Kapitalmarktrecht : Das Recht der Finanzinstrumente 9783814558776, 3814558774

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Kapitalmarktrecht : Das Recht der Finanzinstrumente
 9783814558776, 3814558774

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Litten Kapitalmarktrecht

RWS-Skript 393

Kapitalmarktrecht Das Recht der Finanzinstrumente 2022

von RA Dr. Rüdiger Litten, Frankfurt/Main

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG ˜ Köln

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Meiner Frau Dorothea und unseren Kindern als Dank für Nachsicht und Zutrauen

Vorwort Schönheit ruht in der Ordnung1) Der Kapitalmarkt ist ein zentraler Gegenstand europäischer (und deutscher) Politik; er wird als elementar für die weitere Entwicklung Europas und des Wohlstands seiner Völker angesehen.2) Das Kapitalmarktrecht hat sich in den letzten 30 Jahren von einer eng umrissenen Materie für Spezialisten zu einem Kernbestandteil des Wirtschaftsrechts entwickelt. Entstanden ist ein (hochwertiges) Rechtssystem, das einen auf Prinzipien beruhenden Ordnungsrahmen3) schafft für voraussehbare und nachvollziehbare Regelungen in den beiden großen Aufgabenbereichen der Kapitalmarktregulierung, der Gewährleistung der Kapitalmarktstabilität und des Anlegerschutzes. Im Zuge der Reformen nach der Finanzkrise 2008 hat der Gesetzgeber fast alle in diesem Buch dargestellten Rechtsmaterien irgendwie angepackt. Anzahl und Volumen der Kapitalmarktgesetze haben substanziell zugenommen.4) Bei allem Notwendigen und Guten, das dabei erreicht wurde, ist die größte He___________ 1)

2) 3)

4)

Schmitthenner, Architekt, in einer Rede gehalten vor dem Orden Pour le mérite, abgedruckt in einem Gedenkbuch gleichen Titels zum 100. Geburtstag des Autors, S. 151 (Bremen 1984). Paul Schmitthenner (1884–1972) war beileibe keine unumstrittene Person. Sein größter Fehltritt war die (anfängliche, aber rasch zurückgezogene) Unterstützung der Nationalsozialisten. Als Mottogeber für dieses Buch (und generell als Vorbild für Juristen) taugt er trotzdem – wegen seines Sinnes für Tradition bei gleichzeitigem Streben nach origineller Fortentwicklung des Überkommenen und der Bewunderung für das Einfache und Klare. All das – und insbesondere die in der Ordnung ruhende Schönheit – zeigt sich in Schmitthenners architektonischen Werken, die sich dieses Buch diesbezüglich zum Vorbild nimmt. EU Kom-VÖ-Aktionsplan Kapitalmarktunion-2015, S. 3: Die Schaffung eines echten Binnenmarktes für Kapital ist eine der zentralen Prioritäten der EU. Dieser Ordnungsrahmen verdient durchaus das Attribut der schmitthennerschen Schönheit, die an den platonischen Schönheitsbegriff anknüpft, wonach schön ist, was durch Ordnung, Maß und Proportion gekennzeichnet ist, und Schönheit sich an Körpern zeigen, aber auch in Sitten, Gesetzen und Wissenschaften finden lassen kann (Platon, Symposion 210 c). Das Kapitalmarktrecht hat in vielerlei Hinsicht eine bewundernswerte Systematik, die sich gerade im Grundgesetz des europäischen Kapitalmarkrechts, der MiFID, offenbart. Die kapitalmarktrechtliche Systematik in ihrer ganzen Schönheit darzustellen, ist ein Anspruch dieses Buches. Dabei zeigen sich zunehmend zwei Probleme. Zum einen, dass die gesetzlichen Regelungen immer präziser und damit einzelfallbezogener werden – das hat den Nachteil, dass – wie schon die Mütter und Väter des BGB und Kritiker des Allgemeinen Preußischen Landrechts wussten – die Gesetze wegen sich wandelnder Umstände schnell veralten und ihre häufigen Reformen der Realität hinterherhecheln. Zum anderen weiß in Zeiten gesteigerter Regulierungsaktivität womöglich die rechte Hand des Gesetzgebers nicht immer, was die linke tut und dabei entsteht die Gefahr, dass die wichtigste im Finanzwesen zu haltende Balance verloren geht, nämlich diejenige zwischen Risikoreduzierung und volkswirtschaftlicher Wachstumsförderung. Es ist ein Anspruch dieses Buches, diese beiden Probleme an geeigneter Stelle aufzuzeigen und Lösungswege zumindest anzudeuten.

VII

Vorwort

rausforderung für den Kapitalmarktrechtler5) heute, den Überblick zu behalten und die Zusammenhänge zwischen einzelnen Regelungsfeldern des Kapitalmarktrechts zu erkennen. Das gilt für den Studenten ebenso wie für den Praktiker.6) Der zentrale Anspruch dieses Buches ist deshalb, dem interessierten Leser diesen Überblick zu verschaffen und gleichzeitig einen hinreichend detaillierten Einblick in die einzelnen Regelungsmaterien zu gewähren.7) Dem Spezialisten soll das Buch darüber hinaus – wenn an vielen Stellen auch nur kurz und nicht selten in Fußnoten – ein Kompendium der aktuellen Fragen der Kapitalmarktrechtspraxis sein. Mit dem Untertitel (das Recht der Finanzinstrumente) kommt zum Ausdruck, dass es in diesem Buch nicht vornehmlich um das Kapitalmarktgesellschaftsrecht – also dem Recht der (börsennotierten) Aktiengesellschaft – geht, sondern um die Regulierung des Kapitalmarkthandels, die ihren Ausgang in der Definition der Gegenstände dieses Handels – eben den Finanzinstrumenten – nimmt. Um ein vollständiges Bild zu gewinnen, darf dabei nicht nur die Regulierung i. e. S. – also das Kapitalmarktaufsichtsrecht – betrachtet, sondern es müssen auch die zivil- und strafrechtlichen Aspekte des Kapitalmarkts einbezogen werden. Aus dem vorstehend genannten inhaltlichen Programm resultiert eine Gliederung des Buches in drei Hauptabschnitte: Aufsichtsrecht, Zivilrecht und Sanktionenrecht, denen eine Einführung voran- und einige tabellarische Über___________ 5)

6)

7)

Der Autor bittet um Nachsicht dafür, dass in diesem Buch aus Gründen der besseren Lesbarkeit nur die männliche grammatische Form verwendet wird, die aber selbstverständlich sämtliche Kapitalmarktrechtlerinnen, Leserinnen, Studentinnen etc. miteinschließt. Aus Gründen der besseren Verständlichkeit (und der vom Juristen anzustrebenden sprachlichen Präzision) wird auch auf die Verwendung der Verlaufsform (z. B. Studierende) verzichtet. Meine Erfahrungen als Rechtsanwalt und als Dozent am Institute for Law and Finance (ILF) der Frankfurter Goethe Universität lehren mich, dass, obwohl es Anwalt und Student gleichermaßen um die Gewinnung von Rechtserkenntnis geht, die Anforderungen beider an diesen Vorgang doch häufig ganz unterschiedlich sind. Während Anwälte (bzw. ihre Mandanten) den praktischen, stark ergebnisorientierten Zugang zum Recht suchen, ist für Studenten die systematische und Zusammenhänge aufzeigende Herangehensweise wichtig. Dabei schließt das eine das andere natürlich nicht aus und so ist es auch hinsichtlich dieses Aspektes der Anspruch des vorliegenden Buches, beide Seiten angemessen zur Geltung zu bringen bzw. These und Antithese dialektisch zur Synthese zu vereinen. Dies gilt umso mehr, als es die Kernaufgabe der Rechtswissenschaft ist, das Recht übersichtlich darzustellen. Das materielle Recht als solches ist häufig schnell beschrieben. Eigentlich lässt es sich in Kurzformeln wie z. B. den zehn Geboten des Alten Testaments recht umfassend darstellen. Die Grundregeln zu einem System zusammenzufügen, mit dessen Hilfe voraussehbare Lösungen für Konfliktfälle gefunden werden können, und Regeln und System anschaulich und auch für den Laien verständlich zu beschreiben, darin liegt die große Kunst. Wenige Juristen haben dies so klar herausgearbeitet wie Fritjof Haft in seinem Standardwerk Einführung in das juristische Lernen, in dem er dem Studenten klarmacht, dass er besser den Normalfall lernen und nicht die Steckenpferde seines Lehrers reiten solle. Ein juristisches Lehrbuch, das diese Erkenntnis perfekt umsetzt, ist die Einführung in das Insolvenzrecht von Reinhard Bork, dem darin nachzueifern sich der Autor dieses Buches zum Ziel gesetzt hat.

VIII

Vorwort

sichten nachgestellt sind. Ergänzt wird dieses Programm um einen Abschnitt zur Digitalisierung des Kapitalmarkts. Das Buch ist aus der Perspektive europäisch-deutscher Rechtsanwendung geschrieben. Materiell besteht das in Deutschland anwendbare Kapitalmarktrecht heute überwiegend aus EU Recht. Allerdings ist häufig eine Umsetzung der europäischen Rechtsnormen in nationale (in unserem Fall: deutsche) Gesetze erforderlich, und ein großer Teil der Kapitalmarktaufsicht wird von nationalen Behörden wahrgenommen. Beide Rechtssysteme – das europäische und das deutsche – verlangen deshalb nach miteinander verknüpfter Darstellung; auch diese Verknüpfung versucht dieses Buch zu leisten.8) Ein Urteil darüber, ob das Buch die vorstehend formulierten Ansprüche einzulösen vermag, bleibt dem Leser vorbehalten. Der Autor bedankt sich im Voraus für Kritik und Hinweise auf Fehler und Ungenauigkeiten des Buches (die, so steht trotz aller aufgewandter Sorgfalt zu befürchten, nicht ausgeblieben sein werden).

Frankfurt/Main, im Juli 2022

Rüdiger Litten

___________ 8)

Deswegen wird in den Fußnoten i. d. R. zunächst Bezug auf die europäischen Normen genommen, aber deutsche (Umsetzungs-)normen daneben aufgeführt.

IX

Inhaltsverzeichnis Rn.

Seite

Vorwort ......................................................................................................... VII Benutzerhinweise ........................................................................................ XXI Abkürzungsverzeichnis .......................................................................... XXIII Literaturverzeichnis ................................................................................. XXXI A. Der Kapitalmarkt und sein Recht ............................................. 1 ........ 1 I.

Grundbegriffe des Kapitalmarktrechts ........................................ 2 ........ 1

II. Kapitalmarktrechtsgeschichte ...................................................... 9 1. Regulierung des Kapitalmarkts in der EU und Deutschland ........................................................................... 9 2. Die Finanzkrise 2008 als moderne Zeitenwende ............... 12 a) Der Schwarze September 2008 ................................... 13 b) Vergleich mit der 1930ger Weltwirtschaftskrise ........ 16 c) Welche Probleme zeigt die Finanzkrise 2008 auf? .... 19 d) Finanzaufsichtsrechtliche Reaktionen ....................... 20

........ 4

III. Kapitalmarktrechtsmaterien ....................................................... 1. Kapitalmarktaufsichtsrecht ................................................. 2. Kapitalmarktzivilrecht ........................................................ 3. Insolvenzrecht ..................................................................... 4. Kapitalmarktsanktionsrecht ...............................................

22 23 24 25 26

...... ...... ...... ...... ......

IV. Kapitalmarktrechtsquellen ......................................................... 1. Europäisches, deutsches und internationales Recht ......... a) Vorrang und Subsidiarität des EU Rechts ................ b) Umfang und Prinzipien des EU Kapitalmarktrechts ............................................................................ c) Nationales (deutsches) Recht ..................................... d) Internationales Recht .................................................. 2. Rechtssetzungsverfahren und Hierarchie der Normen ...

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........ 4 ........ 6 ........ 7 ........ 9 ...... 10 ...... 11

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V. Moderne Kapitalmarktrechtstrends .......................................... 34 ...... 22 B. Kapitalmarktaufsichtsrecht ...................................................... 37 ...... 25 I.

System und Prinzipien des Finanzaufsichtsrechts .................... 38 ...... 25 1. Die drei Säulen der Finanzaufsicht .................................... 39 ...... 25

XI

Inhaltsverzeichnis Rn.

2.

3.

4.

Ziele des Finanzaufsichtsrechts .......................................... a) Stabilität durch Risikomanagement und Schutz der Integrität des Finanzsystems ................................ b) Markteffizienz ............................................................. c) Anleger- und Verbraucherschutz .............................. d) Nachhaltigkeit (ESG) ................................................. Methoden des Finanzaufsichtsrechts ................................. a) Markteintrittsbarriere ................................................. aa) Zulassungserfordernis, Herkunftsmitgliedstaat und EU Pass ........................................................ bb) Grenzfälle und Ausnahmen – kein Erlaubnisbedarf ................................................................... cc) Ausländische Finanzakteure in Deutschland .... dd) Welche Lizenz? Welche Rechtsform? Make, buy or rent? ......................................................... b) Ständige Aufsicht ......................................................... aa) System und Prinzipien der kapitalmarktrechtlichen Transparenzanforderungen ..................... bb) Konsolidierte Aufsicht ...................................... c) Krisenmanagement ..................................................... aa) Was bedeutet Insolvenz? .................................... bb) Sonderinsolvenzrecht für Finanzakteure .......... (1) Insolvenzprävention .................................... (2) Insolvenzverfahren ...................................... cc) Bail-in .................................................................. dd) Einlagen- und Anlagensicherung ....................... d) Trennbankensystem .................................................... Finanzaufsichtsbehörden .................................................... a) Komplexe Zuständigkeiten ......................................... aa) Europäische Behörden ....................................... bb) Deutsche Behörden ........................................... b) Überwachungs- und Eingriffsbefugnisse ..................

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II. Gegenstände und Schlüsselgesetze des Kapitalmarktaufsichtsrechts ........................................................................................... 90 1. MiFID .................................................................................. 92 a) MiFID – das Tor zum Kapitalmarktaufsichtsrecht ... 93 aa) MiFID-Finanzinstrumente ................................ 96 bb) MiFID-Kapitalmarktdienstleistungen ............... 97 cc) MiFID-Handelsplätze ........................................ 99 b) MiFID – die Ethik des Kapitalmarkts ..................... 103 c) MiFIR – der Organisationsrahmen für den Kapitalmarkthandel ............................................................... 104 2. CRD und IFD ................................................................... 106

XII

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...... 68 ...... 69

Inhaltsverzeichnis Rn.

3.

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Umsetzung der EU Schlüsselgesetze im deutschen Recht .................................................................................. 110 ...... 72 a) KWG und WpIG ....................................................... 115 ...... 75 b) WpHG ........................................................................ 122 ...... 78

III. Regulierung der Kapitalmarktakteure ..................................... 1. Baseler Rahmenwerk und europäische Grundlagen ........ 2. Zulassungserfordernis für das Erbringen von Kapitalmarktdienstleistungen ....................................................... a) Zulassung (Erlaubnis) .............................................. b) Zulassungsvoraussetzungen ...................................... c) Zulassungsverfahren .................................................. d) Ausnahmen vom Zulassungserfordernis .................. aa) Handel für eigene Rechnung ........................... bb) Warenderivate und Emissionszertifikate ........ cc) Finanzanlagenvermittler .................................. dd) Vertraglich gebundene Vermittler ................... 3. Solvenzanforderungen ..................................................... a) Bilanz des Finanzakteurs ........................................... b) Angemessene Eigenmittel ......................................... aa) CRR-Eigenmittelberechnung für Kreditinstitute und große Wertpapierfirmen ............. (1) Risiken und ihre Erfassung ....................... (2) Eigenmittelbestandteile und -quoten ....... (3) Funktionen des Kernkapitals .................... bb) IFR-Eigenmittelberechnung für kleine und mittlere Wertpapierfirmen ............................... cc) Ständige Überprüfung ...................................... c) Liquidität .................................................................... d) Konzentration ............................................................ 4. Geschäftsorganisation ...................................................... a) Risikoadäquate Strukturen und Prozesse ................. b) Mitarbeitervergütung ................................................ c) Auslagerung .............................................................. d) Prävention von Geldwäsche und anderen Straftaten .................................................................... e) Förderung des Whistleblowing ................................. f) Beachtung internationaler Sanktionen ..................... g) Compliance-Funktion und Beauftragtenwesen ....... 5. Geschäftsleiter und Inhaber ............................................. a) Geschäftsleitung und Aufsichtsorgane .................... b) Inhaber ....................................................................... 6. Kapitalmarktakteurstransparenz ..................................... 7. Kapitalmarkt-Nebenakteure ............................................. a) Zahlstelle ................................................................... b) Corporate Services Provider ....................................

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XIII

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c) d) e) f) g)

Inkassodienstleister ................................................... Sicherheitentreuhänder und Escrow Agent ............. Gläubiger-Interessenvertreter ................................... Ratingagenturen ......................................................... Benchmark-Administratoren ....................................

IV. Verhaltensregeln für die Erbringung von Kapitalmarktdienstleistungen ....................................................................... 1. Klassifizierung von Kunden und Produkten ................... a) Kundenkategorien ..................................................... b) Product Governance .................................................. c) Angemessenheit und Geeignetheit ........................... 2. Kundentransparenz .......................................................... a) Allgemeine Anforderungen ...................................... b) Besondere Anforderungen bei Anlageberatung und Portfolioverwaltung ........................................... c) Produktinformationsblätter ..................................... 3. Best Execution ................................................................... 4. Interessenkonflikte ........................................................... a) Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten ................................................................... b) Zuwendungen dritter Parteien ................................. c) Mitarbeitervergütung ................................................ d) (Unabhängige) Anlageberatung ............................... e) Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen .............

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V. Regulierung des Kapitalmarkthandels und seiner Handelsplätze ......................................................................................... 209 1. Trading, Clearing und Settlement im Kapitalmarkt ........ 210 2. Handelsplätze und Abrechnungssysteme ........................ 212 a) Handelsplätze und OTC-Handel ............................. 212 b) Organisatorische Anforderungen an Handelsplätze .......................................................................... 213 c) KMU-Wachstumsmärkte ......................................... 215 d) Abrechnungssysteme und Zentralverwahrer ......... 215a 3. Handelstransparenz .......................................................... 216 4. Marktintegrität ................................................................. 219 a) Marktmissbrauch ....................................................... 220 b) Insidergeschäfte ......................................................... 223 c) Marktmanipulation .................................................... 225 d) Leerverkäufe ............................................................... 227 e) Benchmarks ................................................................ 228 5. Marktteilnahmetransparenz .............................................. 232 a) Periodische Publizität ............................................... 233 b) Ad-hoc Publizität ...................................................... 234 c) Directors Dealing ..................................................... 235

XIV

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Inhaltsverzeichnis Rn.

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d) Stimmrechtepublizität ............................................... 236 .... 154 e) Öffentliche Übernahmeangebote ............................ 239 .... 155 VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung ........................ 1. Wertpapiere ....................................................................... a) Aufsichtsrechtlicher Wertpapierbegriff .................. b) Wertpapierprospektrecht .......................................... aa) Der Prospekt ..................................................... bb) Wann ist ein Prospekt erforderlich? ................ cc) Inhalt und Form des Prospekts ....................... (1) Der Baukasten der ProspR ...................... (2) Registrierungsformular ............................. (3) Wertpapierbeschreibung ........................... (4) Risikofaktoren ........................................... (5) Prospektzusammenfassung ....................... (6) Besonderheiten des Basisprospekts .......... (7) Reduzierte Prospektanforderungen ......... dd) Billigung, Veröffentlichung und Aktualisierung des Prospekts; Werbung ..................... (1) Prospekt-Prüfungs- und Billigungsverfahren .................................................... (2) Prospektveröffentlichung ......................... (3) Prospektaktualisierung durch Nachtrag; Widerrufsrecht ........................................... (4) Werbung für die prospektierten Wertpapiere ........................................................ ee) EU Pass für Emittenten und die Sprachenfrage ................................................................... 2. Derivate ............................................................................. a) Aufsichtsrechtlicher Derivatebegriff ....................... b) Derivate-Grundgesetz (EMIR) ................................ aa) Die EMIR-Drei ................................................. bb) Betroffene Geschäfte und Parteien .................. cc) EMIR-Meldepflicht ......................................... dd) EMIR-Clearingpflicht ...................................... (1) Betroffene Geschäfte und Parteien .......... (2) Besicherung (Margin) ............................... (3) CCP-Anbindung und Kontentrennung ... ee) EMIR-Risikominderungspflichten ................. c) Derivate-Handelspflicht (MiFIR) ........................... d) Derivate-Eigenmittelunterlegung (CRR) ................ 3. Investmentfonds ............................................................... a) Grundbegriffe europäischer Investmentfonds ........ aa) Organismus für gemeinsame Anlagen ............. bb) Verwaltungsgesellschaft ...................................

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cc) Verwahrstelle ..................................................... dd) Beteiligung des Anlegers (Investmentfondsanteile) .............................................................. b) Investmentfondskategorien ...................................... aa) Grundformen: UCITS und AIF ..................... bb) Anlagegrundsätze und-gegenstände ................ cc) Offener und geschlossener Typ ....................... dd) Publikums-Fonds und Spezial-Fonds .............. ee) Organisations- und Rechtsformen .................. ff) Nicht-EU Investmentfonds ............................. c) Transparenzpflichten für Investmentfonds ............. d) Vertrieb von Investmentfondsanteilen ..................... aa) Vertrieb in Deutschland ................................... bb) Grenzüberschreitender Vertrieb in der EU ... cc) Spezielle EU Investmentfondslabels .............. Geldmarktinstrumente ..................................................... Emissionszertifikate und Energiemarktinstrumente ...... Nicht-MiFID-Finanzinstrumente ................................... a) Wertpapierfinanzierungsgeschäfte .......................... b) (Deutschrechtliche) Vermögensanlagen .................. c) Produkte des Grauen Kapitalmarkts ........................

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VII. Indirekte Regulierung des Kapitalmarkts ................................ 1. Regulierung der Investoren ............................................. 2. Steuern ............................................................................... 3. Rechnungslegung und Bilanzierung ................................. 4. Datenschutz ......................................................................

340 341 344 345 346

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4. 5. 6.

301 .... 196

C. Kapitalmarktzivilrecht ............................................................ 347 .... 229 I.

XVI

Bedeutsame zivilrechtliche Regelungen für den Kapitalmarkt im Allgemeinen .............................................................. 1. Vertragliche Beziehungen im Kapitalmarkt ..................... a) Internationalprivatrechtlich anwendbares Vertragsrecht (Rom I-VO) ..................................................... b) Zwingendes deutsches materielles Vertragsrecht .... 2. Vermögensrechtliche Zuordnung von Kapitalmarktinstrumenten ..................................................................... a) Die Bedeutung von Finalitätsrichtlinie und Finanzsicherheitenrichtlinie ................................................. b) Internationalprivatrechtlich anwendbares Sachenrecht ............................................................................ c) Sicherheitenbestellung im deutschen materiellen Sachenrecht ................................................................

348 .... 229 350 .... 230 352 .... 231 353 .... 232 355 .... 234 356 .... 235 359 .... 237 363 .... 240

Inhaltsverzeichnis Rn.

3.

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Durchsetzung von kapitalmarktrechtlichen Ansprüchen ...................................................................... 365 .... 243 a) Zwangsvollstreckung und Sicherheitenverwertung vor Insolvenzeröffnung ............................................. 367 .... 244 b) Durchsetzung von kapitalmarktrechtlichen Ansprüchen im Insolvenzfall .................................... 371 .... 247

II. Wertpapiere .............................................................................. 1. Zivilrechtlicher Wertpapierbegriff ................................... a) Wertpapierarten und Abgrenzungskriterien ............ b) Kapitalmarktwertpapiere (Effekten) ........................ c) Elektronische Wertpapiere ........................................ 2. Eigen- und Fremdkapitalinstrumente .............................. a) Aktien ......................................................................... b) Anleihen ..................................................................... aa) Die normale Anleihe und ihre typischen Regelungen ........................................................ bb) Derivative Wertpapiere ..................................... cc) Besicherte Anleihen .......................................... (1) Covered Bonds und Pfandbriefe .............. (2) Asset Backed Securities ............................ dd) Zweckgebundene Anleihen .............................. (1) Regulatorische Anleihen ........................... (2) Nachhaltige Anleihen (Green Bonds) ..... (3) Islamische Anleihen (Sukuk) .................... c) Hybride Wertpapiere ................................................. aa) Genussscheine .................................................. bb) Aktienanleihen ................................................. cc) Wandel-, Umtausch- und Optionsanleihen ... dd) Hybridanleihen ................................................ 3. Wertpapierrechtliche Vertragsbeziehungen und ihre Dokumentation ......................................................... a) Anleihebedingungen ................................................. b) Agency-Dienstleistungen .......................................... c) Emissions- und Platzierungs-Dienstleistungen ...... d) Emissionsprogramme ................................................ e) Anleihegläubiger-Interessenvertretung ................... 4. Verwahrung und Eigentumsübertragung ....................... III. Derivate .................................................................................... 1. Rechtsnatur und Einsatzmöglichkeiten von Derivaten .... 2. Derivatarten ....................................................................... a) Strukturen .................................................................. b) Basiswerte ................................................................... c) Handelsorte ................................................................

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5.

Dokumentation durch Derivate-Muster-Rahmenverträge .............................................................................. a) Funktionsweise und Inhalte ...................................... b) Close-out Netting (Verrechnung) ........................... c) Margining (Besicherung) .......................................... Einfluss der Regulierung auf Handel und Settlement von Derivaten ................................................................... a) Nicht-zentral geclearte OTC-Derivate .................... b) Zentral geclearte OTC-Derivate .............................. Rechtliche Wirksamkeit der Derivate-Dokumentation .... a) Close-out Netting .................................................... b) Sicherheitenstellung ...................................................

IV. Investmentfonds ....................................................................... 1. Investmentfonds-Akteure ................................................ 2. Investmentfonds-Rechtsbeziehungen ............................ a) Investmentdreieck ..................................................... b) Handeln der KVG für den Investmentfonds ........... c) Rechte des Anlegers am Investmentfondsvermögen .................................................................... 3. Investmentfonds-Dokumentation ................................... a) Verwahrstellenvertrag ............................................... b) Investmentvertrag und Anlagebedingungen ............ c) Investmentfondsanteil-Zeichnungsvertrag ..............

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423 425 427 429

.... .... .... ....

292 293 295 296

431 432 433 437 440 444

.... .... .... .... .... ....

297 298 298 300 302 306

448 449 454 454 457

.... .... .... .... ....

308 308 309 309 311

460 461 462 463 464

.... .... .... .... ....

312 313 313 313 314

V. Wertpapierfinanzierungsgeschäfte .......................................... 465 .... 315 VI. Schuldscheine ........................................................................... 471 .... 318 VII. Sonstige Anlage-, Finanzierungs- und Handelsinstrumente ..... 472 .... 319 D. Kapitalmarktsanktionsrecht .................................................. 473 .... 321 I. Verwaltungsrechtliche Kapitalmarktsanktionen ........................ 474 .... 321 1. EU-rechtliche Grundlagen ............................................... 475 .... 321 2. Deutsches Kapitalmarkt-Ordnungswidrigkeitenrecht ... 477 .... 322 II. Kapitalmarktstraftaten ............................................................. 478 .... 323 III. Zivilrechtliche Kapitalmarkthaftung ....................................... 1. Grundsätze ........................................................................ 2. Spezialgesetzliche Prospekthaftung ................................. 3. Allgemeine zvilrechtliche Haftung im Kapitalmarkt ..... a) Allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung ............. b) Anlageberatungs- und Anlagevermittlungshaftung ... c) Weitere Haftungstatbestände ................................... 4. Deliktische Ansprüche ......................................................

XVIII

482 482 487 490 491 492 496 497

.... .... .... .... .... .... .... ....

326 326 328 330 330 331 334 334

Inhaltsverzeichnis Rn.

Seite

E.

Digitalisierung des Kapitalmarkts ......................................... 498 .... 337

I.

Token und DLT ........................................................................ 1. Anwendungsfälle .............................................................. a) Wertpapiergeschäfte .................................................. b) Digital Ecosystems .................................................... 2. Regulierungsrahmen ........................................................ a) Einordnung von Token in das bestehende aufsichtsrechtliche System ........................................ b) Gesetzliche Krypto-Regulierungsansätze ................ aa) Geldwäscheprävention und Kryptoverwahrgeschäft .............................................................. bb) MiCAR, DORA & DLT-Pilot .......................

502 503 503 504 505

.... .... .... .... ....

338 339 339 340 341

506 .... 341 510 .... 344 511 .... 344 512 .... 346

II. Online-Plattformen .................................................................. 513 .... 349 III. Crowd-Financing ..................................................................... 514 .... 350 IV. Robo Advice ............................................................................. 515 .... 352 F.

Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts ................................. 516 .... 353

I.

Kapitalmarktgesetze ................................................................. 517 .... 353 1. EU Kapitalmarktgesetze ................................................... 517 .... 353 2. Deutsche Kapitalmarktgesetze ......................................... 518 .... 362

II. Veröffentlichungen von Regierungsstellen und Behörden .... 1. EU Kommission ................................................................ 2. Europäische Zentralbank .................................................. 3. European Supervisory Authorities ................................... 4. Bundesregierung und Bundesministerien ........................ 5. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ............ 6. Deutsche Bundesbank ...................................................... 7. Bundesnetzagentur ............................................................

519 520 521 522 523 524 526 526

.... .... .... .... .... .... .... ....

369 370 370 370 372 372 375 377

Stichwortverzeichnis ................................................................................... 379

XIX

Benutzerhinweise Die folgenden Hinweise sollen die Benutzung dieses Buches erleichtern: 1. Wer sich einen Überblick über die Materie des Kapitalmarktrechts und die Zusammenhänge zwischen ihren einzelnen Teilen verschaffen will, der sollte (nur) den Haupttext lesen! Wer an Einzelheiten und Zweideutigkeiten interessiert ist, der lese bitte (auch) die Fußnoten! 2. Dieses Buch ist in sechs Abschnitte eingeteilt. Jeder Abschnitt hat eine Vielzahl weiterer Untergliederungen, die allesamt als Kapitel bezeichnet werden. 3. Im Text und den Fußnoten werden Gesetzeskurznamen verwendet (z. B. MiFID oder WpHG); die Erläuterung dieser Kurznamen und die genauen Gesetzesverweise befinden sich in der Übersicht in Kapitel F (Rn. 516 ff.), in der wichtige europäische und deutsche Kapitalmarktgesetze aufgeführt sind. 4. Soweit die englischen Kurznamen von EU Gesetzen als eingebürgert gelten können (z. B. MAR als Kurzform für Market Abuse Regulation), werden diese englischen Kurznamen verwendet. Andernfalls werden deutsche Kurznamen gebildet (z. B. ProspR als Kurzform für Verordnung (EU) 2017/ 1129 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist). 5. Anders als in der deutschen rechtswissenschaftlichen Literatur üblich wird bei Gesetzesverweisen aus Gründen der (hoffentlich) besseren Lesbarkeit (vor allem bei Vorschriftenketten) zunächst der Gesetzeskurzname aufgeführt und dann die einzelnen Vorschriften. 6. Gesetzlich definierte Begriffe werden grds. so verwendet, wie sie in deutscher Sprache in EU-Gesetzen benutzt werden. In einigen Fällen stimmt diese Begriffsverwendung nicht mit derjenigen überein, die in deutschen Gesetzen vorgenommen wird, die der Umsetzung europäischer Rechtsnormen ins deutsche Recht dienen (z. B. wird der in MiFID Art. 4 (1) Nr. 21 definierte Begriff geregelter Markt (englisch: regulated market) in WpHG (§ 2 (1) Nr 11) mit organisierter Markt übersetzt). In diesen Fällen werden die Begriffsunterschiede im jeweiligen Zusammenhang berücksichtigt. 7. Soll Begriffen in diesem Buch eine besondere, definitorisch festgelegte Bedeutung gegeben werden, wird dies dadurch zum Ausdruck gebracht, dass der Begriff in Klammern und Fettdruck hinter die Definition gesetzt wird. Derart definierte Begriffe werden zusätzlich in den Abkürzungs- und Stichwortverzeichnissen aufgeführt.

XXI

Benutzerhinweise

8. Abkürzungen werden im Abkürzungsverzeichnis erläutert mit Ausnahme von Abkürzungen für Kapitalmarktgesetze und Literatur, die in Kapitel F.I. (Rn. 517 f.) bzw. im Literaturverzeichnis erklärt werden. 9. Häufig zitiert werden Gesetze bzw. die Aufsichtspraxis erläuternde Veröffentlichungen europäischer und deutscher Aufsichtsbehörden (z. B. ESMA oder BaFin). Diese Veröffentlichungen werden bezeichnet mit dem Kurznamen der veröffentlichenden Behörde, dem Zusatz „VÖ“ und einem den Inhalt der Veröffentlichung beschreibenden Schlagwort (z. B. BaFin-VÖToken). Diese Bezeichnungen werden in Kapitel F.II (Rn. 519 ff.) erklärt.

XXII

Abkürzungsverzeichnis Verzeichnis der in diesem Buch verwendeten Abkürzungen mit Ausnahme der benutzten Abkürzungen für Rechtsquellen (siehe dafür: Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts, Kapitel F I.) und Literatur (siehe dafür: Literaturverzeichnis und Verzeichnis der Veröffentlichungen von Regierungsstellen und Behörden, Kapitel F II.). a. A. AAOIFI ABS abzgl. a. F. AG AGB AIF AIFM APA ARM Art. AEUV AT1 BaFin BB BBA betr. BdB BCBS BGBl BGH BMF BMJ BoE BR-Drucks. BSA BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BVerwG bzgl.

anderer Ansicht Accounting and Auditing Organisation of Islamic Financial Institutions Asset Backed Securities abzüglich alter Fassung Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Alternative Investment Fund Alternative Investment Fund Manager Approved Publication Arrangement Approved Reporting Mechanism Artikel Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Additional Tier1 Capital Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Betriebsberater British Bankers Association betreffend Bundesverband deutscher Banken Basel Committee on Banking Supervision Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundesministerium für Finanzen Bundesministerium für Justiz Bank of England Bundesrats-Drucksache Besicherungsanhang Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht bezüglich

XXIII

Abkürzungsverzeichnis

CBO CBOT CDO CLO CME CCP CDS CET1 CFD CGN cic CLN CM CO2 CoCo CoN CP CSD CSP

Collateralised Bond Obligation Chicago Board of Trade Collateralised Debt Obligation Collateralised Loan Obligation Chicago Mercantile Exchange Central Counterparty Credit Default Swap Common Equity Tier1 Capital Contract for Difference Classical Global Notes culpa in contrahendo Credit Linked Note Clearingmitglied Kohlendioxid Contigent Convertible Bond Close-out Netting Commercial Paper Central Securities Depository Corporate Services Provider

D DCGK DelRiLi DelVO Derivate-MRV d. h. DIP DK DK-KCRV

DRV-W DuRiLi DuVO

Directive Deutscher Corporate Governance Kodex Delegierte Richtlinie Delegierte Verordnung Derivate-Muster-Rahmenverträge das heißt Debt Issuance Programme Deutsche Kreditwirtschaft von der DK gesponserte Kunden-Clearing-RahmenVereinbarung Distributed Leger Technology Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung Deutscher Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte Deutscher Rahmenvertrag für Wertpapierpensionsgeschäfte (Repo) Deutscher Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen Durchführungs-Richtlinie Durchführungs-Verordnung

EBA ECAI ECMS EDIS EFTA

European Banking Authority External Credit Assessment Institution Eurosystem Collateral Management System European Deposit Insurance Scheme Europäische Freihandelsassoziation

DLT DPR DRV-D DRV-R

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

EG

einschl. EK ELTIF EMA EMMI EONIA ESA ESFS ESG ESMA ESRB €STR ETF EU EU ETS EuGB EURIBOR EuSEF EUV EuVECA eWP eWP-Reg EWR

Erwägungsgrund (in EU Gesetzestexten dem eigentlichen Gesetz vorangestellt) Elektronisches Geld European Insurance and Occupational Pensions Authority einschließlich Eigenkapital European Long-Term Investment Fund Europea Master Agreement European Money Markets Institute Euro Overnight Index Average European Supervisory Authority European System of Financial Supervision Environment Social Government European Securities and Markets Authority European Systemic Risk Board Euro Short Term Rate Exchange Traded Funds Europäische Union EU Emissions Trading System European Green Bond Euro Interbank Offered Rate European Social Entrepreneurship Funds Verträge über die Europäische Union European Venture Capital Funds Elektronisches Wertpapier Elektronisches Wertpapierregister Europäischer Wirtschaftsraum

FATF FBE FCA Fed FGP FIU FK FMSA FOA FOR FSA FSB FWB

Financial Action Task Force Fédération Bancaire de l'Union Europeenne Financial Conduct Authority US Federal Reserve System finanzielle Gegenpartei Financial Intelligence Unit Fremdkapital Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung Futures and Options Association Fixed Overheads Requirements Financial Services Authority Financial Stability Board Frankfurter Wertpapierbörse

G G20

Gesetz Group of 20

E-Geld EIOPA

XXV

Abkürzungsverzeichnis

GG ggf. GmbH GMRA GMSLA grds. GuV

Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit geschränkter Haftung Global Master Repurchase Agreement Global Master Securities Lending Agreement grundsätzlich Gewinn- und Verlustrechnung

h. M.

herrschende Meinung

ICAAP ICE ICO ICMA ICSD i. d. R. IDW i. e. S. IFRS IIA IK IM IM-BSA Inv-AG Inv-KG IOSCO IPO IPR IRBA ISDA ISDA-MA ISIN ISLA i. S. v/d. ITO ITS i. Ü. i. V. m. i. w. S. IZVR I-Token

Internal Capital Adequacy Assessment Process Intercontinental Exchange Initial Coin Offering International Capital Market Association International Central Securities Depository in der Regel Institut der deutschen Wirtschaftsprüfer im engeren Sinne International Financial Reporting Standards Institute of Internal Auditors indirekter Kunde Initial Margin Besicherungsanhang für Initial Margin Investmentaktiengesellschaft Investmentkommanditgesellschaft International Organization of Securities Commissions Initial Public Offering Internationales Privatrecht Internal ratings-based approach International Swaps and Derivatives Association ISDA Master Agreement International Securities Identification Number International Securities Lending Association im Sinne von/des Initial Token Offering Implementing Technical Standard im Übrigen in Verbindung mit im weiteren Sinne Internationales Zivilverfahrensrecht Investment Token

K KCRV

Kunde Kunden-Clearing-Rahmen-Vereinbarung

XXVI

Abkürzungsverzeichnis

KG KGaA KI KIID KMU KSA KVG

Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Künstliche Inteligenz Key Investor Information Document Kleine und Mittlere Unternehmen Kreditrisiko-Standardansatz Kapitalverwaltungsgesellschaft

LCR LEI LG LGD LIBOR LMA LSE

Liquidity Coverage Requirement Legal Entity Identifier Landgericht Verlustquote bei Ausfall (Loss Given Default) London Interbank Offered Rate Loan Market Association London Stock Exchange

MBS MiCA MREL

Mortgage Backed Securities Markets in Crypto-assets Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities Multilateral Trading Facility

MTF NAV NCA nFGP nFGP+ nFGPNGN NPL NSFR NY NYSE OECD OGA OGAW OLG OTC OTF

Net Asset Value Nationale Aufsichtsbehörde (National Competent Authority) nicht-finanzielle Gegenpartei nicht-finanzielle Gegenpartei, die über der EMIRClearingschwelle liegt nicht-finanzielle Gegenpartei, die unter der EMIRClearingschwelle liegt New Global Note Non Performing Loan Net Stable Funding Ratio New York New York Stock Exchange Organization for Economic Co-operation and Development Organismus für gemeinsame Anlagen Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren Oberlandesgericht Over the counter Organised Trading Facility

XXVII

Abkürzungsverzeichnis

p. a. P-Token P2P PD PeP PRIIPs PRIPs pVV PRA

per anno Payment Token Peer to Peer Ausfallwahrscheinlichkeit (Probability of Default) Politisch exponierte Person Packaged Retail and Insurance-based Investment Products Packaged Retail Investment Products positive Vertragsverletzung (pVV) Prudential Regulation Authority

QIB

Qualified Institutional Buyer

R RegS RdF Repo REIT RFR RiLi RTS RVO Rn.

Regulation Regulation S Recht der Finanzinstrumente Repurchase Agreement Real Estate Investment Trust Risk Free Rates Richtlinie Regulatory Technical Standard Rechtsverordnung Randnummer

s. S. SB-WPG SE sog. SPAC SPV SREP SRF SRM SoFFin STO STS SUSMI TEFRA SV

siehe Satz/Seite Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte Societas Europaea (Europäische Gesellschaft) sogenannte Special Purpose Acquisition Company Special Purpose Vehicle Supervisory Review and Evaluation Process Single Resolution Fund Single Resolution Mechanism Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung Security Token Offering Simple, Transparent and Standardized (Verbriefungen) Substantial US Market Interest Tax Equity and Fiscal Responsibility Act Sondervermögen

T+2 T2 TARGET 2

Trade Date Plus 2 Days Tier2 Capital Trans-European Automated Real-time Gross

XXVIII

Abkürzungsverzeichnis

TBTF TLAC TRS U-Token u. a. Ua UCITS

Settlement Express Transfer System2 Too Big To Fail Total Loss Absorbing Capacity Total Return Swap

UK UN

Utility Token unter anderem Unterabsatz Undertakings for Collective Investments in Transferable Securities United Kingdom United Nations

VdP VG vgl. vgV VM VM-BSA VO VS

Verband deutscher Pfandbriefbanken Verwaltungsgesellschaft vergleiche Vertraglich gebundener Vermittler Variation Margin Besicherungsanhang für Variation Margin Verordnung Verwahrstelle

WKN WpDU WPFG

Wertpapierkennnummer Wertpapierdienstleistungsunternehmen Wertpapierfinanzierungsgeschäft

ZgKw Ziff. ZV zzgl.

Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Ziffer Zwangsvollstreckung zuzüglich

XXIX

Literaturverzeichnis Alshaleel Undertakings for the Collective Investment in Transferable Securities Directive V: Increased Protection for Investors, European Company Law 2016, Nr. 1, S. 14 (zit.: Alshaleel, European Company Law 2016, Nr. 1, S. 14) Alt/Puschmann Digitalisierung der Finanzindustrie, 2016 (zit.: A/P-Digitalisierung) Angerer/Geibel/Süßmann Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), 3. Aufl., 2017 (zit.: A/G/S-WpÜG-Bearbeiter) Annuß Risikomanagement und Vergütungspolitik – Die Institutsvergütungsverordnung aus arbeitsrechtlicher Sicht, NZA-Beilage 2014, 121 (zit.: Annuß, NZA-Beilage 2014, 121) Annuß/Früh/Hasse Institutsvergütungsverordnung, Versicherungsvergütungsverordnung, 2016 (zit.: A/F/H-InstitutsVergV-Bearbeiter) Assmann Anleihebedingungen und AGB-Recht, WM 2005, 1053 (zit.: Assmann, WM 2005, 1053) Assmann/Schütze/Buck-Heeb Handbuch des Kapitalanlagerechts, 5. Aufl., 2020 (zit.: A/S/BH-Kapitalanlagerecht-Bearbeiter) Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb WpPG, 3. Aufl., 2017 (zit.: A/S/K-WpPG-Bearbeiter) Assmann/Schneider/Mülbert Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., 2019 (zit.: A/S/M-WpHG-Bearbeiter) Auerbach Banken- und Wertpapieraufsicht, 2015 (zit.: Auerbach-B/H-Aufsicht-Bearbeiter) Baas/Buck-Heeb/Werner Anlegerschutzgesetze, 2019 (zit.: B/BH/W-Anlegerschutz-Bearbeiter)

XXXI

Literaturverzeichnis

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XXXII

Literaturverzeichnis

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XXXIII

Literaturverzeichnis

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Literaturverzeichnis

Cahn Grenzen des Markt- und Anlegerschutzes durch das WpHG, ZHR 162 (1998), 1 (zit.: Cahn, ZHR 162 (1998), 1) Canaris Bankvertragsrecht, 2. Aufl., 1981 (zit.: Canaris-Bankvertragsrecht) Casper/Terlau Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG), 2. Aufl., 2020 (zit.: C/T-ZAG-Bearbeiter) Claussen Bank- und Börsenrecht, 5. Aufl., 2014 (zit.: Claussen-B+B-Recht-Bearbeiter) DeLong „Liquidation“ Cycles: Old Fashioned Real Business Cycle Theory and the Great Depression. National Bureau of Economic Research, Working Paper No. 3546, S. 1 (zit.: DeLong, Great Depression) Derleder/Knops/Bamberger (Hrsg.) Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., 2017 (zit.: D/K/B-B+K-Recht-Bearbeiter) Deutsche Bundesbank Glossar – https://www.bundesbank.de/de/startseite/glossar (zit.: Buba-Glossar – Begriff) Diem/Jahn Akquisitionsfinanzierungen, 4. Aufl., 2019 (zit.: D/J-Akquisitionsfinanzierungen) Dornseifer/Jesch/Klebeck/Tollmann AIFM-Richtlinie, 2013 (zit.: D/J/K/T-AIFM-Bearbeiter) Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn Handelsgesetzbuch, 4. Aufl., 2020 (zit.: E/B/J/S-HGB-Bearbeiter) Eichhorn/Klebeck Drittstaatenregulierung der MiFID II und MiFIR, RdF 2014, 3 (zit.: Eichhorn/Klebeck, RdF 2014, 3) Einsele Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2018 (zit.: Einsele, B+K-Recht)

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Literaturverzeichnis

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Literaturverzeichnis

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LI

A. Der Kapitalmarkt und sein Recht Zweck des Kapitalmarkts ist es, Angebot und Nachfrage von Kapital und von 1 Rendite zusammenzuführen. Zweck des Kapitalmarktrechts ist, Instrumente (und ein System für deren Handel) zur Verfügung zu stellen, die diese Zusammenführung ermöglichen, sowie einen angemessenen Ausgleich der Interessen von Anbietern und Nachfragern zu erleichtern. In diesem einführenden Abschnitt A. soll dargestellt werden, wie und mit welchen Mitteln das Kapitalmarktrecht diese Zwecke zu erreichen sucht. I. Grundbegriffe des Kapitalmarktrechts Am Anfang war der Begriff.1) Begriffsdefinitionen spielen im Kapitalmarktrecht eine wichtige Rolle, da über 2 sie der Anwendungsbereich vieler Gesetze eröffnet (oder eben nicht eröffnet) und damit darüber entschieden wird, ob eine Dienstleistung streng reguliert oder weitgehend restriktionsfrei ausgeführt werden kann. Zum besseren Verständnis der in diesem Buch behandelten Materie sollen deshalb in diesem Kapitel einige Grundbegriffe eingeführt werden. Gesetzlich ist der Begriff des Kapitalmarkts nicht definiert.2) Ökonomisch ist 3 der Kapitalmarkt (neben den Geld-, Devisen- und Kreditmärkten) eines der vier Segmente des Finanzmarkts.3) Lange setzte man Kapitalmarkt mit Wertpapiermarkt gleich,4) also dem Markt, auf dem Wertpapiere gehandelt werden. Aber der Kapitalmarkt ist diesem engen Anzug entwachsen. Er schließt heute sämtliche in der MiFID definierten Finanzinstrumente mit ein.5) Die Begriffe Kapitalmarktinstrument und Finanzinstrument werden deshalb in diesem Buch ebenso als Synonyme verwendet wie Wertpapierdienstleistung und Kapitalmarktdienstleistung zur Bezeichnung der Dienstleistungen, die Finanzinstrumente zum Gegenstand haben. Als rechtlich-ökonomische Definition für den Kapitalmarkt wird vorgeschlagen: Der Markt, auf dem Finanzinstrumente gehandelt werden.6) Aus Sicht des Finanzaufsichtsrechts gehört der Kapitalmarkt zur Finanzbranche, 4 die außerdem die Banken- und Versicherungsbranche umfasst.7) Der Finanzbranche werden Kreditinstitute, Zahlungsdienstleister, Wertpapierfirmen, ___________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)

Abwandlung des Eingangssatzes aus der Luther Bibel 1545 Johannes 1: „Im Anfang war das Wort, …“. G/S-Kapitalmarktrecht-Schlitt, § 1.I.1. https://de.wikipedia.org/wiki/Finanzmarkt. E/B-Bankrecht-Seiler/Geier, § 83 Rn. 2. Buck-Heeb-Kapitalmarktrecht, Rn. 61. Näher unten Rn. 92–102. Ähnlich: Poelzig, Kapitalmarktrecht, Rn. 5. KWG § 1 (19).

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A. Der Kapitalmarkt und sein Recht

Investmentfonds, Versicherungen und vergleichbare Unternehmen zugerechnet.8) Eine Person wird zu einem solchen Unternehmen der Finanzbranche durch das, was sie tut. Eine Person ist ein Kreditinstitut, weil sie Bankgeschäfte betreibt, eine Wertpapierfirma, weil sie Wertpapier- bzw. Kapitalmarktdienstleistungen erbringt oder eine Versicherung, weil sie Versicherungsgeschäfte abschließt. 5 Für die Geschäfte, die der Finanzbranche zuzuordnen sind, soll in diesem Buch der Oberbegriff des Finanzgeschäfts benutzt werden,9) und für die (natürlichen oder juristischen10) Personen, die vornehmlich Finanzgeschäfte betreiben, derjenige des Finanzakteurs.11) Zu den Finanzakteuren zählt der Kapitalmarktakteur. Mit diesem Begriff sollen diejenigen Personen bezeichnet werden, die Kapitalmarktdienstleistungen erbringen. Das sind in erster Linie Wertpapierfirmen und Kreditinstitute (die in diesem Buch zusammen auch Wertpapierdienstleistungsunternehmen [WpDU]12) genannt werden) und außerdem einige (in diesem Buch so bezeichnete) Kapitalmarkt-Nebenakteure.13) Begrifflich abzugrenzen von den Kapitalmarktakteuren ist der Emittent von Wertpapieren (und anderen Finanzinstrumenten), der zwar natürlich auch auf dem Kapital___________ 8) CRR Art. 4 (1) Nr. 27. 9) Noch besser geeignet als Oberbegriff für Bank-, Kapitalmarkt- und Versicherungsdienstleistungen wäre Finanzdienstleistung (so wie dieser Begriff auch verwendet wird im Namen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht als der für alle drei Bereiche zuständigen Aufsichtsbehörde und in BGB § 312 (5) – s. näher unten Rn. 353 f.). Aber im KWG ist Finanzdienstleistung begrifflich schon belegt für bestimmte Arten von Bank- oder Kapitalmarkt-Dienstleistungen (s. unten in Rn. 118). 10) Für juristische Personen werden auch die Begriffe Unternehmen und Gesellschaft verwendet. Der Begriff des Unternehmens wird in diesem Buch betriebswirtschaftlich genutzt im Sinne einer wirtschaftlich-finanziellen und rechtlichen Einheit, für die das erwerbswirtschaftliche Prinzip konstituierend ist (Gabler-Haric, https://wirtschaftslexikon.gabler.de/ definition/Unternehmen-48087/version-369159). Demgegenüber wird Gesellschaft juristisch genutzt im Sinne einer Vereinigung von Personen durch Rechtsgeschäft zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks (z. B. Betrieb eines Unternehmens) durch Leistung der vereinbarten Beiträge, wobei weiter zwischen Personengesellschaften (Träger der Rechte und Pflichten der Personengesellschaft sind die Gesellschafter) und Kapitalgesellschaften (die als juristische Personen selbst rechtsfähig sind) zu unterscheiden ist (näher: BS+BLexikon-Vogl, Personengesellschaften Rn. 3). 11) Der Begriff des Nicht-Finanzakteurs steht deshalb in diesem Buch für in der Realwirtschaft tätige Personen, deren Hauptgeschäftsgegenstand gerade keine Finanzaktivitäten sind. Eine ähnliche Begriffsbildung findet sich in EMIR Art. 2 Nr. 8 und 9, wo der finanziellen Gegenpartei die nicht-finanzielle Gegenpartei begrifflich gegenübergestellt wird. Trotz des augenscheinlichen Bedarfs für eine klare begriffliche Unterscheidung zwischen Finanzund Nicht-Finanzakteuren ist es dem europäischen Gesetzgeber bisher nicht gelungen, entsprechende Begrifflichkeiten verbindlich einzuführen. Häufig bedient sich der Gesetzgeber des (komplizierten) Hilfsmittels, Finanzakteure unter Verweis auf einzelne Gesetze aufzuführen und dann in den Anwendungsbereich bestimmter Gesetze ein- oder auszuschließen (s. z. B. RID Art. 1 (2)). 12) Entsprechend dem so in WpHG § 2 (10) definierten Begriff, wobei Kreditinstitute nur insoweit WpDU sind, als sie auch tatsächlich Kapitalmarktdienstleistungen erbringen (und nicht nur Bankgeschäfte). 13) S. zu den Kapitalmarkt-Nebenakteuren näher unten Rn. 177–184.

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I. Grundbegriffe des Kapitalmarktrechts

markt aktiv ist, aber eben nicht als Dienstleister für andere, sondern im eigenen Interesse.14) Finanzakteure – und mit ihnen die Kapitalmarktakteure – können regelmäßig 6 als reguliert (oder beaufsichtigt)15) gelten, d. h. sie unterliegen hinsichtlich ihrer Geschäftsorganisation und bei der Ausführung ihrer Geschäfte den (strengen) Regularien des Finanzaufsichtsrechts und der Beaufsichtigung der Behörden.16) Allerdings gibt es Ausnahmen und Grenzfälle, in denen der Gesetzgeber keinen Regulierungsbedarf sieht.17) Den Kapitalmarktakteuren gegenüber stehen ihre Kunden (die ihrerseits Kapi- 7 talmarktakteure sein können). Kunde ist jede Person, für die ein WpDU Dienstleistungen erbringt.18) MiFID teilt die Kunden in die Kategorien Kleinanleger und professionelle Kunden (wobei der Begriff des professionellen Kunden anhand bestimmter Kriterien definiert wird und Kleinanleger alle übrigen Kunden sind.19) Das WpHG folgt diesen Vorgaben, auch wenn es anstelle des Begriffs des Kleinanlegers denjenigen des Privatkunden verwendet.20) Vor allem im Wertpapierprospektrecht und im Investmentfondsrecht werden Kunden generell als Anleger bezeichnet (qualifizierte oder professionelle Anleger und Kleinanleger bzw. Privatanleger), wobei die Begriffe Kunde und Anleger synonym benutzt ___________ 14) Auch der Emittent kann allerdings Adressat von Kapitalmarktregeln sein (z. B. prospektrechtlicher Vorschriften – s. unten Rn. 249 f.). Der Emittent zählt neben den Kapitalmarktakteuren zur Gruppe der Kapitalmarktteilnehmer (s. zu dieser Begriffsbildung: VeilKapitalmarktrecht-Veil, § 9 Rn. 1). 15) Eigentlich haben die Begriffe Aufsicht und Regulierung eine unterschiedliche Bedeutung. Regulierung bedeutet Schaffung von Regeln (durch den Gesetzgeber) und Aufsicht bedeutet Überprüfung der Einhaltung dieser Regeln (durch die Behörden). Im Finanzwesen werden die Begriffe aber häufig als Synonyme verwendet, die beide Bedeutungen umfassen. Unter Finanzaufsichtsrecht wird deshalb in diesem Buch sowohl die Regelsetzung als auch der Beaufsichtigungsvorgang verstanden. Aufsicht und Regulierung sind letztlich zwei Seiten derselben Medaille: Die Verwendung des Begriffes Regulierung für den Rechtsetzungsvorgang indiziert die Existenz einer mit besonderen Befugnissen ausgestatteten, speziell für die Überwachung dieser Rechtsmaterie zuständigen Aufsichtsbehörde. 16) In BMR Art. 3 (1) Nr. 17 wird der Begriff des beaufsichtigten Unternehmens verwendet, wozu zählen: Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen, Fonds und deren Verwalter, Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, Marktbetreiber, CCP, Transaktionsregister, Benchmark-Administratoren und einige andere. FCD Art. 1 (2) c) nutzt den Begriff der beaufsichtigten Finanzinstitute und zählt dazu (allerdings nicht abschließend) Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Finanzinstitute, Versicherungsunternehmen, UCITS und Fonds-Verwaltungsgesellschaften. Allerdings verwendet CRR Art. 142 (1) Nr. 5) auch den Begriff des nicht beaufsichtigten Unternehmen der Finanzbranche (jedes Unternehmen, das kein beaufsichtigtes Unternehmen der Finanzbranche ist, aber als Haupttätigkeit Tätigkeiten ausübt, die in CRD Anhang I oder MiFID Anhang I genannt sind); ähnlich KWG § 1 (3). Es gibt deshalb auch (einige wenige) Finanzakteure, die vom Gesetzgeber als nicht beaufsichtigte Unternehmen bezeichnet werden (dazu näher unten in Rn. 177–184). 17) S. näher unten in Rn. 54–56 und Rn. 129–134. 18) MiFID Art. 4 (1) Nr. 9. 19) MiFID Art. 4 (1) Nr. 10 und 11. 20) WpHG § 67 (2) und (3).

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A. Der Kapitalmarkt und sein Recht

werden.21) Grds. wird in diesem Buch die MiFID-Terminologie verwendet, also Kleinanleger und professionelle Kunden.22) 8 Der Kapitalmarkt lässt sich anhand einer Vielzahl von Kriterien untergliedern.23) Folgende Unterscheidungskritierien werden für die Zwecke dieses Buchs als besonders sinnvoll erachtet:24) x

regulierter und nicht-regulierter (Over The Counter – OTC) Kapitalmarkt,25)

x

Kassa- und Terminmarkt,26)

x

Aktien- und den Anleihenmarkt,27)

x

Primär- und Sekundärmarkt.28)

II. Kapitalmarktrechtsgeschichte 1. Regulierung des Kapitalmarkts in der EU und Deutschland 9 Die europäische Finanzrechtskoordination begann in den späten 1960er Jahren.29) Die Meilensteine der weiteren europäischen Kapitalmarktrechtsentwicklung waren die erste Investmentfonds-RiLi UCITSD I von 1985,30) das bald folgende Konzept des EU Passes31) für den Finanzmarkt und der Financial Services Action Plan der EU Kommission von 1999, aus dem viele europäische Kapitalmarktgesetze hervorgingen, einschließlich 2004 die Finanzmarkt-RiLi MiFID I (deren Vorgängerin, die Wertpapierdienstleistungs-RiLi ISD, aus 1993 ___________ 21) S. z. B. ProspR Art. 2 e); AIFMD Art. 4 (1) z) ag); KAGB § 1 (19) Nr. 32. 22) Kleinanleger bzw. Privatkunden dürften i. d. R. auch Verbraucher (i. S. v. UTD Art. 2; BGB § 13) sein. Das Investmentfondsrecht kennt eine Zwischenstufe zwischen Kleinanleger und Profi: Den semiprofessionellen Anleger (näher unten Rn. 316). 23) Ausführlich: MüKo-BGB-Lehmann, Bd. 13, Teil 12 A. Grundlagen Rn. 28 – 36. 24) Ähnlich: Poelzig, Kapitalmarktrecht Rn. 7 – 12. 25) S. unten Rn. 212. 26) Der Unterschied ist der Erfüllungszeitpunkt der auf den Märkten abgeschlossenen Geschäfte: Er liegt beim Kassamarkt in der EU spätestens am zweiten Geschäftstag nach dem Handelstag (Trade Date Plus 2 Days – T+2) (CSDR EG (13)) und beim Terminmarkt, auf dem Derivate gehandelt werden, danach (E/B-Bankrecht-Seiler/Geier, § 83 Rn. 12 – 14). 27) Zu den aufsichtsrechtlichen Unterschieden s. Rn. 243 f. Zu den zivilrechtlichen Unterschieden s. Rn. 381 f. 28) Primärmarkt bezeichnet den erstmaligen Verkauf eines Finanzinstruments (beim Wertpapier: Emission oder Platzierung) und Sekundärmarkt sämtliche darauffolgende Handelsaktivitäten (E/B-Bankrecht-Seiler/Geier, § 83 Rn. 16 – 19). Gebräuchlich ist die Unterscheidung vornehmlich bei Wertpapieren, weil es nur bei diesen Finanzinstrumenten zu einer Emission im eigentlichen Sinne kommt. Die Abgrenzung zwischen Primär- und Sekundärmarkt kann im Einzelfall schwierig sein (vgl. BaFin-VÖ-Systematische Internalisierung). 29) Näher: E/B-Bankrecht-Kolassa, § 121 Rn. 3 ff.; Moloney, Regulation, Kapitel I.4; VeilKapitalmarktrecht-Veil, § 1. 30) S. zur Geschichte der Investmentfonds-Regulierung: D/K/B-B+K-Recht-Geibel, § 58 Rn. 3 – 10. 31) Dazu näher unten Rn. 51 ff.

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II. Kapitalmarktrechtsgeschichte

stammte). Starken Einfluss auf das Kapitalmarktrecht nahm und nimmt das (allgemeine) Bankrecht und hier insbesondere die erste Banken-RiLi CRD I von 2006 und ihre Nachfolgerinnen. Fast alle dieser Gesetze sind nach der Finanzkrise von 2008 geändert oder durch neue Regelungen ergänzt worden; auch wurden seitdem zahlreiche EU Finanzaufsichtsbehörden geschaffen. Der Reformwelle wird seit 2011 durch die Bankenunion32) und seit 2015 durch das Projekt der Kapitalmarktunion33) ein Rahmen gegeben. In diesen Rahmen gehört auch die Wertpapierfirmen-RiLi IFD von 2019. In den beginnenden 2020er Jahren wird die Entwicklung des europäischen Kapitalmarktrechts zunehmend durch die (gesellschaftspolitischen) Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit geprägt.34) Eine allgemeine Bankenaufsicht wurde in Deutschland 1934 eingeführt.35) Das 10 noch heute geltende deutsche Bankengesetz KWG stammt von 1961. Mit dem KWG wurde als zentrale Bankenaufsichtsbehörde das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred) geschaffen. Das KWG wurde seitdem durch mehrere Novellen grundlegend überarbeitet,36) mit denen zunehmend auch die Umsetzung des EU Rechts in deutsches Recht erfolgte.37) Deutsche Kapitalmarktaufsicht i. e. S. (Investmentfondsregulierung gibt es schon länger) begann 1995 mit der Schaffung des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel (BAWe) und dem Inkrafttreten des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG). BaKred und BAWe (und das Bundesaufsichtsamt für Versicherungswesen – BAV) wurden im Mai 2002 zur Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) verschmolzen.38) Innerhalb der BaFin wird die Kapitalmarktaufsicht durch den Ge___________ 32) Die europäische Bankenunion besteht aus dem Einheitlichen Aufsichtsmechanismus, dem Einheitlichen Abwicklungsmechanismus und dem gemeinsamen Regelwerk für die gesetzliche Einlagensicherung (s. näher unten Rn. 28). 33) Das Projekt der europäischen Kapitalmarktunion ist weniger scharf umrissen als dasjenige der Bankenunion. Die in zwei Aktionsplänen (2015 und 2020) beschriebene Kapitalmarktunion ist ein Bündel von Maßnahmen, die den Zugang zu Finanzmitteln über den Kapitalmarkt für Unternehmen (und insbesondere auch für mittelständische) verbessern sollen bei gleichzeitiger Stärkung des Investorenschutzes. 34) Vgl. EU Kom-VÖ-Aktionsplan Kapitalmarktunion-2020. 35) Reichsgesetz über das Kreditwesen vom 5.12.1934 (RGBl. 1934 I S. 1203). Zu seinen Grundpfeilern gehörten die Erlaubnispflicht für Bankgeschäfte, die Pflicht zur Liquiditätshaltung und Berichtspflichten sowie die Einrichtung einer Aufsichtsbehörde. Die Neufassung vom 25.9.1939 (RGBl. 1939 I S. 1955) blieb bis zum 31.12.1961 in Kraft. Näher: https://www.bafin.de/DE/DieBaFin/AufgabenGeschichte/Bankenaufsicht/bankenaufsicht _node.html; E/B-Fischer/Boegl § 110 Rn. 58. 36) Nach 1974 führte die Schließung des Bankhauses Herstatt (Herstattkrise) zu weitreichenden Reformen, etwa der Einführung umfassender Solvenzanforderungen für Banken und der Einbeziehung von Finanzdienstleistungsinstituten in die Bankenaufsicht (näher E/BBankrecht-Fischer/Boegl, § 110 Rn. 63 – 65). 37) https://www.bafin.de/DE/DieBaFin/AufgabenGeschichte/Bankenaufsicht/bankenaufsicht _node.html). 38) FinDAG § 1. Die drei Säulen der Finanzaufsicht – Banken, Kapitalmarkt, Versicherungen – sind auch in der Organisationsstruktur der BaFin reflektiert und organisatorisch in drei Direktoraten getrennt (vgl.: https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/ DE/Liste/dl_organigramm.html?nn=7854478).

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schäftsbereich Wertpapieraufsicht/Asset-Management ausgeübt.39) Das WpHG stellt die Grundlage für die Beaufsichtigung des Kapitalmarkts im deutschen Recht dar.40) Es enthielt von Anfang an Regelungen zur Bekämpfung des Insiderhandels, zur Ad-hoc-Publizität börsennotierter Unternehmen, zur Veröffentlichung der Veränderung von Stimmrechtsanteilen an börsennotierten Unternehmen sowie Verhaltensvorschriften für WpDU. Die Umsetzung der europäischen Vorgaben im deutschen Recht erfolgt i. d. R. in Form sog. Artikelgesetze, die keine geschlossenen Gesetzeskörper sind, sondern gleichzeitig mehrere deutsche Einzelgesetze (wie z. B. das WpHG) erlassen bzw. ändern.41) 11 Neben der Regulierung des Kapitalmarkts durch zwingendes (öffentliches) Aufsichtsrecht ist auf die gestaltende Wirkung des (eigentlich freiwilligen, aber immer häufiger – etwa in Form des Verbraucherschutzrechts – verpflichtenden) Zivilrechts hinzuweisen. Die den Kapitalmarkt gestaltenden – gesetzlichen oder durch Gerichte entwickelten – zivilrechtlichen Regeln waren nicht selten schon vor ihren aufsichtsrechtlichen Pendants da – d. h. das Aufsichtsrecht zieht als Ordnungsvorschrift nach, was das Zivilrecht bereits zuvor etwa im Rahmen des Schadenersatzrechts skizziert hatte.42) Quasi-normsetzende Bedeutung haben in diesem Zusammenhang auch die vor allem für Derivate von Berufsverbänden entwickelten und allgemein gebräuchlichen Standardverträge.43) 2. Die Finanzkrise 2008 als moderne Zeitenwende 12 Die Finanzkrise, die sich im Jahr 2008 vor den Augen einer verblüfften Weltöffentlichkeit entrollte, hat in der Finanzwelt keinen Stein auf dem anderen gelassen. Sie soll in diesem Kapitel kurz nachgezeichnet werden.

___________ 39) https://www.bafin.de/DE/DieBaFin/AufgabenGeschichte/Wertpapieraufsicht/wertpapieraufsicht_node.html;jsessionid=38E666A96AFE2B1D1BE67BD409FA282A.2_cid500). 40) Zu recht wurde das WpHG als Grundgesetz des deutschen Kapitalmarktrechts bezeichnet (Hopt, ZHR 159 (1995), 135). In Europa gebührt dieser Ehrentitel allerdings der MiFID (s. unten Rn. 92–105). 41) Wichtige kapitalmarktrechtliche Artikelgesetze sind die vier Finanzmarktförderungsgesetze (FMFG), das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG) und die beiden Finanzmarktnovellierungsgesetze (FiMaNoG). S. Details zu diesen Artikelgesetzen unten Rn. 518). 42) E/B-Bankrecht-Hannöver, § 90 Rn. 8. 43) Z. B. die ISDA-Musterverträge (s. unten Rn. 423 ff.). Derivate dürften i. Ü. die ältesten lebenden Finanzinstrumente sein. In Form von Warentermingeschäften (im Bereich der Landwirtschaft oder im Überseehandel) gibt es sie wohl seit Jahrtausenden (E/B-Bankrecht-Reiner/Scholl, § 94 Rn. 1). Organisierter Terminhandel ist in Norditalien bereits im 12. Jahrhundert nachweisbar und in Amsterdam für Tulpenzwiebeln seit 1595 (Schittler/ Michalky, S. 565 ff.). Die älteste noch existierende Terminbörse ist die Chicago Board of Trade (CBOT) von 1848 (in 2007 mit der Chicago Mercantile Exchange (CME) verschmolzen). OTC-Derivate sind seit den 1970er Jahren fester Bestandteil der Finanzmärkte (Zerey-Finanzderivate-Sachsen-Altenburg, § 7 Rn. 1).

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II. Kapitalmarktrechtsgeschichte

a) Der Schwarze September 2008 Schon seit einiger Zeit gab es deutliche Anzeichen einer heraufziehenden Krise 13 und politische und ökonomische Gegenmaßnahmen, aber im Schwarzen September 2008 ging es dann Schlag auf Schlag: Zunächst wurde die US-Immobilienfinanzierungsagenturen Fannie Mae and Freddie Mac verstaatlicht, dann kaufte die Bank of America die Investmentbank Merrill Lynch für einen Bruchteil ihres früheren Aktienkurses, und am 15.9.2008 kommt der Tiefpunkt: Die Investmentbank Lehman Brothers stellt Insolvenzantrag. Nun halten die Regierungen in den USA und Europa massiv dagegen: Die USA retten das weltgrößte Versicherungsunternehmen AIG mit einer Liquiditätsspritze von US$ 85 Mrd. und kaufen illiquide Wertpapiere für US$ 700 Mrd. von den Banken. Die BeNeLux-Regierungen investieren über EUR 11 Mrd. in die Teilverstaatlichung der Fortis Bank, die deutsche Regierung EUR 35 Mrd. in Stützungsmaßnahmen für die Hypo Real Estate Bank. Viele vergleichbare Maßnahmen folgen in kurzer Zeit.44) Was war passiert? 2001 war in den USA (ebenso wie in Deutschland) die erste 14 Internetblase geplatzt. Hinzu kam der Schock des terroristischen Angriffs am 11. September. In der Folge hielt die US-Zentralbank Fed die Zinsen niedrig. Die im amerikanischen Markt reichlich vorhandene Liquidität floss vor allem in den Immobiliensektor. Immobilienerwerb wurde von der US-Regierung politisch (und fiskalisch) gefördert. Kreditvergabekriterien der Banken wurden gelockert und Kredite (Subprime Credits45) an Schuldner mit schlechter Bonität vergeben (besichert durch Immobilien, auf deren steigenden Wert man setzte).46) Daraus resultierende Risiken konnten über neue Finanzinstrumente – Mortgage Backed Securities (MBS)47) und Kreditderivate48) – an den Kapitalmarkt weitergegeben werden.49) Viele dieser neuen Finanzinstrumente wurden von den Ratingagenturen (möglicherweise: zu) gut bewertet50) und waren (sehr) komplex.51) Abnehmer der Finanzinstrumente mit langer Laufzeit waren häufig Investmentbanken, die sich das dafür erforderliche Kapital kurzfristig am Kapitalmarkt liehen sowie Versicherungen und andere institutionelle Investoren. In 2007 gab es infolge der fallenden Immobilienpreise in den USA erste klare Krisenanzeichen im globalen Finanzmarkt. Besonders augenfällig waren die langen Warteschlangen vor den Bankschaltern der Northern Rock,52) die für ___________ 44) Nachzulesen und scharfsinnig analysiert bei Huertas-Crisis, S. 84 f. 45) Diese (zunehmend ausfallenden) Kredite an Kreditnehmer mit geringer Bonität brachten der Finanzkrise von 2008 ihren Spitznamen Subprime Crisis ein. 46) Zerey-Finanzderivate-Schüwer, § 1 Rn. 52. 47) S. dazu näher unten Rn. 389. 48) S. dazu näher unten Rn. 420. 49) Huertas-Crisis, S. 18: „Securitisation effectively transforms loans into securities.“ 50) Zur Rolle der Ratingagenturen in der Finanzkrise: Huertas-Crisis, S. 29 – 33. 51) Zerey-Finanzderivate-Sachsen-Altenburg, § 7 Rn. 3. 52) Überschrift in der Neue Zürcher Zeitung vom 18.8.2007 (https://www.nzz.ch/amp/ lange_warteschlangen_vor_den_bankschalteRz_der_northeRz_rock-1.557020).

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Nervosität an den Märkten und schnell auch bei den europäischen Regierungen sorgten.53) Nun rächte sich, dass viele Finanzakteure einen fundamentalen Geschäftsgrundsatz außeracht gelassen hatten: Ein angemessenes Liquiditätsmanagement. Hauptgrund für die Insolvenzen vieler Finanzakteure in 2008 war ihre Zahlungsunfähigkeit (und nicht etwa ihre Überschuldung), die daraus resultierte, dass sie langlaufende MBS kurzfristig refinanziert hatten und diese Refinanzierungen am kriselnden Kapitalmarkt nicht verlängert werden konnten.54) 15 Es muss als großes Glück für die Weltwirtschaft bezeichnet werden, dass verantwortungsvolle Regierungen auf der ganzen Welt die vorstehend skizzierten Zusammenhänge noch im Herbst 2008 erkannten und schnell wirkungsvolle Rettungsaktionen durchführten, die vor allem die Wiederherstellung des Vertrauens in das Finanzsystem zum Ziel hatten, indem sie den Finanzakteuren Zugang zu Liquidität verschafften.55) ___________ 53) Es sind gerade diese Anzeichen eines sog. Bank Run (d. h. einer massiven Rückforderung von Kundeneinlagen), die ein Grunddilemma der Finanzwirtschaft offenbaren, die wie wenige andere Sektoren vom Vertrauen ihrer Kunden abhängig ist: Das Kerngeschäft der Banken ist das Einlagen- und Kreditgeschäft. Banken leben davon, dass sie Kundengelder als Einlagen entgegennehmen, diese Gelder als Kredite an andere Kunden herausgeben und aus der Differenz zwischen Einlagen- und Kreditzins ihren Gewinn ziehen. Dieses Geschäftsmodell scheitert zwangsläufig, wenn zu viele Einleger zu schnell ihr Geld zurückhaben wollen (denn die Kredite können nicht jederzeit von den Kreditnehmern zurückgeholt werden). Die lange Schlange vor dem Bankschalter ist die Urangst der Finanzwirtschaft, die sich selbst erfüllende Prophezeiung des Untergangs. 54) Ein deutlicher Indikator für dieses Phänomen ist die ungewöhnlich hohe Quote, mit der Gläubiger in vielen der weltweit betriebenen Insolvenzverfahren der Lehman Brothers Gruppe befriedigt wurden (s. Presseberichte: https://www.faz.net/aktuell/finanzen/finanzmarkt/glaeubiger-von-lehman-deutschland-bekommen-alles-zurueck-15295027.html; https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/banken/insolvenzquotelehman-pleite-wird-fuer-deutsche-banken-weniger-teuer/6047494.html?ticket=ST-524678uPKdX6mkEbADE2L9kQkk-ap1; https://www.reuters.com/article/usa-deutschlandlehman-brothers-20110831-idDEBEE77U0K320110831). Die hohe Quote lässt darauf schließen, dass immer genug Vermögen in der Bank vorhanden, dies aber im September 2008 nicht hinreichend liquide war, um die Rückzahlungsforderungen der verunsicherten Gläubiger zu erfüllen. 55) Z. B. legte die deutsche Regierung nach den schnell gewährten Finanzspritzen im Oktober 2008 (s. oben Rn. 20) zügig den Entwurf eines Finanzmarktstabilisierungsgesetzes vor, das am 20.10.2008 in Kraft trat (FMStG). Ziel des Gesetzes war es, Instrumente zu schaffen, um die Liquiditätsprobleme der Finanzakteure zu überwinden helfen und den deutschen Finanzmarkt zu stärken (zu Geschichte und Systematik des Gesetztes: J/VFMStG-Jaletzke, Einführung Rn 1 – 25). Das FMStG enthielt vor allem das Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz (FMStFG), das dem Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) erlaubte, Finanzakteuren Risiken abzukaufen. Die Ausführungsbestimmungen waren in der VO zur Durchführung des FMStFG (FMStFV) geregelt. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist auch die via Fernsehausstrahlung erklärte und an alle deutschen Sparer gerichtete Garantieerklärung von Bundeskanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück vom 5.10.2008: „Die Spareinlagen sind sicher.“ (https:// www.spiegel.de/wirtschaft/merkel-und-steinbrueck-im-wortlaut-die-spareinlagen-sindsicher-a-582305.html). Ob die Spareinlagen wirklich sicher gewesen wären, wenn alle Bundesbürger zur selben Zeit auf Rückzahlung bestanden hätten, mag dahinstehen. Aber Sinn und Zweck der Erklärung war ja gerade, einen Bank Run zu verhindern – und dieses Ziel hat sie erreicht.

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II. Kapitalmarktrechtsgeschichte

b) Vergleich mit der 1930ger Weltwirtschaftskrise Die Qualität des Regierungshandelns im Jahr 2008 zeigt der Vergleich mit dem 16 Verlauf der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre, die mit dem New Yorker Börsencrash im Oktober 1929 begonnen hatte. Ebenso wie der Finanzkrise 2008 war der Weltwirtschaftskrise ein langer, fast die ganze Zeit seit dem 1. Weltkrieg dauernder Wirtschafts- und Börsenwertaufschwung vorangegangen (zumindest in den USA). Am 24.10.1929 (Black Thursday – in Europa wegen der Zeitverschiebung auch Black Friday genannt) platzte die Spekulationsblase. Während es in den 2000er Jahren hauptsächlich Immobilien (bzw. die mit ihnen besicherten Wertpapiere) waren, die die Grundlage der Hausse bildeten, hatten in den 1920er Jahren Aktien von Unternehmen aus unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen zum Höhenflug in den USA beigetragen. Auch in den 1920er Jahren war die Spekulation dadurch befeuert worden, dass viele Anleger (kurzfristige) Kredite für Investitionen in Wertpapiere aufgenommen hatten. Kurz nach dem Black Thursday war klar, dass der Wert der an der New Yorker Börse notierten Aktien die zu ihrem Erwerb aufgenommenen Kredite nicht mehr deckte; der Kursverfall dauerte bis 1932. Der Black Thursday ließ viele Anleger bankrott zurück, führte zu Insolvenzen im Finanzsektor und zu Bank Runs, die weitere Bankinsolvenzen zur Folge hatten (Höhepunkt der amerikanischen Bankenkrise war im Herbst 1930); in den USA wurde ein Drittel der Banken liquidiert.56) Dies wiederum verursachte eine allgemeine Kreditknappheit in den USA (was den Abzug von Geldern aus Europa zur Folge hatte und die Krise somit binnen kurzer Zeit nach Europa exportierte), die Ausbreitung der Krise der Finanzwirtschaft in die Realwirtschaft, das dortige Firmensterben und schließlich Massenarbeitslosigkeit und Elend.57) Aus Sicht der heute dominierenden wirtschaftswissenschaftlichen Schulen des 17 Keynesianismus58) und Monetarismus59) hätten sich die politisch Verantwortlichen bemühen sollen, die der Wirtschaft zur Verfügung stehende Geldmenge zu erhöhen und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage durch geeignete Maßnahmen (Steuersenkung, Ausgabenerhöhung etc.) zu fördern.60) Die damalige US-Regierung unter Präsident Herbert Hoover und die US-Zentralbank Fed taten dies zumindest zunächst nicht (sondern verfolgten im Gegenteil eine

___________ 56) Parker, Great Depression, S. 11. Mitchener (Great Depression, S. 1) spricht davon, dass von 25.000 im Jahr 1929 existierenden Banken 1933 10.000 verschwunden waren. 57) Bernanke, AER 1983, 257. 58) Hauptvertreter: John Maynard Keynes. 59) Hauptvertreter: Milton Friedman. 60) DeLong, Great Depression, S. 1.

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kontraktive Geldpolitik, die die Geldmenge um etwa 30 % reduzierte), was aus heutiger Sicht die Krise verstärkt hat.61) 18 Die wichtigste finanzaufsichtsrechtliche Reform als Folge der Weltwirtschaftskrise war der 1933 unter US-Präsident Franklin D. Roosevelt erlassene GlassSteagall Act, der eine institutionelle Trennung zwischen Einlagen- und Kreditgeschäft einerseits und Wertpapiergeschäft andererseits verfügte. Banken mussten sich danach entscheiden, ob sie als Geschäftsbank im klassischen Einlagenund Kreditgeschäft tätig sein sowie damit verbundene Dienstleistungen wie Kontoführung und Zahlungsverkehr (Commercial Banking) anbieten oder als Investmentbank das Wertpapiergeschäft (Investment Banking) erbringen wollten. Untersagt wurde damit den Geschäftsbanken der Handel mit Finanzinstrumenten im eigenen Namen für eigene Rechnung (Eigenhandel). Dahinter stand die durch die Ereignisse der Weltwirtschaftskrise gestärkte Überzeugung, dass Geschäftsbanken nicht den Risiken des Investmentgeschäfts ausgesetzt sein dürfen, da sie für die Einlagen der breiten Öffentlichkeit verantwortlich sind und über sie ein wesentlicher Teil der Geldpolitik und -steuerung durchgesetzt wird. Ferner sah das Gesetz die Einrichtung einer Einlagensicherung durch die Gründung der Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) vor.62) Auch in Deutschland hatte die in Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise stehende, von vielen Zusammenbrüchen begleitete Bankenkrise von 193163) aufsichtsrechtliche Folgen, namentlich den Erlass des KWG von 1934.64) c) Welche Probleme zeigt die Finanzkrise 2008 auf? 19 Die Finanzkrise 2008 deckte erhebliche Unzulänglichkeiten der Regulierung des Finanzmarkts in der EU (und anderswo) auf. Die wichtigsten waren: x

Too-Big-To-Fail-Problematik (TBTF): Die Anwendung regulärer Insolvenzverfahren auf Finanzakteure hatte unerwünschte Auswirkungen auf die Finanzstabilität und die Realwirtschaft (Ansteckungs- oder Dominoeffekt genannt); dies galt insbesondere für systemrelevante Finanzakteure, und der Dominoeffekt machte an Ländergrenzen nicht halt.65)

___________ 61) White, Journal of Money, Credit and Banking, 2008, 751. Allerdings standen Hoover und seine Administration mit ihrer Position nicht allein. Damals war die sog. Liquidationsthese die weltweit vorherrschende wirtschaftspolitische Vorstellung (Hauptvertreter: Joseph Schumpeter). Nach dieser – auch österreichisch genannten – Schule war eine gelegentliche wirtschaftliche Depression gut für die Volkswirtschaft, da sie Fehlinvestitionen und veraltete Unternehmen zu liquidieren half und Kapital und Arbeit in produktivere Investitionen umleitete. Staatliche Intervention zu Abmilderung der Depression würde die notwendige Anpassung der Wirtschaft nur verzögern und die sozialen Kosten erhöhen. 62) Hilgers, Glass-Steagall. 63) Vgl. die Darstellung bei Pontzen, ZgKW 1999, 77. 64) B/F/S-KWG-Fischer, Einführung Rn. 7. 65) BRRD EG (3).

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Fehlen einer effizienten Aufsichts- und Eingreifstruktur;66) die Behörden verfügten über zu wenige Informationen über die Verbindungen zwischen den Finanzakteuren untereinander und mit der Realwirtschaft.

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Finanzakteure hatten keine ausreichenden Reserven, d. h. zu wenig echtes Eigenkapital (und zu viel Hybridkapital, das aus unterschiedlichen Gründen für die Absorbierung von Verlusten nicht zur Verfügung stand).67)

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Falsche (Vergütungs-)Anreize für die in der Finanzwirtschaft tätigen Personen.68)

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Fehlendes Risikobewusstsein und -management: Die Finanzakteure gingen im Glauben, dass Verluste vom Staat übernommen würden (implizite Staatsgarantien!) übermäßige Risiken ein (sog. Moral Hazard).

x

Existenz gefährlicher, unregulierter Finanzinstrumente.

d) Finanzaufsichtsrechtliche Reaktionen Die stärkste internationale finanzaufsichtsrechtliche Reaktion auf die Finanz- 20 krise 2008 waren Beschlüsse der Staats- und Regierungschefs der führenden Industrienationen im Rahmen des G20-Gipfels in Pittsburgh im September 2009 (G20 Pittsburgh Statement).69) Die im G20 Pittsburgh Statement formulierten allgemeinen aufsichtsrechtlichen Ziele und Standards für die Finanzmärkte – Verbesserung der Transparenz, Senkung des Systemrisikos und Schutz vor Marktmissbrauch – ziehen sich als roter Faden durch die seitdem verabschiedeten EU Finanzgesetze.70) Diese Gesetze stellen keine Revolution dar, wohl aber eine starke Reformation der Finanzmarktregulierung, und nehmen vor allem folgende Aspekte in Angriff: x

Höhere Anforderungen an Qualität und Quantität des Eigenkapitals der Finanzakteure sowie Einführung quantitativer Liquiditätsstandards und risikounabhängiger Verschuldungsgrenzen.

x

Einführung eines Abwicklungsregimes für (systemrelevante) Finanzakteure.71)

___________ 66) 67) 68) 69)

BRRD EG (1). Buba-VÖ-Basel-III, S. 7. A/F/H-InstitutsVergV-Früh, Vorbemerkung Rn. 4. G20, Leader’s Statement, The Pittsburgh Summit, 24./25.9.2009 (https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/EN/Standardartikel/Topics/world/G7-G20/G20-Documents/2009-Pittsburgh-Leaders-Declaration.pdf?__blob=publicationFile&v=3). 70) S. z. B. die unmittelbare Bezugnahme in MiFIR EG (25), (26) und (44). Zur regulatorischen Reaktion in den USA s.: Scott/Gelpern, International Finance, Rn. 1-048 – 1-092. 71) Die vom Finanzstabilitätsrat (Financial Stability Board – FSB) im Auftrag der G20 veröffentlichten internationalen Standards für Abwicklungsregimes – Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions) (http://www.fsb.org/wp-content/ uploads/r_141015.pdf) fordern, dass Staaten Abwicklungsbehörden errichten und diese mit Abwicklungsbefugnissen und -instrumenten zur Gläubigerbeteiligung (Bail-in) ausstatten.

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A. Der Kapitalmarkt und sein Recht

x

Schaffung europäischer Aufsichtssysteme und Verbesserung der Kooperation zwischen den nationalen Behörden.72)

x

Schaffung eines umfassenden Melde- und Berichtswesens; Einrichtung von Melderegistern.

x

Anforderungen an Vergütungssysteme von Finanzakteuren im Allgemeinen und an variable Vergütungsbestandteile im Besonderen.73)

x

Schließung von Regulierungslücken bzgl. bestimmter Finanzinstrumente; Eindämmung des Shadow Banking.74)

21 Es gibt kaum ein wichtiges europäisches Finanzmarktgesetz, das seit 2008 nicht erheblich reformiert worden wäre. Viele neue Gesetze sind hinzugekommen. III. Kapitalmarktrechtsmaterien 22 Das Kapitalmarktrecht ist ein Querschnittsrechtsgebiet. Es umfasst Materien aller drei klassischen Rechtsgebiete: Öffentliches, Zivil- und Strafrecht.75) Besondere Bedeutung kommt zudem dem Insolvenzrecht zu. 1. Kapitalmarktaufsichtsrecht 23 Die den Kapitalmarkt beherrschende Materie ist das Aufsichtsrecht. Das Kapitalmarktaufsichtsrecht enthält als öffentliches Recht76) diejenigen Regeln, denen jeder Kapitalmarktakteur unterworfen ist, sowie Vorschriften für den Vertrieb der Kapitalmarktprodukte und die Durchführung des Kapitalmarkthandels. Es ist überwiegend EU Recht. Seine Darstellung nimmt den größten Teil dieses Buches ein.

___________ 72) SFTR EG (1) und (14). 73) A/F/H-InstitutsVergV-Früh, Vorbemerkung Rn. 18. 74) S. die Empfehlungen des FSB in: Strengthening Oversight and Regulation of Shadow Banking Policy Framework for Strengthening Oversight and Regulation of Shadow Banking Entities, 29.8.2013 (https://www.fsb.org/wp-content/uploads/r_130829a.pdf). 75) Buck-Heeb-Kapitalmarktrecht Rn. 44. Das Zivilrecht regelt das Verhältnis zwischen Bürgern als gleichberechtigten Rechtssubjekten und das Öffentliche Recht (neben der Staatsorganisation) das Verhältnis zwischen dem Staat als Hoheitsträger und Bürgern als Rechtsunterworfenen, weshalb auch das Strafrecht zum öffentlichen Recht gehört. Viele (grundlegende) Fragen und Einzelheiten dieser Differenzierung sind allerdings umstritten: Nach der modifizierten Subjektstheorie (F.J. Wolff) ist immer dann Öffentliches Recht gegeben, wenn die betroffene Gesetzesnorm ausschließlich einen Hoheitsträger berechtigt bzw. verpflichtet. Die Subordinationstheorie hingegen geht davon aus, dass sich die Beteiligten im Öffentlichen Recht in einem Subordinationsverhältnis, also in einem Über-/ Unterordnungsverhältnis, zueinander befinden. Einige Rechtswissenschaftler sind der Meinung, eine kategoriale Unterscheidung lasse sich überhaupt nicht treffen (vgl. Stüer, DVBL 2019, 1525 ff.; Lepsius, JuS 2018, 950); sie ist jedoch schon deshalb erforderlich, weil auf ihrer Basis das für ein Rechtsverfahren zuständige Gericht zu bestimmen ist. 76) Jutzi/Eisenberger, AJP/PJA 2019, 6 ff.; Zerey-Finanzderivate-Donner, § 34 Rn. 9.

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III. Kapitalmarktrechtsmaterien

2. Kapitalmarktzivilrecht Das Kapitalmarktzivilrecht regelt die Beziehungen der Kapitalmarktakteure 24 untereinander und im Verhältnis zu ihren Kunden bei der Erbringung der Kapitalmarktdienstleistungen und dem Handel mit den Kapitalmarktprodukten.77) Es ist deutlich stärker als das Kapitalmarktaufsichtsrecht im rein nationalen Recht verankert.78) Eine Schnittstelle zum öffentlichen Recht nimmt das (zivilrechtliche) Haftungsrecht ein – namentlich die Prospekthaftung und die Anlageberatungshaftung. Im Vertragsrecht spielen internationale Musterverträge, wie z. B. das ISDA Master Agreement für Derivategeschäfte, eine wichtige Rolle.79) Großen Einfluss hat das Zivilrecht auch beim Anlegerschutz, insbesondere dem Verbraucherschutz, und zwar dergestalt, dass es die Marktteilnehmer zwingt, ihre Verträge auf bestimmte Art und Weise (teilweise mit bis ins Detail vorgeschriebenen Formulierungen) auszugestalten.80) Hier bekommt es als zwingendes Kapitalmarktzivilrecht quasi-aufsichtsrechtlichen Charakter. 3. Insolvenzrecht Das Insolvenzrecht ist zwar Teil des Zivilrechts, verdient hier aber wegen 25 seiner Bedeutung für den Finanzsektor gesonderter Erwähnung.81) Diese Bedeutung des Insolvenzrechts sei hinsichtlich dreier finanzaufsichtsrechtlicher Aspekte deutlich gemacht (auf die in diesem Buch an verschiedenen Stellen Bezug genommen wird): Sonderinsolvenzrecht für Finanzakteure; regulatorisches Eigenkapital.82) Bei kriselnden Finanzakteuren ist der Zeitpunkt, zu dem Behörden in den Geschäftsbetrieb eingreifen können, im Vergleich zu Unternehmen der Realwirtschaft vorverlegt; zudem stehen besondere Verfahren zur Verfügung, die einem Insolvenzverfahren vorgeschaltet sind bzw. an seine Stelle treten können (z. B. der Bail-in, durch den Gläubiger des Finanzakteurs an dessen Sanierung (zwangsweise) beteiligt werden).83) Dem Ziel der In___________

x

77) Der Begriff des Zivilrechts wird hier im umfassenden Sinne für das Rechtsgebiet genutzt, das die Beziehungen rechtlich gleichgestellter Personen regelt. Er umfasst danach das allgemeine Privatrecht (mit seinen Haupteinteilungen in Personen-, Schuld- und Sachenrecht), das Sonderprivatrecht (mit den für den Gegenstand dieses Buches besonders wichtigen Bereichen des Insolvenz-, Handels-, Gesellschafts- und Wertpapierrechts), das Verfahrensrecht (Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren) sowie das Internationale Privatrecht. 78) Veil-Kapitalmarktrecht-Veil, § 1 Rn. 66. 79) Sie erklären auch die große Bedeutung des englischen und US-amerikanischen Vertragsrecht für den Kapitalmarkt. 80) S. näher unten Rn. 353 f. 81) S. zur Bedeutung des Insolvenzrechts für den Kapitalmarkt auch: EU Kom-VÖ-Aktionsplan Kapitalmarktunion-2015, S. 26 – 28 sowie Wood, Regulation, Rn. 3-021 – 022 und VeilKapitalmarktrecht-Veil, § 6 Rn. 18 – 19. 82) Zum Begriff des regulatorischen Eigenkapitals s. unten Rn. 135. 83) S. näher unten Rn. 68–77.

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A. Der Kapitalmarkt und sein Recht

solvenzprävention dient auch das regulatorische Eigenkapital von Finanzakteuren.84) Ausdruck der genannten Besonderheiten sind u. a. regulatorische Anleihen, die von Finanzakteuren zur Stärkung ihrer Eigenmittel begeben werden und wegen ihrer Bail-in-Anfälligkeit und insolvenzrechtlichen Nachrangigkeit für Anleger besonders risikoreich sind.85) x

Sicherheitenbestellung. Als Reaktion auf die Finanzkrise von 2008 (insbesondere der Furcht vor dem Dominoeffekt86)) wird von Finanzakteuren in immer stärkerem Umfang erwartet, Sicherheiten für Forderungen zu verlangen bzw. für Verbindlichkeiten zu geben.87) Die Insolvenzfestigkeit dieser Sicherheiten ist einerseits der (ultimative) Test für ihre Wirksamkeit und Effizienz.88) Andererseits soll die Insolvenz von Finanzakteuren typische Sicherheitenkonstruktionen nicht zerstören und Forderungsverrechnung (Netting) nicht verhindern.89) Bei diesem Konflikt Maß und Mitte zu finden, ist eine der großen Herausforderungen der Finanzmarktregulierung.

x

Schutz von Kundenvermögen. Die Insolvenz der Finanzakteure soll deren Kunden so weit wie möglich unbehelligt lassen. Die Stellung des Finanzakteurs wird vom Gesetzgeber zunehmend als diejenige eines Treuhänders für das Kundenvermögen interpretiert, und es wird vom Finanzakteur verlangt, Vorkehrungen für den Schutz des Kundenvermögen für den Fall der eigenen Insolvenz zu treffen (durch insolvenzfeste Trennung des Kundenvermögens vom eigenen Vermögen).90) Ausdruck des Bestrebens, das Kundenvermögen derart zu schützen, ist auch die (im deutschen Recht schon länger existierende) Rechtsfigur des Sondervermögens bei Investmentfonds.91)

4. Kapitalmarktsanktionsrecht 26 Das Kapitalmarktstrafrecht ist Teilmaterie des Kapitalmarktsanktionsrechts, das die Sanktionen festlegt, die Kapitalmarktakteure (und teilweise auch weitere ___________ 84) 85) 86) 87)

88) 89) 90) 91)

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S. näher unten Rn. 139–153. S. näher unten Rn. 391. S. oben Rn. 19. Das Collateral Management ist infolge anderweitiger, von den Finanzakteuren die Stellung von Sicherheiten verlangender Regulierung (z. B. CRR, EMIR oder MiFIR) zu einem immer wichtigeren Geschäftsfeld geworden, das Finanzakteure nicht nur für sich selbst, sondern auch als Dienstleistung für andere entwickelt haben. Die EU plant die Einrichtung eines Eurosystem Collateral Management System (ECMS), durch das die Verwaltung der notenbankfähigen Sicherheiten für geldpolitische Kreditgeschäfte des Eurosystems auf einer zentralen technischen Plattform integriert wird. Der ECMS-Start ist für November 2023 geplant (näher: https://www.bundesbank.de/de/aufgaben/unbarer-zahlungsverkehr/ eurosystem-collateral-management-system/ecms-603142). S. näher unten Rn. 371. Diesem Zweck dienen z. B. die FCD und die SFD, insbesondere im Zusammenang mit Derivaten (s. näher unten Rn. 356–358). MiFID-DelRiLi 2017/593/EU Art. 2 (1) e); WpHG § 84 (2); WpDVerOV § 10. S. näher unten Rn. 449 f.

IV. Kapitalmarktrechtsquellen

Personenkreise) treffen können, wenn gegen die Regelungen des Kapitalmarktaufsichts- oder -zivilrechts verstoßen wird. IV. Kapitalmarktrechtsquellen Europäische Finanzrechtskoordination begann in den späten 1960ger Jahren.92) 27 Viele europäische Finanzmarktgesetze sind durch internationale Verträge beeinflusst.93) Viele europäische Finanzrechtsakte bedürfen der Umsetzung ins nationale Recht.94) All das sorgt für ein Nebeneinander unterschiedlicher Kapitalmarktrechtsquellen mit teils komplexen Hierarchieverhältnissen, die in diesem Kapitel dargestellt werden sollen.95) 1. Europäisches, deutsches und internationales Recht a) Vorrang und Subsidiarität des EU Rechts EU Recht geht dem nationalen Recht vor.96) Entweder gilt es direkt (und ver- 28 drängt dann etwaiges entgegenstehendes nationales Recht), oder es muss in nationales Recht umgesetzt werden.97) Nationales Recht muss im Licht des EU Rechts gesehen werden;98) es gilt das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung.99) Allerdings gilt in der EU auch das Subsidiaritätsprinzip, wonach „die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig [wird], sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind.“100) Konsequenterweise ist das europäische Kapitalmarktrecht deshalb traditionell eher an ___________ 92) S. näher oben Rn. 9. 93) Als prominentes Beispiel mag hier die CRD dienen, die das Baseler Rahmenwerk in europäisches Recht umsetzt. 94) Zum Bedeutungsverlust der tradierten deutschen Auslegungsmethoden in diesem Zusammenhang s. B/G/R-Bankenaufsichtsrecht-Binder, § 1 Rn. 2. 95) Eine Übersicht der für den Kapitalmarkt relevanten europäischen und deutschen Gesetze findet sich in Rn. 517–518 und eine Beschreibung des Inhalts der Schlüsselgesetze in Rn. 90–122. 96) Vertrag von Lissabon, Anhang: Erklärungen 17, Amtsblatt der EU 2008, Nr. C 115, S. 344; EuGH, Rs 6/64, Slg. 1964, S. 1251, 1269 – Costa/ENEL. 97) Einen Überblick zur Umsetzung des EU Kapitalmarktrechts in wichtigen EU Mitgliedstaaten gibt Veil-Kapitalmarktrecht-Veil, § 5 Rn. 48 – 67. 98) BVerfGE 37, 271, 280 – Solange I. 99) Bei der Auslegung einer nationalstaatlichen Norm ist unter den anerkannten Methoden im Zweifel diejenige anzuwenden, die zu einem Ergebnis im Einklang mit den Festlegungen der jeweiligen EU RiLi und zur vollen Wirksamkeit des EU Rechts führt (EuGH NJW 2004, 3547, Rn. 114). Der BGH hat klargestellt, dass dies von den Gerichten u. U. auch eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung verlangt (BGH NJW 2009, 427, 428). 100) EUV Art. 5 (3). In DLTR EG (55) bekennt sich der EU-Gesetzgeber ausdrücklich dazu, dass das Subsidiaritätsprinzip auch für den Kapitalmarkt in seinen modernsten Ausformungen (dem Handel mit Kryptowerten) gelte.

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A. Der Kapitalmarkt und sein Recht

der Rechtsharmonisierung als an der Rechtsvereinheitlichung ausgerichtet,101) wobei seit der Finanzkrise 2008 eine Tendenz zur Vereinheitlichung unübersehbar ist.102) Im Teilbereich der Bankenunion sind diejenigen EU Mitgliedstaaten, die den Euro als Währung haben (mit Opt-in-Möglichkeit für NichtEurostaaten), einen Schritt über die Harmonisierung hinaus gegangen und haben ihr Recht vereinheitlicht.103) Die Europäische Bankenunion ruht auf drei Pfeilern:104) x

Einheitlicher Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM)

x

Einheitlicher Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM)

x

Harmonisierte Einlagensicherung.

Da viele Banken auch Kapitalmarktakteure sind,105) wirken sich die vereinheitlichten Regelungen der Bankenunion auch unmittelbar auf den Kapitalmarkt aus. Das gilt insbesondere für SSM und SRM.106) b) Umfang und Prinzipien des EU Kapitalmarktrechts 29 Das Europäische Primärrecht besteht aus den Verträgen über die Europäische Union (EUV)107) und die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).108) Das Primärrecht verpflichtet die EU zur Errichtung eines gemeinsamen Binnenmarktes, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen ___________ 101) Ausführliche Darstellung in: Brüggemeier, Kapitel 1. 102) Diese Tendenz zeigt sich u. a. in der verstärkten Nutzung des Instruments der Verordnung zuungunsten der Richtlinie und wird vom Gesetzgeber auch nicht bestritten (s. z. B. MiFIR EG (42), MAR EG (5), ProspR EG (5), BMR EG (7) oder SSR EG (3)). Man kann darin eine Abkehr vom Prinzip der Mindest- und Hinwendung zur Maximalharmonisierung sehen (Roth, EZB; Park-KapMarktStrafR-Eggers, Teil 2 Kap. 3 I Rn. 2). Der EU Gesetzgeber begründet die verstärkte Nutzung der VO mit fehlender Konvergenz in der europäischen Rechtsanwendung (EU Kom-VÖ-Aktionsplan Kapitalmarktunion-2015, S. 27 – 30) und damit, dass ansonsten Binnenmarkt und Verbraucherschutz beeinträchtigt würden (vgl. z. B. ProspR EG (58)). 103) https://www.europarl.europa.eu/factsheets/de/sheet/88/bankenunion. 104) E/B-Bankrecht-Zagouras, § 109 Rn. 6; K/M/F/S-Freis-Janik, B+K-Recht, Rn. 2.16. Die Bankenunion umfasst deshalb zum einen die Errichtung zentraler EU Institutionen (und die Übertragung nationaler Kompetenzen auf diese Institutionen – s. dazu unten in Rn. 80–89); zum anderen schafft sie materielles Einheitsrecht in den Bereichen Bankenrestrukturierung und Einlagensicherung (zusammen mit CRD/CRR als einheitliches Regelwerk oder Single Rulebook bezeichnet (vgl.: https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/ BankenFinanzdienstleister/EUBankenaufsicht/SingleRulebook/single_rulebook_artikel .html). 105) Näher unten Rn. 126. 106) Anstelle der Einlagensicherung tritt im Kapitalmarkt die Anlagensicherung (vgl. dazu unten Rn. 78). 107) Amtsblatt der EU C 326/13 vom 26.10.2012. 108) Amtsblatt der EU C 326/47 vom 26.10.2012.

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IV. Kapitalmarktrechtsquellen

und Kapital gewährleistet ist (die sog. vier Grundfreiheiten).109) Das europäische Kapitalmarktrecht ist Ausdruck der Dienstleistungs- und Kapitalfreiheit.110) Es hat einen großen Umfang und eine große Dichte erreicht.111) Eine Reihe von Schlüsselgesetzen112) deckt die zentralen Regelungsbereiche des Kapitalmarktrechts ab. Das gilt vor allem für das Kapitalmarktaufsichtsrecht, in geringerem Maße auch für das Kapitalmarktzivil- und -strafrecht.113) Das Regelungsprinzip des EU Kapitalmarktrechts ist Zuckerbrot und Peitsche: Wenn die Finanzakteure die hohen rechtlichen Anforderungen bzgl. Kapital, Organisation und Verhalten gegenüber Kunden einhalten und sich einer entsprechenden behördlichen Überwachung unterwerfen, dann kommen sie in den Genuss des EU Passes, d. h. können sich überall in der EU (bzw. dem Europäischen Wirtschaftsraum – EWR114)) niederlassen bzw. ihre Dienstleistungen und Produkte grenzüberschreitend europaweit anbieten.115) Üblicherweise haben europäische Kapitalmarktrechtsakte einen weiten Anwendungsbereich (um möglichst alle Tätigkeiten und Produkte im Rahmen ihres Regelungsgegenstands zu erfassen), der dann durch umfangreiche Ausnahmen wieder eingeschränkt wird, wobei sich die Ausnahmen (richtigerweise) zunehmend am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientieren.116) c) Nationales (deutsches) Recht Trotz sich verstärkender europäischer Rechtsvereinheitlichung und Schaffung 30 europäischer Aufsichtsbehörden bleibt dem nationalen Kapitalmarktrecht eine ___________ 109) 110) 111) 112) 113) 114)

EUV Art. 3 (3) i. V. m. AEUV Titel II und IV. S. zu den Zusammenhängen näher: E/B-Bankrecht-Kolassa, § 121 Rn. 60 f. S. die Übersicht Rechtsquellen und behördlichen Veröffentlichungen in Rn. 516–522. Näher unten Rn. 90 ff. E/B-Bankrecht-Kolassa, § 121 Rn. 1 ff. Durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (https://www.efta.int/ media/documents/legal-texts/eea/the-eea-agreement/Main%20Text%20of%20the%20 Agreement/EEAagreement.pdf) wird die Geltung des EU Passes auf die EWR Mitgliedstaaten ausgedehnt. Der EWR umfasst neben den EU Mitgliedstaaten Norwegen, Island und Liechtenstein (die Schweiz ist nicht Mitglied). Das EWR Abkommen wurde 1992 zwischen den (damaligen) EG-Mitgliedstaaten und der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) abgeschlossen und trat am 1.1.1994 in Kraft. Es gewährleistet für die Bürger und Unternehmen der EWR Mitgliedstaaten in großem Umfang den freien Verkehr von Personen, Dienstleistungen, Waren und Kapital, einschließlich vieler Bank- und Finanzdienstleistungen. 115) MiFID Art. 34 (1) verlangt von jedem EU Mitgliedstaat sicherzustellen, dass jede in einem anderen Mitgliedstaat ordnungsgemäß zugelassene und beaufsichtigte Wertpapierfirma in seinem Hoheitsgebiet ungehindert Kapitalmarktdienstleistungen erbringen kann, sofern diese durch ihre Zulassung gedeckt sind. Allerdings unterliegt dieses Prinzip Einschränkungen und Korrekturen: Die Behörden können einschreiten (und Genehmigungen entziehen), wenn die Niederlassungsfreiheit dazu missbraucht wird, strengere Vorschriften eines Mitgliedstaates zu umgehen, sog. Aufsichtsarbitrage (z. B. UCITSD EG (18) und (24); IFR EG (12) und (18)). 116) Illustrativ: BMR EG (8) und (9).

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A. Der Kapitalmarkt und sein Recht

große Bedeutung. EU RiLi müssen weiterhin in nationales Recht umgesetzt und EU Recht muss durch nationale Behörden angewendet werden.117) Zudem gibt es noch immer wichtige durch europäisches Recht nicht geregelte Rechtsmaterien, vor allem im Zivil- und Strafrecht, gelegentlich auch im Aufsichtsrecht.118) Die für den Geschäftsbetrieb eines Finanzakteurs erforderliche Erlaubnis wird in Deutschland durch die BaFin erteilt und auch die laufende Aufsicht erfolgt (teilweise) durch sie.119) Beachtenswert sind außerdem deutsche Eigenheiten im Finanzsektor, vor allem die große Anzahl öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute, die durch Errichtungsgesetz120) oder – wie Sparkassen und Landesbanken – auf Grund eines Gesetzes durch Beschluss einer Satzung geschaffen werden121) sowie der Spezialkreditinstitute des Immobiliensektors: Pfandbriefbanken122) und Bausparkassen.123)

___________ 117) Im Aufsichtsrecht als öffentlichem Recht manifestiert sich dies darin, dass es nicht nur dann anwendbar ist, wenn in Deutschland regulierte Finanzaktivitäten auf deutschem Hoheitsgebiet vorgenommen werden, sondern auch, wenn sie aus dem Ausland heraus zielgerichtet auf Deutsche bezogen werden (vgl. BaFin-VÖ-Grenzüberschreitende Geschäfte). Solange diese Aktivitäten von einem EU Ausländer gesteuert werden, sind sie ihm i. d. R. durch den EU Pass gestattet (s. näher zum Konzept des EU Passes unten Rn. 53). Eine interessante kollisionsrechtliche Rechtsfrage tritt allerdings dann auf, wenn eine Finanzdienstleistung oder ein Finanzinstrument in einem EU Mitgliedstaat nicht reguliert ist, in einem anderen aber schon (z. B. der Schuldschein, der in Deutschland als Finanzinstrument angesehen wird, unter MiFID aber nicht). Hier hilft der EU Pass im Zweifel nicht weiter. Eine adequate kollisions- und europarechtrechtliche Lösung wird darin zu finden sein, diejenige Rechtsordnung über die Qualifikation der Dienstleistung oder des Instruments entscheiden zu lassen, der der Erbringer der Dienstleistung oder der Emittent des Instruments untersteht. Die andere Rechtsordnung muss dieses Ergebnis dann hinnehmen, auch wenn sie den Sachverhalt anders beurteilen mag. 118) Im deutschen Recht wird man dazu vor allem das VermAnlageG rechnen müssen, das eine Reihe typisch deutscher Finanzinstrumente zum Regelungsgegenstand hat, z. B. Genuss- oder Schuldscheine. 119) S. unten Rn. 80 ff. 120) Z. B. Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder Landwirtschaftliche Rentenbank. Diese (und weitere) sog. Förderbanken sind explizit aus dem Anwendungsbereich der EU Bankenregulierung ausgenommen (näher: Buba-VÖ-RiG S. 55). 121) Die Sparkassengesetze der Bundesländer enthalten Rahmenvorschriften, die durch Verordnungen und Verwaltungsakte der nach Landesrecht zuständigen Behörden ergänzt werden. Entsprechendes gilt für Landesbanken (näher: E/B-Bankrecht-Winterfeld, § 107 Rn. 18 – 20). Für öffentlich-rechtliche Kreditinstitute gilt das KWG genauso wie für private (E/B-Bankrecht-Fischer/Boegl, § 110 Rn. 1). 122) Kreditinstitute, die das Pfandbriefgeschäft betreiben, d. h. Hypotheken-, Schiffs- oder öffentliche Pfandbriefe begeben, bedürfen der Erlaubnis der BaFin nach KWG § 32 und PfandBG § 2 (1) und unterliegen im Vergleich zu normalen Banken zusätzlichen Anforderungen (z. B. einer Mindest-Kernkapitalausstattung von EUR 25 Mio – PfandbriefG § 2 (1) Nr. 1)). 123) Das BausparG enthält Spezialnormen, die von Bausparkassen zusätzlich zu denjenigen des KWG zu beachten sind. Private Bausparkassen dürfen als reine Spezialkreditinstitute nur das Bauspargeschäft und Hilfsgeschäfte betreiben (BausparG § 4). Öffentlich-rechtliche Bausparkassen unterliegen einer zusätzlichen staatlichen Anstaltsaufsicht (BausparG § 3 (2)).

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IV. Kapitalmarktrechtsquellen

d) Internationales Recht Das internationale Recht hat für den Kapitalmarkt schon deshalb große Bedeu- 31 tung, weil der Kapitalfluss an Ländergrenzen keinen Halt macht. Zu unterscheiden sind öffentliches und privates internationales Recht.124) Das Internationale Öffentliche Recht (Völkerrecht) besteht aus von Staaten (und anderen Völkerrechtssubjekten) als für ihre gegenseitigen Beziehungen verbindlich anerkannten Regeln.125) Durch inter- oder multinationale Abkommen kann unmittelbar geltendes internationales Einheitsrecht geschaffen werden.126) Völkerrechtliche Verträge sind im Kapitalmarktrecht allerdings selten; häufiger ist soft law anzutreffen, d. h. von vielen Staaten anerkannte und in nationales Recht umgesetzte Empfehlungen internationaler Gremien.127) Wichtig für das Kapitalmarktrecht ist vor allem die International Organization of Securities Commissions (IOSCO), die eine führende Rolle bei der Aufstellung internationaler Standards für die Kapitalmarktaufsicht spielt128) sowie das Basel Committee on Banking Supervision.129) Neben das Völkerrecht tritt das Internationale Privatrecht (Kollisionsrecht) einer (nationalen) Rechtsordnung (IPR), das bestimmt, welche von mehreren möglichen nationalen Privatrechtsordnungen (Sachrecht) zur Anwendung kommt, wenn ein (zivilrechtlicher) Sachverhalt eine Auslandsberührung hat.130) Schließlich sind Branchenverbände zu nennen, die Musterverträge entwickeln (und ständig aktualisieren), die sowohl die für die einzelnen Geschäftstypen erforderlichen zivilrechtlichen Fragen abbilden als auch aufsichtsrechtliche Anforderungen erfüllen. Zu diesen Branchenverbänden zählen im Bereich der Wertpapiere die International Capital Market Association (ICMA) und im Bereich der Derivate die International Swaps and Derivatives Association (ISDA). Diese Musterverträge sind kein internationales Recht im eigentlichen Sinne, erfüllen aber in der Praxis eine vergleichbare Funktion, denn sie tragen dazu bei, dass in vielen Teilen der Welt ähnliche Regeln gelten.

___________ 124) Übersicht bei: HWB-EuP-v. Hein, Kapitalmarktrecht, internationales. 125) Insofern ist auch das EU Recht Völkerrecht, geht aber darüber hinaus, weil sich auch Individuen vor Gericht unmittelbar darauf berufen können. 126) Beck-OGK-ZivR-Wendland, Rom I-VO Art. 3 Rn. 104 (z. B. das UN-Kaufrecht (Englisch: United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods – CISG; französisch: Convention des Nations Unies sur les contrats de vente internationale de marchandises – CVIM) vom 11.4.1980). 127) MüKo-BGB-Lehmann, Bd. 13, Teil 12 A. Grundlagen Rn. 66 – 70. Dazu wird man z. B. das Baseler Rahmenwerk zählen können (näher: Macht, Basel II, S. 155). 128) https://www.bafin.de/DE/Internationales/GlobaleZusammenarbeit/IOSCO/iosco_node. html). Von Bedeutung sind insbesondere IOSCO’s 38 Objectives and Principles of Securities Regulation, auf die die BaFin z. B. in MaComp AT2 ausdrücklich Bezug nimmt. 129) S. dazu näher unten Rn. 124. 130) S. unten Rn. 352.

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A. Der Kapitalmarkt und sein Recht

2. Rechtssetzungsverfahren und Hierarchie der Normen 32 Neben das Primärrecht131) treten als europäisches Sekundärrecht132) Verordnungen (VO) und Richtlinien (RiLi) sowie als Tertiärrecht Delegierte Rechtsakte (AEUV Art. 290) und Durchführungsrechtsakte (AEUV Art. 291).133) RiLi werden entweder traditionell im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren134) erlassen oder – im Finanzbereich stark zunehmend – im sog. Lamfalussy-Verfahren, das der beschleunigten Rechtssetzung und -überwachung dient und den Rechtssetzungsprozess in drei Stufen (Levels) gliedert:135) x

Level 1: Rahmenrichtlinien und -verordnungen: Auf Vorschlag der EU Kommission erlassen EU Parlament und EU Rat Rahmenrechtsakte, die politische und rechtliche Grundprinzipien und Regulierungsziele formulieren.136) Dem Rahmenrechtsakt geht i. d. R. ein Konsultationsverfahren voraus,137) an dem Kapitalmarktteilnehmer und Aufsichtsbehörden beteiligt sind.

Level 2: Die Rahmenrechtsakte delegieren die Umsetzungsbefugnis an die EU Kommission und bestimmen Art und Umfang der Umsetzungsmaßnahmen. Dafür stehen Konkretisierungsrechtsakte – Delegierte Rechtsakte,138) Durchführungsrechtsakte139) sowie Technische Regulierungsstan___________ x

131) S. oben Rn. 29. 132) AEUV Art. 288 bestimmt, dass (i) die Verordnung allgemeine Geltung hat, in allen ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt und (ii) die Richtlinie hingegen für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich ist, jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel überlässt. 133) Das EU Recht entwickelt sich fort. Viele EU Finanzgesetze liegen mittlerweile in stark überarbeiteter Form vor. Immer häufiger werden Gesetze der ersten Generation ab einem bestimmten Zeitpunkt durch Nachfolgegesetze in zweiter Generation ersetzt und entsprechend bezeichnet (z. B. MiFID II). Daraus können Schwierigkeiten entstehen, wenn andere Gesetze auf Vorschriften der Gesetze der ersten Generation verweisen. MiFID II Art. 94 erklärt deshalb, dass Bezugnahmen auf MiFID I als Bezugnahmen auf MiFID II zu verstehen (und nach Maßgabe der sog. Entsprechungstabellen in MiFID II Anhang IV zu lesen) sind und Bezugnahmen auf Begriffsbestimmungen in MiFID I als Bezugnahmen auf die entsprechenden Begriffsbestimmungen in MiFID II gelten. 134) AEUV Art. 294 (früheres Mitentscheidungsverfahren). 135) Vgl. die sehr anschauliche Darstellung auf: https://www.caplaw.eu/de/wiki/28.htm. Ausführlich: Lehmann/Manger-Nestler, ZBB 2011, 2; Moloney, Regulation, Kapitel X.2.2 und X.2.3; Veil-Kapitalmarktrecht-Walla, § 4; B/G/R-Bankenaufsichtsrecht-Binder, § 1 Rn. 11 – 19. 136) Final Report of the Committee of Wise Men on the Regulation of European Securities Markets (Lamfalussy-Bericht), 2001, S. 22 f. 137) ProspR EG (83): Es muss ein hohes Maß an Transparenz und eine umfassende Konsultation aller Marktteilnehmer sowie des Europäischen Parlaments und des Rates gewährleistet werden. 138) Delegierte Rechtsakte (Delegated Acts) werden von der EU Kommission (nach Konsultation mit ESMA und ESC) in Ausübung eigener, übertragener legislativer Befugnisse erlassen. 139) Durchführungsrechtsakte (Implementing Acts) werden von der EU Kommission erlassen, die hier anstelle der EU Mitgliedstaaten Unionsrecht umsetzt und dabei durch ESC, EBC und EIOPC unterstützt wird.

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IV. Kapitalmarktrechtsquellen

dards (Regulatory Technical Standard – RTS)140) und Technische Durchführungsstandards (Implementing Technical Standards – ITS)141) – zur Verfügung.142) x

Level 3: Die European Supervisory Authorities (ESAs)143) sollen sicherstellen, dass Level 1 und 2 Rechtsakte einheitlich umgesetzt werden und können zu diesem Zweck Leitlinien und Empfehlungen veröffentlichen.144) Zwar sind diese rechtlich nicht verbindlich, aber die nationalen Behörden unterliegen einer sog. Comply or Explain-Pflicht.145)

Auch im deutschen Bundesrecht kann man mindestens146) drei Normenhierar- 33 chiestufen ausmachen, und zwar: Gesetz147), Rechtsverordnung148) und Verwaltungsvorschrift.149) Den drei Rechtssetzungsstufen des EU Rechts stehen also entsprechende Ebenen im nationalen (deutschen) Recht gegenüber. EU Stufen und deutsche Ebenen verzahnen sich zunehmend. Z. B. setzt die Verwaltungsvorschrift MaComp (deutsche 3. Rechtssetzungs-Ebene) die 2. EU Rechtssetzungs-Stufe (DelVO MiFID) um und konkretisiert die 1. Deutsche Rechtssetzungsebene (WpHG). Zur Auffindung des in Deutschland anwendbaren Finanzaufsichtsrechts sind folglich sechs Ebenen zu beachten: Neben den drei EU Ebenen des Lamfalussy-Verfahrens finden sich drei nationale Ebenen, die nationalen Umsetzungsgesetze des Parlaments, die konkretisierenden Verordnungen der Verwaltung sowie die BaFin-Veröffentlichungen.150) ___________ 140) Rechtsform Delegierter Rechtsakt nach Art. 290 AEUV (eigene legislative Befugnisse). 141) Rechtsform Durchführungs-Rechtsakt nach Art. 291 AEUV (Umsetzung von Unionsrecht anstelle der Mitgliedstaaten). 142) RTS und ITS werden teilweise auch als Level 2,5 bezeichnet (z. B. durch die BaFin). Sie sind formal bindend wie die Delegierten Rechtsakte, inhaltlich geben sie aber technische Standards vor und sind daher den Leitlinien von Level 3 ähnlich. Sie werden durch die EU Kommission in Form von VO oder Beschluss auf Grundlage eines Entwurfs der ESAs erlassen (vgl. EBAR Art. 10 – 15). Inhaltlich sind sie im Gegensatz zu Delegierten- und Durchführungsrechtsakten rein technischer Natur (keine strategischen oder politischen Entscheidungen). Das Initiativrecht haben die ESAs. 143) S. zu den ESAs näher unten in 2.1.4 a) (i). 144) AEUV Art. 288 (5); EBAR Art. 16 (1). 145) EBAR Art. 16 (3). Aufgabe der EU Kommission und der ESAs ist es zudem, die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts in den EU Mitgliedstaaten in Kooperation mit den nationalen Aufsichtsbehörden und dem EU Parlament zu überwachen (Lamfalussy-Bericht, 2001, S. 40). 146) Lepsius, JuS 2018, 950, gliedert das deutsche Recht in fünf Stufen, wobei er als fünfte Stufe den Verwaltungsakt benennt. 147) Gemeint ist das (förmliche) Parlaments-Gesetz gem. GG Art. 76 ff., dem dann noch einmal die Verfassung (das Grundgesetz) übergeordnet ist. 148) RVO der Bundesregierung gem. GG Art. 80. Von ähnlicher Qualität ist die Satzung einer Anstalt oder Körperschaft des Bundesrechts. Besser als von Rechtsverordnung sollte man deshalb als von sonstigen materiellen Gesetzen sprechen. 149) Die Verwaltungsvorschrift bindet eigentlich nur die Verwaltung selbst; sie kann jedoch bei normkonkretisierender Wirkung und i. V. m. dem Gleichheitsgrundsatz auch Außenwirkung entfalten (näher: S/B/S-VwVFG-Schmitz, § 1 Rn. 212 – 215). 150) Möllers, NZG 2010, 285. Die wichtigsten finanz(aufsichts)rechtlichen Gesetze dieser 2 x 3 Ebenen sind im Verzeichnis in Rn. 517–518 dargestellt.

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A. Der Kapitalmarkt und sein Recht

V. Moderne Kapitalmarktrechtstrends 34 Die wichtigsten gesetzgeberischen Trends im europäischen und deutschen Kapitalmarktrecht seit der Finanzkrise 2008 sind:151) x

Intensivierung der Regulierung mit dem übergeordneten Ziel der Stärkung der Widerstandskraft des Finanzwesens gegen Krisen.

x

Förderung der Digitalisierung.

x

Förderung ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit.

35 Ob sich der Kapitalmarkt-Regulierungstrend in den 2020er Jahren mit gleicher Intensität fortsetzen wird wie im vorangegangenen Jahrzehnt, scheint schon deshalb fraglich, weil die großen Regelwerke der Nachkrisenzeit als abgeschlossen angesehen werden können.152) Einige Stimmen behaupten, nach 2008 habe ein regulatorischer Tsunami stattgefunden,153) der sein Ende finden und teilweise umgekehrt werden müsse. Dieser Forderung ist zuzugeben, dass eine hohe Regelungsdichte und -komplexität zu einer (unerwünschten) Konsolidierung des Markts führen kann, wenn kleinere Finanzakteure sich die hohen Compliancekosten schlicht nicht mehr leisten können.154) Diese Entwicklung schadet u. U. dem Endkunden, denn mit der Angebotsvielfalt nehmen auch Wettbewerb und Innovationskraft ab. Zudem schreckt intensive und teure Regulierung kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) vom Eintritt in den Kapitalmarkt ab.155) Der Gesetzgeber propagiert deshalb eine Balance zwischen Risikominderung und Wachstumsförderung156) und erkennt an, dass es ein gesetz___________ 151) Vgl. die EU Kom-VÖ-Aktionspläne Kapitalmarktunion-2015 und -2020 oder die Ausgaben der BaFin Perspektiven 1/2018 (Digitalisierung – Teil 1), 1/2019 (Digitalisierung – Teil 2) und 1/2020 (Cybersicherheit). 152) Hufeld, in: BaFin Perspektiven 1/2018 (Digitalisierung – Teil 1), S. 7. 153) Mülbert, ZHR 176 (2012), 369; ebenso: Lehmann in einem Vortrag am 24.1.2019, zitiert nach BaFin Journal Februar 2019, S. 17. 154) Der Regulierungsbogen darf nicht überspannt werden, denn, wenn das Finanzgeschäft aufgrund zu hoher Regulierungskosten ökonomisch uninteressant wird, verschwinden Banken – wie heißt es so treffend: „Kapital ist ein scheues Reh.“ Dieses Zitat wird Karl Marx zugeschrieben. So schön hat Marx es wohl allerdings nicht gesagt. Möglicherweise wird das Zitat abgeleitet aus der Fußnote 250 im 24. Kapitel des ersten Bandes von Das Kapital, in der es heißt: „Kapital flieht Tumult und Streit und ist ängstlicher Natur. Das ist sehr wahr, aber doch nicht die ganze Wahrheit. Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit oder sehr kleinem Profit, wie die Natur vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens. Wenn Tumult und Streit Profit bringen, wird es sie beide encouragieren. Beweis: Schmuggel und Sklavenhandel.“ 155) Außerdem ist zu beachten, dass eine immer weitreichendere und kostspieligere Regulierung Finanzakteure in das Schattenbankenwesen abdrängt und damit womöglich der Aufsicht ganz entzieht. Der Gesetzgeber ist sich dieser Problematik wohl bewusst (s.: EU Kom-VÖ-Aktionsplan Kapitalmarktunion-2015, S. 16, CRD EG (51), SFTR EG (6) – (7)). 156) EU Kom-VÖ-Aktionsplan Kapitalmarktunion-2015, S. 18. Umfassende Überprüfung der kumulativen Wirkung aller bisher ergriffenen Maßnahmen.

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V. Moderne Kapitalmarktrechtstrends

geberisches Ziel sein sollte, den Verwaltungsaufwand für Unternehmen im Zusammenhang mit Regularien so niedrig wie möglich zu halten.157) Oder präziser: KMU sollen nicht übermäßig belastet werden,158) also nicht so wie große Unternehmen.159) Aber was ist übermäßig? Was ist die richtige Balance? Die Regulierer besinnen sich auf die Grundsätze der Proportionalität160) und der Verhältnismäßigkeit,161) erklären aber auch, dass einige Marktteilnehmer diese Begriffe missbrauchen und eigentlich einer (maskierten) Deregulierung das Wort reden.162) In den beginnenden 2020er Jahren wird die Entwicklung des Kapitalmarkt- 36 rechts zunehmend durch die (gesellschaftspolitischen) Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit geprägt.163) Nach Vorstellung des EU Gesetzgebers soll der Kapitalmarkt die digitale Transformation der europäischen Wirtschaft unterstützen und selbst digitaler werden.164) Wichtige Regulierungsthemen in diesem Zusammenhang sind: Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI), namentlich bei der Anlageberatung und Portfolioverwaltung sowie Einsatz der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) (Blockchain) beim Wertpapierhandel unter besonderer Beachtung der Aspekte des Datenschutzes und der Informationssicherheit.165) Es gibt eine Reihe von Initiativen des europäischen und deutschen Gesetzgebers sowie von ESMA und BaFin, die allesamt das Ziel ___________ 157) S. z. B. BRRD EG (14). Ausdruck findet diese Erkenntnis auch in der ProspR von 2017, die anregt, dass ein Emittent von Wertpapieren seine aus unterschiedlichen Gesetzen resultierenden Veröffentlichungspflichten mit ein und demselben Dokument erfüllen dürfen kann (ProspR EG (32)) oder dass die Informationsanforderungen in einem Prospekt so kalibriert werden sollten, dass der Schwerpunkt auf den Angaben liegt, die für Anlagen in die angebotenen Wertpapiere wesentlich und relevant sind, und sicherstellen, dass die Größe des Unternehmens und sein Finanzierungsbedarf auf der einen Seite und die Kosten für die Erstellung eines Prospekts auf der anderen Seite zueinander in einem angemessenen Verhältnis stehen (ProspR EG (52)). 158) Solvency-II-D EG (19) – (21). 159) Peters, Präsident des BdB, in: Börsenzeitung vom 5.5.2017, der auf die besondere Heterogenität des deutschen Bankenmarkts verweist. 160) Das Prinzip der Proportionalität besagt, dass bei der Regulierung und bei deren Anwendung in der aufsichtlichen Praxis das Risikoprofil des jeweiligen Unternehmens zu berücksichtigen ist (https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/FachArt/2019/ fa_bj_1902_Proportionalitaet.html). S. auch MaComp AT3.2. 161) Solvency-II-D EG (19) – (21) und Art. 109. 162) Happel, Leiter der BaFin-Abteilung zur Aufsicht über Bausparkassen, Privatbanken und Leasing, in einem Vortrag am 24.1.2019, zitiert nach BaFin Journal Februar 2019, S. 17. 163) Näher: Veil-Kapitalmarktrecht-Veil, § 1 Rn. 61 – 64. Zwar werden beide Trends häufig als komplementär angesehen bzw. die Digitalisierung sogar als Möglichkeit zur Erreichung einer nachhaltigen Wirtschaft propagiert. Noch nicht wirklich im Mittelpunkt der Diskussion (aber immer deutlicher werdend) ist dabei allerdings der Umstand, dass beide Trends im Konflikt stehen können und namentlich der hohe Energieverbrauch der Blockchain zum Problem werden kann (vgl. DLTR EG (61); näher: Fraunhofer-Institut, Blockchain, S. 36). 164) EU Kom-VÖ-Kapitalmarktunion-Aktionsplan-2020 I.3. 165) Vgl. die Ausgaben der BaFin Perspektiven 1/2018 (Digitalisierung – Teil 1), 1/2019 (Digitalisierung – Teil 2) und 1/2020 (Cybersicherheit). S. näher unten in Abschnitt E.

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A. Der Kapitalmarkt und sein Recht

haben, die Digitalisierung des Kapitalmarkts zu fördern und gleichzeitig ihre Risiken für die Anleger beherrschbar zu machen.166) Ähnlich wichtig wie die Digitalisierung wird das Klima für den Kapitalmarkt. Green Bonds – also Anleihen, deren Erlöse für ökologische Zwecke verwendet werden – gibt es seit 2007. Volumen und Bedeutung der Green Bonds haben seitdem stark zugenommen. Das gleiche gilt für Green Funds.167) Die größte regulatorische Herausforderung in diesem Zusammenhang besteht darin, festzulegen, was grün ist und die Einhaltung der Kriterien zu überwachen.168) Zudem wünschen die Aufseher, dass Nachhaltigkeitsrisiken beim Risikomanagement berücksichtigt werden.169) Die EU misst dem Kapitalmarkt generell große Bedeutung bei der Förderung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Wirtschaft zu und erstreckt den Begriff ausdrücklich auch auf sozialpolitische Fragen.170) Folgerichtig bestimmt die BaFin den Begriff Nachhaltigkeit i. S. v. ESG (Environmental, Social and Governance – Umwelt, Soziales und (gute) Unternehmensführung).171)

___________ 166) Vgl. z. B. die Aussagen der EU Kommission bei der Ankündigung ihres digitalen Finanzpakets am 24.9.2020 (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/publications/200924digital-finance-proposals_en). Näher unten Rn. 512 f. 167) Im Jahr 2021 sind laut einer PwC-Studie (The state of ESG disclosure in Asset & Wealth Management – From fund issuer to end investor) 32 % des europäischen Fondsvermögens nachhaltig i. S. v. SFDR Art. 8 oder 9 angelegt. 168) „Wo ESG draufsteht, muss auch Nachhaltigkeit drin sein.“ (BaFin Exekutivdirektor Pötzsch in einer Pressemitteilung vom 2.8.2021). 169) Rösler, in: BaFin Perspektiven 2/2019 (Nachhaltigkeit), S. 26 ff. 170) EU Kom-VÖ-Kapitalmarktunion-Aktionsplan-2020 I.2. Umsetzungsbeispiele dafür sind, dass im Wertpapierprospektrecht auf umwelt- und sozialpolitische Umstände sowie Faktoren in Bezug auf die Unternehmensführung Bezug genommen wird (ProspR EG (54)) oder in der MiFID auf Frauenförderung. Vgl. auch IFD EG (22) bzgl. geschlechtsneutraler Vergütung und Art. 35 bzgl. eines Berichts der EBA über die Einführung technischer Kriterien für den Prozess der aufsichtlichen Überprüfung und Bewertung im Zusammenhang mit Tätigkeiten, die eng mit Zielen im Bereich Umwelt, Soziales und guter Unternehmensführung (ESG) verbunden sind. S. zu ESG als Regulierungsziel unten Rn. 49 sowie zu nachhaltigen Anleihen unten Rn. 392. 171) BaFin-VÖ-Nachhaltigkeit S. 6.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht Das Kapitalmarktaufsichtsrecht legt die Regeln fest, denen jeder Kapitalmarkt- 37 akteur im Hinblick auf seine Geschäftsorganisation und sein Verhalten bei der Erbringung von Kapitalmarktdienstleistungen unterworfen ist; außerdem regelt es die Durchführung des Kapitalmarkthandels. Es ist eine Teilmenge des Finanzaufsichtsrechts und fügt sich in dessen Systematik ein.172) Seine Grundlinien werden durch drei europäische Schlüsselgesetze vorgegeben: MiFID, IFD und CRD. Systematischer und begrifflicher Dreh- und Angelpunkt des Kapitalmarktaufsichtsrechts sind die Finanzinstrumente, die jedes für sich selbst wiederum einer eigenen Regulierung unterliegen. Daneben tritt eine indirekte Regulierung des Kapitalmarkts, z. B. durch Rechnungslegungsvorschriften. Diese Charakteristika des Kapitalmarktaufsichtsrechts sollen in den folgenden sieben Kapiteln dieses Abschnitts B. erläutert werden. I. System und Prinzipien des Finanzaufsichtsrechts Der Kapitalmarkt ist Teil des Finanzmarkts.173) Primäres Ziel des Finanzauf- 38 sichtsrechts ist die Beherrschung der Risiken, die den Finanzmarkt – und wegen des Dominoeffekts174) die gesamte Volkswirtschaft – bedrohen.175) Zur Erreichung dieses Ziels bedient es sich verschiedener Methoden – wobei die Verpflichtung der Finanzakteure zu Transparenz als (methodischer) sich durch alle Bereiche des Finanzaufsichtsrechts ziehender roter Faden hervorzuheben ist. Die Durchsetzung der Regulierungsvorschriften ist Aufgabe der speziell zu diesem Zweck geschaffenen Finanzaufsichtsbehörden. Das Kapitalmarktaufsichtsrecht ist Teil dieses finanzaufsichtlichen Systems, erfährt in ihm aber eine besondere Ausprägung. Das finanzaufsichtliche System und seine besondere Ausprägung im Kapitalmarktaufsichtsrecht sollen in diesem Kapitel dargestellt werden. 1. Die drei Säulen der Finanzaufsicht Das Gebäude der Finanzaufsicht ruht auf den drei Säulen Banken, Kapitalmärkte 39 und Versicherungen. Der Zugang zu diesen Säulen – und damit zum Finanzaufsichtsrecht – erfolgt über die Beschreibung von Tätigkeiten (Finanzgeschäfte). Jedes dieser Finanzgeschäfte wird in einem europäischen Gesetz (Finanzaufsichtsgesetze) definiert und die Personen, die solche Finanzgeschäfte erbringen (Finanzakteure), werden von einer für je eine Säule zuständigen (europäischen176) Behörde (Finanzaufsichtsbehörden) beaufsichtigt. Anders gewendet: ___________ 172) S. zur Frage, was das Aufsichtsrecht von ordinary law unterscheidet: Wood, Regulation, Rn. 4-001. 173) S. oben Rn. 1 ff. 174) S. oben Rn. 19. 175) Näher: E/B-Bankrecht-Fischer/Boegl, § 110 Rn. 36. 176) Die deutsche Finanzaufsicht wird durch eine Behörde, die BaFin, ausgeübt, die allerdings in drei Direktorate gegliedert ist: Bankenaufsicht, Wertpapieraufsicht/Asset-Management, Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

Akteure, die bestimmte, in einem Finanzaufsichtsgesetz näher definierte Finanzgeschäfte ausführen, fallen in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes (und damit einer Vielzahl weiterer Gesetze) und werden im Hinblick auf ihre Organisation und die Ausübung ihrer Tätigkeit reguliert und beaufsichtigt. Übersicht der drei Säulen der Finanzaufsicht Bankenaufsicht Finanzgeschäfte Bankgeschäfte

Kapitalmarktaufsicht Versicherungsaufsicht Kapitalmarktdienstleistungen

Versicherungsgeschäfte

Finanzakteure

Kreditinstitute

Wertpapierfirmen

Versicherungen

Finanzaufsichtsbehörden

EBA/BaFin

ESMA/BaFin

EIOPA/BaFin

Finanzaufsichtsgesetze

CRD/KWG

MiFID+IFD/ WpHG+WpIG

Solvency-D/VAG

40 Im Rahmen dieses Drei-Säulen-Gebäudes der Finanzaufsicht kommt der präzisen Definition des erlaubnispflichtigen Finanzgeschäfts besondere Bedeutung zu. Sie entscheidet darüber, ob eine Person bei der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit ein dichtes Netz von (aufwändig und kostspielig zu erfüllenden) Regularien zu beachten hat oder weitgehend regulierungsfrei agieren kann.177) 41 Für dieses Buch spielen Kreditinstitute und Versicherungen nur insofern eine Rolle, als sie Berührung mit dem Kapitalmarkt haben. Eine solche Kapitalmarktberührung ist für das Versicherungsgeschäft vergleichsweise gering (und findet eigentlich nur dann statt, wenn Versicherungsprodukte auch eine Investmentkomponente haben oder die Versicherung selbst als Anleger am Kapitalmarkt auftritt), für Kreditinstitute jedoch intensiv. Das liegt daran, dass viele Kreditinstitute als sog. Universalbanken neben dem Bankgeschäft auch Kapitalmarktdienstleistungen erbringen.178) 2. Ziele des Finanzaufsichtsrechts 42 Der Zweck des Finanzsystems ist, der Realwirtschaft Kapital zur Verfügung zu stellen.179) Der Erfüllung dieses Zwecks ist das Finanzaufsichtsrecht ver___________ 177) Jeder der drei Säulen sind neben den vorstehend genannten Hauptakteuren weitere Akteure zuzuordnen: · Zur Bankensäule gehören E-Geldinstitute und Zahlungsinstitute (näher unten Rn. 51). · Zur Versicherungssäule gehören Pensions- und Sterbekassen; außerdem ist zu differenzieren zwischen großen und kleinen sowie zwischen Direkt- und Rückversicherungsunternehmen (näher unten Rn. 51). · Zur Kapitalmarktsäule gehören Investmentfonds (näher unten Rn. 296 ff.) und eine Reihe von in diesem Buch als Kapitalmarkt-Nebenakteure bezeichnete Personen (s. unten Rn. 177–184). 178) Näher unten in Rn. 126. 179) SFTR EG (1). Es ist ein dienender Zweck. Dass er vergessen wurde, war der Hauptgrund für die Finanzkrise 2008.

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I. System und Prinzipien des Finanzaufsichtsrechts

pflichtet. Um ihn zu erfüllen, sind dem Finanzaufsichtsrecht die Ziele der Stabilität und Effizienz der Finanzmärkte gesteckt.180) Hinzu tritt der Anlegerschutz und (seit jüngerer Zeit) die Ziele des (kollektiven) Verbraucherschutzes und der Förderung einer nachhaltigen Finanzwirtschaft. a) Stabilität durch Risikomanagement und Schutz der Integrität des Finanzsystems Die Stabilität des Finanzsystems und seiner Akteure soll dadurch erreicht wer- 43 den, dass stabilitätsbedrohende Risiken erkannt und eingehegt werden. Als Risiko ist die Gefahr der (ungeplanten) negativen Abweichung eines zukünftig realisierten ökonomischen Wertes vom erwarteten Wert zu verstehen.181) Übersicht der typischen Risiken des Finanzmarkts182) Bezeichnung

Beschreibung des Risikos

Ausfallrisiko183)

Der Schuldner einer Verbindlichkeit wird zahlungsunfähig.

Marktrisiko184)

Die Marktkonditionen (Zinsen, Aktienkurse, Rohwarenpreise etc.) entwickeln sich negativ.

Operationelles Risiko185)

Verluste, die durch die Unangemessenheit oder das Versagen von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder durch externe Ereignisse verursacht werden.

___________ 180) Ausführlich: MüKo-BGB-Lehmann, Bd. 13, Teil 12 A. Grundlagen Rn. 1 – 6; Veil-Kapitalmarktrecht-Veil, § 2 Rn. 6 – 24; (K/L-MaRisk-Krimphove, § AT1 Vorbemerkung Rn. 15). 181) Gabler-Wiedemann, (https://www.gabler-banklexikon.de/definition/bankbetrieblicherisiken-55952). Zur Herleitung des Begriffs: H/W/Z-MaRiskAT 2.2 Rn. 2 – 7. 182) Vgl. CRR Art. 1 und MaRisk AT2.2 sowie im Gabler-Banklexikon unter den in nachstehendem Verzeichnis genannten Sichworten und H/W/Z-MaRiskAT 2.2 Rn. 16. Weitere Risken sind das strategische Risiko (d. h. die Gefahr unerwarteter negativer Entwicklungen in der Unternehmensführung und -ausrichtung) und das Reputationsrisiko. Der Eintritt von Risiken dieser Art führt wegen ihres Langfrist-/Grundsatzcharakters regelmäßig zur Existenzgefährdung des Unternehmens. Allerdings sind diese Risiken nicht finanzsektorspezfisch, sondern treffen alle Unternehmen und werden deshalb hier nicht gesondert berücksichtigt. 183) Als synonyme Begriffe bzw. als Begriffe, die das Ausfallrisiko in Bezug auf bestimmte Arten von Schuldnern benennen sollen, werden verwendet: Kreditrisiko, Kreditausfallrisiko, Adressenausfallrisiko, Bonitätsrisiko, Kontrahentenrisiko, Emittentenrisiko, Erfüllungsrisiko, Beteiligungsrisiko. Eine ähnliche Bedeutung haben die Begriffe Besicherungsrisiko (der Gläubiger hatte sich gar nicht auf den Schuldner verlassen, sondern auf die ihm gegebene Sicherheit, die nun wertlos wird) und Länderrisiko (das Land, in dem der Schuldner seinen Sitz hat, lässt eine werthaltige Zahlung nicht zu). 184) Synonym: Marktpreisrisiko. 185) Das operationelle Risiko wird als einziges der genannten Risiken in der CRR wie dargestellt ausdrücklich definiert und zwar in Art. 4 (52), der dazu auch die Rechtsrisiken zählt. Rechtsrisiko ist die Möglichkeit, dass Prozesse, Gerichtsurteile oder undurchsetzbare Verträge, die Geschäfte oder die Verfassung des Finanzakteurs beeinträchtigen (BCBSSorgfaltspflicht, S. 3). I. w. S. wird man dazu auch generell die Risiken zählen können, die daraus entstehen, dass der Finanzakteur bzw. seine Mitarbeiter rechtliche Regelungen und Vorgaben nicht einhalten (vgl. MaRisk AT 4.4.2 Nr. 1).

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht Bezeichnung

Beschreibung des Risikos

Settlementrisiko

Ein Finanzgeschäft wird nicht am vereinbarten Tag abgewickelt und muss an einem späteren Termin unter ggf. veränderten Marktkonditionen nachgeholt werden.

Konzentrationsrisiko186)

Es existiert eine geringe Anzahl von Geschäftspartnern; zumindest besteht zwischen ihnen eine enge Korrelation bzgl. Branchen, Ländern, Währungen etc.

Liquiditätsrisiko

Zwischen den tatsächlichen und den erwarteten einund ausgehenden Zahlungen besteht eine Diskrepanz.

44 Einige der vorstehend genannten Risiken betreffen alle Bereiche des Finanzmarkts (z. B. das Ausfallrisiko), andere sind typisch für den Kapitalmarkt (z. B. das Settlementrisiko). Wenn sich mehrere dieser Risiken miteinander verbinden und nicht mehr beherrschbare Kettenreaktionen von Abwertungsspekulationen und Bankenzusammenbrüchen drohen, spricht man vom Systemrisiko.187) 45 Der Beherrschung sämtlicher genannter Risiken mit dem Ziel, ihren Eintritt zu verhindern oder den aus ihnen resultierenden Schaden für das Finanzsystem und seine Akteure zu minimieren, dienen die allgemeinen Regelungen über die Geschäftsorganisation der Kapitalmarktakteure.188) Die Vorschriften über das regulatorische Eigenkapital adressieren in besonderer Weise die Ausfall-, Markt-, operationellen und Settlementrisiken;189) und diejenigen über Central Counterparties und Margin haben noch speziellere Ausfall-, operationelle und Settlementrisiken (bei Derivaten) zum Gegenstand.190) Besondere Regeln gibt es zudem für das Konzentrationsrisiko191) und das Liquidititätsrisiko.192) Aufklärung über sämtliche genannten (und weitere) Risiken – und damit Anlegerschutz – sollen die Regeln über die Kundentransparenz193) und die Markteintrittstransparenz194) bewirken. 46 Der wichtigste Stabilitätsfaktor ist allerdings das Vertrauen seiner Teilnehmer und Kunden in die Legalität und Integrität des Finanzsystems.195) Dieses Ver___________ 186) Synonym: Klumpenrisiko. 187) Gabler-Metzger, (https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/systemrisiko-48241/version-271499). 188) S. unten Rn. 157–171. 189) S. unten Rn. 139–153. 190) S. unten Rn. 286 f. 191) S. unten Rn. 156. 192) S. unten Rn. 154–155. 193) S. unten Rn. 193–200. 194) S. unten Rn. 249 f. 195) Um es mit den Worten des ehemaligen Fed-Chefs Alan Greenspan zu sagen: „Our market system depends critically on trust – trust in the word of our colleagues and trust in the word of those with whom we do business.“ (zitiert nach: R. William Ide III & Douglas H. Yarn, Public Independent Fact-Finding: A Trust-Generating Institution for an Age of Corporate Illegitimacy and Public Mistrust, 56 Vand. L. Rev. 1113 (2003). Ausführlich zum Thema außerdem: Tajti, Business & Bankruptcy Law Journal 2019, Nr. 5, 19, 21 ff.

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I. System und Prinzipien des Finanzaufsichtsrechts

trauen zu gewährleisten – vor allem dadurch, dass Betrüger ferngehalten (und falls das nicht gelingt, bestraft) werden,196) die Zahlungsfähigkeit der Teilnehmer gesichert wird (und falls das nicht gelingt, eine ordentliche Abwicklung der Insolvenz erfolgt) und Geschäfte unter transparenten Bedingungen abgeschlossen werden – ist die vornehmste Aufgabe des Finanzaufsichtsrechts.197) b) Markteffizienz Der Kapitalmarkt soll in der ganzen EU effizient funktionieren.198) Darunter 47 versteht der Gesetzgeber vor allem die Senkung der Kapitalkosten, die Verbesserung des Zugangs zu Kapital bei gleichen Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer sowie die Förderung von Innovationen.199) Immer stärker rückt dabei die Forderung der (weiteren) Öffnung der Kapitalmärkte für kleinere Unternehmen in den Fokus.200) c) Anleger- und Verbraucherschutz Zwischen Anbietern von Kapitalmarktprodukten und Anlegern bestehen häufig 48 Informationsasymmetrien, die einen besonderen Anlegerschutz rechtfertigen, z. B. in Form der Verpflichtung für Wertpapieremittenten, einen Prospekt zu veröffentlichen, der es dem Anleger erlaubt, die Qualität des angebotenen Finanzinstruments umfassend zu würdigen.201) Dies gilt insbesondere dann, wenn der Anleger ein Verbraucher ist. Allerdings ist der Schutz nicht schrankenlos, sondern soll nur in dem Umfang erfolgen, in dem er auch erforderlich ist.202) Denn der Gesetzgeber will die Anlagetätigkeit der Bürger ja gerade fördern und sie dazu bringen, ihre Ersparnisse einem besseren individuellen und volkswirtschaftlichen Nutzen zuzuführen – also weg vom Sparkonto und hin zur Altersvorsorge über den Kapitalmarkt.203)

___________ 196) Sicherlich hat die These etwas für sich, dass NY und London auch deshalb die bedeutensten Finanzplätze der westlichen Welt sind, weil sie früh effiziente Präventions- und Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Kapitalanlagebetrug eingeführt und bis zum heutigen Tag konsequent angewendet haben (Tajti, Business & Bankruptcy Law Journal 2019, Nr. 5, 19, 53). 197) Vgl. MAR Art. 1; UCITSD EG (45). 198) S. z. B. ProspR EG (7) oder EU Kom-VÖ-Aktionsplan Kapitalmarktunion-2015 Ziffer 6.3. 199) ProspR EG (83). Ausführlich: EU Kom-VÖ-Aktionsplan Kapitalmarktunion-2015. 200) EU Kom-VÖ-Aktionsplan Kapitalmarktunion-2015 Ziffer 1.3. Beklagt wird die relative Schwäche des europäischen Kapitalmarkts im Vergleich zum amerikanischen. Der Wert von Bankkrediten betrug 2015 in der EU 212 % des Bruttosozialprodukts (Gross Domestic Product – GDP), derjenige von Schuldverschreibungen 171 % und von börsennotierten Aktien 60 %. In den USA ist das Verhältnis von Kredit- zu Kapitalmarktfinanzierung umgekehrt. Dort lauten die Zahlen 147 % für Bankkredite, 220 % für Schuldverschreibungen und 115 % für börsennotierte Aktien (Quelle: PWC, Capital Markets Union: Integration of Capital Markets in the European Union, September 2015, S. 13). 201) ProspR EG (3). 202) S. z. B. den Hinweis in ProspR EG (83), wonach das Offenlegungs- und Schutzniveau der jeweiligen Lage des Anlegers angepasst sein soll. 203) EU Kom-VÖ-Aktionsplan Kapitalmarktunion-2015 Ziffer 4.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

d) Nachhaltigkeit (ESG) 49 Die EU denkt seit vielen Jahren darüber nach, wie Real- und Finanzwirtschaft in die Erreichung von ESG204)-Zielen eingebunden werden kann.205) In jüngerer Zeit liegt der Fokus dabei auf dem Thema des nachhaltigen ökologischen Wirtschaftens.206) Im Bereich des Kapitalmarkts207) schlagen sich diese Überlegungen auf dreifache Art und Weise nieder: x

Festlegung verbindlicher Kriterien dafür, was als nachhaltig bezeichnet werden darf (ESG-Taxonomie).208)

___________ 204) ESG steht für Environment – Social – Government. Verdienste um die Bestimmung dessen, was unter ESG näher zu verstehen ist, hat sich das amerikanische CFA Institute erworben. Nach dessen Analyse zählen zu social z. B. Menschenrechte oder Arbeitssicherheit und zu government Anti-Korruptionsmaßnahmen (s. näher: https://www.cfainstitute.org/research/ esg-investing). 205) Die NFRD von 2014, die bestimmte große Unternehmen und Gruppen dazu verpflichtet, in ihre Jahresabschlüsse Angaben über nichtfinanzielle und Diversität betreffende Aspekte aufzunehmen, nimmt Bezug auf noch deutlich früher datierende Mitteilungen und Strategiepapiere der EU Kommission und des EU Parlaments (vgl. NFRD EG (1) – (3)). Im April 2021 hat die EU Kommission ihren Vorschlag für eine Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) veröffentlicht, die die NFRD ersetzen soll und voraussichtlich bis Ende 2022 in Kraft treten wird. Die CSRD sieht einen gegenüber der NFRD erweiterten Anwenderkreis und detailliertere Berichtspflichten vor. 206) Im EU Kom-VÖ-Aktionsplan nachhaltiges Wachstum von 2018 wird erörtert, wie Kapitalströme in Richtung einer nachhaltigeren Wirtschaft geleitet, Nachhaltigkeit als Bestandteil des Risikomanagements implementiert und ganz allgemein langfristiges Denken in der Real- und Finanzwirtschaft gefördert werden können. In der EU Kom-VÖ-Green Deal von 2019 wird eine umfassende Wachstumsstrategie für eine klimaneutrale Wirtschaft mit dem übergeordneten Ziel der EU-weiten Treibhausgas-Neutralität bis 2050 erläutert. In der EU Kom-VÖ-Strategie nachhaltige Wirtschaft wird detailliert beschrieben, mit welchen Instrumenten das Ziel des nachhaltigen Wirtschaftens erreicht werden soll. Die BaFin beteiligt sich an der strategischen Diskussion (vgl. BaFin Perspektiven 2/2019) und flankiert die EU Maßnahmen mit eigenen. Sie stellt mit der BaFin-VÖ-Nachhaltigkeit den von ihr beaufsichtigen Unternehmen eine (unverbindliche) Orientierungshilfe im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken zur Verfügung. In 2021 konsultierte die BaFin zudem den Entwurf einer BaFin-Richtlinie für nachhaltige Investmentvermögen (Konsultation 13/2021), die Regelungen dazu enthält, wann sich ein Investmentvermögen im Namen als nachhaltig bezeichnen oder als explizit nachhaltig vertrieben werden darf. 207) Auch die IOSCO hat am 30.6.2021 den Entwurf einer Recommendation on SustainabilityRelated Practices, Policies, Procedures and Disclosure in Asset Management veröffentlicht. 208) Die SFDR verpflichtet zur Einordnung der Produkte als nicht-nachhaltige Finanzprodukte (Art. 6), Finanzprodukte mit ökologischen oder sozialen Merkmalen (Art. 8) oder Finanzprodukte mit explizit nachhaltigem Investitionsziel (Art. 9). Die ESGR enthält (weitere) Kriterien zur Bestimmung dafür, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist, um damit den Grad der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition ermitteln zu können.

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I. System und Prinzipien des Finanzaufsichtsrechts

x

Verpflichtung für Emittenten und Anbieter von als nachhaltig vermarkteten Finanzinstrumenten, Auskunft über die eigene Nachhaltigkeitsbilanz zu geben (ESG-Offenlegungspflichten).209)

x

Entwicklung von standardsetzenden Instrumenten zur Förderung nachhaltiger Investitionen (ESG-Instrumente).210)

3. Methoden des Finanzaufsichtsrechts Das Finanzaufsichtsrecht (und mit ihm das Kapitalmarktaufsichtsrecht) hat 50 drei methodische Ansatzpunkte: Schaffung einer Markteintrittsbarriere mit Zugangskontrolle, laufende Überwachung der Geschäftstätigkeit der zum Markt zugelassenen Finanzakteure und Krisenmanagement.211) a) Markteintrittsbarriere aa) Zulassungserfordernis, Herkunftsmitgliedstaat und EU Pass Ein Finanzakteur bedarf für die Erbringung seiner Finanzgeschäfte212) in der 51 EU i. d. R. einer Erlaubnis (auch Zulassung oder Lizenz genannt)213) durch die ___________ 209) Offengelegt werden müssen die Auswirkungen der Tätigkeit des Emittenten auf die Umwelt und die Gesellschaft sowie die geschäftlichen und finanziellen Risiken, denen ein Unternehmen durch seine Nachhaltigkeitsrisiken ausgesetzt ist. ESG-Offenlegungspflichten ergeben sich aus der SFDR und der ESGR. Die SFDR verpflichtet zur Offenlegung der Nachhaltigkeitsrisiken und der wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Unternehmens- und Produktebene und die ESGR verpflichtet zur Offenlegung von Umsatz, Kapital und Betriebsausgaben aus Produkten oder Tätigkeiten nach der ESGTaxonomie. Außerdem hat die EU Kommission die MiFID-DelVO 2017/565/EU in 2021 dahingehend ergänzt, dass WpDU im Rahmen des Beratungsprozesses auch Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden erfragen sollen. Der Kunde soll u. a. die Möglichkeit bekommen, einen Mindestanteil nachhaltiger Anlagen festzulegen. Näher: Waschbusch/ Kiszka/Runco, BKR 2021, 609. 210) Zu den ESG-Instrumenten zählen Referenzwerte, Normen und Gütesiegel, z. B. der Fondslabel ELTIF (vgl. EU Kom-VÖ-Aktionsplan Kapitalmarktunion-2015 S. 16; umgesetzt durch die ELTIF-VO) oder ESG-Benchmarks, die die EU Kommission einzuführen beabsichtigt (vgl. EU Kom-VÖ-Strategie nachhaltige Wirtschaft S. 4 und 7). Ein wichtiger Schritt ist der Vorschlag der EU Kommission für eine Green Bond-VO (COM(2021) 391). In der Green Bond-VO sollen einheitliche Anforderungen für Emittenten fesgelegt werden, die für ihre Anleihen die Bezeichnung europäische grüne Anleihe verwenden möchten, sowie die Einführung eines Registrierungssystems und Aufsichtsrahmens für externe Bewerter europäischer grüner Anleihen. Näher: Veil-Kapitalmarktrecht-Veil, § 8 Rn. 48 – 51. 211) E/B-Bankrecht-Kolassa, § 124 Rn. 1. 212) S. zur Erläuterung dieses Begriffs Rn. 39 oben sowie die Fußnoten des nachfolgenden Absatzes. 213) Der EU Gesetzgeber benutzt typischerweise den Begriff der Zulassung (vgl. CRD Art. 8 (1) oder MiFID Art. 5 (1)), der deutsche Gesetzgeber denjenigen der Erlaubnis (vgl. KWG § 32 (1) oder WpIG § 15 (1)). In der Praxis wird häufig von dem Erfordernis einer Lizenz gesprochen (z. B. von der BaFin: https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/BankenFinanzdienstleister/Markteintritt/markteintritt_node.html). Alle drei Begriffe meinen das Gleiche, nämlich die Autorisierung eines Unternehmens durch eine Behörde, eine bestimmte Tätigkeit ausüben zu dürfen.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

zuständige Behörde seines Herkunftsmitgliedstaats. Die Ausübung eines Finanzgeschäfts ohne entsprechende Erlaubnis steht unter Strafe.214) Entsprechend dem 3-Säulen-System der Finanzaufsicht215) wird eine Erlaubnis grds. separat und anknüpfend an die Art der erbrachten Dienstleistung für einen bestimmten Typus von Finanzakteur vergeben. Ein Finanzakteur kann mit anderen Worten eine Erlaubnis für Bank-, Wertpapier- oder Versicherungsgeschäfte erhalten und wird dadurch (in formaler Hinsicht216) zum Kreditinstitut,217) zur Wertpapierfirma218) oder zum Versicherungsunternehmen219)). Dieser Grundsatz wird jedoch in mehrfacher Hinsicht durchbrochen. Zum einen sind basierend auf den Grundtypen weitere Typen lizensierter Finanzakteure ent-

___________ 214) KWG § 54. Die Einschränkung der in GG Art. 12 verbrieften Berufs- und Gewerbefreiheit durch ein Zulassungsverfahren ist laut Bundesverfassungsgericht zulässig, sofern sie, wie im Fall von KWG § 32, aus Gründen des Gemeinwohls geboten ist (BVerfGE 7, 377; BVerfGE 25, 236). Aus der grundrechtlichen Bedeutung der Berufs- und Gewerbefreiheit folgt allerdings, dass ein Anspruch auf Gewährung der Erlaubnis bestehen muss, wenn die (vom Gesetzgeber präzise zu formulierenden) Zulassungskriterien erfüllt sind. Der deutsche Gesetzgeber bringt dies dadurch zum Ausdruck, dass in KWG § 33 ein abschließender Katalog der Erlaubnisversagungsgründe enthalten ist (E/B-BankrechtFischer/Boegl, § 113 Rn. 5). Einer vergleichbaren verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedürfen zudem die besonderen Anforderungen, die an den Geschäftsbetrieb eines Finanzakteurs gestellt werden (K/L-MaRisk-Krimphove § AT1 Vorbemerkung Rn. 10). 215) S. oben Rn. 39. 216) Nicht jedoch in materieller Hinsicht. Materiell wird ein Finanzakteur zu dem, was er ist, durch das, was er tut (vgl. B/G/R-Bankenaufsichtsrecht-Binder, § 3 Rn. 4). 217) Kreditinstitute benötigen für die Erbringung von Einlagen- und Darlehensgeschäften (sowie weiteren typischen Bankgeschäften – vgl. die Liste der in CRD Anhang I genannten Tätigkeiten) eine Zulassung (CRD Art. 8 (1)) von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem sich ihre Hauptverwaltung befindet (CRD Art. 13 (2)). 218) Wertpapierfirmen benötigen für die Erbringung von Kapitalmarktdienstleistungen eine Zulassung (MiFID Art. 5 (1)) von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem sich ihre Hauptverwaltung befindet. 219) Der Begriff des Versicherungsunternehmens umfasst Erst- und Rückversicherungen, die den Betrieb von Versicherungsgeschäften zum Gegenstand und dafür eine Erlaubnis gem. Solvency-II-D haben (Solvency-II-D Art. 13; VAG § 7 Nr. 33). Die Aufnahme der Direktund Rückversicherungstätigkeit bedarf der Zulassung durch die Aufsichtsbehörde des Herkunftsmitgliedstaats (Solvency-II-D Art. 14 (1)). Die Zulassung wird für jeden Versicherungszweig gesondert erteilt (Solvency-II-D Art. 15 (1)). Der Begriff des Versicherungsvertrags ist gesetzlich nicht definiert (vgl. VVG-Gesetzesbegründung, S. 56). Nach BGH und BVerwG liegt ein Versicherungsvertrag vor, wenn gegen Entgelt für den Fall eines ungewissen Ereignisses bestimmte Leistungen übernommen werden, wobei das übernommene Risiko auf eine Vielzahl durch die gleiche Gefahr bedrohter Personen verteilt wird und der Risikoübernahme eine auf dem Gesetz der großen Zahl beruhende Kalkulation zu Grunde liegt. Dazu gehören allerdings nicht Vereinbarungen, die in einem inneren Zusammenhang mit einem Rechtsgeschäft anderer Art stehen und von dort ihr eigentliches rechtliches Gepräge erhalten. Dies ist dann der Fall, wenn die betreffende Vereinbarung mit einem anderen Vertrag, der seinerseits kein Versicherungsvertrag ist, verbunden und als unselbstständige Nebenabrede dieses Hauptvertrags zu werten ist (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2016 – IV ZR 50/16, NJW 2017, 393; Urt. v. 29.9.1994 – I ZR 172/92, NJW 1995, 324; Urt. v. 24.4.1991 – VIII ZR 180/90, WM 1991, 1384. BVerwG VersR 1993, 1217; BVerwG VersR 1992, 1381; BVerwG VersR 1987, 701; BVerwG VersR 1980, 1013).

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I. System und Prinzipien des Finanzaufsichtsrechts

standen. Neben den Kreditinstituten sind hier vor allem die Zahlungs-220) und E-Geldinstitute221) zu nennen und neben den Wertpapierfirmen die (kollektiven) Vermögensverwalter.222) Zum anderen können Erlaubnisse für unterschiedliche Geschäftstypen kombiniert werden bzw. erlaubt die Inhaberschaft der einen Lizenz, Geschäfte eines anderen Typus mitzuerledigen. Prominentestes Beispiel ist die sog. Vollbanklizenz, unter der Bankgeschäfte und Kapitalmarktdienstleistungen kombiniert werden.223) Schließlich spielt auch die Größe des Finanzakteurs eine Rolle, was seinen Ausdruck im Proportionalitätsgrundsatz findet.224)

___________ 220) Die Erbringung von Zahlungsdiensten (d. h. gem. PSD Art. 4 Nr. 3 Anhang I Dienste, mit denen Bareinzahlungen/abhebungen auf ein/von einem Zahlungskonto ermöglicht werden, Ausführung von Zahlungsvorgängen/Transfers von Geldbeträgen (per Lastschrift, Zahlungskarte, Überweisung, gedecktem Kreditrahmen), Ausgabe von Zahlungsinstrumenten, Finanztransfer, Zahlungsauslösedienste und Kontoinformationsdienste) erfordert eine Erlaubnis als Zahlungsinstitut, es sei denn, der Erbringer der Zahlungsdienste ist bereits als CRR-Kreditinstitut oder E-Geldinstitut zugelassen oder als eine in PSD Art. 1 (1) c) – f) genannte Institution von der Zulassungspflicht befreit. CRR-Kreditinstitute werden deshalb auch privilegierte Zahlungsdienstleister genannt, die Zahlungsdienste qua ihrer Banklizenz erbringen dürfen und nur wenigen spezifischen zahlungsaufsichtsrechtlichen Pflichten unterworfen sind (S/O/M-ZAG-Mimberg, § 1 Rn. 9 – 10). Diese Privilegierung gilt aber beispielsweise nicht für Wertpapierfirmen. 221) Die Ausgabe von E-Geld (E-Geldgeschäft) erfordert die Zulassung als E-Geldinstitut, es sei denn, der Ausgeber des E-Gelds ist bereits als Kreditinstitut oder als in EMD Art. 1 (1) c) – e) genannte Institution von der Zulassung gem. EMD befreit. 222) Kollektive Portfolio- oder Vermögensverwaltung (s. zu dem Begriff unten Rn. 51) ist die Verwaltung von Investmentfonds in Form von AIF oder UCITS. AIFM benötigen für die Verwaltung eines AIF eine Zulassung durch die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaats des AIFM (AIFMD Art. 6 (1) und 7 (1)). Gem. AIFMD Anhang I liegt (kollektive) Verwaltung eines AIF vor bei Erbringung der Dienstleistungen Portfolioverwaltung und Risikomanagement. Vom Begriff (und deshalb auch von der entsprechenden Lizenz) umfasst ist außerdem die Ausübung administrativer Tätigkeiten (z. B. rechtliche Dienstleistungen, Fondsbuchhaltung und Rechnungslegung, Kundenanfragen, Bewertung und Preisfestsetzung, Führung eines Anlegerregisters, Gewinnausschüttung, Ausgabe und Rücknahme von Anteilen, Kontraktabrechnungen, Versand der Zertifikate), die Durchführung von Vertrieb sowie Tätigkeiten im Zusammenhang mit den Vermögenswerten des AIF (z. B. Facility Management, Immobilienverwaltung, die Beratung von Unternehmen über die Kapitalstruktur oder die industrielle Strategie). Für die Verwaltung eines UCITS gelten ähnliche Regelungen (UCITSD Art. 6 und Anhang II). 223) Gem. CRD zugelassene Kreditinstitute bedürfen keiner weiteren MiFID-Zulassung, um Kapitalmarktdienstleistungen zu erbringen (MiFID EG (38)). Es gibt eine Hierarchie der Lizenzen: Der Inhaber einer Vollbanklizenz darf grds. alle Bank- und Kapitalmarktdienstleistungen erbringen (die allerdings im einzelnen Gegenstand der Erlaubniserteilung sein müssen), derjenige einer spezielleren Lizenz eben nur diejenigen Dienstleistungen, für die die Lizenz erteilt wurde. Die Vollbanklizenz hat aber auch die striktesten Anforderungen (z. B. ein Mindestkapital von EUR 5 Mio.). Außerdem gilt, dass ein Finanzakteur alle Tätigkeiten, für die er lizensiert wurde, auch ausführen muss; ansonsten wird ihm Lizenz nach zwölf Monaten für die nicht ausgeübten Tätigkeiten wieder entzogen. 224) S. oben Rn. 35.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

52 Jenseits des Missbrauchs225) steht es Finanzakteuren frei, sich ihren Herkunftsmitgliedstaat zu wählen; typischerweise ist es der Staat, in dem der Finanzakteur seine Hauptniederlassung hat.226) 53 I. d. R. ermöglicht die von einer in einem EU Mitgliedstaat ansässigen zuständigen Behörde erteilte Erlaubnis ihrem Träger,227) einen sog. EU Pass zu beantragen, mit dem er seine Finanzgeschäfte in allen Mitgliedstaaten der EU ausführen kann.228) bb) Grenzfälle und Ausnahmen – kein Erlaubnisbedarf 54 Ein breit ausgelegtes Zulassungserfordernis für Finanzakteure229) hilft, das Schattenbankwesen zu kontrollieren, also die Kreditintermediation, die außerhalb des regulären Bankensektors (und häufig gerade über den Kapitalmarkt) erfolgt (z. B. durch Kreditfonds, Wertpapierfinanzierungsgeschäfte oder Ver___________ 225) MiFID EG (46), (102). Ebenso CRD EG (16): „…erforderlich, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten die Zulassung verweigern oder entziehen sollten, wenn aus Elementen wie dem Inhalt des Geschäftsplans, dem geografischen Tätigkeitsbereich oder der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit unzweifelhaft hervorgeht, dass das Kreditinstitut die Rechtsordnung eines Mitgliedstaats gewählt hat, um sich den strengeren Anforderungen eines anderen Mitgliedstaats zu entziehen, in dem es den überwiegenden Teil seiner Tätigkeit auszuüben beabsichtigt…“ 226) Gem. CRD/CRR Art. 4 (1) Nr. 43 ist Herkunftsmitgliedstaat der EU Mitgliedstaat, in dem einem Institut die Zulassung erteilt wurde, gem. MiFID Art. 4 (1) Nr. 55 der Staat, in dem die Wertpapierfirma ihren Sitz hat oder (falls es das Sitzkonzept in diesem Staat nicht gibt) ihre Hauptverwaltung. Allerdings wird der Begriff des Herkunftsmitgliedstaats im Zusammenhang mit der Emission von Wertpapieren (namentlich in TD Art. 2 (1) i oder ProspR Art. 2m) anders definiert und zwar dergestalt, dass Herkunftsmitgliedstaat ist (i) für EU Emittenten von Schuldtiteln mit einer Stückelung von unter EUR 1000 oder von Aktien, der EU Mitgliedstaat, in dem sich der Sitz befindet (und für einen Emittenten aus einem Drittland außerhalb der EU der EU Mitgliedstaat, bei dessen Behörde er die jährlichen Informationen nach der ProspR zu hinterlegen hat); und (ii) für jeden anderen Emittenten der EU Mitgliedstaat, den der Emittent (nach bestimmten Regeln) auswählt (s. dazu näher unten Rn. 278). Da das WpHG sowohl Regelungen aus MiFID als auch TD ins deutsche Recht integriert, muss es zwischen den Definitionen beider EU Gesetze begrifflich differenzieren, was dadurch erfolgt, dass im Zusammenhang mit den aus der TD stammenden, sich auf Wertpapier-Emittenten beziehende Regelungen der in WpHG §§ 4, 5 und 2 (13) definierte Begriff Herkunftsstaat verwendet wird und i. Ü. der in WpHG § 2 (17) definierte Begriff Herkunftsmitgliedstaat. Im KWG werden ebenfalls beide Begriffe verwendet. KWG § 1 (4) definiert Herkunftsstaat als Staat, in dem die Hauptniederlassung eines Instituts zugelassen ist. Herkunftsmitgliedstaat wird im KWG nicht näher definiert, ist wohl aber so zu verstehen, dass damit ein Herkunftsstaat gemeint ist, der Mitglied der EU ist. Das WpIG verwendet keinen der beiden Begriffe und führt in § 2 (19) den neuen Begriff des Herkunftsvertragsstaats eines Wertpapierinstituts ein, der weitgehend der Definition des Herkunftsmitgliedstaats der MiFID entspricht. 227) S. zur Person des Erlaubnisträgers: E/B-Bankrecht-Fischer/Boegl, § 113 Rn. 6 – 7. 228) Unter dem Begriff des EU Passes wird die Berechtigung des in einem EU Mitgliedstaat zugelassenen Finanzakteurs verstanden, sein Geschäft auch in anderen EU Mitgliedstaaten mittels einer Zweigstelle oder grenzüberschreitend auszuüben. Eine entsprechende Absicht muss der Finanzakteur seiner Heimat-Aufsichtsbehörde anzeigen, die den Behörden der Zielländer dann darüber Mitteilung zu machen hat (CRD EG (19) – (22), Art. 33; PSD Art. 11 (9); EMD Art. 3 (1); MiFID EG (34) – (38), Art. 6 (3); Solvency-II-D Art. 15 (1)). 229) Zur gesetzgeberischen Methode des weiten Anwendungsbereichs eines Rechtsakts s. bereits oben Rn. 29.

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I. System und Prinzipien des Finanzaufsichtsrechts

briefungen).230) Diese Kontrolle ist dem Gesetzgeber ein wichtiges Anliegen231) und wird ständig weiter ausgebaut, z. B. im Bereich des Kredithandels, insbesondere mit sog. notleidenden Krediten.232) Bei einigen Finanzaktivitäten sieht der Gesetzgeber jedoch keinen Bedarf, in 55 den Wirtschaftskreislauf mit den Mitteln und Methoden des Finanzaufsichtsrechts233) einzugreifen und sie insbesondere nicht unter einen finanzaufsichtlichen Erlaubnisvorbehalt zu stellen.234) Dies ist zunächst der Fall, wenn ein Akteur Bank- oder Kapitalmarktdienstleistungen nicht beruflich bzw. gewerblich erbringt.235) Zudem gibt es finanznahe Aktivitäten, die zwar nicht den Tatbestand eines erlaubnispflichtigen Finanzgeschäfts erfüllen, nach Ansicht des Gesetzgebers aber trotzdem nicht völlig unreguliert bleiben sollen.236) Schließlich sind einige Akteure, die wegen ihrer Geschäftstätigkeit eigentlich in den Anwendungsbereich eines Finanzaufsichtsgesetzes bzw. der in ihm statuierten Erlaubnispflicht fallen, ausdrücklich wieder ausgenommen.237) Bei diesen Ausnahmetatbeständen lassen sich vier Kategorien von Akteuren unterscheiden (die in einigen Fällen auch gewisse Überschneidungen haben können): x

Staatliche Institutionen (Behörden und (Zentral-)Banken),238)

x

Bereits anderweitig lizensierte Finanzakteure (keine Doppelaufsicht!),239)

___________ 230) S. dazu unten Rn. 311, Rn. 336 bzw. Rn. 389. 231) SFTR EG (2); CRD EG (51). 232) Notleidende Kredite (Non Performing Loans – NPL), also Kredite, deren Uneinbringlichkeit feststeht (oder zumindest droht), beschäftigen die Finanzwirtschaft, den Gesetzgeber und die Rechtswissenschaft seit Jahrzehnten (näher: Schluck-Amend, NZI-Beilage 2019, 14). Im Zusammenhang mit NPL stellen sich viele zivil-, aufsichts- und steuerrechtliche Fragen (Überblick bei: Kaufhold, BB 2010, 2207). Mit der CSPD, die von den EU Migliedstaaten bis zum 29.12.2023 umzusetzen ist, schafft der EU Gesetzgeber den Erlaubnistatbestand für Kreditdienstleister, d. h. Personen, die Ansprüche eines Kreditgebers aus einem notleidenden Kreditvertrag oder den Kreditvertrag selbst im Namen eines Kreditkäufers verwalten und durchsetzen (CSPD Art. 3 Nr. 8). 233) Zu kapitalmarktrechtsspezifischen Ausnahmen und Abgrenzungen s. unten Rn. 129–134 und Rn. 177–184. 234) Daneben existiert die gesetzgeberische Technik, den Betrieb eines Unternehmens zwar unter Erlaubnisvorbehalt zu stellen, dann aber eine Reihe von aufsichtsrechtlichen Anforderungen abzumildern oder für unanwendbar zu erklären (vgl. KWG § 2 (7) – (9) i)). 235) CRD Art. 8 (1), MiFID Art. 5 (1). 236) Beispiel sind die im KWG als solche definierten Finanzunternehmen, zu denen z. B. Beteiligungsfirmen, also Unternehmen zählen, deren Haupttätigkeit darin besteht, Beteiligungen an anderen Unternehmen zu erwerben (KWG § 1 (3) Nr. 1). Diese Beteiligungsfirmen brauchen keine Erlaubnis, wohl aber sind sie z. B. Geldwäschepräventions-Verpflichtete (s. dazu näher unten Rn. 164). 237) CRD Art. 2 (5); MiFID Art. 2 und 3; KWG § 2; WpIG § 3. 238) Z. B. MiFID Art. 2 (1) h); KWG § 2 (1) Nr. 1 – 3a, (6) Nr. 1 – 3; WpIG § 3 (1) Nr. 1 – 4. 239) Bei dieser Fallgruppe ist weiter zu unterscheiden zwischen Unternehmen, die bereits einer anderen Form der Finanzaufsicht unterliegen, z. B. Versicherungen, OGA oder CSD (s. MiFID Art. 2 (1) a), i) und o); KWG § 2 (1) Nr. 3b – 4, 12 und 14, (6) Nr. 4, 5a, 5b und 22; WpIG § 3 (1) Nr. 5 und 21) und solchen, die das Geschäft in eher geringem Umfang (als Nebengeschäft) betreiben und (i. d. R. auf nationalstaatlicher Ebene) einer anderen (nicht-finanzaufsichtlichen) Form der Aufsicht unterliegen (s. MiFID Art. 2 (1) c) und k); KWG § 2 (1) Nr. 5, 6 und 15 i. V. m. § 2 (3); WpIG § (1) Nr. 12 und 16).

