorgang in a.a.O. 136-145. 591

Vgl. a.a.O. 14$.

5,1

Schreiben des Reichs- und Preuß. Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 14.12.1935, Personalakte K.L.S., 146, U A Bonn.

ι68

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Tagen 2 Trauungen und 1 Beerdigung, dazu neben 2 Konfirmandenstunden in der Primär- und in der Sekundärschule. Nach halbjähriger Trennung hat mich jetzt meine Frau für drei Wochen in der Schweiz besucht. Und meine Frau und Kinder werden die deutschen Juli-Ferien in >meinem< Schweizer Pfarrhaus verbringen, nachdem ich die Kinder seit Anfang November nicht mehr gesehen habe.«593 Trotz der Möglichkeit der »Familienzusammenführung« und intensiver pfarramtlicher Tätigkeit in Zürich-Seebach war das Glück nicht ungetrübt. Es war nicht nur die ftir ihn und seine Familie auch weiterhin völlig ungewisse Zukunft, die ihn belastete - ihm fehlte auch das wissenschaftliche Arbeiten an einer Universität, die Auseinandersetzung mit Kollegen und Studenten; kurzum: In Forschung und Lehre erkannte Schmidt - neben der Herausgabe der Theologischen Blätter - bei aller Wertschätzung der pfarramtlichen Tätigkeit doch sein berufliches Hauptbetätigungsfeld. So bemühte sich Schmidt ab Sommer 1934 um eine Dozentur, jedoch nicht in Zürich, sondern in Basel, da ihm dort die Möglichkeit, einen Lehrauftrag zu erhalten, weitaus aussichtsreicher erschien: In Zürich bestanden nach seiner Ansicht Vorbehalte gegen seine Person und kirchenpolitische Vergangenheit. »Sie fragen mich nach meinen Beziehungen zu den Zürcher Kollegen. ...«.schrieb Schmidt Anfang September 1934 an Rudolf Bultmann. »Kümmel und E. Brunner habe ich vor Monaten besucht, seitdem aber nichts mehr von ihnen gehört, abgesehen davon, daß ich von allen Leuten Brunner'sehe Grüße bestellt erhalte. Schrenk und Ludwig Koehler sah ich neulich in einer Sitzung des Zürcher Pfarrkapitels. Mit Schmiedel wechsle ich Briefe. Voilä tout! Es ist ganz offenkundig, daß sich die Zürcher Fakultät mir gegenüber eine gewisse Reserve auferlegt. Einem Schreiben Brunners habe ich entnommen, daß >man< Angst hat, ich wollte in Zürich dozieren. Dabei habe ich ausdrücklich erklärt, daß ich solche Aspirationen nicht habe.594 In Basel schweben seit Monaten Bemühungen, daß ich dort einen Lehrauftrag erhalte. Die Fakultät hat einhellig einen entsprechenden Antrag gestellt. Warum die Sache nicht vorangeht, weiß ich nicht. Dafür dringen aber um so mehr Gerüchte an mein Ohr. Von den deutschen Kollegen Eichrodt

593

594

Schreiben an Bultmann vom 17.5.1934, Original im N L Bultmann, Sig.-Nr. Mn 21497,12, UB Tübingen. Werner Georg Kümmel, damals Professor für neutestamentliche Theologie in Zürich, erinnert sich nicht daran, »daß von einer Lehrtätigkeit Schmidts in Zürich je die Rede war; sollte es der Fall gewesen sein, hätte ich mich sicher für ihn ausgesprochen. Daß man ganz allgemein vor Schmidt aufgrund seiner scharfen und sicherlich nicht immer sachlichen Polemik in den ThBl Scheu hatte, wird man wohl sagen müssen; aber daß er je in Zürich im Gespräch gewesen ist, daran kann ich mich nicht erinnern« (Schreiben vom 16.10.1991 an den Verf.).

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und vor allem Köberle heißt es, daß sie Bedenken hätten, gerade mich in Basel dozieren zu lassen, weil zu befürchten sei, es werde nun die zuständige deutsche Behörde die Basler Fakultät für deutsche Studenten sperren. Dabei hat mir selbst Köberle ganz andere Dinge über mich erzählt: er freue sich, wenn ich neben oder später gar statt Goetz lesen würde. Unser gemeinsamer Bekannter Baumgartner scheint mir Bedenken zu haben, ... vielleicht hat Baumgartner auch etwas zu viel Angst vor meiner — Fakultätspolitik. Davor haben wohl auch andere Angst. Was habe ich aber eigentlich >Schlimmes< in Deutschland angerichtet? Manches hängt mit meiner Stellung als Redakteur der ThBl zusammen. Dann bin ich an drei verschiedenen Universitäten Ordinarius gewesen, wo es nun gerade während meiner Zeit allerlei Personalveränderungen gab. ... Vielleicht haben nun die Basler, vorab Baumgartner, Angst, daß ich nun auch in Basel unter Umständen solche >Unruhe< hervorrufen würde. Es ist dies aber eine ganz unbegründete Angst. ... Sie fragen mich nach meiner NT-Theologie. Ja, was soll ich dazu sagen? Implicite arbeite ich dran, aber nicht explicite. Meine Bücher und alle meine Papiere (wie auch z.B. meine Kolleghefte) sind bald seit 1 Jahr magaziniert. Ich hatte vor einem Jahr, als ich endassen wurde, nicht damit gerechnet, daß mein Zwischenzustand so lange dauern würde. Abgesehen davon muß ich meinen Lebensunterhalt bis zu einem gewissen Grade verdienen, indem ich als Pfarrverweser amte. Nun habe ich hier in Zürich-Seebach Sonntag für Sonntag zu predigen, Woche für Woche 2 Konfirmandenstunden zu geben und dazu bei 4300 evangelischen Gemeindegliedern sehr viele Kasualien zu erledigen. Rebus sie stantibus muß ich froh sein, wenn ich die Redaktion der ThBl durchhalten und meine Lexikonartikel für Kittel ausarbeiten kann. Sie werden natürlich verstehen, daß ich eine große Sehnsucht darnach habe, endlich mal wieder eine geordnete Beschäftigung zu bekommen, meine Bücher aufzustellen usw. usw. Wie gerne würde ich definitiv Pfarrer werden!595 Da gibt es aber zunächst einige Kantone wie Zürich, Schaphausen, Thurgau, in denen ein Schweizer Pfarrer das Schweizer Bürgerrecht haben muß. Neulich wurde mir eine Pfarrstelle in St. Gallen angeboten. Plötzlich bekam ich eine Absage, weil der Pfarrer Mitglied der Schulbehörde sein müsse, was aber wiederum das Vorhandensein des Schweizer Bürgerrechtes voraussetze. Der größte Kanton - Bern - mit verschiedenen Pfarrvakanzen sperrt sich gegen mich aus - politischen Gründen. Die Tatsache, daß ich als SPD-Mitglied in Deutschland endassen worden bin, bringt mich auch in der Schweiz in die allergrößte Schwierigkeit, obwohl ich mehr als andere wie auch schon früher in Deutschland ganz unpolitisch predige. Jedenfalls bin ich nun in den vergangenen 10 Monaten mit Dutzenden von Bemühungen

Diese Aussage Schmidts steht nicht mit seinem Wunsch einer Professur im Widerspruch. Der Weg ins Pfarramt erschien ihm im September 1934 als die schnellste und sicherste Methode, nicht nur in der völlig ungeklärten Frage einer Aufenthaltsgenehmigung Klarheit zu erlangen, sondern auch endlich mit seiner Familie, von der er seit fast einem Jahr getrennt war, zusammenleben zu können.

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8. Die Odyssee um eine Pfarrstelle nicht zum Ziel gekommen. Bei dieser Sachlage wäre schon ein bloßer Lehrauftrag eine große Hilfe für mich. Hier im Kanton Zürich, wo ich nun seit 4 Monaten amte, habe ich bis jetzt immer noch nicht die Aufenthaltsgenehmigung. In drei Monaten rückt nun der neu gewählte Pfarrer an. Was dann werden soll, ist gar nicht abzusehen.«'96

Die Basler Dozentenpläne zerschlugen sich. Schmidt wurde Anfang November eine Pfärrverweserstelle in Lichtensteig im Toggenburg (Kanton Sankt Gallen) angeboten, die er sofort annahm, da er sich hier bei entsprechender Bewährung eine Übernahme als Pfarrer erhoffte. 597 Trotz alledem: Die Skepsis blieb. »In einigen Tagen kann ich mein Schweizer Einjahrjubiläum feiern«, berichtete er Bultmann. »Während dieser ganzen Zeit haben die Fakultätsleute immer erzählt, ich bekomme nun eine Pfarrstelle. Und die Gemeindeleute haben immer erzählt, ich bekomme nun eine Professur. Ich habe mir immer alle Mühe gegeben, ganz eindeutig auf das definitive Pfarramt loszusteuern - aber immer hatten die betr. Gemeinden anderen Wind bekommen, weil die Basler Kollegen da und dort plauderten. Mitte November gehe ich nun in eine neue Pfarrverweserei: Lichtensteig/Toggenburg. Da eine gewisse Aussicht besteht, daß ich dort (im Kanton St. Gallen braucht ein Pfarrer nicht wie im Kanton Zürich Schweizer Bürger zu sein) etwa in einem Jahr zum Pfarrer gewählt werde, will ich meine ganze Familie nunmehr in die Schweiz kommen lassen. Wie das rein finanziell im Augenblick und dann auch in Zukunft geschafft werden soll, weiß ich noch nicht: es gehört zu den Paradoxien des Lebens, daß man einen Umzug bezahlt bekommt, wenn man Geld hat, dagegen nicht, wenn man kein Geld hat; jedenfalls muß erst mal der Umzug von Bonn in die Schweiz geschafft werden. Da die Schweiz keine Kindergeldzulagen kennt und mir keine Dienstjahre anrechnet, bekomme ich nun das ohnehin knappe Anfangsgehalt, wie es jedem jüngsten Pfarrer von 25 Jahren oder noch jünger gezahlt wird. Wegen der Pensionierung muß ich in eine Kasse eintreten und wahrscheinlich ein paar tausend Franken nachzahlen, d.h. mir Jahre lang gewisse Summen abziehen lassen. ... Bei alledem sind wir froh, daß wir nach einer Trennung von 1 Jahr vorerst mal wieder zusammen leben können. Ob und wie ich in Lichtensteig wissenschaftlich weiter arbeiten kann, kann ich noch nicht überblicken. Die Gemeinde hat allerdings nur 700 Seelen; aber ich habe Sonntag für Sonntag zu predigen und Kinderlehre zu

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Schreiben an Bultmann vom 3.9.1934, Original im N L Bultmann, Sig.-Nr. Mn 2-1497, 16, UB Tübingen.

597

Schmidt wurde in Lichtensteig Nachfolger von Gustav Breit, einem deutschstämmigen Ukrainer, der von 1924-1934 Pfarrer in Lichtensteig war und 1934 eine Pfarrstelle im Witikon übernahm (vgl. auch Stückelberger, H.M., Die evangelische Pfarrerschaft des Kantons St. Gallen, St. Gallen 1971, 245)·

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halten und Woche für Woche 9 Schul- bzw. Konfirmandenstunden.In Sachen der ThBl bin ich darauf gefäßt, daß die nunmehr versuchte Dauerübersiedlung nach der Schweiz — und nun gerade als Pfarrverweser und nicht als Dozent - zur Folge haben wird, daß ich die Redaktion verliere.598 Quelle & Meyer haben meinen Vertrag >NT-Theologie< gekündigt, weil ich auf Grund von §4 des Gesetzes usw. entlassen worden bin; zuerst hatten sie gezögert, weil sie dachten, ich sei auf Grund des Arier-§3 entlassen worden. Erich Seeberg hat mir dazu allerlei geschrieben. Ich habe lakonisch geantwortet: >Da ist halt nichts zu machen.jungen< Leute gebe ich mir eine gewisse Mühe. Wie Bonhoeffer und sein Inspektor Rott sind auch Gollwitzer, Steck, Eichholz u.a. in meinen Bonner Vorlesungen und Uebungen, insbesondere in meiner >berühmten< Neutestamentlichen Sozietät für Fortgeschrittene gewesen. Natürlich saßen und arbeiteten sie alle auch bei Karl Barth. Aber exegetische Freibeuterei ä la Hellbardt, der übrigens auch bei mir saß und arbeitete, hat es damals nicht gegeben. Jetzt hat sich das alles geändert. Um der Stoßfähigkeit der Bekennenden Kirche willen reißt immer mehr ein theologischer Simplizismus ein, auf den todsicher der von Ihnen wie von mir gefurchtete Rückschlag kommen wird. Vorerst will ich mir aber weiter Mühe geben, mit diesen Adepten pfleglich umzugehen«. Schmidt fürchtete ernsthaft um die theologische Stoßkraft der »Dahlemiten«; nicht zuletzt auch deshalb, weil die um sich greifende »exegetische Freibeuterei ä la Hellbardt« auch einen neuen, »chaotischen« Theologentyp zu kreieren schien. Und »Chaoten« könnten, so Schmidt, den Kampf der Bekennenden Kirche unmöglich fuhren. So glaubte Schmidt - und bemühte sich um der Sache der »Bekennenden Kirche« willen um diese »Chaoten«. Schmidt war ernsthaft um die Zukunft von Theologie und Kirche besorgt; die Auseinandersetzungen - so seine Überzeugung — könnten nur dann mit Erfolg durchgestanden werden, wenn sie von einem exakten biblisch-exegetischen Fundament aus gefuhrt würden. Schmidt diagnostizierte hier große Defizite, auch und besonders bei dem »dahlemitischen Flügel« der Bekennenden Kirche. Ernst Wolf gegenüber betonte Schmidt 1935: »Gerade in diesen Zeitläufen kommt alles darauf an, daß die strenge kritische Arbeit nicht verschüttet wird. ... Was Walter Dreß [Schmidt gegenüber, A.M.] aus eigener Anschauung über den Betrieb in den Seminaren der Bekenntniskirche - sein Schwager Bonhoeffer ist der Leiter von Finkenwalde - berichtete, stimmte auch mich bedenklich.« 6 " Diesen - theologisch durchaus bemerkenswerten - Ansatz verinnerlichte Schmidt in einem Fall so sehr, daß er nicht nur ein kirchenpolitsch völlig verfehltes Signal setzte, sondern auch im menschlichen Bereich zu äußerster persönlicher Härte fähig wurde. Hans Hellbardt, »einer der begabtesten Theologen der rheinischen Bruderschaft«622 und seit 1934 auf Seiten der Bekennenden Kirche, hatte bei Gustav

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611

Tagebucheintrag Ernst Wolfs vom 20.9.1935, N L Ernst Wolf, BA Koblenz. Zitiert nach einer Mitteilung von Pfr. Otto Dudzus vom 1z.11.1991. So Wolfgang Scherffig in seinem Buch »Junge Theologen im >Dritten ReichDie ThBl bei dieser Gelegenheit ein-

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mysteriösen Entscheidung vom 31. Januar: Das Verbot der Theologischen Blätter richtete sich allein gegen die Person Karl Ludwig Schmidts. Den Nationalsozialisten war Schmidt mit seiner unverdrossenen Herausgabe der Theologischen Blätter ein Ärgernis; seine politischen Aktivitäten in der Zeit der verflossenen Weimarer Republik blieben unvergessen - insbesondere auch bei seinen politischen Gegnern. So gab denn der Präsident der nationalsozialistischen Zensurstelle, offiziell »Reichsschrifttumskammer« genannt, dem Hinrichs'schen Verlag am 3. Februar folgendes bekannt: »Der Herr Reichs - und Preußische Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung teilt mir mit, daß der Mitherausgeber der >Theologischen Blätter

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Schreiben Schmidts an Strathmann vom 9.3.37, abgedruckt bei Kantzenbach, ThBl (s. Anm.635) 89. Schreiben Schmidts an Strathmann vom 12.3.1937, Original im Bestand Personen XXVII (Strathmann) Nr. 4, LKA Nürnberg. Kantzenbach, ThBl (s. Anm.635) 85 konstatiert für Anfang März lediglich ein Verhältnis, das sich zu trüben begann; der Bruch sei erst im Juni 1937 eingetreten (a.a.O. 94). Es spricht aber doch einiges dafür, daß die Beziehung schon im März 1937 belastet war. So beginnt Schmidt seinen Brief vom 30. März mit dem Satz: »Lieber Str., nachgerade bezweifele ich, ob es einen Sinn hat, daß ich die Korrespondenz über die ThBl mit Ihnen fortsetze« (Original im Bestand Personen XXVII [Strathmann] Nr.4, LKA Nürnberg).

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verteidigend, führte Strathmann weiter aus: »Ich folgere, dass ich zwar wohl für das Verbot, durch AWL, die Hauptverantwortung trage (aber dieses Risiko musste gelaufen werden...!), dagegen keinerlei für den Angriff auf Sie. Sie sagen doch selbst, dass Sie seit langer Zeit mit so etwas gerechnet haben!« Schmidt müsse eben, so Strathmann, die rein sachliche Ebene des Vorgangs betrachten; es komme darauf an, daß die Theologischen Blätter unter allen Umständen gehalten werden. Er, Strathmann, dürfe nicht »die Front verlassen. ... Ich zweifele nicht, dass Sie all diesen Überlegungen doch Verständnis entgegenbringen und dass Sie deshalb Ihre Aufgabe nicht darin sehen werden, die Ausführung dieser Gedanken zu erschweren, sondern sie zu erleichtern. Dazu sind Sie bei aller Schwere Ihres Schicksals viel zu sachlich. Ich habe es, seit ich Sie persönlich kennen lernen durfte, immer bewundert, und habe es auch oft Dritten gegenüber ausgesprochen, wie vorbildlich Sie Ihr wahrlich schweres Schicksal drüben tragen. Denn es ist schwer, trotz der schönen Erfolge, die Sie dort erzielen. Sie werden dieses Bild, das ich von Ihnen gewonnen habe, nicht trüben. Nein, das werden Sie nicht tun!«662 Was Schmidt an den Vorschlägen und an dem Verhalten Strathmanns so tief verletzte, war in erster Linie nicht der Verlust der Theologischen Blätter, sondern die von Schmidt so empfundene erneute Erfahrung mangelnder persönlicher Solidarität mit seiner Person und seinen inhaltlichen Zielen. Strathmann hingegen kämpfte in erster Linie um die Theologischen Blätter, doch nicht um den Mitherausgeber. Ihm war deutlich, daß dieser Zeitschrift eine wichtige Funktion für die theologische Diskussion gerade im nationalsozialistischen Staat zukam; deshalb wollte er sie erhalten. Zu dem Schritt, gemeinsam mit Schmidt von der Verantwortung der Herausgeberschaft zurückzutreten und die Theologischen Blätter tmzusitWtn, konnte sich Strathmann jedoch aus sachlichen Gründen nicht entschließen. An diesem Punkt verknüpften sich sachliche und persönliche Motive Strathmanns; er entschloß sich aus sachlichen Gründen dafür, die Theologischen Blätter weiterzuführen, und nutzte zugleich die Gelegenheit, alleiniger Herausgeber dieser Zeitschrift zu werden. Auf eine Solidaritätserklärung zugunsten Schmidts verzichtete Strathmann.66' Schmidt hingegen war den sachlichen Argumenten Strathmanns nicht zugänglich. Er machte den Fehler, sein eigenes Schicksal mit dem der Theologi-

661

Schreiben Strathmanns an Schmidt vom 13.3.1937, Kopie im Bestand Personen X X V I I (Strathmann) Nr. 4, L K A Nürnberg.



Hass, Strathmann (s.Anm.637) sagt, daß Strathmann eine Solidaritätserklärung zugunsten Schmidts »vermutlich keinen Augenblick ernsdich erwogen« (37if.) hat und behauptet, Strathmann habe » die Gunst der Stunde zu egoistischen Zielen, nämlich alleiniger Herausgeber werden zu können«, nicht ergriffen (372). Doch genau dies hat Strathmann faktisch getan, als er sich aus rein sachlichen Gründen entschloß, die T h B l fortzuführen.

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schert Blätter zw verknüpfen. Dort, wo ein nüchterner Dialog erforderlich gewesen wäre, um diese Zeitschrift im nationalsozialistischen Staat zu erhalten, ohne in der Sache Einschränkungen zu machen, trat ein aus tiefer Verletztheit resultierender persönlicher Streit. Ein Streit, der sachlich keine konstruktiven Ergebnisse brachte. Doch die Theologischen Blätter ohne seine verantwordiche Mitarbeit - dieser Gedanke überstieg die Vorstellungskraft Schmidts. A m Ende konstatierte Schmidt seine Enttäuschung über die vergangenen Wochen. »Damit aber nun unser Gespräch nicht uferlos wird, muß und will ich mich damit abfinden, daß Sie selbst jetzt den von mir sehr erwünschten und erbetenen Schritt nicht tun. In der Tat bin ich aber vorerst immer noch der Meinung, daß das Verbot der ThBl >auf einmal zur alleinigen Ausschaltung meiner Person aus Mideitung und Mitarbeit geführt hatman< keine Handhabe zu meiner alleinigen Ausbootung zu haben meinte - tatsächlich ist ja auch eine solche nicht vorhanden - und deshalb zuerst einmal die ThBl verboten hat, um dann eben nur Ihnen eine goldene Brücke zu bauen!? Jedenfalls bleibt die zeitliche Abfolge bestehen, die wichtig ist, auch wenn ich jetzt einen Kausalzusammenhang nicht herstellen kann. Und ich könnte vorsichtiger formulieren, daß auf einmal dem Verbot der ThBl die alleinige Ausschaltung meiner Person aus Mideitung und Mitarbeit gefolgt ist. Erst jetzt erfahre ich ein bißchen deutlicher, daß Ihnen die Begründung des Schrittes gegen mich bekannt geworden ist: >Leider habe ich den Wordaut (des Schreibens der Reichsschrifttumskammer vom 7. Februar, A.M.) nur einmal, in Halle, vorgelesen bekommene664 Wenn Sie sich jetzt auf den genauen Wortlaut nicht mehr besinnen können, so wird dieser ja wohl doch aus Niederschriften oder auch bloßen Notizen, die bei Hinrichs vorliegen müssen, festzustellen sein.«*6* Damit war eigentlich alles gesagt, war die endgültige Entscheidung gefallen. Für Strathmann ist es bereits am 2$. März beschlossene Sache gewesen, daß er den Kontakt mit Schmidt in Fragen der Theologischen Blätter abbrechen werde. 666 Schmidt seinerseits wußte nun genau, daß keine sachlichen Gründe

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Das Zitat Schmidts stammt wahrscheinlich aus dem Schreiben Strathmanns vom 22.3.37; vgl· das Schreiben Strathmanns an Schmidt vom 8.2.37. Schreiben Schmidts an Strathmann vom 24.3.1937, Original im Bestand Personen XXVII (Strathmann) Nr. 4, LKA Nürnberg. Strathmanns Reaktion auf diesen Brief ist die: »Er (Schmidt) ist sogar sehr verbittert darüber, daß ich es ablehne, mich mit ihm solidarisch zu erklären. Er meint, ich müsse ebenfalls niederlegen. Aber weshalb soll ich mich mit der Vergangenheit Schmidts, die doch allein der Grund des Vorgehens gegen ihn ist, solidarisch erklären?«, fragte Strathmann am 24.3.37 seinen Verleger Klotz; »Ich werde es nicht tun« (Kantzenbach, ThBl [s. Anm.635) 93). A.a.O. 94.