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

x

Erbringer von unternehmens- oder konzerninternen Dienstleistungen,240)

x

aus (wirtschafts)politischen Gründen ausgenommene Finanzakteure.241)

56 Daneben ist die BaFin ermächtigt, inländische Finanzakteure im Einzelfall von der Erlaubnispflicht und anderen Pflichten auszunehmen, „…solange das Unternehmen wegen der Art der von ihm betriebenen Geschäfte insoweit nicht der Aufsicht bedarf“.242) cc) Ausländische Finanzakteure in Deutschland 57 Ausländische (d. h. nicht in Deutschland ansässige) Finanzakteure können Bank- oder Wertpapierdienstleistungen in Deutschland (dem Inland) auf unterschiedliche Weise anbieten: Durch eine juristisch selbständige deutsche Tochtergesellschaft, über eine unselbständige deutsche Betriebsstätte (Zweigstelle)243) oder grenzüberschreitend vom Ausland her.244) Hinsichtlich der Frage, unter welchen Voraussetzungen sie dies dürfen, unterscheidet das deutsche Recht grds. zwischen Finanzakteuren, die aus anderen EU bzw. EWR-Mitgliedstaaten245) und denjenigen, die aus (sonstigen) Drittstaaten246) stammen. Diese Methodik entspricht den europarechtlichen Vorgaben.247) ___________ 240) Z. B. MiFID Art. 2 (1) b) f) oder g); KWG § 2 (1) Nr. 7, (6) Nr. 5 und 6; WpIG § 3 (1) Nr. 6 und 9. 241) Z. B. MiFID Art. 2 (1) d), e) oder j); KWG § (1) Nr. 5, 6, 9 – 11 und13 (6) Nr. 7, 8, 11 – 14 und 16 – 21; WpIG § 3 (1) Nr. 7, 8, 10, 11, 13 – 15 und 17 – 20. S. zu dieser Kategorie der von der Erlaubnispflicht ausgenommenen Wertpapierfirmen unten Rn. 129–134. 242) KWG § 2 (4). Typischerweise kann eine solche Ausnahme nur gewährt werden, wenn das beantragende Unternehmen die fraglichen Geschäfte nebenbei betreibt (näher: BaFinVÖ-Freistellung-Inland, S. 1). 243) Der Begriff der Zweigstelle ist in CRR Art. 4 Nr. 17 definiert als Betriebsstelle, die einen rechtlich unselbständigen Teil eines Instituts oder einer Wertpapierfirma bildet und sämtliche Geschäfte oder einen Teil der Geschäfte, die mit der Tätigkeit eines Instituts oder einer Wertpapierfirma verbunden sind, unmittelbar betreibt. MiFID Art. 4 (1) Nr. 30, WpHG § 2 (24) und WpIG § 2 (11) definieren den Begriff der Zweigniederlassung ähnlich (wobei dort jeweils noch betont wird, dass es sich nicht um die Hauptverwaltung handele). WpHG und WpIG benutzen auch den Begriff Zweigstelle. Im KWG wird weder Zweigstelle noch Zweigniederlassung definiert, aber beide Begriffe im vorgenannten Sinne verwendet. Es ist nicht erkennbar, dass den Begriffen Zweigstelle und Zweigniederlassung vom Gesetzgeber eine unterschiedliche Bedeutung gegeben werden soll, weshalb in diesem Buch einheitlich der Begriff Zweigstelle verwendet wird. 244) BaFin-VÖ-Grenzüberschreitende Geschäfte, S. 1. Daneben gestattet KWG § 53a einem ausländischen Institut die Errichtung einer sog. Repräsentanz im Inland. Repräsentanzen dürfen aber keine erlaubnispflichtigen Bank- oder Finanzdienstleistungen erbringen (insbesondere nicht in Anbahnung, Abschluss oder Durchführung dieser Dienstleistungen einbezogen werden), sondern sind auf repräsentative Funktionen beschränkt (BaFin-VÖGrenzüberschreitende Geschäfte, S. 2). Ausführliche Darstellung bei: B/G/R-Bankenaufsichtsrecht-Binder, § 3 Rn. 84 – 107. 245) Infolge des EWR-Abkommens ist der Begriff der EU hinsichtlich der infrage stehenden Bank- und Kapitalmarktdienstleistungen auf denjenigen der EWR auszudehnen, so dass EU in diesem Kapitel wie EWR zu lesen ist (s. oben Rn. 29). 246) Vgl. zum Begriff Drittstaat: KWG § 1 (5a). In den einschlägigen EU Gesetzen wird typischerweise der Begriff Drittland verwendet (vgl. CRD EG (23), MiFID EG (71)), der die gleiche Bedeutung wie Drittstaat hat. 247) S. zur Entwicklung dieser Aspekte des EU Rechts: E/B-Bankrecht-Kolassa, § 121 Rn. 71 ff.

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I. System und Prinzipien des Finanzaufsichtsrechts

Kreditinstitute und Wertpapierfirmen aus der EU, die über einen EU Pass248) 58 verfügen, können ihre Dienstleistungen unter vereinfachten Bedingungen grenzüberschreitend oder über eine deutsche Zweigstelle erbringen.249) In beiden Fällen obliegt die Aufsicht der Dienstleistungen hauptsächlich der Behörde des Sitzstaates der Hauptstelle und nur in eingeschränktem Umfang der BaFin (z. B. hinsichtlich der Einhaltung der Anforderungen zur Verhinderung von Geldwäsche).250) Anders ist dies für das deutsche Tochterunternehmen einer ausländischen Mutter. Ein solches Tochterunternehmen, das Bankoder Kapitalmarktdienstleistungen in Deutschland anbietet, bedarf der Erlaubnis durch die BaFin unabhängig davon, ob der Sitz der Mutter in einem anderen EU Mitgliedstaat oder einem Drittstaat liegt.251) Ein derart lizensiertes Tochterunternehmen kann dann seinerseits einen EU Pass erwerben, was diese Art des Markteintritts besonders für Finanzakteure aus Drittstaaten attraktiv macht, die ihre Dienstleistungen nicht nur in Deutschland, sondern EU-weit erbringen wollen. Daneben können Kreditinstitute oder Wertpapierfirmen aus Drittstaaten auch eine deutsche Zweigstelle gründen, die allerdings im Wesentlichen wie ein selbständiges Unternehmen behandelt wird, d. h. sie bedarf der Erlaubnis durch die BaFin,252) und sie muss die laufenden aufsichtsrechtlichen Anforderungen (unabhängig von der Hauptstelle) erfüllen, z. B. im Hinblick auf die Eigenmittel.253) Da eine solche deutsche Zweigstelle zudem keinen Anspruch auf einen EU Pass hat, ist sie für die Anbieter aus Drittstaaten weniger attraktiv. ___________ 248) S. näher oben Rn. 53. 249) KWG § 53b (1). 250) KWG § 53b (3); MaComp AT3. Die BaFin kann den Behörden des Sitzstaates der Hauptstelle des Finanzakteurs die Teilnahme an den von ihr durchgeführten Untersuchungen (zu denen sie gem. WpHG § 88 berechtigt ist) gestatten. Umgekehrt dürfen diese ausländischen Behörden selbst (ebenso wie die ESMA) die Einhaltung der MiFID/MiFIRPflichten durch eine § 53b-Zweigstelle überprüfen (vgl. WpHG § 18 (4)). Man beachte: Ausländische Behörden dürfen auf deutschem Territorium aktiv werden und Verwaltungshandlungen ausführen! Das hat nachwievor Seltenheitswert. 251) E/B-Bankrecht-Fischer/Boegl, § 112 Rn. 77. 252) MiFID Art. 39; KWG §§ 32 (1), 53. Das WpIG enthält eine KWG § 53 entsprechende Vorschrift nicht, so dass unklar ist, ob die Einrichtung von Zweigstellen für Wertpapierfirmen aus Drittstaaten gar nicht möglich sein soll (wofür es keinen tragfähigen systematischen Grund gäbe) oder die Vorschriften von KWG §§ 32 (1), 53 analog heranzuziehen sind (was naheläge). 253) Vgl. Buba-VÖ-Erlaubnis, S. 31 – 34. Rechtliche Selbständigkeit erlangt die Zweigestelle dadurch jedoch nicht. Partei im zivilrechtlichen Sinne bleibt vielmehr die ausländische Hauptstelle. Das zeigt sich auch im Insolvenzrecht: Nach dem insolvenzrechtlichen Universalitätsprinzip umfasst ein im Ausland eröffnetes Insolvenzverfahren das in Deutschland gelegene Vermögen des Schuldners (EGInsO Art. 102 (1) S. 1). Trotz der bankaufsichtlichen Behandlung als selbstständiges Institut und der selbständigen Eigenkapitalfiktion genießen die inländischen Gläubiger der Zweigstelle weder bei der Einzelzwangsvollstreckung noch im inländischen Insolvenzverfahren der Zweigstelle Vorrechte (E/BBankrecht-Fischer/Boegl, § 112 Rn. 78 – 80). Letzteres führt z. B. dazu, dass deutschen Zweigstellen ausländischer Banken nicht die Erlaubnis für das Pfandbriefgeschäft (dazu näher unten Rn. 388) erteilt wird.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

59 Grenzüberschreitende Bank- oder Kapitalmarktdienstleistungen aus Drittstaaten nach Deutschland (ohne deutsche Zweigniederlassung) sind grds. unzulässig, weil deren Erbringung erlaubnispflichtig ist und der Erlaubnisinhaber seine Hauptverwaltung im Inland haben muss.254) Zulässig ist sie im Wege der sog. passiven Dienstleistungsfreiheit (sog. reverse solicitation), d. h. als Reaktion auf die Nachfrage eines Inländers.255) Damit ist aber regelmäßig kein tragfähiges Geschäftsmodell verbunden, denn sobald der Drittstaat-Finanzakteur ein bestimmtes Konzept in Bezug auf den deutschen Markt verfolgt, kann von Passivität schwerlich die Rede sein.256) Zulässig kann das grenzüberschreitende Geschäft für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen aus Drittstaaten (und solche aus der EU, für die der EU Pass nicht gilt) auch durch eine von der BaFin im Ausnahmewege erteilte Freistellung von der deutschen Erlaubnispflicht werden.257)

___________ 254) KWG § 32 (1) i. V. m. § 33 (1) S. 1 Nr. 6; WpIG § 18 (1) Nr. 9. Der deutsche Gesetzgeber hält sich mit dieser Regelung innerhalb des ihm durch MiFID Art. 39 – 43 gesteckten Rahmens. Die BaFin begründet dies seit 2005 damit, dass von einem Betreiben von Bankgeschäften oder Erbringen von Finanzdienstleistungen im Inland nicht nur auzugehen sei, wenn der Erbringer der Dienstleistung seinen Sitz im Inland hat, sondern auch dann, wenn er sich vom Ausland her zielgerichtet an den deutschen Markt wendet, um seine Dienstleistungen anzubieten (BaFin-VÖ-Grenzüberschreitende Geschäfte, S. 1). 255) BaFin-VÖ-Grenzüberschreitende Geschäfte, S. 1. 256) In Bezug auf den Tatbestand der Drittstaateneinlagenvermittlung gem. KWG § 1 (1a) S. 2 Nr. 5 (d. h. eine Vermittlung eines deutschen Kunden durch einen deutschen Finanzdienstleister an eine Bank aus einem Drittstaat zu dem Zweck, dass der Kunde dort eine Einlage tätigt) bringt die BaFin dies dadurch zum Ausdruck, dass sie für den Fall, dass die Drittstaat-Bank den inländischen Vermittler als Vertriebsnetz nutzt, von der DrittstaatBank eine separate Erlaubnis für den deutschen Markt verlangt (BaFin-VÖ-Grenzüberschreitende Geschäfte Ziff. 1). Mit anderen Worten: Wenn ein Drittstaat-Finanzakteur nicht selbst den deutschen Markt anspricht, dafür aber einen (lizensierten) Inländer einsetzt, fällt die derart vermittelte Bank- oder Kapitalmarktdienstleistung nicht unter die passive Dienstleistungsfreiheit. 257) KWG § 2 (5). Eine solche Freistellung kann erteilt werden, wenn der Finanzakteur in seinem Heimatland nach international anerkannten Standards überwacht wird und die zuständige Behörde mit der BaFin zusammenarbeitet (BaFin-VÖ-Grenzüberschreitende Geschäfte, S. 1). Gegenüber institutionellen Anlegern und zwischen Banken sind grds. alle erlaubnispflichtigen Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen freistellungsfähig und gegenüber Kleinanlegern dann, wenn die Geschäfte über die Vermittlung eines inländischen Kreditinstituts oder eines EU Instituts zustande kommen. Nach erfolgter Anbahnung der Kundenbeziehung über einen solchen Vermittler kann sich das grenzüberschreitend tätige Unternehmen im Rahmen der bestehenden Geschäftsbeziehung für zukünftige (Einzel-)Geschäfte direkt an den Kunden wenden (BaFin-VÖ-Grenzüberschreitende Geschäfte, S. 7). Allerdings steht die Freistellungsentscheidung der BaFin für Wertpapierfirmen unter dem Vorbehalt der Regelungen von MiFID Art. 25 (4) Ua 3, MiFIR Art. 46 und 47 bzgl. der Anerkennung der Gleichwertigkeit des Aufsichtsrahmens des jeweiligen Drittstaats (näher Eichhorn/Klebeck, RdF 2014, 3). Das bedeutet, dass wenn ESMA eine Gleichwertigkeitsentscheidung getroffen hat, sich die BaFin daran orientieren muss (da die CRR eine ähnliche Regel nicht enthält, gilt die Bindung für Kreditinstitute nicht).

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I. System und Prinzipien des Finanzaufsichtsrechts

Eine deutsche Besonderheit stellt WpHG § 102 dar, wonach – vorbehaltlich 60 des Eingreifens europarechtlicher Regelungen zur Gleichwertigkeit – Märkte für Finanzinstrumente mit Sitz im Ausland, die keine Handelsplätze i. S. d. WpHG sind, der Erlaubnis der BaFin bedürfen, wenn sie deutschen Handelsteilnehmern über ein elektronisches Handelssystem einen unmittelbaren Marktzugang gewähren und sie diesbezüglich keiner Erlaubnispflicht nach dem KWG258) unterliegen. Betroffen sind alle Handelsplätze in einem Nicht-EU Mitgliedstaat, die, wenn sie in der EU säßen, als Handelsplatz i. S. d. WpHG zu qualifizieren wären.259) Die BaFin kann deutschen Handelsteilnehmern, die Wertpapierdienstleistungen im Inland erbringen, untersagen, Kundenaufträge über ein solches Handelssystem auszuführen, wenn die Erlaubnis nicht vorliegt.260) ___________ Das Merkmal der Gleichwertigkeit (Äquivalenz) hat nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU gem. EUV Art. 50 zum 1.1.2021 (Brexit) eine ungleich größere praktische Bedeutung im europäischen Rechts- und Wirtschaftsverkehr gewonnen, da nunmehr die Erbringung vieler Dienstleistungen durch in UK ansässige Unternehmen von der Anerkennung der Gleichwertigkeit des britischen Aufsichtsrahmens durch die EU abhängt (dazu ausführlich: Winter/Staude/Gölz, WM 2020, 493, 497 ff.). Zuvor war die Frage der Gleichwertigkeit für die EU neben den Beziehungen mit den USA vor allem im Hinblick auf die Schweiz relevant. Allerdings wurde der Schweiz der Gleichwertigkeitsstatus bzgl. der Börsen am 20.6.2019 entzogen, was eine Schwächung für den schweizerischen Finanzplatz bedeutet. 258) Zwar erwähnt der Gesetzestext nur das KWG; hier wird man ergänzend …oder dem WpIG… lesen müssen (Beck-OK-WertpapierhandelsR-Müller, Abschnitt 15, WpHG § 102 Rn. 10). Aus dieser Regelung ergibt sich i. Ü., dass für den Fall, dass ein in einem Nicht-EWR-Staat ansässiges elektronisches Handelssystem deutschen Teilnehmern direkten grenzüberschreitenden Zugang ermöglicht, es keiner Erlaubnis gem. WpHG § 102 bedarf, wenn der Betreiber des Handelssystems eine Erlaubnis gem. KWG oder WpIG hat. Da elektronische Handelssysteme häufig die Tatbestandsmerkmale eines MTF oder OTF erfüllen werden und deren Betrieb in Deutschland – was das zielgerichtete grenzüberschreitende Anbieten von deren Dienstleistungen an Deutsche einschließt – einer KWGbzw. WpIG-Erlaubnis bedarf, ist der praktische Anwendungsbereich von WpHG § 102 gering. Die Regelung erhält danach vornehmlich Bedeutung, wenn die Handelsplattform nicht aktiv in Deutschland vermarktet wird und insofern unter die Ausnahmeregelung der sog. passiven Dienstleistungsfreiheit (s. oben) fällt. 259) Winter/Staude/Gölz, WM 2020, 493. Da nach WpHG auch (deutschrechtliche) Vermögensanlagen zu den Finanzinstrumenten gehören, ist der Begriff insofern nicht auf MiFID-Handelsplätze bzw. MiFID-Finanzinstrumente beschränkt, sondern umfasst auch Handelsplätze, an denen Instrumente gehandelt werden, die (aus deutscher Sicht) als Vermögensanlagen qualifizieren. 260) WpHG § 105. Ursprünglich sollten mit WpHG §§ 102 – 105 ausländische Börsen erfasst werden, die Handelsteilnehmer als sog. Remote Members über einen Handelsbildschirm vom Inland aus am Börsenhandel teilnehmen lassen (4.FMFG-Gesetzesbegründung, S. 97). Gem. WpHG § 103 ist die Erlaubnis neben fehlender Gleichwertigkeit bzw. Kooperationsbereitschaft der Aufsicht des Sitzstaates des Handelssystems zu versagen, wenn dessen Geschäftsleitung nicht zuverlässig ist oder deutschen Handelsteilnehmern der unmittelbare Marktzugang gewährt werden soll, die nicht die Voraussetzungen von BörsG § 19 (2) erfüllen, d. h. nicht Handelsteilnehmer einer deutschen Börse werden könnten (also gewerbsmäßige, regulierte Börsenhändler). Mit dem Versagungsgrund unmittelbarer Marktzugang für Nicht-Börsenhändler bezweckt der Gesetzgeber die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Börse und des Anlegerschutzes dergestalt, dass Aufträge nur durch WpDU abgewickelt werden sollen, die im Rahmen der Verhaltensregeln über die Risiken

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

dd) Welche Lizenz? Welche Rechtsform? Make, buy or rent? 61 Einem Unternehmen, das beabsichtigt, in Deutschland erstmals Bank- oder Kapitalmarktdienstleistungen anzubieten – sei es als Start up oder als im Ausland bereits etablierter Finanzakteur, stellen sich häufig die gleichen Fragen: Welche Art von Lizenz (oder Lizenzenbündel) wird benötigt?261) Soll das Dienstleistungsangebot über eine selbständige Tochtergesellschaft oder eine unselbständige Zweigniederlassung erfolgen?262) Wenn eine selbständige Gesellschaft gewählt wird, welche Rechstform soll diese haben?263) Soll es sich um eine Neugründung handeln oder soll ein bereits in Deutschland lizensiertes Unternehmen erworben (die Lizenz also nicht beantragt, sondern gekauft) ___________ der beabsichtigten Wertpapiergeschäfte zu informieren haben (4.FMFG-Gesetzesbegründung, S. 97). Unklar ist, ob dies bedeutet, dass Unternehmen, die diese Anforderungen nicht erfüllen, und Privatanlegern der Zugang auch ohne BaFin-Erlaubnis gewährt werden kann? Zwar wäre dies ein an sich paradoxes Ergebnis, da der Schutzzweck der Norm damit klar verfehlt würde. Angesichts des Umstands, dass die Sanktion für das Fehlen einer Erlaubnis – die Untersagungsverfügung gem. WpHG § 105 – nur ggü. WpDU anwendbar ist, ist diese Frage nach hier vertretener Ansicht aber zu bejahen (so wohl auch S/Z-Kapitalmarktrecht-v. Hein, § 103 WpHG Rn. 2 und Beck-OK-WertpapierhandelsR-Müller, Abschnitt 15, WpHG § 103 Rn. 5). 261) Die Antwort hängt von der Art. der geplanten Dienstleistungen und dem Umfang des Geschäftsvolumens ab (s. näher oben Rn. 39). 262) Die unselbständige Zweigniederlassung hat ihre Vorteile vor allem im Rahmen des innereuropäischen Marktes, kann aber keinen EU Pass erhalten, was sie für Finanzakteure aus Drittstaaten unattraktiv macht. 263) I. d. R. wird ein Finanzakteur als Kapitalgesellschaft gegründet, für die u. a. die Rechtsformen der GmbH und AG zur Auswahl stehen. Die wichtigsten Unterschiede zwischen beiden Rechtsformen betreffen die Flexibilität bei der Ausgestaltung der Satzung und die innere Verfassung der Gesellschaft. Die für die Notierung an der Börse konzipierte AG hat ein starres gesetzliches Konzept, das z. B. bei der Einhaltung von Formalien bzgl. der Hauptversammlung oder beim Minderheitenschutz wenig Spielraum lässt; anders die GmbH, deren Satzung weitgehend an die individuellen Bedürfnisse der Gesellschafter angepasst werden kann. Die GmbH erlaubt zudem eine größere Einflussnahme der Gesellschafter auf die Geschäftstätigkeit des Finanzakteurs. Die GmbH hat zwei Organe: Gesellschafterversammlung (GV) und Geschäftsführung (GF), die in einem klaren Hierarchieverhältnis stehen. Die GV bestellt die GF und kann sie jederzeit abberufen. Die GV ist gegenüber der GF weisungsbefugt und stellt den Jahresabschluss fest. Jeder Gesellschafter hat gegenüber der GF ein umfangreiches Auskunftsrecht. Die AG hingegen hat drei Organe: Hauptversammlung (HV), Aufsichtsrat (AR) und Vorstand (VOR), deren Befugnisse in einem komplexen Balanceverhältnis stehen. Die HV wählt den AR, der für Bestellung (maximal 5 Jahre), Abberufung und Kontrolle des VOR zuständig ist. Die HV hat weder gegenüber dem VOR noch dem AR Weisungsrechte. Auch der AR ist gegenüber dem VOR nicht weisungsbefugt; er kann den VOR nur aus wichtigem Grund vorzeitig abberufen. Der VOR ist allein dem Gesellschaftsinteresse verpflichtet und übt in diesem Rahmen sein Amt eigenverantwortlich aus (er haftet deshalb auch vollumfänglich für seine Entscheidungen). Eine Kontrolle des VOR durch den AR erfolgt durch die gesetzlich vorgeschriebene Festlegung von Zustimmungsvorbehalten für bedeutsame Maßnahmen; die Liste dieser Maßnahmen kann vom AR erweitert werden. Die Aktionäre haben kein umfassendes Auskunftsrecht gegenüber dem VOR, sondern können nur im Rahmen der HV Fragen stellen (bezogen auf die vorab bekannt gemachten Tagesordnungspunkte). Die Feststellung des Jahresabschlusses erfolgt mittels Billigung durch den AR.

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I. System und Prinzipien des Finanzaufsichtsrechts

werden?264) Eine allgemein verbindliche Antwort gibt es auf diese Fragen nicht, erforderlich ist vielmehr die Interessenabwägung im Einzelfall. Zunehmender Beliebtheit erfreut sich in diesem Zusammenhang allerdings ein Banking as a Service (oder White Label Banking) genanntes Modell, bei dem ein in Deutschland lizensierter Finanzakteur einem den Marktzugang suchenden Dritten seine Lizenz im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung zur Verfügung stellt.265) b) Ständige Aufsicht Finanzakteure müssen die Anforderungen des Finanzaufsichtsrechts nicht nur 62 zum Zeitpunkt des Markteintritts (bei Lizenzerteilung) erfüllen, sondern ständig. Die Durchsetzung der Anforderungen obliegt der BaFin als hoheitlich handelnder Verwaltungsbehörde, der dafür die Mittel der Rechtsverordnung266) und der gezielten Intervention auf Einzelfallbasis zur Verfügung stehen.267) Besondere Bedeutung kommt im Finanzaufsichtsrecht der ständigen Einhaltung von Transparenzanforderungen durch die Finanzakteure zu.268) Dabei beaufsichtigt die Behörde die einzelnen Finanzakteure, aber auch ganze Finanzgruppen, im Rahmen der sog. konsolidierten Aufsicht. aa) System und Prinzipien der kapitalmarktrechtlichen Transparenzanforderungen „Sunlight is said to be the best of disinfectants; electric light the most efficient policeman.“269)

___________ 264) Ein lizensierter Finanzakteur kann auch gekauft werden. Die Kaufabsicht muss der BaFin im Rahmen eines sog. Inhaberkontrollverfahrens angezeigt werden, die den Kauf untersagen kann (s. unten Rn. 175). 265) Im Bereich des Kapitalmarktgeschäfts kann für die Konzeptionierung dieses Modells auf die Kombination der Instrumente des vertraglich gebundenen Vermittlers – vgV (s. unten Rn. 134) und der Auslagerung (s. unten Rn. 163) zurückgegriffen werden: Der nichtlizensierte Dritte erbringt die Kapitalmarktdienstleistungen Anlagevermittlung, Platzierungsgeschäft oder Anlageberatung als vgV des lizensierten Finanzakteurs und benötigt dafür weder eine eigene BaFin-Erlaubnis (KWG § 2 (10), WpIG § 3 (2)) noch eine Genehmigung nach GewO § 34f, da der sog. Haftungsdachverband des lizensierten Finanzakteurs vollständig gegenüber Dritten haftet. Um ein vgV zu werden, muss das nicht lizensierte Unternehmen eine Tochtergesellschaft in Deutschland gründen (z. B. eine GmbH) und sich verpflichten, ausschließlich für Rechnung und unter dem Haftungsschirm des lizensierten Finanzakteurs zu arbeiten. Der lizensierte Finanzakteur kann aufsichtspflichtige Geschäftstätigkeiten (z. B. den Vertrieb) im Rahmen der gesetzlichen Regelungen von KWG § 25b bzw. WpIG § 40 auf das nicht lizensierte Unternehmen auslagern. 266) Verordnung zur Übertragung der Befugnis zum Erlass von Rechtsverordnungen auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 13.12.2003 (BGBl. I, 3). 267) Die BaFin kann gem. KWG § 6 (3) „im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben gegenüber dem Institut und seinen Geschäftsleitern Anordnungen zu treffen, die geeignet und erforderlich sind, Missstände in dem Institut zu verhindern oder zu beseitigen, welche die Sicherheit der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte gefährden können, oder die ordnungsmäßige Durchführung von Bankgeschäften oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen“. 268) S. näher unten Rn. 176. 269) Justice Louis D. Brandeis, Other People's Money and How the Bankers Use It. NY 1914, S. 92.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

63 Transparenz ist ein fundamentaler Grundsatz der Finanzaufsicht.270) Vor allem durch Transparenz sollen die hohen Ziele der Systemstabilität, der Markteffizienz und des Anlegerschutzes erreicht werden.271) Allerdings kann die Einforderung von Transparenz in Konflikt mit anderen Rechtsgrundsätzen geraten.272) Zu bedenken ist auch der enorme logistische Aufwand, den Finanzakteure zur Erfüllung der vielfältigen Doppel- und Vielfach-Meldeanforderungen273) treiben müssen274) sowie die Frage, ob diese Daten behördenseitig vernünftig verarbeitet und nutzbar gemacht werden (Stichwort: Datenfriedhof).275) Zudem kann trefflich darüber gestritten werden, ob die Art und Weise, auf die Finanzakteure ihren Kunden Transparenz verschaffen sollen, beim Kunden richtig ankommt und ihn zu dem mündigen Investor macht, den sich der Gesetzgeber vorstellt.276) ___________ 270) Näher: Veil-Kapitalmarktrecht-Veil, § 2 Rn. 26 – 40 und Veil-KapitalmarktrechtBrinckmann, § 16. 271) MiFID EG (4), MiFIR EG (1), TD EG (1), ProspR EG (3) und (83). Seit 2019 gilt die SFDR für Nachhaltigkeitsaspekte. 272) Z. B. können hohe Anforderungen an Wertpapierprospekte mit dem Ziel der Förderung von KMU und einem vereinfachten Zugang von KMU zu den Kapitalmärkten kollidieren. S. ProspR EG (51): „KMU muss der Zugang zu den Kapitalmärkten erleichtert werden, während gleichzeitig das Anlegervertrauen in solche Unternehmen gesichert werden muss.“ Beide Ziele lassen sich sicherlich nicht immer in vollem Umfang erreichen. Das gleiche gilt für Konflikte des Finanzaufsichtsrechts mit IP-Rechten (s. MiFIR EG (40)) und dem Datenschutzrecht (s. u. Rn. 346). 273) In manchen Gesetzen wird auf mögliche Überlappungen hingewiesen und idealerweise eine Doppelregulierung ausgeschlossen (s. z. B. MiFID Art. 24 (6)). 274) Das Problem hat der Gesetzgeber erkannt (s. z. B. SFTR EG (10)) – aber hat er auch adäquat darauf reagiert? Zumindest haben BaFin und und Bundesbank im Juli 2022 eine Machbarkeitsstudie veröffentlicht, in der ein Zielbild entwickelt wird, das die Umsetzung der Meldeanforderungen für Institute vereinfacht (file://ffwuk.local/Public/Profiles/FRA/ RL6/Downloads/dl_anlage_fa_bj_machbarkeitsstudie_meldewesen.pdf). 275) SFTR EG (13). 276) Auch ein Zuviel an Information kann zum Problem werden: „Es scheint fast, dass Intransparenz viel mehr die Folge der Informationsflut darstellt, welche einem undifferenzierten Bedürfnis nach Transparenz entspringt, und zwar nicht bloß als passive Nebenerscheinung, sondern teilweise als strategische Absicht: Man erinnert sich dabei fast unwillkürlich an den Filmklassiker „The Circus“ mit Charlie Chaplin, der der Polizei durch Flucht in ein Spiegelkabinett entkommt.“ (Zimmermann, Wirtschaftspolitische Blätter 2015, 683, 689). Das Problem des Information Overload und der daraus resultierenden Vernebelung des Wichtigen erkennt auch der Gesetzgeber und fordert deshalb z. B. in ProspR EG (54): „Risikofaktoren werden in einen Prospekt vor allem mit dem Ziel aufgenommen, sicherzustellen, dass die Anleger eine fundierte Bewertung dieser Risiken vornehmen und somit Anlageentscheidungen in voller Kenntnis der Sachlage treffen. Die Risikofaktoren sollten daher auf jene beschränkt werden, die wesentlich und für den Emittenten sowie die Wertpapiere spezifisch sind und die durch den Inhalt des Prospekts bestätigt werden. Ein Prospekt sollte keine Risikofaktoren enthalten, die allgemeiner Natur sind und nur dem Haftungsausschluss dienen, denn jene könnten spezifischere Risikofaktoren, die die Anleger kennen sollten, verschleiern und so verhindern, dass der Prospekt die Informationen in leicht zu analysierender, knapper und verständlicher Form präsentiert.“ Der EU Gesetzgeber scheint allerdings bei der Suche nach der Antwort auf die Frage nach der richtigen Länge einer Zusammenfassung gelegentlich am Menschen zu verzweifeln: „Die Prospektzusammenfassung sollte kurz, einfach und für die Anleger leicht verständlich sein…Es ist angemessen, die maximale Länge der Zusammenfassung zu begrenzen, um sicherzustellen, dass die Anleger nicht davon abgehalten werden, sie zu lesen…“ (ProspR EG (30)). S. auch unten Rn. 197.

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I. System und Prinzipien des Finanzaufsichtsrechts

Der Begriff der (kapitalmarktrechtlichen) Transparenz277) wird in diesem Buch 64 als Oberbegriff für die Aufzeichnung, Niederlegung, Meldung, Übermittlung und Veröffentlichung von Informationen im Zusammenhang mit Kapitalmarktaktivitäten verwendet. In Anlehnung an die Unterteilung der vier Gegenstände der Kapitalmarktaufsicht278) – die Kapitalmarktakteure selbst, ihr Verhalten bei der Erbringung der Kapitalmarktdienstleistungen, der Kapitalmarkthandel und einzelne Kapitalmarktprodukte – lassen sich folgende Kategorien von Transparenzanforderungen bestimmen:279) Transparenzkategorie

Beschreibung der Transparenzpflichten

Kapitalmarktakteurstransparenz

Auskünfte der Kapitalmarktakteure zu Solvenz und Risiken gegenüber Behörden.280)

Kundentransparenz

Aufklärung der Kunden durch Kapitalmarktakteure bei Erbringung von Kapitalmarktdienstleistungen.281)

Primärmarkttransparenz (Markteintrittstransparenz)

Publizität durch Emittenten (und andere) anlässlich des Markteintritts von Kapitalmarktprodukten.282)

Sekundärmarkttransparenz (Marktteilnahmetransparenz)

Periodische und anlassbezogene Publizität durch Emittenten (und andere) infolge der Markteinführung von Kapitalmarktprodukten.283)

___________

277)

278) 279) 280) 281) 282) 283)

Noch wenig erforscht sind die Auswirkungen der semantischen Qualität von Aufklärungsschriften. Wegweisend kann hier die empirische Master-Arbeit von Daniel Blaseg werden, in der der Autor zunächst semantische und linguistische Kriterien für die Qualität eines Textes und insbesondere einer Zusammenfassung entwickelt. Dann stellt er anhand der Auswertung von 159 zwischen 2010 und 2016 veröffentlichten Anleiheprospekten kleinerer und mittelgroßer deutscher Emittenten fest, dass die Qualität des Hauptteils und der Zusammenfassung dieser Prospekte nicht selten voneinander abweichen. Dies gilt vor allem für Prospekte solcher Emittenten, die nach der Emission in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind (über 1/3 der 159 Emittenten). Dieses Ergebnis ist bemerkenswert, zeigt es doch, dass vor allem schwächere Unternehmen qualitativ minderwertige Zusammenfassungen produzieren. Oder anders formuliert: Minderwertige Emittenten nutzen Zusammenfassungen, um ihr Image aufzupolieren, indem sie Phrasen dreschen (s. vor allem Blaseg, S. 45). Eine weitere interessante Schlussfolgerung: Eine qualitativ hochwertige Zusammenfassung im Prospekt vermindert die Wahrscheinlichkeit der Zahlungsunfähigkeit des Emittenten (Blaseg, S. 47). Ergänzt werden diese kapitalmarktrechtlichen Transparenzpflichten durch andere EU Regularien – etwa aus den Bereichen Verbraucherschutz und Fernabsatz – und durch zivilrechtliche Regeln (s. unten Rn. 482 f.), die auch als Ursprung dieser Rechtsmaterie angesehen werden können (E/B-Bankrecht-Walz, § 90 Rn. 6). Hinzu treten handels- und gesellschaftsrechtliche Offenlegungspflichten, namentlich gem. AktG §§ 20 ff. (näher: H/M/S-Kapitalmarktinformation-Buckel/Vogel, § 19 Rn. 6). S. unten Rn. 90. Die genannten Kategorien von Transparenzanforderungen werden in den in den nachfolgenden Fußnoten angegebenen Kapiteln dieses Buchs weiter vertieft. S. unten Rn. 176. In diesem Zusammenhang spielt die Rechnungslegung der Finanzakteure (s. unten Rn. 345) eine wichtige Rolle. S. unten Rn. 193–200. Wertpapiere (s. unten Rn. 249), Derivate (s. unten Rn. 285), Investmentfondsanteile (s. unten Rn. 322) und Nicht-MiFID-Finanzinstrumente (s. unten Rn. 335). S. unten Rn. 232 f.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht Transparenzkategorie

Beschreibung der Transparenzpflichten

Handelstransparenz

Aufzeichnung und Meldungen bzgl. Handelsgeschäften mit Finanzinstrumenten für Handelsplatzbetreiber und WpDU.284)

65 Die Verletzung von Transparenzpflichten ist besonders sanktioniert und kann insbesondere auch besonders ausgestaltete Schadenersatzansprüche der Anleger nachsichziehen.285) bb) Konsolidierte Aufsicht 66 Aufsichtsbehörden sollen Finanzgruppen, die ihre Dienstleistungen und Produkte in verschiedenen Finanzbranchen anbieten in ihrer Gesamtheit, d. h. auf konsolidierter Basis, beaufsichtigen.286) Zwar bedürfen Finanzkonglomerate287) als solche keiner Lizenz, wohl aber ihre Spitzenunternehmen – die (gemischten) Mutterfinanzholdinggesellschaften.288) Zudem unterliegen beaufsichtigte Unternehmen eines Finanzkonglomerats einer zusätzlichen Aufsicht der zuständigen Behörde289) bzgl.: x

Eigenmitteln und Risikokonzentration,290)

x

gruppeninternen Tranksationen,291)

x

internen Kontrollmechanismen und Risikomanagement292) und

x

Eignung der Führungskräfte.293)

___________ 284) S. unten Rn. 216. 285) S. unten Rn. 482 ff. 286) FICOD EG (2), CRD EG (18), Art. 111 – 127, CRR Art. 11 – 24. E/B-Bankrecht-Kolassa, § 123 Rn. 44. Ausführlich: B/G/R-Bankenaufsichtsrecht-Nemeczek/Pitz, § 5. 287) Finanzkonglomerat ist eine Gruppe von Unternehmen, von denen mindestens eines ein beaufsichtigtes Unternehmen ist, sowie eines aus der Versicherungsbranche und eines aus der Banken- oder Wertpapierdienstleistungsbranche stammt und die konsolidierten Tätigkeiten dieser Unternehmen der Gruppe als (nach näher festgelegten Parametern) erheblich anzusehen sind (FICOD Art. 2 Nr. 14, FKAG § 1(2)). 288) CRD Art. 21a; umgesetzt im deutschen Recht durch KWG § 2f. 289) Die konsolidierte Aufsicht erfolgt zusätzlich zur Beaufsichtigung auf Einzelbasis (B/G/RBankenaufsichtsrecht-Nemeczek/Pitz § 5 Rn. 1) und ist in CRD Art. 111 – 118 (umgesetzt im deutschen Recht durch KWG § 8b – h) geregelt. Jeder EU Mitgliedstaat soll eine einzige Aufsichtsbehörde benennen, die die Gesamtaufsicht eines Konglomerats koordiniert (das schließt nicht aus, dass unterschiedliche Behörden mit der Beaufsichtigung verschiedener Tätigkeitsbereiche des Konglomerats betraut sind). Zudem wird ein Informationsaustausch und Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden (einschließlich jener in Nicht-EU Ländern) vorgeschrieben, die für die Beaufsichtigung der verschiedenen Institute eines Finanzkonglomerats zuständig sind. 290) FICOD Art. 6 und 7. 291) FICOD Art. 8; CRD Art. 123. 292) FICOD Art. 9. 293) FICOD Art. 13.

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I. System und Prinzipien des Finanzaufsichtsrechts

Die konsolidierte Aufsicht betrifft Unternehmensgruppen, an deren Spitze ein 67 beaufsichtigter Finanzakteur steht, und solche, bei denen unter dem Dach einer Holdinggesellschaft beaufsichtigte Finanzakteure wirken.294) Betroffen sind reine, nur aus Kreditinstituten, Wertpapierfirmen und/oder Versicherungsunternehmen bestehende Finanzgruppen ebenso wie gemischte Gruppen, bei denen einzelne Gruppenunternehmen nicht in der Finanzbranche tätig sind.295) Am stärksten wirkt sich die Konsolidierung bei der Solvenzaufsicht296) aus: Ein Finanzkonglomerat muss auf Konglomeratsebene angemessene Eigenmittel haben.297) Grds. werden Finanzakteure, die Töchter eines anderen Finanzakteurs sind, vollkonsolidiert. Hat die Mutter keinen beherrschenden Einfluss, kann eine anteilige Konsolidierung geboten sein, so dass die Risiken der Tochter der Mutter nicht voll, sondern nur pro rata (im Verhältnis zur Größe der Beteiligung) zugerechnet werden.298) c) Krisenmanagement Die Erkenntnis ist nicht neu, wurde aber durch die Finanzkrise 2008 ins allge- 68 meine Bewusstsein zurück gebracht: Wegen der Gefahr, dass kranke Banken die gesamte Wirtschaft infizieren (Dominoeffekt)299), bedürfen Finanzakteure im Interesse der Allgemeinheit eines besonderen Krisenmanagements. Diesem Krisenmanagement sind einige – in diesem Kapitel beschriebenen – europäische und nationalstaatliche Gesetze gewidmet, deren Schutzzweck die Stabilität des ganzen Systems ist – und zwar präventiv und auch dann, wenn die Krise eingetreten ist. aa) Was bedeutet Insolvenz? Ein Schuldner ist insolvent, wenn sein (liquides) Vermögen nicht mehr aus- 69 reicht, um alle seine Gläubiger zu befriedigen.300) Dann ist es im überwiegenden allgemeinen Interesse, dem Schuldner die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen zu entziehen und an seine Stelle einen allen Gläubigern verpflichteten, mit umfassenden Befugnissen ausgestatteten Verwalter treten zu lassen. Das ___________ 294) E/B-Bankrecht-Kolassa, § 123 Rn. 47. 295) Das im Detail sehr komplexe System der Konsolidierungskreise wird vornehmlich über die Begriffsdefinitionen in CRR Art. 4 (1) Ziffern 15 – 33 und FICOD Art. 2 erschlossen. Näher: B/G/R-Bankenaufsichtsrecht-Nemeczek/Pitz, § 5 Rn. 102 – 136. 296) S. näher unten Rn. 135–153. 297) CRR Art. 11 – 24. Es soll verhindert werden, dass die gleichen Eigenmittel mehrfach zur Unterlegung von Risiken verschiedener Unternehmen desselben Konglomerats verwendet werden. Deshalb müssen die gesamten Eigenmittel aller zu konsolidierenden Gruppeninstitute den Anforderungen von CRR Art. 92 entsprechen, und das Konglomerat muss auch die Großkreditgrenzen von CRR Art. 387 ff. beachten. Dem Ziel, eine Mehrfachnutzung von Eigenkapital für aufsichtsrechtliche Zwecke zu verhindern, dient auch das in CRR Art. 36 (1) (h) und (i) geregelte Abzugsverfahren, wonach Kreditinstitute Beteiligungen an anderen Kredit- und Finanzinstituten von ihren Eigenmitteln abziehen müssen. 298) CRR Art. 18. 299) S. oben Rn. 19. 300) Bork, Insolvenzrecht, Rn. 1.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

deutsche Recht sieht diesen Zeitpunkt als gekommen an, wenn der Schuldner (drohend) zahlungsunfähig301) oder überschuldet302) ist. 70 Vor Eintritt der Insolvenz können öffentliche Stellen in Deutschland nur in begrenztem Umfang Einfluss auf die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens nehmen.303) Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens304) gelten fundamental andere Regeln, insbesondere: x Die Rechtsbeziehungen des insolventen Schuldners werden eingefroren, vom Insolvenzverwalter analysiert und sodann beendet, fortgeführt oder neu ausgerichtet;305) und ___________ 301) Zahlungsunfähigkeit gem. InsO § 17 liegt vor, wenn der Schuldner zum fraglichen Zeitpunkt nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Sie ist abzugrenzen von einer vorübergehenden (bis zu drei Wochen dauernden) Zahlungsstockung. Die Zahlungsunfähigkeit ist zu ermitteln durch eine Liquiditätsbilanz, bei der die fälligen Forderungen den eingehenden Erlösen und dem verfügbaren Kredit gegenüberzustellen sind (Bork, Insolvenzrecht, Rn. 102). Außerdem existiert der Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit gem. InsO § 18, die anhand einer Prognose für einen angemessenen Zeitraum (24 Monate) zu bestimmen ist. Der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit muss überwiegend wahrscheinlich sein (Bork, Insolvenzrecht, Rn. 106). 302) Überschuldung gem. InsO § 19 liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens für die nächsten zwölf Monate ist überwiegend wahrscheinlich. Die Überschuldung ist zu ermitteln durch einen Überschuldungsstatus; unberücksichtigt bleiben dabei qualifiziert nachrangige Verbindlichkeiten (Bork, Insolvenzrecht, Rn. 108). 303) Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann das Insolvenzgericht Sicherungsmaßnahmen gem. InsO § 21 treffen, insbesondere einen vorläufigen Insolvenzverwalter einsetzen, ein allgemeines Verfügungsverbot (Beschlagnahme) über oder ein Vollstreckungsverbot in das Vermögen des Schuldners aussprechen. Zwar können diese Maßnahmen zumindest teilweise die Rechtswirkungen der Insolvenz vorwegnehmen – insbesondere wenn ein sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt wird (Bork, Insolvenzrecht, Rn. 125). Insofern greift der Staat hier vor Insolvenzeröffnung in den Geschäftsbetrieb ein. Die Maßnahmen stehen aber typischerweise in unmittelbarem zeitlichen und inhaltlichen Kontext mit der eigentlichen Insolvenz, so dass sie am Prinzip nicht rütteln. Für den Kapitalmarkt und insbesondere die Derivate ist zudem wichtig, dass ein allgemeines Verfügungsverbot vor Insolvenzeröffnung Aufrechnung und damit Netting nicht verhindert (Bork, Insolvenzrecht, Rn. 129; zum Netting s. unten Rn. 427–428 und Rn. 440 ff. 304) Das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Schuldners wird durch Beschluss des zuständigen Insolvenzgerichts (d. h. ein gem. InsO § 2 (1) zu bestimmendes Amtsgericht) gem. InsO § 27 eröffnet. Vorausgehen muss ein begründeter Antrag des Schuldners (wird eine juristische Person insolvent, muss das Leitungsorgan den Antrag spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung stellen (InsO § 15a)) oder seiner Gläubiger (InsO §§ 13, 16). 305) Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ernennt das Insolvenzgericht einen Insolvenzverwalter (InsO § 27 (1)) und bestimmt einen Berichts- und einen Prüfungstermin, an dem die Gläubigerversammlung über den Fortgang des Verfahrens beschließt bzw. die angemeldeten Forderungen geprüft werden (vgl. InsO §§ 29 (1), 156 ff., 176 ff.). Die Aufgabe des Insolvenzverwalters besteht vornehmlich darin, Entscheidungen zu schwebenden Prozessen (InsO § 85) und Verträgen (InsO § 103 ff.) zu treffen, ggf. Vermögensgegenstände per Insolvenzanfechtung (InsO § 129 ff.) zur Masse zurückzuholen und die Berichts- und Prüfungstermine vorzubereiten. Im Berichtstermin entscheidet die Gläubigerversammlung über den Fortgang des Verfahrens, also darüber, ob (i) das Unternehmen des Schuldners im Rahmen des gesetzlichen Verfahrens liquidiert oder saniert werden soll oder (ii) entsprechende Maßnahmen durch ein (stärker von den Gläubigern gestaltbares) Insolvenzplanverfahren erfolgen sollen (InsO §§ 156, 174 ff., 219 ff. Näher: Bork, Insolvenzrecht, Rn. 3 ff.). Das Insolvenzverfahren endet mit dem Aufhebungsbeschluss des Insolvenzgerichts (InsO § 200).

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x

die Forderungen der Gläubiger werden in eine (gesetzlich bestimmte) Insolvenzrangfolge gebracht und entsprechend behandelt; dabei gilt: Fremdkapitalforderungen haben Vorrang vor Eigenkapitalforderungen und innerhalb der Fremdkapitalgläubigergruppe werden weitere sich in ihrem Rang unterscheidende Gläubigergruppen gebildet.306)

Allerdings ist die klare Trennung zwischen Vor- und Nach-Insolvenz im deut- 71 schen Recht in jüngster Zeit durch die Einführung des auf die europäische RID zurückgehende StaRUG aufgeweicht worden. Das StaRUG ermöglicht die Durchsetzung von Restrukturierungsmaßnahmen auch gegen den Widerstand von Minderheitsgläubigern außerhalb des Insolvenzverfahrens des Schuldners307)

___________ 306) Im Insolvenzverfahren werden folgende Gläubigergruppen (und ihre Rechte) unterschieden (hier in der Reihenfolge der Befriedigung ihrer Ansprüche genannt): · Aussonderungsberechtigte Gläubiger gem. InsO § 47 – solche Gläubiger, die geltend machen können, dass ein bestimmter Gegenstand nicht zum Schuldnervermögen, sondern zu ihrem Vermögen gehört und deshalb den Insolvenzgläubigern nicht haftet. Diese Gläubiger sind keine Insolvenzgläubiger. Sie haben einen Herausgabeanspruch, den sie unabhängig vom Insolvenzverfahren im Wege der Einzel-ZV geltend machen können. Aussonderungsrechte sind: Eigentum, Besitz, sonstige dingliche Rechte (einfacher Eigentumsvorbehalt, Nießbrauch, Erbbaurecht), Immaterialgüterrechte. Wurde ein Gegenstand, dessen Aussonderung hätte verlangt werden können, unberechtigt veräußert, kann der Aussonderungsberechtigte Abtretung des Rechts auf Gegenleistung verlangen, soweit diese noch aussteht; er kann die Gegenleistung aus der Insolvenzmasse verlangen, soweit sie in der Masse unterscheidbar vorhanden ist (Ersatzaussonderung). · Massegläubiger gem. InsO § 53 – sämtliche Gläubiger, deren Ansprüche erst nach Verfahrenseröffnung begründet und durch das Verfahren selbst veranlasst worden sind; diese Gläubiger werden vor den Insolvenzgläubigern (falls die Masse ausreicht: in vollem Umfang) befriedigt. · Absonderungsberechtigte Gläubiger gem. InsO §§ 49, 165 ff. – solche Gläubiger, die verlangen können, dass ein bestimmter Gegenstand separat verwertet wird und sie aus dem Erlös vorrangig hinsichtlich ihrer gesicherten Forderung befriedigt werden. Diese Gläubiger sind i. d. R. Insolvenzgläubiger (mit gesonderten Sicherungsrechten). Absonderungsrechte sind: Sicherungsübereignung und -zession (InsO § 51 Nr. 1), verlängerter/erweiterter Eigentumsvorbehalt, Pfandrecht, Grundschuld, Hypothek. · (einfache) Insolvenzgläubiger gem. InsO § 38 – sämtliche Gläubiger, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben; ihnen wird die Insolvenzmasse zur gemeinschaftlichen Befriedigung haftungsrechtlich zugewiesen; sie werden anteilig (quotal) aus der Insolvenzmasse befriedigt (näher: Bork, Insolvenzrecht, Rn. 81). · (nachrangige) Insolvenzgläubiger gem. InsO § 39 – solche Gläubiger, die bei der Verteilung der Insolvenzmasse erst ganz zum Schluss zum Zuge kommen, wobei zwischen gesetzlicher und vertraglicher Nachrangigkeit differenziert wird. 307) Solche Mittel kannte das deutsche Recht bis dato nur im Fall von Schuldverschreibungen (vgl. dazu unten Rn. 410). Das StaRUG gilt grds. für alle Unternehmen und natürliche Personen, die unternehmerisch tätig sind (anders RID Art. 1 (2), wonach Finanzakteure vom Anwendungsbereich ausgenommen sind). Die (sonstigen) gerichtlichen Sanierungsund Restrukturierungsinstrumente sind auf Unternehmen der Finanzbranche gem. KWG § 1 (19) jedoch nicht anzuwenden (StaRUG § 30 (2)).

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und zwar in Form eines Restrukturierungsplans308) oder den (sonstigen) Sanierungs- und Restrukturierungsinstrumenten.309) Möglich ist auch die Einschaltung des Restrukturierungsgerichts.310)

___________ 308) Die Initiative für einen Restrukturierungsplan muss vom Schuldner ausgehen (StaRUG § 17 (1)). Der Schuldner muss den Plan anhand der detaillierten Vorgaben von StaRUG §§ 5 – 15 ausarbeiten. Eine Restrukturierung auf Basis des Plans kommt zustande, wenn (i) sämtliche Planbetroffenen zustimmen oder (ii) die erforderlichen Mehrheiten zustimmen und der Plan gerichtlich bestätigt wird (StaRUG § 18). Die Auswahl der von dem Restrukturierungsplan betroffenen Gläubiger (die Planbetroffenen) liegt im Ermessen des Schuldners und muss sachgerecht sein. Sämtliche Verbindlichkeiten des Schuldners und dafür bestellte (Absonderungsrechte gewährende) Sicherheiten können im Restrukturierungsplan umgestaltet werden mit Ausnahme von Finanzsicherheiten und Sicherheiten, die dem Betreiber eines Abrechnungssystems (s. unten Rn. 356 f.) gestellt werden (StaRUG § 2). Die Forderungen der Gläubiger können gekürzt und gestundet und auch die sonstigen Konditionen können geändert werden, etwa dahingehend, dass Verpflichtungen des Schuldners aus Dauerschuldverhältnissen erst nach Abschluss der Restrukturierung erfüllt werden müssen. Anders als im Insolvenzplanverfahren, das grds. nur Forderungskürzungen und -stundungen erlaubt (InsO § 224), ist es bei mehrseitigen Rechtsverhältnissen des Schuldners (z. B. Konsortialkreditverträge und Intercreditor Agreements) auch möglich, vertragliche Einzelbestimmungen (z. B. Financial Covenants) zu ändern. Gleiches gilt für den Fall, dass der Schuldner mit mehreren Gläubigern Verträge zu gleichlautenden Bedingungen (z. B. Schuldscheindarlehen) abgeschlossen hat. Die Gesellschafter des Schuldners können in den Restrukturierungsplan einbezogen werden (StaRUG § 2 (3) und § 7 (4)), einschließlich eines Debt-to-Equity-Swap (allerdings nicht gegen den Willen der Gesellschafter). Drittsicherheiten, gestellt von verbundenen Unternehmen des Schuldners, können einbezogen werden (allerdings nur gegen angemessene Entschädigung). Der Restrukturierungsplan ist den Planbetroffenen anzubieten. Die Planbetroffenen sind für die Zwecke der Abstimmung über die Annahme des Restrukturierungsplans in Gruppen einzuteilen. Die Einteilung muss die jeweilige Rechtsstellung und die wirtschaftlichen Interessen berücksichtigen (z. B. gesicherte Gläubiger, nicht nachrangige ungesicherte Gläubiger, nachrangige Gläubiger, vgl. StaRUG § 9). Der Restrukturierungsplan ist angenommen, wenn in jeder Gruppe 75 % der Stimmrechte zustimmen (StaRUG § 25 (1)). Die Zustimmung einer Gruppe gilt auch bei Nichterreichen der Schwelle als erteilt, wenn (i) die Mitglieder dieser Gruppe durch den Plan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne ihn stünden, (ii) sie angemessen am wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der den Planbetroffenen zufließen soll (Planwert), und (iii) die Mehrheit der abstimmenden Gruppen mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt hat (gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung, StaRUG § 26 (1)). Die Angemessenheit der Beteiligung am Planwert wird durch den sog. Grundsatz der absoluten Priorität bestimmt, d. h. einer nachrangigen Gruppe darf kein Wert zugewiesen werden, der einer anderen (vorrangigen) Gruppe zusteht (StaRUG § 27 (1)). Von diesem Grundsatz kann abgewichen werden, wenn der Begünstigte seinen Vorteil durch Leistung an das Unternehmen vollumfänglich ausgleicht (StaRUG § 27 (1) Nr. 2). Außerdem gilt, dass unter gleichrangigen Gläubigern einzelne Gläubiger nicht besser gestellt werden dürfen. Ausnahmen sind möglich, sofern dies nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und nach den Umständen sachgerecht ist (StaRUG § 28).

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bb) Sonderinsolvenzrecht für Finanzakteure Die vorstehend skizzierten Grundzüge des Insolvenzrechts311) gelten zwar auch 72 für Finanzakteure, werden aber durch europäisches und nationales Aufsichts___________ Sollte der Plan nicht von allen Planbetroffenen angenommen worden sein, treten seine Wirkungen mit Verkündung der gerichtlichen Bestätigung ein (StaRUG §§ 65 (1), 67 (1)). Der Weg zum Restrukturierungsgericht steht dem Schuldner als Alternative neben der Abstimmung zur Verfügung (StaRUG § 23). Mit der Bestätigung des Restrukturierungsplans treten die im gestaltenden Teil festgelegten Wirkungen ein. Dies gilt auch im Verhältnis zu Planbetroffenen, die gegen den Plan gestimmt haben (StaRUG § 67 (1)). Neue Darlehen und Sicherheitenstellungen, die nach Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache gewährt werden, sind haftungs- und anfechtungsrechtlich privilegiert (StaRUG §§ 89 f.). Das StaRUG macht aber keinen Gebrauch von der europarechtlich vorgesehenen Möglichkeit, neuen Finanzierungen in einem etwaigen späteren Insolvenzverfahren eine Vorrangstellung gegenüber anderen Gläubigern zu verschaffen (vgl. RID Art. 17 (4)). Ein Restrukturierungs-Beauftragter ist für den Plan grds. nicht zwingend erforderlich außer in den in StaRUG § 73 genannten Fällen. Der Schuldner kann jedoch eine Bestellung beantragen (StaRUG § 77). Der fakultative Restrukturierungs-Beauftragte unterstützt das Unternehmen bei Ausarbeitung und Aushandlung des Restrukturierungskonzepts und -plans (StaRUG § 79). Falls der Restrukturierungsplan die Gestaltung der Forderungen aller Gläubiger vorsieht, kann das Gericht einen Gläubigerbeirat bestellen (StaRUG § 93). Der Gläubigerbeirat unterstützt und überwacht die Geschäftsführung durch den Schuldner. 309) Die sonstigen StaRUG-Instrumente stehen einem Schuldner zur Verfügung, der drohend zahlungsunfähig ist (StaRUG § 29 (1) – Übersicht bei Bork, NZI-Beilage 2021, 38). Gem. InsO § 18 (2) (neu) beträgt der für die Feststellung der drohenden Zahlungsfähigkeit anzulegende Prognosezeitraum 24 Monate. Zugleich wird der Prognosezeitraum für die Feststellung einer Überschuldung gem. InsO § 19 (2) (neu) auf zwölf Monate festgelegt (und damit die Abgrenzung zwischen beiden Tatbeständen erleichtert). Voraussetzung der Inanspruchnahme von (gerichtlichen) StaRUG-Instrumenten ist die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens (Restrukturierungssache) beim Restrukturierungsgericht (StaRUG § 31 (1)). Mit der Anzeige wird die Restrukturierungsache für (maximal zwölf Monate) rechtshängig (StaRUG § 31 (3) – (4)). Die Rechtshängigkeit ist kein Grund für eine Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses (Lösungsklauseln), mit Ausnahme von nach InsO § 104 privilegierten CoN-Vereinbarungen, Finanzsicherheiten und Sicherheiten, die dem Betreiber eines Abrechnungssystems (s. unten Rn. 356 f.) gestellt werden (StaRUG § 44). S. zu den Auswirkungen, die die Anwendung gerichtlicher StaRUG-Instrumente auf die jeweils andere Partei hat, näher ISDA Collateral Provider Insolvency Opinion I.2.2, ISDA Collateral Taker Insolvency Opinion D.2 und ISDA Netting Opinion D.5.2. 310) Das ist nur erforderlich, wenn ein Restrukturierungs-Beauftragter bestellt oder eines der (im Folgenden aufgezählten) sonstigen StaRUG-Instrumente (StaRUG § 29 (2)) eingesetzt werden soll: · Durchführung eines gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens (Planabstimmung) (StaRUG §§ 45 – 46); · gerichtliche Vorprüfung von Fragen, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblich sind (Vorprüfung) (StaRUG §§ 47 – 48); · gerichtliche Anordnung von Vollstreckungs- und Verwertungssperren (Stabilisierung) (StaRUG §§ 49 f.); die Höchstdauer der Anordnung beträgt drei Monate (StaRUG § 53 (1)). (1) Die Stabilisierungsanordnung berührt nicht die Wirksamkeit von Verfügungen über Finanzsicherheiten, der Verrechnung von Ansprüchen im Rahmen von Abrechnungssystemen und von nach InsO § 104 privilegierten CoN-Vereinbarungen (aber die aus dem Liquidationsnetting resultierende Forderung) (StaRUG § 56), und · gerichtliche Bestätigung eines Restrukturierungsplans (Planbestätigung) (StaRUG §§ 60 f.). 311) S. näher zur Auswirkung des Insolvenzrechts auf die Durchsetzbarkeit kapitalmarktrechtlicher Ansprüche unten Rn. 371 f.

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recht erheblich abgeändert bzw. ergänzt.312) Dies gilt sowohl hinsichtlich der Insolvenzprävention als auch der Möglichkeit der Behörden, außerhalb des Insolvenzverfahrens in den Geschäftsbetrieb des Finanzakteurs einzugreifen. Schließlich beeinflusst das Aufsichtsrecht auch das Insolvenzverfahren für Finanzakteure selbst. Alle diese Faktoren zusammen werden in diesem Buch als Sonderinsolvenzrecht für Finanzakteure bezeichnet.313) (1) Insolvenzprävention 73 Bei kriselnden Finanzakteuren ist der Zeitpunkt, zu dem Behörden zwecks Insolvenzpräventation314) in den Geschäftsbetrieb eingreifen können, im Vergleich zu Unternehmen der Realwirtschaft vorverlegt, und es stehen besondere Verfahren zur Verfügung, die einem normalen Insolvenzverfahren vorgeschaltet

___________ 312) Darin ist das ambivalente Verhältnis von Finanzaufsichtsrecht und Insolvenzrecht reflektiert, denn es bestehen z. T. Interessenkonflikte zwischen beiden Rechtsgebieten. Primäres Regelungsziel des Insolvenzrechts ist, die Insolvenzmasse zu vergrößern und sie angemessen (gerecht) zwischen den Gläubigern zu verteilen (ob das insolvente Unternehmen überlebt oder liquidiert wird, ist eher zweitrangig). Demgegenüber ist das Finanzaufsichtsrecht bestrebt, Risiken für die Finanzwirtschaft zu begrenzen und zu managen und deshalb möglichst viele Forderungen von Finanzakteuren aus der Masse eines insolventen Schuldners herauszuhalten (durch Close-out Netting (s. unten Rn. 427–428) und aussonderungsfähige Sicherheiten) und wenn sich diese Forderungen nicht aus der Masse heraushalten lassen, sollen sie möglichst bevorzugt befriedigt werden ohne Haircut (s. unten Rn. 371). Diese Zielkonflikte sind nicht immer für alle Seiten befriedigend auflösbar. 313) Aus deutscher Sicht stehen die zwei nachfolgend dargestellten Interventionsregimes von KWG und BRRD/SAG nebeneinander (ein drittes Regime war das 2011 als Reaktion auf die Erfahrungen mit der Finanzkrise von 2008 in Ergänzung zu KWG § 46 in Kraft getretene KredReorgG; es ist jedoch wegen handwerklicher Mängel und fehlender praktischer Relevanz 2020 durch RiG Art. 12 abgeschafft worden) und auch neben der InsO zur Verfügung; sie weisen partielle Unterschiede bzgl. des persönlichen Anwendungsbereiches, der Eingriffsvoraussetzungen sowie des Umfangs und des Zwangscharakters der Maßnahmen auf (die InsO gilt als für den Schuldner weniger belastend und kommt zur Anwendung, wenn kein öffentliches Interesse an der Abwicklung nach BRRD/SAG besteht). Die Rechtfertigung für dieses Sonderinsolvenzrecht für Finanzakteure ist darin zu suchen, dass in ihrem Fall das Regelungsinteresse nicht auf den Gläubigerschutz beschränkt ist, sondern dasjenige der Allgemeinheit umfasst, das Finanzsystem und damit die gesamte Volkswirtschaft stabil zu halten (vgl. Buba-VÖ-RestrukturierungG, S. 63 f.). 314) Dem Ziel der Insolvenzprävention dienen bereits die Solvenzregelungen für Finanzakteure, d. h. neben den Anforderungen an das Liquiditätsmanagement und die Einhaltung von Großkreditgrenzen vor allem die Eigenmittelanforderungen: Während es Unternehmen der Realwirtschaft selbst überlassen ist, sich jenseits des erforderlichen Gründungskapitals (EUR 50.000/25.000 bei der AG bzw. der GmbH) mit dem für ihren Geschäftszweck erforderlichen Eigenkapital zu versorgen, unterliegen Finanzakteure deutlich höheren (regulatorischen) Eigenkapitalanforderungen (s. unten Rn. 139–153).

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sind bzw. an seine Stelle treten können. Dies gilt für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen315) ebenso wie für Investmentfonds316) und Versicherungen.317) (2) Insolvenzverfahren Für das Insolvenzverfahren318) von Finanzakteuren gelten Besonderheiten in 74 der Insolvenzrangfolge: Von dem Grundsatz, dass allen (normalen) Insolvenzgläubigern gem. InsO § 38 (d. h. sämtliche Gläubiger, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben) die Insolvenzmasse zur gemeinschaftlichen (quotalen) Befriedigung haftungsrechtlich zugewiesen ist, wird abgewichen. Gem. KWG § 46f (4-6) entsteht folgende gesetzliche Rangfolge für normale (also weder nach- noch vorrangige) Insolvenzforderungen: x

Bevorzugte Einlagen von Privatpersonen und kleinen Unternehmen für Beträge, die nicht durch Einlagensicherung gedeckt sind (d. h. Beträge über EUR 100.000).

x

Unbesicherte nicht-nachrangige Verbindlichkeiten, die keine Schuldtitel i. S. v. KWG § 46f (6) sind, z. B. Geldmarktpapiere, strukturierte Schuldverschreibungen/Zertifikate, Derivate, nicht gedeckte Einlagen, Verbindlichkeiten aus dem Aktivgeschäft der Banken.

x

Verbindlichkeiten aus unbesicherten nicht-nachrangigen, nicht-strukturierten Schuldtiteln, Inhaber- und Orderschuldverschreibungen sowie Schuldscheindarlehen und Namensschuldverschreibungen.

___________ 315) Werden die Solvenzanforderungen nicht eingehalten, kann die BaFin – etwa im Rahmen eines Restrukturierungsplans – eine Vielzahl von Maßnahmen anordnen, die der Wiederherstellung der Solvenz dienen (KWG § 45); das gleiche gilt bei (schwerwiegenden) organisatorischen Mängeln (KWG § 45b). Die BaFin kann zur Durchsetzung dieser Maßnahmen bei einem Institut einen Sonderbeauftragten bestellen (KWG § 45c). Besteht Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen eines Instituts gegenüber seinen Gläubigern oder der Verdacht, dass eine wirksame Aufsicht über das Institut nicht möglich ist, kann die BaFin ein Moratorium verhängen, d. h. z. B. Anweisungen für die Geschäftsführung erlassen, Einlagen und Kredite verbieten, Geschäftsleitern die Ausübung ihrer Tätigkeit untersagen, Veräußerungs- und Zahlungsverbote erlassen oder die Schließung anordnen (KWG §§ 46, 46g). Hinzutreten die – unten in Rn. 75–77 darzustellenden – Frühinterventionsmaßnahmen gem. BRRD/SAG (s. dazu auch J/S/G-Bankensanierung-Sedlak, A.IV). 316) KAGB § 42. 317) VAG § 314. 318) Bei Kreditinstituten und großen Wertpapierfirmen kann der Insolvenzantrag nur von der BaFin gestellt werden (KWG § 46b); bei kleinen und mittleren Wertpapierfirmen/ instituten gilt dies nicht (WpIG-Gesetzesbegründung S. 153). Insolvenzrechtliche Fristen beginnen mit Erlass der Maßnahmen der BaFin gem. KWG § 46 zu laufen (KWG § 46c).

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cc) Bail-in 75 Seit 2015319) verpflichtet die BRRD (in Deutschland umgesetzt durch das SAG) systemrelevante Finanzakteure (BRRD-Finanzakteure)320) zu umfassender Krisenprävention.321) Verschlechtert sich die Finanzlage eines BRRD-Finanzakteurs (auf Grund seiner Liquiditätssituation, Fremdkapitalquote, Kreditausfällen oder Klumpenrisiken) signifikant und verstößt er dadurch gegen wichtige aufsichtsrechtliche Anforderungen, soll die (zuständige) Behörde322) frühzeitig und umfassend eingreifen.323) ___________ 319) Die bis dato vorhandenen (vorwiegend nationalen) Instrumentarien wurden in der Analyse der Finanzkrise 2008 vielerorts in Europa als unzureichend empfunden, was in dem Satz too big to fail seinen Ausdruck fand, und deshalb vor allem durch die BRRD nachgeschärft (Überblick bei: Zerey-Finanzderivate-Fried, § 17). Die BRRD von 2014 wurde 2019 durch die BRRD II ergänzt (die durch das RiG in deutsches Recht umgesetzt wurde). Zentraler Inhalt der BRRD II ist die Reform der MREL-Anforderungen, insbesondere durch Umsetzung des TLAC-Standards und der über die TLAC-Mindestanforderung hinausgehenden 8 %-Mindestanforderung für große Banken (s. dazu unten Rn. 76). 320) CRR-Kreditinstitute, Wertpapierfirmen mit einer Anfangskapitalverpflichtung von mindestens EUR 750.000, Finanzholdinggesellschaften und andere (BRRD Art. 1/SAG § 1). 321) Jedes Institut muss einen Sanierungsplan erstellen (und laufend aktualisieren), in dem dargelegt wird, mit welchen Maßnahmen im Fall einer erheblichen Verschlechterung der Finanzlage des Instituts dessen finanzielle Stabilität wiederhergestellt werden soll (BRRD Art. 5). Soweit es sich um eine Finanzgruppe handelt, erfolgt die Planung auf Gruppenebene (BRRD Art. 7). Damit einher geht die Verpflichtung, innerhalb der Gruppe finanzielle Unterstützung zu leisten. Die zuständige Behörde prüft, ob der Sanierungsplan geeignet ist, die Überlebensfähigkeit des Instituts aufrechtzuerhalten und in finanziellen Stresssituationen zügig und effektiv umgesetzt werden kann (BRRD Art. 6 (2)). Außerdem erstellt die Abwicklungsbehörde einen Abwicklungsplan, der die einzelnen Maßnahmen aufführt, mit denen ein Institut abgewickelt werden soll, einschließlich der dabei zu erwartenden Probleme und ihrer Lösungsmöglichkeiten (BRRD Art. 10; auf Gruppenebene: Art. 12 und 13). 322) Jeder EU Mitgliedstaat hatte eine für die Abwicklung von Instituten zuständige Abwicklungsbehörde zu ernennen (BRRD Art. 3 (1)), die zwar mit den nationalen Aufsichtsbehörden (ausnahmsweise) identisch sein kann, deren Personal aber strukturell von dem Aufsichtspersonal getrennt sein muss, um Interessenkonflikte zu vermeiden (BRRD Art. 3 (3)). Deutsche Abwicklungsbehörde ist die BaFin (SAG § 3). Abwicklungsbehörde in Deutschland war vom 1.1.2015 – 31.12.2017 die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA); sie erhob in dieser Zeit die Bankenabgabe für den Single Resolution Fund und den Restrukturierungsfonds. Zum 1.1.2018 wurde dieser Bereich der FMSA der BaFin angegliedert. Soweit nachfolgend von der zuständigen Behörde die Rede ist, ist damit die nationale Aufsichtsbehörde oder die EZB gemeint, je nachdem welche Behörde für die Beaufsichtigung eines Instituts zuständig ist (vgl. BRRD Art. 2 (1) Nr. 21). Besondere Bedeutung kommt der Kooperation der nationalen Abwicklungsbehörden miteinander (über Aufsichtskollegien, ggf. auch unter Koordination der EBA) zu, da häufig Finanzgruppen mit Unternehmen oder Niederlassungen in mehreren EU Mitgliedstaaten existieren, und darüber hinaus auch die Zusammenarbeit mit Behörden in Drittländern (vgl. z. B. BRRD Art. 18 (1), 30, 66, 67, 87 – 92, 107). 323) Der zuständigen Behörde steht zu diesem Zweck eine Vielzahl von Frühinterventionsmaßnahmen zur Verfügung (z. B. von der Geschäftsleitung zu verlangen, eine Versammlung der Anteilseigner einzuberufen, Gläubigerverhandlungen zu beginnen, die Geschäftsstrategie oder die operativen Strukturen zu ändern), deren Vorbereitung und Umsetzung sie auch mittels Durchsuchungen überprüfen kann (BRRD Art. 27/SAG § 36). Die Behörde kann auch die Geschäftsleitung des Instituts abberufen (BRRD Art. 28/SAG § 37) oder einen vorläufigen Verwalter bestellen (BRRD Art. 29/SAG § 38).

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Das Besondere der BRRD sind die den Behörden an die Hand gegebenen In- 76 strumente für die Abwicklung des kriselnden BRRD-Finanzakteurs.324) Neben den sog. Übertragungsinstrumenten325) (deren Zweck darin besteht, gute und schlechte Vermögens- oder Unternehmensteile voneinander zu separieren326) und damit das Überleben der guten Teile zu ermöglichen) handelt es sich dabei vor allem um das Gläubigerbeteiligungs-Instrument (Bail-in genannt).327) Bail-in ermöglicht, dass außerhalb eines Insolvenzverfahrens neben Eigentümern und nachrangigen Gläubigern auch nicht-nachrangige Fremdkapitalgeber zur Haftung für Verluste eines BRRD-Finanzakteurs herangezogen werden können.328) Im Falle der Eigentümer erfolgt dies durch Herabsetzung des Nennwerts der Geschäftsanteile (ggf. bis auf null) und der Ausgabe neuer Anteile,329) im Falle der Fremdkapitalgeber durch Herabsetzung des Nennwerts ihrer Forderungen (Herabschreibung) und/oder deren Umwandlung in Eigenkapital.330) Eine Reihe von Fremdkapitalkategorien ist vom Bail-in ausgenommen.331) Die Herabschreibung und/oder Umwandlung derjenigen Ka___________ 324) Ziel ist, durch die Schaffung von Institutionen und Instrumenten Institute jedweder Größe in der EU geordnet und sehr kurzfristig (übers Wochenende) abwickeln zu können und die Lasten dafür auf Eigentümer und Gläubiger zu verteilen (und erst zuletzt auf den Steuerzahler – als zweite Sicherungslinie greift ein von den Finanzakteuren selbst zu speisender Fonds ein), ohne die Stabilität des Finanzmarktes zu gefährden (BRRD EG 1 – 9; Art. 31 (2), 34. CRD EG (34)). Eine Abwicklung soll nur erfolgen, wenn das Institut unmittelbar in seinem Bestand gefährdet ist, keine weniger einschneidende Maßnahme Aussicht auf Erfolg hat und die Abwicklung im öffentlichen Interesse ist, d. h. für die Erreichung der im Gesetz formulierten Abwicklungsziele erforderlich und dabei verhältnismäßig ist (BRRD Art. 32/SAG § 62). Vor Beginn der Abwicklung ist eine faire und realistische Bewertung des Vermögens und der Verbindlichkeiten des Instituts durchzuführen (BRRD Art. 36). Leiterin des Abwicklungsverfahrens ist die Abwicklungsbehörde; sie trifft eine Vielzahl von Verfahrens- und Informationspflichten (BRRD Art. 81 – 84); ihr stehen umfangreichste Befugnisse zu, die es ihr erlauben, sämtliche Abwicklungsinstrumente effizient einzusetzen (BRRD Art. 108). Die Abwicklung eines Instituts kann durch einen von der Abwicklungsbehörde zu bestellenden und zu kontrollierenden Sonderverwalter erfolgen; in jedem Fall arbeiten Abwicklungsbehörde und Sonderverwalter eng zusammen (BRRD Art. 35). Details erläutert die BaFin in der MaBail-in. 325) Unternehmensveräußerung (BRRD Art. 38, 39), Brückeninstitut (BRRD Art. 40, 41), Ausgliederung von Vermögenswerten (BRRD Art. 42). 326) S. dazu insbesondere die der Abwicklungsbehörde in BRRD Art. 63 (1) lit. c) und d) gegebenen Befugnisse. 327) BRRD Art. 43 – 58. 328) BRRD Art. 43 (2)/SAG § 90. 329) BRRD Art. 63 (1) h) bzw. i). 330) BRRD Art. 63 (1) e), g) bzw. f). 331) Zu diesen ausgeschlossenen Fremdkapitalkategorien (die i. Ü. auch im Insolvenzverfahren Vorrang haben) zählen u. a.: Entschädigungsfähige Einlagen (bis EUR 100.000), besicherte Verbindlichkeiten, Kundenvermögen (soweit insolvenzrechtliche Aussonderungsrechte bestehen), Verbindlichkeiten gegenüber Banken und Systemen mit Laufzeiten von unter sieben Tagen, Gehälter und Renten sowie Forderungen aus Leistungen, die für den laufenden Geschäftsbetrieb des Akteurs von wesentlicher Bedeutung sind (vgl. BRRD Art. 44/SAG 91 (2)/SRMR Art. 27 (3)). Gerade wegen des Ausschlusses vieler Fremdkapitalkategorien ist für die Wirksamkeit des Bail-in wichtig, dass im Abwicklungsfall ausreichend (anderweitige) Verlustabsorptionsmasse zur Verfügung steht. Eine sog. Mindestanforderung an Eigenkapital und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities (MREL)), die als prozentualer Anteil

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pitalkategorien,332) auf die Bail-in Anwendung findet, hat in einer bestimmten Reihenfolge (Haftungskaskade) zu erfolgen:333) x

CET1 (gezeichnetes Kapital)

x

AT1 (hybrides Kapital)

x

T2 (nachrangiges Fremdkapital)

x

Berücksichtigungsfähige (nicht-nachrangige) Verbindlichkeiten: Schuldtitel (Anleihen und Schuldscheine), Derivate,334) Verbindlichkeiten gegenüber Kunden aus dem Aktivgeschäft der Banken.

___________ an einer näher zu bestimmenden Gesamtrisikoposition zu berechnen ist, ist deshalb von jedem Institut einzuhalten (BRRD Art. 45). MREL ist von den Abwicklungsbehörden unter Berücksichtigung bestimmter Vorgaben institutsindividuell festzulegen. Auf G20Ebene gilt seit 2019 eine sog. Mindestanforderung an die Gesamtverlustabsorptionsfähigkeit global systemrelevanter Banken, die Total Loss Absorbing Capacity (TLAC). In der EU wurde TLAC durch die BRRD II in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen (verbindliche Vorgaben unter anderem bzgl. der Höhe und Anerkennungsfähigkeit von Verbindlichkeiten sowie weiterer Aspekte, z. B. der Verteilung des Kapitals innerhalb einer Gruppe oder Regelungen für Investitionen anderer Banken) umgesetzt. Das Konzept dieser Mindestanforderung geht über das bestehende Basel-III-Rahmenwerk, das unerwartete Verluste einer Bank im laufenden Geschäftsbetrieb (going-concern) abdecken soll, hinaus und zwar dergestalt, dass im Abwicklungsfall (gone-concern) weiteres Kapital zur Verfügung steht (Buba-VÖ-TLAC+MREL, S. 67). Der Gesetzgeber geht davon aus (RIG-Gesetzesbegründung, S. 130), dass infolge dieser Anforderungen Kreditinstitute und Wertpapierfirmen zunehmend nachrangige MREL-Anleihen emittieren werden, die einem erhöhten Bail-in Risiko unterliegen. Das wiederum kann zu Anlegerschutzproblemen führen, wenn diese Anleihen durch nicht hinreichend erfahrene Kleinanleger gezeichnet werden, was den Gesetzgeber dazu veranlasst hat, mit der BRRD II neue Maßnahmen zum Anlegerschutz einzuführen (Mindeststückelung in Höhe von mindestens EUR 50.000). S. zum (aufsichtsrechtlichen) Konflikt von Eigenmitteln und Verbraucherschutz: BaFin, CoCoBonds: Risiken für Privatanleger, 1.10.2014 (https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel/2014/fa_bj_1410_coco-bonds.html). 332) S. zu den Kapitalkategorien und den hier verwendeten Begriffen unten Rn. 147. 333) BRRD Art. 48/SAG § 97 (näher: Buba-VÖ-TLAC+MREL, S. 65 sowie BaFin-VÖHaftungskaskade). Bei der ersten Kapitalkategorie der Bail-in Haftungskaskade handelt es sich um Eigenkapital, bei der zweiten und dritten um nachrangige Insolvenzforderungen gem. InsO § 39 (2) und bei der vierten um (einfache) Insolvenzforderungen gem. InsO § 38. Die Haftungskaskade des Bail-in erfolgt also in Umkehrung zur Insolvenzrangfolge gem. InsO §§ 38, 39, i. V. m. KWG § 46 f. (5) und (6). Erleidet ein Gläubiger infolge der Abwicklungsmaßnahmen einen Verlust, der größer ist als der Verlust, den er in einem normalen Insolvenzverfahren erlitten hätte, ist ihm die Differenz zu ersetzen – sog. Creditor Worse off Regelung (BRRD Art. 75/SAG § 68 Abs. 1 Nr. 1, 147; s. näher: K/M/F/S-Freis-Janik, B+K-Recht, Rn. 2.359). 334) Für Derivate gelten besondere Regelungen: Der Bail-In kann erst nach Kündigung und Glattstellung der Derivatekontrakte vorgenommen werden (Glattstellung bedeutet, dass eine Kaufverpflichtung (Long-Position) durch eine Verkaufverpflichtung (Short-Position) ausgeglichen wird – und umgekehrt – vgl. Lorenz-Churning, Teil 1, A I Rn. 13) und erfolgt dann in Höhe des (nach einem komplexen Berechnungsmodus zu ermittelnden) Nettowerts für Verbindlichkeiten (vgl. BRRD Art. 49/SAG § 93). Auf diese Weise bleibt die (ungestörte) Durchführung des vertraglichen Close-out Netting möglich (s. unten Rn. 440–443). S. zu CCP-Clearing und Settlement: J/S/G-Bankensanierung-Mirtschink/Gallei, C.III.

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I. System und Prinzipien des Finanzaufsichtsrechts

Bleibt nach dem Bail-in eine Kapitallücke, kann (soll) bei Vorliegen bestimmter 77 Voraussetzungen der gemeinsame europäische Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund – SRF) unter Anleitung der europäischen Abwicklungsbehörde (Single Resolution Board – SRB) einspringen.335) dd) Einlagen- und Anlagensicherung In den EU-Mitgliedstaaten müssen Einlagen und Ansprüche von Wertpapier- 78 anlegern gesetzlich geschützt werden.336) Der Schutz erstreckt sich auf (vollständig rückzahlbare) Einlagen337) bei Kreditinstituten in Höhe von bis zu EUR 100.000338) sowie auf Kundenforderungen aus Wertpapiergeschäften in Höhe von 90 % und maximal EUR 20.000.339) Diese gesetzliche Entschädigung wird in Deutschland durch eine Zwangsmitgliedschaft eines jeden Kreditinstituts340) und einer jeden Wertpapierfirma341) bei einer Sicherungseinrichtung

___________ 335) SRMR EG (78). Näher: K/M/F/S-Freis-Janik, B+K-Recht, Rn. 2.31 ff. SRMR Art. 7 (3) stellt den zuständigen Behörden i. Ü. einen eigenen Strauß vor-insolvenzrechtlicher Interventionsinstrumente zur Verfügung, der auf weniger wichtige Finanzakteure Anwendung findet, für die BRRD und SAG nicht gelten (vgl. BR-Drucks. 193/15, S. 67). 336) DGSD und CSID wurden in Deutschland umgesetzt durch EinSiG bzw. AnlEntG. Beide Gesetze lösten 2015 das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (EAEG) ab. Ein Europäisches Einlagenversicherungssystem (European Deposit Insurance Scheme – EDIS) existiert noch nicht, wird aber von der EU Kommission befürwortet (https:// ec.europa.eu/info/business-economy-euro/banking-and-finance/banking-union/european-deposit-insurance-scheme_en). 337) Dazu zählen neben Festgeldern und Spareinlagen auch Namensschuldverschreibungen, aber nicht Inhaberschuldverschreibungen (K/M/F/S-Freis-Janik, B+K-Recht, Rn. 2.295). Nach Ansicht der BaFin unterscheidet sich der Begriff der Einlage im EinSiG von demjenigen im KWG: Während die EinSiG-Einlage in jedem Fall die Rückzahlung des eingezahlten Betrags zu 100 % erfordert, kann eine KWG-Einlage auch bei Abwesenheit einer solchen Verpflichtung dann vorliegen, wenn eine Einzahlung nach Verkehrsansicht oder eigenem Bekunden des Empfängers als Einlage anzusehen ist. Näher zum KWGEinlagenbegriff und seiner Entwicklung durch die Rechtsprechung: SchwintowskiBankrecht-Köhler, Kapitel 5 Rn. 155–162. 338) EinSiG §§ 2 (3), 8 (1). 339) AnlEntG § 4. 340) Bei CRR-Kreditinstituten erfolgt die Zuweisung des Instituts je nach Zugehörigkeit zur Gruppe der öffentlich- oder privatrechtlichen Institute zu einer Sicherungseinrichtung, die deren Verbände – Bundesverband deutscher Banken (BdB) bzw. Verband öffentlicher Banken (VöB) – als beliehene juristische Personen des Privatrechts errichtet haben (s. EinsSiG §§ 24 (1), 22 (2)). Der BdB hat die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken GmbH (EdB) errichtet und der VöB die Entschädigungseinrichtung des Bundesverbandes öffentlicher Banken Deutschlands GmbH (EdÖ). Neben EdB und EdÖ sind gem. EinSiG §§ 43 ff. sog. institutsbezogene Sicherungssysteme des Deutschen Sparkassenund Giroverbandes (DSGV) und des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) für die (gesetzliche) Einlagensicherungs anerkannt (EinSiG § 2 (1) und (2)). 341) Für Wertpapierfirmen (und Kapitalanlagegesellschaften) erfolgt die (gesetzliche) Absicherung durch die Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen (EdW).

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

garantiert.342) Die Sicherungseinrichtungen finanzieren sich über Beiträge343) ihrer Mitglieder, die sie anzulegen haben und aus denen bei Eintritt eines (von der BaFin festzustellenden) Entschädigungsfalles344) die Ansprüche der Kunden des zahlungsunfähigen Finanzakteurs zu befriedigen sind.345) Neben den gesetzlichen gibt es freiwillige Sicherungseinrichtungen der Bankenverbände, mittels derer sich der Einlagenschutz der Kunden der teilnehmenden Kreditinstitute auf 100 % (begrenzt auf 20 % des Eigenkapitals des jeweiligen Kreditinstituts) erhöhen lässt.346) Alle Kreditinstitute (und Wertpapierfirmen) müssen ihre Kunden über die Zugehörigkeit zu einer gesetzlichen und ggf. freiwilligen347) Sicherungseinrichtung (und über die etwaige Beendigung der Zugehörigkeit) sowie über Umfang und Höhe der Sicherung (in gesetzlich genau festgelegter Art und Weise) informieren.348) d) Trennbankensystem 79 Ein sog. Trennbankensystem – also die institutionelle Trennung von Bank- und Wertpapiergeschäften – dient der Krisenprävention. Durch die Trennung soll verhindert werden, dass die Risiken des (zuweilen hoch spekulativen) Invest___________ 342) Die für ein Institut zuständige Entschädigungseinrichtung kann das Institut nach Stellung des Erlaubnisantrags zur Einschätzung der Gefahr des Eintritts eines Entschädigungsfalls analysieren (EinSiG § 35 (1)). Die Einrichtung wird zu diesem Zweck von der BaFin in die Erlaubnisprüfung eingebunden (KWG § 32 (3)), wobei die Einrichtung i. d. R. einen Wirtschaftsprüfer mit der Analyse beauftragt. Mit Erlaubniserteilung hat die BaFin dem Institut bekannt zu geben, welcher Entschädigungseinrichtung es zugeordnet ist (KWG § 32 (3a)). Wird es dort ausgeschlossen, erlischt die Erlaubnis (KWG § 35 (1) S. 2). Die Entschädigungseinrichtung hat zur Einschätzung der Gefahr des Eintritts eines Entschädigungsfalls und zur Überprüfung der Einhaltung der Pflichten regelmäßig und bei gegebenem Anlass Prüfungen der ihr zugeordneten Institute vorzunehmen (EinSiG § 35; AnlEntG § 9). 343) EinSiG § 26; AnlEntG § 8. 344) EinSiG § 10 (1); AnlEntG §§ 5 (1), 1 (5). Typischerweise geht der Entschädigungsfall einher mit der Zahlungsunfähgikeit eines Finanzakteurs, an den sich ein Insolvenzverfahren anschließt, in dessen Rahmen die betroffenen Ein- bzw. Anleger durch die Sicherungssysteme entschädigt werden. Anstelle des Insolvenzverfahrens können bei BRRDFinanzakteuren jedoch der Bail-in oder die Übertragung der geschützten Ein- bzw. Anlagen auf einen anderen Finanzakteur treten. Diese Maßnahmen können einerseits verhindern, dass ein Entschädigungsfall eintritt, andererseits werden auch die Gläubiger des Finanzakteurs an dessen Verlusten beteiligt. Insoweit besteht grds. ein Spannungsverhältnis zwischen Abwicklungsregime und Ein- bzw. Anlagensicherung. Die BRRD weist ausdrücklich darauf hin, dass im Falle einer Bankenabwicklung auf den Einleger- und Anlegerschutz Rücksicht zu nehmen ist (BRRD Art. 31 (2) d)); durch die Sicherungssysteme geschützte Forderungen sind vom Bail-in i. Ü. ausgenommen (s. oben Rn. 75–77). Allerdings kann eine Inanspruchnahme von Sicherungssystemen im Rahmen einer Abwicklung bzgl. deren Kosten erfolgen (BRRD Art. 109). 345) EinSiG § 22 (1); AnlEntG § 6 (2). Sog. Topping-up (E/B-Bankrecht-Kolassa, § 124 Rn. 7). 346) Näher: K/M/F/S-Freis-Janik, B+K-Recht Rn. 2.302. Der BdB hat zu diesem Zweck den sog. Einlagensicherungsfonds als unselbstständiges Sondervermögen gegründet, dessen Mitwirkende alle Mitglieder des BdB sind (s. § 2a des Statuts). 347) B/F/S-KWG-Fischer, § 23a Rn. 86. 348) KWG § 23a.

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I. System und Prinzipien des Finanzaufsichtsrechts

mentbanking auf die (volkswirtschaftlich notwendigen) Geschäftsbanken übergreifen. Die USA führten ein solches Trennbankensystem nach der Weltwirtschaftskrise ein, schafften es aber in den 1990ger Jahren wieder ab.349) Nach der Finanzkrise 2008 wurde ein etwas anders akzentuiertes Trennbankensystem – nämlich die Trennung des Eigenhandels von sonstigen Handelsaktivitäten – in den USA350) und Europa351) diskutiert, allerdings nur teilweise verwirklicht.352) 4. Finanzaufsichtsbehörden Unabhängige effiziente Aufsichtsbehörden sind für eine funktionierende Fi- 80 nanzmarktregulierung unerlässlich. Sie müssen eine kohärente Anwendung und Durchsetzung der Vorschriften gewährleisten – und zwar bzgl. sämtlicher in diesem Abschnitt B. erläuterter Gegenstände des Finanzaufsichtsrechts. Die Behörden üben also die Gründungs-, Solvenz-, Organisations-, Verhaltens- und Abwicklungsaufsicht über die Finanzakteure aus sowie die Markt- und die Produktaufsicht.353) Die Zuständigkeit der Behörden und ihre Befugnisse sind geregelt in europä- 81 ischen und nationalen Behördenorganisationsgesetzen und den einzelnen aufsichtsrechtlichen Gesetzen mit ihren spezifischen Gegenständen. Die meisten EU-Kapitalmarktgesetze regeln diese Fragen nach einem ähnlichen Muster:354) ___________ 349) S. oben Rn. 18. Seit der Finanzkrise 2008 wird wieder an der Einführung eines Trennbankensystems in den USA (Stichwort Volcker Rule) und Europa (Stichwort Liikanen Report der High-level Expert Group on reforming the structure of the EU banking sector Chaired by Erkki Liikanen, FINAL REPORT, Brussels, 2 October 2012) gearbeitet. Bisher ohne durchschlagenden Erfolg. 350) Section 619 des Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act (12 U. S. C. § 1851) untersagt einlagengesicherten Banken den Eigenhandel und die Beteiligung an Hedge oder Private Equity Fonds. Diese 2015 eingeführte sog. Volcker Rule wurde 2020 wieder gelockert. 351) Der in Europa infolge des Liikanen Report vorgelegte Entwurf einer EU Trennbanken-VO wurde von der EU Kommission 2016 zurückgezogen. 352) Seit 2014 ist in Deutschland das Gesetz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen (TrennbankenG) in Kraft, durch das das KWG reformiert wurde: (Spekulative) Eigenhandelsgeschäfte gem. KWG § 3 (2) S. 2, also Käufe und Verkäufe von Finanzinstrumenten auf eigene Rechnung der Bank, aber auch Kredit- und Garantiegeschäfte mit Hedge Fonds oder alternativen Investmentfonds, die mit signifikanten Leverage-Effekten arbeiten, dürfen CRR-Kreditinstitute bei Überschreiten bestimmter Schwellenwerte nicht betreiben (KWG § 3 (4)), sondern müssen sie gem. KWG § 25f auf eine lizensierte und beaufsichtigte rechtlich, wirtschaftlich und organisatorisch selbständige Finanzhandelsgesellschaft ausgliedern. 353) Seit 2015 ist die BaFin innerhalb ihres gesetzlichen Auftrags auch dem Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen verpflichtet (FinDAG § 4 (1a)). Kollektiver Verbraucherschutz bedeutet, dass die BaFin die Verbraucher in ihrer Gesamtheit zu schützen hat und allein im öffentlichen Interesse tätig wird; ein individueller Anspruch eines Verbrauchers auf ein Tätigwerden der BaFin besteht nicht (KleinanlegerSchG-Gesetzesbegründung, S. 37). Die BaFin kann Anordnungen treffen, um verbraucherschutzrelevante Missstände zu verhindern oder zu beseitigen, wenn eine generelle Klärung im Interesse des Verbraucherschutzes geboten erscheint (näher: K/B/P-Schäfers, FinDAG § 4 Rn. 6 – 13). 354) S. z. B. MiFID Art. 69 – 70. Ähnlich: ProspR Art. 31 – 34; MAR Art. 22 – 25; TD Art. 24 – 28; UCITSD Art. 97 – 108; AIFMD Art. 44 – 49.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

Sie verpflichten die EU Mitgliedstaaten zur Benennung zuständiger Behörden355) und diese Behörden zur Zusammenarbeit (innerhalb der jeweiligen Mitgliedstaaten und EU-weit);356) sie verleihen den Behörden umfangreiche Überwachungs- und Eingriffsbefugnisse357) und sie verpflichten die EU Mitgliedstaaten zur Einführung eines Sanktionensystems.358) a) Komplexe Zuständigkeiten 82 Es gibt in der EU ein komplexes System der Zuständigkeiten der Finanzaufsichtsbehörden359) – wobei ein klarer Trend zur Europäisierung der Aufsicht auszumachen ist.360) Zum einen ist zu differenzieren zwischen europäischen und nationalen Aufsichtsbehörden (National Competent Authorities – NCAs), zum anderen zwischen europäischen Behörden, die nur Finanzakteure der Eurozone beaufsichtigen (Europäische Zentralbank – EZB) und denjenigen des European System of Financial Supervision (ESFS), die für Finanzakteure in der gesamten EU zuständig sind.361) 83 Unter dem Single Supervisory Mechanism (SSM) ist die EZB die zuständige Aufsichtsbehörde für alle CRR-Kreditinstitute362) der Eurozone.363) Sie übt die ___________ 355) 356) 357) 358) 359)

360) 361)

362)

363)

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In Deutschland ist das fast immer die BaFin. Z. B. MAR Art. 25. Dazu unten Rn. 8 8 – 89. S. unten in Abschnitt D. Ausführlich: B/G/R-Bankenaufsichtsrecht-Glos/Benzing, § 2. S. zur Bedeutung, die den Behörden in diesem Zusammenhang vom Gesetzgeber zugemessen wird: EU Kom-VÖAktionsplan Kapitalmarktunion-2015, S. 30. Vgl. MiFIR EG (2), CRD EG (7) – (13). Die dem ESFS zuzuordnenden Behörden – namentlich die European Supervisory Authorities (ESAs – dazu sogleich unter Rn. 86 – haben primär eine beobachtende Funktion mit dem Ziel, Leitlinien und Empfehlungen auszuarbeiten (vgl. CRD EG (11)); unmittelbare Eingriffe in das Marktgeschehen sind im wesentlichen auf Krisenfälle beschränkt (E/B-Bankrecht-Fischer/Boegl, § 111 Rn. 71 – 74). Die 2010 erfolgte Errichtung des ESFS geht zurück auf Empfehlungen der nach der Finanzkrise von der EU eingesetzten DeLarosière-Gruppe 2009 in ihrem Abschlussbericht (https://www.esrb.europa.eu/shared/ pdf/de_larosiere_report_de.pdf?27ac25e3e0132be567ddc3fa2590d579). Der europarechtliche Begriff Kreditinstitut umfasst Unternehmen, die Einlagen- und Kreditgeschäft betreiben (CRR Art. 4 (1) Nr. 1) und ist damit enger als der Begriff des Kreditinstituts im deutschen Recht (KWG § 1 (1)). Das KWG trägt dem in § 1 (3d) Rechnung, in dem es den Begriff CRR-Kreditinstitut unter Bezugnahme auf die Definition von Kreditinstitut in der CRR definiert. Zu einem KWG-Kreditinstitut wird ein Unternehmen bereits dadurch, dass es das Einlagen- oder das Kreditgeschäft (oder ein anderes in KWG § 1 (2) S. 2 genanntes Bankgeschäft) betreibt und kein Ausnahmetatbestand gem. KWG § 2 vorliegt. Früher wurde in Deutschland der Begriff Einlagenkreditinstitut anstelle von CRR-Kreditinstitut verwendet. SSMR Art. 4 (1). Die (2014 erfolgte) Übertragung von Aufsichtsaufgaben auf die EZB dient dem Ziel der Ausarbeitung eines einheitlichen Regelwerks und der Stärkung der Konvergenz der Aufsichtspraxis in der EU. Demgegenüber hat die EBA (als Teil des ESFS) den Auftrag, Entwürfe von technischen Standards, Leitlinien und Empfehlungen auszuarbeiten, um die aufsichtsrechtliche Konvergenz und die Kohärenz der Aufsichtsergebnisse innerhalb der EU sicherzustellen. Der EBA kommt zudem die Aufgabe als Vermittlerin bei Kompetenzkonflikten zwischen mehreren Behörden zu (vgl. CRD EG (10) – (11)).

I. System und Prinzipien des Finanzaufsichtsrechts

laufende Aufsicht unmittelbar jedoch nur über bedeutende364) CRR-Kreditinstitute aus.365) Bei weniger bedeutenden Kreditinstituten liegen hoheitliche Befugnisse weitgehend bei den NCAs, die sie gem. allgemeinen Weisungen der EZB ausüben.366) Die Bedeutung eines Kreditinstituts ist anhand seiner Größe, Relevanz für die Wirtschaft der EU oder eines Mitgliedstaates und des Umfangs seiner grenzüberschreitenden Tätigkeit zu ermitteln; Indikator für ein bedeutendes Kreditinstitut ist eine Bilanzsumme von über EUR 30 Mrd.367) In Deutschland wird die Aufsicht über CRR-Kreditinstitute von EZB, BaFin 84 und Bundesbank ausgeübt. Für Finanzdienstleistungsinstitute, Wertpapierinstitute, Investmentfonds, Zahlungsinstitute (und E-Geldinstitute) und Versicherungen ist die BaFin (weitgehend) allein zuständig.368) Finanzakteure werden innerhalb der EU grds. von der Aufsichtsbehörde des 85 Sitzlandes beaufsichtigt. Die Sitzlandkontrolle wird ergänzt durch eine Zusammenarbeit der NCAs untereinander und mit den EU Behörden.369) aa) Europäische Behörden Die EZB ist als Zentralbank zuständig für die europäische Geld- und Währungs- 86 politik und seit 2014 außerdem für die Beaufsichtigung der CRR-Kreditinstitute der Eurozone.370) Dem ESFS sind die European Supervisory Authorities (ESAs) European Banking Authority (EBA), European Securities and Markets Authority (ESMA) und European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA) – zugeordnet.371) Die ESAs sind für die mikroprudenzielle Aufsicht zuständig, während die anderen Teile des ESFS – das European Systemic Risk Board (ESRB) und der gemeinsame Ausschuss der europäischen Aufsichtsbehörden – der makroprudenziellen (ökonomischen) Aufsicht bzw. der Koordination verpflichtet sind. Ziel ist, mittels technischer Regulierungs- und Durchführungsstandards die Harmonisierung der Regelanwendung in Europa –

___________ 364) S. zu den Begriffen bedeutend und systemrelevant in diesem Zusammenhang unten Rn. 107. 365) Die Zuständigkeit für die Erteilung und den Entzug der Zulassung von CRR-Kreditinstituten liegt bei der EZB unabhängig davon, ob ein CRR-Kreditinstitut als bedeutend oder nicht eingestuft ist. Für die Erlaubniserteilung für die übrigen Kreditinstitute ist in Deutschland die BaFin zuständig. Für Wertpapierfirmen s.: MiFID Art. 5 (1). 366) Näher: Buba-VÖ-EU Bankenaufsicht S. 15. 367) S. zu den Einstufungskriterien näher unten Rn. 107. 368) Vgl. KWG § 6; WiPG § 5; KAGB § 4; ZAG § 4 und VAG § 320. 369) MiFID Art. 16 (11). Wichtig für die Zusammenarbeit sind die sich aus den betroffenen NCAs und ESAs rekrutierenden Aufsichtskollegien und der auf dieser Ebene erfolgende Informationsaustausch. Den ESAs wird für die Kollegien vom EU Gesetzgeber eine koordinierende Rolle zugewiesen (vgl. z. B. EBAR Art. 21 und KWG § 8e). 370) S. zum Aufbau des aufsichtlichen Teils der EZB: E/B-Bankrecht-Fischer/Boegl, § 111 Rn. 15. 371) Für jede ESA gibt es eine VO als Rechtsgrundlage: EBAR, ESMAR und EIOPAR. Zur Historie der ESAs: E/B-Bankrecht-Kolassa, § 125 Rn. 8 ff. Zur ESMA insbesondere: ParkKapMarktStrafR-Boehm, Teil 2 Kap. 1.1 II. Rn. 11 – 28.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

(Single Rulebook) zu forcieren.372) Der ESMA als europäischer Kapitalmarktaufsichtsbehörde kommt für den Gegenstand dieses Buches besondere Bedeutung zu.373) bb) Deutsche Behörden 87 Die Kompetenzen für die Regulierung und Beaufsichtigung der Finanzbranche sind in Deutschland wie folgt geregelt: Der deutschen Bundesregierung und den Bundesministerien für Finanzen (BMF) und Justiz (BMJ) obliegt im Rahmen entsprechender Verordnungsermächtigungen374) die Schaffung allgemeiner Regeln für die Finanzbranche, häufig in Abstimmung mit der BaFin375) und der Deutschen Bundesbank (Bundesbank).376) Die BaFin erlässt (aufgrund eigener, z. B. im KWG verliehener oder durch das BMF delegierter Kompetenzen377)) allgemeine Anordnungen. Sie übt die Aufsicht über Finanzakteure378) aus (einschließlich der Vornahme von Zwangsmaßnahmen),379) wobei sie mit der Bundesbank zusammenarbeitet, deren Schwerpunkt die laufende Überwachung der

___________ 372) E/B-Bankrecht-Fischer/Boegl, § 111 Rn. 46. 373) S. näher zu Aufbau und Kompetenzen der ESMA: Veil-Kapitalmarktrecht-Walla, § 11 Rn. 60 – 105. 374) Beispiel: Die Bundesregierung erlässt Verordnungen, wenn durch wirtschaftliche Schwierigkeiten bei Kreditinstituten schwerwiegende Gefahren für die Gesamtwirtschaft drohen (KWG §§ 46g, 46h). Das BMJ erlässt im Einvernehmen mit dem BMF Verordnungen für die Gliederung des Jahresabschlusses oder des Konzernabschlusses oder den Inhalt des Anhangs, des Konzernanhangs, des Lageberichts oder des Konzernlageberichts (HGB § 330). 375) Als selbstständige Bundesoberbehörde untersteht die BaFin unmittelbar dem BMF, das die Dienstaufsicht ausübt und weisungsbefugt ist. 376) S. zur Zusammenarbeit zwischen BaFin und Bundesbank: S/O/M-ZAG-Tiemann, § 4 Rn. 81 – 113. 377) Das BMF kann seine Verordnungsermächtigung an die BaFin weiterdelegieren (VO zur Übertragung der Befugnisse zum Erlass von RVOen auf die BaFin vom 13.12.2002, BGBl. I 2003, 3). 378) Die BaFin übt die Aufsicht über alle Finanzakteure aus (Ausnahme: Vermittler nach Gewo und Inkassodienstleister – s. unten Rn. 180). Bestimmte Finanzakteure können zusätzlich der Aufsicht weiterer staatlicher Stellen unterliegen. Das gilt namentlich für: · Sparkassen, Landesbanken und sonstige öffentlich-rechtliche Kreditinstitute, die je nach Regelung in den einschlägigen Landes- oder Bundesgesetzen der Aufsicht durch Behörden der Kommunen, der Länder oder des Bundes unterliegen können (näher: E/B-Bankrecht-Fischer/Boegl, § 110 Rn. 31), · Börsen, die der Aufsicht der Börsenaufsichtsbehörden der Länder unterliegen. Diese üben die Rechtsaufsicht über die Börsen und die Solvenzaufsicht über die Makler aus. Daneben werden sie zusammen mit der BaFin bei der Durchführung von eilbedürftigen Maßnahmen für die Überwachung des Verbots von Insidergeschäften an den ihrer Aufsicht unterliegenden Börsen im Wege der Organleihe tätig (E/B-Bankrecht-Fischer/ Boegl, § 110 Rn. 19). 379) KWG Art. 6 ff. Dies schließt namentlich die Überwachung des Risikomanagements mit ein und gibt der BaFin die Befugnis, Institute einem Stresstest zu unterziehen (KWG § 6b).

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I. System und Prinzipien des Finanzaufsichtsrechts

Finanzakteure ist.380) Die BaFin beaufsichtigt außerdem die Finanzmärkte, wobei die (allgemeine) Marktaufsicht von der Börsenaufsicht (die insbesondere die börslichen Preisbildungsprozesse betrifft) zu unterscheiden ist. Letztere ist Aufgabe der Börsenaufsichtsbehörden der deutschen Bundesländer.381) Schließlich übt die BaFin Produktaufsicht aus, und sie ist die deutsche Nationale Abwicklungsbehörde nach dem SAG.382) b) Überwachungs- und Eingriffsbefugnisse MiFID sieht vor, dass die Aufsichtsbehörden mit allen für die Erfüllung ihrer 88 Aufgaben notwendigen Aufsichts-, Ermittlungs- und Eingreifbefugnissen auszustatten sind. Dazu zählen namentlich folgende (allgemeinen) Befugnisse:383) x

Daten aller Art einzusehen und Personen zu vernehmen, Untersuchungen vor Ort durchzuführen,

x

Einfrieren oder Beschlagnahme von Vermögenswerten,

x

den Handel mit oder Vertrieb von Finanzinstrumenten auszusetzen oder zu verbieten,

x

die Verringerung von Positionen oder offenen Forderungen zu verlangen bzw. keine neuen Positionen (in Warenderivaten) einzugehen,

x

Aufzeichnungen von Datenübermittlungen, die sich im Besitz eines Telekommunikationsbetreibers befinden, anzufordern, soweit dies nach nationalem Recht zulässig ist, wenn ein begründeter Verdacht eines Verstoßes besteht,

x

Verbot der Ausübung der Berufstätigkeit, Abberufung einer natürlichen Person aus dem Leitungsorgan einer Wertpapierfirma oder eines Marktbetreibers,

x

eine Sache an die Strafverfolgungsbehörden zu verweisen,

x

von Wertpapierfirmen zu verlangen, gesetzwidrige Praktiken einzustellen,

x

Maßnahmen jeder Art zu erlassen, um sicherzustellen, dass Wertpapierfirmen und geregelte Märkte den rechtlichen Anforderungen genügen.

___________ 380) KWG Art. 7 (1). Zu den Aufgaben der Bundesbank zählt namentlich die Auswertung der von den Instituten eingereichten Unterlagen, der Prüfungsberichte nach KWG § 26 und der Jahresabschlussunterlagen sowie die Durchführung und Auswertung der bankgeschäftlichen Prüfungen zur Beurteilung der angemessenen Eigenkapitalausstattung und Risikosteuerungsverfahren der Institute und das Bewerten von Prüfungsfeststellungen (näher; E/B-Bankrecht-Haug, § 106 Rn. 93). 381) https://www.bafin.de/DE/DieBaFin/AufgabenGeschichte/Wertpapieraufsicht/wertpapieraufsicht_node.html). 382) https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/Abwicklung/Aufgaben_NAB_node.html. 383) MiFID Art. 69. Im deutschen Recht werden der BaFin entsprechende Befugnisse u. a. gegeben in: KWG §§ 35 – 38, 44 – 48u; WpIG §§ 22, 23, 47 – 49, WpHG §§ 6 – 14, 54 – 57, 61, 62, 88, 89. Vergleichbare Befugnisse existieren in Bezug auf Investmentfonds (KAGB §§ 5 (8 – 12), 15 und 40).

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

89 Daneben treten (speziellere) Befugnisse zur Marktüberwachung und Produktintervention384) sowie zur Überwachung der Einhaltung von Insiderhandelsverboten und Veröffentlichungspflichten.385) II. Gegenstände und Schlüsselgesetze des Kapitalmarktaufsichtsrechts 90 In diesem Buch werden vier Gegenstände des Kapitalmarktaufsichtsrechts unterschieden:386) x

Akteursaufsicht – die Regulierung der Kapitalmarktakteure in Bezug auf Solvenz (Eigenmittel) und Geschäftsorganisation.

x

Verhaltensaufsicht – die Regulierung der Art und Weise, in der Kapitalmarktdienstleistungen erbracht werden dürfen (die sog. MiFID-Wohlverhaltensregeln).

x

Handelsaufsicht – die Regulierung des Kapitalmarkthandels (und seiner Handelsplätze).

x

Produktaufsicht – die (spezifische) Regulierung einzelner Kapitalmarktinstrumente.

91 Es gibt drei EU Schlüsselgesetze für die Regelung der vorstehend genannten Gegenstände des Kapitalmarktrechts. Dies sind die Richtlinien CRD, IFD und MiFID, denen der Gesetzgeber die Verordnungen CRR, IFR und MiFIR jeweils unterstützend an die Seite gestellt hat. Regelungsgegenstände der EU Schlüsselgesetze des Kapitalmarktaufsichtsrechts Schlüsselgesetze

Regelungsgegenstände

CRD und CRR

Akteursaufsicht von Kreditinstituten, (sehr) großen Wertpapierfirmen und (gemischten) Finanzholdinggesellschaften, namentlich die Regelung der Bedingungen der Aufnahme ihrer Tätigkeit und ihre ständige Beaufsichtigung bzgl. Solvenz, Geschäftsorganisation, Transparenz und Behandlung von Risiken und Mitarbeitervergütung.

IFD und IFR

(ein Teil der) Akteursaufsicht von kleinen und mittleren Wertpapierfirmen und Wertpapierfirmengruppen im Hinblick auf Anfangskapital, Solvenz, Geschäftsorganisation, Transparenz und Behandlung von Risiken und Mitarbeitervergütung.

___________ 384) MAR Art. 39 – 42. Näher: Veil-Kapitalmarktrecht-Veil, § 31. 385) https://www.bafin.de/DE/DieBaFin/AufgabenGeschichte/Wertpapieraufsicht/wertpapieraufsicht_node.html). Die zuständigen Behörden und Finanzakteure müssen Mechanismen schaffen, um die Meldung tatsächlicher oder möglicher Verstöße gegen MAR zu ermöglichen, sog. Whistleblower-Schutz (WPD Art. 10 – 14; MAR Art. 32). S. dazu unten Rn. 166. 386) Diese vier Gegenstände des Kapitalmarktrechts werden in den Rn. 123–339 näher dargestellt. Möglich ist auch eine zweiteilige Unterscheidung zwischen der (interne Aspekte der Wertpapierfirma betreffenden) Organisations- und Solvenzaufsicht (Prudential Regulation) einerseits und der (das externe Verhältnis zum Kunden betreffenden) Verhaltensaufsicht (Conduct of Business Regulation) andererseits (E/B-Bankrecht-Faust, § 89 Rn. 3a und 7).

62

II. Gegenstände und Schlüsselgesetze des Kapitalmarktaufsichtsrechts Schlüsselgesetze

Regelungsgegenstände

MiFID und MiFIR

(ein anderer Teil der) Akteursaufsicht von Wertpapierfirmen im Hinblick auf die Bedingungen der Aufnahme ihrer Tätigkeit sowie Verhaltensaufsicht, Handelsaufsicht und einzelne Aspekte der Produktaufsicht.

1. MiFID Die Finanzmarkt-RiLi MiFID setzt den Rechtsrahmen für die Erbringung 92 von Kapitalmarktdienstleistungen und den Kapitalmarkthandel in der EU.387) Sie ist ein Gesetz von besonderer, herausgehobener Bedeutung für den Kapitalmarkt; sie ist sein europäisches Grundgesetz. MiFID erhält diesen besonderen Status dadurch, dass sie – mittels Festlegung der Bedeutung einiger Schlüsselbegriffe (die in vielen anderen europäischen und nationalen Kapitalmarktgesetzen übernommen werden) – den Anwendungsbereich der Kapitalmarktregulierung bestimmt. Zudem verklammert MiFID die Verhaltens- und Handelsaufsicht mit der Produktaufsicht durch Zurverfügungstellung von Definitionen, die von den speziellen Produktaufsichtsgesetzen388) aufgegriffen werden.389) Schließlich konturiert MiFID (ethische) Grundsätze, die Kapitalmarktakteure beim Umgang mit ihren Kunden zu beachten haben. Ergänzt wird die (in nationales Recht umzusetzende) europäische Finanzmarkt-RiLi durch (die unmittelbar geltende) europäische Verordnung MiFIR, die den Organisationsrahmen für den Kapitalmarkthandel absteckt. a) MiFID – das Tor zum Kapitalmarktaufsichtsrecht Systematischer Ausgangspunkt des europäischen Kapitalmarktaufsichtsrechts 93 ist der Begriff der Wertpapierfirma.390) Es sind Wertpapierfirmen, die den Anforderungen des Kapitalmarktaufsichtsrechts unterliegen. Zur Wertpapierfirma wird eine Person durch ihre Handlungen (Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten). Dies gilt allerdings nur dann, wenn diese Handlungen bestimmte Produkte (Finanzinstrumente) zum Gegenstand haben.391) Falls diese Finanzinstrumente nicht over the counter (OTC),392) sondern an einem regulierten Markt (Handelsplatz) gehandelt werden, gelten zusätzliche Regularien. ___________ 387) MiFID EG (7). Zur Entstehungsgeschichte der MiFID s. näher bei E/B-BankrechtKolassa, § 122 Rn. 10. 388) S. z. B. ProspR, EMIR, UCITSD und AIFMD (näher dargestellt unten in Rn. 243–332). 389) Ein Äquivalent zur MiFID stellt die IDD für den Vertrieb von Versicherungsprodukten dar. Für die Markt- und Produktaufsicht von Bankdienstleistungen existiert ein solches Äquivalent nicht; verhaltens- und produktbezogene Regulierung erfolgt in diesem Bereich vornehmlich durch Vorschriften des zivilrechtlichen Verbraucherschutzes (s. unten Rn. 353–354). 390) MiFID Art. 4 (1) Nr. 1. Außerdem gilt MiFID für Marktbetreiber (dazu unten Rn. 212 ff.), Datenbereitstellungsdienste und für Drittlandfirmen (dazu oben Rn. 57), die in der EU durch die Einrichtung einer Zweigstelle Kapitalmarktdienstleistungen erbringen (MiFID Art. 1 (1)). 391) Das folgt aus den begrifflichen Festlegungen in MiFID Art. 4 und Anhang I.A. 392) Näher unten Rn. 212.

63

B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

94 Die MiFID-Begriffe Finanzinstrument, Wertpapierdienstleistung/Anlagetätigkeit und Handelsplatz öffnen gleichsam das Tor zum Kapitalmarktaufsichtsrecht, weil sie darüber entscheiden, ob x

ein Unternehmen für seine Tätigkeit überhaupt einer Zulassung bedarf und den Anforderungen an Eigenmittel und Geschäftsorganisation unterliegt (Akteursaufsicht),

x

die Ausführung der Tätigkeit reguliert ist (Verhaltensaufsicht),

x

die besonderen Bestimmungen der Handels- und Handelsplatzregulierung zur Anwendung kommen (Handelsaufsicht).

95 Die Bedeutung der vorstehend genannten Schlüsselbegriffe der Kapitalmarktregulierung ist in der MiFID festgelegt und wird im Folgenden erläutert. aa) MiFID-Finanzinstrumente 96 MiFID enthält zwar keine abschließende Definition des Begriffs des Finanzinstruments, wohl aber eine typisierende Liste von fünf Arten von Finanzinstrumenten (MiFID-Finanzinstrumente),393) die dem Begriff Konturen gibt:394) MiFID-Finanzinstrumente

Subkategorien

(übertragbare) Wertpapiere

Aktien und Schuldverschreibungen und sonstige Wertpapiere, die zum Kauf oder Verkauf solcher Wertpapiere berechtigen oder mit derivativen Strukturen ausgestattet sind.

Derivate

Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, Termingeschäfte (Forwards), Kreditderivate, finanzielle Differenzgeschäfte.

___________ 393) MiFID Anhang I.C, auf den MiFID Art. 4 (1) Nr. 15 verweist und (mit Wirkung zum 23.3.2023) um mittels DLT emittierte Instrumente erweitert (siehe dazu näher unten Rn. 512 f.). Vgl. zu den historischen Hintergründen der fehlenden Begriffsdefinition: Hanten/Stump, RdF 2018, 189, 190). Ausführlich zum Begriff der Finanzinstrumente: Lehmann, Finanzinstrumente, S. 305 ff. Keine MiFID-Finanzinstrumente sind strukturierte Einlagen, also entgegenommene Gelder, die bei Fälligkeit in voller Höhe zurückzuzahlen sind und deren Rendite sich aus einer Formel ergibt, die von Faktoren abhängig ist, wie z. B. einem Aktienindex (MiFID Art. 4 (1) Nr 43). Wegen ihrer Ähnlichkeit mit Derivaten gelten viele MiFID-Regeln jedoch auch für strukturierte Einlagen (MiFID Art. 1 (4)). Entsprechendes gilt im deutschen Recht (WpHG §§ 2 (19), 96; WpDVerOV § 13). 394) Viele EU Kapitalmarktgesetze verweisen auf die MiFID-Liste, z. B. MAR Art. 3 (1) Nr. 1. Auch CRR Art. 4 (1) Nr. 50 enthält eine auf die MiFID-Liste bezugnehmende begriffliche Bestimmung des Finanzinstruments, erweitert die Liste jedoch um den in IAS 32.11 genutzten Begriff der Finanzinstrumente (Verträge, die für eine beteiligte Seite einen finanziellen Vermögenswert und für die andere Seite eine finanzielle Verbindlichkeit oder ein Eigenkapitalinstrument schaffen) sowie um Derivate (ohne Eingrenzung), Primärfinanzinstrumente (z. B. Forderungen, Verbindlichkeiten und Eigenkapitalinstrumente – vgl. zu diesem ansonsten selten verwendeten Begriff: 2000/408/EG: Empfehlung der Kommission vom 23.6.2000 zur Offenlegung von Informationen über Finanzinstrumente und andere ähnliche Instrumente in Ergänzung der Offenlegung gem. der BAAD (Az K(2000) 1372)) sowie Kassainstrumente. ProspR Art. 2 a) verweist bzgl. des Wertpapierbegriffs auf die MiFID-Liste.

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II. Gegenstände und Schlüsselgesetze des Kapitalmarktaufsichtsrechts MiFID-Finanzinstrumente

Subkategorien

Investmentfondsanteile

Anteile an UCITS und AIF.

Geldmarktinstrumente

Schatzanweisungen, Einlagenzertifikate, Commercial Papers.

Emissionszertifikate

Instrumente, die von EU Mitgliedstaaten im Rahmen des EU Emissions Trading System herausgegeben werden.395)

bb) MiFID-Kapitalmarktdienstleistungen MiFID nennt acht Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten (MiFID- 97 Kapitalmarktdienstleistungen),396) die sich nach der Art der Tätigkeit wie folgt kategorisieren lassen: Tätigkeitskategorie

MiFID-Kapitalmarktdienstleistungen

Beratung und Verwaltung

Anlageberatung Portfolioverwaltung397)

Handel und Vertrieb Primärmarkt

Übernahme einer Emission mit fester Übernahmeverpflichtung398) Platzierung einer Emission ohne feste Übernahmeverpflichtung399)

Sekundärmarkt

Annahme und Übermittlung von Aufträgen400) Ausführung von Aufträgen im Namen von Kunden401) Handel für eigene Rechnung402)

Handelsinfrastruktur

Betrieb eines MTF oder eines OTF

___________ 395) S. näher unten Rn. 334. 396) MiFID Anhang I.A. Sämtliche Begriffe werden näher definiert in MiFID-DelVO 2017/565/EU. 397) Im deutschen Recht wird hierfür der Begriff der Finanzportfolioverwaltung verwendet. 398) Im deutschen Recht wird hierfür der Begriff des Emissionsgeschäfts verwendet. Für den Emittenten ist die Emission erlaubnisfrei (BaFin-VÖ-Emissionsgeschäft Ziff. 1.a); BaFinVÖ-Eigenhandel+Eigengeschäft Ziff. 1 c) aa)). Allerdings bedarf sie u. U. eines gebilligten Prospektes (s. unten Rn. 249 ff.) und zieht Folgepflichten nach sich, z. B. Transparenzpflichten (s. unten R. 232 ff.). 399) Im deutschen Recht wird hierfür der Begriff des Platzierunggeschäfts verwendet. 400) Im deutschen Recht wird hierfür der Begriff der Anlagevermittlung verwendet. 401) Im deutschen Recht wird hierfür der Begriff der Abschlussvermittlung verwendet. 402) Im deutschen Recht wird hierfür der Begriff des Eigenhandels verwendet.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

98 MiFID benennt darüber hinaus sog. Nebendienstleistungen (im deutschen Recht als Wertpapiernebendienstleistungen bezeichnet), die (fast) den gleichen Anforderungen unterliegen wie die MiFID-Kapitalmarktdienstleistungen.403) cc) MiFID-Handelsplätze 99 MiFID bezeichnet als Handelsplatz drei Arten von Märkten (MiFID-Handelsplätze):404) MiFID-Handelsplätze

Beschreibung

Geregelter Markt

Ein (gem. MiFID Titel III zugelassenes) multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von (zum System nach festgelegten Kriterien zugelassenen) Finanzinstrumenten innerhalb des Systems nach nichtdiskretionären Regeln so zusammenführt, dass es zu einem Vertragsschluss kommen kann.

MTF

Ein multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems nach nichtdiskretionären Regeln so zusammenführt, dass es zu einem Vertragsschluss kommen kann.

OTF

Ein multilaterales System, bei dem es sich nicht um einen geregelten Markt oder ein MTF handelt und das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten oder Derivaten innerhalb des Systems so zusammenführt, dass es zu einem Vertragsschluss kommen kann.

100 Der Unterschied zwischen dem geregelten Markt (in Deutschland auch als Börse bezeichnet) auf der einen und MTF und OTF auf der anderen Seite besteht vornehmlich darin, dass der geregelte Markt einem in MiFID selbst geregelten aufwändigen Zulassungs- und Überwachungsverfahren unterliegt,405) ___________ 403) MiFID Art. 6 (1) S. 2 und Art. 35 (1) S. 2. Nebendienstleistungen sind: Verwahrung und Verwaltung von Finanzinstrumenten für Rechnung von Kunden (einschließlich Cash Management und Sicherheitenverwaltung); Gewährung von Darlehen an Anleger für die Durchführung von Geschäften mit Finanzinstrumenten; Beratung von Unternehmen bei der Kapitalstrukturierung und M&A; Devisengeschäfte, die im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen stehen; Finanzanalyse oder sonstige Formen allgemeiner Empfehlungen, die Geschäfte mit Finanzinstrumenten betreffen; Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Übernahme von Emissionen; Dienstleistungen bzgl. Basiswerten bei bestimmten Derivategeschäften (s. MiFID Art. 4 (1) Nr. 3 i. V. m. Anhang I.B; WpHG § 2 (9); WpIG § 2 (3)). Nebendienstleistungen dürfen nur von einem entsprechend lizensierten Unternehmen erbracht werden und nur in Verbindung mit einer Wertpapierdienstleistung (s. unten in Rn. 125). 404) MiFID Art. 4 (1) Nr. 24. Näher: Veil-Kapitalmarktrecht-Veil, § 7 Rn. 11 – 25. 405) MiFID Titel III. Nach deutschem Recht unterscheiden sich Börsen von MTF/OTF anhand der formalen Begriffsbestimmung des BörsG § 2 (1), wonach die Börse eine teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts ist, die zu ihrem Betrieb einer Erlaubnis nach BörsG § 4 (1) bedarf (näher: Groß-KapMarktR, BörsG § 2 Rn. 10).

66

II. Gegenstände und Schlüsselgesetze des Kapitalmarktaufsichtsrechts

in dessen Rahmen viele organisatorische Details des Börsenbetriebs vorgeschrieben werden.406) MTF und OTF hingegen sind Handelsplattformen im außerbörslichen Rahmen, die als solche keiner Zulassung bedürfen407) und nicht selten aus der Kooperation bedeutender Wertpapierfirmen miteinander resultieren. Die entscheidenden Unterschiede zwischen MTF und OTF bestehen darin, dass an MTF sämtliche Finanzinstrumente gehandelt werden können (und an OTF nicht, z. B. keine Aktien) und der Handel an MTF nach nichtdiskretionären Regeln zu erfolgen hat. Letzteres bedeutet: Anders als MTF haben die Betreiber von OTF Ermessen hinsichtlich der Entscheidung, ob sie (i) jemanden zum Handel zulassen408) und (ii) einen Handelsauftrag platzieren (oder zurücknehmen) und/oder ihn mit anderen zu einem bestimmten Zeitpunkt im System vorhandenen Aufträgen zusammenzuführen.409) MiFID-Handelsplätze sind reguliert, d. h. ihre Betreiber410) und die auf ihnen 101 tätigen Akteure (Mitglieder oder Teilnehmer genannt)411) bedürfen einer Zulassung und müssen eine Vielzahl anleger- und systemschützender Vorschriften beachten. Dabei gilt im Grundsatz, dass Umfang und Intensität der Regularien beim geregelten Markt am höchsten sind und bei MTF und OTF jeweils geringer werden.412) Neben die Handelsplätze tritt als Regulierungsobjekt der sog. systematische 102 Internalisierer, d. h. eine Wertpapierfirma, die in organisierter und systematischer Weise häufig in erheblichem Umfang Handel für eigene Rechnung treibt, wenn sie Kundenaufträge außerhalb eines Handelsplatzes ausführt, ohne ein

___________ 406) In MiFID Art. 44 (4) wird zudem deutlich, dass das Börsenrecht als solches zu einem erheblichen Teil (öffentliches) Recht des Herkunftsmitgliedstaats des geregelten Markts bleibt. Neben EU Recht und öffentliches nationales Recht tritt für die Börsenregulierung zumindest in Deutschland auch eine Selbstregulierung in Form einer privatrechtlichen Börsenordnung, deren Inhalt allerdings wiederum in großen Teilen durch öffentliches europäisches und deutsches Recht bestimmt wird. 407) Allerdings erfordert der Betrieb eines MTF oder OTF eine Erlaubnis als Wertpapierfirma. Die in der EU operierenden MTF und OTF sind aus einem ESMA Register ersichtlich (https://www.esma.europa.eu/databases-library/registers-and-data). 408) MiFIR EG (9), MiFID EG (14). 409) MiFID Art. 20 (6). 410) MiFID definiert Marktbetreiber als Betreiber eines geregelten Markts (vgl. MiFID Art. 4 (1) Nr. 18). Die Betreiber von MTF oder OTF müssen Wertpapierfirmen sein (und fallen als solche in den Anwendungsbereich der MiFID), so dass es einer besonderen Begriffsbildung für diese Personen nicht bedurfte. 411) Siehe näher unten Rn. 212. 412) Vgl. MiFID Titel III für den geregelten Markt, Art. 19 für MTF und Art. 20 für OTF.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

multilaterales System zu betreiben.413) Auch der systematische Internalisierer unterliegt (ebenso wie MTF und OTF) im Vergleich mit normalen Wertpapierfirmen gesteigerten aufsichtsrechtlichen Anforderungen, z. B. im Hinblick auf Transparenzanforderungen (aber nur für die Finanzinstrumente, für die die Wertpapierfirma als systematischer Internalisierer handelt).414) b) MiFID – die Ethik des Kapitalmarkts 103 MiFID gebietet Wertpapierfirmen, bei der Erbringung von Kapitalmarktdienstleistungen „…ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden…“ zu handeln415) und bestimmt detailreich, was darunter zu verstehen ist. MiFID erhält dadurch eine ethische Dimension. Das Gesetz legt durch seine sog. Wohlverhaltensregeln416) fest, was gutes (sittliches) Handeln von Kapitalmarktakteuren ist und was nicht. c) MiFIR – der Organisationsrahmen für den Kapitalmarkthandel 104 MiFIR regelt die Anforderungen an die Veröffentlichung von Handelsdaten, die Meldung von Geschäften, den Handel mit Derivaten an organisierten Handelsplätzen und den diskriminierungsfreien Zugang zum Clearing und Handel mit Referenzwerten. MiFIR – im Tandem mit Teilen der MiFID417) – setzt damit den organisatorischen Rahmen für den Handel mit Kapitalmarktprodukten, d. h. die Marktinfrastruktur.418)

___________ 413) MiFID Art. 4 (1) Nr. 20 (auch EG (17)). Ob in systematischer Weise häufig gehandelt wird, bemisst sich nach der Zahl der OTC-Geschäfte mit einem Finanzinstrument, die von der Wertpapierfirma für eigene Rechnung durchgeführt werden, wenn sie Kundenaufträge ausführt. Ob in erheblichem Umfang gehandelt wird, bemisst sich entweder nach dem Anteil, den der OTC-Handel am Gesamthandelsvolumen der Wertpapierfirma in einem bestimmten Finanzinstrument hat, oder nach dem Umfang des OTC-Handels der Wertpapierfirma bezogen auf das Gesamthandelsvolumen in der EU in einem bestimmten Finanzinstrument. Die Definition eines systematischen Internalisierens findet nur Anwendung, wenn die beiden festgesetzten Obergrenzen, nämlich diejenige für den in systematischer Weise und häufig erfolgenden Handel und diejenige für den Handel in erheblichem Umfang, überschritten werden oder wenn eine Wertpapierfirma entscheidet, sich den für die systematische Internalisierung geltenden Regeln freiwillig zu unterwerfen. Siehe zu den Kriterien im Einzelnen: MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 12 – 17. 414) MiFIR EG (19). S. zu den Transparenzanforderungen unten Rn. 216–218. 415) MiFID Art. 24 (1). 416) MiFID Titel II (Zulassung von Wertpapierfirmen und Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeit). 417) MiFID Titel III (Geregelte Märkte) und Titel IV (Positionslimits und Positionsmanagementkontrollen bei Warenderivaten und Positionsmeldungen) sowie MiFIR Titel II (Transparenz für Handelsplätze), Titel III (Transparenz für systematische Internalisierer und Wertpapierfirmen, die mit OTC handeln), Titel IV (Meldung von Geschäften), Titel V (Derivate) und Titel VI (Diskriminierungsfreier Zugang zum Clearing für Handelsinstrumente). 418) Näher: Patz, BKR 2019, 435, 441; Spindler, WM 2018, 2109, 2115.

68

II. Gegenstände und Schlüsselgesetze des Kapitalmarktaufsichtsrechts

In der MiFIR kommen zwei grundsätzliche Entscheidungen des europäischen 105 Gesetzgebers zum Ausdruck: x

Der Handel mit Finanzinstrumenten soll nach Möglichkeit an organisierten Handelsplätzen stattfinden, und diese Handelsplätze müssen angemessen reguliert sein.419)

x

Allen Marktteilnehmern soll diskriminierungsfreier Zugang (Level Playing Field) zu geregelten Märkten, Clearingsystemen und Datenströmen gewährt werden.420)

2. CRD und IFD Gegenstand der Banken-RiLi421) CRD und der Wertpapierfirmen-RiLi IFD 106 ist die Akteursaufsicht. Die Gesetze enthalten Regeln für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen bzgl. Anfangskapital, Solvenz, Geschäftsorganisation, Transparenz, Risikomanagement und Mitarbeitervergütung.422) Ergänzt werden die (in nationales Recht umzusetzenden) Richtlinien durch die (unmittelbar geltenden) europäischen Verordnungen CRR und IFR, die die Solvenzanforderungen näher spezifizieren. Bis 2021 behandelten CRR und CRD423) (und ihnen folgend das KWG) Kredit- 107 institute und Wertpapierfirmen grundsätzlich gleich und bezeichneten sie einheitlich als Institute.424) Dieser einheitliche Institutsbegriff wurde durch IFD und IFR abgeschafft:425) Institute sind jetzt nur noch Kreditinstitute und sehr ___________ 419) MiFIR EG (6). Das Problem dieser Policy-Entscheidung ist, dass dadurch der Wettbewerb beschränkt und Monopolen (oder zumindest Oligopolen) Vorschub geleistet wird. Dieses Problem erkennt der Gesetzgeber zwar (vgl. MiFID EG (133) und (140)), vermag es aber nicht immer befriedigend zu lösen. 420) Vgl. MiFIR EG (107) – (108), (37) – (40), wo klargestellt wird, dass der diskriminierungsfreie Marktzugang als eine Art Kompensation für den Zwang zum Handel auf dem organisierten Markt gesehen wird. 421) Gelegentlich wird die CRD in Deutschland auch als Eigenkapital-RiLi bezeichnet und die CRR als Kapitaladäquanz-RiLi. 422) MiFID enthält auch einige (wenige) Regelungen zur Akteursaufsicht, namentlich bzgl. der Zulassungsanforderungen für die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen (MiFID Titel II). 423) Zur Entstehungsgeschichte der CRD s. unten Rn. 517. 424) CRR (von 2013) Art. 4 (3). 425) Grund: Die Geschäftsmodelle von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen unterscheiden sich, und viele typische Kapitalmarktdienstleistungen bringen grds. ein geringeres Risiko für die Stabilität des Finanzsystems mit sich als das Einlagen- und Kreditgeschäft der Kreditinstitute. Allerdings stehen große Wertpapierfirmen und Kreditinstitute z. T. auch in unmittelbarem Wettbewerb, und einigen großen Wertpapierfirmen wird eine (systemrelevanten) Kreditinstituten vergleichbare Bedeutung für die Finanzstabilität nachgesagt (vgl. IFR EG (7) – (9)), IFD EG (6) – (7)). Mit dem Anspruch, Gleiches gleich und Ungleiches differenziert zu behandeln (IFR EG (5) und (6)), gelten deshalb seit dem 26.6.2021 in der EU die IFD und die IFR. Regelungsansatz dieser Gesetze ist es, die an mittlere und kleine Wertpapierfirmen (in deutscher Rechtsterminologie: Wertpapierinstitute) zu stellenden aufsichtlichen Anforderungen bzgl. Eigenmittel, Risikokonzentration und Liquidität den Geschäftsmodellen und Risikoprofilen dieser Unternehmen anzupassen und insgesamt zu reduzieren (WpIG-Gesetzesbegründung S. 119). Für mittlere und kleine Wertpapierfirmen gelten ausschließlich die Regelungen von IFD und IFR; auf große hingegen finden auch

69

B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

große Wertpapierfirmen.426) Für Institute gelten (ausschließlich) CRD und CRR. Für kleine und mittlere Wertpapierfirmen gelten (ausschließlich) IFD und IFR. Für große Wertpapierfirmen gelten sowohl CRD und CRR als auch IFD und IFR. Diese (neue) Differenzierung ist Ausdruck des sich bei der Akteursaufsicht (mit Auswirkungen auch auf Handels- und Produktaufsicht) zunehmend Bahn brechenden Ordnungsprinzips der Bedeutung oder Systemrelevanz eines Finanzakteurs (die i. d. R. gleichzusetzen ist mit seiner an der Bilanzsumme427) festzumachenden Größe).428) Bedeutende, systemrelevante und/oder große Finanzakteure unterliegen grds. strengeren Anforderungen als die anderen; darin kommt der Proportionalitätsgrundsatz zum Ausdruck.429) ___________

426)

427) 428)

429)

70

Regelungen der CRD und CRR Anwendung (IFR Art. 1). Folgerichtig ändern und reduzieren IFD Art. 62 Nr. 1 und 2 den Anwendungsbereich von CRR und CRD auf Kreditinstitute und große Wertpapierfirmen. S. zu den Kriterien der Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Klassen von Wertpapierfirmen unten Rn. 106–109. Die rechtstechnische Hinführung zu dieser klaren begrifflichen Einordnung ist vergleichsweise komplex: Gem. CRR Art. 4 (1) Nr. 1 (in der durch IFR Art. 62 Nr. 3 c) geänderten Fassung) ist ein Institut ein (gem. CRD Art. 8 zugelassenes) Kreditinstitut oder ein in CRD Art. 8a (3) (in der durch IFD Art. 62 Nr. 6 eingeführten Fassung) genanntes Unternehmen. In CRD Art. 8a (3) wird auf Unternehmen verwiesen, die in CRR Art. 4 (1) Nr. 1b (in der durch IFR Art. 62 Nr. 3 a) geänderten Fassung) genannt werden und die am 24.12.2019 über eine MiFID-Zulassung als Wertpapierfirma verfügten (diese Wertpapierfirmen mussten bis zum 27.12.2020 eine CRD-Zulassung als Kreditinstitut beantragen). In CRR Art. 4 (1) Nr. 1b werden sehr große Wertpapierfirmen genannt (grds. Unternehmen mit mehr als EUR 30 Mrd. Bilanzsumme – s. zu den Kriterien im Einzelnen CRR Art. 4 Nr. 1 b)). Das bedeutet: Institute sind Kreditinstitute oder sehr große Wertpapierfirmen, die am 24.12.2019 als MiFID-Wertpapierfirmen zugelassen waren. Nach den seit 2021 geltenden Kriterien müssten diese sehr großen Wertpapierfirmen sowieso die Zulassung als Kreditinstitut beantragen (die ihnen auch die Erbringung von Kapitalmarktdienstleistungen erlaubt). Anders gewendet: Im EU Recht von 2021 steht der Begriff Institut für Kreditinstitut, und der Begriff Kreditinstitut beinhaltet sehr große Wertpapierfirmen. S. zur Bilanz näher unten Rn. 345. Auf EU Ebene erfolgt die Einstufung als bedeutendes Kreditinstitut anhand der Kriterien in SSMR Art. 6 (4) und (5b) i. V. m. SSMFR Art. 39 – 42 und 50 – 66. Als bedeutend wird danach ein Kreditinstitut bezeichnet, das im Rahmen des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) der direkten Aufsicht durch die EZB unterliegt. Das ist grds. der Fall, wenn (i) der Gesamtwert seiner Aktiva EUR 30 Mrd. beträgt, (ii) seine Aktiva 20 % des BIP seines Heimat-Mitgliedstaats betragen (außer wenn der Wert unter EUR 5 Mrd. liegt) oder (iii) die EZB es aus anderen Gründen als bedeutend ansieht. Neben den bedeutenden kennt das EU Recht die (teilweise deckungsgleichen) systemrelevanten Institute, wobei weiter zwischen den global systemrelevanten Instituten und den anderen systemrelevanten Instituten differenziert wird (CRD Art. 131). Die Einstufung als systemrelevantes Institut führt zu strikteren Solvenzanforderungen. Daneben kennt die CRR (Art. 142) auch den Begriff des großen Unternehmens der Finanzbranche mit einer Bilanzsumme von mindestens EUR 70 Mrd. Das KWG nimmt die Begriffe des bedeutenden und des systemrelevanten Instituts auf und verknüpft sie miteinander: In § 1 (3c) wird auf die Kriterien der SSMR für die Bestimmung des bedeutenden Instituts Bezug genommen, der Begriff jedoch um zusätzliche Fälle erweitert, insbesondere um denjenigen des (potentiell) systemrelevanten Instituts. S. RIG-Gesetzesbegründung, S. 156. Ein weiterer Ausdruck des Proportionalitätsgrundsatzes ist, dass Kosten und Nutzen einer Durchführungsmaßnahme sich auf lange Sicht für alle Marktteilnehmer die Waage halten sollten. Dieser Aspekt findet in der Gesetzgebung Berücksichtigung (ProspR EG (83)), und auch die BaFin erlaubt ausdrücklich eine an die Größe von Instituten angepasste flexible Umsetzung von aufsichtsrechtlichen Anforderungen (MaRisk AT1.5).

II. Gegenstände und Schlüsselgesetze des Kapitalmarktaufsichtsrechts

Besondere Relevanz erlangt das Ordnungsprinzip Größe für Wertpapierfirmen, 108 denn anhand seiner entscheidet sich in vielerlei Hinsicht, ob eine Wertpapierfirma strengen, gemäßigten oder leichten Regularien unterliegt.430) Dazu folgende Übersicht: Wertpapier- Klassifizierungskriterien firma431)

Anwendbares Aufsichtsregime

Sehr Groß (Klasse 1a)

Betreiben Emissions-/Platzierungsgeschäft oder Handel für eigene Rechnung; haben Bilanzsumme von mind. EUR 30 Mrd.

CRD/CRR

Groß (Klasse 1b)

Betreiben Emissions-/Platzierungsgeschäft oder Handel für eigene Rechnung; haben Bilanzsumme von mind. EUR 15 Mrd.432) Können weder Klasse 1 noch 3 zugeordnet werden.

CRD/CRR

Mittel (Klasse 2) Klein (Klasse 3)

IFD/IFR

Betreiben weder Handel für eigene Rechnung bzw. IFD/IFR (mit gehen Risiken aus dem Handel mit Finanzinstru- Erleichterungen) menten ein noch verwahren sie Kunden-Vermögenswerte/Gelder und halten folgende Kennzahlen ein: (i) verwaltete Vermögenswerte unter EUR 1,2 Mrd., (ii) tägliche Kundenaufträge unter EUR 100 Mio. (Kassageschäft) und unter EUR 1 Mrd. (Derivate), (iii) Bilanzsumme zzgl. außerbilanzieller Posten unter EUR 100 Mio., und (iv) operatives Betriebsergebnis der vorherigen beiden Jahre unter EUR 30 Mio.433)

___________ 430) Die Unterschiede machen sich in allen Bereichen der in Rn. 123 ff. unten dargestellten Akteursaufsicht bemerkbar, also den Zulassungs-, Solvenz- und Organisationsanforderungen an die Wertpapierfirmen (vgl. auch die übersichtliche Darstellung in: Buba-VÖWertpapierfirmen, S. 45 ff.). 431) Die Begriffe groß, mittel und klein werden im (die IFD insoweit in deutsches Recht umsetzenden) WpIG verwendet (WpIG § 2 (16) – (18); in WpIG-Gesetzesbegründung S. 119, wird die Einteilung in Klassen 1 – 3 vorgenommen), nicht aber in IFD und IFR. Dort ergibt sich die Klassifizierung aus dem Zusammenspiel der Regelungen in IFR Art. 1 (Differenzierung zwischen großen und anderen Wertpapierfirmen), Art. 12 (Definition „kleine und nicht verflochtene Wertpapierfirmen“) und Art. 62 Nr. 3 (Einstufung einer sehr großen Wertpapierfirma als Kreditinstitut – dazu sogleich) und den entsprechenden Verweisungen in der IFD auf kleine und nicht verflochtene Wertpapierfirmen. 432) IFR Art. 1 (2). Die Einstufung als große Wertpapierfirma kann auch auf Anordnung der Behörde erfolgen, wenn die Bilanzsumme mind. EUR 5 Mrd. beträgt und das Unternehmen ein systemrelevantes Geschäftsmodell betreibt (IFD Art. 5 (1)). Zudem können Wertpapierfirmen selbst die Anwendung der CRR-Regeln beantragen, wenn sie in den Konsolidierungskreis einer Bankengruppe nach den Bestimmungen der CRR einbezogen sind (IFR Art. 1 (5)). 433) IFR EG (17), Art. 12 (1). Die Kriterien müssen kumulativ erfüllt sein; ist eines nicht (mehr) erfüllt, zählt die Wertpapierfirma (mit sofortiger Wirkung) zur Klasse 2 (IFR Art. 12 (3)). Die Auswirkungen eines Klassenwechsels sind jedoch zeitlich gestreckt über Zeiträume von drei bis zwölf Monaten und variieren je nach Regulierungsgegenständen (vgl. IFR Art. 12, IFD Art. 25, WpIG § 38). Grds. obliegt es jeder Wertpapierfirma selbst, die für ihre Klassifizierung relevanten Kriterien und Schwellenwerte (auf täglicher Basis) zu bewerten und die zuständige Behörde von erheblichen Änderungen unverzüglich in Kenntnis zu setzen (vgl. IFR Art. 12 (3) – (4), IFD Art. 25 (3), WpIG § 38 (2)).

71

B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

109 Ausgangspunkt der Klassifizierung ist die Bilanz des Einzelunternehmens.434) Ist die Wertpapierfirma jedoch Teil einer Wertpapierfirmengruppe, werden die Geschäftsaktivitäten und -volumina anderer Einheiten der Gruppe in die Betrachtung miteinbezogen – es erfolgt dann eine konsolidierte Aufsicht.435) Das bedeutet, dass die Gruppe ihren in der IFR festgelegten Solvenzanforderungen sowie diesbezüglichen Offenlegungs- und Meldepflichten auf konsolidierter Basis nachkommen muss.436) 3. Umsetzung der EU Schlüsselgesetze im deutschen Recht 110 Als Richtlinien bedürfen die EU Schlüsselgesetze des Kapitalmarktrechts der Umsetzung ins deutsche Recht, die wie folgt geschieht: EU Kapitalmarkt-Schlüsselgesetze

Deutsche Umsetzungsgesetze

CRD

KWG

IFD

WpIG

MiFID

WpHG

111 Dabei orientiert das sich das deutsche Recht an der europäischen Systematik: Ebenso wie im EU Recht wird ein Unternehmen im deutschen Recht zu einem Kapitalmarktakteur durch bestimmte Dienstleistungen, die es bzgl. bestimmter Produkte erbringt. Ausgangspunkt der Regulierung ist deshalb auch im deutschen Recht die Bestimmung des (regulierten) Kapitalmarktakteurs auf der Grundlage von (näher definierten) Kapitalmarktdienstleistungen, die (näher definierte) Finanzinstrumente zum Gegenstand haben. Die drei deutschen Kapitalmarkt-Schlüsselgesetze KWG, WpIG und WpHG enthalten Begriffsdefinitionen, die auf denjenigen der MiFID-Schlüsselbegriffe basieren, allerdings teilweise terminologisch und/oder inhaltlich abweichen.

___________ 434) IFR Art. 5. 435) IFR Art, 7 (1) und (3). S. zur konsolidierten Aufsicht oben Rn. 66–67. Allerdings erlaubt die IFR in risikoarmen Fällen eine stark vereinfachte Eigenmittelberechnung für die Wertpapiergruppe, den sog. Gruppenkapitaltest (IFR Art. 8). 436) Relevant für die Einstufung z. B. als Klasse-1-Wertpapierfirma ist dann, ob die konsolidierte Bilanzsumme aller gruppenangehörigen Unternehmen EUR 15 Mrd. beträgt. Teil einer – auf konsolidierter Basis beaufsichtigten – Gruppe zu sein, ermöglicht es Klasse-3Wertpapierfirmen umgekehrt, von den Solvenzanforderungen und diesbezüglichen Offenlegungs- und Meldepflichten ausgenommen zu werden, nämlich dann wenn die Gruppe ein Spitzeninstitut hat, das die Anforderungen (auf konsolidierter Basis) erfüllt. Für die Erfüllung ist eine Reihe weiterer detailliert beschriebener Voraussetzungen erforderlich (vgl. IFR Art. 6 (1) und (2)). Mit den Regelungen zur konsolidierten Aufsicht einher gehen komplexe Zuständigkeitsregelungen für die behördliche Beaufsichtigung, die i. d. R. darauf hinauslaufen, dass die für das Spitzeninstitut zuständige Behörde auch für die konsolidierte Aufsicht der Gruppe verantwortlich ist (IFD Art. 46). Hinter der konsolidierten Aufsicht steht die Absicht des Gesetzgebers, Aufsichtsarbitrage zu vermeiden und den Anreiz für Wertpapierfirmen zu verringern, ihre Geschäfte so zu strukturieren, dass sie als Klasse-3-Wertpapierfirmen qualifizieren (IFR EG (18)).

72

II. Gegenstände und Schlüsselgesetze des Kapitalmarktaufsichtsrechts

Der Begriff der Wertpapierdienstleistung in WpHG und WpIG deckt sich weit- 112 gehend mit demjenigen der MiFID-Kapitalmarktdienstleistung (hier als Kurzform für Wertpapierdienstleistung/Anlagetätigkeit verwendet).437) D. h. auch im deutschen Recht existiert der Begriff der (Wertpapier-)Dienstleistungen, die sich den Bereichen x

Beratung und Verwaltung (Anlageberatung438) und Finanzportfolioverwaltung439))

x

Handel und Vertrieb (Emissionsgeschäft,440) Platzierungsgeschäft441) Anlagevermittlung,442) Abschlussvermittlung443) und Eigenhandel444) – hinzu tritt das Finanzkommissionsgeschäft445))

___________ 437) Vgl. MiFID Anhang I.A, WpHG § 2 (8) und WpIG § 2 (2). Die so definierte Wertpapierdienstleistung deckt sich zudem mit einem Teilbereich des in KWG § 1 (1a) definierten Begriffs der Finanzdienstleistung (s. dazu unten Rn. 115). 438) Anlageberatung ist eine Empfehlung an den Kunden, eine bestimmte Investition vorzunehmen oder zu unterlassen (nicht nur bloße Informationsvermittlung). Die Empfehlung muss auf den Kunden zugeschnitten sein und ein konkretes Finanzinstrument betreffen. Eine Empfehlung an einen nicht individuell bestimmbaren Personenkreis, z. B. über eine Zeitung, reicht nicht aus (Buba-VÖ-Erlaubnis, S. 5). Ausführlich zum Tatbestand der Anlageberatung: Buba/BaFin-VÖ-Anlageberatung. S. zu den zivilrechtlichen Aspekten (insbesondere der Haftung) unten Rn. 490 ff. 439) Ebenso wie Anlageberatung erfordert Finanzportfolioverwaltung (diesen Begriff benutzen KWG § 1 (1a) Nr. 3), WpIG § 2 (2) Nr. 9 und WpHG § 2 (8) Nr. 7 – sie wird aber auch Portfolioverwaltung, Vermögensverwaltung oder Asset Management genannt) eine sachkundige Beurteilung der betroffenen Finanzinstrumente sowie die Abstimmung der Anlageziele und Risikoneigung auf den Anleger. Entscheidender Unterschied zwischen beiden Kapitalmarktdienstleistungen ist die Dispositionsbefugnis: Bei der Anlageberatung trifft die Anlageentscheidung der Kunde selbst (die dann auf seine Weisung ggf. von dem beratenden WpDU – oder von einem anderen – ausgeführt wird). Bei der Portfolioverwaltung entscheidet das WpDU – im Rahmen der mit dem Kunden vereinbarten Anlagerichtlinien – und führt diese Entscheidung dann auch aus. Die so verstandene individuelle Portfolioverwaltung ist von der kollektiven Vermögensverwaltung (KAGB § 1 (19) Nr. 24) abzugrenzen, bei der die Verwaltungsdienstleistung für einen Investmentfonds erfolgt, an dem wiederum Anleger mittels Investmentfondsanteilen beteiligt sind (vgl. unten Rn. 296 ff.). Die Portfolioverwaltung ist ferner abzugrenzen von der Anlageverwaltung gem. KWG § 1 (1) Nr. 11, d. h. der Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten für eine Gemeinschaft von Anlegern von natürlichen Personen (der der MiFID nicht bekannte Tatbestand der Anlageverwaltung kodifiziert die Vorgaben der GamagEntscheidung des BVerwG WM 2008, 1359 ff.). Dabei hat der Verwalter einen Ermessensspielraum bei der Auswahl der Finanzinstrumente. Übernimmt ein Kreditinstitut die Portfolioverwaltung, wird es i. d. R. auch das Depotgeschäft (Verwahrung der verwalteten Wertpapiere), und das Finanzkommissionsgeschäft (Erwerb von Finanzinstrumenten für Rechnung des Vermögensinhabers) betreiben. Portfolioverwalter, die über eine entsprechende Erlaubnis nicht verfügen, müssen zu diesem Zweck mit einem Kreditinstitut zusammenarbeiten (zur Abgrenzung im Einzelnen: E/B-Bankrecht-Walz, § 91 Rn. 5 – 7). 440) Das (erlaubnispflichtige) Emissionsgeschäft erfasst nur die Fälle der Fremdemission, nicht hingegen diejenigen der Selbst- oder Eigenemission, in denen der Emittent die Wertpapiere ohne Mitwirkung Dritter selbst platziert. Deshalb bedarf der Emittent von Wertpapieren (und anderen Finanzinstrumenten) bei der erstmaligen Ausgabe der Wertpapiere im Primärmarkt (und deren Veräußerung) keiner Erlaubnis (BaFin-VÖ-Emissionsgeschäft Ziff. 1.a); BaFin-VÖ-Eigenhandel+Eigengeschäft Ziff. 1 c) aa); D/K/B-B+K-RechtMartens/Spiegelberg, § 57 Rn. 6). Allerdings gilt dies nur für Nicht-Finanzakteure (s. KWG

73

B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

x

Handelsinfrastruktur (Betrieb eines MTF oder eines OTF446))

zuordnen lassen – wobei jede Tätigkeit Finanzinstrumente zum Gegenstand haben muss, um in den Anwendungsbereich der Gesetze zu fallen. 113 Beim Begriff des Finanzinstruments gibt es größere Unterschiede zwischen europäischem und deutschem Recht: Das WpHG übernimmt zwar die MiFIDFinanzinstrumenteliste in weiten Teilen, variiert und ergänzt sie dann aber,447) so dass das WpHG, KWG und WpIG – insbesondere durch die Einbeziehung ___________

441)

442)

443) 444)

445)

446) 447)

74

§ 32 (1a) S. 4; WpIG § 15 (6)). Das bedeutet auch, dass Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute, die eigene Finanzinstrumente (z. B. Aktien oder Anleihen) vertreiben wollen, insofern den MiFID-Regularien unterliegen. Zwar sieht WpHG § 3 (1) S. 1 Nr. 11 vor dass, als WpDU nicht gelten, „…Unternehmen, die ausschließlich Eigengeschäft… betreiben…“. Aber gem. WpHG § 2 (8) S. 2 sind es nur das „…Finanzkommissionsgeschäft, der Eigenhandel und die Abschlussvermittlung…“, die „…den Abschluss von Vereinbarungen über den Verkauf von Finanzinstrumenten…im Zeitpunkt ihrer Emission“ umfassen und eben nicht das Eigengeschäft. Mit anderen Worten: Finanzakteure, die selbstemittierte Wertpapiere vertreiben, betreiben das nicht ausgenommene Eigengeschäft und gelten deshalb als WpDU. Die Emission von Anleihen stellt i. Ü. grds. kein Einlagengeschäft dar (die Emittenten werden also nicht durch die Anleiheemission zu Kreditinstituten – BT-Drucks. 13/7142, S. 63) und der Erwerb der Anleihen kein Kreditgeschäft (allerdings gilt das nur für Inhaberschuldverschreibungen und nicht für Namensschuldverschreibungen; s. H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Stamm, § 23.31 – 38). Platzierungsgeschäft ist ein Sonderfall der Abschlussvermittlung, bei dem der Finanzakteur im Rahmen einer Platzierung von Finanzinstrumenten in offener Stellvertretung des Kunden (Auftraggebers) ggü. den Anlegern auftritt (Buba-VÖ-Erlaubnis, S. 6). Anlagevermittlung ist die Entgegennahme und Übermittlung von Aufträgen von Anlegern in Bezug auf Finanzinstrumente; das Geschäft kommt unmittelbar zwischen den wirtschaftlichen Parteien zustande, ohne dass der Vermittler (als Stellvertreter oder in anderer Form) involviert wäre (Buba-VÖ-Erlaubnis, S. 5). Abschlussvermittlung ist der Handel mit Finanzinstrumenten in offener Stellvertretung, d. h. im Namen und für Rechnung des Anlegers (Buba-VÖ-Erlaubnis, S. 6). Eigenhandel ist der Handel mit Finanzinstrumenten im eigenen Namen und für eigene Rechnung, aber im Auftrag eines Dritten (auch Nostrohandel genannt). Auch wenn es sich zivilrechtlich um einen reinen Kaufvertrag handelt, ist das Geschäft Dienstleistung i. S. d. MiFID (Buba-VÖ-Erlaubnis, S. 7). Hinsichtlich der Definition des Begriffs des Eigenhandels geht das WpHG in § 2 (8) einen anderen Weg als MiFID und bedient sich zusätzlich des Tatbestands des Eigengeschäfts (s. näher unten Rn. 130–131); bei den praktischen Ergebnissen dürften sich MiFID und WpHG jedoch i. d. R. decken. WpHG § 2 (8) Nr. 1. MiFID kennt das Finanzkommissionsgeschäft zwar als solches nicht, aber man wird es als eine Spielart der Anlagevermittlung bezeichnen können. Beim Finanzkommissionsgeschäft erfolgt die Anschaffung oder Veräußerung der Finanzinstrumente durch das WpDU im eigenen Namen, aber für (fremde) Rechnung des Kunden, den die wirtschaftlichen Vor- und Nachteile aus diesem Geschäft treffen ((BaFin-VÖ-Finanzkommissionsgeschäft Ziff. 1 d)). Zu der zivilrechtlichen Ausgestaltung des Finanzkommissionsgeschäfts s. unten Rn. 412. S. zu MTF und OTF unten Rn. 212. Vgl. MiFID Anhang I.C, WpHG § 2 (4), WpIG § 2 (5) und KWG § 1 (11). Neben die Erweiterung des Finanzinstrumentebegriffs um Vermögensanlagen i. S. d. VermAnlG § 1 (2) tritt im deutschen Recht eine methodisch abweichende Bestimmung des Begriffs der Derivate in WpHG § 2 (3), die allerdings wohl zu keinen erheblichen Abweichungen in der Praxis führt.

II. Gegenstände und Schlüsselgesetze des Kapitalmarktaufsichtsrechts

von Vermögensanlagen in den Begriff des Finanzinstruments – einen weiteren Anwendungsbereich als MiFID haben.448) Auf der Grundlage der Definition der Dienstleistungen und Instrumente trifft 114 das deutsche Kapitalmarktrecht dann ebenso wie das europäische akteurs-, verhaltens-, handels- und produktaufsichtliche Regelungen. a) KWG und WpIG Die deutsche Umsetzung der europäischen akteursaufsichtsrechtlichen Regeln 115 im KWG und WpIG ist komplex.449) Zudem gibt es Überlappungen zwischen KWG, WpIG und WpHG (die sich bei den wichtigsten aufsichtsrechtlichen Rundschreiben der BaFin – MaRisk und MaComp – fortsetzen).450) Der Grund ___________ 448) Leider sind die Abweichungen vom Begriff der MiFID-Finanzinstrumente in den deutschen Gesetzen nicht einheitlich, da z. B. im Begriff der KWG/WpIG-Finanzinstrumente – anders als im WpHG – der Begriff des Wertpapiers nicht auftaucht. Wegen der definitorischen Abweichungen der deutschen Gesetze von der MiFID einerseits und untereinander anderseits bleibt der Begriff des Finanzinstruments im deutschen Recht zumindest an den Rändern schillernd und enthält Unschärfen. Misslich, weil Quelle von Unsicherheiten, ist vor allem der Umstand, dass der Begriff der Finanzinstrumente in KWG und WpIG durch die Einbeziehung von Rechnungseinheiten und Devisen (s. unten Rn. 119) deutlich weiter ist als in WpHG (und MiFID) mit der Folge, dass bestimmte Dienstleistungen zwar eine Erlaubnis nach KWG/WpIG erfordern, ihre Ausführung dann aber nicht durch das WpHG reguliert ist (also z. B. die Wohlverhaltensregeln nicht anwendbar sind). Zudem variiert die genaue aufsichtsrechtliche Bedeutung des Begriffs des Finanzinstruments je nachdem, ob der Begriff für Zwecke der Akteurs- oder Handels- bzw. Produktaufsicht genutzt wird. Die BaFin weist auf die Relevanz dieser Unterscheidung z. B. im Zusammenhang mit der Qualifikation von Token als Wertpapiere hin (vgl. BaFin-VÖToken, S. 5; s. näher unten Rn. 505 ff.); die Folgen sind aber nicht immer klar. 449) Anlässlich der Umsetzung der IFD hat der deutsche Gesetzgeber sämtliche Regelungen für (kleine und mittlere) Wertpapierfirmen aus dem KWG herausgelöst und im WpIG zusammengefasst. Somit setzt das WpIG nicht nur die IFD, sondern auch (einige) Aspekte der Akteursaufsicht der MiFID um (die Verhaltensaufsicht von allen Wertpapierfirmen richtet sich weiterhin nach WpHG §§ 63 ff.; ebenso sind akteursbezogene Organisationspflichten weiterhin in WpHG §§ 80 ff. geregelt). Die Solvenzaufsicht großer Wertpapierfirmen erfolgt nach den für Banken geltenden Maßstäben des KWG, für die die entsprechenden Vorschriften des WpIG gerade nicht gelten. Hilfreich ist deshalb die enumerative Aufzählung in WpIG § 4 derjenigen KWG-Vorschriften, die auf große Wertpapierfirmen Anwendung finden und derjenigen WpIG-Vorschriften, die auf sie keine Anwendung finden. 450) Vgl. MaRisk AT1.4 und MaComp AT7. Erklärter Zweck der MaComp ist es, als Kompendium der BaFin-Verwaltungspraxis in ihrem Anwendungsbereich zu dienen (MaComp AT1.3). Der Zweck der MaRisk könnte ähnlich beschrieben werden (ausführlich: K/LMaRisk-Krimphove, Einleitung Rn. 8). Gegenstand der für alle Kreditinstitute und Wertpapierfirmen hinsichtlich ihrer sämtlichen Geschäftsbereiche geltenden MaRisk ist die Ausgestaltung des Risikomanagements der Institute auf Einzel- und Gruppenebene sowie die Auslagerung (AT1). Gegenstand der für alle das Wertpapiergeschäft betreibenden Kreditinstitute und Wertpapierfirmen geltenden MaComp ist die Ausgestaltung der Geschäftsorganisation des Wertpapiergeschäfts (AT1.1). Überlappungen bestehen vor allem im Bereich der organisatorischen Anforderungen an die Kapitalmarktakteure, die zum einen generell in KWG und WpIG geregelt sind (s. unten Rn. 157–171) und zum anderen speziell in Bezug auf die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen im WpHG (s. unten Rn. 185–208). Ausführlich zum Verhältnis von MaComp und MaRisk s.: K/KMaComp-Krimphove, AT7, Rn. 1 – 38. Neben MaRisk und MaComp gibt es einige weitere als Mindestanforderungen bezeichnete Veröffentlichungen der BaFin (s. unten Rn. 524).

75

B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

dafür ist darin zu suchen, dass der europäische und der deutsche Gesetzgeber teilweise unterschiedliche methodische Ansätze bei der Bezeichnung und Regulierung der im Bank- und Kapitalmarktwesen tätigen Finanzakteure verfolgen.451) Während die drei Schlüsselgesetze des EU Kapitalmarktrechts nur zwischen x

Kreditinstituten (d. h. Unternehmen, die das Einlagen- und Kreditgeschäft betreiben, und sehr große Wertpapierfirmen) und

x

Wertpapierfirmen (d. h. Unternehmen, die Kapitalmarktdienstleistungen erbringen)

differenzieren,452) werden in ihren deutschen Pendants zur Bezeichnung der diese Tätigkeiten ausführenden Unternehmen die Begriffe x

Kreditinstitut (d. h. Unternehmen, die Bankgeschäfte betreiben),

x

Finanzdienstleistungsinstitut (d. h. Unternehmen, die Finanzdienstleistungen erbringen),

x

Wertpapierinstitut (d. h. Unternehmen, die Wertpapierdienstleistungen erbringen) und

x

Wertpapierdienstleistungsunternehmen (WpDU – d. h. Wertpapier-, Kreditund Finanzdienstleistungsinstitute, die (auch) Wertpapierdienstleistungen erbringen)453)

verwendet. 116 Die sich hinter den vier Institutstypen in Bezug auf Kapitalmarktdienstleistungen verbergende Systematik des deutschen Aufsichtsrechts454) erklärt sich aus der Zusammenschau der gesetzlichen Begriffsdefinitionen und der in KWG § 32 (1) und WpIG § 15 geregelten Voraussetzungen für die Erteilung einer Geschäftserlaubnis und ist die folgende: 117 Der Zulassung als Kreditinstitut bedarf ein Finanzdienstleistungen erbringendes Unternehmen, wenn seine – auf Einzelunternehmens- oder Gruppenbasis berechnete – Bilanzsumme EUR 30 Mrd. beträgt und es zumindest das Emissionsgeschäft, den Eigenhandel oder das Eigengeschäft betreibt (sowie jedes Unternehmen, dass (außerdem) mindestens ein Bankgeschäft erbringt).455) ___________ 451) Vgl. B/G/R-Bankenaufsichtsrecht-Binder, § 3 Rn. 10. 452) S. oben Rn. 106–109. 453) Mit dem Begriff des WpDU wird methodisch festgelegt, auf wen WpHG §§ 63 – 96 und die MaComp Anwendung finden (MaComp AT3.1). Zu den WpDU zählen außerdem inländische Zweigstellen ausländischer Unternehmen nach KWG § 53 (1) S. 1, nicht aber Zweigstellen ausländischer Unternehmen mit Sitz in einem anderen Staat des EWR nach KWG § 53b (auf die die MaComp aber trotzdem Anwendung findet, MaComp AT3.1). 454) Die von der Aufsicht als solche bezeichnete sog. Institutssystematik (s. Buba-VÖ-Wertpapierfirmen, S. 46). 455) Es muss dann eine KWG-Erlaubnis als Kreditinstitut beantragen (KWG § 32 (1) S. 2). Auf diese Weise setzt das deutsche Recht die Vorgaben von IFD Art. 62 Nr. 6, CRD Art. 8a um (vgl. oben Rn. 107).

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II. Gegenstände und Schlüsselgesetze des Kapitalmarktaufsichtsrechts

Keiner Zulassung als Kreditinstitut, sondern (nur) derjenigen als Finanzdienstleistungsinstitut,456) bedarf ein ausschließlich Finanzdienstleistungen erbringendes Unternehmen, das unterhalb der vorgenannten EUR 30 Mrd.-Bilanzsummenschwelle bleibt und/oder keine der vorgenannten Dienstleistungen erbringt. Der Begriff der Finanzdienstleistung gem. KWG § 1 (1a) umfasst:

118

x

Sämtliche MiFID-Kapitalmarktdienstleistungen (und damit auch sämtliche Wertpapierdienstleistungen gem. WpHG § 2 (8) und WpIG § 2 (2)),457)

x

außerdem die besonderen Kapitalmarktdienstleistungen der Anlageverwaltung und des eingeschränkten Verwahrgeschäfts sowie des Kryptoverwahrgeschäfts und der Kryptowertpapierregisterführung458) und

x

zusätzlich einige Nicht-Kapitalmarktdienstleistungen (Drittstaateneinlagenvermittlung, Sortengeschäft, Factoring und Finanzierungsleasing).459)

Durch diese ausladende Definition der KWG-Finanzdienstleistung wird das 119 Zulassungserfordernis für Kapitalmarktakteure in Deutschland (und der darauf aufsetzenden Regulierung) gegenüber den MiFID-Vorgaben erweitert. Eine zusätzliche Erweiterung des Anwendungsbereichs der KWG-Regeln erfolgt durch die Definition des Finanzinstruments in KWG § 1 (11), in die eine Reihe von Nicht-MiFID-Finanzinstrumenten einbezogen wird.460) ___________ 456) Die Einordnung eines Unternehmens als Finanzdienstleistungsinstitut ist subsidiär zu derjenigen als Kreditinstitut (K/M/F/S-Freis-Janik, B+K-Recht, 2-114). Der Begriff der Finanzdienstleistung wurde in den 1970ger Jahren in das KWG eingeführt, um eine Lizenz light unterhalb der Bankenaufsicht zu erlauben (Fischer/Boegl § 127 Rn. 1). Für Wertpapierfirmen übernimmt diese Funktion nun das WpIG. 457) S. oben Rn. 110–113. 458) KWG § 1 (1a) Nr. 11 und 12 sowie 6 und 8. 459) KWG § 1 (1a) Nr. 5, 7, 9 und 10. 460) Gem. KWG § 1 (11) zählen neben Vermögensanlagen auch Devisen, Rechnungseinheiten und Kryptowerte zu den Finanzinstrumenten. Allerdings fehlt im KWG (ebenso wie im WpIG) der Begriff des Wertpapiers, an dessen Stelle die Rede ist von Aktien (und vergleichbaren Eigenkapitalinstrumenten, einschließlich Anteilen an Personengesellschaften) und Schuldtiteln (die alle möglichen Arten von an den Kapitalmärkten handelbaren Fremdkapitalinstrumenten umfassen sollen, einschließlich hybrider Instrumente wie Genussscheinen – s. dazu unten Rn. 395). Diese KWG/WpIG-Liste der Finanzinstrumente wird man (anders als die MiFID- und WpHG-Listen) als abschließend ansehen müssen (Hanten/Stump, RdF 2018, 189, 191), da von der Qualifizierung als KWG/WpIGFinanzinstrument schwere, womöglich strafrechtliche Konsequenzen abhängen können je nachdem, ob eine Tätigkeit sich auf ein Finanzinstrument bezieht oder nicht (s. näher unten Abschnitt D.). Die BaFin ist zudem der Ansicht, dass die KWG/WpIG-Liste den Begriff des Finanzinstruments nicht für alle Normen des KWG festlegt (also eine einheitliche Definition des Begriffs für das KWG nicht existiert), sondern nur für die Regelungen der KWG §§ 1 (1) – (3), 17, 2 (1) und (6), 32 (1a), d. h. also für die Erlaubnis- und Ausnahmetatbestände und die Begriffe des Finanzunternehmens und der Finanzsicherheit (BaFin-VÖ-Erlaubnispflicht Finanzinstrumente Nr. 1). Hinzu treten Unterschiede zwischen dem zivil- und aufsichtsrechtlichen Begriff von Finanzinstrumenten, vor allem im Hinblick auf Wertpapiere (s. unten Rn. 243 und Rn. 373).

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

120 Das Erfordernis einer Finanzdienstleistungserlaubnis tritt zurück, wenn die Geschäfte des Finanzdienstleisters durch eine Erlaubnis als Wertpapierinstitut gedeckt sind (was grds. dann der Fall ist, wenn der Wertpapierdienstleister unter der vorgenannten EUR 30 Mrd.-Bilanzsummenschwelle bleibt). Der Begriff der Wertpapierdienstleistung im WpIG ist deutlich enger gefasst als derjenige der KWG-Finanzdienstleistung (und ist dem Begriff der MiFID-Kapitalmarktdienstleistung näher).461) Da sämtliche WpIG-Wertpapierdienstleistungen auch unter den Begriff der Finanzdienstleistung fallen, verbleibt für den Begriff des Finanzdienstleistungsinstituts ein eigener Anwendungsbereich nur für Unternehmen, die die vorstehend genannten Nicht-Kapitalmarktdienstleistungen erbringen. Wenn ein Kapitalmarktdienstleistungen erbringendes Unternehmen oberhalb der EUR 30 Mrd.-Bilanzsummenschwelle liegt, ist es Kreditinstitut, darunter Wertpapierinstitut.462) 121 Je nachdem, welcher (deutschen) Institutskategorie der Finanzakteur zuzuordnen ist, gelten dann die unten in Kapitel III. im Einzelnen dargestellten Anforderungen an die Solvenz und Geschäftsorganisation. b) WpHG 122 Die deutsche Umsetzung der MiFID-Regeln zur Verhaltens-, Handels- und Produktaufsicht erfolgt vornehmlich im WpHG, das sich bei der Bestimmung der MiFID-Schlüsselbegriffe Kapitalmarktdienstleistung und Finanzinstrument eng an MiFID anlehnt.463) Das gleiche gilt für die inhaltliche Bestimmung

___________ 461) S. WpIG § 2 (2). Allerdings gleichen sich die Definitionen des Begriffs der Finanzdienstleistungen in KWG § 1 (11) und WpIG § 2 (5), so dass insofern auch der Anwendungsbereich des WpIG weiter ist als derjenige der MiFID. 462) Der deutsche Gesetzgeber hat für die Umsetzung der aus der IFD resultierenden Anforderungen einen Weg gewählt, der den Begriff des Instituts im deutschen Recht unangetastet lässt und sich stattdessen des Instruments der Fiktion bedient. Gem. KWG § 1 (1b) beschrieb (und beschreibt) der Begriff Institut Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute. Auch die Definitionen der Begriffe des Kreditinstituts (Unternehmen, das Bankgeschäfte betreibt – KWG § 1 (1)) und des Finanzdienstleistungsinstituts (Unternehmen, das Finanzdienstleistungen erbringt – KWG § 1 (1a)) bleibt unverändert. Aber KWG § 32 wurde durch das IFD-UmsetzungsG (Art. 2 – Änderung des KWG – Nr. 28) neu gefasst und regelt nunmehr, dass ein Bankgeschäfte betreibendes oder Finanzdienstleistungen erbringendes Unternehmen keiner Erlaubnis gem. KWG § 32 bedarf und nicht als Institut gilt, solange es über eine Erlaubnis als Wertpapierinstitut nach WpIG § 15 verfügt und kein sehr großes Wertpapierinstitut (geworden) ist (zu den Begriffen Finanzdienstleistungsinstitut und Wertpapierinstitut in deutschen Recht s. o. R. 115). Im deutschen Aufsichtsrecht von 2021 steht der Begriff Institut deshalb (ebenso wie im EU Recht) für Kreditinstitute und sehr große Wertpapierfirmen. 463) S. oben R. 96 – 97.

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III. Regulierung der Kapitalmarktakteure

des Begriffs des Handelsplatzes, bei dem es allerdings deutliche terminologische Unterschiede zwischen MiFID und WpHG gibt.464) III. Regulierung der Kapitalmarktakteure Kapitalmarktakteure sind Personen, die Kapitalmarktdienstleistungen erbrin- 123 gen.465) Hauptakteure des Kapitalmarkts sind Wertpapierfirmen und Kreditinstitute.466) Sie bedürfen für das Erbringen ihrer Dienstleistungen einer Erlaubnis der für sie zuständigen Behörde und unterliegen in Bezug auf ihre Solvenz, ihre Geschäftsorganisation und ihre Geschäftsleiter und -inhaber z. T. sehr detaillierten aufsichtsrechtlichen Anforderungen. Zudem trifft sie eine Vielzahl von (akteursbezogenen) Transparenzpflichten. Eine internationale Grundlage für diese Regeln liefert das Baseler Rahmenwerk. Daneben gibt es eine Reihe von Dienstleistungen, die rund um den Kapitalmarkt erbracht werden; diese Kapitalmarkt-Nebenakteursdienstleistungen467) sind teils reguliert, teils nicht. ___________ 464) Der in MiFID Art. 4 (1) Nr. 21 definierte Begriff geregelter Markt (Englisch: regulated market) wird in WpHG (§ 2 (1) Nr. 11) mit organisierter Markt übersetzt. Im BörsenG (§ 2 (1)) wird der Begriff Börse anstelle des organisierten Markts benutzt. Gemeint ist jeweils das Gleiche: Es geht darum, den regulierten Marktplatz vom nicht regulierten Handel begrifflich abzugrenzen. Deutlich wird das an der Definition des Begriffes Handelsplatz, der in MiFID Art. 4 (1) Nr. 24, WpHG § 2 (1) Nr. 22 und BörsenG § 2 (5) im Prinzip gleich definiert wird, nämlich als geregelter Markt/organisierter Markt/Börse oder MTF oder OTF – und damit vom nicht regulierten OTC-Handel abgegrenzt wird. Erklären lässt sich dieses deutsche Sprachgewirr wohl damit, dass das BörsenG bis zum 1.11.2007 eine Unterteilung der Börsen-Zulassungssegmente in den amtlichen und den geregelten Markt vorsah (und der Begriff geregelter Markt damit schon besetzt war). Wertpapiere, die vor dem 1.11.2007 zum amtlichen oder geregelten Markt zugelassen waren, sind seitdem zum regulierten Markt zugelassen (BörsenG § 52 (7)). Das BörsenG definiert den Begriff des regulierten Marktes nicht, stellt ihm aber den Freiverkehr gegenüber (BörsenG § 48 (1)). Die Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) wiederum bezeichnet den regulierten Markt als organisierten Markt i. S. d. WpHG und auch als EU-regulierten Markt (https://www.deutsche-boerse-cash-market. com/dbcm-de/primary-market/marktstruktur/gesetzliche-maerkte/transparenzstandards). Sie stellt dem Begriff des (öffentlich-rechtlich ausgestalteten) regulierten Marktes den (privatrechtlich geregelten, von der Börse selbst regulierten) Open Market (Freiverkehr) gegenüber, der kein organisierter Markt i. S. d. WpHG sei, sondern ein börsenregulierter Markt. Im IV. Abschnitt der Börsenordnung für die FWB wird der regulierte Markt auch als General Standard bezeichnet, der zudem einen Teilbereich mit weiteren Zulassungsfolgepflichten habe, nämlich den Prime Standard (eine solche Schaffung von Teilbereichen des regulierten Marktes erlaubt BörsenG § 42). Offen bleibt die Frage, ob der Freiverkehr ein MTF ist (und damit in jedem Fall auch ein organisierter Markt), wofür allerdings einiges spricht (s. Beer, S. 73; auch: BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden, Modul C Kapitel 1.3.1). Wenn dem so ist, dann wäre der Freiverkehr ein regulated market gem. MiFID, aber kein regulierter Markt unter dem BörsenG. Man fragt sich, ob der deutsche Gesetzgeber bei der Wahl seiner Begriffe immer ein glückliches Händchen hat. 465) S. zum Begriff des Kapitalmarktakteurs oben Rn. 5. 466) Ebenfalls zu den Kapitalmarktakteuren zählen die Investmentfonds bzw. ihre Verwalter und Verwahrer. Da bei Investmentfondsanteilen die Verquickung von Akteur und Produkt besonders eng ist, werden diese – Akteur und Produkt – zusammen unten in Rn. 296 ff. dargestellt. 467) Diese Dienstleistungen sind nicht zu verwechseln mit (Wertpapier-)Nebendienstleistungen unter MiFID, WpHG und WpIG, die oben in Rn. 98 und unten in Rn. 125 erläutert werden.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

1. Baseler Rahmenwerk und europäische Grundlagen 124 Den internationalen Rahmen für die Regulierung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen setzt das Rahmenwerk des Basel Committee on Banking Supervision (BCBS) (Baseler Rahmenwerk),468) das Anforderungen an die Finanzakteure in den Bereichen Solvenz, Geschäftsorganisation und Transparenz formuliert. Diese in 14 Standards enthaltenen Anforderungen des Baseler Rahmenwerks wurden vornehmlich durch CRR und CRD469) in das europäische und durch das KWG in das deutsche Recht eingeführt. Zuletzt erfolgte dabei eine stärkere gesetzliche Differenzierung zwischen Kreditinstituten und Wertpapierfirmen einerseits und unterschiedlichen Typen (Klassen) von Wertpapierfirmen andererseits. Diese Differenzierung hat ihren Niederschlag auf EU Ebene durch IFR und IFD erfahren und im deutschen Recht durch das WpIG.470) 2. Zulassungserfordernis für das Erbringen von Kapitalmarktdienstleistungen a) Zulassung (Erlaubnis) 125 Eine Wertpapierfirma – d. h. ein Unternehmen, das Kapitalmarktdienstleistungen471) in Bezug auf Finanzinstrumente in der EU erbringt – bedarf dafür der Zulassung472) (in deutscher Rechtsterminologie: Erlaubnis) durch die zuständige Behörde ihres Herkunftsmitgliedstaats.473) Einer derart zugelassenen Wertpapierfirma ist es gestattet, ihre Kapitalmarktdienstleistungen (und Ne-

___________ 468) https://www.bis.org/basel_framework/index.htm?m=3_14_697. Das Baseler Rahmenwerk ruht (ebenfalls) auf drei Säulen: Solvenz, Geschäftsorganisation, Transparenz- und Meldewesen (Basel-Säulen). 469) S. zur bisherigen Umsetzungshistorie der Basel-Regelungen in den EU Gesetzen CRD I – V und CRR oben Rn. 106–109. Die über die nächsten Jahre schrittweise inkrafttretenden Regelungen der CRD V/CRR II enthalten detaillierte Fortentwicklungen sämtlicher den Basel-Säulen zuzuordnender, in diesem Kapitel nur grob skizzierten Regelungen der CRD/CRR zu Risikoerfassung und -management, Eigenmitteln, Liquidität und Offenlegungspflichten (s. näher: Buba-VÖ-Bankenpaket, S. 31). 470) S. oben Rn. 106–121. 471) Zur Terminologie s. oben Rn. 97. 472) MiFID Art. 5 (1). In der Zulassung sind die Kapitalmarktdienstleistungen, die eine Wertpapierfirma erbringt, zu spezifizieren (MiFID Art. 6 (1) S. 1). Die Zulassung wird in einem öffentlich zugänglichen Register aufgeführt. (MiFID Art. 5 (3)). Das kontinuierliche Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen wird von den zuständigen Behörden überprüft (MiFID Art. 21, 22). 473) S. zum Begriff oben Rn. 51.