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zum Verbot der Theologischen Blätter gefuhrt hatten, sondern dieses Verbot eine ausschließlich gegen ihn gerichtete Aktion einleitete. Die Frage nach diesen »Hintermännern« des Verbotes der Theologischen Blätter und seiner eigenen Ausschaltung beschäftigte Schmidt intensiv. Er vermutete eine das Verbot der Theologischen Blätter auslösende Denunziation deutscher Kollegen, ohne zu wissen, wer konkret dafür verantwortlich zu machen war.667 An diesem Punkt ist in der Chronologie innezuhalten: Schmidt wird mit seiner Ende März ausgesprochenen Vermutung, die schon etwas von einem abschließenden Rückblick hat, recht gehabt haben; untrennbar mit den Vorgängen um die Theologischen Blätter sind nämlich die heftigen Auseinandersetzungen um das ThWNT, in die Strathmann wie Schmidt gleichermaßen verwickelt waren, verbunden.668 Auslösendes Moment dieser Auseinandersetzungen war ein in den Theologischen Blättern erschienener kritischer Aufsatz des damaligen Hilfspredigers Hellmut Gollwitzer669 über Emanuel Hirschs Bestandsaufnahme »Die Lage der Theologie«.670 Zum Schluß seiner Ausführungen stellte Gollwitzer an die Herausgeber der »Deutschen Theologie«671 - in dieser DC-freundlichen Zeitschrift erschien der o.g. Aufsatz Hirschs - die Frage, wie diese es eigentlich verantworten könnten, daß ihre Zeitschrift von einem Verlag, gemeint ist der Kohlhammer-Verlag aus Stuttgart, verlegt würde, dessen Inhaber zugleich Besitzer des völkischen Gutbrod-Verlages, Stuttgart, sei. Die Frage Gollwitzers, deren Berechtigung ausdrücklich in einer »Anmerkung der Schriftleitung« von Schmidt und Strathmann attestiert wurde, löste bei den Herausgebern der »Deutschen Theologie« und dem Verleger, Dr. Kohlhammer, große Verärgerung aus.672 Hinter diesen »Anfragen« vermuteten die Herausgeber und der Kohlhammer-Verlag die Aktivitäten Schmidts, der fur diese Lage jedoch keinerlei Verantwortung trug. Die Notizen über die Verbindung des Kohlhammer- mit

667

Schreiben Schmidts an Strathmann vom 30.3.1937, Original im Bestand Personen X X V I I (Strathmann) Nr. 4, L K A Nürnberg.

661

Kantzenbach erwähnt leider die für den Ausgang der Streitigkeiten um die T h B l wichtigen Auseinandersetzungen nur beiläufig (ThBl [s. Anm.635] 85).

669

Gollwitzer gehörte in Jena und Bonn zu den Hörern Schmidts; in Bonn entwickelte sich ein freundschaftliches Schüler-Lehrer Verhältnis zwischen den beiden. Oer Aufsatz Gollwitzers »Eine Anfrage« erschien in den T h B l 15,1936, 241-243.

670

Vgl. Hirsch, E., Die Lage der Theologie, D T h 3,1936, 36-66.

671

Dies waren H . W . Beyer, H . Bornkamm, K. Fezer, F. Gogarten, E. Haenchen, E. Hirsch, G . Kittel, H . Kittel, H. Rücken, F.K. Schumann sowie A. Weiser.

671

Die Gollwitzer-Anfrage war nicht der erste Hinweis auf eine Verbindung des Kohlhammer-Verlages mit dem deutsch-gläubigen Gutbrod-Verlag. Schon im Mai 1936 wiesen auf Initiative Strathmanns die T h B l nachdrücklich auf diese Verbindung hin (ThBl 15, 1936, 123).

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dem Gutbrod-Verlag gingen auf eine Initiative Strathmanns zurück, der von Schmidt eindringlich vor einer Veröffentlichung gewarnt worden war. Was Schmidt befurchtet hatte, trat ein: Der Druck auf die Theologischen Blätter und die Herausgeber nahm im November 1936 zu; insbesondere Schmidt befürchtete für sich negative persönliche Konsequenzen, erschien doch das von ihm so unterstützte T h W N T ebenfalls im Kohlhammer-Verlag, gehörte auch der Herausgeber des T h W N T , Gerhard Kittel, zu den Herausgebern der Dth. Schmidt befurchte, daß er zum Ausscheiden aus dem Mitarbeiterkreis des T h W N T als Folge der Gollwitzer-Anfrage gezwungen würde. Eilends brachten die Theologischen Blätter in ihrer Dezember-Nummer eine »Berichtigung«. Nach Auskunft des Kohlhammer-Verlages seien Meldungen einer über den 1. Juli 1934 hinaus bestehenden Verbindung der genannten Verlage falsch. »Damit erledigen sich jene Gerüchte«, so Strathmann in der von ihm allein unterzeichneten »Berichtigung«, »was wir gerne zur Kenntnis geben«.673 Die Hoffnungen Strathmanns, durch diese »Berichtigung« wäre der nach Ansicht Schmidts nicht zu gewinnende »Kleinkrieg« ausgestanden, erwiesen sich als Illusion. Schmidt, der schon im April 1936 vor einer Veröffentlichung der Strathmann'schen Kohlhammer-Notiz warnte, befürchtete auch nach der Veröffentlichung der Strathman'schen »Berichtigung« Schlimmes: »Ich habe mich schon manchmal gefragt, ob dieser ganze Kleinkrieg Sinn hat, wenn der Hauptkrieg nicht geführt werden kann.... Was für einen Sinn hat es, wenn (dieser Kleinkrieg, A . M . ) ... nichts anderes ist als der Ausfluss einer gewissen Gesamtstruktur, Uber die nun nicht das Nötige gesagt wird, ja wohl auch nicht gesagt werden kann? ... Die zweimalige Bloss-Stellung des Verlages Kohlhammer durch die T h B l - ich schrieb Ihnen schon einmal, dass ich als Mitarbeiter an einem nun mal recht bedeutsamen Kohlhammer'schen Unternehmen auf solche Polemik nicht erpicht war, doch anderseits aus Gründen, die schließlich als meine persönlich-finanziellen usw. gedeutet werden konnten, Ihnen in Ihrer Polemik nicht widersprechen wollte - lässt sich nicht aus der Welt schaffen. Ich sehe voraus, dass diese Polemik, die auch durch keine >Berichtigung< aus der Welt geschaffen werden kann, mich zwingen wird, meine mir an sich sehr liebe Mitarbeit an dem T h W aufzugeben. Dass ich mir vorerst darüber noch nicht allzu sehr den K o p f zerbreche, mag daran liegen, dass Kittel ja neulich in einem Brief an Sie 6 7 4 absonderlich dunkle, aber doch verständliche Andeutungen gemacht hat, dass er sich von gewissen Mitarbeitern schliesslich doch noch trennen müsse. Sie gehören zu dieser Kategorie nicht;... Sie können aber G i f t darauf nehmen, dass ich zu dieser Kategorie gehöre.« 675 673

Abgedruckt in T h B l 15,1936, 314.

674

Nicht mehr erhalten.

675

Schreiben Schmidts an Strathmann vom 9.12.1936, Original im Bestand Personen X X V I I (Strathmann) Nr. 3, L K A Nürnberg.

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Schmidt sollte recht behalten; die Auseinandersetzungen um die KohlhammerGutbrod-Notizen erreichten erst im April 1937 ihren Höhepunkt. Schmidt erwartete schon Ende 1936 fur sich einige »böse Überraschungen« aus dem Herausgeberkreis der DTh. So glaubte er auch die Verantwortlichen des Verbots der Theologischen Blätter zu kennen: »Ob da nicht die Mannen von der DTh dahinter stecken? Wenn ja, würde ich meinerseits sofort meine Beziehungen zu Herrn G.K. 676 in der Weise abbrechen, daß ich meine Mitarbeit am ThW aufgebe.«677 Schmidt konnte diese Vermutung nicht belegen: Er glaubte jedoch, daß der einflußreiche Kohlhammer-Verlag und die in ihrem Einfluß hinter dem Verlag keinesfalls zurückstehenden Herausgeber der DTh der Reichsschrifttumskammer Hinweise gegeben hatten. Eines steht fest: K.L. Schmidt stand ab Ende Januar im Zentrum der Streitigkeiten nicht nur der Theologischen Blätter, sondern auch des ThWNT. Die Kohlhammer-Gutbrod-Affäre zog immer weitere Kreise. Es stellte sich Anfang 1937 heraus, daß die Strathmann'sche »Berichtigung« insofern fälsch war, da Herr Gutbrod, der Schwiegersohn von Kohlhammer, auch weiterhin in verantwortlicher Leitung des Kohlhammer-Verlages tätig war und die KohlhammerDruckerei neben kirchlicher und theologischer Literatur auch völkische Schriften druckte.678 Somit stand das Unternehmen des ThWNT vor einer ernsten Krise. Die von Gollwitzer an die Herausgeber der DTh gerichtete Frage stellte sich nun den Mitarbeitern des von Kittel herausgegebenen Werkes: Konnten sie es vor ihrem Gewissen verantworten, in einem solchen Verlag mitzuarbeiten?679 676

D.i. Gerhard Kittel, A.M.

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Schreiben Schmidts an Strathmann vom 4.2.1937, Original im Bestand Personen XXVII (Strathmann) Nr. 4, LKA Nürnberg.

678

Die »Tübinger Rundschau« griff in ihrer Ausgabe vom 24. März 1937 diesen Vorfall auf; Strathmann verfaßte aufgrund dieses Zeitungsberichtes und einer von Kittel verfaßten Erklärung an die Mitarbeiter des ThWNT, in der den Mitarbeitern, die dem Kohlhammer-Verlag nicht mehr das nötige Vertrauen schenken würden, die Entlassung aus dem Verlag angeboten wurde, eine umfangreiche Gegendarstellung, die von ihm an zahlreiche Mitarbeiter des ThWNT's gesandt wurde (von Strathmann abgeschickt zwischen dem 12. und 15.4.1937, Original im Bestand Personen X X V I I [Strathmann] Nr. 4, LKA Nürnberg).

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Schmidt wandte sich am 17. April an den ihm von den Britisch-Deutschen Theologenkonferenzen persönlich bekannten Kittel mit der Forderung »daß der unmögliche Zustand der gleichzeitigen Herstellung christlicher und antichristlicher Literatur endgültig beseitigt ist.... Für den Fall, daß Herr Gutbrod, der Schwiegersohn und einzige männliche Erbe des Kohlhammer'schen Verlags, einst Firma-Inhaber wird, ist zu erwarten, daß er sich verpflichtet, in seinem Verlag keine antichristliche Literatur erscheinen zu lassen oder andernfalls das ThW einem anderen Verlag zu übergeben« (Schreiben Schmidts an Kittel vom 17.4.1937, Kopie im Bestand Personen XXVII [Strathmann] Nr. 4, LKA Nürnberg).

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Für Schmidt war die Antwort vorgegeben; mit diesem Verlag konnte es keine wettere Zusammenarbeit geben. »Es kommt jetzt ganz darauf an, wie eine gewisse Mehrheit oder auch eine qualifizierte Minderheit der ThW-Mitarbeiter einen soldatisch-männlichen Weg geht. ... Rein menschlich-persönlich wäre es mir lieber gewesen, Sie [d.i. Strathmann, A.M.] hätten s.Zt. diesen Kampf gegen Kohlhammer/Gutbrod/Kittel nicht begonnen. Dann wäre mir und anderen die jetzt offenkundige Verfilzung nicht bekannt geworden; und wir hätten unwissend gesündigt. ... Von der Solidarität deutscher Professoren kann ich leider nicht allzu hoch denken.... Wenn der Appell umsonst sein sollte, so muß ich in dem oben beschriebenen Sinne allein vorgehen.«680 April 1937 stand Schmidt alleine da. Mit der »Solidarität deutscher Professoren« konnte er nicht mehr rechnen. So kam es, daß Schmidt nicht nur die Theologischen Blätter verlor, sondern ihm der Kohlhammer-Verlag auch alle weiteren Entscheidungen abnehmen konnte; Mitte April 1937 wollte der Verlag Schmidts schon gesetzten Ekklesia-Artikel zurückziehen.681 Zudem wurde ihm die Zusammenarbeit mit dem Kohlhammer-Verlag gekündigt. Auf persönliche Intervention Kittels - diese erfolgte Juni 1937—durfte Schmidt zumindest seine schon begonnenen Artikel für den Band 3 des ThWNT fertigstellen. Auf weitere Mitwirkung Schmidts an diesem Unternehmen wurde kein Wert mehr gelegt. Schmidt betrachtete es daher in jenen Wochen des März und Aprils 1937 als einen Akt des Anstandes, wenn der Hinrichs'sche Verlag und Strathmann auf dem Hintergrund der ungerechtfertigten Angriffe gegen ihn wenigstens die Theologischen Blätter - analog der Zeitschrift »Zwischen den Zeiten« im Falle Karl Barths - einstellen würden. Doch ihm war zugleich nach den schmerzlichen Erfahrung der letzten Wochen sehr deutlich bewußt, daß genau dies nicht geschehen werde. Schmidt erwog in dieser Affäre aus Enttäuschung über Strathmanns persönliches Verhalten sogar kurzfristig die Annahme der Schweizer Staatsbürgerschaft: »Sie sehen dem einfach zu, daß ich jetzt als Deutscher minderen Rechtes behandelt werde«, warf er Strathmann am 1. April 1937 vor. »Bis jetzt habe ich keine Versuche gemacht, fur mich und meine Familie das Schweizer Bürgerrecht zu erwerben. Ich lege aus inneren Gründen auch keinen Wert darauf, der deutschen Staatsbürgerschaft verlustig zu werden, obwohl ich das in meiner jetzigen Stellung als Schweizer Professor und damit Beamter äußerlich nicht zu scheuen brauche. Wenn sich aber nachgerade meine innere Stellungnahme ändern muß, so liegt das weniger an irgendwelchen Verfügungen von deutschen Behörden, denen ich zugute halten kann, daß sie nicht recht unterrichtet sind, sondern an — Ihnen, der Sie besser unterrichtet sind und sich wider besseres Wissen mit dem Vorgehen gegen mich

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Schreiben Schmidts an Strathmann vom 31.3.1937, Original im Bestand Personen XXVII (Strathmann) Nr. 4, LKA Nürnberg. Diese erweiterte Fassung dieses Artikels erschien 1939 als Monographie unter dem Titel »Die Polis in Kirche und Welt«, Basel 1939, Neudruck Zürich 1940.

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abfinden, anstatt auch nur die bescheidenste Geste einer persönlichen und sachlichen Solidarität zu machen. Ujj; Verzicht auf -meine ThBl wäre nicht mehr als eine solche bescheidene Geste, mit der Sie ja nun wahrhaftig sich und Ihre Familie nicht ins Unglück stürzen würden.«681 Die endgültige Entscheidung über die Zukunft der Theologischen Blätter und der von Schmidt als Mitherausgeber sollte der 7. Mai 1937 bringen. An diesem Tag erschien Strathmann im Berliner Reichspropagandaministerium, um ein Gespräch mit den verantwordichen Beamten zu fuhren. Einziger Tagesordnungspunkt: die Zukunft der Theologischen Blätter. Ohne in diesem Gespräch auch nur einen ernsthaften Versuch zu machen, Schmidt als Herausgeber zu verteidigen, bemühte sich Strathmann im Reichspropagandaministerium darum, die Theologischen Blätter- nun allerdings mit ihm als alleinverantwortlichem Herausgeber - unter Preisgabe der AWL zu erhalten. Seinem Verleger Klotz berichtete der Erlanger Theologe ausfuhrlich von diesem Gespräch: »Bei dem Gespräch mit Herrn ORRat Dürr im Prop.-Ministerium, das in durchaus angenehmen Formen verlief, drehte sich alles um die Mitarbeit Schmidts und meine Beziehungen zu ihm. Das, was am 31. Jan. als Verbotsgrund angegeben war, spielte so gut wie keine Rolle. Aus diesem Bereich aber scheint, wie ich aus einer gelegentlich gefallenen Einzelbemerkung entnahm, die Notiz über das Mendelssohndenkmal in Leipzig tatsächlich der Anlass des Stolperns gewesen zu sein.«68' Im weiteren Verlauf des Gespräches wurde die Forderung erhoben, daß sämdiche politischen Nachrichten entfallen müßten. Strathmann »habe geantwortet, nach meiner Meinung hätte ich auch bisher keine gebracht; ich gäbe aber zu, dass der Begriff sehr dehnbar sei und dass ich in Zukunft den strengeren Massstab in dieser Beziehung anlegen werde und alles vermeiden, was wie eine politische Anspielung aussehen könne. ... Im Übrigen«, fugte Strathmann gleichsam entschuldigend hinzu, »ist von irgend welchen Bedingungen gar keine Rede gewesen - ausser: Schmidt muss hinaus. Dabei habe ich mit Nachdruck betont, dass, freilich soweit ich hätte beobachten können, was natürlich nur in sehr begrenztem Masse möglich war, Sch. in nationaler Beziehung sich einwandfrei verhalte. Das machte aber keinen Eindruck. Doch habe ich keinerlei Einzelheiten erfahren können, die etwa gegen ihn vorliegen.«684 681

Schreiben Schmidts an Strathmann vom 1.4.1937, Original im Bestand Personen XXVII (Strathmann) Nr. 4, LKA Nürnberg.

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Felix Mendelssohn-Bartholdy gehörte als Jude zu den im Nationalsozialismus verfemten Kunstlern. Seine Musik jedoch gehörte bis 1933 zum festen Bestandteil des deutschen Kulturgutes, so daß von den in dieser Frage überaus nervös reagierenden Nationalsozialisten allein eine Notiz über die Entfernung des Mendelssohn-Denkmals von diesen als indirekte Kritik an der NS-Kulturpolitik verstanden wurde.

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Strathmann an Klotz vom 15.5.37, Kopie im Bestand Personen XXVII (Strathmann) Nr. 4, LKA Nürnberg.

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A m 25. Mai sprach die GeStaPo die Aufhebung des Verbotes der Theologischen Blätter aus, allerdings nur unter einer zweifachen Auflage. Z u m einen dürfe sich die Zeitschrift »künftig nur rein wissenschaftliche[n] Aufgaben ohne jeden politischen Einschlag... widmen«, zum anderen muß »eine völlige Trennung Professor Strathmanns von Professor Schmidt gewährleistet« sein. 68 ' Schmidt war von dieser offiziellen Entscheidung der GeStaPo, von der ihm Strathmann Ende Mai Mitteilung machte, keinesfalls überrascht; er hatte diese Entwicklung spätestens seit Mitte März erwartet. A m 11. Juni 1937 schrieb Schmidt an Strathmann: »Nolens volens muß ich jetzt die erste Nummer der Neuen Folge der ThBl abwarten. Man kann ja einigermaßen gespannt sein, in welcher Weise da die Vergangenheit figuriert, ob da etwa mein Name als des Gründers der ThBl auftauchen sollte. NB! In dieser Weise ist auf dem Kopf der »Christlichen Welt« nach wie vor der Name Martin Rades zu lesen, der genau wie ich unter dem lieben § 4 des Gesetzes zur Wiederherstellung usw. endassen worden ist. Nun, ich bin a priori sicher, daß Sie mit mir nichts Entsprechendes vorhaben. Ich müßte zudem vorher befragt werden und würde mich mit dem Modus ä la Rade nicht einverstanden erklären können. Daß die Reichsschrifttumskammer meine Ausbootung mit dem Verbot der ThBl nicht zusammengebracht hat — Sie kommen immer wieder darauf zurück' - , ist mir bekannt. Tatsächlich läßt sich aktenmäßig ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den beiden Akten nicht nachweisen.686 Um so mehr aber werde ich Ihre Frage an das A A aufnehmen müssen, wie es gekommen ist, daß auf einmal ich allein ausgebootet worden bin, nachdem >man< vorher nachweislich keinen Anstoß daran genommen hat, daß ich als Mitglied der SPD im Jahre 1933 endassen worden bin. Tatsache ist jedenfalls, daß durch Ihre AWL-Art ein casus aufgerührt worden ist, der dann das vorliegende Ergebnis gezeitigt hat, ein Ergebnis, mit dem Sie sich so merkwürdig schnell abgefunden haben, obwohl Sie vorher immer geradezu pathetisch versichert hatten, Sie ließen sich auf meine Ausbootung nicht ein. Ihre jetzige Methode ist die, daß Sie durch beharrliches Nichteingehen auf meine Gegengründe... mich zu so etwas wie einem - Querulanten stempeln. Ich habe dazu Ihnen nur dies zu sagen: da ich kein Querulant bin, nehme ich in aller Ruhe das Odium des Querulanten auf mich. So oder so wird auch mal diese Rechnung beglichen werden. Halten Sie, bitte, dies nicht fur eine Pression, zu der mir übrigens ja alle Mittel fehlen, sondern fur den Hinweis auf Tatsachen, die ohne mein Zutun einmal sichtbar werden!«687 685

686

687

Brief der GeStaPo, Staatspolizeistelle Leipzig an den Hinrichs'schen Verlag vom 25.5.37, Kopie im Kopie im Bestand Personen XXVII (Strathmann) Nr. 5, LKA Nürnberg. Zumindest fur Schmidt von Basel aus nicht, dem eine Akteneinsicht in Deutschland nicht möglich war. Schreiben Schmidts an Strathmann vom 11.6.37, abgedruckt bei Kantzenbach, ThBl (s. Anm.635) 94f.; erweitert durch das Originalschreiben im Bestand Personen XXVII (Strathmann) Nr.5, LKA Nürnberg.