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III. Regulierung der Kapitalmarktakteure

bendienstleistungen474) auch in allen übrigen EU Mitgliedstaaten475) anzubieten (EU Pass).476) In Deutschland muss477) ein Wertpapierinstitut478) (deutscher Rechtsbegriff für 126 Wertpapierfirma) eine Erlaubnis für das Erbringen von Wertpapierdienstleistungen in Bezug auf Finanzinstrumente gem. WpIG § 15 beantragen.479) Wertpapierdienstleistungen können aber auch von einem gem. KWG § 32 (1) zugelassenen Kreditinstitut angeboten werden; mit einer sog. Vollbanklizenz480)

___________ 474) Die Zulassung kann sich auch auf Nebendienstleistungen erstrecken (MiFID Art. 6 (1) S. 2) – die in WpIG § 15 (1) und WpHG § 2 (9) als Wertpapiernebendienstleistungen bezeichnet werden – s. die Auflistung der Nebendienstleistungen oben in Rn. 98). Die Erlaubnis kann dann als Nebendienstleistung z. B. auch das Depotgeschäft (also die Wertpapierverwahrung) oder das Kreditgeschäft umfassen, also Geschäfte, für die eigentlich eine Bankerlaubnis erforderlich ist (vgl. KWG § 1 (1) Nr. 5 bzw. 2). Letzteres erklärt, dass eine Nebendienstleistung nur zusammen mit einer Wertpapierdienstleistung ausgeübt werden darf und eine Erlaubnis allein für eine Nebendienstleistung nicht möglich ist (MiFID Art. 6 (1) S. 3; WpIG § 15 (2)). 475) In MiFID Art. 4 (1) Nr. 56 und CRR Art. 4 (1) Nr. 44 als Aufnahmemitgliedstaaten bezeichnet. Als Drittlandfirma bezeichnet MiFID Art. 4 (1) Nr. 57 demgegenüber eine Firma, die ein Kreditinstitut, das Kapitalmarktdienstleistungen ausführt, oder eine Wertpapierfirma wäre, wenn sie ihren Sitz/Hauptverwaltung in der EU hätte. 476) MiFID Art. 6 (3). Zur deutschen Umsetzung der Regelungen zum EU Pass s. WpIG §§ 70 ff. und KWG § 53b. Zum Konzept des EU Pass s. oben Rn. 53. 477) Keine Erlaubnis ist erforderlich, wenn die Geschäfte nicht für andere gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbracht werden, der keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erforderlich macht. Geschäfte werden gewerbsmäßig betrieben, wenn der Betrieb auf eine gewisse Dauer angelegt ist und sie mit der Absicht der Gewinnerzielung verfolgt werden (vgl. ausdrücklich in KWG § 32 (1) S. 1). Das gleiche gilt für WpIG § 15 (1) (s. WpIG-Gesetzesbegründung, S. 135). In kaufmännischer Weise eingerichtet ist ein Geschäftsbetrieb, wenn die Geschäfte einen solchen Umfang haben, dass objektiv eine kaufmännische Organisation erforderlich ist (Buba-VÖ-Erlaubnis, S. 1). 478) Von diesen ausschließlich Kapitalmarktdienstleistungen erbringenden Wertpapierhändlern, Vermögensverwaltern, Anlageberatern und Anlage- und Abschlussvermittlern sind nach Erkenntnissen der Bundesregierung (vgl. WpIG-Gesetzesbegründung, S. 119) in Deutschland 720 zugelassen. Davon zählt kein Wertpapierinstitut zur Klasse 1, 70 zur Klasse 2 und 650 zur Klasse 3. 479) S. zur näheren Beschreibung der Dienstleistungen und Instrumente, die im deutschen Recht als Wertpapierdienstleistungen bzw. Finanzinstrumente angesehen werden oben Rn. 110 ff. Die Erlaubnis kann auf einzelne Dienstleistungen beschränkt sein (WpIG § 15 (9), KWG § 32 (2)). Sie muss vor Aufnahme der Geschäftstätigkeit vorliegen; Eintragungen in öffentliche Register (z. B. Handelsregister) dürfen nur vorgenommen werden, wenn dem Registergericht die Erlaubnis nachgewiesen worden ist (KWG § 43 (1), WpIG § 30 (1)). Werden ohne die erforderliche Erlaubnis Finanzdienstleistungen erbracht, kann die BaFin nach KWG § 37 die sofortige Einstellung des Geschäftsbetriebs und die unverzügliche Abwicklung dieser Geschäfte gegenüber dem Unternehmen und den Mitgliedern seiner Organe anordnen. 480) https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/BankenFinanzdienstleister/Markteintritt/markteintritt_node.html).

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ausgestattete, als sog. Universalbank agierende Kreditinstitute dürfen die Wertpapierdienstleistungen neben ihren Bankgeschäften erbringen.481) b) Zulassungsvoraussetzungen 127 Um eine Erlaubnis zu erhalten, muss eine Wertpapierfirma bereits im Zulassungsverfahren nachweisen, dass sie die gesetzlichen – in den folgenden Kapiteln darzustellenden – Anforderungen an Solvenz, angemessene Geschäftsorganisation (einschließlich Meldewesen) sowie Inhaber und Personal erfüllen wird.482) Zum Zeitpunkt der Erlaubniserteilung muss die Wertpapierfirma zudem über ein ausreichendes Anfangskapital483) verfügen, dessen maßgeblicher Betrag auf Basis der (beabsichtigten) Tätigkeit ermittelt wird.484)

___________ 481) B/F/S-KWG-Schäfer, § 1 Rn. 34. Die Zulassung als Kreditinstitut ist zwingend erforderlich, wenn die – auf Einzelunternehmens- oder Gruppenbasis berechnete – Bilanzsumme des Unternehmens EUR 30 Mrd. beträgt und es Emissionsgeschäft, Eigenhandel oder Eigengeschäft betreibt. Es muss dann eine KWG-Erlaubnis als Kreditinstitut beantragen (KWG § 32 (1) S. 2). Auf diese Weise setzt das deutsche Recht die Vorgaben von IFD Art. 62 Nr. 6, CRD Art. 8a um (vgl. auch oben Rn. 106–121). 482) Diesen Nachweis hat das Unternehmen vor allem durch Vorlage eines tragfähigen Geschäftsplans zu erbringen, aus dem u. a. die Art der geplanten Geschäfte und der organisatorische Aufbau hervorgehen müssen (MiFID Art. 7 (2), KWG § 32 (1) Nr. 5). Gem. AnzV § 14 (7) hat der Plan zu enthalten: · die Art der geplanten Geschäfte unter begründeter Angabe ihrer künftigen Entwicklung (Vorlage von Planbilanzen und Plangewinn- und -verlustrechnungen für 3 Jahre), · die Darstellung des organisatorischen Aufbaus unter Beifügung eines Organigramms, das insbesondere die Zuständigkeiten der Geschäftsleiter erkennen lässt; es ist anzugeben, ob und wo Zweigstellen errichtet werden sollen, · die Darstellung der geplanten Regelungen zur Geschäftsorganisation und der internen Kontrollverfahren, · die Angabe des Mutterunternehmens. 483) MiFID EG 49, Art. 15. KWG § 33 (1) Nr. 1, WpIG § 17. Der Begriff des Anfangskapitals ist nicht identisch mit demjenigen der angemessenen Eigenmittelausstattung (i. S. v. KWG § 10 (1) S. 1), denn das Anfangskapital muss aus hartem Kernkapital bestehen und im Inland zur Verfügung stehen (KWG § 33 (1) Nr. 1). Ein entsprechender Nachweis ist durch eine Bestätigung eines CRR-Kreditinstituts mit Sitz im EWR zu erbringen, dass das Anfangskapital eingezahlt worden sowie frei von Rechten Dritter ist und zur freien Verfügung der Geschäftsleiter steht. 484) IFD Art. 9 (WpIG § 17). Das erforderliche Mindestanfangskapital beträgt (in EUR): · 750.000 für Wertpapierfirmen, die folgende Geschäfte betreiben: Eigenhandel/Emissionsgeschäft, organisiertes Handelssystem, Verwahrung und Verwaltung, Wertpapierkreditgeschäft, eingeschränktes Verwahrgeschäft oder Eigengeschäft und/oder Handel auf eigene Rechnung. · 75.000 für Wertpapierfirmen, die folgende Geschäfte betreiben: Anlage-/Abschlussvermittlung, Finanzportfolioverwaltung, Anlageberatung oder Platzierungsgeschäft (kein Eigentum an Kundenvermögen). · 25.000 für Wertpapierfirmen, die folgende Geschäfte betreiben: Handel an Derivate-/ Kassamärkten (sofern für Erfüllung der geschlossenen Verträge Clearingmitglieder oder Handelssysteme haften). · 150.000 für alle anderen Wertpapierfirmen.

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III. Regulierung der Kapitalmarktakteure

c) Zulassungsverfahren Anträge auf Zulassung als Kredit- oder Wertpapierinstitut sind bei der BaFin 128 einzureichen, wenn Deutschland (künftiger) Sitzstaat des Unternehmens ist. Das Zulassungsverfahren ist schriftlich zu führen.485) Vor Erteilung der Erlaubnis hat die BaFin die für das Unternehmen in Betracht kommende Sicherungseinrichtung anzuhören.486) Die Sicherungseinrichtung prüft zu diesem Zweck i. d. R. das Geschäftsmodell des Antragstellers bzw. beauftragt damit einen Wirtschaftsprüfer.487) Nach Abschluss des Verfahrens ist die Zulassung zu erteilen, wenn kein Versagungsgrund vorliegt.488) d) Ausnahmen vom Zulassungserfordernis MiFID hat einen weiten Anwendungsbereich, der gelegentlich über die eigent- 129 liche Regelungsmaterie (Regulierung der Erbringung von Kapitalmarktdienstleistungen) hinausgeht. In bestimmten Konstellationen gelten die MiFIDRegeln deshalb (ausnahmsweise489)) nicht, obwohl der Erbringer der Dienstleistungen (eigentlich) als Wertpapierfirma zu qualifizieren ist.490) Die wich-

___________

485)

486) 487)

488)

489) 490)

Das Mindestanfangskapital eines CRR-Kreditinstituts (wozu auch große Wertpapierfirmen zählen) beträgt EUR 5 Mio. (CRD Art. 12), eines E-Geldinstituts EUR 350.000 (ZAG § 12 Nr. 3 d). Für bestimmte Arten von Kreditinstituten gelten nach der Praxis der BaFin oder nach spezialgesetzlichen Regelungen andere Kriterien, so bei beschränkter Erlaubnis ohne Einlagengeschäft ein Gründungskapital von EUR 1,5 Mio., bei Bausparkassen EUR 15 Mio. und bei Pfandbriefbanken EUR 25 Mio. Bei KVGen bestehen je nach Geschäft Anforderungen zwischen EUR 125 000 und 10 Mio. KWG § 32 ff., WpIG § 16, AnzV §§ 1 ff. Details in: Buba-VÖ-Erlaubnis, S. 17 – 25. Wenn es sich bei dem Institut um ein CRR-Kreditinstitut handelt, prüft die BaFin den Antrag und sendet ihn mit einem Votum versehen zur Entscheidung an die EZB (SSMR Art. 14 (2)). KWG § 32 (3), WpIG § 16 (1). S. näher oben Rn. 78. Das Kredit- oder Wertpapierinstitut muss seine Kunden über die Zugehörigkeit zu einer Einlagensicherungs- bzw. Anlegerentschädigungseinrichtung informieren und ggf. über das Ausscheiden aus der Einrichtung (KWG § 23a, WpIG §§ 31 – 32). KWG § 33 (1) – (2) und WpIG § 18 (1) – (3) enthalten jeweils einen abschließenden Katalog der Versagungsgründe. Die Zulassung kann unter den Voraussetzungen von KWG § 35 bzw. WpIG § 19 erlöschen oder aufgehoben werden. MiFID Art. 2. Ausnahmen sind restriktiv anzuwenden (MiFID EG (42)). Europäisches und deutsches Recht bedienen sich bei den Ausnahmeregelungen unterschiedlicher gesetzgeberischer Techniken: Während MiFID Art. 2 lautet: „Diese Richtlinie gilt nicht für…“, heißt es in KWG § 2 (1): „Als Kreditinstitut gelten…nicht…“ bzw. in WpIG § 3 (1): „Als Wertpapierinstitute gelten nicht…“. I. d. R. führt ein fehlendes Erlaubniserfordernis unter deutschem Recht zwar auch dazu, dass die übrigen Vorschriften des Gesetzes keine Anwendung finden, aber es gibt Ausnahmen: z. B. ist von der Erlaubnispflicht befreit ein Unternehmen, das ausschließlich MTF/OTF betreibt (KWG § 2 (6) Nr. 16). Allerdings gelten gem. KWG § 2 (12) für OTF/MTF-Betreiber mit Sitz im Ausland, die sich zielgerichtet an Deutsche wenden (sowie in bestimmten Konstellationen auch für Betreiber mit Sitz im Inland) eine Reihe materieller KWG-Anforderungen an das Geschäft trotzdem.

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tigsten Ausnahmen vom Zulassungserfordernis werden in diesem Kapitel beschrieben.491) aa) Handel für eigene Rechnung 130 MiFID qualifiziert den Handel für eigene Rechnung ausdrücklich als Kapitalmarktdienstleistung492) und definiert diesen als „…Handel unter Einsatz des eigenen Kapitals, der zum Abschluss von Geschäften mit einem oder mehreren Finanzinstrumenten führt.“493) Mit der Einbeziehung des so (ausufernd weit) definierten Eigenhandels in den Begriff der Kapitalmarktdienstleistung (was schon begrifflich paradox ist, da, wer für sich handelt, keine Dienste für einen anderen leistet) und damit in den Anwendungsbereich der MiFID schafft der Gesetzgeber ein Problem, das MiFID dann über eine (komplexe) Ausnahmeregelung lösen muss: Vom Anwendungsbereich der MiFID ausgenommen sind Personen, die ihr eigenes Vermögen verwalten und nur für eigene Rechnung Handel mit Finanzinstrumenten treiben, es sei denn (Gegenausnahmen), sie (i) sind sog. Market Maker,494) (ii) sind Teilnehmer eines geregelten Marktes oder eines MTF oder haben einen direkten elektronischen Zugang zu einem Handelsplatz, (iii) wenden eine hochfrequente algorithmische Handelstechnik an oder (iv) treiben durch die Ausführung von Kundenaufträgen Handel für eigene Rechnung.495) 131 Das deutsche Recht geht in Bezug auf den Handel für eigene Rechnung einen noch komplexeren Weg als das EU Recht. Ausgangspunkt ist hier der Begriff des Eigenhandels. Eigenhandel ist eine Wertpapier- bzw. Finanzdienstleistung und wird definiert als Tätigkeit, die ausgeführt werden kann durch (i) MarketMaking, (ii) Systematische Internalisierung, (iii) Handel mit Finanzinstrumenten für eigene Rechnung als Dienstleistung für andere oder (iv) Hochfrequenzhandel.496) Im deutschen Recht wird der Handel für eigene Rechnung, der nur der Verwaltung des eigenen Vermögens dient, also bereits auf der Tatbestands___________ 491) In diesem Kapitel geht es nur um aus (wirtschafts)politischen Gründen ausgenommene Finanzakteure, d. h. um die in MiFID Art. 2 (1) d), e) und j), Art. 3 (1); KWG § 2 (1) Nr. 9 – 13, § 2 (6) Nr. 8, 11, 12 und 16 – 21; WpIG § 3 (1) Nr. 11, 13 – 15 und 17 – 20 statuierten Ausnahmen. Zu den anderen Ausnahme-Fallgruppen s. oben Rn. 54–56. 492) MiFID Anhang I.A Nr. 3. 493) MiFID Art. 4 (1) Nr. 6. 494) Market Maker ist eine Person, die an den Finanzmärkten auf kontinuierlicher Basis ihre Bereitschaft anzeigt, durch den An- und Verkauf von Finanzinstrumenten unter Einsatz des eigenen Kapitals Handel für eigene Rechnung zu von ihr gestellten Kursen zu betreiben (MiFID Art. 4 (1) Nr. 7). 495) MiFID Art. 2 (1) d). Die Gegenausnahme gilt in dieser Form nur für Finanzinstrumente, die keine Warenderivate oder Emissionszertifikate (oder Derivate darauf) sind. Für Finanzinstrumente, die diesen Kategorien zuzuordnen sind, fallen die Gegenausnahmen enger aus (mit anderen Worten: Hier ist die Ausnahme von der Regulierung weiter als bei den echten Finanzinstrumenten – vgl. MiFID Art. 2 (1) j)). 496) So (weitgehend) gleichlautend: WpIG § 2 (2) Nr. 10; KWG § 1 (1a) Nr. 4 und WpHG § 2 (8) Nr. 2 c).

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ebene ausgeschlossen, d. h. gar nicht erst als erlaubnispflichtiger Eigenhandel angesehen (einer weiteren Ausnahmeregelung wie unter MiFID bedarf es dann nicht mehr). Allerdings gilt in Deutschland auch derjenige, der mit Finanzinstrumenten für eigene Rechnung handelt, ohne dabei Eigenhandel zu betreiben, unter gewissen weiteren Voraussetzungen als Wertpapier- bzw. Finanzdienstleister und bedarf dafür der Erlaubnis der BaFin.497) Dieser Handel für eigene Rechnung, der kein Eigenhandel ist (d. h. nicht als Dienstleistung für andere erbracht wird), wird als Eigengeschäft bezeichnet, das wiederum in bestimmten Konstellationen ausnahmsweise von der Erlaubnispflicht freigestellt wird.498) Erklärter Zweck der Regelung ist, sämtlichen Handel mit Finanzinstrumenten für eigene Rechnung – vorbehaltlich einschlägiger Ausnahmeregelungen – lückenlos regulatorisch zu erfassen.499) bb) Warenderivate und Emissionszertifikate Personen, die (näher definierte) Dienstleistungen ausschließlich in Bezug auf 132 Warenderivate oder Emissionszertifikate (oder Derivate darauf) erbringen, sind unter weiteren (näher definierten) Voraussetzungen vom Anwendungsbereich der MiFID (und der entsprechenden deutschen Gesetze) ausgenommen.500) cc) Finanzanlagenvermittler Personen, die (näher definierte) vertriebsbezogene Dienstleistungen ausschließ- 133 lich im Verhältnis zwischen Kunden und (näher definierten) Finanzakteuren erbringen, sind von der Erlaubnispflicht in Deutschland ausgenommen, sofern sich diese Dienstleistungen auf Anteile an (näher definierten) inländischen Investmentfonds oder auf Vermögensanlagen beschränken, die erstmals öffentlich angeboten werden, und die Dienstleister Kundengelder und -vermögenswerte nicht verwahren.501) In Deutschland fallen diese Tatbestände unter den Begriff

___________ 497) 498) 499) 500)

WpIG § 15 (3) und (4); KWG § 32 (1a) S. 1 i. V. m. § 1 (1a) S. 3. WpIG § 15 (5); KWG § 32 (1a) S. 2. BaFin-VÖ-Eigenhandel+Eigengeschäft, Ziffer 1. MiFID EG (20), Art. 2 (1) j). KWG § 2 (1) Nr. 9, 13, § 2 (6) Nr. 11, 21, § 32 (1a) S. 3 Nr. 2 und 3; WpIG § 3 (1) Nr. 13 und 20, § 15 (5) Nr. 2 und 3. 501) KWG § 2 (1) Nr. 10, 11; § 2 (6) Nr. 8, 19, 20. WpIG § 3 (1) Nr. 11, 14, 15, 18 und 19. Besondere Bedeutung hat die den EU Mitgliedstaaten gem. MiFID Art. 3 (1) gestattete und von Deutschland in KWG § 2 (6) Nr. 8 bzw. WpIG § 3 (1) Nr. 11 eingeführte Ausnahme von der Erlaubnispflicht für die Anlageberatung und -vermittlung bezogen auf Investmentfondsanteile (oder Vermögensanlagen) zwischen Kunden und regulierten Finanzakteuren.

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der Finanzanlagenvermittlung und -beratung, für die eine Gewerbeerlaubnis erforderlich ist.502) dd) Vertraglich gebundene Vermittler 134 Vertraglich gebundene Vermittler (vgV) sind in Deutschland von der Erlaubnispflicht befreit.503) Ein vgV betreibt Anlagevermittlung, Anlageberatung oder das Platzierungsgeschäft ausschließlich unter dem sog. Haftungsdach eines WpDU.504) Die Tätigkeit des vgV wird dem haftenden WpDU zugerechnet, das auch zu überwachen hat, dass der vgV die gesetzlichen Vorgaben bei der Erbringung der Dienstleistungen einhält.505) 3. Solvenzanforderungen 135 Einer angemessene Ausstattung mit Eigenmitteln (auch regulatorisches Eigenkapital oder Solvabilitätskapital genannt506)) wird zentrale Bedeutung bei der Vorsorge gegen finanzmarkttypische Risiken und damit für die Stabilisierung der Finanzakteure und des gesamten Finanzsektors zugemessen.507) Da Eigenkapital bei Verlusten eines Finanzakteurs (aus Sicht von dessen Kunden und Fremdkapitalgebern) eine Puffer-Wirkung hat (und damit auch zur Finanz___________ 502) GewO § 34f bzw. h. Finanzanlagenvermittler und -berater unterliegen einer – in ihren Grundsätzen an der MiFID orientierten – Art Minimalbeaufsichtigung durch die Gewerbeaufsicht, deren Details in der FinVermV niedergelegt sind. Die Erlaubnis kann auch unter Auflagen erteilt oder vom Nachweis einschlägiger Qualifikationen und einer Berufshaftplichtversicherung abhängig gemacht werden. Sie ist zu versagen, wenn der Antragsteller unzuverlässig ist (was angenommen wird, wenn er in den letzten fünf Jahren wegen einschlägiger Straftaten verurteilt wurde) oder insolvent. Ebenfalls einer Gewerbeerlaubnis bedürfen die gewerbsmäßig betriebene Honorar-Finanzanlagenberatung (d. h. Beratung, für die der Berater von einem Produktgeber keine Zuwendung erhält, GewO § 34h) sowie die Vermittlung von Darlehensverträgen gem. GewO § 34c (dazu näher Musterverwaltungsvorschrift zum Vollzug des § 34c der Gewerbeordnung und der MaBVwV, Ziff. 1.1.4), Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen gem. GewO § 34i oder Versicherungsverträgen gem. GewO § 34d). Details sind geregelt in der FinVermVwV, dazu näher Landmann/Rohmer-GewO-Schönleiter, FinVermVwV Ziffer 269. 503) KWG § 2 (10); WpIG § 3 (3). Die BaFin führt ein öffentliches Register, in dem vgV sofort nach der Meldung als solche bezeichnet werden. Für vgV gelten GewO §§ 14 und 35, aber eine Erlaubnis als Finanzanlagenvermittler ist gem. GewO § 34f (3) nicht erforderlich. Sie müssen ihre Geschäfte dem zuständigen Gewerbeaufsichtsamt melden, das die Geschäftstätigkeit untersagen kann, wenn der Gewerbetreibende unzuverlässig ist. 504) MiFID EG (99) – (102), Art. 4 (1) Nr. 29; KWG § 2 (10); WpIG § 3 (3). Allerdings darf es auch tatsächlich nur ein Haftungsdach sein, die Tätigkeit eines gebundenen Vermittlers für mehrere Herren ist nicht möglich (FRUG-Gesetzesbegründung, S. 93; S/A-KWG+ ZAG-Schwennicke, § 2 Rn. 89). 505) MiFID Art. 29; KWG §§ 2 (10), 25e; WpIG §§ 3 (3), 28. 506) Dieses Solvabilitätskapital ist abzugrenzen von dem von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen als Voraussetzung für die Lizenzerteilung verlangten Mindestanfangskapital (s. oben Rn. 127). Beide Kapitale sind allerdings aufsichtsrechtlich begründet und nicht zu verwechseln mit dem von allen deutschen Kapitalgesellschaften aufzubringenden gesellschaftsrechtlichen Mindestkapital (bei GmbHs EUR 25.000, bei AGs EUR 50.000). 507) Vgl. G20, Leader’s Statement, The Pittsburgh Summit, 24./25.9.2009, insbesondere statement Nr. 13.

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systemstabilität beiträgt), ist aus Regulierungssicht eine möglichst hohe Eigenmittelquote erstrebenswert. Aus Sicht der Finanzakteure selbst ist hingegen eine niedrige Quote vorzugwürdig, da Eigenkapital teurer als Fremdkapital ist508) und zudem ein eher unerwünschter geschäftsbegrenzender Faktor.509) Der Gesetzgeber versucht auch dadurch einen Ausgleich dieser Interessen herbeizuführen, dass er für Finanzakteure die Möglichkeit schafft, Fremdkapital, das über den Kapitalmarkt aufgenommen wird und bestimmten vertraglichen Nachrangigkeitsanforderungen entspricht, wie Eigenkapital anzusehen.510) Kreditinstitute und Wertpapierfirmen sollen jederzeit solvent (d. h. über ange- 136 messene Eigenmittel verfügen) und liquide (zahlungsfähig) sein.511) Die Rahmenbedingungen der Solvenz- und Liquiditätsregeln (die zusammen mit den Regelungen zur Verhinderung übermäßiger Risikokonzentration im Folgenden als Solvenzanforderungen bezeichnet werden) sind im Baseler Rahmenwerk niedergelegt.512) Sie sollen in diesem Kapitel in ihren Grundsätzen beschrieben werden. ___________ 508) Dies ist eine Grunderkenntnis der Betriebswirtschaftslehre (https://www.betriebswirtschaft-lernen.net/erklaerung/kapitalkosten/). Sie folgt bereits aus der Überlegung, dass im Krisenfall Fremdkapitalforderungen vorrangig vor Eigenkapitalansprüchen bedient werden müssen und Eigenkapital – weil risikoreicher – deshalb bei den Investoren mit höheren Renditeerwartungen verknüpft ist. Hinzu kommt aus Unternehmenssicht, dass auf Fremdkapital gezahlte Zinsen (anders als Dividenden) üblicherweise vom zu versteuernden Einkommen abgezogen werden können. 509) Zur Illustration folgendes Beispiel: Ein EK von EUR 10 Mio. erlaubt es einem Finanzakteur einen Gesamtrisikobetrag von max. EUR 125 Mio. (mit 100 % anzurechnendem, ratinggewichteten Ausfallrisiko) in der Bilanz ausweisen, denn 8 % des Gesamtrisikobetrags ergeben anrechenbare Eigenmittel von EUR 10 Mio.), der auch ein kostenerhöhendes Element hat (EK-Geber erwarten i. d. R. eine höhere Rendte als FK-Geber). Auch die Aktionäre der Finanzakteure sehen hohe gesetzliche EK-Anforderungen grds. eher skeptisch, denn sie führen zu einem höheren Haftbeitrag und mindern die EK-Rendite, da die zur Erhöhung dieser Rendite erforderliche Hebelwirkung des Fremdkapitals im Umfang beschränkt ist (vgl. Buba-VÖ-Basel-III, S. 8/9). Die einseitig die Finanzbranche treffende Belastung durch Eigenmittelanforderungen ist nicht neu. Bereits das KWG von 1934 verlangte von deutschen Banken als Reaktion auf die Erfahrung der Bankenkrise von 1931 (s. oben Rn. 13–15) die Einhaltung einer EK-Quote (vgl. Müller, Reichsgesetz, S. 219). Der deutsche KWG-Gesetzgeber von 1959 (unter Leitung von Bundeskanzler Ludwig „soziale Marktwirtschaft“ Erhardt) war sich des daraus resultierenden Eingriffs in die unternehmerische Freiheit bewusst, sah sie aber aus „übergeordneten gesamtwirtschaftlichen Gründen“ auch „in einem auf marktwirtschaftlichen Prinzipien beruhenden Wirtschaftssystem“ als gerechtfertigt an (KWG-Gesetzesbegründung, S. 19). 510) S. näher zu diesen regulatorischen Anleihen unten Rn. 391). Diese – wegen ihrer Nachrangigkeit und des daraus resultierenden erhöhten Risikos – mit höheren Zinsen ausgestatteten Anleihen zählen i. d. R. zur Kategorie der CoCos (Contingent Convertibles) und unterliegen damit insbesondere den sog. Bail-in-Regelungen, die es der Aufsicht erlauben, Fremdkapital von Finanzakteuren im Krisenfall (auch gegen den Willen der Gläubiger) in Eigenkapital umzuwandeln (s. näher zu Bail-in Rn. 75–77) und damit die EK-Basis des Finanzakteurs zu erhöhen (zur Konnektivität zwischen EK-Anforderungen und Bail-inRegelungen s. anschaulich: Finma Resolution-Bericht 2020 (file://ffwuk.local/Public/ Profiles/FRA/RL6/Downloads/20200225 %20Resolution%20Bericht%202020.pdf). 511) KWG § 10 (1) bzw. § 11 (1). Die Verpflichtung trifft sowie Institutsgruppen und FinanzHolding-Gruppen. 512) Vgl. oben in Rn. 124.

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a) Bilanz des Finanzakteurs 137 Ausgangspunkt der Bestimmung der Solvenzanforderungen ist die Bilanz des Finanzakteurs.513) Die Bilanz eines Finanzakteurs unterscheidet sich typischerweise dadurch von derjenigen eines Nicht-Finanzakteurs, dass ihre Aktiva in besonders hohem Umfang aus Forderungen bestehen und ihre Passiva in besonders hohem Umfang aus Fremdkapital.514) Für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen gelten deshalb ausgehend von den allgemeinen Bilanzregeln besondere Bilanzierungsvorschriften: Ihre Bilanzen sollen (noch besseren) Aufschluss über die Liquiditätslage und Risikosituation des Unternehmens geben.515) Auf diese Bilanzierungsvorschriften nimmt die Eigenmittelregulierung unmittelbaren Bezug. 138 Vornehmlich der Ermittlung angemessener Eigenmittel dient auch das für Finanzakteure grds. geltende Erfordernis, ein Handelsbuch und ein Anlagebuch zu führen.516) Alle bilanziellen und außerbilanziellen Positionen des Finanzakteurs müssen sich (durch entsprechende Kennzeichnung im Rechnungswesen) jederzeit dem einen oder anderen Buch zuordnen lassen.517) ___________ 513) S. zur Bilanz näher unten Rn. 345. 514) Typische Aktiva von Banken sind Kreditforderungen und von Wertpapierfirmen Forderungen aus Wertpapier- und Derivate-Handelsgeschäften. Fremdkapital von Banken besteht in erheblichem Umfang aus Kundeneinlagen und dasjenige von Wertpapierfirmen z. B. aus Anleiheemissionen. 515) Die Gliederung der Bankbilanz ergibt sich aus HGB § 340 i. V. m. Formblatt 1 der RechKredV (deren EU Rechtsgrundlage die BAAD ist). Die Aktivseite differenziert zwischen Barmitteln, Forderungen und Wertpapieren, unterscheidet hingegen nicht zwischen Anlage- und Umlaufvermögen. Die Passivseite unterscheidet Verbindlichkeiten und verbriefte Verbindlichkeiten. Näher: E/B-Bankrecht-Fischer/Boegl, § 117 Rn. 32; IDW-Kreditinstitute, Kapitel D Nr. 2 Rn. 7. 516) Auerbach-B/H-Aufsicht-Auerbach, Teil B.IV.1 Rn. 209. Die Eigenmittelanforderungen für das Marktpreisrisiko werden unterschiedlich berechnet je nachdem, ob eine Risikoposition dem Handels- oder Anlagebuch zugeordnet ist; für die Berechnung der Handelsbuchpositionen gelten die (komplexen) Berechnungsgrundsätze von CRR Art. 299 (s. unten Rn. 141–146). 517) Gem. CRR Art. 4 (1) Nr. 86 und IRR Art. 4 (1) Nr. 54 zählen zum Handelsbuch alle Positionen in Finanzinstrumenten und Waren, die ein Finanzakteur mit Handelsabsicht oder zur Absicherung von mit Handelsabsicht gehaltenen Positionen hält. Dazu gehören gem. CRR Art. 85 (a) Eigenhandelspositionen und Positionen, die sich aus Kundenbetreuung und Marktpflege ergeben, (b) Positionen, die zum kurzfristigen Wiederverkauf gehalten werden (dies schließt auch Nicht-Finanzinstrumente mit ein, z. B. Kreditforderungen) und (c) Positionen, bei denen die Absicht besteht, aus kurzfristigen Kursunterschieden zwischen Ankaufs- und Verkaufskurs Profit zu ziehen. Aus CRR Art. 102 (1) folgt zudem, dass (a) die Positionen im Handelsbuch keinen Beschränkungen in Bezug auf ihre Marktfähigkeit unterliegen dürfen oder abgesichert werden können (d. h. es muss überhaupt ein Markt da sein), (b) die Handelsabsicht anhand von (den in CRR Art. 103 niedergelegten) Anforderungen nachgewiesen sein muss und (c) der Finanzakteur Systeme und Kontrollen haben muss, die der Führung des Handelsbuchs dienen. Dem Handelsbuch zuzuordnen sind i. Ü. Finanzinstrumente mit kurzfristigen Restlaufzeiten (relevante Laufzeiten ergeben sich aus RechKredV § 9 (2): Restlaufzeiten: bis 1 Jahr: kurzfristig; 1 – 5 Jahre: mittelfristig; ab 5 Jahre: langfristig). Alle anderen Positionen zählen zum Anlagebuch. Eine Umordnung von Positionen des Handelsbuchs in das Anlagebuch oder umgekehrt ist vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen für die bisherige eine Zurechnung entfallen sind. Ansonsten darf eine Umwidmung nur dann erfolgen, wenn dafür ein schlüssiger Grund vorliegt (Kriterien dafür sind vom Finanzakteur festzulegen – CRR Art. 104 (2) g)).

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III. Regulierung der Kapitalmarktakteure

b) Angemessene Eigenmittel Eigenmittel dienen der Risikovorsorge. Sie müssen bei Finanzakteuren in an- 139 gemessenem Umfang vorhanden sein. aa) CRR-Eigenmittelberechnung für Kreditinstitute und große Wertpapierfirmen Zum Zweck der Ermittlung eines angemessenen Umfangs sind die (in der CRR 140 näher definierten, hierarchisch abgestuften) Eigenmittel der (zusammen als Institute bezeichneten518)) Kreditinstitute und großen Wertpapierfirmen (CRREigenmittel) und ihre (risikogerecht gewichteten) Aktiva und außerbilanziellen Posten519) (CRR-Risikoposition) ins Verhältnis zu setzen.520) Die aus dieser Berechnung resultierenden Ergebnisse dürfen die in CRR Art. 92 (1) festgelegten Eigenmittelquoten (CRR-Eigenmittel-Quoten) nicht unterschreiten.521) Kurz gesagt (zu den Einzelheiten sogleich), drückt der Gesetzgeber die Angemessenheit der Eigenmittel eines Instituts durch die CRR-Eigenmittel-Quoten aus.522)

___________ 518) 519) 520) 521)

S. zur Terminologie oben Rn. 106–107. CRR Art. 5 Nr. 1. E/B-Bankrecht-Kolassa, § 123 Rn. 8. Den Zähler der CRR-Eigenmittel-Quoten bilden die (jeweiligen) CRR-Eigenmittel, den Nenner der Gesamtforderungsbetrag der Risikopositionen. 522) Das Prinzip der Eigenmittelunterlegung von Risiken ist eigentlich einfach und war in den (durch RiLi 89/299/EWG und RiLi 89/647/EWG ins EU Recht und KWG § 10 (alt) ins deutsche Recht eingeführten) Basel-I-Regeln von 1988 (zunächst nur für Ausfallrisiken, 1996 um Marktrisiken ergänzt) auch recht verständlich umgesetzt: Das Aktivgeschäft eines Finanzakteurs musste mit einem Minimum an Eigenkapital (8 % – der sog. Solvenzkoeffizient) bestimmter Qualität (Kernkapital und Ergänzungskapital) unterlegt sein (die verbleibenden 92 % können durch Fremdkapital refinanziert werden). Für die Zwecke der Gegenüberstellung von Aktiva und Eigenmitteln wurden die Nennbeträge der Aktiva (vornehmlich Forderungen aus Kredit- oder Finanzinstrumenthandelsgeschäften) nicht einfach addiert, sondern die in ihnen enthaltenen Risiken gewichtet. Es gab 4 Kategorien von Schuldner-Risikogewichten: 0 % für OECD-Länder, 20 % für OECD-Banken, 50 % für Emittenten hypothekenbesicherter Wertpapiere und 100 % für alle anderen Schuldner. Die Basel-II-Regeln von 2004 sollten Risiken genauer erfassen und eine Struktur für ihre Überwachung implementieren; sie schufen 3 Säulen von Maßnahmen, die sich gegenseitig ergänzen sollen: · Säule 1: Berechnung der Kapitalanforderungen anhand von Ausfall-, Markt- und Settlementrisiken, wobei anstelle der schematischen Basel-I-Risikogewichte feiner differenzierende rating-basierte Gewichtungen traten (hier wurde weiter unterschieden zwischen Standard- und Internen Ratings); auch wurden spezielle Vorschriften z. B. für Verbriefungen eingeführt. · Säule 2: Vorgaben von Grundprinzipien für die qualitative Bankenaufsicht und das Risikomanagement in den Instituten. · Säule 3: Einführung von aufsichtlichen Transparenz- und Meldepflichten der Institute.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

(1) Risiken und ihre Erfassung 141 CRR-Eigenmittel sollen Vorsorge treffen gegen vier Kategorien von Risiken, die sich in Bezug auf CRR-Risikopositionen realisieren und für das Institut nachteilige Auswirkungen haben können: Ausfall-, Markt-, Settlement- und operationelle Risiken.523) Für die Erfassung und (angemessene) Gewichtung der Risiken einer jeden dieser Kategorien sieht die CRR verschiedene Parameter und Methoden vor.524) 142 Ausfallrisiko525) ist das Risiko, dass der Schuldner einer CRR-Risikoposition zahlungsunfähig wird. Das Ausfallrisiko wird nicht mit dem Nennbetrag der CRR-Risikopositionen berücksichtigt, sondern mit sog. risikogewichteten Forderungsbeträgen (auch Positionsbeträge genannt), bei deren Ermittlung die Qualität des Schuldners auf Basis eines (externen oder internen) Ratings berück___________ Die Basel-III-Regeln von 2010 übernehmen die Eigenmittel-3-Säulenstruktur, reformieren Eigenmittelbestimmung und Risikoerfassung aber stark und fügen neue Instrumente hinzu: · Eigenmittel: Enge Definition des harten Kernkapitals, Erhöhung der Abzüge vom Kernkapital und Erhöhung seines Anteils am erforderlichen Gesamtkapital. · Zusatzmaßnahmen für systemisch relevante Finanzinstitute (Systemically Important Financial Instututions): Sie müssen eine Verlustabsorptionsfähigkeit vorweisen, die über die Basel-III-Standards hinausgeht. · Antizyklische Maßnahmen: Einführung von Kapitalerhaltungspuffern, die Institute in guten Zeiten zusätzlich zu den Eigenmitteln aufbauen müssen, sowie eine risikounabhängige Verschuldungsquote (Leverage Ratio). · Risikoerfassung: Die Eigenmittelanforderungen für Ausfall- und Markt-Risiken bei (komplexen) Verbriefungs- und OTC-Derivategeschäften (Credit Valuation Adjustment Risk) werden generell erhöht (Erleichterungen werden bei der Geschäftsdurchführung über CCP eingeräumt). · Zusätzliche Anforderungen an Risikomanagement und Aufsicht (Säule 2) z. B. durch Stresstests, und Transparenz- und Meldepflichten (Säule 3), z. B. erhöhte Offenlegungspflichten bei den einzelnen Bestandteilen des regulatorischen Eigenkapitals. · Neueinführung von Liquiditätsstandards LCR und NSFR (s. unten Rn. 155). Sämtliche Basel-Regeln sind in dem (konsolidierten) Baseler Rahmenwerk (s. oben Rn. 124) eingearbeitet. Zur Entwicklung der Basel-Regeln und ihrer Umsetzung in europäisches und nationales Recht s.: Buba-VÖ-Basel, E/B-Bankrecht-Fischer/Boegl, § 114 Rn. 2 ff., E/B-Bankrecht-Kolassa, § 123 Rn. 1 ff. und 19 ff., jeweils mit weiteren Verweisen. 523) CRR Art. 1 lit a). S. zur Beschreibung dieser Risiken oben Rn. 43. 524) Für jede dieser vier Risikokategorien erlaubt die CRR den Instituten, zwischen einer Standardmessmethode und einer oder mehreren auf internen Modellen basierenden Messmethoden zu wählen (wobei die Nutzung einer internen Methode deren Zulassung durch die zuständige Aufsichtsbehörde voraussetzt). 525) Das Ausfallrisiko ist in CRR Art. 107-311 unter der Überschrift Eigenmittelanforderungen für das Kreditrisiko geregelt. Die CRR definiert weder den (in Art. 1 lit a) verwendeten) Begriff Kreditausfallrisiko noch den (häufig verwendeten) Begriff Kreditrisiko. Aus den Definitionen der Begriffe Kreditrisikominderung (als ein Verfahren, das ein Institut einsetzt, um das mit einer oder mehreren Risikopositionen seines Bestands verbundene Kreditrisiko herabzusetzen – CRR Art. 4 Nr. 57) und Risikoposition (als einen Aktivposten (Vermögenswert) oder einen außerbilanziellen Posten – CRR Art. 5 (1)) folgt aber, dass damit nicht nur der Ausfall von Krediten, sondern generell das Risiko des Ausfalls des Schuldners einer Forderung gemeint ist. Die Verwendung des Begriffs Kreditrisiko in diesem Zusammenhang ist deshalb irreführend und wird in diesem Buch ersetzt durch Ausfallrisiko.

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III. Regulierung der Kapitalmarktakteure

sichtigt wird.526) Verschlechtert sich das Rating, muss das Institut seine CRRRisikoposition mit mehr CRR-Eigenmitteln unterlegen, andernfalls mit weniger.527) Grundlage der Ermittlung des Ausfallrisikos (das den Ausgangspunkt für die Ermittlung der erforderlichen CRR-Eigenmittel eines Instituts darstellt) sind die Forderungsbeträge einer Risikoposition und ihre Gewichtung. Marktrisiko ist das Risiko, dass sich Zinsen, Börsenpreise oder Fremdwäh- 143 rungskurse (nachteilig) ändern. Die CRR gliedert das Marktrisiko in das aus der Handelsbuchtätigkeit des Instituts resultierende Positionsrisiko528) sowie das Fremdwährungs- und das Warenpositionsrisiko.529) ___________ 526) Für die Ermittlung dieser Forderungsbeträge (Positionsbeträge) und ihrer Risikogewichtung wird unterschieden zwischen Forderungen, die der Handelsbuchtätigkeit eines Instituts aus Derivategeschäften (und vergleichbaren Geschäften mit langer Abrechnungsfrist) entspringen (CRR Art. 92 (3) f)) und solchen aus allen anderen Geschäftsfeldern (CRR Art. 92 (3) a)). Positionsbeträge von Handelsbuch-Derivaten und ihre Risikogewichtung werden nach den Regeln über das Gegenparteiausfallrisiko aus der Handelsbuchtätigkeit gem. CRR Art. 271-311 ermittelt. Besondere Regeln gelten auch für Verbriefungen (CRR Art. 242-270) (s. dazu unten Rn. 389). Für die Messung des Ausfallrisikos der Forderungen aus allen (anderen) Geschäftsfeldern stellt die CRR den Kreditrisiko-Standardansatz (KSA) und den auf internen Ratings basierenden Ansatz (IRBA) zur Verfügung (CRR Art. 107-110). Im KSA werden die Risikogewichte der Risikopositionen auf der Grundlage externer Ratings ermittelt, die von aufsichtlich anerkannten Ratingagenturen veröffentlicht wurden. Basierend auf den Ratings werden den Risikopositionen kategorisierte Risikogewichte zwischen 0 % und 1.250 % zugeordnet. Für ungeratete Risikopositionen sind pauschale Risikogewichte festgelegt. Daneben gibt es Risikopositionskategorien, für die externe Ratings generell keine Rolle spielen, sondern immer pauschale Risikogewichte angewendet werden. Im IRBA werden die externen Ratings durch interne Beurteilungen ersetzt (wobei noch weiter danach unterschieden wird, ob ein Institut jenseits des Mengengeschäfts nur die Ausfallwahrscheinlichkeit (PD) selbst schätzt (Basis-Ansatz) oder ob es auch die Verlustquote bei Ausfall (LGD) und den Konversionsfaktor (fortgeschrittener Ansatz) einbezieht). Jeder Schuldner wird anhand interner Bonitätsbeurteilungen einer bestimmten Ratingstufe zugeordnet. Das für eine Risikoposition anzuwendende Risikogewicht berücksichtigt dabei vor allem die PD des Schuldners (die das Institut für alle Schuldner derselben Ratingstufe auf der Basis historischer Daten schätzen kann). Die Risikogewichte können durch den Einsatz von Kreditrisikominderungstechniken (CRR Art. 192-241) herabgesetzt werden. Auch hier erlaubt die CRR unterschiedliche Methoden, bei der einfachsten wird das Risikogewicht des Schuldners durch das Risikogewicht der Sicherheit ersetzt (vgl. BaFin, Eigenmittelanforderungen für Kreditrisiken, https://www. bafin.de/DE/Aufsicht/BankenFinanzdienstleister/Eigenmittelanforderungen/Kreditrisiken/ kreditrisiken_node.html;jsessionid=513D377EC6854D8BF758F9467D7E0101.1_cid363 #doc7852188bodyText1). 527) CRR Art. 113 ff. erlauben die Verwendung externer Ratings nur, wenn diese von gem. den Vorgaben der RatingR anerkannten Ratingagenturen (External Credit Assessment Institutions – ECAIs) erstellt wurden. S. unten Rn. 183. 528) Das Positionsrisiko bezieht sich auf das Verhältnis von Kauf- und Verkaufspositionen eines Instituts in Finanzinstrumenten und setzt sich aus dem spezifischen Risiko des Emittenten/der Gegenpartei sowie dem allgemeinen Marktrisiko zusammen (Gabler-Krämer, https://www.gabler-banklexikon.de/definition/positionsrisiko-60579/version-346980). Es ist für jede Kategorie von Finanzinstrumenten separat zu berechnen (CRR Art. 327 (1)). Für die Ermittlung des Positionsrisikos werden die Institute nach der Größe des Handelsgeschäftsvolumens in zwei Kategorien unterteilt: Institute mit geringem Handelsvolumen (Nichthandelsbuchinstitute) sind durch eine Bagatellregelung (CRR Art. 94) von den umfangreichen Berechnungsverfahren für Handelsbuchpositionen befreit, solange der Umfang ihrer bilanz- und außerbilanzmäßigen Handelsbuchtätigkeit i. d. R. unter

91

B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

144 Operationelles Risiko ist das Risiko, dass Verfahren, Menschen oder Systeme versagen oder nicht kontrollierbare externe Ereignisse eintreten und dadurch die Geschäftserfüllung behindert wird. Die Grundlage für die Berechnung des Operationellen Risikos ist der Drei-Jahresdurchschnitt des maßgeblichen Indikators.530) 145 Settlementrisiko ist das Risiko, dass im Fall von Geschäften mit Wertpapieren, Fremdwährungen oder Waren am festgesetzten Liefertag keine Erfüllung erfolgt. Dann muss der Wiedereindeckungsaufwand (d. h. die Differenz zwischen dem Abrechnungspreis und dem aktuellen Marktwert) ermittelt werden.531) 146 Zweck der Erfassung und Gewichtung der Risiken ist die Berechnung des CRR-Gesamtrisikobetrags532) (für dessen Deckung dann CRR-Eigenmittel in Höhe der CRR-Eigenmittel-Quoten bereitstehen müssen). (2) Eigenmittelbestandteile und -quoten 147 Zu den CRR-Eigenmitteln zählen hartes und zusätzliches Kernkapital sowie Ergänzungskapital.533)

___________

529) 530)

531) 532)

533)

92

5 % der Gesamtaktiva und unter EUR 15 Mio. liegt und nie 6 % der Gesamtaktiva und EUR 20 Mio. übersteigt. Nichthandelsbuchinstitute können die Eigenkapitalanforderungen für Handelsbuchpositionen gem. den Regeln für das Anlagebuch berechnen (CRR Art. 94, 92) und deswegen auch Standardmethoden verwenden. Institute mit einer die Bagatellgrenzen übersteigenden Handelsbuchaktivität (Handelsbuchinstitute) müssen die sehr viel komplexeren Anforderungen gem. CRR Art. 271-311 anwenden (näher: ZereyFinanzderivate-Lange, § 32 Rn. 97 ff.). CRR Art. 325. In CRR Art. 328-377 finden sich für Instrumente einer jeden Risikokategorie Berechnungsvorschriften zur Ermittlung des jeweiligen Anrechnungsbetrages (näher: Buba-VÖ-Marktrisiko). CRR Art. 4 Nr. 52, Art. 312 ff. Der maßgebliche Indikator wird aus einigen Posten der GuV ermittelt (Zins- und Provisionsüberschuss, Handelsergebnis und sonstige betriebliche Erträge). Die Eigenmittelanforderung ergibt sich bei Anwendung der Standardmessmethode, indem der maßgebliche Indikator pauschal mit 15 % multipliziert wird (CRR Art. 315 (1)). CRR Art. 378 f. CRR Art. 92 (3). Dieser Gesamtrisikobetrag ist die Summe der Teilanrechnungsbeträge für die einzelnen Risiken, in die ein Institut seine Geschäftsrisiken nach den Vorgaben der CRR zerlegen muss. Er errechnet sich wie folgt: (gewichtetes) Ausfallrisiko bzgl. aller Risikopositionen (außer Handelsbuch) + Positionsrisiko aus Handelsbuchtätigkeit + (zulässige) Überschreitungen der Großkreditobergrenzen + Fremdwährungsrisiko + Settlementrisiko + Warenpositionsrisiko + Gegenparteiausfallrisiko in bestimmten Konstellationen + Anpassung der Kreditbewertung (Credit Value Adjustment) + Operationelles Risiko. CRR Art. 4 (1) Nr. 118 und Art. 72, wobei das Ergänzungskapital nur in Höhe von 1/3 des Kernkapitals anrechenbar ist (CRR Art. 4 (1) Nr. 71).

III. Regulierung der Kapitalmarktakteure Kapitalkategorien534) Beschreibung

Rechtsgrundlage

Hartes Kernkapital (Common Equity Tier1 Capital – CET1)

Gezeichnetes Kapital (Aktien, Anteile an GmbH, CRR KG oder Genossenschaft) zzgl. Rücklagen und Art. 26 – 50 thesaurierte Gewinne

Zusätzliches Kernkapital (Additional Tier1 Capital – AT1)

Hybrides Kapital (unbesicherte unbefristete nachrangige Schuldverschreibungen oder stille Einlagen mit Umwandlungs- bzw. Herabschreibungsklausel z. B. Wandelanleihen, stille Beteiligungen)

CRR Art. 51 – 61

Ergänzungskapital (Tier2 Capital – T2)

(anderes) nachrangiges Fremdkapital (z. B. Genussrechtskapital)

CRR Art. 62 – 71

Die CRR-Eigenmittel-Quoten (Eigenmittelanforderungen)535) sind erfüllt bei: x

einer harten Kernkapitalquote von 4,5 %,

x

einer Kernkapitalquote von 6 %,

x

einer Gesamtkapitalquote von 8 %.536)

148

Institute müssen also durch Aufnahme entsprechender Kapitalia am Kapitalmarkt mittels geeigneter Kapitalmarktinstrumente537) dafür sorgen, dass sie die Eigenmittelanforderungen erfüllen. (3) Funktionen des Kernkapitals Wichtigste Aufgabe der Eigenmittel ist es, Verluste absorbieren zu können, 149 d. h. zu verhindern, dass das Institut insolvent wird bzw. die Gläubiger des Instituts in Mitleidenschaft gezogen werden (und am Ende der Steuerzahler zur Verlustdeckung einspringen muss).538) Die beste Absorptionsqualität wird dem (harten) Kernkapital zugeschrieben, für das deshalb ein hoher Anteil an der ___________ 534) Die Begriffe CET1, AT1 und T2 werden in der Praxis (z. B. von der BaFin in BaFin-VÖHaftungskaskade) zur Kennzeichnung von Finanzinstrumenten verwendet, die von Instituten begeben werden, um Eigenmittel zu generieren (s. unten Rn. 391). Sie spielen auch eine gewichtige Rolle im Zusammenhang mit Bail-in (s. oben Rn. 75–77) und der Rangfolge von Ansprüchen der Gläubiger im Falle der Insolvenz eines Instituts (s. oben Rn. 70). 535) Die Verwendung des Begriffs Eigenkapitalquote für die CRR-Eigenmittel-Quoten ist irreführend, denn unter diesem Begriff wird üblicherweise eine (vertikale) Bilanzkennzahl verstanden, die das Verhältnis des Eigenkapitals (Zähler) eines Unternehmens zum Gesamtkapital (Nenner) beschreibt (sich also nur auf Kennzahlen der Passivseite der Bilanz bezieht). Bei den CRR-Eigenmittel-Quoten geht es hingegen um eine (horizontale) Bilanzkennzahl, bei der die Passiva des CRR-Eigenmittel (Zähler) in Verhältnis zu den CRRRisikopositionen (Nenner) gesetzt werden. 536) CRR Art. 92 (1). 537) S. dazu unten Rn. 391. 538) Das Solvabilitätskapital dient zum Ausgleich anfallender Verluste im laufenden Geschäftsbetrieb (going concern), zur Befriedigung der Ansprüche von Gläubigern im Insolvenzfall (gone concern) und zur Begrenzung der Verlustrisiken aus bestimmten Geschäften (vgl. Buba-VÖ-Basel-III, S. 7).

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

Gesamtquote vorgesehen ist.539) Auch das Kernkapital kann aber Verluste nicht wirklich absorbieren, wenn ihm auf der Aktivseite der Bilanz Vermögensgegenstände mit zweifelhafter Verwertbarkeit, wie z. B. der Unternehmens-Goodwill, gegenüberstehen.540) CRR Art. 36 enthält deshalb eine (lange) Liste von AktivPosten, die vom (harten) Kernkapital abgezogen werden müssen und damit die CRR-Eigenmittel eines Instituts vermindern.541) 150 Zusätzlich zu den CRR-Eigenmitteln sollen Institute Puffer aus hartem Kernkapital vorhalten (andernfalls unterliegen sie Ausschüttungsbeschränkungen).542) 151 Das Kernkapital dient außerdem als Grundlage für eine weitere (risikounabhängige543)) Messeinheit – die sog. Verschuldungsquote (Leverage Ratio).544) Die Leverage Ratio begrenzt die mögliche Verschuldung von Instituten durch Bestimmung eines Mindestverhältnises von Kernkapital zu den (risiko-ungewichteten) bilanziellen und außerbilanziellen Positionen von (gegenwärtig) 3 %.545)

___________ 539) Die Eigenschaften des Hybridkapital sind i. d. R. nicht präzise gesetzlich festgeschrieben und erlauben individuelle vertragliche Regelungen, die seine Verlustabsorptionsfähigkeit mindern können, z. B. Kündigungsrechte (vgl. Buba-VÖ-Basel-III, S. 7). 540) Buba-VÖ-Basel-III, S. 8. 541) Zu diesen Abzugsposten zählen Beteiligungen, die das Institut an anderen Finanzakteuren hält (CRR Art. 36 (1) (h) und (i)), weil ansonsten die Gefahr bestünde, dass nur einmal vorhandenes Eigenkapital doppelt gezählt wird (E/B-Bankrecht-Kolassa, § 123 Rn. 43). 542) Auch die Kapitalpuffer-Anforderungen entstammen Basel-III. Sie wurden in CRD Art. 128 ff. europarechtlich und in Deutschland in KWG §§ 10c) – 10i) und der (deutschen) SolvV umgesetzt. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Instrumente: · Der Kapitalerhaltungspuffer (Umfang: 2,5 % des Gesamtrisikobetrages) soll Verluste ausgleichen, die ohne ihn zu einem Abschmelzen des gesetzlich verlangten Kapitals führen würden. · Der antizyklische Kapitalpuffer (Umfang gem. KWG § 10d) festzulegen) resultiert aus der Erkenntnis, dass einem volkswirtschaftlichen Abschwung oftmals eine Phase exzessiven Kreditwachstums vorausgeht, deren Ausfälle später zu hohen Verlusten im Finanzsektor führen, was den Abschwung weiter befeuert. · Der Kapitalpuffer für systemische Risiken (Umfang: 5 % des Gesamtrisikobetrages) soll langfristige nicht zyklische systemische oder makroprudenzielle Risiken, die zu einer Systemgefährdung führen können, vermeiden. · Der Kapitalpuffer für global systemrelevante Institute (Umfang: bis 3,5 % des Gesamtrisikobetrages) soll das besondere Risiko reflektieren, das diese Institute für das Finanzund Wirtschaftssystem (und damit den Steuerzahler) darstellen. Finden auf ein Institut sowohl ein Kapitalpuffer für systemische Risiken als auch ein Kapitalpuffer für global systemrelevante Institute Anwendung, soll nur der höhere von beiden gelten. Nähere Erläuterungen finden sich in CRD EG (80) – (90). 543) Mit der Leverage Ratio wurde ergänzend zu der flexiblen, risikosensitiven Eigenmittelanforderung die einer anderen Denkschule entstammende starre Eigenmittelkonzeption eingeführt, die einer rein volumensmäßigen Orientierung unterliegt (E/B-Bankrecht-Haug, § 119 Rn. 52 f.). 544) CRR Art. 429. Die Leverage Ratio ist umfassend geregelt in CRR II. 545) Buba-VÖ-Leverage Ratio.

94

III. Regulierung der Kapitalmarktakteure

bb) IFR-Eigenmittelberechnung für kleine und mittlere Wertpapierfirmen Die Systematik der Ermittlung der gem. IFR für Wertpapierfirmen erforder- 152 lichen Eigenmittel546) unterscheidet sich von der CRR-Methode. Die Höhe der erforderlichen Eigenmittel wird für Klasse-2-Wertpapierfirmen547) nicht durch Bezugnahme auf gewichtete Risikopositionen ermittelt, sondern als der höchste der folgenden Beträge bestimmt:548) x

Der maßgebliche Anfangskapitalbetrag,549)

x

1/4 der fixen Gemeinkosten des Vorjahres (Fixed Overheads Requirements – FOR),550)

x

die Summe der auf (große oder mittlere) Wertpapierfirmen anwendbaren KFaktoren (d. h. Kapitalanforderungen für Risiken, die von der Wertpapierfirma im Hinblick auf Kunden, Märkte und die Firma selbst ausgehen).551)

___________ 546) Die IFR-Eigenmittel selbst und ihre Zusammensetzung (hartes Kernkapital + zusätzliches Kernkapital + Ergänzungskapital – Abzugsposten) entsprechen weitgehend den CRREigenmitteln (vgl. IFR EG (13) und Art. 9 (1)). Bei der Anwendung von Abzugsposten von Eigenmitteln sind allerdings die Sonderregelungen in IFR Art. 9 (2) zu beachten. 547) S. zur Terminologie oben Rn. 108. Für Klasse-3-Wertpapierfirmen gelten die K-Faktoren nicht; für sie ergeben sich die IFR-EM-Quoten aus Anfangskapital und FOR (IFR Art. 11 (2)). 548) IFR Art. 11 (1). In der IFR wird stärker auf die Aktivitäten der Wertpapierfirmen abgestellt als auf Bilanzwerte. Anders als im Bereich der Bankenaufsicht kommt keine Risikogewichtung zur Anwendung. Allerdings verweist die IFR zumindest punktuell auf die CRR, z. B. bzgl. der Durchführung der aufsichtsrechtlichen Konsolidierung (IFR Art. 7 (2)), der Anrechenbarkeit von Eigenkapitalinstrumenten als Eigenmittel und die in diesem Zusammenhang zu beachtenden Abzugsposten (IFR Art. 9 und 10), der Berechnung von Marktrisiken (IFR Art. 22), des Opt-in in die Berechnung des Gegenparteiausfallrisikos (K-TCD) (IFR Art. 25 (4)) oder der Einstufung von Aktiva als liquide für Zwecke der Ermittlung der Liquiditätsanforderungen (IFR Art. 43 (1)). 549) S. Rn. 127. 550) IFR Art. 13 (1). Einzelheiten der Berechnung werden durch Level 3-Rechtsakte festgelegt. 551) Gem. IFR EG (20) – (27), Art. 15 (1) umfassen die K-Faktoren Risiken, die · die Wertpapierfirma für Kunden darstellt (Risk-to-Client – RtC), wobei weiter differenziert wird zwischen Kapitalanforderungen für das verwaltete Vermögen (Assets Under Management – K-AUM), gehaltene Kundengelder (Client Money Held – KCMH), verwahrte und verwaltete Vermögenswerte (Assets Safeguarded and Administered – K-ASA) und bearbeitete Kundenaufträge (Client Orders Handled – K-COH); · von der Wertpapierfirma für den Markt ausgehen (Risk-to-Market – RtM), wobei weiter differenziert wird zwischen Kapitalanforderungen für das Nettopositionsrisiko des Handelsbuchs (Net Position Risk – K-NPR) und geleistete Marginzahlungen (Clearing Member Guarantee – K-CMG); · den Fortbestand der Wertpapierfirma selbst gefährden könnten (Risk-to-Firm – RtF) durch Erfassung von (i) Risikopositionen der Wertpapierfirma bei Ausfall ihrer Handelsgegenparteien (Trading Counterparties – K-TCD), und (ii) dem Konzentrationsrisiko bzgl. der Großkredite der Wertpapierfirma ggü. bestimmten Gegenparteien bezogen auf Großkredite im Handelsbuch (concentration own name – K-CON) und operationelle Risiken aus dem täglichen Handelsstrom (Daily Trading Flow – K-DTF).

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

cc) Ständige Überprüfung 153 Kreditinstitute und Wertpapierfirmen müssen die Angemessenheit ihres Kapitals in sog. internen Kapitaladäquanzverfahren (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP) ständig kritisch überprüfen.552) ICCAPs wiederum unterliegen der ständigen Überprüfung und Bewertung durch die Aufsicht (Supervisory Review and Evaluation Process – SREP).553) c) Liquidität 154 In der Forderung des Aufsichtsrechts, dass Banken grds. ständig zahlungsbereit zu sein haben, offenbart sich ein Dilemma: Einerseits erwartet der sein Geld zur Bank bringende Kunde, dass er es jederzeit (zzgl. Einlagezinsen) zurückerhält (und wird, wenn dies nicht gewährleistet ist, schnell nervös – mit fatalen Folgen für die Gesamtwirtschaft – Stichwort Bank Run554)). Andererseits muss die Bank mit dem Geld des Kunden arbeiten – um die Einlagezinsen erwirtschaften und das Bedürfnis der Realwirtschaft und der Privathaushalte nach Kredit befriedigen zu können – und ist deshalb nicht ständig vollständig liquide. Die Auflösung dieses Dilemmas kann nur durch ein vernünftiges, auf Erfahrungswerten und Statistik beruhendem Liquiditäts- und Fristenmanagement erfolgen.555)

___________

552)

553) 554) 555)

96

Für jeden K-Faktor enthält die IFR in Art. 15 – 33 Berechnungsvorgaben, die von der Wertpapierfirma anzuwenden und bzgl. derer umfangreiche Meldungen vorzunehmen sind. Über die K-Faktoren RtC, RtM und RtF werden an Wertpapierfirmen, die risikoreichen Geschäften nachgehen, besondere Eigenmittelanforderungen gestellt. CRD Art. 73; KWG § 25a (1) S. 3 Nr. 2; IFD Art. 24, WpIG § 39, MaRisk AT4.1. S. auch Buba/BaFin-VÖ-Risikotragfähigkeitsleitfaden. Kleine Wertpapierfirmen sind von den verfahrensmäßigen Anforderungen grds. ausgenommen, können von den zuständigen Behörden jedoch dazu verpflichtet werden (IFD Art. 25 (2), WpIG § 39 (3)). CRD Art. 97. Näher: EBA-VÖ-SREP. S. oben Rn. 14. Gerade an dieser Aufgabe sind im Vorfeld der Finanzkrise von 2008 (überraschend) viele Finanzakteure gescheitert. Das Beispiel der größten Insolvenz von 2008, diejenige der Investmentbank Lehman Brothers zeigt, dass das Problem nicht dasjenige der Überschuldung infolge von Spekulationsverlusten war, sondern eines des mangelhaften Liquiditätsund Fristenmanagements. Wie viele andere Finanzakteure auch hatte Lehman langfristig laufende Investitionen (in MBS) kurzfristig (über CP-Programme) finanziert. Als letztere dann nicht verlängert werden konnten, wurde die Bank zahlungsunfähig. Dass Zahlungsunfähigkeit (und nicht Überschuldung) der Insolvenzgrund von Lehman war, legen auch die hohen Insolvenzquoten nahe, die die Lehman-Insolvenzverfahren generell erzielten (s. dazu oben Rn. 13). Möglicherweise mag früher die Vorstellung bestanden haben, dass sich ein Finanzakteur mit guter Bonität jederzeit am Kapitalmarkt refinanzieren könne. Die Finanzkrise von 2008 hat dies jedoch als Illusion entlarvt (näher: E/B-BankrechtFischer/Boegl, § 114 Rn. 53).

III. Regulierung der Kapitalmarktakteure

Ein solches Liquiditäts- und Fristenmanagement schreibt die CRR556) (in An- 155 lehnung an das Baseler Rahmenwerk) vor: Die (kurzfristige) sog. Liquiditätsdeckungsanforderung (Liquidity Coverage Requirement – LCR)557) verlangt von Instituten ein Minimum an hochliquiden Aktiva (Bargeld, Staatsanleihen) als Liquiditätsreserve, um im Falle einer Krise den über einen Zeitraum von 30 Tagen auftretenden Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können.558) Die (über einen längeren Zeitraum wirkende) sog. strukturelle Liquiditätsquote (Net Stable Funding Ratio – NSFR)559) adressiert die Fristentransformation zwischen Aktivgeschäft und Refinanzierung und verlangt von Instituten, dass die Summe der gem. ihrer dauerhaften Verfügbarkeit gewichteten Passiva mindestens der Summe der nach ihrer Liquiditätsbindung gewichteten Aktiva zuzüglich des mittelfristigen Refinanzierungsbedarfs aus außerbilanziellen Positionen (erforderliche stabile Refinanzierung) entspricht. Für Wertpapierfirmen sieht die IFR Erleichterungen und Vereinfachungen vor.560) d) Konzentration Für Kreditinstitute (Stichwort: Großkreditgrenze) und (große und mittlere) 156 Wertpapierfirmen gilt, dass ihre Risikopositionen gegenüber einem einzigen Kunden 25 % ihrer Eigenmittel nicht übersteigen dürfen.561)

___________ 556) Bis zum Inkrafttreten der CRR war die Liquiditätssicherung im harmonisierten Bankrecht der EU nicht geregelt. Im deutschen Recht galt lange der KWG § 11 konkretisierende Grundsatz II (Liquiditätsgrundsatz), der 2007 durch die LiqV abgelöst wurde (E/BBankrecht-Kolassa, § 123 Rn. 6). 557) CRR Art. 412. Gelegentlich wird LCR auch als Liquidity Coverage Ratio definiert. 558) In der CRR-DelVO 2015/61/EU zur LCR sind das zugrundeliegende Stressszenario sowie die sich daraus ableitenden vorzuhaltenden Aktiva und zu berücksichtigenden Zahlungsströme dargelegt. 559) CRR Art. 413 und 510. 560) Für Klasse-2-Wertpapierfirmen gilt ein deutlich einfacheres System: Sie müssen liquide Aktiva in Höhe von mindestens 1/3 der Anforderungen für die fixen Gemeinkosten vorhalten; Klasse-3-Wertpapierfirmen können sich auch von diesen Anforderungen befreien lassen (IFR EG (28), Art. 43). Die Anforderungen für fixe Gemeinkosten in einem Jahr belaufen sich auf ¼ der fixen Gemeinkosten des Vorjahres (IFR Art. 13 (1)), so dass Liquidität in Höhe von 1/12 der fixen Gemeinkosten des Vorjahres vorzuhalten ist. 561) Für Kreditinstitute: Gem. CRR Art. 392 ist eine Risikoposition eines Instituts gegenüber einem Kunden (oder einer Gruppe verbundener Kunden) ein Großkredit, wenn sein Wert 10 % der CRR-Eigenmittel des Instituts ausmacht. Die nicht zu überschreitende Großkreditgrenze ist erreicht, wenn der Großkredit 25 % der CRR-Eigenmittel darstellt (CRR Art. 395), es sei denn, es liegt ein Ausnahmetatbestand gem. CRR Art. 400 (1) vor (z. B. Kredite an Staaten mit einem Risikogewicht von 0 %). Ob es sich um eine Gruppe verbundener Kunden handelt, bestimmt sich nach dem Kontrollprinzip bzw. den wirtschaftlichen Abhängigkeiten (CRR Art. 4 (1) Nr. 39). Für Wertpapierfirmen: IFR Art. 37 (1). Da das Konzentrationsrisiko nach IFR Art. 36 (1) nur für Handelsbuchpositionen zu berechnen ist und Klasse-3-Wertpapierfirmen grds. keinen dem Handelsbuch zuzurechnenden Eigenhandel betreiben dürfen, gelten die Konzentrationsrisikobeschränkungen für sie nicht.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

4. Geschäftsorganisation 157 Kreditinstitute und Wertpapierfirmen müssen über eine ihrer Größe und dem Umfang und der Komplexität ihrer Geschäfte angemessene Geschäftsorganisation562) verfügen, um die Einhaltung der für sie geltenden Regeln sicherzustellen.563) Im Zentrum der Anforderungen an die Geschäftsorganisation steht das gesetzgeberische Bestreben, die für das Finanzgeschäft bestehenden allgemeinen geschäftlichen Risiken564) in den Griff zu bekommen. Darüber hinaus adressiert das Gesetz spezielle bzw. in besonderen Situationen auftretende Risiken, namentlich Risiken, die bei der Auslagerung von Geschäften und Prozessen auf (nicht-lizensierte) Dritte entstehen und Geldwäsche- und Sanktionsrisiken, die Finanzakteure in besonderem Maße treffen. Um der Geschäftsorganisation Struktur (und Biss) zu geben, sieht das Gesetz explizit die Einrichtung sog. Funktionen und die Ernennung sog. Beauftragter vor. a) Risikoadäquate Strukturen und Prozesse 158 Eine angemessene Geschäftsorganisation, für die in Deutschland alle Geschäftsleiter unabhängig von internen Zuständigkeitsregelungen verantwortlich sind,565) verlangt nach Strukturen und Prozessen, die die besonderen Risiken des Finanzgeschäfts zu beherrschen helfen. Die vom Gesetzgeber verlangte sog. Good Governance besteht für alle Kreditinstitute und Wertpapierfirmen aus vier Elementen: x

Ordnungsgemäße Verwaltung und Buchführung (die finanzielle Lage des Unternehmens muss sich jederzeit bestimmen lassen) mit hinreichender personeller und technischer Ausstattung566) und klarer Kompetenzvertei-

___________

562)

563)

564) 565) 566)

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Das Gegenteil eines konzentrierten Risikos (auch Klumpenrisiko genannt) ist ein granulares Risikoprofil. Granularität beschreibt die Streuung des Ausfallrisikos. Ein granulares Kreditportfolio setzt sich aus vielen (im Verhältnis zum Gesamtvolumen) kleinen Krediten an verschiedene Kreditnehmer zusammen. Die CRR-Regeln sollen dem Umstand Rechnung tragen, dass eine große Anzahl relativ kleiner Kredite risikomindernd wirkt (CRR EG (43)). Der EU Gesetzgeber verwendet dafür den Begriff Unternehmensführung (Englisch: Governance). Zur rechtskonformen Ausgestaltung ihrer (Corporate) Governance i. S. eines Zusammenwirkens der Unternehmensorgane, zuständig für die Unternehmensleitung und Unternehmensüberwachung sind alle Unternehmen verpflichtet. Daneben hat sich aber eine banken- und finanzmarktspezifische Corporate Governance herausgebildet (näher: H/B/BCorpGovernance-Böcking/Bundle 1. Teil § 2 Rn 1 – 5), die Gegenstand dieses Kapitels ist. CRD Art. 74; IFD Art. 26; MiFID Art. 16; KWG § 25a (1); WpIG § 41. Die Regelungen sind detailliert ausgearbeitet in MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 21 – 32 und EBA-VÖGovernance (Rechtsgrundlage: CRD Art. 74 (3)) bzw. der MaRisk (Rechtsgrundlage: KWG § 25a (4)). S. oben Rn. 43. MaRisk AT3. MaRisk AT7.

III. Regulierung der Kapitalmarktakteure

lung.567) Zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung gehört auch ein angemessener systematischer Umgang mit Kundenbeschwerden.568) x

Ein in der Geschäftsorganisation des Unternehmens verankertes Risikound Liquiditätsmanagement.569) Risikomanagement ist der systematische Umgang mit für ein Unternehmen wesentlichen Risiken.570) Es beinhaltet die Erfassung, Bewertung und Steuerung der mit dem Geschäft des Unter-

___________ 567) Dazu zählt die Funktionstrennung zwischen kundenorientierten Organisationseinheiten (Markt – Front Office) und jenen, die sich mit rein unternehmensinternen Aufgaben (Marktfolge – Back Office) beschäftigen. MaRisk BTO Tz 2 differenziert präzise wie folgt: „Für die Zwecke des Rundschreibens werden folgende Bereiche unterschieden: a) Der Bereich, der Kreditgeschäfte initiiert und bei den Kreditentscheidungen über ein Votum verfügt (Markt), b) der Bereich, der bei den Kreditentscheidungen über ein weiteres Votum verfügt (Marktfolge) sowie c) der Bereich Handel. Darüber hinaus werden folgende Funktionen unterschieden: d) Die Funktionen, die der Überwachung und Kommunikation der Risiken (Risikocontrolling) dienen und e) die Funktionen, die der Abwicklung und Kontrolle der Handelsgeschäfte dienen.“ MaRisk BTO Tz 3 bestimmt, dass bei der Ausgestaltung der Aufbauorganisation eines Instituts sicherzustellen ist, dass die Bereiche Markt und Handel bis hin zur Geschäftsleitung von den unter b), d) und e) genannten Bereichen (sowie von der Sicherheitenbewertung, Kreditbearbeitung, Kreditinsivbetreuung, Problemkreditbearbeitung und Risikoklassifizierung) getrennt sind. Vornehmliches Ziel dieses institutionalisierten Vier-Augen-Prinzips ist die Vermeidung von Interessenkonflikten (näher: E/BBankrecht-Fischer/Boegl, § 113 Rn. 47 und 76). Sehr detailliert regelt MaRisk BTO 1.1 die Funktionstrennung zwischen Markt und Marktfolge bis einschließlich zur Ebene der Geschäftsleitung. 568) Von WpDU wird eine systematische Bearbeitung sämtlicher Kundenbeschwerden und ein jährlicher Beschwerdebericht verlangt (MiFID-DelVO Art. 26; MaComp BT2). Alle Beschwerden sind zu registrieren, zu untersuchen und wenn sie begründet sind, ist ihr Grund abzustellen (näher: ESMA/EBA-VÖ-Beschwerdeabwicklung). Die BaFin stellt Mindestanforderungen an das Beschwerdemanagement i. Ü. auch an Finanzakteure, die keine WpDU sind (vgl. MaBeschwerdemanagement). 569) CRD Art. 76; IFD Art. 28 – 29; MiFID Art. 16 (5); MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 23; KWG § 25a; WpIG §§ 43 – 45. Die Sicherstellung eines adäquaten Risikomanagements ist das zentrale Anliegen der modernen Finanzregulierung (vgl. CRD EG (75) – (77)). Verlangt wird die Ausarbeitung einer umfassenden Geschäfts- und korrespondierenden Risikostrategie sowie die Einrichtung von Prozessen zur Umsetzung, Anpassung und Überprüfung der Strategie (MaRisk AT1.1). Die Verantwortung trägt die Geschäftsleitung, überwacht von den Aufsichtsorganen (vgl. zum Erfordernis der Einsetzung eines Risikoausschusses unten Rn. 158). Kreditinstitute müssen eine vom operativen Geschäft unabhängige Risikomanagementfunktion haben (CRD Art. 76 (3)). 570) S. zu den für Finanzakteure typischen Risiken oben Rn. 43. Ob ein Risiko wesentlich ist, hat jeder Finanzakteur für sich selbst festzulegen (MaRisk AT2.2).

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nehmens verbundenen Risiken571) sowie die Kontrolle des Erfolgs dieser Maßnahmen.572) Liquiditätsmanagement ist ein Teil des Risikomanagements.573) Es beinhaltet die Ermittlung eines Liquiditätsstatus, kurzfristige Liquiditätsvorschau und mittel- und langfristige Liquiditätsplanung. Sein Zweck ist es, zu jeder Zeit die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens sicherzustellen – bei möglichst geringen Kosten. Für Liquiditätsrisiken sind regelmäßig angemessene Stresstests durchzuführen.574) Ultimativer Zweck des Risiko- und Liquiditätsmanagements von Finanzakteuren ist es, deren Risikotragfähigkeit sicherzustellen, also ihre Fähigkeit, die finanziellen Auswirkungen des Eintritts von Risiken ohne existenzbedrohende Folgen zu schultern.575)

___________ 571) Fundamentale Voraussetzung dafür ist das Verständnis für die eigenen Geschäftsaktivitäten. Alle zu einem gegebenen Zeitpunkt neuen Aktivitäten (Produkte, Märkte, Vertriebswege) von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen müssen deshalb vorab einen NeuProdukt-Prozess durchlaufen. Zu beginnen ist dabei mit der Ausarbeitung eines Konzepts, das auf der Analyse des Risikogehalts der neuen Geschäftsaktivitäten sowie ihren Auswirkungen auf das Gesamtrisikoprofil beruht. Bei neuen Handelsgeschäften ist danach eine Testphase durchzuführen. An der Konzepterstellung (und ggf. der Testphase) sind die später in die Arbeitsabläufe eingebundenen Organisationseinheiten sowie die Risikocontrolling-Funktion, die Compliance-Funktion und die Interne Revision zu beteiligen. Der Prozess ist mit der Entscheidung des zuständigen Geschäftsleiters abzuschließen (näher MaRisk AT8). Wesentliches Risikosteuerungsinstrument ist die Festlegung von Limiten, die nicht überschritten werden dürfen – für das Adressenausfallrisiko von Kreditnehmerlimiten bzw. Kontrahenten- und Emittentenlimiten bei Handelsgeschäften (MaRisk BTR 1) und für das Marktpreisrisiko von Marktpreisrisikolimiten (MaRisk BTR 2). 572) Zerey-Finanzderivate-Altrock/Stähler, § 31 Rn. 9. Risikomanagement zieht sich durch alle Unternehmensbereiche und umfasst Geschäftsprozesse und Produktentwicklung sowie die Auseinandersetzung mit der Entwicklung der für den Geschäftsbetrieb des Finanzakteurs relevanten Märkte und des politischen und regulatorischen Umfelds. Ziel des Risikomanagements ist, die Eintrittswahrscheinlichkeit der Risiken bzw. ihre Auswirkungen für das Unternehmen durch vorbeugende Maßnahmen zu reduzieren. Sein Zweck ist die Existenzsicherung des Unternehmens und dessen erfolgreiche Weiterentwicklung (ZereyFinanzderivate-Altrock/Stähler, § 31 Rn. 1). Dafür hat der Finanzakteur ein sog. Risikotragfähigkeitskonzept zu entwickeln und mindestens jährlich zu überprüfen (Details in: MaRisk AT4.1). 573) Zuständig für das Management des Liquiditätsrisikos ist in erster Linie die Treasury-Abteilung. Sie erstellt fortlaufend ein erwartetes künftiges Liquiditätsprofil des Finanzakteurs in Gestalt von Liquiditätsablaufbilanzen, das sämtliche Zahlungsein- und -ausgänge aggregiert und in Form von Gap-Analysen Unter- und Überdeckungen aufzeigt. Für Kreditinstitute bestehen aufsichtsrechtliche Anforderungen an die Liquidität, die in CRR Art. 411 ff. geregelt sind. Zu nennen sind insbesondere die kurzfristig orientierte LCR und die längerfristige strukturelle NSFR (s. unten Rn. 155). Neben der Erfüllung der aufsichtsrechtlichen Bedingungen liegt der Aufgabenschwerpunkt eines Treasury im Management des Marktliquiditätsrisikos und insbesondere auf der Liquidierbarkeit von Aktiva, da hierin eine Hauptrisikokomponente für eine Bank besteht. 574) MaRisk BTR 3. 575) Sollanek/Klessig, MaRisk, S. 7. Der Ermittlung der Risikotragfähigkeit dienen insbesondere die sog. Stresstests, die ein Finanzakteur nach MaRisk AT4.3.3 durchzuführen hat, und die die mögliche Anfälligkeit des Finanzakteurs für außergewöhnliche, aber mögliche Ereignisse aufzeigen sollen (vgl. Buba/BaFin-VÖ-Risikotragfähigkeitsleitfaden, Kapitel 6).

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III. Regulierung der Kapitalmarktakteure

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Interne Kontroll- und Sicherheitssysteme,576) ein Datenmanagement577) und Notfallkonzepte (insbesondere für IT-Systeme578)) sowie Einrichtungen (Funktionen), die die damit verbundenen Aufgaben wahrnehmen (Risiko-Controlling579)), Compliance580) und Revision (Audit581)).582) Die Geschäftsleitung hat sich von den Funktionen regelmäßig über die Risikosituation berichten zu lassen.583)

x

Angemessene Vergütungsregelungen für die Geschäftsleiter und Angestellten.584)

___________ 576) Aufgabe des internen Kontrollsystems ist es, mittels einer entsprechend gestalteten Aufbau- und Ablauforganisation sicherzustellen, dass miteinander unvereinbare Tätigkeiten nicht von demselben, sondern von unterschiedlichen Mitarbeitern durchgeführt werden sowie Risikosteuerungs- und -controllingprozesse einzurichten, die eine Identifizierung, Beurteilung, Steuerung, Überwachung und Kommunikation der wesentlichen Risiken gewährleisten (MaRisk AT4.3). 577) MaRisk AT4.3.4. 578) Der Einsatz von Informationstechnik (IT) spielt in der Finanzbranche im Rahmen des Risikomanagements eine herausragende Rolle, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass die BaFin spezielle Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT (BAIT) formuliert hat. 579) Die Risikocontrolling-Funktion ist für die Überwachung und Kommunikation der Risiken zuständig; sie ist aufbauorganisatorisch bis hin zur Geschäftsleitung von den Bereichen zu trennen, die für den Abschluss von Geschäften zuständig sind (MaRisk AT4.4.1). 580) S. zur Compliance-Funktion näher unten Rn. 168. 581) Die Interne Revision hat die Wirksamkeit und Angemessenheit des Risikomanagements im Allgemeinen und des internen Kontrollsystems im Besonderen sowie die Ordnungsmäßigkeit grds. aller Aktivitäten und Prozesse zu prüfen (MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 24; MaRisk BT1 – ausführlich zu ihrer Bedeutung und Funktionsweise: K/L-MaRiskEngels § BT1 Rn. 1 – 30); sie ist ein Instrument der Geschäftsleitung und dieser unmittelbar unterstellt und berichtspflichtig (MaRisk AT4.4.3 und BT2). 582) Ein anerkannter Ordnungsrahmen für ein solches Kontroll- und Sicherheitssystem ist das sog. Three Lines of Defence-Modell des Institute of Internal Auditors (IIA) (https://www. theiia.org/en/content/position-papers/2020/the-iias-three-lines-model-an-update-of-thethree-lines-of-defense/). Kern des Modells ist die Gliederung von der Risikosteuerung dienenden Unternehmensfunktionen in drei von der Geschäftsleitung zu überwachende Bereiche (Verteidigungslinien). Die 1. Verteidigungslinie ist das operative Management, das die unternehmerischen Risiken des Tagesgeschäfts möglichst früh erkennen, analysieren und kontrollieren soll. Die 2. Verteidigungslinie sind die Einrichtungen (Funktionen), die die Kontrollaktivitäten der ersten Verteidigungslinie überwachen sollen (Controlling und Compliance). Die 3. Verteidigungslinie ist die Interne Revision. Sie gewährleistet umfassende Sicherheit bei der Steuerung der unternehmerischen Risiken, basierend auf dem höchsten Level von Unabhängigkeit und Objektivität innerhalb des Unternehmens. S. auch: Veil-Kapitalmarktrecht-Wundenberg, § 32 Rn. 6 – 8. 583) S. MaRisk BT3 zu den näheren Anforderungen an die Risikoberichterstattung. 584) S. zur Regulierung der Vergütung unten Rn. 161–162.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

159 Zusätzlich585) zu den für alle Kreditinstitute und Wertpapierfirmen geltenden Anforderungen müssen WpDU586) (in angemessenem Umfang587)) organisatorisch sicherstellen,588) dass x

das Kundenvermögen insbesondere im Fall der Insolvenz des Kapitalmarktakteurs geschützt ist (d. h. Separierung des Kundenvermögens vom eigenen Vermögen);589)

x

alle Dienstleistungen, Tätigkeiten und Geschäfte aufgezeichnet werden (einschließlich von Telefongesprächen und elektronischer Kommunikation)590) und sichere Informationsübermittlungswege existieren;

___________ 585) MaComp AT7. Noch weitergehende Anforderungen treffen Wertpapierfirmen, die algorithmischen Handel betreiben (MiFID EG (59) – (68) und (113); WpHG § 80 (2) – (5)). Sie müssen über belastbare Handelssysteme (und Risikokontrollen) verfügen und sicherstellen, dass (i) der algorithmische Handel angemessenen Handelsschwellen und -obergrenzen unterliegt, (ii) die Übermittlung von fehlerhaften Aufträgen oder eine Funktionsweise des Systems vermieden wird, durch die Marktstörungen verursacht werden, (iii) die Handelssysteme nicht für einen Zweck verwendet werden können, der gegen MAR verstößt und (iv) wirksame Notfallvorkehrungen für sämtliche Störungen existieren (MiFID Art. 17; MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 18 – 19). 586) S. zum Begriff bereits oben Rn. 7. 587) Gem. MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 22 (1) S. 2 sind Art, Umfang und Komplexität der Geschäfte sowie Art und Spektrum der erbrachten Kapitalmarktdienstleistungen beim Umfang der Organisation zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber bringt damit den Proportionalitätsgrundsatz (s. dazu oben Rn. 35) zum Ausdruck, den auch die BaFin bei ihren Prüfungen im Auge behält (Park-KapMarktStrafR-Boehm, Teil 2 Kap. 2.2 III.1 Rn. 18). 588) MiFID Art. 16; MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 21, 22 (1); WpHG §§ 80 – 89. Die Regelungen sind detailliert ausgearbeitet in WpDVerOV und MaComp (Rechtsgrundlage: WpHG § 80 (14)). 589) MiFID Art. 16 (8) und (9) WpHG § 84; WpDVerOV § 10; s. auch WpIG §§ 45 (2), 47 (3). Dies beinhaltet das Verbot der Nutzung der Finanzinstrumente der Kunden für eigene Rechnung ohne deren ausdrückliche Zustimmung (von Kleinanlegern dürfen Wertpapierfirmen gar keine Finanzsicherheiten entgegennehmen (MiFID EG (51) – (52), Art. 16 (10); WpHG § 84 (7)). Die Nutzung der Finanzinstrumente als Sicherheiten (Stichwort: Collateral Management) ist seit der Finanzkrise zu einem immer wichtiger werdenden wertbildenden Faktor geworden (s. oben Rn. 25). Die Stellung von Sicherheiten (Bargeld und Wertpapiere) wird vom Gesetzgeber überall verlangt (vor allem bei Derivategeschäften), um damit die Stabilität des Finanzsystems zu stärken. Die große Nachfrage an Sicherheiten führt zu deren Knappheit und erhöht ihren Wert. Da liegt es nahe, dass Wertpapierfirmen, die von Berufs wegen, Kundenvermögen verwalten, dieses Kundenvermögen (leihweise) für eigene Zwecke einsetzen. Das aber ist ein unerwünschter Effekt, denn erstens ist es ungerecht (für die Wertpapierfirmen ein sog. Windfall Profit) und zweitens führt es wiederum zu einer Schwächung der Stabilität des Systems, denn von Wertpapierfirmen als Sicherheiten an Dritte gegebene Kunden-Wertpapiere können an die Kunden nicht herausgegeben werden, was im schlechtesten Falle zur Zahlungsunfähigkeit der Wertpapierfirma führt. 590) MiFID Art. 16 (6) und (7), MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 35, 56 – 58, 72 – 75; WpHG § 83; WpDVerOV § 9; MaComp AT8. Gem. MiFID Art. 25 (5) muss die Wertpapierfirma eine Basisakte anlegen, die die Vereinbarungen mit dem Kunden enthält, einschließlich der jeweiligen Rechte und Pflichten der Parteien.

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x

Interessenkonflikte der Wertpapierfirma und ihrer Mitarbeiter nicht den Kundeninteressen schaden;591) und

x

die Compliance-Funktion auch die Einhaltung dieser zusätzlichen organisatorischen Regeln überwacht.592)

Die Kreditinstitute und Wertpapierfirmen müssen die Strukturen und Prozesse 160 ihrer Geschäftsorganisation und ihres Risikomanagements schriftlich durch Organisationsrichtlinien fixieren (z. B. in Handbüchern, Arbeitsanweisungen oder Arbeitsablaufbeschreibungen) und zwar in einer Form, die der Abteilung Interne Revision die Überprüfung ihrer Einhaltung ermöglicht.593) b) Mitarbeitervergütung Auch wenn es auf den ersten Blick verwunderlich scheinen mag: Die Vergü- 161 tungspolitik von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen ist nach Ansicht des Gesetzgebers elementarer Bestandteil ihres Risikomanagements.594) Vergütungssysteme müssen so ausgestaltet sein, dass Anreize zur Eingehung unverhältnismäßig hoher Risiken vermieden werden.595) Insbesondere müssen fixe und variable Vergütung596) – für alle Mitarbeiter aller Institute597) und Wert___________ 591) MiFID Art. 16 (3), 23. S. dazu näher unten Rn. 203–205. 592) MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 22 (2). S. zur Compliance-Funktion näher unten Rn. 168–170. 593) MaRisk AT5. 594) CRD EG (62) – (69), Art. 74 (1) und 92 – 95; KWG § 25a; WpIG § 41 Nr. 4. 595) CRD EG (64), Art. 92 (2); KWG § 25a (1); InstitutsVergV § 5 (1). Die InstitutsVergV von 2010 legt Anforderungen an Vergütungssysteme in der Finanzbranche fest und wurde durch Novellen 2014, 2017 und 2021 überarbeitet. Nach Einführung des WpIG (und der entsprechenden Änderung des KWG) fallen kleine und mittlere Wertpapierfirmen nicht mehr unter den Begriff des Instituts (s. oben Rn. 106–109), so dass die InstitutsVergV auf diese Wertpapierfirmen keine Anwendung mehr findet (gegenwärtig konsultiert die BaFin auf der Grundlage von WpIG § 46 (3) den Entwurf einer WertpapierinstitutsVergütungsverordnung). Die InstitutsVergV basiert auf der Verordnungsermächtigung in KWG § 25a (6). Auf Basis von CRD Art. 75 (2) wurde die EBA-VÖ Vergütungspolitik veröffentlicht. BaFin hat eine Auslegungshilfe zur InstitutsVergV veröffentlicht (BaFin-VÖIVV). EBA-VÖ-Vergütungspolitik und BaFin-VÖ-IVV werden gelegentlich aktualisiert. 596) Vergütung sind sämtliche finanziellen Leistungen, Sachbezüge und Leistungen Dritter, die Mitarbeiter im Hinblick auf ihre berufliche Tätigkeit für das Institut erhalten. Gem. BaFin-VÖ-IVV zu § 2 ist der Begriff umfassend zu verstehen. Ausführlich kritisiert BaFin-VÖ-IVV Versuche der Institute, Vergütungsgrenzen zu überwinden, indem Leistungen nicht dem Vergütungsbegriff zugeordnet werden. Gesetzlich genau definiert ist fixe Vergütung; alles, was nicht fixe Vergütung ist, ist variable Vergütung (vgl. InstitutsVergV § 2 (1), (3) und (6)). Eine dritte Kategorie gibt es seit der Novelle von 2017 nicht mehr. Abfindungen gelten als variable Vergütung. In Bezug auf die Gewährung von Abfindungen hat das Institut in seiner Vergütungsstrategie Grundsätze festzulegen, die einen Höchstbetrag oder Kriterien für seine Bestimmung umfassen. Sie müssen der Leistung des Mitarbeiters Rechnung tragen (InstitutsVergV § 5 (6)). 597) Die für sämtliche Mitarbeiter sämtlicher Institute geltenden allgemeinen Anforderungen an Vergütungssysteme (InstitutsVergV §§ 3 – 16) werden ergänzt durch zusätzliche Anforderungen für bedeutende Institute (InstitutsVergV §§ 17 – 26). Bei allen Instituten ist zu differenzieren zwischen Geschäftsleitern und anderen Mitarbeitern (besondere Regelungen gelten zudem für Mitarbeiter in Kontrolleinheiten (InstitutsVergV § 9) und im Privatkundengeschäft (InstitutsVergV § 5 (1) Nr. 3 – 5) sowie für Bearbeiter von Kreditanträgen und notleidender Risikopositionen (BaFin-VÖ-IVV zu § 5)).

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papierfirmen – in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.598) Zu diesem Zweck hat der Finanzakteur eine angemessene Obergrenze für die variable Vergütung seiner Mitarbeiter festzulegen, die maximal 100 % der fixen Vergütung betragen darf.599) Außerdem muss der Gesamtbetrag der variablen Vergütungen (der sog. Bonuspool) in vernünftiger Relation zu den Erfordernissen einer stabilen ökonomischen Entwicklung des Unternehmens stehen, was durch einen formalisierten und transparenten Entscheidungsprozess unter Einbeziehung aller relevanten Gremien sicherzustellen ist.600) I. Ü. sollen Finanzakteure den Begriff der leistungsorientierten variablen Vergütung ernstnehmen: Tritt ein Erfolg, an den eine variable Vergütung geknüpft ist, (objektiv) nicht ein, darf der Bonus nicht gezahlt werden; Maßnahmen, die den Nichterfolgseintritt vernebeln, sind untersagt.601) Der Finanzakteur hat in seinen Organisationsrichtlinien die Grundsätze der Vergütung festzulegen,602)

___________ 598) Unklar ist bis dato, wie Spannungen zwischen Finanzaufsichtsrecht und Arbeitsrecht zu lösen sind, soweit das Gesetz dazu keine Regelungen enthält (z. B. sind vom Anwendungsbereich des Aufsichtsrechts ausgenommen Vergütungen, die durch Tarifvertrag vereinbart sind (KWG § 25a (1) S. 3 Nr. 6, InstitutsVergV § 1 (4)); Abfindungen, auf die ein gesetzlicher Anspruch besteht oder die als Sozialplanabfindung oder aufgrund eines rechtskräftigen Urteils zu leisten sind, bleiben bei der Berechnung des Verhältnisses von variabler und fixer Vergütung nach KWG § 25a (5) unberücksichtigt (InstitutsVergV § 5 (6) S. 5)). Nicht von der Rechtsprechung entschieden ist, ob die Nichteinhaltung der finanzaufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Unwirksamkeit der entgegenstehenden Vergütungsvereinbarung führt. So wird insbesondere unterschiedlich beurteilt, ob eine Verletzung der Obergrenze gem. KWG § 25a (5) wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz zur Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung führt (dafür: Annuß, NZA-Beilage 2014, 121, 126, dagegen: Merkelbach, WM 2014, 1991). Ein anderes Beispiel: Nach InstitutsVergV § 7 ist bei der Festsetzung des Gesamtbetrags der Boni u. a. die Ertragslage des Instituts zu berücksichtigen. Nach der Auslegungshilfe der BaFin bedeutet dies, dass bei Verlusten kein Bonuspool bereitgestellt werden darf. Nach Ansicht des BAG kann die Nichtzahlung eines Bonus trotz Erreichens vereinbarter individueller Ziele bei einem negativen Ergebnis im Rahmen ‚normaler‘ Schwankungsbreiten billigem Ermessen widersprechen (BAG v. 15.5.2013 – 10 AZR 679/12). InstitutsVergV § 14, der den Instituten auferlegt, darauf hinzuwirken, dass Verträge mit Mitarbeitern an die aufsichtlichen Regeln angepasst werden, scheint davon auszugehen, dass zumindest die (alten) Arbeitsverträge vorgehen. 599) CRD EG (65), Art. 94 (1g); KWG § 25a (5) S. 1, (2); WpIG § 46; InstitutsVergV § 6 (1). Durch einen (besonderen formalen Anforderungen genügenden) Beschluss der Anteilseigner des Instituts kann die Obergrenze auf 200 % erhöht werden. Eine garantierte variable Vergütung ist nur für die ersten zwölf Monate des Anstellungsverhältnisses zulässig (InstitutsVergV § 5 (5)). Zahlungen im Zusammenhang mit einer vorzeitigen Beendigung des Anstellungsverhältnisses müssen der erbrachten Leistung Rechnung tragen und dürfen negative Erfolgsbeiträge oder Fehlverhalten des Geschäftsleiters bzw. Mitarbeiters nicht belohnen (InstitutsVergV § 5 (7)). 600) InstitutsVergV §§ 4 und 7. Vgl. zur Interdependenz beider Regelungen: BaFin-VÖ-IVV zu § 7. 601) InstitutsVergV § 8. Nachdrücklich für ein solches Verständnis des Gesetzes: BaFin-VÖIVV zu § 8. 602) InstitutsVergV § 11. Außerdem hat das Institut eine Vielzahl diesbezüglicher Details offenzulegen (InstitutsVergV § 16).

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deren strikte Einhaltung von dem Unternehmen und den Behörden laufend zu überwachen ist.603) Besondere Anforderungen gelten für Geschäftsleiter aller Institute und Wert- 162 papierfirmen und sonstige Risikoträger bedeutender Institute. Die Vergütung eines Geschäftsleiters muss in einem angemessenen Verhältnis zu seinen Aufgaben und Leistungen und zur Lage des Unternehmens stehen und darf die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen.604) Seine variable Vergütung muss einen mehrjährigen605) Bemessungszeitraum haben, und für außerordentliche Entwicklungen soll eine Begrenzungsmöglichkeit vereinbart werden.606) Bedeutende Institute607) müssen ihre Risikoträger identifizieren608) und deren Vergütungssysteme einem Risikoausrichtungsprozess unterziehen,

___________ 603) CRD Art. 75, 76 (4); ESMA-VÖ-Vergütung; InstitutsVergV § 12. Die Geschäftsleitung ist für das Vergütungssystem der Mitarbeiter verantwortlich (im Falle von bedeutenden Instituten auch für die Ermittlung der Risikoträger) und das Aufsichtsorgan für dasjenige der Geschäftsleiter (InstitutsVergV § 3). Die interne Überwachung hat jedoch unabhängig zu erfolgen, d. h. dass die überprüfende Stelle nicht zuvor mit der Ausgestaltung der zu kontrollierenden Vergütungssysteme befasst gewesen sein darf, um einen Interessenkonflikt auszuschließen (BaFin-VÖ-IVV zu § 12). Der Aufsichtsrat bedeutender Institute hat zu diesem Zweck einen Vergütungskontrollausschuss zu bilden (KWG § 25 d (7)), anderen Instituten legt die Aufsicht es nah, dies zu tun (BaFin-VÖ-IVV zu § 15). 604) Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Geschäftsleitervergütung können u. a. herangezogen werden persönliche Kriterien (Fachkenntnisse, Berufserfahrung, Reputation), Aufgaben des Geschäftsleiters oder die (wirtschaftliche) Gesamtsituation des Instituts (BaFin-VÖ-IVV zu § 10). 605) Gem. BaFin-VÖ-IVV zu § 10 beträgt der Zeitraum mindestens drei Jahre. Allerdings können schon vorher Boni ausgezahlt werden, etwa in Form von Abschlagszahlungen auf Jahresboni, deren endgültige Höhe erst nach Ablauf und Bewertung des dreijährigen Betrachtungszeitraums feststeht. Für den Fall, dass die Abschlagszahlung die endgültig ermittelte Höhe der variablen Vergütung übersteigt, muss der überschießende Betrag zurückerstattet werden. 606) InstitutsVergV § 10 (1),(2). Diese Vorgaben sind den Regelungen zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung in AktG § 87 (1) nachgebildet. Bei Geschäftsleitern und Risikoträgern bedeutender Institute müssen bei der Ermittlung der variablen Vergütung neben dem Gesamterfolg des Instituts und dem Erfolgsbeitrag der Organisationseinheit auch der individuelle Erfolgsbeitrag berücksichtigt und ein Teil der variablen Vergütung über einen längeren Bemessungszeitraum gestreckt werden (InstitutsVergV §§ 19, 20). 607) Gem. KWG § 1 (3c) ist ein Institut bedeutend, wenn seine Bilanzsumme im Durchschnitt zu den jeweiligen Stichtagen der letzten vier abgeschlossenen Geschäftsjahre EUR 15 Mrd überschritten hat. Als bedeutend gelten stets: Institute, die eine der Bedingungen gem. SSMR Art. 6 (4) Ua 2 erfüllen oder als potentiell systemrelevant im Sinne des KWG § 12 eingestuft wurden sowie Finanzhandelsinstitute gem. KWG § 25f (1). 608) KWG Art. 25a (5b) S. 2. Risikoträger sind alle Mitarbeiter, deren Tätigkeit wesentlichen Einfluss auf das Gesamtrisikoprofil des Instituts hat (InstitutsVergV § 2 (8)). Gem. KWG Art. 25a (5b) S. 1 zählen zu den Risikoträgern in jedem Fall Mitarbeiter folgender Kategorien: (i) der unmittelbar der Geschäftsleitung nachgelagerten Führungsebene, (ii) mit Managementverantwortung für die Kontrollfunktionen oder die wesentlichen Geschäftsbereiche des Instituts und (iii) mit einer Vergütung von mindestens EUR 500.000 p. a. Für Risikoträger gilt neben besonderen Vergütungsanforderungen nur eingeschränkter Kündigungsschutz (KWG Art. 25a (5a)).

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der aus auf einer Risiko- und Erfolgsmessung basierenden Ermittlung und der Auszahlung der variablen Vergütung besteht.609) c) Auslagerung 163 Bei einer Auslagerung (Outsourcing)610) von für den Geschäftsbetrieb wesentlichen611) Aktivitäten durch Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (Auslagernde) auf einen Dritten (Auslagerungsunternehmen)612) sind besondere613) Vorkehrungen dafür zu treffen, dass weder die Ordnungsmäßigkeit der Geschäfte noch die Geschäftsorganisation und das Risikomanagement des Auslagernden beeinträchtigt werden.614) Der Auslagernde bzw. dessen Geschäftsleiter bleiben trotz Auslagerung für die Einhaltung der Regularien verantwortlich,615) die interne Kontrolle darf nicht beeinträchtigt sein, und die BaFin muss die ausgelagerten Tätigkeiten weiter überwachen können (auch wenn das Auslage___________ 609) InstitutsVergV §§ 18 – 22. Insbesondere müssen negative Erfolgsbeiträge eines Risikoträgers oder seiner Einheit und eine negative Entwicklung des Instituts die variable Vergütung reduzieren. Mindestens 40 % der variablen Vergütung müssen auf drei Jahre gestreckt werden. Ergibt eine nachträgliche Überprüfung (Backtesting), dass die variable Vergütung nicht angemessen ist (war), ist der zurückbehaltene Teil zu reduzieren und bereits ausgezahlte Teile ggf. zurückfordern (Clawback). Näher: BaFin-VÖ-IVV zu §§ 18 ff. 610) Eine Auslagerung liegt vor, wenn ein anderes Unternehmen mit der Erbringung geschäftstypischer Dienstleistungen beauftragt wird, die ansonsten vom Kreditinstitut oder der Wertpapierfirma selbst erbracht würden (MaRisk AT9 Tz 1). Die Auslagerung ist abzugrenzen von einem sonstigen Fremdbezug von Leistungen, der vorliegt beim nur gelegentlichen Bezug einer Leistung und bei Leistungen, die typischerweise von einem anderen beaufsichtigten Unternehmen bezogen werden, z. B. die Nutzung von Clearingstellen bei der Wertpapierabrechnung (BaFin Erläuterungen zu der MaRisk in der Fassung vom 16.8.2021 AT9 Nr. 1) oder Tätigkeiten, die mit der Durchführung der betriebenen Geschäfte nicht notwendigerweise verbunden sind, also vor allem solche, die auch für sonstige Unternehmen erbracht werden könnten (z. B. Rechts- und Steuerberatung oder Büroreinigung), oder zwar von einem Finanzakteur benötigt werden, aber typischerweise von nicht aufsichtspflichtigen Unternehmen (z. B. Geldtransporte) bezogen werden (E/B-Bankrecht-Fischer/Boegl, § 113 Rn. 86). 611) Wesentlich ist eine Auslagerung von Arbeitsabläufen, die unmittelbar auf die Durchführung der betriebenen Geschäfte ausgerichtet sind (Teilakte), und die finanzaufsichtlich relevante Risiken (s. Übersicht in Rn. 43) für das Kreditinstitut oder die Wertpapierfirma begründen (näher: MaRisk AT9 Tz 1). Ob eine Auslagerung wesentlich ist, hat der Finanzakteur selber auf Basis einer Risikoanalyse zu beurteilen. Als wesentliche Risiken kommen strategische- und operationelle Risiken sowie Adressenausfall-, Liquiditäts- und Reputationsrisiken in Frage (B/F/S-KWG-Wolfgarten, § 25b Rn. 42 – 50). 612) Siehe zum Begriff KWG § 1 (10); WpIG § 2 (38). Auslagerungsunternehmen kann jede Stelle sein, die organisatorisch abgegrenzt und rechtlich nicht mit dem Auslagernden identisch ist. Die Auslagerungsregeln sind auch auf die Verlagerung von Geschäftsbereichen innerhalb eines Konzerns anwendbar (E/B-Bankrecht-Fischer/Boegl, § 113 Rn. 86). 613) Beim sonstigen Fremdbezug von Leistungen ebenso wie bei nicht wesentlichen Auslagerungen sind die allgemeinen Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsorganisation gem. KWG § 25a (1) zu beachten (BaFin Erläuterungen zu MaRisk in der Fassung vom 16.8.2021 AT9 Nr. 1 sowie MaRisk AT9 Tz 3). 614) CRD Art. 85 (1); MiFID Art. 16 (5); MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 30 – 32; KWG § 25b; WpIG § 40; WpHG § 80 (6); MaRisk AT9; MaComp AT9. Vergleichbare Regelungen finden sich für Zahlungsdienstleister in PSD Art. 19 (6). 615) MaComp AT4.

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rungsunternehmen im Ausland sitzt). Auslagernder und Auslagerungsunternehmen müssen deshalb eine schriftliche Vereinbarung (Auslagerungsvertrag) schließen, auf deren Grundlage BaFin-Anweisungen (ggf. auch im Ausland) durchgesetzt werden können.616) Weiterverlagerungen (Sub-Auslagerungen) sind zulässig, müssen im Auslagerungsvertrag jedoch konkret geregelt sein, und es muss sichergestellt werden, dass die Bestimmungen des Sub-Auslagerungsvertrags diejenigen des Auslagerungsvertrags spiegeln und das Auslagerungsunternehmen weiterhin gegenüber dem Auslagernden berichtspflichtig bleibt.617) Nicht auslagerungsfähig sind die Kernbereiche der Geschäftstätigkeit, d. h. vor allem Entscheidungen über die Geschäftsstrategie,618) die Planung des Einsatzes und die Koordinierung der Unternehmensressourcen sowie das strategische Controlling.619) d) Prävention von Geldwäsche und anderen Straftaten Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sind strafbar.620) WpDU sind Adres- 164 saten (Geldwäschepräventions-Verpflichtete) des Gebots, beides zu verhindern (Geldwäscheprävention).621) Als Geldwäschepräventions-Verpflichtete müssen sie ein (spezielles) Präventions-Risikomanagement einrichten, d. h. Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierungs-Risiken ermitteln, analysieren und dokumentieren und (für ihre Größe und Geschäfte angemessene) geschäftsund kundenbezogene interne Sicherungsmaßnahmen treffen, um identifizierte Risiken zu kontrollieren und zu mindern.622) Außerdem müssen die Geldwäschepräventions-Verpflichteten Vorkehrungen treffen, damit Verstöße gegen geldwäscherechtliche Vorschriften vertraulich an geeignete interne Stellen berichtet werden können sowie ein für die Geldwäscheprävention verantwortliches Mitglied der Leitungsebene benennen und einen Geldwäsche-Beauftragten bestellen.623) Geldwäschepräventions-Verpflichtete müssen Erkundigungen ___________ 616) Details in MaRisk AT9 Tz 7. 617) MaRisk AT9 Tz 8. 618) Die Geschäftsstrategie, die mit der Risikostrategie vereinbar zu sein hat, muss von der Geschäftsleitung festgelegt werden (MaRisk AT4.2). Auslagerbar – allerdings nur unter besonderen Voraussetzungen – ist die Compliance-Funktion (MaComp BT1.3.4). 619) E/B-Bankrecht-Fischer/Boegl, § 113 Rn. 88. Kein Fall der Auslagerung (sondern der Zusammenarbeit mehrerer WpDU) ist der in WpHG § 71 und MaComp AT5 geregelte Fall der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen über eine andere Wertpapierfirma. 620) AMLD Art. 1 (2) – (3), GWG § 1 (1) – (2), StGB § 261 (1). Geldwäsche ist das Einschleusen von illegal erwirtschafteten Vermögenswerten in den legalen Wirtschaftskreislauf mit dem Ziel, deren wahre Herkunft zu verschleiern, und Terrorismusfinanzierung ist die Bereitstellung oder Sammlung finanzieller Mittel mit dem Wissen, dass damit (näher definierte) Terrorismusstaftaten begangen werden sollen. 621) AMLD Art. 2 und 3, GwG § 2 (1). Zur Gruppe der Geldwäschepräventions-Verpflichteten zählen außerdem weitere Finanzakteure (näher BaFin-VÖ-GwG-AuA Nr. I) sowie Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Treuhänder, Immobilienmakler, Glücksspielveranstalter und Güterhändler. 622) Näher BaFin-VÖ-GwG-AuA Nr. II sowie BaFin-VÖ-GwG-AuA-BT-Banken Nr. 6. 623) AMLD Art. 8, GwG §§ 4 – 8, KWG §§ 25h – m, WpIG §§ 33 – 37. Zu den Aufgaben des Geldwäsche-Beauftragten s. näher: Z/G-GwG-Kaetzler, § 7 Rn. 90 – 121.

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über ihre Kunden und Geschäftspartner (und deren wirtschaftliche Berechtigte624)) einholen (und überprüfen)625) und zwar bei (i) Begründung einer Geschäftsbeziehung, (ii) Vermögensverschiebungen oberhalb bestimmter Schwellenwerte und (iii) Verdacht auf Straftaten oder falsche Angaben zur Identität.626) Zu diesen allgemeinen Sorgfaltspflichten627) zählt auch die kontinuierliche Überwachung der Geschäftsbeziehung einschließlich der Transaktionen, ___________ 624) Wirtschaftlich Berechtigter kann nur eine natürliche Person sein. Bei einer juristischen Person ist wirtschaftlich Berechtigter jede natürliche Person, die unmittelbar oder mittelbar mehr als 25 % der Kapitalanteile oder Stimmrechte kontrolliert oder auf vergleichbare Weise Kontrolle über das Unternehmen ausübt (GwG § 3). Sämtliche Kapitalgesellschaften, Vereine und eingetragenen Personengesellschaften müssen Angaben (Namen, Geburtsdatum, Wohnort, Art und Umfang des wirtschaftlichen Interesses (wozu auch die Höhe der Kapitalanteile oder der Stimmrechte zählen) über ihren wirtschaftlich Berechtigten einholen, aufbewahren, auf aktuellem Stand halten und an das Transparenzregister melden (GwG § 20 (1)), das in Deutschland vom Bundesanzeiger geführt wird (Rechtsgrundlage: GwG § 25). Hat eine Gesellschaft keine positive Kenntnis (erlangt), wer ihr wirtschaftlich Berechtigter am Ende der Beteiligungskette ist, so muss sie nicht nachforschen. In einem solchen Fall greifen die Regeln über den fiktiven wirtschaftlich Berechtigten (GwG § 3 (2) S. 5): Kann keine natürliche Person als wirtschaftlich Berechtigter nach den Kriterien von GwG § 3 ermittelt werden oder bestehen Zweifel, dass eine natürliche Person wirtschaftlich Berechtigter ist, so „…gilt als wirtschaftlich Berechtigter der gesetzliche Vertreter, geschäftsführende Gesellschafter oder Partner des Geschäftspartners“. 625) Die Überprüfung kann vor Ort mittels Vorlage von Identifikationsdokumenten erfolgen oder eines gleichwertigen Verfahrens (GwG § 13 (1)), wozu die Verwendung eines elektronischen Identitätsnachweises (z. B. eID-Karte nach eID-Karte-Gesetz § 12), einer qualifizierten elektronischen Signatur (eIDASR Art. 3 Nr. 12), eines elektronischen Identifizierungssystems (das nach eIDASR Art. 8 (2) c) und 9 auf Sicherheitsniveau hoch notifiziert ist) oder eines Videoidentifizierungsverfahrens gehört (GwG § 12 (1)). Näher BaFin-VÖ-GwG-AuA Nr. III.5.1.3.2 und unten Rn. 498. 626) AMLD Art. 11, GwG §§ 10 ff. 627) Neben die allgemeinen treten verstärkte Sorgfaltspflichten, wenn ein erhöhtes Risiko vorliegt. Dies ist gem. AMLD Art. 18 ff., GwG § 15 (3) Nr. 1 – 3 der Fall, wenn die fragliche Transaktion besonders groß oder verdächtig ist, es sich bei dem Geschäftspartner um eine politisch exponierte Person (PeP) handelt oder um eine Person, die in einem von der EU nach AMLD Art. 9 ermittelten Drittland mit hohem Risiko niedergelassen ist. Solche Hochrisikoländer werden von der EU Kommission in der (mehrfach aktualisierten) AMLD-DelVO 2021/37/EU aufgeführt (wobei noch drei Länderkategorien unterschieden werden); für den Verkehr mit Geschäftspartnern aus Hochrisikoländern gelten im Einzelnen abgestufte besondere Sorgfaltspflichten gem. GwG § 15 (s. näher BaFin-VÖHochrisikoländer; BaFin-VÖ-GwG-AuA Nr. III.7; Herzog-Achtelik-GwG, § 15 Rn. 31). Außerdem veröffentlicht die (ursprünglich von den G7 gegründete, sich als global money laundering and terrorist financing watchdog verstehende, internationale Organisation) Financial Action Task Force (FATF) eine Liste mit Risikoländern (wobei zwischen der Black List der unkooperativen und der Grey List der zumindest teilweise kooperativen Länder unterschieden wird). Daneben hat Deutschland im Rahmen einer Nationalen Risikoanalyse (Bundesministerium der Finanzen, Erste Nationale Risikoanalyse – Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung 2018/2019) weitere Länder identifiziert, die (speziell aus deutscher Sicht) als risikobehaftet anzusehen sind. Auch ein (ausschließlicher) Eintrag in die FATF-Liste und/oder die deutsche Liste ist von den Verpflichteten im Rahmen der allgemeinen Prüfung gem. GwG § 5 (1) S. 2 zu berücksichtigen (Herzog-Achtelik-GwG, § 15 Rn. 31; BaFin-VÖ-Hochrisikoländer; Nationale Risikoanalyse S. 3). Besondere Regelungen gelten zudem für das Geschäft mit Token (näher unten Rn. 505 ff.).

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die in ihrem Verlauf durchgeführt werden und die Aktualisierung der Daten.628) Zur Erfüllung (einiger) dieser Sorgfaltspflichten können die Geldwäschepräventions-Verpflichteten auf andere Personen zurückgreifen, d. h. die Durchführung entsprechender Maßnahmen – unter Beachtung der dafür im allgemeinen geltenden Regeln629) – auslagern.630) Jeder Verdacht des Vorliegens einer Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung muss den Behörden gemeldet werden.631) Die Pflicht der WpDU, Straftaten systematisch zu verhindern, beschränkt 165 sich nicht auf Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, sondern umfasst sämtliche strafbaren Handlungen, die zu einer Gefährdung des Vermögens des WpDU führen können. WpDU müssen zu diesem Zweck geschäfts- und kundenbezogene Sicherungssysteme einrichten und Kontrollen durchführen, gerade auch im Hinblick auf neue Finanzprodukte und Technologien.632) Der

___________ 628) GwG § 10 (1) Nr. 5. 629) S. oben Rn. 163. 630) GwG § 17. Das Gesetz unterscheidet zwischen Dritten (GWG § 17 (1) und anderen geeigneten Personen (GwG § 17 (5)), durch die Verpflichtete ihre allgemeinen Sorgfaltspflichten gem. GwG § 10 (1) Nr. 1 – 4 erfüllen lassen können. Die Aufzählung der Sorgfaltspflichten ist abschließend, d. h., die Durchführung der kontinuierlichen Überwachung und Aktualisierung nach GwG § 10 (1) Nr. 5 sowie die Übernahme erhöhter Sorgfaltspflichten durch Dritte und andere geeignete Personen ist nicht gestattet. Der Unterschied zwischen Dritten und anderen geeigneten Personen besteht darin, dass letztere nur auf Grundlage eines Vertrags tätig werden dürfen (BaFin-VÖ-GwG-AuA Nr. III.8). Vertraglich verpflichtete andere Personen dürfen ihren Sitz auch im Nicht-EU Ausland haben (BaFinVÖ-GwG-AuA Nr. III.8.2), allerdings nicht in Hochrisikoländern (GWG § 17 (2)). Der Begriff des Hochrisikolands ist der gleiche wie im Rahmen von GwG § 15, also ein Land, das in AMLD-DelVO 2021/37/EU aufgeführt wird (BaFin-VÖ-GwG-AuA Nr. III.8.2; Herzog-Achtelik-GwG, § 17 Rn. 9). Der Verpflichtete bleibt in jedem Fall für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten letztverantwortlich, d. h. Verletzungen der Sorgfaltspflichten durch eingeschaltete Personen werden dem Verpflichteten zugerechnet. Die Personen müssen geeignet und zuverlässig sein (BaFin-VÖ-GwG-AuA Nr. III.8). Eine Sub-Auslagerung durch vertraglich beauftragte andere Personen ist gestattet, wenn alle genannten Voraussetzungen im Verhältnis des Verpflichteten zum Weiterbeauftragten erfüllt sind, d. h., dass sich der Weiterbeauftragte auch vertraglich gegenüber dem Verpflichteten zur Einhaltung der (gesetzlichen) Vorgaben für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten und zur Einräumung von Prüf- und Kontrollrechten für den Verpflichteten und dessen Aufsichtsbehörde verpflichten muss. Unzulässig ist allerdings eine Sub-Auslagerung der Videoidentifizierung (BaFin-VÖ-GwG-AuA Nr. III.8.3 mit Verweis auf BaFin-VÖ-VideoIdent B.I). Kein Fall der Sub-Auslagerung liegt vor, wenn ein Dienstleister nur unterstützend für den Verpflichteten tätig wird und letzterer z. B. die eigentliche Identifizierung aufgrund vom Dienstleister eingeholter Daten selbst vornimmt (BaFin-VÖ-GwG-AuA, Nr. III. 8.3). 631) GwG §§ 43 ff. und zwar in Deutschland an die zentrale Meldestelle FIU (Financial Intelligence Unit des BKA) elektronisch über das goAML-Portal (Link: https://goaml.fiu. bund.de). 632) KWG § 25h (1). Die BaFin sieht davon auch die Dokumentation und Speicherung der Korrespondenz der Mitarbeiter über die Chat-Funktion von Handelsplattformen als umfasst an (vgl. BaFin-VÖ-Sicherungssysteme).

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Begriff der sonstigen strafbaren Handlungen ist weit zu verstehen.633) Die strafbaren Handlungen müssen das Potenzial haben, für das WpDU ein operationelles Risiko darzustellen, was Reputationsrisiken und deshalb auch eine indirekte Gefährdung des Vermögens des WpDU einschließt.634) Daraus ist zu folgern, dass WpDU auch gehalten sind, systematische Maßnahmen zur Verhinderung von Anlegerbetrügereien, insbesondere von Ponzi Schemes und Schneeballsystemen,635) zu treffen.636) e) Förderung des Whistleblowing 166 In engem Zusammenhang mit der Präventation von Straftaten steht das sog. Whistleblowing, also der Hinweis darauf, dass Recht gebrochen wird, und zwar durch eine Person (Hinweisgeber oder Whistleblower), die mit dem Rechtsbrecher in beruflichem Kontakt steht. Finanzakteure sind verpflichtet, interne Verfahren einzurichten, über die ihre Mitarbeiter Verstöße gegen (wichtige Teile des) EU Finanzrecht(s) (insbesondere gegen die MAR) melden können.637) Mehr noch, Arbeitgeber sollen das Whistleblowing durch finanzielle Anreize fördern,638) und sie müssen die Hinweisgeber vor Repressalien schützen.639) f) Beachtung internationaler Sanktionen 167 Der Kapital- und Zahlungsverkehr kann auf Grundlage von Sanktionsmaßnahmen des UN-Sicherheitsrats, der EU und nationaler Behörden beschränkt werden. UN-Sanktionsmaßnahmen bedürfen zur Umsetzung eines Beschlusses des Rates der EU (EUV Art. 29) und dem Erlass einer VO (AEUV Art. 215).

___________ 633) Der Begriff erfasst insbesondere Betrugs- und Untreuetatbestände (StGB §§ 263 ff.), Diebstahl (StGB § 242), Unterschlagung (StGB § 246), Raub und räuberische Erpressung (StGB §§ 249 ff.), bestimmte Delikte des Wirtschaftsstrafrechts, die Allgemeininteressen in Wirtschaft und Verwaltung schützen (z. B. StGB §§ 264a, 266b), Korruptionsstraftaten (StGB §§ 331 ff.), Steuerstraftaten (AO §§ 269 ff.), Begünstigung (StGB § 257), Straftaten gegen den Wettbewerb (StGB § 298), das Ausspähen von Daten, Identitätsdiebstahl etc. (StGB §§ 202a – ff) sowie sämtliche Formen der Cyberkriminalität (B/F/S-KWG-Achtelik, § 25h Rn. 6). 634) B/F/S-KWG-Achtelik, § 25h Rn. 6. S. zum Begriff der operationellen Risiken oben Rn. 43. 635) S. dazu unten Rn. 497. 636) Eine besondere Verantwortung trifft in diesem Zusammenhang die Verwahrstelle von Investmentfonds, die darüber zu wachen hat, dass Vermögensverwalter mit dem ihnen anvertrauten Kapital regelgerecht umgehen (s. zur Rolle der Verwahrstelle unten Rn. 301 sowie: Alshaleel, European Company Law 2016, Nr. 1, S. 14). 637) WPD Art. 8 und 9 i. V. m. Art. 2 (1) a) ii) und Anhang Teil I-B; MAR Art. 32 (3). 638) MAR Art. 32 (4). Näher zur Thematik: Fleischer/Schmolke, NZG 2012, 361. 639) WPD Art. 15 und 19 – 23. Gerade die deutsche Gesellschaft mit einer unrühmlichen, von den Nationalsozialisten und später den Kommunisten geförderten Ausspähvergangenheit mag sich allerdings mit der Akzeptanz des Whistleblowing schwertun (näher: Lee/Pittroff/ Turner, Journal of business Ethics 2020, Nr. 163, 553 – 576).

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Sanktionsmaßnahmen der EU sind auch ohne zugrunde liegende UN-Maßnahmen in dem gleichen Verfahren möglich.640) g) Compliance-Funktion und Beauftragtenwesen Die Geschäftsleitung eines jeden Unternehmens hat für die Einhaltung der 168 gesetzlichen Bestimmungen und der internen Richtlinien im Unternehmen zu sorgen – dies wird als Compliance bezeichnet.641) Zu diesem Zweck wird (deutschen) Unternehmen empfohlen, ein an der Risikolage des Unternehmens ausgerichtetes Compliance Management System einzurichten.642) ___________ 640) Das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Energie kann zudem in Abstimmung mit weiteren Ministerien und der Buba auf der Grundlage von AWG §§ 4 und 6 beschränkende Eilmaßnahmen (Einzeleingriffe) anordnen. Diese (vorübergehend wirksamen) Einzeleingriffe dienen i. d. R. der zeitnahen Umsetzung von UN-Sanktionen und ergehen im Vorgriff auf entsprechende EU Maßnahmen (näher: Buba-VÖ-Finanzsanktionen). Deutsche Finanzakteure können in ein Dilemma geraten, wenn sie sich an Boykottmaßnahmen gegen andere Staaten beteiligen, die nicht von der UN oder der EU verhängt worden sind, denn dies ist gem. AWV § 7 verboten. Das (rechtlich kaum lösbare) Dilemma ist dann gegeben, wenn etwa die USA dem deutschen Finanzakteur für den Fall der Nichtbeachtung ihrer (gelegentlich weiter als UN-Sanktionen gehender) Sanktionen Strafen androhen. 641) S. Grundsatz 5 des Deutschen Corporate Governance Kodex (näher zum DCGK: https:// www.dcgk.de/de/). Zur Compliance i. S. v. Verhinderung von Gesetzesverstößen ist die Geschäftsleitung verpflichtet und wohl auch dazu, eine auf Schadensprävention und Risikokontrolle angelegte Compliance-Organisation einzurichten. Dies hat das LG München I 2013 in dem vielbeachteten Siemens/Neubürger-Urteil (5HK O 1387/10, ZIP 2014, 570) entschieden und diese Pflicht ohne spezielle gesetzliche Grundlage aus dem Legalitätsprinzip abgeleitet (Gegenstand des Verfahrens war die Klage der Siemens AG gegen ihren früheren Vorstand Dr. Neubürger – der sich anschließend das Leben nahm – auf Ersatz eines Schadens, der aus Bestechungshandlungen resultierte, die Neubürger nicht unterbunden hatte – s. zu entsprechenden Organhaftungsansprüchen unten Rn. 482 ff.). Der Begriff der Compliance ist allerdings schillernd (zu seinem US-amerikanischen Ursprung s.: D/K/B-B+K-Recht-Frisch, § 9 Rn. 1 – 10). Compliance bezeichnet die (vorbeugende) Sicherstellung der Einhaltung von Gesetzen und (nicht-gesetzlichen) Regeln und Usancen und beschreibt damit eine Managementfunktion, nämlich die Steuerung des Risikos der Verletzung dieser Regeln, die zu rechtlichen Sanktionen und/oder Reputationsverlust führen kann. Compliance bedeutet auch: Handeln im Einklang mit diesen Regeln. Compliance bezeichnet schließlich die organisatorische Umsetzung der Regelverletzungsverhinderungsmaßnahmen. Neben dem Gegenstand der Compliance ist auch ihr Umfang vieldeutig. Während Compliance i. w. S. die Beachtung sämtlicher denkbarer Regeln umfasst, wird unter kapitalmarktrechtlicher Compliance (oder Wertpapier-Compliance) die Überwachung der aufsichtsrechtlichen Regeln für Finanzinstrumente verstanden, gelegentlich auch noch enger: Nur die Regeln über Integrität und Transparenz der auf organisierten Märkten gehandelten Wertpapiere (näher: E/B-Bankrecht-Faust, § 89 Rn. 1 und 3). In diesem Buch wird der Begriff Compliance wegen seiner Unschärfe zurückhaltend benutzt und wenn, dann bezogen auf kapitalmarktrechtliche Compliance und im organisatorischen Sinne. 642) DCGK Empfehlung und Anregung A.2. Gem. IDW Grundsätze ordnungsgemäßer Prüfung von Compliance Management Systemen (PS 980) 2011 (IDW-Grundsätze und Prüfungsstandards (IDW PS) sollen Wirtschaftsprüfern als Richtlinien für ihre Tätigkeit dienen) umfasst der Begriff des Compliance Management Systems sämtliche Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Sicherstellung eines regelkonformen Verhaltens der Mitarbeiter des Unternehmens sowie ggf. von Dritten abzielen. Näher zu Compliance Management Systemen: Park-KapMarktStrafR-Bottmann, Teil 2 Kap. 2.1 III.4.

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169 Für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen konkretisiert der Gesetzgeber diese Empfehlung dahingehend, dass sie über eine Compliance-Funktion verfügen müssen,643) deren Aufgabe es ist, auf die Implementierung dauerhafter und wirksamer644) Verfahren zur Einhaltung von Recht und internen Richtlinien und deren Kontrolle hinzuwirken und die Geschäftsleitung dabei zu unterstützen und beraten.645) Die der Geschäftsleitung unmittelbar zu unterstellende Compliance-Funktion muss unabhängig sein646) und darf insbesondere nicht in die Erbringung von Kundendienstleistungen eingebunden werden, d. h. muss von den Bereichen Markt und Handel getrennt sein.647) Sie ist mit umfassenden Befugnissen und Ressourcen auszustatten, und ihre Mitarbeiter müssen sachkundig sein. Die Compliance-Funktion hat mindestens einmal jährlich sowie anlassbezogen der Geschäftsleitung (und dem Aufsichtsorgan und der Internen Revision) über ihre Tätigkeit Bericht zu erstatten.648) Für die Erfüllung der Aufgaben der Compliance-Funktion muss die Geschäftsleitung einen Compliance-Beauftragten ernennen.649) Eine Auslagerung der ComplianceFunktion ist möglich.650) ___________ 643) MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 22 und Art. 26 (7); WpHG § 80 (1). Zur Entstehungsgeschichte s.: Park-KapMarktStrafR-Boehm, Teil 2 Kap. 2.2 I.1 Rn. 1 – 4. 644) Zu den Anforderungen an die Dauerhaftigkeit und Wirksamkeit der ComplianceFunktion s.: Park-KapMarktStrafR-Boehm, Teil 2 Kap. 2.2 III.2 Rn. 20 – 33. 645) Zur näheren Beschreibung des Umfangs der Pflichten der Compliance-Funktion: ESMAVÖ-Compliance-Funktion; Protokoll zur Sitzung des Fachgremiums MaRisk am 24.4.2013 in Bonn (BaFin) (file://ffwuk.local/Public/Profiles/FRA/RL6/Downloads/dl_ protokoll_130424_FG_marisk.pdf). Jedenfalls gehört dazu die Verhinderung der Begehung von Straftaten – Criminal Compliance (Park-KapMarktStrafR-Bottmann, Teil 2 Kap. 2.1 I.1 Rn. 3). S. zum Verhältnis von Compliance und Strafrecht auch unten Rn. 478 ff. 646) Aus Sinn und Zweck einer unabhängigen Compliance-Funktion folgt auch, dass sie zumindest in gewissem Grad frei von Weisungen der Geschäftsleitung agieren können muss. Wie weit diese Autonomie geht, ist einer generalisierenden Festlegung kaum zugänglich, sondern muss im Einzelfall abgewogen werden. In jedem Fall entlässt die Existenz der Compliance-Funktion die Geschäftsleitung nicht aus der Verantwortung für die Sicherstellung des regelkonformen Handelns des Unternehmens (vgl. zu diesen Fragen: E/BBankrecht-Faust, § 89 Rn. 99 – 101; Veil-Kapitalmarktrecht-Wundenberg, § 33 Rn. 43 – 48). Zur Frage, in welchem Umfang die Compliance-Funktion mit anderen Kontrollfunktionen und/oder der Rechtsabteilung verbunden werden kann: Park-KapMarktStrafR-Boehm, Teil 2 Kap. 2.2 III.2 Rn. 37 – 39. 647) Ausführlich zum Verhältnis von Compliance- und Geschäftsabteilungen: E/B-BankrechtFaust, § 89 Rn. 161 – 165a. 648) MaRisk AT4.4.2. Näher: Park-KapMarktStrafR-Boehm, Teil 2 Kap. 2.2 III.2 Rn. 72 – 76. 649) MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 22 (3) b); WpHG § 81 (5). S. zu den Sachkunde- und Zuverlässigkeitsanforderungen an den Compliance-Beauftragten: Park-KapMarktStrafRBoehm, Teil 2 Kap. 2.2 III.2 Rn. 22 – 24. Abhängig von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftsaktivitäten sowie der Größe des Finanzakteurs kann im Ausnahmefall die Funktion des Compliance-Beauftragten auch einem Geschäftsleiter übertragen werden (MaRisk AT4.4.2 Rn. 5). Erfüllt der Compliance-Beauftragte seine Pflichten nicht ordnungsgemäß, kann das für ihn sogar strafrechtliche Folgen haben (s. unten Rn. 478 ff.). 650) Dabei sind die Voraussetzungen von MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 30, 31; KWG § 25 b; WpHG § 80 (6); MaComp BT 1.3.4 Tz. 2 – 5 zu beachten.

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III. Regulierung der Kapitalmarktakteure

Die Compliance-Funktion von WpDU ist auch für die Einhaltung der MiFID- 170 Vorschriften zuständig651) und fungiert als (firmeninterne) MiFID-Beraterin652) der mit Kundendienstleistungen betrauten Mitarbeiter und überwacht deren persönliche Geschäfte653) (insbesondere mit dem Ziel, Interessenkonflikte zu vermeiden und Insiderhandel zu verhindern). Sie hat ihrerseits ein prioritätensetzendes System einzurichten, das eine umfassende Überwachung der Compliance-Risiken sicherstellt654) und verhindert, dass mögliche Interessenkonflikte des Finanzakteurs bzw. seiner Mitarbeiter sich zum Nachteil der Kunden auswirken.655) Neben dem Compliance-Beauftragten (und den Geldwäsche- und Datenschutz- 171 Beauftragten) verlangt das Aufsichtsrecht (unter gewissen Umständen) die Bestellung weiterer Beauftragter, z. B. von Vertriebs-, Vergütungs- oder Auslagerungs-Beauftragten.656) ___________ 651) MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 22 (2), 26 (7), 27 (3), 37 (2b); WpHG § 80 (1); MaComp AT6 und BT1. 652) MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 22 (2) b). Näher: Park-KapMarktStrafR-Boehm, Teil 2 Kap. 2.2 III.2 Rn. 65 – 71. 653) MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 28, 29 und 37; MaComp BT12. 654) MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 22 (2) und (3), 26 (3) und (7); MaComp BT1.3.2.1. Ausführlich: E/B-Bankrecht-Faust, § 89 Rn. 166 – 185. Zur Einbindung der ComplianceFunktion in das gesamte Kontroll- und Sicherheitssystem des WpDU (etwa im Rahmen des Three Lines of Defence-Modell) s. oben Rn. 158 sowie Park-KapMarktStrafR-Boehm, Teil 2 Kap. 2.2 III.2 Rn. 50 – 60. 655) MaComp AT6.2 Rn. 1 – 3. Die BaFin sieht als adäquates organisatorisches Mittel zur Erreichung dieses Ziels die Schaffung von Vertraulichkeitsbereichen innerhalb der Organisation des Kapitalmarktakteurs an, die von sog. Chinese Walls umgeben werden. Mitarbeiter, die einem solchen Vertraulichkeitsbereich nicht angehören, haben überhaupt keinen Zugang zu Informationen des Bereichs. I. Ü. sollte der Informationsfluss innerhalb der Organisation eines Kapitalmarktakteurs nach Ansicht der BaFin generell beschränkt sein und auf Basis des Need-to-know-Prinzips funktionieren. Darüber hinaus emfpiehlt die BaFin der Compliance-Funktion von Kapitalmarktakteuren, Listen mit Finanzinstrumenten zu führen, für die innerhalb des Unternehmens compliance-relevante Informationen vorhanden (und deshalb Chinese Walls von besonderer Bedeutung) sind. Ggf. sind diese sog. Beobachtungslisten durch Sperrlisten zu ergänzen, in denen Finanzinstrumente zu vermerken sind, bzgl. derer die Mitarbeiter des Finanzakteurs wegen unlösbarer Interessenkonflikte gar keine Geschäfte tätigen sollen. S. zur Schaffung von Vertraulichkeitsbereichen ausführlich: E/B-Bankrecht-Faust, § 89 Rn. 135 – 155; Veil-Kapitalmarktrecht-Wundenberg, § 33 Rn. 64 – 77 und zum Umgang mit Interessenkonflikten auch unten Rn. 203 ff. 656) Die Aufgabe des Vertriebs-Beauftragten besteht darin, dafür zu sorgen, dass die Vertriebsvorgaben eines WpDU nicht die Kundeninteressen beeinträchtigen (WpHG §§ 87 (4), 80 (1) S. 2 Nr. 3), diejenige des Vergütungs-Beauftragten in der Überwachung der Einhaltung der Regelungen zur Mitarbeitervergütung (InstitutsVergV § 23). Der AuslagerungsBeauftragte ist zuständig für das Auslagerungsmanagement, die Dokumentation und Unterstützung bei der Risikoanalyse (MaRisk AT9 Tz 12). Personen, die diese Stellen besetzen sollen, müssen bestimmte Sachkundeanforderungen erfüllen und der BaFin vor Tätigkeitsaufnahme angezeigt werden. Offensichtlich sieht der Gesetzgeber die Tätigkeitsbereiche als so wichtig an, dass sie besonders qualifizierte (und entsprechend zu bezahlende) Beauftragte rechtfertigen. Es sieht i. Ü. so aus, als werde der Reigen des Beauftragtenwesens weiter fortgesetzt. Der Entwurf der Neufassung der MaRisk sieht weitere Beauftragte z. B. für Informationssicherheit und Revision vor.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

5. Geschäftsleiter und Inhaber a) Geschäftsleitung und Aufsichtsorgane 172 Bei allen Finanzakteuren hat die Aufsicht darauf zu achten, dass nur persönlich zuverlässige und fachlich geeignete Personen in Leitungsorgane berufen werden.657) Unter einem Leitungsorgan versteht das EU Recht ein Organ, das operative Führungs- und/oder Aufsichtsaufgaben wahrnimmt. Umfasst sind deshalb die (geschäftsführende) Leitungsfunktion ebenso wie die (nicht-geschäftsführende) Aufsichtsfunktion unabhängig davon, ob das Gesellschaftsrecht des jeweiligen EU Mitgliedstaats eine monistische oder eine dualistische Struktur der Gesellschaft vorgibt.658) 173 Das deutsche Gesellschaftsrecht sieht eine ausgeprägt dualistische Struktur vor, was insbesondere in der Trennung der Aufgaben von Vorstand und Aufsichtsrat in der Aktiengesellschaft zum Ausdruck kommt.659) Diese Struktur spiegelt sich auch im Verständnis der Aufgabenteilung in Kreditinstituten und Wertpapierfirmen: Die Geschäftsleitung (Vorstand) ist für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation des Unternehmens verantwortlich.660) Sie hat die erforderlichen unternehmensinternen Vorgaben auszuarbeiten und muss organisatorisch und tatsächlich in ihre Umsetzung eingebunden sein.661) Grds. hat die ___________ 657) CRD EG (56) – (61), Art. 91; MiFID EG (53) – (54), Art. 9 (4); KWG §§ 25c – d, 32 (1) Nr. 2 – 4a; WpIG § 20. Details sind geregelt in: EZB-VÖ-Assessments, EBA-VÖ-Governance, EBA/ESMA-VÖ-Leitungsorgane, BaFin-VÖ-Geschäftsleiter, BaFin-VÖ-Aufsichtsorgane. Zuverlässigkeit einer Person wird unterstellt, wenn keine Tatsachen vorliegen, aus denen sich ihre Unzuverlässigkeit ergibt (etwa eine Verurteilung wegen einer Vermögensstraftat). Fachliche Eignung setzt einschlägige theoretische und praktische Kenntnisse voraus, die sich aus Ausbildung und bisheriger Tätigkeit der Person ableiten lassen müssen. Das erforderliche Maß der Leitungserfahrung richtet sich nach Größe und Geschäftsschwerpunkt des Finanzakteurs. Bei Kreditinstituten wird besonderer Wert auf Erfahrung im Kreditgeschäft gelegt. Leitungserfahrung soll auf der Ebene mindestens unmittelbar unter der Geschäftsleitung erworben worden sein, setzt Personalführung voraus und muss Eigenverantwortlichkeit und hinreichende Entscheidungsbefugnisse beinhalten. In jüngerer Zeit sind deutliche Trends zur Ausweitung der Einflussnahme des Gesetzgebers und der Aufsicht auf das Personalwesen im Finanzsektor über die Qualifikation der Leitung hinaus zu vermerken. Beispiele sind Diversitäts-Zielvorgaben für die Zusammensetzung der Leitungsorgane (MiFID EG (53)) oder das Verlangen von Zuverlässigkeits- und Qualifikationsnachweisen auch von Mitarbeiterkategorien unterhalb der Leitungsebene, etwa für die Verkäufer von Anlageprodukten an Kleinanleger (vgl. MiFID EG (79)). 658) CRD EG (55) – (56), MiFID EG (54) – (55), EBA/ESMA-VÖ-Leitungsorgane Tz 10 – 12. 659) Der Vorstand führt die Geschäfte der AG in eigener Verantwortung (AktG § 76 (1)). Dem Aufsichtsrat obliegt die Kontrolle der Geschäftsleitung; er ist von der Geschäftsführung ausgeschlossen; allerdings ist festzulegen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit der Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden dürfen (AktG § 111). Abweichungen von diesem gesetzlich bestimmten gesellschaftsrechtlichen Konzept sind nicht zulässig (MüKo-AktG-Habersack, Bd. 2, AktG § 111 Rn. 6). S. zu Hintergründen und Entwicklung: Baums, Monistische Verfassung, S. 1 f. 660) KWG § 25c (3) – (4a). Dabei trifft die Geschäftsleitung der – bereits aus dem Gesellschaftsrecht bekannte – Grundsatz der Gesamtverantwortung: Kommt es zu einem Regelverstoß, ist die gesamte Geschäftsleitung verantwortlich, nicht nur die Person, in deren Zuständigkeitsbereich der Verstoß fällt (vgl. MaComp AT4). 661) MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 25; MaComp AT4.

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III. Regulierung der Kapitalmarktakteure

Geschäftsleitung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen aus mindestens zwei Personen zu bestehen662) und muss – auch zu Zwecken der Vorbeugung von Interessenkonflikten – arbeitsteilig (Front Office (Handel und Vertrieb) – Back Office (Settlement)) organisiert sein.663) Die Ernennung der Geschäftsleiter unterliegt (de facto) der Zustimmung der BaFin.664) Aus der aufsichtsrechtlichen Verantwortlichkeit der Geschäftsleiter folgert zumindest die deutsche Aufsicht, dass die Geschäftsleiter auch die (alleinige) operative Führungsverantwortung im Unternehmen tragen müssen und Entscheidungsvorbehalte zugunsten eines Aufsichtsrates oder der Inhaber, die über die typische Aufsichtsfunktion hinaus in die Geschäftsleitung eingreifen, damit nicht vereinbar sind.665) Ebenso wie die Geschäftsleiter müssen die Mitglieder des Aufsichtsorgans von 174 Kreditinstituten und Wertpapierfirmen ihre persönliche und fachliche Qualifikation im Rahmen eines Anzeigeverfahrens gegenüber der BaFin nachweisen.666) Die Anforderungen sind umso strikter, je größer das Unternehmen und je komplexer seine Geschäfte sind.667) Aufgabe des Aufsichtsorgans ist die Überwachung der Geschäftsleiter (auch) im Hinblick auf die Einhaltung aufsichtsrechtlicher Regelungen.668) Um diese Überwachung effizient zu machen, soll

___________ 662) MiFID Art. 9 (6). Eine Ausnahme vom Vier-Augen-Prinzip gilt nur für Wertpapierfirmen, die nicht befugt sind, sich Besitz an Geldern oder Wertpapieren von Kunden zu verschaffen. 663) Vgl. oben Rn. 158. 664) S. zum Ablauf des zu diesem Zweck von der BaFin in Deutschland eingerichteten Verfahrens: E/B-Bankrecht-Fischer/Boegl, § 113 Rn. 57 – 59. Die BaFin kann auch individuelle Maßnahmen gegen Geschäftsleiter treffen, wenn deren Zuverlässigkeit durch weitere Entwicklungen in Frage gestellt wird (KWG § 36, WpIG § 22). 665) B/F/S-KWG-Fischer/Müller, § 33 Rn. 27; E/B-Bankrecht-Fischer/Boegl, § 113 Rn. 47. 666) KWG § 25d, WpIG § 21. Detailliert geregelt in: EZB-VÖ-Assessments und BaFin-VÖAufsichtsorgane. 667) KWG § 25d (1) S. 2. Am striktesten sind die Anforderungen für Aufsichtsräte in bedeutenden Instituten (s. zur Terminologie oben Rn. 107). KWG § 25d (3) untersagt eine (zu) große Nähe zwischen Geschäftsleitern und Aufsichtsräten eines bedeutenden Instituts und beschränkt die Anzahl der zulässigen Aufsichtsratsmandate. Gem. KWG § 36 (3) S. 1 Nr. 7 ist der Wechsel von Geschäftsleitern in das Aufsichtsorgan unzulässig, wenn bereits zwei ehemalige Geschäftsleiter des Unternehmens dort Mitglied sind oder das Mitglied mehr Geschäftsleitungs- oder Kontrollmandate ausübt als nach KWG § 25d (3) zulässig sind. 668) Dass dies eine ernstzunehmende umfängliche Aufgabe ist, bringt der Gesetzgeber auch durch die Forderung zum Ausdruck, dass sich die Aufsichtsräte für die Erörterung von Strategien, Risiken und Vergütungssystemen für Geschäftsleiter und Mitarbeiter ausreichend Zeit nehmen müssen (KWG § 25d (6); WpIG § 21 (4)).

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

das Aufsichtsorgan Ausschüsse einrichten,669) denen für das jeweilige Aufgabengebiet besonders qualifizierte Personen anzugehören haben.670) b) Inhaber 175 Die Begründung oder der Erwerb einer qualifizierten (in deutscher Rechtsterminologie: bedeutenden) Beteiligung (ab 10 %671)) an einem Kreditinstitut oder einer Wertpapierfirma unterliegt der Aufsicht.672) Gesellschafter, die eine qualifizierte Beteiligung an einem Kreditinstitut oder einer Wertpapierfirma begründen oder erwerben, müssen zuverlässig und geeignet sein.673) Entsprechende Nachweise müssen im Erlaubnisantrag674) bzw. in der Anzeige über die Absicht des Erwerbs einer bedeutenden Beteiligung675) an die BaFin676) erbracht werden (sog. Inhaberkontrollverfahren).677) Allerdings bedarf der Erwerb keiner Genehmigung durch die zuständige Aufsichtsbehörde, sondern diese kann ihn während eines Beurteilungszeitraums von grds. 60 Tagen untersagen.678) Tut sie dies nicht, kann der Erwerb vollzogen werden.679) ___________ 669) Gem. KWG § 25d (7) ist für bedeutende Kreditinstitute die Einrichtung eines Risikoausschusses, eines Prüfungsausschusses, eines Normierungsausschusses und eines Vergütungskontrollausschusses auf der Ebene des Aufsichtsorgans vorgeschrieben. Wertpapierfirmen (mit Ausnahme kleiner Wertpapierfirmen) bedürfen eines Risikoausschusses und eines Vergütungskontrollausschusses (WpIG § 44 (3)). Der Risikoausschuss überwacht die Gesamtrisikostrategie des Unternehmens, der Prüfungsausschuss den Rechnungslegungsprozess und die Abschlussprüfungen, der Nominierungsausschuss die angemessene Auswahl der Mitglieder der Geschäftsleitung und des Aufsichtsorgans und der Vergütungskontrollausschuss die angemessene Ausgestaltung der Vergütungssysteme für Geschäftsleiter und Mitarbeiter. Auch größere und komplexere Institute, die unterhalb der Schwelle zum bedeutenden Institut bleiben, sollen entsprechende Ausschüsse einrichten, um die Geschäftsleiter bei der Einhaltung der bankaufsichtsrechtlichen Regelungen effektiv zu unterstützen und zu überwachen. 670) KWG § 25d (8) – (12); WpIG § 44 (5) – (7). S. zu Fragen der Governance in Wertpapierfirmen insbesondere mit Blick auf die Leitungsorgane: Veil-Kapitalmarktrecht-Wundenberg, § 34. 671) CRR Art. 4 (1) Nr. 36; MiFID Art. 4 Nr. 31; KWG § 1 (9). 672) CRD Art. 14 und 22; MiFID Art. 10 und 11; KWG § 2c; WpIG §§ 24 – 27. 673) KWG § 33 (1) Nr. 3. Bei der Zuverlässigkeitsprüfung können einschlägige Straftaten (Betrug, Untreue, Geldwäsche, Bilanzvergehen, schwere Kapitalverbrechen etc.) oder ungeordnete Vermögensverhältnisse eine Rolle spielen (E/B-Bankrecht-Fischer/Boegl, § 113 Rn. 23). 674) AnzV § 14 (5) i. V. m. der InhKontrollV. 675) CRD Art. 22; MiFID Art. 11; KWG § 2c; WpIG § 24 i. V. m. der InhKontrollV. Eine solche Anzeige ist immer dann zu machen, wenn die Schwelle von 10 %, 20 %, 30 % oder 50 % des Kapitals oder der Stimmrechte erreicht wird, also auch im Fall von Aufstockungen (S/A-KWG+ZAG-Süßmann KWG § 2c Rn 22). 676) Für die Entscheidung über die Zulässigkeit ist allerdings die EZB zuständig, an die die BaFin die Anträge mit einem eignen Votum weiterzuleiten hat (SSMR Art. 4 i. V. m. Art. 15). Näher zu den EU-Grundlagen: ESA-VÖ-Qualifizierte Beteiligungen. 677) S. zu den Einzelheiten des Inhaberkontrollverfahrens: BaFin-VÖ-Inhaberkontrolle und B/G/R-Bankenaufsichtsrecht-Steck, § 4. 678) KWG § 2c (1a) – (1b); WpIG §§ 25, 26. 679) KWG § 2c (1b) S. 6; WpIG § 26 (4) S. 2.

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III. Regulierung der Kapitalmarktakteure

6. Kapitalmarktakteurstransparenz WpDU treffen umfangreiche akteursbezogene Transparenzpflichten. Dazu 176 zählt vor allem die Pflicht zur Vorlage des Jahresabschlusses, der nach besonderen Kriterien zu erstellen und prüfen ist.680) Unterjährig sind zudem regelmäßig Meldungen zu Finanzen, Risiken, Eigenmitteln und Liquidität zu machen sowie Anzeigen bzgl. der Geschäftsorganisation, einschließlich Veränderungen in der Geschäftsleitung.681) Darüber hinaus genießen EZB, BaFin und Bundesbank weitreichende Auskunfts- und Sonderprüfungsrechte.682) 7. Kapitalmarkt-Nebenakteure Neben den allesamt der Regulierung unterfallenden Kapitalmarkt-Haupt- 177 akteuren kennt der Kapitalmarkt auch eine Reihe von Nebenakteuren, deren Dienstleistungen teils reguliert sind und teils nicht. Die wichtigsten Kapitalmarkt-Nebenakteure werden in diesem Kapitel vorgestellt. a) Zahlstelle Emittenten, für die Deutschland der Herkunftsstaat683) ist, müssen sicher- 178 stellen, dass für die gesamte Dauer der Zulassung der Wertpapiere zu einem hiesigen geregelten Markt ein Finanzinstitut als Zahlstelle (Paying Agent) im Inland bestimmt ist, bei der alle erforderlichen Maßnahmen hinsichtlich der

___________ 680) ACD Kapitel 2 – 8; CRD Art. 63; KWG §§ 26 – 30; WpIG §§ 76 – 79; HGB §§ 340 ff.; RechKredV. 681) CRR Art. 99 ff. und Art. 430 ff. (mit weiteren Details in der CRR-Durchführungs-VO und den EBA-VÖ-Offenlegungspflichten). Für Wertpapierfirmen der Klassen 2 und 3 existieren gem. IFR Art. 46 – 53 Erleichterungen hinsichtlich Umfang und Frequenz der Meldungen: Wertpapierfirmen müssen den Behörden (vierteljährlich) Meldung machen bzgl. Höhe und Zusammensetzung ihrer Eigenmittel, ihrer Eigenmittelanforderungen und deren Berechnungsgrundlagen, ihres Tätigkeitsprofils, ihrer Liquiditätsanforderungen und der Erfüllung der Bestimmungen zum Konzentrationsrisiko – mit Befreiung der Klasse-3Wertpapierfirmen von der Meldepflicht zum Konzentrationsrisiko (IFR Art. 54, 55). Klasse-2-Wertpapierfirmen müssen (jährlich) Informationen zu Risikomanagementzielen, Unternehmensführung, Eigenmitteln, Eigenmittelanforderungen, Vergütungspolitik und ESG-Risiken veröffentlichen. Für Klasse-3-Wertpapierfirmen sind die Offenlegungspflichten auf einige Komponenten beschränkt. In Deutschland finden sich die EU Vorschriften konkretisierende und ergänzende Regelungen u. a. in KWG §§ 24 – 26a; WpIG §§ 64 – 68; AnzV (für nach KWG erforderliche Anzeigen); WpAV (für nach WpHG und MAR erforderliche Anzeigen); FinaRisikoV und Buba/BaFin-VÖ-Offenlegung. Empfänger der Meldungen ist gem. CRR Art. 99 i. V. m. ITS/2013/02 grds. die BaFin, häufig aber auch die Bundesbank. 682) SSMR Art. 10 ff. i. V. m. SSMFR Art. 138 ff.; KWG §§ 44 – 44c und FinDAG § 4b (4)). Näher: E/B-Bankrecht-Fischer/Boegl, § 117 Rn. 54 – 63. 683) S. zum Begriff oben Rn. 52.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

Wertpapiere bewirkt werden können.684) Häufig übernimmt der Paying Agent noch weitere Agency-Aufgaben, namentlich diejenigen des Issuing (oder Fiscal) Agent, der für die technischen Aspekte der Emission zuständig ist (z. B. Vorbereitung der Urkunden, Kommunikation mit dem Clearingsystem etc.).685) Von den Zahlungsdienstleistungen i. e. S. abgesehen686) unterfallen die Agency-Tätigkeiten i. d. R. keinem Finanzaufsichtsgesetz und können ohne entsprechende Erlaubnis erbracht werden.687) b) Corporate Services Provider 179 Aus unterschiedlichen Gründen mögen manche Emittenten Wertpapiere nicht selbst emittieren und benutzen deshalb ein Emissionsvehikel (Special Purpose Vehicle – SPV). Das ist namentlich bei Asset Backed Securities (ABS) und anderen besicherten Anleihen688) der Fall. Für diesen Fall bieten sog. Corporate Services Provider (CSP) umfangreiche Verwaltungsdienstleistungen an. Dazu zählt die Gründung des SPV, die Stellung von Geschäftsleitern und weiterem Personal, buchhalterische und steuerliche Dienstleistungen sowie ggf. die Liquidation des SPV nach Abschluss der Transaktion.689) Die CSP-Tätigkeiten unterfallen i. d. R. keinem Finanzaufsichtsgesetz und können ohne entsprechende Erlaubnis erbracht werden.690) ___________ 684) TD Art. 18 (2) c), WpHG § 48 (1) Nr. 4. Unklar ist allerdings die Bedeutung des Begriffs Finanzinstitut in diesem Zusammenhang. Im englischen Originaltext der TD ist von financial institution die Rede, im deutschen Text der TD ebenso wie im WpHG von Finanzinstitut, ohne den Begriff zu definieren. Eine Definition des Finanzinstituts ist in CRR Art. 4 (26) enthalten, wonach zwar Zahlungsinstitute dazu gehören, nicht aber Institute, also Kreditinstitute und große Wertpapierfirmen. Das spricht dafür, dass Finanzinstitut hier eher in einem untechnischen, weiten Sinne zu verstehen ist und Kreditinstitute miteinschließt. Unklar ist auch die Bedeutung des Begriffes Zulassung im WpHG, denn hier fehlt der Zusatz zu einem geregelten Markt. Dieser Zusatz ist allerdings in TD Art. 18 (1) enthalten und sollte deshalb im WpHG mitgelesen werden. 685) Weitere Dienstleistungen können bestehen in der Tätigkeit eines Calculation Agent (der die Höhe zu zahlender Beträge zu bestimmen hat), eines Cash Manager (wenn Zahlungseingangund -ausgangsströme abzugleichen sind), eines Listing Agent (für die Abwicklung der Beziehungen mit einem Handelsplatz), eines Reporting Agent (wenn regelmäßig Mitteilungen zu machen sind) oder eines Registerführers (im Falle von Namensschuldverschreibungen). 686) Für deren Erbringung eine Erlaubnis für Zahlungsdienste erforderlich ist – s. oben Rn. 51. 687) S. zur vertraglichen Ausgestaltung der Agency-Tätigkeiten unten Rn. 402–403. 688) Dazu s. unten Rn. 386 ff. 689) Eine eigentliche Geschäftstätigkeit übt der CSP i. d. R. nicht aus. Sollte eine solche erforderlich sein – etwa weil das SPV auch Immobilien besitzt, die verwaltet werden müssen, wird sie typischerweise an einen weiteren Dienstleister (Asset Manager) ausgelagert. Müssen dabei auch Geldströme gemanagt werden – z. B. weil mit den Mieteinnahmen aus den Immobilien die Zinsen unter den ABS bezahlt werden – wird der Asset Manager u. U. auch als Cash Manager tätig. S. zur vertraglichen Ausgestaltung der CSP-Tätigkeit unten Rn. 403. 690) Dies gilt allerdings so ohne weiteres nicht für das SPV als solches und für andere typischerweise an der Emission von ABS beteiligten Parteien, namentlich dem Originator oder dem Sponsor. Soweit sie nicht sowieso als Kapitalmarkthauptakteure bereits der Aufsicht unterliegen, kann sich die Beaufsichtigung aus KWG § 6 (1e) ergeben und auf die Befugnis erstrecken, die Angemessenheit der Eigenmittel, die ein Institut für Verbriefungen hält, für die es als Originator gilt, unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Substanz der Transaktion und des Grads an erreichter Risikoübertragung zu überwachen.

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III. Regulierung der Kapitalmarktakteure

c) Inkassodienstleister Insbesondere bei ABS kann es erforderlich sein, dass ein sog. Servicer für das 180 SPV die den ABS zugrundliegenden Forderungen einzieht. Forderungseinzug durch einen Dritten wird in Deutschland als Inkasso und damit als außergerichtliche Rechtsdienstleistung angesehen, die nur von demjenigen erbracht werden darf, dem ein Gesetz dies erlaubt.691) Inkassodienstleistungen dürfen von natürlichen und juristischen Personen erbracht werden, die dafür (aufgrund Nachweises persönlicher Eignung, angemessenen Versicherungsschutzes und besonderer Sachkunde692)) bei der zuständigen Behörde693) registriert worden sind.694) Die Behörde übt die Aufsicht über die registrierte Person aus und kann die Durchführung der Inkassodienstleistungen ggf. untersagen.695) d) Sicherheitentreuhänder und Escrow Agent Typisch für ABS (und andere Formen besicherter Anleihen) ist, dass ein sog. 181 Sicherheitentreuhänder die den Anleihen zugrundeliegenden Forderungen (und deren Sicherheiten – bei MBS z. B. die Grundpfandrechte)696) für die Anleihegläubiger hält, verwaltet und ggf. vollstreckt. Eine vergleichbare Rolle kann ein Escrow (Account) Agent spielen, der vom Emittenten eingezahlte Gelder (treuhänderisch) solange hält (und ggf. verwaltet), bis eine näher bestimmte Bedingung eingetreten ist und sie dann an die Gläubiger auszahlt. Für die treuhänderische Tätigkeit als solche ist i. d. R. keine finanzaufsichtliche Erlaubnis erforderlich (wohl aber für die eigentliche Verwahrtätigkeit, wenn die Sicherheiten Wertpapiere sind, oder für die Kontoführung).697)

___________ 691) RDG § 3. Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert (RDG § 2 (1)), jedenfalls aber die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen (Inkassodienstleistung) (RDG § 2 (2) S. 1). Allerdings gelten (Fiktion!) abgetretene Forderungen für den bisherigen Gläubiger nicht als fremd (RDG § 2 (2) S. 2). Damit wird erreicht, dass nämlich die im ABS-Geschäft übliche Praxis, wonach der Zedent (Originator) weiter die abgetretenen Forderungen einzieht, erlaubnisfrei möglich ist. 692) RDG § 12 (1) und (3). Juristische Personen müssen mindestens eine natürliche Person benennen, die alle erforderlichen Voraussetzungen erfüllt (sog. qualifizierte Person). Die qualifizierte Person muss in dem Unternehmen dauerhaft beschäftigt, in allen Angelegenheiten, die Rechtsdienstleistungen des Unternehmens betreffen, weisungsunabhängig und weisungsbefugt sowie zur Vertretung nach außen berechtigt sein. Registrierte Einzelpersonen können qualifizierte Personen benennen (RDG § 12 (4)). 693) Die Bestimmung der zuständigen Behörde ist in Deutschland Ländersache (RBG § 19). In Hessen ist das OLG Frankfurt zuständig. 694) RDG § 10 (1) Nr. 1. Auch Personen ohne Niederlassung in Deutschland können sich registrieren lassen; sie können den Antrag an jede zuständige Behörde in Deutschland richten (RDG § 13 (1)). 695) RDG § 13a. Näher: Berg/Gaub, Finanzierung Leasing Factoring 2016, 112, 114. 696) S. dazu näher unten Rn. 389. 697) S. zur vertraglichen Ausgestaltung der Treuhandschaft unten Rn. 402.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

e) Gläubiger-Interessenvertreter 182 Während Paying Agent und CSP ausschließlich für den Emittenten tätig werden – und Sicherheiten- bzw. Escrow Agent ggf. doppelnützig698) für beide Seiten –, vertreten der Anleihetreuhänder (Englisch: Note Trustee) oder der gemeinsame Vertreter nach dem SchVG ausschließlich die Interessen der Anleihegläubiger gegenüber dem Emittenten. Allerdings kann diese Interessenvertretung auch dem Emittenten nützen, vor allem dann, wenn er einen Vertragspartner für die nachträgliche Änderung der Anleihebedingungen benötigt. Die Gläubiger-Interessenvertretung erfordert keine finanzaufsichtliche Erlaubnis.699) f) Ratingagenturen 183 Ratingagenturen bewerten die Bonität und Qualität von Emittenten und/oder deren Anleihen und geben (potentiellen) Anlegern damit Kriterien für ein Investment an die Hand. I. d. R. handeln Ratingagenturen dabei im Auftrag des Emittenten.700) Ein potentieller Interessenkonflikt liegt in einer solchen Situation auf der Hand.701) Ratingagenturen sind im Zusammenhang mit der Finanzkrise 2008 in die Kritik geraten.702) Die EU hat darauf durch den Erlass der RatingR reagiert. In der EU ansässige Ratingagenturen bedürfen seitdem einer Zulassung durch die ESMA,703) durch die sie zu einer External Credit Assessment Institution (ECAI) werden.704) Die Zulassungsvoraussetzungen haben Parallelen zu denjenigen für andere beaufsichtigte Finanzakteure: ECAIs benötigen eine angemessene Eigentümer- und Organisationsstruktur sowie sachkundiges Personal.705) Besondere Anforderungen werden an den Umgang mit Interessenkonflikten gestellt.706)

___________ 698) Zur Rechtsfigur der doppelnützigen Treuhand, bei der ein Vermögenswert auf einen Treuhänder übertragen wird, der das Treugut sowohl für den Treugeber als auch für einen Dritten hält, s. näher: Bork, NZI 1999, 337. 699) S. zur vertraglichen Ausgestaltung der Gläubiger-Interessenvertretung unten Rn. 410. 700) H/M/S-Kapitalmarktinformation-Foerster, § 24 Rn. 5. 701) Hammen, Ratingagenturen, S. 6. 702) Zur Rolle der Ratingagenturen in der Finanzkrise: Huertas-Crisis, S. 29 – 33. 703) RatingR Art. 14 f. Näher: BaFin, Ratingagenturen unter ESMA-Aufsicht, in: https:// www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/FachArt/2013/fa_bj_2013_01_ratingagenturen.html. 704) CRR Art. 113 ff. erlauben die Verwendung externer Ratings für die Ermittlung von erforderlichen Eigenmitteln nur, wenn diese von gem. den Vorgaben der RatingR anerkannten Ratingagenturen (External Credit Assessment Institutions, ECAIs) erstellt wurden. S. oben Rn. 142. 705) RatingR Art. 7 f. 706) RatingR Art. 6 f. Ausführlich zur Regulierungstrategie der EU: Veil-KapitalmarktrechtWalla, § 27 Rn. 29 – 60.

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IV. Verhaltensregeln für die Erbringung von Kapitalmarktdienstleistungen

g) Benchmark-Administratoren Bei Anleihen mit derivativer Struktur (auch strukturierte Schuldverschreibungen 184 oder Zertifikate genannt) ist die Rendite an die Entwicklung eines Basiswerts geknüpft.707) Dieser Basiswert kann einen Referenzwert (Benchmark) darstellen, dessen Administrator einer Zulassung durch die zuständige Behörde seines Sitzstaates in der EU bedarf.708) IV. Verhaltensregeln für die Erbringung von Kapitalmarktdienstleistungen Die in der MiFID ausformulierten Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeit 185 von Wertpapierfirmen709) dienen dem Anlegerschutz.710) Sie haben einen organisationsbezogenen und einen kundenbezogenen Teil. Der kundenbezogene Teil wird in diesem Kapitel dargestellt.711) Jedem Kunden sollen für ihn (objektiv) angemessene Kapitalmarktprodukte 186 angeboten werden – und zwar von einer „…ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden…“ handelnden Wertpapierfirma,712) deren Mitarbeiter über die dafür erforderlichen Sachkenntnisse verfügen.713) Dieses Ziel sucht die MiFID durch eine Vielzahl detaillierter Verhaltensvorschriften für Wertpapierfirmen zu erreichen, den sog. Wohlverhaltensregeln (Englisch: Conduct of Business Rules). Die Wohlverhaltensregeln sind von der Wertpapierfirma ständig und bei der Erbringung sämtlicher MiFID-Kapitalmarktdienstleistungen zu beachten.714) Für diejenigen Dienstleistungen, bei denen der Gesetzgeber ein besonderes Potential für Interessenkonflikte sieht – Anlageberatung und Portfolioverwaltung – gelten besonders weitreichende Anforderungen.715) Dabei gilt jedoch der Grundsatz: Keine starre Anwendung ___________ 707) 708) 709) 710) 711) 712) 713)

S. unten Rn. 385. S. unten Rn. 228. MiFID Titel II, Kapitel 2, Abschnitte 1 und 2. MiFID EG (70). Zum organisationsbezogenen Teil s. oben Rn. 158 f. MiFID Art. 24 (1); WpHG § 63 (1). MiFID Art. 24(2); WpHG § 63 (5). Als Anlageberater, Vertriebsmitarbeiter, Finanzportfolioverwalter, Vertriebs-Beauftragte und Compliance-Beauftragte tätige Mitarbeiter von Wertpapierfirmen (sowie solche, die mit inhaltlichen Aspekten des Prozesses der Beurteilung der Geeignetheit befasst sind) müssen besonders qualifiziert sein, d. h. vor allem über die für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen rechtlichen und technischen Kenntnisse verfügen sowie die geschäftsethischen Standards kennen (MiFID Art. 25 (1); MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 22 (3) a), Art. 21 (1) d); ESMA-VÖ-Anlageberatungskompetenz; WpHG §§ 63 (1), 87, WpHGMaAnzV §§ 1 – 6, MaComp BT11). Dies gilt auch für vertraglich gebundene Vermittler (vgl. oben Rn. 134). 714) S. zur Darstellung der MiFID-Kapitalmarktdienstleistungen oben Rn. 97. Arbeitet eine Wertpapierfirma mit einer anderen Wertpapierfirma arbeitsteilig zusammen, darf sie allerdings darauf vertrauen, dass diese andere Wertpapierfirma die ihr obliegenden Pflichten einhält (MaComp AT5). 715) MiFID Art. 25 (1), WpHG §§ 63 (5), 87 (2), MaComp BT11. Näher: E/B-BankrechtFaust, § 89 Rn. 57 – 61.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

aller Regeln, sondern eine Differenzierung nach Art des Kunden, des Finanzinstruments und der Kapitalmarktdienstleistung.716) 1. Klassifizierung von Kunden und Produkten 187 Jede Wertpapierfirma muss Informationen über ihre Kunden einholen und ihre Kunden und Produkte auf Basis dieser Informationen klassifizieren.717) a) Kundenkategorien 188 Die Vorkehrungen zum Schutz der Anleger sollten den Eigenheiten jeder Kunden- bzw. Anlegerkategorie (Kleinanleger, professionelle Kunden, geeignete Gegenparteien)718) angepasst sein.719) Die Kategorien dienen dazu, unterschiedliche Schutzniveaus festzulegen: Jeder Kunde soll nur den Schutz erhalten (der auch immer Aufwand bedeutet und häufig Verlangsamung der Dienstleistung), den er vernünftigerweise braucht.720) 189 Ein professioneller Kunde ist ein Kunde, der über ausreichende Erfahrungen, Kenntnisse und Sachverstand verfügt, um seine Anlageentscheidungen selbst treffen und die damit verbundenen Risiken angemessen beurteilen zu können.721) Dies ist der Fall bei Finanzunternehmen,722) großen Unternehmen723) und nationalen und regionalen Regierungen, Zentralbanken und internationalen Einrichtungen (z. B. Weltbank).724) Eine Teilmenge der professionellen Kunden sind sog. geeignete Gegenparteien (die Kundenkategorie mit dem niedrigsten ___________ 716) Besondere Regelungen gelten z. B. für Produkte und Dienstleistungen, die im Paket angeboten werden (sog. Querverkäufe). Hier müssen Kunden auf die Eigenheiten des Pakets hingewiesen werden, etwa in preislicher Hinsicht oder in Bezug auf besondere Risiken (WpHG § 63 (9), MaComp BT14). 717) S. näher zur Frage, wie diese Informationen eingeholt werden können: ESMA-VÖGeeignetheit. Auf die Richtigkeit der vom Kunden erhaltenen Informationen darf sie vertrauen. Eine Wertpapierfirma, die über eine andere Wertpapierfirma eine Anweisung erhält, Kapitalmarktdienstleistungen im Namen eines Kunden zu erbringen, darf sich auf Kundeninformationen stützen, die von der anderen Wertpapierfirma weitergeleitet werden sowie auf Empfehlungen in Bezug auf die Dienstleistung verlassen, die dem Kunden von der anderen Wertpapierfirma gegeben wurden (MiFID Art. 26). 718) MiFID Anhang II, WpHG § 67. 719) MiFID EG (71) und (103). 720) MiFID EG (86) und (104). 721) MiFID Anhang II; WpHG § 67 (2). 722) D. h. Rechtssubjekte, die einer Zulassung oder Beaufsichtigung bedürfen, um an Finanzmärkten handeln zu können: Finanzunternehmen (Wertpapierfirmen, Kreditinstitute, Versicherungen, Investmentfonds und ihre Verwaltungsgesellschaften), Waren(derivate)händler und sonstige institutionelle Anleger (MiFID Anhang II – I.1) sowie andere institutionelle Anleger (MiFID Anhang II – I.4). 723) D. h. Unternehmen, die zwei der nachfolgenden Anforderungen erfüllen: Bilanzsumme: EUR 20 Mio., Nettoumsatz: EUR 40 Mio., Eigenmittel: EUR 2 Mio. (MiFID Anhang II – I.2). 724) MiFID Anhang II – I.3.

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IV. Verhaltensregeln für die Erbringung von Kapitalmarktdienstleistungen

Schutzniveau725)), nämlich Finanzunternehmen sowie nationale Regierungen, Zentralbanken und internationale Organisationen.726) Von geeigneten Gegenparteien muss (generell oder einzelfallbezogen) die ausdrückliche Zustimmung eingeholt werden, sie als solche zu behandeln.727) Professionelle Kunden müssen von der Wertpapierfirma darauf hingewiesen werden, dass sie eine Behandlung als Kleinanleger (nicht-professionelle Kunden) beantragen können, um ein höheres Schutzniveau zu erhalten (Hochstufung).728) Alle anderen als die vorstehend genannten Kunden sind Kleinanleger (nicht- 190 professionelle Kunden), denen das hohe Schutzniveau aller Wohlverhaltensregeln per se zu Gute kommt. Dieses Niveau kann jedoch auf Antrag des Kleinanlegers herabgestuft (und der Kleinanleger damit zum sog. gekorenen professionellen Kunden) werden, wenn er (bzw. die für ihn handelnde natürliche Person) nach vernünftigem Ermessen der Wertpapierfirma729) in der Lage ist, Anlageentscheidungen eigenständig zu treffen und die damit einhergehenden Risiken zu verstehen (Herabstufung).730) b) Product Governance Wertpapierfirmen, die Finanzinstrumente konzipieren (Konzepteure), müssen 191 ein Produktgenehmigungsverfahren einrichten, das von jedem Finanzinstrument zu durchlaufen ist, bevor es vermarktet werden darf (und dessen Ergebnisse regelmäßig zu überprüfen sind).731) In dem Verfahren muss für das ___________ 725) Bei Geschäften mit geeigneten Gegenparteien bleiben Auflagen der Art. 24 (Ausnahme Abs. 4 (Kundeninformationen) und 5 (Risikohinweise)), 25 (Ausnahme Abs. 6 (Berichte über erbrachte Dienstleistungen)), 27 und 28 (1) außen vor (MiFID Art. 30 (1)). 726) MiFID Art. 30 (2). 727) MiFID Art. 30 (3). 728) MiFID Anhang II – I; WpDVerOV § 2. Eine solche schriftlich vorzunehmende Hochstufungsvereinbarung muss festlegen, ob sie nur für einzelne Dienstleistungen und Produkte gilt oder für die gesamte Geschäftsbeziehung. 729) Die Wertpapierfirma muss Strategien und Verfahren einführen, anhand derer die Kunden eingestuft werden können. Professionelle Kunden sind dafür verantwortlich, die Wertpapierfirma über alle Änderungen zu informieren, die ihre Einstufung beeinflussen könnten. Gelangt die Wertpapierfirma zu der Erkenntnis, dass der Kunde die Bedingungen nicht mehr erfüllt, die ihn anfänglich für eine Behandlung als professioneller Kunde in Frage kommen ließen, muss sie reagieren (MiFID Anhang II – II). 730) MiFID Anhang II – II. Sog. gekorene Professionelle Kunden (die anderen werden geborene Professionelle Kunden genannt) müssen mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllen: (1) an einem relevanten Markt durchschnittlich pro Quartal 10 Geschäfte von erheblichem Umfang tätigen, (2) Konten und Depots im Wert von mehr als EUR 500.000 unterhalten und (3) eine einjährige kapitalmarktbezogene Berufstätigkeit vorweisen. Die Herabstufung hat zudem hohe formale Hürden: Der Kunde muss der Wertpapierfirma schriftlich mitteilen, dass er – nur für einzelne Dienstleistungen und Produkte oder generell – als professioneller Kunde behandelt werden möchte. Die Wertpapierfirma muss den Kunden schriftlich klar darauf hinweisen, welches Schutzniveau und welche Anlegerentschädigungsrechte er ggf. verliert. Der Kunde muss schriftlich in einem vom jeweiligen Vertrag getrennten Dokument bestätigen, dass er sich der Folgen des Verlustes dieses Schutzniveaus bewusst ist. 731) MiFID Art. 16 (3); WpHG §§ 63 (4) – (7), 80 (9) – (13); WpDVerOV § 11; MaComp BT5.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

Finanzinstrument ein bestimmter Zielmarkt für Endkunden innerhalb einer Kundenkategorie festgelegt und alle mit dem Finanzinstrument verbundenen Risiken für den Zielmarkt analysiert werden.732) Sollte die Analyse ergeben, dass Finanzinstrument und Zielmarkt nicht zueinander passen, sind Änderungen vorzunehmen und das Finanzinstrument an die Bedürfnisse des Zielmarktes anzupassen (oder ein passender Zielmarkt für das Instrument zu suchen).733) Sodann hat der Konzepteur eine auf den identifizierten Zielmarkt ausgerichtete Vertriebsstrategie festzulegen und dafür zu sorgen, dass das Finanzinstrument auch tatsächlich (nur) auf dem bestimmten Zielmarkt vertrieben wird.734) Die Ergebnisse des Produktgenehmigungsverfahrens sind dem (internen und/oder externen) Produkt-Vertrieb zur Verfügung stellen, der seinerseits zu ihrer Beachtung verpflichtet ist.735) c) Angemessenheit und Geeignetheit 192 Während die Product Governance sicherstellen soll, dass Finanzinstrumente und Kapitalmarktdienstleistungen von vornherein nur bestimmten Kundenkategorien angeboten werden, gibt es darüber hinaus Regeln dafür, dass jeder einzelne Kunde dieser Kategorie nur die für ihn persönlich passenden Produkte erhält. Dabei wird differenziert zwischen Anlageberatung und Portfolioverwaltung einerseits und den übrigen Kapitalmarktdienstleistungen andererseits. Erbringt die Wertpapierfirma andere Kapitalmarktdienstleistungen als Anlageberatung oder Portfolioverwaltung, muss sie vom Kunden dessen Kenntnisse und Erfahrungen in Bezug auf den speziellen Typ der in Betracht gezogenen Produkte oder Dienstleistungen in Erfahrung bringen, um beurteilen zu können, ob diese für den Kunden angemessen sind.736) Von der Pflicht, eine Angemessenheitsprüfung vorzunehmen, sind Wertpapierfirmen ausgenommen, die das Execution-only-Geschäft betreiben. Das tun Firmen, deren Kapitalmarktdienstleistungen lediglich in der Ausführung oder der Annahme und Übermittlung von Kundenaufträgen in Bezug auf sog. nicht-komplexe Finanzinstru-

___________ 732) MiFID Art. 16 (3). Mit Zielmarkt für Endkunden ist eine Teilmenge einer Kundenkategorie gemeint. 733) MiFID Art. 24 (2). 734) MiFID Art. 16 (3), 24 (2). Zu den daraus resultierenden Überwachungspflichten s. näher: ESMA-VÖ-Produktüberwachung. Der Konzepteur bestimmt, mit welchen Kundenbedürfnissen und -merkmalen das Produkt vereinbar (positiver Zielmarkt) und mit welchen es unvereinbar ist (negativer Zielmarkt). Näher: Becker, BaFin Journal, Oktober 2018, S. 23. 735) MiFID Art. 24 (2); WpHG §§ 63 (7), 80 (11); WpDVerOV § 12; MaComp BT5. 736) MiFID Art. 25 (3); MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 55 und 56; WpHG § 64 (10). Kommt die Wertpapierfirma zu dem Ergebnis, dass das Produkt oder die Dienstleistung nicht angemessen ist, hat sie den Kunden zu warnen. Falls ein Kunde keine Angaben macht, muss die Wertpapierfirma ihn warnen, dass sie die Angemessenheit der Kapitalmarktdienstleistung oder des Produkts nicht beurteilen kann.

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IV. Verhaltensregeln für die Erbringung von Kapitalmarktdienstleistungen

mente737) bestehen, wobei die Geschäfte von den (aufgeklärten) Kunden selbst initiiert worden sein müssen.738) Im Fall von Anlageberatung oder Portfolioverwaltung muss die Wertpapierfirma zusätzlich zu den Kenntnissen und Erfahrungen vom Kunden dessen finanzielle Verhältnisse, einschließlich seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, und seine Anlageziele, einschließlich seiner Risikotoleranz, erfragen, um dem Kunden Kapitalmarktdienstleistungen und Finanzinstrumente empfehlen zu können, die für ihn geeignet sind.739) Man spricht in diesem Zusammenhang von Angemessenheits- bzw. Geeignetheitsprüfung. 2. Kundentransparenz Kunden sind so zu informieren, dass sie nach vernünftigem Ermessen die Art 193 und Risiken der ihnen angebotenen Kapitalmarktdienstleistungen und Finanzinstrumente verstehen und auf informierter Grundlage Anlageentscheidungen treffen können.740) Alle an ihre (potenziellen) Kunden gerichteten Informationen einer Wertpapierfirma müssen redlich, eindeutig und nicht irreführend sein.741)

___________ 737) Gem. MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 57 gilt ein Finanzinstrument als nicht-komplex, das (i) weder strukturierte Anleihe noch Derivat ist, (ii) die Möglichkeit zur Veräußerung gewährt, (iii) keine Nachschusspflichten für den Anleger enthält, (iv) keine Risiko-Veränderungsauslöser enthält, (v) keine prohibitiven Ausstiegsgebühren verlangt und über das (vi) verständliche Informationen vorgehalten werden (vgl. die detaillierte Beschreibung der Kriterien in MaComp BT13). Weitere Details zu den Kriterien für die Bestimmung nicht-komplexer Finanzinstrumente enthält ESMA-VÖ-Complex Debt Instruments. 738) MiFID Art. 25 (4); MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 57; WpHG § 63 (11). 739) MiFID Art. 25(2); MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 54 und 55; WpHG § 64 (3); MaComp BT7. Die Wertpapierfirma hat die Ergebnisse ihrer Analyse in einer sog. Geeignetheitserklärung niederzulegen, die dem Kunden im Falle einer Anlageberatung regelmäßig vor Durchführung des Geschäfts auszuhändigen ist (nur unter strengen Bedingungen kann die Aushändigung ausnahmsweise auch nach Geschäftsdurchführung erfolgen). Im Falle der Portfolioverwaltung muss die Wertpapierfirma dem Kunden regelmäßig Geeignetheitserklärungen übermitteln. 740) MiFID EG (84) und (97), Art. 24 (5); WpHG § 63 (7) S. 1. Zur Historie dieses Grundsatzes: E/B-Bankrecht-Walz, § 90 Rn. 8 – 18. 741) MiFID Art. 24 (3); MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 44; WpHG § 63 (6); MaComp BT3. Das gilt auch für Werbung, die i. Ü. stets als solche erkennbar sein muss (MiFID Art. 24 (3); MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 36, 44; WpHG § 63 (6)).

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

a) Allgemeine Anforderungen 194 Eine Wertpapierfirma muss ihre (potenziellen) Kunden742) rechtzeitig vor743) Erbringung einer Dienstleistung in allgemeinverständlicher Form744) informieren über:745) x

Sich (die Wertpapierfirma) selbst und ihre Dienstleistungen,

x

die Art der vorgeschlagenen Finanzinstrumente und Anlagestrategien,746)

x

die Ausführungsplätze,747)

x

die von den Kunden zu tragenden Kosten (und Nebenkosten),748)

x

eigene Interessenkonflikte,749) und

x

den Schutz der Finanzinstrumente und -gelder der Kunden im Falle der Insolvenz der Wertpapierfirma.750)

195 Nach Erbringung der Dienstleistung muss die Wertpapierfirma dem Kunden über Art und Komplexität der Dienstleistung und der Finanzinstrumente und der Kosten Bericht erstatten.751) ___________ 742) Gem. MaComp BT3.1.1 gelten die umfangreichen Informationspflichten für private und professionelle Kunden, aber nicht für geeignete Gegenparteien (s. zu den Kundenkategorien oben Rn. 187–190). 743) D. h. i. d. R. so frühzeitig vor der Erbringung der Dienstleistung, dass der Kunde hinreichend Zeit hat, sich ein Bild über deren Kosten und Qualität zu machen. Ausnahmen gelten z. B., wenn die Vereinbarung über ein Handelsgeschäft unter Verwendung eines Fernkommunikationsmittels geschlossen wird und die vorherige Aushändigung der Geeignetheitserklärung somit nicht möglich ist; dann kann die Wertpapierfirma dem Kunden bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die schriftliche Erklärung zur Geeignetheit auf einem dauerhaften Datenträger auch nachträglich übermitteln (MiFID Art. 25 (6)). 744) Die Informationen können in standardisierter Form zur Verfügung gestellt werden (MiFID Art. 24 (5); WpHG § 63 (7)). 745) MiFID Art. 24 (4); MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 45 – 51, 65; WpHG § 63 (7). 746) Die Informationen müssen geeignete Leitlinien und Warnhinweise zu den mit einer Anlage in diese Finanzinstrumente oder mit diesen Anlagestrategien verbundenen Risiken und zu der Frage enthalten, ob die Finanzinstrumente für Kleinanleger oder professionelle Kunden bestimmt sind. 747) Zu weiteren Informationspflichten bei Ausführung von Handelsaufträgen für Kunden s. unten Rn. 202. 748) Es muss dem Kunden möglich sein, die Gesamtkosten sowie deren kumulative Wirkung auf die Rendite der Anlage zu verstehen. Solche Informationen sind dem Kunden mindestens einmal jährlich während der Laufzeit der Anlage zur Verfügung zu stellen. Werden Dienstleistungen und/oder Produkte im Paket angeboten, muss die Wertpapierfirma den Kunden zudem darüber informieren, ob die verschiedenen Bestandteile getrennt voneinander gekauft werden können, und muss für jeden Bestandteil einen getrennten Kostennachweis erbringen (MiFID Art. 24 (11), WpHG § 63 (9)). 749) WpHG § 63 (4). S. näher unten Rn. 203 ff. 750) MiFID Art. 16 (8). 751) MiFID Art. 25 (6); MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 59 – 63; WpHG §§ 63 (12); MaComp BT6.

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IV. Verhaltensregeln für die Erbringung von Kapitalmarktdienstleistungen

b) Besondere Anforderungen bei Anlageberatung und Portfolioverwaltung Wertpapierfirmen, die die Kapitalmarktdienstleistungen Anlageberatung und 196 Portfolioverwaltung erbringen, treffen weitergehende Informationspflichten, insbesondere im Hinblick auf die damit für den Kunden verbundenen Kosten.752) c) Produktinformationsblätter Das Dilemma des (wohlmeinenden) Gesetzgebers ist, dass der Kleinanleger 197 keine langen Risikoaufklärungsschriften (Prospekte) liest (Verständlich! Denn außer den den Prospekt schreibenden Anwälten oder denjenigen, die ihn zum Zwecke einer Klagevorbereitung studieren, wird auch kaum ein Mensch Freude an seiner Lektüre haben). Zum einen wird deshalb vorgeschrieben, dass Prospekte kurze Zusammenfassungen ihres Inhalts enthalten. Zum anderen verlangen mehrere Gesetze, dass beim Vertrieb eines Finanzprodukts dem Kleinanleger (zusätzlich zu Prospekten) ein kurzes und leicht verständliches Produktinformationsblatt zur Verfügung gestellt wird.753) Das wichtigste dieser Produktinformationsblatt-Gesetze ist die PRIIPsR,754) 198 die vorsieht, dass bevor einem Kleinanleger755) ein PRIIPs angeboten werden darf, der PRIIPs-Hersteller ein Produktinformationsblatt (PRIIPs-Basisinformationsblatt) auf seiner Website zu veröffentlichen hat.756) Unter den Begriff des PRIIPs fallen die Produktkategorien Verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger (Englisch: Packaged Retail Investment Products – PRIP) und Versicherungsanlageprodukte.757) PRIP sind Produkte, bei denen der Rückzahlungsbetrag aufgrund der Abhängigkeit von Referenzwerten Schwankungen unterliegt. Versicherungsanlageprodukte bieten einen Fälligkeits- bzw. Rückkaufwert, der Marktschwankungen ausgesetzt ist. Damit sind vom Anwendungsbereich der ___________ 752) Bei der Anlageberatung ist der Kunde u. a. darüber zu informieren, ob die Beratung unabhängig erbracht wird und ob sie sich auf eine umfangreiche oder eine eher beschränkte Analyse verschiedener Arten von Finanzinstrumenten stützt und insbesondere ob die Auswahl auf Finanzinstrumente beschränkt ist, die von der Wertpapierfirma selbst emittiert werden sowie ob die Wertpapierfirma dem Kunden eine fortlaufende regelmäßige Beurteilung der Eignung der Finanzinstrumente bietet (MiFID Art. 24 (4a); MiFIDDelVO 2017/565/EU Art. 45 – 43; WpHG § 64 (1)). Vor Durchführung eines Geschäfts muss die Wertpapierfirma einem Kleinanleger eine Erklärung zur Geeignetheit auf einem dauerhaften Datenträger übermitteln, in der sie erläutert, wie die Beratung auf dessen Präferenzen, Ziele und sonstigen Merkmale abgestimmt wurde (MiFID Art. 25 (6)). Bei der Portfolioverwaltung sind dem Kunden sämtliche Vorteile offenzulegen, die die Wertpapierfirma von Dritten erhält, die im Zusammenhang mit der Portfolioverwaltung stehen (MiFID Art. 24 (8)). 753) S. zu Prospekten für Wertpapiere unten Rn. 249 ff., für Investmentfondsanteile unten Rn. 322 ff., für Vermögensanlagen unten Rn. 337 f. 754) Dazu näher: Litten, DB 2016, 1679. Zum ungewöhnlich langen und komplexen Gesetzgebungsprozess der PRIIPsR s.: W/W-PRIIP-Wendt/Wendt, Einleitung B.I. 755) Der Begriff des KleinanIegers wird in PRIIPsR Art. 4 Nr. 6 unter Rückgriff auf MiFID definiert als Kunde, der kein professioneller Kunde ist. 756) PRIIPsR Art. 5. 757) PRIIPsR Art. 4 Nr. 1 und 2.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

PRIIPsR insbesondere erfasst (strukturierte) Anlageprodukte mit derivativen Komponenten und Lebensversicherungsprodukte mit Anlageelementen. PRIIPsHersteller ist jede Person, die ein PRIIPs auflegt oder an ihm Änderungen vornimmt.758) Ihm obliegt die Erstellung des PRIIPs-Basisinformationsblatts und dessen Veröffentlichung auf seiner Website sowie die regelmäßige Überprüfung der darin enthaltenen Informationen und – wenn erforderlich – seine Überarbeitung, solange das PRIIPs am Sekundärmarkt gehandelt wird. Vom Hersteller grds. zu unterscheiden ist der PRIIPs-Verkäufer, d. h. die Person, die dem Kleinanleger den PRIIPs-Vertrag anbietet und/oder mit ihm abschließt. Dem PRIIPs-Verkäufer obliegt es, dem Kleinanleger rechtzeitig vor Abschluss der Transaktion das PRIIPs-Basisinformationsblatt (grds. auf Papier oder – bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen – auf einem anderen dauerhaften Datenträger (auch Webseite)) zur Verfügung zu stellen.759) Das PRIIPs-Basisinformationsblatt muss alle wesentlichen Informationen enthalten, die Kleinanleger für ihre Anlageentscheidung benötigen. Die Informationen müssen präzise, redlich und klar sein und dürfen den Kleinanleger nicht in die Irre führen. Der Umfang des PRIIPs-Basisinformationsblatts ist auf höchstens drei DIN-A4Seiten zu begrenzen; das Blatt ist in der Amtssprache des jeweiligen Mitgliedstaates abzufassen, in dem das PRIIPs vertrieben wird.760) 199 Neben dem PRIIPs-Basisinformationsblatt sehen einzelne produktspezifische Gesetze folgende weitere Produktinformationsblätter vor und zwar für: x

Investmentfondsanteile: Wesentliche Anlegerinformationen oder nach der englischen Bezeichnung Key Investor Information Document (KIID),761)

x

Wertpapiere i. S. v. WpPG § 2 Nr. 1 (d. h. Wertpapiere i. S. d. ProspR): Wertpapier-Informationsblatt nach WpPG § 4 (WpPG-Produktinformationsblatt),

x

Vermögensanlagen: Informationsblatt nach VermAnlG § 13 (VermAnlGProduktinformationsblatt),

x

Zertifizierte Altersvorsorge- und Basisrentenverträge: Produktinformationsblatt nach AltZertG § 7 (1), und

x

Versicherungsverträge: Produktinformationsblatt nach VVG-InfoV § 4.

___________ 758) PRIIPsR Art. 4 Nr. 5. 759) PRIIPsR Art. 13. 760) PRIIPsR Art. 6. Bereits der PRIIPsR-Text enthält genaue Angaben über den verpflichtenden Inhalt eines PRIIPs-Basisinformationsblatts und die Reihenfolge, die bei der Darstellung des Inhalts einzuhalten ist. Die PRIIPs-DelVO 2017/653/EU und weitere RTS enthalten noch weitergehende, den Inhalt und die Form der PRIIPs-Basisinformationsblätter sehr detailliert regelnde Bestimmungen. Mit Recht kritisch zum Detaillierungsgrad der PRRIPs-DelVO 2017/635: W/W-PRIIP-v. Livonius/Molinari, Art. 6 Rn. 2. 761) S. die Regelungen zu unterschiedlichen Arten von KIID je nach Investmentfondstyp in KAGB §§ 164, 166, 268, 270, 298 (2), 318 (5). S. auch unten Rn. 322–332.

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IV. Verhaltensregeln für die Erbringung von Kapitalmarktdienstleistungen

Quasi als Auffangstatbestand verlangt das WpHG, dass im Falle einer Anlage- 200 beratung das WpDU – falls kein PRIIPs-Basisinformationsblatt existiert – einem Kleinanleger rechtzeitig vor Geschäftsabschluss über ein empfohlenes Finanzinstrument ein Informationsblatt (Anlageberatungs-Produktinformationsblatt) zur Verfügung stellt.762) Die vorstehend genannten produktspezifischen Regelungen finden daneben Anwendung,763) das WpDU kann das Anlageberatungs-Produktinformationsblatt jedoch ggf. durch ein produktspezifisches Produktinformationsblatt ersetzen.764) 3. Best Execution Wertpapierfirmen müssen Kundenaufträge unverzüglich765) und so ausführen, 201 dass das bestmögliche Ergebnis für den Kunden erreicht wird (sog. Best Execution).766) Ist der Kunde ein Kleinanleger, bestimmt sich das bestmögliche Ergebnis ausschließlich nach Preis und Kosten, die der Kunde direkt oder indirekt zu tragen hat. Bei anderen Kundenkategorien fließen außerdem Schnelligkeit und Wahrscheinlichkeit der Ausführung und Erfüllung sowie Umfang und Art der Auftragsausführung in die Beurteilung mit ein.767) Die Kriterien sind dann gegeneinander abzuwägen.768)

___________ 762) WpHG § 64 (2). Die Angaben dürfen weder unrichtig noch irreführend sein und müssen mit den Angaben des Prospekts vereinbar sein. Details zu Inhalt und Form dieser Produktinformationsblätter sind in WpDVerOV § 4 und MaComp BT15 geregelt. 763) MaComp BT3.1.2. 764) WpHG § 64 (2) S. 3. 765) MiFID Art. 28 (1): Zum Zweck der Sicherstellung der Unverzüglichkeit der Ausführung hat die Wertpapierfirma Systeme und Verfahren einzurichten. Hintergrund ist auch, das sog. Frontrunning zu unterbinden, d. h. das Vorziehen eigener Geschäfte der Wertpapierfirma (oder diejenigen anderer Kunden) in der Erwartung, dass ein größerer eingegangener Kundenauftrag die Marktpreise verändern wird. 766) MiFID Art. 27 (1); MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 64 – 70; WpHG § 82; MaComp BT4. Liegt jedoch eine ausdrückliche Weisung des Kunden vor, hat die Wertpapierfirma den Auftrag gem. dieser ausdrücklichen Weisung auszuführen. 767) MaComp BT4.1. 768) Zu diesem Zweck müssen Wertpapierfirmen Grundsätze der Auftragsausführung festlegen und anwenden, die es ihnen erlauben, für die Aufträge ihrer Kunden das bestmögliche Ergebnis zu erzielen (MiFID Art. 27 (4), WpHG § 82 (2)). Die Grundsätze der Auftragsausführung müssen für jede Gattung von Finanzinstrumenten Angaben zu den verschiedenen Handelsplätzen machen, an denen die Wertpapierfirma Aufträge ihrer Kunden auszuführen beabsichtigt, und die Faktoren nennen, die für die Wahl des Ausführungsplatzes ausschlaggebend sind. Es sind zumindest die Handelsplätze zu nennen, an denen die Wertpapierfirma gleichbleibend die bestmöglichen Ergebnisse bei der Ausführung von Kundenaufträgen erzielen kann. Auf die Möglichkeit, dass Aufträge außerhalb eines Handelsplatzes ausgeführt werden dürfen, muss hingewiesen und die Zustimmung des Kunden dazu eingeholt werden (MiFID Art. 27 (5)). Die Grundsätze und die gewählten Ausführungsplätze sind zu überwachen und bei Mängelfeststellung zu ändern (MiFID Art. 27 (7)). Die Einhaltung der Grundsätze müssen die Wertpapierfirmen in jedem Einzelfall nachweisen können (MiFID Art. 27 (8)).

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

202 In diesem Zusammenhang treffen die Wertpapierfirmen besondere Informationspflichten (in ihrer Intensität abgestuft nach den Kundenkategorien). Sie müssen: x

Ihre Kunden vor der erstmaligen Auftragsausführung über ihre Grundsätze der Auftragsausführung informieren und die Zustimmung der Kunden dafür einholen;769)

x

nach Ausführung der Geschäfte den Kunden mitteilen, wo der Auftrag ausgeführt wurde;770)

x

einmal jährlich für jede Klasse von Finanzinstrumenten die fünf meist benutzten Handelsplätze veröffentlichen sowie Informationen über die erreichte Ausführungsqualität.771)

4. Interessenkonflikte Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, / die eine will sich von der andern trennen: / Die eine hält in derber Liebeslust / sich an die Welt mit klammernden Organen; / die andre hebt gewaltsam sich vom Dust / zu den Gefilden hoher Ahnen.772) 203 Interessenkonflikte bestimmen unser Leben, haben es immer getan – auch schon zu Goethes Zeiten – und sind manchmal unvermeidbar. Das gilt auch für den Kapitalmarkt und seine Akteure. Allerdings verlangt MiFID, dass die Interessenkonflikte der Kapitalmarktakteure die Interessen der Kunden nicht beeinträchtigen dürfen.773) Zu diesem Zweck legt MiFID allgemeine Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten für Wertpapierfirmen fest und trifft darüber hinaus eine Reihe von Regelungen für besonders interessenkonfliktanfällige Situationen. a) Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten 204 Im Rahmen der Erbringung von Kapitalmarktdienstleistungen entstehende Interessenkonflikte zwischen der Wertpapierfirma (einschließlich ihrer Mitarbeiter) und ihren Kunden oder zwischen einzelnen Kunden können Kundeninteressen schaden. Eine Wertpapierfirma muss organisatorische Vorkehrungen ___________ 769) MiFID Art. 27 (5). 770) MiFID Art. 27 (3), WpHG § 82 (10) – (12). Dabei sind Angaben zu den Kursen, den Kosten sowie der Schnelligkeit und Wahrscheinlichkeit der Ausführung einzelner Finanzinstrumente zu machen. 771) MiFID Art. 27 (6). Handels- und Ausführungsplätze selbst müssen der Öffentlichkeit mindestens einmal jährlich gebührenfrei Informationen über die Qualität der Ausführung von Aufträgen zur Verfügung stellen (MiFID Art. 27 (3), WpHG § 82 (10) – (12)). Dabei sind Angaben zu den Kursen, den Kosten sowie der Schnelligkeit und Wahrscheinlichkeit der Ausführung einzelner Finanzinstrumente zu machen. 772) J. W. von Goethe: Faust 1, Vers 1112 – 1117; Vor dem Tor. 773) MiFID EG (56).

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IV. Verhaltensregeln für die Erbringung von Kapitalmarktdienstleistungen

für angemessene Maßnahmen treffen, um dies zu verhindern.774) Sie muss alles Erforderliche dafür tun, die Interessenkonflikte zu erkennen und zu vermeiden775) bzw. – falls die Vermeidung nicht möglich ist – den Kunden über die Existenz der Interessenkonflikte und die zu ihrer Begrenzung ergriffenen Maßnahmen aufzuklären, bevor sie Geschäfte tätigt.776) b) Zuwendungen dritter Parteien Wertpapierfirmen dürfen monetäre oder nicht-monetäre Vorteile im Zusam- 205 menhang mit der Erbringung einer Kapitalmarktdienstleistung (vulgo: Kickback, etwas vornehmer: Zuwendung, Anreiz oder Inducement) nur ausnahmsweise einer dritten, nicht mit dem die Dienstleistung empfangenen Kunden verbundenen Partei gewähren oder von einer solchen erhalten. Eine Zuwendung ist nur unter der Voraussetzung zulässig,777) dass sie x

dem Kunden in Art und Höhe vor Erbringung der Kapitalmarktdienstleistung offengelegt wird,778)

x

dazu bestimmt ist, die Qualität der jeweiligen Dienstleistung für den Kunden zu verbessern,779) und

x

die Wertpapierfirma nicht davon abhält, im bestmöglichen Interesse des Kunden zu handeln.

c) Mitarbeitervergütung Auch die Vergütungspolitik eines Kapitalmarktakteurs kann zu Interessen- 206 konflikten führen, nämlich dann, wenn sie für seine Mitarbeiter Anreize setzt, Dinge zu tun, die nicht im Sinne der Kunden sind. Kapitalmarktakteure dürfen ___________ 774) MiFID Art. 16 (3); MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 33 – 43; WpHG § 80 (1) S. 2 Nr. 2; MaComp AT6.2, BT9. 775) Einschließlich von Interessenkonflikten, die auf den Erhalt von Anreizen von Dritten oder die eigene Vergütungsstruktur zurückgehen (MiFID Art. 23(1)). 776) MiFID Art. 23 (2); MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 33, 34; WpHG § 63 (2). Die Aufklärung hat mittels dauerhaften Datenträgers und in einer für die Adressatengruppe verständlichen Form zu erfolgen (MiFID Art. 23(3)). 777) MiFID Art. 24 (9); MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 11 (2 – 5); WpHG § 70; WpDVerOV § 6; MaComp AT6.2, BT10. Zur besonderen Behandlung von nicht-monetären Vorteilen in Form der Zurverfügungstellung von Finanzanalysen siehe: WpHG § 70 (2); WpDVerOV § 7. Besonderheiten für unabhängige Anlageberatung und Portfolioverwaltung s. unten Rn. 207). 778) Wenn die Höhe der Zuwendung nicht bezifferbar ist, müssen die Berechnungsparameter offengelegt werden. 779) Die Wertpapierfirma muss die Qualitätsverbesserung nachweisen können (WpHG § 70 (1) S. 2). Zu diesem Zweck muss sie ein sog. Zuwendungsverzeichnis führen, in dem alle erhaltenen und gegebenen Zuwendungen aufgeführt sind und aus dem hervorgeht, worin die Qualitätsverbesserung besteht (WpDVerOV § 6 (3) Nr. 2). Die BaFin akzeptiert als Qualitätsverbesserung eine individuelle Strukturierung des Kundenvermögens durch den Berater, die über eine pauschale Assetklassenallokation hinausgeht (MaComp BT10.4 Rn. 2).

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

ihre Mitarbeiter deshalb nicht in einer Weise vergüten, die mit ihrer Pflicht kollidiert, im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden zu handeln. Insbesondere darf die Vergütung die Mitarbeiter nicht dazu verleiten, Kleinanlegern ein bestimmtes Finanzinstrument zu empfehlen, obwohl ein anderes, den Bedürfnissen des Kunden besser entsprechendes Finanzinstrument zur Verfügung steht.780) d) (Unabhängige) Anlageberatung 207 Die auf die persönlichen Bedürfnisse eines Kunden zugeschnittene Beratung bzgl. eines konkreten Finanzinstruments781) kann von der Wertpapierfirma abhängig (d. h. vornehmlich mit eigenen Produkten) oder unabhängig (d. h. unter Einschluss von Konkurrenzprodukten) erbracht werden. Jede Form der Anlageberatung birgt die Gefahr, dass der Berater eigene Interessen über diejenigen des Kunden stellt – weshalb die MiFID strenge Anforderungen an die Geeignetheit des Finanzinstruments für den Kunden stellt.782) Nimmt die Wertpapierfirma für sich in Anspruch, dass sie die Anlageberatung unabhängig erbringt (und damit, dass ihre Beratung eigene Produktverkaufsinteressen gar nicht berücksichtigt), dann muss sie auch tatsächlich eine größere Zahl am Markt verfügbarer Finanzinstrumente anbieten, die hinsichtlich Art und Anbieter (die mit der beratenden Wertpapierfirma weder rechtlich noch vertraglich verbunden sein dürfen) angemessen gestreut sind. Zudem darf die Wertpapierfirma für die Erbringung der Dienstleistung an die Kunden keinerlei Gebühren, Provisionen oder andere monetäre und nicht-monetäre Vorteile einer dritten Partei annehmen.783)

___________ 780) MiFID Art. 24 (10); MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 27; WpHG § 63 (3); MaComp AT6.2, BT8. Besonders kritisch beäugt die BaFin in diesem Zusammenhang sog. Staffelprovisionen, bei denen die Vergütung mit variablen progressiven Stufen versehen ist (MaComp BT9). 781) S. näher zum Begriff der Anlageberatung oben Rn. 97. 782) S. oben Rn. 192. 783) MiFID Art. 24 (7). Kleinere nicht-monetäre Vorteile, die die Servicequalität für den Kunden verbessern können und die von ihrem Umfang und ihrer Art her nicht vermuten lassen, dass sie die Einhaltung der Pflicht der Wertpapierfirma, im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden zu handeln, beeinträchtigen, sind nicht verboten, aber dem Kunden offenzulegen. Die gleiche Regelung hinsichtlich der Entgegennahme monetärer und nicht-monetärer Vorteile gilt für Wertpapierfirmen, die Portfolioverwaltung anbieten (MiFID Art. 24 (8)). In Deutschland darf ein WpDU Unabhängige Honorar-Anlageberatung nur erbringen, wenn es dies ausschließlich tut oder die Unabhängige Honorar-Anlageberatung organisatorisch, funktional und personell von der übrigen Anlageberatung getrennt ist. Interessenkonflikte mit Kundeninteressen sind komplett zu vermeiden (WpHG § 80 (7)); WpDVerOV § 8). Außerdem gelten besondere Aufklärungspflichten gegenüber den Kunden (WpHG § 64 (6); WpDVerOV § 3).

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V. Regulierung des Kapitalmarkthandels und seiner Handelsplätze

e) Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen Finanzinstrumente oder Emittenten betreffende Anlagestrategie- und Anlage- 208 empfehlungen (früher Finanzanalyse genannt784)) unterscheiden sich von Anlageberatung dadurch, dass sie nicht persönlich für einen Kunden bestimmt, sondern an einen unbestimmten Personenkreis gerichtet sind.785) Wegen ihrer (potenziellen) Breitenwirkung betrachtet der Gesetzgeber sie nicht nur unter dem Aspekt des individuellen Anlegerschutzes, sondern auch unter demjenigen des Marktmissbrauchs.786) Adressat der diesbezüglichen Regelungen sind deshalb nicht nur Wertpapierfirmen, sondern alle Personen, die entsprechende Empfehlungen geben.787) Bei Erstellung und Verbreitung dieser Empfehlungen sind besonders hohe Standards an Sorgfalt, Neutralität und Integrität einzuhalten; existierende Interessenkonflikte sind vollständig offen zu legen.788) Wertpapierfirmen, die Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen geben, müssen so organisiert sein, dass Interessenkonflikte möglichst minimiert sind und über entsprechende Kontrollverfahren verfügen.789) V. Regulierung des Kapitalmarkthandels und seiner Handelsplätze Handel mit Finanzinstrumenten kann einfach so (over the counter – OTC) bi- 209 lateral zwischen zwei Parteien vollzogen werden oder an (regulierten) Handelsplätzen. Die Grundmechanismen sind dabei die gleichen: Auf den Abschluss des Handelsgeschäfts folgt dessen Settlement, zu dessen Durchführung eine Regelung über die Verwahrung der Finanzinstrumente erforderlich ist. Im Detail bestehen aber viele Unterschiede zwischen beiden Methoden. Ein wichtiger Unterschied sind die Kosten des Handels, die bei OTC deutlich geringer sind. Warum zieht es trotzdem viele Handelswillige an die Börse? Zum einen sicherlich deshalb, weil dort Gleichgesinnte zu finden sind, die ebenfalls mit Finanzinstrumenten handeln wollen, was die Liquidität im Markt erhöht. Zum anderen, weil sich am regulierten Handelsplatz Preisfestsetzung, Zusammenführung der Angebote und Settlement der Geschäfte nach strikten und verlässlichen Regeln vollziehen, deren Einhaltung von staatlichen Stellen überwacht wird. Grds. bleibt es jedem Handelswilligen überlassen, ob er reguliert oder OTC handeln will. Unübersehbar ist aber ein sich seit der Finanz-

___________ 784) H/M/S-Kapitalmarktinformation-Foerster, § 23 Rn. 1. 785) Buba/BaFin-VÖ-Anlageberatung Nr. 5. 786) MAR-DelVO 2016/958/EU EG (1). Zu den Tatbeständen des Marktmissbrauchs s. im einzelnen unten Rn. 219 ff. Zur Regelungskonzeption s. Veil-Kapitalmarktrecht-Veil, § 26 Rn. 13 – 20. 787) Vgl. MAR § 2 (1) Nr. 34 und 35. Im Falle von Journalisten kann dies zu Konflikten mit der Pressefreiheit führen, weshalb MAR § 21 zu besonders sorgfältiger Abwägung beider Rechtsgrundsätze mahnt. 788) MAR Art. 20 (1). 789) WpHG § 85 (1); BaFin-VÖ-Anlageempfehlungen.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

krise 2008 verstärkender Wille des Gesetzgebers, die Handelsteilnehmer an die Handelsplätze zu zwingen. Besonders deutlich wird dies bei Derivaten.790) 1. Trading, Clearing und Settlement im Kapitalmarkt 210 Ein Kapitalmarkthandelsgeschäft791) vollzieht sich in folgenden drei Schritten: x

Abschluss des Handelsgeschäfts (Trading) – was an der Börse mittels eines geordneten Verfahrens zur Feststellung der Datenübereinstimmung zwischen Käufer und Verkäufer (Matching) erfolgt. Trading ist die (schuldrechtliche) Vereinbarung über Kauf und Verkauf des Finanzinstruments.

x

Verrechnung von Positionen (Clearing) – was an der Börse mittels Eingabe in das Verrechnungssystem erfolgt. Clearing bezeichnet den Prozess der Erstellung von Positionen, insbesondere die Berechnung von Nettoverbindlichkeiten (Netting), und die Gewährleistung, dass zur Absicherung des aus diesen Positionen erwachsenden Risikos Finanzinstrumente, Bargeld oder beides zur Verfügung stehen.792) Clearing kann bilateral zwischen den beteiligten Geschäftsparteien oder zentral unter Zuhilfenahme einer sog. Zentralen Gegenpartei (Central Counterparty – CCP)793) erfolgen.

x

Lieferung und Abrechnung (Settlement) – was an der Börse (und z. T. auch außerhalb) unter Einbeziehung von Wertpapierverwahrern und Zentralbanken erfolgt. Settlement bedeutet Durchführung des Handelsgeschäfts im Wege des Prinzips Lieferung-gegen-Zahlung (Delivery-versus-Payment).

211 Wirtschaftlich betrachtet stehen die Schritte in engem Zusammenhang. Aufsichtsrechtlich (und auch zivilrechtlich794)) werden sie deutlich separiert und in unterschiedlichen Gesetzen geregelt, wie in den nachfolgenden Kapiteln näher erläutert wird.795) ___________ 790) Vgl. MiFIR EG (10) und (25) sowie Art. 23 und 28. Auch OTC-Handel ist allerdings nicht unreguliert, denn es gelten in jedem Fall die MiFID-Wohlverhaltensregeln (s. oben Rn. 185 ff.). 791) Dazu zählen gem. MaRisk AT2.3 alle Abschlüsse, die Geldmarktinstrumente, Wertpapiere (einschließlich Namensschuldverschreibungen sowie Wertpapierleihe und Repos), Devisen, handelbaren Forderungen (z. B. Schuldscheine), Waren oder Derivate zur Grundlage haben und die im eigenen Namen und für eigene Rechnung abgeschlossen werden. Nicht dazu zählt die Erstausgabe von Wertpapieren (Primärmarkt). 792) EMIR Art. 2 Nr. 3. 793) CCP ist eine juristische Person, die zwischen die Parteien eines Kontrakts tritt und somit als Käufer für den Verkäufer bzw. als Verkäufer für den Käufer fungiert. Als solche übernimmt die CCP die aus offenen Handelspositionen resultierenden Risiken vor dem Clearingprozess (EMIR Art. 2 Nr. 1). 794) S. u. Rn. 411 f. 795) Handelsdienstleistungen werden von Wertpapierfirmen erbracht (s. o. Rn. 126), Abrechnungs- und Verwahrungsdienstleistungen von Zentralverwahrern/CSD (s. u. Rn. 215b). Eine Vermischung ist grds unzulässig (vgl. CSDR Art. 18 (2), Art. 16 (2)) bzw. bedarf, wenn ein CSD auch Handelsdienstleistungen erbringen will, einer gesonderten Abstimmung (vgl. CSDR Art. 17 (5)). Eine ausdrückliche Ausnahme von diesem Trennungsgebot schafft die DLTR für den Bereich sog. DLT-Handels- und Abwicklungssysteme (näher s. u. Rn. 512c).

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V. Regulierung des Kapitalmarkthandels und seiner Handelsplätze

2. Handelsplätze und Abrechnungssysteme a) Handelsplätze und OTC-Handel MiFID legt fest, welche Kapitalmarktplätze reguliert sind, nämlich geregelte 212 Märkte, MTF und OTF (Handelsplätze).796) Handel, der dort nicht stattfindet, wird OTC-Handel genannt.797) Handelsplätze sind selbst Adressaten von Regulierung, der Zugang zu ihnen ist auf bestimmte Kategorien von Teilnehmern oder Mitgliedern beschränkt798), und die Zulassung als Handelsplatz erfordert eine behördliche Genehmigung. b) Organisatorische Anforderungen an Handelsplätze Der Betrieb eines geregelten Markts (in der deutschen Rechtsterminologie 213 als organisierter Markt oder Börse bezeichnet799)) bedarf der Zulassung durch

___________ 796) S. o. Rn. 99. 797) Obwohl MiFID und MiFIR mehrfach von OTC-Handel sprechen, enthält keines der Gesetze eine echte Definition des Begriffs. MiFID EG (4) setzt OTC- mit außerbörslichem Handel gleich. MiFIR Art. 2 (1) Nr. 32 definiert börsengehandeltes Derivat als ein Derivat, das auf einem geregelten Markt oder auf einem (gleichwertigen) Drittlandsmarkt gehandelt wird und das somit nicht unter die Begriffsbestimmung eines OTC-Derivats nach EMIR Art. 2 Nr. 7 fällt. Gem. EMIR Art. 2 Nr. 7 sind OTC-Derivate oder OTC-Derivatekontrakte Derivatekontrakte, deren Ausführung nicht an einem geregelten Markt in der EU oder einem gleichwertigen Drittstaaten-Markt erfolgt (näher: Veil-Kapitalmarktrecht-Veil, § 7 Rn. 34 – 36). Angesichts dieser definitorischen Unentschlossenheit des EU Rechts stellt sich die Frage, ob Handel an MTF oder OTF begrifflich als OTC-Handel zu bezeichnen ist. Für das deutsche Recht ist diese Frage allerdings eindeutig dahingehend zu beantworten, dass Handel an MTF oder OTF kein OTC-Handel ist: WpHG § 2 (8)) stellt fest, dass es bei OTC-Handel um Geschäfte außerhalb eines Handelsplatzes geht. Handelsplatz ist gem. WpHG § 2 (22) ein organisierter Markt, MTF oder OTF. Gem. KWG § 1 (1a) Nr. 12 und WpIG § 2 (2) Nr. 10 bezeichnet OTC-Handel Geschäfte außerhalb eines Handelsplatzes i. S. v. WpHG § 2 (22). 798) MiFID Art. 53 (3) erlaubt geregelten Märkten, als Mitglieder oder Teilnehmer Wertpapierfirmen und Kreditinstitute zuzulassen bzw. Personen, die vergleichbare Anforderungen im Hinblick auf Zuverlässigkeit, Sachkenntnisse, organisatorische Grundlagen und finanzielle Ausstattung erfüllen. Im deutschen Recht ergibt sich das Zulassungserfordernis aus BörsG § 19 (1) und die Anforderungen an die Teilnehmer aus BörsG § 19 (2) und (4). Gem WpHG § 74 (1) sind diese Anforderungen auch auf MTF zu übertragen. Eine entsprechende Verpflichtung findet sich hingegen nicht in WpHG § 75, so dass davon auszugehen ist, dass jede Person (also auch Privatpersonen) an OTF handeln können (vgl. S/Z-Kapitalmarktrecht-Röh, § 75 WpHG, Rn. 7, der auch auf die ESMAAnsicht verweist, dass OTF-Handelsteilnehmer nicht als Mitglieder oder Teilnehmer, sondern als Kunden des OTF-Betreibers anzusehen sind). Wertpapierfirmen können ihren Kunden – bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen – einen direkten elektronischen Zugang zu Handelsplätzen bieten (MiFID Art. 17 (5); WpHG § 77). Diese Wertpapierfirmen (sog. DEA-Bereitsteller), bleiben für den Handel verantwortlich, den ihre DEA-Kunden unter Nutzung des Handelscodes der Wertpapierfirma betreiben (MiFID-DelVO 2017/589/EU EG (13)). 799) S. dazu näher oben Rn. 99 f.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

die zuständige Behörde.800) Die Zulassung darf nur erteilt werden, wenn der Marktbetreiber über zuverlässige und sachverständige Geschäftsleiter verfügt801) und über angemessene organisatorische Vorkehrungen802) für: x

Die Bewältigung von Interessenkonflikten,

x

ein adäquates Risiko- und Liquiditätsmanagement,

x

ein belastbares Handelssystem (einschließlich Notfallvorkehrungen),

x

einen ordnungsgemäßen Handel und eine effiziente Auftragsausführung,

x

ein transparentes Zulassungsverfahren für Finanzinstrumente zum Handel an dem geregelten Markt803) und

x

transparente und nichtdiskriminierende Regeln für den europaweiten Systemzugang.804)

214 Die organisatorischen Anforderungen an MTF und OTF sind vergleichbar (wenn auch im Detail unterschiedlich).805) Die Betreiber (und die Behörden) haben die Organisation und den Betrieb des geregelten Marktes regelmäßig auf die Einhaltung der Voraussetzungen hin zu überprüfen.806)

___________ 800) MiFID Art. 44 (1) – (3) legen fest, dass die Regulierung der geregelten Märkte (und die Bestimmung der zuständigen Behörden) den EU Mitgliedstaaten obliegt. In Deutschland hat die Börse eine duale Organisationsstruktur: Sie ist (teilrechtsfähige) Anstalt des öffentlichen Rechts (Börsenanstalt gem. BörsG § 2 (1)), die aber als solche weitgehend handlungsunfähig ist und dafür eines (privatrechtlich organisierten) Trägers (Börsenträger gem. BörsG § 5) bedarf (näher: Buck-Heeb-Kapitalmarktrecht Rn. 103 – 116). Ihre Beaufsichtigung ist gem. BörsG § 3 (1) Sache der Bundesländer und ihrer zuständigen obersten Landesbehörden sowie, was die Marktaufsicht angeht – gem. BörsG § 7 (1) Sache ihrer selbst (näher: Buck-Heeb-Kapitalmarktrecht Rn. 1293 – 1306). Grundsätzlich wird von einer Interessenparallelität von Börsenanstalt und -träger ausgegangen; Konflikte können aber z. B. auftreten zwischen dem öffentlichen Auftrag der Anstalt, Verbraucherinteressen zu schützen, und den Renditeinteressen der Eigentümer des Trägers (näher dazu Bredt, WM 2013, 1839, 1840 f.). 801) MiFID Art. 45. 802) MiFID Art. 47 – 51. Diese Anforderungen sind als Mindestvoraussetzungen zu verstehen (MiFID Art. 44 (1)). Die nationalen Gesetzgeber sind ebenso wie die Börsen selbst nicht daran gehindert, weitere Anforderungen aufzustellen. So existieren im deutschen Recht z. B. detaillierte Regelungen über die Preisermittlung an Börsen (BörsG §§ 24 ff.). 803) Die Einbeziehung eines (fungiblen) Wertpapiers in den regulierten Markt an einer deutschen Börse ist zulassungspflichtig. Der Antrag muss vom Emittenten zusammen mit einem regulierten Finanzakteur gestellt werden und setzt insbesondere die Veröffentlichung eines Prospekts voraus (BörsG § 32 i. V. m. BörsZulVO). Zu den Anforderungen an den Prospekt s. unten Rn. 249 ff. 804) MiFID Art. 53, 37; MiFIR Art. 36. Das gleiche gilt für den Zugang zu CCPen und CSDen (MiFID Art. 37, MiFIR Art. 35) und zu Referenzwerten (MiFIR Art. 37). 805) MiFID Art. 18; MiFIR Art. 36. 806) MiFID Art. 54, 44 (2).

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V. Regulierung des Kapitalmarkthandels und seiner Handelsplätze

c) KMU-Wachstumsmärkte Ein MTF kann den Status eines sog. KMU-Wachstumsmarkts erlangen, wenn 215 dauerhaft mindestens 50 % der Emittenten der an ihm zugelassenen Finanzinstrumente KMU sind.807) Die Zulassung von Finanzinstrumenten an einem KMU-Wachstumsmarkt ist attraktiv, denn sie bringt den Emittenten aufsichtsrechtliche Erleichterungen,808) z. B. die Befreiung von der Pflicht zur Erstellung einer Insiderliste809) oder die Möglichkeit, anstelle eines normalen Wertpapierprospekts einen EU Wachstumsprospekt zu veröffentlichen, der geringeren Offenlegungsanforderungen unterliegt.810) d) Abrechnungssysteme und Zentralverwahrer Der Betreiber eines Handelsplatzes muss Vorkehrungen treffen, um die Er- 215a füllung – das Settlement – der über sein Handelssystem abgeschlossenen Handelsgeschäfte zu erleichtern und die Mitglieder oder Teilnehmer des Handelsplatzes über ihre etwaige Verantwortung für das Settlement der Geschäfte informieren.811) Beim Handel von übertragbaren Wertpapieren (Effekten) an Handelsplätzen 215b muss das Settlement über einen Zentralverwahrer (Englisch: Central Securities Depository – CSD)812) – und im KWG auch als Wertpapiersammelbank813) be-

___________ 807) MiFID Art. 33. Näher: Veil-Kapitalmarktrecht-Veil, § 7 Rn. 26 – 33. 808) Der EU Gesetzgeber möchte u. a. auf diesem Wege die Nutzungsmöglichkeiten des Kapitalmarkts für kleinere Unternehmen verbessern (s. MiFID EG (132) – (135)) und ist ständig bemüht, das Konzept weiter auszubauen (etwa durch den Erlass der MiFIDDelVO 2019/1011/EU, in der die Anforderungen an die Qualifizierung eines Unternehmens als KMU gesenkt werden). 809) MAR Art. 18 (6). 810) ProspR Art. 15 (1) lit. b). S. näher unten Rn. 270. 811) MiFID Art. 18 (6) und Art. 47 (1) e); WpHG § 72 (1) Nr 2; BörsG § 5 (4) Nr 3. 812) Gem CSDR Art. 2 (1) Nr 1 ist ein CSD eine juristische Person, die ein Wertpapierliefer- und -abrechnungssystem betreibt (Englisch: Settlement System). Was darunter im einzelnen zu verstehen ist, ist in SFD Art. 2 (auf den CSDR Art. 2 (1) Nr 10 verweist) geregelt (nämlich eine förmliche Vereinbarung, die Clearing und Abrechnungstätigkeiten zum Gegenstand hat und als System angesehen wird). Solche Systeme dürfen nur von CSD (und Zentralbanken) betrieben werden (CSDR Art. 18 (2)). Ein CSD ist damit ein Verwahrer für die Verwahrer. Meist gibt es pro Land nur ein CSD, in Deutschland Clearstream Banking Frankfurt (CBF) und in Luxemburg Clearstream Banking Luxembourg. Wichtige andere CSD sind: CrestCo (UK), DTC (USA), Euroclear (Belgien, Finnland, Frankreich, Niederlande, Schweden) und Six (Schweiz). Daneben gibt es International Central Securities Depository (ICSD) für das Settlement grenzüberschreitender Handelstransaktionen (zur Durchführung dieses grenzüberschreitenden Settlements siehe unten Rn. 411). In Europa ansässige ICSD sind: Euroclear Bank, Clearstream Banking und SIX SIS. 813) Gem KWG § 1 (3) sind Wertpapiersammelbanken Kreditinstitute, die nach CSDR Art. 16 (1) als CSD zugelassen sind.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

zeichnet) erfolgen.814) Bei dieser Form des Settlement – dem sog. Effektengiro (Englisch: Book-entry form) – werden Miteigentumsanteile am Sammelbestand des Wertpapiers übertragen.815) Grundlage des Effektengiros ist die Verwahrung der Wertpapiere in Form der zentralisierten Sammelverwahrung, die man sich als Pyramide vorstellen darf und zwar dergestalt, dass jeder Wertpapiergläubiger (am unteren Pyramidenende) ein Depot bei seiner Depotbank unterhält und diese wiederum – ggf. über weitere Zwischenverwahrer – ein Depot bei einem CSD an der Pyramidenspitze. Verwahrung und Verwaltung816) von Wertpapieren wird in Deutschland als Bankgeschäft qualifiziert, und die Depotbank benötigt deshalb eine entsprechende Erlaubnis der BaFin.817) CSD brauchen eine besondere Erlaubnis818), deren Anforderungen z. T. über die an eine Depotbank gestellten hinausgehen.819) Der mögliche Kreis der Teilnehmer eines CSD (also derjenigen Personen, die ein Depot bei dem CSD führen können) ist gegenüber dem möglichen Teilnehmerkreis eines Handelsplatzes weiter reduziert.820) Flankiert wird das Wertpapier-Settlement durch das (parallel stattfindende) Kaufpreis-Settlement, das i. d. R. über Zentralbank___________ 814) CSDR Art. 3. Dann muss der Handelsplatzbetreiber den Zugang zum CSD als Teilnahmevoraussetzung vorsehen und durch Vertrag mit dem CSD das Settlement sicherstellen. Die Einschaltung einer CSD ist keine Auslagerung nach KWG § 25b bzw. WpIG § 40, weil der Betrieb einer CSD nicht zu den institutstypischen Dienstleistungen des Handelsplatzbetreibers gehört. Für andere Finanzinstrumente als Effekten ist denkbar, dass der Betreiber das Settlement der Geschäfte weitgehend den Teilnehmern überlässt (näher: Beck-OK-WertpapierhandelsR-Stötzel, Abschnitt 15, WpHG § 72 Rn. 19). 815) Dies ist zumindest im deutschen Recht so (zu den zivilrechtlichen Einzelheiten der Verwahrung und des Effektengiros im deutschen Recht siehe unten Rn. 411 f.). Andere Zivilrechtssysteme in der EU mögen Einzelheiten anders regeln (auf entsprechende nicht harmonisierte nationale Rechtsvorschriften weist auch der EU Gesetzgeber hin (z. B. DLTR EG (45))). 816) Die Verwaltung der Wertpapiere umfasst die Einlösung von Zahlungsansprüchen (Zinsen, Erträge, Kapital), die Ausübung von Stimm-, Bezugs-, Options- und Wandlungsrechten sowie die Entgegenahme und Weiterleitung von Informationen, insbesondere die Benachrichtigung von Umtausch- oder Abfindungsangeboten (näher: E/B-Bankrecht-Klanten, § 72 Rn. 3). 817) Erlaubnis gem. KWG § 32 (1), die sich erstreckt auf das Depotgeschäft gem. KWG § 1 (1) S. 2 Nr. 5. Diese Qualifizierung des Depotgeschäfts als Bankgeschäft entspricht auch den Vorstellungen des EU Gesetzgebers, der Wertpapieraufbewahrung und -verwaltung gem. CRD Anhang I Nr. 12 als Tätigkeit, für die die gegenseitige Anerkennung gilt, einordnet. 818) CSDR Art. 16 (1). 819) Dies gilt sowohl für die Zulassung selbst (vgl. CSDR Art. 16 f) als auch für die Betriebsorganisation (vgl. CSDR Art. 26 f. und Art. 42 f.), die gegenüber den Teilnehmern einzuhaltenden Wohlverhaltensregeln (vgl. CSDR Art. 32 f) und den Schutz der Teilnehmerinteressen hinsichtlich einer wirksamen Lieferung und Abrechnung (CSDR Art. 36 f.). Zudem wird die Einhaltung dieser Anforderungen besonders streng von den Behörden überprüft (vgl. CSDR Art. 22 (1), wonach eine behördliche Prüfung mindestens jährlich stattfinden muss, sowie CSDR Art. 26 (6)). Der EU Gesetzgeber sieht die von CSD betriebenen Wertpapierliefer- und -abrechnungssysteme als systemrelevant für das Funktionieren der Wertpapiermärkte an (MiFID EG (41), CSDR EG (2)). 820) Zum Kreis der möglichen Teilnehmer (oder Mitglieder) eines Handelsplatzes s. o. Rn. 212). Gem SFD Art. 2 f. (auf den CSDR Art. 2 (1) Nr 19 verweist) können Teilnehmer eines CSD sein: Ein Institut, eine CCP, eine Verrechnungsstelle, eine Clearingstelle, ein Systembetreiber oder ein Clearingmitglied einer CCP.

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V. Regulierung des Kapitalmarkthandels und seiner Handelsplätze

konten erfolgt.821) In der Eurozone können Wertpapier- und Kaufpreissettlement über die Abwicklungssysteme TARGET2-Securities bzw. TARGET2 durchgeführt werden.822) 3. Handelstransparenz Unter Handelstransparenz wird in diesem Buch die Aufzeichnung und Mel- 216 dung von Informationen verstanden, die Handelsgeschäfte mit Finanzinstrumenten betreffen.823) Das Gesetz unterscheidet zwischen Transparenz in der Vorhandels- und in der Nachhandelsphase, also zwischen Transparenzanforderungen vor und nach Durchführung eines Handelsgeschäfts (Vor- und Nachhandelstransparenzanforderungen).824) Adressaten von Handelstransparenzpflichten sind Handelsgeschäfte ausführende Wertpapierfirmen und Handelsplatzbetreiber.

___________ 821) CSDR Art. 40 (siehe näher unten Rn. 413). Falls die Einschaltung einer Zentralbank unzweckmäßig ist, kann der CSD das Kaufpreis-Settlement entweder über ein Kreditinstitut oder unter Beachtung der in CSDR Art. 54 f. näher beschriebenen zusätzlichen Anforderungen selbst abwickeln (CSDR Art. 54 (2)). 822) TARGET2 (ab 21.11.2022: T2) ist das Zahlungssystem der Zentralbanken des Eurosystems für die Abwicklung eilbedürftiger Euro-Zahlungen. Es ist als Echtzeit-Bruttosystem (Real-Time Gross Settlement – RTGS – System) ausgestaltet, d. h. die Zahlungen werden kontinuierlich verarbeitet und gebucht. Neben Zentral- können auch Geschäftsbanken (direkte oder indirekte) TARGET2-Teilnehmer sein, aber jede Zahlung wird aus dem jeweiligen Zentralbankguthaben der auftraggebenden Bank ausgeführt (daraus können negative oder positve Salden der Zentralbanken entstehen). Neben der (grenzüberschreitenden) Zahlungsabwicklung erlaubt TARGET2 seinen Teilnehmern Liquiditätsmanagement und -versorgung (über zinslose Innertageskredite). Näher: https://www. bundesbank.de/resource/blob/603382/cba81c3519bb2a4b8bc19f0cdc55 ff8e/mL/target2ein-einheitliches-europa-fuer-individualzahlungen-data.pdf. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang: SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) als Anbieter von weltweiten Kommunikationsdienstleistungen zum Austausch von Informationen zu Finanztransaktionen in standardisierter Form, der z. B. von der Bundesbank als Kommunikationskanal für TARGET2 und TARGET2-Securities verwendet wird. TARGET2-Securities (T2S) dient als Schnittstelle für eine zentrale Wertpapierabwicklung in Zentralbankgeld in der Eurozone. Die Wertpapierverwahrung und die damit verbundenen Dienstleistungen verbleiben in den Händen der nationalen CSD, für die eine Teilnahme an T2S optional ist. Das Konzept von T2S basiert auf der Zusammenführung der Zentralbankgeld- und Wertpapierseite auf einer Plattform im „Delivery versus Payment“Modus. Grundlage hierfür ist die Single Shared Platform (SSP) des Eurosystems, auf der auch TARGET2 betrieben wird. Näher: https://www.bundesbank.de/de/aufgaben/ unbarer-zahlungsverkehr/target2-securities/target2-securities-603552. 823) Handelstransparenz ist schwerpunktmäßig in MiFIR Titel II-IV geregelt. S. zum Begriff der Handelstransparenz und ihrer Bedeutung im System der kapitalmarktrechtlichen Transparenzanforderungen oben Rn. 63 ff. Hinzuweisen ist auch auf die enge Korrelation zwischen Handelstransparenz und der (in Rn. 232 ff. näher erörterten) Marktteilnahmetransparenz (so auch MiFIR EG (32)). 824) MiFIR EG (9) – (16).

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

217 Der Betreiber eines Handelsplatzes muss bzgl. der Finanzinstrumente, die über sein System gehandelt werden (einschließlich verbindlicher Interessenbekundungen), veröffentlichen:825) x

Die aktuellen Geld- und Briefkurse826) (und die Tiefe der Handelspositionen zu diesen Kursen) während der üblichen Handelszeiten auf kontinuierlicher Basis (Vorhandel)827) sowie

x

Preis, Volumen und Zeitpunkt der Geschäfte so nah an der Echtzeit ihres Abschlusses wie technisch möglich (Nachhandel).828)

218 Jede Wertpapierfirma muss Daten über sämtliche Aufträge und von ihr ausgeführte Geschäfte mit Finanzinstrumenten für mindestens fünf Jahre aufzeichnen und der zuständigen Behörde spätestens am Ende des folgenden Arbeitstags melden (sog. Transaktionsmeldungen). Die Meldepflicht gilt unabhängig davon, ob die Geschäfte an einem Handelsplatz abgeschlossen werden oder nicht. Die Transaktionsmeldungen müssen jedenfalls Bezeichnung, Anzahl (Volumen) und Preis der gehandelten Finanzinstrumente, Datum und Zeitpunkt des Abschlusses und Angaben zur Identifizierung der Kunden enthalten.829) Die Kunden, soweit sie juristische Personen sind, müssen mittels einer speziellen Rechtsträgerkennung (Legal Entity Identifier – LEI) identifiziert

___________ 825) Hinsichtlich einiger Veröffentlichungsdetails wird zwischen Eigen- und Nicht-Eigenkapitalfinanzinstrumenten (einschließlich Derivaten) differenziert (s. MiFIR Titel II Kapitel 1 und 2). Das Gesetz erlaubt den zuständigen Behörden in vielen Fällen Erleichterungen zu gestatten. Das gilt ebenso für die Schaffung von Ausnahmetatbeständen für eine Reihe von Finanzinstrumenten (s. MiFIR Art. 4 und 9) als auch für großzügigere Fristen hinsichtlich der Veröffentlichung (MiFIR Art. 7 und 11). Geschäfte mit Derivaten von nFGP, durch die die objektiv messbaren Risiken verringert werden und die in direktem Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit oder der Geschäftsfinanzierung der nFGP oder der betreffenden Gruppe stehen, sind bereits von Gesetzes wegen von der Veröffentlichungspflicht ausgenommen (Art. 8). 826) Geldkurs: Preis, zu dem Käufer bereit sind, Wertpapiere zu kaufen. Briefkurs: Preis, zu dem Verkäufer bereit sind, Wertpapiere zu verkaufen. 827) MiFIR Art. 3 und 8. 828) MiFIR Art. 6 und 10. Der Betreiber eines Handelsplatzes muss ferner Daten über sämtliche Aufträge für Finanzinstrumente, die ihm über sein System mitgeteilt werden, für mindestens fünf Jahre aufzeichnen und der zuständigen Behörde spätestens am Ende des folgenden Arbeitstags sämtliche Geschäfte über Finanzinstrumenten melden, die ein nicht der MiFIR unterliegendes Unternehmen über sein System abgewickelt hat (MiFIR Art. 25 (2) bzw. Art. 26 (5)). 829) MiFIR Art. 25 (1) bzw. 26 (1) – (4).

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V. Regulierung des Kapitalmarkthandels und seiner Handelsplätze

werden.830) Die Transaktionsmeldungen sind entweder von der Wertpapierfirma selbst vorzunehmen oder von einem in ihrem Namen handelnden genehmigten Meldemechanismus (Approved Reporting Mechanism – ARM)831) oder von dem Handelsplatz, über dessen System das Geschäft abgewickelt wurde.832) Die Wertpapierfirma ist für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Rechtzeitigkeit der Transaktionsmeldungen verantwortlich, es sei denn die Meldung erfolgt über einen ARM oder einen Handelsplatz und die Wertpapierfirma hat zumutbare Kontrollmechanismen eingerichtet.833) Neben den Transaktionsmeldungen müssen Wertpapierfirmen bzgl. sämtlicher Geschäfte mit Finanzinstrumenten, die an einem Handelsplatz gehandelt werden, Volumen, Kurs sowie den Zeitpunkt ihres Abschlusses im Rahmen eines genehmigten Veröffentlichungssystems (Approved Publication Arrangement – APA)834) bekanntgeben (sog. Nachhandelstransparenzmeldungen).835) 4. Marktintegrität Marktintegrität bedeutet: Handel auf fairer Grundlage mit gleichen Chancen 219 für alle Beteiligten. Das Basisgesetz zur Gewährleistung der Marktintegrität im Kapitalmarkt ist die MAR;836) daneben gibt es Spezialgesetze für die Regulierung von Leerververkäufen und Benchmarks. Hauptbestandteile der MAR ___________ 830) MiFIR Art. 26. Ein Legal Entity Identifier Code (LEI) ist eine globale Identifikationskennziffer für ein Unternehmen, die von einer Local Operating Unit (LOU) für die Global Legal Entity Identifier Foundation (GLEIF) ausgestellt wird. Die Nutzung von LEI ist seit dem 3.1.2018 für alle in Europa registrierten Unternehmen verpflichtend, die mit Wertpapieren handeln. GLEIF wurde vom Financial Stability Board (FSB) zu dem Zweck gegründet, das globale LEI-System zu entwickeln und zu verwalten. GLEIF ist auch die Dachorganisation des LEI-Registrars, der alle LEI-Daten speichert. GLEIF ist eine NonProfit-Organisation mit Hauptsitz in Basel. Ein LOU ist eine von GLEIF akkreditierte Organisation, die zur Ausstellung von LEI berechtigt ist. LOU sammeln und verifizieren Daten und generieren LEI gem. Protokoll. Ein LEI-Registrierungsvermittler überträgt die Kundendaten gem. den GLEIF-Standards an die LOU und fordert zusätzliche Informationen von der lokalen Unternehmensregistrierungsstelle an. GLEIF hat im April 2017 das Konzept einer LEI-Registrierungsstelle eingeführt, um die Qualität der Daten in den Datenbanken zu gewährleisten und die Beantragung eines LEI zu vereinfachen. LEI basieren auf der ISO-Norm 17442:2012. Ein LEI wird nur einmal für ein Unternehmen ausgestellt und besteht aus 20 Zeichen (die ersten 4 Zeichen sind die eindeutige Kennung des LOU, die den LEI ausgegeben hat, Zeichen 5 und 6 sind immer 0, die folgenden 12 Zeichen bestehen aus Buchstaben und Zahlen und identifizieren das Unternehmen, die letzten 2 Zeichen sind Prüfzeichen). Eine LEI ist nur für 1 Jahr gültig und muss danach erneuert werden. 831) MiFID Art. 4 (1) Nr. 54. 832) Der Handelsplatz muss in jedem Fall zusätzlich das Geschäft identifizierende Referenzdaten zur Verfügung stellen (MiFIR Art. 27). 833) MiFIR Art. 26 (7). 834) MiFID Art. 4 (1) Nr. 52. 835) MiFIR Art. 20 (1) und 21 (1). 836) RiLi 2003/6/EC (Market Abuse Directive – MAD) wurde mit Wirkung zum 3.7.2016 durch die MAR ersetzt, die durch die CRIM-MAD ergänzt wird. Zur Entstehungsgeschichte: E/B-Bankrecht-Hopt/Kumpan, § 86 Rn. 6 ff.; Veil-Kapitalmarktrecht-Veil, § 13 Rn. 1 – 16.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

sind Regelungen über das Verbot des Marktmissbrauchs und das Gebot der Markttransparenz.837) Marktmissbrauchsverbot und Markttransparenzgebot sind zwei Seiten derselben Medaille, denn wo Transparenz herrscht, hat es Missbrauch schwer. Das Grundproblem aller Regeln über die Marktintegrität ist, dass Licht und Schatten häufig nah beieinander liegen: Die Unterscheidung zwischen verbotener Täuschung und erlaubter Ausgebufftheit ist nicht selten schwierig. Von Bedeutung ist deshalb (fast) immer die Absicht, die der Handelnde verfolgte. a) Marktmissbrauch 220 Regelungsgegenstand der MAR ist die Verhinderung von Marktmissbrauch (hier als Oberbegriff für Insidergeschäfte und Marktmanipulation verwendet) in Bezug auf Finanzinstrumente,838) die an einem MiFID-Handelsplatz zugelassen sind oder gehandelt werden.839) OTC840) gehandelte Finanzinstrumente bleiben deshalb außerhalb des Anwendungsbereichs der MAR. 221 Marktmissbrauch (einschließlich des Versuchs) ist verboten.841) Vorsätzlich begangen, ist er eine mit Gefängnis oder (hoher) Geldstrafe sanktionierte Straftat, leichtfertig begangen eine Ordnungswidrigkeit. In jedem Fall droht eine öffentliche Bloßstellung der Täter durch die Aufsichtsbehörden (Naming and Shaming).842) 222 Handelsplatzbetreiber müssen Vorkehrungen zur Verhinderung bzw. Aufdeckung von Marktmissbrauch treffen und Verdachtsfälle der zuständigen Behörde melden.843) Wertpapierfirmen müssen Verfahren zur Aufdeckung und Meldung von verdächtigen Geschäften einrichten. Jeder begründete Verdacht des Marktmissbrauchs muss der zuständigen Behörde gemeldet werden (das ___________ 837) S. unten Rn. 232 ff. 838) Der Begriff des Finanzinstruments in der MAR enstpricht demjenigen der MiFID (vgl. MAR Art. 3 (1) Nr. 1). Der Emissionszertifikatehandel ist für Marktmissbrauch ähnlich anfällig wie der Handel mit klassischen Finanzinstrumenten. Dem Gesetzgeber war es ein besonderes Anliegen, Emissionszertifikate in den Anwendungsbereich der MAR miteinzubeziehen (vgl. MAR EG (21)). An vielen Stellen der MAR werden Emissionszertifikate deshalb ausdrücklich neben Finanzinstrumenten angesprochen. Das erklärt sich mit dem Erlassdatum der MAR vom 16.4.2014 und dem Umstand, dass MiFID II, die Emissionszertifikate zu Finanzinstrumenten erklärt, zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwendbar war. 839) Handelsplatz ist i. S. d. MiFID zu verstehen, schließt also geregelte Märkte (Börsen), MTF und OTF ein (MAR Art. 2 (1)). Unter MAD war der Anwendungsbereich auf Finanzinstrumente beschränkt, die an einem geregelten Markt gehandelt wurden. Die Ausweitung auf sämtliche Handelsplätze soll dem Anlegerschutz dienen (MAR EG (8)). Eingeschlossen sind außerdem Finanzinstrumente, die zwar nicht selbst an einem Handelsplatz gehandelt werden, deren Wert jedoch von einem solchen Finanzinstrument abhängt. 840) Zum Begriff oben Rn. 212. 841) MAR Art. 14 und 15. 842) Zu den Sanktionen s. näher unten Abschnitt C. 843) MAR Art. 16 (1).

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V. Regulierung des Kapitalmarkthandels und seiner Handelsplätze

sog. Whistleblower-Konzept).844) Emittenten und ihre Beauftragten müssen eine Liste aller Personen führen, die Zugang zu Insiderinformationen haben. Diese Personen sind über die gesetzlichen Insiderregeln aufzuklären.845) Die Insiderlisten sollen den Emittenten helfen, den Fluss der Insiderinformation zu überwachen und den Behörden, beim Vorliegen von Anhaltspunkten für Insidertaten eine schnelle Eingrenzung des Kreises der Insider vorzunehmen.846) b) Insidergeschäfte Insidergeschäfte sind ebenso verboten wie die Verleitung dazu oder die un- 223 rechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen.847) Ein Insidergeschäft liegt vor, wenn ein Insider848) Insiderinformationen beim Handel mit Finanzinstrumenten nutzt.849) Insiderinformationen sind nicht öffentlich bekannte,850) präzise851) Informationen bzgl. eines MAR-Finanzinstruments (oder dessen

___________ 844) 845) 846) 847)

848)

849)

850)

851)

MAR Art. 16 (2). MAR Art. 18. BaFin Emittentenleitfaden Modul C Kapitel 5.1. MAR Art. 14. Der Begriff der Verleitung (und Empfehlung) ist in MAR Art. 8 (2) definiert), derjenige der unrechtmäßigen Offenlegung von Insiderinformationen in MAR Art. 10 (1). Unter bestimmten Voraussetzungen rechtmäßig ist hingegen eine im Verlauf einer Marktsondierung vorgenommene Offenlegung von Insiderinformationen (MAR Art. 11 (4)). Eine Marktsondierung besteht in der Übermittlung von Informationen vor der Ankündigung eines Geschäfts, um das Interesse von potenziellen Anlegern an diesem Geschäft und dessen Bedingungen, wie z. B. seinem Umfang und seiner preislichen Gestaltung, abzuschätzen (MAR Art. 11 (1); näher: ESMA-VÖ-MAR-Marktsondierung sowie BaFin Emittentenleitfaden Modul C Kapitel 6). Neben der MAR ergeben sich Insiderhandelsverbote auch aus einer Reihe anderer Gesetze, etwa dem AktG für Organe und Aktionäre einer AG oder für Wirtschaftsprüfer aus dem HGB (E/B-Bankrecht-Hopt/ Kumpan, § 86 Rn. 178 ff.). Es wird begrifflich unterschieden zwischen Primär- und Sekundär-Insider (Klöhn-MARKlöhn, Art. 8 Rn. 10). Die Unterscheidung wirkt sich vor allem bei der Frage nach der Kausalität und dem subjektiven Tatbestand aus. Primär-Insider sind Personen, die Zugang zu Insiderinformationen haben durch ihre Tätigkeit in leitender Funktion beim Emittenten des fraglichen Finanzinstruments, durch ihre Beteiligung am Kapital des Emittenten, durch ein Dienst- oder Auftragsverhältnis mit dem Emittenten oder durch kriminelle Handlungen. Sekundär-Insider sind Personen, die (ohne Primär-Insider zu sein) über Insiderinformationen verfügen und wissen (oder wissen müssten), dass es sich um solche handelt (vgl. MAR Art. 8 (4)). MAR Art. 8 (1). Zwischen der Kenntnis der Insiderinformation und der Transaktion muss ein Kausalzusammenhang bestehen (EuGH ZIP 2010, 78 – Spector Photo Group). In jedem Fall muss die Handlung auf einem Entschluss des Insiders beruhen (E/BBankrecht- Hopt/Kumpan, § 107 Rn. 64). Öffentlich bekannt ist die Information, wenn sie einem breiten Anlegerpublikum und damit einer unbestimmten Zahl von Personen zugänglich gemacht wurde (BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden, Modul C Kapitel 1.2.1). Präzise ist die Information, wenn ihr Gegenstand bereits eingetreten ist oder wahrscheinlich eintreten wird (zu diesbezüglichen Details s. unten Rn. 234) und sie zudem so spezifisch ist, dass ihre Auswirkung auf den Preis des Finanzinstruments dem Grunde nach eingeschätzt werden kann (BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden, Modul C Kapitel 1.2.1).

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

Emittenten), die, wenn sie öffentlich bekannt würden, geeignet sind, den Kurs852) dieses Finanzinstruments erheblich zu beeinflussen.853) 224 Gesetzgeber und Aufsichts- bzw. Strafverfolgungsbehörden stehen bei Insidergeschäften vor einem doppelten Dilemma. Zum einen: Dass ein Insider eine Finanzinstrument-Transaktion auch tatsächlich vorsätzlich (oder zumindest leichtfertig) aufgrund einer Insiderinformation getätigt hat, lässt sich häufig nicht nachweisen. Zum anderen: Manche Insiderhandelstätigkeiten sind gewünscht, ja für den Kapitalmarkt geradezu unerlässlich; diese Tätigkeiten sollen gerade nicht verboten werden.854) Der Gesetzgeber löst dieses Dilemma wie folgt: Besitzt ein sog. Primär-Insider Insiderinformationen bzgl. eines Finanzinstruments und handelt mit dem Finanzinstrument, wird die Kausalität zwischen Information und Handlung vom Gesetz vermutet;855) es kommt de facto zu einer Beweislastumkehr. Allerdings gibt es Konstellationen, in denen diese Beweislastumkehr zurückgedreht, also kein Insidergeschäft vermutet wird, obwohl eine Person über Insiderinformationen verfügte und ein Handelsgeschäft bzgl. des fraglichen Finanzinstruments vorgenommen hat. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn ein Insider rechtmäßig und gutgläubig im normalen Rahmen seines Berufes agiert, z. B. als Market Maker,856) oder bei der Umsetzung eines Unternehmenszusammenschlusses nach Durchführung eines öffentlichen Übernahmeangebots.857) Für juristische Personen gilt die Beweislastumkehr zudem dann nicht, wenn sie effektive Barrieren (auch Chinese Walls genannt) zwischen den Insiderinformationsträgern und denjenigen natürlichen Personen errichten, die den Handel mit den fraglichen Finanzinstrumenten betreiben.858) ___________ 852) Die Kursbeeinflussungseignung ist aus der Perspektive des verständigen Anlegers zu betrachten (MAR Art. 7 (4); näher: E/B-Bankrecht-Hopt/Kumpan, § 86 Rn. 54 ff.). 853) MAR Art. 7. S. ausführlich Veil-Kapitalmarktrecht-Veil, § 14 Rn. 16 – 65 sowie BaFin Emittentenleitfaden, Modul C Kapitel 1.2.1 für eine Vielzahl von Einzelfallbeispielen. 854) MAR EG (29). Wertpapierrückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen sind deshalb gem. Art. 5 ganz vom Anwendungsbereich der MAR ausgenommen (näher: BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden Modul C Kapitel 4; E/B-Bankrecht-Hopt/Kumpan, § 86 Rn. 38 ff.; K/M/F/S-Oulds, B+K-Recht, Rn. 12.66 ff.). 855) Das ergibt sich im Umkehrschluss aus MAR Art. 9 (1) – (4) und wird in MAR EG (24) ff. näher erläutert. 856) MAR Art. 9 (2). Allerdings kann auch der Market Maker nicht machen, was er will: Sollte er seine Stellung z. B. für das sog. Front-Running missbrauchen (Eigengeschäfte in Kenntnis von Kundenaufträgen – MAR Art. 7 (1) d)), macht er sich des Insiderhandels schuldig (das gilt gem. MAR Art. 7 (6) i. Ü. für alle Maßnahmen, die zwar formal erlaubt sind, hinter denen aber ein rechtswidriger Zweck steckt). S. zu den weiteren legitimen Handlungen gem. MAR Art. 9 (2) – (6): E/B-Bankrecht-Hopt/Kumpan, § 86 Rn. 78 ff. sowie BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden, Modul C Kapitel 1.4.2. 857) Auch bei einer (an sich unrechtmäßigen) Offenlegung von Insiderinformationen kann die Unrechtmäßigkeit entfallen, wenn sie im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit erfolgt (MAR Art. 10 (1)). Das gilt insbesondere für Marktsondierungen, bei denen Geschäfte (einschließlich von öffentlichen Übernahmeangeboten) angekündigt werden, um das Interesse an dem Geschäft zu ermitteln, gerade im Hinblick auf die Ermittlung der angemessenen Konditionen. Erfolgt im Rahmen einer Marktsondierung eine Offenlegung von Insiderinformationen, ist diese nicht unrechtmäßig, wenn bestimmte Formalien beachtet werden (MAR Art. 11). 858) Art. 9 (1) MAR.

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V. Regulierung des Kapitalmarkthandels und seiner Handelsplätze

c) Marktmanipulation Marktmanipulation ist zwar verboten, hat aber keinen klar umrissenen Tat- 225 bestand.859) MAR unterscheidet in Art. 12 (1) vier Arten von Manipulationstypen:860) x

Vornahme einer Handelstätigkeit, die andere Personen in die Irre führt hinsichtlich des Angebots, der Nachfrage oder des Preises eines Finanzinstruments oder durch die ein künstliches Kursniveau erzielt wird, es sei denn, die Handelstätigkeit stellt eine zulässige Marktpraxis gem. MAR Art. 13 dar (handelsbasierte Manipulation).

x

Vornahme irgendeiner Täuschungshandlung, die den Kurs eines Finanzinstruments beeinflusst (Manipulation durch sonstiges Verhalten).

x

Verbreitung von irreführenden Informationen hinsichtlich des Angebots oder des Kurses eines Finanzinstruments, wenn die verantwortliche Person die Irreführung kannte oder hätte kennen müssen (informationsbasierte Manipulation).

x

(als Spezialfall) Übermittlung irreführender Angaben hinsichtlich eines Referenzwerts, wenn die verantwortliche Person wusste oder hätte wissen müssen, dass sie irreführend waren, oder sonstige Handlungen, durch die die Berechnung eines Referenzwerts manipuliert wird (Manipulation von Referenzwerten).

MAR Art. 12 (2) konkretisiert die Marktmanipulationstypen durch (zwin- 226 gende) Anwendungsbeispiele,861) die konkrete manipulative Verhaltensweisen beschreiben, etwa das sog. Cornering862) oder die sog. Wash Sales.863) Eine weitere Konkretisierung erfolgt durch die Indikatoren für manipulatives Handeln in MAR Anhang I. Diese ungewöhnliche mehrfache Konkretisierungstechnik des Gesetzgebers erscheint vor dem Hintergrund geboten und gerechtfertigt, dass die Grenze zwischen unzulässiger Marktmanipulation und zulässiger Ausgebufftheit häufig fließend sein kann. ___________ 859) Klöhn-MAR-Schmolke, vor Art. 12 Rn. 1. Treffend bezeichnet die BaFin das in MAR Art. 12 – 15 geregelte Verbot der Marktmanipulation als Rechtsrahmen für ein Bündel von als schädlich angesehenen Maßnahmen (BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden, Modul C Kapitel 3.2). Zur Rechtsdogmatik des Verbots: Veil-Kapitalmarktrecht-Veil, § 15 Rn. 17 – 23. 860) MAR Art. 12 (1) a) – d) (näher: K/M/F/S-Oulds, B+K-Recht, Rn. 12.11 ff.). Als Täter der Marktmanipulation kommt jeder in Frage, der für die manpulative Handlung verantwortlich ist (BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden, Modul C Kapitel 3.2). 861) BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden, Modul C Kapitel 3.4. 862) Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung bzgl. eines Finanzinstruments mit der Folge einer Preisfestsetzung oder anderen unlauteren Handelsbedingungen (MAR Art. 12 (2) a)). 863) Handel mit Finanzinstrumenten bei Handelsbeginn oder -schluss an einem Handelsplatz mit der Folge, dass Anleger, die aufgrund der angezeigten Kurse tätig werden, irregeführt werden (MAR Art. 12 (2) b)).

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

d) Leerverkäufe 227 Der Leerverkauf (Englisch: Short Selling) – also der Verkauf von Wertpapieren, ohne deren Eigentümer zu sein864) – ist grds. erlaubt; die positiven Auswirkungen dieses Geschäftstyps auf Qualität und Effizienz des Kapitalmarkts sind anerkannt.865) Allerdings verbietet der EU Gesetzgeber einige seiner Formen, nämlich ungedeckte Leerverkäufe in Aktien und öffentlichen Schuldtiteln (Staatsanleihen),866) denen marktmanipulative Effekte unterstellt werden.867) Beim (zulässigen) gedeckten Leerverkauf leiht sich der Verkäufer die Wertpapiere zunächst, verkauft sie dann an den Käufer, besorgt sich die gleiche Anzahl vor dem Rückgabetermin wieder im Markt und gibt sie schließlich an den Verleiher zurück.868) Beim (teilweise unzulässigen) ungedeckten Leerverkauf fehlt das Wertpapierleihelement: Der Leerverkäufer verkauft die Wertpapiere auf Termin ohne sie zu besitzen und besorgt sie sich vor dem Liefertermin im Markt, um sie dann an den Käufer zu übertragen. Das Verbot umfasst auch ungedeckte, keinen Absicherungszwecken dienende Credit Default Swaps (CDS) auf öffentliche Schuldtitel,869) deren Kauf vom Gesetzgeber – wirtschaftlich gesehen – mit einem Leerverkauf gleichgesetzt wird.870) Außerdem sind die Handelsbeteiligten zur Meldung (und ggf. Veröffentlichung) von Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien und öffentlichen Schuldtiteln bei Überschreitung bestimmter Schwellenwerte verpflichtet.871)

___________ 864) 865) 866) 867)

868) 869)

870) 871)

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SSR Art. 2 (1) b). SSR EG (5). SSR Art. 12 und 13. Anlass der SSR war die Finanzkrise 2008 und die Befürchtung, dass Leerverkäufe in Krisenzeiten (als eine Art selbsterfüllender Prophezeiung) die Abwärtsspirale der Börsenkurse verstärken, die Lebensfähigkeit von Finanzinstituten bedrohen und dadurch systemische Risiken entstehen könnten (vgl. SSR EG (1)). S. zum Hintergrund: Veil-Kapitalmarktrecht-Walla, § 25 Rn. 9 – 19. S. zur aufsichtsrechtlichen Behandlung der Wertpapierleihe unten Rn. 336 und zur zivilrechtlichen Gestaltung und zum wirtschaftlichen Hintergrund unten Rn. 465 ff. SSR Art. 14. CDS sind Derivatekontrakte, bei dem eine Partei einer anderen Partei eine Prämie zahlt als Gegenleistung für eine Ausgleichszahlung im Falle des Eintritts eines Kreditereignisses bzgl. eines Referenzschuldners (SSR Art. 2 (1) c)). S. näher: Litten/Bell, BKR 2011, 314. SSR EG (14). S. zu den den Auswirkungen von Leerverkäufen entsprechenden Folgen von CDS: SSR EG (21) und (22). SSR Art. 5 ff. Netto-Leerverkaufsposition bzgl. eines Wertpapiers ist die Position, die eine Person hält, nachdem von ihren Short-Positionen sämtliche Long-Positionen abgezogen wurden (SSR Art. 3 (4) und (5)). Als short wird im Markt eine Verkaufverpflichtung bezeichnet und als long eine Kaufverpflichtung – und deren Ausgleich als Glattstellung (Lorenz-Churning, Teil 1, A I Rn. 13). Entsprechend ist eine Short-Position eine Position, die aus dem Leerverkauf des Wertpapiers und eine Long-Position eine Position, die aus dem Kauf des Wertpapiers resultiert (dem gleichgesetzt werden Positionen, die aus einer Derivatetransaktion resultieren, unter der die Person, die diese Transaktion eingeht, im Falle einer Wertminderung des Wertpapiers (Short-Position) bzw. im Falle dessen Wertsteigerung (Long-Position) einen finanziellen Vorteil erzielt (SSR Art. 3 (1) und (2)).

V. Regulierung des Kapitalmarkthandels und seiner Handelsplätze

e) Benchmarks Der Wert vieler Finanzinstrumente wird bestimmt durch Bezugnahme auf einen 228 Index, d. h. eine der Öffentlichkeit zugängliche Zahl, die regelmäßig nach einer festgelegten Methode auf der Grundlage bestimmter Basiswerte (z. B. Börsenkurse oder Zinssätze) ermittelt wird.872) Solche als Referenzwerte (Benchmarks) bezeichnete Indizes sind besonders anfällig für Manipulation.873) Das hängt mit ihrer Funktionsweise zusammen. Ein Index wird nach einer Formel auf der Grundlage von Basisdaten berechnet. Beim Konstruieren dieser Formel, bei der Durchführung der Berechnung und beim Bestimmen der Eingabedaten bestehen Ermessensspielräume, die von Personen auszufüllen sind, die nicht selten Interessenskonflikte haben.874) Trotzdem gab es lange keine spezifische Regulierung für Referenzwerte.875) Ihr Fehlen zeigte besonders drastisch der seit 2005 schrittweise bekanntwerdende Skandal um die Manipulation der Referenzzinssätze LIBOR876) und EURIBOR877) durch wichtige Marktteilnehmer.878) ___________ 872) 873) 874) 875) 876)

BMR Art. 3 (1) Nr. 1. BMR EG (1). BMR EG (8), (12) und (17). BMR EG (2). LIBOR (London Interbank Offered Rate) ist der – für 15 verschiedene Laufzeiten in 10 unterschiedlichen Währungen berechnete – Zinssatz, zu dem sich international tätige Großbanken im Londoner Markt kurzfristig Geld leihen. Seine große Bedeutung erhält der LIBOR darüber hinaus dadurch, dass er als Referenzzins für weltweite Finanzgeschäfte wie Kredite, Investments, Derivate und Sparkonten im Wert von 360 Billionen Dollar fungiert (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kosten-der-zinsmanipulation-liborskandal-koennte-richtig-teuer-werden-1.1411494). LIBOR wird wie folgt berechnet: An jedem Bankarbeitstag um 11 Uhr melden die Panel-Banken der Thomson Reuters Agentur hypothetische (da nicht jede Bank an jedem Tag entsprechende Transaktionen tätigt) Zinssätze für die jeweilige Laufzeit. Die niedrigsten und die höchsten 25 % entfallen bei der Berechnung, um Extremausschläge nach unten oder oben zu verhindern. Dann wird der Durchschnitt aus den übrigen 50 % errechnet. Gegen 11:45 Uhr werden die ermittelten Zinssätze mit 4 Nachkommastellen veröffentlicht (https://www.financescout24.de/wissen/ ratgeber/libor#libor-zinsen-berechnung). 877) Die wichtigsten Euro-Referenzzinssätze sind der Übernachtzinssatz EONIA (Euro Overnight Index Average) und der längerfristige Zinssatz EURIBOR (Euro Interbank Offered Rate), der für Laufzeiten von 1 Woche – 12 Monate bereitgestellt wird. Beide Sätze werden von dem von Geschäftsbanken getragenen und in Belgien ansässigen European Money Markets Institute (EMMI) verantwortet und täglich veröffentlicht (Buba-VÖReferenzzinssätze, S. 50). 878) Die Geschichte des Skandals geht wie folgt: Barclays-Mitarbeiter informierten zunächst 2007 die NY Federal Reserve Bank und 2008 auch die British Bankers Association (BBA) über die Meldung nicht-akkurater Zinssätze durch Barclays und andere Banken für Zwecke der LIBOR-Berechnung. Daraufhin veröffentlichte die BBA in 2009 Richtlinien für die Festlegung des LIBOR. 2010 nahm die (damalige) Financial Services Authority (FSA) Untersuchungen gegen Barclays und weitere Banken auf. 2011 begann auch die EU Kommission mit Ermittlungen. Es stellte sich heraus, dass die Mitarbeiter verschiedener Banken Absprachen über die Festsetzung der Zinssätze getroffen und Informationen über Geschäftsabschlüsse ausgetauscht hatten, um den Durchschnittswert des Referenzzinssatzes künstlich hoch oder tief zu halten und damit Gewinne zu erzielen (Weck, KommJur 2013, 247). Zwei Motive trieben die Banker an: Zum einen die Hoffnung, durch Meldung eines niedrigen LIBOR-Wertes den Eindruck vermitteln zu können, sich günstiger Geld leihen zu können und damit insgesamt gesünder dazustehen (dieser Schau-

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

229 Die Folgen des Skandals waren mannigfaltig.879) Auch der EU Gesetzgeber wurde aktiv und schuf 2016 mit der BMR einen Ordnungsrahmen für Referenzwerte.880) Die wesentlichen Herausforderungen dabei waren: Einerseits haben die Banken, die mit ihren Daten wesentlich zur Bestimmung des Referenzwertes beitragen, bedingt durch ihre Handelsaktivitäten ein Interesse daran, dass der Referenzwert eine bestimmte Richtung nimmt. Andererseits geht es ohne von Marktteilnehmern gespeiste und administrierte Referenzwerte schlichtweg nicht, denn Indizes haben große Bedeutung für alle Facetten des Finanzwesens, gerade auch für Verbraucher.881) Geboten schien deshalb die Entwicklung von Kriterien, die den Prozess der Bestimmung der Referenzwerte objektivierbar machen sowie Maßnahmen, die die Abhängigkeit des Marktes von einzelnen Akteuren reduzieren882) und deren Marktmacht begrenzen.883) Allerdings war auch klar, dass der Bogen der Gängelung der Markteilnehmer nicht überspannt werden darf: Administratoren der Indizes wie auch Kontributoren der Daten müssen weiterhin einen Anreiz haben, an der Bestimmung der Referenzwerte mitzuwirken. Überwiegen aufgrund zu starker Regulierung Nachteile und Risiken für die Marktteilnehmer, besteht die Gefahr, dass sie sich zurückziehen und es überhaupt keine verlässlichen Indizes mehr gibt. ___________

879)

880) 881) 882)

883)

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fenster-Effekt mag gerade in Zeiten der Finanzkrise wichtig gewesen zu sein). Zum anderen spielte reine Habgier eine wesentliche Rolle. Bankkunden ist durch die Manipulation ein Schaden von USD 17 Mrd. entstanden (s. die Presseberichte in: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/der-zins-skandal-und-die-folgen-lieber-ohne-libor-1.3777623); (https:// www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/zinsmanipulation-die-libor-bande12057074-p2.html); https://www.bbc.co.uk/news/business-18671255). Neben administrativen sowie straf- und zivilrechtlichen Verfahren gegen die beteiligten Banken und Einzelpersonen traten fundamentale Reformen: Die Administration des LIBOR wurde der LSE entzogen und der ICE unter Überwachung der Financial Conduct Authority (FCA) übertragen. Die FCA ist seit 2013 die Nachfolgerin der FSA und bildet zusammen mit der Prudential Regulation Authority (PRA) und der Bank of England (BoE) die Finanzaufsicht Großbritanniens. Die BoE kündigte bereits 2017 an, dass der LIBOR ganz eingestellt und durch ausschließlich auf historischen Daten basierenden Risk Free Rates (RFR) ersetzt werden sollen (Bailey, The future of LIBOR, Rede bei Bloomberg London, 27.7.2017). Anders als der LIBOR wird der EURIBOR nicht durch RFR ersetzt, sondern wurde nach den neuen Vorgaben der BMR reformiert. Das EMMI berechnet EURIBOR jetzt nach einer neuen (hybriden) Methode, die den BMR-Vorgaben entspricht (https://www.emmi-benchmarks.eu/euribor-org/euribor-reform.html). EONIA wird im Übrigen schrittweise durch den seit Oktober 2019 veröffentlichten Tagesgeldzinssatz €STR (Euro Short-Term Rate) ersetzt. Die Umstellung all dieser Referenzzinssätze stellt für Politik, Aufsicht und Marktteilnehmer eine Herkulesaufgabe dar (vgl. Buba-VÖReferenzzinssätze, S. 50 ff.; Litten, in: Börsenzeitung, 25.7.2020, S. 9). Ausführlich: Veil-Kapitalmarktrecht-Wundenberg, §§ 35 und 36. Z. B. für grundpfandrechtlich besicherte Verbraucherkredite (vgl. BMR EG (10)). Etwa dadurch, dass die Behörden die Index-Administratoren zu bestimmten Verhaltensweisen zwingen und auch besonderen Einfluss in einem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Administratoren nehmen können (vgl. BMR Art. 21). Etwa durch die Auferlegung von Zwangslizenzen und der Offenlegung von Informationen (vgl. BMR Art. 22). Aus dem Transparenzbedürfnis hinsichtlich der Methodik der Referenzwertberechnung (vgl. BMR EG (27)) ergeben sich weitere Regelungskonflikte, nämlich mit den geistigen Eigentumsrechten der Index-Administratoren und nicht zuletzt auch mit dem Datenschutzrecht (vgl. BMR EG (53)).

V. Regulierung des Kapitalmarkthandels und seiner Handelsplätze

Der Gesetzgeber reagierte auf diese Herausforderungen zunächst damit, dass 230 er der BMR884) einen breiten Anwendungsbereich gibt. Sie gilt für alle Indizes, die als Referenzwert bei Finanzinstrumenten in der EU verwendet werden.885) Der Administrator eines Referenzwerts886) bedarf einer Zulassung (oder Registrierung) durch die zuständige Behörde seines Sitzstaates.887) Er muss sein Unternehmen so organisieren, dass seine eigenen Interessenkonflikte und die seiner Kontributoren888) erkannt, möglichst vermieden oder sonstwie geregelt werden.889) Für die Eingabedaten selbst gilt, dass sie die zu messende wirtschaftliche Realität zuverlässig wiederzugeben in der Lage sein müssen und möglichst Transaktionsdaten (also nicht Schätzungen und Annahmen) sein sollen.890) Den Kontributoren hat der Administrator einen Verhaltenskodex an die Hand zu geben, der detailliert beschreibt, welche Aufgaben ihnen zufallen und welche Kontrollen sie einrichten müssen, um einen Missbrauch des Ermessensspielraums bei der Bereitstellung von Eingabedaten zu verhindern.891) Eine aufsichtsrechtliche Pflicht, diesen Missbrauch und die Beeinflussung der Eingabedaten durch Interessenkonflikte mittels geeigneter Systeme und Kontrollen zu verhindern, trifft die Kontributoren i. Ü. auch selbst.892) Allerdings gelten die vorstehend genannten (und weitere) Regeln nicht unisono für alle Referenzwerte.

___________ 884) Basierend auf von der IOSCO am 17.7.2013 erlassenen Grundsätzen zu finanziellen Referenzwerten und den am 5.10.2012 erlassenen Grundsätzen für Ölpreismeldestellen (vgl. BMR EG (44)). 885) BMR Art. 1. Index ist jede veröffentlichte Zahl, die mittels einer Formel auf der Grundlage von Basiswerten bestimmt wird (Art. 3 (1) Nr. 1). Referenzwert ist jeder Index, auf den Bezug genommen wird, um den Wert/Preis eines Finanzinstruments oder -kontrakts zu bestimmen oder die Wertentwicklung eines Investmentfonds (BMR Art. 3 (1) Nr. 3). 886) D. h. jede Person, die Kontrolle über die Bereitstellung eines Referenzwerts ausübt (BMR Art. 3 (1) Nr. 6). 887) BMR Art. 34. Handelt es sich bei dem Administrator um einen bereits aus anderen Gründen beaufsichtigten Finanzakteur und/oder ist der Referenzwert nicht signifikant, reicht eine Registrierung aus. Zulassung oder Registrierung können bei Fehlverhalten des Administrators wieder entzogen werden (BMR Art. 35). Zugelassene bzw. registrierte Administratoren werden von der ESMA in einem öffentlichen Register geführt (BMR Art. 36). 888) D. h. jede Person, die für die Bestimmung des Referenzwertes erforderliche Eingabedaten beiträgt (BMR Art. 3 (1) Nr. 9). 889) BMR Art. 4. Besonderer Augenmerk ist dabei auf den Umstand zu legen, dass Ermessen bei der Bestimmung des Referenzwerts besteht, bei dessen Ausübung die Interessenkonflikte typischerweise zum Tragen kommen (BMR Art. 4 (6)). Die Überwachung hat durch eine interne Aufsichtsstelle zu erfolgen, die insbesondere die Methodik des Referenzwerts, ihre Anwendung sowie die Qualität der Eingabedaten laufend zu überprüfen und dabei mit der zuständigen Behörde zu kooperieren hat (BMR Art. 5 und 14). 890) Der Administrator hat dies in Leitlinien niederzulegen und deren Einhaltung durch das eigene Front Office oder Kontributoren streng zu überwachen (BMR Art. 11). 891) BMR Art. 15. 892) BMR Art. 16.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

Vielmehr differenziert die BMR zwischen mehreren Referenzwertkategorien893) nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Administrator schuldet den Nutzern Aufklärung über den Referenzwert. Dies geschieht vor allem mittels einer vom Administrator zu veröffentlichenden Referenzwert-Erklärung, die Auskunft über Zweck und Methodik des Referenzwerts, die Erhebung der Eingabedaten und die (aus der Ausübung von Ermessen resultierenden) Risiken geben muss.894) 231 Ein beaufsichtigter Finanzakteur darf einen Referenzwert in der EU nur verwenden, wenn der Referenzwert von einem in der EU angesiedelten und nach Maßgabe der BMR registrierten Administrator bereitgestellt wird.895) Dient ein Referenzwert als Grundlage für ein öffentlich angebotenes bzw. börsenzugelassenes Wertpapier, muss dessen Prospekt klarstellen, ob der Referenzwert dieser Anforderung entspricht.896) 5. Marktteilnahmetransparenz 232 Die Einführung eines MiFID-Finanzinstruments an einem MiFID-Handelsplatz (bzw. in einigen Fällen nur diejenige in einen geregelten Markt) löst (später zu erfüllende) Transparenzpflichten aus, die in diesem Buch als Sekundärmarkttransparenzpflichten oder Markteilnahmetransparenzpflichten bezeichnet werden.897) Das EU Marktteilnahmetransparenzsystem unterscheidet zwischen ___________ 893) Die wichtigsten Kategorien sind: (i) Referenzwerte aus Daten, die aus an einem regulierten Handelsplatz durchgeführten Transaktionen stammen (BMR Art. 3 (1) Nr. 24), (ii) Referenzzinssätze zu denen sich Banken untereinander Kredit gewähren (BMR Art. 3 (1) Nr. 22), (iii) Rohstoffreferenzwerte (BMR Art. 3 (1) Nr. 23), (iv) Kritische Referenzwerte, die regelmäßig als Berechnungsgrundlage für Finanzinstrumente bzw. Investmentfonds in einer kritischen Gesamtgröße (EUR 500 Mrd.) dienen und deren Unzuverlässigkeit erhebliche Auswirkungen auf die Märkte und die Finanzsystemstabilität hätte (BMR Art. 20), (v) Signifikante Referenzwerte, die regelmäßig als Berechnungsgrundlage für Finanzinstrumente bzw. Investmentfonds in einer Gesamtgröße von ca. EUR 50 Mrd. dienen (BMR Art. 24) und (vi) nicht-signifikante Referenzwerte. Die geringste Regulierungsintensität haben die Referenzwerten aus regulierten Daten und die nicht-signifikanten Referenzwerte (BMR Art. 17 und 26). Für Referenzzinsätze und Rohstoffreferenzwerte gelten einige Sonderregeln (BMR Art. 18 und 19). Besonders hohen Anforderungen unterliegen signifikante Referenzwerte (BMR Art. 24) und vor allem die kritischen Referenzwerte. Für letztere gilt: (i), ihren Nutzern ist angemessener, nicht-diskriminierender Zugang zu gewähren (BMR Art. 22), (ii) Administratoren dürfen sie nicht einfach einstellen und können von der zuständigen Behörde (temporär) zum Weitermachen gezwungen werden (BMR Art. 21), und (iii) Kontributoren unterliegen hinsichtlich ihrer Eingabedaten besonderer Transparenzpflichten und dürfen deren Lieferung ebenfalls nicht einfach einstellen (BMR Art. 23). 894) BMR Art. 27. Zudem muss der Administrator Notfallpläne veröffentlichen, in denen dargelegt wird, wie mit veränderten Umständen umzugehen ist (BMR Art. 28). 895) BMR Art. 29 (1). Für Administratoren aus Drittstaaten gibt es Gleichwertigkeitsregeln (vgl. BMR Art. 30 – 33). Näher zur Verwendung von Referenzwerten: BaFin-VÖ-Referenzwerte Ziff 6. 896) BMR Art. 29 (2). 897) Die Terminologie für diese Transparenzpflichten ist nicht gefestigt. H/M/S-Kapitalmarktinformation-Seulen, § 29 Rn. 5 verwendet z. B. den Begriff Sekundärmarkttransparenzpflichten. S. zur Begriffsbildung oben Rn. 63 ff.

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V. Regulierung des Kapitalmarkthandels und seiner Handelsplätze

regelmäßig wiederkehrenden (periodischen) Transparenzpflichten (auch Regelpublizität genannt898)) und solchen, die durch bestimmte Ereignisse ausgelöst werden.899) a) Periodische Publizität Emittenten von an einem geregelten Markt zugelassenen Wertpapieren müssen 233 einen Jahresfinanzbericht innerhalb von vier Monaten nach Geschäftsjahresende (und einen Halbjahresfinanzbericht so schnell wie möglich) veröffentlichen und sicherstellen, dass die Berichte zehn Jahre öffentlich zugänglich bleiben.900) Aus deutscher Sicht trifft diese Pflicht Inlandsemittenten.901) Der Jahresfinanzbericht umfasst den geprüften Abschluss, den Lagebericht und die Erklärung der verantwortlichen Unternehmensleiter, dass der Abschluss in Übereinstimmung mit den anwendbaren Rechnungslegungsvorschriften erstellt wurde (der Halbjahresfinanzbericht umfasst einen verkürzten Abschluss und einen Zwischenlagebericht).902)

___________ 898) H/M/S-Kapitalmarktinformation-Wunderlich, § 24 Rn. 2. 899) Erstere sind im Wesentlichen in der TD geregelt, letztere in MAR, TD und ToD. Im deutschen Recht sind die Marktteilnahmetransparenzpflichten vornehmlich in WpHG und WpÜG enthalten. Neben diesen kapitalmarktrechtlichen Transparenzpflichten gibt es gesellschaftsrechtliche Offenlegungspflichten, z. B. in AktG §§ 20 ff. (näher: H/M/SKapitalmarktinformation-Buckel/Vogel, § 19 Rn. 6). 900) TD Art. 4 (1) und 5 (1). Zu Hintergründen und Geschichte s.: Veil-KapitalmarktrechtBrinckmann, § 18 Rn. 1 – 10. 901) WpHG §§ 114 (1), 115 (1). Gem. WpHG § 2 (14) sind Inlandsemittenten diejenigen Emittenten, für die Deutschland Herkunftsstaat ist oder zwar ein anderer EU Mitgliedstaat Herkunftsstaat ist, aber die Wertpapiere nur in Deutschland zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Die Definition des Begriffs Herkunftsstaat in WpHG § 2 (13) i. V. m. §§ 4 und 5 setzt voraus, dass es sich um ein an einem organisierten Markt (deutscher Begriff für geregelten Markt) zugelassenes Wertpapier handelt (s. zum Begriff des Herkunftstaats oben Rn. 5 1 – 53). Emittenten aus anderen EU Mitgliedstaaten treffen entsprechende Pflichten nach dem für sie jeweils geltenden Recht (näher: H/M/S-Kapitalmarktinformation-Wunderlich, § 24 Rn. 2). 902) TD Art. 4 (2) und 5 (2). Im deutschen Recht gibt es ein (nicht auf EU Recht basierendes) zweistufiges Bilanzkontrollverfahren nach WpHG §§ 106 ff., das die Aufteilung der Kompetenzen bei der Bilanzkontrolle zwischen einer privatrechtlich organisierten Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) und der BaFin vorsieht. Die DPR wird zunächst tätig, die BaFin dann, wenn das Unternehmen nicht kooperiert. Dem Bilanzkontrollverfahren unterliegen deutsche Emittenten von zum Handel an einem geregelten Markt zugelassenen Wertpapieren. Gegenstand der Prüfung sind Jahres- und Konzernabschluss und zugehörige Lageberichte. Überprüft wird, ob die Abschlüsse und Berichte den gesetzlichen Vorschriften einschließlich der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung oder den sonstigen durch Gesetz zugelassenen Rechnungslegungsstandards (HGB oder IFRS) entsprechen. S. zu allem näher: BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden, Modul A.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

b) Ad-hoc Publizität 234 Emittenten903) von an einem MiFID-Handelsplatz zugelassenen oder gehandelten Finanzinstrumenten müssen sie betreffende Insiderinformationen unverzüglich904) nach ihrem Entstehen veröffentlichen.905) Dieses in der MAR statuierte Gebot der sog. Ad-hoc Publizität ist gleichsam die andere Seite der Medaille des Verbots des Insiderhandels: Sie gilt als beste Präventivmaßnahme dagegen.906) Die Merkmale der Insiderinformation im Zusammenhang mit der Ad-hoc Publizität sind (fast907)) die gleichen wie beim Insidergeschäft:908) Es muss sich handeln um nicht öffentlich bekannte, präzise909) Informationen, ___________ 903) Betroffen sind alle Emittenten, die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel an einem MiFID-Handelsplatz (einschließlich des deutschen Freiverkehrs; s. o. Rn. 122) beantragt oder genehmigt haben (Genehmigung ist mehr als bloße Kenntnisnahme, der Emittent muss dem Handel zugestimmt haben). Davon zu unterscheiden ist der sog. Inlandsemittent, den die Folgepflichten gem. WpHG § 26 (1) treffen. S. zu allem näher: BaFin-VÖEmittentenleitfaden, Modul C Kapitel 1.3.1. Generell zu den kapitalmarktrechtlichen Folgepflichten der Börsennotierung: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Schlitt, § 38. 904) Es gilt das allgemeine rechtliche Verständnis dieses Begriffes, also: Ohne schuldhaftes Zögern (BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden, Modul C Kapitel 1.3.4). 905) MAR Art. 17 (1). Die Veröffentlichung muss so erfolgen, dass die Umstände an eine breite Öffentlichkeit, unentgeltlich und zeitgleich in der gesamten EU verbreitet werden. Deutsche Unternehmen müssen die Veröffentlichung an das Unternehmensregister zur Speicherung weiterleiten und für die Dauer von fünf Jahren auf ihre eigene Website stellen. Zu einigen der trotz des eigentlich klaren Wortlauts überraschend vielen Auslegungsproblemen dieses Tatbestands: E/B-Bankrecht-Hopt/Kumpan, § 86 Rn. 137 – 150. 906) E/B-Bankrecht-Hopt/Kumpan, § 86 Rn. 133; BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden, Modul C Kapitel 1.3.1. 907) Der Unterschied besteht darin, dass die Informationen hier einen direkten Emittentenbezug haben müssen, während dies dort nicht erforderlich ist (näher: E/B-Bankrecht-Hopt/ Kumpan, § 86 Rn. 135). 908) S. oben Rn. 223–224. 909) Präzise sind Informationen, wenn sie sich auf Umstände beziehen, die bereits existieren oder wahrscheinlich existieren werden und spezifisch genug sind, um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Umstände auf die Kurse der Finanzinstrumente zuzulassen. So können im Fall eines zeitlich gestreckten Vorgangs, der einen bestimmten Umstand herbeiführen soll, sowohl dieser künftige Umstand als auch einzelne zu ihm hinführende Zwischenschritte als präzise Insiderinformationen betrachtet werden. Ein Zwischenschritt in einem gestreckten Vorgang gilt als Insiderinformation, falls er für sich genommen die Kriterien der Insiderinformation erfüllt. Diese nunmehr in MAR Art. 7 (2) und (3) enthaltene Regelung ist das gesetzgeberische Resultat des sog. Fall Schrempp (nach dem Namen des Klägers auch als Fall Geltl bekannt), der deutsche und europäische Gerichte mehr als ein Jahrzehnt beschäftigte und folgenden Inhalt hat: Der damalige Vorstandsvorsitzende der DaimlerChrysler AG, Jürgen Schrempp (JS) überlegte im Frühjahr 2005, vorzeitig aus seinem Amt zu scheiden und weihte zunächst den Aufsichtsratsvorsitzenden Hilmar Kopper (HK) ein. In den folgenden Wochen wurden weitere Aufsichtsratsmitglieder informiert. JS und HK vereinbarten, dem Aufsichtsrat in dessen Sitzung am 28.7.2005 die Abberufung JS' und die Bestellung von Dieter Zetsche als Nachfolger vorzuschlagen, ohne darauf zuvor einem entsprechenden Tagesordnungspunkt hinzuweisen. Arbeitnehmervertreter des Aufsichtsrates sowie die Mitglieder des Präsidialausschusses wurden informiert. Letzterer beschloss am Abend des 27.7.2005, sich dem Vorschlag von JS und HK anzuschließen. Den am 28.7.2005 entsprechend gefassten Aufsichtsratsbeschluss meldete Daimler unverzüglich der BaFin und veröffentlichte eine diesbezügliche Ad-hoc-Mitteilung. Kurz darauf stieg der Kurs der Daimler-Aktie substantiell an. Mehrere Anleger hatten vor der Ad-hoc-Mitteilung Daimler-Aktien verkauft.

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V. Regulierung des Kapitalmarkthandels und seiner Handelsplätze

die den Emittenten eines an einem Handelsplatz gehandelten Finanzinstruments betreffen und die, wenn sie öffentlich bekannt würden, geeignet sind, den Kurs von dessen Finanzinstrumenten erheblich zu beeinflussen. Der Emittent kann auf eigene Verantwortung die Offenlegung der Insiderinformationen durch Beschluss aufschieben, sofern sämtliche nachfolgenden Bedingungen erfüllt sind:910) x

Eine unverzügliche Offenlegung ist geeignet, die berechtigten Interessen911) des Emittenten zu beeinträchtigen,

x

die Aufschiebung der Offenlegung führt die Öffentlichkeit nicht in die Irre, und

x

der Emittent kann die Geheimhaltung der Informationen sicherstellen.912)

___________ Einer von ihnen, Markus Geltl, klagte vor dem LG Stuttgart auf Ersatz des Veräußerungsschadens gem. § 37b Abs. 1 WpHG a. F., da die Information über JS' Ausscheiden seiner Ansicht nach zu spät veröffentlicht wurde. Das LG Stuttgart legte die Klage dem OLG Stuttgart vor, damit dieses im Rahmen eines Musterverfahrens entscheide. Das OLG Stuttgart sah eine Veröffentlichungspflicht frühestens ab dem Zeitpunkt des Präsidialbeschlusses als gegeben an (im Beschl. v. 15.2.2007 – 901 Kap 1/06, NZG 2007, 352 sowie – nach einem BGH, Beschl. v. 25.2.2008 – II ZB9/07, NJW-RR 2008, 865 in einem ersten Rechtsbeschwerdeverfahren – im Beschl. v. 22.4.2009 – 20 Kap 1/08, NZG 2009, 624). Das Hauptargument des OLG bestand darin, dass der Eintritt des zu veröffentlichenden Ereignisses – die Abberufung von JS – erst mit dem Beschluss des Präsidialausschusses hinreichend wahrscheinlich gewesen sei. Der BGH setzte das darauffolgende zweite Rechtsbeschwerdeverfahren aus und legte dem EuGH nach AEUV Art. 267 zwei Fragen zur Vorabentscheidung über die Auslegung der MAD vor, die der EUGH dahingehend beantwortete, dass bei zeitlich gestreckten Vorgängen, bei denen ein bestimmtes Ereignis herbeigeführt werden soll, nicht nur das Ereignis selbst als präzise Information anzusehen ist, sondern auch die mit der Verwirklichung des Ereignisses verknüpften Zwischenschritte sowie dass an die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Ereignisses keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (EuGH, Urt. v. 28.6.2012 – C-19/11, LSK 2012, 280381). Der BGH hob daraufhin auch den zweiten Musterentscheid auf und verwies die Sache an das OLG Stuttgart zurück, damit es die nach dem Urteil des EuGH weiter erforderlichen Tatsachenfeststellungen treffen könne (BGH, Beschl. v. 23.4.2013 – II ZB 7/06 (OLG Stuttgart), NZG 2013, 708). Das OLG Stuttgart hätte nach der Rückverweisung prüfen müssen, ob bereits das erste Gespräch zwischen JS und HK und die weiteren Zwischenschritte veröffentlichungspflichtige Informationen darstellten. Zu entsprechenden tatrichterlichen Feststellungen kam es jedoch nicht mehr, da sich die Parteien am 16.12.2016 außergerichtlich verglichen. 910) MAR Art. 17 (4). Das gilt ausdrücklich auch für einen zeitlich gestreckten Vorgang, der aus mehreren Schritten besteht und ein bestimmtes Ereignis herbeiführen soll (also für den Schrempp-Fall). S. näher zu den Kriterien: ESMA-VÖ-MAR-Aufschub sowie VeilKapitalmarktrecht-Veil, § 19 Rn. 50 – 72. 911) S. hierzu und zum nachfolgenden Kriterium Beispiele in: BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden, Modul C Kapitel 1.3.3. 912) Gem. MAR Art. 17 (5) dürfen Kreditinstitute oder Finanzinstitute (s. zum Begriff des Finanzinstituts oben Rn. 6) die Offenlegung von Insiderinformationen zudem aufschieben, sofern (i) die Offenlegung der Information das Risiko birgt, dass die finanzielle Stabilität des Emittenten und des Finanzsystems untergraben wird, (ii) der Aufschub der Veröffentlichung im öffentlichen Interesse liegt, (iii) die Geheimhaltung der Informationen gewährleistet werden kann, und (iv) die zuständige Behörde dem Aufschub zustimmt. S. zur Auslegung dieser Tatbestandsmerkmale BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden, Modul C Kapitel 1.3.3 sowie BaFin-VÖ-Ad-hoc.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

c) Directors Dealing 235 Führungskräfte913) (sowie ihnen nahestehende Personen914)) eines Emittenten von an einem MiFID-Handelsplatz zugelassenen oder gehandelten Finanzinstrumenten müssen jedes eigene Geschäft mit Anteilen oder Schuldtiteln dieses Emittenten oder damit verbundenen Finanzinstrumenten (sog. Directors Dealing) innerhalb von drei Geschäftstagen an die zuständige Behörde sowie an den Emittenten melden, der diese Meldung zu veröffentlichen hat.915) d) Stimmrechtepublizität 236 Personen, die stimmrechtsberechtigte, an einem geregelten Markt zugelassene916) Aktien erwerben oder veräußern, müssen, wenn dadurch die Stimmrechtsschwelle von 3,917) 5, 10, 15, 20, 25, 30, 50 oder 75 % berührt wird, dem Emittenten und der zuständigen Behörde ihres Herkunftsmitgliedstaats918) innerhalb von vier Handelstagen eine entsprechende Mitteilung machen.919) Der Emittent muss diese Mitteilung innerhalb von drei Handelstagen veröffentlichen.920) Entscheidend für die Meldepflicht ist nicht die formale Aktionärsstellung, sondern der Umstand, dass eine Person Einfluss auf den Entscheidungsprozess des Emittenten nehmen kann.921) Deshalb gibt es eine Reihe von Regelungen über Personen, denen die Stimmrechte trotz fehlender Aktionärsstellung zugerechnet werden (und die deshalb zusätzlich zum Aktionär einer Mitteilungspflicht unterliegen)922) sowie über Situationen, in denen der Aktionär von der Mitteilungspflicht befreit ist. ___________ 913) Nach Ansicht der BaFin verbietet sich eine pauschale Bestimmung eines Personenkreises. Führungskräfte seien vielmehr alle Personen, die befugt sind, unternehmerische Entscheidungen für den Emittenten zu treffen und regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen haben (s. BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden, Modul C Kapitel 2.1.2 mit Nennung von Beispielen). 914) H/M/S-Kapitalmarktinformation-Pfüller, § 22 Rn. 42. 915) MAR Art. 19. Näher zum Schutzzweck dieser Vorschrift: M/V/R-MarktmissbrauchStegmaier, § 19 Rn. 6 – 8. Zur Durchführung der Meldungen: BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden, Modul C Kapitel 2. Deutsche Unternehmen müssen die Veröffentlichung an das Unternehmensregister zur Speicherung weiterleiten. 916) TD Art. 1 (1); WpHG § 33 (4). 917) WpHG § 33 (1) und (2). Die TD sieht die 3 %-Schwelle nicht vor. 918) S. zum Begriff oben Rn. 51–53. 919) TD Art. 9 und 12 (1); WpHG § 33. Aus deutscher Perspektive beziehen sich die Mitteilungspflichten auf Stimmrechte an Emittenten, für die Deutschland nach WpHG § 2 (13) der Herkunftsstaat ist (zum Begriff s. oben Rn. 51–53). S. zu Inhalt, Art, Form, Sprache und Fristberechnung der Meldung: BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden, Modul B Kapitel 1.2.2. 920) TD Art. 12 (6). Deutsche Unternehmen müssen die Veröffentlichung an das Unternehmensregister zur Speicherung weiterleiten. 921) TD EG (20). 922) Infolge der Zurechnungsregelungen kann es dazu kommen, dass ein und derselbe Vorgang von mehreren Personen gemeldet werden muss. Allerdings ist ein Tochterunternehmen von den Mitteilungspflichten befreit, wenn die Mitteilung von seinem Mutterunternehmen abgegeben wird oder, falls das Mutterunternehmen selbst ein Tochterunternehmen ist, durch dessen Mutterunternehmen, sog. Konzernmeldungen (WpHG § 37).

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V. Regulierung des Kapitalmarkthandels und seiner Handelsplätze

Zu den Nicht-Aktionären, die der Mitteilungspflicht unterliegen (sog. Zu- 237 rechnung von Stimmrechten923)), zählen Personen, die den Aktionär (oder einen stimmrechtsberechtigten Nicht-Aktionär) direkt oder indirekt kontrollieren (also vor allem, wenn der Aktionär ein Tochterunternehmen dieser Person ist924)), mit ihm durch Stimmrechtsvereinbarungen verbunden sind oder für ihn Stimmrechte ausüben ebenso wie Inhaber von Nießbrauch- und anderen Sicherheitsrechten an den Aktien oder Inhaber von Rechten, die den Erwerb der Stimmrechte ermöglichen (z. B. Optionen).925) Mehrere Arten von Mitteilungspflichten sind zusammenzurechnen.926) Jeder einzelne Meldetatbestand löst eine Offenlegungspflicht für sämtliche Positionen aus.927) Zu den Aktionären, die der Mitteilungspflicht nicht unterliegen, zählen Ver- 238 wahrstellen, die Stimmrechte nur aufgrund von Weisungen ausüben, Market Maker,928) WpDU, die einen Anteil von unter 5 % im Handelsbuch halten oder Erwerber von Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen oder Kursstabilisierungsmaßnahmen, die die Stimmrechte nicht ausüben.929) e) Öffentliche Übernahmeangebote Die Takeover Directive (ToD) setzt einen EU-weiten rechtlichen Rahmen für 239 Angebote bzgl. des Erwerbs stimmrechtsgebender, an einem geregelten Markt zugelassener Geschäftsanteile (ToD-Wertpapiere) an einer dem Recht eines EU Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft (Zielgesellschaft). Der ToDRahmen wird in Deutschland durch das WpÜG ausgefüllt, konkretisiert und erweitert. Das Ziel der Gesetze ist ein transparentes, die Interessen der übrigen Gesellschafter und der Zielgesellschaft angemessen beachtendes zügiges Angebotsverfahren. Zu beachten sind deshalb folgende Grundsätze: Inhaber von ToD-Wertpapieren einer Zielgesellschaft (Aktionäre), die der gleichen Gattung angehören, sind von der das Angebot abgebenden Person (Bieter) gleich zu ___________ 923) Dazu ausführlich: Veil-Kapitalmarktrecht-Veil, § 20 Rn. 38 – 72. 924) Von der Tochter-Zurechnungsregelung gibt es wiederum Ausnahmeregelungen, insbesondere wenn es sich bei dem Aktionär um ein von der Mutter unabhängig agierendes WpDU oder um eine KVG handelt (WpHG § 35). 925) TD Art. 10 a) – d), 13; WpHG §§ 34 (1) – (2), 38. S. BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden, Modul B Kapitel 1.2.5 mit Nennung von Beispielen für Zurechnungstatbestände. 926) TD Art. 13a; WpHG § 39. 927) BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden, Modul B Kapitel 1.2.1. 928) Gem. SSR Art. 2 (1) k) umfasst die Market-Making-Tätigkeit die Tätigkeiten von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten, die Mitglied eines Handelsplatzes (oder eines für gleichwertig erklärten Drittlandmarkts) sind, wenn sie hinsichtlich eines Finanzinstruments als Eigenhändler auftreten und dabei folgende Funktionen wahrnehmen: (i) Stellen fester, zeitgleicher An- und Verkaufskurse vergleichbarer Höhe zu wettbewerbsfähigen Preisen, so dass der Markt regelmäßig und kontinuierlich mit Liquidität versorgt ist, und/ oder (ii) Ausführung von Kundenaufträgen im Rahmen ihrer normalen Tätigkeiten und/ oder (iii) Absicherung der Positionen, die sich aus den vorstehend genannten Tätigkeiten ergeben. 929) TD Art. 9 (4) – (6a); WpHG § 36. S. BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden, Modul B Kapitel 1.2.6 mit Nennung von Beispielen für Nichtberücksichtigungstatbestände.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

behandeln. Ihnen müssen ausreichend Zeit und Informationen zur Verfügung stehen, um über das Angebot entscheiden zu können. Der Vorstand der Zielgesellschaft muss im Interesse der Zielgesellschaft handeln, die Aktionäre bzgl. des Angebots beraten und sie in die Lage versetzen, das Angebot selbst zu beurteilen. Marktverzerrungen durch künstliche Beeinflussung der Wertpapierkurse im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten sind zu vermeiden, und das Übernahmeverfahren soll zügig abgewickelt werden. Der Bieter muss sicherstellen, dass er die ausgelobten (Geld-)Leistungen auch erbringen kann.930) 240 ToD unterscheidet zwischen freiwilligen und Pflicht-Angeboten,931) das WpÜG932) differenziert bei den freiwilligen Angeboten weiter zwischen Erwerbs- und Übernahmeangeboten: x

Erwerbsangebot:933) Der Bieter beabsichtigt ToD-Wertpapiere zu erwerben, ohne die Kontrolle über die Zielgesellschaft zu erlangen, oder er hat bereits die Kontrolle und plant, seine Beteiligung erhöhen.934)

x

Übernahmeangebot:935) Der Bieter beabsichtigt ToD-Wertpapiere zu erwerben, um die Kontrolle über die Zielgesellschaft zu erlangen.

x

Pflichtangebot:936) Der Bieter erwirbt erstmals (d. h. in anderer Weise als durch ein freiwilliges Angebot) die Kontrolle937) über eine Zielgesellschaft.938)

241 Der Regulierungsgrad ist beim Erwerbsangebot am geringsten (keine gesetzlichen Mindestpreise, Teilangebote möglich) und nimmt beim Übernahmebzw. Pflichtangebot zu (allen Aktionären muss eine angemessene Gegenleis___________ 930) 931) 932) 933) 934)

935) 936) 937)

938)

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ToD Art. 3 (1); WpÜG § 3. Näher: B/E/E-WpÜG-Beurskens/Oechsler, § 3. ToD Art. 2 (1) a). S. zu dessen Geschichte: Veil-Kapitalmarktrecht-Veil, § 37 Rn. 1 – 5. WpÜG §§ 10 ff. Beim Delisting-Erwerbsangebot (als einem Spezialfall des Erwerbsangebots) wird der Widerruf der Zulassung der ToD-Wertpapiere vom geregelten Markt angestrebt. In diesem Fall hat der Bieter ein Angebot entsprechend den Vorgaben von BörsG § 39 zu einer angemessenen Geldleistung in EUR abzugeben. Auch diese Angebote werden von der BaFin überwacht (https://www.bafin.de/DE/DieBaFin/AufgabenGeschichte/Wertpapieraufsicht/wertpapieraufsicht_node.html). WpÜG §§ 29 ff. ToD Art. 5 (1); WpÜG §§ 35 ff. Der prozentuale Anteil der Stimmrechte, der eine Kontrolle begründet, und die Art seiner Berechnung bestimmt sich nach den Vorschriften des EU Mitgliedstaats, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat (ToD Art. 5 (3)). In Deutschland sind dies 30 % (WpÜG § 29 (2) – s. zur Angemessenheit dieser Schwelle auch im internationalen Kontext: A/G/SWpÜG-Süßmann, § 29 Rn. 17). Bei der Berechnung des Erreichens der Kontrollschwelle werden dem Bieter die Stimmrechte von Tochterunternehmen zugerechnet sowie diejenigen solcher Aktionäre, auf deren Stimmverhalten er aufgrund vertraglicher Regelungen Einfluss nehmen kann (vgl. ToD Art. 5; WpÜG § 30). Die Notwendigkeit eines Pflichtangebots besteht nicht mehr, wenn die Kontrolle durch ein freiwilliges Angebots erlangt worden ist (ToD Art. 5 (2)).

V. Regulierung des Kapitalmarkthandels und seiner Handelsplätze

tung angeboten werden939)). Jedes freiwillige und Pflicht-Angebot unterliegt einem Verfahren, das mit der Entscheidung des Bieters, ein Angebot abzugeben bzw. mit dem Erreichen der Kontrollschwelle beginnt und mit Ablauf der Angebotsfrist endet und sich in folgende Schritte gliedert:940) x

Der Bieter informiert die BaFin, die betroffenen geregelten Märkte und die Öffentlichkeit über die Entscheidung zur Angebotsabgabe.

x

Innerhalb von vier Wochen muss der Bieter eine sog. Angebotsunterlage erstellen, die Angaben enthält über wesentliche Angebotselemente (vor allem Art und Höhe der Gegenleistung941)), die Finanzierung des Angebots und seine eigene finanzielle Solidität sowie seine künftigen Absichten bzgl. der Zielgesellschaft. Bei Übernahme- und Pflichtangeboten sollen die Aktionäre der Zielgesellschaft auf der Grundlage dieser Angebotsunterlage entscheiden können, ob sie das Angebot annehmen oder ablehnen. Die BaFin prüft die Angebotsunterlage auf Gesetzeskonformität und Kohärenz und billigt bzw. untersagt das Angebot, wenn die Unterlage Fehler enthält (die der Bieter nicht abstellt).

Der Bieter veröffentlicht die gebilligte Angebotsunterlage.942) Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft müssen, der Betriebsrat kann zu dem Angebot Stellung nehmen. Mit Veröffentlichung der Angebotsunterlage beginnt die Angebotsfrist (mindestens vier und höchstens zehn Wochen) zu laufen, innerhalb derer die Aktionäre der Zielgesellschaft das Angebot annehmen können. Gehören dem Bieter nach einem Übernahme- bzw. Pflichtangebot mindestens 95 % der Stimmrechte, so können die Aktionäre auch noch innerhalb von drei weiteren Monaten das Angebot annehmen (Andienungsrecht).943) Während der Angebotsfrist muss der Bieter regelmäßig den Stand des Verfahrens und nach deren Ablauf das Ergebnis veröffentlichen. ___________ x

939) ToD Art. 5 (4) und (5); WpÜG § 31. Bei der Bestimmung des angemessenen Preises sind Vorwerbe und (durchschnittliche) Börsenkurse zu berücksichtigen (Einzelheiten in WpÜG-AngebotsVO §§ 3 – 7) Erwirbt der Bieter nach Bekanntmachung des Pflichtangebots und vor Ablauf der Annahmefrist Wertpapiere zu einem höheren als dem Angebotspreis, so muss er sein Angebot mindestens auf den höchsten gezahlten Preis erhöhen. Die angebotene Gegenleistung kann aus Wertpapieren, Geld oder einer Kombination aus Beidem bestehen. Werden Wertpapiere angeboten, die nicht zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, so muss wahlweise eine Geldleistung angeboten werden. 940) WpÜG §§ 10 ff., 34, 35. Ausführlich: H/M/S-Kapitalmarktinformation-Riehmer/Binder, §§ 14 – 17. 941) Besteht die Gegenleistung in (übertragbaren) Wertpapieren (des Bieters oder eines Dritten), muss die Angebotsunterlage auch Angaben zu diesen Wertpapieren und ihrem Emittenten enthalten, deren Inhalt und Struktur den Vorgaben von ProspR Art. 13 – 15 i. V. m. DelVO 2019/980/EU entsprechen müssen (WpÜG § 11 i. V. m. WpÜGAngebotsVO § 2). Zudem kann das Angebot, diese Wertpapiere gegen die Wertpapiere der Zielgesellschaft einzutauschen, ein öffentliches Angebot iSv ProspR Art. 2 d) darstellen und eine Prospektpflicht auslösen. Zu möglichen Ausnahmen s. u. Rn. 252. 942) Eine von einem anderen EU Mitgliedstaat gebilligte Unterlage wird anerkannt, profitiert also vom EU Pass (WpÜG § 11a). 943) WpÜG § 39c.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung 242 Je nach Art des Finanzinstruments gelten besondere aufsichtsrechtliche Regelungen, die in diesem Kapitel dargestellt werden sollen. 1. Wertpapiere 243 Die Emission von Wertpapieren ist grds. erlaubnisfrei:944) Jeder, der will, darf Anleihen oder Aktien emittieren. Allerdings gilt dieser Grundsatz nicht für alle Arten von Wertpapieren, z. B. nicht für Investmentfondsanteile oder für Pfandbriefe, deren Emission in Deutschland eine entsprechende Erlaubnis der BaFin erfordert.945) Andere Wertpapiere können zwar ohne Erlaubnis emittiert werden, unterliegen aber anderweitiger spezifischer Regulierung, z. B. Asset Backed Securities (ABS).946) Für grds. alle (dem aufsichtsrechtlichen Wertpapierbegriff unterfallende) Wertpapiere gelten hingegen die Regelungen des Wertpapierprospektrechts. a) Aufsichtsrechtlicher Wertpapierbegriff 244 Die MiFID und mit ihr viele weitere Kapitalmarktgesetze finden Anwendung auf übertragbare Wertpapiere, d. h. „…Kategorien von Wertpapieren, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können…, wie…a) Aktien;…b) Schuldverschreibungen;…c) alle sonstigen Wertpapiere, die zum Kauf oder Verkauf solcher Wertpapiere berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, die anhand von übertragbaren Wertpapieren, Währungen, Zinssätzen oder -erträgen, Waren oder anderen Indizes oder Messgrößen bestimmt wird…“947) Entscheidend sind danach drei Kriterien, die erfüllt sein müssen, um ein Instrument als übertragbares Wertpapier im aufsichtsrechtlichen Sinne einstufen zu können.948) Das Instrument muss x

einer Kategorie zuordbar (also standardisiert) sein,

x

auf dem Kapitalmarkt handelbar sein, und

x

mit Aktien oder Anleihen (einschließlich Anleihen mit derivativer Struktur949)) vergleichbar sein.950)

___________ 944) S. oben Rn. 97. 945) S. o. Rn. 51. Auch bei Token kann an der Erlaubnisfreiheit der Emission gezweifelt werden (dafür aber: Kleinert/Mayer, EuZW 2019, 857, 861). 946) S. unten Rn. 389. 947) MiFID Art. 4 (1) Nr. 44. ProspR Art. 2 a) nutzt den Wertpapierbegriff der MiFID, allerdings ohne den Zusatz übertragbar. Trotzdem ist von einem identischen Wertpapierbegriff in MiFID und Prospektrecht auszugehen (so auch: Holzborn-WpPG-Foelsch, § 2 Rn. 3; FraKo-WpPG-Schnorbus, § 2 Rn. 1; A/S/K-WpPG-von Kopp-Colomb/J. Schneider, § 2 Rn. 8; BaFin-VÖ-Token, S. 7, BaFin-VÖ-Prospektpflicht Nr. I). 948) Näher: Veil-Kapitalmarktrecht-Veil, § 8 Rn. 4 – 10. 949) Vgl. MiFID EG (8): „Es ist zweckmäßig, in die Liste der Finanzinstrumente Waren- und sonstige Derivate aufzunehmen, die so konzipiert sind und gehandelt werden, dass sie unter aufsichtsrechtlichen Aspekten traditionellen Finanzinstrumenten vergleichbar sind.“ 950) K/P/R, ZBB 2018, 89, 100; Spindler, WM 2018, 2109, 2112. Ähnlich: BaFin-VÖ-Prospektpflicht Nr. I und BaFin-VÖ-Finanzinstrumente Nr. 2a.

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

So eindeutig diese Kriterien auf den ersten Blick scheinen mögen, so trügerisch 245 ist die so gewonnene Sicherheit jedoch. Denn eigentlich bleibt fast alles im Unklaren. Weder ist ersichtlich, wann ein Instrument standardisiert951) ist, noch sind die Begriffe Kapitalmarkt und Handelbarkeit irgendwo gesetzlich definiert;952) und die beispielhafte Nennung von Aktien, Anleihen und sonstigen (derivativen) Wertpapieren lädt eher zu einem Zirkelschluss ein, denn häufig geht es bei Qualfikationsschwierigkeiten gerade um die Frage, ob ein Instrument z. B. eine Anleihe ist oder nicht.953) Als EU-RiLi bedarf MiFID – und damit der Begriff des Wertpapiers – ohnehin 246 der Umsetzung und näheren Bestimmung durch das nationale Recht. Weitgehende Einigkeit besteht in Deutschland darin, dass sich der aufsichtsrechtliche und der zivilrechtliche Begriff des Wertpapiers unterscheiden.954) Dieser Unterschied resultiert vor allem daraus, dass das deutsche Zivilrecht – zumindest bis zur Einführung des elektronischen Wertpapiers im Jahr 2021955) – eine urkundliche Verbriefung voraussetzte und das (europarechtlich determinierte)

___________ 951) Nach Ansicht der BaFin (BaFin-VÖ-Finanzinstrumente Nr. 2 a) bb)) ist unter Standardisierung eine Austauschbarkeit i. S. v. Vertretbarkeit zu verstehen. Dabei sei ein geringer Grad an Standardisierung ausreichend: Bei einer Mehrzahl untereinander austauschbarer, im Hinblick auf die Essentialia (d. h. Emittent, Laufzeit, Art und Umfang des Mitgliedschaftsrechts oder der versprochenen Leistung) übereinstimmender Anlageinstrumente liege Standardisierung vor. Anders sei es, wenn etwa eine Schuldverschreibung so auf die Anlagewünsche eines einzelnen Investors zugeschnitten wird, dass es sich nicht mehr mit weiteren von dem Emittenten ausgegebenen Anlageinstrumenten zu einer Gattung i. S. v. BGB § 243 zusammenfassen lässt. 952) Die BaFin (BaFin-VÖ-Finanzinstrumenten Nr. 2 a) cc)) ist der Ansicht, dass Handelbarkeit durch Übertragbarkeit und Standardisierung indiziert ist. Entscheidend sei die Standardisierung, das Wertpapier dürfe keine unterschiedlichen Rechte vermitteln und müsse im Geschäftsverkehr nach Art und Zahl der Stücke bestimmt werden können. Die Verwahrfähigkeit der Wertpapiere sei keine Voraussetzung. Die Möglichkeit des Handels reiche aus, ein tatsächlicher Handel sei nicht erforderlich (vgl. BaFin-VÖ-Prospektpflicht Nr. I). 953) Es ist beinah so, als wenn jeder wüsste, was mit Wertpapier gemeint ist (nämlich Aktien, Schuldverschreibungen und vergleichbare Wertpapiere), aber niemand so ganz genau sagen kann, was Wertpapiere sind. Man kann aus der Not aber auch eine Tugend machen und festhalten: „Der Versuch, einen kapitalmarktorientierten Idealtyp des Wertpapiers zu entwickeln, erweist sich deshalb als nicht weiterführend“ (MüKo-BGB-Habersack, Bd 7 vor § 793, Rn. 7). 954) B/H/C-WSRdZ, A Rn. 10. Die BaFin ist der Ansicht, dass „der aufsichtliche Schuldtitelbegriff enger ist als der zivilrechtliche. Im Zivilrecht sind Schuldtitel in § 793 BGB geregelt (Rechte aus der Schuldverschreibung auf den Inhaber). Danach kann jede Leistung i. S. d. § 241 Abs. 1 BGB tauglicher Gegenstand des Versprechens nach § 793 BGB sein. Nicht alle Instrumente, die Schuldtitel nach deutschem Zivilrecht darstellen, sind aber auch als Wertpapiere bzw. Finanzinstrumente im aufsichtsrechtlichen Sinn einzuordnen. Schuldtitel i. S. d. Aufsichtsrechts sind übertragbare und handelbare schuldrechtliche Ansprüche vermögensrechtlichen Inhalts“ (BaFin-VÖ-Token S. 8). 955) Zum zivilrechtlichen Wertpapierbegriff und seinem jüngst durch das eWPG herbeigeführten Wandel s. unten Rn. 373.

159

B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

Aufsichtsrecht nicht.956) Aber auch wenn man das Kriterium der Verbriefung beiseite lässt: Ein klares Verständnis davon, was ein Wertpapier ist, existiert im deutschen Aufsichtsrecht nicht957) (und im Zivilrecht auch nicht958)), was sich schon daran zeigt, dass WpHG und KWG mit unterschiedlichen Wertpapierbegrifflichkeiten hantieren.959) 247 Am ehesten gelingt der Zugang zu einem im deutschen Recht praktisch nutzbaren (aufsichtsrechtlichen) Wertpapierbegriff über das Kriterium der Handelbarkeit auf dem Kapitalmarkt960) – wobei zu dessen näherer Bestimmung auf zivilrechtliche Kriterien zurückzugreifen ist (wie sogleich zu zeigen ist). Unter Handelbarkeit auf dem Kapitalmarkt ist die Umlauffähigkeit (Übertragbarkeit) und die Fungibilität (Austauschfähigkeit) eines Instruments zu verstehen.961) An der Umlauffähigkeit mangelt es z. B. GmbH-Anteilen, die schlicht nicht zum Handel an der Börse zugelassen werden (und es wegen des Erfordernisses der notariellen Beurkundung ihrer Übertragung auch nicht könnten) oder solchen (Eigenkapital-)Instrumenten, deren Handel durch Bestimmungen in

___________ 956) BT-Drucks. 15/4999 S. 28 (zu § 2 der Prospekt-RiLi 2004), S/Z-KapitalmarktrechtKumpan, § 2 WpHG Rn. 6; BaFin-VÖ-Token S. 7. A. A.: LG Berlin (Urt. v. 27.5.2020 – 2 O 322/18, Rn. 85 – 88), BKR 2021, 170, das den prospektrechtlichen Wertpapierbegriff nach sachenrechtlichen Grundsätzen bestimmt. 957) S/Z-Kapitalmarktrecht-Preuße, § 2 WpPG Rn. 3; MüKo-BGB-Habersack, Bd 7, vor § 793, Rn. 1. 958) A/S/M-WpHG-Schneider, § 2 Rn. 10. Dazu s. näher unten in Rn. 373. 959) Während das WpHG den Begriff des Wertpapiers mit wenigen Änderungen aus der MiFID übernimmt (ihn allerdings auch erweitert um Vermögensanlagen), verzichtet das KWG in § 1 (11) seit 2013 weitgehend auf den Begriff des Wertpapiers (Ausnahme: Im Zusammenhang mit der Wertpapierverwahrung, KWG § 1 (1) Nr. 5). Das KWG verwendet (insofern deckungsgleich mit MiFID) den Begriff Finanzinstrumente als Oberbegriff und versteht darunter neben Derivaten, Investmentfondsanteilen, Geldmarktinstrumenten, Emissionszertifikaten (insofern wiederum deckungsgleich mit MiFID) auch Aktien (und vergleichbare Instrumente) und Schuldtitel (und vergleichbare Instrumente) sowie eine Reihe weiterer Instrumente, die MiFID nicht als Finanzinstrumente qualifiziert (Devisen oder Rechnungseinheiten, Kryptowerte). Im Hinblick auf die Qualifizierung von Vermögensanlagen, Devisen und Rechnungseinheiten als Finanzinstrumente sind KWG und WpHG deckungsgleich (und weichen beide von der MiFID ab), nicht hingegen im Hinblick auf Kryptowerte, die das WpHG nicht als Finanzinstrument qualifiziert. Den Verzicht auf den Wertpapierbegriff im KWG begründete der deutsche Gesetzgeber damit, dass dieser ohnehin nur als Zwischenstufe innerhalb von § 1 (11), nicht jedoch ansonsten im KWG Bedeutung gehabt habe (AIFM-UmsG-Gesetzesbegründung, S. 314). 960) Vgl. Holzborn-WpPG-Foelsch, § 2 Rn. 4; FraKo-WpPG-Schnorbus, § 2 Rn. 4; S/Z-Kapitalmarktrecht-Preuße, § 2 WpPG Rn. 5; Fuchs-WpHG-Fuchs, § 2 Rn. 10; A/S/M-WpHGSchneider, § 2 Rn. 6; Zickgraf, AG 2018, 293, 299. 961) FraKo-WpPG-Schnorbus, § 2 Rn. 4; Zickgraf, AG 2018, 293, 299. Vgl. auch MiFIDDelVO 2017/568/EU Art. 1 (1).

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

der Satzung des Emittenten unmöglich oder stark erschwert ist.962) Entscheidend für die Bestimmung des (aufsichtsrechtlichen) Wertpapierbegriffs ist (nach der hier vertretenen Ansicht) das Element der Fungibilität.963) Nur fungible (d. h. nach Anzahl oder Wert bestimmbare, ohne weiteres austauschbare) Kapitalmarktwertpapiere (Effekten) sind für die Börse (und andere MiFIDHandelsplätze) geeignet.964) Diese Fungibilität ergibt sich vor allem aus einem in der zivilrechtlichen Natur des Instruments selbst begründeten Charakteristikum, nämlich demjenigen der Abstraktheit. Wertpapiere sind abstrakt insofern, als der in ihnen verkörperte Anspruch unabhängig von einem Rechtsgrund (causa) gültig ist und Mängel außerhalb der unmittelbaren Rechtsbeziehung zwischen Verpflichteten und Berechtigten den in dem Wertpapier verkörperten Anspruch nicht beeinträchtigen. Explizit hat der deutsche (Zivilrechts-)Gesetzgeber dies für die Inhaberschuldverschreibung in §§ 793 ff. BGB angeordnet,965) dort aber auch bestimmt, dass das abstrakte Recht seinen Ausdruck in einer Urkunde finden muss.966) Unmittelbare Rechtsfolge der Abstraktheit ist, dass der Verpflichtete (Emit- 248 tent) dem Berechtigten (Gläubiger) nur solche Einwendungen entgegensetzen kann, die sich aus dem Entstehungsvorgang des Wertpapiers selbst ergeben oder aus der unmittelbaren Rechtsbeziehung zwischen den Parteien.967) Aus der Abstraktheit des verbrieften Anspruchs (bzw. der Sacheigenschaft des Wertpapiers968)) folgt weiter die – für die Fungibilität erforderliche – Möglichkeit des rechtssicheren, insbesondere des gutgläubigen und einredefreien Erwerbs (der allerdings nach h. M. bei unverbrieften Rechten nicht möglich ist969)). Der Erwerber eines Wertpapiers muss sich nämlich vom Emittenten nicht ___________ 962) Die BaFin (BaFin-VÖ-Finanzinstrumente Nr. 2 a) aa)) stellt allerdings sehr niedrige Anforderungen an die Übertragbarkeit: Eine freie Übertragbarkeit sei nicht Voraussetzung. Vielmehr könnten auch nicht frei handelbare Papiere, die nur erschwert übertragen werden können, weil z. B. die Übertragung an die Zustimmung des Emittenten oder eines Dritten geknüpft wird, tatbestandsmäßig sein. An anderer Stelle (BaFin-VÖ-Prospektpflicht Nr. I) heißt es: „Übertragbar sind Wertpapiere, wenn sie auf einen Erwerber übertragen werden können und dabei das Wertpapier in seinem rechtlichen Gehalt beziehungsweise seinem technischen Wesen nach unverändert bleibt. Es kommt dabei nicht auf die Art der Übertragung an.“ 963) S/Z-Kapitalmarktrecht-Preuße, § 2 WpPG Rn. 5, E/B-Bankrecht-Grundmann/Denga, § 92 Rn. 3; K/M/F/S-Schmidtbleicher, B+K-Recht, Rn. 15.26; B/Z-AGB-Banken-Zahrte, VIII. Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte Rn. 31. 964) Diese Austauschbarkeit ist ausgeschlossen bei fehlender Standardisierung im vorstehend erwähnten Sinne. 965) Grüneberg-BGB-Ellenberger, § 83 Rn. 21; Grüneberg-BGB-Grüneberg, vor § 311 Rn. 7. 966) Dies erklärt, warum es dem deutschen Zivilrecht so schwer fällt, vom Erfordernis des papiernen Wertpapiers – das es als Sache begreift (MüKo-BGB-Habersack, Bd. 7, vor § 793, Rn. 36) – abzulassen und dies erst kürzlich mit dem eWPG gelang, das sich des Kunstgriffs der juristischen Fiktion bedient und das in ein Register eingetragene Wertrecht als ein Wertpapier und damit als Sache ansieht (eWPG § 2 (3), s. unten Rn. 377 f.). 967) Vgl. BGB § 796. 968) MüKo-BGB-Habersack, Bd. 7, vor § 793, Rn. 35. 969) BGH NZG 2013, 903 Rn. 22; MüKo-BGB-Habersack, Bd. 7, vor § 793, Rn. 376; FraKoWpPG-Schnorbus, § 2 Rn. 5; Fuchs-WpHG-Fuchs, § 2 Rn. 18; K/M/F/S-Schmidtbleicher, B+K-Recht, Rn. 15.37 ff.; Kreße, WM 2015, 463, 466. A. A.: Zickgraf, AG 2018, 293, 299.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

entgegenhalten lassen, dieser könne die Zahlung wegen einer zwischen ihm, dem Emittenten, und dem Voreigentümer des Wertpapiers bestehenden Aufrechnungslage verweigern. Die Abstraktheit der Wertpapiere ist (aus deutschrechtlicher Sicht) Voraussetzung für deren Handel an der Börse, der ja häufig in Unkenntnis der Person von Verkäufer und Käufer und sehr kurzfristig erfolgt. Ohne dieses Element müsste ein gewissenhafter Käufer eines Wertpapiers Erkundigungen über die zwischen dem Emittenten und allen Voreigentümern bestehenden Rechtsverhältnissen einholen (also Due Diligence betreiben), um gegen etwaige Einwendungen des Emittenten gewappnet zu sein. Aufgrund der Abstraktheit des Wertpapiers kann der Berechtigte in aller Regel darauf vertrauen, dass der im Wertpapier verkörperte Anspruch auch erfüllt wird (außer im Falle der Insolvenz des Emittenten). b) Wertpapierprospektrecht aa) Der Prospekt 249 Das öffentliche Angebot von Wertpapieren und ihre Börsenzulassung970) erfordern die vorherige Veröffentlichung eines Prospekts.971) Ein Wertpapierprospekt wiederum darf nur veröffentlicht werden, wenn er zuvor durch die zuständige Behörde gebilligt wurde.972) Geregelt ist dies seit 2017973) in der ProspR. Die ProspR gilt (nur) für MiFID-Wertpapiere – d. h. Aktien und Anleihen (und vergleichbare Wertpapiere), die in der ProspR als Dividenden- und Nichtdividendenwerte bezeichnet werden974) – und (nur) für deren öffentliches Angebot bzw. Börsennotierung. Sie regelt allerdings nicht sämtliche prospektrechtlichen Fragen (insbesondere nicht die Prospekthaftung). Neben der ProspR gilt deshalb sowohl auf europäischer975) als auch auf nationalstaatlicher976) Ebene ergänzendes Prospektrecht. ___________ 970) Die Zulassung eines Wertpapiers zum Handel an einer Börse (in MiFID-Terminologie: geregelter Markt – s. o. Rn. 122) erfordert darüber hinaus die Erfüllung einiger weiterer (formaler) Voraussetzungen – s. dazu H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Trapp, § 37. Ebenfalls reguliert ist das Delisting, der Rückzug von der Börse (s. dazu H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Habersack, § 40; Veil-Kapitalmarktrecht-Veil, § 7 Rn. 45 – 52). 971) ProspR Art. 3 (1) und (3). 972) ProspR Art. 20 (1). 973) Zuvor galten RiLi 2003/71/EG (Prospekt-RiLi) und die VO (EG) Nr. 809/2004, die beide mehrfach reformiert wurden, vor allem im Jahr 2010. Davor galt ausschließlich nationalstaatliches Prospektrecht. 974) ProspR Art. 1 (1) und 2 a) – c). 975) EU Gesetze dieser Art sind vor allem UCITS- und AIFM-RiLi, die prospektrechtliche Regelungen für Investmentfondsanteile enthalten und die PRIIPs-Verordnung, die für Anleihen mit derivativer Struktur ein (prospektähnliches) PRIIPsR-Basisinformationsblatt vorsieht. Anteile an Investmentfonds des offenen Typs sind zwar i. d. R. auch Wertpapiere; sie sind aber vom Anwendungsbereich der ProspR ausdrücklich ausgenommen (ProspR Art. 1 (2) a)) und haben ihr eigenes Prospektrecht (s. dazu unten Rn. 324). 976) Originär deutschrechtliche Regelungen dieser Art finden sich in WpHG § 64 (2) (Informationsblätter für alle Arten von Finanzinstrumenten im Falle der Erbringung von Anlageberatung), in VermAnlG § 13 (Prospektpflicht für das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen) und in WpPG §§ 9 (1), 10 (Wertpapierprospekthaftung).

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

Ein Prospekt muss alle Informationen enthalten, die der Anleger für eine fun- 250 dierte Anlageentscheidung benötigt977) – in leicht zu analysierender, knapper und verständlicher Form.978) Er besteht aus zwei Hauptteilen: Der Emittentenbeschreibung (auch Registrierungsformular genannt) und der Wertpapierbeschreibung.979) Alle Prospektteile können in einem Dokument zusammengefasst sein (das als solches von der Behörde gebilligt wird), oder der Prospekt kann aus mehreren Einzeldokumente bestehen,980) die u. U. von unterschiedlichen Behörden gebilligt sein können981) bzw. in bestimmten Fällen gar keiner Billigung, sondern nur einer Hinterlegung bedürfen.982) bb) Wann ist ein Prospekt erforderlich? Die Veröffentlichung eines (gebilligten) Prospekts ist erforderlich,983) wenn 251 Wertpapiere öffentlich angeboten oder zum Handel an geregelten Märkten zugelassen werden sollen.984) Ein öffentliches Angebot von Wertpapieren ist die Übermittlung von Informationen über Angebotsbedingungen und Wertpapiere an die Öffentlichkeit, die einen Anleger in die Lage versetzen, sich für die Zeichnung jener Wertpapiere zu entscheiden.985) Diese Definition gilt auch für die Platzierung oder Weiterveräußerung von Wertpapieren durch Finanzintermediäre.986) Sie sollen den ursprünglichen vom Emittenten veröffentlichten Prospekt nutzen dürfen, wenn der Emittent zustimmt.987) Da die Prospektpflicht durch die jeweilige nationale Aufsichtsbehörde eines EU Mitgliedstaats zu beurteilen ist, muss aus Sicht dieser Behörde ein öffentliches Angebot im Inland – aus Sicht der BaFin also in Deutschland – vorliegen. Die BaFin ___________ 977) ProspR EG (7) und (26). 978) ProspR Art. 6 (2); ProspR-DelVO 2019/980/EU Art. 37. S. näher zur Bedeutung dieser Kriterien: BaFin-VÖ-Verständlichkeit. 979) ProspR Art. 6 (3) a. E. 980) ProspR Art. 6 (3). 981) ProspR Art. 10 (1). 982) S. zu den Besonderheiten des sog. einheitlichen Registrierungsformulars unten Rn. 259. 983) Ein Prospekt kann auch freiwillig erstellt werden und wird nach seiner Billigung behandelt wie ein Pflichtprospekt (ProspR Art. 4). 984) ProspR Art. 3 (1) und (3). S. näher zum Begriff des geregelten Markts oben Rn. 122. 985) ProspR Art. 2 d). Ein Angebot liegt erst vor, wenn es dem Anleger möglich ist, durch bloße Zustimmung die Wertpapiere zu zeichnen. Zumindest Kaufgegenstand, Preis bzw. Preisrahmen, Lieferzeitpunkt und Währung müssen dargestellt sein (BaFin-VÖ-Prospektpflicht Nr. II-1). Die bloße Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem MTF oder die Veröffentlichung von Geld- und Briefkursen ist nicht per se als Angebot von Wertpapieren zu betrachten (ProspR EG (14)). Dem Begriff der Öffentlichkeit kommt nach Ansicht der BaFin keine besondere Bedeutung zu, da auch Angebote, die sich nur an einen ausgewählten Personenkreis, wie Mitarbeiter, Altaktionäre, bestimmte Berufsgruppen etc. richten, grds. als öffentlich anzusehen; allerdings kann bei solchen Angeboten eine Prospektausnahme eingreifen (BaFin-VÖ-Prospektpflicht Nr. II-3). 986) BaFin-VÖ-Prospektpflicht Nr. II. 987) ProspR Art. 5. Allerdings sind dann weitere Angaben gem. Art. 23 und Anhang 22 zu ProspR-DelVO 2019/980/EU in den Prospekt aufzunehmen (vgl. ProspR-DelVO 2019/980/EU Art. 23).

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

bejaht den Inlandsbezug, wenn in Deutschland ansässige Anleger angesprochen werden sollen und nimmt an, dass dem so ist, wenn das Angebot vom Inland aus zugänglich ist (was z. B. auch bei unbeschränkt zugänglichen öffentlichen Angeboten im Internet der Fall ist).988) 252 Von der Prospektpflicht gibt es zahlreiche Ausnahmen,989) wobei das Gesetz z. T. zwischen den Ausnahmen für das öffentliche Angebot und für die Zulassung zum geregelten Markt differenziert. Keines Prospekts bedürfen z. B. (öffentliche) Angebote, die sich nur an qualifizierte Anleger990) richten oder an einen eingeschränkten Kreis von Anlegern (unter 150 Personen) oder sich auf einen Mindestbetrag von EUR 100.000 pro Anleger belaufen oder im Zusammenhang mit bestimmten Schwarmfinanzierungen.991) Prospektfrei kann z. B. die Zulassung zum geregelten Markt von Wertpapieren erfolgen, die aus einer Aufstockung einer bereits zugelassenen Emission um weniger als 20 % resultieren oder aus einer Umwandlung bereits zugelassener Wertpapiere oder wenn die Wertpapiere bereits an einem anderen geregelten Markt zugelassen sind.992) In anderen Fällen laufen die Prospektausnahmen für öffentliche Angebote und Börsenzulassung parallel (d. h. sowohl das eine als auch das andere kann prospektfrei erfolgen). So etwa im Falle sog. Daueremissionen993) oder der Emission gattungsgleicher Aktien (ohne Kapitalerhöhung)994) oder schließlich dann, wenn Wertpapiere anlässlich einer Übernahme im Wege eines Tauschangebots, anlässlich einer Verschmelzung oder Spaltung, als Dividende oder ___________ 988) BaFin-VÖ-Token, S. 9 und BaFin-VÖ-Prospektpflicht Nr. II-4. Näher zur Problematik, wenn Emittenten aus Drittländern Wertpapiere über das Internet anbieten und der Zugang zu der Website für Investoren aus der EU nicht gesperrt ist: Spindler, WM 2018, 2109, 2115. 989) Ganz vom Anwendungsbereich der ProspR ausgenommen sind UCITS, staatlich (garantierte) Wertpapiere und Kleinst-Emissionen unter EUR 1 Mio. (s. ProspR Art. 1 (2) und (3)). Darüber hinaus gestattet ProspR Art. 3 (2) den EU Mitgliedstaaten, ein öffentliches Angebot von der Prospektpflicht auszunehmen, sofern a) das Angebot nicht der Notifizierung gem. Art. 25 unterliegt und b) der Gesamtgegenwert des Angebots in der EU über einen Zeitraum von 12 Monaten EUR 8 Mio. nicht überschreitet. Deutschland hat davon Gebrauch gemacht (WPPG § 3), allerdings unter der Voraussetzung, dass die angebotenen Wertpapiere ausschließlich über ein WpDU vermittelt werden, das rechtlich verpflichtet ist, zu prüfen, ob der Gesamtbetrag der Wertpapiere, die von einem Privatanleger erworben werden können, bestimmte Höchstbeträge nicht übersteigt (WPPG § 6). In allen Fällen, in denen Emissionen zwischen EUR 100.000 und 8 Mio. in Deutschland erfolgen und der Emittent dafür eine Ausnahme von der Prospektpflicht in Anspruch nimmt, ist er verpflichtet, ein maximal 3-seitiges Wertpapier-Informationsblatt gem. § 4 WpPG von der BaFin gestatten zu lassen und zu veröffentlichen. Das Wertpapier-Informationsblatt muss die wesentlichen Informationen über die Wertpapiere, den Anbieter, den Emittenten und etwaige Garantiegeber in übersichtlicher und leicht verständlicher Weise in einer festgelegten Reihenfolge enthalten. 990) Qualifizierte Anleger sind professionelle Kunden oder geeignete Gegenparteien nach MiFID (ProspR Art. 2 e)). 991) ProspR Art. 1 (4) a) – c) und k). 992) ProspR Art. 1 (5) a) – c). 993) ProspR Art. 1 (4) j) und l) und Art. 1 (5) i) und k). 994) ProspR Art. 1 (4) e) und Art. 1 (5) d).

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

Mitarbeitervergütung ausgegeben werden.995) Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts können kombiniert werden, wenn die Voraussetzungen für jene Ausnahmen gleichzeitig erfüllt sind.996) cc) Inhalt und Form des Prospekts Der Anleger braucht für eine fundierte Anlageentscheidung Informationen 253 über die Finanzlage des Emittenten, die mit den Wertpapieren verbundenen Rechte und die Gründe der Emission. Diese Informationen muss ein Prospekt enthalten,997) allerdings nicht unreflektiert nach einem immer gleich anwendbaren Muster, sondern differenziert nach Art des Emittenten, des Wertpapiers und des Angebots.998) (1) Der Baukasten der ProspR Die ProspR stellt mittels einer Art Baukastenprinzip – nach Art des Emittenten, 254 des Wertpapiers und des Angebots differenzierende – Prospektschemata zur Verfügung, aus denen sich, wenn miteinander kombiniert, die für jede Emission von Wertpapieren erforderlichen spezifischen Informationen ergeben.999) Einen Überblick darüber, welche Informationen nach Ansicht des Gesetzgebers in jedem Prospekt enthalten sein sollten, gibt Anhang I zur ProspR, der in den Anhängen II (für Registrierungsformulare) und III (für Wertpapierbeschreibungen) weiter ausdifferenziert wird. Über die in der ProspR-DelVO 2019/ 980/EU enthaltenen 29 Anhänge (nachfolgend ProspR-DelVO-Anhänge genannt) erhalten die Prospektschemata einen sehr hohen Detaillierungsgrad,

___________ 995) ProspR Art. 1 (4) f) – i) und Art. 1 (5) e) – h). Im Falle von Tauschangeboten und Verschmelzungen gilt die Prospektausnahme seit der 2021 eingefügten Erweiterung von ProspR Art. 1 um die Absätze (6a) und (6b) nur dann, wenn die angebotenen Dividendenwerte bereits vor der Übernahme und der Transaktion zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen waren. Dies ist einschränkend dahingehend auszulegen, dass nicht notwendigerweise die angebotenen, wohl aber irgendwelche Dividendenwerte des Bieters (bzw. des übernehmenden Rechtsträgers) auf Basis eines Prospekts zum geregelten Markt zugelassen sein müssen. Dies folgt (worauf Groß-KapMarktR, ProspVO Art. 1 Rn. 65 zutreffenderweise hinweist) aus der Begründung dieser Erweiterung der ProspR in EG (13) der VO 2019/2115/EU, wonach verhindert werden soll, dass nicht-börsennotierte Bieter (bzw. übernehmende Rechtsträger) auf diese Weise unter bestimmten Umständen die erstmalige Zulassung seiner Aktien zum Handel auf einem geregelten Markt ohne Erstellung eines Prospekts vornehmen kann. Falls die Prospektausnahme greift, muss allerdings anstelle des Prospekts ein anderes Dokument veröffentlicht werden, das Hintergrund und Einzelheiten der Emission erläutert. Die Mindestanforderungen, die an ein solches Dokument gestellt werden, sind in ProspR-DelVO 2021/528/EU geregelt. Siehe zu den Auswirkungen auf die Dokumentationsanforderungen im Zusammenhang mit einem öffentlichen Übernahmeangebot oben Rn. 241. 996) ProspR EG (20), Art. 1 (6). 997) Ausnahme: Nichtaufnahme von Informationen gem. ProspR Art. 18. 998) ProspR Art. 6 (1). 999) ProspR Art. 13 (1); ProspR-DelVO 2019/980/EU EG (2).

165

B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

der dem Prospektverfasser nur geringe Variationsmöglichkeiten hinsichtlich des Inhalts und der Form1000) der geforderten Angaben gibt.1001) 255 Jeder Prospekt (ob als Gesamtdokument oder aus Einzeldokumenten bestehend1002)) muss als Hauptbestandteile ein Registrierungsformular und eine Wertpapierbeschreibung enthalten. Hinzu kommen ein Inhaltsverzeichnis1003) und eine Beschreibung der den Emittenten und die Wertpapiere betreffenden Risikofaktoren1004) sowie i. d. R. eine Zusammenfassung.1005) Liegen besondere Umstände vor – z. B. die Garantie eines Dritten für die Verpflichtungen des Emittenten oder besonders komplex strukturierte Wertpapiere – oder wählt der Emittent das Format eines sog. Basisprospekts,1006) ist der Prospekt um weitere Angaben zu ergänzen.1007) 256 Welche Informationen ein Prospekt im Einzelnen für eine spezifische Wertpapieremission enthalten muss, ergibt sich aus den (kombinierten) Anforderungen der einschlägigen ProspR-DelVO-Anhänge.1008) Es gibt fünf Kategorien von ProspR-DelVO-Anhängen, die im Gesetz als Teil A – E bezeichnet werden (die Anzahl der unterschiedlichen Typen in Klammern dahinter):1009) x

Teil A: Registrierungsformulare (10)1010)

___________ 1000) Von der vorgegebenen Reihenfolge der (innerhalb eines einen Anhang reflektierenden Prospektabschnitts) darzustellenden Informationen darf allerdings abgewichen werden (ProspR-DelVO 2019/980/EU Art. 24 und 25 (1) bzw. (2) a. E.). 1001) Diese Standardisierung ist auch gewünscht, denn nur so wird eine Vergleichbarkeit für den Anleger geschaffen. Dass der EU Gesetzgeber dabei über die Grenzen der EU hinausdenkt und letztlich eine Art Weltprospektformat im Kopf hat, kommt nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck dass die in der ProspR gewählte Struktur auf den Standards basiert, die von den internationalen Organisationen der Wertpapieraufsichtsbehörden, insbesondere IOSCO, ausgearbeitet wurden (s. ProspR Art. 13 (3)). Dafür gibt es den ausdrücklichen politischen Willen (EU Kom-VÖ-Aktionsplan Kapitalmarktunion-2015, S. 31). S. näher: Jäger/Elsen, IOSCO-Prinzipien. 1002) S. dazu oben Rn. 250. 1003) ProspR-DelVO 2019/980/EU Art. 24 (1) a). 1004) ProspR-DelVO 2019/980/EU Art. 24 (1) c); ProspR Art. 16. 1005) ProspR-DelVO 2019/980/EU Art. 24 (1) b); ProspR Art. 7 (1). Ausnahmen: Nichtdividendenwerte mit einer Mindestgröße von über EUR 100.000 und Vertrieb der Wertpapiere nur an qualifizierte Anleger sowie im Falle eines Basisprospekts (hier aber müssen die endgültigen Bedingungen eine Zusammenfassung beinhalten). 1006) S. dazu unten Rn. 266. 1007) ProspR-DelVO 2019/980/EU Art. 24 (1) d). 1008) Welche Anhänge für einen spezifischen Prospekt verwendet werden müssen, folgt aus Kapitel 2 (Art. 2 – 23) der ProspR-DelVO 2019/980/EU. 1009) S. ProspR-DelVO 2019/980/EU „Liste der Anhänge“. 1010) Terminus technicus für Emittentenbeschreibung. S. dazu unten Rn. 258. Hauptdifferenzierungskriterien sind: Dividenden/Nicht-Dividenden-Werte – Klein-/Groß-Anleger – normale Anleihen/ABS.

166

VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

x

Teil B: Wertpapierbeschreibungen (6)1011)

x

Teil C: Weitere Angaben (6)1012)

x

Teil D: EU Wachstumsprospekt (5)1013)

x

Teil E: Andere Angabekategorien (2).1014)

Der Prospekt entsteht durch die Zusammenfügung aller Informationen, deren 257 Anforderungsprofil sich aus der Kombination der auf einen konkreten Fall anwendbaren Anhänge ergibt. Da Registrierungsformular und Wertpapierbeschreibung Pflichtkomponenten sind, muss jeder Prospekt einen Teil A und Teil B zugeordneten Anhang reflektieren. Ob der Prospekt zusätzliche Informationsanforderungen zu erfüllen hat, die aus Anhängen der Teile C und E resultieren, hängt von den speziellen Umständen der Emission ab.1015) Allerdings muss nicht alles im Prospekt selbst stehen, sondern in bestimmten Fällen kann auf andere Dokumente (z. B. Jahresabschlüsse des Emittenten) verwiesen werden.1016) (2) Registrierungsformular Das Registrierungsformular enthält Angaben zum Emittenten.1017) Der Bau- 258 kasten der ProspR sieht zehn Typen von Registrierungsformularen vor, die – nach Art des Emittenten, des Wertpapiers und des (adressierten) Anlegers – unterschiedliche Schwerpunkte bei der geforderten Beschreibung des Emit___________ 1011) S. dazu unten Rn. 261. Hauptdifferenzierungskriterien sind: Dividenden/Nicht-Dividenden-Werte – Klein-/Groß-Anleger – normale Anleihen/ABS/UCITS. 1012) Z. B. bzgl. Garantien. S. dazu unten Rn. 264. 1013) S. dazu unten Rn. 270. 1014) Z. B. endgültige Bedingungen eines Basisprospekts. S. dazu unten Rn. 266. 1015) Zu Illustrationszwecken ein Beispiel: Die Emission einer Anleihe durch ein deutsches Unternehmen an institutionelle Investoren erfordert die kombinierte Verwendung der ProspR-DelVO 2019/980/EU Anhänge 7 (Registrierungsformular für Nichtdividendenwerte für Großanleger) und 15 (Wertpapierbeschreibung für Nichtdividendenwerte für Großanleger) bzw. im Fall einer Sekundäremission: 16 (Wertpapierbeschreibung für Sekundäremissionen von Nichtdividendenwerten). Sollte die Anleihe durch einen Dritten (z. B. das ausländische Mutterunternehmen des Emittenten) garantiert werden, träte Anhang 21 (Garantien) hinzu, im Falle der Besicherung durch Forderungen gegen Dritte (z. B. Kunden) Anhang 19 (Forderungsbesicherte Wertpapiere). 1016) ProspR Art. 19. Der Prospekt muss dann eine Liste mit Querverweisen enthalten, die das Auffinden der Informationen erleichtert sowie elektronische Verknüpfungen zu allen mittels Verweises aufgenommener Dokumente. Diese Art von Verweis-Hyperlinks ist zu unterscheiden von im Prospekt enthaltenen allgemeinen Hyperlinks zu anderen Websites; hinsichtlich der allgemeinen Hyperlinks ist im Prospekt eine Erklärung aufzunehmen, dass die Informationen auf den Websites nicht Teil des Prospekts sind und nicht von der zuständigen Behörde geprüft wurden (vgl. ProspR-DelVO 2019/979/EU Art. 10 (1)). 1017) ProspR Art. 6 (3). Einen Überblick, welche Informationen nach Ansicht des Gesetzgebers in jedem Registrierungsformular enthalten sein sollten, gibt Anhang II zur Prospekt-VO.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

tenten setzen.1018) Typischerweise besteht ein Registrierungsformular aus folgenden Abschnitten:1019) x

Verantwortliche Personen1020)

x

Abschlussprüfer1021)

x

Risikofaktoren betreffend den Emittenten1022)

x

Angaben zum Emittenten (Geschäftsgeschichte und -entwicklung)

x

Überblick über die Geschäftstätigkeit1023)

x

Trendinformationen1024)

x

Gewinnprognosen oder -schätzungen1025)

x

Leitungs- und Aufsichtsorgane1026)

x

Hauptaktionäre1027)

x

Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten1028)

___________ 1018) ProspR-DelVO 2019/980/EU Art. 2 – 11 sowie Anhänge 1 – 10 (Teil A). 1019) Vgl. ProspR-DelVO 2019/980/EU Anhänge 1 – 10. In einigen Fällen (z. B. bei Dividendenwerten) sind zusätzliche Abschnitte vorgesehen. Nur Anhang 4 (UCITS des geschlossenen Typs) hat einen völlig anderen, fondsspezifischen Aufbau. 1020) ProspR Art. 11 (1). Nach deutschem Recht zählen zu den Prospektverantwortlichen gem. WPPG § 8 der Anbieter, der Emittent, der Zulassungsantragsteller und der Garantiegeber (falls existent). 1021) Wurden Abschlussprüfer während des von den historischen Finanzinformationen abgedeckten Zeitraums abberufen, nicht wieder bestellt oder haben sie ihr Mandat selbst niedergelegt, sind entsprechende Angaben zu machen. 1022) S. zu Risikofaktoren unten Rn. 263. 1023) Bei Emittenten von Dividendenwerten nimmt dieser Teil des Registrierungsformulars besonders viel Raum ein und umfasst neben der Beschreibung der Haupttätigkeiten z. B. auch die Märkte, Strategie und Ziele, Wettbewerbsposition, Investitionen usw. 1024) Hier geht es insbesondere um die Entwicklung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten seit dem letzten Jahresabschluss. 1025) Die Darstellung muss leicht verständlich, spezifisch und präzise sein. 1026) Insbesondere ist auf Interessenkonflikte dieser Personen im Hinblick auf private Angelegenheiten und ihre Verpflichtungen gegenüber dem Emittenten abzustellen. 1027) Nach Möglichkeit soll klar werden, ob die Möglichkeit der Beherrschung des Emittenten durch einzelne Aktionäre besteht und des Missbrauchs einer Beherrschungsposition zu Lasten anderer. 1028) Der Anleger soll eine möglichst aussagekräftige Sicht auf die Finanzen des Emittenten erhalten. Beizubringen sind deshalb die historischen Finanzinformationen der letzten zwei Geschäftsjahre (wobei der letzte Bilanzstichtag nicht länger als 18 Monate zurückliegen darf). Die Informationen sollen nach internationalen Rechnungslegungsstandards erstellt und von unabhängigen Prüfern bestätigt sein. Das gilt auch für Gesellschaften, die weniger als ein Jahr existiert haben (sie müssen dann nach Ansicht der Aufsicht einen Abschluss für einen kürzeren Zeitraum erstellen und prüfen lassen). Erstellt der Emittent konsolidierte Abschlüsse, müssen diese im Prospekt enthalten sein. Finanzinformationen werden häufig mittels Verweises gem. ProspR Art. 19 in den Prospekt einbezogen.

168

VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

x

Wesentliche Verträge1029)

x

Verfügbare Dokumente1030)

Besondere Bedeutung hat das sog. einheitliche Registrierungsformular.1031) Es 259 kann von Emittenten genutzt werden, deren Wertpapiere an einem geregelten Markt oder einem MTF zugelassen sind. Nachdem ein einheitliches Registrierungsformular in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren von der zuständigen Behörde gebilligt wurde, können künftige einheitliche Registrierungsformulare ohne vorherige Billigung bei der Behörde hinterlegt und für Prospektzwecke genutzt werden. Der Emittent muss sein Registrierungsformular zwar weiterhin aktualisieren, und die Behörde überprüft die Änderungen nach üblichen Maßstäben und fordert den Emittenten ggf. zur Nachbesserung auf. Aber das ganze Verfahren ist weniger aufwändig als bei Prospekten, die ohne ein einheitliches Registrierungsformular auskommen müssen.1032) Die Verwendung des einheitlichen Registrierungsformulars erlaubt es dem Emittenten zudem, den Status eines sog. Daueremittenten zu erlangen1033) und (bei Einhaltung weiterer Voraussetzungen) in den Genuss eines beschleunigten Billigungsverfahrens kommen.1034) Zusätzlichen Anforderungen unterliegt das Registrierungsformular für Divi- 260 dendenwert-Emittenten, die eine komplexe finanztechnische Vorgeschichte

___________ 1029) Verträge, die nicht im Rahmen der normalen Geschäftstätigkeit des Emittenten abgeschlossen wurden. 1030) Hinweis auf einsehbare Dokumente, z. B. die Satzung der Emittenten und, falls darauf im Prospekt Bezug genommen wird, Sachverständigengutachten bzgl. des Emittenten. 1031) ProspR Art. 9 und 10 sowie ProspR-DelVO 2019/980/EU Art. 3 und Anhang 2. 1032) Z. B. müssen beanstandete hinterlegte einheitliche Registrierungsformulare nicht sofort korrigiert, sondern können bei der nächsten Hinterlegungsrunde angepasst werden, es sei denn, der Emittent beabsichtigt, das Formular zum Bestandteil eines zu billigenden Prospekts zu machen, oder es droht eine Irreführung des Marktes hinsichtlich wesentlicher Aspekte (ProspR Art. 9 (9) und (10)). 1033) Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an geregelten Märkten oder an MTF zugelassen sind, können in jedem Geschäftsjahr ein einheitliches Registrierungsformular erstellen, das Angaben zur Rechts-, Geschäfts-, Finanz-, Rechnungslegungs- und Beteiligungssituation sowie eine Beschreibung des Emittenten für das betreffende Geschäftsjahr enthält. Der Emittent gilt ab dem Zeitpunkt, zu dem er das einheitliche Registrierungsformular bei der zuständigen Behörde zur Billigung hinterlegt, als Daueremittent. Die Erstellung eines einheitlichen Registrierungsformulars soll dem Emittenten ermöglichen, die Informationen auf dem neuesten Stand zu halten und, wenn die Marktbedingungen für ein öffentliches Angebot von Wertpapieren oder eine Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt günstig werden, einen Prospekt zu erstellen, indem eine Wertpapierbeschreibung und eine Zusammenfassung hinzugefügt werden. Das einheitliche Registrierungsformular soll insofern multifunktional sein, als sein Inhalt stets gleich sein sollte, unabhängig davon, ob es vom Emittenten später für ein öffentliches Angebot von Wertpapieren oder für die Zulassung von Dividendenwerten oder Nichtdividendenwerten zum Handel an einem geregelten Markt verwendet wird (ProspR EG (39)). 1034) ProspR Art. 9 (11). S. zum Billigungsverfahren unten Rn. 272.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

haben1035) oder eine bedeutende finanzielle Verpflichtung eingegangen sind.1036) In beiden Fällen sind zusätzliche Angaben zu einem anderen Unternehmen als dem aktuellen des Emittenten in den Prospekt aufzunehmen (die Informationen sind so darzustellen, als wäre der Dividendenwert von diesem anderen Unternehmen begeben worden).1037) (3) Wertpapierbeschreibung 261 Die Wertpapierbeschreibung enthält die Angaben zu den Wertpapieren, die öffentlich angeboten werden oder zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen werden sollen.1038) Typischerweise besteht eine Wertpapierbeschreibung aus folgenden Abschnitten:1039) x

Verantwortliche Personen etc.

x

Risikofaktoren betreffend die Wertpapiere

x

Gründe der Emission; Verwendung der Erlöse

x

Angaben über die Wertpapiere

x

Konditionen des Angebots

x

Zulassung zum Handel und Handelsmodalitäten

x

Weitere Angaben (z. B. Ratings).

262 Zusätzliche Angaben sind erforderlich, wenn das fragliche Wertpapier in Aktien umtauschbar ist1040) oder an einen Basiswert gekoppelte Zahlungs- oder Lieferpflichten hat,1041) ein forderungsbesichertes Wertpapier (ABS1042) ist1043) oder mit Garantien ausgestattet ist.1044) In diesen Fällen sind Informationen zu liefern, die Auskunft über den Basiswert bzw. den Garantiegeber geben. ___________ 1035) Dies ist der Fall, wenn das aktuelle Unternehmen des Emittenten ohne Rückgriff auf Informationen bzgl. eines anderen Unternehmens nicht wirklich analysiert werden kann (vgl. ProspR-DelVO 2019/980/EU Art. 18 (3)). 1036) Dies ist der Fall, wenn der Emittent eine Vereinbarung getroffen hat, die bei einem oder mehreren Indikatoren für den Umfang der Geschäftstätigkeit des Emittenten voraussichtlich eine mehr als 25 %ige Schwankung bewirkt (vgl. ProspR-DelVO 2019/980/EU Art. 18 (4)). 1037) ProspR-DelVO 2019/980/EU Art. 18 (2), Anhänge 1 (Teil A) und 20 (Teil C). 1038) ProspR Art. 6 (3). Einen Überblick darüber, welche Informationen nach Ansicht des Gesetzgebers in jeder Wertpapierbeschreibung enthalten sein sollten, gibt Anhang III zur ProspR. 1039) Vgl. ProspR-DelVO 2019/980/EU Anhänge 11 – 16 (Teil B). 1040) ProspR-DelVO 2019/980/EU Art. 19 (2), Anhang 18 (Teil C). 1041) ProspR-DelVO 2019/980/EU Art. 20 (1), Anhang 17 (Teil C). 1042) Dazu näher unten Rn. 389. 1043) ProspR-DelVO 2019/980/EU Art. 21, Anhang 19 (Teil C). 1044) ProspR-DelVO 2019/980/EU Art. 22, Anhang 21 (Teil C).