9·3· Der Verlust der Theologischen Blätter

197

Am 13. Juni kündigte der Erlanger Neutestamentier an, daß er den Kontakt mit Schmidt abbrechen werde, es hätte schließlich keinen »Zweck, dieses Gespräch fortzusetzen, da Sie sich die größte Mühe geben, mich nicht zu verstehen und mein Verhalten in zweifelhaftes Licht zu setzen.«688 Auf diese Ankündigung reagierte Schmidt mit bitteren Vorwürfen. Die Theologischen Blätter seien ihm, nicht zuletzt auch von Strathmann, »nicht nur offen geraubt, sondern auch heimlich gestohlen worden«; Strathmann sei der »Sündenbock«, der Schmidt nun auch noch fur »Freiwild«, »das man ins Blaue hinein verdächtigen kann«, halten würde.689 Am 18. Juni brach Strathmann den Schriftwechsel mit Schmidt ab; lediglich zwei Briefe Schmidts wurden nach dem 18. Juni noch von ihm beantwortet. Ende Juli waren fur Strathmann die Auseinandersetzungen um Schmidt und »seine« Theologischen Blätter endgültig abgeschlossen, am 27. Juli teilte er dem Verleger Klotz mit: »Schmidt habe ich vor langen Wochen6'0 gebeten, doch die Korrespondenz völlig abzubrechen, da er doch nicht einsehen will, dass alles nicht anders gemacht werden konnte. Daraufhin erhielt ich 4 Briefe und 2 Karten. ... Von jenen Briefen habe ich zwei noch nicht geöffnet. Dagegen allerdings die beiden letzten. Darin schreibt er vom Erstehlen und Erschleichen der Th Blätter und so weiter. Ausserdem bedrängt er die neuen Mitarbeiter, weil sie ihn nicht vorher gefragt hätten.69' ... Trillhaas sagte mir nur: Er ist eben doch ein Prolet.691 Ich kann dieser Charakterprobe der Berliner Beurteilung Schmidts leider nur völlig zustimmen. Ich bedauere heute, den Stimmen guter Freunde nicht Gehör geschenkt zu haben, die mich 1935 vor Schm.s Charakter warnten. Ich hätte bei meiner ursprünglichen Ablehnung des Ansinnens bleiben sollen oder sofort das völlige Verschwinden Schmidts verlangen - was aber nicht möglich war, da ich in keiner Weise eingearbeitet war.«693 Im Januar 1938 erschienen die Theologischen Blätter erneut; im 17. Jahrgang und mit Hermann Strathmann als Herausgeber, hierin von G. Bornkamm, v.

6U

Strathmann an Schmidt vom 13.6.1937, Kopie im Bestand Personen XXVII (Strathmann) Nr. 5, LKA Nürnberg.

689

Schmidt an Strathmann vom 14.6.37, Original im Bestand Personen XXVII (Strathmann) Nr. 5, LKA Nürnberg.

690

Konkret am 18. Juni 1937.

691

Strathmann gelang es in der zweiten Jahreshälfte 1937 Günther Bornkamm, Hans v. Campenhausen, Gerhard v. Rad, Hans Thielicke sowie Wolfgang Trillhaas als Mitherausgeber unter seiner Herausgeberschaft zu gewinnen.

691

Wolfgang Trillhaas hatte diese Ereignisse »nur noch in dunkler Erinnerung« und teilte dem Verf. mit: »Wenn ich es richtig behalten habe, so nahm K.L. Schmidt es Strathmann übel, daß er überhaupt dieses Erbe übernahm. Mehr kann und will ich jetzt dazu nicht sagen« (Schreiben von Wolfgang Trillhaas vom 5.5.1992).

6,3

Strathmann an Klotz vom 25.7.37, Kopie im Bestand Personen XXVII (Strathmann) Nr. 5, LKA Nürnberg.

198

9· Die Basler Jahre 1935-1956

Campenhausen, v. Rad, Thielicke sowie Trillhaas als Mitherausgeber unterstützt. Schmidt blieb unerwähnt, sein Name wurde kommentarlos übergan-

9.4. Die Schweizer Jahre bis 1944 Schmidt machte erneut, nun zum wiederholten Male, die bittere Erfährung mangelnder Solidarität. Nach den Bonner Ereignissen nun dies: Schon wieder wurde er von Menschen, denen er vertraute - in diesem Fall Strathmann - , tief enttäuscht. Es waren nicht die formalen Anlässe - Zwangsentlassung, Emigration, Verlust seiner Theologischen Blätter, wenig später der Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft - , die Schmidt zu schaffen machten; ihn, der stets Sachkritik von persönlichen Angriffen genau zu trennen wußte, belasteten vielmehr die hinter diesen äußeren Anlässen stehenden persönlichen Angriffe, verbunden mit dem Verlust menschlicher Bindungen - das Jahr 1937 markiert einen tiefen Einschnitt im Leben Schmidts; nichts war nach diesem Ereignis mehr so, wie es früher war. Schmidt reagierte nach dem Verlust der Theologischen Blätter in einer fur ihn untypischen Art und Weise: mit Sprachlosigkeit. Sein intensiver Briefwechsel brach abrupt ab, in den wenigen Briefen, die er in den Jahren bis 1944 schrieb, mischte sich ein vorher nie wahrgenommener Ton von Verbitterung. Schmidt resignierte wegen der Vergeblichkeit seines Tuns. Ende der dreißiger Jahre kam für Karl Ludwig Schmidt eine weitere Belastung hinzu; Schmidt wurde sterbenskrank. Die Arne diagnostizierten eine schwere Krebserkrankung des Magens, eine Fehldiagnose, wie sich nach zwei Operationen glücklicherweise herausstellte. Außerdem plagten ihn starke Kopfschmerzen als Folgeerscheinung seiner Verletzung aus dem Rußlandfeldzug von 1915.695 Uber mehrere Jahre hinweg, bis 1943, verbrachte er unter starken Schmerzen; die Sommermonate mit Kuraufenthalten - mehrere Krankenhausaufenthalte, der kritischste im Frühjahr 1941, wechselten sich mit diesen Kuraufenthalten ab. Seine Verpflichtungen an der Basler Fakultät konnte er nur unter großen Schmerzen und Aufbringung äußerster Disziplin durchführen. An größere

694

Zum weiteren Gang der ThBl bis zu ihrer endgültigen Einstellung im Jahre 1942 vgl. Kantzenbach, ThBl (s. Anm.635) 95-104.

695

Gesprächsnotiz M.A. Schmidt vom 20.2.1993. Das »Ärztliche Zeugnis« attestierte Schmidt 1946 die Heilung des »schweren Magenleidens«, bescheinigte ihm aber auch weiterhin »eine gewisse Empfindlichkeit gegenüber äußeren Schadenseinflüssen,... da sich das Leiden auf einem allgemeinen konstitutionellen nervösen Boden entwickelt hat« (Attest des behandelnden Arztes Dr. Henschen vom 6.12.1946, Kopie im N L K.L.S., Frenkendorf).

9·4· Die Schweizer Jahre bis 1944

199

Publikationen war ebenfalls nicht zu denken. Mit zwei Ausnahmen: Anfang 1942 stellte Schmidt seine Studie über den Galaterbrief^'6 fertig, 1943 erschien seine Arbeit über die Judenfrage in Rom 9-n 697 , die Schmidt aber nur unter dem Einfluß starker Medikamente beenden konnte. 6 ' 8 Als Folge seiner Erkrankung war Schmidt über Jahre hinweg gezwungen, schwere schmerzstillende Morphiate einzunehmen, um die Kopf- und Magenschmerzen wenigstens für einige wenige Augenblicke verdrängen zu können. Das Resultat dieses Mißbrauchs: Eine Medikamentenabhängigkeit, von der sich Schmidt erst in einer langen und belastenden Entziehungskur im Jahr 1943 befreite. 6 " Schmidts Arbeit »Die Judenfrage im Lichte der Kapitel 9-n des Römerbriefes« steht ganz im Schatten dieser Abhängigkeit. Ursprünglich als Vortrag konzipiert, den Schmidt im November 1942 anläßlich der fünften Wipkinger Tagung des Schweizerischen Hilfewerkes für die Bekennende Kirche in Deutschland gehalten hatte, wurde dieser Vortrag »im Vollrausch«700 von Schmidt zu einer umfangreicheren Studie ergänzt und erweitert. Martin Anton Schmidt gegenüber äußerte Karl Barth nach der Lektüre dieser Studie, daß man diesem Buch die Medikamentenabhängigkeit seines Vaters deutlich anmerken könne, so schlecht sei es. Trotzdem erschien 1946 diese Arbeit, diesmal in einer Zweiten Auflage, erneut in den von Barth herausgegebenen »Theologischen Studien«; ein Vorgang, der Schmidt wiederum verärgerte - von dieser ganz unter dem Eindruck seiner schweren Abhängigkeit verfaßten Studie hatte sich Schmidt innerlich gelöst. 70 ' Dennoch verdient diese Arbeit Beachtung. Sie steht zunächst ganz in der inhaltlichen Linie seines Gespräches mit Martin Buber vom 14.1.1933 702 und nimmt die Themen dieses Gespräches auf: die »Verstockung« des Judentums 703 , die Frage nach dem jüdischen Selbstverständnis, das Problem seiner Zerstreuung und Diaspora sowie die Frage nach dem Verhältnis von »Kirche und Juden-

696

Ein G a n g durch den Galaterbrief. Leben, Lehre, Leitung in der Heiligen Schrift, T h S t 11/12,1942.

697

Vgl. Anm.21; Zitate aus der 2. Auflage.

498

Gesprächsnotiz Μ Λ . Schmidt vom 20.2.1993.

699

Bis 1943 war ein Leben ohne Tabletten fur ihn nicht denkbar; es finden sich in seinen Briefen zahlreiche Hinweise darauf; ähnlich auch Hans Bietenhard in seinem Schreiben vom 8.10.1993 311 den Verf.

700

So Schmidts im Familienkreis geäußerte Selbsteinschätzung (Gesprächsnotiz M.A. Schmidt vom 20.2.1993).

701

Ebd.

701

ThBl 12,1933, 257-274. Vgl. auch Smid, Judentum (s. Anm.469) 403-405; Stegemann, Zwiegespräch (s. Anm.471) 131-149.

705

Vgl. auch die Studie Schmidts: Die Verstockung des Menschen durch Gott. Eine lexikologische u n d biblisch-theologische Studie, T h Z 1, 1945,1-17.

200

9· Die Basler Jahre 1935-1956

tum«. Doch 1942 stellte sich fur Schmidt die »Judenfrage« angesichts der Diskriminierung und Verfolgung der europäischen Juden in aller Schärfe neu: »Die Gottesfrage, die Zukunftsfrage, die - Judenfrage sind die eine selbe Frage«, so Schmidt. 704 In klarer lexikographischer Methode analysiert Schmidt zunächst die unmittelbar mit der Judenfrage von Paulus gegebenen Stichworte »Jude«, »Israelite und »Hebräer«. Der Begriff »Jude« und, im weiteren Kontext dazu, der Begriff »Judentum«, wird von Schmidt als »Rassenbezeichnung« abgelehnt. Der Begriff zielt »vielmehr auf ein Verhalten ab, dem auch der Grieche, Heide, Christ verfallen kann, so daß also ein Nichtjude zum »Juden« wird, aus dem »Christentum« ein »Judentum« wird.«705 Kann der Begriff »Jude« für Schmidt nach dem Christusgeschehen Heiden- wie Judenchristen sowie demjenigen, der Jude bleibt, zugesprochen werden, so läßt sich der Würdentitel »Israel« ebenfalls nicht beschränken. »Israel« bezeichnet die »geistlich-götdiche Erwählung eines Volkes« jenseits »leiblich-rassischer« oder geistig-geschichtlicher Eigenschaften« 70i , ist also ein gemeinsamer jüdisch-christlicher Würdetitel. Durch diese Sichtweise wird es Schmidt möglich, dem Judentum sein Selbstverständnis, »Israel«, also gerufenes Volk Gottes zu sein, zu belassen und nicht aus christlicher Perspektive heraus abzusprechen: »Noch einmal ist zu unterstreichen, daß diese Sicht... nicht nur den Judenchristen gilt, sondern auch weiterhin demjenigen, der Jude bleibt, d.h. sich nicht dem wahren, geistlichen Israel einreihen läßt, sondern im fleischlichen und damit fälschen Israel verharrt.«707 Der Begrif »Hebräer« als Ausdruck der »fleischlichen Abstammung« des jüdischen Volkes ist fur Schmidt von untergeordneter Bedeutung. Das Ergebnis seiner Analyse: »Auch bei aller Verrechnung der rassischen Merkmale des Jüdischen werden wir darauf gestoßen, daß die jüdische Besonderheit entscheidend mit etwas Anderem gegeben ist.«708 Schmidt bewegt sich hier ganz im Rahmen seiner Stuttgarter Ausführungen von 1933. »Das Judentum als Israel hat bei allem bluthaften Zusammenhang ... seine Existenz nicht vom Blut her, sondern vom Rufe Gottes her.« 7 ° 9 1933 wie auch 1942 wendet sich Schmidt bewußt gegen jegliche Uberbetonung einer völkischen oder staatlichen Fragestellung, erhebt jedoch aus dieser Grundhaltung heraus Protest an der zionistischen Bewegung, die er mit einer »betont gesundnationalen Frömmigkeit wie die Deutschgläubigkeit und das sogenannte Deut-

704 705 706

Schmidt, Judenfrage (s. Anm.21) 37. A.a.O. 7-8:8. A.a.O. 12.

707

Ebd.

708

A.a.O. 17. Schmidt, Zwiegespräch (s. Anm.471) 263.

709

9·4· Die Schweizer Jahre bis 1944

201

sehe Christentum« zusammensieht.7'0 Entscheidend ist aber dies: Schmidt bleibt zwar von der Sicht des Judentums als dem Israel des alten Bundes, dem die Perspektive einer Kirche als dem wahren Israel des neuen Bundes entspricht, befangen, hebt jedoch in seiner Exegese von Rom 9-11 deudich die bleibende Erwählung Israels hervor. 7 " Bemerkenswert ist, daß er das Judentum konsequent als »Israel« auffaßt, ein »Israel« jedoch, das in dem Zustand der Verstockung lebt, bis es am Ende der Tage von Gott in die Vollendung geführt wird. Schmidt denkt an diesem Punkt weiter, als es vielen seiner neutestamendichen Kollegen möglich war: Die Verherrlichung bezieht nicht nur das »Israel nach dem Geist«, also die aus Heiden- und Judenchristen bestehende Kirche, sondern auch das »Israel nach dem Fleisch«, also das in der »Verstockung« lebende Judentum, mit ein. 7 ' 1 Schmidt bleibt auch weiterhin bei seiner Grundposition zur Judenmission 713 , doch geht er an einem entscheidenden Punkt weit über das Stuttgarter Gespräch hinaus. Hielt er schon 1933 von der den Juden wie der Kirche gemeinsamen »Israel-Ebene« ausgehend fest, daß Kirche und Judentum zusammengehören, daß aufgrund dieser gemeinsamen Ebene eine Kirche, die nichts von »Israel« weiß und wissen will, eine »leere Hülse« ist7'4, so richtet Schmidt 1942 angesichts der Verfolgung der europäischen Juden einen dringlichen Appell an die christliche Kirche. Diese Verfolgung »der Juden und Judenchristen durch Antisemiten, die im Grunde nur Antijuden sind«7'5 zu tolerieren bedeute, die »Dauerbedeutung des Judentums«, seine »göttliche Auszeichnung« und somit Gottes eigenen Ratschluß selbst zu mißachten.7'6 Die Verfolgung der Juden ist 710

Schmidt, Judenfrage (s. Anm.21) 42.

711

A.a.O. 27-49. Einen Überblick zur Literatur über R o m 9-11 geben die einschlägigen Kommentare; vgl. auch Hübner, H., Gottes Ich u n d Israel, Z u m Schriftgebrauch des Paulus in R o m 9-11, F R L A N T 136, 1984; ders., Paulusforschung seit 1945. Ein kritischer Literaturbericht, A N R W 25.4,1987, 2649-2840; Klappert, B., Traktat für Israel (Rom 9-11), in: Jüdische Existenz u n d die Erneuerung der christlichen Theologie, hg. v. M . Stöhr, A C J D 11,1982, 58-137; v.d.Osten-Sacken, P., Grundzüge einer Theologie im chrisdich-jüdischen Gespräch, A C J D 12, 1982; Sänger, D., Rettung der Heiden u n d Erwählung Israels, K u D 32,1986, 99-119.

711

Schmidt, Judenfrage (s. Anm.21) 38. Vgl. auch Mußner, F., »Ganz Israel wird gerettet werden« (Rom 11,26). Versuch einer Auslegung, Kairos 29, 1987, 1-22; Barth, M., Theologie - ein Gebet, T h Z 41,1985, 330-348; Baumbach, G., Schriftbenutzung u n d Schriftauswahl im Rheinischen Synodalbeschluß, EvTh 48,1988, 419-431.

715

Schmidt, Judenfrage (s. Anm.21) 34.

714

Schmidt, Zwiegespräch (s. Anm.471) 264.

7.5

A.a.O. 49.

7.6

A.a.O. 48f. Vgl. auch die Stellungnahme zum Proponendum zur Änderung des G r u n d artikels der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche im Rheinland der Bonner Ev.Theol.Fakultät vom 7.12.1995, Rheinisches Pfarrerblatt 1, 1996, 4-5; Kirche u n d Israel. Z u r Erneuerung des Verhältnisses von Christen u n d Juden, Handreichung Nr. 45 der EKiR, Düsseldorf 1993.

202

9· Die Basler Jahre 1935-1956

fur Schmidt letztlich ein Aufruf an die Kirche, das »grelle fälsche Licht [der Judenverfolgung, A . M . ] mitsamt seiner unbiblischen, unchrisdichen, unkirchlichen Lichtquelle zu beseitigen«.717 Ein eindringlicher Aufruf. Schmidt war nicht nur im Begriff, sich von einer jahrhundertelangen antijüdischen Auslegungstradition zu befreien, sondern er gehörte auch zu den Ersten, die die Verfolgung der Juden, und eben nicht allein der Judenchristen, als unbiblisch, unchristlich und unkirchlich anprangerten: Die ab 1933 sich abzeichnende Verfolgung der Juden sei eine Mißachtung göttlichen Erwählungshandelns. Er blieb sich auch in seiner schweren Krankheit treu — in einer Situation, in der viele Theologen befangen schwiegen, erhob sich sein Protest. Trotz der Hellsichtigkeit, die er 1942 in der Israelfrage bewiesen hatte: Schmidt war ein kranker, zudem resignierender Mann, dessen Urteil mit den Jahren schärfer im T o n - und häufig auch ungerecht wurde. In seiner Verletztheit zog er sich von der kirchenpolitischen Bühne zurück, nicht ohne sein starkes Interesse daran zu verlieren. Die Entwicklungen kirchlicher und politischer Natur in Deutschland verfolgte er mißtrauisch 7 ' 8 ; er sah dort überall Verrat und Niedertracht am Werke. Ein Opfer der Fehleinschätzung Schmidts wurde auch Dietrich Bonhoeffer, der sich im Mai 1942 im Auftrag der Deutschen Abwehr in der Schweiz befand. 7 ' 9 Bonhoeffer befürchtete wegen seiner Abwehrtätigkeit ein starkes Ressentiment Barths ihm gegenüber, was unbegründet war, wie Charlotte v. Kirschbaum Bonhoeffer versicherte. Sie ließ Bonhoeffer wissen: »Schwieriger liegt die Sache bei Karl Ludwig Schmidt, der sich merkwürdig stark fur Ihr Kommen interessiert und es mit einem wohl nur durch seine schwere Verletztheit seitens des Dritten Reiches (Ausbürgerung) begleitet. Dieser Argwohn gilt genau so wie Ihnen auch den Reichsdeutschen in G e n f Dr. Schönfeld und Freudenberg. Alles Zureden hat bis jetzt nichts daran zu ändern vermocht, daß er - leider nicht nur im stillen Kämmerlein - sehr schwerwiegende Vorwürfe erhebt und im besten Falle Ihnen >Mißbrauchtwerden< vorwirft. Wir haben das bisher nicht ausgebreitet, weil wir es wirklich als einen >Krankheitsfall< betrachteten. Vielleicht können Sie mit einem Besuch [bei Schmidt, A.M.] dort draußen - er trägt schwer daran, daß Sie ihn das letzte Mal übergangen« haben!! - die Sache in Ordnung bringen. Sicher ist das nicht, der Fall liegt sehr kompliziert«. 720

7.7

A.a.O. 49.

7.8

Schreiben an Karl Barth vom 19.8.1941, Original im KBA, Basel.

719

Vgl. zu diesem Schweizer Aufenthalt Bonhoeffers Bethge, Bonhoeffer (s. Anm.617) 848-850.

710

Brief vom 17.5.194z, abgedruckt bei Dietrich Bonhoeffer, Schweizer Korrespondenz 1941/42, hg. v. E. Bethge, ThExh 214,1982,17.

9·4· Die Schweizer Jahre bis 1944

203

»Der Fall liegt sehr kompliziert« - diese Aussage Charlotte v. Kirschbaums charakterisiert das Verhältnis zwischen Schmidt und Bonhoeffer. Zur Zeit von Bonhoeffers Schweizer Reisen, die er im Auftrag der deutschen Abwehr durchführte, erschien er Schmidt äußerst verdächtig; ein deutscher Theologe, der einen Paß und Devisen besaß und dessen - so jedenfalls Schmidts Meinung exegetische Simplizismen die Stoßkraft der Bekennenden Kirche entscheidend schwächten, konnte nur ein von der NS-Regierung abgestellter Agent sein. 711 Zugleich war das persönliche Interesse Schmidts an Bonhoeffer, der Schmidt noch 1936 Vorbildfunktion für die Bekennenden Kirche attestiert hatte und diese Auffassung auch in den vierziger Jahren vertrat, noch immer so stark, daß den todkranken Schmidt dessen fehlende Beachtung zutiefst kränkte. Bonhoeffer verteidigte sich am 20.10.1942 gegenüber Charlotte v. Kirschbaum: »K.L. Schmidt tut mir sehr leid. Ich besuchte ihn das erste Mal nicht [Frühjahr 1941, A.M.], weil er todkrank im Hospital lag, das zweite Mal [Herbst 1941, A.M.] war ich nur vier Stunden in Basel, und ich habe ja keine speziellen Beziehungen zu ihm von früher«. 712 Schmidts Beziehung zu Bonhoeffer wirft ein Schlaglicht auf sein Befinden in diesen Jahren: medikamentabhängig, selten schmerzfrei, reizbar und mißtrauisch. Zermürbend wirkten auch die langen krankheitsbedingten Kuraufenthalte; aber nicht nur seine Krankheit, sondern auch die von ihm so empfundene apolitische Haltung weiter Teile der schweizerischen Gesellschaft, die ihm als Emigranten mit Vorbehalt begegnete, deprimierten ihn. Zugleich erlebte er Überraschungen mit den Neigungen einiger Schweizer zum Nationalsozialismus. In langen Schilderungen an Karl Barth 71 ' gab er seine Eindrücke dieser Kuraufenthalte wieder. Nur ein Beispiel: »Deiner Mahnung« so teilte er am 19. August 1941 im Rückblick auf einen eben absolvierten Kuraufenthalt mit, »im Blick auf meinen somatischen Zustand mit den Zeitgenossen, insbesondere mit meinen Hotelgenossen nicht zu viele Gespräche zu führen, habe ich in den vergangenen Wochen nach Kräften nachgelebt.... Offenbar wollten sich die Feriengäste auch einmal von der leidigen Politik erholen; und es liegt wohl im Wesen des rechten Bürgers überhaupt und im Wesen des Schweizer Bürgers in der Jetztzeit im

7

"

Gesprächsnotiz E. Bethge vom 22.7.1993.

711

Bonhoeffer, Schweizer Korrespondenz (s. Anm.720) i8f.

713

Das durch das Handeln Karl Barths im Jahre 1933 in den ersten Basler Jahren gestörte Verhältnis normalisierte sich Ende der dreißiger Jahrer so weit, daß beide Theologen sogar ihre freundschaftliche Beziehung wieder aufnahmen. Barth wurde in den von Krankheit bestimmten Jahren fiir Schmidt zum wichtigsten Ansprechpartner; die inhaltreichsten und ausführlichsten Briefe jener Jahre sind an Barth adressiert.

204

9· Die Basler Jahre 1935-1956 besonderen, den Kopf immer tiefer in den Sand zu stecken. Eine Ausnahme gab es nur am 1. August: nach einem erhöht guten Abendessen zog man auf eine Matte und hörte dort die Kundgebung des Bundesrates via Radio-Lautsprecher und einige rätoromanische Lieder aus den Mündern des Oberfäzer Gesangsvereins. Die Meisten blieben dann in der nicht verdunkelten Freinacht länger als sonst auf. Ich saß auf einmal mitten darunter... und wurde von einigen wackeren Zürichbietern, denen der Wein die Zunge gelöst hatte, darüber belehrt, daß sich die Schweiz vor Ueberfremdung schützen müsse, was sich weniger auf Leute wie mich als auf die Juden beziehe, die man auf keinen Fall im Lande Helvetia haben wollte. ... Mir persönlich ist in diesem Jahre zum ersten Male verdeudicht worden, wie problematisch es für unsereinen heute ist, in einem Kreis von Nicht-Bekannten nicht Mundart, sondern Schriftdeutsch zu sprechen. Immer wieder stieß ich auf Leute, denen das unvermutete Anhören des Schriftdeutschen offenkundig unsympatisch ist. Nun, bei dem Druck des Dritten Reiches auf die Schweiz ist das durchaus verständlich. Einige Male stieß ich aber auch auf Schweizer, die mir als einem normalen Deutschen ihr prodeutsches, ja prohitlerisches, jedenfalls antienglisches Herz ausschütteten.« Der Brief schließt mit einigen persönlichen Bemerkungen: »Gesundheidich fühle ich mich entschieden besser, wenn ich auch ... ohne die schmerzstillenden Treupel-Tabletten immer noch nicht auskomme.« 714

Tristesse ringsum. Es brauchte lange, bis seine Krankheit zurückgedrängt und ein neues Betätigungsfeld gefunden wurde. Erst Mitte 1944 hatte Schmidt seinen Lebensmut soweit zurückgewonnen, daß er sich neuen Aufgaben zuwenden konnte. Trotzdem: Seine Briefe behielten ihren bitteren Unterton. Kein W o r t des Bedauerns, kein W o r t der Entschuldigung erreichte ihn bis zum Ende des Krieges - auch über 1945 hinaus nicht, von einigen ungeschickten Versuchen seitens Ernst Fuchs abgesehen. 725 Schmidt wollte — und konnte nach 1945 wohl auch nicht mehr - die ihm zugefugten Verletzungen verzeihen.

724 725

Schreiben an Karl Barth vom 19.8.1941, Original im KBA, Basel. Beispielsweise wendet sich Fuchs am 19.12.1945 mit der Aufforderung an Schmidt, er solle nach Bonn zurückkehren. »Die Bonner Fakultät hat noch keinen besseren Dekan gehabt als Sie. ... Bitte, gehen Sie hin und sehen Sie nach dem Rechten!... Das ist also mein Neujahrswunsch fur Sie, daß Sie uns in alter Frische und Kraft helfen und mir nicht mehr grollen möchten. Ich denke, es hat sich genug Anlaß herausgestellt, daß nicht nur Sie, sondern auch ich vergnügt zusammenkommen können« (Kopie im N L Fuchs, Pfullingen). Schmidt ging auf die Entschuldigungsversuche von Fuchs nicht ein.

9·5· Sorge um die zukünftige Gestalt Deutschlands

205

9.5. Sorge um die zukünftige Gestalt Deutschlands Schmidt verfolgte selbst in den Jahren seiner Krankheit die allgemein- und kirchenpolitische Situation im nationalsozialistischen Deutschen Reich sehr genau; als deutscher Emigrant erhoffte er sich ein schnelles Ende der NS-Herrschaft und die baldige Rückkehr nach Deutschland. Die Situation der deutschen Emigranten bot diesen in den Jahren 1933-1943 keine Möglichkeit zu einem politischen Zusammenschluß, zaghafte Versuche einer politischen Organisation der in der Schweiz lebenden Flüchdinge scheiterten schon im Planungsstadium. Erst mit der Vernichtung der deutschen 6. Armee in Stalingrad, die von vielen Emigranten als Wendepunkt des Krieges empfunden wurde, setzte ein erfolgreicher Organisationsprozess der deutschen Emigranten in der Schweiz ein. So konstituierte sich auch im April 1944 unter der Leitung des ehemaligen Marburger Wirtschaftswissenschaftlers Wilhelm Röpke ein kleiner überkonfessioneller »Aufbau-Ausschuss der Christlichen Bekenntnisse Deutschlands«, der im Auftrag der Berner U.S.-Botschaft den Amerikanern insbesondere auf dem Bereich der Bildungspolitik Vorschläge zur politischen Gestaltung Deutschlands nach dem Kriegsende vorzulegen hatte. Karl Ludwig Schmidt war von Wilhelm Röpke mit Billigung der Amerikaner dazu ausersehen worden, in diesem Ausschuß die Protestanten zu vertreten, und nahm aus einem starken Verantwortungsgefühl für Deutschland die Ernennung an. Die konstituierende Sitzung fand am 30.4.1944 in Bern statt; der Ausschuß beschloß sogleich ein Memorandum zur Erziehungsfrage in Deutschland nach Ende des Krieges. Außerdem sollte der deutsche Journalist Franz Albert Kramer 726 , der über ausgezeichnete Kenntnisse der politischen Situation in Deutschland verfugte, eine »Aufklärungsschrift« über die Verbrechen des NS-Regimes verfassen, die dann, von den Amerikanern finanziert, in hoher Stückzahl727 in Deutschland verteilt werden sollte. So der Beschluß vom 30. April 1944. 728 Ende September lag der Entwurf dem Ausschuß noch immer nicht vor. Als Schmidt erfuhr, daß Kramer seine »Aufklärungsschrift« im Namen des Ausschusses an die amerikanische Botschaft weitergeleitet hatte, ohne daß dieser von Kramers Entwurf Kenntnis nehmen konnte, stellte Schmidt zornig seine Mitarbeit im »AufbauAusschuss der Christlichen Bekenntnisse Deutschlands« ein. 729

716

727 ?2t 719

Kramer war 1944 im Auftrag des »Deutschen Nachrichten Bundes« D N B Auslandskorrespondent in der Schweiz, seine Mitwirkung in diesem Ausschuß mußte daher geheim gehalten werden. Man veranschlagte rund 30.000 Exemplare. Kopie im N L K.L.S., Frenkendorf. Die umfangreiche Korrespondenz mit den Ausschußmitgliedern befindet sich im N L K.L.S., Frenkendorf.

20 6

9· Die Basler Jahre 1935-1956

Mit dieser nach außen hin wirkungslosen Arbeit zeigte der gesundheitlich einigermaßen erholte Schmidt erneut sein Interesse an der politischen Mitwirkung in Staat, Kirche und Gesellschaft — zum ersten Mal seit 1937. Schmidt schien die bösen Erfahrungen der lernen Jahre verarbeitet zu haben, er öffnete sich wieder kirchen- und allgemeinpolitischen Fragestellungen und war zur Übernahme politischer Pflichten bereit. 730 Ein Zeugnis dieses politischen Verantwortungsbewußtseins ist ein Memorandum Schmidts, das er im Auftrag der U.S.-Botschaft im September 1944, also kurz vor seinem Austritt aus dem »Aufbau-Ausschuß«, verfaßt hatte. Der Kontaktmann der Amerikaner zum »Aufbau-Ausschuss der Christlichen Bekenntnisse Deutschlands«, der amerikanische Botschaftsangehörige Gerald M . Mayer, bat Schmidt um eine Stellungnahme »über die Gestaltung der deutschen Universitäten nach dem Kriege«. Schmidt, als mehrfacher Dekan, ausgewiesener Kirchenpolitiker und angesehener Theologe war nach Ansicht der amerikanischen Botschaft ein kompetenter Ratgeber, dessen Vorschläge gehört werden mußten. A m 17. September 1944 legte Schmidt sein Memorandum der amerikanischen Botschaft vor. 731 Er zeigte hierin überraschende »konkrete Gedanken über ein Provisorium« 7 ' 1 auf. Trotz aller Bekenntnisse zur Sozialdemokratie hatte er zumindest im Bereich der Bildungspolitik die alten liberal-bürgerlichen Ziele nicht aufgegeben: föderalistische Bildungspolitik, Betonung des Vorbildcharakters von Universität und Dozenten, Freiheit der Wissenschaft und Forschung von jeglichen politischen und staadichen Vorgaben, Bildung des Einzelnen als »Waffe« gegen politisches »Chaos«, nicht zuletzt auch die Wiederherstellung des rechdichen und personellen Zustandes an den deutschen Universitäten vor 1933. Die Hochschulpolitik der Schweiz sei als Vorbild anzusehen. Die deutschen Professoren seien ferner sehr genau auf ihre politische 730

Der Umfang seiner von 1937 bis März 1944 sehr überschaubaren Korrespondenz explodierte von dem Zeitpunkt seines Eintrittes in den Ausschuß an förmlich; Schmidts Mitteilungsbedürfnis, das jahrelang einer für ihn ungewöhnlichen Verschlossenheit gewichen war, erreichte beinahe wieder alte Form. Die Quantität der Korrespondenz überrascht um so mehr, verzichtete Schmidt doch auf eine ausfuhrliche theologische Korrespondenz mit seinen Kollegen, so beispielsweise mit seinem engen Basler Freund Oscar Cullmann: »Da wir zusammen in Basel lebten und wir uns sozusagen täglich sahen und miteinander sprachen, gab es seit meiner Basler Zeit (1938, A.M.) nur wenig Gelegenheit zur schriftlichen Diskussion.... Als er Dekan war (1939/40 sowie 1945/46, A.M.), schickte er regelmäßig an Karl Barth und an mich >Doppelkopien< seiner sehr umfangreichen Korrespondenz, die aber wegen ihres sehr politischen Charakters kaum von theologischem Interesse war« (Schreiben Oscar Cullmanns an den Verf. vom 25.10.1992).

731

Schreiben von Schmidt an Gerald M. Mayer, Special Assistant to the Minister Legation of the United States of America, Bern, vom 17.9.1944, Kopie im NL K.L.S., Frenkendorf; als Anlage dazu befindet sich das o.g. Memorandum. Ebd.

731

9-5- Sorge um die zukünftige Gestalt Deutschlands

207

Haltung hin zu überprüfen, der Vorbildcharakter eines Professors vertrage sich nicht mit einer zweifelhaften politischen Vergangenheit. V o n alten bildungspolitischen Forderungen der Sozialdemokraten beispielsweise nach Aufhebung des Bildungsprivilegs der Besitzenden oder staatlicher Einflußnahme auf Forschung und Lehre an den Universitäten 733 war hier nicht die Rede; Schmidt zog sich vielmehr auf Positionen des liberalen Bürgertums zurück, die durch sein eigenes Emigrantenschicksal noch an Schärfe gewannen. »Das Wichtigste«, so Schmidt in diesem Memorandum, »ist hier eine Selbstverständlichkeit. die jedoch nach Lage der Dinge stark unterstrichen zu werden verdient. Es kommt jetzt alles darauf an, daß so schnell wie möglich bei der fortschreitenden Besetzung des reichsdeutschen Gebietes durch die Alliierten an den davon betroffenen Universitäten der Rechtszustand wiederhergestellt wird, wie er bis zu der sogenannten Machtübernahme durch Hider und sein nationalsozialistisches Rigime 1933 im Blick auf die Sache und die Personen bestanden hat.... Ferner ist zu bedenken, daß noch nicht alles Entscheidende getan ist, wenn die seit 1933 abgesetzten oder sonstwie abgedrängten Dozenten nunmehr aus aller Welt herangeholt und wiedereingesetzt werden. Sicherlich ist eine längere Ueberbrückungszeit nötig, in der das zunächst Menschenmögliche zu tun ist, ohne daß alle möglichen letzten Fragen im Augenblick beantwortbar sind. Es wird sich zu zeigen haben, ob in Deutschland selbst Personen vorhanden sind, die für den Wieder- und Neuaufbau der Universitäten herangezogen werden können und müssen. Ob Akademiker vor allem aus der jüngeren Generation dazu geeignet sind, weil sie sich sachlich und persönlich dem Hider-Rögime nicht gleichgeschaltet haben, wird erst die praktische Erfahrung ans Licht bringen. Es wäre mehr als gefährlich, allerlei Leute, über die man nicht genug Bescheid weiß, in Dauerstellungen zu bringen und dann zu erleben, daß diese Deutschen sich getarnt haben. Während eines befristeten Provisoriums muß die Haltung aller vorhandenen Dozenten abgeklärt werden. Eine ebenso scharf durchgreifende wie geduldig sorgsame Personalpolitik ist viel wichtiger, als manche Doktrinäre wissen, wenn sie dem Optimismus huldigen, mit einer neuen Verfassung sei das Wichtigste getan.... Im Sinne einer echten Universität liegt es, daß sie aus ihrer besonderen landschaftlichen Umgebung herauswächst. Deshalb waren die deutschen Universitäten bis 1933 Sache der einzelnen deutschen Länder, und innerhalb des größeren Staates Preußen waren sie mit dessen Provinzen verbunden. Wenn nach 1933 dieser Zustand durch die Schaffung eines zentralistischen sogenannten Reichserziehungsministeriums zerstört worden ist, so wird es jetzt um so deudicher werden müssen, wie

733

Zu den bildungspolitischen Zielen gibt das Görlitzer Programm der SPD von 1921 und das Heidelberger von 1925 Aufschluß; vgl. Miller, Potthoff, SPD (s. Anm.177) 337.343.

208

9. Die Basler Jahre 1935-1956 wesentlich auch im Universitätsleben ein föderalistischer Aufbau Deutschlands wiederum und noch mehr als früher sein wird.Gerade von hier aus dient eine echte Universität mit ihrer eigenen demokratischen Verfassung am ehesten den in ihre Wiege gelegten unpolitischen und übernationalen Aufgaben. Die Freiheit jeder einzelnen wissenschafdichen Disziplin mit der durch ihren Gegenstand gegebenen Eigengesetzlichkeit verträgt sich nicht mit der Bindung der Dozenten an ein vom Staate aufgezwungenes totalitäres System. ... Es liegt auf der Hand, daß im deutschen Sprach- und Kulturbereich nur noch die deutsche Schweiz mit ihren verhältnismäßig zahlreichen Universitäten, denen die Universitäten der welschen Schweiz verbunden sind, das darstellt, pflegt und fördert, was einmal in dem früheren vorkaiserlichen, kaiserlichen und republikanischen Deutschland den Ruhm seiner Universitäten ausgemacht hat. Die Schweiz hier zu nennen, hat zudem über die Nennung eines Vorbildes hinaus den praktischen Sinn, daß der Austausch zwischen den wieder recht einzurichtenden deutschen Universitäten und den bis jetzt intakt gebliebenen schweizerischen Nachbar-Universitäten wie in früheren Zeiten denkbar zu pflegen ist. Deutschen Studenten, die sich als demokratisch gesinnte und lebende Menschen wieder haben bewähren können, sollte möglichst bald der Zugang nicht nur zu den Universitäten in der Schweiz, sondern auch in der übrigen gesitteten Welt geöffnet werden. Zusammenfassend ist zu sagen, daß kein Vakuum entstehen darf, wenn nicht die aus dem Felde zurückkehrenden und bildungs- und wissenschaftshungrigen Studenten in eine für die Neuordnung innen- und außenpolitisch gefährliche Beschäftigungslosigkeit getrieben werden sollen. Diese Gefahr... aus der Welt zu schaffen, ist eine der dringlichsten Aufgaben eines jeden verantwortlichen Politikers. Das oben geschilderte bescheidene Provisorium. dessen getroffene Entscheidungen unter Umständen revidiert werden können, muß bei bewußtem Verzicht auf ein vorerst nicht durchführbares Definitivum sofort ins Auge gefaßt werden, damit nicht ein Vakuum die Vorstufe zu einem neuen Chaos wird.«

Der liberale Inhalt und moderate T o n dieses Memorandums überrascht um so mehr, da Schmidt wenige Wochen später zu einem aktiven Mitglied in der Bewegung »Freies Deutschland« wurde. 1943 in Zürich gegründet, wurde diese unter starkem kommunistischem Einfluß stehende Bewegung »Freies Deutschland« 734 neben dem ebenfalls 1943 gegründeten Komitee »Demokratisches 7,4

Analog zu weiteren Komiteegründungen kommunistischer Prägung in jenen Jahren wurde unter dem Gesichtspunkt der politischen Propaganda offiziell auf eine möglichst breite politische Basis Wert gelegt, ohne daß die Kommunisten bereit waren, politischen Einfluß abzugeben. So waren Ende 1944 in der provisorischen Landesleitung des »Freien Deutschlands« neben Charlotte v. Kirschbaum als Vertreterin der Bekennenden Kirche, zwei Sozialdemokraten und einem Demokraten auch sechs Kommunisten vertreten (vgl. Köbler, R., Schattenarbeit, Köln 1987, 55-58: 56).

9-5- Sorge um die zukünftige Gestalt Deutschlands

209

Deutschland« zu einer der wichtigsten Organisationen deutscher Emigranten in der Schweiz. Während sich das »Freie Deutschland« an einer Moskauer Politik stalinistischer Prägung orientierte735, war das »Demokratische Deutschland« politisch von der Weimarer Koalition geprägt; Liberale, Zentrumsleute und Sozialdemokraten fanden im »Demokratischen Deutschland« ihre politische Vertretung. 7 ' 6 »Freies Deutschland« und »Demokratisches Deutschland« unterhielten, von einer Phase der Entspannung kurz nach Kriegsende abgesehen737, keine besonders freundlichen Beziehungen zueinander738, erarbeiteten aber, von ihrem unterschiedlichen Standpunkt aus, zahlreiche Vorschläge zur Gestaltung des politischen Lebens in Deutschland nach der Zerschlagung des Nationalsozialismus. Nach dem Scheitern des »Ausschusses von Angehörigen der christlichen Bekenntnisse für die politische Neugestaltung Deutschlands« erschien der Name Schmidts neben dem von Karl Barth Ende 1944739 auf einer Mitgliederliste der »Gesellschaft der Freunde freier Kultur«. Diese Gesellschaft, die im Herbst 1944 in enger Zusammenarbeit mit dem »Freien Deutschland« gegründet wurde, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, »bedeutende Vertreter des kulturellen Lebens für die Bewegung nutzbar (zu machen), ohne gleichzeitig verpflichtet zu sein, sich in aller Öffentlichkeit mit ihr zu identifizieren.«740 Einige Monate später, im Mai 1945, finden wir ihn als Redner auf einer Basler Veranstaltung des »Freien Deutschland«741. Am 27. Mai 1945 wurde Schmidt, gemeinsam mit Charlotte von Kirschbaum und dem ehemaligen Staatssekretär im Preußischen Innenministerium, Wilhelm Abegg (SPD), sogar in den Landesausschuß dieser Bewegung gewählt. 742 Dem »Freien Deutschland« blieb Schmidt auch nach der freiwilligen Selbstauflösung dieser Bewegung am 16.12.1945 treu743, während für

735

Vgl. auch Bergmann, K.H., Die Bewegung >Freies Deutschland< in der Schweiz 19431945, München 1974. Das Programm des »Freien Deutschland« ist abgedruckt bei Köbler, Schattenarbeit (s. Anm.734) 77-79.

7.6

Im »Demokratischen Deutschland« waren Symphatisanten der die Weimarer Republik stützenden Kräfte organisiert; dem Komitee gehörten u.a. der ehemalige Reichskanzler Wirth (Zentrum) und der preuß. Ministerpräsident Braun (SPD) an. Auch Theologen wie Werner Georg Kümmel beteiligten sich an der Arbeit des »Demokratischen Deutschland«.

7.7

Bergmann, FD (s. Anm.735) i6of. Vgl. a.a.O. 119.

7

"

7

"

740 741 741 745

Vgl. auch Busch, Barth (s. Anm.168) 338. Bergmann, FD (s. Anm.735) 9&· A.a.O. 150. A.a.O. 156. S. auch Köbler, Schattenarbeit (s. Anm.734) $7. Das FD wurde mit 72 gegen 33 Stimmen aufgelöst; während sich Barth fur die Auflösung aussprach, kämpfte Schmidt gegen diesen Beschluß (Bergmann, FD [s. Anm.735] i6 9 f.).

2IO

9· Die Basicr Jahre 1935-1956

die Mehrheit der Delegierten nach der Zerschlagung des NS-Staates die politische Arbeit vor Ort in Deutschland dringlicher war. Schmidt setzte vielmehr seine Hoffnung auf die Minderheit der Delegierten, die sich der Auflösung des »Freien Deutschland« widersetzt hatten. Am 24. März 1946 trafen sich in Zürich »die letzten der Bewegung treu gebliebenen Anhänger«744, Schmidt unterschrieb dort einen Aufruf zugunsten einer »aktive(n) Wiederaufnahme der politischen, kulturellen und sozialen Arbeit nach der am 16.1z.1945 v o n einer Gruppe unternommenen, jedoch nicht rechtsgültig vollzogenen Auflösung« 745 des »Freien Deutschland«. Es war, so Karl Hans Bergmann, »das letzte Lebenszeichen der Bewegung F(reies) D(eutschland) in der Schweiz«746. Die Mitarbeit von Schmidt im kommunistisch orientierten »Freien Deutschland« ist und bleibt ein großes Rätsel. Es liegen keinerlei Äußerungen von ihm über die Gründe seines Eintritts und von den politischen Vorstellungen, die er dort zu realisieren hoffte, vor; keine Bemerkungen zu Motivation, Zielen und persönlichen Erfahrungen, die er im »Freien Deutschland« machte. 747 Warum Schmidt, der von seiner politischen Gesamthaltung doch so viel besser zum »Demokratischen Deutschland« paßte, sich nicht dieser Emigrantenvereinigung anschloß, bleibt eine offene Frage.748 Schmidt, der sich üblicherweise in seinen Briefen als äußerst mitteilungsfreudig erwies, schwieg sich über das »Freie Deutschland« völlig aus, selbst im Familienkreis, in dem sonst freimütig politisiert wurde, blieb seine Mitwirkung in dieser Bewegung weitgehend unbekannt. 749 Im März 1947 ist Schmidt im Basler Vorstand einer dem »Demokratischen Deutschland« nahestehenden »Gemeinschaft Deutscher Demokraten« wiederzufinden; 1948 erfolgte die Wiederwahl in dieses Gremium. 750

744

A.a.O. 170.

745

Ebd.

746

Ebd. Im Gegensatz zu Barth, vgl. Barth, K., Zwei Briefwechsel, abgedruckt in: Eine Schweizer Stimme 1933-1945, Zollikon-Zürich 1945, 382-413: 412.

747

748

Möglicherweise wird die enge freundschaftliche Beziehung zu Barth ein Grund fur diese Entscheidung gewesen sein, doch diese Vermutung ist nicht nachzuweisen.