170

VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

(4) Risikofaktoren Risikofaktoren sollen für die Beurteilung des Anlagerisikos wesentlich und für 263 den Emittenten und die Wertpapiere spezifisch sein.1045) Wesentlichkeit und Spezifizität müssen durch den Inhalt des Registrierungsformulars und der Wertpapierbeschreibung bestätigt (Englisch: corroberated) sein,1046) es muss also aus dem Zusammenhang der übrigen Prospektteile deutlich werden, dass sie wirklich wesentlich und spezifisch für den Emittenten und das Wertpapier sind (die bloße Behauptung genügt nicht).1047) Die Wesentlichkeit der Risikofaktoren bestimmt sich auf der Grundlage der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts und des zu erwartenden Umfangs ihrer negativen Auswirkungen. Das Spezifische des Risikofaktors ist daran zu demonstrieren, wie er sich auf den Emittenten oder das Wertpapier auswirkt. Zum Zwecke der Übersichtlichkeit sollen die Risikofaktoren kategorisiert werden und die jeweils wesentlichsten Risiken zu Beginn jeder Kategorie genannt werden.1048) (5) Prospektzusammenfassung Die Prospektzusammenfassung soll eine kurze und prägnante Entscheidungs- 264 hilfe für den Anleger sein.1049) Sie ist in Inhalt, Aufbau und Umfang besonders

___________ 1045) Die Motivation des Gesetzgebers für die z. T. sehr detaillierten Regelungen und die (repetitiv) vorgetragene Forderung, nur spezifische und wesentliche Risikofaktoren in pointierter Form aufzuführen, offenbart sich in ESMA-VÖ-Risikofaktoren Leitlinie 2: „Die zuständige Behörde sollte die Aufnahme von Risikofaktoren infrage stellen, die ausschließlich dem Haftungsausschluss dienen.“ Letztere Praxis hatte es nach Auffassung des Gesetzgebers in der Vergangenheit wohl gegeben; ESMA spricht auch von Aufgeblähtheit der Prospekte (Rn. 43 der Leitlinien). 1046) ProspR Art. 16 (1). 1047) ESMA-VÖ-Risikofaktoren, Leitlinien 1 und 3. Wenn ein Risikofaktor diesen Anforderungen nicht entspricht, soll er entfernt werden (Leitlinie 6). 1048) ProspR Art. 16 (1). Die Kategorisierung soll ihren Ausdruck in der Verwendung entsprechender Überschriften finden (ESMA-VÖ-Risikofaktoren, Leitlinie 8), wobei Anzahl der Kategorien und Unterkategorien im richtigen Verhältnis „zur Größe/Komplexität der Transaktion und zum Risiko für den Emittenten/Garantiegeber stehen“ sollen (Leitlinie 9); empfohlen werden bis zu zehn Kategorien und Unterkategorien. Die Darstellung der Risikofaktoren ist knapp zu halten (Leitlinie 11). In Anhang I zu ESMA-VÖ-Risikofaktoren werden zudem konkrete Formulierungsbeispiele für spezifische und wesentliche Risikofaktoren aufgeführt. Der Gesetzgeber empfiehlt in ProspR Art. 16 (1), den Grad der Wesentlichkeit durch eine Art Ampelsystem (gering/mittel/hoch) leichter fassbar zu machen, erklärt aber in den ESMA-VÖ-Risikofaktoren Nr. 28 ausdrücklich, dass der Prospektverfasser dazu nicht verpflichtet sei. Die Praxis ist dieser Empfehlung bisher weitgehend nicht gefolgt, wohl weil man in einer solchen Wesentlichkeitsklassifizierung zusätzliche (zivilrechtliche) Haftungsrisiken sieht (vgl. Groß-KapMarktR, PVO Art. 16 Rn. 6). 1049) ProspR Art. 7 (1) und (3).

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

stark reglementiert1050) und hat aus den folgenden vier Abschnitten zu bestehen:1051) x

Einleitung mit Warnhinweisen (insbesondere zu Rechtsnatur der Zusammenfassung und möglichen Ansprüchen des Anlegers);1052)

x

Basisinformationen über den Emittenten (insbesondere zu handelnden Personen, wesentlichen Finanzinformationen1053) und spezifischen Emittentenrisiken);1054)

x

Basisinformationen über die Wertpapiere (insbesondere zu wichtigen Merkmalen, einem etwaigen Handelsplatz, ggf. einer Garantie und spezifischen Wertpapierrisiken);1055)

x

Basisinformationen über das öffentliche Angebot von Wertpapieren und/ oder die Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt (insbesondere zu Konditionen, Zeitplan und anderen Einzelheiten des Angebots/Zulassungsverfahrens, dem Anbieter/Antragsteller und den Gründen für Angebot/Zulassung).1056)

265 Einer Zusammenfassung ist eigen, dass sie nicht vollständig sein kann, sondern sich auf das Wesentliche beschränken muss. Was das (besonders) Wesentliche

___________ 1050) Die Zusammenfassung darf maximal eine Länge von sieben DIN-A4-Seiten haben (ProspR Art. 7 (3)); Ausnahmen von der Längenbegrenzung sind aber möglich (ProspR EG (30)). Vorteil für den Emittenten ist, dass infolge der starken Reglementierung ein Gleichlauf mit der Erfüllung anderer Transparenzpflichten möglich ist, namentlich der Veröffentlichung des PRIIPs-Basisinformationsblatts (vgl. ProspR EG (32)). U. U. können nach der ProspR geforderte Angaben auch durch das PRIIPs-Basisinformationsblatt ersetzt werden, das in diesem Fall als separater Abschnitt in der Zusammenfassung dem Prospekt beizufügen ist (ProspR Art. 7 (7), Ua 2 und 3). 1051) ProspR Art. 7 (4). 1052) ProspR Art. 7 (5). Alle Abschnitte haben eine vorgegebene Struktur mit Überschriften und Unterabschnitten; allerdings dürfen weitere Unterüberschriften eingefügt werden (ProspR Art. 7 (10). 1053) ProspR-DelVO 2019/979/EU Art. 1 – 8 legen den Mindestinhalt der wesentlichen Finanzinformationen für unterschiedliche Arten von Emittenten fest; Anhänge I – VI enthalten detaillierte Angaben zum Aufbau der Darstellung der jeweiligen wesentlichen Finanzinformationen. 1054) ProspR Art. 7 (6). Die Gesamtzahl der in der Zusammenfassung genannten Emittentenund Wertpapierrisikofaktoren ist auf 15 begrenzt (ProspR Art. 7 (10). Darstellung, Reihenfolge und Wesentlichkeitseinschätzung der Risikofaktoren im Prospekt und in der Zusammenfassung sollen kohärent sein (ESMA-VÖ-Risikofaktoren Leitlinie 12). 1055) ProspR Art. 7 (7). 1056) ProspR Art. 7 (8).

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

ist, soll – innerhalb gewisser Grenzen – der Emittent selbst entscheiden.1057) Die Zusammenfassung ist zusammen mit den anderen Teilen des Prospekts zu lesen,1058) ist quasi deren Einleitung,1059) darf aber keine Querverweise auf diese anderen Teile haben, sondern muss aus sich selbst heraus verständlich sein.1060) (6) Besonderheiten des Basisprospekts Eine besondere Ausprägung des Prospekts ist der Basisprospekt. Er erlaubt die 266 wiederholte Emission von Anleihen, vor allem im Rahmen eines Emissionsprogramms (Debt Issuance Programme – DIP).1061) Der (von der Behörde gebilligte) Basisprospekt setzt den Rahmen, der durch für jede einzelne Emission einer Anleihe erstellte (nicht der Billigung durch die Behörde bedürfende) sog. endgültige Bedingungen ausgefüllt wird. Der Basisprospekt enthält sämtliche Informationen, die unverändert für alle Anleiheemissionen des Emittenten unter einem DIP gelten (Emittentenbeschreibung, Wertpapierbeschreibung, einschließlich allgemeiner Anleihebedingungen, Risiken etc.). Die endgültigen Bedingungen (für deren Gestaltung ein Formular bereits im Basisprospekt enthalten ist1062) liefern die erst zum Zeitpunkt der jeweiligen Emission (in der Praxis auch Ziehung genannt1063) oder Draw down oder Take down1064)) feststehenden Informationen der Anleihe (also typischerweise Volumen, Zinssatz, Preis, Wertpapier-Identifikationsnummer1065) etc.).1066) Zusammen stellen Basisprospekt und endgültige Bedingungen die vollständige Dokumentation einer ___________ 1057) ProspR EG (31). Das bringt den Emittenten offensichtlich in eine schwierige Situation: Er muss alles richtig machen, aber Kriterien für das, was richtig bzw. wesentlich ist, muss er selbst entwickeln. Der EU Gesetzgeber erkennt diese Schwierigkeit an und trifft in ProspR Art. 11 (2) eine für den Prospektverantwortlichen milde Haftungsentscheidung: Danach haftet niemand lediglich aufgrund der Zusammenfassung samt etwaiger Übersetzungen, es sei denn, (i) die Zusammenfassung ist, wenn sie zusammen mit den anderen Teilen des Prospekts gelesen wird, irreführend, unrichtig oder widersprüchlich oder (ii) sie vermittelt, wenn sie zusammen mit den anderen Teilen des Prospekts gelesen wird, nicht die Basisinformationen, die in Bezug auf Anlagen in die Wertpapiere für die Anleger eine Entscheidungshilfe darstellen würden. Die Zusammenfassung sollte diesbezüglich einen eindeutigen Warnhinweis enthalten (ProspR EG (33)). 1058) ProspR Art. 7 (1). 1059) ProspR Art. 7 (2). 1060) ProspR Art. 7 (11). 1061) ProspR Art. 8 (1). 1062) ProspR Art. 8 (2). 1063) K/M/F/S-Müller/Schmidtbleicher, B+K-Recht, Rn. 15.160. 1064) H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Kaulamo, § 16.20. 1065) International Securities Identification Number (ISIN) oder WKN (Wertpapierkennnummer). 1066) ProspR EG (36). Darüber hinausgehende Angaben – also z. B. solche, die den Basisprospekt abändern oder mit nicht bereits im Prospekt angelegten Ergänzungen versehen – sind in den endgültigen Bedingungen nicht zulässig; nach Vorstellung des Gesetzgebers sollen die billigungsfreien, nur hinterlegungsbedürftigen endgültigen Bedingungen nicht für Zwecke der Umgehung eines (billigungsbedürftigen) Nachtrags missbraucht werden (ProspR Art. 8 (4) 2. Ua).

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

(oder mehrerer1067)) Anleihe(n) dar. Der Emittent muss die endgültigen Bedingungen vor Beginn des Angebots bzw. Zulassung zum geregelten Markt veröffentlichen und bei der zuständigen Behörde hinterlegen (aber eben nicht billigen lassen).1068) 267 Um den Basisprospekt zu dem flexiblen, kostensparenden Emissionsinstrument zu machen, das er sein soll,1069) kann er unterschiedliche Ausgestaltungsmöglichkeiten für Anleihen vorsehen, also z. B. Anleihen mit variablem Zinssatz oder solche mit festem Zinssatz. In den endgültigen Bedingungen ist dann vom Emittenten festzulegen, welche dieser sog. Optionen für die einzelne Ziehung gewählt wird.1070) Der Emittent kann zudem mehrere Basisprospekte in einem einzigen Dokument zusammenfassen.1071) Wie andere Prospekte auch kann der Basisprospekt als ein Gesamtdokument oder in mehreren Einzeldokumenten erstellt werden.1072) Anders als der normale Prospekt braucht der Basisprospekt aber keine Zusammenfassung enthalten, diese soll vielmehr vom Emittenten für jede einzelne Ziehung erstellt und den jeweiligen endgültigen Bedingungen beigefügt werden.1073) 268 Der Gesetzgeber gibt dem Emittenten zwar die Möglichkeit, die zu liefernden Informationen zwischen Basisprospekt und endgültigen Bedingungen aufzuspalten. Jedoch ist der Emittent nicht befugt, frei zu entscheiden, wie er die

___________ 1067) In der Praxis ist es üblich, mehrere Anleihen, die sich nur hinsichtlich weniger Details unterscheiden (z. B. Laufzeit) in einem Satz endgültiger Bedingungen zusammenzufassen. Die ProspR erlaubt das zumindest indirekt, wenn sie in Art. 8 (9) gestattet, dass die den endgültigen Bedingungen beizufügende Zusammenfassung mehrere Anleihen abbilden darf. 1068) ProspR Art. 8 (5). 1069) ProspR EG (38). 1070) ProspR Art. 8 (3). Für die Auswahl der Option erlaubt die ProspR zwei unterschiedliche Methoden, nämlich den Verweis auf die entsprechende Rubrik des Basisprospekts (Verweismethode) und die Wiederholung der betreffenden Angaben (Konsolidierungsmethode). Die vornehmlich im angelsächsischen Rechtskreis entwickelte Verweismethode beschränkt die Angabe in den endgültigen Bedingungen darauf, dass (um beim genannten Beispiel zu bleiben) die den festen Zinssatz regelnde Bestimmung X des Basisprospekts (bzw. der darin enthaltenen Anleihebedingungen) auf die betreffende Ziehung Anwendung finden solle. Bei der Konsolidierungsmethode wird die Bestimmung X in den endgültigen Bedingungen nochmals abgedruckt. Die vor allem in Deutschland bevorzugte Konsolidierungsmethode vermeidet ein ständiges Hinundherblättern zwischen Basisprospekt und endgültigen Bedingungen und mag deshalb als verbraucherfreundlicher angesehen werden. 1071) ProspR-DelVO 2019/980/EU Art. 25 (3). 1072) ProspR Art. 8 (6). 1073) ProspR Art. 8 (8). Das hat zur Folge, dass die emissionsspezifische Zusammenfassung auch nicht Gegenstand der Billigung durch die zuständige Behörde ist. Für ihren Inhalt und ihre Form gelten die allgemeinen Regelungen für Prospektzusammenfassungen gem. ProspR Art. 7 mit der Besonderheit, dass sie die Basisinformationen des Prospekts mit denjenigen der endgültigen Bedingungen kombinieren muss (ProspR Art. 8 (9)).

174

VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

Aufteilung vornimmt. Vielmehr unterscheidet der Gesetzgeber1074) zwischen Informationen: x

Der Kategorie A (die vollumfänglich im Basisprospekt selbst enthalten sein müssen),

x

der Kategorie B (die im Basisprospekt selbst enthalten sein müssen mit Ausnahme derjenigen Einzelheiten, die zum Zeitpunkt der Billigung des Basisprospekts nicht vorliegen; solche Einzelheiten sind dann in den endgültigen Bedingungen zu liefern), und

x

der Kategorie C (die in den endgültigen Bedingungen enthalten sein müssen, es sei denn, sie liegen zum Zeitpunkt der Billigung des Basisprospekts bereits vor; dann können sie stattdessen in den Basisprospekt aufgenommen werden).1075)

Neben den vorgenannten Kategorie B und C Informationen dürfen die endgül- 269 tigen Bedingungen nur einige wenige spezifisch vorgeschriebene1076) Angaben enthalten,1077) die i. Ü. nicht im Widerspruch zu den Angaben des Basisprospekts stehen dürfen.1078) (7) Reduzierte Prospektanforderungen Im Prospektrecht findet der Proportionalitätsgrundsatz in der Berücksichtigung 270 der Anlegerperspektive eine besondere Ausprägung.1079) Es geht dem Gesetzgeber hier also nicht nur darum, kleineren Unternehmen Prospekterleichterungen zu gewähren (wie das z. B. beim sog. EU Wachstumsprospekt1080) der Fall ist), sondern auch darum, die Prospektanforderungen zu reduzieren, wenn der Prospektadressat umfassender Aufklärung nicht bedarf. Letzteres ist der Fall bei der Zulassung von Wertpapieren zu Börsensegmenten, die nur für qualifizierte Anleger zugänglich sind1081) oder für Zwecke des öffentlichen Angebots und der Zulassung zu einem geregelten Markt für solche Emittenten, ___________ 1074) In: ProspR-DelVO 2019/980/EU, Anhänge 14 – 19 und 27. 1075) ProspR-DelVO 2019/980/EU Art. 26 (1) – (3). 1076) In Anhang 28 zur ProspR-DelVO 2019/980/EU genannte Angaben, die i. Ü. bereits im Formular der endgültigen Bedingungen angelegt sein müssen. 1077) ProspR-DelVO 2019/980/EU Art. 26 (4). 1078) ProspR-DelVO 2019/980/EU Art. 26 (5). 1079) ProspR-DelVO 2019/980/EU EG (7): „Die in den Prospekten für Nichtdividendenwerte enthaltenen Angaben sollten dem Wissensstand und der Fachkenntnis jedes Anlegertyps angepasst sein. Prospekte für Nichtdividendenwerte, in die Kleinanleger investieren können, sollten daher umfassendere und andere Angaben enthalten müssen als Prospekte für Nichtdividendenwerte, die qualifizierten Anlegern vorbehalten sind.“ 1080) Reduzierte Prospektanforderungen gelten für Zwecke des öffentlichen Angebots für KMU (ProspR Art. 15). Charakteristika eines EU Wachstumsprospekts sind ein verkürzter Inhalt, eine verkürzte Zusammenfassung sowie eine standardisierte Aufmachung. Einen Überblick darüber, welche Informationen nach Ansicht des Gesetzgebers in dem Registrierungsformular und der Wertpapierbeschreibung eines jeden EU Wachstumsprospekts enthalten sein sollten, geben Anhänge IV und V zur ProspR. 1081) ProspR EG (21).

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

deren Wertpapiere bereits für eine gewisse Zeit (mindestens 18 Monate) an einem geregelten Markt zugelassen gewesen sind (Sekundäremissionen)1082) und deswegen den für diese Wertpapiere geltenden Marktteilnahmetransparenzpflichten1083) unterlegen haben. dd) Billigung, Veröffentlichung und Aktualisierung des Prospekts; Werbung 271 Ein Prospekt darf erst veröffentlicht werden, wenn die zuständige Behörde1084) ihn gebilligt hat.1085) Anschließend ist er für zwölf Monate gültig,1086) muss aber u. U. aktualisiert werden.1087) (1) Prospekt-Prüfungs- und Billigungsverfahren 272 Die Billigung erfolgt, wenn der bei der zuständigen Behörde eingereichte Prospektentwurf vollständig,1088) verständlich1089) und kohärent1090) ist.1091) Die für diese Feststellung erforderliche Prüfung erfolgt auf Grundlage folgenden Verfahrens, das vom Emittenten, Anbieter oder die die Zulassung des Wertpapiers zum Handel an einem geregelten Markt beantragende Person (nachfolgend zusammenfassend Prospekteinreicher genannt) initiiert werden kann: Vorlage des (ersten) Prospektentwurfs und von Begleitinformationen in einem durchsuchbaren elektronischen Format und auf einem für die zuständige Behörde annehmbaren elektronischen Weg.1092) Auf (eigentlich ___________

x

1082) ProspR Art. 14 (1). 1083) S. dazu oben Rn. 232 ff. 1084) Jeder EU Mitgliedstaat benennt eine einzige für Prospekte zuständige Verwaltungsbehörde (ProspR Art. 31 (1)). 1085) ProspR Art. 20 (1). 1086) ProspR Art. 12. Besteht ein Prospekt aus mehreren Einzeldokumenten, beginnt die Gültigkeitsdauer mit der Billigung der Wertpapierbeschreibung. Das gilt auch für Basisprospekte. Ein öffentliches Angebot von Wertpapieren kann nach Ablauf des Basisprospekts, auf dessen Grundlage es eröffnet wurde, aufrechterhalten werden, sofern spätestens am letzten Tag der Gültigkeit des betreffenden Basisprospekts ein NachfolgeBasisprospekt gebilligt und veröffentlicht wird ProspR Art. 8 (11). 1087) ProspR Art. 23 (1). 1088) Die Vollständigkeit eines Prospekts bemisst sich danach, ob sämtliche Anforderungen aus den auf den spezifischen Inhalt des Prospekts anwendbaren (miteinander zu kombinierenden) ProspR-DelVO 2019/980/EU Anhängen erfüllt sind (vgl. ProspR-DelVO 2019/980/EU Art. 36). 1089) Verständlich ist ein Prospekt, wenn er gut gegliedert und von Wiederholungen frei ist, auf Fachchinesisch verzichtet und eine leicht lesbare Schriftgröße verwendet (vgl. ProspRDelVO 2019/980/EU Art. 37). 1090) Kohärent ist ein Prospekt, wenn er frei von inneren Widersprüchen ist (vgl. ProspRDelVO 2019/980/EU Art. 38). 1091) ProspR Art. 20 (4). Möglich ist auch die Billigung eines Prospektes, der nach dem Recht eines Drittlands erstellt wurde, wenn das Recht des Drittlands der ProspR gleichwertig ist (ProspR Art. 29 – 30). 1092) ProspR-DelVO 2019/980/EU EG (28). In Deutschland ist das das Melde- und Veröffentlichungssystem der BaFin (WpPG § 22 (1)).

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

durch die ProspR vorgeschriebene, aber im speziellen Fall zulässigerweise) nicht in den Entwurf aufgenommene Informationen hat der Prospekteinreicher in den Begleitinformationen hinzuweisen.1093) Weicht der Entwurf hinsichtlich der Reihenfolge der präsentierten Informationen von den Vorgaben der ProspR und ihrer Schemata ab, ist vom Prospekteinreicher (in Deutschland) eine Liste mit Querverweisen (auch Überkreuzcheckliste genannt) zu erstellen, in der diese Abweichungen in der Reihenfolge minutiös erläutert werden.1094) x

Die Behörde teilt dem Prospekteinreicher innerhalb von zehn1095) Arbeitstagen ab Einreichung des Prospektentwurfs mit, ob die Billigung erteilt wird bzw. gibt detailliert an, welche Hinderungsgründe bestehen.1096) Etwaige Hinderungsgründe muss der Prospekteinreicher zu beseitigen suchen1097) und danach einen neuen, verbesserten Prospektentwurf vorlegen.1098)

___________ 1093) ProspR-DelVO 2019/980/EU EG (30). 1094) ProspR-DelVO 2019/980/EU Art. 24 (5). In der Liste ist auch zu vermerken, ob bestimmte, in den Anhängen genannte Punkte aufgrund der Art des Emittenten, der Wertpapiere, des Angebots oder der Zulassung zum Handel nicht in den Prospekt aufgenommen wurden. 1095) ProspR Art. 20 (2). Die Frist beträgt 20 Arbeitstage beim Erstemittenten (ProspR Art. 20 (3)). Allerdings gilt der fruchtlose Ablauf der Frist nicht automatisch als Billigung (ProspR Art. 20 (2)). Durch den vergleichsweise engen Zeitrahmen wird die Behörde unter Druck gesetzt, schnell zu handeln. Das ist angemessen, weil ansonsten verwaltungstechnische Maßnahmen die wirtschaftspolitisch gewünschte Emissionstätigkeit behindern könnten. Bei einem sog. Daueremittenten, der ein einheitliches Registrierungsformular als Teil eines aus mehreren Teilen bestehenden Prospektes hinterlegt, verkürzt sich die Frist auf 5 Arbeitstage (ProspR Art. 20 (6)). 1096) ProspR Art. 20 (4). In jedem Fall, in dem die Behörde die Billigung (begründet) ablehnt, beginnen die Fristen erneut zu laufen. Für die erneute Fristingangsetzung genügt eine einzige nichterfüllte Prospektanforderung. Damit ist der Behörde die Möglichkeit gegeben, das enge Fristenkorsett auszuhebeln. Allerdings ginge es anders schlicht nicht, denn ansonsten könnte der Prospekteinreicher den Billigungsprozess mit der Vorlage eines rudimentären Prospektentwurfs in Gang setzten. In der Praxis ist deshalb verantwortungsvolles Handeln auf Seiten von Prospekteinreicher und Behörde erforderlich. Ausdruck dessen ist die übliche Absprache eines Zeitplans zwischen beiden Seiten lange vor der Einreichung des ersten Prospektentwurfs. 1097) Der Gesetzgeber antizipiert die Prüfung und Billigung eines Prospekts als einen fortlaufenden Prozess mit mehreren Analyserunden (die nach dem Verständnis der ESMA durchaus in dialogischer Form (und nicht im traditionellen Ober- und Unterordnungsverhältnis) stattfinden soll (ESMA-VÖ-Risikofaktoren Rn. 14)), die jeweils zu Verbesserungen des Prospektentwurfs durch den Emittenten führen. Auch die zuständige Behörde hat zur Effizienz und Transparenz des Verfahrens beizutragen, etwa in dem sie klar angibt, welche Unterlagen auf den einzelnen Stufen des Billigungsverfahrens vorzulegen sind (ProspR-DelVO 2019/980/EU EG (26)). 1098) Dabei muss der Prospekteinreicher der zuständigen Behörde darlegen, wie die monierten Probleme angegangen wurden. Mit Ausnahme des ersten muss jeder eingereichte Prospektentwurf sowohl eine markierte Fassung, die alle am zuvor vorgelegten Entwurf vorgenommenen Änderungen hervorhebt, als auch eine Fassung ohne solche Hervorhebung umfassen.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

x

Werden die Hinderungsgründe vom Prospekteinreicher nicht beseitigt, kann die Behörde die Billigung verweigern und das Verfahren abbrechen.1099) Ansonsten erfolgt nach Ausmerzung aller Fehler die Billigung, über die die zuständige Behörde den Prospekteinreicher und anschließend ESMA unterrichtet.1100)

(2) Prospektveröffentlichung 273 Nach seiner Billigung ist der Prospekt vom Prospekteinreicher rechtzeitig1101) vor und spätestens mit Beginn des öffentlichen Angebots oder der Zulassung der betreffenden Wertpapiere zum Handel elektronisch1102) zu veröffentlichen.1103) (3) Prospektaktualisierung durch Nachtrag; Widerrufsrecht 274 Jeder wichtige neue Umstand und jede wesentliche Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit (Nachtragsereignis), die die Bewertung der Anlage beeinflussen könnten und nach der Veröffentlichung des Prospekts, aber vor dem Schluss des öffentlichen Angebots oder der Aufnahme des Handels an einem geregelten Markt auftreten, erfordern unverzüglich (innerhalb von fünf Arbeitstagen) die Billigung und Verbreitung eines Nachtrags zum Prospekt.1104) Typische Nachtragsereignisse sind:1105) x

Veröffentlichung neuer geprüfter Jahresabschlüsse

x

Änderung von Gewinnprognosen oder -schätzungen

x

Veränderungen der Kontrollverhältnisse beim Emittenten

x

öffentliches Übernahmeangebot

das Geschäftskapital entspricht nicht mehr der in dem Prospekt aufgenommenen Erklärung ___________ x

1099) ProspR Art. 20 (5). 1100) ProspR Art. 20 (2). 1101) Im Falle eines öffentlichen Erstangebots einer Gattung von Aktien, die zum ersten Mal zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen wird, muss der Prospekt der Öffentlichkeit mindestens sechs Arbeitstage vor dem Ende des Angebots zur Verfügung gestellt werden. 1102) Die Veröffentlichung erfolgt für zehn Jahre (ProspR Art. 21 (7)) auf der Website des Emittenten, eines Anbieters oder des geregelten Marktes (ProspR Art. 21 (2)) in einer leicht und bedingungslos zugänglichen eigenen Rubrik als herunterladbare, druckbare Datei in einem mit Suchfunktion ausgestatteten, jedoch nicht editierbaren elektronischen Format (ProspR Art. 21 (3) und (4)). Auch die zuständige Behörde (ProspR Art. 21 (5)) und die von dieser benachrichtigte ESMA (ProspR Art. 21 (6)) veröffentlichen den gebilligten Prospekt in dieser Weise. Auf Verlangen ist dem Anleger vom Emittenten eine Papierkopie des Prospekts zur Verfügung zu stellen (ProspR Art. 21 (11)). 1103) ProspR Art. 21. 1104) ProspR EG (65) und Art. 23 (1). 1105) ProspR-DelVO 2019/979/EU Art. 18.

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

x

Zulassung zum Handel/öffentliches Angebot in zusätzlichen Mitgliedstaaten, die nicht im Prospekt genannt sind

x

Übernahme bedeutender finanzieller Verpflichtungen

x

Erhöhung des aggregierten Nominalbetrags des Emissionsprogramms.

Grund für die Nachtragspflicht ist, dass der Anleger in einem solchen Fall 275 seine Anlageentscheidung neu bewerten und ggf. rückgängig machen können soll. Allerdings darf dies schon aus Praktikabilitätsgründen nicht zeitlich unbeschränkt gelten. Der Gesetzgeber koppelt deshalb das Widerrufsrecht an die zeitliche Einordnung des Nachtragsereignisses und gewährt es dem Anleger nur, wenn das Nachtragsereignis eintritt, solange das Angebot noch gültig und die Lieferung der Wertpapiere noch nicht erfolgt ist.1106) D. h.: Betrifft der Prospekt ein öffentliches Angebot von Wertpapieren, so haben Anleger, die die Zeichnung der Wertpapiere bereits vor Veröffentlichung des Nachtrags zugesagt haben, das Recht, ihre Zusagen innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Veröffentlichung des Nachtrags zurückzuziehen, vorausgesetzt, dass das Nachtragsereignis vor dem Auslaufen der Angebotsfrist oder – falls früher – der Lieferung der Wertpapiere eingetreten ist.1107) Das Verfahren betreffend die Beantragung, Billigung und Veröffentlichung des 276 Nachtrags entspricht demjenigen des Prospekts im Allgemeinen. Zuständig ist deshalb grds. der Prospekteinreicher des ursprünglichen Prospekts. Hinzutreten besondere Kennzeichnungs- und Informationspflichten gegenüber dem Anleger,1108) die auch einen in den Vertrieb eingeschalteten Finanzintermediär treffen können.1109) (4) Werbung für die prospektierten Wertpapiere Die (formalisierten) Informationspflichten der ProspR hindern interessierte 277 Parteien nicht daran, Werbung für die Wertpapiere zu machen, die ihrer Natur nach weniger aufklärerisch und informatorisch als der Prospekt ist.1110) Werbung muss aber immer eindeutig als solche erkennbar sein, und die Werbeaussagen dürfen nicht im Widerspruch zum Prospekt stehen.

___________ 1106) ProspR EG (66). 1107) ProspR Art. 23 (2) und (3). Näher: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Meyer, § 36.95 – 97. 1108) S. ProspR Art. 23 (2). 1109) ProspR Art. 23 (3). 1110) ProspR Art. 22; ProspR-DelVO 2019/979/EU EG (9) und Art. 13 – 17. Nach Ansicht des Gesetzgebers (ProspR EG (64)) ist die Fairness und Wahrheitstreue von Werbung sowie deren inhaltliche Übereinstimmung mit dem Prospekt von größter Bedeutung für den Anlegerschutz. Ihre Überwachung ist untrennbarer Bestandteil der Aufgaben der zuständigen Behörden.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

ee) EU Pass für Emittenten und die Sprachenfrage 278 Die Billigung eines Prospektes erfolgt durch die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaats des Emittenten und gilt für dessen Hoheitsgebiet. Herkunftsmitgliedstaat ist für alle in der EU ansässigen Emittenten von Wertpapieren grds. der Mitgliedstaat, in dem der Emittent seinen Sitz hat.1111) Emittenten aus Nicht-EU Mitgliedstaaten1112) – und ausnahmsweise auch Emittenten aus EU Mitgliedstaaten1113) – können ihren Herkunftsmitgliedstaat auf Grundlage bestimmter Regeln frei wählen.1114) 279 Sollen Wertpapiere in anderen Mitgliedstaaten als dem Herkunftsmitgliedstaat öffentlich angeboten oder zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen werden, ist dies möglich, sofern die ESMA und die zuständige Behörde jedes dieser sog. Aufnahmemitgliedstaaten im Rahmen einer sog. Notifizierung unterrichtet werden. Die Aufnahmemitgliedstaaten führen für die von der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaats gebilligten Prospekte (einschließlich Nachträge und endgültiger Bedingungen) keine eigenen Billigungs- oder Verwaltungsverfahren durch.1115) Man spricht vom EU Pass für Emittenten.1116) Die Regeln des – gebührenfrei durchzuführenden1117) – Notifizierungsverfahrens sehen vor, dass die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaats der zuständigen Behörde des Aufnahmemitgliedstaats innerhalb eines Arbeitstages nach Eingang eines entsprechenden Ersuchens des Emittenten1118) zusammen mit einer elektronischen Kopie des Prospekts eine Bescheinigung über die Bil___________ 1111) ProspR Art. 2 m) i). 1112) ProspR Art. 2 m) iii). Wertpapiere dieser sog. Drittland-Emittenten sind in den Anwendungsbereich der ProspR aufgenommen. Die Behörden des vom Drittland-Emittenten gewählten EU Herkunftsmitgliedstaats sollen Kooperationsvereinbarungen mit den Behörden der Drittländer abschließen (ProspR EG (70)). Die BaFin hat eine Vielzahl solcher Kooperationsvereinbarungen abgeschlossen – für den Bereich der Wertpapieraufsicht, aber auch für die Banken- und Versicherungsaufsicht (s. das Verzeichnis entsprechender Vereinbarungen: https://www.bafin.de/DE/Internationales/BilateraleZusammenarbeit/MoU/internationalekooperationsvereinbarungen_mou_node.html). 1113) Die Ausnahme betrifft Nichtdividendenwerte (Anleihen) mit einer Mindeststückelung von EUR 1.000 und solche, die das Recht verbriefen, bei Umwandlung des Wertpapiers oder Ausübung des verbrieften Rechts übertragbare Wertpapiere zu erwerben oder einen Barbetrag zu erhalten (sofern der Emittent der Nichtdividendenwerte nicht der Emittent der zugrundeliegenden Wertpapiere oder eine zur Unternehmensgruppe des letztgenannten Emittenten gehörende Einrichtung ist). In diesem Ausnahmefall kann alternativ der Mitgliedstaat als Herkunftsmitgliedstaat gewählt werden, in dem die Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen oder öffentlich angeboten werden sollen (ProspR Art. 2 m) ii)). 1114) S. zum Begriff des Herkunftsmitgliedstaats und zu den Regeln für seine Wahl oben Rn. 51–53. 1115) ProspR Art. 24 (1). 1116) Sandberger, EWS 2004, 297. 1117) ProspR Art. 25 (5). 1118) Falls das Ersuchen zusammen mit dem Prospektentwurf vorgelegt wird, innerhalb eines Arbeitstags nach Billigung des Prospekts.

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

ligung übersendet (Kopie an ESMA und an den Emittenten), aus der hervorgeht, dass der Prospekt im Einklang mit der ProspR erstellt wurde.1119) Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Sprachenfrage. Nach Einfüh- 280 rung der Prospekt-RiLi im Jahr 2003 (die bereits ein der ProspR vergleichbares Notifizierungsregime enthielt) hatte sich gezeigt, dass die Forderung einiger EU Mitgliedstaaten, dass Prospekte in die Landessprache zu übersetzen seien, zu einer starken tatsächlichen Behinderung europaweiter Wertpapierangebote führte. Dem Gesetzgeber der ProspR war es daher wichtig festzuhalten, dass allenfalls die Übersetzung der Zusammenfassung in die Amtssprache des Aufnahmemitgliedstaats verlangt werden könne.1120) Es gilt deshalb heute folgendes Sprachenregime:1121) Werden Wertpapiere nur im Herkunftsmitgliedstaat öffentlich angeboten oder zugelassen, so ist der Prospekt in einer von diesem Staat akzeptierten Sprache abzufassen.1122) Bei Angeboten/Zulassung auch in anderen Mitgliedstaaten ist der Prospekt je nach Wahl des Emittenten zusätzlich entweder in einer von diesen Staaten anerkannten oder in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache (Englisch) zu erstellen; es kann nur die Übersetzung der Zusammenfassung in die Amtssprache verlangt werden. 2. Derivate Bis 2008 waren Derivate in der EU kaum reguliert.1123) In Deutschland erfolgte 281 die Regulierung am ehesten über das allgemein auf Finanzinstrumente anwend-

___________ 1119) ProspR Art. 25 (1). Dasselbe Verfahren findet auf etwaige Nachträge zum Prospekt Anwendung und in entsprechender Anwendung auch auf endgültige Bedingungen eines Basisprospekts (ProspR Art. 25 (4)). Die Notifizierung erfolgt über das von der ESMA eingerichtete Notifizierungsportal (ProspR Art. 25 (6)). 1120) ProspR EG (67). 1121) Prospekt-VO Art. 27 (1) – (3). Die endgültigen Bedingungen und die Zusammenfassung für die einzelne Emission werden in derselben Sprache abgefasst wie der gebilligte Basisprospekt (ProspR Art. 27 (4)). 1122) Das kann die Amtssprache sein und/oder eine andere anerkannte Sprache. In Deutschland sind Deutsch und Englisch anerkannt, wobei die Zusammenfassung im Falle eines englischsprachigen Prospekts ins Deutsche zu übersetzen ist (WpPG § 21). Demzufolge kann ein Wertpapierprospekt auch bei komplett deutschen Sachverhalten in englischer Sprache erstellt werden. 1123) E/B-Bankrecht-Reiner/Scholl, § 94 Rn. 243.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

bare Anlegerschutzrecht.1124) Als Reaktion auf die Finanzkrise gibt es nun zwei Gesetze, die sich intensiv mit Derivaten beschäftigen: MiFIR (vornehmlich) und EMIR (ausschließlich). Hinzu tritt die (indirekte) Regulierung der Derivate über CRR-Eigenmittelvorschriften. a) Aufsichtsrechtlicher Derivatebegriff 282 Es überrascht, aber ist so: Weder im europäischen noch im deutschen (Aufsichts-)Recht gibt es eine Definition des Begriffs Derivat.1125) MiFID (und ihr folgend das WpHG) zählt in Anhang I.C einzelne Derivate-Kategorien (Optionen, Swaps, Futures etc.) auf und stellt einen Bezug zwischen diesen Kategorien und sog. Basiswerten (Finanzinstrumente, Waren etc.) her; außerdem nennt sie einzelne Derivatesonderfälle wie finanzielle Differenzgeschäfte und Kreditderivate. EMIR als Grundgesetz der Derivateregulierung verweist in Art. 2 Nr. 5 auf die Regelung der MiFID. CRR spricht in Art. 4 Nr. 50 von derivativen Finanzinstrumenten (ohne weitere Definition) und führt in Anhang II unter der Überschrift Arten von Derivatgeschäften Zins-, Währungs- und Gold-Derivatgeschäfte auf. Anstelle eines präzisen aufsichtsrechtlichen Begriffs gibt es also allenfalls eine gesetzliche Beschreibung der Elemente des Derivats: Ein (Fest- oder Options-)Geschäft zwischen zwei Parteien, das zeitlich verzögert zu erfüllen ist und dessen Wert sich von einem Basiswert ableitet.1126) ___________ 1124) Bis 2007 hatte Deutschland eigene Anlegerschutzregelungen. Finanztermingeschäfte waren nur gegenüber Personen mit sog. Termingeschäftsfähigkeit verbindlich. Nichttermingeschäftsfähige Personen konnten den Spieleinwand (BGB § 762) bzw. Differenzeinwand (BGB § 764 a. F.) erheben und sich so ihrer Verbindlichkeiten entledigen. Mit Einführung des 1. FMFG im Jahr 1989 galt der Grundsatz der Termingeschäftsfähigkeit kraft Information (BörsG §§ 50 – 70 a. F.). Hatte die eine Partei die andere über die spezifischen Risiken des Termingeschäfts (z. B. durch eine standardisierte Informationsschrift) informiert, war diese (für die Zwecke dieses Geschäfts) termingeschäftsfähig und konnte die Einwände nicht mehr wirksam erheben. Kaufleute waren auch ohne Aufklärung termingeschäftsfähig (BörsG § 53 (1) a. F.). 2002 wurde die Termingeschäftsfähigkeit im WpHG geregelt; der Differenzeinwand (BGB § 764 a. F.) wurde gestrichen und der Spieleinwand (BGB § 762) für Finanztermingeschäfte nach Maßgabe des WpHG § 37e ausgeschlossen. In WpHG § 37d (5) wurde ein von der Rechtsprechung zuvor entwickeltes zweistufiges Schutzmodell kodifiziert, indem geregelt war, dass neben die (schadenersatzbewehrte) Grundaufklärung gem. WpHG § 37d (1) zur Erlangung der Termingeschäftsfähigkeit die allgemeinen Aufklärungspflichten (anleger- und objektgerechte Beratung) treten. Die Einhaltung der Aufklärungspflichten wurde von der BaFin überwacht (WpHG § 37f). Durch das FRUG wurde 2007 die der Herstellung der Termingeschäftsfähigkeit dienende erste Informationsstufe des WpHG § 37d gestrichen (und die Regelung des § 37 e über den Ausschluss des Spieleinwands gem. BGB § 762 in § 99 überführt). Als Finanzinstrumente unterfallen Derivate heute den (im Vergleich zu früher sehr viel strengeren) allgemeinen Verhaltensregeln für Wertpapierfirmen (näher: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Apfelbacher/Kopp, § 27.22 – 25). 1125) E/B-Bankrecht-Reiner/Scholl, § 94 Rn. 2. Vielleicht wäre eine solche Definition sogar hinderlich (Zerey-Finanzderivate-Sachsen-Altenburg, § 7 Rn. 2). Im deutschen Recht ist der Begriff Derivat auch vergleichsweise neu. Früher sprach das Gesetz von Termingeschäft. Jetzt wird der Begriff Derivat unter Bezugnahme auf den Begriff Termingeschäft beschrieben (KWG § 1 (11)). 1126) Zerey-Finanzderivate-Donner, § 34 Rn. 7; Veil-Kapitalmarktrecht-Veil, § 8 Rn. 30.

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

b) Derivate-Grundgesetz (EMIR) aa) Die EMIR-Drei EMIR ist das zentrale EU Gesetz für die Regulierung von Derivaten. Es enthält 283 drei Grundregeln (EMIR-Drei):1127) x

Sämtliche Derivatekontrakte müssen an ein Transaktionsregister gemeldet werden (EMIR-Meldepflicht);1128)

x

(standardisierte) OTC-Derivate1129) müssen über eine Zentrale Gegenpartei (Central Counterparty – CCP)1130) gecleart werden (EMIR-Clearingpflicht);1131)

x

sollte eine EMIR-Clearingpflicht für ein OTC-Derivat nicht bestehen, müssen die Parteien bilateral Risikominderungstechniken anwenden, vor allem für angemessene Besicherung sorgen (EMIR-Risikominderungspflichten).1132)

bb) Betroffene Geschäfte und Parteien Grds. gilt EMIR für alle Geschäfte, die (unverbriefte) Derivate zum Gegen- 284 stand haben.1133) Im Einzelfall gelten allerdings viele Voraussetzungen, Einschränkungen und Ausnahmen, hinsichtlich derer beim Pflichtenkatalog der EMIR-Drei zu differenzieren ist.1134) Die wichtigste Differenzierung betrifft die (wirtschaftlichen1135)) Parteien (Gegenparteien) eines Derivategeschäftes. ___________ 1127) EMIR Titel II. Die EMIR-Drei gehen auf Beschüsse der Staats- und Regierungschefs der führenden Industrienationen im Rahmen des G20-Gipfels in Pittsburgh im Jahr 2009 zurück (G20, Leader’s Statement, The Pittsburgh Summit, 24./25.9.2009 S. 9.). 1128) EMIR Art. 9. 1129) OTC-Derivate oder OTC-Derivatekontrakte sind Derivatekontrakte, deren Ausführung nicht an einem geregelten Markt in der EU oder einem gleichwertigen DrittstaatenMarkt erfolgt (EMIR Art. 2 Nr. 7). S. näher zum Begriff des OTC-Handels oben Rn. 212. 1130) EMIR Art. 2 Nr. 1. 1131) EMIR Art. 4 – 8. 1132) EMIR Art. 11. 1133) EMIR Art. 1 (1). Adressaten von EMIR sind neben den Gegenparteien die CCP, deren Mitglieder und die Transaktionsregister (EMIR Art. 1 (2)). Von EMIR insgesamt ausgenommen sind die in EMIR Art. 1 (4) genannten staatlichen Einrichtungen. 1134) EMIR ist ein Paradebeispiel für ein nach dem Lamfalussy-Verfahren (s. o. Rn. 32) erlassenes Gesetz. Viele EMIR-Regelungen sind durch eine große Zahl von Level 2-Konkretisierungsrechtsakten näher ausgestaltet worden (Übersicht in: https://ec.europa.eu/ info/law/derivatives-emir-regulation-eu-no-648-2012/amending-and-supplementary-acts/ implementing-and-delegated-acts_en; s. näher (zum damaligen Stand): Litten/Schwenk, DB 2013, 857 II.3.a)). Obwohl EMIR in Deutschland unmittelbar gilt, gibt es ein deutsches EMIR-G, das Annextatbestände auf nationaler Ebene regelt und die EMIR-Vorgaben mit dem nationalen Aufsichts- und Insolvenzrecht verzahnt. 1135) Der Begriff wird genutzt zur Abgrenzung dieser Parteien von CCP und Clearingmitglied, die nur deshalb Vertragsparteien werden, um die von ihnen verlangten, aufsichtsrechtlich veranlassten Dienstleistungen zu erbringen.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

Bei ihnen unterscheidet EMIR zwischen finanziellen Gegenparteien (FGP)1136) und nicht-finanziellen Gegenparteien (nFGP),1137) d. h. in der EU ansässigen Unternehmen1138) der Realwirtschaft,1139) und knüpft daran unterschiedlichste Rechtsfolgen. Für nFGP gelten die EMIR-Drei nur insoweit dies ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist.1140) Ausdrücklich sieht EMIR die Clearingpflicht für nFGP vor, die über der EMIR-Clearingschwelle1141) liegen (nFGP+). Das ist der Fall, wenn die Durchschnittsposition der OTC-Derivategeschäfte eines Unternehmens über einen Zeitraum von 30 Tagen bestimmte (für unterschiedliche Derivatekategorien individuell festgelegte) Volumina übersteigt.1142) Bei der Berechnung dieser Durchschnittsposition sind allerdings sämtliche Derivatekontrakte außer Betracht zu lassen, die objektiv messbar zur Reduzierung der Risiken beitragen, die unmittelbar mit der Geschäftstätigkeit oder dem Liquiditäts- und Finanzmanagement dieser nFGP verbunden sind.1143) Die ___________ 1136) EMIR Art. 2 Nr. 8: Banken, Wertpapierfirmen, Versicherungen, Investmentfonds. Der Begriff der FGP deckt sich weitgehend mit dem in diesem Buch verwendeten Begriff der Finanzakteure (s. o. Rn. 5). 1137) Nichtfinanzielle Gegenpartei ist in EMIR Art. 2 Nr. 9 als Residualkategorie definiert, d. h. ein Marktteilnehmer ist nFGP, wenn er nicht FGP ist. 1138) Der Unternehmensbegriff ist in EMIR nicht definiert. Während privatwirtschaftliche Unternehmen regelmäßig als Unternehmen einzuordnen sein dürften, können sich für die öffentliche Hand schwierige Abgrenzungsfragen ergeben (vgl. Köhling/Adler, WM 2012, 2125, 2130), die an den (funktionalen) Unternehmensbegriff des europäischen Wettbewerbsrechts anknüpfen). Privatpersonen sind von vornherein nicht erfasst. 1139) Deren Einbeziehung in den unmittelbaren Anwendungsbereich eines finanz aufsichtsrechtlichen Gesetzes und damit in die Beaufsichtigung durch die Finanzaufsichtsbehörden war 2012 neu (und ziemlich revolutionär). Der Umfang der Pflichten der nFGP wurde durch EMIR-Refit allerdings (vor allem hinsichtlich der EMIR-Meldepflicht) wieder reduziert. 1140) EMIR Art. 1 (2), S. 2. nFGP haben neben den Pflichten unter der EMIR zusätzlich die durch das deutsche EMIR-G eingeführten Änderungen im WpHG zu beachten. Mittelgroße und große Kapitalgesellschaften (vgl. HGB § 267) sowie Personengesellschaften im Sinne des HGB § 264a können gem. WpHG § 20 unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet sein, sich durch einen geeigneten Prüfer bescheinigen zu lassen, dass sie über geeignete Systeme verfügen, um die Einhaltung der EMIR-Compliance-Pflichten sicherzustellen. 1141) EMIR Art. 10 (4) b). 1142) EMIR Art. 10 (1) 2. Ua i. V. m. (4). EMIR-DelVO 149/2013/EU Art. 11 legt für OTCDerivatekontrakte bzgl. Kreditrisiken als Schwellenwert einen Bruttonennwert von EUR 1 Mrd. fest. Für OTC-Derivatekontrakte bzgl. Zinsen, Devisen, Waren und sonstige Basiswerte liegen die Schwellenwerte bei jeweils EUR 3 Mrd. (Bruttonennwert). Zu beachten ist, dass, sobald die Schwelle für eine Kontraktklasse überschritten wurde, die Partei als clearingpflichtig für sämtliche der von ESMA definierten Kontraktklassen eingestuft wird, auch wenn die Schwellenwerte der anderen Kategorien noch (längst) nicht berührt sind (allerdings gilt das seit EMIR-Refit nicht für nFGP). nFGP haben ein Überschreiten der EMIR-Clearingschwelle der ESMA und der im jeweiligen Mitgliedstaat zuständigen Behörde unverzüglich mitzuteilen (EMIR Art. 10 (1.a)). EMIR-Refit erlaubt jeder Partei selbst zu entscheiden, ob sie Clearingschwellen berechnen will. Falls sie sich dagegen entscheidet, wird sie automatisch für alle Derivate clearingpflichtig (BaFin-VÖ-EMIR). 1143) EMIR Art. 10 (3). Die Einstufung als objektiv risikoreduzierend erfolgt nach drei alternativen Kriterien (näher: EMIR-DelVO 149/2013/EU Art. 10).

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

EMIR-Meldepflicht gilt hingegen für alle nFGP, also auch für diejenigen, die unter der EMIR-Clearingschwelle bleiben (nFGP-).1144) Bei den EMIR-Risikominderungspflichten ist wiederum zu differenzieren; z. B. besteht für und gegenüber nFGP- keine EMIR-Besicherungspflicht.1145) cc) EMIR-Meldepflicht Gegenparteien und CCP müssen Abschluss, Änderung und Einzelheiten ihrer 285 Derivatekontrakte1146) spätestens am folgenden Arbeitstag an ein Transaktionsregister1147) melden.1148) Der Komplexitäts- und Technisierungsgrad der EMIRMeldepflichten ist immens. Mitteilungspflichtig sind u. a. Angaben zu den Gegenparteien1149) und dem Derivatekontrakt selbst.1150) dd) EMIR-Clearingpflicht Die EMIR-Clearingpflicht1151) – genauer: Die Pflicht, ein bilateral zwischen 286 zwei Gegenparteien geschlossenes OTC-Derivategeschäft zentral über eine ___________ 1144) Zu der EMIR-Meldepflicht s. unten Rn. 285. Allerdings hat EMIR-Refit grundlegende Entlastungen der nFGP bzgl. der Meldepflicht eingeführt und überträgt sie in einer Reihe von Konstellationen ganz auf an den Kontrakten beteiligte FGP (EMIR-Refit Art. 9 (1a) a) – näher BaFin-VÖ-EMIR). 1145) Vgl. BdB-EMIR-Besicherungsdoku, A.3. Bei anderen EMIR-Risikominderungspflichten ist die EMIR-Clearingschwelle insofern von Bedeutung, als einige dieser Pflichten weniger strikte Anwendung finden, wenn es sich bei dem Normadressaten um eine nFGPhandelt (s. unten Rn. 287). 1146) Meldepflichtig sind alle in MiFID Anhang I.C Nr. 4 – 10 genannten Finanzinstrumente (EMIR Art. 2 Nr. 5). Jedenfalls erfasst sind damit alle klassischen börslich oder OTC gehandelten Derivate wie Zins-, Währungs-, Wertpapier-, Kredit- und RohwarenDerivate, nicht aber verbriefte Derivate (vgl. Köhling/Adler, WM 2012, 2125, 2128 mit weiteren Hinweisen zu Abgrenzungs- und Folgefragen). 1147) Ein Transaktionsregister (Trade Repository) ist eine juristische Person, die die Aufzeichnungen zu Derivaten zentral sammelt und verwahrt (EMIR Art. 2 (2)). Transaktionsregister sollen einen Datenpool vorhalten, auf den die Behörden zur Analyse und Bekämpfung von Finanzkrisen schnell zugreifen können. Transaktionsregister müssen bei der ESMA registriert (vgl. das in EMIR Art. 55 ff. und 78 ff. beschriebene anspruchsvolle Zulassungsverfahren für in der EU niedergelassene Transaktionsregister) oder von dieser anerkannt sein (vgl. das Anerkennungsverfahren in EMIR Art. 77 für in Drittstaaten ansässige Transaktionsregister). 1148) EMIR Art. 9 (1). Für clearingpflichtige Derivatekontrakte kommt es regelmäßig zu Mehrfachmeldungen, denn nach Abschluss des Kontrakts zwischen den Parteien (1. Meldung) sind auch die Spiegelungen des Geschäfts im Verhältnis zum CCP zu melden (2. Meldung). Ein Outsourcing der Meldepflichten ist zulässig (wovon in der Praxis auch viel Gebrauch gemacht wird). 1149) Vgl. EMIR Art. 9 (5a) und EMIR-DelVO 148/2013/EU Art. 1 (1a) i. V. m. Anhang Tabelle 1, u. a.: Name und Sitz der Partei sowie die Angabe, ob es sich um ein HedgingGeschäft handelt; teilweise auch Angaben zu Sicherheiten. Anzugeben ist der Legal Entity Identifier (LEI) – s. oben Rn. 218. 1150) Vgl. EMIR Art. 9 (5 b) und EMIR-DelVO 148/2013/EU Art. 1 (1b) i. V. m. Anhang Tabelle 2, u. a.: Produkt-ID, Preis, Nennbetrag, Art der Lieferung, diverse Terminangaben, Art des Rahmenvertrags und zahlreiche weitere kontraktspezifische Einzelangaben. Beachte jedoch die Regelungen der EMIR-Refit, die zu einer Entlastung der nFGP und zu zusätzlichen Pflichten für FGP führen (näher BaFin-VÖ-EMIR). 1151) EMIR Art. 4.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

CCP zu clearen – ist das Herzstück der EMIR. Unter Clearing versteht EMIR den Prozess der Erstellung von (Derivate-)Positionen (einschließlich der Berechnung von Nettoverbindlichkeiten) und der Besicherung der aus diesen Positionen erwachsenden Forderungen durch Finanzinstrumente oder Bargeld.1152) Beim sog. zentralen Clearing übernimmt die CCP bei jedem Abschluss eines Derivatekontrakts die Rolle der Gegenpartei für beide Seiten des Geschäfts.1153) Die beiden (wirtschaftlichen) Gegenparteien des Geschäfts sind nun gegenüber der CCP berechtigt und verpflichtet. Die CCP nimmt also jeder Partei das Risiko des Ausfalls ihres Gegenübers ab.1154) (1) Betroffene Geschäfte und Parteien 287 Der EMIR-Clearingpflicht unterliegen Derivate-Kontrakte, die geschlossen werden zwischen zwei FGP, einer FGP und einer nFGP+ oder zwei nFGP+.1155) D. h., dass Derivategeschäfte, an denen nFGP- beteiligt sind, nicht darunter fallen.1156) Ebenfalls ausgenommen sind zwischen Gegenparteien derselben Unternehmensgruppe geschlossene Geschäfte.1157) Außerdem muss der

___________ 1152) EMIR Art. 2 Nr. 3. 1153) EMIR Art. 2 Nr. 1. 1154) Schuster/Ruschkowski, ZBB/JBB 2014, 123, 124. Durch die EMIR-Clearingpflicht wandelt sich die Marktstruktur von einer bilateralen zu einer zentralen (EU Kom-Derivatemärkte, S. 6 f.). Ausnahmen bestehen, wenn mehrere CCP über sog. Interoperabilitätsvereinbarungen verbunden sind (vgl. EMIR Titel V sowie ESMA-VÖ-Interoperability). Das Ziel dieses erheblichen aufsichtsrechtlichen Eingriffs in den Markt ist es, Risiken für die Stabilität des Finanzsystems zu reduzieren. Durch die Konzentration der Risiken auf CCP und wenige Clearingmitglieder entstehen allerdings neue Systemrisiken. Dem versucht EMIR gegenzusteuern durch aufsichtsrechtliche Anforderungen an die CCP (die CCP bedarf einer Zulassung durch die zuständige Behörde ihres Niederlassungsstaats, die ihrerseits ESMA und ein Kollegium bestehend aus Behörden anderer EU Mitgliedstaaten bzgl. des Zulassungsantrags konsultieren muss – s. näher: EMIR Titel III), muss hohen aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Organisation, Verhaltensregeln, Risiko- und Liquiditätsmanagement und Transparenz genügen (EMIR Titel IV) und unterliegt der ständigen Aufsicht sowie Margin- und Segregationsregeln, die auch auf der Ebene der Clearingmitglieder und Kunden durchgesetzt werden (s. unten Rn. 288–291). Für die wirtschaftlichen Parteien hat CCP-Clearing unmittelbare Konsequenzen (erhöhter Bedarf an Sicherheiten; viele zusätzliche, komplexe Verträge), deren finanzieller und logistischer Aufwand dazu führt, dass viele Parteien CCP-Clearing vermeiden, wenn sie es können. 1155) EMIR Art. 4 (1) a) ii) – iv). Die EMIR geht in Art. 4 (1) a) iv) – v) über eine binnenmarktspezifische Betrachtung hinaus und unterwirft auch Drittstaatenunternehmen der Clearingpflicht, wenn – so die Kontrollüberlegung – diese in einem Drittstaat ansässigen Marktteilnehmer in der EU einer EMIR-Clearingpflicht unterlägen. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt soll sein, dass der Kontrakt unmittelbare, substantielle und vorhersehbare Auswirkung innerhalb der EU hat oder mit den Derivatekontrakten eine Umgehung der EMIR-Regelungen bezweckt wird. 1156) Zerey-Finanzderivate-Dittrich/Fried, § 33 Rn. 15: Beide Parteien müssen der EMIRClearingpflicht unterliegen. 1157) EMIR Art. 4 (2) a), soweit weitere materielle und formale Voraussetzungen erfüllt sind.

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

Kontrakt zu einer clearingpflichtigen Derivatekategorie1158) gehören (d. h. standardisiert sein).1159) Auf welche OTC-Derivatekontrakte dies zutrifft, wird in einem von den nationalen Aufsichtsbehörden und ESMA gesteuerten Prozess festgelegt1160) und publiziert.1161) (2) Besicherung (Margin) EMIR verlangt, dass Derivate bewertet werden1162) und dass der Schuldner der 288 aus der Bewertung resultierenden Netto-Verbindlichkeit diese Verbindlichkeit mit Sicherheiten (Margin oder Margensicherheiten genannt) unterlegt. Zum Zweck der Erreichung einer möglichst akkuraten Besicherung spaltet EMIR die Margensicherheitenanforderungen auf in Einschusszahlungen (Initial Margin – IM) und Nachschusszahlungen (Variation Margin – VM). VM deckt die vorstehend beschriebene Nettoverbindlichkeit (Marge), IM das Risiko der seit dem letzten Anpassungstermin eingetretenen Wertveränderung des Derivats.1163) Bei zentral geclearten Derivatekontrakten trifft die Pflicht zur (täglichen) Berechnung und Einziehung des Margins die CCP,1164) andernfalls die (wirtschaftlichen) Gegenparteien selbst.1165)

___________ 1158) D. h.: Eine Untergruppe von Derivaten, denen wesentliche Eigenschaften gemeinsam sind, darunter mindestens das Verhältnis zu dem zugrundeliegenden Vermögenswert, die Art des zugrundeliegenden Vermögenswertes und die Währung des Nominalwerts. Derivate derselben Kategorie können unterschiedliche Fälligkeiten haben (EMIR Art. 2 Nr. 6). 1159) EMIR Art. 4 (1) i. V. m. Art. 5 (2). 1160) S. die Darstellung des Verfahrens bei Gstädtner, RdF 2012, 145, 150, insbesondere zum sog. Bottom-Up and Top-Down-Approach. Gem. EMIR Art. 5 (4) zu beachtende Kriterien sind: (i) Standardisierungsgrad der Vertragsbedingungen und der operativen Prozesse bei der betreffenden Kategorie von OTC-Derivaten, (ii) Volumen und Liquidität der jeweiligen OTC-Derivatekategorie sowie (iii) Verfügbarkeit von fairen zuverlässigen und allgemein akzeptierten Preisbildungsinformationen der jeweiligen OTC-Derivatekategorie. 1161) Die Publikation erfolgt in einem Register, das auf der Website von ESMA veröffentlicht wird (EMIR Art. 6 (1) S. 2). 1162) Jedes Derivat ist ein Nullsummenspiel: Was die eine Partei gewinnt, verliert die andere. Grundlage dafür ist die Wertentwicklung des Basiswerts (z. B. bei einer Aktienoption) bzw. des Verhältnisses mehrerer Basiswerte zueinander (z. B. bei einem Währungsswap). Der Wert eines Derivats an einem beliebigen Zeitpunkt während seiner Laufzeit ist derjenige Betrag, den die eine Partei der anderen zu diesem Zeitpunkt schuldet. 1163) Näher: Zerey-Finanzderivate-Dittrich/Fried, § 33 Rn. 6. 1164) EMIR Art. 41. 1165) EMIR EG (24). Dazu s. unten Rn. 292–293.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

(3) CCP-Anbindung und Kontentrennung 289 Eine Gegenpartei kann sich auf drei Arten an eine CCP anbinden, um ihrer EMIR-Clearingpflicht genüge zu tun:1166) x

Als Clearingmitglied1167) (CM) über eine Clearing-Mitgliedschaftsvereinbarung mit der CCP (CM-Modell);

x

als Nicht-Clearingmitglied (Kunde)1168) über eine Clearingvereinbarung mit einem CM (K-Modell);

x

als Vertragspartner eines Kunden (Indirekter Kunde) über eine indirekte Clearingvereinbarung1169) mit dem Kunden eines CM (IK-Modell).

290 Je nach Anbindungsmodell sind also ein, zwei oder drei Vertragsbeziehungen zu betrachten.1170) Es entsteht eine Clearingkette, die, je weiter man ans untere Ende gelangt (zu den Kunden und Indirekten Kunden), umso vielgliedriger wird. EMIR verlangt von CCP und CM, dass Vermögenswerte (Derivatepositionen und Margensicherheiten) der (Indirekten und direkten Kunden) in der (gedachten) Insolvenz des CM getrennt von dessen sonstigem Vermögen gehalten werden.1171) Ein Insolvenzverwalter des CM soll keine Verfügungsbefugnis über die oder ein Anfechtungsrecht bzgl. der Kunden-Vermögenswerte erhalten, die – insolvenzrechtlich betrachtet – eine Art Sondervermögensmasse darstellen sollen.1172) Um dieses Ziel zu erreichen, verpflichtet EMIR CCP und CM, den Kunden und Indirekten Kunden entlang der Clearingkette die folgenden Modelle der Kontentrennung (sog. Segregation) zur Verfügung zu stellen: x

Omnibuskunden-Kontentrennung (Unterscheidung zwischen eigenen Konten des CM und allen Kundenkonten)

___________ 1166) EMIR Art. 4 (3) S. 2. 1167) EMIR Art. 2 Nr. 14. In der Praxis entscheidet sich nur eine überschaubare Anzahl durchweg größerer Banken dafür, CM bei einer CCP zu werden, da die dafür erforderliche Infrastruktur komplex und teuer ist. 1168) EMIR Art. 2 Nr. 15. 1169) Eine indirekte Clearingvereinbarung ist die Gesamtheit der Vertragsbeziehungen zwischen CCP, CM, Kunden und Indirekten Kunden, die es dem Kunden ermöglichen, Clearingdienste für den Indirekten Kunden zu erbringen (EMIR-DelVO 149/2013/EU Art. 1 b)). Voraussetzung ist, dass es sich bei dem Kunden um ein Kreditinstitut, eine Wertpapierfirma oder eine vergleichbare Drittstaateneinrichtung handelt (EMIR-DelVO 149/2013/EU Art. 2 (1)). Der Kunde muss zudem als Teilnehmer i. S. d. SFD qualifizieren (vgl. EMIR-DelVO 149/2013/EU EG (5)). 1170) Zur vertraglichen Umsetzung der Beziehungen (CCP-CM, CM-Kunde und KundeIndirekter Kunde) s. unten Rn. 431 ff. 1171) EMIR Art. 39 (1) – (4). Diese Anforderung gilt als erfüllt, wenn (i) die CCP getrennte Abrechnungskonten führt, (ii) die Aufrechnung über Abrechnungskonten hinweg nicht möglich ist und (iii) Verluste bei einem Abrechnungskonto nicht durch Guthaben auf anderen kompensiert werden dürfen (näher EMIR Art. 39 (9) EMIR). 1172) Litten/Schwenk, DB 2013, 857, II.3.a).

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

x

Einzelkunden-Kontentrennung (außerdem Unterscheidung zwischen individuellen Kundenkonten).1173)

Vermögenswerte in getrennten Omnibus- oder Einzelkunden-Konten müssen 291 von der CCP bei Ausfall eines CM auf Verlangen der Kunden (und ohne Zustimmungserfordernis des CM) auf ein anderes, von den betreffenden Kunden benanntes CM übertragen werden können (sog. Porting).1174) ee) EMIR-Risikominderungspflichten Schon vor EMIR mussten FGP Risikobegrenzung als Kernbestandteil einer 292 ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation betreiben.1175) EMIR präzisiert diese Pflicht für die nicht-zentral geclearten Derivatekontrakte der FGP und bezieht in den Adressatenkreis zudem nFGP mit ein. Sie schreibt vor, dass alle Gegenparteien operationelle und Ausfall-Risiken aus nicht zentral geclearten Derivategeschäften ermessen, beobachten und mindern müssen.1176) Insbesondere müssen sie x

(mündlich) geschlossene OTC-Derivategeschäfte rechtzeitig (schriftlich) bestätigen (rechtzeitige Bestätigung);1177)

___________ 1173) EMIR Art. 39 (1) – (5). Der wichtigste Unterschied zwischen beiden Modellen: Haben Kunden mit Einzelkunden-Kontentrennung überschüssige Margensicherheiten an die CCP geleistet, ist eine Verlustverrechnung für andere Abrechnungskonten nicht zulässig (EMIR Art. 39 (6)). CCP erhalten hingegen gem. EMIR Art. 39 (8) ein Verfügungsrecht über sämtliche Margensicherheiten (Rehypothecation), soweit es sich um Finanzsicherheiten in Form eines beschränkten dinglichen Rechts i. S. d. FCD handelt und die Nutzung derartiger Sicherungsvereinbarungen durch ihre Betriebsvorschriften (also die allgemeinen Geschäftsbedingungen) vorgesehen ist (näher: E/B-Bankrecht-Reiner/Scholl, § 94 Rn. 281). 1174) EMIR Art. 48 (5) – (6). Die CCP muss die Voraussetzungen für ein rechtlich wirksames Porting schaffen (EMIR Art. 48 (4)) und das Porting ermöglichen, indem sie die CM dazu anhält, entsprechende Portingvereinbarungen zu treffen. Scheitert eine Übertragung, muss die CCP die Positionen aktiv verwalten bzw. liquidieren. Das deutsche EMIR-G stellt u. a. die Insolvenzfestigkeit von unter der EMIR-Clearingpflicht gezahlten Margensicherheiten bei Ausfall eines CM klar (zum Klarstellungsbedürfnis vgl. EMIR-G-Gesetzesbegründung, S. 34). Die Insolvenzeröffnung (oder Sicherungsmaßnahmen im Insolvenzeröffnungsverfahren) bei Ausfall eines CM soll der effektiven Durchführbarkeit der in EMIR Art. 48 genannten Schutz- und Übertragungsmechanismen in Bezug auf Vermögenswerte und Positionen der Kunden nicht entgegenstehen. Art. 102b EGInsO sieht die Verwaltung, Glattstellung von Kunden- und Eigenhandelspositionen des (insolventen) CM, die Übertragung der Positionen sowie die Verwendung und Rückgewähr von Kundensicherheiten und nicht zuletzt den Ausschluss der Insolvenzanfechtung in Bezug auf die in Art. 48 EMIR enthaltenen Schutzmechanismen vor (vgl. Holzer, DB 2013 S. 443, 445 und Zerey-Finanzderivate-Fried, § 18). 1175) S. zur ordnungsmäßigen Geschäftsorganisation oben Rn. 157 ff. 1176) EMIR Art. 11 (1). 1177) EMIR Art. 11 (1) a). Bei der Frage, wie schnell die Geschäftsbestätigung zu erfolgen hat, um rechtzeitig zu sein, differenziert EMIR-DelVO 149/2013/EU Art. 12 zwischen nFGP+ und nFGP- sowie danach, welcher Art die getätigten Swap-Geschäfte waren und wann das Geschäft in welcher Zeitzone geschlossen wurde. Die Bestätigungsfristen liegen in der Regel zwischen 1 und 7 Tagen.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

x

den Bestand sämtlicher mit einer anderen Gegenpartei geschlossenen Derivategeschäfte regelmäßig evaluieren (Portfolioabgleich)1178) und prüfen, ob zur Verringerung des Gegenpartei-Ausfallrisikos eine Portfoliokonsolidierung durchgeführt werden kann (Portfoliokomprimierung);1179)

x

täglich auf der Basis der aktuellen Kurse den Wert ausstehender Geschäfte zu Marktpreisen (mark-to-market), hilfsweise zu Modellpreisen, ermitteln (Bewertung);1180) sowie

x

Streitigkeiten mit anderen Gegenparteien – auf Basis von vor Abschluss des OTC-Derivategeschäftes getroffenen detaillierten Vereinbarungen – zeitnah beilegen (Streitbeilegung).1181)

293 Herausgehobene Bedeutung hat die (für FGP und nFGP+ bestehende1182)) Pflicht, stets sicherzustellen, dass Forderungen aus nicht-zentralgeclearten

___________ 1178) EMIR Art. 11 (1) b). Die Umstände, unter denen derartige Saldenabgleiche der Derivateportfolios durchzuführen sind, müssen vor Geschäftsabschluss ausdrücklich vertraglich vereinbart sein. Sie erstrecken sich auf die zentralen Bedingungen, die für den einzelnen OTC-Derivatekontrakt kennzeichnend sind. Dabei knüpfen die vorgegebenen Intervalle (täglich, wöchentlich, quartalsweise, jährlich) an das Volumen ausstehender Derivatekontrakte und – bei nFGP – an die Frage einer etwaigen Schwellenwertüberschreitung an. So müssen z. B. nFGP- mit unter 100 OTC-Derivatekontrakten nur 1x pro Jahr einen Portfolioabgleich durchführen (vgl. EMIR-DelVO 149/2013/EU Art. 13). 1179) EMIR-DelVO 149/2013/EU Art. 14 Ua 2. Komprimierung muss 2x im Jahr durchgeführt werden zwischen Parteien mit mehr als 500 ausstehenden OTC-Derivatekontrakten. 1180) EMIR Art. 11 (2). Gilt für FGP und nFGP+. Details in: EMIR-DelVO 149/2013/EU Art. 16, 17. 1181) EMIR-DelVO 149/2013/EU Art. 15. 1182) Die EMIR-Besicherungspflicht gilt für FGP und nFGP+ (also nicht für nFGP-) und nur untereinander (also nicht gegenüber nFGP-). Maßgebliche Bedeutung erlangt in diesem Zusammenhang der Begriff der gruppeninternen Geschäfte. Verpflichtete Parteien können in dieser Situation unter den in EMIR Art. 11 (5) – (11) (sowie EMIR-DelVO 2016/2251/EU Art. 32 und 33) näher bestimmten Voraussetzungen von einer Sicherheitenstellung absehen. Ob und in welcher Konstellation ein gruppeninternes Geschäft vorliegt, hängt gem. EMIR Art. 3 (1) zunächst davon ab, (i) ob die Partei als FGP oder nFGP einzuordnen ist, (ii) ob beide Parteien in dieselbe Vollkonsolidierung einbezogen sind, (iii) wo die Partei ansässig sind (EU oder Drittstaat) und (iv) ob geeignete zentralisierte Risikobewertungs-, -mess- und -kontrollverfahren etabliert wurden. Erforderlich ist deshalb stets eine genaue Analyse der Konzernstruktur der betroffenen Partei, zumal Gruppenausnahmen für die Frage der Befreiung von der EMIR-Besicherungspflicht einer behördlichen Entscheidung bedürfen. Der genaue Inhalt der Mitteilungen an die zuständige Behörde wird ebenfalls im Verordnungsweg geregelt. So sind u. a. detaillierte Informationen zur Konzern- bzw. Gruppenstruktur, zu Art und (erwarteter) Höhe der Derivategeschäfte sowie Risikomanagementdokumentationen, historische Geschäftsverläufe und Kopien der relevanten Verträge, die zwischen den einzelnen Konzerneinheiten geschlossen wurden, ggf. einschließlich etwaiger Rechtsgutachten vorzulegen. Daneben müssen Parteien durch geeignete vertragliche und organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass ein tatsächliches oder rechtliches Hindernis der unverzüglichen Übertragung von Eigenmitteln oder der Rückzahlung von Verbindlichkeiten zwischen den Parteien weder vorhanden noch abzusehen ist (vgl. EMIR Art. 11 (5)). S. zum Ganzen: BdB-EMIR-Besicherungsdoku, A. 3 und 4.

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

OTC-Derivategeschäften1183) angemessen besichert sind (EMIR-Besicherungspflicht), wobei auch hier ebenso wie beim zentralen Clearing1184) zwischen VM und IM differenziert wird.1185) c) Derivate-Handelspflicht (MiFIR) FGP und nFGP+ müssen (nicht-gruppeninterne) Geschäfte mit Derivaten, die 294 einer in einem von der ESMA gem. MiFIR Art. 34 geführten Verzeichnis registrierten Kategorie angehören, an einem MiFID-Handelsplatz abschließen (MiFIR-Handelspflicht).1186) Auf welche Derivatekategorien dies zutrifft, wird in einem von den nationalen Aufsichtsbehörden und ESMA gesteuerten Prozess festgelegt.1187) d) Derivate-Eigenmittelunterlegung (CRR) Forderungen aus Derivategeschäften sind CRR-Risikopositionen und bedürfen 295 als solche der Unterlegung mit Eigenmitteln.1188) Für die Erfassung der aus einem Derivat (oder einem vergleichbaren Geschäft mit langen Erfüllungsfristen) resultierenden Risiken und der Berechnung der erforderlichen Beträge ist relevant, ob das Derivat dem Handelsbuch oder dem Anlagebuch1189) zuzuordnen ist und ob das Geschäft bilateral zwischen den Parteien oder über eine zentrale Gegenpartei gecleart wird.1190) Grds. gilt, dass das Ausfallrisiko der Parteien und damit die Eigenmittelunterlegung erheblich gemindert wird, wenn das Clearing über die zentrale Gegenpartei läuft.1191) Auch jenseits des zentralen Clearings kann die (erwiesen wirksame1192)) Vereinbarung von Nettingregelungen und Sicherheiten zu einer deutlichen Eigenmittelreduktion führen.1193) ___________ 1183) Die EMIR-Besicherungspflicht erfasst alle nicht zentral-geclearten OTC-Derivate, soweit nicht besondere Ausnahmeregelungen eingreifen (z. B. für einige physisch abgewickelte Derivateklassen (s. EMIR-DelVO 2016/2251/EU Art. 27, 37, 38) oder für Deckungsgeschäfte bei Pfandbriefen (s. EMIR-DelVO 2016/2251/EU Art. 30)). 1184) S. oben Rn. 286 f. 1185) EMIR Art. 11 (3) und EMIR-DelVO 2016/2251/EU Art. 10 und 11. Wichtige weitere Regelungen der EMIR-DelVO 2016/2251/EU umfassen Vorgaben für: (i) zulässige Sicherheitenklassen (Art. 4), (ii) Methoden der Sicherheitenbewertung einschließlich Abschlägen (Haircuts) (Art. 6), (iii) die Vermeidung von Konzentrationsrisiken (Art. 8) und (iv) von den Parteien zu vereinbarende Regelungen (Art. 2 (2) (a) – (g), 3 und 19 (3) – (5)). Näher: E/B-Bankrecht-Reiner/Scholl, § 94 Rn. 283 – 286. 1186) MiFIR Art. 28 (1). 1187) S. die Darstellung des Verfahrens bei Ostermann/Sickermann, RdF 2017, 100 – 107. Vornehmlich fallen Derivatekategorien darunter, die auch der EMIR-Clearingpflicht unterliegen (s. oben Rn. 286 f.). 1188) S. o. Rn. 139–153. 1189) CRR Art. 92 (3) a) und f), 107 (2), 111 (2), 271 ff. S. dazu, wie ein Geschäft dem einen oder dem anderen Buch zuzuordnen ist, oben Rn. 138. 1190) Vgl. CRR Art. 271 – 299 (bilaterales Clearing) und CRR Art. 300 – 311 (zentrales Clearing). 1191) S. zur Eigenmittelunterlegung bei den unterschiedlichen Clearingmodellen: E/B-Bankrecht-Reiner/Scholl, § 94 Rn. 313. 1192) Der Nachweis ist mittels Rechtsgutachten zu führen (s. unten Rn. 437 ff.). 1193) Zerey-Finanzderivate-Lange, § 32 Rn. 18 – 96.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

3. Investmentfonds 296 Der Investmentfonds ist ein Gefäß, in das mehrere Anleger Gelder einlegen, die ein Verwalter möglichst gewinnbringend für alle investieren soll.1194) Europäische Primärrechtsgrundlagen für das Investmentfondsrecht sind die UCITSund AIF-RiLi, die in Deutschland durch das KAGB umgesetzt sind. Die Anteile an einem solchen Investmentfonds (Investmentfondsanteile) sind Finanzinstrumente.1195) Die Verwaltung von Investmentfonds wird als Investmentgeschäft bezeichnet. Das Investmentgeschäft war in Deutschland ehemals als Bankgeschäft eingeordnet und insofern Kreditinstituten vorbehalten. Es kann nunmehr unter dem Begriff der kollektiven Vermögensverwaltung von sog. Verwaltungsgesellschaften ausgeübt werden. Wird es ohne die erforderliche Erlaubnis (oder Registrierung) betrieben, gilt es als unerlaubtes Investmentgeschäft, gegen das die BaFin einschreiten kann.1196) a) Grundbegriffe europäischer Investmentfonds 297 In europäischer Rechtsterminologie ist ein Investmentfonds ein Organismus für gemeinsame Anlagen (OGA), der von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren (und dabei kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors ist).1197) ___________ 1194) https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/geld-VersicherungsUnternehmen/sparenund-anlegen/investmentfonds-das-wichtigste-im-ueberblick-16618). Anders ausgedrückt: Ein Anlagemodell, das von den drei Grundprinzipien der Risikodiversifizierung, Fremdverwaltung und kollektiven Kapitalanlage geprägt wird (Canaris-Bankvertragsrecht, Rn. 2325-27). 1195) MiFID Anhang I Abschnit C Nr. 3, WpHG § 2 (4) Nr. 2, KWG § 1 (11) Nr. 5. Investmentfondsanteile unterscheiden sich von den übrigen Finanzinstrumenten auch dadurch, dass das Instrument selbst (der Anteil) und die beteiligten Akteure besonders eng miteinander verzahnt sind und sich das Instrument ohne Bezugnahme auf die Akteure kaum verstehen lässt. Deshalb werden in diesem Kapitel neben den aufsichtsrechtlichen auch zivilrechtliche Fragen betreffend Instrument und Akteure im Zusammenhang dargestellt. Auch die BaFin spricht davon, dass sie bei Investmentfonds neben der Aufsicht der Akteure (Solvenzaufsicht) und deren Verhalten (Marktaufsicht) eine Produktaufsicht vornimmt (https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/KVGenInvestmentfonds/Investmentfonds/investmentfonds_node.html). 1196) KAGB § 15. 1197) Diese Definition des Begriffs Investmentfonds deckt sich mit derjenigen, die in KAGB § 1 (1) S. 1 für den Begriff des Investmentvermögens verwendet wird, die wiederum weitgehend derjenigen des Begriffs des AIF in AIFMD Art. 4 (1) a) entspricht (näher: P/D/K-Investmentrecht-Schneider-Deters, KAGB § 1 Rn. 3). Der Begriff des Investmentvermögen erschwert jedoch die begriffliche Abgrenzung von Inhalt (Vermögensgegenstände) und Hülle (in der sich die Vermögensgegenstände befinden), so dass der Begriff Investmentfonds vorzugswürdig ist. Das EU Recht hat gar keinen eigenen Begriff für den Investmentfonds als solchen: CRR Art. 4 (1) Nr. 7 verwendet den Begriff OGA als Oberbegriff für UCITS und AIF. Das ist problematisch, weil der Begriff OGA auch als Bestandteil in der Definition von UCITS und AIFM auftaucht und insofern zu einem Zirkelschluss führt, als der Begriff OGA in der UCITSD und der AIFMD nicht definiert, sondern vorausgesetzt wird.

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

aa) Organismus für gemeinsame Anlagen Der OGA ist das Gefäß für das kollektive Anlagevermögen (er ist der Fonds 298 selbst). Kennzeichen des OGA ist, dass ein rechtlich oder wirtschaftlich (z. B. durch einen getrennten Rechnungskreis) verselbständigtes gepooltes Vermögen existiert, an dessen Chancen und Risiken (Gewinnen und Verlusten) mehrere Anleger beteiligt sind.1198) Die Rechtsstruktur des Pools oder die Art der Anlegerbeteiligung ist unerheblich.1199) bb) Verwaltungsgesellschaft Die festgelegte Anlagestrategie1200) wird von einer professionellen Verwaltungs- 299 gesellschaft (VG)1201) zum Nutzen der Anleger1202) umgesetzt. Die VG – die abhängig von der Rechtsform1203) des Investmentsfonds Organ des OGA sein oder als externe VG tätig werden kann1204) und, wenn sie in Deutschland ansässig ist, vom KAGB als Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) bezeichnet wird1205) – investiert nach dem Grundsatz der Risikomischung in (näher bestimmte) Vermögenswerte (Anlagegegenstände), die gemeinsam mit dem Kapital das Anlagevermögen des Fonds bilden. Sie betreibt damit kollektive Vermögens___________ 1198) Die rechtliche Struktur des OGA muss erlauben, dass mehrere Anleger Kapital geben; darauf, ob tatsächlich mehrere beteiligt sind, kommt es nicht an (BaFin KAGB-VÖ I.4). Die Einsammlung von Kapital muss gewerblich betrieben werden; daran fehlt es z. B. bei reinen Family Offices und Investmentclubs (BaFin KAGB-VÖ I.3). Zur aufsichtsrechtlichen Einordnung weiterer fonds-ähnlicher Anlagemodelle s.: K/M/F/SSeidenschwann-Harrer, B+K-Recht, Rn. 16.48 – 59. 1199) BaFin-VÖ-KAGB I.1 und 2. 1200) Die Anlagestrategie muss verbindlich und möglichst konkret festlegen, wie das Kapital investiert werden soll ((z. B. Anlage in bestimmte Anlagegegenstandskategorien, Beschränkungen bei der asset allocation, Verfolgung bestimmter Strategien, Anlage in bestimmte geographische Regionen, Beschränkungen des Leverage, bestimmte Haltefristen oder sonstige Risikodiversifikationsvorgaben). S. näher BaFin-VÖ-KAGB I.5). 1201) Der Begriff Verwaltungsgesellschaft wird in in UCITSD Art. 2 (1) b) verwendet (in CRR Art. 4 (1) Nr. 19 heißt es: Vermögensverwaltungsgesellschaft). In AIFMD Art. 4 (1) b) wird die VG als Alternative Investment Fund Manager (AIFM) bezeichnet und in KAGB §§ 1 (14) – (16) steht der Begriff für alle UCITS- und AIFM-Verwaltungsgesellschaften. 1202) Dies ist nicht der Fall, wenn das eingesammelte Kapital zum Nutzen des eigenen Unternehmens investiert wird. Davon geht die BaFin z. B. aus (BaFin-VÖ-KAGB I.6), wenn eine Bank ein Zertifikat emittiert, dessen Wertentwicklung an Aktien oder einen Index gekoppelt ist, solange die Bank in der Verwendung der Emissionserlöse frei ist und dem Anleger nicht verspricht, die Anlegergelder in die Aktien oder Indexbestandteile zu investieren. In diesem Fall verfolgt die Bank lediglich eine eigene Gewinnerzielungsabsicht. Eine Anlage zum Nutzen der Anleger dürfte regelmäßig auch dann nicht vorliegen, wenn die Bank einen Teil der über die Zertifikate eingenommenen Gelder in das Referenzportfolio investiert oder über einen Swap mit einem Dritten abbildet, solange die Investition bzw. der Swap ausschließlich dem Zweck dient, die eigenen Verlustrisiken gegenüber dem Inhaber des Zertifikates abzusichern (Hedging). 1203) Dazu unten Rn. 317. 1204) UCITSD Art. 29 (1); AIFMD Art. 5 (1); KAGB § 17 (2). S. näher unten Rn. 457–459. 1205) KAGB § 17 (1).

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

bzw. Portfolioverwaltung1206) und unterliegt deshalb einer Regulierung, die im Prinzip derjenigen von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen vergleichbar ist. Ebenso wie diese bedarf die VG einer Zulassung1207) (zumindest einer Registrierung1208)) durch die zuständige Behörde1209) ihres EU Heimatmitgliedstaats. Die Zulassung gilt für sämtliche EU Mitgliedstaaten1210) und ermöglicht es der VG, die Dienstleistungen grenzüberschreitend oder mittels Zweigniederlassungen in den sog. Aufnahmemitgliedstaaten zu erbringen.1211) Bedingungen für die Zulassung der VG sind: x

Ein Anfangseigenkapital von EUR 125.000,1212)

___________ 1206) Gem. KAGB § 17 (1) S. 2 liegt Verwaltung dann vor, wenn mindestens (kollektive) Portfolioverwaltung oder Risikomanagement für ein Investmentvermögen erbracht wird. Daneben zulässig sind mit der Verwaltung zusammenhängde administrative Tätigkeiten und der Vertrieb von eigenen Investmentfondsanteilen (UCITSD Art. 6 (2) S. 2 und Anhang II, AIFMD Art. 6 (3) und Anhang I, KAGB § 20 (2) und (3); KAGB § 1 (19) Nr. 24 fasst diese Tätigkeiten unter dem Begriff kollektive Vermögensverwaltung zusammen). Externe VG dürfen außerdem individuelle Portfolioverwaltung, Anlageberatung, Verwahrung, Anlagevermittlung sowie den Vertrieb fremder Investmentfondsanteile vornehmen (UCITSD Art. 6 (3), AIFMD Art. 6 (4), KAGB § 20 (2) und (3)). Die VG kann sich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben weiterer Dienstleister bedienen, z. B. einen professionellen Vermögensverwalter mit Anlageentscheidungen beauftragen. Letzteres wird sie häufig dann tun, wenn sie mehrere Investmentvermögen verwaltet. Zum Begriff der Portfolioverwaltung oben Rn. 97. 1207) UCITSD Art. 6 (1); AIFMD Art. 6 (1), 7 (1); KAGB § 20. ESMA führt ein öffentliches Zentralregister über zugelassene AIFM und der von ihnen verwalteten AIF (AIFMD Art. 7 (5)). 1208) In Deutschland wird unterschieden zwischen erlaubten und registrierten KVGen (KAGB §§ 44, 2 (4) – (5)). Registrierte KVGen müssen geringeren Anforderungen (bzgl. Eigenmitteln und Organisations- und Verhaltensregeln) genügen als erlaubte (und auf diesen Umstand im Fondsprospekt und den KIID deutlich hinweisen). Insbesondere registrierte KVGen, die ausschließlich (geschlossene) Spezial-AIF verwalten, unterliegen eingeschränkten Risiko- und Liquiditätsmanagementanforderungen und müssen ihr Anlagevermögen nicht von einer separaten Verwahrstelle verwahren lassen; für sie gilt auch nicht die KAMaRisk. Investmentfonds, die von registrierten KVGen verwaltet werden, dürfen nur von Wertpapierfirmen und nicht an Kleinanleger vertrieben werden und sind in ihrer Investmentfreiheit beschränkt (näher: Hantschel, BaFin Journal, Juli 2015, S. 29). 1209) In Deutschland ist die zuständige Behörde die BaFin (KAGB § 5 (1)). 1210) UCITSD Art. 6 (1); AIFMD Art. 8 (1) S. 2; KAGB §§ 17, 21. 1211) UCITSD Art. 16; AIFMD Art. 8 (1); KAGB §§ 49 ff. Voraussetzung für die Erbringung der Dienstleistungen in anderen EU Mitgliedstaaten ist allerdings eine entsprechende Absichtsanzeige bei der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaats der VG, die letztere an die zuständigen Behörden der betroffenen Aufnahmemitgliedstaaten unter Beachtung eines detailliert geregelten Anzeigeverfahrens weiterleitet (UCITSD Art. 17 und 18; AIFMD Art. 33 – im Falle eines AIFM kann eine Konsultation zwischen den zuständigen Behörden geboten sein (AIFMD Art. 8 (2)). Grds. unterliegt die grenzüberschreitende Tätigkeit den Regularien des Herkunftsmitgliedstaats (UCITSD Art. 19; AIFMD Art. 45 (1)), und die Herkunftsmitgliedstaatbehörden bleiben zuständig für die Überwachung (UCITSD Art. 10 (2)). Aber auch die Regeln des Aufnahmestaats sind zu beachten, und die Behörden des Aufnahmestaats haben gewisse Überwachungsrechte- und pflichten (AIFMD Art. 45 (2)) sowie Anspruch auf die für deren Überwachung notwendigen Informationen gegenüber der VG (UCITSD Art. 21; AIFMD Art. 45 (3); KAGB §§ 53 ff.). 1212) UCITSD Art. 7 (1) a); AIFMD Art. 9 (2); KAGB § 25 (1). Bei internen VG erhöht sich das erforderliche Anfangseigenkapital auf EUR 300.000. Bei Überschreiten bestimmter Vermögensverwaltungsgrenzen sind zusätzliche Eigenmittel erforderlich. Das Eigenkapital ist liquide anzulegen (AIFMD Art. 9 (8)).

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

x

ein (sich aus einem Geschäftsplan ergebende) angemessene Geschäftsorganisation,1213)

x

mindestens zwei zuverlässige und erfahrene Geschäftsleiter1214) sowie solide 300 Gesellschafter.1215)

Hinsichtlich der fortlaufenden Einhaltung der Solvenz- und Organisationsanforderungen sowie umfangreicher Transparenzpflichten1216) unterliegt die VG der ständigen Aufsicht der für sie zuständigen Behörde. Eine Auslagerung von Tätigkeiten der VG auf qualifizierte Dritte ist unter (gewissen) Einschrän___________ 1213) UCITSD Art. 7 (1), 12 (1); AIFMD Art. 12 ff., 18 ff.; KAGB §§ 26 ff. (sowie AIFMDDelVO 231/2013/EU, KAVerOV und KAMaRisk). Eine angemessene Geschäftsorganisation umfasst insbesondere: · Eine ordnungsgemäße Verwaltung und Buchführung (die u. a. ermöglicht, das Anlagevermögen zu bewerten und den NAV zu berechnen), · angemessenes Risiko- und Liquiditätsmanagement (besonderer Wert wird hierbei auf die Beschränkung von Hebelfinanzierungen und der Wiederverwendung von Sicherheiten gelegt (AIFMD Art. 15 (4)), · IT-Kontroll- und Sicherheitsvorkehrungen, · interne Kontrollverfahren (zu denen Regeln für persönliche Geschäfte der Angestellten gehören), durch die gewährleistet wird, dass jedes den Investmentfonds betreffende Geschäft nach Herkunft, Gegenpartei, Art, Abschlusszeitpunkt und -ort rekonstruiert werden kann und dass das Anlagevermögen entsprechend den jeweiligen Anlagebedingungen sowie den geltenden rechtlichen Bestimmungen angelegt wird, und · eine Vergütungspolitik und -praxis, die einem soliden Risikomanagement förderlich ist und weder zur Übernahme von Risiken ermutigt, die mit Risikoprofil, Vertragsbedingungen oder Satzung des von ihr verwalteten Investmentfonds nicht vereinbar sind, noch die VG daran hindert, pflichtgemäß im besten Interesse des Investmentfonds zu handeln (UCITSD Art. 14a (1); AIFMD Art. 13 und Anhang II; KAGB § 37). Organisatorisch gewährleistet sein muss zudem, dass das Risiko von Interessenkonflikten zwischen der VG und ihren Kunden bzw. zwischen zwei Kunden möglichst gering ist (UCITSD Art. 12 (1); AIFMD Art. 14). Als besonders sensibel gilt in diesem Zusammenhang die Inanspruchnahme der Dienste eines Primebroker. Ein Primebroker ist ein WpDU, das professionellen Anlegern als Gegenpartei für Geschäfte mit Finanzinstrumenten und/oder als Finanzierer solcher Geschäfte zur Verfügung steht; außerdem bietet der Primebroker typischerweise Clearing-, Settlement-, Custody- und Wertpapierleihe-Dienstleistungen an (vgl. AIFMD Art. 4 (1) z) af)), Zwischen VG und Primebroker sind deshalb gesonderte diesbezügliche Vereinbarungen zu treffen; ein Primebroker darf nicht als VS des AIF tätig sein (AIFMD Art. 21 (4) b)). Hauptverwaltung und Sitz der UCITS-VG müssen (aus Gründen einer effektiven Überwachbarkeit durch die zuständigen Behörden) in demselben EU Mitgliedstaat angesiedelt sein (UCITSD Art. 7 (1) d)). 1214) UCITSD Art. 7 (1) b); AIFMD Art. 8 (1) c). 1215) UCITSD Art. 8 (1); AIFMD Art. 8 (1) d). Dahinter steht die Überlegung, dass unsolide Gesellschafter negativen Einfluss auf das Geschäftsgebaren der VG nehmen können. Dieser Gedanke findet sich auch in der gesetzlichen Regel (UCITSD Art. 7 (2)), wonach die Zulassung der VG zu verweigern ist, wenn zwischen der VG und anderen Personen enge Verbindungen bestehen, die eine ordnungsgemäße Aufsicht behindern (wobei die Behinderung auch aus den Verwaltungsvorschriften eines Drittlandes resultieren kann, in dem diese Personen ansässig sind). 1216) S. unten Rn. 322 ff.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

kungen möglich, wobei die VG dadurch ihrer Verantwortlichkeit nicht enthoben wird und eine effektive Beaufsichtigung sicherstellen muss.1217) Bei der Ausübung ihrer Tätigkeit hat sie (MiFID vergleichbare) Wohlverhaltensregeln zu beachten1218) und mit Anlegerbeschwerden angemessen umzugehen.1219) cc) Verwahrstelle 301 Das Anlagevermögen muss von einer professionellen Verwahrstelle (VS)1220) – getrennt vom eigenen Vermögen und demjenigen der VG – verwahrt werden. Verwaltung und Verwahrung des Anlagevermögens sind (u. a. zur Vermeidung von Interessenkonflikten) strikt zu trennen; VG und VS dürfen nicht personenidentisch sein.1221) Die VS muss ein Kreditinstitut (oder eine vergleichbar regulierte und überwachte Einrichtung) sein.1222) Aufgabe der VS ist die – von den Vermögenswerten anderer Personen separierte, insolvenzfeste – Verwahrung des Anlagevermögens (Verwahrungsfunktion) und die Überwachung und Durchführung des ordnungsgemäßen Zahlungsverkehrs des Investmentfonds (Kontroll- und Settlementfunktion).1223) Außerdem hat die VS sicherzustellen, dass (i) die Ausgabe und Rücknahme von Investmentfondsanteilen sowie die Berechnung deren Wertes und (ii) die Verwendung der ___________ 1217) UCITSD Art. 13; AIFMD Art. 20; KAGB § 36; KAMaRisk Nr. 10. In der Praxis wird die eigentliche Anlagetätigkeit häufig auf einen Asset Manager (mit Expertise in der fraglichen Assetklasse ausgelagert), und die VG übernimmt nur die rechtliche Verwaltung (technische Durchführung) als Service-VG. Der Asset Manager betreibt dann seinerseits erlaubnispflichtige Finanzportfolioverwaltung gem. KWG § 1 (1a) S. 2 Nr. 3. Eine ebenfalls in der Praxis vorkommene Alternative besteht darin, dass die VG die Dienste eines externen Investment Advisors in Anspruch nimmt. 1218) UCITSD Art. 14 (1); AIFIMD Art. 12 ff.; KAGB §§ 26 ff. 1219) UCITSD Art. 15. 1220) In UCITSD Art. 2 (1) a); AIFMD Art. 21 und KAGB Abschnitt 3 als solche bezeichnet. 1221) UCITSD Art. 25 (1); AIFMD Art. 21 (4) a) und (10); KAGB §§ 70 (3), 85 (4). Diese Trennung darf auch nicht durch Auslagerung von Funktionen unterlaufen werden (vgl. AIFMD Art. 20 (2) a)). 1222) UCITSD Art. 23 (2); AIFMD Art. 21 (3); KAGB §§ 68 (2), 80 (2). Grds. soll sie im Herkunftsmitgliedstaat des Investmentfonds angesiedelt sein (UCITSD 23 (1); AIFMD Art. 21 (5); KAGB §§ 68 (2), 80)). 1223) UCITSD Art. 22 (4) – (8); AIFMD Art. 21 (7) – (8); KAGB §§ 69 ff., 81 ff. Die VS muss ständig in der Lage sein, über die Vermögenswerte Auskunft zu geben (UCITSD Art. 22 (6)) und darf die Vermögenswerte nicht im Rahmen von Wertpapierfinanzierungsgeschäften (s. unten Rn. 465 ff.) für eigene Zwecke weiterverwenden (UCITSD Art. 22 (7). Um der Bedeutung dieser Aufgabe weiteren Nachdruck zu verleihen, stellt der Gesetzgeber klar, dass die VS für den Verlust von verwahrten Finanzinstrumenten (und andere schuldhaft verursachte Schäden am Anlagevermögen) haftet (UCITSD Art. 24; AIFMD Art. 21 (12) – (15); KAGB §§ 77, 88). Durch UCITSD V von 2014 wurden die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die VS gemessen am bis dato geltenden Recht in vielerlei Hinsicht verschärft, um das infolge der Finanzkrise 2008 stark beschädigte Vertrauen der Anleger in die Finanzbranche zu restaurieren. Zum Reformeifer des Gesetzgebers trugen auch einige spektakuläre in dieser Zeit aufgedeckte Betrugsfälle bei, wie derjenige des Madoff-Ponzi Scheme (s. dazu unten Rn. 497), dem verschiedene UCITS Feeder Fonds Vorschub geleistet hatten. S. näher zu der Reform der Regulierung der VS: Alshaleel, European Company Law 2016, Nr. 1, S. 14, 15.

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

Erträge des Investmentfonds durch die VG gemäß dem anwendbaren nationalen Recht und den Vertragsbedingungen erfolgt.1224) Eine Auslagerung von Tätigkeiten der VS auf Dritte ist nur unter (starken) Einschränkungen möglich.1225) dd) Beteiligung des Anlegers (Investmentfondsanteile) Der Anleger ist über seine Investmentfondsanteile am Investmentfonds be- 302 teiligt.1226) Der Wert des Anlagevermögens wird ermittelt durch Abzug der Verbindlichkeiten vom (durch Bewertung1227) ermittelten) Vermögen des Investmentfonds. Der sich ergebende Wert ist der Nettoinventarwert (net asset value – NAV). Aus dem – durch Teilung des NAV durch die Anzahl der ausgegebenen Investmentfondsanteile ermittelten – NAV je Investmentfondsanteil1228) ergeben sich der Ausgabepreis eines Investmentfondsanteils (meist zzgl. Agio1229)) und sein Rücknahmepreis (gelegentlich abzgl. Gebühr).1230) b) Investmentfondskategorien Die UCITS- und AIF-RiLi (und ihnen folgend das KAGB) nennen eine Viel- 303 zahl von Kriterien, anhand derer sich Investmentfonds kategorisieren lassen. Die wichtigsten Kategorien (Investmentfondskategorien)1231) sind die folgenden: Grundform Anlagegegenstand

Typ

Anleger

Rechtsstruktur

UCITS

Wertpapiere

offen

Publikum

VF, TF, SF

AIF

keine Beschränkung

offen oder Publikum keine Begeschlossen oder Spezial schränkung

Sitzort EU EU oder Drittland

___________ 1224) 1225) 1226) 1227)

1228) 1229) 1230)

1231)

UCITSD Art. 22 (3); AIFMD Art. 21 (9); KAGB §§ 80 ff. UCITSD Art. 22 a); AIFMD Art. 21 (11). Zur zivilrechtlichen Ausgestaltung der Beteiligung s. unten Rn. 460. Bei geschlossenen Investmentfonds mindestens 1x im Jahr. Ergebnisse sind den Anlegern offen zu legen. Zu Bewertungsgrundsätzen und -verfahren bei offenen Publikumsfonds: KAGB §§ 168 – 170. Vgl. KAGB § 168. Aus dem Agio speisen sich häufig auch die Vertriebsprovisionen der beteiligten Wertpapierfirmen. I. d. R. legt die VG einen Orderannahmeschluss um die Mittagszeit fest. Danach wird der Preis für die bis dahin eingegangenen Kauf-/Verkaufsanträge ermittelt. Nach Orderschluss eingehende Anträge werden zum am nächsten Geschäftstag ermittelten Preis abgewickelt. Der Begriff Investmentfondskategorie im hier gebrauchten Sinne umfasst sämtliche Kriterien, nach denen Investmentfonds in diesem Kapitel gegliedert werden (ähnlich: M/K/J/H-KAGB-Mansfeld, Einl. Rn. 24). Er ist nicht zu verwechseln mit dem Begriff der Fondskategorie gem. KAGB § 4 (2) und der auf Basis dieser Vorschrift erlassenen BaFin-Fondskategorien-Richtlinie, die in Art. 2 (1) klarstellt, dass der Begriff dort zur Beschreibung der Anlagegegenstandsklassen verwendet wird, also in Bezug auf Aktien, Renten, Immobilien etc. Der Anlagegenstand eines Investmentfonds ist im hier verstandenen Sinne nur eine von sechs Kategorien.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

aa) Grundformen: UCITS und AIF 304 Das EU Recht kennt zwei Grundformen von Investmentfonds: x

UCITS (deutsch: OGAW),1232) d. h. ein Organismus, dessen ausschließlicher Zweck es ist, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung nach dem Grundsatz der Risikostreuung in Wertpapiere zu investieren, und dessen Anteile auf Verlangen der Anteilsinhaber zu Lasten des Anlagevermögens zurückgenommen werden.1233)

x

AIF,1234) d. h. jeder Organismus, der von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren, und dabei kein UCITS ist.1235)

305 Gemeinsam ist UCITS und AIF die vorstehend skizzierte InvestmentfondsGrundstruktur. Die Unterschiede manifestieren sich anhand der nachfolgend dargestellten Kriterien.1236) 306 Ein UCITS ist dadurch gekennzeichnet, dass er sich Gelder beim Publikum beschafft (also per Definition Publikumsfonds ist), diese Gelder (grds. nur1237)) in Wertpapiere (unterschiedlicher Emittenten) investiert und die an seine Anleger ausgegebenen Investmentfondsanteile auf Verlangen zu Lasten des Anlagevermögens jederzeit zurücknimmt (also vom offenen Typ ist1238)).1239) UCITS können eine Vertrags-, Trust- oder Gesellschaftsform haben.1240) Ein UCITS bedarf zur Ausübung seiner Geschäftstätigkeit der Zulassung durch die zuständige Behörde seines Herkunftsmitgliedstaats;1241) die Zulassung gilt für sämtliche EU Mitgliedstaaten.1242) Zu diesem Zweck prüft die Behörde auf ___________ 1232) UCITS steht für Undertakings for Collective Investments in Transferable Securities und OGAW für Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren. In diesem Buch wird einheitlich von UCITS gesprochen. 1233) UCITSD Art. 1 (2). Die UCITS-RiLi gehören zu den ältesten Regularien des EU Kapitalmarktrechts; sie unterlagen – und unterliegen weiterhin – ständigen Reformbemühungen. Im UCITS lebt der Ur-Gedanke des grenzenlosen europäischen Kapitalmarkts. Das zeigt sich neben dem Umstand, dass in einem Mitgliedstaat zugelassene UCITS und deren Organe ohne größere formale Behinderung in der ganzen EU vertrieben bzw. tätig werden können (vgl. UCITSD EG (8) und (11)) z. B. in dem Bemühen des Gesetzgebers, grenzüberschreitende Verschmelzungen von UCITS zu ermöglichen und dabei bewußt nationalstaatliche Barrieren zu überwinden (vgl. UCITSD EG (27) – (33)). Zu diesem Zweck enthält die UCITSD in Kapitel VI Verschmelzungsregelungen. 1234) AIF steht für Alternative Investment Fund. 1235) AIFMD Art. 4 (1) a). 1236) Die in Rn. 308–321 weiter erläutert werden. 1237) Ausnahmen s. unten Rn. 308 ff. 1238) UCITSD Art. 84. 1239) UCITSD Art. 1 (2). 1240) UCITSD Art. 6 (1). 1241) S. zum Begriff des Herkunftsmitgliedstaats oben Rn. 51–53. 1242) UCITSD Art. 5 (1). Das bedeutet auch: Ein UCITS muss seinen Sitz in der EU haben. Es gibt keinen Nicht-EU UCITS!

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

Antrag der VG (die ihrerseits der Zulassung durch die zuständige Behörde ihres Herkunftsmitgliedstaats bedarf1243)) Vertragsbedingungen oder Satzung des UCITS1244) und die Eignung der vorgeschlagenen (zwingend zu bestellenden1245)) VS.1246) UCITS unterliegen strengen Regularien namentlich im Hinblick auf ihre Investmenttätigkeit,1247) die Bewertung des Anlagevermögens und der Berechnung der Ausgabe- und Rücknahmepreise der Investmentfondsanteile1248) sowie der Vergütung ihrer Organe.1249) Die AIFMD unterscheidet sich von der UCITSD grds. zum einen hinsichtlich 307 ihres (materiellen) Fondsbegriffs, zum anderen durch ihren Gegenstand.1250) Während die UCITSD neben beteiligten Akteuren, VG und VS, auch den Investmentfonds als solchen reguliert,1251) beschränkt sich die AIFMD auf die Regulierung der VG, die als Alternative Investment Fund Manager (AIFM) bezeichnet wird:1252) Um AIFM zu werden, bedarf es einer Zulassung,1253) und ein AIFM unterliegt hinsichtlich seiner eigenen Organisation sowie der Verwaltung von AIF-Vermögen und des Vertriebs von AIF-Anteilen einer Reihe von Regularien.1254) Aus dieser Beschränkung resultiert jedoch kein enger Anwendungsbereich der AIFMD. Tatsächlich reguliert die AIFMD alle Investmentfonds, die keine UCITS sind.1255) Dies erreicht der Gesetzgeber durch die sehr weite generische Definition der Begriffe AIF und AIFM. Der sog. materielle Fondsbegriff1256) ergibt sich aus der gesetzlichen Definition des AIF als jedem Organismus für gemeinsame Anlagen, der kein UCITS ist, und von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie ___________ 1243) UCITSD Art. 5 (2). Zu den Zulassungsvoraussetzungen der VG s. oben Rn. 299. 1244) Ob Vertragsbedingungen oder Satzung ist abhängig von der Rechtsform des UCITS: Vertragsbedingungen bei Vertragsform, Satzung bei Gesellschaftsform (s. unten Rn. 317 f.). 1245) UCITSD Art. 22 (1). 1246) UCITSD Art. 5 (2). 1247) Z. B. dürfen sie grds. keinen Kredit aufnehmen (s. UCITSD Art. 83; eng begrenzte Ausnahmen für kurzfristige Kredite und für (eigengenutzten) Immobilienerwerb (zusammen maximal 15 % des Vermögens) sind möglich; KAGB § 199 erlaubt die Aufnahme kurzfristiger Kredite in beschränkter Höhe zu Marktkonditionen), vergeben oder dafür bürgen (UCITSD Art. 88). Verboten sind ihnen auch Leerverkäufe von Finanzinstrumenten (UCITSD Art. 89; KAGB § 205). 1248) UCITSD Art. 85. 1249) UCITSD Art. 90. 1250) Vgl. D/J/K/T-AIFM-Tollmann, Einleitung A Rn. 1 – 8. 1251) UCITSD Art. 1. 1252) AIFMD Art. 1. Die Regulierung der AIF als solcher bleibt ausdrücklich Sache der nationalen Gesetzgeber (AIFMD EG (10)). 1253) AIFMD Art. 6 (1). Zu den Zulassungsvoraussetzungen des AIFM (VG) s. oben Rn. 299. 1254) Anders als ein UCITS bedarf der AIF selbst aber keiner Zulassung. 1255) Das war auch ausdrücklich das gesetzgeberische Ziel (vgl. AIFMD EG (3)). 1256) M/K/J/H-KAGB-Mansfeld, Einl. Rn. 21; P/D/K-Investmentrecht-Schneider-Deters, KAGB § 1 Rn. 1.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

zum Nutzen dieser Anleger zu investieren.1257) Ausdrücklich statuiert die AIFMD, dass als Investmentfonds jeder dieser Organismen anzusehen ist – unabhängig von Typ, Rechtsform oder anderer Strukturmerkmale.1258) AIFM wird definiert als jede juristische Person, deren reguläre Geschäftstätigkeit darin besteht, AIF zu verwalten.1259) In den Anwendungsbereich der AIFMD einbezogen1260) sind zudem sog. Nicht-EU AIF1261) und Nicht-EU AIFM,1262) also Investmentvermögen bzw. VG, die ihren Sitz bzw. ihre Hauptverwaltung außerhalb der EU haben. Diese beinah uferlose Fonds-Definition erfordert Einschränkungen und Ausnahmeregelungen, um eine (gesetzgeberisch nicht gewollte1263) Ausweitung von Regulierung und Aufsicht auf Personen zu verhindern, deren eigentliche und hauptsächliche (berufliche) Tätigkeit nicht in der Vermögensverwaltung besteht oder die bereits anderweitig reguliert sind. Erreicht wird dies zunächst dadurch, dass einige Personen kategorisch von der Anwendbarkeit der

___________ 1257) AIFMD Art. 4 (1) a). In ESMA-VÖ-AIFMD verdeutlicht der Gesetzgeber sein weit ausgreifendes Verständnis dieser Begriffe etwa dadurch, dass von einer Anzahl von Anlegern bereits immer dann auszugehen ist, wenn es sich um mehr als einen Anleger handelt (Rn. 17) oder dass eine festgelegte Anlagestrategie anzunehmen ist, wenn das im Organismus gebündelte Kapital im Hinblick auf die Erzielung einer Gemeinschaftsrendite für die Anleger, bei denen das Kapital beschafft wurde, verwaltet werden soll (Rn. 20). Sehr ähnlich sind die Begriffsbestimmungen in KAGB § 1 (1) – (3). Hauptunterschiede sind, dass das KAGB als Oberbegriff für UCITS und AIF das Investmentvermögen bestimmt und aus dessen Tatbestand bereits herausnimmt operativ tätige Unternehmen außerhalb des Finanzsektors. Die AIFMD erzielt dieses Ergebnis (erst) über die Schaffung eines Ausnahmetatbestands für Holdinggesellschaften, die unter Bezugnahme auf die realwirtschaftliche Tätigkeit definiert werden. 1258) AIFMD Art. 2 (2). Wohingegen als UCITS nur ein Investmentfonds bezeichnet werden darf, der eine (formale) Zulassung der zuständigen Behörde erhalten hat (UCITSD Art. 5 (1)). 1259) AIFMD Art. 4 (1) b). 1260) AIFMD Art. 2 (1). 1261) AIFMD Art. 4 (1) k) und z) aa): Ein AIF, der weder in einem EU Mitgliedstaat zugelassen ist noch seinen Sitz/Hauptverwaltung in einem solchen hat. 1262) AIFMD Art. 4 (1) l) und z) ab): Ein AIFM, der seinen Sitz/Hauptverwaltung nicht in einem EU Mitgliedstaat hat. 1263) AIFM EG (6).

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

AIFMD ausgenommen werden.1264) Zudem besteht ein Ausnahmetatbestand für diejenigen AIFM, die ein Vermögen verwalten, das unterhalb bestimmter Schwellenwerte liegt.1265) Beinahe unbeschränkt ist hingegen die Vielfalt der Arten von Investmentfonds, die ein AIFM verwalten kann: x

Reine Wertpapierfonds oder solche, die in alle möglichen Arten von Anlagegegenständen investieren

x

Fonds des offenen oder des geschlossenen Typs

x

Fonds in Vertragsform, Trustform oder Gesellschaftsform

x

Publikumsfonds oder Spezialfonds

x

Fonds mit Sitz in einem EU Mitgliedstaat oder außerhalb der EU,

___________ 1264) Gem. AIFMD Art. 2 (3) (und KAGB § 2 (1)) sind dies: Holdinggesellschaften, SPV, supranationale Institutionen (z. B. die EZB) und nationale Zentralbanken, Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung und Sozialversicherung und Arbeitnehmerbeteiligungssysteme. Die Ausnahme der Holdinggesellschaften und SPV kann in der Praxis zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen bzw. Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen, um eine Regulierung durch die AIFMD zu vermeiden. Holdinggesellschaft ist jede Gesellschaft, die Unternehmensbeteiligungen hält und deren Geschäftsgegenstand darin besteht, durch diese Beteiligungen eine Geschäftsstrategie zur Förderung deren langfristigen Werts zu verfolgen, und bei der es sich um eine Gesellschaft handelt, die entweder (i) auf eigene Rechnung tätig ist und deren Anteile börsennotiert sind, oder (ii) die nicht mit dem Hauptzweck gegründet wurde, ihren Anlegern durch Veräußerung ihrer Beteiligungen eine Rendite zu verschaffen ((AIFMD Art. 4 (1) o)). Im deutschen Recht sucht KAGB § 1 (1) S. 1 durch die Aufnahme des Tatbestandmerkmals kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors in der Definition des Begriffs des Investmentfonds (Investmentvermögens) diesen Aspekt klarzustellen. Gem. BaFin-VÖKAGB I.7 sind insbesondere solche Unternehmen als operativ tätig anzusehen, die Immobilien entwickeln, Güter produzieren oder verkaufen oder sonstige Nicht-Finanzdienstleistungen anbieten. Auch Unternehmen, die sich im Rahmen ihrer operativen Tätigkeit fremder oder gruppeninterner Gesellschaften bedienen, sind als operativ anzusehen, solange die unternehmerischen Entscheidungen im laufenden Geschäftsbetrieb durch die ausdrückliche Vereinbarung von Lenkungs- und Weisungsrechten bei dem Unternehmen selbst verbleiben. Wenn ein operatives Unternehmen zusätzlich zu der operativen Tätigkeit noch Investitionen zu Anlagezwecken tätigt (z. B. Anlage in Finanzinstrumente), ist das unschädlich, solange die Investitionen untergeordnete Nebenoder Hilfstätigkeiten darstellen. 1265) AIFMD Art. 3 (2) (und KAGB § 2 (4)). Vom Anwendungsbereich der AIFIMD ausgenommen sind AIFIM, deren verwaltete Vermögenswerte nicht über einen Schwellenwert von EUR 100 Mio. hinausgehen (bzw. EUR 500 Mio. hinausgehen, wenn die AIF nicht hebelfinanziert sind), und die AIFM für einen Zeitraum von fünf Jahren nach der Tätigung der ersten Anlage in jeden dieser AIF keine Rücknahmerechte ausüben dürfen. Allerdings sind solche kleinen AIFIM nicht völlig unreguliert, sondern sie treffen Mindestpflichten im Hinblick auf eine transparente Anlagestrategie sowie Meldepflichten (vgl. AIFIMD Art. 3 (3); KAGB §§ 44 ff.). Die Ausnahme bedeutet auch, dass solche kleinen AIFM nicht vom EU Pass und der damit einhergehenden EU-weiten Tätigkeitsmöglichkeit profitieren (vgl. oben Rn. 53). Um dies dennoch zu ermöglichen, ist es ihnen freigestellt, sich freiwillig der AIFMD zu unterwerfen (AIFMD Art. 3 (4)).

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

und doch immer der Regulierung eines EU Mitgliedstaats und der Aufsicht seiner Behörden unterliegt.1266) bb) Anlagegrundsätze und-gegenstände 308 Zentrale Aspekte der Anlagepolitik eines Investmentfonds betreffen die Art der Anlagegegenstände und die Risikostreuung (Risikodiversifizierung).1267) Die Regelung dieser Aspekte kann sich aus den Vertragsbedingungen eines Investmentfonds (oder seiner Satzung) und aus dem Gesetz ergeben. 309 Bei UCITS folgt der begrenzte Anlagegegenstand und das Gebot der Risikostreuung bereits aus der gesetzlichen Definition. Die UCITSD präzisiert diese Vorgaben weiter. UCITS dürfen ihr Kapital nur anlegen in: x

Börsennotierte Wertpapiere und Geldmarktinstrumente1268)

x

Investmentfondsanteile anderer UCITS1269)

x

Sichteinlagen1270) und andere liquide Mittel1271)

___________ 1266) Besonders misstrauisch ist der Gesetzgeber gegenüber Private Equity Fonds und deren Versuchen, Rendite durch die Zerschlagung von erworbenen Unternehmen zu erzielen. AIFMD Art. 30 (KAGB §§ 287 – 292) verbietet die Zerschlagung innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten nach Kontrollübernahme durch den AIF. 1267) Näher zur Frage, warum es für einen Anleger sinnvoll sein kann, in einen Investmentfonds zu investieren und nicht direkt in den Anlagegegenstand: D/K/B-B+K-RechtGeibel, § 58 Rn. 1. 1268) UCITSD Art. 50 (1) a); KAGB §§ 193, 194. Die UCITSD hat einen von der MiFID und der ProspR (in Details abweichenden) Wertpapier- und Geldmarktinstrumentebegriff (vgl. UCITSD EG (35) und Art. 2 n) und o)). 1269) UCITSD Art. 50 (1) e); KAGB § 196 (nach deutschem Recht sind unter gewissen Beschränkungen auch Nicht-UCITS-Investmentfondsanteile erwerbbar). 1270) Einschließlich kündbarer Einlagen mit einer Laufzeit von höchstens zwölf Monaten bei EU Kreditinstituten oder gleichwertiger Kreditinstitute in Drittländern (UCITSD Art. 50 (1) f); KAGB § 195). 1271) UCITSD Art. 50 (2).

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

x

Derivate1272) und Wertpapierdarlehens- und -pensionsgeschäfte.1273)

Mindestens 90 % des Anlagevermögens eines UCITS muss aus börsennotierten 310 Wertpapieren und Geldmarktinstrumenten bestehen,1274) wobei grds. maximal 5 % der Instrumente von ein und demselben Emittenten begeben sein dürfen.1275) Die UCITS-VG muss das mit den einzelnen Anlagepositionen (insbesondere der Derivate) verbundene Risiko und das Gesamtrisiko des Anlageportfolios mittels eines eigenen Risikomanagement-Verfahrens jederzeit messen und überwachen können.1276) Die UCITS-Vertragsbedingungen (bzw. die Satzung) können diese gesetzlichen Regelungen weiter konkretisieren und spezifizieren.

___________ 1272) Nach EU Recht ist es UCITS grds. erlaubt, börsennotierte und OTC-Derivate einzusetzen. Gem. UCITSD Art. 50 (1) g) ist allerdings Voraussetzung, dass (i) der Einsatz nach den Vertragsbedingungen des Fonds zulässig, (ii) die Gegenpartei beaufsichtigt ist und (iii) die Derivate jederzeit zu Marktpreisen liquidiert werden können. Eine Beschränkung des Derivateeinsatzes auf Sicherungszwecke besteht nicht (vgl. UCITSD EG (43)). Der deutsche Gesetzgeber konkretisiert den Grundsatz der Derivatefreiheit in KAGB § 197 (1) und (2) dahingehend, dass inländische UCITS nur in Derivate investieren dürfen, denen Basiswerte zugrundeliegen, in die sie nach ihren Anlagebedingungen auch direkt investieren dürften (zu den Einzelheiten: Zerey-Finanzderivate-Schaffelhuber, § 29 Rn. 10 und 38); zudem darf sich das Marktrisikopotenzial des UCITS durch die Derivategeschäfte höchstens verdoppeln. Eine nähere Regulierung des Einsatzes von OTCDerivaten (sowie von Wertpapier-Darlehen und Pensionsgeschäften) erfolgt durch KAGB-DerivateV § 1 (1) (KAGB-DerivateV § 33 enthält auch spezielle Regelungen zu strukturierten Produkten mit derivativer Komponente). Für die übrigen (AIF) Investmentfonds gelten in Deutschland den UCITS-Regeln vergleichbare Vorschriften. KAGB § 218 S. 2 (Gemischte Investmentvermögen), § 220 (Sonstige Sondervermögen), § 230 (1) (Immobilien-Sondervermögen), § 284 (1) Nr. 3 (offene inländische SpezialAIF mit festen Anlagebedingungen) verweisen auf KAGB § 197 und damit auf die KAGB-DerivateV (näher: Zerey-Finanzderivate-Schaffelhuber, § 29 Rn. 15). Grds. kennt auch das deutsche Investmentfondsrecht keine Beschränkung des Einsatzes von Derivaten auf Absicherungsgeschäfte (Zerey-Finanzderivate-Schaffelhuber, § 29 Rn. 2). Allerdings sieht das KAGB eine solche Beschränkung in einigen Fällen vor: § 174 (1) S. 3 Nr. 2 (Feederfonds), § 225 (1) S. 2 (Dach-Hedge Fonds), § 253 (1) S. 1 Nr. 6 (Immobilien-Sondervermögen) und § 261 (3) (geschlossener Publikums-AIF). Offene SpezialAIF können die gesetzlichen Derivatebeschränkungen weitgehend abbedingen (KAGB § 284 (2) Nr. 2c)). 1273) KAGB §§ 200 – 203. 1274) UCITSD Art. 50 (2); KAGB § 198. 1275) UCITSD Art. 52 (1). Die 5 %-Grenze kann von den EU Mitgliedstaaten auf 10 % und in bestimmten Konstellationen auf bis zu 40 % (und höher) angehoben werden (vgl. UCITSD Art. 52 (2) – (5), 53 – 55). Deutschland hat von diesen Freiheiten Gebrauch gemacht (vgl. KAGB § 206 (1)), und im Praxisjargon spricht man von der hier geltenden 5-10-40-Regel: Es dürfen nicht mehr als 10 % des Anlagevermögens in Wertpapieren eines Emittenten angelegt werden, und alle Einzelpositionen von über 5 % des Gesamtportfolios dürfen zusammen maximal 40 % des Gesamtportfolios ausmachen. Danach muss der UCITS mindestens 16 Einzelwerte enthalten – 4 Werte zu je 10 % des Vermögens und 12 Werte zu je 5 %. In der Praxis schöpft kaum ein Investmentfonds diesen gesetzlichen Rahmen voll aus. Die meisten Fonds investieren in viel mehr Einzelwerte. 1276) Das Risikomanagement-Verfahren muss es ihr erlauben, eigenständige, von externen Ratingagenturen unabhängige Bonitätsbewertungen der Vermögenswerte vornehmen zu können (vgl. UCITSD Art. 51 (1)).

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

311 Ein AIFM bedarf zwar für jeden seiner AIF einer Anlagestrategie und Vertragsbedingungen (bzw. einer Satzung).1277) Die AIFMD enthält aber keine grundsätzlichen gesetzlichen Beschränkungen hinsichtlich der Anlagegegenstände oder ein Gebot der Risikostreuung (wohl aber Vorschriften zum Risiko- und Liquiditätsmanagement1278)). Anders ist dies im deutschen Recht. Hier gelten gesetzliche Anlagebeschränkungen und Risikostreuungsgebote auch für eine Reihe von AIF-Arten.1279) Detailliertere Auswahlgrundsätze für die Anlagegegenstände können sich aus den Vertragsbedingungen (bzw. der Satzung) ergeben, die von den Initiatoren des Investmentfonds gestellt werden. Je nach Art der zulässigen Anlagegegenstände wird in der Praxis1280) zwischen folgenden (offenen) Investmentfonds-Gattungen unterschieden: x

Aktien-/Renten/Geldmarkt/Index1281)-Fonds investieren in Wertpapiere.

x

Branchen(Sektoren)-Fonds investieren in Aktien bestimmter Industriezweige.

x

Länderfonds investieren in Finanzanlagen von Emittenten aus bestimmten Ländern (Regionen).

___________ 1277) Zu Beidem müssen Angaben im Zulassungsantrag gemacht werden (AIFMD Art. 7 (3) a) und c)). Die Vertragsbedingungen sind der zuständigen Behörde vorzulegen (AIFMD Art. 5 (2)). 1278) AIFMD Art. 15, 16. 1279) Zu den zulässigen Anlagegenständen s. unten Rn. 308 ff. Darüber hinaus sind in einzelnen Fällen konkrete prozentuale Höchstgrenzen für bestimmte Anlagegegenstände festgelegt, etwa für Gemischte Sondervermögen (KAGB § 219), Sonstige Investmentvermögen (KAGB § 221), Immobilieninvestmentvermögen (KAGB § 231) oder geschlossene Spezial AIF (KAGB § 285). Geschlossene Spezial AIF müssen ihre Anlagegegenstände vor Erwerb unabhängig bewerten und der Kaufpreis darf nicht wesentlich über Wert liegen (KAGB § 285 (1)). Ein ausdrückliches gesetzliches Gebot der Risikostreuung gilt generell für deutsche Investmentfonds des offenen Typs (vgl. KAGB §§ 110, 125), insbesondere für offene Publikums-AIF (KAGB § 214) und offene Spezial-AIF (KAGB § 282), aber auch für geschlossene Publikums-AIF (KAGB § 262 – hier wird die Art der Risikomischung genau definiert). 1280) Die Begriffe sind nur teilweise rechtlich definiert. Die Bezeichnung eines Investmentfonds darf jedoch nicht irreführend sein (KAGB § 4 (1)), d. h. keine falsche Vorstellung über seine wesentlichen Merkmale, z. B. in Bezug auf Risiken oder Anlagestrategie, hervorrufen. BaFin-Fondskategorien-RiLi Art. 2 legt fest, dass die Verwendung des Namens einer Fondskategorie (z. B. Aktien-, Renten- oder Immobilienfonds, Private Equity Fonds etc.) oder einer ihrer begrifflichen Bestandteile (z. B. Aktien, Renten, Immobilien etc.) erfordert, dass nach den Anlagebedingungen mindestens 51 % des Werts des Anlagevermögens in den namensgebenden Vermögensgegenstand angelegt sein müssen. 1281) Index-Fonds sind häufig ETF (s. unten). Sie können den Index physisch oder synthetisch replizieren. Bei der physischen Replikation erwirbt der Fonds die dem Index zugrundeliegenden Wertpapiere in der gleichen Gewichtung. Bei der synthetischen Replikation schließt die KVG eine (Total-Return-)Swapvereinbarung mit einem Dritten, unter der der Dritte sich zur Zahlung der Erträge der dem Index zugrundeliegenden Wertpapiere verpflichtet.

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

x

Misch(Multi-Asset)-Fonds und Hedge Fonds1282) investieren in Finanzanlagen unterschiedlicher Gattungen.

x

Private Equity-Fonds (und Venture Capital Fonds) investieren in Beteiligungen an nicht-börsennotierten Unternehmen.1283)

x

Immobilien-Fonds investieren in überwiegend gewerblich genutzte Immobilien (einschließlich Bauprojekte).1284)

x

Kreditfonds investieren in bestehende Kreditengagements oder vergeben selbst Kredite.1285)

___________ 1282) Gem. KAGB § 283 (1) sind Hedge Fonds offene inländische Spezial-AIF, deren Anlagebedingungen zusätzlich den Einsatz von Leverage oder Leerverkauf vorsehen. KAGB § 1 (19) Nr. 25 definiert Leverage als „jede Methode, mit der die Verwaltungsgesellschaft den Investitionsgrad eines von ihr verwalteten Investmentvermögens durch Kreditaufnahme, Wertpapier-Darlehen, in Derivate eingebettete Hebelfinanzierungen oder auf andere Weise erhöht.“ Bei Hedge Fonds steht die (zuweilen hochspekulative) Absicherung einer Gesamtposition gegen negative Marktentwicklungen im Vordergrund, weshalb sie häufig auch als Leerverkäufer auftreten. 1283) Nur vereinzelt trifft man in diesem Zusammenhang auf die Rechtsform der Unternehmensbeteiligungsgesellschaft (UBG). Einziger Geschäftszweck einer UBG ist, anderen Unternehmen (Wagnis-)Kapital zur Verfügung zu stellen durch Erwerb und Halten von Beteiligungen (UBGG § 2 (2)). Eine UBG darf unter dieser Bezeichnung nur als AG, GmbH, KG und KGaA mit einem Mindest-Grundkapital von EUR 1 Mio. betrieben werden. Die Dividendenerträge der UBG sind nach den Grundsätzen des KStG ohnehin steuerfrei (Schachtelprivileg). Zusätzlich ist die UBG gewerbesteuerbefreit (GewStG § 3 Nr. 23); dadurch sind, anders als bei anderen Holdingunternehmen, auch Zinserträge sowie Dividenden aus Minderheitsbeteiligungen gewerbesteuerfrei. Das ist allerdings ihr einziges Steuerprivileg (J/K/D-Investmentrecht, S. 16 Rn. 63). Da das UBGG kein verdrängendes Spezialgesetz ist (Weitnauer-VentureKap, S. 68 Rn. 22) und aufgrund seiner Anlagebeschränkungen für viele Private Equity Fonds wenig geeignet ist, hat sich die Rechtsform in Deutschland nicht durchsetzen können. 1284) Als offene Fonds unterliegen sie besonderen Regeln (z. B. Mindesthaltefrist von 24 Monaten, Kündigungsfrist von 12 Monaten, NAV-Berechnung nach speziellen Immobilienbewertungsmethoden); lediglich bei offenen Immobilienfonds kann nur die Treuhandlösung angewendet werden. Als geschlossene Fonds sind sie nur in Form der KG möglich, das HGB gilt ergänzend. 1285) In der EU gibt es den politischen Willen, die Vergabe von Krediten durch Fonds zu fördern (vgl. EU Kom-VÖ-Aktionsplan Kapitalmarktunion-2015, S. 11), was seinen Niederschlag auch darin findet, dass die AIFMD Investmentfonds die Kreditvergabe nicht untersagt und die speziell für AIF entwickelten Europäischen Fondslabels (s. unten Rn. 332) Kredite ausdrücklich als Anlagegegenstände nennen. In Deutschland entwickelte sich die gesetzliche Akzeptanz von Kreditfonds allerdings nur zögerlich und hat erst mit dem OGAW-V-Umsetzungsgesetz (BGBl. 2016 Teil I Nr. 11) eine gewisse Reife erlangt (vgl. https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/FachArt/2016/fa_bj_1610_Kreditfonds.html). Die aufsichtsrechtliche Herleitung ist komplex: Die Vergabe von Krediten ist Bankgeschäft und bedarf als solches einer Banklizenz (s. o. Rn. 126). Eine VG ist keine Bank. Als Kreditinstitute gelten seit 2016 gem. KWG § 2 (1) Nr. 3 b) – d) allerdings nicht (und bedürfen deshalb für ihre Tätigkeit auch keiner Banklizenz): Deutsche KVGen und InvGen, sofern sie nur die kollektive Vermögensverwaltung, ggf. einschließlich der Gewährung von Gelddarlehen, betreiben und nichtdeutsche VGen unter den gleichen und weiteren Voraussetzungen. Damit ist die Tür für die Vergabe von Krediten durch Investmentfonds in Deutschland grds. geöffnet (der rein derivative Erwerb bestehender Kreditforderungen ist nach Auffassung der BaFin schon seit langem gestattet, vgl. BaFin-VÖ-Kreditgeschäft; und KAGB § 20 (9) a. E. stellt (zu-

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x

Dachfonds investieren in Anteile anderer Investmentfonds (Zielfonds).1286)

312 Da geschlossene Investmentfonds typischerweise in einzelne Sachwerte investieren, steht hier der jeweilige Sachwert für den Gattungsbegriff Pate (FlugzeugFonds, Film-Fonds etc.). Möglich sind (für geschlossene Publikums AIF) aber auch sog. Blindpools, bei denen die Einzelwerte noch nicht konkret feststehen.1287) ___________ mindest für Investmentfonds) klar, dass dazu auch noch die nachträgliche Änderung der Bedingungen von Kreditforderungen zählt). KAGB § 20 (8) – (10) verbietet UCITSKVGen die Gewährung von Gelddarlehen, aber gestattet sie AIF-KVGen, wenn dies auf Grund der Regelungen in ELTIFR, EuVECAR, EuSEFR bzw. UBGG § 3 (2) i. V. m. § 4 (7), §§ 240, 261 (1) Nr. 8, 282 (2) S. 3, 284 (5) oder 285 (2) oder (3) erlaubt ist. Das führt dazu, dass die Vergabe von Gelddarlehen nur für Rechnung von geschlossenen Spezial-AIF (geschlossene AIF, deren Anteile nur von (semi-)professionellen Anlegern erworben werden können) und nur unter der Voraussetzung möglich ist, dass die KVG: (i) die Kreditaufnahme für Rechnung dieser AIF auf 30 % des Kapitals begrenzt, (ii) keine Gelddarlehen an Verbraucher vergibt und (iii) die Darlehensvergabe pro Kreditnehmer auf 20 % des AIF-Kapitals begrenzt ist. Zum Zwecke des Risikomanagements muss die kreditvergebende AIF-KVG über eine besondere Aufbau- und Ablauforganisation verfügen, insbesondere über Prozesse für die Kreditbearbeitung, ihre Kontrolle und für die Behandlung problematischer Darlehen sowie Verfahren zur Früherkennung von Risiken (KAGB § 29 (5a); KAMaRisk Nr. 5). Die kreditvergebende AIF-KVG muss also bankähnliche Strukturen entwickeln (wenn auch in deutlich geringerem Umfang als Kreditinstitute). Das gilt für die erlaubnispflichtige KVG ebenso wie für die registrierungspflichtige (KAMaRisk Nr. 5 Tz. 1; zur Differenzierung zwischen erlaubten und registrierten KVG s. oben Rn. 299). 1286) Dachfonds sind in Deutschland sowohl bzgl. UCITS (KAGB §§ 196, 207) erlaubt als auch hinsichtlich AIF (KAGB § 219). Als Begriff werden sie im KAGB im Zusammenhang mit Hedge Fonds genannt (KAGB §§ 225 ff.). Zur Gattung der Dachfonds zählen Master Feeder Fonds-Strukturen (die vom EU Gesetzgeber als besonders förderungswürdig angesehen werden (vgl. UCITSD EG (51) – (57)), bei denen über mehrere Feeder-Fonds (die häufig in unterschiedlichen Ländern angesiedelt sind) Kapital von Anlegern eingesammelt und in einem gemeinsamen Master Fonds gebündelt wird, um Economies of Scale-Effekte zu realisieren. Ein Investmentfonds wird zum Feederfonds, wenn er mindestens 85 % seines Vermögens in Anteile eines Masterfonds anlegt (KAGB § 1 (19) Nr. 11). Ein Masterfonds ist ein Investmentfonds, der Anteile an einen Feederfonds ausgegeben hat, aber seinerseits kein Feederfonds ist und keine Anteile an Feederfonds hält (KAGB § 1 (19) Nr. 11; s. auch UCITSD Art. 58 (1)). Begrifflich abzugrenzen von Dachfonds und Master Feeder-Strukturen sind Umbrellafonds und ihre Teilfonds. Beim Umbrellafonds befinden sich unter dessen Schirm mehrere (haftungs- und vermögensmäßig voneinander getrennte) Teilfonds (Teilgesellschaftsvermögen), die i. d. R. unterschiedliche Anlageschwerpunkte haben (häufig kann der Anleger ohne zusätzliche Kosten zwischen den Teilfonds wechseln). Die Anleger partizipieren nur an der Wertentwicklung des Teilfonds, in den sie investiert haben. UCITSD (Art. 1 (2) b), 37) und AIFMD (Art. 4 (1) a)) behandeln Teilfonds grds. wie (NichtTeil-)Fonds. Sinnvoll kann die Umbrellafonds-Struktur insbesondere sein, wenn mit Blick auf steuerbegünstigte Anleger (z. B. eine Stiftung) eine Befreiung von der Körperschaftsteuer für den Teilfonds ermöglicht wird (InvStG § 10). Unter dem KAGB sind solche Strukturen gegenwärtig nur für Investmentfonds des offenen Typs vorgesehen (KAGB §§ 117, 132). 1287) KAGB § 266 (2). Allerdings hat die BaFin einen Kriterienkatalog zur Verhinderung von reinen Blindpool-Konstruktionen bei geschlossenen Publikums-AIF entwickelt, der als Zielsetzung die Festlegung der Investitionskriterien für mindestens 60 % des investierten Kapitals vorschreibt.

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

cc) Offener und geschlossener Typ Investmentfonds des offenen Typs sind solche, deren Anteile vor der Liquida- 313 tionsphase auf Ersuchen eines Anteilseigners zurückgenommen werden (müssen).1288) Alle UCITS sind offene Investmentfonds,1289) AIF können offen oder geschlossen sein. Bei offenen Investmentfonds ist die Anzahl der Anteile und ihrer Inhaber unbestimmt. Je nach Anlegerinteresse werden neue Investmentfondsanteile ausgegeben und alte zurückgenommen – und zwar täglich zum gültigen NAV. Anteile offener Investmentfonds können – abhängig von der Rechtsform – an regulierten Handelsplätzen zugelassen und gehandelt werden (Exchange Traded Funds – ETF). Neben der Rückgabe an den Verwahrer steht den ETF-Anlegern als Liquidationsmöglichkeit dann der Verkauf über die Börse zur Verfügung.1290) Bei geschlossenen Investmentfonds sind Anlagesumme (und Anzahl der In- 314 vestmentfondsanteile) und Laufzeit von vornherein festgelegt. Am Laufzeitende wird das Anlagevermögen liquidiert und die Erlöse an die Anteilsinhaber ausgeschüttet. Anlagegegenstände sind typischerweise kostspielige Sachwerte (Schiffe, Flugzeuge, Energieanlagen, Filme, Immobilien), die der Investmentfonds mit eigenen Mitteln, häufig auch unter Zuhilfenahme von Fremdkapital erwirbt, verwaltet und schließlich wieder veräußert.1291) Aus der von vornherein festgelegten Laufzeit des Investmentfonds resultiert auch, dass die Anleger typischerweise weder ein Investmentfondsanteils-Rückgaberecht noch ein Kündigungsrecht vor Laufzeitende haben und mangels Börsennotierung häufig nur ein sehr eingeschränkter Zweitmarkt für die Anteile existiert. Vom offenen oder geschlossenen Typ (und der mit dem Typ korrelierenden 315 Rechtsform) hängt auch die Rechtsstellung des Investmentfondsanteilsinhabers ___________ 1288) AIFMD-DelVO 694/2014/EU Art. 1 (3); KAGB § 98 (1). Allerdings kann in den Anlagebedingungen vorgesehen werden, die Rücknahme der Anteile auszusetzen, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine Aussetzung unter Berücksichtigung der Interessen der Anleger erforderlich erscheinen lassen. Solange die Rücknahme ausgesetzt ist, dürfen keine Anteile ausgegeben werden (vgl. KAGB § 98 (2)). 1289) UCITSD Art. 3 a). 1290) Das mag insbesondere dann interessant sein, wenn die Investmentfondsanteile mit Aufschlägen ausgegeben und/oder mit Abschlägen zurückgenommen werden. Auch können der – von Angebot und Nachfrage bestimmte – Börsenpreis und NAV der ETF voneinander abweichen. Der Markt für ETF ist in den letzten Jahren substantiell gewachsen. Das liegt aber nicht in erster Linie an ihrer Börsennotierung, sondern daran, dass sie i. d. R. passiv verwaltet werden, d. h. die Wertentwicklung eines Index (deshalb auch Indexfonds genannt) abbilden (sog. tracking) und deutlich weniger Kosten generieren als aktiv verwaltete Investmentfonds, deren Verwaltungsgebühren mehr als das Zehnfache betragen können. Die ETF-Verwalter werden auch als passive Investoren oder Aktionäre bezeichnet (vgl. demgegenüber den aktivistischen Aktionär (s. unten Rn. 382); zum Spannungsverhältnis zwischen beiden Aktionärsgruppen: Klöhn, ZHR 185 (2021), 182). 1291) Typischerweise durchläuft der geschlossene Investmentfonds die drei Phasen der Platzierung (Einwerbung des Eigenkapitals; mit der Erreichung des Zielkapitals wird der Fonds geschlossen), Bewirtschaftung (z. B. Erwerb und Vermietung des Anlagegegenstands) und Liquidation (Veräußerung des Anlagegegenstands und Ausschüttung des Veräußerungserlöses an die Anleger).

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

ab. Während sie beim offenen Typ diejenige eines passiven Investors ist, dessen Rechte letztlich auf Gewinnansprüche beschränkt sind, kann die Kapitalanlage in einem Investmentfonds des geschlossenen Typs deutlich unternehmerischer geprägt und der Anleger gehalten sein, sein – im Umfang von der Höhe der Beteiligung abhängiges – Stimmrecht zum Zwecke der Mitgestaltung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Fonds auszuüben. dd) Publikums-Fonds und Spezial-Fonds 316 Publikums-Fondsanteile können von allen Anlegern erworben werden. Alle UCITS sind Publikums-Fonds. AIF können (im deutschen Recht) auch als Spezial-Fonds1292) ausgestaltet sein und als solche nur von professionellen1293) und semiprofessionellen1294) Anlegern (hier zusammen als (semi-)professionelle Anleger bezeichnet) erworben werden.1295) Typisch für Spezial-Fonds ist ein hohes Anlagevolumen pro Anleger und eine geringe Anlegerzahl. Generell sind Publikums-Fonds einem strengeren Aufsichtsregime unterworfen als Spezial-Fonds.1296) Das zeigt sich im deutschen Recht insbesondere bei den gesetzlichen Anforderungen an die Transparenz1297) und die Anlagepolitik.1298) ___________ 1292) Wobei dann im KAGB zwischen offenen und geschlossenen Spezial AIF unterschieden wird und bei den offenen weiter zwischen Allgemein Offenen Spezial AIF (KAGB § 282), Hedge Fonds (KAGB § 283) und Offenen Spezial AIF mit festen Anlagebedingungen (KAGB § 284). 1293) Der Begriff des professionellen Anlegers deckt sich mit demjenigen des professionellen Kunden in MiFID Anhang II (vgl. KAGB § 1 (6) Nr. 1). 1294) Semiprofessioneller Anleger ist ein Anleger, der (i) mindestens EUR 200.000 investiert, (ii) schriftlich erklärt, die Risiken zu kennen, (iii) Sachverstand hat, (iv) für den das Investment nach Ansicht der VG angemessen ist und (v) dem die VG die Sachverhalte gem. (iii) und (iv) schriftlich bestätigt hat (vgl. KAGB § 1 (19) Nr. 33). Näher zum Begriff: B/BH/W-Anlegerschutz-Otto, Teil 1, Kapitel 1 KAGB § 1 (19) Rn. 28 – 30. 1295) KAGB § 277. 1296) Das KAGB differenziert dann noch einmal zwischen dem offenen und dem geschlossenen Typ von Publikumsfonds. Die Regulierungsunterschiede sind aber nicht grundsätzlicher Natur, sondern eher marginal. 1297) Für alle Publikums-Fonds besteht die Pflicht, einen Verkaufsprospekt und ein Dokument mit wesentlichen Anlegerinformationen zu erstellen und dem Publikum in jeweils aktueller Fassung zugänglich zu machen (KAGB §§ 164 (1), 268 (1)). Außerdem existieren detaillierte Regelungen für Mindestangaben in den Anlagebedingungen (KAGB §§ 162 (2), 267 (2)), die als Ganze der Genehmigung durch die BaFin bedürfen (KAGB §§ 163, 267). Für Spezial-Fonds besteht keine Prospektpflicht; Anlagebedingungen sind der BaFin vorzulegen (KAGB § 273). 1298) Offene Publikums-AIF dürfen nur als (so im Gesetz bezeichnete) Gemischte Investmentvermögen, Sonstige Investmentvermögen, Dach-Hedge Fonds oder Immobilien-Sondervermögen aufgelegt werden (KAGB § 214). Diese AIF-Ausformungen unterliegen zudem gesetzlichen Anlagebeschränkungen auf bestimmte Gattungen von Anlagegegenständen. Im Fall von Gemischten und Sonstigen Investmentvermögen gleichen die Beschränkungen denjenigen für UCITS (KAGB §§ 219 (1), 221 (1)). Dach-Hedge Fonds sollen nur in ZielHedge Fonds investieren (KAGB § 225 (1)) und Immobilien-Sondervermögen nur in Grundstücke und daran bestehende dingliche Rechte (KAGB § 232 (1)). Auch geschlossene Publikums-AIF unterliegen gesetzlichen Anlagebeschränkungen auf bestimmte Gattungen von Anlagegegenständen (KAGB § 261 (1) und (2)); Derivategeschäfte dürfen nur zu Hedgingzwecken getätigt werden (KAGB § 261 (3)). Spezial-AIF haben die größte gesetzliche Anlagefreiheit, die grds. nur dadurch begrenzt ist, dass sie in Vermögensgegenstände investieren müssen, deren Verkehrswert ermittelt werden kann (für den offenen Typ s. KAGB § 282 (2) und für den geschlossenen Typ KAGB § 285 (1)).

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

ee) Organisations- und Rechtsformen Das EU Recht ermöglicht es den nationalen Gesetzgebern, unterschiedliche 317 Organisationsformen für Investmentfonds vorzusehen, solange einige fundamentale Grundsätze gewahrt sind (insbesondere die insolvenzrechtliche Separierung des Anlagevermögens). Zur Verfügung stehen (mindestens) folgende Organisationsformen:1299) x

Vertragsform – das Anlagevermögen steht im Eigentum der Anleger (oder der VS als Treuhänderin) und wird von einer VG verwaltet; Verfügungsmacht über das Anlagevermögen hat die VS.1300)

x

Gesellschaftsform – das Anlagevermögen steht im Eigentum einer Investmentgesellschaft, an der die Anleger beteiligt sind, und die es der VS zur Verwahrung übergibt; die Investmentgesellschaft verwaltet das Anlagevermögen selbst oder beauftragt damit eine (externe) VG.

x

Trustform (Unit Trust) – das Anlagevermögen steht im Eigentum eines Treuhänders (häufig die VS), der es im Interesse der Anleger hält, und wird von der VG verwaltet.

Nach deutschem Recht können Investmentfonds in Vertragsform oder Gesell- 318 schaftsform aufgesetzt werden. Dafür stellt das KAGB die Rechtsformen des Sondervermögens (SV) und der Investmentgesellschaft zur Verfügung.1301) ff) Nicht-EU Investmentfonds Die Einbeziehung von außereuropäischen Verwaltern und Anlagevermögen in 319 den Anwendungsbereich der AIFMD macht es erforderlich, Regelungen über deren Organisation bzw. Vertrieb zu treffen. Dabei verfährt der Gesetzgeber nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung: Nicht-EU AIFM sollen die gleichen Rechte und Pflichten haben wie EU AIFM,1302) ohne dabei freilich den Anlegerschutz zu beeinträchtigen.1303) Dieser Grundsatz wird in der AIFMD wie nachfolgend beschrieben umgesetzt. Ein EU AIFM darf Nicht-EU AIF verwalten, wenn er alle in der AIFMD fest- 320 gelegten Anforderungen (mit Ausnahme derjenigen aus Art. 21 (Verwahrstelle) und Art. 22 (Jahresbericht)) erfüllt, und geeignete Vereinbarungen über die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden des Herkunftsmitglied___________ 1299) UCITSD Art. 1 (3); AIFMD 2 (2) b). 1300) Die Vertragsform hat ihren Namen daher, dass anders als beim Investmentfonds in Gesellschaftsform der Anleger nur in einer vertraglichen (und nicht auch gesellschaftsrechtlichen) Verbindung zur VG steht, die durch die Anlagebedingungen (und das Gesetz) konkretisiert werden ((K/M/F/S-Seidenschwann-Harrer, B+K-Recht, Rn. 16.81). 1301) S. unten Rn. 451. 1302) AIFMD EG (64). 1303) AIFMD EG (61).

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

staats1304) des AIFM und den Aufsichtsbehörden des Drittlands bestehen, in dem der Nicht-EU AIF seinen Sitz hat.1305) Bei Vorliegen bestimmter weiterer Voraussetzungen darf der AIFM Anteile dieser AIF zudem an professionelle Anleger grenzüberschreitend in der EU vertreiben.1306) 321 Ein Nicht-EU AIFM bedarf für die Verwaltung und/oder den Vertrieb von EU AIF einer Genehmigung der zuständigen Behörden seines sog. Referenzmitgliedstaats.1307) Grds. muss der AIFM dafür alle Anforderungen der AIFIMD erfüllen (mit Ausnahme der speziellen Regelungen über den Vertrieb1308) von EU AIF und der grenzüberschreitenden Verwaltung1309) von EU AIF).1310) c) Transparenzpflichten für Investmentfonds 322 Investmentfonds treffen umfangreiche Transparenzpflichten, die in vielerlei Hinsicht nach den einzelnen Investmentfondskategorien differenzieren.1311) Alle Investmentfonds müssen Jahres- und Halbjahresberichte (innerhalb von vier bzw. zwei Monaten nach Ende des jeweiligen Berichtszeitraums) veröf-

___________ 1304) S. zum Begriff oben Rn. 51–53. 1305) AIFMD Art. 34 (1). 1306) S. zu diesen weiteren Voraussetzungen AIFMD Art. 35 (1) und (2), wobei die EU Mitgliedstaaten Erleichterungen zulassen können (AIFMD Art. 36). Voraussetzung für den (grenzüberschreitenden) Vertrieb in der EU ist die Einhaltung eines Verfahrens, das weitgehend mit dem Genehmigungs- und Anzeigeverfahren für EU AIF übereinstimmt. 1307) AIFMD Art. 37 (1). Die Bestimmung der Referenzmitgliedstaaten unterliegt komplexen und detaillierten Regelungen (vgl. AIFMD Art. 37 (4)), deren Ziel wohl ist zu erschweren, dass der EU Mitgliedstaat, in dem der AIF seinen Sitz hat und/oder in dem die AIF-Anteile (hauptsächlich) vertrieben werden sollen, außen vor bleibt. 1308) Ein zugelassener Nicht-EU AIFM darf Anteile eines Nicht-EU AIF, den er verwaltet, an professionelle Anleger grenzüberschreitend in der EU grds. unter den gleichen Voraussetzungen vertreiben wie ein EU AIFM (AIFMD Art. 40). 1309) Ein zugelassener Nicht-EU AIFM darf EU AIF mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Referenzmitgliedstaat entweder direkt oder indirekt über eine Zweigstelle verwalten, sofern der AIFM für die Verwaltung dieser Art von AIF zugelassen ist (AIFMD Art. 41 (1)). 1310) AIFMD Art. 37 (2). Das Zulassungsverfahren gleicht demjenigen für EU AIFM (vgl. AIFMD Art. 37 (8)). Voraussetzung für den grenzüberschreitenden Vertrieb an professionelle Anleger in der EU ist die Beachtung eines Anzeigeverfahrens, das weitgehend mit demjenigen für den grenzüberschreitenden Vertrieb von AIF durch EU AIFM übereinstimmt (vgl. AIFMD Art. 39). 1311) Das sog. regulatorische Fondsreporting ist ein Bereich, in dem viele Dienstleister aktiv sind und den VG bzw. VS umfassende IT-gestützte Lösungen für ihre Fonds anbieten. Dabei geht es nicht nur um die originären eigenen Berichtspflichten der Investmentfonds, sondern auch darum, regulierten Fondsanlegern aus der Finanzbranche Informationen derart aufbereitet zur Verfügung zu stellen, dass diese Anleger damit ihrerseits ihren Transparenzpflichten etwa im Hinblick auf Eigenmittelanforderungen (s. oben Rn. 342) nachkommen können.

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

fentlichen.1312) Daneben stehen laufende Veröffentlichungs- und Berichtspflichten.1313) UCITS müssen zudem ein Kurzdokument mit wesentlichen Anlegerinforma- 323 tionen (nachfolgend nach seiner englischen Bezeichnung Key Investor Information Document als KIID bezeichnet),1314) einen Verkaufsprospekt (Fondsprospekt)1315) und Angaben zu Ausgabe- und Rücknahmepreisen der Investmentfondsanteile1316) veröffentlichen.1317) Die AIFMD macht zwar weniger strikte Vorgaben zur Form der Erfüllung der Transparenzpflichten, nennt aber die

___________ 1312) Gem. UCITSD Art. 68 müssen die Berichte (im Einzelnen in Anhang I Schema B zur UCITSD spezifizierte) Angaben enthalten über Vermögensstand, Anzahl der umlaufenden Investmentfondsanteile, Nettobestandswert je Anteil, Wertpapierbestand, Vermögensentwicklung, Verbindlichkeiten und Jahresberichte, außerdem Angaben zu Vergütungen und sonstigen wesentlichen Informationen (vgl. UCITSD Art. 69 (3) und (4)). Die in den Jahresberichten enthaltenen Zahlenangaben müssen geprüft sein; der Bestätigungsvermerk des Prüfers und ggf. gemachte Einschränkungen sind in jedem Jahresbericht vollständig wiederzugeben (UCITSD Art. 73). KIID (UCITSD Art. 82) sowie Fondsprospekte und Jahres- und Halbjahresberichte (UCITSD Art. 74) sind den zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats des UCITS zu übermitteln. Gem. AIFMD Art. 22 müssen die Berichte Angaben enthalten über Vermögensstand und -entwicklung, Verbindlichkeiten, Tätigkeiten und Vergütung. 1313) S. z. B. die Berichtspflichten gem. AIFMD Art. 24. Besondere Informationspflichten (und anderweitige Regelungen) gelten zudem für hebelfinanzierte AIF (hier sind Angaben zum Umfang der Hebelfinanzierung (Leverage) und daraus resultierenden Risiken zu machen (AIFMD Art. 23 (5)). Da Hebelfinanzierungen als Ursache für die Entstehung von Systemrisiken angesehen werden, gelten für diese AIF i. Ü. weitere besondere Anforderungen (vgl. AIFMD Art. 25)), ebenso für AIF, die Kontrolle über nichtbörsennotierte Unternehmen erlangen (AIFMD Art. 26 – 29). 1314) Das KIID muss enthalten Angaben zur Identität des UCITS, der zuständigen Behörde, den Anlagezielen und der Anlagestrategie, der bisherigen Wertentwicklung, Kosten, Risiko-/Renditeprofil und Vergütungspolitik (UCITSD Art. 78). Anlegern sind das KIID jeweils rechtzeitig vor Zeichnung von Investmentfondsanteilen zu übergeben (UCITSD Art. 80) und Fondsprospekt und Jahres- und Halbjahresberichte auf Verlangen (UCITSD Art. 75). 1315) UCITSD Art. 68, KAGB § 297 (1). Zweck des Fondsprospekts ist, dem Anleger zu ermöglichen, sich ein fundiertes Urteil über die Anlage und ihrer Risiken zu bilden (UCITSD Art. 69 (1)). Der Fondsprospekt muss (im Einzelnen in Anhang I Schema A zur UCITSD spezifizierte) Angaben enthalten über den Investmentfonds, die Verwahrstelle, Berater, Zahlungsmodalitäten, Historie, typisches Anlegerprofil, Kosten sowie zur Vergütungspolitik, den Kategorien von Anlageinstrumenten, in die der UCITS investieren darf (falls auch in Derivate, dann Angaben dazu, ob diese Geschäfte zur Deckung von Anlagepositionen oder als Teil der Anlagestrategie getätigt werden dürfen und wie sich die Verwendung von Derivaten möglicherweise auf das Risikoprofil auswirkt) sowie die Vertragsbedingungen (vgl. UCITSD Art. 69 – 71). 1316) UCITSD Art. 76. 1317) Die zentralen Elemente des KIID (UCITSD Art. 82) und des Fondsprospekts (UCITSD Art. 72) müssen stets auf dem neuesten Stand gehalten werden.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

Informationsinhalte, die einem interessierten Anleger offenzulegen sind.1318) In Deutschland ist erforderlich, dass der AIFM diese Informationen einem Privatanleger (rechtzeitig vor Vertragsschluss) in Form von KIID und Fondsprospekt zur Verfügung stellt.1319) Hinzu kommen besondere vertriebsbezogene Transparenzpflichten.1320) 324 Einige Arten von Investmentfondsanteilen qualifizieren außerdem als Wertpapiere im aufsichtsrechtlichen Sinne.1321) Als solche unterliegen sie grds. der Prospektpflicht nach der ProspR.1322) Allerdings sind Anteile an Investmentfonds des offenen Typs von der ProspR ausgenommen.1323) Für sämtliche anderen Investmentfondsanteile (d. h. AIF für den Vertrieb an (semi-)professionelle Anleger, die als SV aufgelegt werden oder von einer Inv-KG oder von einer Inv-AG (im Falle des offenen Typs)) gilt die (subsidiäre) Prospektpflicht nach VermAnlG.1324) 325 Investmentfonds steht es frei, neben diesen Pflichtinformationen Werbung zu veröffentlichen. Werbung muss jedoch eindeutig als solche erkennbar sein, keine Aussagen treffen, die im Widerspruch zum Fondsprospekt und den KIID stehen oder die Bedeutung dieser Informationen herabstufen. In der Anzeige ist darauf hinzuweisen, dass ein Fondsprospekt und die KIID für den Anleger verfügbar sind und welche Zugangsmöglichkeiten bestehen.1325)

___________ 1318) Angaben zu Identität des AIFM, der zuständigen Behörde, den Anlagezielen und der Anlagestrategie, der bisherigen Wertentwicklung, Kosten, Risiko-/Renditeprofil und Vergütungspolitik etc. (AIFMD Art. 23 (1)); die Informationen können auf einem dauerhaften Datenträger oder über eine Website zur Verfügung gestellt werden, eine Papierfassung ist den Anlegern auf Anfrage zu übermitteln. Insbesondere verpflichtet die AIFMD nicht zur Veröffentlichung eines Prospekts, verweist aber auf die Möglichkeit der aus anderen europäischen oder nationalen Regelungen resultierenden Prospektpflicht, mit deren Erfüllung auch einige nach der AIFMD bestehenden Veröffentlichungspflichten erfüllt werden können (AIFMD Art. 23 (3)). 1319) KAGB § 297 (2). 1320) MiFID verpflichtet Finanzvertriebe, ihren Kunden zusätzliche Informationen zum Zielmarkt und zu den Kosten der vertriebenen Investmentfonds zur Verfügung stellen (s. o. Rn. 185 ff.). Das European MiFID Template (EMT) beschreibt diese zusätzlichen Informationen und wird von VGen zur Übermittlung der relevanten Daten an ihre Vertriebsstellen verwendet. 1321) In Deutschland sind das die Anteilsscheine an einem Sondervermögen sowie die Aktien einer Inv-AG (s. unten Rn. 464). Zum aufsichtsrechtlichen Begriff des Wertpapiers s. oben Rn. 244 ff.). 1322) S. oben Rn. 251. 1323) ProspR Art. 1 (2) a), p) und q). S. zum Begriff des offenen Typs näher oben Rn. 313 ff. 1324) S. unten Rn. 337. Diese Prospektpflicht besteht aber nur im Fall eines öffentlichen Angebots und greift auch dann nicht, wenn eine Ausnahme vorliegt, was im Falle von Angeboten an (semi-)professionelle Anleger wegen VermAnlG § 2 (1) Nr. 4 i. d. R. der Fall sein dürfte. 1325) UCITSD Art. 77. KAGB Art. 302 (gilt für AIF gleichermaßen).

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

d) Vertrieb von Investmentfondsanteilen In Deutschland können in- und ausländische Investmentfondsanteile vertrie- 326 ben werden. Da (alle) Investmentfondsanteile per Definition Finanzinstrumente sind,1326) unterliegt ihr Vertrieb den MiFID-Wohlverhaltensregeln.1327) Das Gros der Investmentfondsanteile wird deshalb von WpDU vertrieben,1328) die mit den VGen Vertriebsverträge abschließen. Vertrieb ist das direkte oder indirekte Anbieten oder Platzieren von Investmentfondsanteilen.1329) aa) Vertrieb in Deutschland Die Vertriebsregularien des KAGB betreffen Informationspflichten und sons- 327 tige Verfahrensfragen und differenzieren vornehmlich danach, ob es sich handelt um: x

UCITS- oder AIF-Anteile

x

Inländische (deutsche), EU oder ausländische (nicht-EU) Investmentfondsanteile

x

Vertrieb an Kleinanleger oder (semi-)professionelle Anleger.

Die Absicht des Vertriebs von UCITS-Anteilen1330) (inländisch und EU) und 328 Anteilen an EU AIF oder ausländischen AIF1331) an interessierte Kleinanleger in Deutschland ist der BaFin vorab anzuzeigen. Der Anzeige sind u. a. der Fondsprospekt, die Anlagebedingungen,1332) der letzte Jahres- und Halbjahresbericht und das KIID beizufügen.1333) Der Vertrieb kann beginnen, sobald die BaFin den Eingang der vollständigen Unterlagen bestätigt hat.1334) Die – grds. in

___________ 1326) MiFID Anhang I Abschnitt C Nr. 3, WpHG § 2 (4) Nr. 2, KWG § 1 (11) Nr. 5. 1327) S. o. Rn. 185 ff. 1328) Nur wenige VGen verfügen über eigene Verkaufs- und Beratungskapazitäten. I. d. R. arbeiten sie mit dritten Vertriebsorganisationen zusammen (näher: E/B-BankrechtKöndgen/Schmies, § 93 Rn. 29). 1329) KAGB § 293 (1). Als Vertrieb gilt nicht, wenn nur der Name, NAV oder Preise eines Investmentfondsanteils oder die Besteuerungsgrundlagen benannt werden oder gesetzlich vorgeschriebene Veröffentlichungen erfolgen (KAGB § 293 (2)). Maßnahmen, die unterhalb der Vertriebsschwelle bleiben, bedürfen nicht der Einhaltung der nachfolgend dargestellten Regeln. 1330) KAGB § 310. 1331) KAGB § 316. 1332) Näher zu den Anlagebedingungen unten Rn. 463. 1333) KAGB §§ 310 (1), 316 (1). Bei AIF kommt z. B. noch ein Geschäftsplan dazu. 1334) KAGB §§ 310 (1), 316 (1). Anders als bei Wertpapierprospekten ist eine Billigung des Investmentfonds-Verkaufsprospekts durch eine zuständige Behörde nicht erforderlich. Allerdings muss bei AIF die Vertriebszulassung der VG abgewartet werden. Das Gesetz schreibt detailliert die Inhalte des Prospekts (KAGB §§ 165 bzw. 269) und der KIID (KAGB §§ 165 bzw. 270) vor.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

deutscher Sprache zu erstellenden1335) und regelmäßig zu aktualisierenden1336) – Unterlagen sind interessierten Anlegern zur Verfügung zu stellen.1337) Beim Vertrieb von AIF ausschließlich an (semi-)professionelle Anleger sind weder Fondsprospekt noch KIID erforderlich; ausreichend sind Jahresbericht, Anlagebedingungen, Satzung und einige weitere Informationen.1338) bb) Grenzüberschreitender Vertrieb in der EU 329 Die Einhaltung sämtlicher (vorstehend für das deutsche Recht dargestellter) Regularien seines Herkunftsmitgliedstaats erlaubt es einem EU Investmentfonds grds. seine Investmentfondsanteile auch in sämtlichen anderen EU Mitgliedstaaten zu vertreiben.1339) 330 Voraussetzung für den grenzüberschreitenden Vertrieb von UCITS ist: x

Vorherige Übermittlung eines Anzeigeschreibens an die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaats mit Angaben zu den Modalitäten der Vermarktung der UCITS-Anteile im Aufnahmemitgliedstaat unter Beifügung der (vollständigen) Investmentfonds-Dokumentation.1340)

x

Ausstellung einer Bescheinigung der Erfüllung der Vertriebsbedingungen durch die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaats und Übermittlung der Dokumente (in englischer Sprache1341)) an die zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaats.1342)

x

Sicherstellung durch den UCITS, dass die Anteilsinhaber in dem Aufnahmemitgliedstaat Zugang zur UCITS-Dokumentation haben (wobei das KIID in eine in dem jeweiligen Aufnahmemitgliedstaat akzeptierte Sprache zu übersetzen ist und die übrigen Informationen ebenso oder in die eng-

___________ 1335) KAGB § 303. UCITS können ihre Informationen in deutscher Sprache oder in einer in internationalen Finanzkreisen üblichen Sprache veröffentlichen (KAGB § 298 (1)). 1336) KAGB §§ 297 (4), 298. Bei EU AIF und ausländischen AIF treten weitere Veröffentlichungspflichten hinzu (vgl. KAGB § 299). 1337) KAGB §§ 297 – 299. 1338) KAGB § 307. 1339) UCITSD Art. 91, AIFMD Art. 31 (1) und 32 (1). 1340) UCITSD Art. 93 (1) und (2). 1341) Die in UCITSD Art. 93 (4) genannte in der internationalen Finanzwelt gebräuchliche Sprache ist (ausschließlich) Englisch. 1342) UCITSD Art. 93 (3); KAGB § 310. Ab dem Datum des Versands der Anzeige an die zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaats dürfen die Investmentfondsanteile im Aufnahmemitgliedstaat vertrieben werden (UCITSD Art. 93 (3)). Die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaats ist zudem verpflichtet, sicherzustellen, dass die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats (elektronischen) Zugang zu der UCITS-Dokumentation des betreffenden Fonds haben sowie ggf. zu den einschlägigen Übersetzungen (UCITSD Art. 93 (7)).

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

lische Sprache)1343) und ihre Rechte auch tatsächlich wahrnehmen können (insbesondere Zahlungen und Informationen erhalten).1344) Für AIF schreibt das EU Recht die Möglichkeit des grenzenlosen Vertriebs 331 – unter Einhaltung eines dem für UCITS geltenden vergleichbaren Anzeigeverfahrens1345) – nur hinsichtlich professioneller Anleger vor.1346) Ob und unter welchen Bedingungen ein Vertrieb auch an Kleinanleger möglich ist, steht den EU Mitgliedstaaten frei zu regeln.1347) Deutschland hat dies getan und ein dem UCITS-Vertrieb ähnliches System geschaffen.1348) cc) Spezielle EU Investmentfondslabels AIF-Investmentfondsanteile können unter den Labels ELTIF,1349) EuVECA1350) 332 oder EuSEF1351) (und teils vereinfachten Regularien) EU-weit vertrieben werden, wenn sie bestimmte, für jedes einzelne Label festgelegte Voraussetzungen erfüllen. Gemeinsam ist den Labels, dass sie nur vergeben werden können an einen geschlossenen AIF mit angemessener fester Laufzeit, der von einem ___________ 1343) UCITSD Art. 94 (1). 1344) UCITSD Art. 92. Der beabsichtigte grenzüberschreitende Vertrieb von UCITS-Anteilen nach Deutschland erfordert die Benennung eines inländischen Kreditinstituts (oder einer Zweigstelle) für Zwecke der Durchführung von Zahlungen und der Anteilsrücknahme (KAGB § 309). 1345) AIFMD Art. 32. Der grenzüberschreitende Vertrieb innerhalb der EU erfordert ein entsprechendes Anzeigeschreiben an die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaats des AIFM, das diese an die Behörden der Aufnahmemitgliedstaaten innerhalb von 20 Arbeitstagen weiterzuleiten hat. Die Herkunftsmitgliedstaats-Behörde hat den AIFM über die Weiterleitung zu informieren, woraufhin der Vertrieb in den Aufnahmemitgliedstaaten beginnen kann. 1346) AIFMD Art. 31. 1347) AIFMD Art. 43. 1348) KAGB § 320 (1). Bei EU AIF oder ausländischen AIF, die an Kleinanleger vertrieben werden sollen, muss der BaFin ein Anzeigeschreiben der VG zugehen, dem u. a. ein Geschäftsplan, Anlagebedingungen und ein Verkaufsprospekt beizufügen ist. Zudem sind weitere organisatorische Anforderungen zu erfüllen (vgl. KAGB §§ 317, 319). Beim Vertrieb von EU AIF oder inländischen Spezial AIF an (semi-)professionelle Anleger muss die BaFin ebenfalls ein Anzeigeschreiben erhalten, dem u. a. ein Geschäftsplan und Anlagebedingungen beizufügen sind (KAGB § 321 (1)). Darüber hinaus sind weitere Konstellationen für den Vertrieb an semiprofessionelle (KAGB §§ 322 – 330) und professionelle Anleger (KAGB §§ 331 – 335) geregelt. 1349) Ein European Long-Term Investment Fund (Europäischer langfristiger Investmentfonds) darf nach Maßgabe der ELTIFR investieren in: (realwirtschaftliche) KMU mit einer Marktkapitalisierung von max. EUR 500 Mio., Infrastrukturprojekte (einzelne Sachwerte im Wert von mind. EUR 10 Mio.) und Anteile an ELTIF, EuVECA und EuSEF; max. 30 % des Kapitals kann in UCITS-eligible Anlagewerte investiert werden. 1350) Ein European Venture Capital Funds (Europäischer Risikokapitalfonds) darf nach Maßgabe der EuVECAR investieren in: Nicht-börsennotierte (Ausnahme KMU-Wachstumsmärkte) KMU mit max. 499 Beschäftigten. 1351) Ein European Social Entrepreneurship Funds (Europäischer Fonds für soziales Unternehmertum) darf nach Maßgabe der EuSEFR investieren in: Nicht-börsennotierte Unternehmen, deren Hauptaugenmerk auf sozialen Zielen liegt und die ihre Gewinne vornehmlich zur Erreichung dieser Ziele einsetzen.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

AIFM mit EU Pass verwaltet wird und mindestens 70 % seines Kapitals in bestimmte Arten von Unternehmen aus EU Mitgliedstaaten investiert und zwar mittels Erwerbs von Wertpapieren oder Vergabe von Krediten. 4. Geldmarktinstrumente 333 Auf dem Geldmarkt wird Geld von Zentralbanken und Finanzakteuren angeboten und von anderen Finanzakteuren und (wenigen großen) Nichtfinanzakteuren sowie dem Staat mit seinen Untergliederungen nachgefragt.1352) Der am Geldmarkt zu zahlende Preis ist der Geldmarktzins.1353) Allerdings hat nicht jede Transaktion auf dem Geldmarkt ein Geldmarktmarktinstrument i. S. d. MiFID zum Gegenstand. Das gilt z. B. für Tagesgelder,1354) Termingelder und Sparbriefe mit kurzen Laufzeiten, die nicht als Geldmarktinstrumente verstanden werden, da sie nicht für den Handel bestimmt sind.1355) Geldmarktinstrumente sind Fremdkapitalinstrumente und unterscheiden sich von den insoweit vergleichbaren Schuldverschreibungen vor allem durch ihre kurze Laufzeit (maximal 24 Monate).1356) Dazu zählen in Deutschland traditionell Staatspapiere wie Schatzwechsel und Finanzierungsschätze (Treasury Bills), unterjährige Schuldverschreibungen von Banken (Einlagezertifikate – Certificates of Deposit) bzw.

___________ 1352) Zu unterscheiden sind der Geldmarkt i. e. S. und der Geldmarkt i. w. S. Auf dem Geldmarkt i. e. S. (auch Interbanken-Geldmarkt genannt) findet der Handel mit Zentralbankguthaben statt. Den Banken dient er zum Ausgleich von kurzfristigen Liquiditätsüberschüssen bzw. -defiziten. Der europäische Interbanken-Geldmarkt ist seit 2008 und insbesondere seit 2015 stark rückläufig, was vor allem auf die expansive Geldpolitik der EZB zurückgeführt wird, die es häufig für Finanzakteure nicht erforderlich macht, sich Liquidität von anderen Banken zu besorgen (Buba-VÖ-Interbanken-Geldmarkt). Auch die zwischen der Zentralbank und den Banken abgeschlossenen Refinanzierungsgeschäfte werden dem Geldmarkt zugerechnet. Der Handel mit Geldmarktinstrumenten zählt zum Geldmarkt i. w. S. Transaktionen werden außerbörslich (am Telefon) von sog. Geldhändlern abgeschlossen. Die gehandelte Mindeststückelung beläuft sich i. d. R. auf EUR 1 Mio. 1353) Wichtige Geldmarktzinssätze sind die Tagesgeldzinssätze, z. B. EONIA (Euro Over Night Index Average) oder die bis zu 12- Monate-Laufzeit EURIBOR (Euro Interbank Offered Rate) oder LIBOR (London Interbank Offered Rate). Viele dieser Referenzzinssätze sind gegenwärtig von umfangreichen Reformbestrebungen betroffen und werden durch sog. Risk Free Rates (RFR) ersetzt (s. oben Rn. 228). 1354) Die größten Umsätze im Geldmarkt entfallen auf Tagesgelder, d. h. Übernachtkredite, die am nächsten Tag zurückgezahlt werden (Buba-Glossar – Geldmarkt). 1355) BaFin-VÖ-Erlaubnispflicht Finanzinstrumente Nr. 2 b) ff.). 1356) Gem. MiFID Art. 3 (1) Nr. 17 sind Geldmarktinstrumente üblicherweise auf dem Geldmarkt gehandelte Instrumente, wie Schatzanweisungen, Einlagenzertifikate und Commercial Papers mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten. MiFID-DelVO 2017/565/EU Art. 11 konkretisiert die Gattung der Geldmarktinstrumente insofern, als sie folgende Eigenschaften aufweisen müssen: a) ihr Wert kann jederzeit bestimmt werden; b) es handelt sich nicht um Derivate; c) ihre Fälligkeit bei der Emission beträgt max. 397 Tage. Dies entspricht auch dem Begriff des Geldmarktinstruments i. S. v. KWG § 1 (11) S. 1 Nr. 6 i. V. m. S. 3 (BaFin-VÖ-Erlaubnispflicht Finanzinstrumente Nr. 2 b) ff.)) sowie WpHG § 2 (2).