749

Gesprächsnotiz M A Schmidt vom 15.8.1992. Lediglich seiner Schwester gegenüber räumte er Ende Dezember 1946 eine Mitarbeit im »Freien Deutschland« ein; Schreiben an Aenne Aßmus vom 21.12.1946, Kopie im N L K.L.S., Frenkendorf.

750

In den Briefen aus den Jahren 1947 und 1948 nennt Schmidt über die bloße Mitteilung seiner Vorstandsarbeit in der »Gemeinschaft Deutscher Demokraten« hinaus keine Gründe fur seine Mitarbeit in dieser Organisation. Die genauen Motive bleiben unklar.

9-6. Die Gründung der Theologischen Zeitschrift

211

9.6. Die Gründung der Theologischen Zeitschrift Das Jahr 1945 markiert den Ansatzpunkt der letzten Kraftanstrengung Schmidts: die Gründung der Theologischen Zeitschrift?^1 Seine schwere Erkrankung schien zu Beginn dieses Jahres endgültig gebannt zu sein, die Verbitterung über das ihm zugefügte Unrecht machte einem regen Aktivismus Platz, seine immense Arbeitskraft war offensichdich wieder völlig hergestellt.751 Beinahe nahdos schien Schmidt 1945 dort anzuknüpfen, wo er 1937 zwangsweise aufzuhören hatte. Die großen Pläne einer »Biblischen Theologie«, die Herausgabe einer einflußreichen theologischen Zeitschrift, die Mitarbeit am ThWNT, das Ziel der Übernahme kirchen- und hochschulpolitischer Aufgaben in Deutschland - die Problemfelder waren 1937 wie 1945 dieselben. Schmidt hingegen hatte sich verändert. Die Verbitterung, seine Verletztheit, die nach 1945 erfolgten erneuten Enttäuschungen über das Verhalten ehemaliger Kollegen, ihr Vertuschen, Verleugnen und Vergessen, all dies belastete ihn; weitere für Schmidt bittere Erfahrungen kamen hinzu. Die Arbeitswut zeichnet den Schmidt des Jahres 1937 wie 1945 aus. Doch gerade an diesem gewaltigen Arbeitspensum läßt sich die wesendiche Veränderung festmachen; trotz allen erfahrenen Unrechts in den Jahren 1933 bis 1937 verlor Schmidt niemals die Hoffnung, daß sein kirchenpolitisches und theologisches Wirken Einfluß auf die Entwicklung in Theologie, Hochschule und Kirchenpolitik nehmen könne. Die Hoffnung, mit Aussicht auf Erfolg in den Lauf der Dinge einzugreifen - diese Hoffnung fehlte ihm nach 1945. Und trotzdem: Schmidt suchte erneut unter Aufbietung aller Kraftreserven und Zuhilfenahme seiner großen Erfahrung als Schriftleiter mit der Theologischen Zeitschrift ein Forum wissenschaftlicher Rede und Gegenrede zu schaffen, in dem die kirchenpolitischen Vorgänge in Deutschland glossiert werden konnten, auch ging es ihm wohl um die Förderung junger Exegeten wie Werner Bieder, Hans Bietenhard oder Eduard Schweizer. Kurzum: Schmidt nahm die von ihm so empfundene Verantwortung eines deutschen in der Schweiz lebenden Hochschullehrers nach 1945 verstärkt wahr. So verschloß er sich auch nicht dem Anfang 1945 innerhalb der Basier Fakultät diskutierten Vorschlag, eine in der Herausgeberschaft der Basler Theologischen Fakultät stehende Zeitschrift zu gründen, da die Situation zur Gründung

751

7,1

Vgl. hierzu Mühling, Α., Die Anfangsjahre der Theologischen Zeitschrift und ihr Redaktor Karl Ludwig Schmidt, T h Z 50,1994, 286-294; Smend, R., Basels Theologische Zeitschrift, T h Z 51,1995, 95-105. Dies belegt nicht nur allein die Existenz der ThZ, sondern auch der ab 1945 sprunghaft angewachsene Briefwechsel Karl Ludwig Schmidts mit zahlreichen Wissenschafdern aus ganz Europa und Übersee, so beispielsweise mit Paul Tillich, Martin Buber, Hans Jonas, C.G. Jung und Albert Schweitzer.

212

9· Die Basler Jahre 1935-1956

und Etablierung einer deutschsprachigen theologischen Zeitschrift im Jahr 1945 recht günstig schien. »Eine Zeitschrift, die aktuelle Probleme in allen theologischen Disziplinen in Form allgemeinverständlicher Aufsätze und Rezensionen benennt und offen diskutiert, als Leser den Studenten und Universitätslehrer ebenso wie den Pfarrer im Blick hat und mit Nachrichten und Kommentaren aus Kirche, Universität und Theologie auch diese Bereiche kritisch begleitet, existierte am Ende des letzten Weltkriegs im deutschsprachigen Raum nicht mehr.«753 In dieses publizistische Vakuum sollte die neu zu gründende Theologische Zeitschrift η&άι Vorstellung der Basler Fakultät stoßen. Schmidt beurteilte diesen Plan skeptisch. Dies ist um so bemerkenswerter, faßte er doch 1937, nach dem Verbot der Theologischen Blätter, einen ähnlichen Plan, von der Schweiz aus eine deutschsprachige Zeitschrift im Stil der Theologischen Blätter zu gründen.754 Doch 1937 war nicht 1945. Schmidt erkannte deutlich die Geister der Vergangenheit, mit denen er im Falle der Gründung einer Theologischen Zeitschrift konfrontiert werden würde. Die Theologischen Blätter konnten nicht mehr wiederauferstehen, zugleich aber wären diese - nicht nur für Schmidt, sondern auch fiir die interessierte Öffentlichkeit - unweigerlich der Maßstab fur seine zukünftige Arbeit an der Theologischen Zeitschrift geworden. Dies hatte, neben den gravierend veränderten Einschätzungen Schmidts im Blick auf die Bedeutung einer theologischen Zeitschrift, insbesondere organisatorische Gründe. Standen die Theologischen Blätter in der alleinigen Herausgeberschaft von Schmidt, wurde die Theologische Zeitschrift von einer Fakultät herausgegeben, die zugleich auch ein Reflex des theologischen Arbeitens in Basel sein sollte. Diese Konstruktion in der Herausgeberschaft, die ein wichtiges Hindernis fiir ein Wiederauferstehen der Theologischen Blätter darstellte, wurde von Schmidt sehr zwiespältig gesehen - zu viele Kollegen fühlten sich fiir den inhaltlichen Kurs der ThZ verantwordich. »Daß die ThZ eine allgemeine theologische Zeitschrift ist«, so äußerte sich Schmidt gegenüber Martin Buber, »hinter der unsere ganze Basler Fakultät als Herausgeberin steht, ist einerseits eine besonders schöne, doch anderseits auch eine recht schwierige Sache. Als die ersten Hefte heraus waren, bemängelten manche, bei uns werde viel zu viel Exegese, Kirchen- und Dogmengeschichte und zu wenig systematische Theologie traktiert«.755 Hinzu kam die erhebliche Arbeitsbelastung, die die Arbeit in einer Redaktionskommision mit sich brachte. War es Schmidt als alleinverantwortlicher Herausgeber der Theologischen gewohnt, wichtige Entscheidungen allein

753

Mühling, T h Z (s.Anm.751) 287.

754

Schreiben an Strathmann vom 9.3.1937, Bestand Personen XXVII (Strathmann) Nr.4, Original im LKA Nürnberg. Schreiben an Martin Buber vom 23.11.1946, Kopie im N L K.L.S., Frenkendorf.

755

9-6. Die Gründung der Theologischen Zeitschrift

213

zu treffen, mußten anstehende Probleme nun gemeinsam mit der Redaktionskommission abgesprochen werden, was viel Zeit und nicht zuletzt auch Kraft von allen Beteiligten beanspruchte. Entscheidend war jedoch ein anderer Punkt. Wegen schlechter postalischer Verbindungen mit Deutschland, fehlender deutscher Abonnenten und dadurch verbundener geringer Verbreitung in Deutschland entfielen zahlreiche potentielle deutsche Mitarbeiter. Oft entfuhr Schmidt der Stoßseufzer: »Die Redaktion der ThBl von 1922-1937 war viel, viel leichter! Ich hatte bei der Fülle der Mitarbeiter in dem nun einmal umfangreicheren Deutschland nur aus dem Vollen zu schöpfen. Dazu kam, daß ich ohne weiteres viele Aufsätze und Rezensionen auf Vorrat setzen lassen konnte, was in der Schweiz nicht so ohne weiteres möglich ist«.7'6 Schmidt verschloß sich jedoch dem Argument, die neugegründete Theologische Zeitschrift hätte auch eine wichtige Verantwortung fur die Wiederaufnahme einer vorurteilsfreien theologischen Diskussion in Deutschland zu übernehmen, trotz aller Bedenken nicht und ließ sich als Redaktor der Theologischen Zeitschrift in die Pflicht nehmen. Der Redaktionskommission gehörten außer ihm seine Basler Kollegen Ernst Staehelin, Walter Baumgartner und Oscar Cullmann an. So erschien denn im Juni 1945 bei dem Basler Verlag Friedrich Reinhardt die erste Nummer der Theologischen Zeitschrift, von nun an alle zwei Monate in einem Umfang von achtzig Seiten je Einzelheft. Es war allen Beteiligten deutlich, daß unter den Bedingungen einer hohen Seitenzahl und sechsmaligem Erscheinen im Jahr - die Erfüllung dieser Bedingung war eine der Voraussetzungen Schmidts zur Mitarbeit an der Theologischen Zeitschrift - diese Zeitschrift selbst auf lange Sicht ein reines Zuschußgeschäft sein mußte, zumal in Deutschland die Abonnenten ausfielen. Ihr finanzielles Durchhalten verdankte die Theologische Zeitschrift ACT großzügigen Unterstützung der Basler »Kommission zur Förderung der Geisteswissenschaften an der Universität Basel«, die in den Jahren 1945-1947 der Theologischen Zeitschrift einen Druckkostenzuschuß von insgesamt 15.000.- Fr. und eine Redaktionssubvention von insg. 6.000 Fr.- (1500.- Kostenentschädigung für Schmidt, 4500.- Fr. für Honorare), insgesamt also 21.000 Fr.-, zur Verfügung stellte. In den Jahren 1948 und 1949 erhielt die Theologische Zeitschrift an Druckkostenzuschüssen insg. 7000.- Fr., für die Redaktionskosten noch einmal 6000.- Fr.757

756

Schreiben an Oscar Cullman vom 6.12.1947, Kopie im N L K.L.S., Frenkendorf.

757

Die Zahlen wurden dem Schreiben Schmidts an den Präsidenten der Kommission zur Förderung der Geisteswissenschaften an der Universität Basel, Heinrich Iselin, vom 6.12.1947, Kopie im N L K.L.S., Frenkendorf, entnommen. In diesem Schreiben vermerkt Schmidt mit Genugtuung, daß die Theologische Zeitschrift dank gestiegener Abonnentenzahlen von den Drucksubventionen schon 3200.- Fr. zurückgezahlt habe.

214

9· Die Basler Jahre 1935-1956

Schmidt widmete sich trotz aller Bedenken und Vorbehalte konzentriert der Redaktionsarbeit, wohl wissend, daß diese Tätigkeit im Schatten der Theologischen Blätter stehen mußte. Auch das Argument, die Theologische Zeitschrift hätte als einzige deutschsprachige theologische Zeitung eine besondere Stellung und Verantwortung, entfiel für Schmidt sehr bald. »Bei alledem war ich von Anfang an nicht einmal so optimistisch wie andere, die im Gegensatz zu mir den Start schneller unternahmen, als ich es fur richtig hielt«, vertraute Schmidt seinem Verleger Preiswerk Anfang November 1946 an. »Insbesondere war mir von Anfang an klar, daß die ThZ gar nicht so ohne weiteres die einzige Zeitschrift ihrer Art im deutschen Sprach- und Kulturbereich bleiben würde, in welcher Illusion manche immer noch befangen sind. Ich habe aus Deutschland bestimmte Nachrichten, daß verschiedene theologische Zeitschriften schon wieder da sind oder bald wieder da sein werden.... Es gibt auch Leute drüben, die mich vor allem deshalb gerne wieder in Deutschland sähen, damit ich eben dort die ThBl wieder in Gang bringe. Ich bin da freilich sehr, sehr skeptisch.«7'8 Trotz aller vorgebrachten Bedenken Schmidts gegen die Theologische Zeitschrift machte sich sein Einsatz deutlich bemerkbar; die Basier Zeitschrift verzeichnete innerhalb weniger Monate einen erstaunlichen Anstieg der Abonnentenzahlen. Mitte November 1946 erreichte die Theologische Zeitschrift nach knapp 11/2-jährigem Bestehen eine Auflage von 7x1 Exemplaren, eine erstaunlich hohe Zahl, bedenkt man, daß der deutsche Markt völlig ausfiel.759 Der Ausfall Deutschlands stellte denn auch nach Ansicht von Karl Ludwig Schmidt eine der großen Aporien der Theologischen Zeitschrift dar - ohne den deutschen Markt konnte die Theologische Zeitschrift mittelfristig nicht überleben, in einem freien deutschen Markt hingegen machte sich die Theologische Zeitschrift überflüssig, implizierte doch die wirtschaftliche Öffnung Deutschlands zugleich die Neugründung von alten traditionsreichen theologischen Zeitschriften. Diese Schwierigkeiten faßte Schmidt in einem Brief an Ludwig Koehler wie folgt zusammen: »Das Hauptmalaise ist für eine deutschsprachige, d.h. in der Hauptsache deutschsprachige theologische Zeitschrift der Ausfall zahlender Abonnenten in dem geschlagenen und zerschlagenen Deutschland. Dorthin kann man

758

Schreiben an K. Preiswerk vom 3.11.1946, Kopie im N L K.L.S., Frenkendorf.

759

Diese 721 Exemplare gliedern sich auf in 385 Exemplare fur Schweizer Abonnenten (eine Zahl, die für Schmidt »bei ca. 1000 deutsch-schweizerischen Theologen die äußerste Sättigungsgrenze darstellen dürfte« [Schreiben an Martin Buber vom 21.11.1946, Kopie im N L K.L.S, Frenkendorf]), 158 Exemplare für die Auslandsabonnenten, 120 Exemplare for die »Literaturhilfe« in kriegsgeschädigten Ländern, 23 Exemplare für das »Hilfswerk Zürich«, 13 Tausch- und 1 Gratisexemplar (die Zahlen entstammen einer Mitteilung Schmidts an den Redaktionsausschuß vom 16.11.1946, Kopie im N L K.L.S., Frenkendorf).

9-6. Die Gründung der Theologischen Zeitschrift

215

auf lange Zeit nur schenken, was übrigens in umfassender Weise auch geschieht. Die deutsche Schweiz allein ist zu klein, um die T h Z selbstständig zu tragen, was übrigens nicht nur in Bezug auf die Abonnenten, sondern auch fiir die Mitarbeiter gilt. Wenn wir nicht eine Fülle ausländischer Mitarbeiter hätten, so hätte die T h Z bis jetzt nicht alle 2 Monate mit je 80 Seiten pünktlich herauskommen können. Ausländische Abonnenten haben wir ja nun überall, wo es auf dem Erdball Theologen gibt. In einigen Ländern handelt es sich nur um eine zahlenmäßig kleine Theologendlite. Das gilt vor allem für England, wo es nicht allzu viele deutschverstehende Leute und dazu eigene gute Zeitschriften gibt. Wesendich besser für uns ist das in Holland und in den USA, wo wir nun doch Dutzende von Abonnenten haben. Nach der letzten Statistik haben wir an die 400 Schweizer Abonnenten, dabei ca. 120 zu dem für Studenten ermäßigten Preis. Bei ca. 1000 deutschsprachigen Theologen in der Schweiz ist das m.E. die äußerste Sättigungsgrenze, die auf die Dauer kaum gehalten werden dürfte. ... Für eine weitere Zukunft ist zu bedenken, daß es jetzt schon wieder eine Anzahl guter reichsdeutscher theologischer Zeitschriften gibt oder ihr Erscheinen nahe bevorsteht. Es ist vorauszusehen, daß diese Zeitschriften eines schönen Tages, was jetzt noch nicht der Fall ist, in die ganze Welt verschickt werden und bei ihrem billigen Preis - kaufmännisch gesprochen - die T h Z konkurrenzieren werden. Nun, wenn darunter die Sache nicht leidet, mag es dann dahin kommen, daß die T h Z nicht nur als Zuschußunternehmen, sondern überhaupt eine bloße Ueberbrückungsarbeit geleistet haben wird und demgemäß vom Schauplatz abtritt. Hier im Lande selbst besteht ein besonderes Malaise noch darin, daß gewisse Adepten in der T h Z eine volle Pflege der systematischen Theologie vermissen. Als die ersten Hefte heraus waren, in denen ich mit betonter Absicht die Exegese und die Kirchen- und Dogmengeschichte bevorzugt hatte, entstand da und dort bei diesen Adepten der theologia systematica ein bemühendes Geschrei bis hin zu - Abbestellungen. Um so erstaunter war >man< dann, daß auf einmal das Heft 1946/3 der systematischen Theologie und auch der Philosophie gewidmet war, was ich übrigens längst geplant hatte. Ein anderes Kapitel betrifft die Schärfe unserer Rezensionen. Hier ist es so, daß die T h Z überhaupt ihren Sinn verlieren würde, wenn das anderes wäre, wie es ist und bleiben wird. Nicht nur nach meinem Urteil ist es eine böse Auswirkung der - Isolierung der Schweiz, daß die Neuerscheinungen denkbar eilig von den Freunden des betr. Autors gelobt und von seinen Feinden getadelt werden.Ab und zu bin ich gefragt worden, ob denn nicht in der Schweiz die Z A W 7 6 0 und die Z N W 7 ' 1 neu erstehen könnten. Insbe-

760

D.i. die »Zeitschrift fur Alttestamentliche Wissenschaft«.

761

D.i. die »Zeitschrift fur Neutestamentliche Wissenschaft und Kunde der älteren Kirche«. Z N W wie Z A W stellten 1942 bzw. 1945 wegendes kriegsbedingten Papiermangels ihr Erscheinen ein.

2l6

9. Die Basler Jahre 1935-1956 sondere drängt mich Peterson-Rom immer wieder, die ZNW-Sache in die Hand zu nehmen. Der Treffliche hat leider keine Ahnung davon, wie schwer hier Start und Rennen wären. Von der Schweiz aus kann man höchstens Exegese und ältere Kirchengeschichte in einem Organ zusammenfassen. Ich hätte nicht übel Lust, in einer Zeitschrift für Theologie und Philologie der Bibel und der Patristik ZAW, Z N W und bis zu einem gewissen Grade Z K G ? i l zusammenzufassen, die etwa so aussehen würde wie das Journal of theological Studies. Was aber bei der stark patristischen Tradition in England fast zu einer Ausschaltung der systematischen Theologie fuhrt, ist im Rahmen der deutschen, bzw. schweizerischen Theologie doch nicht so ohne weiteres gegeben. Und deshalb glaube ich, daß es mit dem bis jetzt durchgeführten und weiter durchzuführenden Programm der T h Z sein Bewenden haben muß, solange unsere Zeitschrift lebensfähig sein wird.« 76 '

Das fur Schmidt ungelöste Grundproblem der Theologischen Zeitschrift führte ihn im Laufe des Jahres 1947 sogar zu dem Entschluß, voraussichtlich zum Ende 1949 die Funktion eines Redaktors dieser Zeitschrift niederzulegen. In einem Schreiben an den Präsidenten der Kommission zur Förderung der Geisteswissenschaften, Heinrich Iselin, begründete Schmidt diese Entscheidung. Nachdem Schmidt die schwierige Situation beschrieben hatte, in der sich Ende 1947 theologische Zeitschriften in Deutschland befanden, fuhr er fort: »Jedenfalls können alle diese Zeitschriften abgesehen von Einzelausnahmen nicht in den internationalen Verkehr kommen. In diese Lücke hat unsere Basler T h Z eine kaum hoch genug zu veranschlagende wesentliche Funktion. Wie lange diese Zeit der Lücke währen wird, vermag kein Mensch zu sagen. Man könnte sich denken, daß nicht in den nächsten, wohl aber in späteren Jahren in einem gewissen Ausmaß wieder reichsdeutsche theologische Zeitschriften auf dem Plan sind, und zwar unter Mitarbeit der in der Schweiz tätigen Theologen. Damit könnte der Zustand eintreten, daß die T h Z mehr oder weniger überflüssig wird. Es kommt hinzu, daß ich persönlich von der immer mehr Zeit und Kraft beanspruchenden ThZ-Redaktionsarbeit am liebsten sofort entlastet sein möchte. ...Da man heutzutage nur in Etappen denken und handeln kann und soll, möchte ich persönlich, wenn nichts Unvorgesehenes dazwischen kommt, für die Jahre 1948 und 1949 die Redaktion mit Ihrer Subvention weiterführen. Es wird eine cura posterior sein, auf die aber doch jetzt schon kurz hingewiesen sei, wer nach dem Verlauf von zwei Jahren unter Umständen in meine Nachfolge eintritt.«764 761 763 764

D.i. die »Zeitschrift fur Kirchengeschichte«. Schreiben an Ludwig Koehler vom 20.3.1947, Kopie im N L K.L.S., Frenkendorf. Schreiben an Heinrich Iselin vom 6.12.1947, Kopie im N L K.L.S., Frenkendorf. Seine Redaktionskollegen drängten Schmidt zur Fortfuhrung der Redaktion. So schrieb Walter Baumgartner an Schmidt: »Eine Bemerkung in einem Deiner Briefe hat mich

9.6. Die Gründung der Theologischen Zeitschrift

217

Dieses »unter Umständen« deutet das Dilemma an, in dem Schmidt sich befand; er bezweifelte mittlerweile nicht nur die grundsätzliche Funktion der Theologischen Zeitung im sich normalisierenden europäischen Wissenschaftsbetrieb, sondern führte darüber hinaus auch gewichtige persönliche Motive gegen seine Mitarbeit an der Basler Zeitschrift an. Doch hinter den genannten Beweggründen - Arbeitsüberlastung, fehlende ideelle und materielle Befriedigung, neue Arbeitsschwerpunkte765 — stand der Wunsch, sich einen alten Traum zu erfüllen: die Theologischen

wiedererstehen zu lassen. Schmidt führte in

den Herbstmonaten 1947 ernsthafte schriftliche Verhandlungen mit Leopold Klotz, dem Inhaber des Verlages J.C.Hinrichs in Leipzig, über die Frage das Wiedererstehen der Theologischen Blätter.766 Diese Verhandlungen scheiterten jedoch aufgrund zahlreicher organisatorischer Schwierigkeiten mit dem in der sowjetischen Besatzungszone arbeitenden Verlag im Frühjahr 1948. Wie Schmidt dieses Scheitern der Verhandlung aufnahm, läßt sich nicht erkennen, doch machte er schon am Neujahrstag 1948 - es zeichnete sich zu diesem Zeitpunkt schon das Ende der Verhandlungen mit Klotz ab - Heinrich Iselin gegenüber den konkreten Vorschlag, die Theologische Zeitschrift dem Namen nach bestehen zu lassen, diese aber unter seiner Leitung inhaltlich und konzeptionell den Theologischen Blättern anzugleichen.767 erschreckt: Du könntest die Redaktion der ThZ nicht mehr lange fuhren. Daß es eine kolossale Belastung für Dich ist, wissen wir, aber wir sind Dir auch dankbar dafür. Und wer sollte es sonst machen! Dein Rücktritt würde den Zusammenbruch der Zeitschrift bedeuten« (Schreiben Baumgartners an Schmidt vom 24.12.1947, von K.L. Schmidt angefertigtes Excerpt im N L K.L.S., Frenkendorf). 765

Zu den neuen Arbeitsschwerpunkten Schmidts gehörte die Aufnahme einer umfangreichen Vortragstätigkeit in dem vom Krieg heimgesuchten Europa. In den Jahren 1947 bis 1950 unternahm Schmidt Vortragsreisen nach Straßburg (Juni 1947), Graz (Ende August/Anfang September 1947) und in seine Heimatstadt Frankfurt/M. (Oktober 1947), nach England, u.a. vor deutschen Kriegsgefangenen, zu denen der spätere Bonner Kirchengeschichtler J.F.G. Goeters gehörte (Januar 1948), Amsterdam (März 1948) und zuletzt Treysa (1950). Zu den vor dt. Kriegsgefangenen gehaltenen Vorträgen vgl. auch Loscher, K., Norton Camp. 50. Jahrestag der Gründung der Universität »hinter Stacheldraht«, DtPfrBl 95, 1995, 464. Weitere Vortragsreisen unternahm Schmidt in regelmäßigen Abständen nach Ascona, um im Rahmen des dort tagenden »Eranos-Kreises« Vorträge zu halten. So sprach er 1945 über »Das Pneuma Hagion als Person und Charisma (abgedruckt in: Erjb 13,1946,187-235), 1947 zum Thema »Homo imago Dei im Alten und Neuen Testament« (Erjb 15, 1948, 149-195) und 1949 über »Jerusalem als Urbild und Abbild« (Erjb 18,1950, 207-248); zur konzeptionellen und inhaltlichen Ausrichtung dieser Tagungen vgl. auch Portmann, Α., Zur Erinnerung an Olga Fröbe, Erjb 31,1962, 6-8; Corbin, H., Eranos: Freiheit und Spontanität, Erjb 31, 1962,13-15.

766

Vgl. das Schreiben Schmidts an Heinrich Iselin vom 1.1.1948, Kopie im N L K.L.S., Frenkendorf. Ebd.

767

21δ

9· Die Basler Jahre 1935-1956

Schmidt konnte sich mit seinen Vorschlägen einer Wiederbelebung der Theologischen Blätter nicht durchsetzen und hatte so von einem Lebenstraum Abschied zu nehmen - diesmal endgültig. 1949 gab er dem Drängen seiner Redaktionskollegen nach und ließ sich erneut als Redaktor in die Pflicht nehmen. Schmidt führte die TheologischeZeitschrifibis zu seinem schweren Schlaganfall im Januar 1952 so, wie man es von ihm erwartete und hielt diese Zeitschrift auf einem unverändert hohen Niveau. Doch seine Zeitschrift wurde sie ihm nie.

9.7. Berufungsverhandlungen Die Niederlage des nationalsozialistischen Deutschlands eröffnete vielen von ihren Lehrstühlen vertriebenen Professoren die Rückkehr an ihre alte Wirkungsstätte. Auch in Bonn setzte die Reorganisation der Ev.-Theologischen Fakultät ein.768 Über die Wiederzulassung der Professoren entschied die englische Militärregierung, die auch an der Bonner Universität einen zehnköpfigen Verwaltungsauschuß einführte, an deren Spitze von Juli 194$ an der 1934 entlassene Heinrich Mathias Konen als Rektor stand; in dieser Funktion hatte er auch die Berufungsverhandlungen zu fuhren. Schmidt wäre gerne nach Bonn zurückgekehrt - hätte er ein ernsthaftes Angebot erhalten. Doch ein konkretes Angebot ist seiner Ansicht nach nie ernsthaft erfolgt. Selbst von einer Absage Schmidts auf ein entsprechendes Bonner Angebot, die »nach einigem Zögern« erfolgt sein soll76', kann nicht die Rede sein; Schmidt hat - so seine Sicht der Dinge - niemals ein entsprechendes Bonner Angebot abgelehnt. Schmidt äußerte sich in seinen Briefen ausfuhrlich zu diesen Vorgängen, so daß diese aus seiner Sicht heraus rekonstruierbar sind. Mitte Dezember erhielt er ein auf den 27.11.1946 datiertes Schreiben der englischen Militärbehörde: »Subject: - Repatriation.!. We have been assured by the Rector of Bonn University that he has written to you twice to make you a firm offer of employment at Bonn University. He has been also sent verbal messages to 768

Die »konstituierende Sitzung« der Fakultät fand am 7. März 1946 statt, an der neben dem Dekan StaufFer die Professoren Noth, Schlier und Schlingensiepen teilnahmen. Die übrigen Mitglieder der Bonner Fakultät wie Pfennigsdorf oder Schmidt-Japing waren aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit, bzw. ihrer Nähe zum nationalsozialistischen Regime, entlassen worden. Vgl. hierzu auch Bizer, Evangelisch-Theologische Fakultät, in: Bonner Gelehrte (s. Anm.152) z66ff.; zur Universität insg. Schäfer, K.T., Verfassungsgeschichte der Universität Bonn, Bonn 1968, 235-250.

769

So Bizer, Evangelisch-Theologische Fakultät, in: Bonner Gelehrte (s. Anm.152) 270.

9·7· Berufungsverhandlungen

219

you through Professor Karl BARTH.2. Should you wish to accept the offer made to you kindly inform this H Q so that the necessary permits may be issued to you through the Military Permit Officer.«770 Dieser Vorgang stellte sich aus der Sicht Schmidts völlig anders dar. »In diesem Schreiben«, so beschrieb Schmidt Ernst Wolf gegenüber diesen Vorgang, »ist das >twice< einfach fälsch. In Wirklichkeit hat der Bonner Rektor, der Physiker Heinrich Konen, alter Zentrumsmann, jetzt wohl C D U - M a n n , mir am 25.9.45 einen überschwänglichen Brief geschrieben, unter welchen Bedingungen ich nach Bonn gehen würde. Ich habe ihm am 11.11.45 sofort nach Empfang seines >offer< geantwortet und die saubere Wiederherstellung des Rechtzustandes 1933 verlangt 771 (vorerst hat ja immer noch der mehr oder weniger nazistische Ethelbert Stauffer seit 1933 meine Professur und wurde 1945 sogar Dekan, in welcher Funktion er ja offenbar nunmehr eingestellt ist); seitdem silentium altissimum, obwohl ich diesen Rektor am 11.6.46 gemahnt habe. Vorerst bleibt es bei dem, was ich Dir am 1.12. geschrieben habe: >Ich bin ... nach wie vor staatenlos und ja wohl in den Augen von Engländern und Amerikanern zu sehr rot und in denen der Russen zu wenig rot.< Für die Schweizer »Gastprofessoren E. Schweizer, Zürich, z.Z. Mainz, A. de Quervain, Basel, unlängst Mainz, Fritz Lieb, Basel, demnächst Berlin (er will und wird jeweils im Winter in Berlin und im Sommer in Basel sein) und Karl Barth, im nächsten Sommer zum zweiten Mal in Bonn, ist die rechtliche und faktische Lage eine ganz andere als fur mich.« 772 Erneut wandte sich Schmidt an die Bonner Universität, diesmal lediglich die Bitte äußernd, vor Ort die Situation überprüfen zu dürfen. 773 Auch diese Bitte blieb ohne Antwort. Der auf eine Rückmeldung wartende Schmidt wurde ungeduldiger und im Ton schärfer. Vermutete Schmidt noch Ende Januar 1947 eine politische Intrige gegen sich, die eine Einladung nach Bonn vereitele 774 , so

770

771

771 773

774

Zitiert aus einem Schreiben Schmidts an Ernst Wolf vom 19.1z.1946, NL K.L.S., Frenkendorf. In der Theologischen Zeitschrift liest sich dieser Vorgang so: »K.L. Schmidt hat nach Bonn verschiedene Rückfragen gelangen lassen, die sich vor allem auf die rheinischen politischen und kirchenpolitischen Verhältnisse beziehen und noch nicht abgeklärt sind« (Schmidt, Notizen und Glossen, ThZ i, 1945, 315). Schreiben Schmidts an Ernst Wolf vom 19.12.1946, NL K.L.S., Frenkendorf. So Schmidt in einem Schreiben an seine Schwester Aenne Aßmus vom 21.12.1946, NL K.L.S., Frenkendorf. Um einen Inspektionsbesuch in Bonn zu machen, »müßte ich eine konkrete Aufforderung erhalten, die >man< offenkundig hintertreibt, wobei sich Konen magniflcus hinter die englische Bes.-Behörde steckt, die mich >einfach< zur dauernden Rückkehr nach Bonn auffordert, ohne daß ich mir erst einmal den status quo Bonnensis ansehen kann« (Schreiben an Ernst Wolf vom 29.1.1947, NL K.L.S., Frenkendorf).

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9· Die Basler Jahre 1935-1956

deutete er wenige Wochen später sein Schicksal als Folge einer reaktionären Grundhaltung in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft. Ehemalige Nazis, politisch charakterlose Gestalten und skrupellose Wirtschaftsbosse, allesamt vereinigt in der »reaktionären CDU« 7 7 5 , hätten in Westdeutschland stark an politischem Einfluß gewonnen. »Für Deutschland gilt jetzt weithin das Paradoxon: die Reaktion marschiert vorwärts«.776 Aus dieser tiefen Enttäuschung heraus legte Schmidt von nun an keinen Wert mehr darauf, in Bonn oder einer anderer deutschen Stadt einen neutestamentlichen Lehrstuhl einzunehmen.777 Er war nach diesen Vorgängen nicht mehr erpicht darauf, in Deutschland mit Kollegen zusammen zu arbeiten, die das »Tausendjährige Reich« auf eine andere Weise als er überlebt hatten; Steigbügelhaltern, Mitläufern, Wegbereitern sowie aktiven und auch passiven Begünstigern des Nationalsozialismus wollte er nie mehr begegnen. In jenen Monaten wurde Schmidt endgültig zu einem Heimatlosen. In diesen traurigen Rahmen einer von Schmidt so empfundenen Demontage seiner Person in Deutschland gehört auch die Diskussion um die Mitarbeit am T h W N T . Mitten im Krieg, im Sommer 1942, erschien der vierte und vorerst letzte Band dieses groß angelegten Werkes. Schmidt erhoffte sich nach Kriegsende eine rasche und zügige Rehabilitierung, sogar als Nachfolger von Gerhard Kittel778 als Herausgeber des T h W N T wurde Schmidt gehandelt. Währenddessen kristallisierten sich im Jahr 1946 unter den deutschsprachigen Neutestamendern zwei potentielle Kandidaten für die Herausgeberschaft des T h W N T heraus: Karl Ludwig Schmidt und - erneut Gerhard Kittel. Der 775

So Schmidts Urteil über die C D U in dem Schreiben Schmidts an Walter Eichrodt vom 8.4.1947, N L K.L.S., Frenkendorf. Ein aus persönlicher Enttäuschung resultierendes Fehlurteil Schmidts - er schien nicht das kurz zuvor im Februar 1947 vom Zonenausschuß der C D U für die britische Zone verabschiedete »Ahlener Programm« zu kennen; vgl. hierzu: Die Programme der C D U , Bonn 1979, 9.

776

Schreiben Schmidts an Walter Eichrodt vom 8.4.1947, N L K.L.S., Frenkendorf.

777

Die Verbitterung Schmidts wurde dadurch zusätzlich gesteigert, daß ein an ihn herangetragenes Angebot aus Frankfurt/M., an einer möglichen neuzugründenden Frankfurter Theologischen Fakultät einen Lehrstuhl zu übernehmen, sich im Verlauf des Jahres 1947 zerschlug. In zahlreichen Briefen dieses Jahres klagte Schmidt darüber, »daß die Frankfurter Universitätsleute und vor allem Kirchenleute mir ein Doppeltes verargen: a) ich sei 1933 geflohen, b) ich sei Mitglied der S P D gewesen. Gegen solche Froschperspektive, die eine richtige Eselei ist, kann ich vorerst nichts machen« (ebd.).

778

Kittel wurde am 3. Mai 1945 verhaftet, von seinem Lehrstuhl abgesetzt und von der franz. Besatzungsmacht bis in den Oktober 1946 hinein gefangengehalten. Nach seiner Entlassung, die mit dem Verbot, nach Tübingen zurückzukehren, verbunden war, wurde ihm als Aufenthaltsort die Klosterbibliothek von Beuron zugewiesen (vgl. Siegele· Wenschkewitz, L „ Neutestamentliche Wissenschaft vor der Judenfrage, T h E x h 208, 1980, 50).

9·7· Berufungsverhandlungen

221

Gedanke, Kittel könne die Herausgeberschait wieder übernehmen, war fiir Schmidt unvorstellbar; dies käme einem die politische Situation im Nachkriegsdeutschland grell ausleuchtenden Skandal gleich. »Im Gegensatz zu Deiner These«, schrieb Schmidt Ende Januar 1947 an Ernst Wolf, »daß ich die Gesamtredaktion dieser monumentalen Sache übernehmen sollte, >um so die Mitarbeit des Auslands stärker zu verpflichtenPatrioten aller Länder, vereinigt euch!< G. Kittel... ist eben doch in vieler — Ausländer Augen ein deutscher >PatriotHistorischen Zeitschrift bekannt geworden. Ihre persönliche Bemerkung über die >zwei Anfänger in der neutestamentlichen Wissenschaft beantworte ich deshalb, weil sie im Zusammenhang von sachlich bedeutsamen Erörterungen steht. Da Sie die Empörung, in die mich die Meyer'sche Arbeit versetzt hat, nicht teilen, ... dürfte es von vornherein vergeblich sein, in der Beurteilung der Tonfrage eine gemeinsame Basis zu finden. Die Absicht, die Sie bei mir voraussetzen, ich hätte mir meine ersten Sporen vergolden wollen, hat nicht bestehen können: wer vergoldet, denkt an den Eindruck auf solche, die ihn bewundern und fördern können; ich war damals Privatdozent und war eher darauf gefaßt, daß mein Vorgehen mir in der Dozentenlaufbahn schaden könnte. Nun bin ich ja - begreiflicherweise zu meiner großen Genugtuung - nicht allein geblieben. Ich habe sofort einen ganzen Stoß von zustimmenden Erklärungen erhalten. Dabei will ich nicht verschweigen, daß einige an meinem Ton Anstoß genommen haben, wenn mir auch niemand bisher vorgehalten hat, ich müßte mich eigentlich meines Angriffs schämen.« (Brief vom 19.1.1923, abgedruckt in: Lietzmann, Glanz und Niedergang der deutschen Universität [s. Anm.92] 482). Anlage 8: Aufruf des »Republikanischen Lehrerbundes«, Ii.2.ip22 In dem am 11.2.1922 im »Gießener Anzeiger« veröffentlichten und von den Universitätsprofessoren Ernst v. Aster, Paul Cermak, Robert Fritsche, Georg

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ίο. Anlagen

Honigmann, Walter Kinkel, Kurt Koffka, Wolfgang Mittermaier, Karl Schaum, Karl Ludwig Schmidt, Karl Uller und Oswald Weidenbach unterzeichneten Aufruf zum Beitritt in den »Republikanischen Lehrerbund« heißt es u.a.: »Wir stehen auf dem Boden der durch die Weimarer Verfassung geschaffenen D E M O K R A T I S C H E N U N D S O Z I A L G E R I C H T E T E N R E P U B L I K . Wir erblicken in ihr die würdigste, zugleich die für Deutschlands innere und äußere Politik jetzt einzig mögliche Staatsform, die nach dem Zusammenbruch des alten Systems unserem schwer bedrückten Vaterland den Frieden zu wahren vermag und der Erfüllung des nationalen Sehnens nach einem großdeutschen Einheitsstaat die Wege ebnen kann. Wir wollen die heranwachsende Jugend zu sozialem Fühlen und Handeln, zu republikanischem Verantwortungsgefühl und zu demokratischer Achtung vor der freien Persönlichkeit und ihren Rechten erziehen, durch unser Beispiel nicht minder als durch unbedingte Wahrhaftigkeit in Unterricht und Lehre. Wir sind entschlossen, jeder an Schulen sich zeigenden, gegen die Republik gerichteten Propaganda entgegenzutreten, von welcher Seite sie auch komme. Wir werden Anfeindungen und Schädigungen, die Lehrern oder Schülern aus ihrem Bekenntnisse zur Republik erwachsen, gemeinsam abwehren. Wir treiben keine Parteipolitik. In unseren Reihen ist jeder ohne Rücksicht auf Parteizugehörigkeit willkommen, der sich rückhaltlos zur deutschen Republik bekennt« (Gießener Anzeiger, 11.2.1922).

Anlage 9: Aus dem Schreiben Schmidts an B. Seeberg, 26.5.1926 »Am liebsten möchte ich meinen Kollegen Heussi nach Breslau fortloben.... Bei alledem muss ich sagen, dass Sie in Breslau den Kollegen Heussi besser verkraften können als wir in Jena. Zunächst haben Sie als Kritiker meiner nicht allzu liebenswürdigen Darlegungen die Möglichkeit, mancherlei abzuziehen. Sie können zu dem Ergebnis kommen, dass ich in einer bestimmten Kampflage zu scharf urteile. Bei uns ist tatsächlich die Zukunft der Fakultät gefährdet, wenn etwa Glaue den Ruf bekommen sollte und dann die (theologisch, A.M.) stramm Liberalen Weinel, Heussi und Glaue, zu denen noch der Emeritus Wendt mit beratender Stimme tritt, die Mehrheit haben. Zudem verstehe ich rein menschlich, dass sich die Fakultät durch mich tyrannisiert fühlt. Staerk ist als Politiker in Fakultätsdingen sehr schwach — er hat nicht verhindern können, dass die Fehllösung mit Weinel als Systematiker Wirklichkeit geworden ist -; und Thümmel kümmert sich nicht allzu viel um die Sache. So bin ich immer wieder das Karnickel: ich habe Gogarten durchgedrückt - schon deshalb, weil wir mit der popularisierten Weinel'schen Systematik wirklich nicht auskommen; ich habe dann den tüchtigen Michael Müller in eine neue Assistentenstelle gebracht, deren Einrichtung auf Abmachungen bei meinen Berufungsverhand-

ίο. Anlagen

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lungen zurückgeht; ab und zu verhindere ich eine überflüssige Ehrendoktorierung; und gerade jetzt habe ich eine Doktorarbeit, die Weinel schon halb und halb angenommen hatte, abgelehnt. Das alles macht es vielleicht ein wenig erklärlich, warum schliesslich Heussi besonders starr wird« (Brief vom 26.5.1926, Original im N L Seeberg, BA Koblenz).

Anlage 10: Aus dem Schreiben M. Dibelius an A. Deißmann, 1.12.IP28 »Zu Ihnen darf ich ja nun vertraulich und offen darüber reden. Wir drei Neuzuberufenen (d. sind die Lehrstühle für Syst. Theologie, N T , A T ; A.M.) sollten die Bonner Fakultät in den Augen der Universität, der Kirche und der Rheinischen öffendichkeit heben. Die Situation war dafür so ungünstig wie möglich. Von der Fakultät wurde ich durch den Mund des Dekans freundlich aufgefordert, >Ruhe in kirchenpolitischen wie in politischen Dingen< zu halten. Das wäre mir an sich, im eigendichen Verstand der Worte, nicht schwer gefallen. Aber es war nicht zu bezweifeln, daß schon die Art, wie ich meine neutestamentliche Arbeit auf die Gegenwartsethik anwende, als Politik empfunden worden wäre und es war ganz sicher, daß man mir auch jede ökumenische Betätigung als kirchenpolitisch oder pazifistisch schwer verdacht hätte. Auf die Fakultät war in ihrem alten Bestand nicht zu zählen, denn Peterson, der mich verstanden haben würde, unterliegt selbst sehr scharfer Kritik. Es kam also viel auf die neuen Berufungen an. Nun war zur Zeit meiner Antwort Hölscher fast zur Ablehnung entschlossen; seine Meinung hat sich inzwischen gewandelt; er ist auch in einer ganz anderen Situation als ich. Über die systematische Professur aber war irgend etwas Sicheres vom Ministerium nicht zu erlangen oder vielmehr es war vorauszusehen, daß wenn Hölscher und ich annähmen, Schmidt-Japing den Lehrstuhl bekommen würde und damit, wie man in Bonn meinte, Präses Wolff sozusagen in die Fakultät hineinkäme.Damit komme ich auf die andere Schwierigkeit, die kirchliche. Präses Wolff scheint nicht nur der stärkste, sondern in vieler Beziehung auch der beste Mann der Rheinischen Kirche zu sein, aber er betrachtet die Fakultät bisher offenbar als eine Nebensache, über die man hinweggeht. Es hätte also Aufgabe der neuen Fakultät sein müssen, ihm und seinem Einfluß gelegentlich auch einmal entgegenzutreten. Voraussetzung fur eine fruchtbare Auseinandersetzung aber schien mir die gegenseitige Anerkennung guten Willens zu sein und der unbedingte Verzicht auf die Anrechnung alter Sünden sei es der Fakultät sei es der Kirche. In diesem Sinn habe ich Wolff geschrieben; die Antwort, die ich erhielt, zeigte einen Diplomaten, und von christlich-brüderlichem Verständnis keine Spur; auch jener Verzicht wurde nur in sehr bedingter Form in Aussicht gestellt... Es war jedenfalls so, daß ich mit Alleinstehen rechnen mußte. Das wäre nun kein Unglück, wenn mir nicht ein besonderer Auftrag zur Neubelebung der Fakultät zuteil geworden wäre. Aber so wie die Dinge

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ίο. Anlagen

lagen, mußte ich mich darauf gefaßt machen, daß ich eine Menge Kraft und Zeit auf Vorträge hätte verwenden müssen, mit der wahrscheinlichen Aussicht, am Ende doch dazustehen und zu bekennen, daß alles umsonst war. Das konnte ich nun meiner Arbeit gegenüber nicht verantworten. In summa: was ich gern tue, dafür durfte ich in Bonn kein Verständnis erwarten, dagegen mußte ich auf eine Arbeit gefaßt sein, die mir nicht sonderlich liegt, und mich in der Produktion aufhält. Aus diesen Gründen lehnte ich ab. Ich hoffe, daß ich für Bonn einiges gewonnen habe, was bleibt, und schon jetzt scheint mir, daß ich Hölschers Position gegenüber dem Ministerium etwas gestärkt habe durch meine Ablehnung. Ich hoffe, Sie werden meine Gründe verstehen« (Sondernachlaß Deißmann, Mappe 306, Stadtbibliothek Berlin).