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

Unternehmen (Commercial Paper).1357) Da Geldmarktinstrumente nur zwischen professionellen Markteilnehmern mit hoher Bonität gehandelt werden und (von Derivaten abgesehen) nicht komplex sind, sind sie nicht weiter reguliert und häufig auch sehr schlicht dokumentiert. 5. Emissionszertifikate und Energiemarktinstrumente Der europäische Energiemarkt ist seit Beginn der 1990er Jahre liberalisiert wor- 334 den. Strom und Gas werden gehandelt wie andere Rohstoffe (Commodities) auch, und es gibt für Energie einen börslichen und außerbörslichen (OTC) Kassa- und Terminmarkt. Damit stellen sich im Energiemarkt ähnliche Fragen wie im Finanzmarkt. Anders als zeitweilig im Rahmen der MiFID2-Reform erwogen1358) unterfällt der physische Handel mit Energie (einschließlich von über ein OTF gehandelte Energiegroßhandelsprodukte, die effektiv geliefert werden) nicht dem Finanzinstrumentebegriff der MiFID1359) (und Unternehmen, die mit Erdgas und Strom handeln – wozu in Deutschland auch viele kleine und mittlere Stadtwerke zählen, werden nicht wie WpDU behandelt).1360) Gegenstand von MiFID sind jedoch Energiederivate1361) und Emissionszertifikate, die (weil (konventionelle) Energieerzeuger CO2-intensiv arbeiten) wichtiger Bestandteil des Energiehandelsmarktes sind.1362) Ausdrücklich zu den MiFID-Finanzinstrumenten zählen Emissionszertifikate, die aus Anteilen bestehen, deren Übereinstimmung mit den Anforderungen der ETSD anerkannt ist.1363) Nach deutschem Recht sind dies durch TEHG und ProMechG festgelegte Emissionsberechtigungen,1364) d. h. Instrumente, die von EU Mitgliedstaaten im Rahmen des EU Emissions Trading System (EU ETS) herausgegeben ___________ 1357) Buba-Glossar – Commercial Paper. Weitere Arten von Geldmarktinstrumenten sind kurzfristige Schuldscheindarlehen (mit max. 397 Tagen Laufzeit), Finanzierungs-Fazilitäten (also rechtsverbindliche Absprachen zwischen Kreditinstituten und Geschäftskunden, die ihren Finanzierungsbedarf revolvierend durch die Emission von kurz- und mittelfristigen Schuldtiteln decken wollen), Finanz-Swaps, Forderungen, die von Kreditinstituten emittiert werden, Euronotes, Wertpapier-Pensionsgeschäfte und Repurchase Agreements (BaFin-VÖ-Erlaubnispflicht Finanzinstrumente Nr. 2 b) ff.)). 1358) S. zur damaligen Diskussion eine Stellungnahme der Association of European Energy Exchanges (EuroPEX): https://www.europex.org/wp-content/uploads/2011/02/2011 0202_Europex-response-to-Commission-public-consultation-on-the-22Review-of-theMarkets-in-Financial-Instruments-Directive-MiFIDa%C2 %80 %C2 %9D.pdf. 1359) BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden, Modul C Kapitel I.1. 1360) Der physische Energiemarkt unterliegt allerdings seiner eigenen Regulierung. Näher: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Textsammlungen/Energie/wettbewerb-energiebereich.html 1361) D. h. Derivate, deren Basiswert Energie ist (s. dazu unten Rn. 420). 1362) https://www.presseportal.de/pm/18807/2133811. 1363) MiFID Anhang I.C.11. 1364) Vgl. KWG § 1 (11) Nr. 9 und WpHG § 2 (4) i. V. m. (3) Nr. 1 f), die verweisen auf (i) Berechtigungen nach TEHG § 3 Nr. 3, (ii) Emissionsreduktionseinheiten nach ProMechG § 2 Nr. 20 und (iii) zertifizierte Emissionsreduktionen nach ProMechG § 2 Nr. 21, soweit diese jeweils im Emissionshandelsregister gehalten werden dürfen.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

werden.1365) Eine weitere (regulatorische) Verbindung zwischen dem Energieund dem Finanzmarkt stellt die REMIT her, die Marktmissbrauch im Energiegroßhandel in mit den Regeln der MAR vergleichbarer Weise verbietet.1366) 6. Nicht-MiFID-Finanzinstrumente 335 Neben den MiFID-Finanzinstrumenten existieren Finanzprodukte, die zu vergleichbaren Zwecken eingesetzt werden und/oder nach ähnlichen Prinzipien funktionieren. Die wichtigsten dieser Finanzprodukte und ihre Regulierung werden in diesem Kapitel dargestellt. a) Wertpapierfinanzierungsgeschäfte 336 Mit der SFTR will der EU Gesetzgeber Licht in einen wichtigen Bereich des Schattenbankwesens bringen, nämlich demjenigen der bankähnlichen Kreditver___________ 1365) Das EU ETS – der Emissionsrechtehandel in der EU – ist ein seit 2005 operierendes marktwirtschaftlich ausgerichtetes System zur Senkung der Emission von Treibhausgas (Kohlendioxid – CO2), an dem alle EU und EFTA Länder beteiligt sind. Das EU ETS geht zurück auf das von 190 Staaten ratifizierte Kyoto-Protokoll der dritten Konferenz der Klimarahmenkonvention von 1997, das verbindliche CO2-Begrenzungsverpflichtungen für Industrieländer festlegt. Die rechtliche Basis des EU ETS ist die ETSD, die Deutschland vornehmlich durch TEHG und ProMechG umgesetzt hat. Im EU ETS werden gegenwärtig ca. 11.000 Anlagen aus CO2-intensiven Industrien (Energie, Kohle, Metall, Zement, Glas, Papier, Chemie, technische Gase und Flugverkehr) erfasst. Deren Betreiber müssen pro Tonne emittierten CO2s ein gültiges Zertifikat des EU ETS (in digitaler Form) vorweisen; sie bekommen zu Beginn eines jeden Jahres eine Anzahl CO2-Zertifikate zugeteilt, die von den Mitgliedstaaten teils kostenlos, teils über eine Versteigerung ausgegeben werden. Überschreitet der CO2-Ausstoß einer Anlage die Menge der zugeteilten Zertifikate, müssen Zertifikate im Markt zugekauft werden. Jede Tonne eingespartes CO2 erhält so einen direkten Geldwert, der auf Basis von Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Im April des Folgejahres müssen die Anlagenbetreiber ihre Emissionsbilanz offenlegen: Stimmt die Zahl der gehaltenen Zertifikate nicht mit der ausgestoßenen CO2-Menge überein, wird eine Strafe verhängt, fehlende Zertifikate sind nachzureichen. Anhand der offengelegten Zahlen wird dann eine Emissionsprognose für das nächste Jahr erstellt. Um die Menge CO2-Ausstoßes zu verringern, liegt die Anzahl der verfügbaren Zertifikate stets unterhalb der prognostizierten Ausstoßmenge. Der Handel mit EU CO2-Zertifikaten erfolgt an Börsen oder OTC. Die wichtigsten Handelsplätze sind ECX in London, EEX in Leipzig und EXAA in Wien. EEX veröffentlicht jeden Tag um 11:00 den EEX Carbon Index (Carbix) als Spotmarktpreis für die CO2-Preisentwicklung in Europa (vgl. die Übersichten auf: https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/der-europaeische-emissionshandel#teilnehmer-prinzip-undumsetzung-des-europaischen-emissionshandels; https://www.next-kraftwerke.de/wissen/ emissionshandel). 1366) Insiderhandel und Marktmanipulation auf den Energiegroßhandelsmärkten sind verboten (REMIT Art. 3 und 5). Energiegroßhandelsmärkte sind Märkte, auf denen Energiegroßhandelsprodukte gehandelt werden, d. h. Verträge für die Versorgung mit oder den Transport von Strom oder Erdgas in der EU (es sei denn, der Kunde ist Endverbraucher) oder diesbezügliche Derivate (REMIT Art. 2 Nr. 4 und 6). Deutsche Marktteilnehmer müssen sich bei der Bundesnetzagentur registrieren lassen (REMIT Art. 9 i. V. m. EnWG § 56 S. 1 Nr. 4), die für die Durchsetzung der REMIT-Pflichten und -Verbote in Deutschland zuständig ist (näher: Bundesnetzagentur-Remit-Hdbuch). Auch die Veröffentlichungspflichten bzgl. der Insiderinformationen gleichen denen der MAR (vgl. Bundesnetzagentur REMIT-Merkblatt).

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VI. Kapitalmarktproduktspezifische Regulierung

mittlungstätigkeiten.1367) Außerdem soll die Verordnung in Krisenzeiten prozyklische Effekte1368) und finanzielle Ansteckungseffekte eindämmen.1369) Die SFTR reguliert Wertpapierfinanzierungsgeschäfte (WPFG), d. h. Geschäfte, die die Übertragung und (spätere) Rücküberübertragung von Wertpapieren zum Gegenstand haben1370) sowie Kredite, die der Finanzierung dieser Geschäfte dienen (Lombardgeschäfte).1371) WPFG eignen sich – ähnlich den (artverwandten) Derivaten1372) – sowohl zur Risikoabsicherung (Hedging) als auch zur Spekulation. Den aus ihnen resultierenden Gefahren begegnet die SFTR mit folgenden Regulierungsmaßnahmen: x

Meldepflicht bzgl. aller WPFG durch alle beteiligten Parteien (egal, ob Finanzakteur oder nicht) an ein – bei der ESMA registriertes1373) – Transaktionsregister (Trade Repository).1374)

x

Offenlegungspflicht bzgl. aller WPFG durch Investmentfonds1375) an Anleger in Jahresberichten1376) und vorvertraglichen Unterlagen.1377)

x

Weiterverwendung von als Sicherheit erhaltenen Finanzinstrumenten durch den Sicherheitennehmer ist nur mit Zustimmung des Sicherheitengebers gestattet.1378)

___________ 1367) 1368) 1369) 1370) 1371)

1372)

1373) 1374)

1375)

1376) 1377) 1378)

SFTR EG (1). SFTR EG (8). SFTR EG (21) – (24). Hauptspielarten der WPFG sind Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäfte (s. näher unten Rn. 465 ff.). Lombardgeschäfte (Margin Lending Transaction) sind Geschäfte, bei denen eine Partei im Zusammenhang mit dem Handel von Wertpapieren Kredite ausreicht, für die Sicherheiten in Form von Wertpapieren gestellt werden. Insbesondere mit Gesamtrendite-Swaps (total return swaps – TRS) lassen sich ähnliche wirtschaftliche Ergebnisse erzielen wie mit WPFG (vgl. SFTR EG (7)). TRS sind deshalb in den Anwendungsbereich einiger Regelungen der SFTR miteinbezogen (z. B. in die Offenlegungspflichten der Investmentfonds (vgl. SFTR Art. 13 ff.). SFTR Art. 5. SFTR Art. 4. Eine zentrale Herausforderung erwächst aus der Vielzahl an Informationen, die an das Transaktionsregister für jedes WPFG zu melden sind. Dazu gehören Angaben zu verwendeten Sicherheiten, ihrer Art und Qualität, sowie der Methode der Bereitstellung und Aspekte über die Verfügbarkeit der Sicherheiten für die Weiterverwendung. WPFG haben besondere Bedeutung und auch Brisanz für Investmentfonds bei der Portfolioverwaltung, weswegen Investmentfonds im besonderen Fokus der SFTR stehen (vgl. SFTR EG (15) – (20)). SFTR Art. 13. SFTR Art. 14. SFTR Art. 15. Hintergrund ist, dass durch die Weitergabe von erhaltenen Sicherheiten komplexe Verbindungen zwischen traditionellen Banken und dem Schattenbanksektor entstehen können.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

b) (Deutschrechtliche) Vermögensanlagen 337 Das deutsche Recht erweitert den Begriff des Finanzinstruments um sog. Vermögensanlagen.1379) Vermögensanlage ist (beinahe) jede Form der Anlage von Geld, die nicht gegen Ausgabe eines Wertpapiers oder eines Investmentfondsanteils erfolgt und aus Sicht des das Geld Annehmenden keine Einlage darstellt.1380) Keine Vermögenslage ist der (normale) Kredit und deshalb im Normalfall auch der Schuldschein, der zivilrechtlich nur eine Beweisurkunde für ein Darlehen darstellt.1381) 338 Die Erweiterung des Finanzinstrumentebegriffs im deutschen Recht führt zur Anwendbarkeit der Regelungen von WpHG, KWG und WpIG (und damit auch des größten Teil der MiFID und weiterer EU Kapitalmarktgesetze) auf Dienstleistungen, die Vermögensanlagen zum Gegenstand haben. Keine Anwendung finden i. d. R. die ProspR und das WPpG. Allerdings gilt für öffentliche Angebote von Vermögensanlagen die Prospektpflicht des VermAnlG.1382) c) Produkte des Grauen Kapitalmarkts 339 Als Produkte des Grauen Kapitalmarkts werden diejenigen Finanzprodukte bezeichnet, deren Anbieter keiner Erlaubnis durch die BaFin bedürfen. Nach der kontinuierlichen Erweiterung der Tatbestände der Wertpapierfinanzierungsgeschäfte, der (deutschrechtlichen) Vermögensanlagen sowie des (materiellen) Fondsbegriffs durch die AIFMD dürfte der Graue Kapitalmarkt stark ___________ 1379) WpHG § 2 (4); KWG § 1 (11) Nr. 2; WpIG § 2 (5) Nr. 2. 1380) VermAnlG § 1 (2) nennt ausdrücklich Anteile, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren (und solche Instrumente, die üblicherweise eine solche Beteiligung erlauben: Partiarische Darlehen, Nachrangdarlehen und Genussrechte) sowie Treuhandvermögen, Namensschuldverschreibungen und als weitere Auffangtatbestände: Sonstige Anlagen, die eine Verzinsung und Rückzahlung oder einen vermögenswerten Barausgleich im Austausch für die zeitweise Überlassung von Geld gewähren oder in Aussicht stellen bzw. Anlagen, die im Austausch für die zeitweise Überlassung von Geld oder handelsüblichen Edelmetallen a) eine Verzinsung und Rückzahlung, b) eine Verzinsung und Herausgabe von handelsüblichen Edelmetallen, c) einen vermögenswerten Barausgleich oder d) einen vermögenswerten Ausgleich durch die Herausgabe von handelsüblichen Edelmetallen gewähren oder in Aussicht stellen. S. BaFin-VÖ-Erlaubnispflicht Finanzinstrumente Nr. 2 b) bb) zu Beispielen für Instrumente, die unter eine oder mehrere der im Gesetz genannten Kategorien von Vermögensanlagen fallen. 1381) Obwohl der Schuldschein im Markt praktisch häufig wie ein Wertpapier behandelt wird (s. unten Rn. 471), ist er kein Finanzinstrument i. S. d. deutschen Aufsichtsrechts, es sei denn, seine Fälligkeit beträgt bei Emission max. 397 Tage, da er dann als Geldmarktinstrument i. S. v. KWG § 1 (11) S. 1 Nr. 6 qualifiziert (BaFin-VÖ-Erlaubnispflicht Finanzinstrumente Nr. 2 b) cc) (3); B/F/S-KWG-Schäfer, § 1 Rn. 283; E/B-BankrechtSeiler/Geier, § 83 Rn. 9). 1382) VermAnlG §§ 6 – 14 enthalten Regelungen zur Prospektpflicht und ihren Ausnahmen (s. insbesondere die Ausnahme für Schwarmfinanzierungen – näher unten Rn. 514) sowie Inhalt, Billigung, Veröffentlichung und Aktualisierung des Verkaufsprospekts, die denjenigen der PropspR ähneln (vgl. dazu oben Rn. 249 ff.). Ebenso gibt es Vorschriften über Kurz-Informationsblätter (s. o. Rn. 197–200). Mangels europarechtlicher Grundlage gibt es für den Verkaufsprospekt allerdings keinen EU Pass.

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VII. Indirekte Regulierung des Kapitalmarkts

geschrumpft sein. Die BaFin nennt als ein verbleibendes Beispiel für seine Produkte das Darlehen mit Nachrangabrede.1383) VII. Indirekte Regulierung des Kapitalmarkts Die Regulierung des Kapitalmarkts erfolgt nicht nur durch direkt auf Kapital- 340 marktakteure, -dienstleistungen, -instrumente und -plätze einwirkende Gesetze, sondern auch indirekt. Die in diesem Zusammenhang besonders wichtigen Rechtsmaterien werden in diesem Kapitel dargestellt. 1. Regulierung der Investoren Der Kapitalmarkt lebt von der Innovation seiner Produkte, vom Einfallsreich- 341 tum der Finanzingenieure. Nicht selten werden Form und Inhalt der Finanzinstrumente aber von den Investoren als Nachfragern bestimmt. Soweit die Investoren ihrerseits einer Regulierung unterliegen, kann sich diese Regulierung auf die Gestaltung der Finanzinstrumente auswirken.1384) In diesem Kapitel sollen einige Beispiele vor allem im Hinblick auf Beschränkungen beim Einsatz von Derivaten für ausgewählte1385) Investoren und die öffentliche Hand dargestellt werden.1386) Versicherungsunternehmen sind bei der Kapitalanlage stark reguliert. Seit 2016 342 finden dabei zwei EU Gesetze, Solvency-I-D und Solvency-II-D, nebeneinander Anwendung: Solvency-I-D gilt für kleine Versicherungen und Pensionsfonds und Solvency-II-D für große Versicherungen.1387) Im Bereich der Kapitalanlage ist der Regulierungsansatz beider Regelwerke grundverschieden: Solvency-I-D basiert auf Ge- und Verboten und vorgegebenen Anlagekatego___________ 1383) BaFin-VÖ-Grauer Kapitalmarkt. 1384) Der Gesetzgeber bedient sich dieses Regulierungsmittels ganz bewusst: S. z. B. den EU Kom-VÖ-Aktionsplan Kapitalmarktunion-2015, S. 22, wo festgestellt wird, dass durch die Kalibrierung der Eigenkapitalanforderungen das Interesse institutioneller Anleger an bestimmten Vermögenswerten gefördert werden kann. 1385) Zum Einsatz von Derivaten durch Investmentfonds s. oben Rn. 309. Anders als z. B. bei Versicherungen, bei denen die Kapitalanlage nur Mittel zum Zweck ist (nämlich der Fähigkeit, Versicherungspolicen bei Eintritt des Versicherungsfalls auszahlen zu können), ist bei Investmentfonds die Kapitalanlage Selbstzweck und deshalb sehr detailliert in den einschlägigen Gesetzen geregelt. 1386) Alle Geschäftsleiter deutscher Unternehmen müssen ordentlich und gewissenhaft im Interesse ihres Unternehmens handeln. Daraus folgt die Pflicht, übergroße, bestandsgefährdende Risiken möglichst zu vermeiden und eine dem Umfang und der Art des Geschäfts angemessene Compliance Organisation zu unterhalten. Diese Pflicht gebietet den sorgsamen Umgang mit risikoreichen Finanzinstrumenten. Neben dieser allgemeinen Sorgfaltspflicht unterliegen viele Finanzakteure sowie die öffentliche Hand spezialgesetzlichen Restriktionen beim Einsatz von Derivaten. 1387) In dem beide Regimes im deutschen Recht umsetzenden VAG ergibt sich das aus Teil II Kapitel 5 und Teil IV Kapitel 2. Darin werden die Solvency-II-D umsetzenden Regelungen des VAG als für kleine Versicherungen, Sterbekassen und Pensionsfonds unanwendbar erklärt.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

rien,1388) Solvency-II-D postuliert die grundsätzliche Anlagefreiheit,1389) schränkt sie aber über das Prinzip der unternehmerischen Vorsicht1390) sowie Organisations- und Eigenkapitalanforderungen wieder ein. Anders als Solv-I-Versicherungen dürfen Solv-II-Versicherungen Vorgaben zur Anlage ihres Vermögens in bestimmte Vermögenswertkategorien nicht gemacht werden; vielmehr müssen sie selbständig Leitlinien für die Kapitalanlage formulieren, mit denen sie ihre Ziele erreichen wollen.1391) Für Derivategeschäfte gilt, dass Versicherungen sie nur in unmittelbarem Zusammenhang mit Versicherungsgeschäften schließen dürfen. Ein solcher Zusammenhang ist gem. VAG § 15 (1) S. 2 grds. immer dann anzunehmen, wenn das Derivat (x) der Absicherung gegen Kurs- oder Zinsänderungsrisiken bei vorhandenen Vermögenswerten oder (y) dem späteren Erwerb von Wertpapieren dient oder (z) wenn aus vorhandenen Wertpapieren ein zusätzlicher Ertrag erzielt werden soll, ohne dass bei Erfüllung von Lieferverpflichtungen eine Unterdeckung des Sicherungsvermögens eintreten kann.1392) ___________ 1388) Solvency-I-D folgt einer kennzahlbasierten Methode, bei der Ist-Solvabilität (Eigenmittel) und Soll-Solvabilität verglichen werden (vgl. Gabler-Wagner, https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/solvency-i-52166/version-275313). S. auch BaFin-VÖ-Solvency-I. Umgesetzt im deutschen Recht wird dies durch die auf Grundlage von VAG §§ 217 S. 1 Nr. 6, 219 (1), 235 (1) S. 1 Nr. 10 erlassene AnlV und näher konkretisiert durch BaFin-VÖ-Kapitalanlage. 1389) Solvency-II-D Art. 133 (1). Das Regelungssystem der Solvency-II-D folgt dem aus der Bankenregulierung bekannten Ansatz, der quantitative Aspekte der finanziellen Ausstattung mit qualitativen Anforderungen an die Formulierung einer Unternehmensstrategie und an die Geschäftsorganisation sowie mit differenzierten Offenlegungspflichten verknüpft (vgl. BaFin-VÖ-Solvency-II). 1390) Vgl. Solvency-II-D Art. 132 und VAG § 124 (1) S. 1. 1391) Wichtigstes Ziel der Kapitalanlagen bleibt jedoch die dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge (VAG § 294 (4)). 1392) Allerdings differenziert BaFin hinsichtlich der Folgen dieser Regelung dann wiederum zwischen Solv-I- und Solv-II-Versicherungen. In der auf die Auslegung von VAG § 15 (1) S. 2 fokussierten BaFin-VÖ-Solvency-I_ Derivate konkretisiert die BaFin den Tabestand der gem. VAG § 15 (1) S. 2 zulässigen versicherungsnahen Derivategeschäfte: Zulässige Absicherungsgeschäfte der Aktivseite decken Kurs-, Wechselkurs-, Zinsänderungs- oder Cashflow-Schwankungsrisiken ab, solche der Passivseite halten den Bilanzansatz versicherungstechnischer Rückstellungen und Verbindlichkeiten von den durch Wechselkurs- oder Inflationsrisiken ggf. entstehenden Mehraufwendungen frei. Ein Erwerbsvorbereitungsgeschäft liegt vor, wenn sich die Versicherung die konkrete Möglichkeit verschafft, in Zukunft bestimmte Wertpapiere zu erwerben und ein Ertragsvermehrungsgeschäft, wenn sie durch das Derivat Zusatzerträge für ihren Bestand an Wertpapieren erzielt. BaFin-VÖ-Solvency-I_Derivate listet in Anlage 1 die zuässigen Typen von Derivaten auf, die für diese Geschäftsarten eingesetzt werden können. Der Umfang der Absicherungs-Derivate darf maximal 100 % des Bestands der Kapitalanlagen (Buchwert) am letzten Bilanzstichtag betragen; für Ertragsvermehrungsgeschäfte gilt wie für Erwerbsvorbereitungsgeschäfte ein Grenzwert von 7,5 % des Bestands an Kapitalanlagen am letzten Bilanzstichtag. Versicherungen dürfen auch Strategien einsetzen, bei denen Absicherungs-, Erwerbsvorbereitungs- oder Ertragsvermehrungsgeschäfte miteinander kombiniert werden, wenn dies einem einheitlichen Anlageziel dient. Allerdings darf die Kombination der unterschiedlichen Geschäftstypen nicht zu größeren wirtschaftlichen Risiken für die Versicherung führen als der Einsatz eines einzelnen Geschäftstyps. Daneben enthält BaFin-VÖ-Solvency-I_Derivate organisatorische Vorgaben für das Settlement von Derivaten und dessen Kontrolle sowie das Risikomanagement.

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VII. Indirekte Regulierung des Kapitalmarkts

Pfandbriefbanken dürfen Ansprüche aus Derivaten in ihren Deckungsstock nur aufnehmen, wenn die Derivategeschäfte unter einem Rahmenvertrag1393) zusammengefasst sind und geschlossen wurden mit geeigneten Finanzakteuren oder der öffentlichen Hand als Gegenpartei, sofern sichergestellt ist, dass die Ansprüche der Pfandbriefbank im Falle ihrer Insolvenz nicht beeinträchtigt werden können.1394) Der öffentlichen Hand in Deutschland (Bund, Länder und Kommunen) ist 343 der Abschluss von Derivaten im Rahmen ihrer Finanzierungsaufgaben grds. gestattet; allerdings gelten Beschränkungen und ein Spekulationsverbot.1395) 2. Steuern Unterschiede in der steuerlichen Behandlung von Finanzinstrumenten haben 344 einen starken Einfluss auf den Kapitalmarkt.1396) Offenkundig wird dies bei der Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen vom Unternehmensgewinn und der daraus resultierenden steuerlichen Begünstigung der Fremdfinanzierung gegen-

___________

1393) 1394)

1395) 1396)

Für Solv-II-Versicherungen gilt zusätzlich zu VAG § 15 (1) S. 2 die Regelung des VAG § 124 (1) S. 2 Nr. 5, wonach die Verwendung von Derivaten nur zulässig ist, sofern diese zur Verringerung von Risiken oder zur Erleichterung einer effizienten Portfolioverwaltung beitragen; diese Voraussetzung wird nicht erfüllt durch Geschäfte mit derivativen Finanzinstrumenten, die den Aufbau reiner Handelspositionen (Arbitragegeschäfte) bezwecken oder bei denen entsprechende Wertpapierbestände nicht vorhanden sind (Leerverkäufe). Im BaFin-VÖ-Solvency-II_Derivate stellt die BaFin klar, dass Derivate nur eingesetzt werden dürfen, wenn sie zu bestimmten, aus Solvency-II-D Art. 132 (4) übernommenen Zwecken beitragen (Verringerung von Risiken oder Erleichterung einer effizienten Portfolioverwaltung). Anders als im BaFin-VÖ-Solvency-I_Derivate legt die BaFin nicht fest, welche Typen von Derivaten zur Absicherung geeignet sind. Stattdessen muss die Solv-II-Versicherung nachweisen, dass der Einsatz des Derivats zu einem effektivem Risikotransfer führt und die Gesamtrisiken des Portfolios nicht erhöht. Der effizienten Portfolioverwaltung dient das Derivat, wenn es Qualität, Sicherheit, Liquidität oder Rentabilität des Portfolios verbessert, ohne größere zusätzliche Risiken zu begründen oder das Risikoprofil der Versicherung negativ zu beeinflussen. Hier sind vor allem die Hebeleffekte von Derivaten zu berücksichtigen, die je nach Derivatetyp und Ausgestaltung zu starken Verlusten führen können. Dazu unten Rn. 423 ff. PfandbriefG § 19 (1) Nr. 4. Zudem dürfen die Geschäfte nur Risiken beinhalten, die die Pfandbriefbank auch mit Geschäften über die übrigen zulässigen Deckungswerte eingehen kann; ausgeschlossen sind Optionen und andere Derivate, wenn sie eine offene Stillhalterposition der Pfandbriefbank begründen (d. h. Verkauf einer Option). Der Anteil der Derivategeschäfte am Gesamtbetrag der Deckungswerte sowie der Anteil der Verbindlichkeiten der Pfandbriefbank aus diesen Derivategeschäften am Gesamtbetrag der im Umlauf befindlichen Hypothekenpfandbriefe dürfen jeweils 12 % nicht übersteigen. S. näher Zerey-Finanzderivate-Schuster, § 27. Näher: Zerey-Finanzderivate-Endler, § 30; E/B-Bankrecht-Reiner/Scholl, § 94 Rn. 106. S. für eine anschauliche Darstellung der Bedeutung steuerlicher Aspekte bei der Gestaltung derivativer Finanzinstrumente: Krause/Litten, Absolutreport 2009, 48 f.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

über Eigenkapitalinstrumenten.1397) Für den grenzüberschreitenden Kapitalmarkt spielen zudem lokale Quellensteuern eine wichtige Rolle1398) und haben eine hemmende Wirkung, wenn sie im Investitionsstaat zusätzlich zur Steuer im eigenen Land des Investors erhoben werden.1399) 3. Rechnungslegung und Bilanzierung 345 Rechnungslegung hat große Bedeutung für das gesamte Wirtschaftsrecht1400) und im Kapitalmarktrecht insbesondere für die Ausgestaltung der Transparenz-1401) und Solvenzanforderungen.1402) Die Rechnungslegung trifft Aussagen über die wirtschaftliche Entwicklung der Vergangenheit eines Unternehmens, ___________ 1397) Näher dazu und insbesondere auch zur sog. Zinsschranke: H/S-Schuldverschreibungsrecht-5.Teil-Kapitel 10-Ruoff, Rn. 10.10 – 10.21. Die EU Kommission sieht in der Behebung dieses steuerlichen Unterschieds eine Chance zur Förderung von Aktieninvestitionen und damit der Stärkung der Eigenkapitalbasis der Unternehmen und der Finanzstabilität insbesondere von Banken. Da die Steuergesetzgebung größtenteils Sache der Nationalstaaten ist, kann die EU Kommission die Mitgliedstaaten allerdings nur zu Reformen auffordern (EU Kom-VÖ-Aktionsplan Kapitalmarktunion-2015, S. 15/16). 1398) Näher: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Breuninger/Frey, § 19. 1399) EU Kom-VÖ-Aktionsplan Kapitalmarktunion-2015, S. 29. Besonders relevant ist die Besteuerung bei Investmentfonds, die nicht europaweit harmonisiert ist. In Deutschland sind Fonds steuertransparent. Sie zahlen keine Steuern. Die Versteuerung findet auf Anlegerebene statt. Erlöse aus Kauf und Verkauf von Investmentfondsanteilen unterliegen der Abgeltungssteuer. Die Steuerpflicht entsteht, sobald dem Anleger steuerbare Erträge als steuerlich zugeflossen gelten. Der Gewinnanteil je Anleger wird für das Finanzamt ausgewiesen. Ob der Gewinnanteil direkt in neue Investmentfondsanteile investiert (thesauriert) oder ausgeschüttet wird, ist unerheblich. Bei einem ausschüttenden Fonds ist der Zeitpunkt der Ausschüttung maßgeblich, bei einem thesaurierenden Fonds gelten die Erträge zum Geschäftsjahresende als dem Anleger zugeflossen. Die deutsche Abgeltungssteuer besteht aus der Kapitalertragssteuer (25 %), dem Solidaritätszuschlag (5,5 % auf 25 % = 26,375 %) und ggf. der Kirchensteuer. Sie wird von der Bank des Anlegers direkt an das Finanzamt abgeführt, soweit der Freistellungsbetrag bereits ausgeschöpft wurde. Bei Verwahrung der Fondsanteile im Ausland wird die Abgeltungssteuer nicht abgeführt; die Kapitalerträge müssen vom Anleger in der Einkommensteuererklärung angegeben werden. Bei ausländischen thesaurierenden Fonds besteht das Risiko der Doppelbesteuerung: Zum ersten Mal im Jahr der Wiederanlage (Thesaurierung) und zum zweiten Mal beim Verkauf der Fondsanteile durch die Abführung der Abgeltungssteuer. 1400) Insbesondere auch für das Insolvenzrecht: Erleidet ein Unternehmen einen so hohen Verlust, dass das gezeichnete Kapital rechnerisch nicht mehr vollständig durch die Vermögenswerte nach Abzug der Verbindlichkeiten gedeckt sind, spricht man von einer Unterbilanz, wenn es aufgebraucht ist von Überschuldung. Bei überschuldeten Kapitalgesellschaften wird der Negativbetrag am Schluss der Bilanz auf der Aktivseite gesondert als nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ausgewiesen (HGB § 268 (3)). 1401) Die Rechnungslegung spielt für die Markteintritts- und die Marktteilnahmetransparenz eine wichtige Rolle: Kernbestandteil des Wertpapierprospekts sind die Finanzinformationen, die (geprüfte) Jahresabschlüsse enthalten müssen (s. oben Rn. 258). Emittenten von an einem geregelten Markt zugelassenen Wertpapieren müssen Halb- und Jahresfinanzberichte veröffentlichen, die (geprüfte) Abschlüsse enthalten (s. oben Rn. 233). 1402) S. oben Rn. 135 ff. Anhand der Größe der Bilanzsumme einer Wertpapierfirma entscheidet sich zudem, welches aufsichtsrechtliche Regime Anwendung findet (s. oben Rn. 106 ff.).

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VII. Indirekte Regulierung des Kapitalmarkts

vorhandenes Vermögen und künftige Chancen und Risiken. Dokumente der Rechnungslegung sind Abschluss (Jahres-, Zwischen- und Konzernabschluss1403)) und Lagebericht. Typische Bestandteile des Abschlusses sind die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV).1404) Die Rechnungslegungsdokumente werden mit Hilfe von Instrumenten des Rechnungswesens erstellt, namentlich der doppelten Buchführung.1405) Die Rechnungslegung erfolgt auf Basis gesetzlicher und außergesetzlicher1406) Rechnungslegungsstandards. In Deutschland gelten zwei Rechnungslegungssysteme: Das nationale (vornehmlich im dritten Buch des HGB geregelte1407)) Bilanzrecht (HGB-Bilanzre-

___________ 1403) Abschlüsse können auf Einzelunternehmens- oder Konzernbasis erstellt werden und für das gesamte Geschäftsjahr oder einen Teil davon. 1404) Die Bilanz ist die systematische summarische Gegenüberstellung der Verwendung der Mittel eines Unternehmens (Aktiva) und deren Herkunft (Passiva). Aktiva eines Unternehmens sind sein Vermögen und Passiva sind sein Eigenkapital (EK) und seine Verbindlichkeiten (Fremdkapital – FK). Das Vermögen besteht aus Bargeld und geldwerten Rechten, d. h. Eigentum an materiellen und immateriellen Gütern und Forderungen. Das EK setzt sich aus dem gezeichneten Kapital und Rücklagen zusammen, erhöht oder vermindert um Gewinn- oder Verlustvorträge und Jahresüberschüsse oder -fehlbeträge. Das FK sind Mittel, die dem Unternehmen von Dritten (zeitlich befristet) zur Verfügung gestellt werden, z. B. durch Kredit. Die Bilanz reflektiert die vom Unternehmen während des Bilanzzeitraums getätigten Geschäfte und stellt den formalen Abschluss der Buchführung für diesen Zeitraum dar. Der Vergleich des EK zu Beginn und zum Ende des Geschäftsjahres ergibt unter Berücksichtigung der Einlagen und Entnahmen den Gewinn oder Verlust des Unternehmens in diesem Geschäftsjahr. Die Details ergeben sich aus der mit der Bilanz verzahnten GuV. Weitere Rechnungslegungsdokumente sind Gesamtergebnisrechnung, Kapitalflussrechnung, EK-Spiegel und Anhang. 1405) Daneben stehen als weitere Verfahren des Rechnungswesens die Kameralistik (gängig bei Körperschaften des öffentlichen Rechts) und die Einnahmenüberschussrechnung (gängig bei kleinen Unternehmen und Vereinen). 1406) USA und UK haben nur rudimentäre gesetzliche Vorschriften zur Rechnungslegung. Die dortigen Rechnungslegungsvorschriften werden von staatlich autorisierten, privatrechtlich organisierten Rechnungslegungsgremien herausgegeben. 1407) Daneben gelten weitere deutsche Gesetze, z. B. das Publizitätsgesetz, das die Publizitätspflicht von Unternehmen regelt, die nicht schon als Kapitalgesellschaften zur Offenlegung ihres Jahresabschlusses verpflichtet sind, insbesondere Personengesellschaften und Einzelunternehmen.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

geln)1408) und die International Financial Reporting Standards (IFRS).1409) Gem. HGB §§ 238, 242 hat jeder deutsche Kaufmann Bücher zu führen und einen Jahresabschluss zu erstellen.1410) Bedeutende Unternehmen müssen ihre Abschlüsse durch externe Wirtschaftsprüfer prüfen lassen1411) und veröffentlichen (durch Einreichung zum Handelsregister und/oder im (elektronischen1412))

___________ 1408) Grundlage der Bilanz ist die ordnungsmäßige Buchführung. Gem. HGB §§ 238 ff. gelten die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB). Die Bilanz soll ein zutreffendes (alle Fakten berücksichtigendes) und nachvollziehbares Bild des Unternehmens zum Stichtag zeichnen (Prinzip der Bilanzwahrheit und -klarheit). Da dem Kaufmann aber zu einem relevanten Zeitpunkt niemals alle Fakten vollständig bekannt sind, müssen Bewertungen und Schätzungen (etwa auf Basis der Vornahme von Abschreibungen oder der Ermittlung theoretischer Verkaufspreise) vorgenommen werden. Dabei gilt das Vorsichtsprinzip: Nur ungenau bezifferbare Aktiva sollen eher pessimistisch bewertet und mögliche Risiken berücksichtigt werden. HGB § 247 schreibt vor, dass Anlage- und Umlaufvermögen, EK, FK sowie Rechnungsabgrenzungsposten in der Bilanz gesondert auszuweisen sind, und HGB § 266 HGB sieht für Kapitalgesellschaften einen detaillierten Bilanzaufbau (HGB-Bilanzschema) vor (gewisse Abweichungen vom HGB-Bilanzschema ergeben sich für kleine Kapitalgesellschaften (HGB § 274a) und für Personenhandelsgesellschaften (HGB § 264c)). 1409) Die IFRS werden vom International Accounting Standards Board (IASB) veröffentlicht und sollen die Rechnungslegung von Unternehmen international vergleichbar machen. Sie umfassen die Standards der Vorgängerorganisation IASC, werden kontinuierlich weiterentwickelt und stehen in der Tradition der United States Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP). Auch die IFRS-Bilanz differenziert nach Aktiva (assets) und Passiva (liabilities), gliedert diese aber anders als das HGB (im Regelfall) nach Fristigkeit (current + non-current assets und korrespondierend current + non-current liabilities) oder (ausnahmsweise) nach ihrer Liquiditätsnähe (vgl. IAS 1.51-77). Siehe zum Zusammenhang zwischen IFRS-Rechnungslegung in Deutschland und Anleihen: H/SSchuldverschreibungsrecht-4.Teil-Kapitel 8-Dörscher, Rn. 8.3 – 8.10. 1410) Der Kaufmann hat zu Beginn (Eröffnungsbilanz) und zum Ende (Schlussbilanz) eines jeden Geschäftsjahrs einen das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellenden Abschluss (Bilanz) aufzustellen (HGB § 242 (1)). 1411) Zusätzlich prüft z. B. die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) als eine Art Bilanzpolizei die Abschlüsse deutscher Unternehmen, und die Finanzverwaltung prüft die Rechnungslegung unter steuerlichen Aspekten (im Rahmen einer sog. Außenprüfung). Besonderer Regulierung unterliegt die Prüfung der Abschlüsse von Unternehmen von öffentlichem Interesse (Entity of Public Interest – PIE), zu denen gem. HGB § 316a alle kapitalmarktorientierten Unternehmen sowie CRR-Kreditinstitute und Versicherungen zählen. Für die Abschlussprüfung von PIE gelten die Regelungen der PIER (die z. B. besondere Vergütungsvorschriften für Prüfer vorsehen) und als Auffangtatbestände HGB §§ 316 – 324a. Die deutsche Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS), die dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zugeordnet ist, übt die Berufsaufsicht über Abschlussprüfer aus, die Abschlussprüfungen bei PIE durchführen, und sanktioniert festgestellte Verstöße (WPO § 66a (6)). DPR und BaFin müssen APAS über Berufspflichtverletzungen durch Abschlussprüfer informieren (HGB § 342b (8) S. 2, WpHG § 110 (2) S. 1). 1412) Unternehmen werden zunehmend verpflichtet, ihre Abschlüsse elektronisch, in Form des Datenformates XBRL im elektronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen. S. TDDelVO 2019/815/EU, die vorschreibt, dass kapitalmarktorientierte Unternehmen ihre Jahresfinanzberichte für Geschäftsjahre ab 2020 in einem einheitlichen europäischen elektronischen Format (European Single Electronic Format – ESEF) erstellen müssen.

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VII. Indirekte Regulierung des Kapitalmarkts

Bundesanzeiger).1413) Die HGB-Bilanzregeln sind für Geschäfte deutscher Unternehmen zwingend anzuwenden.1414) Es gibt für alle Kaufleute anwendbare HGB-Bilanzregeln und solche, die nur für bestimmte Arten von Kaufleuten gelten, z. B. für Finanzakteure.1415) Konzernabschlüsse sog. kapitalmarktorientierter Unternehmen in der EU müssen nach IFRS erstellt werden.1416) Ein Unternehmen ist kapitalmarktorientiert, wenn es einen organisierten Markt durch von ihm ausgegebene Wertpapiere in Anspruch nimmt (oder die Zulassung zum Markt beantragt hat).1417) 4. Datenschutz Finanzmarktregulierung und Datenschutz stehen in einem Spannungsfeld, nicht 346 selten auch im Konflikt, denn während erstere Transparenz über alles stellt, geht es letzterem darum, die Sammlung und Preisgabe von Daten nur dann zu erlauben, wenn es dafür gute Gründe gibt. Besonders sichtbar wird dieser Konflikt bei der Digitalisierung des Finanzmarkts, deren Vorteil für den Kunden neben größerer Geschwindigkeit und geringeren Kosten ja gerade darin liegt, dass umfangreichere Daten in größerer Transparenz zur Verfügung ste___________ 1413) Viele Unternehmen stellen ihre Abschlüsse als Teil ihres Geschäftsberichtes in gedruckter Form oder auf ihrer Internetseite, oft unter der Rubrik Investor Relations, zur Verfügung. 1414) Der Geschäftsabschluss dient nicht nur Informationszwecken, sondern das deutsche Recht knüpft weitere Rechtsfolgen daran. Er legt den Rahmen für die Gewinnverwendung fest und dient aufgrund des Maßgeblichkeitsprinzips (vgl. EStG § 5) als Grundlage für die Steuerbilanz, deren Hauptzweck eine zutreffende Erfolgsermittlung für die Ertragsbesteuerung ist (viele Unternehmen stellen jedoch wegen zahlreicher steuerlicher Besonderheiten neben der Handelsbilanz eine eigenständige Steuerbilanz auf). Auch das Insolvenzrecht knüpft an den Geschäftsabschluss an. Erstellen Unternehmen neben einem Geschäftsabschluss nach HGB-Bilanzregeln einen weiteren nach IFRS, so können sie den IFRS-Abschluss anstelle des HGB-Abschlusses veröffentlichen (HGB § 325 (2)a). 1415) Die Sondervorschriften enthalten weitergehende Informationspflichten, die Einschränkung von Wahlrechten sowie spezielle Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften. S. dazu oben Rn. 137 f. 1416) IASR Art. 4. Auch hier gelten zahlreiche weitere Sondervorschriften (IDW-Kreditinstitute, Kapitel D Nr. 2 Rn. 9). Nicht- kapitalmarktorientierte Unternehmen, die verpflichtet sind Konzernabschlüsse aufzustellen, können wählen, ob sie dies nach HGB-Bilanzregeln oder IFRS tun (IASR Art. 5) – dabei sollen die Grundsätze des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committees beachtet werden, die Auslegungshilfen bieten und Regelungslücken füllen. 1417) HGB § 264d. Die Vorschrift gilt für Kapitalgesellschaften, denen Personenhandelsgesellschaften gleichgestellt werden (HGB § 264a). Die Definition des kapitalmarktorientierten Unternehmens in HGB § 264d kann dazu führen, dass auch Kleingesellschaften in der Rechtsform der GmbH oder UG als kapitalmarktorientierte Unternehmen einzustufen sind, nämlich wenn sie Schuldtitel emittieren und an die Börse bringen, was namentlich bei Emittenten von ABS der Fall ist (näher: Bayer/Hoffmann, GmbHR 2018, R80 – R82). Die Einstufung als kapitalmarktorientiertes Unternehmen hat eine Vielzahl weiterer Folgen, namentlich, dass die Gesellschaft eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel erstellen muss (HGB § 264 (1) S. 2) und einen ausführlichen Lagebericht (HGB §§ 289 ff.). S. eine Übersicht zu den Rechtsfolgen bei Beck-OGKHandelsR-Suchan, HGB § 264d Rn. 4.

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B. Kapitalmarktaufsichtsrecht

hen.1418) Der Konflikt gewinnt dadurch weiter an Bedeutung, dass Daten selbst zu wertvollen Vermögensgegenständen geworden sind und die Monetarisierung von Daten zu höchst interessanten Geschäftsmodellen führt (deren Regulierung gerade im Gange ist).1419) Vereinzelt unternimmt der Gesetzgeber Versuche, das Spannungsfeld zwischen Finanzmarktregulierung und Datenschutz zu regeln;1420) allerdings gibt es Konflikte, die sich kaum auflösen lassen.1421)

___________ 1418) S. unten Abschnitt E. 1419) Das zeigt sich am Börsenwert der Technikgiganten wie Google und Facebook, für die ihre Kundendaten (die sie mittels technologischer Systeme analysieren und verwerten) zu ihren wertvollsten Vermögensgegenständen zählen. Mithilfe von Big Data Analytics können Verbraucherbedürfnisse vorhergesagt werden. Unternehmen können daher auf individuelle Bedürfnisse zugeschnittene Finanzprodukte und -dienstleistungen anbieten (BaFin-VÖ-Digitalisierung). 1420) Z. B. in der MAR: Grds. sind alle Informationen, die eine Behörde im Rahmen ihrer Tätigkeit erhält, strikt vertraulich zu behandeln und dürfen keiner anderen Person oder Behörde zugänglich gemacht werden (MAR Art. 27). Ausnahmen sind zugelassen, etwa bei der Kooperation mit anderen zuständigen Behörden in der EU, ggf. sogar mit Drittstaaten-Behörden (MAR Art. 29). EU Datenschutzvorschriften sind in jedem Fall zu beachten (MAR Art. 28). Ein deutsches Beispiel für den Versuch, die Interessen von Finanzaufsichts- und Datenschutzrecht in Einklang zu bringen, ist FinDAG § 4e. 1421) Vgl. den breit in MiFID EG (57) erörterten Konflikt zwischen der Pflicht der Wertpapierfirmen, Telefongespräche mit Kunden aufzuzeichnen, und der Einhaltung datenschutzrechtlicher Anforderungen. Hinzu kommt die besondere Ausprägung des Datenschutzes, die dieser im Finanzbereich durch das Bankgeheimnis erfährt, das sich auf alle Tatsachen erstreckt, die der Kunde geheimhalten möchte (Einsele, B+K-Recht § 1 Rn. 7).

228

C. Kapitalmarktzivilrecht In diesem Abschnitt C. werden diejenigen zivilrechtlichen Regelungen dar- 347 gestellt, die generell für den Kapitalmarkt bedeutsam sind (Kapitel C.I) und in den nachfolgenden Kapiteln C.II.-VII. solche, die besondere Relevanz für einzelne Finanzinstrumente und darauf bezogene Kapitalmarktdienstleistungen haben.1422) I. Bedeutsame zivilrechtliche Regelungen für den Kapitalmarkt im Allgemeinen Das Kapitalmarktzivilrecht regelt

348

x

die (vertraglichen) Beziehungen der Kapitalmarktakteure zu ihren Kunden und diejenigen mehrerer Kapitalmarktakteure untereinander,

x

die Zuordnung der Kapitalmarktinstrumente (und ggf. bestellter Sicherheiten) zum Vermögen der beteiligten Personen sowie

x

die Durchsetzung der aus Vertragsbeziehung und Vermögenszuordnung resultierenden Ansprüche (hier als kapitalmarktrechtliche Ansprüche bezeichnet).1423)

Der erste Regelungsbereich wird (im deutschen Recht) vornehmlich durch das 349 Schuldrecht bestimmt,1424) der zweite durch das Personen- und Sachenrecht und der dritte neben dem Vollstreckungsrecht durch das Insolvenzrecht. Da ___________ 1422) Die Darstellung in diesem Abschnitt C. folgt im Prinzip dem Institutionensystem des römischen Juristen Gaius (https://de.wikipedia.org/wiki/Gaius_(Jurist)): Personae (Personenrecht) – Res (Sachen- und Schuldrecht) – Actiones (hier im Sinne Bernhard Windscheids verstanden: Die actio „die Befugniß, seinen Willen durchzusetzen … also der Ausdruck für dasjenige, was man von einem anderen verlangen könne. Suche man dafür nach einer kurzen Bezeichnung, so werde man passend sagen können: Actio ist der Ausdruck für den Anspruch.“ (Windscheid, Die Actio des römischen Civilrechts, vom Standpunkte des heutigen Rechts, 1856, S. 5 – zitiert nach: Schulze: Subjektives Recht und Klage – Axiome im deutschen und französischen Zivilrechtssystem – https://www.uni-potsdam.de/fileadmin/projects/ls-gschulze/Publikationen/Subjektives_Recht_und_Klage__Axiome_im_deutschen_und_franzoesischen_Zivilrechtssystem.pdf.). 1423) Das Kapitalmarktrecht regelt außerdem Fälle der vertraglichen Schlechtleistung und daraus resultierenden Schadenersatzansprüche, die aber nicht in diesem Abschnitt C., sondern im Rahmen des Kapitalmarktsanktionsrechts in Abschnitt D. unten behandelt werden. 1424) In einigen Fällen können auch personenrechtliche Fragen eine Rolle spielen, etwa, ob eine bestimmte Person Träger von Kapitalmarktrechten sein oder Verpflichtungen aus Kapitalmarkttransaktionen übernehmen kann (s. z. B. unten Rn. 437 in Bezug auf Derivategeschäfte). Der kollisionsrechtliche Anknüpfungspunkt für diese Fragen ist bei juristischen Personen i. d. R. der Ort des Mittelpunkts ihrer hauptsächlichen Interessen (Centre of Main Interest – COMI). Ansätze zur Bestimmung des COMI sind: Ort der Leitung des Unternehmens (d. h. der Ort, an dem die zentralen Entscheidungen getroffen werden – Mind of Management) oder Ort der Geschäftstätigkeit des Unternehmens (d. h. der Ort, an dem Geschäftsentscheidungen umgesetzt werden – Business Activity). S. zum COMI auch unten Rn. 371.

229

C. Kapitalmarktzivilrecht

kapitalmarktrechtliche Geschäfte häufig grenzüberschreitend vonstatten gehen – und das EU Recht im Kapitalmarktzivilrecht vergleichsweise wenig sog. Einheitsrecht1425) setzt – können unterschiedliche nationale Rechtsordnungen betroffen sein. Aus diesem Grund spielt auch das Internationale Privatrecht (IPR),1426) das das materielle Recht einer bestimmten nationalen Rechtsordnung für die Lösung einer einschlägigen Rechtsfrage für anwendbar erklärt, eine wichtige Rolle bei der Lösung kapitalmarktzivilrechtlicher Probleme.1427) 1. Vertragliche Beziehungen im Kapitalmarkt 350 Um das Spektrum der vielfältigen vertraglichen Beziehungen der Kapitalmarktakteure untereinander und zu ihren Kunden übersichtlicher zu machen, mag ___________ 1425) Das (nationalstaatliche) IPR ist abzugrenzen von durch inter- oder multinationale Abkommen geschaffenem internationalem Einheitsrecht (Beck-OGK-ZivR-Wendland, Rom I-VO Art. 3 Rn. 104), z. B. dem UN-Kaufrecht vom 11.4.1980), das Vorrang vor dem IPR hat. 1426) Das deutsche IPR ist in EGBGB Art. 3 – 48 EGBGB geregelt und bezieht unmittelbar anwendbares EU und völkerrechtliches Kollisionsrecht mit ein, das dann im Konfliktfall den rein nationalen IPR-Regelungen vorgeht (EGBGB Art. 3 (2)). Ein mit dem IPR verwandter Rechtsbereich ist das Internationale Zivilverfahrensrecht (IZVR), das die internationale Zuständigkeit von Gerichten, die Besonderheiten von Verfahren mit Auslandsbezug sowie die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen regelt. Nach IZVR-Regeln ist deshalb auch die bei Verträgen über Finanzinstrumente häufig vorkommene Vereinbarung eines (nicht-ausschließlichen oder ausschließlichen) Gerichtsstands zu beurteilen. Zwischen zwei deutschen Parteien ist eine Gerichtsstandsvereinbarung gem. ZPO § 38 grds. immer zulässig, wenn (i) die Parteien Kaufleute sind oder (ii) mindestens eine Partei keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. Allerdings hat die Vereinbarung keine rechtliche Wirkung, wenn sie sich nicht auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis und die aus ihm resultierenden Rechtsstreitigkeiten bezieht (ZPO § 40). Mit einer Partei aus einem EU Mitgliedstaat ist eine Gerichtsstandsvereinbarung gem. Art. 25 der VO (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO, EuGVO oder Brussels-Ia-Regulation) wirksam, es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht des Mitgliedstaats des Gerichts materiell nichtig. Die New Lugano Convention zwischen der EU, Schweiz, Norwegen und Island dehnt diese Regelung mit Art. 23 (1) auf Parteien aus diesen Staaten aus. 1427) Das IPR (oder Kollisionsrecht) einer Rechtsordnung bestimmt, welche von mehreren möglichen nationalen Privatrechtsordnungen in einem Kollisionsfall zur Anwendung kommt. Ein Kollisionsfall liegt vor, wenn ein (zivilrechtlicher) Sachverhalt eine Auslandsberührung hat. Jede Kollisionsnorm hat einen Anknüpfungspunkt (ein Sachverhaltsmerkmal), von dessen Vorliegen die Anwendbarkeit einer Sachnorm abhängig ist. Im Wirtschaftsrecht sind wichtige Anknüpfungspunkte der Sitz eines Unternehmens bzw. der Ort, an dem das Unternehmen den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat (Centre of Main Interest – COMI), der Handlungsort (lex loci actus), der Erfüllungsort, die Belegenheit einer Sache (lex rei sitae) oder der Ort eines angerufenen Gerichts (lex fori). Von diesen Anknüpfungspunkten wählt das anwendbare (nationale) IPR häufig nicht nur einen einzigen (ausschließlich) geltenden Anknüpfungspunkt aus, sondern es kommen je nach der Art. des Rechtsverhältnisses (z. B. Rechtsfähigkeit, unerlaubte Handlung, Eigentum, Insolvenz) unterschiedliche Anknüpfungspunkte zur Anwendung. Eine ausländische Rechtsnorm ist (von einem inländischen Gericht) trotz Verweisung nicht anzuwenden, wenn ihre Berücksichtigung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des inländischen Rechts (Ordre Public) offensichtlich unvereinbar ist (vgl. EGBGB Art. 6).

230

I. Bedeutsame zivilrechtliche Regelungen für den Kapitalmarkt im Allgemeinen

folgende Differenzierung zwischen Kategorien kapitalmarktrechtlicher Vertragsgegenstände hilfreich sein:1428) x

Schaffung von Kapitalmarktinstrumenten (z. B. durch die Vereinbarung von Anleihebedingungen oder den Abschluss von Derivateverträgen),

x

Besicherung (z. B. durch Verpfändung von Wertpapieren zur Absicherung derivaterechtlicher Forderungen),

x

Abschluss und Settlement von Kapitalmarkthandelsgeschäften,

x

Beratung bzgl. Kauf/Verkauf oder Portfolioverwaltung von Kapitalmarktinstrumenten.

Bei allen kapitalmarktrechtlichen Verträgen kann sich die Frage stellen, ob sie 351 wirksam geschlossen wurden, wie sie auszulegen sind und welche Rechtsfolgen sich aus ihnen ergeben. Die Antwort auf diese Fragen ergibt sich aus der auf den Vertrag anwendbaren Rechtsordnung, deren Bestimmung der erste Schritt zur Lösungsfindung ist. a) Internationalprivatrechtlich anwendbares Vertragsrecht (Rom I-VO) Die in der gesamten EU geltende Rom I-VO erlaubt Vertragsparteien, die 352 Rechtsordnung frei zu wählen, der sie einen zwischen ihnen abzuschließenden (schuldrechtlichen1429)) Vertrag unterstellen wollen.1430) Treffen die Parteien keine Rechtswahl, wird das anwendbare Recht anhand objektiver Anknüpfungskriterien bestimmt.1431) Eingeschränkt wird die Vertragsautonomie allerdings durch sog. zwingende Normen derjenigen Rechtsordnung, die nach objektiven Anknüpfungskriterien anwendbar wäre (aber von den Parteien abgewählt wurde – nachfolgend Inländisches Recht genannt). Zwingend sind Normen des Inländischen Rechts, die der Privatautonomie entzogen sind, also von den Vertragsparteien nicht ausgeschlossen werden können. Diese zwingenden Normen des (abgewählten) Inländischen Rechts sind trotzdem anwendbar, wenn alle

___________ 1428) Auf einzelne dieser Vertragsgegenstände wird in diesem Abschnitt C. Bezug genommen. Siehe ausführlich zum IPR der Finanzgeschäfte: Einsele, B+K-Recht § 2. 1429) Bei der Anknüpfung ist das (deutsche) Abstraktionsprinzip zu beachten: Auch im IPR werden das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft und das dingliche Verfügungsgeschäft unterschieden und getrennt angeknüpft. Das Verfügungsgeschäft ist der Rechtswahl – zumindest im Hinblick auf Sachen – entzogen (BGH NJW 1997, 461, 462; Grüneberg-BGB-Thorn, EGBGB Art. 43 Rn. 2). Zum kollisionsrechtlichen Gleichlauf von schuldrechtlicher Verpflichtung und dinglicher Wirkung bei Sicherheiten s. unten Rn. 361 sowie ISDA Collateral Provider Insolvency Opinion S. 18. 1430) Rom I-VO Art. 3. 1431) Rom I-VO Art. 4.

231

C. Kapitalmarktzivilrecht

anderen Elemente des Sachverhalts zum Zeitpunkt der Rechtswahl in einem anderen als demjenigen Staat belegen sind, dessen Recht gewählt wurde.1432) b) Zwingendes deutsches materielles Vertragsrecht 353 Auch im deutschen materiellen Recht gilt der Grundsatz der (schuldrechtlichen) Vertragsfreiheit, den das Bundesverfassungsgericht aus der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. GG Art. 2 (1) ableitet.1433) Danach ist es jeder Person gestattet, Verträge abzuschließen, die sowohl hinsichtlich des Vertragspartners als auch des Vertragsgegenstandes frei ausgehandelt werden können, sofern damit nicht gegen zwingende Vorschriften des geltenden Rechts oder die guten Sitten1434) verstoßen wird. Zwingende Vorschriften mit Auswirkungen auf den Finanzsektor enthält das deutsche Recht vor allem im Zusammenhang mit Verbraucherverträgen und besonderen Vertriebsformen.1435) Für diese Verträge

___________ 1432) Rom I-VO Art. 3 (3) und (4). Es wird weiter differenziert (vgl. HWB-EuP-Ellger, Eingriffsnormen) zwischen drei Gruppen zwingender Normen (die sich im Verhältnis zum gewählten Recht unterschiedlich auswirken), nämlich · intern zwingende Normen: Normen, die (nach dem Verständnis des jeweiligen Staats) der Vertragsgerechtigkeit dienen (aus deutscher Sicht z. B. die Generalklauseln in BGB §§ 138 und 242). Zwar führt die Wahl eines ausländischen Vertragsstatuts dazu, dass grds. nur die intern zwingenden Normen des gewählten Rechts anzuwenden sind. Eine Ausnahme gilt aber, wenn alle anderen Elemente des Sachverhalts zum Zeitpunkt der Rechtswahl in einem anderen als demjenigen Staat belegen sind, dessen Recht gewählt wurde: Dann gilt auch das zwingende Recht dieses Staats (Rom I-VO Art. 3 (3)); · international zwingende Normen (Eingriffsnormen): Normen, deren Einhaltung von einem Staat als entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird (Rom I-VO Art. 3 (4)); und · Normen, die nach dem Inländischen Recht nicht vertraglich abbedungen werden können (Sonderprivatrecht), und deren Anwendung dazu führen würde, dass eine Partei, die besonderen Schutz genießt, günstiger dastände als unter dem gewählten Recht (z. B. der für Verbraucherverträge geltende Rom I-VO Art. 6(2) oder der für Arbeitsverträge geltende Rom I-VO Art. 8 (1)). 1433) BVerfGE 8, 274 Rn. 212; BVerfGE 95, 267 Rn. 142. 1434) Ein Verstoß gegen die guten Sitten (BGB § 138) liegt z. B. vor bei anfänglicher Übersicherung. Für Sittenverstöße im Zusammenhang mit Derivaten s.: E/B-Bankrecht-Reiner/ Scholl, § 94 Rn. 95 – 100. 1435) BGB §§ 312 – 312m (mit diesen Vorschriften werden u. a. Vorgaben der ConsRD, der DMD und der ECD umgesetzt – näher: MüKo-BGB-Wendehorst, BGB § 312 Rn. 1). Bei den besonderen Vertriebsformen handelt es sich um außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge (BGB § 312b), Fernabsatzverträge (BGB § 312c) und im elektronischen Geschäftsverkehr geschlossene Verträge (BGB §§ 312i und j). Definiert und abgegrenzt werden in diesem Zusammenhang gem. BGB § 312 (5) Vertragsverhältnisse über Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung (Finanzdienstleistungen). Dieser zivilrechtliche Begriff der Finanzdienstleistungen unterscheidet sich stark vom aufsichtsrechtlichen Begriff.

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I. Bedeutsame zivilrechtliche Regelungen für den Kapitalmarkt im Allgemeinen

gelten spezielle Informationspflichten,1436) Entgeltrestriktionen1437) und Widerrufsrechte.1438) Zusätzliche zwingende Regelungen gelten für Darlehensverträge (und ihnen gleichgestellten sog. Finanzierungshilfen) mit Verbrauchern1439) und insbesondere deren Vermittlung1440) sowie für Zahlungsdienste einschließlich E-Geld.1441) Zwingenden Charakter haben i. Ü. die deutschen Regelungen zur Gestaltung 354 rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB).1442) AGB sind alle für eine Vielzahl1443) von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen,1444) die eine Vertragspartei (Verwender) der an-

___________ 1436) BGB §§ 312a (1) – (2), 312d, 491a. Diese Informationspflichten sind streng formalisiert und müssen präzise unter Verwendung der in den folgenden Vorschriften genannten Formulierungen erfüllt werden: EGBGB Art. 246 (Verbraucherverträge), EGBGB Art. 246b (außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen), EGBGB Art. 246c (Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr), EGBGB Art. 247 und EGBGB Art. 247a (Verbraucherdarlehensverträge, entgeltliche Finanzierungshilfen und Darlehenvermittlungsverträge) und EGBGB Art. 248 (Zahlungsdienstleistungen). 1437) BGB §§ 312a (3) – (5). 1438) BGB §§ 312g, 355 – 361, 495. 1439) BGB §§ 488 – 515 (mit diesen Vorschriften werden u. a. Vorgaben der CCD und der MCD umgesetzt – s. zur Entstehungsgeschichte der EU Verbraucherkreditgesetze und zu aktuellen Entwicklungen: B/A-Verbraucherkreditrecht-Bülow, Einführung Rn. 2 – 26a und Josten-Kreditvertragsrecht § 7). Eine im internationalen Vergleich deutsche Besonderheit ist das für sämtliche Kreditnehmer (also auch für professionelle Kunden) geltende ordentliche Kündigungsrecht bei festverzinslichen Krediten nach 10 Jahren Laufzeit gem. BGB § 489 (1); variabelverzinsliche Kredite können jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 3 Monaten gekündigt werden (BGB § 489 (2)). Da das Verbraucherdarlehen mittlerweile speziell in BGB § 500 geregelt ist (der den Darlehensnehmerinteressen noch viel weiter entgegenkommt), findet BGB § 489 fast nur im Verhältnis zu professionellen Kreditnehmern Anwendung. In diesem Verhältnis stellt die Vorschrift eine Überregulierung durch den deutschen Gesetzgeber dar, die allerdings in der Praxis ausgehebelt werden kann, etwa durch die Vereinbarung ausländischen Rechts (auch durch eine Teilvereinbarung ausländischen Rechts nur für den Kündigungsteil) und/ oder durch den Abschluss zusätzlicher derivativer Zinssicherungsgeschäfte (vgl. L/B/SBankrecht-Krepold, BGB § 490 Rn. 64 – 68). 1440) BGB §§ 655a – 655e. 1441) BGB §§ 675c – 676c. 1442) BGB §§ 305 – 310, die u. a. Vorgaben aus der UTD umsetzen. 1443) Entscheidend ist die Absicht, nicht die tatsächliche Serienverwendung (MüKo-BGBBasedow, Bd. 2, § 305, Rn. 18). 1444) Vorformuliert sind Vertragsbedingungen, wenn sie vor dem Vertragsabschluss ausformuliert vorliegen; nicht erforderlich ist, dass der Verwender sie selbst vorformuliert hat (MüKo-BGB-Basedow, Bd. 2, § 305, Rn. 13).

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C. Kapitalmarktzivilrecht

deren Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt.1445) Sie werden Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss die andere Vertragspartei auf sie hinweist und ihr die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen, und sie mit ihrer Geltung einverstanden ist.1446) Solche Vertragsbedingungen können gem. BGB §§ 307 ff. unwirksam sein, was aber nicht den gesamten Vertrag unwirksam macht, sondern zu einer (fiktiven) Ersetzung der unwirksamen Bedingung durch eine den entsprechenden Sachverhalt regelnde gesetzliche Bedingung gem. BGB § 306 führt. Die Regelungen gelten ebenfalls – wenn auch eingeschränkt – für Verträge zwischen Unternehmern.1447) Sowohl Anleihebedingungen als auch DerivateRahmenvereinbarungen gelten nach h. M. als AGB.1448) 2. Vermögensrechtliche Zuordnung von Kapitalmarktinstrumenten 355 Wem gehört ein Finanzinstrument? Wer ist Inhaber eines aus dem Finanzinstrument resultierenden Anspruchs und ggf. einer für diesen Anspruch bestellten Sicherheit? Es gibt zur Beantwortung dieser Fragen keine uniform anwendbare Regel. Alle Kapitalmarktinstrumente sind Träger von Werten und Wertentwicklungschancen, aber diese Werte können ganz unterschiedlicher Natur sein und eine differenzierte rechtliche Ausgestaltung verlangen. So be___________ 1445) BGB § 305 (1). Stellen bedeutet, dass der Verwender (oder sein Vertreter, Berater oder sonstiger Gehilfe) die Vertragsbedingungen der anderen Partei (dem Kunden) einseitig auferlegt (MüKo-BGB-Basedow, Bd. 2, § 305, Rn. 21). An der Einseitigkeit der Auferlegung fehlt es, wenn die Einbeziehung der vorformulierten Bedingungen in den Vertrag auf einer freien Entscheidung beider beteiligten Parteien beruht (MüKo-BGB-Basedow, Bd. 2, § 305, Rn. 21) und/oder wenn darüber verhandelt wird. Zweifelhaft kann die Rolle des Verwenders bei branchenüblichen, von allen beteiligten Wirtschaftskreisen akzeptierten AGB wie den Muster-Derivateverträgen sein. Es ist dann oft eher eine Frage des zufälligen Ablaufs der Vertragsgespräche, welche Partei als erste auf die betreffenden AGB hingewiesen hat (MüKo-BGB-Basedow, Bd. 2, § 305, Rn. 26). Das Problem ist dann vernünftigerweise so zu lösen, dass keine Partei als Verwender anzusehen ist und die Vorschriften über die Klauselkontrolle keine Anwendung finden (vgl. BGHZ 184, 259 Rn. 21 = NJW 2010, 1131, 1133). 1446) BGB § 305 (2). Ungewöhnliche Klauseln werden auch dann nicht Vertragsbestandteil (§ 305c (1)). Auslegungszweifel (Unklarheiten) gehen zu Lasten des Verwenders (§ 305c (2)). 1447) BGB § 310 (1) erklärt § 305 (2) und (3), § 308 Nr. 1, 2 bis 8 und § 309 für nicht anwendbar auf AGB, die gegenüber einem Unternehmer verwendet werden. Damit bleibt aber insbesondere die Generalklausel des § 307 (1) und (2) im unternehmerischen Rechtsverkehr anwendbar, die eine Vertragsbedingung, die eine Partei unangemessen benachteiligt, für unwirksam erklärt. Unangemessen ist eine Regelung, die von wesentlichen Wertungen des Gesetzes abweicht, die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet oder nicht klar und verständlich ist. I. Ü. ist die Frage, ob eine Vertragsbedingung im Unternehmerverkehr als unangemessen zu gelten hat, unter Rückgriff auf die Wertungen der §§ 308 und 309 zu klären – nur eben auf Grund einer „Parallelwertung in der Unternehmersphäre“ (MüKo-BGB-Basedow, Bd. 2, § 305, Rn. 11). Wohlgemerkt: Das AGB-Recht ist ein Klotz am Bein des deutschen Wirtschaftsrechts. Es hat seinen unbestreitbaren Verdienst beim Schutz des Verbrauchers gegenüber der Marktmacht des dominierenden Unternehmers. Aber im Rechtsverkehr zwischen Unternehmern führt es zu Rechtsunsicherheit, sinnwidrigen Ergebnissen, unnötiger Komplexität und letztlich dazu, dass deutsches Recht, wo möglich, von den Parteien eines Vertrags abgewählt wird. 1448) Vgl. unten Rn. 400 f. bzw. Rn. 437.

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I. Bedeutsame zivilrechtliche Regelungen für den Kapitalmarkt im Allgemeinen

stehen OTC-Derivate (und viele Geldmarktinstrumente) nur in Form schuldrechtlicher Ansprüche; um diese Ansprüche (insolvenzfest) durchsetzbar zu machen, sind (dingliche) Sicherheiten unabdingbar. Wertpapiere hingegen verkörpern schuldrechtliche Ansprüche, haben aber (aus Sicht des deutschen Zivilrechts) auch eine Hülle, die ihrem Inhaber dingliche Ansprüche vermittelt. Allerdings ist diese Hülle schon seit langem (weitgehend) dematerialisiert, um Wertpapiere über (komplexe) Liefer- und Abrechnungssysteme schnell und effizient handelbar zu machen.1449) Wertpapiere können (neben Geld) als Finanzsicherheiten außerdem dazu dienen, schuldrechtliche Ansprüche aus anderen Finanzinstrumenten abzusichern. a) Die Bedeutung von Finalitätsrichtlinie und Finanzsicherheitenrichtlinie Um diesen komplexen Eigenschaften von Finanzinstrumenten im Allgemeinen 356 und Wertpapieren im Besonderen Rechnung zu tragen und einen sicheren zivilrechtlichen Rahmen für den Umgang mit Finanzinstrumenten zu schaffen, hat der europäische Gesetzgeber mit der Finalitätsrichtlinie SFD und der Finanzsicherheitenrichtlinie FCD zwei grundlegende Gesetze erlassen, die Deutschland ebenso wie alle anderen EU Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen hatte. Die SFD verfolgt das Ziel, die Risiken der Teilnahme an Zahlungsverkehrs- 357 und Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen (Abrechnungssysteme) zu verringern.1450) Als besonderes Risiko wird die Beeinträchtigung des Abrechnungssystems (und seiner Teilnehmer) im Fall von Insolvenzverfahren gegen einen Systemteilnehmer identifiziert1451) und daraus die Notwendigkeit geschlussfolgert, die Wirksamkeit von Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträgen und Forderungsverrechnungen (Netting) sowie die Verwertbarkeit dinglicher Sicherheiten im Rahmen der Systemteilnahme trotz Insolvenz sicherzustellen.1452) ___________ 1449) Vgl. unten Rn. 411 ff. 1450) SFD EG (1) – (2). Der Begriff dieser Zahlungs-, Wertpapierliefer- und -abrechnungssysteme sowie interoperablen Systeme ist im deutschen Recht in KWG § 1 (16) definiert. 1451) SFD EG (4). 1452) SFD EG (9), (13) und (18). Zudem sollte klargestellt werden, dass sich die Rechtsfolgen der Teilnahme am System auch im Insolvenzverfahren eines Systemteilnehmers aus dem für das System maßgeblichen Recht bestimmen (Art. 8). Wichtige aus der SFD resultierende Umsetzungsregelungen im deutschen Recht sind: · Verfügungen über Wertpapiere oder Sammelbestandanteile, die mit rechtsbegründender Wirkung in ein Register eingetragen oder auf einem Konto verbucht werden, unterliegen dem Recht des Staates, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird, in dem unmittelbar zugunsten des Verfügungsempfängers die rechtsbegründende Eintragung vorgenommen wird, oder in dem sich die kontoführende Haupt- oder Zweigstelle des Verwahrers befindet, die dem Verfügungsempfänger die rechtsbegründende Gutschrift erteilt; die deutsche Umsetzung dieser Regelung erfolgt durch DepotG § 17a (s. unten Rn. 362). · Spätestens am Tag der Verfahrenseröffnung vorgenommenes Close-out Netting in Zahlungssystemen verstößt nicht gegen Aufrechnungsverbote der InsO §§ 95, 96 (s. unten Rn. 442).

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C. Kapitalmarktzivilrecht

358 Die FCD soll europaweit einheitliche Regelungen für die Bereitstellung von Wertpapieren und Barguthaben als Sicherheit in Finanztransaktionen (Finanzsicherheiten) schaffen.1453) Insbesondere soll das (nationale) Insolvenzrecht eine effektive Sicherheitenverwertung und das Close-out Netting (CoN)1454) nicht behindern.1455) Außerdem sollen Finanzsicherheiten – ob nun als Vollrechtsübertragung (Full Title Transfer) ausgestaltet1456) oder als beschränktdingliches Sicherungsrecht – vom Sicherungsnehmer (für andere Zwecke) weiter verwendet werden dürfen (sog. Rehypothication).1457) Daraus resultieren folgende Grundsätze: x

Keine Formerfordernisse für die Bestellung von Finanzsicherheiten.1458)

x

Das Recht des Sicherungsnehmers, wie ein Eigentümer über die Finanzsicherheiten verfügen zu können, muss anerkannt werden, wenn die Parteien dies vereinbart haben (den Sicherungsnehmer trifft dann die Pflicht, zum Fälligkeitstermin ein Instrument gleicher Art zurückzugeben).1459)

___________ ·

1453)

1454) 1455) 1456)

1457) 1458)

1459)

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Die Verwertung von durch einen an den anderen Teilnehmer zur Sicherheit abgetretenen Forderungen unterliegt nicht den Beschränkungen der InsO §§ 166 (2), 170 (2) und deshalb auch keinem Haircut durch Verwalterkosten (s. unten Rn. 372). FCD EG (3). Im deutschen Recht (KWG § 1 (17)) sind Finanzsicherheiten definiert als Barguthaben, Wertpapiere oder Forderungen aus (von Banken oder (inländischen) Versicherungen gewährten) Krediten, die als Sicherheit in Form eines beschränkten dinglichen Sicherungsrechts oder im Wege der Vollrechtsübertragung bereitgestellt werden und zwar immer dann, wenn Sicherheitengeber die öffentliche Hand, eine Bank oder Versicherung ist; wenn Sicherheitengeber ein sonstiges Unternehmen ist (ausgeschlossen sind Privatpersonen als Sicherheitengeber) gelten die Sicherheiten als Finanzsicherheiten, wenn sie der Besicherung bestimmter Verbindlichkeiten dienen (Anschaffung/Veräußerung von Finanzinstrumenten; RePo-Geschäfte; Darlehen für Anschaffung von Finanzinstrumenten). Eigene Anteile des sonstigen Unternehmens (und seiner verbundenen Unternehmen) sind keine Finanzsicherheiten. S. näher: Zerey-Finanzderivate-Fried, § 19 Rn. 17. Dazu näher unten Rn. 440 f. FCD EG (5) und (14). FCD EG (13). Vollrechtsübertragung (Full Title Transfer) bedeutet, dass das Eigentum an den Sicherheiten ohne jedwede Einschränkung oder automatische Rückübertragung vom Sicherheitengeber an den Sicherheitennehmer übertragen wird. Besteht der Sicherungsgrund nicht mehr, soll der Sicherheitennehmer entsprechende Finanzsicherheiten an den Sicherheitengeber rückübertragen. S. zur Behandlung der Vollrechtsübertragung im deutschen Recht näher unten Rn. 364 und Rn. 429. FCD EG (19). FCD Art. 3. Das deutsche Recht stellt seit jeher im Gegensatz zu anderen Rechtsordnungen (FCD-G-Gesetzesbegründung S. 11) nur geringe formale Anforderungen an die Bestellung von Sicherheiten. Notarielle Anforderungen gibt es nur im Einzelfall, z. B. bei der Verpfändung von GmbH-Anteilen; ein allgemeines Sicherheitenregister existiert nicht; Register-Eintragungerfordernisse gibt es nur bei Grundpfandrechten. FCD Art. 5. Der Gesetzgeber sah eine Änderung des deutschen Rechts anlässlich der Umsetzung der FCD weder im Hinblick auf die Anerkennung der Vollrechtsübertragung zu Sicherheitszwecken als erforderlich an noch im Hinblick auf die Möglichkeit des Sicherheitnehmers, über die empfangenen Finanzsicherheiten frei zu verfügen. Beides sei nach deutschem Recht ohnehin zulässig (FCD-G-Gesetzesbegründung S. 11/12). Allerdings muss die Verfügungsfreiheit vor Pfandreife ausdrücklich vereinbart werden, denn BGB § 1228 geht davon aus, dass grds. Pfandreife erforderlich ist, um einen Pfandgegenstand zu verwerten.

I. Bedeutsame zivilrechtliche Regelungen für den Kapitalmarkt im Allgemeinen

x

Die Verwertung der Sicherheiten durch Verkauf oder Aneignung und anschließender Ver- bzw. Aufrechnung ihres Werts mit dem Wert der besicherten Verbindlichkeit muss möglich sein, wenn die Parteien dies vereinbart haben; dies muss auch gelten im Insolvenzverfahren des Sicherheitengebers (ohne Abzüge).1460)

x

CoN muss auch im Insolvenzverfahren möglich sein.1461)

x

Die Bestellung von Finanzsicherheiten darf nicht allein deshalb unwirksam sein, weil sie vor, zu oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt.1462)

b) Internationalprivatrechtlich anwendbares Sachenrecht Bevor entschieden werden kann, ob ein Finanzinstrument existiert, wer sein 359 Inhaber oder der Inhaber eines daraus resultierenden Anspruchs ist, muss geklärt werden, nach welcher Rechtsordnung sich diese Fragen beurteilen. Anknüpfung dafür ist (aus deutscher Sicht) das Sachenrecht. Als bedeutendstes dingliches Rechtsgebiet1463) regelt das Sachenrecht die Zuordnung beweglicher und unbeweglicher Sachen zu Personen.1464) Dingliche Rechte können aber auch an Rechten bestehen. Die Vorfrage, welches Sachenrecht welcher Rechts___________ 1460) FCD Art. 4. Im deutschen Recht machte dies Änderungen in BGB §§ 1259, 1279, 1295 erforderlich, da diese Regelungen Beschränkungen bei der Verwertung der Sicherheiten durch Verkauf oder Aneignung vorsahen (z. B. Erfordernis der Androhung, Verkauf nur durch Handelsmakler): Der Sicherungsnehmer kann nun auch im deutschen Recht den Pfandgegenstand zum Marktpreis am Fälligkeitstag frei verkaufen oder sich aneignen und mit der gesicherten Forderung verrechnen (wenn die Parteien Unternehmer oder die öffentliche Hand sind). 1461) FCD Art. 7. 1462) FCD Art. 8. 1463) Durch seine Wirkung gegenüber jedermann (ergo omnes) unterscheidet sich das dingliche (absolute) Recht vom schuldrechtlichen (relativen) Recht, das nur zwischen den beteiligten Parteien (inter partes) wirkt (Jauernig-BGB-Mansel, § 241 Rn. 4). Zur weiteren Terminologie im deutschen Recht: Aus einem dinglichen oder schuldrechtlichen Recht kann ein dinglicher bzw. schuldrechtlicher Anspruch resultieren, nämlich das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (BGB § 194 (1)). Nur ein schuldrechtlicher Anspruch kann indessen eine Forderung begründen, die auf eine bestimmte (vermögensrechtliche) Leistung und gegen eine bestimmte Person (Schuldner) gerichtet ist (BGB § 241 (1)). Schuldrechtliche und dingliche Rechte können Gegenstand eines Rechtsgeschäfts sein. Das Rechtsgeschäft (allgemein geregelt in: BGB Abschnitt 3) besteht aus einer oder mehreren Willenserklärungen, die entweder allein oder in Verbindung mit anderen Tatbestandsmerkmalen eine Rechtsfolge herbeiführen, weil sie gewollt ist (Grüneberg-BGB-Ellenberger, § 83 Rn. 2). Durch ein schuldrechtliches Rechtsgeschäft (Verpflichtungsgeschäft) übernimmt eine Partei gegenüber einer anderen eine Leistungspflicht; durch ein dingliches Rechtsgeschäft (Verfügungsgeschäft) wird ein bestehendes Recht verändert, übertragen oder aufgehoben (BGHZ 1, 294/04). Selbst wenn das Verpflichtungsgeschäft kausal für das Verfügungsgeschäft ist, sind beide zu trennen (Trennungsprinzip). Das Verfügungsgeschäft ist abstrakt (Abstraktionsprinzip), d. h. in seiner Wirksamkeit vom Verpflichtungsgeschäft unabhängig (GrünebergBGB-Ellenberger, § 83 Rn. 22). 1464) Grüneberg-BGB-Herrler, vor § 854 Rn. 1.

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C. Kapitalmarktzivilrecht

ordnung auf ein konkretes kapitalmarktrechtliches Vermögenszuordnungsproblem Anwendung findet, entscheidet das Internationale Sachenrecht. Im deutschen Internationalen Sachenrecht gelten für dingliche Rechte an Sachen und an Rechten unterschiedliche Kollisionsregeln. Gerade für Wertpapiere – die zumindest nach deutschem Recht beides sind: Eine Sache und ein darin verkörpertes Recht – führt dies zu teils komplexen Fragestellungen, deren Grundlinien im Folgenden nachgezeichnet werden. 360 Ausgangspunkt ist der im (deutschen) Internationalen Sachenrecht geltende Grundsatz der lex rei sitae: Rechte an einer Sache unterliegen dem Recht des Staates, in dem sich die Sache befindet.1465) Diese Rechtsordnung (Sachstatut) ist anwendbar auf alle mit einer Sache verbundenen Rechtsfragen, soweit einzelne Rechtsfragen nicht ausdrücklich einem anderen Statut zugewiesen sind.1466) Eine Rechtswahl bleibt grds. unbeachtlich.1467) Rechte an einer Sache sind solche, die mit der Zuordnung der Sache zu Personen mit absoluter Wirkung zu tun haben.1468) Bestimmendes Tatbestandsmerkmal der lex rei sitae ist nicht das dingliche Recht, sondern die Sache als Gegenstand dieses Rechts, weil nur die (körperliche) Sache (und nicht ein Recht) die für EGBGB Art. 43 prägende räumliche Belegenheit aufweist.1469) 361 Allerdings ist der Grundsatz der lex rei sitae im Kapitalmarktrecht nur von eingeschränkter Bedeutung: Wertpapiere werden im deutschen Recht zwar als Sachen angesehen; für sie gilt aber ein besonderes internationalprivatrechtliches Regime (dazu sogleich). Derivate und (die meisten) Geldmarktinstrumente sind i. d. R. rein schuldrechtliche Verträge und als solche dem Sachenrecht nicht unterworfen. Als Zahlungsmittel zugelassenes Geld ist kollisionsrechtlich zwar insoweit als Sache zu qualifizieren, als es in Münzen und Scheinen verkörpert ist; bei als Finanzsicherheit verwendeten Barguthaben in Form von Buchgeld fehlt es daran jedoch.1470) Für Finanzsicherheiten (namentlich wenn sie im Zusammenhang mit Derivateverträgen gestellt werden) gilt generell: Auf dingliche Rechte an Rechten findet diejenige Rechtsordnung ___________ 1465) 1466) 1467) 1468)

EGBGB Art. 43 (1). MüKo-BGB-Wendehorst, Bd. 13, EGBGB Art. 43 Rn. 1. MüKo-BGB-Wendehorst, Bd. 13, EGBGB Vorbemerkung zu Art. 43 Rn. 12. MüKo-BGB-Wendehorst, Bd. 13, EGBGB Art. 43 Rn. 39. Ob der angelsächsische (rechtsgeschäftliche) Trust und andere treuhänderische Rechtsverhältnisse im deutschen IPR als dingliches Recht anerkannt werden sollten, ist umstritten (MüKoBGB-Wendehorst, Bd. 13, EGBGB Art. 43 Rn. 48 ff.). 1469) MüKo-BGB-Wendehorst, Bd. 13, EGBGB Art. 43 Rn. 31. Daher unterliegen (dingliche) Rechte an Rechten einem anderen Anknüpfungsprinzip: Dem Rechtsstatut (dazu sogleich). 1470) MüKo-BGB-Wendehorst, Bd. 13, EGBGB Art. 43 Rn. 35. Zumindest im deutschen (materiellen) Recht wird kein Pfandrecht am Buchgeld selbst eingeräumt, sondern der Auszahlungsanspruch gegen die kontoführende Bank verpfändet. Kollisionsrechtlich ist hier deshalb an das die Beziehung zwischen Bank und Kontoverpfänder regelnde (gem. Rom I-VO Art. 3 und 4 zu ermittelnde) Forderungsstatut anzuknüpfen: Ein Bankguthaben unterliegt dem Recht der Bank, bei der es besteht (MüKo-BGB-Martiny, Bd. 13, Rom I-VO Art. 4 Rn. 88).

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I. Bedeutsame zivilrechtliche Regelungen für den Kapitalmarkt im Allgemeinen

Anwendung, die auf den Gegenstand des dinglichen Rechts anwendbar ist (Rechtsstatut); daher unterliegen Rechte an Forderungen dem Forderungsstatut,1471) Rechte an Gesellschaftsanteilen dem Gesellschaftsstatut usw.1472) Übrig für die lex rei sitae bleibt deshalb nur die Verpfändung oder Sicherungsübereignung von Gegenständen, etwa dem Inhalt von Schließfächern, und die Grundpfandrechte. Bei Wertpapieren unterscheidet das deutsche IPR seit jeher zwischen dem 362 Papier (die Sache) und dem in ihm verbrieften Recht.1473) Das Recht am Papier unterliegt dem (Wertpapier-)Sachstatut, das Recht aus dem Papier dem Statut des verbrieften Rechts (Wertpapier-Rechtsstatut), also dem Forderungsstatut, Gesellschaftsstatut usw. Das Wertpapier-Rechtsstatut dominiert. Es entscheidet bereits darüber, ob eine Urkunde die Rechtsqualität eines Wertpapiers besitzt und welcher Art (Inhaber-, Order-, Rektapapier1474)) es zugehört. Es entscheidet daher insbesondere, ob das verbriefte Rechtsverhältnis durch Rechte am Papier beeinflusst wird, etwa ob eine Veräußerung des verbrieften Rechts durch sachenrechtliche Verfügung über das Papier, Abtretung des Rechts oder Neubegründung vertraglicher Rechtsbeziehungen erfolgt. Nur wenn das Haupt___________ 1471) Für dingliche Rechte an Forderungen (z. B. eine Sicherungszession) führt dies zu folgender Rechtslage: Rom I-VO Art. 14 bestimmt, dass das Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar aus der Übertragung einer Forderung gegen eine andere Person (dem Schuldner) dem Forderungsstatut unterliegt (also häufig dem von den Parteien gewählten Recht). Rom I-VO EG (38) stellt klar, dass damit gemeint ist, dass das schuldrechtliche Forderungstatut auch für die dinglichen Aspekte des Vertrags zwischen Zedent und Zessionar anwendbar ist (soweit eine Rechtsordnung schuldrechtliche und dingliche Aspekte trennt). Dies bedeutet eine Änderung gegenüber der früher im deutschen Recht herrschenden Auffassung, wonach der schuldrechtliche Teil der Abtretung dem Verhältnis von Zedent und Zessionar (Zessionsgrundstatut) unterliegen, die dinglichen Wirkungen der Abtretung jedoch dem Forderungsstatut, also dem zwischen Schuldner und Zedent geltenden Recht (Zessionsstatut). Durch Rom I-VO Art. 14 laufen die beiden Statuten nun gleich (Beck-OGK-ZivR-Hübner, Rom I-VO Art. 14 Rn. 2). Allerdings gilt dies nicht für die sog. Drittwirkung, also die Frage, wie sich eine Verfügung über die Forderung auf die Forderungsinhaberschaft auswirkt, d. h. wer letztlich gegenüber sonstigen Dritten Forderungsinhaber ist. Sonstige Dritte sind insbesondere die Gläubiger des Zedenten und weitere Zessionare im Fall einer Mehrfachabtretung der Forderung (Beck-OGK-ZivR-Hübner, Rom I-VO Art. 14 Rn. 26). Nach Ansicht des EuGH ist Rom I-VO Art. 14 dahingehend auszulegen, dass er weder unmittelbar noch durch entsprechende Anwendung bestimmt, welches Recht auf die Drittwirkungen einer Forderungsabtretung bei Mehrfachabtretung durch denselben Gläubiger nacheinander an verschiedene Zessionare anzuwenden ist (EuGH, v. 9.10.2019 – C-548/18, NJW 2019, 3368). Nach der früheren deutschen Rechtslage vor Rom I-VO galt in diesem Fall das Forderungsstatut; jetzt ist die Rechtslage unklar (Beck-OGK-ZivR-Hübner, Rom I-VO Art. 14 Rn. 28 ff.). Allerdings entschied das OLG Saarbrücken (das den EuGH zu seiner Entscheidung durch Vorlage veranlasst hatte), dass die (alte) deutsche Rechtslage fortgelte und das Forderungsstatut auch die Drittwirkung der Forderungsabtretung regele (OLG Saarbrücken, v. 20.2.2020 – 4 U 109/17, Rn. 48, WM 2018, 2323). 1472) MüKo-BGB-Wendehorst, Bd. 13, EGBGB Art. 43 Rn. 31. 1473) H/S-Schuldverschreibungsrecht-6.Teil-Kapitel 14-Schwarz, Rn. 14.2. Dies gilt nach h. M. für Inhaberpapiere, Orderpapiere und Namenspapiere, bei letzteren str. (vgl. MüKoBGB-Wendehorst, Bd. 13, EGBGB Art. 43 Rn. 197 – 200). 1474) Zu den Wertpapierarten im deutschen Recht s. näher unten Rn. 375 f.

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C. Kapitalmarktzivilrecht

statut sich für eine sachenrechtliche Verfügung über die Hülle des verbrieften Rechts entscheidet, kommt es überhaupt zu einem Wertpapier-Sachstatut (das dann die dingliche Rechtslage am Papier selbst bestimmt).1475) Der deutsche Gesetzgeber sieht diese differenzierte Behandlung nach den unterschiedlichen Statuten allerdings nur für einzelverbriefte Wertpapiere (in Streifbandverwahrung1476)) als sachgerecht an1477) und hat bereits die Umsetzung der SFD dazu genutzt, mit DepotG § 17a eine umfassende Kollisionsregelung für Wertpapiere in Form von Sammelurkunden oder für Buchrechte zu schaffen, die im Rahmen des Effektengiroverkehrs durch Gutschrift eines Anteils an einem Sammelbestand von Wertpapieren übertragen werden1478) oder über die anderweitig verfügt wird (etwa in Form einer Sicherheitenbestellung).1479) DepotG § 17a lautet: „Verfügungen über Wertpapiere oder Sammelbestandanteile, die mit rechtsbegründender Wirkung in ein Register eingetragen oder auf einem Konto verbucht werden, unterliegen dem Recht des Staates, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird, in dem unmittelbar zugunsten des Verfügungsempfängers die rechtsbegründende Eintragung vorgenommen wird, oder in dem sich die kontoführende Haupt- oder Zweigstelle des Verwahrers befindet, die dem Verfügungsempfänger die rechtsbegründende1480) Gutschrift erteilt.“1481) Kontoführende Zweig- oder Hauptstelle des Verwahrers ist diejenige Stelle, die Depotverwahrerklärungen oder Depotauszüge im eigenen Namen gegenüber den Depotkunden abgibt.1482) Das Recht, dem diese Stelle unterliegt, ist deshalb regelmäßig dasjenige, nach dem auch die dinglichen Rechtsfragen rund um das Wertpapier zu beurteilen sind, inklusive der Frage, wer Rechtsinhaber ist. c) Sicherheitenbestellung im deutschen materiellen Sachenrecht 363 Sachenrechte begründen (absolute) Rechte einer Person zur unmittelbaren Herrschaft über die Sache mit Wirkung gegenüber jedermann.1483) Das mate___________ 1475) MüKo-BGB-Wendehorst, Bd. 13, EGBGB Art. 43 Rn. 194 – 195. An dieser Differenzierung ändert sich auch nichts für Wertrechte wie dem eWP (näher unten Rn. 377 f.), weil und insoweit bei ihnen die Sacheigenschaft des Papiers mittels Eintragung in das Register fingiert wird. Über diese Fiktion ist dann das Recht am Ort der Registerführung relevant (MüKo-BGB-Wendehorst, Bd. 13, EGBGB Art. 43 Rn. 206). 1476) S. unten Rn. 411. 1477) SFD-G-Gesetzesbegründung, S. 15. 1478) S. unten Rn. 411. 1479) Die umfassende Bedeutung des Begriffs Verfügung folgt klar aus dem Wortlaut von FCD Art. 9 (2). Auch ist die Vorschrift nicht auf den Insolvenzfall beschränkt, sondern regelt generell die dinglichen Wirkungen der Sicherheitenbestellung (MüKo-BGB-Wendehorst, Bd. 13, EGBGB Art. 43 Rn. 241). 1480) Streitig ist, ob rechtsbegründend i. S. v. konstitutiv zu verstehen ist oder (richtigerweise) i. S. v. den materiell rechtlichen Erwerb dokumentierend (vgl. die Diskussion bei MüKoBGB-Wendehorst, Bd. 13, EGBGB Art. 43 Rn. 246). 1481) Fettdruck durch den Autor. 1482) SFD-G-Gesetzesbegründung, S. 16. In DepotG § 6 (2) als Depotbescheinigung bezeichnet. 1483) Jauernig-BGB-Berger, Sachenrecht Vorbemerkungen Rn. 1.

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I. Bedeutsame zivilrechtliche Regelungen für den Kapitalmarkt im Allgemeinen

rielle deutsche Sachenrecht ist nicht auf Sachen beschränkt, sondern regelt (ausnahmsweise) auch bestimmte Rechte an Rechten.1484) Die in der Praxis wichtigsten kapitalmarktrechtlichen Fragen mit sachenrecht- 364 lichem Bezug betreffen – neben der Erfüllung von Wertpapierhandelsgeschäften1485) – die Besicherung von aus Kapitalmarktgeschäften resultierenden Forderungen. Realsicherheiten1486) spielen vor allem bei Derivategeschäften eine Rolle, aber z. B. auch bei (besicherten) Anleihen. Der Wert der aus diesen Geschäften resultierenden Ansprüche kann entscheidend von der wirksamen Bestellung von Sicherheiten abhängen. Bei den Realsicherheiten unterscheidet das deutsche Sachenrecht zwischen den Bezugsgegenständen – Immobilien,

___________ 1484) Nießbrauch an Rechten (BGB §§ 1068 ff.) und Pfandrechte an Rechten (BGB §§ 1273 ff.). Wichtige dingliche Rechtsregelungen werden aber auch im Schuldrecht getroffen, namentlich die Regelungen betreffend die Übertragung von Forderungen gem. BGB §§ 398 ff. 1485) Dazu näher unten Rn. 411. 1486) Neben Real- gibt es im deutschen Recht Personalsicherheiten: · Die (akzessorische) Bürgschaft – der (schriftliche) Bürgschaftsvertrag gem. BGB §§ 765 ff. ist ein einseitig verpflichtender Vertrag zwischen dem Gläubiger der Hauptverbindlichkeit und einem Dritten, dem Bürgen. Dieser Vertrag begründet eine eigenständige Verbindlichkeit des Bürgen gegenüber dem Gläubiger. Die Verbindlichkeit sichert die Hauptforderung und hängt von ihr in Bestand und Umfang ab. · Die (nicht-akzessorische) Garantie – der Garantievertrag ist im Gesetz nicht geregelt, aber nach BGB §§ 311 (1), 241 zulässig. Der Garantiegeber verpflichtet sich gegenüber dem Empfänger, für einen bestimmten Erfolg einzustehen oder die Gefahr eines künftigen Schadens verschuldensunabhängig zu übernehmen. Damit begründet er eine selbständige, vom Bestehen einer Hauptverbindlichkeit unabhängige (nichtakzessorische) Verbindlichkeit. · Der Schuldbeitritt – der rechtsgeschäftliche Schuldbeitritt ist im Gesetz nicht geregelt, aber nach BGB §§ 311 (1), 241 zulässig. Der Dritte tritt in ein bestehendes Schuldverhältnis ein und übernimmt neben dem Hauptschuldner die Schuld als eigene. Beitretender und ursprünglicher Schuldner werden Gesamtschuldner. · Die Patronatserklärung – die Patronatserklärung ist im Gesetz nicht geregelt, aber nach BGB §§ 311 (1), 241 zulässig. Der Patron verspricht dem Gläubiger eines Dritten oder dem Dritten selbst ein bestimmtes Verhalten. Dieses Versprechen verbessert die Aussicht auf Vertragserfüllung durch den Dritten. Es wird zwischen weichen und harten Patronatserklärungen unterschieden. Eine weiche Patronatserklärung liegt bei einer unverbindlichen Good-will-Erklärung vor. Bei der harten Patronatserklärung übernimmt der Patron eine garantieähnliche Verpflichtung, dem Dritten die Erfüllung seiner Verbindlichkeit zu ermöglichen. Personalsicherheiten (am häufigsten in Form der Garantie) sind in der Kapitalmarktrechtspraxis durchaus relevant (vgl. G/S-Kapitalmarktrecht-Lockemann, § 5.III.4a).

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C. Kapitalmarktzivilrecht

Mobilien und Rechten – und den durch Gesetz erlaubten Formen.1487) Die in der Praxis wichtigsten1488) Realsicherheiten für Mobilien sind: Pfandrecht,1489) Sicherungsübereignung1490) und Eigentumsvorbehalt,1491) für Rechte: Pfandrecht1492) und Sicherungsabtretung1493) und für Immobilien: Hypothek1494) und

___________ 1487) Da im deutschen Sachenrecht nur eine geschlossene Zahl (numerus clausus) von Sachenrechten mit genau umrissenem Inhalt (Typenzwang) existiert, gibt es keine außergesetzlichen Realsicherheiten (MüKo-BGB-Gaier, Bd. 8, Einl. SachenR Rn. 11). Trotzdem ist auch die – in FCD Art. 6 (1) geforderte – Vollrechtsübertragung zu Sicherheitszwecken (dazu oben Rn. 358) im deutschen Recht zulässig, denn sachenrechtlich sie ist nichts anderes als eine Übertragung gem. BGB §§ 929 ff. Dies hat der deutsche Gesetzgeber anlässlich der Umsetzung der FCD klargestellt (FCD-G-Gesetzesbegründung, S. 12) und i. Ü. auch mit der Formulierung des KWG § 1 (17) umgesetzt, in dem der Begriff der Finanzsicherheiten u. a. unter Bezugnahme auf die Vollrechtsübertragung definiert wird. Deswegen ist auch nicht davon auszugehen, dass eine vertragliche Vollrechtsübertragung zu Sicherheitszwecken von einem deutschen Gericht gem. BGB § 140 umqualifiziert würde. Den Auftrag, dies zu verhindern, erteilt die FCD EG (13). Für die Konsequenzen einer solche Umdeutung und dem Unterschied zwischen Aus- und Absonderungsrecht s. oben Rn. 70. 1488) Weitere im BGB geregelte als Realsicherheiten nutzbare Sachenrechte sind: Dienstbarkeiten, Vorkaufsrechte und Reallasten. 1489) Bei der (akzessorischen) Verpfändung wird eine bewegliche Sache zur Sicherung einer Forderung in der Weise belastet, dass der Gläubiger berechtigt ist, Befriedigung aus der Sache zu suchen (BGB § 1204). Zur Wirksamkeit ist Besitzübergang erforderlich. 1490) Bei der (nicht-akzessorischen) Sicherungsübereignung überträgt der Schuldner dem Gläubiger zur Sicherung einer Schuld das Eigentum an einer beweglichen Sache (oder Sachgesamtheit – Raumsicherungsübereignung) mittels Vereinbarung eines Besitzkonstituts (BGB §§ 929 S. 1, 930) und der Vereinbarung (Treuhandabrede), dass der Schuldner den (unmittelbaren) Besitz behalten darf, solange er seinen Verpflichtungen nachkommt und das Eigentum nach Erfüllung der Schuld an den Schuldner zurückfällt. 1491) Bei dem Eigentumsvorbehalt (BGB §§ 929 S. 1, 158) erfolgt die Eigentumsübertragung unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung. Er dient dazu, dass der Verkläufer im Fall der Nichtzahlung durch den Käufer den Herausgabeanspruch des Eigentümers behält. 1492) Forderungen, Hypotheken, Grundschulden, Immaterialgüterrechte, gewerbliche Schutzrechte, GmbH-Geschäftsanteile, Wertpapiere etc. können verpfändet werden (BGB § 1273 (1)). Die Bestellung eines (akzessorischen) Pfandrechts an einem Recht erfolgt nach den für die Übertragung des Rechts geltenden Vorschriften. 1493) Bei der (nicht-akzessorischen) Sicherungsabtretung gem. BGB §§ 398 ff, 158 BGB handelt es sich um die Abtretung einer Forderung gegen einen Dritten unter dem Vorbehalt, dass die Forderung vom Zessionar nur bei Nichterfüllung der gesicherten Schuld (Sicherungsfall) eingezogen wird. 1494) Bei der (akzessorischen) Hypothek wird ein Grundstück zur Sicherung einer Forderung in der Weise belastet, dass an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme zur Befriedigung wegen einer ihm zustehenden Forderung aus dem Grundstück zu zahlen ist (BGB § 1113). Zur Bestellung der Buchhypothek ist die Eintragung im Grundbuch erforderlich (BGB §§ 1115, 1116, 873 (1)). Hinzukommen muss bei der Briefhypothek die Übergabe des Grundschuldbriefes (BGB §§ 1116, 1117).

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I. Bedeutsame zivilrechtliche Regelungen für den Kapitalmarkt im Allgemeinen

Grundschuld.1495) Viele dieser Sicherheiten unterliegen besonderen Formanforderungen,1496) deren Nichteinhaltung zur Unwirksamkeit führen kann. Auch kennt das deutsche Recht – anders als z. B. das englische1497) – keine Gesamtsicherheit, die sich über mehrere Arten von Sicherheitengegenständen erstreckt.1498) 3. Durchsetzung von kapitalmarktrechtlichen Ansprüchen Für die Zwecke einer übersichtlichen Darstellung sollen kapitalmarktrechtliche 365 Ansprüche in folgende Kategorien eingeteilt werden: x

Ansprüche gegen den Schuldner eines Finanzinstruments.

x

Ansprüche eines Dritten gegen den Inhaber (Gläubiger) eines Finanzinstruments.

x

Ansprüche gegen den Geber von Sicherheiten, die zugunsten des Inhabers (Gläubigers) eines Finanzinstruments bestellt wurden.

Die Durchsetzung kapitalmarktrechtlicher Ansprüche erfolgt in Deutschland 366 nach zivil- und zivilprozessrechtlichen Regeln, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens stark vom Insolvenzrecht überlagert werden können. ___________ 1495) Bei der (nicht-akzessorischen) Grundschuld wird ein Grundstück in der Weise belastet, dass an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme zur Befriedigung wegen einer ihm zustehenden Forderung aus dem Grundstück zu zahlen ist (BGB §§ 1191 ff.). Der Unterschied zur Hypothek besteht darin, dass die Entstehung der Grundschuld keine Forderung voraussetzt. Soweit eine Forderung gesichert werden soll, wird die bei der Hypothek bestehende dingliche Verknüpfung zwischen Grundpfandrecht und Forderung bei der Grundschuld auf schuldrechtlichem Wege durch die Sicherungsabrede oder Zweckerklärung ersetzt. Die Bestellung erfolgt wie bei der Hypothek. 1496) GmbH-Geschäftsanteile können nur durch Vertrag in notarieller Form verpfändet werden (GmbHG § 15 (3)). 1497) Die englische Floating Charge ist ein Sicherungsrecht an einer Gesamtheit von gegenwärtigen und künftigen materiellen und/oder immateriellen Vermögensgegenständen. Floating Charges werden an Sachgesamtheiten bestellt, die ständig ihren Bestand wechseln. Solange der Sicherungsfall nicht eintritt, kann der Schuldner frei über die Vermögensgegenstände verfügen. Es gibt zur Floating Charge keine deutsche Entsprechung; vergleichbar ist sie mit einer Kombination aus antizipiertem Sicherungseigentum, soweit es sich um körperliche Gegenstände handelt, und einer Sicherungsabtretung, jedoch einfacher konstruiert und ohne Erfordernis der Berücksichtigung eines Bestimmtheitsgrundsatzes. 1498) Da die Bestellung von Sicherheiten (aus Sicht des deutschen IPR) der Rechtswahl der Parteien grds. entzogen ist, stellt sich die Frage, wie damit umzugehen ist, wenn die Parteien bei der Vereinbarung eines dinglichen Rechts ein (aus Sicht des deutschen IPR) unzulässiges Recht gewählt haben, also z. B. eine im Sammelbestand verwahrte Schuldverschreibung nach englischem Recht verpfändet wird, obwohl gem. DepotG § 17a deutsches Recht gälte. Das deutsche Recht erkennt u. U. auch Sicherheiten an, die nach einem eigentlich unanwendbaren ausländischen Recht bestellt wurden, wenn und insoweit sich diese ausländischen Sicherheiten in ihnen inhaltlich vergleichbare deutsche Sicherheiten uminterpretieren lassen (sog. Transpositionslehre – vgl. MüKo-BGB-Wendehorst, Bd. 13, EGBGB Art. 43 Rn. 154).

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C. Kapitalmarktzivilrecht

a) Zwangsvollstreckung und Sicherheitenverwertung vor Insolvenzeröffnung 367 Zahlt ein Schuldner nicht freiwillig, bedarf es der Zwangsvollstreckung (ZV),1499) d. h. eines Verfahrens, durch das der Gläubiger Zugriff auf das Vermögen des Schuldners erhält, um es zur Befriedigung seiner Forderung verwerten zu können.1500) Das ZV-Verfahren ist in zwei Phasen gegliedert: Zunächst erfolgt die Pfändung bestimmter Vermögensgegenstände des Schuldners und anschließend die Verwertung dieser Vollstreckungsgegenstände zwecks Befriedigung des Gläubigers. Pfändung und Verwertung sind je nach Vollstreckungsgegenstand (Immobilien, Mobilien oder Rechte) unterschiedlich ausgestaltet: Die Pfändung in bewegliche Gegenstände erfolgt durch Inbesitznahme,1501) in Rechte durch Pfändungsbeschluss1502) und in Immobilien durch Anordnungsbeschluss.1503) 368 Ist der Gläubiger Inhaber einer (die gesamte Verbindlichkeit deckenden) Sicherheit, bedarf es der Pfändung weiterer Vermögensgegenstände nicht mehr; der Gläubiger kann vielmehr die ihm zur Verfügung stehenden Sicherheiten verwerten.1504) Voraussetzungen der Sicherheitenverwertung sind: Verwertungsreife, d. h. Fälligkeit der gesicherten Forderung,1505) Androhung der Verwer___________ 1499) Diese Art. der ZV wird als Einzel-ZV bezeichnet, die von der Gesamtvollstreckung in das gesamte Schuldnervermögen zugunsten sämtlicher Gläubiger im Rahmen des Insolvenzverfahrens zu unterscheiden ist (s. dazu unten Rn. 371). 1500) Voraussetzungen der ZV in Deutschland sind: · Vollstreckbarer Titel zugunsten des die ZV betreibenden Gläubigers (Leistungsurteil (ZPO § 704) oder z. B. die vollstreckbare Ausfertigung notarieller Urkunden (ZPO § 794) oder Arrest (ZPO §§ 935 ff.)), · Klausel (d. h. eine durch das Prozessgericht ausgestellte vollstreckbare Ausfertigung des Titels (ZPO §§ 723 ff.)), und · Zustellung von Titel und Klausel an den Schuldner (d. h. Übermittlung von Titel und Klausel an den Empfänger in einer gesetzlich vorgeschriebenen Form (ZPO §§ 191 ff.)). 1501) ZPO § 803. Durch die Pfändung erwirbt der Gläubiger ein Pfandrecht an dem gepfändeten Gegenstand (Pfändungspfandrecht). Das Pfändungspfandrecht gewährt dem Gläubiger im Verhältnis zu anderen Gläubigern dieselben Rechte wie ein durch Vertrag erworbenes sog. Faustpfandrecht (ZPO § 804). 1502) ZPO §§ 828 – 863. 1503) ZPO §§ 864 – 871, ZVG. 1504) Allerdings ist auch die Sicherheitenverwertung im Wege der ZV weiter möglich: Hat der Gläubiger einen Vollstreckungstitel erwirkt, kann er die ZV in das Sicherungsgut betreiben und dieses durch den Gerichtsvollzieher pfänden und versteigern lassen (ZPO §§ 803, 814). Erfolgt die ZV aufgrund des titulierten Herausgabeanspruchs, nimmt der Gerichtsvollzieher dem Sicherungsgeber das Sicherungsgut weg und händigt es dem Gläubiger aus (ZPO § 883 (1)), der dann über die Verwertung entscheidet. Erfolgt die ZV aufgrund eines Zahlungstitels, richtet sich die Verwertung nach den Vorschriften über die ZV wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen (ZPO §§ 803 ff.). Der Umstand, dass das Sicherungsgut Eigentum des Gläubigers ist, hindert die ZV nicht. 1505) S. BGB § 1228 (2) für das Pfandrecht (Pfandreife). Die Regelung gilt analog für alle Sicherheiten (Fandrich/Karper-B+K-Recht-Hofmann, § 7 Rn. 157). Verwertungsreife kann durch Zeitablauf oder Kündigung eintreten und generell mit Insolvenzeröffnung (InsO § 41 (1)).

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I. Bedeutsame zivilrechtliche Regelungen für den Kapitalmarkt im Allgemeinen

tung1506) und (in einigen Fällen) Fälligkeit des Sicherungsgegenstands.1507) Die zulässigen Verwertungsmaßnahmen bzgl. der gepfändeten Vollstreckungs- bzw. Sicherungsgegenstands hängen von der Art des Gegenstands ab und im Falle von Sicherheiten auch von der Art des Sicherungsrechts sowie der im Sicherungsvertrag getroffenen Regelungen. Gesetzlich geregelt ist die Verwertung des Pfandrechts als Grundform des deutschen Sicherheitenrechts, das an Mobilien, Rechten und Immobilien bestellt werden kann.1508) Ge- oder verpfändete Mobilien werden i. d. R. durch öffentliche Versteigerung oder freihändigen Verkauf verwertet,1509) Forderungen durch Überweisung (und bei Fälligkeit durch Einzug)1510) und Immobilien durch öffentliche Zwangsversteigerung oder -verwaltung.1511) Für sicherungsübereignete Mobilien bzw. sicherungsabgetretene Forderungen gilt ähnliches.1512) ___________ 1506) S. BGB § 1234. Die Regelung gilt analog für alle Sicherheiten (Fandrich/Karper-B+KRecht-Hofmann, § 7 Rn. 171). Ein Verkauf muss mit einer Wartefrist von 1 Monat – bei beiderseitigem Handelsgeschäft: 1 Woche (HGB § 368 (1)) – angedroht worden sein. Hat das Pfand einen Börsen- oder Marktpreis, entfällt im gewerblichen Bereich die Androhungspflicht (BGB § 1259 S. 3). Die Androhung der Pfandverwertung ist eine Ordnungsvorschrift und kann gem. § 1245 BGB auch formularmäßig abbedungen werden (Fandrich/Karper-B+K-Recht-Hofmann, § 7 Rn. 170). 1507) Z. B. wird gem. BGB § 1193 (1) das Grundschuldkapital erst nach vorangehender Kündigung mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten fällig. 1508) BGB §§ 1204 ff. (Mobiliarpfandrecht), §§ 1273 ff. (Pfandrecht an Rechten) und §§ 1113 ff. (Grundpfandrechte). 1509) ZPO §§ 814 ff; BGB §§ 1228, 1233 – 1240. Verwertung von verpfändeten Gegenständen durch freihändigen Verkauf über einen öffentlichen Makler oder Versteigerer ist möglich, soweit das Pfand einen Börsen- oder Marktwert hat (BGB §§ 1221, 1235 (2)) oder der freihändige Verkauf vereinbart wurde, was jedoch nicht vor Eintritt der Pfandreife erlaubt ist (BGB § 1245). 1510) ZPO § 835; BGB § 1282. 1511) ZVG §§ 15, 16, 146; BGB § 1147. Zuständig ist das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht, in dessen Bezirk das Grundstück belegen ist (ZVG § 1 (1)). Zwangsverwaltung und -versteigerung können nebeneinander beantragt und durchgeführt werden (ZPO § 866). Durch die Anordnung der Zwangsmaßnahme wird das Grundstück (einschließlich seiner wesentlichen Bestandteile (§ 96 BGB) und derjenigen Gegenstände, die zum Haftungsverband der Grundschuld gehören) zugunsten des Gläubigers in Beschlag genommen. Gem. ZVG § 44 (1) wird bei der Versteigerung nur ein Gebot zugelassen, durch das die dem Anspruch des Gläubigers vorgehenden Rechte sowie die aus dem Versteigerungserlös zu entnehmenden Kosten des Verfahrens gedeckt werden (geringstes Gebot). Der Zuschlag wird dem Meistbietenden erteilt. Reicht der Versteigerungserlös nicht zur Befriedigung aller Forderungen aus, so gilt die Rangordnung von ZVG § 10. Ziel der Zwangsverwaltung ist es, Befriedigung aus den Erträgen des Grundstückes zu erlangen. Auf die Anordnung der Zwangsverwaltung finden grds. die Regelungen über die Anordnung der Zwangsversteigerung entsprechende Anwendung, soweit sich aus ZVG §§ 147 ff nicht etwas Anderes ergibt. Die Nutzungen des Grundstücks verwendet der Verwalter vorrangig für die Verfahrenskosten, die Ausgaben der Verwaltung und die laufenden Beträge öffentlicher Lasten. Übersteigen die Nutzungen diese Ausgaben, wird ein Teilungsplan aufgestellt, auf dessen Grundlage gem. ZVG § 155 die laufenden Grundschuldzinsen in der Reihenfolge ihres Ranges bezahlt werden (näher: Fandrich/Karper-B+K-Recht-Hofmann, § 7 Rn. 755). 1512) Sicherungsübereignete Mobilien verwertet der Gläubiger nach Maßgabe des Sicherungsvertrags. Dieser sieht üblicherweise vor, dass der Gläubiger nach Eintritt der Verwertungsreife nach billigem (die Interessen des Schuldners berücksichtigendem) Ermessen das Sicherungsgut herausverlangen und freihändig verkaufen (auch durch Selbsteintritt) oder öffentlich versteigern kann (Fandrich/Karper-B+K-Recht-Hofmann, § 7 Rn. 624).

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C. Kapitalmarktzivilrecht

369 Im Hinblick auf die Durchsetzung kapitalmarktrechtlicher Ansprüche sind vor diesem Hintergrund (in Fortführung der oben dargestellten Anspruchskategorien) drei Szenarien zu unterscheiden: x

Vollstreckung in das Vermögen des Schuldners eines Finanzinstruments und Verwertung des Vermögens durch den Gläubiger.

x

Vollstreckung in das Vermögen des Inhabers (Gläubigers) eines Finanzinstruments und Verwertung des Finanzinstruments durch einen Gläubiger des Inhabers.

x

Verwertung von Sicherheiten, die zugunsten des Inhabers (Gläubigers) eines Finanzinstruments bestellt wurden.

370 Hinsichtlich Szenario 1 gibt es mit Blick auf die vorstehend dargestellten Grundsätze der ZV keine Besonderheiten: Der Gläubiger muss seine Befriedigung durch Pfändung und Verwertung des Schuldnervermögens suchen. Hinsichtlich Szenario 2 ist zunächst festzuhalten, dass die meisten der aus Finanzinstrumenten resultierenden Ansprüche rein schuldrechtlicher Natur sind.1513) Die ZV wird sich deshalb nach den Regeln über die Pfändung von Rechten und deren Verwertung in Form der Überweisung und Einziehung vollziehen. Anders ist dies bei Pfändung und Verwertung (einiger Arten) von Wertpapieren und zwar auch dann, wenn sie wie in Szenario 3 als Sicherheiten bestellt wurden.1514) Die Art der Pfändung bzw. Verpfändung und der Verwertung von Wertpapieren unterscheidet sich zunächst danach, ob es sich um Inhaber-, Rekta- oder Orderpapiere handelt1515) und sodann, ob sich die Wertpapiere in Sammelverwahrung befinden oder (als effektive Stücke) einzelverwahrt werden.1516) Der vom deutschen Gesetzgeber angenommene Grundfall ist die Pfändung der Wertpapierurkunde beim Schuldner durch Wegnahme durch den Gerichtsvollzieher gem. ZPO §§ 808 ff. Da die dafür erforderliche Ausgangslage aber nicht (mehr) der Realität entspricht – es gibt kaum (noch) effektive Stücke und wenn doch, werden auch diese i. d. R. bei einer Wertpapiersammelbank sammelverwahrt – können die allgemeinen Regelungen gem. ZPO § 857 nur entsprechend angewendet werden. Praktisch bedeutet dies, dass der Gläubiger den Anteil des Schuldners am Sammeldepot pfänden und sich den Herausgabeanspruch vom Vollstreckungsgericht überweisen lassen muss.1517) Ge- oder ver___________

1513) 1514) 1515) 1516) 1517)

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Ähnliches gilt für sicherungsabgetretene Forderungen, die der Gläubiger durch Einziehung, Abtretung oder Selbstübernahme verwertet. Ist der Schuldner nach dem Sicherungsvertrag zur Einziehung berechtigt, wird der Gläubiger zunächst die Einziehungsbefugnis widerrufen und sodann – nach Eintritt der Verwertungsreife – den Drittschuldnern die Abtretung offenlegen (Fandrich/Karper-B+K-Recht-Hofmann, § 7 Rn. 676). S. oben Rn. 355. In der kapitalmarktrechtlichen Praxis spielen vor allem Finanzsicherheiten (Bargeld und Wertpapiere) und Grundpfandrechte eine Rolle als Sicherheiten für aus anderen Finanzinstrumenten (Derivaten und Schuldverschreibungen) resultierenden Ansprüchen. S. zu diesen unterschiedlichen Wertpapierarten unten Rn. 375. S. zu diesen unterschiedlichen Verwahrarten unten Rn. 411. Viertelhausen, DGVZ 2000, 129, 132. Entsprechend erfolgt auch die Sicherheitenbestellung durch Verpfändung des Wertpapierdepots oder im Falle von Bargeld des Geldkontos (s. näher unten Rn. 411 f.).

I. Bedeutsame zivilrechtliche Regelungen für den Kapitalmarkt im Allgemeinen

pfändete Wertpapiere werden i. d. R. durch freihändigen Verkauf zum Börsenoder Marktpreis verwertet,1518) Investmentfondsanteilscheine durch Rückgabe an die Depotbank; möglich ist auch der Einzug der verbrieften (fälligen) Forderung.1519) Noch einfacher läuft es bei der im Derivategeschäft mittlerweile üblichen Besicherung durch Vollrechtsübertragung an Wertpapieren oder Bargeld:1520) Hier erfolgt die Verwertung durch die Nichtrückübertragung des Sicherungsguts. b) Durchsetzung von kapitalmarktrechtlichen Ansprüchen im Insolvenzfall Im deutschen Recht1521) führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das 371 Vermögen des Schuldners zur Beschlagnahme der Insolvenzmasse.1522) Damit ___________ 1518) ZPO § 821; BGB §§ 1293 – 1295. Dabei kann der Verwertungszeitpunkt angesichts der Volatilität der Kapitalmärkte großen Einfluss auf das Verwertungsergebnis haben. Der Gläubiger ist jedoch auch bei ungünstigen Bedingungen auf den Kapitalmärkten nicht verpflichtet, mit der Verwertung bis zu einer völlig ungewissen, jedoch freilich immer möglichen Besserung der Lage zuzuwarten. 1519) Viertelhausen, DGVZ 2000, 129, 133 f. 1520) S. dazu unten Rn. 429. 1521) Ob deutsches materielles Insolvenzrecht zur Geltung kommt, entscheidet sich nach den Kollisionsnormen der EIR oder der InsO §§ 335 – 358. Die EIR (als vorrangiges Gesetz) ist anwendbar, wenn Schuldner und Gläubiger den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen – ihr Center of Main Interests: COMI – oder ihren Sitz in (unterschiedlichen) EU Mitgliedstaaten (außer Dänemark) haben und der Schuldner kein Finanzunternehmen (Versicherung, Kreditinstitut, Wertpapierfirma, OGA) ist (EIR Art. 1). InsO §§ 335 – 358 (als Auffangtatbestand) sind anwendbar, wenn der Schuldner ein Finanzunternehmen ist und/oder Schuldner oder Gläubiger ihr COMI oder ihren Sitz nicht in einem EU Mitgliedstaat (außer Dänemark) haben. Das Rangverhältnis zwischen EIR und InsO §§ 335 – 358 folgt aus AEUV Art. 288 (2) (s. näher: HeiKo-InsO-Swierczok, vor §§ 335 ff. InsO Rn. 16). Anknüpfungspunkt beider Kollisionsnormregimes ist das Insolvenzverfahren. Danach gilt für grenzüberschreitende Sachverhalte das Insolvenzrecht desjenigen Staats, in dem das Insolvenzverfahren (rechtmäßig, d. h. von einem international zuständigen Gericht) eröffnet wurde (EIR Art. 7, InsO § 335). Dieses Recht regelt insbesondere: Zulässigkeit der Eröffnung, Masseumfang, Befugnisse von Schuldner und Verwalter, Aufrechnung, laufende Verträge, Auswirkungen auf Gläubigerrechte, Erlösverteilung und Anfechtung. International zuständig für (Primär-)Insolvenzverfahren (neben dem Primär-Insolvenzverfahren (Hauptverfahren) werden Sekundär-Insolvenzverfahren (Partikularverfahren) anerkannt in den Staaten, in denen der Schuldner Vermögen hat (dann beschränkt auf dieses Vermögen) – s. EIR Art. 34, InsO § 354) sind die Gerichte des EU Mitgliedstaats, in dem der Schuldner sein COMI hat (EIR Art. 3 (1), InsO § 343), d. h. der Ort, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und der für Dritte feststellbar ist (es wird vermutet, dass dies der (satzungsmäßige) Sitz des Unternehmens ist). Das anwendbare Insolvenzrecht hängt folglich von der internationalen Zuständigkeit eines Gerichts zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ab (lex fori concursus). Neben dieser Grundregel gibt es Sonderanknüpfungen für bestimmte Sachverhalte, die im Rahmen des Insolvenzverfahrens von Bedeutung sein können, z. B. das Recht des Belegenheitsorts für Immobilien (EIR Art. 11, InsO § 336). S. zu den Sonderanknüpfungen bei Derivaten unten Rn. 437. 1522) Insolvenzmasse ist das gesamte Vermögen, das dem Insolvenzschuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (InsO § 35), ausschließlich unpfändbarer Gegenstände (InsO § 36).

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C. Kapitalmarktzivilrecht

erhält der Insolvenzverwalter das Recht, die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen.1523) Auch besicherte Gläubiger des Schuldners können nicht mehr in die Insolvenzmasse vollstrecken, haben aber u. U. ein Recht auf abgesonderte Befriedigung.1524) Rechte an der Insolvenzmasse können nicht mehr wirksam erworben werden,1525) nicht-fällige Forderungen werden fällig,1526) Aufrechnung ist nur eingeschränkt möglich.1527) Der Insolvenzverwalter kann entscheiden, ob schwebende Geschäfte des Schuldners (d. h. gegenseitige, von keiner Seite vollständig erfüllte Verträge) fortgeführt oder beendet werden (sog. Insolvenzverwalterwahlrecht),1528) es sei denn, es handelt sich um speziell im Gesetz geregelte Verträge. Die Insolvenz des Schuldners führt mithin dazu, dass Einzel-ZV unzulässig wird (an ihre Stelle tritt die Gesamtvollstreckung im Rahmen des Insolvenzverfahrens) und Sicherheitenverwertung nur eingeschränkt möglich ist. Zudem muss ein Gläubiger, der vom Schuldner Zahlungen oder Sicherheiten vor Insolvenzeröffnung erhalten hat, fürchten, diese

___________ 1523) InsO § 80 (1). 1524) Absonderungsberechtigte Gläubiger haben (eingeschränkte) Verwertungsrechte bzgl. der ihnen zugeordneten Sicherungsgegenstände gem. InsO §§ 49 ff., 165 ff. und ZVG, die je nach Art des Sicherungsgegenstandes variieren: · Bei Immobilien können Gläubiger und Insolvenzverwalter Zwangsversteigerung und -verwaltung gem. ZVG §§ 30d ff. betreiben (InsO §§ 49, 165). 4 % des Erlöses plus USt gehen als Kosten an die Masse. · Mobilien, die sich im Besitz des Insolvenzverwalters befinden, kann dieser verwerten (InsO § 166 (1)); 9 % des Erlöses plus USt gehen als Kosten an die Masse (InsO § 171). Andernfalls liegt die Verwertungsbefugnis beim Gläubiger (InsO § 173 (1)). Die Verwertung erfolgt freihändig (InsO § 166 (1)). · Bei sicherungsabgetretenen Forderungen (InsO § 51 Nr. 1) liegt die Verwertungsbefugnis beim Insolvenzverwalter (InsO § 166 (2)); 9 % des Erlöses plus USt gehen als Kosten an die Masse (InsO § 171). Bei verpfändeten Forderungen (InsO § 50 (1)) liegt die Verwertungsbefugnis beim Pfandnehmer (InsO §§ 166 (2), 173). Die Verwertung erfolgt durch Einziehung der Forderung beim Drittschuldner. Der vom Insolvenzverwalter einzubehaltene (und dem Gläubiger dann ggf. zur Forderungsbefriedigung fehlende) Verwertungskostenbetrag wird auch als Haircut bezeichnet. 1525) InsO § 91. Das betrifft vor allem den gestreckten Erwerb, z. B. Abtretung künftiger Forderungen – die Abtretung ist unwirksam für nach der Eröffnung entstandene Forderungen. 1526) InsO § 41. Verfügungen des Schuldners werden unwirksam. 1527) InsO §§ 94 – 96. Im Grundsatz gilt: Bestand eine Aufrechnungslage (gesetzlich oder vertraglich) vor Verfahrenseröffnung, kann auch nach Verfahrenseröffnung aufgerechnet werden, andernfalls nicht. 1528) Entscheidet sich der Insolvenzverwalter für die Vertragsfortführung, müssen beide Seiten die geschuldeten Leistungen erbringen, wobei die Ansprüche des Vertragspartners nicht nur einfache Insolvenzforderungen sind, sondern (grds. in voller Höhe vorab aus der Insolvenzmasse zu befriedigende) Masseforderungen gem. InsO § 55 (1) Nr. 2. Entscheidet sich der Insolvenzverwalter gegen die Vertragsfortführung, kann der Vertragspartner bereits erbrachte Leistungen nicht zurückverlangen, sondern nur Schadenersatz wegen Nichterfüllung, wobei diese Forderung als einfache Insolvenzforderung zur Tabelle anzumelden ist (InsO § 103 (2)). S. zu dieser als Cherry Picking bezeichneten Übung unten Rn. 428.

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I. Bedeutsame zivilrechtliche Regelungen für den Kapitalmarkt im Allgemeinen

infolge Anfechtung durch den Insolvenzverwalter wieder herausgeben zu müssen.1529) Diese Grundsätze gelten auch für die (oben zu Beginn dieses Abschnitts C.) 372 dargestellten drei Kategorien kapitalmarktrechtlicher Ansprüche. Allerdings sind bei kapitalmarktrechtlichen Ansprüchen einige Besonderheiten zu beachten: Dies gilt zunächst für den Fall, dass der Schuldner ein Finanzakteur ist; dann gilt das Sonderinsolvenzrecht für Finanzakteure mit Auswirkungen u. a. auf die Reihenfolge, in der Gläubigerforderungen befriedigt werden.1530) Umfangreiche Folgen für die Gläubigerrechte haben auch die Finalitäts- und

___________ 1529) Der Insolvenzverwalter kann Rechtshandlungen (Veräußerungen, Bestellung von Sicherheiten, Realakte) anfechten, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen (InsO § 129). Mit der Insolvenzanfechtung können Vermögensgegenstände zur Insolvenzmasse zurückgeholt (und damit sämtlichen Gläubigern zugeordnet) werden (InsO § 143), deren Entfernung (und Zuordnung zu einzelnen Gläubigern) als unangemessen angesehen wird. Der Erfolg der Anfechtung wird an unterschiedlichen Kriterien (insbesondere: Zeitliche Grenzen, Gegenleistung, Kenntnisse und Absichten seitens des Schuldners und des Dritten) festgemacht. Prinzipiell anfechtbar sind: · Unentgeltliche Leistungen des Schuldners an einen Dritten innerhalb von 4 Jahren vor Verfahrenseröffnung (InsO § 134), · Rechtshandlungen innerhalb von 10 Jahren vor Antragsstellung, die der Schuldner mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung vornahm, und der Dritte kannte diesen Vorsatz (InsO §§ 133, 140. Kenntnis der Vorsatzes wird vermutet, wenn der Dritte die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannte), · dem Dritten zustehende Leistungen (kongruente Deckung) innerhalb von 3 Monaten vor Antragsstellung, wenn der Schuldner bereits zahlungsunfähig war und der Dritte dies wusste (InsO § 130), · dem Dritten nicht zustehende Leistungen (inkongruente Deckung), die (i) entweder innerhalb von 1 Monat vor Antragsstellung erfolgten oder (ii) innerhalb von 3 Monaten vor Verfahrenseröffnung erfolgten und der Schuldner bereits zahlungsunfähig war oder der Dritte von der Benachteiligung der anderen Insolvenzgläubiger wusste (InsO § 131), · die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligende Rechtshandlungen des Schuldners innerhalb von 3 Monaten vor Antragsstellung, wenn der Schuldner bereits zahlungsunfähig war und der Dritte dies wusste (InsO § 132). Die anfechtungsresistenteste Rechtshandlung ist das sog. Bargeschäft, bei dem Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind und in unmittelbarem Zusammenhang stehen (Bork, Insolvenzrecht, Rn. 253). Bei Vorliegen eines Bargeschäfts ist Anfechtung nur im Falle vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung gem. InsO § 133 möglich (InsO § 142). Abzugrenzen ist die Insolvenzanfechtung von der Gläubigeranfechtung nach dem AnfechtungsG, dessen Regeln den InsO §§ 129 ff. gleichen, aber dem Erhalt des haftenden Vermögens in der Einzel-ZV und damit dem Schutz des einzelnen Gläubigers dienen (näher: Bork, Insolvenzrecht, Rn. 244). 1530) S. oben Rn. 72 ff.

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C. Kapitalmarktzivilrecht

Finanzsicherheiten-RiLis1531) vor allem bzgl. Aufrechnungsmöglichkeiten1532) und Sicherheitenverwertung.1533) II. Wertpapiere 1. Zivilrechtlicher Wertpapierbegriff 373 Eine zivilrechtliche Legaldefinition des Wertpapiers gibt es im deutschen Recht nicht. Nach bisher geltenden Grundsätzen des deutschen Zivilrechts war ein Wertpapier zwingend1534) ein in Form einer Urkunde verbrieftes Vermögensrecht, zu dessen Ausübung der Besitz der Urkunde nötig ist.1535) Der durch Einbeziehung der Urkunde definierte Wertpapierbegriff ist durch das (seit Juni 2021 geltende) eWPG einerseits für Inhaberschuldverschreibungen und Investmentfondsanteile obsolet geworden.1536) Andererseits gilt das Papiererfordernis für Aktien fort und gelten mit BGB §§ 793 ff. auch die Regelungen fort, die – zumindest für Inhaberschuldverschreibungen – die gesetzliche Grundlage für den urkundenbezogenen Wertpapierbegriff darstellen (da das elektronische Wertpapier das papierne nicht ersetzt, sondern als Option daneben tritt).1537)

___________ 1531) S. oben Rn. 356 f. 1532) Die Frage der Aufrechnung stellt sich insbesondere im Zusammenhang mit Derivaten und wird dort unter der Überschrift des Close-out Netting erörtert (s. unten Rn. 440 f.). 1533) Insbesondere sind hier die vorstehend dargestellten Kostenabgaben an die Masse zu nennen, die der Insolvenzverwalter einbehält, wenn er Sicherheiten für einen absonderungsberechtigten Sicherheitennehmer verwertet. Diese Kostenabgaben (Haircut) reduzieren den Wert der Sicherheiten für den Sicherheitennehmer. In der Folge der SFD und der FCD wurde dem Insolvenzverwalter deshalb die Verwertungsbefugnis (und damit auch der Kostenerstattungsanspruch) für Finanzsicherheiten entzogen (InsO § 166 (3) Nr. 3)). 1534) Ganz ohne Urkunde konnten in Deutschland nur Schuldverschreibungen des Bundes (als sog. Schuldbuchforderungen) ausgegeben werden (MüKo-BGB-Habersack, Bd. 7, vor § 793, Rn. 34; anders z. B. in Frankreich, Italien, Spanien, Schweiz, USA, wo es schon lange ohne Urkunde geht – vgl. MüKo-BGB-Wendehorst, Bd. 13, EGBGB Art. 43 Rn. 204). 1535) Grüneberg-BGB-Sprau, vor § 793 Rn. 1; B/H/C-WSRdZ, A Rn. 15. 1536) S. unten Rn. 377. 1537) In den Worten des Gesetzgebers (eWPG-Gesetzesbegründung S. 37): „Die „Verdinglichung“ von subjektiven-privatrechtlichen vermögenswerten Rechten durch Papierurkunden ist im deutschen Recht historisch gewachsen … . Dieser Verkehrsschutz funktioniert auch heute noch sehr erfolgreich. Daher geht mit diesem Gesetzentwurf auch keine Einschränkung der bisherigen Begebungs- oder Verwahrpraxis einher. § 2 Absatz 1 eröffnet vielmehr lediglich eine zusätzliche Option. Diese Option erlaubt es dem Emittenten auf den Zwischenschritt der Begebung einer Papierurkunde zu verzichten und die Emission direkt als elektronischen Eintrag durchzuführen. Damit ist weder die Substitution der klassischen Begebung mittels Papierurkunde gewollt, noch soll mit dem elektronischen Wertpapier ein Wertpapier eigener Art geschaffen werden (funktionaler Ansatz). Es handelt sich nur um eine Erweiterung der nutzbaren Formen und nicht um eine Erweiterung des „numerus clausus“ der Wertpapiere ….Die Skriptur erfolgt nicht in einer Urkunde, sondern in einem elektronischen Register. Durch die Änderung der genutzten „Speichertechnologie“ des verkörperten Inhalts des Rechts von Papierform zu digital ändert sich nichts an der Rechtsnatur des Wertpapiers.“

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II. Wertpapiere

Schon seit geraumer Zeit verzichtet allerdings auch der deutsche Kapitalmarkt 374 aus Kosten- und anderen praktischen – Gründen größtenteils auf die Ausgabe einzelner Urkunden (sog. effektiver Stücke)1538) und behilft sich mit sog. Globalurkunden (Sammelurkunden).1539) Besser sollte eine sinnvolle zivilrechtliche Definition deshalb unter Bezugnahme auf die Abstraktheit des in dem Wertpapier enthaltenen Vermögensrechts erfolgen und etwa wie folgt lauten: Ein Wertpapier repräsentiert ein Vermögensrecht, das unabhängig von dem ihm zugrundeliegenden Kausalverhältnis existiert und dessen Existenz und Inhaberschaft auf verlässliche Weise nachgewiesen werden können.1540) a) Wertpapierarten und Abgrenzungskriterien Mit dem Charakteristikum, dass der Besitz der Wertpapierurkunde (oder der 375 Nachweis einer Registereintragung) zur Geltendmachung des Rechts erforderlich ist, geht einher die Legitimationswirkung der Urkunde (oder der Registereintragung) zugunsten des Zahlung fordernden Gläubigers und die Befreiungs-

___________ Grds. behalten deshalb auch die Wertpapierrechtstheorien der Rechtswissenschaft ihr Fundament, die sich mit mit der Frage beschäftigen, wodurch die Verbindlichkeit des Wertpapierschuldners entsteht. Nach der auf BGB § 794 gestützten Kreationstheorie entsteht die Wertpapierverbindlichkeit bereits mit der Ausstellung der Urkunde. Nach der Vertragstheorie ist neben der Urkundenausstellung ein Begebungsvertrag zwischen Wertpapieremittent und -erwerber erforderlich. Die herrschende Rechtsscheintheorie verlangt Urkunde und Begebungsvertrag, fingiert letzteren jedoch zugunsten eines gutgläubigen Erwerbers, wenn der Urkundenaussteller den Rechtsschein eines wirksamen Begebungsvertrags zurechenbar erzeugt hat (vgl. K/M/F/S-Müller/Schmidtbleicher, B+K-Recht, Rn. 15.63). 1538) Diese Urkunden bestehen, wenn sie ausgegeben werden, aus Mantel (für die Hauptrechte), Bogen (der die Zinskupons bei Anleihen und die Dividendenscheine bei Aktien verbrieft) und ggf. Talon (Erneuerungsschein). Schuldverschreibungen von Aktiengesellschaften können alternativ zum Rückzahlungsanspruch ein Umtauschrecht in Aktien (Wandelschuldverschreibungen, Wandelanleihe) oder zusätzlich zum Rückzahlungsanspruch ein Bezugsrecht auf Aktien (Optionsanleihen) oder zusätzlich zum Zinsanspruch einen Gewinnanspruch (Gewinnschuldverschreibungen) verbriefen. Der Bogen von Wandelschuldverschreibungen enthält daher neben den Zinskupons Legitimationsscheine, die zum Umtausch in Aktien berechtigen. Bei einer Optionsanleihe ist zusätzlich ein Optionsschein (Bezugsschein) dem Mantel beigefügt. Der Bogen einer Gewinnschuldverschreibung enthält zusätzlich Gewinnanteilscheine (Dividendenscheine). Vgl. Gabler-Kettl, https://www.gabler-banklexikon.de/definition/schuldverschreibung-61219/ version-337754. 1539) S. näher unten Rn. 411 ff. 1540) S. zur Bedeutung der Existenz des Vermögensrechts unabhängig vom Kausalverhältnis oben Rn. 247–248 (dort als Abstraktheit bezeichnet). Womöglich kann aber auf einen umfassenden zivilrechtlichen Wertpapierbegriff ganz verzichtet und sich dem Konzept des Wertpapiers eher über seine im Folgenden skizzierten Funktionen angenähert werden.

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C. Kapitalmarktzivilrecht

wirkung zugunsten des zahlenden Schuldners.1541) Diese Legitimationswirkung ist allen Wertpapieren gemein. Nach Person des Berechtigten und Art der Übertragung unterscheidet das deutsche Zivilrecht bei Wertpapieren jedoch zwischen:1542) x

Inhaberpapier (z. B. Inhaber-Schuldverschreibung, -Aktie oder -Investmentfonds-Anteilschein), dessen Berechtigter der Inhaber ist und das wie eine Sache durch Einigung und Übergabe (bzw. Übergabesurrogat) gem. BGB §§ 929 ff. übertragen wird (das Recht aus dem Papier folgt dem Recht am Papier);

x

Rektapapier (Namenspapier i. e. S., z. B. Namensschuldverschreibung), dessen Berechtigter die in der Urkunde namentlich genannte Person ist und das durch Abtretung des verbrieften Anspruchs gem. BGB §§ 398 ff. übertragen wird (das Recht am Papier folgt dem Recht aus dem Papier); und

x

Orderpapier (Namenspapier i. w. S., z. B. Namensaktie), dessen verbriefte Forderung an die in der Urkunde namentlich genannte Person oder – auf deren Order – an einen Dritten zu zahlen ist. Das Orderpapier kann durch Indossament, Einigung und Übergabe übertragen werden (wie beim Inhaberpapier folgt das Recht aus dem Papier dem Recht am Papier; die Übertragung bedarf zu ihrer Wirksamkeit aber zusätzlich eines Indossaments).1543)

___________ 1541) Der die Urkunde (des Inhaberpapiers) Vorlegende braucht seine Berechtigung weder zu behaupten noch zu beweisen; der an den Inhaber der Urkunde (des Inhaberpapiers) zahlende Aussteller der Urkunde wird von seiner Schuld befreit (Jauernig-BGB-Stadler, § 793 Rn. 10 – 15). Mit vorstehenden Kriterien gelingt die Abgrenzung des Wertpapiers von den (einfachen) Legitimationspapieren (z. B. Gepäckschein), die den Schuldner zwar berechtigen, an den Inhaber der Urkunde mit befreiender Wirkung zu leisten, deren Vorlage zur Geltendmachung der Forderung aber weder notwendig noch ausreichend ist (Jauernig-BGB-Stadler, § 793 Rn. 5 – 9). Davon zu unterscheiden sind die qualifizierten Legitimationspapiere (z. B. Sparbuch), bei denen der Schuldner zwar ebenfalls an den Inhaber leisten kann, aber nur gegen Aushändigung oder Vorlage der Urkunde zur Leistung verpflichtet ist (Grüneberg-BGB-Sprau, § 808 Rn. 1). Reinen Beweisurkunden wie dem Schuldschein fehlt selbst die Befreiungsfunktion (Beck-OGK-ZivR-Gehrlein, BGB § 793 Rn. 1 – 4). Ein Schuldschein i. S. v. BGB § 371 ist jede die Schuldverpflichtung begründende oder auch nur bestätigende Urkunde, die der Schuldner zum Beweis für das Bestehen der Schuld ausstellt und die keinen Wertpapiercharakter hat (BGH WM 76, 974; MüKo-BGB-Fetzer, Bd. 3, § 371 Rn. 2). Quittung (§ 368 BGB) und Schuldschein (§ 371 BGB) sind Beweisurkunden. Die Quittung befriedigt das Bedürfnis des Schuldners, für seine Zahlung, einen (positiven) Beweis zu erhalten und die Rückgabe des Schuldscheins das Interesse, negativ den Anschein des Weiterbestehens der Forderung zu beseitigen (P/W/W-BGB-Pfeiffer, § 371 Rn. 1). 1542) Viertelhausen, DGVZ 2000, 129. 1543) Blanko indossierte Orderschuldverschreibungen können wie Inhaberpapiere gutgläubig erworben werden (HGB § 367 (1)), jeder Besitzer der Urkunde ist zur Ausübung des verbrieften Rechts legitimiert. Das Recht aus dem Papier ist durch eine lückenlose Indossamentenkette nachzuweisen, und der Inhaber muss seine Identität mit der auf dem Papier genannten Person nachweisen. Möglich ist aber auch die Übertragung im Wege der (schlichten) Abtretung gem. BGB §§ 413, 398 (MüKo-AktG-Bayer, Bd. 1, AktG § 68 Rn. 30).

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II. Wertpapiere

b) Kapitalmarktwertpapiere (Effekten) Wertpapiere, die dazu geeignet und bestimmt sind, am Kapitalmarkt gehandelt 376 zu werden (und zu diesem Zweck i. S. d. DepotG verwahrt werden), werden Effekten genannt.1544) Der (zivilrechtliche) Begriff der Effekten dürfte sich mit dem (aufsichtsrechtlichen) Begriff des übertragbaren Wertpapiers1545) decken – man könnte begriffsvereinheitlichend auch von Kapitalmarktwertpapieren sprechen. Kapitalmarktwertpapiere können nach deutschem Recht von Ausnahmefällen abgesehen1546) nur Inhaber- oder Orderpapiere sein.1547) c) Elektronische Wertpapiere Das 2021 erlassene eWPG1548) ermöglicht die elektronische Begebung von In- 377 haberschuldverschreibungen1549) und Investmentfondsanteilen (Anteilscheine an Sondervermögen gem. KAGB1550))1551) unter Einschluss der BlockchainTechnologie1552) und entkoppelt damit den deutschen zivilrechtlichen Wert___________ 1544) Grüneberg-BGB-Sprau, vor § 793 Rn. 1; B/H/C-WSRdZ, A Rn. 15. S. näher unten Rn. 411 ff. 1545) S. oben Rn. 244. 1546) Ein solcher Ausnahmefall ist die in DepotG § 1 (1) S. 2 genannte Namensschuldverschreibung, die auf den Namen einer Wertpapiersammelbank ausgestellt wurde. 1547) E/B-Bankrecht-Seiler/Geier, § 84 Rn. 16. Vgl. für die Durchführung der Geschäfte mit Effekten unten Rn. 411 ff. 1548) Das eWPG folgt auf das BMJV/BMF Eckpunktepapier für die regulatorische Behandlung von elektronischen Wertpapieren und Krypto-Token vom 7.3.2019 (dazu: Lendermann, AG 2019, R93-R95) und die Blockchain-Strategie der Bundesregierung vom 18. September 2019. Ausführliche Darstellung in: Litten, BB 2021, 1223 ff. 1549) eWPG § 1. Die Erweiterung auf elektronische Aktien soll folgen (eWPG-Gesetzesbegründung S. 36). 1550) Gem. KAGB § 95 (neu) gelten für elektronische Anteilscheine die Regelungen des eWPG entsprechend, soweit sie sich nicht auf Kryptowertpapiere beziehen oder Eigenschaften von Schuldverschreibungen betreffen, die auf Investmentfondsanteile nicht anwendbar sind. Mit der Verordnung über Kryptofondsanteile (KryptoFAV) vom 3.6.2022 (Rechtsgrundlage: KAGB § 95 (5)) hat das BMF nähere Regelungen getroffen, die es den Anbietern von Investmentfonds ermöglichen, elektronische Anteilscheine durch Eintragung in ein Kryptowertpapierregister als sog. Kryptofondsanteile zu begeben. 1551) Für Aktien gilt das Papiererfordernis fort (AktG § 10 (1) S. 2). Allerdings formuliert die deutsche Bundesregierung im Sommer 2022 in den sog. Eckpunkten für ein Zukunftsfinanzierungsgesetz (https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Finanzmarktpolitik/2022-06-29-eckpunkte-zukunftsfinanzierungsgesetz.pdf? __blob=publicationFile&v=4) den Plan, das eWPG auch auf Aktien auszudehnen (ausführlich zur sog. Blockchain-Aktie: Maume/Fromberger, ZHR 185 (2021), 507). Weitere Aspekte des Zukunftsfinanzierungsgesetzes, das bis Ende 2023 in Kraft treten soll, sind verbesserte Finanzierungsmöglichkeiten von Start-ups, Wachstumsunternehmen und KMU (z. B. durch SPACs), Emission und Übertragung von Wertpapieren über die Blockchain und Schaffung einer technisch zeitgemäßen Aufsicht durch den Abbau von Digitalisierungshemmnissen und verbesserte Rahmenbedingungen für eine englischsprachige Kommunikation mit der BaFin. 1552) Zwar sind die gesetzlichen Vorgaben für den Betrieb des Kryptowertpapierregisters technikneutral ausgestaltet, der Gesetzgeber selbst vermutet jedoch, dass hierfür am ehesten DLT in Betracht kommt (eWPG-Gesetzesbegründung S. 58).

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C. Kapitalmarktzivilrecht

papierbegriff von der Urkunde aus Papier.1553) Beim elektronischen Wertpapier (eWP) wird die papierne Urkunde ersetzt durch die Eintragung in ein elektronisches Wertpapierregister (eWP-Reg). Das eWP tritt im deutschen Recht als optionale Emissionsform neben das papierne Wertpapier.1554) 378 Die Emissionsform soll der einzige (rechtliche) Unterschied zwischen elektronischem und papiernem Wertpapier sein.1555) Das wirft ein bereits angeschnittenes dogmatisches Problem des deutschen Rechts auf, dass nämlich der für die Fungibilität des Wertpapiers erforderliche Gutglaubensschutz des Erwerbers an der Sacheigenschaft der Urkunde festgemacht wird.1556) Dieses Problem löst das eWPG durch eine Fiktion: eWP werden ebenso wie papierne Wertpapiere als Sachen behandelt.1557) Das eWP-Reg übernimmt die (Beweis-)Funktion des Papiers; eine entsprechende Eintragung in das eWP-Reg gewährt weitreichenden Gutglaubensschutz;1558) sachenrechtliche Konflikte werden durch Sonderregelungen überbrückt.1559) Das eWP entsteht durch Einigung zwischen Emittenten und Inhaber über die Begebung und die Eintragung des Wertpapiers in

___________ 1553) Ganz ohne Urkunde konnten in Deutschland bis dato nur Schuldverschreibungen des Bundes (als Schuldbuchforderungen gem BSchuWG §§ 5) ausgegeben werden (s. näher H/S-Schuldverschreibungsrecht-3. Teil (BSchuWG)-Lendermann, §§ 5 – 7). Aufsichtsrechtlich ist das Erfordernis der Papierform bereits seit längerem fallengelassen worden, insbesondere auch im Zusammenhang mit Token (vgl. oben Rn. 244 ff. und unten Rn. 503). Der Paradigmenwechsel im Zivilrecht hat aber trotzdem Auswirkungen auf das Aufsichtsrecht, weshalb das eWPG von Änderungen des KWG, der BörsenzulassungsVO, des WpPG, des DepotG, des SchuldverschreibungsG und weiterer Gesetze begleitet wird, um klarzustellen, dass das für papierne Wertpapiere geltende aufsichtsrechtliche Reglement auch auf eWP anwendbar ist. 1554) eWPG § 2 (1). 1555) eWPG § 2 (2). 1556) S. oben Rn. 248. An dieser Stelle wird das deutsche Dilemma augenscheinlich, das ja bereits in dem Begriff des Wertpapiers angelegt ist, dass es sich bei diesem eben um eine Urkunde in papierner Form handeln muss. Was ist der Grund für dieses Dogma, das andere Rechtsordnungen (z. B. die französische) so viel einfacher abstreifen konnten? Sicherlich die Klarheit und Eindeutigkeit (und damit Beweisbarkeit) des so verbrieften Anspruchs und seiner Inhaberschaft. Hinzu kommt die große Bedeutung, die der Rechtsfigur des gutgläubigen Erwerbs im deutschen Recht zugemessen wird. Der Hauptgrund, warum ausländische Rechtsordnungen schon länger von der Notwendigkeit des Papiers auch für Effekten absehen, ist ein praktischer: Ohne Papier geht der Handel einfacher, schneller und preiswerter. Auch die deutsche Rechtsordnung hat sich diesen Argumenten nicht verschlossen und mit der sammelverwahrten Globalurkunde (d. h. einer Urkunde, die stellvertretend für viele einzelne Wertpapiere bei einem CSD hinterlegt ist) und dem darauf basierenden Effektengiro ein Liefer- und Abrechnungssystem entwickelt, das effizient und weitgehend problemlos funktioniert (vgl. unten Rn. 411 ff.). Aber auch dieses (deutsche) Effektengiro benötigt am Ende ein Stück Papier und ist deshalb nicht digital. 1557) eWPG § 2 (3). Näher: M/P-eWpG-Müller § 2 Rn. 13 und § 26 Rn. 25. 1558) eWPG § 26. 1559) S. näher eWPG §§ 24 – 30. Hier wird detailliert geregelt, wie damit umzugehen ist, dass zwischen papierner Urkunde und einer Registereintragung eben doch tatsächliche Unterschiede bestehen.

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II. Wertpapiere

das eWP-Reg.1560) Die Eintragung setzt voraus: Die Aufnahme des Wertpapiers in ein eWP-Reg mit den notwendigen Registerangaben,1561) die sog. Niederlegung der Emissionsbedingungen1562) und die Bezugnahme auf die Emissionsbedingungen.1563) Verfügungen über eWP bedürfen zu ihrer Wirksamkeit neben der Einigung zwischen den beteiligten Parteien einer entsprechenden Änderung im eWP-Reg.1564) Zwei Arten von eWP-Reg stehen zur Auswahl (und damit auch zwei Arten 379 von eWP): Das zentrale Register1565) (für Zentralregisterwertpapiere1566)) und das Kryptowertpapierregister1567) (für Kryptowertpapiere).1568) Beide eWP-RegArten können vorsehen, dass als Inhaber eingetragen werden: (i) eine Wertpapiersammelbank (Central Securities Depository – CSD) oder ein Verwahrer (Depotbank) – dann liegt eine sog. Sammeleintragung vor – oder (ii) der eigentliche Wertpapiergläubiger – Einzeleintragung. Zentralregisterwertpapiere, als deren Inhaber ein CSD eingetragen ist, werden auch zum Settlement im Effektengiro1569) bei diesem (oder einem anderen) CSD erfasst.1570) Die Eigentumsübertragung (ebenso wie die Durchführung von Zins- und Tilgungsleistungen) dieser eWP erfolgt deshalb – wie bei durch eine Globalurkunde dokumentierten papiernen Wertpapieren – unter Einschaltung von Depotbanken und CSD.1571) Es handelt sich hierbei (nur) um die digitale Abbildung des institutionellen Effektengiroverkehrs ohne den Zwischenschritt der Begebung einer Papier___________ 1560) eWPG-Gesetzesbegründung S. 40. Der Emittent muss die Eintragung unverzüglich im Bundesanzeiger veröffentlichen und der BaFin mitteilen (eWPG § 20 (1)). Die BaFin führt hierüber im Internet eine öffentliche Liste (eWPG § 20 (3) S. 1). Das bedeutet aber nicht, dass der Emittent allein wegen der Emission des eWP einer Erlaubnis der BaFin bedürfte. Anders ist die in der MiCAR zum Ausdruck kommende Vorstellung des EU Gesetzgebers, wonach bereits die Emission eines Kryptowerts eine Erlaubnis durch die zuständige Behörde erfordert (MiCAR-Entwurf Art. 2 (1)). 1561) Die notwendigen Angaben ergeben sich für zentrale Register aus eWPG § 13 und für Kryptowertpapierregister aus eWPG § 17 (1). 1562) eWPG § 5 (1): „Der Emittent hat vor der Eintragung des elektronischen Wertpapiers im elektronischen Wertpapierregister die Emissionsbedingungen bei der registerführenden Stelle in einer beständigen elektronischen Form und mit der Möglichkeit einer beliebig wiederholbaren unmittelbaren Kenntnisnahme jedermann zugänglich zu machen (Niederlegung).“ 1563) eWPG § 4 (4). Durch den sog. Skripturakt muss sichergestellt sein, dass das eWP jederzeit aus dem Register heraus zum Beweis des Rechtsverhältnisses im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist. Das setzt voraus, dass eine dauerhafte und eindeutige Bezugnahme der Registereintragung auf die außerhalb des Registers niedergelegten Emissionsbedingungen erfolgt (eWPG-Gesetzesbegründung S. 41). 1564) eWPG §§ 24, 25 (1). Wie beim papiernen Wertpapier folgt das Recht aus dem Wertpapier dem Recht am Wertpapier (eWPG § 25 (2)). 1565) eWPG § 4 (1) Nr. 1, 12 – 15. 1566) eWPG § 4 (2). 1567) eWPG § 4 (1) Nr. 2, 16 – 23. 1568) eWPG § 4 (3). 1569) Zum Begriff s. oben Rn. 215b. 1570) eWPG § 12 (3). 1571) S. unten Rn. 411 ff.

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C. Kapitalmarktzivilrecht

urkunde.1572) Der (eigentliche) Fortschritt des neuen Gesetzes liegt deshalb eher bei der Einzeleintragung: Wenn eWP mittels Einzeleintragung direkt auf den Namen der jeweiligen Berechtigten registriert sind, wird jeder Eigentumsübergang im eWP-Reg dokumentiert.1573) Es ist diese Möglichkeit der Einzeleintragung in einem eWP-Reg, die es dem (privaten) Kapitalmarkt erlaubt, (weitgehend) ohne Intermediäre auszukommen1574) – und insoweit den erwünschten disruptiven Fortschritt darstellt.1575) 380 Ein wichtiger Unterschied zwischen dem zentralen Register und dem Kryptowertpapierregister besteht in der Frage, wer das Register führen darf (Registerführende Stelle).1576) Registerführende Stelle eines zentralen Registers können nur ein CSD oder eine Depotbank sein.1577) Die Registerführende Stelle eines Kryptowertregisters hingegen ist der Emittent des registrierten Kryptowertpapiers oder eine vom Emittenten als verantwortlich benannte Partei.1578) Zwar bedarf auch die Kryptowertpapierregisterführung einer Finanzdienstleistungserlaubnis gem. KWG § 32.1579) Aber eine solche Erlaubnis ist zum einen mit deutlich weniger Aufwand zu erlangen als eine CSDR-Erlaubnis oder eine KWG-Bankerlaubnis, und zum anderen sind die Anforderungen für die Registerführende Stelle im Vergleich zu anderen Finanzdienstleistern deutlich reduziert.1580) Das bedeutet, dass zwar in keinem Fall ein Register ganz ohne einen beaufsichtigten gate keeper als Intermediär geführt werden kann. Aber die aufsichtsrechtlichen Anforderungen (und damit auch die Kosten) an diesen gate keeper variieren je nach dem, um welche eWP-Reg-Art es sich handelt.1581) ___________ 1572) eWPG-Gesetzesbegründung S. 48. Für den Bereich des zentralen Registers erwartet der Gesetzgeber eine Senkung der Transaktionskosten, da die Kosten für die physische Verwahrung der Urkunden entfallen. 1573) Deswegen ist auch besonders wichtig, dass es auf einem dezentralen, fälschungssicheren Aufzeichnungssystem geführt wird, in dem Daten in der Zeitfolge protokolliert und gegen unbefugte Löschung sowie nachträgliche Veränderung geschützt gespeichert werden (eWPG § 16 (1)). 1574) eWPG-Gesetzesbegründung S. 48. 1575) Ironischerweise gleicht dieser Fortschritt rechtlich einer aus früheren Zeiten bekannten Situation, in der der Wertpapiergläubiger seine effektiven Stücke selbst verwahrte oder verwahren ließ (Streifbandverwahrung). 1576) Die Registerführende Stelle muss dafür sorgen, dass das Register jederzeit die bestehende Rechtslage zutreffend wiedergibt; andernfalls haftet sie dem Rechtsverkehr (eWPG § 7 (2)). 1577) eWPG § 12 (2). 1578) eWPG § 16 (2). 1579) KWG § 1 (1a) S. 2 Nr. 8. 1580) Ähnlich den Regelungen für die Erlangung einer Kryptoverwahrerlaubnis sieht KWG § 2 (7b) Erleichterungen bei der Kryptowertpapierregisterführungserlaubnis vor (näher eWPG-Gesetzesbegründung S. 73). S. zum Erlaubnisverfahren: BaFin-VÖ-Kryptowertpapierregisterführung. Die Verwahrung und Verwaltung von eWP ist Depotgeschäft und nicht Kryptoverwahrgeschäft. Dies entspricht der Konzeption des Kryptoverwahrgeschäfts als subsidiärem Tatbestand (eWPG-Gesetzesbegründung S. 72). 1581) S. zu den Konsequenzen näher: Litten, BB 2021, 1223, 1226/7; M/P-eWpG-Pieper § 4 Rn. 67 – 70.

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II. Wertpapiere

2. Eigen- und Fremdkapitalinstrumente Bei den Kapitalmarktwertpapieren (Effekten) sind Eigenkapital- und Fremd- 381 kapitalinstrumente zu unterscheiden, also Aktien und Anleihen.1582) Hinzu kommen hybride Wertpapiere, also solche, die Eigen- und Fremdkapitalelemente beinhalten. Die zivilrechtliche Ausgestaltung dieser Wertpapiere wird in diesem Kapitel dargestellt. a) Aktien Die Entscheidung der Frage, was als Eigenkapitalinstrument gilt, ist dem (natio- 382 nalen) Recht der Mitgliedstaaten überlassen. Im deutschen Recht repräsentiert die Aktie einen Miteigentumsanteil (nach Bruchteilen) am Grundkapital einer Aktiengesellschaft (AG).1583) Der Miteigentumsanteil wird entweder als Nennbetragsaktie oder als (nennwertlose) Stückaktie ausgedrückt.1584) Die Aktie ver-

___________ 1582) Im Prospektrecht als Dividenden- und Nichtdividendenwerte bezeichnet (s. oben Rn. 249). 1583) AktG § 1 (2). Zur Verfassung der AG, insbesondere dem Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat s. oben Rn. 172 ff. Aktien können außerdem von einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) oder von einer der Europäischen Gesellschaft (Societas Europaea – SE) begeben werden. Eine KGaA ist eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, bei der mindestens ein Gesellschafter den Gesellschaftsgläubigern unbeschränkt haftet (persönlich haftender Gesellschafter) und die übrigen an dem in Aktien zerlegten Grundkapital beteiligt sind, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften (Kommanditaktionäre). Für die KGaA gelten die Vorschriften des HGB über die KG bzgl. des Rechtsverhältnisses der persönlich haftenden Gesellschafter untereinander und gegenüber der Gesamtheit der Kommanditaktionäre sowie gegenüber Dritten und i. Ü. das AktG sinngemäß (AktG § 278). Die SE ist eine am Aktienrecht orientierte Gesellschaftsform, die in jedem EU Mitgliedstaat grds. wie eine Aktiengesellschaft behandelt wird, die nach dem Recht des Sitzstaats der SE gegründet wurde (SER Art. 10). Eine besondere Form der börsennotierten AG ist der Real Estate Investment Trust (REIT), der eine Mindestausschüttungsquote (in Deutschland mindestens 90 % des Jahresüberschusses), eine Mindeststreuung der REIT-Aktien und den Schwerpunkt in der Immobilienanlage haben muss. Zudem darf eine Mindesteigenkapitalquote von 45 % nicht unterschritten werden. Im Gegenzug erhalten REIT einige steuerliche Vergünstigungen (REIT-G §§ 16 ff.). Näher zum REIT: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Vaupel, § 24. 1584) AktG § 8. Der Anteil am Grundkapital bestimmt sich bei Nennbetragsaktien nach dem Verhältnis ihres Nennbetrags zum Grundkapital, bei Stückaktien nach der Zahl der Aktien.

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C. Kapitalmarktzivilrecht

mittelt dem Aktionär Stimm-,1585) Dividenden-1586) und Bezugsrechte.1587) Von der Gesellschaft sind alle Aktionäre grds. gleich zu behandeln.1588) Zu unterscheiden ist jedoch zwischen (normalen, alle vorgenannten Rechte vermittelnden) Stammaktien und (stimmrechtlosen) Vorzugsaktien, die mit besonderen Rechten bei der Gewinnverteilung ausgestattet sind.1589) Bei der Form der Aktie ist zu unterscheiden zwischen Inhaber- und Namensaktien: Gesetzlicher Regelfall ist im heutigen deutschen Aktienrecht die auf den Namen des ___________ 1585) Stimm- und Teilnahmerechte in der Hauptversammlung, einschließlich Auskunftsansprüchen, gem. AktG §§ 118 – 138 (Voraussetzung: Aktieneigentum 21 Tage vor der Hauptversammlung – AktG § 123 (4)). In Verruf geraten (u. U. sogar schadenersatzpflichtig) sind die sog. räuberischen Aktionäre, die ihre Stimm- und Teilnahmerechte dazu nutzen, sich für die Rücknahme eines Widerspruchs oder einer erhobenen Anfechtungsklage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss von der AG eine Abfindung zahlen zu lassen (näher: BeckOGK-Spindler BGB § 826 Rn. 70). Von den räuberischen Aktionären zu unterscheiden sind die aktivistischen Aktionäre, die ihre Rechte über die versammlungsgebundene Ausübung hinaus aktiv ausüben, vor allem durch Einflussnahme auf das Management (MüKo-AktG-Kubis, § 118 Rn. 29). Häufig sind dies Investmentfonds, die sog. Stewardship betreiben, also Maßnahmen ergreifen, um den Wert ihrer Portfoliogesellschaften zu erhöhen (Klöhn, ZHR 185 (2021), 182, 186). Neben der auf Werterhöhung gerichteten Stewardship entsteht die ESG Stewardship, unter der Investoren von ihren Portfoliogesellschaften die Ausrichtung an ESG-Zielen verlangen (s. z. B. die Initiative von BlackRock-Gründer Larry Fink: https://www.blackrock.com/corporate/ literature/whitepaper/viewpoint-investment-stewardship-ecosystem-july-2018-ger.pdf). 1586) Dividendenberechtigung gem. AktG §§ 58 (4), 60 (2). Die Dividende kann auch in Form von Aktien gezahlt werden als sog. Aktiendividende (näher: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Schlitt/Kreymborg, § 28). 1587) Das Bezugsrecht berechtigt den Aktionär bei einer Kapitalerhöhung (Bezugsrechtsemission (Rights Issue) genannt – näher: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Herfs, § 5), einen Teil der neuen Aktien zu beziehen, der seinem Anteil am bisherigen Grundkapital entspricht (AktG § 186 (1)). Das gleiche gilt bei der Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen (Wandelanleihe), Optionsschuldverschreibungen (Optionsanleihe), Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechten durch die AG (AktG § 221 (4)). Das Bezugsrecht dient dem Schutz der Altaktionäre vor Verwässerung ihrer Verwaltungs- und Vermögensrechte. U. U. kann es allerdings augeschlossen werden (näher: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Krause, § 6). Für die Ausübung des Bezugsrechts wird i. d. R. eine zweiwöchige Frist bestimmt. Die AG kann (ist dazu aber nicht verpflichtet) während dieser Frist einen Handel für die Bezugsrechte organisieren. In diesem Fall hat der Bezugsrechtsinhaber, der seine Bezugsrechte nicht oder nur teilweise ausüben will, eine effektive Möglichkeit, Bezugsrechte zu verkaufen. Der Preis der Bezugsrechte wird durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Hat der Bezugsrechtsinhaber seiner Depotbank keine Weisung erteilt, wird sie die Bezugsrechte unaufgefordert am letzten Handelstag verkaufen. 1588) AktG § 53a. 1589) AktG § 139 (1). Der Vorzug kann insbesondere in einem auf die Aktie vorweg entfallenden Gewinnanteil (Vorabdividende) oder einem erhöhten Gewinnanteil (Mehrdividende) bestehen. Seit 2016 kann die Satzung der AG vorsehen, dass eine mangels ausreichenden Bilanzgewinns in einem Jahr ausgefallene Vorzugsdividende in späteren Geschäftsjahren auch dann nicht nachgezahlt werden muss, wenn der Bilanzgewinn dann dafür ausreicht (im Fall der Nicht-Nachzahlung lebt das Stimmrecht solange auf, bis in einem nachfolgenden Jahr der Vorzug bedient wird – s. AktG § 140 (2)); zuvor war die Nachzahlung der ausgefallenen Vorzugsdividende in späteren Gewinnjahren zwingend, was die Anerkennung von Vorzugsaktien als regulatorisches Kernkapital bei Kreditinstituten verhinderte (vgl. BR-Drucks. 22/15 S. 25).

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II. Wertpapiere

Aktionärs lautende Aktie; Inhaberaktien sind nur zulässig, wenn die Aktien börsennotiert und/oder in einer Sammelurkunde verbrieft sind, die bei einer Wertpapiersammelbank (CSD) hinterlegt ist.1590) Im Falle der Ausgabe von Namensaktien muss die AG ein Aktienregister führen, in dem jeder Aktionär unter Nennung persönlicher Daten und dem Umfang seines Aktienbesitzes zu verzeichnen ist.1591) b) Anleihen Die Begriffe Anleihe und Schuldverschreibung sind Synonyme und bezeichnen 383 Wertpapiere mit Fremdkapitalcharakter, in denen der Aussteller (Emittent) die Zahlung von Kapital und Zinsen (oder eine andere Art der Vergütung) verspricht.1592) Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Anleihen und eine Vielzahl von Kriterien, anhand derer Anleihen klassifiziert werden können.1593) In diesem Kapitel soll die normale Anleihe (Englisch: Plain Vanilla Bond) anhand ihrer typischen Regelungen dargestellt und dieser normalen Anleihe dann einige besondere Anleihetypen gegenüber gestellt werden. aa) Die normale Anleihe und ihre typischen Regelungen Anleihen sind im deutschen Zivilrecht nur rudimentär geregelt (vornehmlich 384 in BGB §§ 793 ff., dem SchVG und dem eWPG). Die Rechtsbeziehungen zwi___________ 1590) AktG § 10 (1); zur Verwahrung von Wertpapieren durch Wertpapiersammelbanken s. oben Rn. 215b. Bis 2016 bestand diese Einschränkung für Inhaberaktien nicht, was dem deutschen Aktienrecht die Kritik eingetragen hatte, intransparenten Beteiligungsverhältnissen und damit Geldwäsche Vorschub zu leisten (vgl. BR-Drucks. 22/15 S. 12). Trotzdem dürfte die Inhaberaktie in Deutschland nachwievor überwiegen, was auch damit zu tun hat, dass EGAktG § 26h (1) vorsieht, dass AktG § 10 (1) in der bis zum 30.12.2015 geltenden Fassung weiter anzuwenden ist auf AGs mit Inhaberaktien, deren Satzung vor dem 31.12.2015 durch notarielle Beurkundung festgestellt wurde. 1591) AktG § 67. Im Verhältnis zur Gesellschaft bestehen Rechte und Pflichten aus Aktien nur für und gegen den im Aktienregister Eingetragenen. Allerdings erfolgt die Übertragung des Eigentums nicht durch die Umtragung im Aktienregister, sondern i. d. R. im Wege des Effektengeschäfts (s. unten Rn. 411 ff.). Besonderheiten gelten, wenn die Aktien vinkuliert sind, was bei Namensaktien anders als bei Inhaberaktien gem. AktG § 68 (2) möglich ist (MüKo-AktG-Bayer, Bd. 1, AktG § 68 Rn. 34)). Mittels einer solchen Vinkulierung kann „die Satzung … die Übertragung an die Zustimmung der Gesellschaft binden.“ 1592) Gabler-Kettl, https://www.gabler-banklexikon.de/definition/schuldverschreibung-61219/ version-337754. Der Begriff Anleihe wird immer für den Gesamtbetrag einer Fremdkapitalemission benutzt, der Begriff Schuldverschreibung auch für die einzelnen Stücke einer Gesamtemission (wobei dann bessser, weil präziser, von Teilschuldverschreibung gesprochen werden sollte). Näher: H/S-Schuldverschreibungsrecht-1.Teil (SchVG)Artzinger-Bolten/Wöckner, § 1 Rn. 6. 1593) Einen guten Überblick über die verschiedenen Arten von Schuldverschreibungen geben: http://www.bankinside.de/wpgesch1.php, H/S-Schuldverschreibungsrecht-1.Teil (SchVG)-Artzinger-Bolten/Wöckner, § 1 Rn. 32 – 51 und H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Kaulamo, § 16.5 – 14. Zur Marktbedeutung von Anleihen siehe: H/S-Schuldverschreibungsrecht-4.Teil-Kapitel 1-Oulds.

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C. Kapitalmarktzivilrecht

schen Anleiheemittent und -gläubigern werden umfassend durch die Anleihebedingungen bestimmt.1594) Anleihebedingungen für Effekten enthalten typischerweise die nachfolgend dargestellten Regelungen.1595) Klausel

Inhaltliche Beschreibung

Emittent, Ersetzung, Zweck

Anleiheemittenten können Staaten,1596) Finanzinstitute, Unternehmen oder SPVs sein. Nichtstaatliche Emittenten behalten sich i. d. R. das Recht vor, sich durch eine gleichwertige Gesellschaft ersetzen zu lassen. Zweck der Anleiheemission ist i. d. R. ausschließlich die Fremdfinanzierung des Emittenten.1597)

Währung

Anleihen werden in der im Sitzstaat des Emittenten gültigen Währung emittiert, es sei denn, es handelt sich um eine Fremdwährungs- oder Auslandsanleihe.1598)

Form, Verwahrung, Nennbetrag

Die in Deutschland übliche Form der Anleihe ist die in einer Globalurkunde1599) verbriefte Inhaberschuldverschreibung.1600) Die Globalurkunde wird von einem oder im Namen eines Clearingsystem(s) verwahrt. Sie hat einen Gesamtnennbetrag, der in Einzelnennbeträge geteilt (gestückelt) ist.1601)

___________ 1594) Näher unten Rn. 400. 1595) S. auch die Übersichten bei: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Kaulamo, § 16.37 – 79 und H/S-Schuldverschreibungsrecht-4.Teil-Kapitel 3-Oulds, Rn. 3.13 – 3.135. 1596) Anleihen der Bundesrepublik Deutschland sind: Bundesanleihen (Englisch: Bunds) mit 10 – 30 Jahren Laufzeit; Bundesobligationen mit 5 Jahren Laufzeit und Bundesschatzanweisungen mit 2 Jahren Laufzeit. 1597) Es sei denn, es handelt sich um Zweckgebundene Anleihen. Dazu unten Rn. 390. 1598) Oder um eine Doppelwährungsanleihe, bei der Tilgung und Zinszahlungen in verschiedenen Währungen erfolgen. Begibt ein ausländischer Emittent auf Euro lautende Anleihen in Deutschland, so spricht man von Euro-Auslandsanleihen. Eurobonds sind Anleihen mittlerer und längerer Laufzeit, die auf dem internationalen Kapitalmarkt (Euromarkt) platziert werden und von einem anderen Land emittiert werden als demjenigen, aus dem die Währung stammt, in der sie aufgelegt werden (die Bezeichnung Eurobond steht in keinem Zusammenhang mit der europäischen Gemeinschaftswährung Euro – E/B-Bankrecht-Grundmann/Denga, § 92 Rn. 8). 1599) Näher zur Globalurkunde unten Rn. 411. 1600) Möglich ist auch die Ausgestaltung als Namensschuldverschreibung, die jedoch (anders als die Namensaktie) in Deutschland nicht als zentralverwahrfähiges Kapitalmarktwertpapier (Effekten) qualifiziert (vgl. obenRn. 376). 1601) Der Nennbetrag (Synonyme: Nenn- oder Nominalwert) einer (Teil-)Schuldverschreibung resultiert aus der Division des Gesamtnennbetrags einer Anleihe durch die Anzahl der einzelnen (Teil-)Schuldverschreibungen (auch Stücke genannt). Die Ausgabe einer Anleihe kann erfolgen zum Nennwert (100 %): pari, mit Aufschlag (Agio) auf den Nennwert: über pari oder mit Abschlag (Disagio) vom Nennwert: unter pari. Agio und Disagio werden i. d. R. in Prozent des Nennwerts ausgedrückt. Der Ausgabepreis ist abhängig von der Bonität des Schuldners. Die Kursnotierung einer Anleihe erfolgt i. d. R. in Prozent des Nennwerts. Ebenso wie bei der Aktie (vgl. oben Rn. 382) kann auch bei der Anleihe auf einen Nennbetrag verzichtet und ein Zahlungsanspruch auf Basis der Anzahl der ausgegebenen Anleihen im Verhältnis zum Gesamtbetrag berechnet werden.

260

II. Wertpapiere Klausel

Inhaltliche Beschreibung

Status (Rang bei Insolvenz des Emittenten); Besicherung

Ohne besondere Regelung zum Rang in den Anleihebedingungen handelt es sich um erstrangige Anleihen (Senior Bonds), die im Insolvenzfall1602) des Emittenten wie alle anderen erstrangigen Verbindlichkeiten bedient werden. Nachrangige Anleihen (Subordinated Bonds) werden im Insolvenzfall erst bedient, nachdem sämtliche Forderungen aller nicht-nachrangigen Gläubiger befriedigt worden sind.1603) Besicherung – die meisten Anleihen sind unbesichert;1604) eine Besicherung kann erfolgen durch Vermögenswerte des Emittenten oder eine Garantie (z. B. eines Konzernunternehmens oder einer öffentlichen Stelle).

Fälligkeit, Rückzahlung, Kündigung

Die Rückzahlung (Tilgung) der Anleihe erfolgt planmäßig bei gesamtfälligen Anleihen: zum Nennwert am Ende der festgelegten Laufzeit1605) und bei Annuitäten-Anleihen: in gleichbleibenden Jahresraten (ggf. nach einer tilgungsfreien Anfangsperiode). Eine außerplanmäßige Rückzahlung erfolgt, wenn die Anleihe vorzeitig gekündigt wird, entweder ordentlich (aufgrund eines in den Anleihebedingungen festgelegten vorzeitigen Kündigungsrechts des Emittenten oder des Anlegers) oder außerordentlich (weil eine Partei sich grob vertragswidrig verhalten hat).

___________ 1602) Es gibt – vereinfacht gesprochen – im Falle der Insolvenz eines deutschen Emittenten die normalen Anleihegläubiger, die – aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Regelung – nachrangigen Anleihegläubiger und die – aufgrund einer etwaigen Sicherheitenvereinbarung – bevorzugten Anleihegläubiger. Ist der Emittent Kreditinstitut, gibt es außerdem die nicht bevorrechtigten Anleihegläubiger gem. KWG § 46f (6) (s. oben Rn. 74). Eine typische Status-Klausel in Anleihebedingungen lautet deshalb wie folgt: „Status. Die Schuldverschreibungen begründen nicht besicherte und bevorrechtigte nicht nachrangige Verbindlichkeiten der Emittentin, die (a) untereinander und mit allen anderen nicht besicherten und bevorrechtigten nicht nachrangigen Schuldtiteln der Emittentin gleichrangig sind; (b) vorrangig sind gegenüber (i) nicht besicherten und nicht bevorrechtigten nicht nachrangigen Verbindlichkeiten der Emittentin aus Schuldtiteln im Sinne des § 46f Abs. 6 Kreditwesengesetz, (ii) nachrangigen Verbindlichkeiten der Emittentin, bei denen es sich nicht um zusätzliches Kernkapital oder Ergänzungskapital handelt, (iii) Kapitalinstrumenten des Ergänzungskapitals, (iv) Kapitalinstrumenten des zusätzlichen Kernkapitals, (v) Kapitalinstrumenten des harten Kernkapitals und (vi) allen nachrangigen Verbindlichkeiten der Emittentin im Sinne von § 39 Insolvenzordnung; (c) nachrangig sind gegenüber Verbindlichkeiten der Emittentin, die nach geltenden Rechtsvorschriften vorrangig sind.“ 1603) Deswegen erzielen nachrangige Anleihen i. d. R. eine höhere Rendite als erstrangige Anleihen vergleichbarer Emittenten. 1604) Es sei denn, es handelt sich um Covered Bonds oder ABS. Dazu unten Rn. 386–389. 1605) Je nach Laufzeit werden Anleihen als kurzfristig (bis vier Jahre), mittelfristig (vier bis acht Jahre) oder langfristig (über acht Jahre) klassifiziert. Perpetual Bonds haben keine festgelegte Laufzeit, bedürfen also immer einer Kündigung, um getilgt zu werden.

261

C. Kapitalmarktzivilrecht Klausel

Inhaltliche Beschreibung

Zinsen

Anleihen sind i. d. R. verzinst.1606) Festzins-Anleihen (Straight Bonds) haben eine gleichbleibende feste Verzinsung für die gesamte Laufzeit; die Zinszahlung erfolgt jährlich nachträglich. Bei variabel verzinsten Anleihen (Floater) wird der Zins für jede Zinsperiode (drei, sechs oder zwölf Monate) auf der Grundlage eines vereinbarten variablen Referenzzinssatzes festgelegt;1607) der Emittent zahlt die Zinsen nach Ablauf einer Zinsperiode und bestimmt den Zinssatz für die folgende Periode.1608) Fällt ein Zinszahlungstag auf einen Sonn- oder Feiertag, gibt die vereinbarte sog. Geschäftstagekonvention (Business Day Convention) an, an welchem alternativen Geschäftstag1609) zu zahlen ist. Im Falle einer Zinszahlungstagverschiebung ist weiter zu regeln, ob die Zinsperioden (und die Höhe des zu zahlenden Zinsbetrages) angepasst werden. Falls ja (und generell bei der Berechnung von Zinsen für Teilzeiträume), erfolgt die Zinsberechnung auf Basis des sog. Zinstagequotienten (Day Count Fraction). Bei Nullkupon-Anleihen (Zero Bonds) erfolgen keine periodischen Zinszahlungen; entweder liegt ihr Ausgabepreis weit unter pari (und die Rückzahlung erfolgt zum Nennwert) oder sie werden zum Nennwert ausgegeben und die aufgelaufenen Zinsen am Laufzeitende ausgezahlt.