Anlage 11: Aus dem Schreiben Schmidts an F. Gogarten, 25.9.1929 »Aber es ist dann offenbar so gekommen, daß der Minister Becker, der bei Bonn im allgemeinen und bei Hölscher und mir im besonderen persönlich entschieden hat, es fur richtig gehalten hat, Barth als den an der Spitze der Sonderliste Stehenden zu berufen. Mit alledem ist nach wie vor noch nichts gegen Sie gesagt und getan. Und ich bin nach wie vor sehr froh, daß endlich mal so viel erreicht ist: Sie sind nicht nur in den Augen einiger weniger Kollegen, sondern auch in den Augen der Preußischen Regierung ernsthaft für ein Ordinariat in Preußen in Aussicht genommen. Und es ist letztlich allein auf mein Konto zu setzen, daß dies endlich erreicht ist. Ich muß mich ja wohl damit abfinden, daß Ihnen das zu wenig ist. Sie können mich aber auch dadurch in dem, was ich getan habe und weiter tun werde, nicht irre machen. Es kann und darf mich auch nicht stören, daß Ihnen meine ganze Taktik nicht behagt: ich werde jedenfalls auch in Zukunft weniger Wert auf die Geste als auf den Erfolg legen. Die große Geste, daß Ihnen dieses ganze Hin und Her zuwider ist und daß Sie schließlich sagen: >Dann bleibe ich lieber in Dorndorf Pfärrer< können Sie sich leisten, ja vielleicht sind Sie dazu gezwungen - nicht aber ich, der ich dafür zu sorgen habe, daß die Professuren, bei deren Besetzung ich Einfluß habe, sachgemäß besetzt werden. In diesem Zusammenhang empfinde ich Ihr nun doch mal an sich recht unfreundliches Spektakulum/Diktum als einen Querschläger. Glücklicherweise bin ich >seelisch< gar nicht empfindlich. Und so werde ich nach Berlin fahren und mit Barth genau besprechen, auf welche Weise Sie den Ruf nach Münster am sichersten erhalten. Ich bin froh, daß die Sache jetzt so weit vorgetrieben ist, wie das bisher noch nicht der Fall war. Mit einem gewissen Humor könnte ich mir sogar denken, daß Sie jetzt schrieben: >Lassen Sie diese Münsterer Sache! Ich bleibe lieber in Dorndorflangen Vorfragen< aufhält. Ist es angängig, daß mir immer wieder die Bultmann-Schüler den Jargon ihres Meisters vorfuhren, die Bergpredigt als das >Hineingestelltsein des Menschen in seine konkrete Existenz und Entscheidung< erklären und mir bei weiteren Fragen die harmloseste >Religion der Innerlichkeit< als Quintessenz vorlegen?... Ist es in Ordnung, wenn die Schüler unseres verehrten Herrn Karl Barth formalsystematisch-theologisch einigermaßen im Sattel zu sitzen scheinen, aber dann im stoffnahen exegetischen Gespräch geradezu kläglich versagen.... Ich furchte, daß umgekehrt recht oft ein Student, der bei mir hört und arbeitet, Herrn Barth gegenüber nicht so seinen Mann steht, wie mir das nicht nur persönlich lieb wäre, sondern sachlich als notwendig erscheint. Die mir auferlegte Antwort wird nur die sein dürfen, daß ich noch strenger als bisher die exegetische Arbeit in der von mir betonten Stoffnähe zu leisten habe. Wie wäre es, wenn ich mal ein Semester oder eine Sozietät über Textkritik abhielte und mich dabei nicht auf die glitzernden Paradestücke der textlichen Ueberlieferung von der Jungfrauengeburt, des Comma Johanneum usw. beschränkte? ....«(Brief vom 7.8.1932 aus den Unterlagen Traub).

ίο. Anlagen Anlage 16: Aus dem »Barathrum«, Juni 1927 »Gustav Mensching, Das heilige Schweigen. Eine religionsgeschichtliche Untersuchung. Gießen, Töpelmann, 1925. Vorwort S. V.: >Die vorliegende Schrift beschäftigt sich mit dem religionsgeschichtlichen Phänomen des > Heiligen Schweigens< in der Weise, daß sie versucht, nachfühlend den Reichtum religiöser Inhalte, die im Schweigen sich bergen, erkenntnismäßig zur Darstellung zu bringen ...< S. 12: >Es gilt Wesensschau zu treiben, das aber ist die Aufgabe letztlich intuitiven Erfassens, dessen Funktionsprizipien in irrationaler Tiefe verborgen sind ... < Cur bquaciter loqueris de arte tacendi?« (ThBl 6,1927,152).

Anlage 17: Aus dem Schreiben K. Barths an G. Dehn, 20.10.jp31 »Lieber Herr Dehn«, Sie fragen mich um Rat, ob Sie zu jener Dokumentenpublikation schreiten sollen? Nein, ich würde dies an Ihrer Stelle nicht tun. ... Weil ich es noch schöner fände, wenn unsere studentischen Fachschaften jetzt auch noch zur >Urteilsfindung< über Sie aufgefordert oder zugelassen würden. Und weil ich offengestanden nicht ganz durchschaue, warum Sie Ihrer Rechtfertigung vor den Leuten so intensiv - ich könnte auch sagen: warum Sie ihr nicht in ganz anderer Weise nachgehen wollen. Wollen sie nicht viel lieber einen schönen Aufsatz über irgend ein Thema der praktischen Theologie für die Theol. Blätter oder für ZdZ schreiben, in welchem Sie sie de facto als >wertvolles< Mitglied der theologischen Arbeitsgemeinschaft in Erinnerung rufen würden, während eine solche Aktenpublikation mit all dem alten Käse, der in den letzten Jahren für oder gegen Sie geschrieben worden ist, doch im besten Fall Eintagseindrücke veranlassen könnte und die Substanz Ihres Renommees auf keinen Fall vermehren würde. Nur schon um es Ihnen zu erleichtern ,νοη diesem m.E. heute mehr als je misslichen Unternehmen abzustehen, möchte ich Ihnen sagen, dass ich jedenfalls nicht dabei sein möchte. Ich sage dies doch auch darum, weil ich meine: Wenn Ihnen eine Apologia pro vita sua ein anabweisbares Bedürfnis ist, dann dürfen Sie dabei auf keinen Fall - >Prophete rechts, Prophete links< — von K.L. Schmidt und mir sich gleichsam über die Straße begleiten lassen« (Original im NL Dehn, Nr. 6, LKA Düsseldorf).

Anlage 18: »Evangelische Kirche und Völkerverständigung«. Eine Erklärung. Es gehört mit zu dem kirchlichen Dienste des Lehrers der Theologie, die Stellungnahme seiner Kirche und ihrer geistigen Führer in den großen Fragen des allgemeinen Lebens vor Gott zu durchdenken und, wenn es geboten erscheint, öffentlich ein klärendes Wort zu sprechen. Die Unterzeichneten fühlen sich zu

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ίο. Anlagen

einer solchen Erklärung verpflichtet im Blicke auf eine besondere Richtung der kirchlichen Arbeit, die jetzt immer stärker hervortritt: verantwortliche Männer in der deutschen Christenheit sind am Werke, die Kräfte des deutschen evangelischen Christentums und seiner Kirchen für die Arbeit an der Verständigung und Annäherung der Völker aufzurufen und einzusetzen. Auch wir halten es fiir eine klare Christenpflicht, daran zu arbeiten, daß die großen Kulturvölker sich besser verstehen lernen und die Politik ihrer Staaten in eine Bahn zu leiten beginnen, die der Schicksalsverflochtenheit zwischen ihnen entspricht. Voraussetzungfiiralle solche Verständigung ist aber strenge Klarheit und Wahrheit über die wirkliche Lage. Man muß das tatsächliche Verhältnis zwischen den Völkern ehrlich sehen. Es darf nicht der Schein und die Hoffnung einer Gemeinschaft dort vorgetäuscht werden, wo man in Wahrheit des anderen Lebensrecht nicht achtet und damit die Möglichkeit der Gemeinschaft zerstört. Das deutsche Volk ist in einem von ihm nicht gewollten, ihm aufgezwungenen Kriege niedergerungen und durch Friedensdiktat des Anteils an der Verwaltung von Raum und Gütern der Erde beraubt worden, den es braucht, um auch nur atmen und leben zu können. Es wird überdies durch Kriegskontributionen unter dem lügnerischen Namen der Wiedergutmachung bis zum Weißbluten ausgesogen. Alles das unter offenem Bruche der Zusagen, die ihm bei der Waffenniederlegung gemacht worden sind, und unter abermal offenem Bruch der im Friedensvertrage von jenen Nationen feierlich übernommenen Verpflichtung auf Abrüstung. Deutschlands Feinde aus dem Weltkriege fuhren also unter dem Deckmantel des Friedens den Krieg wider das deutsche Volk weiter und vergiften durch die darin liegende Unwahrheit die politische Lage so, daß Aufrichtigkeit und Vertrauen unmöglich werden. Das Ende dieses nun zwölf Jahre währenden neuen furchtbaren Krieges mitten im Frieden kann, wenn er auch nur kurze Zeit fortgesetzt wird, allein der Untergang unseres Volkes sein. In dieser Lage gibt es nach unserem Urteil zwischen uns Deutschen und den im Weltkriege siegreichen Nationen keine andere Verständigung als ihnen zu bezeugen, daß während ihres fortgesetzten Krieges wider uns eine Verständigung nicht möglich ist. Es gibt in unserer Lage vorerst keine andere aufrichtige Pflege der Gemeinschaft, als daß man ihren trügerischen Schein zerstört und das Verhältnis der anderen Nationen zu uns bei seinem richtigen Namen nennt. Wer diese wirkliche Lage, wer den Bruch der Gemeinschaft, den sie bedeutet, mit Worten oder durch sein Verhalten, verhüllt, der wird schuldig an allen denen innerhalb der anderen Völker, die das Rechte wollen: er tut nicht das Seine dazu, daß sie die Wirklichkeit des Schicksals sehen lernen, das ihre Völker dem deutschen Volke bereiten, er hilft die Verlogenheit der internationalen Lage erhalten und steigern. Der hier vertretene Grundsatz hindert nicht ein Zusammenkommen und Zusammenarbeiten mit einzelnen Gliedern der unser Leben bedrohenden Na-

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tionen an besonderen, begrenzten und dringlichen Aufgaben; die Schicksalsverflochtenheit bleibt unentrinnbar auch in dieser furchtbaren Lage. Es bleibt auch dem einzelnen seine Gewissensfreiheit, ob er über den klaffenden Riß hinweg unter offenem Vorbehalt und Bekenntnisse eben dieses Risses und Bruches, ein rein privates persönliches Verhältnis mit einzelnen aus jenen Nationen pflegen will. Das alles ist bestimmt begrenzt oder privat; indem es sich dessen bewußt ist, gefährdet es die Klarheit und Wahrhaftigkeit des öffentlichen Gewissens nicht. Aber Worte und Begegnungen können eine Oeffendichkeit und eine Grundsätzlichkeit gewinnen, die ihnen entscheidende Bedeutung ftir die Gestaltung des allgemeinen Gewissens gibt. Das ist überall dort der Fall, wo Vertreter deutscher Theologie oder deutschen Kirchentums von dem Verhältnis zwischen den Völkern und von der Verständigung verantwortlich reden oder mit Vertretern der Theologie oder des Kirchentums der uns aussaugenden und bedrückenden Nationen sich begegnen. Hier bekommt die Forderung volle Wucht: durch allen künsdichen Schein der Gemeinschaft hindurchzustoßen und rückhaldos zu bekennen, daß eine christliche und kirchliche Verständigung und Zusammenarbeit in den Fragen der Annäherung der Völker unmöglich ist, solange die anderen eine fiir unser Volk mörderische Politik gegen uns treiben. Wer da glaubt, der Verständigung heute anders dienen zu können als so, der verleugnet das deutsche Schicksal und verwirrt die Gewissen im Inlande und Auslande, weil er hier der Wahrheit nicht die Ehre gibt. Prof. D. P. Althaus, Erlangend tof. D. E. Hirsch, Göttingen. Zusatz des Herausgebers der ThBl. Unmittelbar vor dem Umbruch der Juni-Nr. der ThBl ist mir die vorliegende Erklärung zugegangen. In einem Begleitschreiben heißt es: »Die Erklärung geht nur einer sorgfältig begrenzten Auswahl von solchen Zeitschriften und Zeitungen zu, die dem einen oder dem anderen von den beiden Unterzeichneten, sei es nach ihrer vaterländischen, sei es nach ihrer kirchlichen Gesinnung nahestehen. Es ist anzunehmen, daß sie eine gewisse Diskussion hervorrufen wird. Als Datum des Erscheinens nennen wir Ihnen gleichzeitig den 2. Juni oder - bei nicht täglich erscheinenden Organen - die nächste nach dem zweiten Juni erscheinde Nummer. Wir bitten um ungekürzten Abdruck. Sollte ein solcher nicht möglich sein, so bitten wir, den Abdruck ganz zu unterlassene Es war mir kein Zweifel, daß ich im Hinblick auf die Bedeutung der beiden Verfasser ihrem Wunsche nach sofortigem Abdruck Folge zu leisten hätte. Indem ich bedauere, schon aus rein technischen Gründen nicht in der Lage zu sein, meine Stellungnahme näher zu begründen, möchte ich nicht versäumen, es auszusprechen, daß ich die Erklärung theologisch, kirchlich, politisch und menschlich fur unmöglich halte. Ihr Gewicht läßt sich zusammenfassen in dem Satz: deutsche Theologen müssen, wenn sie verantwortlich zu Theologen der uns feindlichen Völker re-

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den, unter allen Umständen und als conditio sine qua non aller weiteren Verständigung und Zusammenarbeit die Anklage gegen die von diesen Völkern seit 1914 gegen Deutschland geübte Politik zur Sprache bringen. Dieser Satz ist theologisch unmöglich, weil er der Natur den Primat gibt, der nur der Gnade zukommen kann, und darum übersieht, daß wir, gerade verantwordich denkend und redend, mit der Bereitschaft, auf den Nächsten zu hören, nicht darauf warten dürfen, daß der Nächste uns höre. Er ist kirchlich unmöglich, weil er die Einheit der Kirche unter dem unkirchlichen und darum unsachlichen Gesichtspunkt eines menschlichen Konflikts in Frage stellt. Er ist politisch unmöglich; denn wenn etwas Deutschlands Schicksal zu verbessern nicht geeignet ist, so werden es die in dieser Erklärung geforderten Anklagereden deutscher Theologen sein. Er ist menschlich unmöglich, weil es abgesehen von aller vom Evangelium und von der Kirche herkommenden Problematik als unerträglich zu bezeichnen ist, den Verkehr mit den Mitmenschen im Sinne dieser Erklärung unter das Zeichen eines einzigen noch so berechtigten Anliegens zu stellen.K.L.S.« (ThBl iO, 1931,177-179).

Anlage ip: »Frankfurter Zeitung«, 26.6.1951 »Auch Professor Deißmann, Rektor der Berliner Universität, wendet sich gegen die nationalistischen Theologen: >Es ist wertvoller, Klarheit und Wahrheit in der Aussprache mit anderen Völkern zu betätigen, als sie an den Schreibtischen der Heimat, fern von den Fronten des geistigen Völkerkampfes, von anderen zu fordern.< Und schließlich hat der deutsche Zweig des Weltbundes fur internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen den gegen seine Arbeit gerichteten Angriff energisch abgewehrt, indem er die Tatsache hinstellt, daß keine große Not des deutschen Schicksals, kein uns angetanes Unrecht im Weltbund unbeachtet geblieben ist. Die Erklärung der beiden Theologen zeuge von einer erstaunlichen Unkenntnis. Nun wissen die Professoren Althaus und Hirsch Bescheid.«

Anlage 20: Schreiben Schmidts an P. Althaus, n.p.iptf »Lieber Herr Althaus, daß ich nach langer Zeit wieder ein persönliches Wort von Ihnen gehört habe, freut mich so sehr, daß ich Ihnen sofort mit herzlichem Dank antworte.... Sie stimmen meinem Gegenwort gegen Buber so freundlich zu, daß ich mich an Ihrer Kritik vielleicht gar nicht zu stoßen brauchte. Aber es handelt sich in den beiden von Ihnen erwähnten Fällen nicht um Nebendinge. Daher muß ich doch ein Wort noch sagen. Ich gebe zu, daß meine Bemerkung über die Welt-

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geschichte in der Gefahr steht, eigene Metaphysik an die Stelle der nun mal hinzunehmenden Offenbarung Gottes zu setzen. Aber einmal sollte man nicht allzu ablehnend sein, wenn mal ein Theologe im Rahmen eines frommen Denkens einen gegen alles profane Denken gerichteten Gedanken — wagt. Ich stehe hier gegen Karl Barth zu Adolf Schlatter. Dabei steht, Gott sei Dank, Barth mehr bei Schlatter als bei den Existentialphilosophen Bultmann, Gogarten, Schumann. (Zu dieser Sache nachher noch ein Wort!) Und dann scheint mir, obwohl alles Geschehen, also auch Golgatha, Gottes Wille ist, ein Ernstnehmen der Entscheidung des fleischlichen Israels den Gedanken, daß durch dieses Israels Schuld die Weltgeschichte, so wie sie ist, in Gang gekommen ist, ohne weiteres einzuschließen. Daß Sie da nicht mitkönnen, liegt an Ihrem besonderen Begriff von Geschichte, den Sie sich m.E. nicht ohne weiteres von der Bibel geben lassen. Die gewiß gewaltige und großartige Weltgeschichte liegt im Schatten so gut wie unsere eigene kleine Menschengeschichte. Von hier aus ergibt sich gleich ein Wort zu Ihrem zweiten Einwand. >Betonung< und >Ueberbetonung< sind in der Tat Lieblingsausdrücke bei mir. Wenn ich ein philosophisches System vorzulegen hätte, so würde ich eine >Philosophie des Unbetontem schreiben. Daß ich damit einer Quantitätsbetrachtung huldigte, kann ich nicht zugeben. Mir kommt es ja gerade darauf an, mit Hilfe meiner vielleicht unvollkommenen Terminologie gegen alles Quantitative, das doch gerade im Bereich des Volkhaften und Völkischen jetzt wahre Orgien feiert, Front zu machen. Der Theologe muß m.E. allen Ernstes immer wieder an die strenge Wahrheit des Wortes denken, daß sich das Moralische von selbst versteht (deshalb ist die urchristliche Materialethik jüdisch, griechisch, spätantik, stoisch, allgemein menschlich), daß sich auch das Nationale von selbst versteht. In der menschlichen Gesellschaft und auch im Staat kommt es immer wieder vor, muß es immer wieder vorkommen, daß für diese Selbstverständlichkeiten starke Anstrengungen gemacht werden. Aber die Kirche Jesu Christi lebt nicht von diesen und in diesen Anstrengungen des - natürlichen Menschen. Sie lebt davon und darin, daß ihr gerade diese Anstrengungen problematisch sind. Beim Hitlerianismus ist dies das Schlimme, daß aus der Perspektive eines gegen Juden und Slawen kämpfenden Oesterreichers eine omnipotente Weltanschauung abgeleitet wird, die nun bei den Deutschen Christen in der Weise des Antichristen mitgemacht und zwar konstitutiv mitgemacht wird, während die römischkatholische Kirche mit dieser neuen Weltanschauung des neuen Reiches nur paktiert, was übrigens Rom von seiner Grundhaltung aus (natürliche Theologie!) erlaubt ist, aber nimmermehr Wittenberg mit seinem Kampf gegen Katholizismus und Schwärmertum. Weil uns Evangelischen ein bloßes Paktieren versagt ist, lassen wir uns, da wir die uns auferlegte schwere Gratwanderung nicht aushalten, lieber verschlingen und preisen dann noch unser sogenanntes Ernstnehmen unserer sogenannten Existenz als Glaubensgehorsam. Wir halten es nicht aus, daß die Rechnung nicht so schön aufgeht wie im Katholizismus mit

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seiner großartigen Synthese, und verfallen dem Schwärmertum, das niemals einen solchen Sieg gefeiert hat wie jetzt in der Deutschen Evangelischen Kirche des Hitlerstaates. Es läßt sich ja immer weniger leugnen, daß bei den Deutschen Christen die Schwärmer verschiedenster Herkunft die allein Maßgebenden geworden sind: soweit ich sehe, sind gerade die religiösen Sozialisten, die ich immer abgelehnt habe, umgefallen (ich habe darüber jetzt eine dokumentarische Korrespondenz mit Georg Wünsch gehabt); die liberalen Theologen und Kirchenleute erleben muntere Tage (ich brauche nur Wobbermin und Titius zu nennen). Dadurch daß respektable Denker wie Fezer, Gogarten, Hirsch, H.M. Müller, Schumann mitmachen, wird das Ganze noch schlimmer. Diese Leute erheben im Gegensatz zu den Liberalen immerhin einen theologischen Anspruch. Aber wie steht es mit der theologischen, der kirchlichen Substanz? Im Grunde feiert ein eigentümlicher Liberalismus seine Auferstehung, ein vorchristlicher, geradezu jüdischer Nomismus (Gogarten läßt sich allmählich von Stapel nicht mehr unterscheiden), zu dem dann das moralische Geschichtsethos eines Hirsch (Nachwirkung der unzulänglichen Lutherinterpretation bei Holl) und vor allem die Existentialphilosophie von Heidegger und auch von Griesebach her ihr freudiges Ja sagen.Eine Theologie, die sich - hier habe ich auch gegen Bultmann meine stärksten Bedenken - mit der Existentialphilosophie verkoppelt, kann nun so gut und schön gleichgeschaltet werden wie eine Rechtsauffassung, bei der an die Stelle des Rechtes die Macht gesetzt ist (Carl Schmitt!). Sicherlich ist allerlei Gläubigkeit da, aber nicht der Glaube an den auferstandenen Messias Jesus von Nazareth. Wie sehr wir evangelischen Theologen auf diesen articulus sehen müssen, der identisch ist mit dem reformatorischen articulus stands et cadentis ecclesiae, ist mir gerade im Gespräch mit dem Juden Buber aufgegangen. In einem Privatgespräch legte er mir die Frage vor, ob denn nicht das Christentum mancherlei blut- und bodenhaft Germanisches zersetzt habe. Man wird diese nackte Frage bejahen müssen. Es ist jedenfalls so, daß der Jude Buber, der viel von Israel weiß, der aber noch nicht genug von Israel weiß, den Deutschen Christen näher steht als — ich. Und dagegen haben wir unseren genannten articulus zu setzen, sonst nichts. Sie mögen mich fragen, lieber Herr Althaus, warum ich gerade Ihnen das alles schreibe, der Sie zu meiner wirklichen Freude nicht zu den Deutschen Christen gehören? Nun, ich habe Angst, daß Sie, der Sie nicht zu diesen modernen Schwärmern gehören, mit ihnen paktieren. ... Sie haben mir s.Zt. meine scharfen Worte gegen Hirsch übel genommen. Vielleicht denken Sie jetzt etwas anders darüber. M.E. kann der verkrampfte Hirsch, der immer wieder einen absonderlichen Amoklauf macht, nicht scharf genug angepackt werden. Mir flog jetzt das Diktum eines betont lutherischen Kollegen zu: >Hirsch hat die Nachtseiten des Lebens nie gesehen, weil er immer rechtzeitig zu Bett gebracht worden ist.< Mir scheint das richtig zu sein. Jedenfalls erkläre ich mir so seinen Perfektionismus und dann auch seine geradezu grandiose Humorlosigkeit. Ge-

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rade damit ist er ja ein typisches Glied des Dritten Reiches. Und mir scheint, daß Gottes Herren- und Vaterauge mit mehr Wohlgefallen auf meinen SPDFreunden ruht, die bei all ihren mehr oder weniger geklärten Programmen und Wünschen wirklich etwas mehr von der großen Störung in der Welt und Menschengeschichte wissen als die so grauenhaft sicheren NSDAP-Leute mit ihrer halb folgerichtigen Ausprägung in den Deutsch-Gläubigen (Rosenberg, meinetwegen auch Ludendorff)... Hoffentlich höre ich bald wieder von Ihnen. Was aus mir wird, ist höchst ungewiß. Im weiten deutschen Vaterland habe ich genug Feinde, die gerne dazu helfen werden, mich aus meiner jetzigen Berufsarbeit auszuschalten. Ich warte ab und arbeite weiter.Mit herzlichen Grüßen Ihr sehr ergebener (gez.) K.L. Schmidt« (Original im Privatnachlaß Althaus, Nürnberg).