Zahlungen, Zahlstelle

Zahlungen des Emittenten erfolgen durch eine Zahlstelle an das Clearingsystem zwecks Gutschrift auf den Konten der jeweiligen Depotbanken zur Weiterleitung an die Anleihegläubiger. Der Emittent wird durch Zahlung an das Clearingsystem von seiner Zahlungspflicht gegenüber den Anleihegläubigern befreit.

Steuern

Regelungsbedürftig sind die Quellensteuern (Witholding Tax), deren Einbehalt von Kapital- oder Zinszahlungen der Sitzstaat des Emittenten vorschreibt und die deshalb zu verringerten Zahlungen an die Anleihegläubiger führen. Anleihebedingungen sehen i. d. R. vor, dass die Gläubiger diese Abzüge klaglos hinzunehmen haben oder der Emittent (unter bestimmten Bedingungen) zwar zum Ausgleich der Abzüge durch Zahlung sog. zusätzlicher Beträge verpflichtet ist, für diesen Fall aber ein vorzeitiges Sonderkündigungsrecht hat.

___________ 1606) Es sei denn, es handelt sich um derivative Wertpapiere. Dazu unten Rn. 385. 1607) I. d. R. wird ein Aufschlag zu diesem Referenzzinssatz festgelegt, so dass die Formulierung lauten kann: „Der Zinssatz beträgt 3 % über dem 3-Monats-EURIBOR.“ Dazu können Variationen treten, z. B. eine Zinsober- (Cap) oder -untergrenze (Floor) oder ein Zinskorridor (Collar), bei dem der Zins in beide Richtungen begrenzt ist. Zunehmend treten an Stelle der traditionellen Referenzzinsätze die Risk Free Rates (RFR) – s. oben Rn. 229. 1608) Eine Mischung zwischen fester und variabler Verzinsung sind Zinsphasen-Anleihen, bei der sich feste und variable Sätze abwechseln. Bei einer Stufenzinsanleihe (Step-upnote) steigt der Zinssatz mit zunehmender Laufzeit an. 1609) Der Geschäftstag wird üblicherweise definiert als ein „Tag (außer einem Samstag oder einem Sonntag), an dem das Clearing System und das Trans-European Automated Realtime Gross Settlement Express Transfer System2 (TARGET2) Zahlungen abwickeln.“

262

II. Wertpapiere Klausel

Inhaltliche Beschreibung

Sonstiges

Vorlegungsfrist, Änderungen der Bedingungen, Begebung weiterer Schuldverschreibungen, Bekanntmachungen, Rechtswahl, Gerichtsstand.

bb) Derivative Wertpapiere Derivative Wertpapiere (auch verbriefte Derivate genannt) sind – zivil- und auf- 385 sichtsrechtlich gesehen – Schuldverschreibungen wie normale Anleihen auch,1610) unterscheiden sich aber von letzteren dadurch, dass ihre Rendite an die Entwicklung eines Basiswerts geknüpft ist.1611) Die Art der Anknüpfung an den Basiswert (auch Payout Mechanism genannt) ist vielfältig. Üblicherweise wird zwischen Zertifikaten (Certificates) und Optionsscheinen (Warrants) differenziert. Vergleichsweise einfache Ausprägungen von derivativen Wertpapieren sind Partizipations-Zertifikate (bei denen der Gläubiger z. B. an der Wertentwicklung eines Aktienindex partizipiert) oder (normale) Optionsscheine (die z. B. einer bilateralen Put Optionsvereinbarung auf eine Aktie entsprechen können).1612) cc) Besicherte Anleihen Die meisten Anleihen sind unbesichert. Der Anleger vertraut auf die gute Bo- 386 nität der Emittenten. Das gilt für Anleiheemissionen von Staaten ebenso wie für diejenigen von Unternehmen, selbst bei von kleineren Unternehmen begebenen sog. Mittelstandsanleihen.1613) Wenn private Emittenten sich zur Besicherung ihrer Anleihen entschließen, ist das Motiv häufig der Wunsch, die Finanzierungskosten zu reduzieren: Besicherte Anleihen verfügen i. d. R. über ein besseres Rating und einen niedrigeren Zinssatz als unbesicherte Anleihen vergleichbarer Emittenten.1614) Das gilt für Unternehmensanleihen ebenso wie ___________ 1610) Sie fallen deswegen auch unter den Begriff der Schuldverschreibung gem. BGB § 793 und MiFID Art. 4 (1) Nr. 44 b, es sei denn, sie kommen in Form der Namensschuldverschreibung oder des Schuldscheins daher (näher: Zerey-Finanzderivate-Dreher, § 13 Rn. 24 f.). 1611) Zerey-Finanzderivate-Eck, § 5 Rn. 1. 1612) Der Deutsche Derivateverband unterteilt derivative Wertpapiere in die Kategorien Anlageprodukte (mit oder ohne Kapitalschutz) und Hebelprodukte (mit oder ohne Knock-Out) und setzt auch sonst für den deutschen Markt hilfreiche Standards und Definitionen. S.: https://www.derivateverband.de/DE/MediaLibrary/Document/Wissen/EinheitlicheFachbegriffe.pdf. 1613) Schüler/Kaufmann, ZBB/JBB, 2014, 69, 78. 1614) Ein vergleichbarer Effekt lässt sich auch durch die Gewährung sog. Covenants erzielen (Schüler/Anschauer, ZBB/JBB 2017, 206, 220), also der Verpflichtung des Emittenten, bestimmte Handlungen vorzunehmen oder zu unterlassen, z. B. der Verzicht darauf, weitere Verbindlichkeiten einzugehen (Schmitt, BB 2012, 1079, 1080). Bei High Yield Bonds – d. h. Anleihen von privaten Emittenten mit einer Bonitätseinstufung als Non Investment Grade – machen Covenants die Emission i. d. R. überhaupt erst möglich (vgl. zu diesen Anleihen: Kusserow/Dittrich, WM 2000, 745; Harrer/Fisher, Finanzbetrieb 2003, 781; Hoffmann/Baron, ZBB 2005, 317; Plepelits, Corporate Finance 2010, 119; S/H/K, AG 2011, 429; H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Hutter, § 17).

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C. Kapitalmarktzivilrecht

für von Banken begebene gedeckte Schuldverschreibungen (Covered Bonds).1615) Bei gedeckten Schuldverschreibungen und vor allem bei ABS1616) treten weitere Motive hinzu, nicht zuletzt der Wunsch, ansonsten illiquide Vermögensgegenstände umlauffähig zu machen und damit zu monetarisieren.1617) Beide Arten von besicherten Anleihen, gedeckte Schuldverschreibungen und ABS, haben in Europa zudem volks- und finanzwirtschaftliche Bedeutung – sie können das der Realwirtschaft zur Verfügung stehende Kreditvolumen vergrößern und verbilligen – und werden deshalb politisch gefördert,1618) aber auch (streng) reguliert.1619)

___________ 1615) Vgl. vdp, Geschäftszahlen 2018. 1616) Zum Begriff s. unten Rn. 389. 1617) Der hinter den ABS stehende Originator (zum Begriff sogleich) erhofft sich von dem der Emission zugrundeliegenden Forderungsverkauf einen möglichst hohen Zufluss an Liquidität (mittels eines möglichst hohen Kaufpreises), einen positiven Bilanz- und Steuereffekt (zur Verbesserung des EK/FK-Verhältnisses und zur Reduzierung der Steuerlast) und Entlastung von Risiken (hauptsächlich hinsichtlich des Ausfallrisikos seiner Schuldner, möglicherweise aber auch hinsichtlich von Währungs- oder Zinsrisiken) in tatsächlicher und als Finanzakteur auch in aufsichtsrechtlicher Hinsicht (s. Theiselmann-Restrukturierungsrecht-Litten, Kapitel 3, Rn. 3). Alternativen zur Erreichung dieser Ziele des Originators bieten Factoring und Forfaitierung. Alle drei Techniken unterscheiden sich nicht so sehr im Hinblick auf rechtliche Fragestellungen – in allen Fällen handelt es sich um einen Rechtskauf (zumindest bei der True Sale-Variante) mit den damit verbundenen Rechtsfragen. Wichtiger sind die aus wirtschaftlichen Parametern resultierenden Unterschiede, insbesondere die Art der Refinanzierung des Forderungsankaufs und sonstige damit verbundene Dienstleistungen sowie die unterschiedlichen Refinanzierungsmärkte (Theiselmann-Restrukturierungsrecht-Litten, Kapitel 3, Rn. 3 ff.). 1618) EU Kom-VÖ-Aktionsplan Kapitalmarktunion-2015, S. 24/5; SecPR EG (1). Ein Beispiel für den politischen Förderungswillen von gedeckten Schuldverschreibungen ist die Euler-Hermes-Verbriefungsgarantie, die von der deutschen Regierung entwickelt wurde, um auch Exportfinanzierungen über Pfandbriefe und ABS refinanzieren zu lassen (näher: Litten/Spitzer, Börsenzeitung vom 31.8.2013, S. 13). 1619) ABS waren eine der Ursachen (oder zumindest ein Beschleuniger) der Finanzkrise 2008, da sie es Banken erlaubten, bankübliches Risikomanagement zu vernachlässigen und infolge ihrer Komplexität Risiken intransparent zu machen. Dem versucht der EU Gesetzgeber mit strengen Auflagen in der SecR und der SecPR von 2017 gegenzusteuern Die Gesetze schaffen i. Ü. einen Qualitäts-Verbriefungsstandard (STS – simple, transparent and standardized – einfache, transparente und standardisierte Verbriefungen), der verlorenes Vertrauen der Anleger in ABS zurückzugewinnen helfen soll. STS-Verbriefungen sollen u. a. dadurch gefördert werden, dass die Regeln der SecPR für die Risikogewichtung von Verbriefungspositionen für Eigenkapitalunterlegungszwecke bei Banken (sei es als Originator oder Anleger) sie gegenüber Non-STS-Verbriefungen bevorzugen. Gerade zu den STS existieren umfangreiche Level 2- und Level 3-Rechtsakte, die die Kriterien detailliert festlegen (s. die Aufstellungen auf: https://www.true-sale-international.de/verbriefungsregulierung-sts/). Bei den Covered Bonds geht es der Politik vornehmlich darum, einen einheitlichen europäischen Markt zu schaffen, was mit der CBD versucht wird (vgl. BR-Drucks. 10/21 zum CBD-Umsetzungsgesetz, S. 1).

264

II. Wertpapiere

(1) Covered Bonds und Pfandbriefe Covered Bonds sind in Europa weit verbreitet,1620) allerdings in unterschiedli- 387 chen Ausformungen. Fundamentale Unterschiede bestehen zwischen auf vertraglicher Basis beruhenden Covered Bonds (bei denen eine Deckung der Anleihen i. d. R. durch Übertragung von Sicherheiten auf eine separate Rechtsperson erreicht wird) und dem gesetzlich geregelten Modell, namentlich demjenigen des im deutschen PfandBG1621) geregelten Pfandbriefs.1622) Die Emission von Pfandbriefen ist Bankgeschäft1623) und erfordert deshalb ei- 388 ne entsprechende (Bank-)Erlaubnis durch die BaFin.1624) Die von der Pfand___________ 1620) Sie spielen in der Immobilienfinanzierungspraxis eine große Rolle. Der Verband deutscher Pfandbriefbanken (VdP) hat einen Marktstandard für Jumbo-Pfandbriefe (Jumbos) festgelegt. Jumbos haben ein Mindestvolumen von EUR 1 Mrd (bei der Erstemission kann das Volumen EUR 750 Mio. betragen, muss dann allerdings innerhalb von 180 Kalendertagen auf mindestens EUR 1 Mrd. erhöht werden). Sie müssen festverzinslich und endfällig mit jährlich nachträglicher Zinszahlung ausgestattet sein. Mindestens fünf Market Maker sind zu bestimmen, die zu den üblichen Handelszeiten simultan Geld- und Briefkurse für Abschlüsse bis zu EUR 15 Mio. stellen. Der Jumbo muss unverzüglich nach seiner Begebung an einem organisierten Markt in einem EU Mitgliedstaat eingeführt werden. 1621) Das PfandbriefG von 2005 ersetzte drei Vorgängergesetze: Das HypothekenbankG, das Gesetz über die Pfandbriefe und verwandte Schuldverschreibungen öffentlich rechtlicher Kreditanstalten und das SchiffspfandbriefG. Die erste Rechtsgrundlage waren CabinetsOrdre Regeln zur Ausgabe von Pfandbriefen in Preußen durch Friedrich den Großen vom 29.8.1769, die dazu dienten, preußische Gutsbesitzer nach dem Siebenjährigen Krieg (1756 – 63) mit Krediten zu versorgen (Deutsche Bundesbank Research Brief, 6. Ausgabe – September 2016). 1622) Vgl. zu den unterschiedlichen Modellen: DG HYP: Der Deutsche Pfandbriefmarkt 2017/2018, September 2017, S. 35 – https://dzhyp.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Ueber_uns/Marktberichte/2017_DG_HYP_Pfandbriefmarktbericht.pdf). Durch die (ab 8.7.2022 anzuwendende) CBD und CBR sollen diese Unterschiede nicht eingeebnet, aber harmonisiert werden. Die CBD (i) enthält eine einheitliche Definition des Begriffs des Covered Bonds, (ii) legt strukturelle Merkmale fest (insbesondere Befriedigung der gesicherten Forderung durch doppelten Rückgriff auf Emittenten und Sicherheiten, Kriterien für anerkennungsfähige Deckungswerte), (iii) verlangt einen Liquiditätspuffer und (iv) legt Aufgaben der Aufsicht über gedeckte Schuldverschreibungen fest. Die CBR ändert CRR Art. 129, so dass Covered Bonds, die qualifizierte Anforderungen erfüllen, weiterhin von einer privilegierten Behandlung im Rahmen der risikogewichteten Eigenmittelanforderungen profitieren können (vgl. BR-Drucks. 10/21 zum CBD-Umsetzungsgesetz, S. 2 – https://www.umwelt-online.de/PDFBR/2021/0010_2D21.pdf). 1623) KWG § 1 (1) Nr. 1a. Näher: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Hagen, § 22.8. 1624) PfandBG § 2 (1). Die Erlaubnispflicht ist derart ausgestaltet, dass der Emittent eine Erlaubnis für das Kreditgeschäft haben und darüber hinaus den weiteren speziellen Anforderungen des Pfandbriefgeschäfts Rechnung tragen muss. Dazu zählt ein besonderes Risikomanagementsystem, das die Identifizierung, Beurteilung, Steuerung und Überwachung sämtlicher Risiken (Adressenausfall-, Zinsänderungs-, Währungs- sowie sonstiger Marktpreisrisiken, operationeller Risiken und Liquiditätsrisiken) in ihrer speziellen Ausprägung im Pfandbriefgeschäft sicherzustellen hat (PfandBG § 27). Damit einher gehen umfangreiche spezielle Transparenzvorschriften für Pfandbriefbanken (PfandBG § 28). Eine Ausnahme von der Anforderung, Kreditinstitut sein zu müssen, gilt für Bausparkassen: Sie dürfen (bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen von PfandBG § 2 (1)) (Hypotheken-)Pfandbriefe emittieren (BausparkassenG § 4 (1) Nr. 5c). Unselbständigen deutschen Zweigstellen ausländischer Kreditinstitute ist die Emission deutscher Pfandbriefe (wegen unlösbarer Konflikte mit ausländischem Insolvenzrecht) hingegen verwehrt (E/B-Bankrecht-Stöcker, § 87 Rn. 19).

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C. Kapitalmarktzivilrecht

briefbank durch Emission von Pfandbriefen am Kapitalmarkt aufgenommenen Mittel müssen während der gesamten Laufzeit in gesetzlich näher bestimmten Deckungswerten angelegt sein. Das deutsche PfandBG kennt vier Pfandbriefgattungen (Hypotheken-, Öffentliche-, Schiffs- und Flugzeugpfandbriefe) und jeder Gattung exklusiv zugeordnete Deckungswerte (Grundpfandrechte, Geldforderungen gegen öffentliche Stellen, Schiffs- und Flugzeughypotheken). Deckungswerte (auch Deckungsstock oder -masse genannt) und Pfandbriefe müssen kongruent sein.1625) D. h.: Gemessen an den Nennbeträgen dürfen in keiner Gattung mehr Pfandbriefe ausgegeben sein als es Deckungswerte gibt; gemessen an den Barwerten der Sicherheiten muss eine Überdeckung von 2 – 5 % vorliegen.1626) Die zur Deckung der Pfandbriefe verwendeten Deckungswerte sind von der Pfandbriefbank einzeln in ein für jede Pfandbriefgattung zu führendes Deckungsregister einzutragen.1627) Das Kongruenzprinzip wird flankiert von der insolvenzrechtlichen Zuordnung der Deckungswerte zu den Pfandbriefen (wobei auch hier die Pfandbriefe nach den einzelnen Gattungen unterschiedlich zu betrachten sind).1628) Die Deckungswerte bilden eine Sondermasse zu Gunsten der Pfandbriefgläubiger.1629) Die Pfandbriefgläubiger haben im Insolvenzfall ein Befriedigungsrecht aus den Deckungswerten – das sog. Insolvenzvorrecht.1630)

___________ 1625) E/B-Bankrecht-Stöcker, § 67 Rn. 38. 1626) PfandBG § 4. Im Einzelnen sind viele weitere Parameter zu beachten, etwa die Beleihungsgrenze für Hypothekenpfandbriefe gem. PfandBG § 14, wonach Hypotheken nur bis zur Höhe der ersten 60 % des von der Pfandbriefbank auf Grund einer Wertermittlung nach PfandBG § 16 festgesetzten Wertes des Grundstücks (Beleihungswert) zur Deckung benutzt werden dürfen. Gebäude, die mit Grundpfandrechten belastet sind, müssen versichert sein (PfandBG § 15 (1)) und das Grundpfandrecht muss sich auf die Versicherungsforderung erstrecken. 1627) PfandBG § 5. Ein von der BaFin bestellter Treuhänder (PfandBG § 7) hat die Einhaltung der Bestimmungen über die Deckung der Pfandbriefe zu überwachen. 1628) E/B-Bankrecht-Stöcker, § 67 Rn. 38. 1629) Arreste und Zwangsvollstreckungen in die Deckungswerte aus anderen Ansprüchen als denen der Pfandbriefgläubiger sind ausgeschlossen (PfandBG § 29). 1630) PfandBG § 30 (1) S. 1. Das Insolvenzvorrecht wird wie folgt durchgesetzt: Bei Insolvenz einer Pfandbriefbank werden die Pfandbriefe – in Abweichung von InsO § 41 (1) – nicht fällig (PfandBG § 30 (1) S. 2), d. h. die Pfandbriefgläubiger erhalten weiter planmäßig Kapital- und Zinszahlungen. Zur technischen Durchführung der Abschottung des Deckungsstocks wird gerichtlich ein Sachwalter ernannt (PfandBG §§ 30 (2), 31 (1)). Der Sachwalter verwaltet die Deckungswerte im Interesse der Pfandbriefgläubiger und kann über sie verfügen. Er darf (zwecks Liquiditätsbeschaffung) einzelne Deckungswerte oder auch ganze Deckungsmassen veräußern (PfandBG §§ 32 – 36). Näher: E/B-Bankrecht-Stöcker, § 67 Rn. 133.

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II. Wertpapiere

(2) Asset Backed Securities Asset Backed Securities (ABS) sind Wertpapiere, die von einer Zweckgesellschaft 389 (Special Purpose Vehicle – SPV)1631) zwecks Refinanzierung erworbener Vermögensgegenstände (i. d. R. unbesicherte oder besicherte1632) Forderungen – Risikopositionen)1633) begeben werden und mit diesen Vermögensgegenständen ___________ 1631) Gem. KWG § 1 (26) ist das SPV (dort Zweckgesellschaft genannt) ein Unternehmen, dessen wesentlicher Zweck darin besteht, durch Emission von Finanzinstrumenten oder auf sonstige Weise Geld aufzunehmen, um vom Originator oder von Refinanzierungsmittlern Gegenstände aus dem Geschäftsbetrieb eines Originators zu erwerben. Gem. SecR Art. 2 Nr. 2 ist das SPV (dort Verbriefungszweckgesellschaft genannt) ein Unternehmen, eine Treuhandgesellschaft oder eine andere Einrichtung, das/die kein Originator oder Sponsor ist und für den Zweck der Durchführung von Verbriefungen errichtet wurde, deren Tätigkeit auf das zu diesem Zweck Notwendige beschränkt ist und dessen/deren Struktur darauf ausgelegt ist, die eigenen Verpflichtungen von denen des Originators zu trennen. Für die Wahl des Sitzlands des SPV gibt es gesetzliche Bedingungen mit dem Ziel, eine Mindestregulierung für Zwecke der Geldwäschebekämpfung und Steuertransparenz sicherzustellen (SecR Art. 4). In Deutschland ist die Verbriefungstätigkeit eines SPV (also Forderungsankauf und Anleihenemission) nicht erlaubnispflichtig (Gesetzesbegründung zum JStG 2009, BT-Drucks. 16/11108, S. 55; B/F/S-KWG-Schäfer, § 1 Rn. 185), was insofern überrascht, als das Factoringgeschäft (das dem Verbriefungsgeschäft sehr ähnlich ist – näher: Theiselmann-Restrukturierungsrecht-Litten, Kapitel 3, Rn. 10 ff.) eine Erlaubnis erfordert. 1632) Ein spezielles deutschrechtliches Problem trat in der Vergangenheit auf, wenn im Rahmen von Mortgage Backed Securities (MBS)-Verbriefungstransaktionen Buchgrundschulden als Sicherheit übertragen werden sollten, da die (erforderliche) Einzelübertragung bei einem großen Forderungsportfolio zu einem unverhältnismäßigen logistischen und finanziellen Aufwand führt (näher: Theiselmann-Restrukturierungsrecht-Litten, Kapitel 3, Rn. 35 ff.). Der Versuch, dieses Problem in den Griff zu bekommen, wird als einer der Hauptgründe für die Einführung des in KWG §§ 22a ff. geregelten Refinanzierungsregisters gelten dürfen (vgl. ausführliche Darstellung bei Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 8.509 – 24). In einem solchen Register eingetragene Forderungen und Sicherheiten (Grundpfandrechte, Schiffshypotheken und Registerpfandrechte an einem Luftfahrzeug) gewähren denjenigen Personen, die einen Anspruch auf Übertragung dieser Gegenstände haben (Übertragungsberechtigte), in der Insolvenz des Refinanzierungsunternehmens ein Aussonderungsrecht. Die Position der Übertragungsberechtigten ist auch insofern geschützt, als dass das Refinanzierungsunternehmen gegen Ansprüche auf Eigentumsübertragung der Übertragungsberechtigten weder aufrechnen noch Zurückbehaltungsrechte geltend machen kann. Im Ergebnis wird durch diese Regelung die insolvenzfeste Zuordnung von Sicherheiten zum SPV möglich, ohne dass das Erfordernis der – rechtlich und tatsächlich – komplexen Übertragung der Sicherheiten besteht. Da den Übertragungsberechtigten ein Aussonderungs- und kein Absonderungsrecht eingeräumt wird, fallen auch keine Verfahrenskosten (Haircuts) an (die andernfalls zu einer Verteuerung der Transaktion führen können). Dieses Aussonderungsrecht besteht auch hinsichtlich von Gegenständen, die anstelle der ursprünglichen Forderungen bzw. Sicherheiten treten (näher: Theiselmann-Restrukturierungsrecht-Litten, Kapitel 3, Rn. 66 ff.). Darüber hinaus hat das Refinanzierungsregister seine Relevanz für das Pfandbriefgeschäft (näher E/B-Bankrecht-Stöcker, § 67 Rn. 185 ff.). 1633) Für die Risikopositionen gelten gesetzliche Anforderungen: Eine Wiederverbriefung bereits verbriefter Risikopositionen ist verboten (SecR Art. 8). Verbriefte Kredite müssen nach denselben soliden Kriterien vergeben worden sein wie nicht verbriefte Kredite (SecR Art. 9). Allerdings wurde SecR Art. 9 durch VO 2021/557/EU dahingehend ergänzt, dass (auch) notleidende Risikopositionen (NPL – s. oben Rn. 54) verbrieft werden können und festgelegt, dass die soliden Standards hier für die Auswahl und Bepreisung der Risikopositionen zu gelten haben. Diese Gesetzesänderung folgte auf Empfehlung der EBA, es den europäischen Banken mit Hilfe des Instruments der Verbriefung zu erleichtern, ihre Bilanzen von NPL zu befreien (s. EBA-VÖ-NPE-Securitisation).

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C. Kapitalmarktzivilrecht

besichert sind.1634) Der Verkäufer – das Refinanzierungsunternehmen (Originator)1635) – verkauft die Vermögensgegenstände regresslos1636) an das SPV und überträgt sie auch an dieses oder an einen Treuhänder.1637) Initiiert und arrangiert werden die ABS-Emissionen häufig von einem Refinanzierungsmittler (Sponsor)1638) als einmalige Emission (Stand Alone) oder im Rahmen von Emissionsprogrammen. ABS sind üblicherweise in mehrere Klassen (Tranchen) eingeteilt. Die ABS-Gläubiger1639) werden mit den aus den Risikopositionen resultierenden Zahlungsströmen befriedigt (Kapital und Zinsen), wobei sich die Tranchen im Rang unterscheiden und nacheinander bedient werden (sog. Wasserfallprinzip), so dass die Gläubiger entsprechend ihrem Rang Verluste zu tragen haben, wenn es zu Ausfällen bei den Risikopositionen kommt.1640) Der gesamte Vorgang wird als Verbriefung bezeichnet,1641) in deren Rahmen

___________ 1634) Theiselmann-Restrukturierungsrecht-Litten, Kapitel 3, Rn. 9 und Rn. 19 ff.; H/M/SUnternehmensfinanzierung-Geiger, § 21. 1635) Gem. KWG § 1 (24) ist der Originator (dort Refinanzierungsunternehmen genannt) ein Unternehmen, das Gegenstände aus seinem Geschäftsbetrieb an folgende Unternehmen zum Zwecke der Refinanzierung veräußert oder für diese treuhänderisch verwaltet: SPV, Refinanzierungsmittler, Kreditinstitute, Versicherungen oder Pensionsfonds/kassen. Gem. SecR Art. 2 Nr. 3 ist der Originator ein Unternehmen, das a) selbst oder über verbundene Unternehmen direkt oder indirekt an der ursprünglichen Vereinbarung beteiligt war, die die Verpflichtungen des Schuldners begründet hat, durch die die Risikopositionen entstehen, die nun Gegenstand der Verbriefung sind; oder b) Risikopositionen eines Dritten auf eigene Rechnung erwirbt und diese dann verbrieft. 1636) Die (fehlende) Regresslosigkeit bei Verbriefungen und die damit verbundenen Rechtsfragen werden in der Praxis unter dem Begriff True Sale diskutiert. Wird die Regresslosigkeit einer Verbriefung nicht anerkannt (liegt also kein True Sale vor), drohen den Transaktionsbeteiligten rechtliche, steuerliche, bilanzielle und ggf. aufsichtsrechtliche Nachteile (näher: Theiselmann-Restrukturierungsrecht-Litten, Kapitel 3, Rn. 35 ff.). 1637) I. d. R. erfolgt die Zession still, und der Originator wird mit der Einziehung der Forderungen beauftragt. Von den Risikopositionen ist ein Nettoanteil von mindestens 5 % einzubehalten, darf also nicht an Dritte gegeben werden (sog. Risikoselbstbehalt – SecR Art. 6). 1638) Gem. KWG § 1 (25) ist der Sponsor (dort Refinanzierungsmittler genannt) ein Kreditinstitut, das vom Originator oder anderen Sponsoren Gegenstände aus dem Geschäftsbetrieb eines Originators erwirbt, um diese an SPV oder Sponsoren zu veräußern. Gem. SecR Art. 2 Nr. 5 ist der Sponsor ein Kreditinstitut oder eine Wertpapierfirma, das/die kein Originator ist und ein Programm forderungsgedeckter Geldmarktpapiere oder eine andere Verbriefung, bei der Risikopositionen Dritter angekauft werden, auflegt und verwaltet (oder verwalten lässt). 1639) Der Vertrieb von ABS an Kleinanleger ist nur nach Durchführung eines Eignungstests gestattet (SecR Art. 3). Institutionelle Anleger müssen selbst sorgfältig prüfen, ob die ABS im einzelnen bestimmten Anforderungen genügen und das ABS-Investment für sie (insbesondere unter Risikogesichtspunkten) geeignet ist (SecR Art. 5). 1640) Wegen des unterschiedlichen Risikopotentials der Tranchen sind diese i. d. R. auch unterschiedlich geratet und verzinst. 1641) Vgl. die Definitionen in SecR Art. 2 Nr. 1 und (ähnlich) in StatR Art. 1 Nr. 2. Der Begriff der Verbriefung umfasst auch sog. synthetische Verbriefungen, bei denen die Risikopositionen nicht (zivilrechtlich) übertragen werden, sondern der Risikotransfer mittels Kreditderivaten erfolgt (s. dazu Rn. 420).

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II. Wertpapiere

die Transaktionsbeteiligten umfangreiche Transparenzpflichten gegenüber den Aufsichtsbehörden und Anlegern treffen.1642) dd) Zweckgebundene Anleihen Es gibt Anleihen, die nicht nur der Liquiditätsaufnahme dienen, sondern mit 390 denen darüber hinausgehende Zwecke verfolgt werden. Mit regulatorischen, nachhaltigen und islamischen Anleihen werden im Folgenden drei wichtige Vertreter dieses Genres vorgestellt. (1) Regulatorische Anleihen Als regulatorische Anleihen werden hier solche Kapitalmarktinstrumente be- 391 zeichnet, mit deren Begebung Finanzakteure aufsichtsrechtliche Zwecke verfolgen. Dazu zählen namentlich die als Additional Tier 1 (AT1) oder Contingent Convertible (CoCo) Bonds bezeichneten Instrumente,1643) die Finanzakteure begeben, um ihr regulatorisches Eigenkapital (in Form von Zusätzlichem Kernkapital)1644) zu stärken.1645) Damit sich ein Finanzakteur die aus CoCo-Bonds generierten Beträge als zusätzliches Kernkapital anrechnen darf, müssen die Anleihebedingen eine Reihe von Anforderungen erfüllen. CoCo-Bonds müssen ein Wandlungs- oder Herabschreibungsverfahren vorsehen, dürfen aber keinen festen Rückzahlungstermin haben (zeitliche Unbefristung). Eine Kündigung, Rückzahlung oder Rückkauf durch den Emittenten darf nur mit vorheriger Erlaubnis der Aufsicht möglich sein und frühestens nach fünf Jahren erfolgen und auch nur dann, wenn genügend Mittel für eine Rückzahlung vorhanden sind. Die Zahlung von Zinsen muss im Ermessen des Emittenten stehen (wobei ausgefallene Zinszahlungen nicht nachgeholt werden dürfen).1646) ___________ 1642) SecR Art. 7. Der Herstellung von Transparenz im ABS-Markt dient insbesondere ein von der ESMA zugelassenes Verbriefungsregister, auf dem eine Vielzahl von ABSrelevanten Informationen zu hinterlegen ist (SecR Art. 10 ff.). 1643) Gesellschaftsrechtlich handelt es sich um Wandelanleihen gem. AktG § 221 (H/M/SUnternehmensfinanzierung-Schlitt, § 11.10). S. dazu näher unten Rn. 397. 1644) S. oben Rn. 147 f. Neben den AT1/CoCo Bonds sind die T2 Anleihen zu nennen, die zwecks Aufnahme von Ergänzungskapital begeben werden. Dies sind nachrangige Kapitalmarktinstrumente, die zwar nicht die Anforderungen von CRR Art. 51 – 61 für AT1 Bonds erfüllen, dafür aber diejenigen von CRR Art. 62 – 71, z. B. Genussrechtskapital. Zu den Anforderungen zählt: Feste Laufzeit von mindestens 5 Jahren und unbedingter Zinsanspruch (aber Aussetzung der Zinszahlungen unter bestimmten Voraussetzungen möglich). Als regulatorische Anleihen zumindest i. w. S. wird man auch von Finanzakteuren initiierte ABS ansehen dürfen, deren Zweck häufig auch in der Eigenkapitalentlastung besteht (s. zur Eigenmittelunterlegung von ABS: Litten/Cristea, WM 2003, 213). 1645) CoCo Bonds sind besonders Bail-in-gefährdet (s. oben Rn. 75 ff.). Das macht sie zu risikoreichen Fremdkapitalinstrumenten (vgl. BaFin, CoCo-Bonds: Risiken für Privatanleger, in: BaFinJournal vom 1.10.2014). 1646) S. näher: Buba-VÖ-TLAC+MREL sowie BaFin-VÖ-Haftungskaskade. Der BdB hat Musterbedingungen für Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals nach CRR Art. 51 ff. veröffentlicht.

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C. Kapitalmarktzivilrecht

(2) Nachhaltige Anleihen (Green Bonds) 392 Green Bonds sind Anleihen, deren Erlöse für ökologische Zwecke verwendet werden.1647) Als größte Gefahr für die Entwicklung eines grünen Kapitalmarkts wird das Greenwashing gesehen, also Beschreibungen, die über die wirkliche ökologische Qualität eines Projekts in die Irre führen.1648) Mitte des Jahres 2022 gibt es noch keine rechtlich verbindlichen Standards dafür, welche Kriterien Green Bonds erfüllen müssen.1649) Das wird sich ändern, wenn der gegenwärtig als Entwurf vorliegende Vorschlag der EU Kommission für eine Green Bond-VO Gesetz wird. Darin wird festgehalten, dass als European Green Bond (EuGB) nur solche Anleihen bezeichnet werden dürfen, deren Erlös ausschließlich zur Finanzierung von Wirtschaftstätigkeiten verwendet wird, die entweder ökologisch nachhaltig sind1650) oder zur Transformation in ökologisch nachhaltige Tätigkeiten beitragen.1651) Gegenwärtig – also ohne solche gesetzlichen Standards – wird man allenfalls in besonderen Fallkonstellationen davon ausgehen können, dass Anleger Schadenersatzansprüche gegen Emittenten wegen Greenwashing haben.1652) Es ist absehbar, dass Green Bonds Vorreiter sein werden für einen umfassenden ESG-Kapitalmarkt, in dem es eine Vielzahl sehr spezieller Investmentangebote geben wird.1653) (3) Islamische Anleihen (Sukuk) 393 Konzeptionell unterscheiden sich islamische Anleihen (Arabisch: Sukuk) von konventionellen Anleihen dadurch, dass sie keine im Voraus festgelegten Erträge, sondern die finanzielle Teilhabe an einem der Anleihe zugrundeliegenden Projekt auf Risiko- und Gewinnbasis vorsehen.1654) Alle Sukuk basieren deshalb

___________ 1647) Die World Bank bezeichnet eine an diesem Prinzip orientierte, von ihr 2008 emittierte Anleihe als The First Green Bond (näher: https://www.worldbank.org/en/news/immersive-story/2019/03/18/10-years-of-green-bonds-creating-the-blueprint-for-sustainability-across-capital-markets). 1648) Ekkenga/Roth, WM 2021, 1161. 1649) Als Orientierung für den Markt dienen derzeit von Branchenverbänden wie der International Capital Markets Association (ICMA) oder der Climate Bond Initiative (CBI) formulierte Leitlinien. S. die zusammenfassende Darstellung bei Wellerdt, EuZW 2021, 834, 836. 1650) D. h. den in ESGR Art. 9 festgelegten Umweltzielen entsprechen. 1651) EU Kom-VÖ-Green Bond EG (8). 1652) Ekkenga/Roth, WM 2021, 1161. Zu solchen Schadenersatzansprüchen im Allgemeinen s. unten Rn. 482 ff. 1653) S. zum Begriff des ESG und weiterer Einzelheiten oben Rn. 49. 1654) Die Accounting and Auditing Organisation of Islamic Financial Institutions (AAOIFI), die als Dachverband islamischer Banken Standards für Islamic Finance aufstellt, definiert Sukuk als „Zertifikate, die untereinander gleichrangige, ungeteilte Anteile am Eigentum von Sachvermögen, Nießbrauch und Dienstleistungen oder Eigentum an Vermögenswerten eines bestimmten Projekts oder einer besonderen Investmenttätigkeit darstellen“ (https://islamicmarkets.com/publications/aaoifi-shariah-standard-on-sukuk).

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II. Wertpapiere

auf einem (seinerseits islam-konformen1655)) Grundgeschäft,1656) durch das die zur Bedienung der Anleihe nötigen Erträge generiert werden. Typischerweise erwirbt der Emittent im Rahmen des Grundgeschäfts Vermögensgegenstände und vermietet sie an die Vertragspartei, die sich zudem zu deren Rückerwerb zum Ende der Laufzeit der Anleihe verpflichtet.1657) Aus den Mieteinnahmen wird den Anleiheinhabern eine (jährliche) Vergütung gezahlt und aus dem Rückkaufpreis – dessen Höhe dem Gesamtnennbetrag der Emission entspricht – wird die Anleihe bei Endfälligkeit zurückgezahlt.1658) Die Vergütung der Anleiheinhaber kann – konventionellen Vorbildern folgend – variabel oder fest ausgestaltet sein. Variable Ausgestaltungen orientieren sich regelmäßig an marktüblichen Referenzzinssätzen. Die Koppelung bewirkt die ökonomisch gewünschte Vergleichbarkeit mit konventionellen Anleihen und wird allgemein als islamkonform erachtet, da nur die Bestimmung der Höhe des Ertrages, nicht aber deren Ursprung zinsbasiert ist.1659) c) Hybride Wertpapiere Hybride Wertpapiere beinhalten Eigen- und Fremdkapitalelemente.1660) Nach- 394 folgend sind die wichtigsten Erscheinungsformen aufgeführt. aa) Genussscheine Genussscheine verbriefen das Recht auf Rückzahlung eines Anlagebetrages zum 395 Nennwert am Laufzeitende, einen (festen oder variablen) Zinsanspruch sowie eine erfolgsabhängige Gewinnbeteiligung.1661) Häufig wird eine Verlustbeteiligung bis zur Höhe des Kapitaleinsatzes vereinbart, was dazu führen kann, dass der Anleger sein eingesetztes Kapital nicht zurückerhält. I. d. R. sind Genussscheine mit einer Nachrangabrede ausgestattet.1662) ___________ 1655) S. generell zu den Prinzipien von Islamic Finance und insbesondere zum Zinsverbot: Gassner/Wackerbeck-IF sowie zur Regulierung islamischer Bank- und Finanzdienstleistungen im deutschen Recht: Litten, Islamische Banken. 1656) Zu den unterschiedlichen Arten von Grundgeschäften s.: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Müller, § 25.11 – 18. 1657) Daneben existieren andere Strukturierungsmöglichkeiten (s. ausführlich: Sacarcelik, Sukuk). Als erster europäischer Emittent begab das Bundesland Sachsen-Anhalt im August 2004 einen Sukuk über EU 100 Mio. Das Grundgeschäft bestand in der Einbringung von Nutzungsrechten am Immobilienvermögen des Landes in ein holländisches SPV gegen Zahlung des Emissionsbetrags des Sukuk. Das SPV vermietete die Immobilien an das Land und vergütete die Anleiheinhaber mit den Mieteinnahmen. 2009 endete die Laufzeit, und Sachsen-Anhalt erwarb die Nutzungsrechte an den Immobilien durch einmalige Rückzahlung des Anleihebetrags zurück. 1658) Schwenk/Berck, jurisPR-BKR 5/2009, Anm. 4. 1659) Müller, WM 2008, 102, 104. 1660) Neben hybriden Wertpapieren existieren hybride Vermögensansprüche auch in anderer Rechtsform, etwa als Genussrecht, Beteiligung an einer stillen Gesellschaft oder partiarischem Darlehen (näher: Haisch/Helios-Finanzinstrumente-Haisch, § 1 Rn. 108 – 119). 1661) Ausführlich: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Klöckner-Becker, § 13. 1662) Näher: K/M/F/S-Müller/Schmidtbleicher, B+K-Recht, Rn. 15.661 – 666.

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C. Kapitalmarktzivilrecht

bb) Aktienanleihen 396 Der Emittent einer Aktienanleihe (Reverse Convertible Bond) hat die Option, den Nennbetrag am Laufzeitende bar zurückzuzahlen oder stattdessen eine vorher festgelegte Anzahl einer bestimmten Aktie zu liefern. Er wird das eine oder das andere in Abhängigkeit von der Entwicklung des Kurses der Aktie tun. Diese Option erkauft sich der Emittent mit einem relativ hohen Zins, der jedenfalls über dem Satz liegt, den er für eine normale Anleihe zahlen müsste. cc) Wandel-, Umtausch- und Optionsanleihen 397 Wandelanleihen (Convertible Bonds) geben dem Anleihegläubiger die Option, die Anleihe während der Wandlungsfrist in einem zuvor festgelegten Verhältnis in Aktien des Emittenten der Anleihe umzuwandeln (ggf. unter Zahlung zusätzlicher Beträge). Bei Umtauschanleihen (Exchangeable Bonds) sind Gegenstand der Option nicht Aktien des Emittenten, sondern einer anderen Gesellschaft (die der Emittent im Bestand hat oder sich am Markt besorgt). Der Gläubiger wird die Option in Abhängigkeit von der Entwicklung des Kurses der jeweiligen Aktie ausüben oder nicht ausüben. Er erkauft sich diese Option mit einem relativ niedrigen Zins, der jedenfalls unter dem Satz liegt, den der Emittent für eine normale Anleihe zahlen müsste. Bei der Optionsanleihe lässt sich das Recht auf den Bezug von Aktien von der Anleihe abtrennen, wodurch diese dann zu einer normalen Anleihe wird. Daher kann die Anleihe inkl. Optionsschein (Anleihe cum) oder ohne Optionsschein (Anleihe ex) und der Optionsschein alleine (Warrant) zu jeweils verschiedenen Kursen gehandelt werden.1663) dd) Hybridanleihen 398 Hybridanleihen sind nachrangige Anleihen mit sehr langer oder unbefristeter Laufzeit.1664) Der Emittent behält sich i. d. R. ein vorzeitiges Kündigungsrecht nach einer bestimmten Anzahl von Jahren vor. Der Zinssatz ist häufig in den ersten Jahren fest und wird später variabel. Die Zinszahlung kann von der Erreichung bestimmter Unternehmenskennziffern oder einer Dividendenzahlung abhängig gemacht werden, so dass Zinszahlungen auch ausfallen können.1665) 3. Wertpapierrechtliche Vertragsbeziehungen und ihre Dokumentation 399 Die primäre wertpapierrechtliche Vertragsbeziehung ist diejenige zwischen Emittent und Wertpapiergläubiger. Sie ist bei der Aktie vornehmlich im Gesellschaftsvertrag (Satzung) geregelt und bei der Anleihe in den Anleihebedin___________ 1663) Ausführlich: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Schlitt, § 11; H/S-Schuldverschreibungsrecht-2.Teil (§ 221 AktG)-Fest. 1664) H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Schlitt/Kammerlohr, § 12. 1665) Haisch/Helios-Finanzinstrumente-Haisch, § 1 Rn. 109; H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Gleske, § 18.

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II. Wertpapiere

gungen (sowie bei hybriden Instrumenten in den jeweiligen Produktbedingungen). Da die Eigenemission (Selbstemission) durch den Emittenten aber die Ausnahme und der Einsatz von Dienstleistern durch den Emittenten (Fremdemission) der Normalfall ist,1666) entstehen üblicherweise weitere Rechtsbeziehungen im Zusammenhang mit Wertpapieren und zwar zwischen dem Emittenten und diesen Dienstleistern, zwischen den Dienstleistern und den Wertpapiergläubigern sowie ggf. zwischen den Dienstleistern selbst.1667) Diese vielfältigen wertpapierrechtlichen Vertragsbeziehungen können an dieser Stelle nicht erschöpfend dargestellt werden. Beabsichtigt ist vielmehr die Erläuterung der Ausgestaltung ausgewählter Rechtsbeziehungen (vornehmlich aus dem Bereich der Anleihen), die in der Praxis besondere Bedeutung haben.1668) a) Anleihebedingungen Während der Inhalt der in der Satzung der AG festgelegten Rechte der Aktio- 400 näre weitgehend durch das AktG bestimmt wird,1669) ist der Rechtsverkehr bei der Ausgestaltung der Rechte und Pflichten von Anleiheemittenten und -gläubigern in den Anleihebedingungen flexibler. Allerdings sind auch den Anleihebedingungen – vornehmlich durch den Umstand, dass sie von der h. M. als AGB angesehen werden1670) – durch das BGB in §§ 305 ff. und das SchVG in §§ 2 – 4 gewisse gesetzliche Grenzen gesetzt, die im Folgenden skizziert werden. Der Inhalt der Anleihebedingungen wird naturgemäß durch die Art der Anleihe 401 bestimmt.1671) Viele Bestimmungen tauchen jedoch standardmäßig in (fast) ___________ 1666) E/B-Bankrecht-Grundmann/Denga, § 92 Rn. 6. Für den Emittenten ist die Emission erlaubnisfrei (BaFin-VÖ-Emissionsgeschäft Ziff. 1.a); BaFin-VÖ-Eigenhandel+Eigengeschäft Ziff. 1 c) aa)); vgl. auch oben Rn. 97 und 112). Allerdings bedarf sie u. U. eines gebilligten Prospektes (s. oben Rn. 249 ff.) und zieht Folgepflichten nach sich, z. B. Transparenzpflichten (s. oben Rn. 232 ff.). Für einen dritten Dienstleister ist die Emission ein erlaubnispflichtiges Geschäft (s. oben Rn. 97). 1667) E/B-Bankrecht-Grundmann/Denga, § 92 Rn. 1. 1668) Näher: E/B-Bankrecht-Grundmann/Denga, § 92 und K/M/F/S-Müller/Schmidtbleicher, B+K-Recht, 15. Teil. Emissionsgeschäft. 1669) AktG § 23 (5): „Die Satzung kann von den Vorschriften dieses Gesetzes nur abweichen, wenn es ausdrücklich zugelassen ist. Ergänzende Bestimmungen der Satzung sind zulässig, es sei denn, daß dieses Gesetz eine abschließende Regelung enthält.“ 1670) Grundsatzentscheidung des BGH in der Rechtsache Klöckner vom 5.10.1992 (NJW 1993, 57); BGH NJW 2005, 2917; BGH NJW-RR 2009, 1641, 1642; Claussen-B+BRecht-Ekkenga, § 7 Rn. 31; U/B/H-AGB-Ulmer/Habersack, § 305 BGB Rn. 70; Fest, Anleihebedingungen S. 29 f.; a. A. Assmann, WM 2005, 1053, 1057 f. Daran hat sich auch durch das SchVG im Jahr 2009 nichts geändert (Horn, BKR 2009, 446, 452 ff.); jedoch modifizieren die Vorschriften des SchVG teilweise die Inhalts- und Transparenzkontrolle nach den §§ 305 ff. Allerdings hat sich der BGH (BKR 2005, 323 ff.) der h. L. angeschlossen und festgestellt, dass Anleihebedingungen nicht in den Anwendungsbereich des BGB § 305 (2) fallen und somit die Aushändigung der Anleihebedingungen nicht in jedem Fall erforderlich ist. Vielmehr genügt für die Einbeziehung der Anleihebedingungen in den Vertrag zwischen den Parteien eine zumindest konkludente Einbeziehungsvereinbarung. Ausführliche Darstellung der Diskussion bei: H/S-Schuldverschreibungsrecht-1.Teil (SchVG)-Artzinger-Bolten/Wöckner, § 3 Rn. 30 – 108. 1671) S. dazu oben Rn. 384.

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C. Kapitalmarktzivilrecht

allen Anleihebedingungen auf, z. B. Regelungen zu Laufzeit, Zinsen, Kündigungsrechten, Besteuerung oder Rechtswahl.1672) Komplex sind häufig die Regelungen zur Festlegung des Erlöses der Anleihegläubiger bei derivativen Wertpapieren, der von der wirtschaftlichen Entwicklung (Performance) eines Basiswerts abhängt, zu dem die Schuldverschreibung in ein näher bestimmtes Verhältnis gesetzt wird. Insbesondere bei solchen derivativen Wertpapieren stellen sich in der Rechtspraxis immer wieder Fragen hinsichtlich Transparenz und Fairness der Regelungen und ihre Beurteilung nach AGB-rechtlichen Grundsätzen. Ausgangspunkt solcher Prüfungen ist SchVG § 3 als spezialgesetzliche Regelung für Anleihebedingungen.1673) Danach muss die vom Schuldner versprochene Leistung durch einen Anleger, der hinsichtlich der jeweiligen Art von Schuldverschreibungen sachkundig1674) ist, durch Lektüre der Anleihebe___________ 1672) Näher: K/M/F/S-Müller/Schmidtbleicher, B+K-Recht, Rn. 15.249 – 270. Siehe ausführlich zur AGBrechtlichen Beurteilung von (häufig vorkommenen) Klauseln in Anleihebedingungen, die eine Ersetzung des Emittenten ohne Zustimmung der Anleihegläubiger erlauben: Fest, Anleihebedingungen S. 289 f. 1673) SchVG-Gesetzesbegründung, S. 13. Gem. § 1 findet das SchVG auf nach deutschem Recht begebene Schuldverschreibungen Anwendung (Ausnahme Pfandbriefe). Der Anwendungsbereich ist also nicht auf deutsche Emittenten beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf Emissionen ausländischer Emittenten, die deutschem Recht unterliegen (H/S-Schuldverschreibungsrecht-1.Teil (SchVG)-Artzinger-Bolten/Wöckner, § 1 Rn. 54). 1674) Zur Sachkunde des Anlegers zählen nach Vorstellung des Gesetzgebers (SchVG-Gesetzesbegründung, S. 16) allgemein erwartbare Vorkenntnisse des jeweiligen Adressatenkreises der Anleihe, so dass auch sehr komplizierte Bedingungen rechtlich zulässig sein können, soweit sie erkennbar an einen Anlegerkreis gerichtet sind, der über entsprechende Kenntnisse verfügt, weil er sich z. B. auf bestimmte Investitionen in risikoreiche Schuldtitel spezialisiert hat. Damit solle dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sehr komplexe Zusammenhänge auch oder gerade bei sehr präziser Beschreibung nicht ausreichend vorgebildeten Anlegern häufig unverständlich bleiben. Einschränkend heißt es, dass diese relative Unverständlichkeit komplexer Anleihebedingungen aber kein Wesensmerkmal moderner Anleiheprodukte sein dürfe; für den jeweiligen Adressaten eines bestimmten Produkts müssten die Bedingungen nach deren durchschnittlichem Verständnishorizont durchschaubar sein. Schon nach der älteren Rechtsprechung zu den Regelungen des BGB § 307 (1) (oder der noch älteren zum bis 2001 geltenden AGBGesetz § 9), die der BGH vor Inkrafttreten des SchVG auch auf Anleihebedingungen anwendete, waren komplexe Anleihebedingungen nicht per se intransparent. Zwar waren die Bedingungen möglichst so zu gestalten, dass dem Durchschnittskunden die benachteiligende Wirkung einer Regelung nicht erst nach intensiver Beschäftigung oder aufgrund ergänzender Auskünfte deutlich wird (BGH NJW 1990, 2383, 2384; LG Frankfurt/M. WM 2008, 1061, 1064). Das bedeutete aber auch, dass bei Vorliegen eines komplexen Produkts eine Beschreibung nur insoweit klar und verständlich zu erfolgen hat, als es die Komplexität der zu regelnden Materie zulässt. Und das kann bedeuten, dass auch die Bedingungen hochkomplexer strukturierter Anleihen nicht intransparent sind (vgl. z. B. OLG Frankfurt/M. BKR 2002, 403, 407). Damit wendete die Rechtsprechung den vom BGH entwickelten Prüfungsmaßstab der Verständnismöglichkeit eines typischerweise bei entsprechenden Verträgen zu erwartenden Durchschnittskunden (BGH BB 1993, 451, 452, Klöckner) auch auf Transparenzerwägungen für Anleihebedingungen an. Mit der Formulierung in SchVG § 3, wonach Prüfungsmaßstab ein „Anleger ist, der hinsichtlich der jeweiligen Art von Schuldverschreibungen sachkundig ist“, macht der Gesetzgeber deutlich, dass er diese Rechtsprechung zumindest anerkennt, wenn nicht sogar die Anforderungen an die Unwirksamkeit wegen Transparenzverstoßes erhöht, da besondere Sachkunde des Adressatenkreises – etwa bei institutionellen Spezial-Investoren – zu berücksichtigen ist.

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dingungen ermittelt werden können (Transparenzgebot).1675) Soweit das SchVG keine spezialgesetzlichen Regelungen für Anleihebedingungen trifft, finden die allgemeinen AGB-rechtlichen Bestimmungen des BGB Anwendung. Dies gilt z. B. für BGB § 305c (1), wonach AGB unwirksam sind, wenn die Bestimmungen nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit solchen Bestimmungen nicht zu rechnen braucht (überraschende Klauseln).1676) Einschlägig kann auch die in BGB § 307 (1) S. 1 normierte Generalklausel des AGB-Rechts sein, wonach AGB unwirksam sind, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Diesbezügliche Fragen stellen sich z. B., wenn, wie durchaus üblich, dem Anleiheemittenten in gewissen Situationen (etwa im Falle des Wegfalls eines Basiswerts) ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt wird.1677) b) Agency-Dienstleistungen Anleiheemittenten schließen regelmäßig ein sog. Agency Agreement mit einem 402 (regulierten) Dienstleister ab. In seiner Eigenschaft als Paying Agent ist der Dienstleister zuständig für die Durchführung sämtlicher fälliger Zahlungen im Zusammenhang mit der Anleihe (Kapital und Zinsen), die auf seine Anweisung ___________ 1675) Als mögliche Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot nennt der Gesetzgeber – in Abhängigkeit von der Schwere des Verstoßes – eine Auslegung der Anleihebedingungen, einen auf BGB § 311 (2) i. V. m. § 241 (2) gestützten Schadenersatzanspruch des Anleihegläubigers sowie die Nichtigkeit der entsprechenden Bestimmung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gem. BGB § 134 (SchVG-Gesetzesbegründung S. 17). 1676) Eine objektive Ungewöhnlichkeit bestimmt sich zum einen nach den Gesamtumständen (BAG NJW 2000, 3299, 3301) und zum anderen aus dem Vergleich zu sonst üblichen Ausgestaltungen der Vertragsbedingungen (BGHZ 101, 33). Entscheidend ist hierbei, welche Vorstellungen und Erwartungen der Anleger von den Anleihebedingungen nach den Umständen hatte und haben durfte bzw. ob der Regelung ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt innewohnt (BGH NJW 1990, 576, 577). Da gerade derivative Kapitalmarktprodukte einem ständigen Innovationsprozess unterliegen, wird ein Verstoß gegen das Überraschungsverbot nur in sehr ungewöhlichen Fällen vorkommen. Dies gilt umso mehr, als eine deutliche, nicht an versteckter Stelle aufgenommene Regelung grds. den Vorwurf der Überraschung auszuräumen vermag (BGH NJW 1981, 117, 118) und Anleihebedingungen i. d. R. keinen Platz zum Verstecken von Bestimmungen geben. 1677) Nach der Rechtsprechung des BGH sind einseitige Leistungsbestimmungsrechte in AGB nur in engen Grenzen zulässig. Zum einen kann sich der AGB-Verwender ein solches Recht nur vorbehalten, insoweit dies bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig ist (BGH NJW 2000, 651, 652). Anders ausgedrückt: Die Aufnahme einseitiger Leistungsbestimmungsrechte in AGB erfordert ein berechtigtes Interesse des Verwenders bzw. schwerwiegende Gründe (BGHZ 89, 206, 211). Zum anderen müssen der Anlass, aus dem das Leistungsbestimmungsrecht entsteht, sowie die Richtlinien und Grenzen der Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts möglichst konkret angegeben werden (BGH NJW 2000, 651, 652). Das OLG Frankfurt sieht einseitige Leistungsbestimmungsrechte in Anleihebedingungen vor dem Hintergrund der zu sichernden Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts durch das Interesse an kurzfristigen verbindlichen Entscheidungsmöglichkeiten im Hinblick auf mögliche schnelle Wertschwankungen grds. als gerechtfertigt an (OLG Frankfurt/M., Urt. v. 1.11.2006 – 23 U 141/05, Rn. 48).

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hin bei Effekten typischerweise über das Clearingsystem ausgeführt werden. Die Tätigkeit kann ggf. den Einbehalt von Quellensteuern umfassen. Als Issuing (Fiscal) Agent ist er zudem für sämtliche technischen Aspekte der Emission verantwortlich, sorgt also für die Ausstellung der (Global-)Urkunde1678) und ihre Einlieferung beim Clearingsystem, ggf. für den Austausch von Temporary Global Notes durch Permanent Global Notes sowie die Durchführung der Ausgabe der Schuldverschreibungen (nach der Methode Delivery-versus-Payment) gegen Zahlung des Zeichnungspreises.1679) Typischerweise obliegt es dem Issuing Agent auch, erforderliche Mitteilungen an die Wertpapiergläubiger oder Behörden zu machen und notwendige Dokumente für Zwecke der Einsichtnahme bereitzuhalten sowie vorzeitige Kündigungen (von Seiten des Emittenten oder der Wertpapiergläubiger) abzuwickeln.1680) Neben vielen technischen Details enthält das Agency Agreement Schlüsselbestimmungen zu Verantwortlichkeit und Haftung des Dienstleisters. Üblich sind in diesem Zusammenhang folgende Regelungen: Der (im Interesse und auf Weisung des Emittenten handelnde) Agent darf auf die Richtigkeit der ihm gegenüber durch den Emittenten (bzw. dessen namentlich identifizierte Mitarbeiter) gemachten Angaben und Anweisungen vertrauen. Er darf nach seinem Ermessen Berater engagieren und auch auf deren Rat vertrauen. Aktiv zu werden braucht er nur, wenn seine Kosten und Folgekosten gedeckt sind. Der Emittent ist verpflichtet, den Agent von allen Forderungen (eigenen und denjenigen Dritter) freizustellen, denen der Agent im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit ausgesetzt ist, es sei denn, diese Ansprüche resultieren aus fahrlässiger oder vorsätzlicher Pflichtverletzung des Agent. Eine Kündigung des Vertrags ist für beide Seiten mit einer angemessenen Frist (häufig 45 Tage) möglich, wird aber nur wirksam, wenn ein Nachfolger des Agent gefunden ist. 403 Falls die Emission der Anleihe durch ein Special Purpose Vehicle (SPV) erfolgt, ist neben dem Agency Agreement ein Vertrag mit einem Corporate Services Provider (CSP) erforderlich.1681) Möglich ist zudem der Einsatz von Dienstleistern, die zumindest auch im Interesse der Wertpapiergläubiger tätig werden, etwa als Sicherheitentreuhänder oder Escrow Agent.1682) ___________ 1678) S. zur Globalurkunde unten Rn. 411. 1679) Dies erfolgt bei Effekten als Anweisung an das Clearingsystem, die entsprechenden Schuldverschreibungen auf dem Issuing Agent's distribution account zu buchen und dort zu belassen bis der Relevant Dealer – on a delivery-versus-payment basis – den Zeichnungspreis eingebucht hat (näher unten Rn. 411 ff.). 1680) Zu weiteren Rollen des Agent s. oben Rn. 178. 1681) S. zur Rolle des CSP näher oben Rn. 179. 1682) S. zu deren Rollen näher oben Rn. 181. Während der Issuing and Paying Agent (ausschließlich) im Interesse des Emittenten handelt (und deswegen auch nur diesem gegenüber verpflichtet ist), stellt sich beim Escrow Agent (und noch dringender beim Sicherheitentreuhänder) die Frage, ob die zugrundeliegende Rechtsbeziehung als Vertrag zugunsten Dritter gem. BGB § 328 oder zumindest als Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte einzuordnen ist. Im ersteren Fall hätten die Anleihegläubiger einen eigenen Leistungsanspruch gegen den Dienstleister, im letzteren zumindest einen Schadenersatzanspruch im Falle der Schlechterfüllung (vgl. zur dogmatischen Konstruktion des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte: BGH, v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, NJW 2010, 3152). S. auch unten Rn. 410.

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c) Emissions- und Platzierungs-Dienstleistungen Emission ist die Ausgabe und (erstmalige) Platzierung von Effekten;1683) Emis- 404 sionsgeschäft ist die den Absatz der Wertpapiere fördernde Beteiligung daran, die als Dienstleistung für einen anderen (den Emittenten) erfolgt.1684) Das Emissionsgeschäft wird von einer Bank als Dealer durchgeführt, bei größeren Emissionen von einem aus mehreren Dealern bestehenden Konsortium, das dann von einem Arranger (und/oder Lead Manager) angeführt wird. Die Beteiligung von Dealern an einer Emission (Fremdemission) ist der Normalfall, die Eigenemission die Ausnahme.1685) Das Emissionsgeschäft (i. w. S.) zählt zu den Tätigkeiten, für die gem. CRD 405 Anhang I die gegenseitige Anerkennung in der EU gilt. MiFID unterscheidet begrifflich zwischen zwei Arten von Emissionsgeschäften, nämlich der Übernahme der Emission von Finanzinstrumenten (und/oder Platzierung von Finanzinstrumenten mit fester Übernahmeverpflichtung) und der Platzierung von Finanzinstrumenten ohne feste Übernahmeverpflichtung.1686) Im deutschen Recht ist das Übernahmegeschäft1687) als Bankgeschäft1688) und Wertpapierdienstleistung1689) ausgestaltet und das Platzierungsgeschäft1690) als Finanz-1691) und Wertpapierdienstleistung.1692) Das (Übernahme- und Platzierungsgeschäft umfassende) Emissionsgeschäft (i. w. S.) ist damit ein umfassend reguliertes Finanzgeschäft.1693) Zivilrechtlich besteht das Übernahmegeschäft aus zwei hintereinandergeschal- 406 teten Kaufverträgen. Der erste Kaufvertrag wird zwischen Emittent und Dealer geschlossen und wird kombiniert mit Geschäftsbesorgungselementen, etwa der Platzierungsverpflichtung des Dealers.1694) Der zweite Kaufvertrag wird zwischen Dealer und Anleger geschlossen (Zeichnungsvertrag).1695) Das Platzierungsgeschäft besteht aus einer best efforts-Verpflichtung des Dealers und einem ___________ 1683) K/M/F/S-Müller/Schmidtbleicher, B+K-Recht, Rn. 15.1. 1684) E/B-Bankrecht-Grundmann/Denga, § 92 Rn. 1; K/M/F/S-Müller/Schmidtbleicher, B+KRecht, Rn. 15.81. 1685) Die Eigenemission ist nicht Emissionsgeschäft und deshalb grds. erlaubnisfrei (s. oben Rn. 97 und 112). 1686) MiFID Anhang I.A Nr. 6 und 7. 1687) Auch Emissionsgeschäft i. e. S. genannt oder firm commitment (hard) underwriting. 1688) KWG § 1 (1) S. 2 Nr. 10. 1689) WpHG § 2 (8) Nr. 5. 1690) Platzierung ohne feste Übernahmeverpflichtung oder best efforts (soft) underwriting. 1691) KWG § 1 (1a) S. 2 Nr. 1c. 1692) WpIG § 2 (2) Nr. 8 und WpHG § 2 (8) Nr. 6. 1693) Die Übernahme (firm commitment (hard) underwriting) ist die in der Praxis für Aktien und Anleihen überwiegende Form des Emissionsgeschäfts (E/B-Bankrecht-Grundmann/ Denga, § 92 Rn. 127). 1694) K/M/F/S-Müller/Schmidtbleicher, B+K-Recht, Rn. 15.111. 1695) Zum Zeichnungsvertrag s. unten Rn. 406 sowie H/M/S-UnternehmensfinanzierungKaulamo, § 16.27.

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(in offener Stellvertretung durchgeführten) Zeichnungsvertrag zwischen Emittenten und Anleger. Eine dritte Variante im deutschen Recht ist das Kommissionsgeschäft, bei dem der Dealer als Kommittent im eigenen Namen aber für Rechnung des Emittenten (und damit in verdeckter Stellvertretung) handelt.1696) Die Rechtsbeziehung zwischen dem Emittenten und den Dealern wird durch den Übernahmevertrag1697) geregelt. Der Vertragsschluss erfolgt regelmäßig zwischen der Emittentin und dem Arranger (Konsortialführer), der für sich selbst und als Stellvertreter für die Dealer (Konsorten) handelt.1698) Dem Übernahmevertrag voran geht üblicherweise die Aushandlung der Emissionsbedingungen und die diesbezügliche Beratung durch den Arranger. Hauptgegenstand des Vertrags ist die Verpflichtung des Emittenten, die Effekten gegen Zahlung des Emissionserlöses (Delivery-versus-Payment) an die Dealer (zur Weitergabe an die Anleger) zu liefern und diejenige der Dealer, die Effekten abzunehmen und/oder im Markt zu platzieren.1699) Häufig geregelt ist die Festlegung der Methode der Preisfestsetzung für die auszugebenden Wertpapiere. Gängig sind folgende Verfahren: x

Bookbuildingverfahren – vor der Platzierung gibt der Emittent/Lead Manager eine Preisspanne (bei Anleihen i. d. R. als prozentualer Aufschlag auf einen festgelegten Referenzsatz – spread) vor und fordert potentielle Interessenten auf, innerhalb dieser Spanne Kaufangebote abzugeben; der Lead Manager erfasst die Kaufangebote im Orderbuch und legt auf ihrer Basis den Ausgabepreis fest, zu dem die Zuteilung an die Interessenten erfolgt.1700)

___________ 1696) K/M/F/S-Müller/Schmidtbleicher, B+K-Recht, Rn. 15.6. 1697) Auch genannt Underwriting oder Subscription Agreement (vgl. Bosch/Groß-Emissionsgeschäft, Rn. 10/28). Näher zum Übernahmevertrag bei Aktienemissionen: H/M/SUnternehmensfinanzierung-Haag, § 29, bei Wandelschuldverschreibungen/Umtauschanleihen: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Schlitt/Gey § 30 und bei Anleihen: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Diekmann, § 31. 1698) E/B-Bankrecht-Grundmann/Denga, § 92 Rn. 124. Aufsichtsrechtlich ist der Vertrag als Finanzkommissionsgeschäft und damit Bankgeschäft gem. KWG § 1 (1) S. 2 Nr. 4 und Wertpapierdienstleistung gem. WpIG § 2 (2) Nr. 1 und WpHG § 2 (8) Nr. 1 zu qualifizieren. 1699) E/B-Bankrecht-Grundmann/Denga, § 92 Rn. 76. Die Abnahme- und/oder Platzierungspflichten der Dealer unterliegen üblicherweise der Erfüllung weiterer Bedingungen durch den Emittenten, namentlich die Veranlassung der Lieferung von Rechtsgutachten (Legal Opinions) zu Fragen der Wirksamkeit der Emissionsdokumentation und Wirtschaftsprüferbestätigungen (Comfort Letters) zur aktuellen finanziellen Situation des Emittenten (näher: K/M/F/S-Müller/Schmidtbleicher, B+K-Recht, Rn. 15.191). S. zur Frage, wie diese Instrumente zur Haftungsprävention eingesetzt werden, unten Rn. 487 ff. 1700) Zivilrechtlich ist die Aufforderung zur Angebotsabgabe als invitatio ad offerendum zu werten und die Angebotsabgabe durch den Anleger als Angebot gem. BGB § 145, das von den Dealern durch Entgegennahme der zugeteilten Wertpapiere angenommen (und bis zur Annahme von den Investoren zurückgenommen) werden kann (näher: K/M/F/SMüller/Schmidtbleicher, B+K-Recht Rn. 15.87). Vergleichbar ist das gelegentlich bei Staatsanleihen angewendete Auktionsverfahren.

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x

Festpreisverfahren – der Emittent/Lead Manager bestimmt den Ausgabepreis auf Basis einer (vergleichenden) Emittentenbewertung und der allgemeinen Marktlage, der dann ggf. auch bilateral verhandelt werden kann.1701)

Weitere typischerweise im Übernahmevertrag enthaltenen Regelungen be- 407 treffen gegenseitige Zusicherungen angelsächsischen Stils (Representations and Warranties; Undertakings),1702) die Übernahme einer (uneingeschränkten) Schaden- und Kostenfreistellungsverpflichtung (Indemnity) des Emittenten zugunsten der Dealer und die Kündigung alter bzw. Aufnahme neuer Dealer.1703) ___________ 1701) Bei einer Kapitalerhöhung durch Ausgabe neuer Aktien darf der Festpreis nicht unter dem Nennwert liegen. 1702) Besondere Bedeutung kommt der von den Dealern stets verlangten Zusicherung zu, die US-amerikanischen Verkaufsbeschränkungen einzuhalten (näher: G/S-Kapitalmarktrecht-Devlin, § 18). Wertpapiere dürfen in den USA bzw. an US Personen (beide Begriffe sind gesetzlich genau definiert) nur dann angeboten und verkauft werden, wenn (i) die Wertpapiere unter dem US Securities Act von 1933 registriert sind oder (ii) ein gesetzlicher Ausnahmetatbestand (z. B. US Securities Act 1933 RegS oder Rule 144A – dazu sogleich) vorliegt. Die USA erwarten, dass diese Regeln auf der ganzen Welt beachtet werden und drohen auch ausländischen Emittenten und Dealern, die das nicht tun, Strafen an. Da ein Verstoß Sanktionen für alle Beteiligten nach sich ziehen kann, verpflichten sich der Emittent und jeder Dealer deutscher Wertpapiere i. d. R., diese Wertpapiere in den USA bzw. an US Personen grds. nicht und wenn dann nur im Rahmen eines gesetzlichen Ausnahmetatbestands anzubieten (die Übernahme der Verpflichtung erfolgt im Underwriting bzw. Dealer Agreement und wird im Prospekt im Kapitel Verkaufsbeschränkungen/Selling Restrictions aufgeführt). Der US Securities Act stellt ausländischen Emittenten und Dealern mit der Regulation S (RegS) einen sog. Safe Haven zur Verfügung (der die Vermeidung einer Bestrafung durch die USA erleichtert): Wenn die Anforderungen der RegS eingehalten werden, kann von einer Registrierung der Wertpapiere nach dem US Securities Act abgesehen und die Wertpapiere ansonsten auch frei angeboten werden. Allerdings schließt RegS in Rule 903 jede Art von gezielten Vertriebshandlungen (Directed Selling Efforts) in den USA oder an US Personen aus (wenn Angebote in den USA beabsichtigt sind, existiert mit Rule 144A ein alternativer Safe Haven, der Private Placements der Wertpapiere zu einem Mindestverkaufspreis von US$ 500.000 an Qualified Institutional Buyers (QIBs) zulässt; QIBs sind institutionelle Investoren mit einem Vermögen von über US$ 100 Mio.). Außerdem darf kein – in RegS Rule 902 näher definierter – Substantial US Market Interest (SUSMI) an den ausländischen Wertpapieren bestehen. Ob SUSMI gegeben ist, wird nach quantitativen Kriterien beurteilt, also z. B. nach dem Umfang der Handelsaktivitäten in den USA (bei Aktien) oder der Anzahl der Wertpapiergläubiger (bei Anleihen). Wenn SUSMI gegeben ist, müssen (für Inhaberschuldverschreibungen mit einer Laufzeit von über einem Jahr) die – der Durchsetzung der US-amerikanischen Besteuerung dienenden – Tax Equity and Fiscal Responsibility Regeln (United States Treasury Regulation Section 1.163-5 (c) (2) (i) (C) (TEFRA C) oder Section 1.163-5 (c) (2) (i) (D) (the TEFRA D)) eingehalten werden. TEFRA C Wertpapiere dürfen gar nicht in die USA geliefert werden. Gem. den TEFRA D Regeln darf ein im Ausland emittiertes Wertpapier in den ersten 40 Tagen von keiner US Person gekauft werden. Die Verantwortung der Einhaltung dieser Regeln trifft die Depotbank, die dem dadurch Sorge trägt, dass sie eine 40-tägige Sperre verhängt. Während dieser Sperrzeit wird für TEFRA D-Wertpapiere nur eine vorläufige Globalurkunde ausgegeben, die erst anschließend in eine dauerhafte Globalurkunde umgewandelt wird. S. zu den USamerikanischen Ausnahmeregeln von der Registrierungspflicht: Scott/Gelpern, International Finance, Rn. 2-018 – 2-042. 1703) Ausführlich: K/M/F/S-Müller/Schmidtbleicher, B+K-Recht, Rn. 15.175 – 197.

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Ebenfalls enthalten sein können Regelungen betreffend das Konsortialverhältnis zwischen Dealer und Arranger und dasjenige der Dealer untereinander.1704) 408 Das Angebot der Wertpapiere kann öffentlich erfolgen (dann: Initial Public Offering – IPO)1705) oder als Privatplatzierung (Private Placement). Es kann mit der Aufnahme der Börsennotierung verbunden sein, was aber nicht zwingend ist.1706) Beim öffentlichen Angebot ist eine Zeichnungsfrist üblich, während derer die Anleger Kaufangebote abgeben können, die dann nach Fristende durch Zuteilung vom Dealer angenommen werden können (aber nicht müssen).1707) Eine Alternative ist der freihändige Verkauf, bei dem jeder Dealer eine bestimmte Anzahl von Wertpapieren erhält, über die er frei verfügen kann.1708) d) Emissionsprogramme 409 Anleihen können einzeln (Stand Alone) oder unter einem Emissionsprogramm begeben werden.1709) Das Anleihe-Emissionsprogramm (Debt Issuance Programme – DIP) hat seinen Ursprung im Bedürfnis der Emittenten, spontan und kurzfristig Anleihen vergleichbarer Art emittierten zu können.1710) Das Konzept des DIP findet seine aufsichtsrechtliche Spiegelung im Basispros___________ 1704) Ausführlich: K/M/F/S-Müller/Schmidtbleicher, B+K-Recht, Rn. 15.211 – 224. Das Konsortialverhältnis kann aber auch in einem separaten Konsortialvertrag zwischen den Dealern (Agreement amongst Managers) geregelt sein (näher: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Schücking, § 32). Zur Rechtsnatur des Konsortialverhältnisses als Gesellschaft bürgerlichen Rechts s.: Bosch/Groß-Emissionsgeschäft, Rn. 10/32 – 10/34. 1705) Zum Ablauf eines IPO s.: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Stücker, § 1.20-64. Ein IPO kann mit einer Börsennotierung verbunden sein, muss es aber nicht (näher: Veil-Kapitalmarktrecht-Veil, § 7 Rn. 37 – 44). 1706) Ein Sonderfall des mit einer Börsennotierung verbundenen IPO ist der SPAC-IPO. Ein SPAC (Special Purpose Acquisition Company) ist ein Investmentvehikel ohne eigenes operatives Geschäft, das im Rahmen des IPO Kapital einsammelt, um es innerhalb eines bestimmten Zeitraums (18 – 24 Monate) für den Erwerb einer operativen Zielgesellschaft (de-SPACing) einzusetzen. Kommt es zu keinem Erwerb, wird das Kapital an die Anleger ausgekehrt und das SPAC abgewickelt. Beim SPAC-IPO erwerben die Anleger Units, die aus einer Aktie und einer Option bestehen, die zum Erwerb weiterer Aktien zu einem festgelegten Preis berechtigt (näher: Selzner, ZHR 174 (2010), 318). 1707) K/M/F/S-Müller/Schmidtbleicher, B+K-Recht, Rn. 15.101. Bei Überzeichnung kann vom Lead Manager entschieden werden, wer wie viel bekommt, oder die Zuteilung kann per Auslosung oder einem anderen Zuteilungsschlüssel erfolgen. In engem gesetzlichen Rahmen sind zudem Kursstabilisierungsmaßnahmen durch die Dealer zulässig, zu denen sie u. U. auch vertraglich verpflichtet sind; zu beachten sind allerdings die Grenzen zu verbotenen Insider- und Marktmanipulationshandlungen, die fließend sein können (näher: E/B-Bankrecht-Grundmann/Denga, § 92 Rn. 87). Zu diesen Stabilisierungsmaßnahmen zählt der sog. Greenshoe, d. h. eine Option des Dealers vom Emittenten (oder dessen Aktionären) weitere Wertpapiere zwecks Platzierung am Markt zu erhalten (näher zum Greenshoe: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Feuring/Berrar, § 39.60 – 76). 1708) K/M/F/S-Müller/Schmidtbleicher, B+K-Recht, Rn. 15.103. 1709) K/M/F/S-Müller/Schmidtbleicher, B+K-Recht, Rn. 15.160. 1710) Äquivalent im Aktienrecht ist das genehmigte Kapital.

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pekt.1711) Das DIP funktioniert so, dass die allgemeinen Anleihebedingungen einmal in der Programmdokumentation festgelegt werden, bei jeder einzelnen Anleiheemission auf diese Basis-Anleihebedingungen dann Bezug genommen wird und dabei nur einzelne (vornehmlich ökonomische) Parameter in dem Emissionsdokument1712) bestimmt (oder gegenüber der Basis verändert) werden.1713) Für DIP typisch ist der Abschluss von Rahmenverträgen mit Dienstleistern bzgl. der technischen Durchführung der Anleihenausgabe und-abrechnung (Agency Agreement) und bzgl. des Vertriebs (Dealer Agreement).1714) e) Anleihegläubiger-Interessenvertretung Anleihegläubiger haben Interessen, deren Wahrnehmung in bestimmten Situa- 410 tionen einen Meinungsbildungsprozess und/oder aktives Handeln erfordern. Die (potentiell) große Zahl der Anleihegläubiger führt zu logistischen und rechtlichen Herausforderungen bei der Organisation des Meinungsbildungsprozesses und der Ausführung der Rechtsdurchsetzungsmaßnahmen. Im Falle von schwerwiegenden Problemen, z. B. Zahlungsschwierigkeiten des Emittenten einer deutschem Recht unterliegenden Anleihe, bedarf es deshalb regel-

___________ 1711) S. oben Rn. 266 f. 1712) Früher (anschaulich) Pricing Supplement (oder: Konditionenblatt) genannt, heute (nach der Terminologie der ProspR): Final Terms/Endgültige Bedingungen. 1713) Für die Erstellung dieses Emissionsdokuments werden in Deutschland zwei unterschiedliche Methoden angewendet, für die es keine marktgängigen Begriffe gibt und die wie folgt bezeichnet werden sollen: Verweismethode und Konsolidierungsmethode (s. auch oben Rn. 266 f.). Bei der – im internationalen Rechtsverkehr üblichen – Verweismethode werden im Emissionsdokument nur die für die Einzelemission zwingend erforderlich zu bestimmenden (weil zu Beginn der Erstellung der Programmdokumentation nicht bekannten) Parameter genannt. Im Falle der – in Deutschland früher üblichen und heute vor allem bei für Verbraucher bestimmte Anleihen verwendeten – Konsolidierungsmethode wird dem Emissionsdokument ein kompletter Satz Anleihebedingungen beigefügt, in den sämtliche speziellen für die Einzelemission geltenden Parameter eingefügt sind. Die Konsolidierungsmethode wird im deutschen Markt als eher mit den Anforderungen des AGB-Rechts kompatibel angesehen. 1714) K/M/F/S-Müller/Schmidtbleicher, B+K-Recht, Rn. 15.198 ff. Beide Vertragstypen – sowie viele andere im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen stehende Verträge – sind einem hohen Standardisierungsgrad ausgesetzt, der aus der meist angelsächsisch geprägten Vertragspraxis resultiert. Eine wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Branchenverbände, die Musterdokumente entwickeln, hier insbesondere die ICMA mit dem ICMA-Handbook. Das Programm-Agency Agreement entspricht weitgehend dem oben in Rn. 402 f. dargestellten Stand Alone-Agency Agreement. Das Dealer Agreement geht über das oben in Rn. 406 dargestellte Underwriting Agreement hinaus: Es sieht vor, dass sich Emittent und Dealer bei jeder einzelnen Emission unter dem Programm auf die Übernahme (oder Platzierung) einer bestimmten Anzahl von Anleihen verständigen. Das kann auf Zuruf geschehen oder durch Abschluss eines weiteren Übernahme(Platzierungs)vertrags; letzteres ist jedenfalls bei einer syndizierten Übernahme durch mehrere Dealer üblich, bei der jeder Dealer eine Quote am Gesamtemissionsvolumen erhält (ausführlich: K/M/F/S-Müller/Schmidtbleicher, B+KRecht, Rn. 15.160 – 164).

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C. Kapitalmarktzivilrecht

mäßig eines sog. gemeinsamen Vertreters nach SchVG §§ 5 ff.1715) (oder einer anderen Form der Vertretung der Anleihegläubigerinteressen1716)). Aufgabe des gemeinsamen Vertreters ist die Ausübung von Gestaltungsrechten im Sinne

___________ 1715) Die Anleihebedingungen können vorsehen, dass die Anleihegläubiger durch Mehrheitsbeschluss einen sog. gemeinsamen Vertreter zur Wahrnehmung ihrer Rechte bestimmen können (SchVG § 5 (1)). Der gemeinsame Vertreter kann bereits in den Anleihebedingungen bestimmt oder während der Laufzeit durch die Gläubigerversammlung eingesetzt werden (SchVG § 8 (1)). Bei der Festlegung der Aufgaben und Befugnisse des gemeinsamen Vertreters hat die Gläubigerversammlung weiten Spielraum. In jedem Fall kann der gemeinsame Vertreter vom Emittenten Auskünfte verlangen, die er zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt. Der gemeinsame Vertreter haftet den Anleihegläubigern für eine ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben. Haftungsmaßstab ist die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Die Kosten des gemeinsamen Vertreters trägt der Emittent. Wird ein Vertreter bestellt, ist er grds. ausschließlich zuständig; die Gläubiger können ihre Rechte nur noch eigenständig geltend machen, wenn der Mehrheitsbeschluss dies ausdrücklich vorsieht. Im Verhältnis zu den Gläubigern ist der gemeinsame Vertreter weisungsgebunden und unterliegt einer Berichtspflicht über seine Tätigkeit. 1716) Gelegentlich ist bei deutschen Anleihen auch ein Anleihetreuhänder anzutreffen (vgl. oben Rn. 182). Anders als im englischen Recht, wo beinahe für jede Anleiheemission ein Treuhänder (Note oder Bond Trustee) bestellt wird, tritt ein Treuhänder bei deutschen Anleihen nur in besonderen Umständen auf, vornehmlich als Sicherheitentreuhänder, z. B. bei ABS. Die Aufgaben des Anleihetreuhänders deutscher Prägung beschränken sich dann i. d. R. auch auf die Verwaltung und (bei Eintritt des Sicherungsfalls) Verwertung dieser Sicherheiten. Weiterreichende Pflichten (z. B. zur Überwachung der Einhaltung der vom Emittenten abgegebenen finanziellen Zusicherungen oder gar zu einer allgemeinen Finanzkontrolle des Emittenten) werden nicht nur nicht vereinbart, sondern oft ausdrücklich ausgeschlossen. Der Anleihetreuhandvertrag ist üblicherweise ein Geschäftsbesorgungsvertrag nach BGB §§ 675, 611 zwischen dem Emittenten und dem Anleihetreuhänder (Siebel, S. 649) zugunsten der Anleihegläubiger (Bosch/ Groß-Emissionsgeschäft, Rn. 10/199). Häufig wird eine fremdnützige doppelseitige Treuhand vorliegen, da der Treuhänder die Interessen des Emittenten und der Anleihegläubiger zu beachten hat. Aus Sicht der Anleihegläubiger wird der Vertrag regelmäßig als echter Vertrag zugunsten Dritter gem. BGB § 328 ausgestaltet sein, so dass die Gläubiger mit Erwerb der Wertpapiere einen eigenen Anspruch gegen den Treuhänder erlangen (vgl. Grüneberg-BGB-Grüneberg, vor § 328 Rn. 5. A. A.: Hartwig-Jacob, S. 609, nach dessen Ansicht die Anleger mit Erwerb der Wertpapiere sogar selbst Partei des Vertrags werden). Mindestens wird man den Anleihetreuhandvertrag als einen Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte ansehen müssen (s. auch oben Rn. 403). Allerdings sind die Parteien des Anleihetreuhandvertrags üblicherweise (ausdrücklich) berechtigt, diesen auch ohne ausdrückliche Zustimmung der begünstigten Dritten zu ändern – zumindest, wenn dabei die wohlverstandenen Interessen der Anleihegläubiger beachtet werden (Siebel, S. 653/4, der darauf hinweist, dass die Position der Anleihegläubiger durch eine Klausel im Treuhandvertrag abgesichert werden kann, wonach eine Änderung des Treuhandvertrags ohne Zustimmung aller Anleihegläubiger nur dann möglich ist, wenn die Änderung deren Interessen nicht beeinträchtigt). Vgl. zur Diskussion sowie zu den Sorgfaltspflichten des Anleihetreuhänders und zur Anwendung der Grundsätze der Business Judgement Rule: Litten, ZBB 2013, 32 ff.

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II. Wertpapiere

der Anleihegläubiger und u. U. auch die Änderung der Anleihebedingungen in Absprache mit dem Emittenten.1717) 4. Verwahrung und Eigentumsübertragung Deutschem Recht unterliegende börsenhandelbare Wertpapiere (Effekten)1718) 411 sind i. d. R. in Sammelurkunden (in der Praxis Globalurkunden1719) genannt) verbrieft, die eine Vielzahl von Einzelrechten zusammenfassen.1720) Die Ver-

___________ 1717) Anleihebedingungen können während der Laufzeit der Anleihe rechtsgeschäftlich lediglich durch einen inhaltsgleichen Vertrag mit allen Gläubigern oder durch Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger geändert werden (sog. kollektive Bindung, SchVG § 4). Der Emittent ist verpflichtet, die Gläubiger im Hinblick auf die von der kollektiven Bindung umfassten Vertragsinhalte materiell gleich zu behandeln. Die kollektive Bindung verbietet (ausweislich der SchVG-Gesetzesbegründung S. 27) zweiseitige Vereinbarungen zwischen dem Emittenten und einzelnen Anleihegläubigern, weil ohne Sicherheit über die inhaltliche Austauschbarkeit aller Wertpapiere derselben Emission die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts gefährdet wäre. Zweck von SchVG § 4 ist es, die rechtlich identische Ausgestaltung von Bestimmungen in Anleihebedingungen und damit die freie Handelbarkeit der Schuldverschreibungen zu einem einheitlichen Preis zu gewährleisten. Die Möglichkeit, deutschem Recht unterliegende Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss zu ändern wurde den Anleihegläubigern erst durch das SchVG von 2009 eingeräumt. Damit können nun Restrukturierungsbeiträge der Gläubiger vereinbart werden, z. B. durch Teilverzicht auf die Hauptforderung (SchVG § 5 (3) Nr. 3) oder die Umwandlung der Schuldverschreibung in Gesellschaftsanteile (SchVG § 3 (3) Nr. 5). Änderungen der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss setzen voraus, dass die Bedingungen diese Möglichkeit vorsehen (SchVG § 5 (1)). Die Beschlüsse erfordern grds. eine einfache Mehrheit einer beschlussfähigen Versammlung (50 % des Anleihe-Nominalbetrags vetreten), bei wesentlichen Änderungen eine qualifizierte Mehrheit von mindesten 75 % der Stimmen. Die Anleihebedingungen können aber auch höhere Zustimmungsquoten vorsehen. 1718) Zum Begriff s. oben Rn. 376. 1719) Es gibt zwei Arten von Globalurkunden: Classical Global Notes (CGN) und New Global Notes (NGN). Bei NGN ergibt sich das ausstehende Emissionsvolumen nicht aus der hinterlegten Urkunde (so wie es bei CGN der Fall ist), sondern aus den jeweils abgestimmten Beständen der die grenzüberschreitenden Handelstransaktionen abwickelnden International Central Securities Depositories (ICSD) (s. oben Rn. 215b). Die NGN wurde eingeführt, um Inhaberschuldverschreibungen den Status als notenbankfähige Sicherheit zu bewahren. Die Verwahrung von CGN bei den CSD und die offenbar oftmals ausbleibende physische Eintragung von Änderungen des ausstehenden Gesamtnennbetrages war als Verstoß gegen die Mindestverwahrungsstandards angesehen worden. NGN werden bei den ICSD direkt verwahrt und das ausstehende Emissionsvolumen wird von diesen elektronisch aufgezeichnet. Als NGN sind Globalurkunden (weiterhin) EZB-hinterlegungsfähig (Veranneman-SchVG-Oulds, § 2 Rn. 14). 1720) DepotG § 9a. Grds. erhalten bleibt der Anspruch des Wertpapiergläubigers auf Ausstellung (und Auslieferung) von Einzelurkunden (DepotG §§ 7, 8), es sei denn, der Gesellschaftsvertrag (bei Aktien) oder die Bedingungen (bei Anleihen) schließen dieses Recht aus (vgl. DepotG § 9a (3)), was in der Praxis üblich ist. Nach dem eWPG kann auf jegliche Form von Urkunden verzichtet werden, an deren Stelle Registereintragungen treten. Trotzdem gelten die nachfolgenden Ausführungen dem Grunde auch für elektronische Wertpapiere, denn bei diesen wird sachenrechtlich mit einer Fiktion gearbeitet: Das registrierte elektronische Wertpapier wird immer noch so behandelt, als gäbe es eine Urkunde, und damit eine Sache (vgl. oben Rn. 377 ff.).

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C. Kapitalmarktzivilrecht

wahrung der Effekten – die im Depotgesetz geregelt ist1721) – erfolgt in Form einer zentralisierten Sammelverwahrung,1722) die man sich als Pyramide vorstellen darf und zwar dergestalt, dass jeder Wertpapiergläubiger (am unteren Pyramidenende) ein Depot bei seiner Depotbank unterhält und diese wiederum – ggf. über weitere Zwischenverwahrer – ein Depot bei einer die Globalurkunde (tatsächlich im Tresor1723)) verwahrenden Wertpapiersammelbank an der Pyramidenspitze (auch Zentralverwahrer oder Englisch Central Securities Depository – CSD – genannt).1724) Die CSD ist unmittelbarer Besitzer der Urkunden, und innerhalb der Pyramide besteht ein mehrstufiges Besitzmittlungsverhältnis.1725) Der Wertpapiergläubiger ist bei der Sammelverwahrung nicht Eigentümer eines einzelnen Wertpapiers (und zwar selbst dann nicht wenn Einzelurkunden ausgegeben sind), sondern Miteigentümer nach Bruchteilen an den zum Sammelbestand gehörenden Wertpapieren.1726) Die CSD gibt eine Bestätigung über die Höhe des Bestandes heraus, die dem Wertpapiergläubiger – i. d. R. über Zwischenbestätigungen der Zwischenverwahrer (Depotauszüge)

___________ 1721) Der Begriff der Wertpapier-Verwahrung wird im deutschen Zivilrecht durch das Depotgesetz bestimmt und nicht durch BGB § 688. Deshalb ist Aufbewahrung von Wertpapieren in einem Schließfach (obwohl Verwahrung im BGB-Sinne) keine WertpapierVerwahrung (näher: E/B-Bankrecht-Klanten, § 47 Rn. 1; Schwintowski-BankrechtSchleicher, Kapitel 19 Rn. 11). 1722) Grundfall der Wertpapier-Verwahrung ist derjenige des offenen Depots, bei dem der Hinterleger Wertpapiere unverschlossen zur Aufbewahrung übergibt (DepotG § 1 (2)), die vom Verwahrer in Sammelverwahrung (auch Girosammelverwahrung genannt) genommen werden (DepotG § 5). Sammelverwahrung ist heute auch bei Ausgabe von Einzelurkunden der Regelfall für Effekten (E/B-Bankrecht-Klanten, § 47 Rn. 74). Bis 1994 war Regelfall die Sonderverwahrung gem. DepotG § 2 (auch Streifbandverwahrung genannt), bei der der Hinterleger Alleineigentümer der Urkunde bleibt (E/B-Bankrecht-Klanten, § 47 Rn. 128), der aber in der heutigen Praxis allenfalls geringe Bedeutung zukommt (Scherer-DepotG-Löber, § 3 Rn. 9). 1723) S.: Kundenhandbuch für Kunden der Clearstream Banking AG, Stand 4/2021, S. 14 – https://www.clearstream.com/resource/blob/1317374/0020562be683d05f6f7b80ae34 8e7a10/cbf-customer-handbook-de-data.pdf. 1724) CSDR Art. 2 (1) Nr. 1. Im Englischen wird die gesamte (rechtliche) Konstruktion der Verwahrung Custody genannt (und der Verwahrer entsprechend Custodian) und das tatsächliche physische Verwahren Safekeeping. Das Safekeeping umfasst im Falle des papiernen Wertpapiers die Aufbewahrung der (Global-)Urkunde im Tresor. Die CSD übt sog. Drittverwahrung aus, die im deutschen Recht zulässig ist gem. DepotG § 3 (unzulässig hingegen bei der zivilrechtlichen Verwahrung gem. BGB § 691). Bei der Drittverwahrung werden Verwahrungsverträge geschlossen zwischen dem Hinterleger und seiner Depotbank (Zwischenverwahrer) und letzterer und dem CSD (näher: E/BBankrecht-Klanten, § 47 Rn. 13 sowie Rn. 35 – 38 zur Drittverwahrung im Ausland). 1725) E/B-Bankrecht-Klanten, § 47 Rn. 104; Schwintowski-Bankrecht-Schleicher, Kapitel 19 Rn. 31. 1726) DepotG § 6. Gibt es Einzelurkunden, hat der Wertpapiergläubiger einen schuldrechtlichen Anspruch auf Auslieferung der Urkunden aus dem Sammelbestand gegen seine Depotbank in Höhe des ihm zustehenden Nennbetrags (DepotG §§ 7 (1), 8) und auch direkt gegen den Sammelverwahrer (analog BGB §§ 556 (3), 604 (4)). Ausführlich: Schwintowski-Bankrecht-Schleicher, Kapitel 19 Rn. 35 – 43.

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II. Wertpapiere

– als Legitimitätsnachweis dient.1727) Verwahrung der Effekten in dieser Form und ihre Übertragung (dazu sogleich) wird als Effektengiro bezeichnet.1728) Handelsgeschäfte mit Effekten (Effektengeschäfte1729)) werden typischerweise 412 zwischen WpDU geschlossen und abgerechnet.1730) Dies schließt den erstmaligen Erwerb (Begebung) der Effekten ein, der mittels Zeichnungsvertrags bewirkt wird.1731) Wenn WpDU für ihre Kunden handeln wollen, stehen ihnen dafür im deutschen Zivil- und Handelsrecht folgende Formen zur Verfügung: x

Vermittlung1732)

x

(offene) Stellvertretung1733)

___________ 1727) Die sog. GS-Gutschrift (Girosammel-Depotgutschrift gem. Ziffer XI (4) der AGB der CBF, Stand 1.6.2019). I. d. R. kennt die CSD die Wertpapiergläubiger nicht namentlich, da deren Depotbanken Sammelkonten (sog. Omnibus-Konten) bei der CSD unterhalten (allerdings besteht die Möglichkeit, die Namen herauszufinden, wenn dies zu Zwecken der Verbrechensbekämpfung erforderlich sein sollte). Diesen Sammelbestand vermittelt die Depotbank dann an ihre Kunden weiter und dokumentiert den Bruchteil eines jeden Kunden am Sammelbestand durch entsprechende Depotauszüge. Gem. SBWPG Nr. 13 soll die Depotbank mindestens einmal jährlich einen solchen Depotauszug für den Kunden erstellen. 1728) S. Buba-VÖ-Zentralverwahrer. 1729) E/B-Bankrecht-Seiler/Geier, § 84 Rn. 1. 1730) Zur Durchführung von Effektengeschäften vereinbaren Banken und Wertpapierfirmen üblicherweise mit ihren Kunden die Anwendung der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte (SB-WPG). Ausführlich zu den SB-WPG: B/Z-AGB-Banken-Zahrte, VIII. Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte Rn. 30 – 167. 1731) S. oben Rn. 404 ff. 1732) Aufsichtsrechtlicher Begriff: Anlagevermittlung (s. oben Rn. 112). Der Vermittler ist Handelsmakler gem. HGB § 93. Dem Begriff des Handelsmaklers entspricht der angelsächsische Broker, wohingegen unter Broker-Dealer ein Intermediär zu verstehen ist, der wahlweise Geschäfte vermittelt oder als Eigenhändler selbst eintritt (https://www.investopedia.com/terms/b/broker-dealer.asp). 1733) Aufsichtsrechtlicher Begriff: Abschlussvermittlung (s. oben Rn. 112). Stellvertreter und Vermittler (Handelsmakler) können personenidentisch sein, d. h. der Handelsmakler kann das von ihm vermittelte Geschäft bei Vorliegen entsprechender Vollmachten auch für die Parteien selbst abschließen (E/B/J/S-HGB-Reiner, HGB § 93 Rn. 13).

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C. Kapitalmarktzivilrecht

x

Kommissionsgeschäft1734)

x

Fest(preis)geschäft1735).

413 Da Effekten im deutschen Recht als Sachen angesehen werden, erfolgt die Erfüllung der Effektengeschäfte als Übereignung gem. BGB §§ 929 ff. durch Einigung und Übergabe(-Surrogat).1736) Gegenstand der Übereignung sind die – durch Depotauszüge dokumentierten – Miteigentumsanteile am Sammelbestand.1737) Beim Regelfall des Kommissionsgeschäfts ermächtigt der Kunde seine Depotbank gem. BGB § 185, eine Einigungsofferte abzugeben, die von der CSD (nach dem Grundsatz über das Geschäft für den, den es angeht) als

___________ 1734) Aufsichtsrechtlicher Begriff: Finanzkommissionsgeschäft. Materiell sind beide Begriffe grds. deckungsgleich (BaFin-VÖ-Finanzkommissionsgeschäft Ziff. 1 d)). Der (Finanz-) Kommissionär kauft und verkauft gewerbsmäßig Wertpapiere für Rechnung eines anderen im eigenen Namen (HGB § 383 (1)). Er führt einen Kommissionsauftrag durch Abschluss eines entsprechenden Ausführungsgeschäfts unter Beachtung der Regelungen der SB-WPG Nr. 3 – 9 aus (SB-WPG Nr. 1 (2)) und gibt das daraus erlangte Kommissionsgut an den Kunden (Kommittenten) heraus (näher: E/B-Bankrecht-Seiler/Geier, § 84 Rn. 3 und 40 f.). Nach Feststellung des BVerwG erfordert ein Kommissionsgeschäft i. S. v. HGB § 383 einen Kundenauftrag, der sich auf bestimmte Finanzinstrumente bezieht, und ist dadurch gekennzeichnet, dass der Kommittent weisungsbefugt ist (HGB § 383 (1)), der Kommissionär den Kommittenten von der Ausführung der Kommission benachrichtigt (HGB § 384 (2)), der Kommissionär dem Kommittenten über das Geschäft Rechenschaft ablegt (HGB § 384 (2)) und das Eigentum an den angeschafften Finanzinstrumenten vom Kommissionär auf den Kommittenten übertragen wird (HGB § 384 (2)). Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen ist auch ein Finanzkommissionsgeschäft im aufsichtsrechtlichen Sinne anzunehmen, wobei das Fehlen einzelner Elemente unerheblich ist, wenn das Rechtsgeschäft eine hinreichende Ähnlichkeit mit dem in HGB §§ 383 ff geregelten Geschäftstypus aufweist (BVerwG Urt. v. 27.2.2008 – 6 C 11.07, WM 2008, 1359; S/A-KWG+ZAG-Schwennicke, § 1 Rn. 44). 1735) Beim Fest(preis)geschäft schließen WpDU (für eigene Rechnung) und Kunde einen Kaufvertrag zu einem festen oder bestimmbaren Preis (WpHG § 64 (6)); das WpDU übernimmt vom Kunden die Wertpapiere als Käuferin oder liefert sie an ihn als Verkäuferin (SB-WPG Nr. 1 (3)) (näher: E/B-Bankrecht-Seiler/Geier, § 84 Rn. 91f). Aufsichtsrechtlicher Begriff: Eigenhandel oder -geschäft (s. oben Rn. 112). WpHG § 2 (3) Nr. 1 und 4 verwendet den Begriff Festgeschäft, der aber als Synonym für Festpreisgeschäft zu verstehen ist (Lorenz-Churning, Teil 1, A I Rn. 13), weshalb in diesem Buch die Schreibweise Fest(preis)geschäft verwendet wird. 1736) Patz, BKR 2019, 435, 441. Das gilt auch für Geschäfte mit als Orderpapier zu qualifizierenden Namensaktien (s. oben Rn. 375), insoweit sie mit einem Blankoindossament versehen sind (MüKo-AktG-Bayer, Bd. 1, AktG § 68 Rn. 6). Die Eintragung im Aktienregister (AktG § 67 (3)) ist für den Eigentumsübergang nicht erforderlich, denn materiell rechtliche Veränderungen der Rechtslage erfolgen außerhalb des Registers. Allerdings rückt nur der im Aktienregister eingetragene Erwerber gegenüber der AG in die Rechtsstellung des Aktionärs ein, so dass Eigentum und Berechtigung auseinanderfallen können (MüKo-AktG-Bayer, Bd. 1, AktG § 68 Rn. 4). 1737) Diese Depotauszüge bilden als Rechtsscheingrundlage i. Ü. auch den Anknüpfungspunkt für den gutgläubigen Erwerb der Wertpapiere (E/B-Bankrecht-Klanten, § 47 Rn. 122 – 123; Veil-Kapitalmarktrecht-Veil, § 23 Rn. 15).

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II. Wertpapiere

Vertreter der jeweils anderen Seite angenommen wird.1738) Ein Durchgangserwerb von Depotbank oder CSD findet allerdings nicht statt (d. h. der KäuferKunde erwirbt das Eigentum an den Effekten unmittelbar vom VerkäuferKunden). Die Übergabe erfolgt dadurch, dass die CSD angewiesen wird, künftig für den Käufer zu besitzen. Das Konto des Verkäufers wird belastet und das Konto des Käufers erhält eine Gutschrift (Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses).1739) Das Eigentum geht in dem Zeitpunkt über, in dem der Buchungsvorgang abgeschlossen ist.1740) Falls – wie z. B. bei einem Geschäftsabschluss an der Frankfurter Wertpapier- 414 börse – eine Central Counter Party (CCP) in die Durchführung des Effektengeschäfts eingeschaltet ist, tritt die CCP als zusätzliche weitere Vertragspartei zwischen die bisherigen Partner des Handelsgeschäftes (und zwar aus Sicht des Käufers als Verkäufer und aus Sicht des Verkäufers als Käufer).1741) Die – der Verringerung von Gegenparteiausfallrisiko und Transaktionskosten dienende – Einschaltung der CCP führt zur Verrechnung der vertraglichen Lieferansprüche; eine tatsächliche Belieferung nach sachenrechtlichen Grundsätzen unter Einschaltung der CSD findet lediglich für die Spitzen statt. Hinsichtlich der dinglichen Einigung zwischen Verkäufer und Käufer übernimmt die CCP die Rolle des Vertreters anstelle der CSD; in die tatsächliche Besitzverschaffung ist die CCP hingegen nicht einbezogen; diese Funktion wird weiterhin von der CSD ausgeübt.1742)

___________ 1738) I. d. R. läuft die Transaktion dergestalt, dass die Depotbank den Auftrag an einen Handelsplatz (Börse) weitergibt, wo das Handelsgeschäft zustande kommt und von der Börse an die CSD gemeldet wird. Die CSD ändert, sofern Käufer und Verkäufer verschiedene Depotbanken nutzen, in ihrem Kontenbuchungssystem den Stammdatensatz, so dass nun die Käufer-Depotbank als neue Besitzerin des Wertpapiers geführt wird, die ihrerseits ihrem Kunden eine seinem Wertpapierbestand entsprechende Depotgutschrift erteilt. Falls Käufer und Verkäufer ein Depotkonto bei derselben Depotbank führen, muss ein CSD beim Wertpapier-Settlement nicht einbezogen werden (vgl. Patz, BKR 2019, 435, 441). 1739) Parallel dazu findet eine Überweisung des Kaufpreises für die Wertpapiere statt, die i. d. R. über Konten der Depotbanken bei der die jeweilige Währung emittierenden Zentralbank erfolgt, aber auch durch Geldverrechnung zwischen den Depotbanken abgewickelt werden kann (vgl. CSDR Art. 40). Auf diese Weise wird das (im deutschen Recht auch Zug um Zug genannte) Prinzip der Lieferung-gegen-Zahlung (Delivery-versusPayment) verwirklicht (näher Buba-VÖ-Zentralverwahrer). Sollen Wertpapiergeschäfte grenzüberschreitend abgewickelt werden, stehen dafür zwei Wege zur Verfügung (s. Kundenhandbuch für Kunden der Clearstream Banking AG, Stand 4/2021, S. 22): Direkt zwischen den lokalen CSD der betroffenen Staaten (vgl. DepotG § 5 (4)) oder über einen internationalen Zentralverwahrer (International Central Securities Depository – ICSD), der Geschäfte durch Vernetzung zu den nationalen CSD, abwickelt. 1740) E/B-Bankrecht-Klanten, § 42 Rn. 107. Zur tatsächlichen Umsetzung dieses Vorgangs vgl. AGB CBF Nr. 42. 1741) S. SB-WPG Nr. 1 (2). 1742) E/B-Bankrecht-Klanten, § 47 Rn. 109 – 111.

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C. Kapitalmarktzivilrecht

III. Derivate 1. Rechtsnatur und Einsatzmöglichkeiten von Derivaten 415 Derivate sind gegenseitige Verträge bezogen auf einen (den Wert des Vertrags bestimmenden) Basiswert,1743) die ein spekulatives Element haben, das sich dadurch manifestiert, dass die Vertragserfüllung in der Zukunft erfolgt.1744) Durch das erhebliche zeitliche Auseinanderfallen von Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft unterscheidet sich das Derivatgeschäft vom Kassageschäft.1745) 416 Derivate können der Absicherung der aus einem anderen Geschäft (Grundgeschäft) resultierenden Risiken dienen (Hedging), etwa durch ein Derivatgeschäft, das das Zins- oder Wechselkursrisiko des Grundgeschäfts invers abbildet.1746) Der Verkäufer dieser Absicherung spekuliert auf die gegenteilige Marktentwicklung und mithin darauf, dass sich das fragliche Risiko nicht realisiert. De-

___________ 1743) Derivate ermöglichen die Trennung von dinglicher Inhaberschaft am Basiswert und Partizipation an dessen Marktchancen und -risiken (Köhler, Derivate, S. 7). 1744) Das WpHG verwendet in § 2 (3) derivative Geschäfte als Oberbegriff und fasst darunter Termingeschäfte (definiert als Fest(preis)geschäfte oder Optionsgeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind und deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines Basiswertes ableitet) mit Bezug auf Finanz-Basiswerte (z. B. Finanzinstrumente) oder Nicht-Finanz-Basiswerte (z. B. Waren) sowie finanzielle Differenzgeschäfte (bei einem finanziellen Differenzgeschäft (Contract for Difference, CFD) verpflichtet sich der Käufer, dem Verkäufer die (positive) Differenz zwischen dem heutigen Marktpreis eines Basiswertes und demjenigen zu einem festgelegten späteren Zeitpunkt zu zahlen (BaFin-VÖ-Finanzinstrumente)). In WpHG §§ 99 und 100 wird zudem der Begriff Finanztermingeschäfte verwendet und als derivative Geschäfte und Optionsscheine definiert. 1745) Kassageschäft (Spot Contract) an der Börse ist ein Geschäft, das sofort, d. h. innerhalb einer Frist erfüllt werden muss, die üblicherweise dafür ausreicht. An deutschen Börsen bedeutet das binnen zwei Tagen, an der Tokyo Stock Exchange binnen drei Tagen und an der NY Stock Exchange binnen fünf Tagen nach Geschäftsabschluss (http://www. wirtschaftslexikon24.com/d/kassageschäft). Derivate qualifizieren bilanzrechtlich als schwebende Geschäfte, die am Tag ihres Abschlusses – sofern das Geschäft zu marktgerechten Konditionen erfolgte – keinen Marktwert haben und deshalb nicht bilanziert werden können. Zwischen Abschluss- und Erfüllungstag kann sich jedoch aufgrund veränderter Marktbedingungen (insbesondere Wertschwankungen des Basiswerts) ein positiver oder negativer Marktwert ergeben (der negative Marktwert aus Perspektive der einen Partei entspricht immer exakt dem positiven Marktwert aus Perspektive der anderen Partei). Am Bilanzstichtag wird der Wert des Derivats durch Vergleich des vertraglich festgelegten Preises und des für die Restlaufzeit geltenden Terminkurses ermittelt. Ergibt sich aus der Bewertung ein (noch nicht realisierter) Gewinn, bleibt dieser nach dem Realisationsprinzip in der Buchführung unberücksichtigt (HGB § 252 (1) Nr. 4 Halbsatz 2). Ergibt sich allerdings ein negativer Marktwert, ist gem. dem Imparitätsprinzip eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden (HGB § 249 (1) S. 1). In der Gewinn- und Verlustrechnung wird der unrealisierte Verlust im Posten sonstige betriebliche Aufwendungen ausgewiesen (vgl. Schäfer/ Frank, Derivate, S. 77, 78). 1746) Beispiele bei H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Apfelbacher/Kopp, § 27.90 – 117. U. U. können Derivate auch unmittelbar dem Zweck der Kapitalaufnahme dienen (näher: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Apfelbacher/Kopp, § 27.72 – 85).

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III. Derivate

rivate können aber auch für beide Parteien ein Absicherungs- oder ein Spekulationsgeschäft sein.1747) Der Vorteil (und gleichzeitig die besondere Gefahr) eines Derivats gegenüber 417 einem Kassageschäft in einem Basiswert ist der (zunächst) geringere Kapitaleinsatz (Beispiel: Es lässt sich für die gleiche Summe eine Aktie erwerben oder zehn Aktienoptionen).1748) Daraus resultiert die sog. Hebelwirkung (Leverage) des Derivats,1749) die zu überproportional hohen Gewinnen (im Beispiel zu einem Gewinn in Höhe des Kursanstiegs der Aktie multipliziert mit dem Faktor zehn abzüglich der Optionsprämie), aber eben auch zum Totalverlust führen kann und u. U. dazu, bei Fälligkeit weiteres Kapital nachschießen zu müssen.1750) Derivate können der Risikoreduzierung dienen, wegen der Hebelwirkung (Leverage) aber auch neue, gewaltige Risiken schaffen.1751) 2. Derivatarten Derivate lassen sich anhand der im Folgenden dargestellten Kriterien klassi- 418 fizieren.

___________ 1747) Einem Derivat vergleichbare Effekte lassen sich z. B. dadurch erzielen, dass ein Kassageschäft mit einem Wertpapierpensions- oder leihegeschäft kombiniert wird (Reiner, Derivate, S. 36 – zu Wertpapierpensions- und leihegeschäften s. unten Rn. 465 ff.). 1748) Bei Warentermingeschäften (Rohstoffe und landwirtschaftliche Produkte) entfallen zudem Liefer- und Lagerkosten. 1749) Leverage bezeichnet die Herbeiführung eines relativ hohen Gewinns bei relativ geringem Kapitaleinsatz, was gerade zum Charakter des Derivats gehört (ausführlich: Reiner, Derivate, S. 39 ff.). 1750) Derivate sind nicht per se risikoreicher als Kassageschäfte, denn sie unterliegen den gleichen Marktrisiken. Allerdings ist die Preisbildung bei Derivaten komplexer, da sie nicht (nur) aus Angebot und Nachfrage bzgl. des Basiswerts resultiert, sondern z. B. auch aus der Restlaufzeit des Derivats (Komplexitätsrisiko). 1751) Auf den Punkt gebracht durch Master Investor Warren Buffet: „Derivatives are financial weapons of mass destruction, carrying dangers that, while now latent, are potentially lethal“ (Berkshire Hathaway annual report for 2002 – https://www.fintools.com/docs/Warren %20Buffet%20on%20Derivatives.pdf).

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C. Kapitalmarktzivilrecht

a) Strukturen 419 Je nach Ausgestaltung der vertraglichen Hauptleistungspflichten wird unterschieden zwischen:1752) x

Fest(preis)geschäft (Terminkauf – Future, Forward1753)) – der Verkäufer verpflichtet sich, am Fälligkeitstermin einen Basiswert zu liefern und der Käufer, den bereits heute vereinbarten Preis zu zahlen.

x

Swapgeschäft – Swaps sind (wirtschaftlich) mehrere aufeinander folgende Fest(preis)geschäfte,1754) z. B. bei einem Zinsswap (fest gegen variabel) ein regelmäßiger Leistungsaustausch bezogen auf einen Nominalbetrag von 100 alle drei Monate für die Laufzeit von fünf Jahren.1755)

x

Optionsgeschäft – Optionen geben dem Käufer das Recht, zum Fälligkeitstermin (European Option) oder während eines definierten Zeitraumes vor dem Termin (American Option) einen Basiswert zu einem bereits heute vereinbarten Preis (Exercise oder Strike Price) zu kaufen (Call Option) oder zu verkaufen (Put Option). Für die Einräumung dieses Rechts erhält der Verkäufer der Option (Stillhalter) eine Optionsprämie (Premium).1756)

b) Basiswerte 420 Basiswert eines Derivats kann theoretisch alles und jedes sein. In der Praxis wird unterschieden zwischen Finanz- und Nicht-Finanz-Basiswerten.1757) Die ___________ 1752) Fest(preis)- und Swapgeschäfte sind unbedingte (symmetrische) Derivate, denn beide Parteien sind verpflichtet, zum vereinbarten Zeitpunkt zu leisten. Optionen sind bedingte (asymmetrische) Derivate, denn die Leistungspflicht des Verkäufers hängt davon ab, ob der Käufer die Option ausübt (vgl. Zerey-Finanzderivate-Läger, § 2 Rn. 4 und H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Apfelbacher/Kopp, § 27.11 – 12). Näher zur zivilrechtlichen Natur der Derivategeschäfte: E/B-Bankrecht-Reiner/Scholl, § 114 Rn. 135 – 148. 1753) Future wird ein an der Börse gehandeltes Fest(preis)geschäft genannt, Forward ein OTC gehandeltes. 1754) BaFin-VÖ-Finanzinstrumente. 1755) Der Zinsswap (ebenso wie andere Derivate) kann mit einem Cap und/oder Floor versehen sein (falls beides vereinbart ist, spricht man von einem Collar), die vorsehen, dass das Über- oder Unterschreiten eines bestimmten variablen Zinssatzes nicht mehr vergütet werden soll. Caps und Floors können auch selbständig (also nicht als Teil eines anderen Derivats) gehandelt werden, z. B. dergestalt, dass der Käufer eines Cap von Euribor plus 1 % bezogen auf einen Nominalbetrag von 100 vom Verkäufer Ausgleich für den den gecapten Zinssatz übersteigenden Betrag fordern kann. Ausführlich zu solchen sog. Begrenzungsgeschäften: E/B-Bankrecht-Reiner/Scholl, § 94 Rn. 13 – 18. 1756) Put Optionen, die zu einem Strike Price ausgeübt werden können, der über dem gegenwärtigen Marktpreis des Basiswerts liegt, sind im Geld (in the Money); liegt der Strike Price unter dem Marktpreis, ist die Option aus dem Geld (out of the Money) und bei Gleichstand von Strike Price und Marktpreis ist die Option am Geld (at the Money). 1757) Die wirtschaftliche Bedeutung vor allem von Finanzderivaten ist enorm: Weltweit beträgt das pro Jahr abgewickelte Nominalvolumen von Zins-, Währungs- und Aktienderivaten in 2020 ca. USD 600 Billionen, woran Zinsderivate mit ca. 75 % den größten Anteil haben (s. die Statistiken der BIS: https://stats.bis.org/statx/srs/table/d5.1?f=pdf).

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III. Derivate

wichtigsten Finanzbasiswerte sind Zinsen und Devisen1758) sowie Aktien und Indizes.1759) Auch das Kreditrisiko kann ein Finanzbasiswert sein,1760) ebenso andere Derivate.1761) Zu den Nicht-Finanz-Basiswerten zählen vor allem Rohstoffe, Energie und andere Waren, aber auch Klima- oder andere physikalische Variablen.1762) Der Vertrag kann vorsehen, dass der Basiswert des Derivats zum vereinbarten 421 Fälligkeitstermin tatsächlich gegen Zahlung der vereinbarten Gegenleistung geliefert werden muss (Physical Settlement) oder dass ein Barausgleich in Höhe der Differenz zwischen der vereinbarten Gegenleistung und dem zum Fälligkeitstermin aktuellen Marktpreis des Basiswertes zu zahlen ist (Cash Settlement). c) Handelsorte Derivate können börslich1763) oder außerbörslich (OTC – over the counter)1764) 422 gehandelt werden. Börsengehandelte Derivate (Futures und börsengehandelte Optionen) sind entsprechend den Bedingungen der Börsen hochstandardisiert, um einen schnellen und liquiden Handel zu gewährleisten und am zentralen Clearing teilnehmen zu können. Ein Sonderfall sind die als Wertpapier gestalteten (verbrieften) Optionsscheine, die wie andere Wertpapiere gehandelt werden.1765) OTC-Derivate werden bilateral ausgehandelt und geschlossen; sie sind weniger standardisiert als börsengehandelte Derivate.

___________ 1758) Näher Zerey-Finanzderivate-Schüwer, § 1 Rn. 16 f. und 25 f. 1759) Näher Zerey-Finanzderivate-Storck, § 12. 1760) Kreditrisiko ist das Risiko des Ausfalls des Kreditnehmers (s. oben Rn. 43 und Rn. 142). Kreditderivate versichern gegen dieses Risiko (Zerey-Finanzderivate-Schüwer, § 1 Rn. 33). Typische Kreditderivate sind der Credit Default Swap (CDS), die Credit Linked Note (CLN), bei der das Kreditderivat in eine Anleihe eingebettet ist, und der Total Return Swap (TRS) (näher: Zerey-Finanzderivate-Läger, § 2 Rn. 4, 7 und 8). Die Kreditderivatetechnik wird auch bei sog. synthetischen Verbriefungen eingesetzt. Darunter werden Produkte wie synthetische ABS (einschließlich MBS) und CDOs (CBOs und CLOs) verstanden (näher: Zerey-Finanzderivate-Kölbl-Vogt, § 10). Zum Unterschied zwischen synthetischen ABS und True Sale ABS s. oben Rn. 389. 1761) Z. B. das Swaption, d. h. eine Option auf ein vordefiniertes Swapgeschäft. 1762) Näher: Zerey-Finanzderivate-Stuhlmacher/Sessel-Zsebik, § 11. 1763) Zu den weltweit größten Derivatebörsen zählen die europäische Eurex, die Chicago Mercantile Exchange (CME), die Korea Exchange (KRX) und die internationale NYSE Liffe. Der Begriff börslich im hier verwendeten Sinne schließt alle MiFID-Handelsplätze mit ein und auch den deutschen Freiverkehr (Zerey-Finanzderivate-Dittrich/Fried, § 33 Rn. 18), der wohl als MTF anzusehen ist (BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden, Modul C Kapitel 1.3.1.; s. auch oben Rn. 123). 1764) Zum Begriff OTC s. oben Rn. 212. 1765) Von verbrieften Derivaten (oder derivativen Wertpapieren) wird gesprochen, wenn ein Derivat mit einer Schuldverschreibung kombiniert ist, sich also z. B. die Rendite an der Entwicklung eines Aktienindex orientiert oder selbst die Form eines Wertpapiers annimmt (Optionsscheine – warrants). S. oben Rn. 385.

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C. Kapitalmarktzivilrecht

3. Dokumentation durch Derivate-Muster-Rahmenverträge 423 OTC-Derivategeschäfte werden üblicherweise unter Bezugnahme auf Rahmenverträge geschlossen.1766) Es gibt eine Vielzahl internationaler und nationaler Derivate-Muster-Rahmenverträge (Derivate-MRV), die von internationalen bzw. nationalen (Banken-)Verbänden gesponsert (Derivate-MRV-Sponsoren) und den Marktteilnehmern zur Verwendung angeboten werden. Die (aus deutscher Perspektive1767)) wichtigsten Derivate-MRV sind: Derivate-Muster-Rahmenvertrag

Sponsor

ISDA Master Agreement (ISDA-MA)1768) (Deutscher) Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte

ISDA1769) (DRV-D)1770)

DK1771)

___________ 1766) Zerey-Finanzderivate-Behrends, § 6 Rn. 1. 1767) Einen guten Überblick über weltweit benutzte Derivate-MRV gibt der Additional Documents Annex (Part 1: Additional Master Agreements) to the ISDA 2020 IBOR FALLBACKS PROTOCOL. 1768) ISDA 2002 Master Agreement. Gegenwärtig sind die folgenden weiteren Versionen des ISDA-MA verfügbar: ISDA 2002 Master Agreement (French law), ISDA 2002 Master Agreement (Irish law), 1992 ISDA Master Agreement (Multicurrency – Cross Border), 1992 ISDA Master Agreement (Local Currency – Single Jurisdiction), 1987 ISDA Interest Rate Swap Agreement und 1987 ISDA Interest Rate and Currency Exchange Agreement. 1769) Die International Swaps and Derivatives Association (ISDA) ist der einflussreichste internationale Branchenverband für Teilnehmer am Markt für OTC-Derivate mit derzeit über 800 Mitgliedern aus knapp 60 Ländern, der sich zum Ziel setzt, den Handel privat gehandelter Derivate zu vereinfachen. 1770) Gegenwärtig sind die folgenden Versionen des DRV-D verfügbar: Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte 2018 und 1993/2001. Anlass für den DRV-D 2018 war die 2017 erfolgte Neufassung von InsO § 104, an deren Wortlaut die DRV-CoN-Regelungen angepasst und deren vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten aufgegriffen werden sollten (vgl. BdB-DRV Änderungsvereinbarung). 1771) Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) ist die gemeinsame Interessenvertretung der kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände Deutschlands (Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, Bundesverband deutscher Banken, Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, Deutscher Sparkassen- und Giroverband und Verband deutscher Pfandbriefbanken). Neben dem DRV-D sponsert DK die Clearing-Rahmenvereinbarung (s. unten Rn. 435), den Deutschen Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen (s. unten Rn. 470), den Deutschen Rahmenvertrag für Wertpapierpensionsgeschäfte (s. unten Rn. 470) und die Mantelvereinbarung für Finanzgeschäfte mit Kapitalverwaltungsgesellschaften. Die Mantelvereinbarung ist ein eigenständiger Derivate-MRV, in den seinerseits andere MRV (DRV-D oder EMA – und damit auch Wertpapierleihe- und -pensionsgeschäfte) einbezogen werden können (s. unten Rn. 458).

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III. Derivate Derivate-Muster-Rahmenvertrag

Sponsor

European Master Agreement (EMA)1772)

FBE1773)

Bei der Entwicklung der Derivate-MRV stand der Wunsch der Derivatehändler 424 nach einer verlässlichen,1774) an Marktgepflogenheiten und -bedürfnissen orientierten sowie kostengünstigen Vertragsgrundlage Pate.1775) Allerdings überlagert das (zwingende) Aufsichtsrecht die zivilrechtlichen Verträge inzwischen zunehmend.1776) a) Funktionsweise und Inhalte Die Funktionsweise von ISDA-MA, DRV-D und EMA ist ähnlich:1777) Ein 425 allgemeiner, nicht veränderlicher Vertragsteil wird ergänzt durch einen Spezial-

___________ 1772) Gegenwärtig sind die folgenden Versionen des EMA verfügbar: Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte (Allgemeine Bestimmungen) 2001, 2004 und 2020. EMA geht auf eine Initiative deutscher und französischer Banken aus den späten 1980er Jahren zurück (Zerey-Finanzderivate-Behrends, § 6 Rn. 77). Anders als die meisten Derivate-MRV erlaubt EMA nicht nur die Dokumentation von Derivaten, sondern auch diejenige von Wertpapierleihe- und pensionsgeschäften und kann zudem unterschiedlichsten Rechtsordnungen unterstellt werden (deren Anwendbarkeit im Vertrag zu vereinbaren ist). Außerdem besticht EMA durch Klarheit, Kürze und Übersichtlichkeit. Zudem hat EMA einen sehr starken Förderer, die EZB, die sämtliche Finanzakteure verpflichtet, mit ihr auf Basis des EMA zu kontrahieren. Trotz dieser (aus juristischer Sicht) eindeutigen Vorteile führt EMA im Vergleich zum ISDA MA und den internationalen Rahmenvertägen für Wertapierpensions- (GMRA) und -leihegeschäften (GMSLA) (s. zu GMRA und GMSLA unten Rn. 470) hinsichtlichen der Nutzung in der Praxis ein Schattendasein, das sich eigentlich nur durch die internationale Dominanz der Finanzplätze London und NY erklären lässt (die vorgenannten Rahmenverträge unterliegen englischem oder NY Recht). 1773) Der Europäische Bankenverband (Federation Bancaire de L'Union Europeenne – FBE) ist die gemeinsame Interessenvertretung von 32 nationalen Bankenverbänden auf europäischer Ebene. 1774) Bei Derivaten, die häufig in Ketten geschlossen werden, um Risiken (teilweise) weiterzugeben, ist besonders wichtig, dass es zwischen diesen Kettengeschäften nicht zu Diskrepanzen (Mismatches) kommt (Zerey-Finanzderivate-Behrends, § 6 Rn. 2). 1775) S. zum Zweck der Derivate-MRV ausführlich: Reiner, ISDA, Einleitung B. 1776) S. dazu unten Rn. 431. 1777) Zerey-Finanzderivate-Behrends, § 6 Rn. 76. Es gibt aber auch bedeutsame Unterschiede, deren wichtigster ist: ISDA erlaubt grds. nur die Wahl zwischen englischem und NY Recht, der DRV sieht deutsches Recht vor, und nur beim EMA können die Parteien aus einer breiten Palette möglicher Rechtsordnungen für den gesamten Vertrag frei auswählen. Ein weiterer grundlegender Unterschied besteht darin, wie Änderungen oder Ergänzungen der Mustertexte von den Parteien in bestehenden Rahmenverträgen adaptiert werden können. ISDA hat hierfür die Protokolltechnik eingeführt: Durch Beitritt zu einem solchen Protokoll kann eine Partei erreichen, dass die vertraglichen Neuerungen im Verhältnis zu allen anderen dem Protokoll ebenfalls beigetretenen Parteien gilt, ohne dass es einer individuellen Vereinbarung zwischen den jeweiligen Parteien bedürfte (Zerey-Finanzderivate-Sachsen-Altenburg, § 7 Rn. 87). Für den DRV-D steht eine solche Protokolltechnik nicht zur Verfügung (auch bestehen Zweifel daran, dass diese Technik nach deutschem Recht wirksam ist).

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C. Kapitalmarktzivilrecht

teil, in dem bestimmte Regelungen aus dem allgemeinen Teil für anwendbar bzw. nicht anwendbar erklärt werden.1778) Zusammen bilden der allgemeine und der spezielle Teil den zwischen den beiden Parteien (Gegenparteien) bestehenden Rahmenvertrag. Einzelne Transaktionen (Geschäfte) werden von den Parteien häufig mündlich geschlossen und schriftlich durch Einzelbestätigungen vervollständigt. Einzelbestätigungen regeln vor allem die wirtschaftlichen Aspekte der Geschäfte und beziehen den Rahmenvertrag und ggf. weitere Dokumente (Anhänge) in die Vertragsbeziehung mit ein. Die DerivateMRV-Anhänge enthalten z. B. Spezifika für einzelne Arten von Derivaten und/ oder ihre Basiswerte (Produktanhänge),1779) regeln die Bestellung von Sicherheiten (Sicherheitenanhänge) oder dienen der Umsetzung aufsichtsrechtlicher Vorgaben.1780) Eine Einzelbestätigung kann den Rahmenvertrag und die Vertragsanhänge für das spezielle Geschäft zudem ändern oder ergänzen (im Konfliktfall gehen die Regelungen der Einzelbestätigung den anderen Vertragsdokumenten vor).1781) 426 Auch die typischen Vertragsinhalte der Derivate-MRV gleichen sich:1782) Neben allgemeinen vertraglichen Regelungen zu der Bestimmung von Leistungsinhalten (insbesondere der Festlegung und Berechnung von Basiswerten),1783) Leistungsorten und -fristen,1784) der Verrechnung fälliger gegenseitiger For___________ 1778) Für den ISDA-MA s.: Zerey-Finanzderivate-Sachsen-Altenburg, § 7 Rn. 25 – 29. 1779) Zu den Produktanhängen des DRV-D näher: Zerey-Finanzderivate-Diefenhardt, § 6 Rn. 98 f. Nicht mehr zur Verwendung empfohlen wird der einstmals von der DK gesponserte Anhang für Kreditderivate zum DRV-D. Parteien, die ein Kreditderivat unter dem DRV-D abschließen wollen, behelfen sich i. d. R. damit, die 2014 ISDA Credit Definitions im Wege einer sog. Bridge-Lösung in den DRV-D einzubeziehen (dazu – und generell zu Dokumentationsfragen von CDS: Zerey-Finanzderivate-Storck/Zerey, § 8 Rn. 14; Litten/Bell, WM 2011, 1109). Solche Bridge-Lösungen (d. h. die Einbeziehung von ISDA-Dokumentationsteilen in den DRV-D) gibt es auch hinsichtlich anderer Derivatetypen. Bei dieser Vorgehensweise besteht immer ein gewisses Risiko, dass Haupvertrag und Anhang nicht völlig reibungsfrei ineinandergreifen und Regelungslücken entstehen. Dieses sog. Mismatch Risk wird dadurch gefördert, dass DRV-D und ISDA-Dokumentation auf Grundlage unterschiedlicher Rechtsordnungen konzipiert sind. Ein solches rechtsordnungsbedingtes Mismatch Risk besteht z. B. auch dann, wenn sich der Emittent einer nach deutschem Recht begebenen CLN durch einen unter dem ISDA-MA dokumentierten CDS absichern (hedgen) will. 1780) S. für den DRV-D die Übersicht auf: https://bankenverband.de/service/rahmenvertraege-fuer-finanzgeschaefte/, wo folgende Rubriken von Anhängen und Zusatzvereinbarungen aufgeführt werden: Besicherungsanhang und neue EMIR-Besicherungsdokumentation/Zusatzvereinbarungen Referenzwerte (EONIA, €STR)/Weitere Anhänge (EMIR-Anhang, Clearinganhang, Anhänge für Deckungsgeschäfte mit Pfandbriefbanken, Produktanhänge für Devisen-, Wertpapier- und Rohwarenderivate sowie Emissionsrechte, etc.)/Muster-Einzelbestätigungen. Einen guten Überblick zur vorhandenen ISDA-Dokumentation gibt: Zerey-Finanzderivate-Sachsen-Altenburg, § 7 Rn. 11 – 17. 1781) ISDA-MA Art. 1 (b); DRV-D Art. 1 und 2 und EMA Art. 1 und 2. 1782) S. die ausführliche Beschreibung der DRV-Vertragsinhalte bei E/B-Bankrecht-Reiner/ Scholl, § 94 Rn. 409 – 463. 1783) ISDA-MA Art. 2 (a); DRV-D Art. 5 und 6 und EMA Art. 3. 1784) ISDA-MA Art. 2 (a); DRV-D Art. 3 (1) – (2) und EMA Art. 3 (1).

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III. Derivate

derungen (Payment Netting),1785) steuerlich bedingten Abzügen1786) sowie Verzugs-1787) und Kündigungsregelungen1788) fokussieren sich die Verträge auf die für das Derivategeschäft besonders wichtige Frage des Risikomanagements. Obwohl Sinn und Zweck von Derivaten (zumindest für einige Parteien) gerade die Risikoreduzierung ist, entstehen aus der Hebelwirkung, der u. U. sehr langen Laufzeit der (schwebenden) Derivategeschäfte und dem (sogleich näher zu erläuternden Problem des) Cherry Picking für die Parteien besondere Risiken. Diese Risiken versuchen die Derivate-MRV durch die Instrumente des Close-out Netting (Forderungsverrechnung) und des Margining (Besicherung) in den Griff zu bekommen.1789) b) Close-out Netting (Verrechnung) Voraussetzung des Close-out Netting (CoN)1790) ist zunächst die Festlegung, 427 dass sämtliche Geschäfte und der Rahmenvertrag samt Anhängen einen einheitlichen Vertrag bilden,1791) sodann dass im Falle einer (berechtigten) Kündigung (bzw. im Insolvenzfall: automatisch) der gesamte (einheitliche) Vertrag beendet wird1792) und anstelle vieler aus den Geschäften resultierender Einzelforderungen zwei saldierte Gesamtforderungen treten,1793) die gegeneinander aufgerechnet werden,1794) so dass am Ende eine einzige Forderung der einen gegen die andere Partei übrig bleibt (Final Settlement Amount).1795) Der Final Settlement Amount wird auf Grundlage der Marktpreise von (tatsächlichen oder hypothetischen) Ersatzgeschäften ermittelt, die für die beendeten Geschäfte (innerhalb bestimmter Fristen) geschlossen werden. Weitere Regelungen beschäftigen sich mit der Frage, ob in das CoN nur die von der (inländischen) Hauptniederlassung der jeweiligen Partei getätigten Geschäfte einbezogen werden sollen oder auch diejenigen von ausländischen Zweigniederlassungen.1796) Das CoN erhält seine besondere Bedeutung vor dem Hintergrund des in vielen 428 Insolvenzordnungen der Welt verankerten Wahlrechts des Insolvenzverwal___________ 1785) 1786) 1787) 1788) 1789) 1790) 1791) 1792) 1793) 1794) 1795) 1796)

ISDA-MA Art. 2 (c); DRV-D Art. 3 (2) und EMA Art. 3 (4). ISDA-MA Art. 2 (d); DRV-D Art. 12 (5) A und EMA Art. 4. ISDA-MA Art. 9 (h); DRV-D Art. 3 (4) und EMA Art. 3 (5). ISDA-MA Art. 5 und 6 (a) – (b); DRV-D Art. 7 (1) und EMA Art. 6 (1) – (2). Zwischen CoN und Margining besteht eine enge Verbindung – gemeinsam bilden sie die Bestandteile der Sicherungsvereinbarung (vgl. FCD EG (14)). Auf Deutsch auch Liquidationsnetting genannt (näher: E/B-Bankrecht-Reiner/Scholl, § 94 Rn. 124 – 126. Zur Bedeutung der Single Agreement Klausel: Zerey-Finanzderivate-Zerey, § 16 Rn. 9. Zur Bedeutung der Beendigungsklausel: Zerey-Finanzderivate-Fried, § 16 Rn. 12. Zur Bedeutung der Positionenbewertung: Zerey-Finanzderivate-Fried, § 16 Rn. 13. Zur Bedeutung der Verrechnung: Zerey-Finanzderivate-Fried, § 16 Rn. 14. ISDA-MA Art. 6 (c) – (f); DRV-D Art. 1 (2), 7 (2) – (3) und 8 und EMA Art. 1 (4), 6 (5) und 7. ISDA-MA Art. 10; DRV-D Art. 1 (2), 7 (2) – (3) und 8 und EMA Art. 9. Bei EMA außerdem: Cross-Product Netting.

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C. Kapitalmarktzivilrecht

ters, ob er schwebende Verträge der insolventen Partei fortführen oder beenden will. Ohne CoN würde dieses Wahlrecht zu einer als Cherry Picking bezeichneten Übung des Insolvenzverwalters führen, unter der die solvente Partei die für sie nachteiligen Geschäfte zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen voll bezahlen müsste, die für sie vorteilhaften Geschäfte jedoch nur verspätet und in Höhe der Insolvenzquote liquidieren könnte.1797) Wegen dieses allgemein als unbillig empfundenen Ergebnisses gehört die Vereinbarung von CoN zum Standard der Derivate-MRV, und die Durchsetzbarkeit des CoN wird von vielen Gesetzgebern auf der Welt anerkannt.1798) Sie führt dazu, dass das Ausfallrisiko der nicht-insolventen Partei auf den Betrag einer etwaigen (positiven) Ausfallforderung reduziert wird (Nettoausfallrisiko);1799) ist der Betrag aus Sicht der nicht-insolventen Partei negativ, erleidet sie gar keinen Ausfall.1800) c) Margining (Besicherung) 429 Erfolgreiches CoN führt zur Ermittlung eines Final Settlement Amount in Höhe der saldierten Marktwerte sämtlicher vor dem Stichtag noch nicht abgewickelter Geschäfte, die unter dem fraglichen Rahmenvertrag zwischen den Parteien getätigt worden waren. Dieser Final Settlement Amount wird der einen von der anderen Partei geschuldet und der Sicherung der daraus resultierenden Verbindlichkeit dient das Margining,1801) nämlich die Leistung von Finanzsicherheiten (Wertpapieren oder Bargeld) in entsprechender Höhe. Während früher Sicherheitenleistung im rechtlichen Sinne des Wortes, also in Form von Verpfändung von Wertpapieren und Kontosalden durchaus üblich war, ist heute die uneingeschränkte (also nicht sicherungshalber vorgenommene) Vollrechtsübertragung an den Sicherungsgegenständen üblich,1802) da auf diese Weise in den meisten Rechtsordnungen eine Nutzung der empfangenen Sicher-

___________ 1797) Zerey-Finanzderivate-Sachsen-Altenburg, § 7 Rn. 19. 1798) Zur Behandlung des vertraglichen CoN im deutschen Recht s. unten Rn. 440 f. 1799) Detaillierte Darstellung der Durchführung des CoN bei: Zerey-Finanzderivate-Fried, § 16 Rn. 2. 1800) Zerey-Finanzderivate-Behrends, § 6 Rn. 63. 1801) Zerey-Finanzderivate-Fried, § 19 Rn. 10. Zur Differenzierung zwischen Initial Margin, Variation Margin und ggf. Maintenance Margin s. oben Rn. 288. 1802) ISDA-Credit Support Annex/Deed (English or NY law); DRV-D-BSA Art. 1 (2) und EMA Art. 3 (9).

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III. Derivate

heiten für weitergehende eigene Zwecke des Sichereitennehmers problemlos möglich ist.1803) Die Vertragstechnik für die Bestellung von Sicherheiten1804) sei hier exempla- 430 risch am DRV-D erläutert: Die Parteien können zusätzlich zu einem zwischen ihnen geschlossenen DRV-D einen Besicherungsanhang (DRV-D-BSA) vereinbaren.1805) DRV-D-BSA Nr. 3 (1) sieht vor, dass, wenn an einem Berechnungstag1806) eine Unterdeckung1807) zulasten einer Partei besteht, diese Partei von der anderen Partei verlangen kann, ihr (Finanz-)Sicherheiten in Höhe eines Anrechnungswerts1808) zu übertragen, der die Unterdeckung ausgleicht.1809) 4. Einfluss der Regulierung auf Handel und Settlement von Derivaten Die seit 2013 sukzessive1810) wirksam werdenden EMIR-Drei (Transparenz, 431 Clearing, Besicherung)1811) beeinflussen den Markt und die rechtlichen Beziehungen zwischen den Martkteilnehmern erheblich. Zwar werden Derivate weiterhin meist außerbörslich (OTC) auf Basis von Derivate-MRV geschlossen, aber die Derivate-MRV mussten von ihren Sponsoren substantiell geändert und ergänzt werden, um aufsichtsrechtliche Vorgaben zu erfüllen. In den DerivateMRV wird heute deshalb zwischen zentral-geclearten und nicht-zentral-geclearten OTC-Derivaten unterschieden. Nachfolgend sei dieses Zusammenspiel von Verträgen und aufsichtsrechtlichen Vorgaben exemplarisch anhand der DRV-D-Dokumentation (Rahmenvertrag und Anhänge) erläutert. ___________ 1803) Nach deutschem Recht ist die (angelsächsischer Tradition entstammende) Vollrechtsübertragung zulässig (s. oben Rn. 358) ebenso wie die Nutzung von als Sicherheit empfangenen Finanzsicherheiten; die Form der Sicherheitenbestellung spielt also für die Nutzbarkeit der Sicherheiten in Deutschland keine Rolle (vgl. oben Rn. 353 f.). Interessanterweise lässt sich aber in jüngster Zeit auch wieder ein gegenläufiger Trend hin zur Verpfändung ausmachen, da bei der Vollrechtsübertragung häufig das Phänomen der Übersicherung auftritt, das dazu führt, dass der Sicherheitengeber eine (ungesicherte) Rückforderung gegen den Sicherheitennehmer hat, die er (wenn er ein Finanzakteur ist) mit Eigenkapital unterlegen muss (s. zur Eigenkapitalunterlegungspflicht oben Rn. 139). 1804) Vgl. Zerey-Finanzderivate-Fried, § 19 Rn. 8 f., auch zu anderen Derivate-MRV. 1805) Gegenwärtig sind die folgenden Versionen des DRV-D-BSA verfügbar: Besicherungsanhang zum Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte 2018 und 2001. 1806) Der Rhythmus dieser Termine kann von den Parteien frei vereinbart werden. 1807) D. h. der Betrag, um den der dieser Partei zustehende Final Settlement Amount den Wert etwaiger von der anderen Partei geleisteter Sicherheiten übersteigt. 1808) Bei Bargeld: Nominalbetrag und bei Wertpapieren: Marktwert. 1809) Der Sicherungsnehmer erhält das (uneingeschränkte) Eigentum an den Sicherheiten (DRV-D-BSA Nr. 1 (2) – Vollrechtsübertragung). Im Falle der Überdeckung werden gleichartige Sicherheiten rückübertragen (DRV-D-BSA Nr. 4 (1)); der Sicherheitengeber kann auch den Austausch der Sicherheiten verlangen (DRV-D-BSA Nr. 7). Im Falle eines CoN werden geleistete Sicherheiten in die Berechnung des Final Settlement Amount einbezogen (DRV-D-BSA Nr. 9). 1810) Viele EMIR-Regelungen sind seit dem Inkraftreten der VO in 2013 sukzessive wirksam geworden (oder werden es erst in Zukunft). S. für die Besicherungsregelungen z. B. BdB-EMIR-Besicherungsdoku, A.6. 1811) Näher oben Rn. 283.

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a) Nicht-zentral geclearte OTC-Derivate 432 Bei nicht-zentral geclearten OTC-Derivaten ist die zwischen den Parteien abzuschließende (bilaterale) DRV-D-Dokumentation zu ergänzen durch den DRV-D-EMIR-Anhang1812) und die DRV-D-EMIR-Besicherungsdokumentation.1813) b) Zentral geclearte OTC-Derivate 433 Auch bei zentral-clearingpflichtigen Derivate-Kontrakten schließen die Parteien zunächst bilateral einen Vertrag auf Basis der DRV-D-Dokumentation. Um das Geschäft sodann in ein zentrales Clearing zu überführen, sind allerdings weitere (vertragliche) Zwischenschritte erforderlich. Die Anzahl dieser Schritte hängt von dem Modell ab, mittels dessen die Parteien an die CCP angebunden sind. Für die CCP-Anbindung kommen die folgenden drei Modelle in Betracht,1814) die zu ein-, zwei- oder dreistufigen Vertragsbeziehungen in der Clearingkette führen: x

CM-Modell zwischen CCP und Clearingmitglied (CM) (einstufig)

x

K-Modell zwischen CM und Kunde (K) (zweistufig)

x

IK-Modell zwischen K und Indirekter Kunde (IK) (dreistufig).1815)

434 Das Original-Geschäft muss – im Falle des CM-Modells – durch zwei neue Kontrakte ersetzt werden, in denen die CCP jeweils die spiegelbildliche Gegenposition zu derjenigen der (wirtschaftlichen) Parteien einnimmt. Beim K-Modell erhöht sich die Anzahl der (spiegelbildlichen, eine Clearingkette bildenden) Kontrakte auf vier, weil hier entsprechende Verträge zwischen den Kunden und ihren CM zu schließen sind1816) (und beim IK-Modell auf sechs wegen der zusätzlichen Verträge zwischen K und IK). ___________ 1812) Der DRV-D-EMIR-Anhang dient generell der Erfüllung der EMIR-Risikominderungspflichten (s. oben Rn. 292). Der Anhang ermöglicht es den Parteien z. B., den Clearingpflichtstatus ihrer jeweiligen Gegenpartei zu erfahren (Nr. 3), EMIR-Meldepflichten zu erfüllen (Nr. 4), Einzelabschlüsse rechtzeitig zu bestätigen (Nr. 5), einen Portfolio abgleich durchzuführen (Nr. 6) und Streitbeilegungsverfahren zu vereinbaren (Nr. 7). Näher: Beb-EMIR-Anhang. Vgl. zum ISDA-Lösungsvorschlag über EMIR Protokolle: Zeyer-Finanzderivate-Dittrich/Fried § 33 Ran. 53. 1813) Die DRV-D-EMIR-Besicherungsdokumentation dient zusätzlich der Erfüllung der aus EMIR-DelVO 2016/2251/EU resultierenden Pflichten (s. oben Rn. 292 f.). Die Dokumentation besteht aus dem Besicherungsanhang für Variation Margin (VM-BSA) und der Zusatzvereinbarung Besicherungsvarianten (Versionen 2013 und 2018) sowie dem Besicherungsanhang für Initial Margin (IM-BSA) und (länderspezifische) Zusatzvereinbarungen (Version 2020). VM-BSA und IM-BSA sind ähnlich strukturiert wie der DRV-D-BSA (s. dazu oben Rn. 429), tragen aber (zusätzlich) den Anforderungen der EMIR Rechnung. Näher: BdB-EMIR-Besicherungsdoku. 1814) S. oben Rn. 289. 1815) U. U. möglich sind auch 4-stufige Modelle (näher: BdB-Clearing-Rahmenvereinbarung). 1816) Zerey-Finanzderivate-Dittrich/Fried, § 33 Rn. 4.

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III. Derivate

Die Vertragsbeziehungsebenen zwischen CCP und CM sowie zwischen CM 435 und K (bzw. K und IK) sind unterschiedlich ausgestaltet. Die Beziehung zwischen CCP und CM wird durch das Regelwerk der CCP bestimmt, das wiederum stark durch EMIR determiniert ist.1817) Die direkte (bzw. indirekte) vertragliche Beziehung zwischen CM und K (bzw. IK) kann von den Parteien – im Rahmen der EMIR-Vorgaben1818) – ausgehandelt werden. Dafür stehen Muster für Kunden-Clearing-Rahmen-Vereinbarungen (KCRV) zur Verfügung, die von einzelnen CCP1819) oder Derivate-MRV-Sponsoren1820) entwickelt wurden. Z. B. überführt der von der DK gesponserte KCRV (DK-KCRV)1821) das zunächst bilateral zwischen den (wirtschaftlichen) Parteien unter einem DRV-D (oder einem anderen Derivate-MRV) geschlossene Geschäft in die KCRV – und zwar dergestalt, dass mit Aufnahme in ein CCP-Clearingsystem das originär bilateral geschlossene Geschäft erlischt und als Kontrakt1822) unter der KCRV (doppelt und spiegelbildlich) neu begründet wird.1823) Wohlgemerkt wird nur das einzelne Derivategeschäft ersetzt; der bilaterale Rahmenvertrag ___________ 1817) Zerey-Finanzderivate-Dittrich/Fried, § 33 Rn. 55. 1818) Diese EMIR-Vorgaben werden ggf. durch CCP-Regularien ausdifferenziert und verlangen von den angeschlossenen CM bestimmte Vereinbarungen mit ihren Kunden. 1819) Z. B. die für LCH.Clearnet Ltd. von einer Gruppe von Clearingmitgliedern entwickelte LCH-Kundenclearing-Dokumentation, die auf verschiedenen Standard-Vertragsdokumentationen für bilaterale Geschäfte aufsetzt. 1820) Letztere sind sog. agnostische KCRV, die das Clearing über unterschiedliche CCP ermöglichen (Zerey-Finanzderivate-Dittrich/Fried, § 33 Rn. 64). Vgl. zum Client Cleared OTC Derivatives Addendum von ISDA und FOA (Futures and Options Association), das vornehmlich in den USA benutzt wird: Zerey-Finanzderivate-Dittrich/Fried, § 33 Rn. 82 f. 1821) Die DK-KCRV besteht aus der Clearing-Rahmenvereinbarung (Versionen 2013 und 2019) selbst sowie folgenden Anhängen: · KCRV-Besicherungsanhang. · CCP-Anhänge (z. B. Anhänge veröffentlicht von LCH.Clearnet, ICE Clear Europe, EUREX) – die Anhänge enthalten ergänzende (und damit speziellere) Bestimmungen, die für Geschäfte gelten, die über die jeweilige CCP gecleart werden, an die Bedingungen dieser CCP anknüpfen und den allgemeineren Bestimmungen der DKKCRV vorgehen. · Anhang für indirektes Clearing – mittels dieses Anhangs wird die unmittelbar für den Fall des K-Modells geltende DK-KCRV für das IK-Modell (indirektes Clearing) geöffnet. Außerdem ist der Clearing-Anhang zu nennen. Dies ist zwar ein Anhang zum DRV-D (und nicht zur KCRV). Er ist aber Schnittstelle zwischen DRV-D und DK-KCRV. Durch ihn werden unter dem DRV-D bilateral abgeschlossene Geschäfte, die gecleart werden sollen, aus dem DRV-D in die für das Clearing vorgesehene DK-KCRV überführt sowie Regelungen für den Fall einer Nichtaufnahme in oder eine nachträgliche Herausnahme aus dem Clearing getroffen. 1822) Die DK-KCRV unterscheidet bewusst begrifflich zwischen bilateralen Geschäften und aus der Überführung der Geschäfte resultierenden Kontrakten (vgl. BdB-ClearingRahmenvereinbarung, II.1.1). 1823) DK-KCRV Nr. 1 (3) sowie Clearing-Anhang Nr. 3 (2): Eine Metamorphose, wie man sie ansonsten aus der Insektenwelt von Raupe und Schmetterling kennt.

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zwischen den (wirtschaftlichen) Parteien einerseits und die KCRV zwischen jeder Partei und ihrer CM andererseits bestehen nebeneinander fort.1824) 436 Die wichtigsten für eine KCRV zu regelnden Aspekte betreffen die bekannten derivaterechtlichen Schlüsselfragen bzgl. CoN und Besicherung1825) sowie die aus der Clearingkette resultierenden neuen Fragen nach den Auswirkungen des Ausfalls von CM und/oder CCP auf die (wirtschaftlichen) Parteien. Diese Fragen werden einerseits in Parallele zu den Regelungen des DRV-D gelöst,1826) andererseits nach dem Credo, dass das Regelwerk der CCP den Bestimmungen der DK-KCRV vorgehen bzw. im Verhältnis zwischen CM und K entsprechend angewendet werden soll.1827) 5. Rechtliche Wirksamkeit der Derivate-Dokumentation 437 Im Zusammenhang mit Derivate-MRV stellen sich zwei Schlüsselfragen, nämlich, ob das CoN und ob die Sicherheiten wirksam vereinbart (und die daraus

___________ 1824) Dies ist schon deshalb erforderlich, weil es zum Declearing (d. h. ein zum zentralen Clearing vorgesehenes Derivategeschäft wird aus welchem Grund auch immer doch nicht zentral gecleart) und zur Rückübertragung der Kontrakte auf die (wirtschaftlichen) Parteien kommen kann (vgl. DK-KCRV Nr. 1 (8) und (9) und Zerey-Finanzderivate-Dittrich/Fried, § 33 Rn. 69). Klarmachen muss man sich aber folgendes: Das von der DK-KCRV propagierte System führt dazu, dass das OTC-Derivategeschäft einer Partei aufgespalten wird in einen clearingpflichtigen und einen nicht-clearingpflichtigen Teil mit jeweils unterschiedlichen Verträgen und daraus resultierend unterschiedlichen CoNZirkeln und Sicherheitenportfolios. Diese Fragmentierung kann dazu führen, dass die Gläubiger einer insolventen Partei in der Gesamtheit schlechter dastehen, als sie es ohne die Aufteilung täten. Auch kann das aus parallelen Verträgen folgende höhere Besicherungserfordernis zu erhöhter Nachfrage nach Sicherheiten führen und diese teurer machen (vgl. Litten/Schwenk, DB 2013, 857). 1825) Vgl. zu diesen Kernfragen oben Rn. 423 ff. und unten Rn. 437 ff. 1826) Insbesondere die CoN-Regelungen der DK-KCRV in Nr. 4 – 6 entsprechen weitgehend denjenigen des DRV-D. 1827) DK-KCRV Nr. 1 (4). Namentlich für die Besicherung bestimmt DK-KCRV in Nr. 2 und 3, dass die CM die IM- und VM-Anforderungen, die die jeweilige CCP an sie stellt, in dieser Höhe auch gegenüber dem Kunden geltend machen soll. Für den Ausfall der CM legt DK-KCRV Nr. 7 fest, dass die CoN-Regelungen derart modifiziert angewendet werden, dass das Porting der Positionen auf eine andere CM unter Beachtung der anwendbaren Kontentrennungsmodelle und in Übereinstimmung mit den CCPRegularien (vgl. dazu oben Rn. 289) ermöglicht wird. Die Insolvenz der CCP führt zur automatischen Beendigung derjenigen Geschäfte, die über diese CCP gecleart werden (DK-KCRV Nr. 8 (1)).

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resultierenden Forderungen durchsetzbar) sind.1828) Diese Schlüsselfragen werden vor allem dann relevant, wenn eine Partei insolvent ist und neben das i. d. R. dispositive Vertragsrecht die zwingenden Regelungen des anwendbaren nationalen Insolvenzrechts treten. Da die Parteien nicht selten in unterschiedlichen Staaten sitzen und unterschiedliche Derivate-MRV unterschiedliche Rechtsordnungen für anwendbar erklären,1829) ergeben sich bei der Beantwortung der Schlüsselfragen IPRechtliche Vorfragen. Zu prüfen ist dann: Würden die Gerichte des Sitzstaats der insolventen Partei die Forderungen der solventen (ausländischen) Partei anerkennen und vollstrecken? Die Derivate-MRV-Sponsoren beauftragen seit Jahrzehnten Juristen mit der Er- 438 stellung von Rechtsgutachten zur Beantwortung der Schlüsselfragen aus dem Blickwinkel unterschiedlicher Rechtsordnungen und lassen die Gutachten kontinuierlich aktualisieren.1830) Neben diese Derivate-MRV-Rechtsgutachten sind in jüngerer Zeit weitere Typen von Gutachten getreten, deren Anlass aufsichtsrechtliche Vorgaben sind, namentlich die EMIR-Besicherungspflicht1831) und Regelungen in der CRR, die Kreditinstituten in näher umschriebenen Konstellationen eine Erleichterung der Eigenkapitalbelastung erlauben, wenn sie den Nachweis der rechtlichen Wirksamkeit bestimmter vertraglicher Vereinbarungen führen können.1832) Diese aufsichtsrechtlich veranlassten Rechts___________ 1828) Weiter ausdifferenziert lauten die Fragen regelmäßig: Ist der Derivate-MRV generell wirksam (da Derivate-MRV im deutschen Recht als AGB gelten (E/B-BankrechtReiner/Scholl, § 94 Rn. 356), sind bei der Prüfung grds. AGB-rechtliche Aspekte zu berücksichtigen)? Ist der MRV (auch) ggü. einer speziellen Art von Partei wirksam (z. B. Bundesbank, EZB) oder ist er einer Partei gegenüber unwirksam, weil diese ein Derivategeschäft unter Überschreitung ihrer Kompetenzen abgeschlossen hat (sog. Ultra Vires – näher: E/B-Bankrecht-Reiner/Scholl, § 94 Rn. 104 – 120 und H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Apfelbacher/Kopp, § 27.18 – 21)? Ist insbesondere CoN wirksam oder steht es im Konflikt mit dem Insolvenzrecht als zwingendem Recht? Macht es dabei einen Unterschied, ob das Derivategeschäft von einer Partei über eine Zweigstelle in einem anderen Staat abgeschlossen wurde (Multibranch Netting)? Ist insbesondere die Sicherheitenbestellung (Margining) wirksam? Muss befürchtet werden, dass die Sicherheitenbestellung in ein (im Insolvenzverfahren schwächeres) Recht umgedeutet wird? Können die Sicherheiten in das CoN miteinbezogen werden? Kann die Sicherheitenbestellung und/oder das CoN angefochten werden? Zur früher relevanten Frage des Spieleinwands s. oben Rn. 282. 1829) ISDA sieht für den Mastervertrag und seine Anhänge die Wahl englischen oder NY Rechts vor (es gibt inzwischen aber auch ISDA Masterverträge nach irischem und französischem Recht und Sicherheitendokumente nach französischem, irischem, japanischem, luxemburgischem und belgischem Recht), der DRV sieht deutsches Recht vor. Nur beim EMA können die Parteien aus einer breiten Palette möglicher Rechtsordnungen für den gesamten Vertrag frei auswählen. 1830) Vgl. Zerey-Finanzderivate-Fried, § 25. 1831) S. oben Rn. 292. EMIR-DelVO 2016/2251/EU verlangt eine kontinuierliche rechtliche Überprüfung der Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit der Vertragsdokumentation bzgl. Netting und Besicherung (Art. 2 (3) und (4)) und Segregierung (Art. 19 (6)). Näher BdB-EMIR-Besicherungsdoku, A.8. 1832) Folgende Regelungen sind vor allem relevant: · CRR Art. 194 (Gegenstand: Anerkennung von Kreditrisikominderungstechniken): Nachweis, dass die von einem Kreditinstitut zur Besicherung seiner Forderungen eingesetzten Verfahren in allen relevanten Rechtsräumen wirksam und durchsetzbar sind.

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gutachten variieren die bekannten Schlüsselfragen, beschäftigen sich aber auch mit neuen Problemen, etwa der Wirksamkeit der Kontentrennung oder des Portings.1833) 439 Alle Rechtsgutachten folgen einem prinzipiell ähnlichen Aufbau: Sie bestimmen zunächst aus der Perspektive der IPRechtlichen Regeln der behandelten Rechtsordnung, welches materielle Recht anwendbar ist und wenden es anschließend auf die Schlüsselfragen an (soweit es ihre Rechtsordnung betrifft). Im Folgenden werden aus der Perspektive des deutschen Rechts die Antworten auf die Fragen nach der Wirksamkeit von Derivate-MRV-typischen Vereinbarungen bzgl. CoN und Sicherheitenbestellung dargestellt. a) Close-out Netting 440 Hauptziel von CoN ist, dass der Insolvenzverwalter der insolventen Partei nur mit einer Gesamtforderung (Final Settlement Amount) konfrontiert ist, die eine Forderung der Masse oder gegen sie gerichtet sein mag, aber in jedem Fall ein Insolvenzverwalterwahlrecht (Cherry Picking) hinsichtlich der einzelnen Transaktionen ausgeschlossen ist.1834) 441 IPRechtlicher Anknüpfungspunkt für die Prüfung des anwendbaren Rechts ist deshalb die Insolvenz. Im deutschen IPR gibt es zwei insolvenzrechtliche Kollisionsnormenregimes: Die (vorrangig geltende) EIR und die (vor allem im Fall der Insolvenz eines Finanzakteurs anwendbaren) InsO §§ 335 ff.1835) Obwohl beide Regimes dem gleichen Grundsatz folgen, dass nämlich für grenz___________ CRR Art. 296 (Gegenstand: Anerkennung vertraglicher Nettingvereinbarungen): Nachweis, dass in allen relevanten Rechtsräumen (Sitzstaaten der Parteien (oder einer Zweigstelle) und Vertragsstatut) ein CoN (für einzelne Produktkategorien oder produktübergreifend) wirksam und durchsetzbar ist. · CRR Art. 305 (Gegenstand: Behandlung der Risikopositionen der Kunden von CM, genauer: Ob ein Institut, das Kunde eines CM ist, die Eigenmittelanforderungen für seine Handelsrisikopositionen aus zentralgeclearten Geschäften mit seinem CM nach (den die Belastung erleichternden Regeln des) Art. 306 berechnen darf): Nachweis, dass in allen relevanten Rechtsräumen folgende Regelungen rechtswirksam und durchsetzbar sind: Dass (i) die mit diesen Geschäften zusammenhängenden Positionen des K auf Ebene des CM und der CCP von den Positionen des CM bzw. seiner anderen Kunden abgegrenzt und bei Ausfall des CM bzw. seiner anderen Kunden insolvenzgeschützt sind; und (ii) die für den K oder die CCP geltenden Vorschriften und vertraglichen Vereinbarungen die Übertragung der Positionen (samt der zugehörigen Sicherheiten) auf ein anderes CM innerhalb der maßgeblichen Nachschuss-Risikoperiode zulassen, wenn das ursprüngliche CM ausfällt. 1833) S. oben Rn. 291. Die in CRR Art. 194 und Art. 296 gestellten Anforderungen dürften durch die typischen Derivate-MRV erfüllt sein (Zerey-Finanzderivate-Fried, § 16 Rn. 23 f.). 1834) S. oben Rn. 428. 1835) S. oben Rn. 371 f. Auch dieses Ergebnis kann man freilich problematisieren, wenn man argumentiert, dass CoN doch gerade vor Insolvenzeröffnung stattfindet. Jedoch müssen insolvenzrechtlichen Kollisionsnormen vernünftigerweise für alle Sachverhalte gelten, die eng mit dem Insolvenzverfahren verknüpft sind (vgl. EIR EG (6)) und das ist bei dem – insolvenzveranlassten – CoN sicherlich der Fall. ·

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überschreitende Sachverhalte das Insolvenzrecht desjenigen Staats gilt, in dem das Insolvenzverfahren (rechtmäßig, d. h. von einem international zuständigen Gericht) eröffnet wurde,1836) kommen sie im Falle des vertraglichen CoN zu einem unterschiedlichen (Zwischen-)Ergebnis: Gemäß der Sonderanknüpfung von InsO § 340 (2) unterliegen Schuldumwandlungsverträge und Aufrechnungsvereinbarungen dem Recht des Staats, das für diese Verträge maßgebend ist, also z. B. im Falle des ISDA-MRV das gewählte englische oder NYer Recht.1837) Eine vergleichbare Sonderanknüpfung enthält die EIR nicht, so dass es im Falle ihrer Anwendbarkeit bei dem aus EIR Art. 7 resultierenden Grundsatz bleibt, wonach die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit der vertraglichen CoN in einem deutschen Insolvenzverfahren nach (materiellem) deutschen Insolvenzrecht zu beurteilen ist.1838) In Fällen, in denen die EIR gilt, ist folglich zu prüfen, ob die Berechnung des 442 Final Settlement Amount, wie sie in den vertraglichen CoN-Bestimmungen eines Derivate-MRV vorgesehen ist, mit dem deutschen materiellen Insolvenzrecht vereinbar und deshalb wirksam und vollstreckbar ist. Diese (in vielerlei Hinsicht komplexe) Frage ist – auf der Grundlage der jüngeren Rechtsprechung des BGH und daraus resultierender Gesetzesänderungen – für die gängigen Derivate-MRV bejahend zu beantworten, allerdings mit Einschränkungen. Voraussetzung für die Wirksamkeit vertraglichen CoNs ist zunächst eine Beendigung der Derivateverträge vor Insolvenzeröffnung, was regelmäßig sicher nur durch eine automatische Beendigung sämtlicher unter dem Rahmenvertrag geschlossener Verträge für den Fall erreichbar ist, dass ein (nicht unbegrün___________ 1836) EIR Art. 7, InsO § 335. 1837) Nach anderer Auffassung ist die Regelung so auszulegen, dass unter Umgehung der gewählten Rechtsordnung direkt auf die Regelungen des Vertrags verwiesen wird (vgl. die bei Zerey-Finanzderivate-Fried, § 23 Rn. 8 genannten Stimmen). 1838) S. zu weiteren Detailfragen in diesem Zusammenhang, namentlich der Anwendung von EIR Art. 6 und 9: Zerey-Finanzderivate-Fried, § 23 Rn. 5. Ein weiterer Unterschied zwischen EIR und InsO §§ 335 ff. besteht darin, dass EIR Art. 8 vorsieht, dass dingliche Rechte eines Gläubigers oder eines Dritten an Gegenständen des Schuldners, die sich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Hoheitsgebiet eines anderen EU Mitgliedstaats befinden, von der Eröffnung des Verfahrens nicht berührt werden. Die InsO kennt eine solche Regelung nicht, so dass im Falle der Nichtanwendbarkeit der EIR das deutsche Insolvenzrecht auch auf solche Rechte Anwendung findet. Das folgt aus dem im deutschen Insolvenzrecht herrschenden Grundsatz der (eingeschränkten) Universalität (vgl. ISDA Collateral Provider Insolvency Opinion C.17.3). Zudem ist EIR Art. 16 zu beachten, wonach das gem. Art. 7 (2)m grds. auch für Fragen der Anfechtung geltende lex fori concursus dann nicht anwendbar ist, wenn eine Partei, die durch eine die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Handlung begünstigt wurde, nachweist, dass a) für diese Handlung das Recht eines anderen Mitgliedstaats als des Staates der Verfahrenseröffnung maßgeblich ist und b) diese Handlung im vorliegenden Fall in keiner Weise nach dem Recht dieses EU Mitgliedstaats angreifbar ist. In diesem Fall muss auch das Insolvenzrecht des betroffenen anderen EU Mitgliedstaats umfassend berücksichtigt werden (EuGH, v. 15.10.2015 – C-310/14 – Nike/Sportland). Näher auch zu der weiterführenden Frage, wie mit einem Sachverhalt umzugehen ist, in dem der Inhaber des Anfechtungsrechts aus einem Nicht-EU Mitgliedstaat stammt: ISDA Netting Opinion 3.3.3.

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deter) Insolvenzantrag gegen eine Partei gestellt wird – andernfalls greifen zwingend die Regelungen der InsO §§ 103 ff.1839) Eine solche, in den DerivateMRV typischerweise enthaltene sog. insolvenzbezogene Lösungsklausel würde (nach Ansicht des BGH) gegen InsO §§ 119, 104 verstoßen, wenn ihre Regelungen nicht mit gesetzlichen deutschen Regelungen korrespondierten. Das ist bei MRVen für Repos und die meisten Derivate angesichts des Wortlauts von InsO § 104 (jedenfalls in der dieser Vorschrift durch jüngste Gesetzesänderungen gegebenen Form) grds. der Fall, nicht aber z. B. bei physisch abgewickelten Derivaten. D. h., dass die insolvenzbedingte Beendigung aller unter dem fraglichen Derivate-MRV laufenden Einzelgeschäfte (und damit die wichtigste Voraussetzung für die Berechnung des Final Settlement Amount) nach deutschem Recht wirksam ist, solange Gegenstand des Derivate-MRV in InsO § 104 genannte (und insofern als privilegiert zu bezeichnende) Geschäftsarten sind.1840) Der Insolvenzverwalter hat die Existenz dieser Gesamtforderung (ob

___________ 1839) Wie oben in Rn. 71 näher erläutert wird die klare Trennung zwischen Vor- und NachInsolvenz durch vielfältige Rechtsentwicklungen allerdings zunehmend verwischt. Dies gilt insbesondere für Finanzakteure, hinsichtlich derer die Behörden schon vor Insolvenzeröffnung Maßnahmen verhängen können, die eine der Insolvenzeröffnung ähnliche Wirkung haben (gesetzliche Grundlagen für solche vor-insolvenzrechtlichen Maßnahmen bieten KWG §§ 45, 46 (1), 46g; SAG §§ 36 – 39 und 89 – 135; SRMR Art. 7 (3); VAG § 314; KAGB § 43). Auf Grundlage des StaRUG (insbesondere §§ 49 ff.) sind vorinsolvenzrechtliche Maßnahmen auch in Bezug auf Nicht-Finanzakteure möglich. Auch diese vor-insolvenzrechtlichen Maßnahmen können das Ziel von CoN konterkarieren, etwa indem sie dazu führen, dass der Zustand der vertraglichen Beziehungen des betroffenen Schuldners (vorübergehend) eingefroren wird. Der Gesetzgeber hat dieses Problem zumindest bei einigen Gesetzen bedacht (vgl. SanInsFoG-Gesetzesbegründung, S. 159) und entsprechende Ausnahmeregelungen vorgesehen (KWG § 46d (3); StaRUG §§ 56 (2), 44 (3); SAG § 93), die die Durchführung von CoN auch im Falle der Verhängung entsprechender vorinsolvenzrechtlicher Maßnahmen ermöglichen. Generell sprechen der Grundsatz, dass deutsche Gesetze richtlinienkonform auszulegen sind (s. oben Rn. 28) und die Regelungen der Finalitäts- und Finanzsicherheiten-RiLi, wonach CoN weitgehend möglich sein soll (s. oben Rn. 356 ff.) dafür, diese Rechtsgrundlagen für vor-insolvenzrechtliche Maßnahmen so auszulegen, dass CoN nicht beinträchtigt wird, selbst wenn eine entsprechende ausdrückliche Regelung in dem einschlägigen Gesetz nicht vorhanden ist (s. ausführlich zu den vor-insolvenzrechtlichen Maßnahmen im deutschen Recht: ISDA Netting Opinion D.5). 1840) Dieses Ergebnis ist vor folgendem Hintergrund zu verstehen: Der EU Gesetzgeber forderte die EU Mitgliedstaaten 2002 ausdrücklich auf, CoN rechtlich abzusichern (FCD EG (14)) und unterstrich die Bedeutung von CoN in jüngerer Zeit durch regulatorische Eigenkapitalregelungen, die bei Nachweis wirksamer CoN-Vereinbarungen Finanzakteuren erhebliche Erleichterungen gewähren (s. oben Rn. 438).

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gegen oder für die Masse) hinzunehmen,1841) ein Cherry Picking1842) gem. InsO § 103 ist ihm ebenso versagt wie eine Berechnung eines Final Settlement Amount gem. InsO § 104.1843) ___________ Der deutsche Gesetzgeber war schon 1994 (vermeintlich) einen Schritt weiter, als er mit dem § 137 des Entwurfs der InsO (später als InsO § 104 übernommen) ein gesetzliches CoN schuf, dessen Zweck darin bestand (und besteht), insolvenzveranlasste Vertragsauflösungen zu ermöglichen (InsO-Gesetzesbegründung, S. 170). InsO § 104 ist als Ausnahmeregelung zu der das Insolvenzverwalterwahlrecht konstituierenden Regelung des InsO § 103 konzipiert und sieht – gerade nach seiner jüngsten Reformierung in 2016 – ein dem vertraglichen CoN der Derivate-MRV in vielerlei Hinsicht ähnliches Verfahren vor: Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann für alle schwebenden Geschäfte, die unter einem Rahmenvertrag zusammengefasst sind, nicht mehr Erfüllung verlangt werden, sondern nur Schadenersatz wegen Nichterfüllung in Höhe einer sich aus der Saldierung der Marktwerte der einzelnen Geschäfte ergebenden Forderung. Allerdings kann die nach den gesetzlichen Vorgaben vorzunehmende Berechnung der Marktwerte zu Ergebnissen führen, die von denjenigen abweichen, die nach rahmenvertraglichen Parametern ermittelt werden. Dies führt dazu, dass auch deutschen Marktteilnehmern daran gelegen ist, dass ein CoN nach den Vorgaben des jeweiligen Rahmenvertrags erfolgt und nicht nach denjenigen von InsO § 104. Da InsO § 119 eine Vereinbarung, die InsO § 104 beschränkt oder ausschließt, für unwirksam erklärt, und das gesetzliche CoN automatisch im Moment der Eröffnung des Verfahrens vollzogen wird, lässt sich das gewünschte Ergebnis nur dann erzielen, wenn das vertragliche CoN vor der Insolvenzeröffnung stattfindet. Deshalb knüpfen die Derivate-MRV für die (automatische, d. h. keiner weiteren Kündigung bedürfenden) Auslösung des CoN üblicherweise an die Stellung des Antrags auf Insolvenzverfahrenseröffnung an. Zudem enthalten die Vertragsklauseln Regelungen, die sicherstellen sollen, dass ungerechtfertigte Anträge unbeachtlich bleiben (vgl. DRV-D Art. 7 (2)). Die jüngste Reform von InsO § 104 war durch zwei Urteile des BGH (v. 9.6.2016 – IX ZR 314/14, NJW 2016, 2328 und v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, ZIP 2013, 274) ausgelöst worden, in denen der BGH die Wirksamkeit insolvenzbedingter Lösungsklauseln unter Hinweis auf InsO § 119 stark einschränkte. Dies führte erwartungsgemäß zu Verunsicherung im Derivatemarkt, der die das zweite Urteil antizipierende BaFin noch am Verkündungstag mit dem Erlass einer bis zum 31.12.2016 befristeten, das rahmenvertragliche CoN absichernden Allgemeinverfügung begegnete, die es dem Gesetzgeber ermöglichte, bis zum Jahresende 2016 klarzustellen, dass Lösungsklauseln zumindest in Rahmenverträgen über Finanzleistungen zulässig sind (was dann auch geschah). Mit dieser Reform gilt die Frage nach der möglichen generellen Unwirksamkeit von vertraglichem CoN im deutschen Recht nach (richtiger) Ansicht des BdB als (endgültig) gelöst: Vertragliches CoN hält (vgl. BdB-DRV-Änderungsvereinbarung 2018)! A. A.: Lehmann/Flöther/Gurlit, WM 2017, 597. Ausführlich und differenzierend: ISDA Netting Opinion D.4. 1841) InsO §§ 94 – 96. Im Grundsatz gilt: Bestand eine (gesetzliche oder vertragliche) Aufrechnungslage vor Verfahrenseröffnung, kann auch nach Verfahrenseröffnung aufgerechnet werden, andernfalls nicht. Allerdings ist Insolvenzanfechtung dadurch nicht grds. ausgeschlossen, wobei ihre Erfolgsaussichten umso größer sind, je mehr eine vertragliche CoN-Regelung vom gesetzlichen Leitbild der InsO § 104 abweicht (vgl. ZereyFinanzderivate-Fried, § 22 Rn. 19). 1842) S. oben Rn. 428. 1843) Aus deutscher Sicht gilt dies auch für das sog. Multibranch Netting, d. h. in einer Situation, wo Parteien Derivatetransaktionen unter einem MRV unter Einbeziehung mehrerer Niederlassungen in unterschiedlichen Staaten abschließen. Hier ist der Fall denkbar, dass CoN von der Rechtsordnung, in der das Insolvenzverfahren über eine Partei eröffnet wurde, akzeptiert wird, nicht aber von der Rechtsordnung des Staats, in dem sich eine Niederlassung dieser Partei befindet (vgl. Zerey-Finanzderivate-Fried, § 23 Rn. 16 f.).

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443 Eine weitere Frage ist, ob die Ergebnisse der Durchführung eines CoN grds. der insolvenzrechtlichen Anfechtung1844) unterliegen. Diese Frage wurde von deutschen Gerichten bisher nicht entschieden und ist in der Literatur umstritten. Nach einer (auch hier vertretenen) Ansicht sprechen die besseren Argumente dafür, dass der Gesetzgeber die in den Anwendungsbereich von InsO § 104 fallenden Derivate-MRV privilegieren und deshalb auch der Anfechtbarkeit grds. entziehen wollte.1845) b) Sicherheitenstellung 444 Sicherheitennehmer haben ein verständliches Interesse daran, dass die Sicherheitenbestellung in der vorgenommenen Form wirksam ist und die Sicherheiten im Wege der Einzel-ZV oder im Insolvenzverfahren verwertet werden können. 445 Die IPRechtliche Vorfrage nach dem auf die Sicherheitenbestellung anwendbaren Recht ist aus deutscher Perspektive differenziert danach zu beantworten, um welche Art von Sicherheitenobjekt (Immobilie, Mobilie, Recht) und Sicherheitenrecht (Pfandrecht, Sicherungsübertragung, Vollrechtsübertragung) es sich handelt.1846) Da dingliche Sicherheitenrechte der freien Rechtswahl entzogen sind, kann es – z. B. bei der ISDA-Dokumentation, die i. d. R. nur die Auswahl zwischen englischem und NYer Recht ermöglicht1847) – zur Bestellung von Sicherheiten unter einem aus deutscher Perspektive unanwendbaren Recht kommen. Wenn dann auch noch die Umqualifizierung des ausländischen Sicherheitenrechts in ein äquivalentes deutsches Sicherheitenrecht misslingt,1848) muss der Sicherheitennehmer damit rechnen, seine Sicherheiten in Deutschland nicht verwerten zu können.1849) 446 Die Wirksamkeit der Bestellung von Sicherheiten nach deutschem (materiellem) Recht beurteilt sich ebenfalls nach der Art des Sicherheitenobjekts und des Sicherheitenrechts und der Beachtung der jeweiligen personen-, schuld- und sachenrechtlichen Voraussetzungen.1850) Wirksam bestellte Sicherheiten können bei Vorliegen der Voraussetzungen im Wege der Einzel-ZV oder nach Maßgabe der insolvenzrechtlichen Regelungen verwertet werden.1851) Von beson___________ 1844) 1845) 1846) 1847) 1848) 1849)

S. oben Rn. 371. S. zum Stand der Diskussion: ISDA Netting Opinion D.4.5. S. oben Rn. 355 ff. Vgl. oben Rn. 441. S. zu dieser sog. Transpositionslehre oben Rn. 364. Deshalb wird auch in ISDA Collateral Provider Insolvency Opinion C.3.2 von der Nutzung bestimmter ISDA Sicherheitendokumente im deutschen Rechtsverkehr abgeraten, ohne diese Dokumente an deutsche Rechtsgegebenheiten anzupassen. 1850) S. oben Rn. 363 f. 1851) S. oben Rn. 365 ff. Allerdings trifft der Hinweis von Zerey-Finanzderivate-Behrends, § 6 Rn. 72 zu, dass zumindest bei Sicherheitenstellung im Wege der Vollrechtsübertragung von Verwertung i. e. S. nicht gesprochen werden kann, die Sicherheiten vielmehr in die Berechnung des Final Settlement Amount miteinbezogen werden (s. oben in Rn. 427 ff.).