Anlage 21: Aus dem Schreiben Schmidts an Seeberg, 18.1.1931 »Lieber Herr Seeberg, Ihren Eilbrief vom 17.1. kann ich nunmehr gleich beantworten, nachdem ich soeben mit unserem Dekan Goeters gesprochen und ihn davon überzeugt habe, daß sich unsre Fakultät Ihrer Fakultät anschließen muß, daß also jetzt kein a.o. Fakultätentag stattfinden soll. Der einzige Bonner, der Schwierigkeiten machen wird, dürfte Hölscher sein, der, wie ich habe läuten hören, an den Minister geschrieben hat, daß er >Marburger< sei. Uebrigens ist bei unserem Dekan weder eine Einladung zu dem a.o. Fakultätentag noch das Schreiben Ihrer Fakultät eingegangen. Ich nehme an, daß morgen beides vorliegen wird. Die Bedenken, die ich in meinem Brief vom 15.1. gegen einen Fakultätentag geäußert habe, haben Sie sehr verstärkt. Ich stimme Ihren zwingenden Darlegungen durchaus zu... Fraglich ist mir... nun, ob man einen Fakultäten tag, der gegen den Protest einer Minderheit stattfindet, nicht beschicken soll. ... Es dürfte wohl nicht sicher sein, daß ein von der Mehrheit beschlossener Fakultätentag keine Legalität hat.... Die Marburger werden jedenfalls versuchen, durch einen Fakultätentag ihre Basis zu vergrößern. Und ganz aussichtslos erscheint mir das nicht. Es wird und kann ja wohl nicht dahin kommen, daß für Altpreußen die im Konkordat vorgesehenen Bestimmungen fallengelassen werden, obwohl offenbar das Ministerium ganz gerne sehen würde, wenn nun auch noch die altpreußischen Fakultäten Schwierigkeiten machen. Aber eins kann bei einem solchen Fakultätentag herauskommen: Vertreter altpreußischer Fakultäten sympathisieren mit den Marburgern. Auf diese Weise kriegt Marburg unter Umständen eine Sonderstellung bewilligt. Dann folgt Kiel und gar auch Göttingen unter dem Gesichtspunkt, daß bei ihnen dieselbe Rechtslage wie bei Marburg vorliegt und sie nicht Fakultäten zweiten Ranges werden wollen. Das ist zwar ein rein universitätspolitischer Gesichtspunkt abseits von Theologie und Kirche. Er kann

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aber und wird geltend gemacht werden. Es ist jedoch nicht einzusehen, warum dann alle altpreußischen Fakultäten sozusagen die Stellung von zweitrangigen Fakultäten einnehmen sollen. Wie ich Ihrem Brief entnehme, werden nun doch die Demokraten bei der Stange bleiben. Dann kann und muß mit dem Argument gearbeitet werden, daß es in Preußen nicht zwei Sorten von Theologischen Fakultäten geben darf (>Gleichheit vor dem GesetzDeutschen Volkstums< gemehrt worden ist. Bei der Verbreitung, die diese Zeitschrift in weitesten >nationalen< theologischen und kirchlichen Kreisen hat, muß hier ein Wort gesagt werden. Meinem Vorschlag, daß Sie selbst dieses Wort in den T h B l oder in Z d Z (d.i. »Zwischen den Zeiten«, A.M.) oder meinetwegen auch in der Reformierten Kirchenzeitung< sagen sollten, wollen Sie offenbar nicht folgen. Es sollte dann aber dafür gesorgt werden, daß ein anderer das Wort nimmt. Ich werde mich bemühen, einen Kirchenhistoriker oder Systematiker zu finden. Leider muß ich befürchten, daß ich keinen finde. ... M . E . sollten die paar Theologen, die gerade jetzt in dieser Sache nicht nachgeben, alles nur Denkbare tun, die Beule aufzustechen (Original im KBA, Basel).

Anlage 24: Aus dem Schreiben Schmidts an K. Barth, 12.2.19a »Sie haben neulich in unserem Gespräch nicht auf den Ewigkeitswert Ihrer Dogmatik hingewiesen, aber doch wohl auf ihren Säkulums- oder Dezenniumswert. Ich kann mit diesem an sich korrekten Hinweis nicht alles zudecken. Ist es nicht so, daß man wirklich nicht recht arbeiten kann, ich meine: in äußerer und innerer Ruhe arbeiten kann, wenn vorm Haus Leute stehen, die Bomben aufs Dach werfen?« (Original im KBA, Basel).

Anlage 25: Aus dem Schreiben Schmidts an K. Barth, 24.4.19a Schmidt lehnt es entschieden ab, »daß Sie (d.i. Barth, A.M.) in diesem Zusammenhang mein Stadtverordnetenmandat überbetonen. Wie sollte ich auch nur auf den absonderlichen Gedanken verfallen, daß Sie sich mit mir gerade als dem Bonner Stadtverordneten solidarisch erklären möchten? Es handelt sich vielmehr um die Solidarität mit einem Kollegen, bei dem diese Stadtverordnetensache eine Auswirkung der SPD-Mitgliedschaft als einer rein praktisch-politischen Haltung ist. Neu ist mir, daß Sie mir von diesem Mandat abgeraten

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hätten. Unser damaliges Telefongespräch drehte sich nur um die Frage, ob ich genug Zeit und Kraft zu dieser Arbeit hätte. Voilä tout! Wir waren uns aber doch darin einig, daß man in einer konkreten Aufgabe, die einem die eigene Partei in einer für sie besonders schweren Lage übertragen will, nicht ohne weiteres entziehen darf. Mein einziges >Pech< war, daß die Genossen an mich und nicht etwa an Sie dachten ... Es erscheint mir abwegig, daß Sie meine politische Haltung in ein so grelles Licht rücken ... Lieber Herr Kollege Barth, mir kommt es in dieser Gegenrede nicht darauf an, Sie auch nur von ferne um eine Aktion der Solidarität zu bitten. Das ist vorbei. Gegenüber einem Einspänner, dessen besondere Kraft zu verkennen mir nicht einfällt, m u ß ich mich darauf beschränken, meinen Widerspruch zu den Akten zu geben. Man fragt sich, ob es für Sie nicht angemessener wäre, der SPD Valet zu sagen oder längst gesagt zu haben. Sie sprechen, wohl Ihrem Schweizer Idiom folgend, von Ihrem Parteibüchlein. Mir ist nur geläufig die Rede vom Parteibuch. Und dieses Parteibuch mit seinen Verpflichtungen der Vergangenheit und vor allem der Zukunft gegenüber ist, äußerlich gesehen, ein dünnes Büchlein, aber potentiell fur uns gerade um der Kirche willen eine Sache von starkem Gewicht, das es nicht zuläßt, auch nur ein Minimum von Loyalität einem faschistischen Regime gegenüber zu betonen. Wir schulden Gehorsam der Obrigkeit gegenüber. Aber die Kirche kann und darf dem Faschismus in seiner unabirrbaren Zwangsläufigkeit das Prädikat der Obrigkeit nicht ohne weiteres zuerkennen. Wenn die jetzt furchtbar drohende Gleichschaltung der Evangelischen Kirche kommt, wie sie jetzt bereits in Mecklenburg eingeleitet ist, dann m u ß man aus dieser Kirche, deren >Bekenntnis< nur das Volkstum ist, austreten, womit man dem Faschismus in sehr eindeutiger Weise den Kampf ansagt, obwohl er das Rdgime übernommen hat« (Original im KBA, Basel).

Anlage 26: Stellungnahme E. Pfennigsdorfi, ip.i.ip40 Er habe »der theologischen Aufgabe gelebt, der Kirche Jesu Christi im Sinne einer evangelischen Volkskirche zu dienen In allen diesen Stellungen ist mir der Gedanke einer staatsnahen Kirche etwa im Sinne der High Church of England richtungsgebend gewesen. Weil ich für diesen Gedanken bei den Deutschen Christen mit ihrem Streben nach einer Volkskirche Verständnis fand, bin ich ihnen beigetreten und zwar der älteren rein religiösen Richtung (Dr. Kinder). ... Der nationalsozialistische Staat führte gemäß seinen Grundsätzen von sich aus in der evgl. theol. Fakultät wie auch anderwärts aus politischen Gründen einige Veränderungen durch. Die Fakultät hatte damals 6 der sozialdemokratischen Partei angehörige oder ihr nahestehende Dozenten. Der Erziehungsminister nahm an einer solchen Zusammensetzung der Fakultät Anstoß und verfugte einige Veränderungen.

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Gegen Prof. Barth wurde wegen der Verweigerung des Beamteneides ... ein Diziplinarverfahren eingeleitet, das dann schließlich zu seiner Entlassung führte. Es ist durch Barths eigenes Verhalten hervorgerufen und durch die dem Dekan vorgeordneten Instanzen ohne Beteiligung des Dekans durchgeführt worden. - Verschiedene andere Professoren (wie Weber und Goeters) sind wegen ihrer Teilnahme an den illegalen, von dem Minister verbotenen Prüfungen der B.K. versetzt worden, weil sie sich dadurch in Widerspruch zu der betr. staatlichen Verfugung setzten. Prof. Weber ist dann später aus den gleichen Gründen in Münster emeritiert worden. Diese Professoren haben mit ihrem Ansehen die studentische Boykottbewegung einer kirchenpolitischen Gruppe unterstützt, welche das Ziel hatte, alle andersdenkenden Dozenten, auch die neutralen, als Lehrer der theologischen Jugend unmöglich zu machen. Die Folgen, die durch das Einwirken dieser kirchlichen Gruppe mit ihren politischen Methoden herbeigeführt wurden, waren verhängnisvoll: Auflösung der Kameradschaft unter den Studenten, der Kollegialität unter den Dozenten, des Vertragens zwischen Studenten und Professoren, Verflachung des wissenschaftlichen Studiums durch die Ablenkung auf die Kirchenpolitik. Ich habe als Dekan unter diesen Dingen schwer gelitten und immer versucht, die Kirchenpolitik von der Fakultät fernzuhalten. Leider fand ich nicht bei allen Dozenten den Willen, eine unpolitische Haltung der Fakultät zu wahren« (Original in der Personalakte Pfennigsdorf, 13, UA Bonn).

Anlage 27; Aus dem Schreiben Schmidts an Barth, 24.4.1933 »Nehmen wir einmal an: Tillich, der als Kairos-Philosoph-Theolog dem neuen Kurs wahrhaftig näher steht, als das bei Ihnen der Fall ist, Tillich, fiir den sich eine fuhrende NSDAP-Studentin als seine Schülerin bei den maßgebenden Instanzen eingesetzt hat, hätte auch einen solchen Brief wie Sie an den Herrn Minister richten können, einen Brief, der dann auf >fruchtbaren< Boden gefallen wäre. Er war jedenfalls nahe daran, neulich in Berlin eigenbeinig in die Höhle des Löwen zu gehen, d.h. dem neuen Hochschulreferenten Achelis einen Besuch zu machen. Da ich solche Gleichschaltungsmanöver und alles, was auch nur von ferne darnach aussieht, ablehne, habe ich Tillich dringend von seinem Vorhaben abgeraten. Er ist meinem Rat gefolgt. Vielleicht hätte er sich sonst >retten< können« (Original im KBA, Basel).

Anlage 28: Schreiben Wolfi an K.L. Schmidt, 20.2.1947 »Bezeichnend (fur Thieme, A.M.) ist ja, daß er zu jenem Kompromißvorschlag imstande ist, Du solltest Dich mit Kittel in die Herausgeberschaft des ThWb.

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teilen. Daran würde ich, auch nicht, wenn ich ganz schwer unter Alkohol gesetzt würde (was man sich manchmal wünscht), denken können. Es ist ganz unmöglich. Kurt Müller ist ein seltsamer cunctator. Es wäre m.E. das Beste gewesen, auch in der Situation von 1945 fiir das ThWb. sofort bestimmte Fakten zu schaffen, die dann eine planmäßige Weiterarbeit gewährleistet hätten. Ich hatte es mir so gedacht, auch K.Müller gegenüber vertreten, daß Du in der Tat das ThWb. nach Wiederherstellung des Rechtzustandes übernimmst in der Weise, daß, da ein wirklich namhafter NTler als Herausgeber figurieren muß, Dein Name an dieser Stelle erscheint, daß Du aber in der praktischen Arbeit... sozusagen nur die strategische Leitung ausübst, während andere, geschickte und brauchbare Leute, u.U. der sehr anstellige Bauernfeind, im einzelnen assistieren, man u.U. eine irgendwie brauchbare jüngere Kraft aus Deinem Schülerkreis (Ed. Schweizer, Bieder o.a.) als ständigen Sekretär engagiert. Aber auch K.Müller kann den Elan zu einem solchen Vorgehen nicht aufbringen, und ich fürchte von Woche zu Woche mehr, daß Kittel am Ende wieder dort erscheint. Die >Auferstehung< dieser Toten ist eben doch hart zu ertragen« (zitiert aus einem Brief Schmidts an Karl Barth vom 15.3.1947, Kopie im N L K.L.S., Frenkendorf)

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

I. UNVERÖFFENTLICHTE QUELLEN i. Nachlässe, die für die vorliegende Darstellung eingesehen wurden: -

Privatnachlaß Paul Althaus, Nürnberg. Nachlaß Karl Barth, Basel. Nachlaß Rudolf Bultmann, UB Tübingen. Nachlaß Günther Dehn, LKA Düsseldorf. Nachlaß Adolf Deißmann, Stadtbibliothek Berlin. Nachlaß Georg Eichholz, Dossenheim. Nachlaß Ernst Fuchs, Pfullingen. Nachlaß Friedrich Gogarten, Göttingen. Nachlaß Adolf Jülicher, UB Marburg. Nachlaß Paul Kahle, UB Bonn. Nachlaß Fritz Lieb, UB Basel. Nachlaß Ernst Lohmeyer, GStA Dahlem. Nachlaß Erik Peterson, UA Turin. Nachlaß Martin Rade, UB Marburg. Nachlaß Karl Ludwig Schmidt, Frenkendorf. Nachlaß Friedrich Siegmund-Schultze, Evangelisches Zentralarchiv Berlin. Nachlaß Erich Seeberg, Bundesarchiv Koblenz. Nachlaß Theodor Siegfried UA Marburg. Nachlaß Herrmann Strathmann, LKA Nürnberg. Nachlaß Adolf v. Harnack, Staatsbibliothek preußischer Kulturbesitz zu Berlin. Nachlaß Ernst Wolf, Bundesarchiv Koblenz. Privatnachlaß Ernst Wolf, Münsingen.

Weiter wurden Materialien aus folgenden Archiven verwendet: -

Gemeindearchiv des Ev. Kirchenkreises Bonn. Dekanatsarchiv der Ev.-Theol.-Fakultät Bonn. Hauptstaatsarchiv NRW, Düsseldorf. Universitätsarchiv Basel. Universitätsarchiv Bonn.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

— Universitätsarchiv Gießen. — Universitätsarchiv Jena. Hinzu kommen private Archivalien aus dem Besitz von: — Werner Georg — Hellmut Traub.KümmeL 2. Gesprächsnotizen (ohne Telefongespräche): -

Eberhard Bethge vom 10.6.1992; 22.7.1993. Antje Bultmann-Lemke/Gesine Dießelhorst vom 6.1.1993. Otto Dudzus vom 9.1.1993. Karl Fuhr vom 19.10.1993. J.F. Gerhard Goeters vom 24.6.1991. Augusta und Werner Georg Kümmel vom 2.6.1992; 6.7.1992; 30.11.1992; 7.3.1993; 16.5.1993; 14.12.1993. Wolfgang Scherffig vom 6.8.1993. Ruth und Martin Anton Schmidt vom 15.6.1991; 24.8.1991; 23.11.1991; 15.3.1992; 15.8.1992; 20.2.1993; 23.-26.7.1993. Hellmut Traub vom 19.2.1993. Peter Walter vom 23.10.1993.

3. Briefe an den Verfasser (Aufgenommen wurden nur Briefe mit überwiegend themenbezogenem Inhalt) -

Gerhard Althaus: 13.8.1992; 11.12.1992. Eberhard Bethge·. 25.6.1991; 21.3.1992; 21.10.1992; 6.7.1993. Werner Bieder. 25.3.1993; 11.4.1993; 4.5.1993; 12.5.1993; 8.7.1993; 23.7.1993. Hans Bietenhard: 2.8.1993; 23.8.1993; 8.10.1993. Elisabeth Bizer. 16.1.1993. Ehrentraut Bohrern 30.1.1993; 8.5.1993; 15.5.1993. Marianne Bultmann: 1.11.1991; 22.11.1991. Oscar Cullmann: 25.10.1992. Erika Dinkier - v.Schubert 19.1.1992. Otto Dudzus: 2.7.1991; 12.11.1991; 2.4.1992; 22.5.1992; 16.11.1992; 12.1.1993. Karl-Heinz Fix. 1.12.1992. Hermann Götz Göckeritz: 23.8.1991; 3.9.1991; 3.12.1991. J.F. Gerhard Goeters·. 2.7.1991; 8.3.1992; 11.6.1992. Martin Greschap. 7.9.1991. Wolfgang Harnisch. 30.8.1992. Hans Hirsch: 2.5.1992.

Quellen- und Literaturverzeichnis -

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EberhardJüngek 28.9.1992. Ulrich Kubitz 7.7.1991. Ernst Käsemanm 11.8.1992. Friedrich Wilhelm Kantzenbacfr. 14.7.1991. Walter Krechr. 11.5.1992. Werner Georg Kümmel: 18.7.1991; 1.9.1991; 16.10.1991; 12.1.1992; 10.2.1992; 14.3.1992; 22.3.1992; 8.5.1992; 19.5.1992; 21.6.1992; 17.8.1992; 26.8.1992; 31.8.1992; 21.11.1992; 2.3.1993; 3.5.1993; 2.7.1993; 21.7.1993; 15.8.1993. Friedrich-Wilhelm Marquardt 23.2.1992. Otto Michel·. 26.9.1992; 8.10.1992. Barbara Nichtweiß: 3.2.1993; 20.2.1993; 19.3.1993. Wolfgang Trillhaas. 5.5.1992. Veronika Schaufer. 7.10.1992; 28.10.1992. Wolfgang Scherffig. 17.1.1993; 28.1.1993; 23.2.1993; 17.4.1993; 7.6.1993; 2.7.1993. Martin Anton Schmidt. 21.5.1991; 25.7.1991; 5.9.1991; 19.9.1991; 26.9.1991; 2.10.1991; 10.10.1991; 30.12.1991; 12.10.1992; 25.10.1992; 16.11.1992; 18.11.1992; 20.11.1992; 14.12.1992; 28.12.1992; 14.1.1993; 23.4.1993; 27.4.1993; 22.6.1993; 3-7-1993; 5-7-1993Eduard Schweizer. 16.1.1992; 30.7.1993. Klaus Seybold. 24.3.1992. Ekkehard Stegemann: 15.3.1992. Christoph Strohm: 2.8.1991. Hellmut Trauk 19.1.1993; 23.1.1993; 26.1.1993; 29.1.1993; 28.2.1993. Peter Walter. 11.4.1993; 14.5.1993; 27.5.1993; 3.12.1993. Günter Wirtb. 1.5.1992; 22.5.1992; 7.8.1992; 18.8.1992; 27.8.1992; 21.9.1992; 15.10.1992; 16.12.1992. Uvo A. Wolf. 2.3.1993; 29.6.1993. II. GEDRUCKTE QUELLEN UND LITERATUR

Assel, H., Der andere Aufbruch. Die Lutherrenaissance - Ursprünge, Aporien und Wege: Karl Holl, Emanuel Hirsch und Rudolf Herrmann, FSÖTh 72, 1994. - ders., »Barth ist entlassen ...« Emanuel Hirschs Rolle im Fall Barth und seine Briefe an Wilhelm Stapel, ZThK 91, 1994, 445-475. Barth, K. - Bultmann, R., Briefwechsel 1922-1966, Karl-Barth-Gesamtausgabe V. Briefe, Zürich 2i988. - ders. - Rade, M., Ein Briefwechsel. Mit einer Einleitung herausgegeben von C. Schwöbel, Gütersloh 1981. - ders. — Thurneysen, E., Briefwechsel 2 (1921-1930), Karl-Barth-Gesamtausgabe V. Briefe, Zürich 1974.

250 -

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Die Arbeiten von Karl Ludwig Schmidt wurden nicht gesondert aufgeführt; diese finden sich übersichtlich in der von Martin Anton Schmidt angefertigten Bibliographie Karl Ludwig Schmidt, in: Karl Ludwig Schmidt, Neues Testament - Judentum - Kirche, TB 69. Neues Testament, 1981, 307-321. Abkürzungen erfolgen nach Siegfried Schwertner, IATG 2 , 1992. Zusätzlich aufgeführte Abkürzungen sind: BA = Bundesarchiv HStA = Hauptstaatsarchiv KBA = Karl-Barth-Archiv LKA = Landeskirchliches Archiv NL = Nachlaß UA = Universitätsarchiv

w DE

G

Walter de Gruyter Berlin · New York

Bernd Andresen

Ernst von Dryander Eine biographische Studie 23,0 χ 15,5 cm. IX, 435 Seiten. Mit einem farbigen Frontispiz und zwei Abbildungen. 1995. Ganzleinen DM 198,- / öS 1.545,- / sFr 190,ISBN 3-11-014814-5 (Arbeiten zur Kirchengeschichte, Band 63) Über die Darstellung von Persönlichkeit und Wirken des letzten preußischen Oberhofpredigers und 'Primas' des deutschen Protestantismus seiner Zeit werden Ein- und Ausblicke in die Kirchengeschichte und die Hofatmosphäre - insbesondere der drei im eigentlichen Sinne "wilhelminischen" Jahrzehnte - vermittelt. Die Studie zeigt auf, wie sich die gegenseitig stützende und schützende Wechselwirkung von 'Thron und Altar' im Selbstverständnis der handelnden Personen konkret niedergeschlagen hat.

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