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derer Bedeutung (und deshalb Gegenstand der Erörterung in den Rechtsgutachten) ist die Frage nach einer möglichen Umqualifizierung einer Vollrechtsübertragung von Finanzsicherheiten durch deutsche Gerichte in eine andere Form von Sicherheit. Dies könnte zur Folge haben, dass der Sicherheitennehmer sein Aussonderungsrecht und/oder alleiniges Verwertungsrecht verlöre und ggf. Feststellungs- und Verwertungskosten an die Masse abführen müsste (Haircut).1852) Diese Frage ist jedoch zu verneinen.1853) Ebenso wie beim CoN stellt sich die Frage der Anfechtbarkeit durch den Insol- 447 venzverwalter auch bzgl. der Sicherheitenbestellung. Aus Sicht der Sicherheitennehmer besonders gefährlich ist eine Anfechtung gem. InsO § 130, wonach dem Sicherheitennehmer zustehende Leistungen (kongruente Deckung) innerhalb von drei Monaten vor Antragsstellung von dem Insolvenzverwalter angefochten werden können, wenn der Schuldner bei Sicherheitenbestellung bereits zahlungsunfähig war und der Sicherheitennehmer dies wusste.1854) Schutz vor einer solchen Anfechtung bietet FCD Art. 8,1855) der in InsO § 130 (1) S. 2 umgesetzt wurde, und die Anfechtung ausschließt, „… soweit die Rechtshandlung auf einer Sicherungsvereinbarung beruht, die die Verpflichtung enthält, eine Finanzsicherheit, eine andere oder eine zusätzliche Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes zu bestellen, um das in der Sicherungsvereinbarung festgelegte Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der geleisteten Sicherheiten wiederherzustellen (Margensicherheit).“1856) ___________ 1852) 1853) 1854) 1855) 1856)

S. oben Rn. 371. S. oben Rn. 364. So auch: Zerey-Finanzderivate-Behrends, § 6 Rn. 66. S. oben Rn. 371. S. oben Rn. 358. Allerdings ist man uneinig über den Umfang der Ausnahmeregelung. Einige Autoren (die zugegebenermaßen den deutschen Wortlaut der FCD und der InsO auf ihrer Seite haben) wollen ihr eine eingeschränkte Reichweite geben und die – erstmalige – Bestellung bei Abschluss jeweiligen Finanzgeschäfts ausnehmen, mithin nur eine Nachbesicherung privilegieren (MüKo-InsO-Kayser/Freudenberg, Bd. 2, § 130 Rn. 5b – 5c). Der Sinn einer solchen Einschränkung ist allerdings nicht ersichtlich – warum sollte eine Nachbesicherung privilegiert sein, nicht aber eine Erstbesicherung? Ein Blick in den englischen Wortlaut erlaubt die Einsicht, dass der deutsche Gesetzgeber bei der Formulierung des InsO § 130 (1) S. 2 einem Irrtum unterlegen ist. FCD Art. 8 (3) lautet: „Where a financial collateral arrangement contains: (a) an obligation to provide financial collateral or additional financial collateral in order to take account of changes in the value of the financial collateral or in the amount of the relevant financial obligations, or… Member States shall ensure that the provision of financial collateral, additional financial collateral or substitute or replacement financial collateral under such an obligation or right shall not be treated as invalid or reversed …“ Dieser Text nennt zwei Tatbestandsalternativen: (1) Die Stellung von financial collateral und (2) die Stellung von additional financial collateral in order to take account of changes in the value of the financial collateral. Die erste Tatbestandsalternative deckt offensichtlich auch die Erstbestellung von Finanzsicherheiten ab. Eine richtlinienkonforme Auslegung (dazu oben Rn. 28) sollte deshalb auch die Erstbestellung unter das Privileg von InsO § 130 (1) S. 2 subsumieren (vgl. zum Stand der Diskussion: ISDA Collateral Provider Insolvency Opinion C.18.4).

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IV. Investmentfonds 448 Die an einem Investmentfonds beteiligten Akteure stehen in einem (komplexen) Beziehungsgeflecht zueinander, das seinen Ausdruck in einer Reihe von Vertragsdokumenten findet. Alle drei Elemente – Akteure, Rechtsbeziehungen und Vertragsdokumente – variieren je nach Investmentfondskategorie und insbesondere der gewählten Organisations- und Rechtsform.1857) Der Einfluss des Investmentfondsaufsichtsrechts1858) auf die Ausgestaltung der Verträge ist stark. 1. Investmentfonds-Akteure 449 Investmentfonds müssen ins Leben gerufen werden. Die Initiative zur Aufsetzung eines Investmentfonds kann von einem Investor ausgehen, der sein flüssiges Kapital über eine Fondsstruktur anlegen will. Oder sie geht von einem Initiator (auch Sponsor genannt) aus, der die Investmentfondskategorie festlegt, die Anlagegrundsätze und -gegenstände spezifiziert und die Fonds-Administration in Gang bringt, um sodann Investorengelder einzuwerben. 450 Das Eigenkapital des Investmentfonds wird in jedem Fall durch die Anleger aufgebracht, die Investmentfondsanteile zeichnen und dadurch am Anlagevermögen des Investmentfonds beteiligt sind.1859) 451 Für deutsche Investmentfonds stellt das KAGB zwei Rechtsformen1860) zur Verfügung: Die Investmentgesellschaft (InvG) und das Sondervermögen (SV). Im Falle der InvG – die als Aktiengesellschaft (Inv-AG) oder Kommanditgesellschaft (Inv-KG) ausgestaltet werden kann1861) – verfügt der Investmentfonds über eine eigene Rechtspersönlichkeit, im Falle des SV nicht.1862) Grds. besteht Wahlfreiheit zwischen den Rechtsformen, es sei denn, das Gesetz ordnet für eine bestimmte Investmentfondskategorie eine bestimmte Rechtsform ausdrücklich an.1863) ___________ 1857) S. zu den unterschiedlichen Investmentfondskategorien und zu deren Organisationsformen oben Rn. 303 ff. 1858) S. oben Rn. 296 ff. 1859) S. zur Art dieser Rechtsbeziehung unten Rn. 460 f. 1860) S. zum Begriff der Organisationsform, der von demjenigen der Rechtsform zu unterscheiden ist, oben Rn. 317. 1861) KAGB § 1 (11). Die Inv-AG kann mit veränderlichem (KAGB § 108 ff.) oder fixem (KAGB § 140 ff.) Kapital ausgestaltet werden und die Inv-KG als offene (KAGB § 124 ff.) oder geschlossene (KAGB § 149 ff.). 1862) KAGB § 1 (10). 1863) Das KAGB sieht vor, dass ein Investmentfonds des offenen Typs grds. als SV oder als Inv-AG mit veränderlichem Kapital aufgelegt wird (KAGB § 91 (1) – (3); für AIF steht auch die offene Inv-KG zur Verfügung) und ein Investmentfonds des geschlossenen Typs als Inv-AG mit fixem Kapital oder als geschlossene Inv-KG (KAGB § 139). In der Praxis als Rechtsform für geschlossene (inländische) AIF häufig anzutreffen ist die (extern verwaltete) GmbH & Co. Inv-KG.

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IV. Investmentfonds

Ein Investmentfonds in der Rechtsform des SV bedarf zu seiner Verwaltung 452 notwendigerweise einer Verwaltungsgesellschaft (VG) – die das KAGB für in Deutschland ansässige Unternehmen als Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) bezeichnet.1864) Hat der Investmentfonds die Rechtsform einer InvG, kann er wahlweise von der Geschäftsleitung intern (dann ist die InvG selbst KVG) oder von einer (externen) KVG verwaltet werden.1865) Die VG darf einige dieser Funktionen auf dritte Dienstleister auslagern,1866) z. B. die Portfolioverwaltung (d. h. die Anlageentscheidungen) auf einen Asset Manager oder die Vermarktung der Investmentfondsanteile auf ein Vertriebsunternehmen. Unabhängig von der Rechtsform des Investmentfonds und der (partiellen) 453 Auslagerung von kollektiven Vermögensverwaltungsaktivitäten muss die KVG eine separate Verwahrstelle (VS) mit der Verwahrung des Anlagevermögens betrauen1867), der auch die Kontrolle über die KVG obliegt.1868) 2. Investmentfonds-Rechtsbeziehungen a) Investmentdreieck Zwischen den Anlegern und der KVG kommt ein Investmentvertrag zustan- 454 de,1869) und zwischen der KVG und der VS ist ein Verwahrstellenvertrag abzuschließen, dessen Schutzwirkung sich auf die Anleger erstreckt, weshalb letztere trotz fehlenden ausdrücklichen Vertragsschlusses mit der VS eigene (vertrag-

___________ 1864) Die KVG (umgangssprachlich auch Fondsgesellschaft genannt) muss neben den aufsichtsrechtlichen Anforderungen (s. oben Rn. 299–300) auch eine Reihe spezieller gesellschaftsrechtlicher Anforderungen erfüllen. U. a. muss sie die Rechtsform der AG, GmbH oder KG haben und benötigt einen Aufsichtsrat bzw. Beirat, dessen Mitglieder bestimmte Qualifikationen haben müssen (KAGB § 18). Sie kann mehrere Sondervermögen auflegen und verwalten (KAGB § 92 (3)), und ihr sind neben der kollektiven Vermögensverwaltung weitere (Neben-)Geschäftstätigkeiten erlaubt (KAGB § 20). 1865) KAGB § 17 (2). Zur externen Verwaltung s. KAGB §§ 112 ff., 144 ff. für AGen und §§ 129 ff., 154 ff. für KGen. 1866) Vgl. oben Rn. 300. 1867) KAGB §§ 68 (1), 80 (1). 1868) Die Überwachungs- und Kontrollfunktion der VS äußert sich darin, dass sie zwar Weisungen der KVG zu befolgen, diese Weisungen jedoch zuvor auf ihre Konformität mit Gesetz und Anlagebedingungen zu prüfen hat (KAGB §§ 76, 83). Nicht umfasst ist die Überprüfung, ob Entscheidungen der KVG wirtschaftlich sinnvoll sind (BGH, v. 18.9.2001 – XI ZR 337/00, WM 2001, 2053, 2054). 1869) Allerdings wird in den seltensten Fällen ein Vertrag solchen Namens zwischen den Parteien abgeschlossen. Die investmentvertragliche Rechtsbeziehung entsteht vielmehr durch den Abschluss von Verträgen mit anderem Namen, wobei die Bezeichnung und auch die Art des Zustandekommens je nach gewählter Rechtsform des Investmentfonds variieren (s. unten Rn. 461 ff.).

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C. Kapitalmarktzivilrecht

liche) Ansprüche gegen die VS haben.1870) Diese Vertragsbeziehung zwischen KVG, VS und Anlegern wird als Investmentdreieck bezeichnet.1871) 455 Sowohl der Investmentvertrag als auch der Verwahrstellenvertrag sind entgeltliche Geschäftsbesorgungsverträge,1872) deren Inhalt weitgehend durch das Gesetz bestimmt wird.1873) Der Investmentvertrag verpflichtet die KVG, die dem Investmentfonds zufließenden Geldmittel für Rechnung der Anleger anzulegen und dauerhaft zu verwalten und den Anlegern gegen Zahlung des Ausgabepreises für den Investmentfondsanteil eine Mitberechtigung am Anlagevermögen einzuräumen.1874) Der Verwahrstellenvertrag regelt neben der Verwahrung des Anlagevermögens die Befugnisse und Pflichten der VS bzgl. der Überwachung und Durchführung des ordnungsgemäßen Zahlungsverkehrs für den Investmentfonds, der Ausgabe und Rücknahme von Investmentfondsanteilen, der Berechnung deren Wertes sowie der Sicherstellung, dass die Erträge des Investmentfonds durch die KVG ordnungsgemäß verwendet werden.1875) 456 Neben den Beziehungen im Investmentdreieck können im Rahmen des Investmentgeschäfts weitere Rechtsverhältnisse entstehen: z. B. mag der Investmentfondsinitiator – wenn er nicht selbst die KVG ist – einen Vertrag mit einer sog. Service-KVG schließen, die den administrativen Teil des Investmentfonds übernimmt und möglicherweise das Asset Mangagement mittels eines entsprechenden Vertrags an den Investmentfondsinitiator rückauslagert sowie eine Vertriebsvereinbarung mit einer Vertriebsorganisation schließt.1876) Mit den An-

___________ 1870) Vornehmliche Pflicht der VS ist die Wahrung der Anlegerinteressen, was das Gesetz nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck bringt, dass die VS Ansprüche der Anleger wegen Verletzung des Gesetzes oder der Anlagebedingungen gegen die VG geltend zu machen hat (KAGB §§ 78, 89). Umstritten ist, ob dieses Rechtsverhältnis gesetzlicher Natur ist oder eine Drittwirkung des Verwahrungsvertrags (näher: Hoch/Preller, BKR 2019, 22, 26). 1871) E/B-Bankrecht-Köndgen/Schmies, § 93 Rn. 221. Innerhalb dieses Dreiecks sind auch weitere Vertragsbeziehungen möglich, etwa Beratungsverträge zwischen dem Vermögensverwalter und der Fondsgesellschaft (s. Schäfer/Sethe/Lang, Vermögensverwaltung, § 1 Rn. 9), wobei in solchen Fällen immer auf mögliche Interessenkonflikte zu achten ist. 1872) Wobei diese Geschäftsbesorgungsverträge weitere dienst- bzw. werkvertragliche Elemente haben. Näher: E/B-Bankrecht-Köndgen/Schmies, § 93 Rn. 261 – 262. 1873) S. zu beiden Verträgen näher unten Rn. 461 ff. 1874) E/B-Bankrecht-Köndgen/Schmies, § 93 Rn. 224 f. 1875) E/B-Bankrecht-Köndgen/Schmies, § 93 Rn. 261. 1876) Das Geschäftskonzept der Service-KVGs besteht darin, den Investmentfondsinitiatoren die administrativen (Back Office) Tätigkeiten (Fondsbuchhaltung und -controlling, Reporting sowie das Risikomanagement) abzunehmen, damit die Initiatoren sich auf das Assetmanagement und die Investorengewinnung konzentrieren können. Die rechtliche Umsetzung dieses Modells kann wie oben im Text beschrieben erfolgen oder auch dergestalt, dass der Investmentfondsinitiator selbst KVG ist, das Back Office aber an eine Service-KVG auslagert.

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IV. Investmentfonds

legern verbinden den Investmentfondsinitiator üblicherweise keine vertraglichen Rechtsbeziehungen.1877) b) Handeln der KVG für den Investmentfonds Das Vermögen eines jeden deutschen Investmentfonds wird durch eine KVG 457 verwaltet. Die zivilrechtliche Ausgestaltung der Verfügungsbefugnis der KVG über die Vermögensgegenstände variiert jedoch je nach gewählter Rechtsform des Investmentfonds. Über Vermögensgegenstände eines SV verfügt die KVG im eigenen Namen 458 (und für gemeinschaftliche Rechnung der Anleger).1878) Sie kann aber keine Verbindlichkeiten für das SV (oder die Anleger) begründen.1879) Für Geschäfte, die sie für gemeinschaftliche Rechnung der Anleger tätigt, hat die KVG einen Anspruch auf Vergütung und auf Aufwendungsersatz gegen das SV.1880) Anspruch auf Aufwendungsersatz besteht aber nur im Rahmen der Erforderlichkeit; nicht für erforderlich halten darf die KVG Aufwendungen für Geschäfte, die gegen gesetzliche oder vertragliche Anlagebeschränkungen verstoßen.1881) Solche Geschäfte sind zwar zivilrechtlich wirksam,1882) und die KVG haftet für

___________ 1877) Zu beachten ist aber z. B., dass der Investmentfondsinitiator u. U. dem Anleger im Rahmen der allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung zum Schadenersatz verpflichtet sein kann (s. unten Rn. 490 ff.). Gem. BGH, v. 17.7.2018 – II ZR 13/17, ZIP 2018, 1686, haftet der Initiator eines geschlossenen Fonds jedoch nicht, wenn er keinen unmittelbaren Kontakt zum Anleger hatte, da in diesem Fall die für die Haftung erforderliche Inanspruchnahme eines besonderen persönlichen Vertrauens des Anlegers fehlt. 1878) KAGB § 93 (1). Bei der Treuhandlösung folgt die Verfügungsbefugnis aus der formalen Eigentümerstellung der KVG, bei der Miteigentumslösung hat KAGB § 93 (1) konstitutive Wirkung (W/B/A-Anders-KAGB § 93 Rn. 3). Die Verfügungsbefugnis erlischt bei Insolvenz der KVG (KAGB § 99 (3) und geht dann auf die VS über (KAGB § 100). 1879) KAGB § 93 (2). Dies gilt für eigene Geschäfte, aber auch für Geschäfte, die sie für Rechnung des SV tätigt. Reicht das Eigenvermögen der KVG nicht zur Befriedigung der Ansprüche der Gläubiger, bleibt diesen nur die Möglichkeit, Ansprüche der KVG gegen das SV gem. ZPO §§ 829, 835 zu pfänden (E/D/D-KAGB-Nietsch, § 93 Rn. 12). 1880) KAGB § 93 (3). Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüche beruhen auf BGB §§ 675, 670 jeweils in Verbindung mit den Anlagebedingungen (W/B/A-Anders-KAGB § 93 Rn. 9). Diesen Aufwendungsersatzanspruch lässt sich die Vertragspartei der KVG häufig als Sicherheit abtreten. Eine solche Sicherungsabtretung enthält z. B. Nr. 6 der Mantelvereinbarung für Finanzgeschäfte mit Kapitalverwaltungsgesellschaften (s. oben Rn. 423). Hauptzweck der Mantelvereinbarung ist allerdings klarzustellen, dass zwischen der in der Mantelvereinbarung genannten Gegenpartei und der KVG ein (einziger) Rahmenvertrag für Rechnung sämtlicher von der KVG verwalteten SV (und ihrer Segmente) zustande kommt, die im Anhang der Mantelvereinbarung genannt werden (näher: E/BBankrecht-Reiner/Scholl, § 94 Rn. 459; Zerey-Finanzderivate-Lomp, § 6 Rn. 134 f. und BdB-Mantelvereinbarung). 1881) E/D/D-KAGB-Nietsch, § 93 Rn. 17. 1882) Str. a. A.: Unwirksamkeit der Geschäfte (s. zum Meinungsstand: E/D/D-KAGBNietsch, § 93 Rn. 5, 6).

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C. Kapitalmarktzivilrecht

die gegenüber der Vertragspartei eingegangene Verbindlichkeit.1883) Sie hat insofern aber keinen Aufwendungsersatzanspruch gegen das SV.1884) 459 Wird eine InvG intern verwaltet, also vom Vorstand der AG oder der Geschäftsführung der KG, hat das interne Verwaltungsorgan die Verfügungsbefugnis über die Anlagegegenstände. Im Gesetz nicht geklärt ist die Frage, ob die externe KVG im Rahmen der Fremdverwaltung im eigenen Namen (also wie beim SV) oder im Namen der InvG als deren gesetzlicher Vertreter handelt. Die BaFin ist der (hier unterstützten) Ansicht, dass es zu keiner gesetzlichen Vertretung kommt und die externe KVG nur mit einer entsprechenden Vollmacht im Namen der InvG über das Anlagevermögen verfügen kann.1885) c) Rechte des Anlegers am Investmentfondsvermögen 460 Sein Investmentfondsanteil vermittelt dem Anleger gewisse Rechte am Anlagevermögen des Investmentfonds. Allerdings hat der Anleger weder das Recht, über die Gegenstände des Anlagevermögens zu verfügen,1886) noch der VG Anweisungen zu geben.1887) I. Ü. ist die Art der Mitberechtigung der Anleger am Anlagevermögen je nach Rechtsform des Investmentfonds unterschiedlich ausgestaltet. Beim SV wird der Anleger entweder Miteigentümer an den Anlagegegenständen (Miteigentumslösung), oder die Gegenstände stehen zwar im Eigentum der KVG, werden von dieser aber treuhänderisch für den Anleger gehalten (Treuhandlösung). Die Festlegung des Eigentumsmodells erfolgt in den Anlagebedingungen des Sondervermögens.1888) Bei der InvG sind die Rechtsbeziehungen zwischen Anleger und Fonds gesellschaftsrechtlicher Natur.1889) Das Anlagevermögen steht im Eigentum der InvG, die Anleger werden durch Erwerb der Aktien bzw. KG-Anteile Aktionäre bzw. Kommanditisten der InvG. Die Inv-AG mit veränderlichem Kapital begibt zwei Arten von Ak___________ 1883) W/B/A-Anders-KAGB § 93 Rn. 5. Im Innenverhältnis haftet die KVG den Anlegern aus allgemeinen vertraglichen Grundsätzen gem. BGB §§ 280 ff. wegen Vertragsverstoßes (W/B/A-Anders-KAGB § 93 Rn. 4). 1884) Zerey-Finanzderivate-Schaffelhuber, § 29 Rn. 6. Zur Beurteilung des Fragekomplexes bei Tätigkeiten einer KVG und der von ihr extern verwalteten AIF-Investmentgesellschaft s.: BaFin-VÖ-KVG. 1885) BaFin-VÖ-KVG II.1. 1886) Kein Anleger kann die Aufhebung der in Ansehung des SV bestehenden Gemeinschaft der Anleger verlangen; ein solches Recht steht auch nicht einem Gläubiger, Pfandgläubiger, Pfändungsgläubiger oder dem Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Anlegers zu (KAGB § 99 (5)). 1887) Hoch/Preller, BKR 2019, 22, 25. 1888) KAGB § 92 (1). Für Immobilienfonds ist die Treuhandlösung zwingend vorgeschrieben (KAGB § 245). Der Treuhandvertrag ist dem Fondsprospekt beizufügen (KAGB § 297 (3)). Die Praxis der Anlagebedingungen gibt überwiegend der Miteigentumslösung den Vorzug (E/B-Bankrecht-Köndgen/Schmies, § 93 Rn. 224). 1889) Das auf die InvG anwendbare Gesellschaftsrecht (AG oder HGB) wird durch das KAGB z. T. erheblich modifiziert (vgl. KAGB §§ 108 (2), 140 (2), 124 (1) S. 2, 149 (1) S. 2).

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IV. Investmentfonds

tien: Unternehmens- und Anlageaktien.1890) Bei der offenen Inv-KG beteiligen sich die (semi-)professionellen Anleger als Kommanditisten.1891) 3. Investmentfonds-Dokumentation Verträge zwischen den Investmentfonds-Akteuren werden vornehmlich1892) im 461 Investmentdreieck geschlossen: Die VG schließt einen Investmentvertrag mit dem Anleger sowie einen Verwahrstellenvertrag mit der VS, der wiederum eine Schutzwirkung für den Anleger hat.1893) Der Anleger ist mittels seines Investmentfondsanteils am Investmentfonds beteiligt. Alle diese vertraglichen Beziehungen sind zivilrechtlicher Natur, haben jedoch einen stark durch das Aufsichtsrecht (KAGB) geprägten Inhalt.1894) a) Verwahrstellenvertrag Der Inhalt des (typengemischten) Verwahrstellenvertrags zwischen VS und 462 Anleger ist klar abgesteckt und wird im Wesentlichen durch die Vorschriften des KAGB bestimmt.1895) b) Investmentvertrag und Anlagebedingungen Der Investmentvertrag zwischen VG und Anleger entsteht anlässlich des Erst- 463 erwerbs des Investmentfondsanteils als Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. v. BGB § 675 (1). Aus dem Investmentvertrag folgt der Anspruch des Anlegers auf Ausstellung und Begebung des Anteilscheins; er ist das Kausalgeschäft für den Investmentfondsanteil-Zeichnungsvertrag (dazu sogleich).1896) Der Inhalt der investmentvertraglichen Beziehung zwischen VG und Anleger wird vornehmlich durch die Anlagebedingungen bestimmt,1897) u. U. auch durch den ___________ 1890) Die (als Namensaktien zu begebenden) Unternehmensaktien werden von den Gründungsgesellschaftern übernommen; sie vermitteln Mitgliedschaftsrechte (KAGB § 109). Anlageaktien vermitteln keine Mitgliedschaftsrechte, sondern ausschließlich eine Beteiligung am Anlagevermögen der Inv-AG. 1891) Bei der geschlossenen Inv-KG kann die Beteiligung auch über einen Treuhandkommanditisten erfolgen (KAGB § 152), der als solcher ins Handelsregister eingetragen ist und die Anlegerrechte (weisungsgebunden) wahrnimmt. 1892) Beispiele für Verträge außerhalb des Investmentdreiecks sind Vertriebsverträge zwischen VG und einer Vertriebsorganisation oder Auslagerungsverträge zwischen VG oder VS und entsprechenden Auslagerungsunternehmen. 1893) S. oben Rn. 454. 1894) Die Ausgestaltung der Dokumentation unterscheidet sich je nach Rechtsform eines Investmentfonds. Nachfolgend werden die typischen Vertragsbeziehungen eines Sondervermögens dargestellt. 1895) Hoch/Preller, BKR 2019, 22, 26. In Deutschland wird zumeist der Muster-Verwahrstellenvertrag für offene inländische Publikums- und Spezial-Alternative Investmentfonds (AIF) verwendet (abgedruckt in Investmenthandbuch 405 vor § 230 Anh. 3), der z. T. noch um eine detaillierte Service-Level-Vereinbarung ergänzt wird. 1896) E/D/D/H-InvG-Schott, 33 Rn. 20 – 22. Die Wirksamkeit beider Verträge ist jedoch unabhängig voneinander (E/D/D-KAGB-Stabenow § 95 Rn. 21). 1897) Hoch/Preller, BKR 2019, 22, 25.

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C. Kapitalmarktzivilrecht

Fondsprospekt1898) und das KIID und im Falle einer InvG zusätzlich durch die Satzung (bei der Inv-AG) oder den Gesellschaftsvertrag (bei der Inv-KG). Das Schlüsseldokument für die Festschreibung der rechtlichen Beziehungen zwischen der VG eines jeden Investmentfonds und den Anlegern sind die Anlagebedingungen.1899) Der Inhalt der Anlagebedingungen ist dem Grunde nach in weiten Teilen gesetzlich vorgegeben; die Anlagebedingungen dienen insofern der Spezifizierung der gesetzlichen Vorgaben. Je nach Investmentfondskategorie gibt es jedoch Unterschiede hinsichtlich des Inhalts, der zivilrechtlichen Art ihrer Vereinbarung und auch der aufsichtsrechtlichen Behandlung.1900) c) Investmentfondsanteil-Zeichnungsvertrag 464 Die Art des vom Anleger zu erwerbenden Investmentfondsanteils variiert je nach Rechtsform des Investmentfonds: Anteilschein beim Sondervermögen, Aktie oder Kommanditbeteiligung bei der InvG. Der Anteilschein ist ebenso wie die Aktie zivilrechtlich1901) und aufsichtsrechtlich1902) als Wertpapier zu qualifizieren. Der Erwerb des Anteilscheines erfolgt durch einen Investment-

___________ 1898) Soweit ein Fondsprospekt aus aufsichtsrechtlichen Gründen nicht erforderlich ist (z. B. für Spezialfonds des geschlossenen Typs), wird häufig (freiwillig) trotzdem ein Informationsdokument veröffentlicht (Grund: Reduzierung des Risikos zivilrechtlicher Allgemeiner Prospekthaftung – s. unten Rn. 490 ff.). Der BVI bietet dem Markt deshalb ein Muster-Informationsdokument an. 1899) Das KAGB regelt sehr spezifisch besondere Aspekte der Anlagebedingungen für die Kategorien der Inv-AG mit veränderlichem Kapital (KAGB § 111), der offenen Inv-KG (KAGB § 126), der Inv-AG mit fixem Kapital (KAGB § 143), der geschlossenen Inv-KG (KAGB § 151), der Publikumsinvestmentvermögen (KAGB § 162), der Feederfonds (KAGB § 173), der sonstigen Investmentvermögen (KAGB § 224), der Dach-Hedge Fonds (KAGB § 229), der Immobiliensondervermögen (KAGB § 256), der geschlossenen Publikums-AIF (KAGB § 266), der inländischen Spezial-AIF (KAGB § 273) und der inländischen Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen (KAGB § 284). 1900) S. oben Rn. 303 ff. 1901) E/D/D-KAGB-Stabenow § 95 Rn. 7. Gem. KAGB § 95 können die Anteilscheine in papierner oder elektronischer Form (s. oben Rn. 377 ff.) begeben werden und auf den Inhaber oder auf den Namen lauten. Papierne Inhaber-Anteilscheine müssen in einer Sammelurkunde verbrieft sein (s. oben Rn. 411 ff.). Namens-Anteilscheine werden wie Namensaktien als Orderpapiere behandelt (dazu oben Rn. 382). Inhaber-Anteilscheine sind Wertpapiere i. S. v. DepotG § 1, Namens-Anteilscheine nach KAGB § 97 (1) S. 1 nur dann, wenn sie blanko indossiert sind (E/D/D-KAGB-Stabenow § 95 Rn. 9 – 11). 1902) Für Handel und Vertrieb gilt deshalb die MiFID: Der Vermittler bedarf einer Lizenz als Wertpapierfirma. Anleger erwerben und veräußern Investmentfondsanteile – wie andere Wertpapiere – im Rahmen eines Festpreisgeschäfts oder eines Kommissionsgeschäfts mit einer Wertpapierfirma (oder mit der KVG). Es gelten die MiFID-Wohlverhaltensregeln (s. oben Rn. 185 ff.).

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V. Wertpapierfinanzierungsgeschäfte

fondsanteil-Zeichnungsvertrag (Begebungsvertrag) zwischen VG und Anleger nach allgemeinen wertpapierrechtlichen Grundsätzen.1903) V. Wertpapierfinanzierungsgeschäfte Wertpapierfinanzierungsgeschäfte (WPFG) haben die Übertragung und (spä- 465 tere) Rücküberübertragung von Wertpapieren zum Gegenstand.1904) Hauptspielarten der WPFG sind Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäfte.1905) Das Wertpapierdarlehen (in der Praxis auch Wertpapierleihe genannt) ist ein 466 Sachdarlehen i. S. v. BGB § 607:1906) Der Darlehensgeber überlässt dem Darlehensnehmer Wertpapiere für einen bestimmten Zeitraum gegen Entgelt.1907) Das Entgelt wird üblicherweise als Prozentsatz p. a. auf den Kurswert der Wertpapiere zu Beginn des Darlehens berechnet. Das Eigentum an den Wertpapieren wird auf den Darlehensnehmer übertragen, dieser verpflichtet sich zur Rückübertragung von Wertpapieren zum Fälligkeitstag.1908) Beim Wertpapierpensionsgeschäft (in der Praxis auch Repurchase Agreement 467 oder Repo genannt1909)) verkauft der Pensionsgeber ihm gehörende Wertpapiere an den Pensionsnehmer auf Zeit. Der Pensionsnehmer zahlt einen Kauf___________ 1903) E/D/D-KAGB-Stabenow § 95 Rn. 21. S. zu den allgemeinen Grundsätzen oben Rn. 411 ff. Die Zeichnung des Investmentfondsanteils wird gemeinhin als Angebot des Anlegers zum Anteilserwerb verstanden, das die VG annimmt (oder nicht). Der Zeichnungsvorgang erfolgt üblicherweise in folgenden Schritten: Registrierung des Anlegers (Ausfüllen eines Zeichnungsscheins), Angemessenheitsprüfung durch den Anlagenvermittler, Bestätigung des Empfangs der Risikohinweise durch den Anleger, Zeichnung (Beitrittsvereinbarung). Wenn das Verfahren digital abläuft (was häufig angeboten wird) kommen elektronische Identifizierungs- und Legitimierungsschritte hinzu. Bei der Zeichnung von Investmentfondsanteilen ist zu beachten, dass der Anteilschein nur gegen volle Leistung des Ausgabepreises ausgestellt werden darf (KAGB § 71 (1) S. 2). 1904) S. generell zu besicherten Refinanzierungen (von denen Wertpapierfinanzierungsgeschäfte eine Teilmenge sind): Zerey-Finanzderivate-Zerey/Storck, § 9. 1905) Außerdem zählen Kauf-/Rückverkaufsgeschäft (Buy/Sell-back-Geschäft) und Verkauf-/ Rückkaufgeschäft (Sell/Buy-back-Geschäft) dazu. Das sind Geschäfte, bei denen eine Partei Wertpapiere mit der Vereinbarung kauft oder verkauft, Wertpapiere mit denselben Merkmalen zu einem bestimmten Preis zu einem zukünftigen Zeitpunkt zurückzuverkaufen bzw. -kaufen. Diese Geschäfte sind dem Wertpapierpensionsgeschäft sehr ähnlich. Ihre Besonderheit liegt in der Berechnung des Kaufpreises und des Rückkaufpreises: Beim Pensionsgeschäft werden die Erträge aus den Pensionspapieren während der Laufzeit an den Pensionsgeber im Wege einer Ausgleichszahlung gezahlt, beim Kauf/Rückkauf-Geschäft erfolgt dieser Ausgleich durch eine Reduzierung des Rückkaufpreises. 1906) Reiner, Derivate, S. 36. 1907) SFTR Art. 3 Nr. 7. 1908) E/B-Bankrecht-Teuber, § 85 Rn. 1. 1909) Die Begriffe Repurchase Agreement (Repo) und Wertpapierpensionsgeschäft werden weitgehend synonym verwendet. Teilweise wird in der Literatur allerdings eine Unterscheidung danach gemacht, ob die Rückübertragung von identischen Papieren (dann Wertpapierpensionsgeschäft) oder von Wertpapieren gleicher Art und Menge (dann Repo) geschuldet ist. Diese begriffliche Unterscheidung ist allerdings nicht allgemein anerkannt. Näher dazu: Zerey-Finanzderivate-Storck, § 15.

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C. Kapitalmarktzivilrecht

preis, der regelmäßig dem Marktwert der überlassenen Wertpapiere entspricht. Gleichzeitig wird vereinbart, dass die Wertpapiere zu einem späteren Zeitpunkt gegen Zahlung des ursprünglich empfangenen (oder eines abweichenden jedoch im Voraus vereinbarten) Betrages an den Pensionsgeber rückübertragen werden, wobei der Rückkaufpreis dem Kaufpreis zzgl. dem Pensionsentgelt als Prozentsatz p. a. entspricht (Ziff. 4 (4) Repo-Rahmenvertrag).1910) Man unterscheidet echte und unechte Pensionsgeschäfte. Bei echten Pensionsgeschäften ist der Pensionsnehmer verpflichtet, die erhaltenen Wertpapiere an den Pensionsgeber zurück zu übertragen, bei unechten Pensionsgeschäften ist er hierzu lediglich berechtigt. 468 Der wesentliche rechtliche Unterschied zwischen Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäften liegt darin, dass bei Pensionsgeschäften der Pensionsgeber für die verpensionierten Wertpapiere eine Gegenleistung in Form von Geld in Höhe des Marktwertes der Wertpapiere erhält. Beim Wertpapierdarlehen bekommt der Darlehensgeber lediglich ein Darlehensentgelt berechnet als Prozentsatz p. a. auf den Kurswert der Wertpapiere zu Beginn des Darlehens. 469 Die wirtschaftlichen Gründe für WPFG sind vielfältig.1911) Da der Darlehensgeber als Gegenleistung für die Wertpapiere ein Entgelt bekommt, ist seine Motivation üblicherweise die Erzielung eines Zusatzertrages (WPFG als Renditeoptimierung).1912) Der Wertpapierpensionsgeber erhält hingegen für die Wertpapiere einen Kaufpreis in Höhe des Marktwertes der Wertpapiere. Dementsprechend besteht seine Motivation in der Liquiditätsbeschaffung (WPFG als Finanzierungsquelle).1913) Dem Darlehensnehmer ist es mit Hilfe von Wertpapierdarlehen möglich, sich kurzfristig Wertpapiere zu beschaffen, z. B. um Lieferverpflichtungen unter einer aus einem Leerverkauf resultierenden ShortPosition zu erfüllen.1914) Das Interesse des Pensionsnehmers liegt i. d. R. darin, überschüssige Liquidität gegen Besicherung anzulegen. Allerdings nähert sich das Wertpapierdarlehen dem Wertpapierpensionsgeschäft im Falle einer Besicherung – insbesondere einer Barbesicherung – wirtschaftlich betrachtet sehr stark an. Alle WPFG dienen damit (auch) dem Liquiditidäts- und Sicherheitenmanagement. Das erklärt, warum WPFG in den Blickwinkel des Gesetzgebers und der Aufsicht geraten, wenn es um die Regulierung des Schattenbanken-

___________ 1910) HGB § 340b. Ähnlich: SFTR Art. 3 Nr. 9. Näher: E/B-Bankrecht-Teuber, § 85 Rn. 12. 1911) SFTR EG (8). 1912) E/B-Bankrecht-Teuber, § 85 Rn. 1. Darüber hinaus kann er Depotkosten senken, wenn die Wertpapiere zu den jeweiligen Stichtagen nicht im Depot verbucht sind. 1913) E/B-Bankrecht-Teuber, § 85 Rn. 15. Er erspart sich so den unter Umständen verlustrealisierenden Verkauf der Wertpapiere. 1914) S. oben Rn. 227.

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V. Wertpapierfinanzierungsgeschäfte

wesens geht.1915) Zunehmend kritisch wird ihre Rolle auch bei der Dividendenarbitrage beäugt.1916) WPFG werden ähnlich wie OTC-Derivate1917) üblicherweise auf der Basis von 470 Musterrahmenverträgen dokumentiert. Die in Deutschland gängigen Musterrahmenverträge sind die folgenden: WPFG-Muster-Rahmenvertrag

WPFG-Kategorie

Sponsor

Global Master Repurchase Agreement (GMRA)1918)

Repo

ICMA1919)

Global Master Securities Lending Agreement (GMSLA)1920)

Wertpapierdarlehen

ISLA1921)

Deutscher Rahmenvertrag für Wertpapierpensionsgeschäfte (Repo) (DRV-R)1922)

Repo

DK

Deutscher Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen (DRV-W)1923)

Wertpapierdarlehen

DK

___________ 1915) S. oben Rn. 336. 1916) Dividendenarbitrage ist eine Optionshandelsstrategie, bei der der Händler Put Optionen erwirbt sowie eine entsprechende Anzahl von Aktien vor dem Dividendenstichtag und die Optionen dann nach Bezug der Dividenden ausübt. Angewendet auf Aktien mit geringer Volatilität (die niedrige Optionspreise verursacht) und hohen Dividenden kann Dividendenarbitrage zu hohen Gewinnen bei niedrigem Risiko führen (vgl. https:// www.investopedia.com/terms/d/dividend-arbitrage.asp). Zur Dividendenarbitrage werden die – zunehmend als illegal verstandenen – sog. Cum/Ex-Geschäfte gezählt, bei denen die Geschäftspartner bewusst die mehrfache Erstattung von nur einmal abgeführter Kapitalertragssteuer herbeiführen. Zunehmend kritisch werden auch Cum/Cum-Geschäfte gesehen, die wie folgt durchgeführt werden: Wenn deutsche Unternehmen eine Dividende ausschütten, müssen ausländische Anleger darauf normalerweise etwa 15 % Kapitalertragsteuer abführen. Um das zu umgehen, verleihen sie ihre Aktien (Wertpapierleihe) vorübergehend kurz vor dem Dividendenstichtag an einen in Deutschland ansässigen Finanzdienstleister, der sich die Kapitalertragsteuer vom Staat erstatten lassen kann. Kurz nach dem Dividendenstichtag werden die Aktien an den bisherigen ausländischen Besitzer zurückgegeben. Die Kursrisiken werden währenddessen abgesichert, die Partner teilen sich die gesparte Steuer. Nur der deutsche Fiskus wird dabei umgangen (https:// de.wikipedia.org/wiki/Dividendenstripping#Geschäftsmodell). Am 12.5.2020 hat EBA einen Bericht über Maßnahmen und Reaktionen der befragten Behörden in den EU Mitgliedstaaten zu Dividenden-Arbitrage Geschäften wie Cum/Ex und Cum/Cum veröffentlicht und empfiehlt einen Action Plan zur Eindämmung dieser Geschäfte, die sie als schädlich für das Finanzsystem der gesamten EU ansieht (https://eba.europa.eu/ebapublishes-its-inquiry-dividend-arbitrage-trading-schemes-%E2 %80 %9Ccum-excumcum%E2 %80 %9D-and-announces-10-point). 1917) S. oben Rn. 423 ff. 1918) Näher: Zerey-Finanzderivate-Storck, § 15 Rn. 18 f. 1919) Die International Capital Markets Association (ICMA) ist ein internationaler Branchenverband für Teilnehmer am Kapitalmarkt; die meisten Mitglieder sind europäische Banken und Finanzdienstleister. 1920) Näher: Zerey-Finanzderivate-Storck, § 15 Rn. 21 f. 1921) Die International Securities Lending Association (ISLA) ist ein internationaler Branchenverband für Teilnehmer am Wertpapierleihemarkt; die meisten Mitglieder sind europäische Banken und Finanzdienstleister. 1922) Näher: Zerey-Finanzderivate-Storck, § 15 Rn. 10 f. 1923) Näher: Zerey-Finanzderivate-Storck, § 15 Rn. 12 f.

317

C. Kapitalmarktzivilrecht WPFG-Muster-Rahmenvertrag

WPFG-Kategorie

Sponsor

European Master Agreement (EMA)

Derivate, Repo, Wertpapierdarlehen

FBE

VI. Schuldscheine 471 Der Schuldschein steht für einen Teil des Kapitalmarkts, der rechtlich gesehen dem Kreditmarkt zuzuordnen ist.1924) Anleihe- wie Schuldschein-Emittent nehmen Fremdkapital auf, doch der Schuldschein ist eine Beweisurkunde für den Erhalt eines Darlehens und kein Wertpapier.1925) Da der Schuldschein nur im Falle einer kurzen Laufzeit von maximal 397 Tagen als Finanzinstrument im aufsichtsrechtlichen Sinne zählt, ist er kaum reguliert.1926) Dies sowie der Umstand, dass der Schuldschein im Vergleich zur Anleihe einfach, schnell und kostengünstig zu dokumentieren1927) und zu emittieren ist, trägt dazu bei, dass er mittlerweile auch über Deutschlands Grenzen hinaus populär ist.1928) Die zivilrechtliche Übertragung des Schuldscheins erfolgt mittels Abtretung, ggf. ___________ 1924) Man kann seine Emission als kapitalmarktnahes Finanzierungsverfahren bezeichnen (H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Mülbert/Bernauer, § 26.7). 1925) K/M/F/S-Müller/Schmidtbleicher, B+K-Recht, Rn. 15.155. Auf die Eigenschaft des Schuldscheins als eine die Schuldverpflichtung bestätigende Urkunde, die der Schuldner zum Beweis für das Bestehen der Schuld ausgestellt hat, weist BGB § 371 hin. Zweck von BGB § 952 ist, Forderung und Papiereigentum deckungsgleich zu halten. HGB § 344 (2) soll die Verwendung des Schuldscheins im kaufmännischen Verkehr erleichtern. Näher zu den zivilrechtlichen Eigenschaften des Schuldscheins: MüKo-BGB-Fetzer, Bd. 3 § 371 Rn. 2; Beck-OGK-ZivR-Dennhardt, BGB § 371 Rn. 1; Jauernig-BGB-Stürner, § 371 Rn. 1 – 2 sowie oben Rn. 375. 1926) Er ist auch keine Vermögensanlage im deutschrechtlichen Sinne (Veil-KapitalmarktrechtVeil, § 8 Rn. 29; s. zum Begriff der Vermögensanlage oben Rn. 337). Das gilt allerdings nur so lange, als der Schuldschein ein normales zinstragendes Spotmarktinstrument ist. Erhält er hingegen derivative Elemente (etwa als Credit Linked Schuldschein, dessen Zinsund Kapitalrückzahlung vom Nichteintritt eines Kreditergeignisses bei einem Referenzunternehmen abhängt), wird er zum Termingeschäft und ist als Derivat reguliert. 1927) Ausführlich zum Schuldschein und seiner Dokumentation: Loan Market Association (LMA) Schuldscheindarlehen LMA Leitfaden August 2016. Die LMA hat zudem in bewährter angelsächsischer Tradition 2018 ein Schuldscheindarlehensvertragsmuster veröffentlicht, das sie ihren Mitgliedern (zu denen auch viele deutsche Banken gehören) zur Verwendung empfiehlt. Auch dieses Vertragsmuster ist nicht lang, aber doch deutlich länger als der traditionelle deutsche Schuldschein, der häufig mit Vor- und Rückseite eines Blatt Papiers auskommt. 1928) Ein weiterer Grund für seine Beliebtheit bei Investoren – gerade bei Versicherungen – ist der Umstand, dass er anders als Anleihen nicht zum aktuellen Marktwert (mark to market) zu bilanzieren ist (K/M/F/S-Müller/Schmidtbleicher, B+K-Recht, Rn. 15.156), sondern zum Anschaffungspreis. Allerdings ist auch der Schuldschein keine eierlegende Wollmilchsau: Seine Nachteile zeigen sich z. B. im Fall der Notwendigkeit der Restrukturierung des Schuldners: Wegen der Kürze seiner Dokumentation sieht er i. d. R. anders als nach LMA-Standard dokumentierte Konsortialkredite (s. dazu näher: D/J-Akquisitionsfinanzierungen, § 30) keinen Abstimmungsmechanismus zwischen den Gläubigern vor und mangels Anwendbarkeit des SchuldVG greifen auch keine diesbezüglichen gesetzlichen Regeln ein. Die praktische Folge ist häufig, dass es dem angeschlagenen Schuldscheinemittenten schwerfällt, sich mit seinen Gläubigern zu verständigen und nur der Weg in die Insolvenz bleibt.

318

VII. Sonstige Anlage-, Finanzierungs- und Handelsinstrumente

durch Vertragsübernahme.1929) Mangels Wertpapiereigenschaft ist der Schuldschein nicht börsen- und clearingfähig und wird typischerweise privat platziert. Die Flexibilität bei Ausgestaltung und Vertrieb des Schuldscheins hat dazu geführt, dass er früher als die Schuldverschreibung vollständig digitalisiert wurde.1930) VII. Sonstige Anlage-, Finanzierungs- und Handelsinstrumente Einige in der Praxis verwendete Anlage-, Finanzierungs- und Handelsinstru- 472 mente können keiner der vorstehend in diesem Abschnitt C. erörterten Kategorien zugeordnet werden, z. B. Nachrangdarlehen,1931) Managed Accounts1932) oder Namensschuldverschreibungen.1933) Aufsichtsrechtlich werden diese Instrumente in Deutschland größtenteils als Vermögensanlagen qualifiziert und entsprechend reguliert. Zivilrechtlich nehmen sie i. d. R. die Form schuldrechtlicher Verträge an, können aber u. U. auch zu Wertpapieren werden. Ein Beispiel sind Genussrechte,1934) die in Form von Genussscheinen zu den Wertpapieren zählen.1935)

___________ 1929) K/M/F/S-Müller/Schmidtbleicher, B+K-Recht, Rn. 15.155. I. d. R. ist dem Schuldschein für Zwecke der Abtretung ein Formular beigefügt, das einen Abtretungsvertrag darstellt. 1930) Die Daimler AG hat im Frühjahr 2020 in Zusammenarbeit mit der LBBW erstmals ein vollständig digitales Schuldscheindarlehen mit einem Volumen von EUR 25 Mio. und einer Laufzeit von zwei Jahren begeben (https://www.lbbw.de/artikelseite/pressemitteilung/daimler-begibt-mit-lbbw-erstmals-vollstaendig-digitalen-schuldschein_aaytp 8by1h_d.html). S. zur Digitalisierung von Schuldscheinen: Schwintowski-BankrechtGlaß, Kapitel 18 Rn. 9. 1931) Es gibt für Nachrangdarlehen, d. h. Darlehen, die im Insolvenzfall des Kreditnehmers erst nach Befriedigung der übrigen Fremdkapitalgeber zurückgezahlt werden, durchaus einen Markt, der wegen seiner geringeren Regulierung auch Warnungen der BaFin auf den Plan gerufen hat (s.: https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/ DE/Fachartikel/2015/fa_bj_1503_nachrangdarlehen.html). 1932) Ein Managed Account ist eine Vermögensverwaltungsdienstleistung, d. h. ein bei einem Broker geführtes Investment-Konto, auf dem vom Verwalter – der Art nach vertraglich festgelegte – Handelssignale umgesetzt werden und an dessen Erfolg der Verwalter partizipiert. 1933) Als Rektapapier zählt die Namensschuldverschreibung in Deutschland nicht zu den Effekten (s. oben Rn. 375–376) und den übertragbaren Wertpapieren (s. oben Rn. 244 ff.). 1934) Genussrechte sind nicht-gesellschaftsrechtlich begründete Ansprüche gegen die Gesellschaft, die dem Inhaber auf der Basis einer schuldrechtlichen Vereinbarung neben einer Verzinsung weitere Rechte gewähren sollen, die typischerweise einem Gesellschafter (des Emittenten des Genussrechts) kraft des einschlägigen Gesellschaftsrechts zustehen; im Gegenzug sind Genussrechte im Falle der Insolvenz oder der Liquidation des Emittenten nachrangig zu bedienen (BaFin-VÖ-Erlaubnispflicht Finanzinstrumente Nr. 2 B) bb) (5)). 1935) S. oben Rn. 395.

319

D. Kapitalmarktsanktionsrecht Die Nichtbeachtung der aufsichts- und zivilrechtlichen Kapitalmarktregeln hat 473 Folgen. Diese Folgen können verwaltungs-, straf- oder zivilrechtlicher Natur sein.1936) Sie werden in diesem Abschnitt D. unter Bezugnahme auf die oben in den Abschnitten B. und C. dieses Buches erörterten aufsichts- und zivilrechtlichen Aspekte dargestellt. I. Verwaltungsrechtliche Kapitalmarktsanktionen Europäische und nationale Finanzaufsichtsbehörden müssen die kohärente An- 474 wendung und Durchsetzung des Finanzaufsichtsrechts gewährleisten und verfügen zu diesem Zweck über umfangreiche Überwachungs- und Eingriffsbefugnisse.1937) Ihnen sind außerdem (im Zusammenspiel mit der Justiz) Befugnisse zur Verhängung von Sanktionen bei Regelverstößen gegeben.1938) 1. EU-rechtliche Grundlagen Der EU Gesetzgeber verlangt von den EU Mitgliedstaaten abschreckende ver- 475 waltungsrechtliche Sanktionen, die bei allen Verstößen gegen MiFID und MiFIR1939) und bei Verstößen gegen (wichtige) Bestimmungen der MAR1940) und anderer Kapitalmarktgesetze1941) (Kapitalmarktverstoß) eingreifen.1942) Zum Arsenal dieser Sanktionen gehören:1943) x

Öffentliche Bekanntgabe der Person des Delinquenten und der Art des Kapitalmarktverstoßes (Naming and Shaming);1944)

x

Anordnung, dass der Delinquent den Kapitalmarktverstoß einzustellen und von einer Wiederholung abzusehen hat;

x

Entzug oder Aussetzung der Zulassung des Delinquenten;

x

Verbot für das verantwortliche Mitglied des Leitungsorgans des Delinquenten, bei Finanzakteuren Leitungsaufgaben wahrzunehmen;

___________ 1936) S. Überblick bei H/M/S-Kapitalmarktinformation-Becker, § 25 Rn. 1 – 4 und VeilKapitalmarktrecht-Veil, § 12. 1937) S. oben Rn. 88. 1938) Die Bedeutung dieser verwaltungsrechtlichen Sanktionen erörtert der Gesetzgeber ausführlich in MiFID EG (141) – (150). 1939) MiFID Art. 70 (1). 1940) MAR Art. 30 (1). 1941) Z. B. TD Art. 28 oder BRRD Art. 110 – 114. 1942) Näher Veil-Kapitalmarktrecht-Walla, Rn. 5 – 14. 1943) MiFID Art. 70 (5); MAR Art. 30 (2); TD Art. 28b. 1944) Speziell in Art. 34 MAR geregelt. Näher zum Konzept: M/V/R-MarktmissbrauchRönnau/Wegner, § 30.

321

D. Kapitalmarktsanktionsrecht

x

empfindliche Geldbußen.1945)

476 Hinzu kommen Sanktionen im Fall von Spezialtatbeständen.1946) 2. Deutsches Kapitalmarkt-Ordnungswidrigkeitenrecht 477 Im deutschen Recht wurden die EU Vorgaben für die Sanktionierung von Kapitalmarktverstößen im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht umgesetzt.1947) Zuständig für die Verfolgung und Ahndung von Kapitalmarkt-Ordnungswidrigkeiten ist die BaFin.1948) Bußgeldbewährte Kapitalmarkt-Ordnungswidrigkeiten sind z. B. leichtfertig (d. h. grob achtlos) vorgenommene Insidergeschäfte oder Marktmanipulationshandlungen1949) oder die vorsätzliche oder leichtfertige Verletzung von Publizitätspflichten.1950) Ordnungswidrig handelt allerdings nicht nur, wer diese Taten begeht, sondern u. U. auch die ihre Or___________ 1945) Im Falle von juristischen Personen greifen Geldbußen von EUR 5 Mio. oder 10 % (MiFID) bzw. 15 % (MAR) des letzten jährlichen Gesamtumsatzes der juristischen Person (bei TD: EUR 10 Mio. oder 5 %) oder in zweifacher Höhe der infolge des Verstoßes erzielten Gewinne oder vermiedenen Verluste, je nachdem, welcher Betrag höher ist. Handelt es sich bei der juristischen Person um ein Mutterunternehmen oder ein Tochterunternehmen des Mutterunternehmens, das einen konsolidierten Abschluss nach ACD Kapitel 6 aufzustellen hat, bezeichnet jährlicher Gesamtumsatz den konsolidierten jährlichen Gesamtumsatz des Mutterunternehmens. Im Falle von natürlichen Personen sind Geldbußen von EUR 5 Mio. (MiFID und MAR) bzw. EUR 2 Mio. (TD) vorgesehen. 1946) Z. B. können Verstöße gegen Informationspflichten über Erwerb oder Veräußerung bedeutender Beteiligungen (Stimmrechte) nach der TD dazu führen, dass die Stimmrechte der betroffenen Aktien ausgesetzt werden (TD Art. 28b (2)). Nach WpHG § 44 S. 1 bestehen Rechte aus Aktien, die dem Meldepflichtigen gehören, nicht für den Zeitraum, in dem die Mitteilungspflichten nicht erfüllt werden. 1947) WpHG §§ 119 und 120. 1948) WpHG § 121 i. V. m. OWiG §§ 35, 36. Ausgehend vom gesetzlichen Bußgeldrahmen der einzelnen Ordnungswidrigkeiten konkretisieren die BaFin-VÖ-WpHG-Bußgeldleitlinien die für die Bußgeldzumessung maßgebliche Vorschrift des OWIG § 17. Die Zumessung des Bußgelds erfolgt in einem dreigliedrigen System. Im ersten Schritt wird der Emittent anhand seiner Marktkapitalisierung (Gruppen A bis D) kategorisiert und die Tatumstände (Art und Dauer des Verstoßes) werden hinsichtlich ihrer Schwere (schwer, mittel und leicht) bewertet. Daraus wird ein Grundbetrag bemessen. Dabei wird zwischen Vorsatz und Leichtfertigkeit unterschieden. Der zweite Schritt führt unter Berücksichtigung weiterer tat- und vor allem täterbezogener Zumessungskriterien, die insbesondere das Vor- und Nachtatverhalten des Täters würdigen, zu einer Anpassung des ermittelten Grundbetrags an die konkrete Schuld des Betroffenen. Vor der Festsetzung der Geldbuße wird in einem dritten Schritt den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen Rechnung getragen. 1949) WpHG § 120 (14) bzw. (15). Näher: BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden Kapitel 1.4.5 und 3.10. 1950) WpHG § 120 (2), (15) i. V. m. (18). Eine Pflichtverletzung liegt vor, wenn die Meldung oder Veröffentlichung gar nicht oder nicht in der vorgeschriebenen Weise erfolgt (näher BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden, Modul C Kapitel 1.3.13). Gegenüber juristischen Personen dürfen höhere Bußgelder verhängt werden, die auch in Bezug zum Gesamtumsatz des Unternehmens im vorangegangenen Geschäftsjahr berechnet werden können (WpHG § 120 (15) Nr. 6 – 11 i. V. m. (18) S. 2 Nr. 2). Möglich ist auch eine Gewinnabschöpfung bis zur dreifachen Höhe des Gewinns/vermiedenen Verlustes (WpHG § 120 (5) Nr. 6 – 11 i. V. m. (18) S. 3 und 4). Die BaFin kann erlassene Sanktionen auf ihrer Webseite bekanntmachen (WpHG §§ 123 ff.).

322

II. Kapitalmarktstraftaten

ganisations- und Aufsichtspflichten verletzenden Geschäftsleiter, was zur Verhängung von Geldbußen gegen das Unternehmen führen kann.1951) II. Kapitalmarktstraftaten Strafrecht ist nationales Recht, aber der EU Gesetzgeber verpflichtet die EU 478 Mitgliedstaaten dazu, einige Kapitalmarktverstöße unter Strafe zu stellen und legt es bei anderen zumindest nahe.1952) In Deutschland können Straftaten nur von Gerichten und nur nach eingehender Untersuchung bestraft werden. Zuständig für die Verfolgung von Straftaten ist die Staatsanwaltschaft, nur sie kann Anklage erheben, die Bedingung für eine gerichtliche Untersuchung ist.1953) Allerdings hat die Staatsanwaltschaft bei Kapitalmarktstraftaten1954) mit der BaFin zusammenzuarbeiten.1955) Die folgenden Kapitalmarktrechtsverstöße werden im deutschen Recht als 479 Straftaten verfolgt:1956) x

Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung;1957)

x

Erbringung von Bank-, Finanz- oder Wertpapierdienstleistungen ohne die erforderliche Erlaubnis;1958)

x

Verletzung von Geschäftsleiter-Sorgfaltspflichten, wodurch ein Kreditinstitut in eine wirtschaftliche Schieflage gerät;1959)

___________ 1951) OWiG §§ 130, 30. Näher: Park-KapMarktStrafR-Bottmann, Teil 2 Kap. 2.1 III.2 Rn. 21 – 24. 1952) MiFID schreibt die Verhängung strafrechtlicher Sanktionen bei Verstößen gegen MiFID oder MiFIR nicht vor „steht ihr allerdings auch nicht entgegen“ (MiFID EG (146)). Zur Entwicklung eines Europäischen Kriminalstrafrechts s. Park-KapMarktStrafR-Eggers, Teil 2 Kap. 3 I Rn. 1 – 5. 1953) StPO §§ 152 (1), 151. 1954) Zum Begriff des Kapitalmarktstrafrechts: Park-KapMarktStrafR-Park, Teil 1 I Rn. 1. 1955) Bei der Ermittlung in Straftaten nach WpHG § 119 hat sich die Staatsanwaltschaft eng mit der BaFin abzustimmen (WpHG § 122). Umgekehrt muss die BaFin Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat nach WpHG § 119 begründen, der zuständigen Staatsanwaltschaft unverzüglich anzeigen (WpHG § 11). 1956) Ist eine Handlung gleichzeitig Straftat und Ordnungswidrigkeit, so wird nur das Strafgesetz angewendet. (OWiG § 21 (1) S. 1). Die Ahndung der Ordnungswidrigkeit erfolgt dann durch das Gericht (OWiG § 45). Die BaFin kann daneben Ermittlungen durchführen, soweit eine Gefährdung des staatsanwaltschaftlichen (oder gerichtlichen) Untersuchungszwecks nicht zu besorgen ist (WpHG § 11 S. 4). 1957) StGB § 261. S. näher oben Rn. 164 f. und unten Rn. 511. 1958) KWG § 54 (1) Nr. 2 und (3); WpIG § 82. Die Strafe kann leitende Angestellte treffen. Strafbar macht sich auch, wer über den Rahmen einer eingeschränkten Erlaubnis hinaus Bankgeschäfte betreibt oder Finanzdienstleistungen erbringt. Daneben kann das Unternehmen, in dem die nicht erlaubten Geschäfte betrieben werden, nach OWiG § 30 i. V. m. KWG § 59 mit einer Geldbuße bis zu EUR 10 Mio. belegt werden. 1959) KWG § 54a. Die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit sind gegeben, wenn ein Geschäftsleiter vorsätzlich und schuldhaft gegen eine Sorgfaltspflicht nach KWG § 25c (4a) oder (4b) verstößt und hierdurch zumindest fahrlässig bewirkt, dass das Institut in seinem Bestand gefährdet wird.

323

D. Kapitalmarktsanktionsrecht

x

vorsätzlich1960) begangene Marktmanipulation oder Insidergeschäfte;1961)

x

kapitalmarktspezfische Formen der Unterschlagung, z. B. Depotunterschlagung;1962)

x

Kapitalanlagebetrug;1963)

x

Verleitung zu Börsenspekulationsgeschäften;1964)

x

Verletzung von Geheimhaltungspflichten bzgl. Kapitalgesellschaften;1965)

x

Verletzung von Berichtspflichten;1966)

x

unrichtige Darstellung der Verhältnisse einer Kapitalgesellschaft.1967)

480 Daneben existieren viele allgemeine Straftaten, die im Zusammenhang mit Kapitalmarktaktivitäten begangen werden können (oder dort spezielle Ausprä-

___________ 1960) WpHG § 119 (1) und (3). S. näher: BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden Kapitel 1.4.5 und Kapitel 3.9. 1961) Die CRIM-MAD verpflichtet die EU Mitgliedstaaten dazu, Insidergeschäfte und Marktmanipulation zu bestrafen (s. zu beiden Tatbeständen oben Rn. 219 ff.). Gem. WpHG § 119 werden diese Taten mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch sowie Anstiftung und Beihilfe sind strafbar. Besonders schwere Fälle (Täter handelt gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande oder in offizieller Funktion) werden mit Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren bestraft. Näher: Park-KapMarktStrafR-Eggers, Teil 2 Kap. 7. 1962) DepotG § 34. Ähnlich: Unwahre Angaben über das Depoteigentum (DepotG § 35). 1963) StGB § 264a. Kapitalanlagebetrug begeht, wer im Zusammenhang mit dem öffentlichen Vertrieb von Wertpapieren in Prospekten über erhebliche Umstände unrichtige vorteilhafte Angaben macht. Die Tat wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Begriff des Prospekts ist hier in einem umfassenden Sinne zu verstehen und daher nicht auf formale Prospekte beschränkt. Vielmehr erfüllt jede papierne oder elektronische Materialsammlung, die die für die Beurteilung der Anlage erheblichen Angaben enthält oder den Eindruck eines solchen Inhaltes erwecken soll, den Begriff des Prospekts i. S. d. Tatbestandes (StBG/2.WiKG-Gesetzesbegründung, S. 23). Kapitalanlagebetrug ist eine spezielle Form des Betrugs gem. StGB § 263 und tritt bei Verwirklichung beider Tatbestände wegen Idealkonkurrenz zurück (A/S/BH-KapitalanlagerechtWorms, § 11 Rn. 4). 1964) BörsG §§ 49, 26. Dieses abstrakte Gefährdungsdelikt hat einen weiten Anwendungsbereich, und es verwundert, dass es vergleichsweise geringe praktische Bedeutung erlangt hat (s. dazu: Park-KapMarktStrafR-Eggers, Teil 2 Kap. 6 I.4). 1965) Z. B. HGB § 333. S. dazu und weiteren speziellen Geheimhaltungstatbeständen: ParkKapMarktStrafR-Eggers, Teil 2 Kap. 8. 1966) Z. B. HGB § 332. S. dazu und weiteren speziellen Tatbeständen bzgl. Verletzung von Berichts- und Prüfungspflichten: Park-KapMarktStrafR-Eggers, Teil 2 Kap. 11. 1967) Z. B. HGB § 331. S. dazu und weiteren speziellen Tatbeständen bzgl. unrichtiger Angaben: Park-KapMarktStrafR-Eggers, Teil 2 Kap. 9.

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II. Kapitalmarktstraftaten

gungsformen erhalten).1968) Klassische Kapitalmarktstraftaten sind die betrügerischen Ponzi- und Schneeballsysteme, die es seit 100 Jahren gibt.1969) Die größte Kapitalmarktstraftat der jüngeren Zeit ist wahrscheinlich die Manipulation der Referenzzinssätze Libor und Euribor.1970) Bestraft werden die Täter, d. h. natürliche Personen, die eine Kapitalmarkt- 481 straftat begangen haben. Die Straftat kann auch in einer Unterlassung bestehen.1971) Gegen juristische Personen können gegenwärtig in Deutschland keine Geldstrafen verhängt werden; allerdings drohen Finanzakteuren, die die Begehung von Kapitalmarktstraftaten durch ihre Mitarbeiter nicht verhindern (oder gar fördern), erhebliche finanzielle Nachteile, etwa durch Einziehung von Taterträgen gem. StGB §§ 73 ff. oder Geldbußen gem. OWiG § 30.1972) Ein deutsches Unternehmensstrafrecht im eigentlichen Sinne des Wortes gibt es zwar noch nicht. Mit seiner Einführung ist aber zu rechnen, da der Gesetzgeber sich davon verspricht, dass mit ihm Compliance-Maßnahmen1973) gefördert und Anreize für Unternehmen geschaffen werden, mit internen Untersuchungen zur Aufklärung von Straftaten beizutragen.1974)

___________ 1968) Dazu zählen namentlich Betrug (StGB § 263), Untreue (StGB § 266), Bestechung und Vorteilsannahme (StGB §§ 299, 331 ff.) oder Insolvenzstraftaten (StGB §§ 283 ff.). Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang auch Verstöße gegen Finanzsanktionsrechtsakte (AWG §§ 18 und 19); s. dazu näher oben Rn. 167). Ein Beispiel für eine spezielle Ausprägungsform von Untreue- bzw. Betrugshandlungen im Kapitalmarkt ist das sog. Churning (Provisionsschinderei), worunter verstanden wird, dass ein Portfolioverwalter ein Kundendepot exzessiv (und wirtschaftlich sinnlos) entgegen den Anlagezielen und zu Lasten der Gewinnchancen des Kunden ausschließlich zu dem Zweck umschichtet, seine eigene Vergütung zu steigern (Lorenz-Churning, Einleitung Rn. 5). 1969) S. näher unten Rn. 497. 1970) S. oben Rn. 228 ff. und Park-KapMarktStrafR-Park, Teil 1 III Rn. 17 – 19. 1971) Das hat der BGH (Urt. v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, ZIP 2009, 1867) in Bezug auf einen Compliance-Beauftragten entschieden, für den er eine Garantenpflicht annahm, im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmens stehende Straftaten von Unternehmensangehörigen zu verhindern. Dies sei die notwendige Kehrseite seiner gegenüber der Unternehmensleitung übernommenen Pflicht, Rechtsverstöße und insbesondere Straftaten zu unterbinden. 1972) Näher: Park-KapMarktStrafR-Bottmann, Teil 2 Kap. 2.1 III.3 Rn. 25. 1973) S. zur Criminal Compliance, dem möglichen Beitrag der Compliance-Funktion zur Verhinderung der Begehung von Straftaten und der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Compliance-Officers: Park-KapMarktStrafR-Bottmann, Teil 2 Kap. 2.1 I.1 Rn. 1 – 72 sowie oben Rn. 168. 1974) In 2020 hatte die deutsche Bundesregierung den Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes (VerSanG) veröffentlicht und damit das Ziel verfolgt, die Sanktionierung von Verbänden, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, auf eine eigenständige gesetzliche Grundlage zu stellen, sie dem Legalitätsprinzip zu unterwerfen und durch ein verbessertes Instrumentarium eine angemessene Ahndung von Verbandstaten zu ermöglichen (https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Staerkung_Integritaet_Wirtschaft.html). Das VerSanG ist bisher jedoch Entwurf geblieben.

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D. Kapitalmarktsanktionsrecht

III. Zivilrechtliche Kapitalmarkthaftung 1. Grundsätze 482 Ausgangspunkt für die zivilrechtliche Kapitalmarkthaftung sind die Handlungen (oder Unterlassungen) der Kapitalmarktakteure im Rahmen der von ihnen erbrachten Kapitalmarktdienstleistungen, d. h. vornehmlich: x

Emission und Platzierung (Primärmarkt);

x

Anlagevermittlung, Abschlussvermittlung, Eigenhandel (Sekundärmarkt);

x

Anlageberatung und Portfolioverwaltung.

483 Hinzu kommt die (teils spezialgesetzliche) Haftung für Verstöße gegen Marktintegrität1975) und Marktteilnahmetransparenz. Außerdem können sich Ansprüche aus einer mangelhaften Geschäftsorganisation, insbesondere einer mangelhaften Compliance-Funktion ergeben.1976) 484 Anspruchsteller ist typischerweise der geschädigte Anleger (oder Geschäftspartner) und Anspruchsgegner das WpDU, im Primärmarkt auch der Emittent. Daneben kann die Haftung der Geschäftsleiter treten (Organhaftung).1977) 485 Die zivilrechtliche Kapitalmarkthaftung ist überwiegend im nationalen Recht verankert. Das deutsche Kapitalmarkthaftungsrecht unterscheidet zwischen allgemeinen deliktischen, spezialgesetzlichen und vertraglichen Schadenersatzansprüchen. Haupthaftungstatbestand ist die Verletzung von Transparenzpflichten; daneben stehen Verstöße gegen sonstige Verhaltenspflichten und Schäden, die aus Kapitalmarktstraftaten resultieren. ___________ 1975) Z. B. WpHG §§ 97, 98 für Schadenersatz wegen unterlassener unverzüglicher Veröffentlichung von Insiderinformationen oder unwahrer oder unvollständiger Insiderinformationen (näher: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Mülbert/Steup, § 41.180 – 256). Zum Spezialproblem der Haftung für die Unterlassung der Korrektur einer fehlerhaften (prognosebezogenen) Kapitalmarktkommunikation siehe: Nietsch, ZBB/JBB 2021, 229. 1976) S. LG München I im Siemens/Neubürger-Urteil (5HK O 1387/10, ZIP 2014, 570). Näher oben Rn. 168 ff. 1977) Organhaftung kann sich als Innenhaftung (d. h. das Organ wird wie im Fall Siemens/ Neubürger von der Gesellschaft in Regress genommen) z. B. aus AktG § 93 (2) ergeben. Möglich ist aber auch eine Organaußenhaftung, bei der das Organ unmittelbar durch den geschädigten Anleger in Anspruch genommen wird (näher: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Mülbert/Steup, § 41.179). Entscheidend ist dann, ob die Voraussetzungen der in AktG § 93 (1) S. 2 normierten Business Judgement Rule erfüllt sind. Danach liegt keine Pflichtverletzung vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln (näher: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Apfelbacher/Kopp, § 27.35 – 42). Für eine besonders weitgehende Organhaftung der Bankvorstände wegen fundamentaler Sorgfaltspflichtverletzung hatten sich nach der Finanzkrise einige namhafte Rechtswissenschaftler ausgesprochen, vor allem Prof. Lutter (s. z. B. Lutter, ZIP 2009, 197 f.). Tatsächlich wurde aber nur eine geringe Zahl von Vorständen im Zusammenhang mit der Finanzkrise auf Schadenersatz in Anspruch genommen.

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III. Zivilrechtliche Kapitalmarkthaftung

Nach allgemeinem Grundsatz trifft den Anspruchsteller die Darlegungs- und 486 Beweislast hinsichtlich sämtlicher anspruchsbegründender Tatbestandsmerkmale, also hinsichtlich des Bestehens des Schuldverhältnisses, der dem Schuldner vorwerfbaren (schuldhaften) Pflichtverletzung und den dadurch (kausal) verursachten Schaden des Gläubigers. Demgegenüber muss der Anspruchsgegner sämtliche anspruchshemmenden und -vernichtenden Tatsachen darlegen und beweisen.1978) Wichtiges gemeinsames Element (fast) aller kapitalmarktrechtlicher Haftungsansprüche (im deutschen Recht) ist jedoch eine Beweislastumkehr zugunsten des Anlegers (oder zumindest eine deutliche Erleichterung bei der Darlegungs- und Beweislast).1979) Trotzdem bleibt die Durchsetzung kapitalmarktrechtlicher Haftungsansprüche gerade für Privatanleger eine Herausforderung, die abzumildern Zweck des (amerikanischen Vorbildern nacheifernden) deutschen Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes (KapMuG) ist.1980) ___________ 1978) Diese sog. Rosenbergsche Formel, wonach jede Partei die aus einer ihr günstigen Norm Rechte herleitet, deren tatsächliche Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen hat, ist zwar in keinem deutschen Gesetz niedergeschrieben, jedoch allgemein anerkanntes Recht (BGH, Urt. v. 18.5.2005 – VIII ZR 368/03, NJW 2005, 2395, 2396; näher: Schmidt, JuS 2003, 1007 ff.). 1979) In jüngerer Zeit findet der Grundsatz der (partiellen) Beweislastumkehr auch Eingang in das EU Recht (siehe DLTR Art. 7 (6) – zu DLTR näher unten Rn. 512 f.). 1980) Das KapMuG gilt für Schadenersatzprozesse wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen (insbesondere Prospekte und Jahresabschlüsse) und Erfüllungsansprüche nach dem WpÜG (KapMuG § 1 (1)). Das Gesetz ermöglicht, dass mehrere Parallelverfahren gebündelt und in einem Musterverfahren einheitlich entschieden werden. Das Verfahren wird auf Antrag einer der Parteien eines Rechtsstreits vor einem deutschen Gericht (Ausgangsgericht) eingeleitet. Die Partei muss darlegen, dass der Entscheidung im Musterverfahren Bedeutung über den einzelnen Rechtsstreit hinaus für andere gleichgelagerte Rechtsstreitigkeiten zukommt. Das Ausgangsgericht macht die Musterverfahrensanträge im Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers bekannt; damit wird das Verfahren unterbrochen. Werden innerhalb von sechs Monaten mindestens zehn gleichgerichtete Anträge gestellt, erlässt das Ausgangsgericht einen Vorlagebeschluss (KapMuG § 6). Der Vorlagebeschluss enthält die Feststellungsziele, d. h. Fragen, die alle Verfahren betreffen, und eine Zusammenfassung des zugrundeliegenden gleichen Lebenssachverhalts. Er wird dem zuständigen OLG vorgelegt. Alle anhängigen einzelnen Klageverfahren werden ausgesetzt (KapMuG §§ 7 und 8). Das OLG wählt aus den Klageverfahren nach billigem Ermessen einen Musterkläger aus (KapMuG § 9 (2). Ab Bekanntmachung des Musterklägers im Klageregister (und innerhalb einer Frist von sechs Monaten) können weitere Personen, die wegen desselben Anspruchs noch keine Klage erhoben haben, ihren Anspruch anmelden (KapMuG § 10 (2). Dadurch wird die Verjährung der Ansprüche des Anmelders bis zum Abschluss des Musterverfahrens gehemmt, ohne dass dieser Klage erheben muss (BGB § 204 (1) Nr. 6 a). Die Kläger aller ausgesetzten Einzelverfahren werden Beteiligte des Musterverfahrens mit der Berechtigung, Anträge zu stellen und andere Prozesshandlungen vorzunehmen, sofern diese nicht im Widerspruch zu dem Prozessverhalten des Musterklägers stehen. Das OLG entscheidet über die vorgelegten Tatsachen- und Rechtsfragen durch Musterentscheid in einem Zwischenverfahren. Gegen den Musterentscheid kann Beschwerde beim BGH eingelegt werden. Nach Rechtskraft des Musterentscheids geht das Verfahren bei den Ausgangsgerichten weiter, die in ihren Entscheidungen durch die Feststellungen des Musterentscheids in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gebunden sind. S. näher zu den einzelnen Stadien des Musterverfahrens: V/WKapMuG-Lange, Einleitung Rn. 6 – 20.

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D. Kapitalmarktsanktionsrecht

2. Spezialgesetzliche Prospekthaftung 487 Das deutsche WpPG enthält detaillierte Regelungen zur Wertpapierprospekthaftung:1981) Der Emittent (und dessen Leitungsorgan) und – je nach Konstellation – der Anbieter, der Zulassungsantragsteller und/oder der Garantiegeber (Prospektverantwortliche) haften für die Richtigkeit sämtlicher in einem Wertpapierprospekt enthaltenen Angaben.1982) Ebenfalls haften diejenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht (Prospektveranlasser).1983) Sind wesentliche Angaben im Prospekt unrichtig oder unvollständig (fehlerhafter Prospekt), kann der Wertpapiererwerber von den Prospektverantwortlichen und den Prospektveranlassern als Gesamtschuldnern die Rücknahme der Wertpapiere gegen Erstattung des Erwerbspreises und der Kosten verlangen, sofern das Erwerbsgeschäft innerhalb von sechs Monaten nach Zulassung bzw. öffentlichem Angebot der Wertpapiere abgeschlossen wurde (Prospekthaftungsanspruch).1984) Prospektverantwortliche und Prospektveranlasser, die nachweisen, dass sie die Fehlerhaftigkeit des Prospekts nicht kannten und diese Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruhte, können nicht in Anspruch genommen werden.1985) Ein Prospekthaftungsanspruch besteht ferner nicht, sofern:1986) x

Die Wertpapiere nicht auf Grund des Prospekts erworben wurden,

x

die Fehlerhaftigkeit des Prospekts nicht zu einer Minderung des Börsenpreises der Wertpapiere beigetragen hat,

x

der Erwerber die Fehlerhaftigkeit des Prospekts beim Erwerb kannte,

___________ 1981) S. WpPG §§ 8 – 16, das damit die Vorgaben von ProspR Art. 11 umsetzt. 1982) Die Prospektverantwortlichen sind im Prospekt als solche zu benennen. WpDU versuchen, sich gegen die Prospekthaftung abzusichern durch Vornahme einer eigenen Due Diligence Prüfung des Emittenten (näher: H/M/S-UnternehmensfinanzierungNägele, § 33 und G/S-Kapitalmarktrecht-Landschein, § 12.III), die Einforderung eines von einem Wirtschaftsprüfer abzugebenden Comfort Letter über die Richtigkeit der Finanzkennzahlen des Emittenten (näher: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Kunold, § 34) und Legal Opinions der die Emission begleitenden Rechtsanwälte über die Einhaltung der anwendbaren Vorschriften (näher: H/M/S-UnternehmensfinanzierungSeiler, § 35). Hinzu treten Haftungsfreistellungsklauseln im Übernahmevertrag (näher: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Haag, § 29.57 – 66). 1983) Prospektveranlasser sind diejenigen, die ein eigenes geschäftliches Interesse an der Emission haben (3.FMFG-Gesetzesbegründung, S. 78), die sog. Hintermänner (näher: Groß KapMarktR WpPG § 9 Rn. 47). 1984) WpPG §§ 9 (1), 10. Der Anspruch besteht zugunsten des ersten sowie späteren Erwerbern. Ist der Erwerber nicht mehr Inhaber der Wertpapiere, kann er den Unterschiedsbetrag zwischen Erwerbs- und Veräußerungspreis der Wertpapiere sowie der mit Erwerb und Veräußerung verbundenen üblichen Kosten verlangen (WpPG §§ 9 (2), 10). Ein Prospekthaftungsanspruch besteht auch, wenn gar kein Prospekt veröffentlicht wurde (WpPG § 14). Eine Vereinbarung, durch die Prospekthaftungsansprüche im Voraus ermäßigt oder erlassen werden, ist unwirksam (WpPG § 16 (1)). 1985) WpPG § 12 (1). 1986) WpPG § 12 (2).

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III. Zivilrechtliche Kapitalmarkthaftung

x

vor Abschluss des Erwerbsgeschäfts eine Berichtigung der Fehlerhaftigkeit des Prospekts erfolgte, oder

x

sich der Anspruch ausschließlich auf Grund von Angaben in der Zusammenfassung des Prospekts ergibt (es sei denn, die Zusammenfassung ist auch im Zusammenspiel mit dem Gesamtprospekt irreführend und/oder vermittelt nicht die wirklich erheblichen Basisinformationen1987)).

De facto bedeutet dies eine Beweislastumkehr bzgl. der Kausalität des fehler- 488 haften Prospekts für den Schaden des Anlegers und das Verschulden der Prospektverantwortlichen und Prospektveranlasser dafür.1988) Diese substantielle Verschlechterung der prozessualen Position der Anspruchsgegner im Vergleich zu anderen Schadenersatzklagen wird (zumindest teilweise) dadurch ausgeglichen, dass die Anspruchsgegner nicht für leichte Fahrlässigkeit haften, der relevante Erwerbszeitraum auf sechs Monate begrenzt ist und sie es selbst in der Hand haben, einen fehlerhaften Prospekt durch Veröffentlichung einer Berichtigung zu korrigieren. Für die Verjährung des Prospekthaftungsanspruchs gelten anders als nach früherem Recht1989) die allgemeinen Regeln gem. BGB §§ 195 – 199. Weitergehende Ansprüche, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts auf Grund von Verträgen oder unerlaubten Handlungen erhoben werden können, bleiben unberührt.1990) Die Haftungsregeln des KAGB für Investmentfondsprospekte1991) und des 489 VermAnlG für Verkaufsprospekte von Vermögensanlagen1992) ähneln den vor___________ 1987) WpPG § 12 (2) Nr. 5. 1988) E/B-Bankrecht-Grundmann/Denga, § 92 Rn. 110; S/Z-Kapitalmarktrecht-Heidelbach, § 9 WpPG, Rn. 30. 1989) Näher: E/B-Bankrecht-Grundmann/Denga, § 92 Rn. 117. 1990) WpPG § 16 (2). Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass es sich hierbei um eine Regelung des deutschen Rechts handelt, die durch das EU Recht nicht vorgegeben ist – ProspR Art. 11 enthält nur die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, eine Prospekthaftung zu implementieren, d. h. das „ob“ wird angeordnet, nicht jedoch das „wie“ (Groß-KapMarktR, ProspVO Art. 11 Rn. 1 – dort auch Verweis auf Darstellung der Prospekthaftungsregeln in anderen EU-Mitgliedstaaten). 1991) Verantwortlich für einen fehlerhaften Verkaufsprospekt ist die VG und diejenigen, die Verantwortung für den Prospekt übernommen haben (KAGB § 306 (1)). Gesamtschuldnerisch haftbar sind außerdem die Prospektveranlasser und Investmentfondsanteil-Verkäufer und -Vermittler (wenn ihnen die Fehlerhaftigkeit des Prospekts bekannt war – KAGB § 306 (4)). Der Haftungsanspruch bei einem fehlerhaften Prospekt verlangt nicht, dass das Erwerbsgeschäft innerhalb eines bestimmten Zeitraums ab dem ersten Anbieten von Anteilen dieses Investmentfonds erfolgte; eine solche Voraussetzung besteht jedoch bei einem völlig fehlenden Prospekt trotz Prospektpflicht (s. zur Frage, wann ein Verkaufsprospekt für Investmentfondsanteile erforderlich ist, oben Rn. 327 f.); dann beträgt der Zeitraum zwei Jahre (KAGB § 306 (5)). Für den Haftungsausschluss und -umfang, die Kausalität, das Verschulden, die diesbezügliche Beweislast (bzw. deren Umkehr) sowie die Verjährung gilt das Gleiche wie beim Wertpapierprospekt (KAGB § 306 (3) – (6)). Ansprüche aus der richterrechtlich entwickelten allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung sind durch die investmentrechtliche lex specialis verdrängt (E/BBankrecht-Köndgen/Schmies, § 93 Rn. 158). 1992) VermAnlG §§ 20, 21. Näher: E/B-Bankrecht-Grundmann/Denga, § 92, Rn. 27.

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D. Kapitalmarktsanktionsrecht

stehend beschriebenen wertpapierprospektrechtlichen Regeln. Nach den gleichen Prinzipien haftet der Emittent i. Ü. für fehlende oder fehlerhafte WpPGProduktinformationsblätter,1993) KIIDs1994) und VermAnlG-Produktinformationsblätter.1995) 3. Allgemeine zvilrechtliche Haftung im Kapitalmarkt 490 Gesetzgeber und deutsche Gerichte wollen den Anleger vor unüberlegten Entscheidungen schützen und haben deshalb ein enges Netz vertrags- oder quasivertragsbasierter Risikoaufklärungspflichten geknüpft, deren Verletzung zu zivilrechtlichen Schadenersatzansprüchen führen kann.1996) Grundlage dafür waren die Rechtsinstitute der positiven Vertragsverletzung (pVV) und Verschulden bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo – c. i. c.), die lange Zeit gesetzlich nicht niedergelegt waren, seit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz von 2001 aber in BGB §§ 280 (1), 311 (2), 241 (2) enthalten sind. Auf diesen Rechtsinstituten basierende Haftungsansprüche verlangen eine schuldhafte Verletzung (vor-)vertraglicher Pflichten sowie einen daraus resultierenden, kausalen Schaden, dessen Umfang sich aus allgemeinen Grundsätzen des Schadenersatzrechts ergibt. Für seine Geltendmachung darf der Anspruch nicht verjährt sein. Ausgehend von pVV und c. i. c. hat die Rechtsprechung mehrere spezielle kapitalmarktrechtliche Haftungstatbestände entwickelt, denen insbesondere wichtige Erleichterungen bei der Darlegungs- und Beweilslast für den klagenden Anleger gemeinsam sind. a) Allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung 491 Die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung wurde von der deutschen Rechtsprechung seit den 1970ger Jahren auf der Grundlage von c. i. c entwickelt.1997) Sie basiert auf dem Gedanken, dass derjenige, der bei der Vertragsanbahnung über den Erwerb von Finanzprodukten besonderes Vertrauen für sich in An___________ 1993) WpPG §§ 11 – 16. 1994) KAGB § 306 (2): Sind die dort enthaltenen Angaben irreführend, unrichtig oder nicht mit dem Verkaufsprospekt vereinbar, so kann der Käufer von der VG und dem Verkäufer als Gesamtschuldner die Übernahme der Investmentfondsanteile gegen Kaufpreiserstattung verlangen. Ist der Käufer zum Zeitpunkt, in dem er von der Fehlerhaftigkeit des KAGB-Produktinformationsblatts Kenntnis erlangt, nicht mehr Inhaber des Anteils, so kann er die Zahlung des Betrages verlangen, um den der von ihm gezahlte Betrag den Rücknahmepreis des Anteils im Zeitpunkt der Veräußerung übersteigt. 1995) VermAnlG § 22. Ausführlich: S/IW-VermAnlG-Lang/Ruf, § 22. 1996) E/B-Bankrecht-Walz, § 90 Rn. 3. Beratungshaftungsrecht ist primär zivilrechtlich geregelt (E/B-Bankrecht-Walz, § 90 Rn. 21). Zurecht wird allerdings die Ansicht vertreten (Einsele, B+K-Recht § 1 Rn. 4), dass es keine allgemeine Aufklärungspflicht des Finanzakteurs ggü seinem Kunden gibt (etwa nach dem Motto: Passt auf! Geldanlage ist risikoreich!), sondern sich die Aufklärungspflicht immer aus dem konkreten Finanzgeschäft ergibt. 1997) BGHZ 71, 284; BGHZ 72, 382; BGHZ 76, 231; BGHZ 77, 172; BGHZ 79, 337; BGHZ 83, 222; BGHZ 84, 141; BGH NJW 1981, 2810; BGH NJW 1982, 2303; BGH NJW 1984, 865; BGH NJW 1984, 2523.

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III. Zivilrechtliche Kapitalmarkthaftung

spruch nimmt, dafür haften soll, wenn dieses Vertrauen enttäuscht wird und die werblichen Aussagen über das Produkt nicht mit der Realität übereinstimmen.1998) Die Haftung ist nicht beschränkt auf bestimmte Finanzprodukte oder auf Prospekte im formalen Sinne, sondern umfasst sämtliche Werbematerialien in papierner oder elektronischer Form, die den Eindruck erwecken, als enthielten sie für die Beurteilung eines Finanzprodukts wesentliche Angaben.1999) Die Haftung tritt ein, wenn der Prospekt fehlerhaft ist, d. h. in ihm nicht sämtliche für die Anlageentscheidung bedeutsamen Umstände wahrheitsgemäß und vollständig dargestellt werden.2000) Grund für die Entwicklung des Rechtsinstituts waren seinerzeit fehlende oder unzureichende spezialgesetzliche Grundlagen. Diese wurden mittlerweile geschaffen, so dass die Bedeutung des Instituts stark zurückgegangen ist – auch weil nach h. M. in der Literatur die allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftungsansprüche von den spezialgesetzlichen verdrängt werden.2001) D. h., die allgemeine zivilrechtliche Prospekthaftung kommt nur zur Anwendung, wenn ein nicht öffentliches Angebot von Wertpapieren vorliegt oder ein Angebot von Finanzprodukten, die keinen spezialgesetzlich geregelten Prospekthaftungsregelungen unterliegen.2002) Von letzteren dürfte es nur mehr wenige geben. b) Anlageberatungs- und Anlagevermittlungshaftung Insoweit die Kapitalmarktdienstleistung in Anlageberatung besteht, wird selbst- 492 redend zwischen WpDU und Kunde ein Beratungsvertrag geschlossen. Die Rechtsprechung konstruiert den Abschluss eines solchen Vertrags häufig jedoch auch im Falle der Erbringung anderer Kapitalmarktdienstleistungen – und ___________ 1998) Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen Prospekthaftung i. e. S. und i. w. S. Grundlage der Prospekthaftung i. e. S. ist das typisierte Vertrauen des Anlegers auf Richtigkeit und Vollständigkeit der von den Prospektverantwortlichen bzw. Garanten gemachten Angaben. Prospektverantwortliche sind diejenigen, die für die Geschicke des Emittenten und die Herausgabe des Prospekts verantwortlich sind (Initiatoren und Management), Garanten diejenigen, die auf Grund ihres Renommees besonderes Vertrauen erwecken und im Rahmen der Prospektgestaltung nach außen hin in Erscheinung getreten sind (z. B. im Prospekt als Sachverständige angeführte Personen). Die Prospekthaftung i. w. S. ist die Haftung für individuell in Anspruch genommenen Vertrauens etwa eines Anlageberaters oder -vermittlers gegenüber einem bestimmten Kunden unter Verwendung von Prospekten. Ein WpDU muss für die Richtigkeit der Prospektangaben einstehen, wenn es dem Kunden gegenüber zu Transparenz verpflichtet ist und sich zur Erfüllung dieser Pflicht eines Prospekts bedient und sich diesen inhaltlich zu eigen macht (ausführlich: A/S/BH-Kapitalanlagerecht-Assmann/Kumpan § 5 Rn. 26 f). 1999) Das entspricht dem Prospektbegriff i. S. v. § 264a StGB (s. oben Rn. 479). Keine Prospekte in diesem Sinne sind danach z. B. Zeitungsanzeigen, Kurzexposés, Handzettel oder Serienbriefe (H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Mülbert/Steup, § 41.160 – 162). 2000) Zu den Einzelheiten der Fehlerhaftigkeit sowie des Haftungsumfangs: A/S/BH-Kapitalanlagerecht-Assmann/Kumpan § 5 Rn. 43 – 69 und 103 – 112. 2001) E/B-Bankrecht-Grundmann/Denga, § 92 Rn. 118. Das Konkurrenzverhältnis zwischen den spezialgesetzlichen Prospekthaftungsansprüchen und den allgemein zivilrechtlichen hat der BGH bisher offen gelassen. Gleichwohl sind die von der Rechtsprechung gefundenen Erkenntnisse der allgemein zivilrechtlichen Prospekthaftung für die Auslegung spezialgesetzlicher Prospekthaftung heranzuziehen. 2002) Grumann, BKR 2002, 310.

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D. Kapitalmarktsanktionsrecht

zwar grds. immer dann, wenn Kunde und WpDU zwecks Anlage eines Geldbetrags miteinander in Kontakt stehen, es sei denn, der Kunde weiß genau, welches Finanzinstrument er erwerben will, und das WpDU führt den Kundenauftrag lediglich aus (Anlagevermittlung). In letzterem Fall nimmt die Rechtsprechung allerdings an, dass ein (stillschweigender) Auskunftsvertrag zwischen WpDU und Kunde geschlossen wird.2003) 493 Beratungsvertrag und Auskunftsvertrag unterscheiden sich dadurch, dass ersterer neben der Informationsvermittlung auch Anlageempfehlungen miteinschließt, die sich an den persönlichen Verhältnissen des Kunden orientieren, während letzterer sich auf Informationsvermittlung beschränkt.2004) Unter dem Auskunftsvertrag schuldet das WpDU (nur) wahrheitsgemäße und vollständige Informationen über die für den Anlageentschluss des Kunden wesentlichen Umstände,2005) unter dem Beratungsvertrag hingegen (außerdem) eine anlegerund objektgerechte Beratung.2006) Zwar hatte die Rechtsprechung für die Auslegung des Begriffs der anleger- und objektgerechten Beratung eigene Kriterien entwickelt, diese sind jedoch durch die detaillierten Bestimmungen von MiFID und WpHG weitgehend überlagert worden.2007) Zivil- und Aufsichtsrecht sind bzgl. der Kundentransparenz in vielerlei Hinsicht deckungsgleich und beeinflussen einander.2008) Deswegen erbringen WpDU, die die MiFID-Wohlverhaltensregeln einhalten, i. d. R. auch anleger- und objektgerechte Beratung;2009) umgekehrt wird ein Verstoß gegen die MiFID-Regelungen i. d. R. auch einen zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch des Anlegers zur Folge haben.2010) ___________ 2003) E/B-Bankrecht-Walz, § 90 Rn. 22 – 26. S. zum aufsichtsrechtlichen Begriff der Anlageberatung und der Anlagevermittlung oben Rn. 97). Im deutschen Zivilrecht sind beide Dienstleistungen Vertragstypen sui generis mit Komponenten des Dienstvertrags gem. BGB §§ 611 ff. 2004) E/B-Bankrecht-Walz, § 90 Rn. 28 – 29. 2005) Zu den Einzelheiten s.: E/B-Bankrecht-Siol/Grüneberg, § 88 Rn. 100. 2006) E/B-Bankrecht-Walz, § 90 Rn. 42. 2007) S. oben Rn. 185 ff. Allerdings übernehmen die Gerichte weiterhin eine TrendsetterRolle und entwickeln die Kriterien für Beratungs- und Aufklärungspflichten weiter. Ein Beispiel ist die Rechtsprechung des BGH (begonnen mit Urt. v. 22.3.2011 – XI ZR 33/10, AG 2011, 412) zu sog. Constant Maturity Spread Ladder Swaps, wonach WpDU ihre Kunden im Rahmen eines Beratungsvertrages über den anfänglichen negativen Marktwert des Produkts aufklären müssen, da hier möglicherweise ein Interessenkonflikt des WpDU vorliege. Bei diesem komplexen Produkt wetten die Anleger auf eine hinreichend große Differenz zwischen langfristigen und kurzfristigen (Swap-)Zinssätzen (näher: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Apfelbacher/Kopp, § 27.33 – 34 und Zoller, Kapitalanlagen § 4 II). 2008) E/B-Bankrecht-Walz, § 90 Rn. 94; Assmann/Schneider/Koller, WpHG, vor § 31 Rn. 17 – 21; Lang, WM 2000, 450, 455. 2009) Vgl. die detaillierte Darstellung bei E/B-Bankrecht-, § 90 Rn. 42 – 62. 2010) Zur dogmatischen Herleitung dieses Anspruchs gibt es unterschiedliche Ansichten. Zum einen wird argumentiert, MiFID und WpHG konkretisierten die vertraglichen Pflichten und strahlten als Verkehrssitte auf das Rechtsverhältnis zum Kunden aus (BGH WM 1999, 2300, 2303; vgl. auch Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 33; Barta, BKR 2004, 433, 435). Zum anderen werden die MiFID und WpHG Vorschriften als Schutzgesetze gem. BGB § 823 (2) angesehen (LG Hamburg WM 2004, 2757; Assmann/Schneider/ Koller, WpHG, vor § 31 Rn. 17).

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III. Zivilrechtliche Kapitalmarkthaftung

Allerdings kann nie ausgeschlossen werden, dass Zivilgerichte und BaFin WpHG-Vorschriften unterschiedlich auslegen und anwenden.2011) Für die Fragen des Schadeneintritts, der Ursächlichkeit der fehlerhaften 494 Auskunft oder Beratung dafür sowie des Verschuldens des WpDU gelten grds. die allgemeinen zivil- und zivilprozessrechtlichen Regelungen, wonach den Kläger für alle Aspekte die Darlegungs- und Beweislast trifft.2012) Allerdings erleichtert die Rechtsprechung die Last des klagenden Anlegers in mehrfacher Hinsicht: Ist bei der Anlagevermittlung streitig, ob hinreichende Informationen gegeben wurden, kann sich der Anlagevermittler nicht damit begnügen, den Vorwurf unzureichender Information einfach zu bestreiten: Er muss vielmehr den Gang der Besprechung und die erteilten Auskünfte substantiiert darlegen; diese Darstellung muss der Kunde dann widerlegen.2013) Erwirbt ein Anleger aufgrund fehlerhafter Aufklärung oder Beratung ein Finanzinstrument, tritt bereits dadurch ein Schaden ein; auf den Wert des Finanzinstruments kommt es nicht an.2014) Beim Nachweis der Kausalität – der Anleger müsste das Finanzinstrument nicht gekauft haben, wenn er angemessen aufgeklärt oder beraten worden wäre – hilft die Rechtsprechung dem Anleger mit der Vermutung des sog. aufklärungsrichtigen Verhaltens: Es wird unterstellt, dass der Anleger eine pflichtgemäße Aufklärung bzw. Beratung beherzigt und das fragliche Finanzinstrument nicht erworben hätte. Das WpDU kann diese Vermutung durch den Vortrag hinreichender gegenteiliger Anhaltspunkte erschüttern.2015) Eine vergleichbare Beweislastumkehr gilt auch für das Verschulden des WpDU für die fehlerhafte Beratung: Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit (bzw. des ihm gem. BGB § 278 zuzurechnenden Verschuldens von Mitarbeitern) werden vermutet, das Unternehmen kann den Vorwurf aber entkräften.2016) Ein fehlerhaft aufgeklärter oder beratener Anleger ist vom WpDU so zu stellen, 495 wie er ohne die Anlageentscheidung stünde (sog. negatives Interesse); er kann aber nicht verlangen, so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wäre die fehlerhafte Information richtig gewesen (sog. positives Interesse). I. d. R. bedeutet dies die Rückabwicklung des Geschäfts oder, falls der Anleger das Fi-

___________ 2011) E/B-Bankrecht-Walz, § 90 Rn. 18. 2012) BGH WM 2006, 1288; BGH WM 2006, 567; KG BKR 2005, 418; Balzer, ZBB 1997, 260, 268. E/B-Bankrecht-Siol/Grüneberg, § 87 Rn. 121. 2013) E/B-Bankrecht-Siol/Grüneberg, § 87 Rn. 122. 2014) BGH WM 1991, 1303, 1305; BGH WM 1994, 504; BGH WM 2005, 929, 930. 2015) BGH WM 1996, 1214, 1216; BGH WM 2001, 1158; OLG Frankfurt/M. WM 2010, 613. Dies kann z. B. dann gelingen, wenn der Kunde ähnliche Instrumente vor der fehlerhaften Beratung erworben hatte (BGH BKR 2013, 203 Rn. 22) oder wenn er zwar zunächst fehlerhaft, aber dann pflichtgemäß beraten wurde, und die Instrumente anschließend erwirbt (OLG Frankfurt/M. BKR 2014, 251). 2016) BGH BB 2010, 2005; BGH WM 2009, 1274.

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D. Kapitalmarktsanktionsrecht

nanzinstrument bereits verkauft hat, die Erstattung des Differenzschadens.2017) Dieser Anspruch darf nicht verjährt sein. Dabei gelten die allgemeinen Regelungen des BGB. Die Regelverjährungsfrist beträgt drei Jahre (BGB § 195). Sie beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist und der Anleger von den den Schadenersatzanspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (BGB § 199 (1)). Ohne Rücksicht auf Kenntnis oder Unkenntnis verjähren Schadenersatzansprüche spätestens in zehn Jahren nach ihrer Entstehung (BGB § 199 (4)). Da die Rechtsprechung den Schaden in dem auf der fehlerhaften Aufklärung oder Beratung beruhenden Erwerb des Finanzinstruments sieht, entsteht er auch bereits mit dem Erwerbsgeschäft.2018) Die Darlegungslast für den Zeitpunkt der Kenntnisnahme (bzw. für die grobe Fahrlässigkeit der Unkenntnis) des Anlegers trifft das beklagte WpDU.2019) c) Weitere Haftungstatbestände 496 Neben den prospektrechtlichen und den MiFID/WpHG-basierten beratungsvertraglichen Pflichten bestehen weitere vertragliche (oder quasi-vertragliche) Pflichten mit Bezug zu Kapitalmarktdienstleistungen, deren Verletzung zu Schadenersatzforderungen des Kunden führen kann.2020) 4. Deliktische Ansprüche 497 Deliktische Tatbestände spielen im Bereich der Transparenzhaftung eine eher geringe praktische Rolle.2021) Bedeutung können sie aber gewinnen bei der zi___________ 2017) E/B-Bankrecht-Walz, § 90 Rn. 98. Für die Beanspruchung des auch zum ersatzfähigen Schaden gehörenden entgangenen Gewinns (BGB § 252) – d. h. des Vermögensvorteils, den der Anleger mit einer für ihn geeigneten Alternativanlage erzielt hätte – hat die Rechtsprechung hohe Hürden aufgestellt, da es nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entspreche, dass eine Geldanlage überhaupt Gewinn abwirft (BGH BKR 2012, 291, 292). 2018) BGH WM 2005, 929, 930. 2019) Da dieser Nachweis i. d. R. schwer zu führen ist, galt für Ansprüche aus fehlerhafter Anlageberatung die Sonderverjährungsvorschrift des § 37a WpHG a. F., wonach es für den Verjährungsfristbeginn auf die Kenntnis des Anlegers von Pflichtverletzung und Schaden nicht ankam, sondern allein auf den Zeitpunkt des Erwerbsgeschäfts (BGH WM 2005, 929). Diese Vorschrift wurde jedoch 2009 abgeschafft. 2020) Ein Beispiel ist die (individuelle) Portfolioverwaltung, bei der der Vermögensverwaltungsvertrag als Geschäftsbesorgungsvertrag eine Vielzahl von Pflichten mit sich bringt (näher E/B-Bankrecht-Walz, § 91 Rn. 23 – 45). Auch hier arbeitet die Rechtsprechung i. Ü. mit dem Konstrukt eines (konkludent abgeschlossenen) Beratungsvertrags, der allerdings auf den Zeitpunkt der Festlegung der Anlagegrundsätze vorverlagert wird (E/B-Bankrecht-Walz, § 90 Rn. 28 – 30). 2021) E/B-Bankrecht-Siol/Grüneberg, § 87 Rn. 38. Eine Haftung wegen Verstoßes gegen Transparenzpflichten kann sich aus unerlaubter Handlung gem. BGB §§ 823 (2) (z. B. i. V. m. StGB §§ 263, 264a) oder 826 ergeben (näher: H/M/S-Unternehmensfinanzierung-Mülbert/Steup, § 41.241 – 256). BGB § 823 (1) hingegen scheidet als Haftungsgrundlage aus; ein Verstoß gegen Transparenzpflichten führt nur zu einem allgemeinen Vermögensschaden, der von dieser Vorschrift nicht erfasst ist (E/B-BankrechtSiol/Grüneberg, § 87 Rn. 39).

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III. Zivilrechtliche Kapitalmarkthaftung

vilrechtlichen Abschöpfung2022) von Vorteilen, die aus Kapitalmarktstraftaten resultieren, und bei Schadenersatzforderungen im Falle von Betrug.2023) In diesem Zusammenhang sind die sog. Ponzi Schemes zu nennen, bei denen Anlegern in betrügerischer Absicht falsche Versprechungen gemacht werden.2024) Das größte bekannte Ponzi Scheme wurde von dem New Yorker Bernie Madoff betrieben,2025) unrühmliche deutsche Ponzi-Beispiele sind die BCI- und PhoenixBetrugsfälle.2026) I. d. R. werden die Verträge zwischen dem Ponzi Scheme Betreiber und den Anlegern (nach deutschem Recht wegen Sittenwidrigkeit gem. BGB § 138) nichtig sein und deswegen keine vertraglichen Ansprüche

___________ 2022) Die Einziehung von durch Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten erzielten Unternehmensgewinnen ist dem Staat gem. StGB §§ 73 ff. und WiStG §§ 8 ff. bzw. OWiG §§ 22 ff. möglich. 2023) E/B-Bankrecht-Hopt/Kumpan, § 86 Rn. 174. 2024) Benannt nach dem Italo-Amerikaner Charles Ponzi, der Anfang des 20. Jahrhunderts ein solches System in Boston betrieb und dafür verurteilt wurde (näher: Lewis, Understanding Ponzi Schemes, 32 – 39). Grundlage eines Ponzi Scheme ist das Versprechen eines Unternehmers (häufig eines Vermögensverwalters), den Anlegern vorteilhafte Konditionen zu bieten (meist: Überdurchschnittliche Renditen zu zahlen). Außerdem bestehen Anreize, sich Gewinne nicht auszahlen zu lassen, sondern zu thesaurieren. Das Geld der Anleger wird jedoch nicht im versprochenen Sinne angelegt, sondern für andere Zwecke abgezweigt. Zur Verdunkelung dieses Umstands wird häufig ein komplexes Netz von Verwaltungsgesellschaften und Treuhandkonten eingerichtet. Die hohen Renditen und gelegentlich vorkommenden Kapitalrückforderungen werden mit dem Kapital anderer, neu hinzutretender Investoren bezahlt. Solange die Geldzuflüsse größer sind als die Abflüsse, funktioniert das System. Ein Ponzi Scheme kann mit einem Pyramidensystem (in Deutschland auch als Schneeballsystem bezeichnet) verbunden sein, unter dem Anleger weitere Anleger anwerben und dafür im Erfolgsfall einen Bonus erhalten (näher: Tajti, Business & Bankruptcy Law Journal 2019, Nr. 5, 19, 21 ff.). 2025) Bernard L. Madoff (von seinen früher zahlreichen Freunden liebevoll Bernie genannt) betrieb den Investmentfonds Bernard L. Madoff Investment Securities LLC von 1991 bis zu seiner Verhaftung im Dezember 2008 nach den Grundsätzen eines Ponzi Scheme, das infolge der Finanzkrise 2008 zusammenbrach. Nach der Insolvenz des Fonds machten private und institutionelle Investoren Schadenersatzansprüche gegen Bernie geltend. Mehrere institutionelle Investoren (Fonds) wurden zudem ihrerseits von ihren Anlegern auf Schadenersatz in Anspruch genommen. Das Schadensvolumen betrug USD 65 Mrd. Bernie wurde wegen einer Vielzahl von Delikten zu 150 Jahren Gefängnis verurteilt (USA v Madoff 09-213 in U.S. District Court for the Southern District of NY (Manhattan) – https://www.justice.gov/usao-sdny/programs/victim-witness-services/unitedstates-v-bernard-l-madoff-and-related-cases) und ist mittlerweile im Gefängnis verstorben. 2010 wurden Bernies Opfern USD 10 Mrd. rückerstattet (https://www.sueddeutsche.de/geld/einigung-in-new-york-7-2-milliarden-dollar-fuer-madoff-opfer-1.1037826). Ausführliche Darstellung bei: Lewis, Understanding Ponzi Schemes, 40 – 59. 2026) Phoenix: BGH, Urt. v. 22.4.2010 – IX ZR 163/09, ZIP 2010, 1253; OLG München, Urt. v. 4.8.2009 – 5 U 2971/09, ZIP 2009, 1918; LG Landshut, Urt. v. 19.3.2009 – 24 O 3473/08. BCI: BGH, Urt. v. 10.12.2015 – 3 StR 163/15; LG Düsseldorf, Urt. v. 31.7.2014 – 014 KLs-130 Js 44/09-10/12.

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D. Kapitalmarktsanktionsrecht

bestehen.2027) Die getäuschten Anleger dürften jedoch neben Bereicherungsansprüchen deliktische Schadenersatzansprüche haben.2028)

___________ 2027) BGH, Urt. v. 22.4.2010 – IX ZR 163/09, ZIP 2010, 1253; OLG München, Urt. v. 4.8.2009 – 5 U 2971/09, ZIP 2009, 1918. 2028) BGB §§ 823 (2) i. V. m. StGB §§ 263 oder 264a sowie BGB § 826. Indirekt betroffene Anleger – also z. B. solche, die Anteile an einem (nicht-betrügerischen) Investmentfonds erworben haben, der seinerseits in das Ponzi Scheme investiert hatte, können u. U. Ansprüche gegen den Investmentfonds gem. BGB § 823 (2) i. V. m. WpHG §§ 63 ff. geltend machen (näher: Beck-OGK-ZivR-Buck-Heeb/Lang, § 675 BGB Rn. 154 ff.). Interessant in diesem Zusammenhang kann auch die Frage werden, ob diejenigen Anleger, die vom Ponzi Scheme gutgläubig profitiert haben (etwa dadurch, dass sie sich ihre ihnen vertraglich zustehenden Gewinne haben auszahlen lassen), im Falle der späteren Insolvenz des Ponzi Scheme mit Rückforderungen des Insolvenzverwalters konfrontiert sein können? Diese Frage hat der BGH bejaht und dem Insolvenzverwalter gegen den bereicherten Anleger einen Anspruch gem. InsO §§ 129 (1), 134 (1), 143 (2) auf den geleisteten Scheingewinn abzüglich der Kosten zugebilligt. Der bereicherte Anleger muss also sowohl seine Einlage, als auch alles darüber hinaus von der KVG Erhaltene zurückzahlen (BGH, Urt. v. 22.4.2010 – IX ZR 163/09, ZIP 2010, 1253).

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E. Digitalisierung des Kapitalmarkts Die Digitalisierung betrifft alle Finanzakteure (Kreditinstitute, Zahlungsdienst- 498 leister, Wertpapierfirmen, Investmentfonds und Versicherungen), und sie betrifft sowohl Dienstleistungen und Produkte (z. B. App- und Web-basierte Bank- und Finanzdienstleistungen) als auch organisatorische Prozesse der Finanzakteure (z. B. die digitale Identifizierung von Geschäftspartnern2029)). Digitalisierung ist ein Megatrend in der Entwicklung der Finanzbranche und wird ihre Zukunft entscheidend mitbestimmen.2030) Parallel zur Digitalisierung des Finanzmarkts ist die Fintechbranche gewach- 499 sen, die aus Unternehmen besteht, die, ohne selbst (lizensierte) Finanzakteure zu sein, finanznahe Dienstleistungen auf technologischer Basis anbieten. FintechUnternehmen können ihre Dienstleistungen in – durch das Finanzaufsichtsrecht – begrenztem Umfang selbst an den Markt bringen, oder sie können mit Finanzakteuren kooperieren und diesen – etwa im Rahmen von Auslagerungsvereinbarungen – zur Seite stehen.2031) Die starke (technologische) Innovationskraft der Fintech-Unternehmen hat großen Einfluss auf die Fortentwicklung des digitalisierten Kapitalmarkts. ___________ 2029) Finanzakteure sind durch eine Vielzahl von Regeln zur eindeutigen Identifizierung ihrer Geschäftspartner verpflichtet und zur Überprüfung (Authentifizierung) ihrer Identität, z. B. gem. GwG §§ 11 ff. (s. oben Rn. 164 f.). Vor allem im Zahlungsdienstebereich tritt die Pflicht zur (starken) Authentifizierung (ZAG § 55) hinzu, d. h. einem Verfahren, mit dessen Hilfe der Dienstleister die Identität des Nutzers, einschließlich seiner personalisierten Sicherheitsmerkmale, überprüfen kann (ZAG § 1 (23)). Starke Kundenauthentifizierung (Strong Customer Authentification – SCA – ZAG § 1 (24)) ist eine Authentifizierungsmethode, die so ausgestaltet ist, dass die Vertraulichkeit der Authentifizierungsdaten geschützt ist und die unter Heranziehung von mindestens zwei der folgenden Kriterien dergestalt geschieht, dass die Nichterfüllung eines Kriteriums die Zuverlässigkeit der anderen nicht in Frage stellt: Wissen (etwas, das nur der Nutzer weiß), Besitz (etwas, das nur der Nutzer besitzt) oder Inhärenz (etwas, das der Nutzer ist). Davon zu unterscheiden ist die Autorisierung, d. h. die Zustimmung zu einem Zahlungsvorgang (BGB § 675 j). S. näher zu den Kriterien: C/T-ZAG-Terlau, ZAG § 1 Begriffsbestimmungen, Rn. 407 – 418. Diese Pflicht gilt für die analoge Welt genauso wie für die digitale, aber das Aufsichtsrecht hat sich erst in jüngerer Zeit für digitale Identifizierungslösungen geöffnet (z. B. dem Video-Ident-Verfahren – s. näher: BaFin-VÖ-Video-Ident), deren EU-weiter Rechtsrahmen durch die eIDASR geschaffen wurde. Die eIDASR erlaubt den EU Mitgliedstaaten, Identifizierungsmittel für digitale Dienstleistungen mit EU-weiter Nutzbarkeit einzuführen, was Deutschland mit der eID-Karte mit Online-Ausweisfunktion für digitale Dienstleistungen (https://www.personalausweisportal.de/Webs/PA/DE/ buergerinnen-und-buerger/eID-karte-der-EU-und-des-EWR/eid-karte-der-eu-und-desewr-node.html) getan hat. Außerdem schafft eIDASR in Art. 13 ff. den Rechtsrahmen für die Erbringung sog. Vertrauensdienste, d. h. Dienstleistungen im Zusammenhang mit elektronischen Signaturen, Siegeln, Zeitstempeln und Dokumenten (eIDASR Art. 3 Nr. 16). Ziel ist die Schaffung einer (europäischen) digitalen Identität (https://ec.europa. eu/info/strategy/priorities-2019-2024/europe-fit-digital-age/european-digital-identity_de). 2030) Vgl. oben Rn. 34–36. Ausführlich zur Digitalisierung der Finanzbranche: A/P-Digitalisierung und Brühl, Wirtschaftsdienst 2021, 629. 2031) Ausführlich zu Kooperationen zwischen Finanzakteuren und Fintechs: M/O-FinTechHandbuch-Tschörtner, § 3.

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E. Digitalisierung des Kapitalmarkts

500 Für die Analyse der Auswirkungen der Digitalisierung auf den Kapitalmarkt hilft es, sich den Zweck des Kapitalmarkts zu vergegenwärtigen (nämlich Angebot und Nachfrage von Kapital und von Rendite zusammenzubringen) sowie die Aufgabe, die das Kapitalmarktrecht dabei zu erfüllen hat, (nämlich Instrumente zu schaffen, die diese Interessenzusammenführung ermöglichen, und gleichzeitig für einen angemessenen Interessenausgleich von Anbietern und Nachfragern zu sorgen).2032) Bei der Erfüllung dieser Aufgabe gerät das Kapitalmarktrecht in ein Spannungsverhältnis zwischen einerseits dem (seit 2008 sehr klar hervortretenden) Wunsch nach einer stärkeren Zentralisierung des Kapitalmarkts und einer Reduzierung der Marktteilnehmer auf wenige (leichter zu überwachende) Kapitalmarktakteure2033) und andererseits demjenigen nach Förderung von Wettbewerb, Effizienzsteigerung und Innovation. Dieses Spannungsverhältnis wird bei der Digitalisierung deutlich, die einerseits für ihre disruptive Wirkung von Politik und Gesetzgeber gefeiert wird2034) und andererseits Gegenstand umfassender Regulierungsüberlegungen ist.2035) 501 Kennzeichen der Digitalisierung des Kapitalmarkts sind Disintermediation,2036) Dezentralisierung und der Einsatz künstlicher Intelligenz.2037) Disintermediation und Dezentralisierung treten vor allem beim Handel mit Token und bei Crowd-Finanztechniken über Online-Plattformen in Erscheinung und künstliche Intelligenz beim Robo Advice. Die disruptive Wirkung der Digitalisierung auf Geschäftsmodelle in allen drei Bereichen ist heute schon unübersehbar.2038) Die sich in diesem Zusammenhang stellenden Rechtsfragen sollen in diesem Abschnitt E. zumindest angeschnitten und in den Kontext der Gegenstände dieses Buches eingeordnet werden. I. Token und DLT 502 Token (auch Coins genannt) sind digitale Darstellungen von Vermögenswerten.2039) Das elektronische Medium für Token ist häufig die Distributed Ledger ___________ 2032) Vgl. oben Rn. 2 ff. 2033) Besonders deutlich zeigt sich diese Entwicklung im durch EMIR und MiFIR regulierten Derivatemarkt, in dem der OTC-Handel zurückgedrängt und zentrales Clearing und Handel an MiFID-Handelsplätzen gefördert werden (s. oben Rn. 281 ff.). 2034) EU Kom-VÖ-Kapitalmarktunion-Aktionsplan-2020 I.3. 2035) Vgl. die Ausgaben der BaFin Perspektiven 1/2018 (Digitalisierung – Teil 1), 1/2019 (Digitalisierung – Teil 2) und 1/2020 (Cybersicherheit). 2036) Disintermediation beschreibt den Wegfall einzelner Stufen der Wertschöpfungskette und damit den Bedeutungsverlust von Intermediären (Vermittlern zwischen verschiedenen Akteuren) in einem Wirtschaftssystem. 2037) M/O-FinTech-Handbuch-Möslein/Omlor, § 1 Rn. 4 – 6. 2038) Ausführliche Darstellung der deutschen FinTech-Branche: M/O-FinTech-HandbuchDorfleitner/Hornuf. § 2 und der Kooperation zwischen Finanzakteuren und FintechUnternehmen in: M/O-FinTech-Handbuch-Tschörtner, § 3. 2039) BaFin-VÖ-Token Ziffer I. Ebenfalls verwendet werden die Begriffe Krypto-Token (BubaVÖ-Krypto-Token-1, S. 39) und Crypto Assets oder Virtual Assets (BaFin-VÖ-Kryptoverwahrgeschäft).

338

I. Token und DLT

Technology (DLT).2040) Bei einem Distributed Ledger (Deutsch: verteiltes Kontenbuch) – dessen bekannteste Form die Blockchain ist2041) – handelt es sich um eine dezentralisierte Form der elektronischen Datenverarbeitung und -speicherung, die (qualifizierten) Teilnehmern eines Netzwerks (und nicht nur einer zentralen Instanz) eine gemeinsame Schreib-, Lese- und Speicherberechtigung gibt. Jeder Teilnehmer kann neue Informationen jederzeit nach einem Validierungsprozess in die Datenbank aufnehmen lassen, die ständig aktualisiert allen Teilnehmern zur Verfügung steht.2042) 1. Anwendungsfälle a) Wertpapiergeschäfte DLT kann bei Geschäften mit traditionellen Formen von Kapitalmarktinstru- 503 menten eingesetzt werden, um deren Handel, Settlement und Verwahrung (noch) effizienter, schneller und preiswerter zu machen.2043) Nun läuft das Settlement von Effektengeschäften mittels Depotbuchungen bei der Depotbank und/oder der CSD zwar bereits heute (ohne DLT) recht effizient, schnell, sicher und kostengünstig,2044) aber viele Marktteilnehmer und die Aufsicht sehen in DLT das Potenzial zu weiteren Verbesserungen.2045) Als Voraussetzung für die Anwendung von DLT beim Wertpapier-Settlement wird das vollständig digitale Wertpapier gesehen,2046) das in Deutschland erst 2021 durch die Einführung des eWPG möglich geworden ist.2047)

___________ 2040) Der DLT kommt nach Ansicht des Gesetzgebers eine Schlüsselfunktion bei der Digitalisierung des Kapitalmarkts zu (s. EU Kom-VÖ-Aktionsplan FinTech, BundesReg-VÖBlockchain-Strategie und BundesReg-VÖ-eWP+Token). 2041) Blockchain ist eine Form von DLT; in diesem Buch werden die Begriffe aber als Synonyme benutzt. Detailliert zur Blockchain-Technologie: M/O-FinTech-HandbuchKaulartz, § 5. 2042) Buba-VÖ-DLT, S. 36/37 und Buba-VÖ-Krypto-Token-2, S. 34. DLTR Art. 2 Nr definiert Distributed Ledger als einen Informationsspeicher, der Aufzeichnungen über Transaktionen enthält und der unter Verwendung eines Konsensmechanismus auf eine Reihe von DLT-Netzwerkknoten verteilt und zwischen diesen synchronisiert wird und DLT als eine Technologie, die den Betrieb und die Nutzung von Distributed Ledger ermöglicht. 2043) Vgl. die Analysen in: Buba-VÖ-DLT, S. 36 ff.; und Diskussionspapier des BdB-DLTPapier, S. 2 (weitere Anwendungsbeispiele auf S. 11). Siehe zum erklärten gesetzgeberischen Ziel der Effizienzsteigerung und dem Wunsch, dass der Markt, sich der neuen digitalen Möglichkeiten noch stärker bediene: DLTR EG (3) und (4). 2044) Vgl. oben Rn. 411 ff. 2045) Näher: Buba-VÖ-DLT, S. 39 ff. 2046) BdB-DLT-Papier, S. 14. 2047) Vgl. oben Rn. 377 ff. Praktische Anwendungsfälle für das Settlement von Transaktionen mit Finanzprodukten über DLT sind in Deutschland bis dato deshalb vornehmlich für (der Papierform nicht bedürfenden und auch sonst wenig regulierten) Schuldscheine bekannt, z. B. diejenigen des Autobauers Daimler (s. oben Rn. 471).

339

E. Digitalisierung des Kapitalmarkts

b) Digital Ecosystems 504 Token können mehr sein als Settlement-Instrumente. Mit ihrer Hilfe können eigene, kommerziellen Zwecken dienende digital Ecosystems geschaffen werden, in denen Teilnehmer für ihre Beiträge mit Token belohnt werden und Nutzer mit Token zahlen müssen. Die Kommerzialisierung dieser Ecosytems erfolgt durch ein (i. d. R. über das Internet oder Social Media durchgeführtes) Initial Coin Offering (ICO),2048) bei dem Token emittiert und im Austausch gegen herkömmliche FIAT-Währungen2049) oder virtuelle Währungen (z. B. Bitcoin oder Ether) verkauft werden.2050) Der Handel mit den Token findet auf einer DLT gestützten Handelsplattform statt, auf der Austauschgeschäfte unter Verwendung von Smart Contracts2051) vollzogen werden. Weitere Token können durch Mining geschaffen, in Wallets verwahrt und durch Burning in ihrer Anzahl ggf. wieder reduziert werden. Missbräuchliche Handlungen auf einer DLT können durch Hard Forks2052) korrigiert werden.2053)

___________ 2048) Auch Initial Token Offering (ITO) oder Security Token Offering (STO) genannt (BaFinVÖ-Token Ziffer I). 2049) Handelsplattformen, an denen Token zu zentralbankgestütztem FIAT-Geld gemacht werden können, sind z. B.: Binance oder Qryptos (näher: K/P/R, ZBB 2018, 89). 2050) BaFin-VÖ-ICO, Ziffer 5, BaFin-VÖ-Token, S. 1. Illustrative Beispiele finden sich bei K/P/R, ZBB 2018, 89, 91 ff: · Die Ethereum-Plattform (Ethereum Virtual Machine) ist eine digitale Infrastruktur, auf der mittels Smart Contracts dezentrale Computerprogramme (Dapps) ausgeführt werden können. Mit den Dapps können Token geschaffen werden. Der ICO (token sale) erfolgte in 2014 durch eine Schweizer Stiftung, die als Empfängerin der Vergütung auch verantwortlich ist für die Weiterentwicklung des zugrundeliegenden Protokolls. Die Infrastruktur wächst durch die dezentrale Zurverfügungstellung von Rechnerkapazität durch Dritte (Miner), die auch neue blocks auf der Ethereum Blockchain schaffen können. Die Inanspruchnahme der Infrastruktur muss mit dem P-Token Ether (Neuschaffung ist beschränkt auf EUR 18 Mio. p. a.) bezahlt werden. Miner erhalten Transaktionsgebühren (Gas) und block rewards für neue blocks. · Im Ecosystem Munchee Plattform (mittlerweile eingestellt) konnten M-Token können gegen Ether gekauft werden. Restaurantgäste sollten Restaurantkritiken schreiben und dafür M-Token erhalten. Restaurantbetreiber sollten M-Token kaufen, um dafür Werbung schalten zu können. Gäste sollten mit M-Token in Restaurants bezahlen können. M-Token, die für Werbung bezahlt wurden, sollten eingezogen werden (burning). M-Token sollten auf dem Sekundärmarkt gehandelt werden. 2051) Ein Smart Contract ist durch einen Computer generierter Vertrag, der nach vordefinierten Parametern automatisch und diskriminierungsfrei Geschäfte ausführt (dabei die Rolle eines Intermediärs übernimmt) und in einem Code niedergelegt ist (näher: M/OFinTech-Handbuch-Kaulartz, § 5 Rn. 42 – 54). Zivilrechtlich sind Smart Contracts als AGB zu qualifizieren (M/O-FinTech-Handbuch-Siedler, § 7 Rn. 12). 2052) Hard Fork bedeutet das Zurücksetzen der Blockchain auf einen früheren Stand. 2053) Zur Funktionsweise von DLT im Finanzwesen s.: Buba-VÖ-DLT, S. 36 ff.; BdB-DLTPapier, S. 4 ff.

340

I. Token und DLT

2. Regulierungsrahmen Gegenwärtig existiert kein EU-weiter gesetzlicher Regulierungsrahmen für 505 Token, DLT und ICOs.2054) Gesetzgeber und Aufsicht erkennen das Bedürfnis nach einer solchen Regulierung bereits darin, dass verhindert werden soll, dass der erreichte Standard der Kapitalmarktregulierung durch digitale Instrumente und Handelsformen unterlaufen wird.2055) Hinzu tritt die Regelungsbedürftigkeit neuer Phänomene, zu denen z. B. Informationsasymmetrien besonderer Art zählen2056) sowie die Anfälligkeit der Finanzakteure für digitale Angriffe und Manipulationen der DLT.2057) a) Einordnung von Token in das bestehende aufsichtsrechtliche System Angesichts des erkannten Regulierungsbedürfnisses für Token (bei Abwesen- 506 heit eines umfassenden gesetzlichen Rahmens) bemühen sich europäische2058) und nationale Aufsichtsbehörden und die Rechtswissenschaft, die Token in das bestehende Finanzaufsichtssystem einzuordnen, was dadurch erleichtert wird, dass das Aufsichtsrecht grds. technologieneutral ist.2059) Je nach ihrer

___________ 2054) Spindler, WM 2018, 2109, 2111. S. auch: ESMA-VÖ-ICO Rn. 77. Allerdings ist dies im Begriff, sich zu ändern, wobei dem digitalen Finanzpaket der EU Kommission vom 24.9.2020 znetrale Bedeutung für die Schaffung eines solchen Regulierungsrahmens zukommt, dessen konkretester Ausdruck bis dato durch die am 23.3.2023 in Kraft tretenden sog. Pilotregelungen der DLTR erfolgt ist (s. näher unten Rn. 512 f.). Einen Überblick zum gegenwärtigen Stand und den geplanten Kryptogesetzen in der EU und Deutschland gibt: Patz, BKR 2021, 725. 2055) Im eWPG-Gesetzesbegründung S. 27 wird das wie folgt formuliert: „Wesentliches Ziel ist es dabei aber auch, dass die Öffnung des deutschen Rechts für innovative Technologien unter Wahrung der Erfordernisse der Rechtssicherheit, der Markintegrität und des Anlegerschutzes sowie des Funktionierens und der Transparenz des zugrundliegenden Finanzmarkts erfolgt.“ I. Ü. ruft die Kryptowirtschaft für die eigene Planungssicherheit selbst nach klaren regulatorischen Leitplanken (s. z. B. das Positionspapier des Blockchain Bitkom e. V. zum EU framework for markets in crypto-assets vom 18.3.2020 (https://www. bitkom.org/Bitkom/Publikationen/Public-consultation-an-EU-framework-for-marketsin-crypto-assets)). 2056) Für Token-Anleger ist es noch schwieriger, Wertvolles von Wertlosem zu unterscheiden, denn die eigentliche Wertschöpfung der Initiatoren eines ICO liegt in der Codierung der DLT/Smart Contracts, die entweder gar nicht öffentlich zugänglich oder (zumindest für den normalen Anleger) schwer nachvollziehbar ist. Ein qualitativer Unterschied zwischen ICO und IPO besteht darin, dass beim IPO ein Wertpapier eines bestimmten Emittenten emittiert wird, über dessen Güte sich der Anleger (ggf. anhand des Wertpapierprospekts) ein Bild machen kann; beim ICO kommt hinzu, dass der Anleger ein ganzes Ecosystem beurteilen muss. Näher zu dieser Problematik: K/P/R, ZBB 2018, 89, 95; Spindler, WM 2018, 2109, 2110. 2057) Spindler, WM 2018, 2109, 2110. Gegen Manipulationen können zwar Hard Forks helfen, aber auch deren Anwendung bedarf gesetzlicher Regeln, um verlässlich zu sein. 2058) S. ESMA-VÖ-ICO. 2059) Spindler, WM 2018, 2109; K/P/R, ZBB 2018, 89.

341

E. Digitalisierung des Kapitalmarkts

Funktion in einem Ecosystem werden Token von der BaFin2060) (mit partieller Zustimmung der Rechtswissenschaft2061)) wie folgt kategorisiert und qualifiziert (die BaFin Token Taxonomie):2062) Token

Aufsichtsrechtliche Zuordnung

Payment Token (P-Token), die als Zahlungsmittel (virtuelle Währung) dienen (z. B. Bitcoins oder Ether)

weder Wertpapiere (WpPG) noch Vermögensanlagen (VermAnlG), aber Finanzinstrumente (KWG) oder E-Geld (ZAG)

Investment Token (I-Token), die Vermögens- und/oder Mitgliedschaftsrechte vermitteln

Wertpapiere (ProspR, WpPG und WpHG), Vermögensanlagen (VermAnlG) sowie Finanzinstrumente (KWG) oder Investmentfondsanteile (KAGB)

Utility Token (U-Token), die (einer Eintrittskarte oder einem Gutschein ähnlich) Zugriff auf bestimmte Dienstleistungen oder Produkte erlauben

weder Wertpapiere (WpPG) noch Vermögensanlagen (VermAnlG) noch Finanzinstrumente (KWG)

507 Die Ausgabe von Token kann folgende Erlaubnistatbestände erfüllen:2063) x

Bankgeschäft in Form des Einlagengeschäfts2064) – wenn der Emittent die Token gegen gesetzliche Zahlungsmittel anbietet und den Käufern ein unbedingtes Rückzahlungsversprechen gibt (allerdings nur, wenn der Token nicht als Wertpapier qualifiziert).2065)

___________ 2060) Die BaFin weist aber zurecht darauf hin, dass bei der konkreten aufsichtsrechtlichen Zuordnung der Token im Einzelnen weiter danach differenziert werden muss, ob sie zur Bestimmung eines Erlaubniserfordernisses erfolgt oder für wertpapieraufsichtliche Zwecke (BaFin-VÖ-Token, S. 5/6). Soweit ein Token eine Mischform mehrerer Typen ist, ist für die BaFin entscheidend, auf welchen Funktionen der Schwerpunkt des Tokens liegt. In der Praxis gibt es viele Hybridformen (Spindler, WM 2018, 2109, 2010), wozu man auch Stablecoins zählen kann, d. h. Token, die zu Zahlungszwecken genutzt werden und wertstabil sind, weil sie gebunden sind an Währungen, Rohwaren und/oder andere Token. 2061) Spindler, WM 2018, 2109; K/P/R, ZBB 2018, 89, 92; Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 655 f.; Weitnauer, BKR 2018, 231, 232; M/O-FinTech-Handbuch-Siedler, § 7 Rn. 25 – 89. 2062) BaFin-VÖ-Token, S. 5. 2063) BaFin-VÖ-Token, S. 10. Vorstellbar (aber laut BaFin-VÖ-ICO, Ziffer 4 wenig wahrscheinlich) ist die Qualifizierung eines Tokens als Versicherungsgeschäft. 2064) KWG § 1 (1) S. 2 Nr. 1. 2065) Als weiteres Bankgeschäft kommt das Depotgeschäft gem. KWG § 1 (1) Nr. 5 in Betracht für die Verwahrung von Token, die als Wertapier i. S. d. KWG qualifizieren.

342

I. Token und DLT

x

E-Geld-Geschäft2066) – wenn der Emittent die Token gegen gesetzliche Zahlungsmittel anbietet, und die Token einen Anspruch gegen den Emittenten auf Rücknahme oder Rücktausch in gesetzliche Zahlungsmittel verkörpern.

x

Investmentgeschäft2067) – wenn der Emittent der Token eine gemeinsame Anlage der über einen ICO eingesammelten Gelder oder virtuellen Währungen nach einer festgelegten Anlagestrategie verspricht und die Inhaber der Token an Gewinn und Verlust dieser Anlagetätigkeit durch spätere Ausschüttungen oder Rückkauf durch den Emittenten partizipieren.

x

Finanzdienstleistung2068) – wenn die Token Finanzinstrumente darstellen und Dritte Wertpapierdienstleistungen bzgl. der Token ausführen.2069)

Für wertpapieraufsichtliche Zwecke können einzelne Token als Wertpapiere 508 (ggf. auch als Investmentfondsanteile oder Vermögensanlagen) qualifizieren.2070) Für die Qualifizierung als Wertpapier spricht nach Ansicht der BaFin,2071) wenn der Token übertragbar und handelbar am Finanzmarkt ist (wobei Kryptowährungs-Handelsplattformen grds. als Finanzmarkt angesehen werden), Vermögens- und/oder Mitgliedschaftsrechte2072) verkörpert und kein Zahlungsinstrument darstellt.2073)

___________ 2066) ZAG § 1 (2) S. 2. Token, die ausschließlich gegen virtuelle Währungen wie Ether oder Bitcoin ausgegeben werden, fallen hingegen aus dem Anwendungsbereich des ZAG heraus; sie stellen kein E-Geld dar. Zur Abgrenzung von E-Geld und Bitcoin: C/T-ZAGTerlau, ZAG § 1 Begriffsbestimmungen, Rn. 224. Allerdings kann der organisierte Handel mit virtuellen Währungen der Erlaubnispflicht unterliegen (vgl. BaFin-VÖ-Virtuelle Währungen), da virtuelle Währungen selbst als Rechnungseinheiten gem KWG § 1 (11) S. 1 Nr 7 Var. 2 und damit als KWG-Finanzinstrumente eingeordnet werden (näher: M/M/F-Kryptowerte-Maume, § 12 Rn. 13 f). 2067) KAGB § 44 (1) S. 1 Nr. 1, § 20 (1). 2068) KWG § 1 (1a) S. 2. 2069) M/O-FinTech-Handbuch-Siedler, § 7 Rn. 130 – 162. 2070) M/O-FinTech-Handbuch-Siedler, § 5 Rn. 25 – 90. 2071) BaFin-VÖ-ICO, Ziffer 1; BaFin-VÖ-Token, S. 5. 2072) Dieses Merkmal der Vergleichbarkeit mit Aktien/Anleihen wird für die Qualifizierung von Token als Wertpapiere in der Literatur hervorgehoben (K/P/R ZBB 2018, 89, 100; Spindler, WM 2018, 2109, 2112). S. auch MiFID EG (8): „Es ist zweckmäßig, in die Liste der Finanzinstrumente Waren- und sonstige Derivate aufzunehmen, die so konzipiert sind und gehandelt werden, dass sie unter aufsichtsrechtlichen Aspekten traditionellen Finanzinstrumenten vergleichbar sind.“ 2073) In der Literatur wird als entscheidendes Kriterium für die aufsichtsrechtliche Qualifikation eines Token als Wertpapier vorgeschlagen, ob der Token eine finanzielle Rendite verspricht, die hauptsächlich von den Anstrengungen Dritter abhängt (K/P/R, ZBB 2018, 89, 102), was am ehesten bei I-Token der Fall ist. Wenn die Token nicht als Wertpapiere qualifizieren, dann sind sie i. d. R. auch keine Vermögensanlagen (K/P/R, ZBB 2018, 89, 103; Spindler, WM 2018, 2109, 2114, Jünemann/Wirtz, ZgK 2018, 1, 7).

343

E. Digitalisierung des Kapitalmarkts

509 Falls ein Token als (KWG-)Finanzinstrument und Wertpapier zu qualifizieren ist, zieht dies umfangreiche aufsichtsrechtliche Pflichten nach sich: x

Die Emission selbst ist zwar erlaubnisfrei,2074) der Vertrieb und insbesondere das öffentliche Angebot unterliegen aber der Prospektpflicht und anderen Transparenzpflichten;2075)

x

diejenigen Akteure, die Finanzdienstleistungen bzgl. dieses Token erbringen, unterliegen neben den Anforderungen hinsichtlich Kapital, Organisation und Personen den MiFID-Wohlverhaltensregeln;2076)

x

die Handelsplätze, an denen der Token gehandelt wird, bedürfen einer Erlaubnis und unterliegen Aufzeichnungs-, Melde- und Berichtspflichten, daneben Regeln über Settlement, Marktintegrität und -transparenz.2077)

b) Gesetzliche Krypto-Regulierungsansätze 510 Ob die existierenden Regelungen des Kapitalmarktrechts für Token immer passen, ist zweifelhaft.2078) Jedenfalls bemühen sich EU und Mitgliedstaaten, einerseits die drängendsten aufsichtsrechtlichen Kryptokapitalmarktprobleme schnell zu lösen und andererseits, einen aufsichtsrechtlichen Gesamtrahmen für den digitalen Finanzmarkt zu schaffen. aa) Geldwäscheprävention und Kryptoverwahrgeschäft 511 Offensichtlich ist der Krypto-Regulierungsbedarf im Bereich der Geldwäsche, denn hier drohen besondere Gefahren z. B. dadurch, dass Kriminelle eigene Bitcoinfarmen aufbauen.2079) Der EU Gesetzgeber adressierte dieses Problem durch Erweiterung des Kreises der Geldwäschepräventions-Verpflichteten.2080) Sein Ziel war die Ausweitung des Geldwäscherechts auf Dienstleistungsanbieter, die den Umtausch von virtuellen Währungen in gesetzliche Währungen ausführen, sowie auf Anbieter von elektronischen Geldbörsen.2081) Der deut___________ 2074) Kleinert/Mayer, EuZW 2019, 857, 860 (vgl. auch oben Rn. 97 und 112). 2075) Hanten/Stump, RdF 2018, 189, 195; M/O- FinTech-Handbuch-Siedler § 7 Rn. 99 – 111; H/M/S-Unternehmensfinanzierung-van Aubel, § 20.83 – 156. 2076) M/O-FinTech-Handbuch-Spindler, § 25 Rn. 2. 2077) Patz, BKR 2019, 435, 441; Spindler, WM 2018, 2109, 2115; Veil-KapitalmarktrechtVeil, § 10 Rn. 17 – 24. 2078) Z. B. Anforderungen an die Inhalte eines Emissionsprospekts. Während bei IPOs typischerweise historische Unternehmensdaten von Relevanz sind, wollen sich ICO-Investoren vor allem über das relevante Ecoystem informieren (K/P/R, ZBB 2018, 89, 104). 2079) Jung, Cybercrime, zdnet vom 8.9.2020. Ausführliche Darstellung bei: Grzywotz, Virtuelle Kryptowährungen. 2080) S. RiLi (EU) 2018/843, die die AMLD erweitert (auch AMLD-V genannt). Zum Konzept der Geldwäscheprävention s. oben Rn. 164 f.: Geldwäschepräventions-Verpflichtete müssen ein Risikomanagement zur Geldwäscheprävention einrichten und Sicherungsmaßnahmen entwickeln, um identifizierte Risiken zu kontrollieren und mindern. 2081) Vgl. AMLD-V-UmsG-Gesetzesbegründung, S. 48.

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I. Token und DLT

sche Gesetzgeber2082) hat sich für eine überschießende Umsetzung der europäischen Vorgaben in deutsches Recht entschieden (d. h. sog. Goldplating betrieben): Seit dem 2020 sind Kryptowerte Finanzinstrumente unter dem KWG2083) und dem WpIG,2084) ist das Kryptoverwahrgeschäft ein Finanzdienstleistungsgeschäft2085) und erfordert sein Betrieb deshalb eine Finanzdienstleistungslizenz.2086) Allerdings ist der Begriff des Kryptowerts als (subsidiärer) Auffangtatbestand konzipiert, der nur eingreift, wenn ein Token nicht bereits einer anderen Kategorie von Finanzinstrumenten zuzuordnen ist.2087) Die BaFin Token Taxonomie2088) behält deshalb ihre Relevanz, und bevor ein Token als Kryptowert qualifiziert wird, ist zu prüfen, ob er z. B. eine Rechnungseinheit oder ein Wertpapier ist (was bei vielen Token der Fall sein wird). Das bedeutet, dass die Verwahrung eines Token, der als Wertpapier qualifiziert, als Depotgeschäft ___________ 2082) AMLD-V-UmsG. 2083) KWG § 1 (11) S. 1 Nr. 10: Kryptowerte sind digitale Darstellungen eines Wertes, der nicht den gesetzlichen Status einer Währung besitzt, aber von anderen Personen als Tausch- oder Zahlungsmittel akzeptiert wird oder Anlagezwecken dient und der auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden kann (ausgenommen sind E-Geld sowie Zahlungsinstrumente und -vorgänge nach ZAG § 2 (1) Nr. 10 und 11). Unklar bleibt in diesem Zusammenhang der Begriff der Anlagezwecke. Die BaFin versucht den Begriff durch negative Abgrenzung zu bestimmen, indem sie ihm nicht handelbare, keinen Anlagezwecken dienenden (elektronische) Gutscheine gegenüberstellt, die „aufgrund ihrer Ausgestaltung keine investorenähnliche Erwartungshaltung an die Wertentwicklung des Gutscheins oder an die allgemeine Unternehmensentwicklung des Emittenten oder eines Dritten wert- oder rechnungsmäßig abbilden“ (BaFin-VÖ-Kryptoverwahrgeschäft, Ziffer I.1). Entscheidend sollte die „investorenähnliche Erwartungshaltung an die Wertentwicklung“ sein und damit das gleiche Kriterium gelten wie bei der Bestimmung der Wertpapiereigenschaft eines Token im Rahmen der BaFin-Token-Taxonomie, nämlich demjenigen der Vergleichbarkeit mit Aktien oder Anleihen (s. oben Rn. 506 ff.). 2084) WpIG § 2 (5) Nr. 10. Allerdings stellt KWG § 32 (2a) S. 3 klar, dass Unternehmen, die nur mit Kryptowerten handeln, dem KWG unterliegen (und keine Wertpapierinstitute sind). Das ist auch deshalb wichtig, weil bestimmte Regelungen für Finanzdienstleistungsinstitute auf Dienstleister, die ausschließlich das Kryptoverwahrgeschäft betreiben, nicht anzuwenden sind (KWG § 2 Abs. 7b). 2085) KWG § 1 (1a) S. 2 Nr. 6: Kryptoverwahrgeschäft ist die Verwahrung, Verwaltung und Sicherung von Kryptowerten oder privaten kryptografischen Schlüsseln, die dazu dienen, Kryptowerte für andere zu halten, zu speichern oder darüber zu verfügen, sowie die Sicherung von solchen privaten kryptografischen Schlüsseln. 2086) Durch die Schaffung des Tatbestands des Kryptoverwahrgeschäfts werden Personen, die dieses Geschäft erbringen, zu Geldwäschepräventions-Verpflichteten nach GWG § 2 (1) Nr. 2. Die diesbezüglichen Pflichten der Verpflichteten sind näher in der KryptoWTransferV niedergelegt, die die entsprechende Anwendung der für Geldtransfers geltenden (europäischen) FTR auf Kryptowerttransfers anordnet (vgl. KryptoWTransferV § 3), also insbesondere die Ermittlung und Speicherung von Daten über die Transaktionsbeteiligten. Zudem werden in KryptoWTransferV § 2 weitere wichtige Begriffsdefininitionen festgelegt, z. B. für privater kryptografischer Schlüssel oder Kryptowertedienstleister. 2087) AMLD-V-UmsG-Gesetzesbegründung, S. 109; BaFin-VÖ-Kryptoverwahrgeschäft, Ziffer I.1; Resas/Ulrich/Geest, ZBB/JBB 2020, 22, 25. 2088) S. oben Rn. 506 ff.

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E. Digitalisierung des Kapitalmarkts

anzusehen ist und nicht als Kryptoverwahrgeschäft, selbst wenn der Token (auch) ein Kryptowert ist.2089) bb) MiCAR, DORA & DLT-Pilot 512 Das digitale Finanzpaket der EU Kommission vom 24.9.20202090) ist der Versuch, dem digitalen Finanzmarkt einen umfassenden aufsichtsrechtlichen Rahmen zu geben. Sein Herzstück ist der Entwurf der Verordnung on Markets in Crypto-assets (MiCAR-Entwurf).2091) Der MiCAR-Entwurf enthält Transparenz- und Organisationsanforderungen für Emission, Handel und Verwahrung aller Kryptowerte bzw. Token (definiert als digitale Darstellung von Werten, die mittels DLT übertragen und gespeichert werden,2092)) die nicht bereits anderweitig (als MiFID-Finanzinstrumente oder E-Geld) reguliert sind. Er verfolgt ein aus der Kapitalmarktregulierung bekanntes Regulierungsgrundschema und stellt an Akteure, die bestimmte Tätigkeiten in Bezug auf Kryptowerte vornehmen, Anforderungen in puncto Erlaubnis,2093) Organisation und Transparenz.2094) ___________ 2089) BaFin-VÖ-Kryptoverwahrgeschäft, Ziffer II unter Verweis auf AMLD-V-UmsGGesetzesbegründung S. 109 (zustimmend: Resas/Ulrich/Geest, ZBB/JBB 2020, 22). In der Praxis stellt sich allerdings die Frage, was mit nicht-verbrieften Token ist, die als Schuldtitel gem. KWG § 1 (11) Nr. 3 qualifizieren (ohne eWP zu sein)? Ist deren Verwahrung dann Depotgeschäft gem. KWG § 1 (1) S. 2 Nr. 5 oder Kryptoverwahrgeschäft? Nach Ansicht der BaFin: Kryptoverwahrgeschäft, da die Token mangels Verbriefung keine Wertpapiere i. S. d. des (insoweit relevanten) DepotG seien (BaFin-VÖ-Kryptoverwahrgeschäft, Absatz II; ebenso: S/A-KWG+ZAG-Schwennicke, § 1 Rn. 133d; Rennig, BKR 2020, 23, 27). Wohl aber qualifizieren diese Token als Wertpapiere i. S. v. MiFID und ProspR, da es hier auf eine Verbriefung nicht ankommt (BaFin-VÖ-Kryptoverwahrgeschäft, Absatz I Nr. 1; a. A.: LG Berlin, Urt. v. 27.5.2020 – 2 O 322/18, Rn. 85 – 88, BKR 2021, 170, das den prospektrechtlichen Wertpapierbegriff nach sachenrechtlichen Grundsätzen bestimmt; s. auch oben Rn. 244 f.). 2090) Abrufbar unter: https://ec.europa.eu/info/publications/200924-digital-finance-proposals_en. Inhaltsübersicht bei: Veil-Kapitalmarktrecht-Veil, § 10 Rn. 25 – 34. 2091) EU-Rat und EP haben am 29.6.2022 eine vorläufige Einigung über die MiCAR-VO erzielt (https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2022/06/30/digitalfinance-agreement-reached-on-european-crypto-assets-regulation-MiCAR/). Mit einer baldigen Verabschiedung der VO ist zu rechnen. Ausführlich zum Entwurf: Zickgraf, BKR 2021, 196 und 362. 2092) MiCAR-Entwurf Art. 3 (1) Nr. 2. 2093) Kryptowert-Dienstleister (in MiCAR-Entwurf Art. 3 (1) Nr. 8 und 9 definiert als Personen, die näher beschriebene Dienstleistungen bzgl. Krypotwerten erbringen – das Konzept orientiert sich eng an den Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten der MiFID) bedürfen einer physischen Niederlassung in der EU und einer Lizenz der zuständigen nationalen Behörde (auch hier gilt aber die EU Pass-Freizügigkeit – s. Rn. 53) und müssen (CRR und MiFID vergleichbare) Anforderungen in Bezug auf Eigenkapital, Governance und insbesondere Cybersicherheit erfüllen. 2094) Dem Wertpapierprospektrecht vergleichbar erfordert das öffentliche Angebot eines Kryptowerts oder seine Zulassung zu einer Handelsplattform (von typischen Ausnahmen abgesehen, etwa dem ausschließlichen Vertrieb an professionelle Anleger) die Veröffentlichung eines zuvor von der zuständigen Behörde genehmigten Transparenzdokuments, in diesem Fall White Paper genannt (MiCAR-Entwurf Art. 4). Die inhaltlichen Anforderungen an das White Paper sind speziell auf Kryptowerte zugeschnitten und schließen z. B. Angaben über das Ecosystem ein, in dem die Kryptowerte verwendet werden (näher MiCAR-Entwurf Art. 5).

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I. Token und DLT

Grds. sind diese Anforderungen weniger strikt als bei Finanzinstrumenten, insbesondere als bei Wertpapieren.2095) Von diesem Grundsatz der Regulierung light gibt es aber Ausnahmen und die wichtigste Ausnahme ist: Anders als bei einem Wertpapier bedarf bereits die Emission eines Kryptowerts einer Erlaubnis durch die zuständige Behörde.2096) Neben dem MiCAR-Entwurf enthält das digitale Finanzpaket u. a. ein Strate- 512a giepapier für ein digitales Finanzwesen in der EU sowie Entwürfe der Verordnungen on a Digital Operational Resilience for the financial sector (DORA) und on a Pilot regime for market infrastructures based on distributed ledger technology (DLT Pilot). Mit DORA wird ein Rechtsrahmen für die digitale Betriebsstabilität geschaffen. DORA verlangt von Unternehmen des Finanzsektors und ihren Dienstleistern (z. B. Cloud-Plattformen oder Datenanalysedienste), jederzeit in der Lage zu sein, Störungen und Bedrohungen für ihre Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) standzuhalten.2097) Der DLT Pilot ist durch die DLTR vom 30.5.2022 ins geltende EU-Recht 512b umgesetzt worden, deren Bestimmungen mehrheitlich am 23.3.2023 in Kraft treten.2098) Erklärtes Ziel des DLTR-Gesetzgebers ist es, die Tokenisierung, d. h. die digitale Darstellung von Finanzinstrumenten (Aktien, Anleihen und ___________ 2095) Der MiCAR-Entwurf Art. 3 (1) Nr. 3 – 5. unterscheidet zwischen: · Asset-Referenced (vermögenswertbezogenen) Token (AR-Token), bei denen FIAT Währungen (gesetzliche Zahlungsmittel), Waren oder andere Token als Bezugsgrundlage verwendet werden, um Wertstabilität zu erreichen (entspricht weitgehend der Definition von Stable Coins); · E-Geld-Token, die als Tauschmittel dienen, und bei denen FIAT Währungen als Bezugsgrundlage verwendet werden, um Wertstabilität zu erreichen; · Utility-Token (U-Token), die digitalen Zugang zu Anwendungen, Diensten oder Quellen auf der DLT bieten und nur vom Emittenten angenommen werden und knüpft an diese Klassifizierung unterschiedliche Rechtsfolgen, näher beschrieben in MiCAR-Entwurf Titel III für AR-Token und Titel IV für E-Geld-Token. Beide TokenKlassen können, wenn sie näher definierte Schwellenwerte übersteigen (s. MiCAREntwurf Art. 39 bzw. 50), zu Significant Tokens werden, deren Emittenten dann unter die Aufsicht der EBA kommen sollen (die damit neben EZB und nationalen Aufsichtsbehörden eine eigenständige originäre Aufsichtsbefugnis bekäme). Diese Regulierung zielt wohl auf Big-Tech-Unternehmen ab, die eigene Kryptowährungen schaffen wollen (s. z. B. das Vorhaben von Facebook (Meta) eine solche Währung einzuführen, die zunächst Libra heißen sollte, dann Diem). 2096) MiCAR-Entwurf Art. 2 (1). 2097) EU-Rat und EP haben am 11.5.22 eine vorläufige Einigung über die DORA-VO erzielt (https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2022/05/11/digital-financeprovisional-agreement-reached-on-dora/). Mit einer baldigen Verabschiedung der VO ist zu rechnen. Die Notwendigkeit der DORA-VO unterstreichen eindrucksvoll die Ergebnisse des Forschungsprojekts Auswirkungen sich verändernder Wertschöpfungsketten im Finanzsektor der Universität Insbruck, die nahelegen, dass die zunehmende Auslagerung von IT-Dienstleistungen durch Finanzakteure verstärkte Sicherheitsrisiken mit sich bringt und deshalb auch eine verstärkte Aufsicht erfordert (file://ffwuk.local/Public/ Profiles/FRA/RL6/Downloads/dl_abschlussbericht_forschungsprojekt_uni_innsbruck. pdf) auf die IT-Sicherheit. 2098) Ausführlich zum DLT Piloten: Litten, BKR 2022, 551.

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E. Digitalisierung des Kapitalmarkts

Investmentzertifikate), und den barrierefreien Handel mit Token auf der Blockchain (einer Form von DLT) voranzutreiben und technische Standards zu entwickeln.2099) Als Hürde für die Erreichung dieses Ziels macht der Gesetzgeber den Umstand aus, dass das bestehende Aufsichtsrecht die Besonderheiten von Token und DLT nicht berücksichtigt und die digitale Entwicklung des Kapitalmarkts dadurch z. T. behindert (zB dadurch, dass Zugang zu traditionellen Handelsplätzen i. d. R. nur über Finanzintermediäre möglich ist).2100) Die Hürde soll dadurch überwunden werden, dass bestimmte DLT-Marktinfrastrukturen von einigen spezifischen Anforderungen des Aufsichtsrechts ausgenommen werden. Da jedoch gleichzeitig ein hohes Maß an Anlegerschutz, Marktintegrität, Finanzstabilität und Transparenz gewahrt und Aufsichtsarbitrage2101) vermieden werden soll, gelten diese Ausnahmen nur vorübergehend (bis sechs Jahre)2102) und nur für DLT-Marktinfrastrukturen, deren Tradingbzw. Settlement-Volumina unterhalb bestimmter Schwellenwerte bleiben.2103) Zudem werden die aufsichtsrechtlichen Erleichterungen von einer Reihe Kompensationsanforderungen für die Betreiber der DLT-Marktinfrastrukturen begleitet, die sicherstellen sollen, dass Systemstabilität und Anlegerschutz nicht über Gebühr ausgehöhlt werden.2104) 512c Der aufsichtsrechtliche Ansatz des DLT-Piloten besteht darin, einen neuen Status für DLT-Marktinfrastrukturen zu schaffen2105) und zwar dergestalt, dass eine Wertpapierfirma, die ein MTF ausschließlich als DLT-Handelssystem und ein CSD, der ausschließlich ein DLT-Abwicklungssystem betreiben will, die dafür (eigentlich) erforderliche (EU-Passfähige2106) Genehmigung nach MiFID ___________ 2099) DLTR EG (3) – (5). 2100) DLTR EG (5). Die Hürde ist sogar noch höher, als sie auf den ersten Blick scheint: Wenn Token als übertragbare Wertpapiere qualifizieren und an einem MiFid-Handelsplatz gehandelt werden sollen, ist die Einbuchung in ein CSD gem. CSDR Art. 3 verpflichtend (s. o. Rn. 215b), was dem Ziel der Disintermediation entgegenstünde. Ohne eine Ausnahmeregelung bliebe dem Kryptohandelsplatformetreiber, der seinen Tokenhandel nur über die DLT setteln möchte, dann wohl nur die Möglichkeit, seine Plattform nicht als MTF oder OTF zu betreiben, sondern als Eigenhandelsplattform, SI oder Abschlussvermittler, da derart organisierte Kryptohandelsplattformen keine MiFid-Handelsplätze sind (vgl. Patz, BKR 2019, 435, 443). 2101) DLTR EG (6). 2102) DLTR EG (48). 2103) DLTR Art. 3. Die Schwellenwerte betreffen zum einen die einzelnen Emissionen bestimmter Finanzinstrument-Typen, z. B. darf keine Aktie eine Marktkapitalisierung von über EUR 500 Mio haben (DLTR Art. 3 (1) a)), zum anderen den Gesamtmarktwert sämtlicher in der betreffenden DLT-Marktinfrastruktur zugelassener oder verbuchter DLT-Finanzinstrumente, der EUR 9 Mrd nicht übersteigen darf (DLTR Art. 3 (3)). 2104) Dies betrifft Anforderungen im Hinblick auf den Umgang mit Interessenkonflikten und Risikomanagement, Kundeninformationspflichten, robusten IT- und Cyber-Strukturen und Maßnahmen zum Schutz der (digitalen) Vermögenswerte der Kunden (vgl. DLTR Art. 7). 2105) DLTR EG (7). DLT-Marktinfrastruktur wird als Oberbegriff für DLT-MTF, DLT-SS und DLT-TSS verwendet (DLTR Art. 2 Nr. 5). 2106) DLTR EG (47).

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II. Online-Plattformen

bzw. CSDR unter vereinfachten Bedingungen erhält.2107) Die Wertpapierfirma, die über eine diesen Status vermittelnde sog. besondere Genehmigung verfügt, wird als multilaterales DLT-Handelssystem (DLT-MTF)2108) bezeichnet und das betreffende CSD als DLT-Abwicklungssystem (DLT-SS)2109). Darüber hinaus soll es dem DLT-MTF und dem DLT-SS auch möglich sein, unter vereinfachten Bedingungen diejenigen Dienstleistungen anzubieten, die normalerweise dem jeweiligen anderen Akteur vorbehalten sind. Das DLT-MTF soll also in Kombination mit Trading auch Settlement und Custody anbieten können und das DLT-SS in Kombination mit Settlement und Custody auch Trading.2110) Der Inhaber einer solchen Kombi-Genehmigung wird als DLT-Handels- und Abwicklungssystem (DLT-TSS)2111) bezeichnet. Die aufsichtsrechtlichen Erleichterungen, die die DLTR den DLT-Marktinfrastrukturen im Vergleich zu den traditionellen Systemen gewährt, sind erheblich.2112) Im Idealfall erlauben sie einen Handel mit digitalen Finanzinstrumenten(und seine Abrechnung) unter Zuhilfenahme eines einzigen Intermediärs, nämlich der DLT-TSS. II. Online-Plattformen Eine zentrale Rolle bei der Digitalisierung des Kapitalmarkts spielen Online- 513 Plattformen. Sie können die klassischen Intermediäre ersetzen – und Anbieter und Nachfrager unmittelbar (Peer to Peer – P2P) zusammenbringen.2113) Oder sie können klassischen Finanzakteuren neue Möglichkeiten des Vertriebs von und des Handels mit Kapitalmarktinstrumenten sowie des Angebots von Kapitalmarktdienstleistungen eröffnen.2114) Soweit es sich bei den vertriebenen bzw. gehandelten Produkten um MiFID-Finanzinstrumente (z. B. Token, die als Wertpapiere qualifizieren2115) handelt, erfordert die Zurverfügungstellung der Plattform eine Erlaubnis als Betreiber eines MiFID-Handelsplatzes, und die ___________ 2107) DLT-MTF und DLT-SS dürfen anders als normale MTF bzw. CSD Kleinanlegern (bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen) direkten, vermittlungsfreien Zugang zu ihren Systemen gewähren (DLTR EG (26) und (32), Art. 4 (2), Art. 5 (5)). DLT-MTF können von vielen MiFID-Meldepflichten befreit werden (DLTR EG (27). Es handelt sich hierbei vornehmlich um Nachhandelsmeldungen gem MiFIR) Art. 26 (vgl. DLTR Art. 4 (3)). DLT-SS können von einer Reihe der strengen Anforderungen der CSDR befreit werden (DLTR Art. 5), z. B. von der Kontoführung im Zusammenhang mit der Einbuchung im Effektengiro (Token Settlement) und Schutz des Vermögens der Teilnehmer und Kunden (DLTR Art. 5 (2) und (7)) oder bei der Settlement discipline, d. h. der Durchführung der Abrechnung (DLTR Art. 5 (3)). 2108) DLTR Art. 2 Nr. 6. 2109) DLTR Art. 2 Nr. 7. 2110) DLTR EG (14) – (16). Siehe zur rechtlichen Bedeutung dieser Begriffe näher unten Kapitel 2. 2111) DLTR Art. 2 Nr. 10. 2112) Siehe zu den Anforderungen an die traditionellen Systeme oben Rn. 210 ff. 2113) Dazu unten Rn. 514. 2114) M/O-FinTech-Handbuch-Tschörtner, § 3 Rn. 58. 2115) S. oben Rn. 506 ff.

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E. Digitalisierung des Kapitalmarkts

Plattform unterliegt dann auch einer entsprechenden Beaufsichtigung.2116) Das Angebot weiterer (klassischer) MiFID-Kapitalmarktdienstleistungen über die Plattform erfordert entsprechende aufsichtsrechtliche Erlaubnisse. Interessant sind neue online-plattform-spezifische Formen der Erbringung von Kapitalmarktdienstleistungen, z. B. das Modell der Signalgebung und automatisierten Auftragsausführung.2117) III. Crowd-Financing 514 Besonders deutlich werden Disintermediation und Dezentralisierung durch die Digitalisierung des Kapitalmarkts beim Phänomen des Crowd-Financing (Deutsch: Schwarmfinanzierung).2118) Dabei geht es darum, dass Geschäftsinteressen von (nicht dem Finanzsektor zugehörigen) Kapitalanbietern und -nachfragern zusammengeführt werden, i. d. R. über eine Online-Plattform2119) und typischerweise dergestalt, dass sich viele Personen (Crowd/Schwarm) an der Finanzierung beteiligen. Eliminiert (oder wenigstens in ihrer Funktion stark reduziert) werden beim Crowd-Financing die klassischen Finanzakteure.2120) Anstatt deren Vermittlung in Anspruch zu nehmen, begegnen sich Kapitalanbieter und -nachfrager im geschützten Raum der Plattform unmittelbar, und es ist eher eine (nachrangige) technische Durchführungsfrage, ob beide direkt ___________ 2116) Näher Patz, BKR 2019, 435, 437/438; Schwintowski-Bankrecht-Möslein, Kapitel 12 Rn. 37. Zum Begriff des MiFID-Handelsplatzes s. oben Rn. 99, zu seiner Regulierung oben Rn. 212 ff. und zur Frage der Eröffnung des Zugangs für deutsche Handelsteilnehmer zu ausländische Handelsplattformen oben Rn. 57–60. Online-Plattformen spielen auch beim Vertrieb von Bankprodukten, namentlich von Einlagen und Krediten eine immer größer werdende Rolle. Während das Angebot dieser Bankprodukte zweifellos eine Erlaubnis als Kreditinstitut verlangt (s. oben Rn. 51 ff.), sind Einlagenvermittlung ebenso wie Kreditvermittlung innerhalb der EU aus deutscher Sicht grds. nicht finanzaufsichtlich reguliert (anders ist dies bei der Drittstaateneinlagenvermittlung (KWG § 1 (1a) S. 2 Nr. 5) – also der Vermittlung von Einlagen von Banken aus Nicht-EU Staaten). Kreditvermittlung kann SFTR-Tatbestände verwirklichen (s. oben Rn. 336) und ggf. eine Erlaubnis nach GewO § 34 c (1) S. 1 Nr. 2 erfordern. Besonderheiten gelten auch für die Vermittlung von Immobilienkrediten (s. MCD). U. U. können Einlagen als Vermögensanlagen qualifizieren (dazu s. oben Rn. 337–338), was eine Prospektpflicht auslösen kann (M/O-FinTech-Handbuch-Daranyi, § 30 Rn. 62). 2117) Signalgeber (i. d. R. professionelle Anlageberater) erlauben Einblick in ihre Anlagestrategien und -entscheidungen – sie senden diesbezügliche Signale aus; Signalnehmer können sich diesen Anlagentscheidungen durch Knopfdruck anschließen; die Ausführung des Geschäfts erfolgt dann meist automatisiert über ein angeschlossenes Unternehmen (auch Mirror oder Copy Trading genannt, näher: M/O-FinTech-Handbuch-Daranyi, § 30 Rn. 9). 2118) Crowd-funding ist der Oberbegriff von Crowd-lending und Crowd-nvesting. Crowdinvesting bezeichnet üblicherweise eine digitale Form der Eigenkapitalfinanzierung und Crowd-lending eine digitale Form der Fremdkapitalfinanzierung (M/O-FinTechHandbuch-Renner, § 23 Rn. 1). 2119) M/O-FinTech-Handbuch-Möslein/Rennig, § 21 Rn. 2; M/O-FinTech-HandbuchRiethmüller, § 22 Rn. 3; M/O-FinTech-Handbuch-Renner, § 23 Rn. 1; Klöhn, ZIP 2017, 2125. 2120) S. zu diesen Rn. 39 ff.

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III. Crowd-Financing

miteinander einen Vertrag schließen oder ob der Plattformbetreiber als Partei in den Vertrag einbezogen wird.2121) Im Zusammenhang mit Crowd-Financing stellen sich vor allem zwei Rechts- 514a fragen. Zum einen, wie die Rolle des Organisators (Plattformbetreibers) zu qualifizieren ist. Da der EU Gesetzgeber Crowd-Financing gerade unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung der KMU-Finanzierung als förderungswürdig ansieht,2122) hat er mit der ECSPR ein besonderes Gesetz zur Regelung dieser Frage geschaffen2123) und Schwarmfinanzierungsdienstleister von der MiFID ausgenommen.2124) Die andere (komplexere) Frage ist, wie die Abwägung der Schutzwürdigkeit- und -bedürftigkeit der Interessen von Kapitalanbietern und -nachfragern vorzunehmen ist.2125) Schwarmfinanzierungen können je nach Ausgestaltung unter Transparenzanforderungen unterschiedlicher kapitalmarktproduktspezifischer Gesetze fallen;2126) als Auffangtatbestand greift in jedem Fall die Pflicht zur Veröffentlichung eines Vermögensanlagenprospekts2127) (und eines korrespondierenden VermAnlG-Produktinformationsblatts2128)), soweit nicht die spezielle Prospektausnahme für Schwarmfinanzierungen einschlägig ist.2129)

___________ 2121) Häufig ist letzteres der Fall, so dass eine vertragliche Dreiecksbeziehung entsteht (vgl. M/O-FinTech-Handbuch-Möslein/Rennig, § 21 Rn. 2). 2122) ECSPR EG (1) – (3). 2123) Schwarmfinanzierungsdienstleister bedürfen zwar auch einer Zulassung durch die zuständige Behörde und unterliegen deren Beaufsichtigung. Die Anforderungen sind aber deutlich geringer als unter der MiFID (vgl. ECSP -VO Art. 12 – 18). 2124) ECSPR Art. 1. 2125) Im klassischen analogen Aufsichtsrecht spielt die Perspektive, aus der ein Finanzakteur tätig wird, eine entscheidende Rolle. Z. B. beim Bankgeschäft: Für die Bank, die Geld entgegennimmt, ist dies ein Einlagengeschäft und die Herausgabe des Geldes als Darlehen ein Kreditgeschäft. Für den Kunden am jeweiligen anderen Ende des Geschäfts ist es (aufsichtsrechtlich) weder das eine noch das andere, es sei denn der Kunde ist selbst eine Bank: Dann ist das Einlagengeschäft der einen Bank das Kreditgeschäft der anderen Bank und umgekehrt. Mit der Qualifizierung als Finanzakteur einerseits und als Kunde andererseits geht typischerweise eine Wertung der Schutzbedürftigkeit einher (und zwar Finanzakteur: niedrig, Kunde: hoch) – bei Crowd-Financing (und generell bei P2PFinanzierungsaktivitäten) treten sich Nicht-Finanzakteure (Kunden) unmittelbar gegenüber. Die Auswirkungen, die dies auf die Bewertung der Schutzbedürftigkeit der Parteien hat, werden anaylsiert in: M/O-FinTech-Handbuch-Möslein/Rennig, § 21. 2126) M/O-FinTech-Handbuch-Renner, § 23 Rn. 40 – 57. 2127) S. oben Rn. 338. 2128) S. oben Rn. 199. 2129) Erfolgt die Vermittlung einer Vermögensanlage im Rahmen der Schwarmfinanzierung gem. VermAnlG § 2a über eine Online-Plattform, können die Anbieter von der Pflicht, einen Verkaufsprospekt zu veröffentlichen, befreit sein (näher: A/S/BH-Kapitalanlagerecht-Schäfer/Eckhold, § 16a Rn. 13). Die Pflicht zur Veröffentlichung eines VermAnlGProduktinformationsblatts bleibt jedoch bestehen (BaFin-VÖ-Vermögensanlagen-Produktinformationsblatt; ausführlich: M/O-FinTech-Handbuch-Riethmüller, § 22 Nr. III).

351

E. Digitalisierung des Kapitalmarkts

IV. Robo Advice 515 Bei der automatisierten Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung (Robo Advice) wird die Dienstleistung auf Basis eines Algorithmus erbracht, der die vom Kunden selbst eingegebenen Daten verwertet; menschliche Interaktion findet gar nicht oder nur beschränkt statt.2130) Robo Advice ist für Kunden interessant wegen (im Vergleich zur menschlichen Anlageberatung) geringerer Kosten und höherer Objektivität. Grds. unterliegt Robo Advice als Anlageberatung den gleichen aufsichtsrechtlichen Anforderungen wie die menschliche Dienstleistung, d. h. es muss sichergestellt sein, dass Kunde und Produkt zueinander passen, der Kunde angemessen aufgeklärt wird und Interessenkonflikte sich nicht zum Nachteil des Kunden auswirken.2131) Besondere Risiken ergeben sich aus Sicht des Kunden daraus, dass mangels menschlicher Interaktion Fehler bei der Dateneingabe oder beim Verständnis einer Anlageempfehlung (eher) unentdeckt bleiben können. Auch können die Computerprogramme fehlerhaft, veraltet oder manipuliert sein und deshalb unangemessene Ergebnisse produzieren. Schließlich mögen Interessenkonflikte unerkannt bleiben und sich gerade deshalb (unbemerkt) zum Nachteil des Kunden auswirken. Diesen besonderen Risiken muss das für den Robo Advice verantwortliche WpDU mit besonderen Maßnahmen begegnen, namentlich durch Aufklärung des Kunden und Organisationsvorkehrungen.2132) Eine besondere Regulierung des Robo Advice wird bisher jedoch zurecht nicht als erforderlich angesehen.2133)

___________ 2130) BaFin-VÖ-Robo Advice. Ausführlich: M/O-FinTech-Handbuch-Kumpan, § 29 Rn. 1 – 5. 2131) Linardatos-RoboAdvice-Linardatos, § 4 Rn. 1. S. zu den allgemeinen Anforderungen oben Rn. 203 ff. 2132) Ausführlich: M/O-FinTech-Handbuch-Kumpan, § 29. 2133) M/O-FinTech-Handbuch-Kumpan, § 29 Rn. 42.

352

F. Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts In diesem Abschnitt F. werden sämtliche in den Abschnitten A.-E. dieses Bu- 516 ches unter ihrer Kurzbezeichnung genannten Rechtsquellen und Veröffentlichungen von Regierungsstellen und Behörden mit einer Langbezeichnung aufgeführt, die ihr Auffinden in den einschlägigen Gesetzesverzeichnissen der EU (Amtsblatt der Europäischen Union) und Deutschlands (Bundesgesetzblatt) bzw. auf den Websites der jeweiligen Regierungsstellen ohne weiteres ermöglicht. I. Kapitalmarktgesetze 1. EU Kapitalmarktgesetze Das folgende Verzeichnis enthält eine Auflistung der in diesem Buch zitierten 517 europäischen Gesetze mit erheblicher Bedeutung für den Kapitalmarkt und eine Kurzbeschreibung ihres Regelungsgegenstands.2134) KurzbeLangbezeichnung zeichnung

Regelungsgegenstand

ACD

Accounting Directive 2013/34/EU2135)

Anforderungen an Jahresabschlüsse, konsolidierte Abschlüsse und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen.

AIFMD

Alternative Investment Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit von Fund Manager Direc- Verwaltern alternativer Investmentfonds. tive 2011/61/EU2136)

___________ 2134) Sämtliche genannten Kapitalmarktgesetze sind dem Gesetzgebungs-Level 1 zuzurechnen (s. zur Terminologie oben Rn. 32); in einigen Fällen sind für ihr Verständnis wichtige Level 2-Rechtsakte in Fußnoten aufgeführt. Für eine Übersicht wichtiger den Kapitalmarkt betreffender Level 3-Rechtsakte europäischer und deutscher Behörden s. unten Rn. 519 ff. Link zu Level 1-Rechtsakten: https://kpmg-lexlinks.de/kreditinstitute/eu-geltenderregulierungsrahmen-gesetze-bestimmungen-und-standards.html Link zu Level 2-Rechtsakten: https://www.esma.europa.eu/convergence/guidelines-andtechnical-standards. 2135) Level 1: In der durch RiLi 2013/34/EU (CSDR) im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen geänderten Fassung. 2136) Level 2: AIFMD-DelVO 231/2013/EU; AIFMD-DelVO 694/2014/EU.

353

F. Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts KurzbeLangbezeichnung zeichnung

Regelungsgegenstand

AMLD

Anti-Money Laundering Directive 2015/849/EU2137)

Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.

BAAD

Banks Annual Accounts Directive 86/635/EEC

Harmonisierung von Gliederung und Inhalt der Bilanzen von Banken und anderen Finanzinstituten.

BMR

Benchmark Regulation Integrität von Indizes, die als Referenzwert bei 2016/1011/EU Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten oder zur Messung der Wertentwicklung von Investmentfonds verwendet werden.

BRRD

Bank Recovery Resolution Directive 2014/59/EU2138)

Instrumente zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten.

CBD

Covered Bonds Directive 2019/2162/EU

Standards für die Emission gedeckter Schuldverschreibungen.

CBR

Covered Bonds Regu- CRR-Risikopositionen in Form gedeckter lation 2019/2160/EU Schuldverschreibungen.

CCD

Consumer Credit Harmonisierung bestimmter Aspekte von Directive 2008/48/EC Verbraucherkreditverträgen.

CIRWD

Credit Institutions Regelungen zur Sanierung und Liquidation von Reorganisation and Kreditinstituten. Winding Up Directive 2001/24/EC

___________ 2137) Level 1: Die AMLD wird auch als AMLD IV bezeichnet, die die drei Vorgänger-RiLi 91/308/EWG, 2001/97/EG und 2005/60/EG ersetzt und durch RiLi 2018/843/EU (AMLD V) ergänzt und geändert wurde. Am 20.7.2021 hat die EU Kommission zudem ein Gesetzespaket zur Bekämpfung von Geldwäsche als Entwurf vorgelegt, das bis 2024 umgesetzt werden soll. Das EU Paket besteht aus drei VOen und einer neuen AMLD (AMLD VI). Level 2: AMLD-DelVO 2016/1675/EU, ergänzt durch AMLD-DelVO 2018/105/EU, AMLD-DelVO 2018/212/EU, AMLD-DelVO 2018/1476/EU, AMLD-DelVO 2020/ 855/EU und AMLD-DelVO 2021/37/EU. 2138) Level 1: In der durch RiLi 2019/879/EU (BRRD II) geänderten Fassung, die Reformen in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und die SFD enthält.

354

I. Kapitalmarktgesetze KurzbeLangbezeichnung zeichnung

Regelungsgegenstand

CRD

Capital Requirements Directive 2013/36/EU2139)

Bedingungen für die Aufnahme der Tätigkeit von Kreditinstituten und deren Beaufsichtigung bzgl. Solvenz, Geschäftsorganisation, Transparenz und Behandlung von Risiken und Vergütung.

ConsRD

Consumer Rights Directive 2011/83/EU2140)

Rechte der Verbraucher bei mit Unternehmern geschlossenen Verträgen.

CRIMMAD

Strafrechtliche Sanktionen bei Marktmissbrauch. Criminal Sanctions for Market Abuse Directive 2014/57/EU

CRR

Capital Requirements Regulation 575/2013/EU2141)

CSID

Errichtung von Entschädigungssystemen für Compensation Schemes for Investors Anleger. Directive 97/9/EC

Anforderungen an Kreditinstitute bzgl. Solvenz (Eigenmittel, Großkreditgrenzen, Liquidität).

___________ 2139) Level 1: In der durch RiLi 2019/878/EU (CRD V) geänderten Fassung. In der ungeänderten Fassung wird RiLi 2013/36/EU als CRD IV bezeichnet, um sie abzugrenzen von: RiLi 2010/76/EU (CRD III), RiLi 2009/111/EC, 2009/27/EC und 2009/83/EC (CRD II) und RiLi 2006/48/EG und 2006/49/EG (CRD I). CRD V ändert und ergänzt CRD IV. CRD V ist aber kein neuer eigenständiger Gesetzestext. Wesentliche Änderungen der CRD V betreffen (gemischte) Finanzholding-Gesellschaften hinsichtlich der Erfüllung aufsichtlicher Pflichten auf konsolidierter Basis, für die eine entsprechende Genehmigungspflicht seitens der für die Beaufsichtigung der Gruppe zuständigen Aufsichtsbehörde eingeführt wird (s. zur konsolidierten Aufsicht oben Rn. 66 f.). Zudem werden Regeln zur Abgrenzung von institutsindividuellen aufsichtlichen Maßnahmen und den makroprudenziellen Kapitalpuffern erneuert. Ziel ist, dass Institute in Stressphasen auftretende Verluste abdecken können, ohne dabei die aufsichtlichen Mindestkapitalanforderungen zu unterschreiten (s. zu Solvenzanforderungen unten Rn. 135 ff.). Schließlich werden die Vergütungsregelungen von kleinen, nicht komplexen Instituten modifiziert, der Grundsatz einer geschlechtsneutralen Vergütungspolitik kodifiziert und die Vorgaben zur Identifizierung von Risikoträgern geändert (s. zu Vergütungsregelungen oben Rn. 161 f.). CRD V ist Teil des am 7.6.2019 im EU Amtsblatt veröffentlichten sog. EU Bankenpakets, das durch das Risikoreduzierungsgesetz – RiG in deutsches Recht umgesetzt wurde und neben CRD V noch CRR II, BRRD II und SRMR II beinhaltet. S. zu EU Bankenpaket und RiG näher Buba-VÖ-RiG. 2140) In der durch RiLi 2019/2161/EU geänderten Fassung. 2141) Level 1: In der durch VO 2019/876/EU (CRR II) geänderten Fassung, die Reformen in Bezug auf die Verschuldungsquote (Leverage Ratio), die strukturelle Liquiditätsquote, Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, das Gegenparteiausfallrisiko, das Marktrisiko, Risikopositionen gegenüber CCP, Risikopositionen gegenüber OGA, Großkredite, Melde- und Offenlegungspflichten und der EMIR enthält. Level 2: CRR-DurchfVO 680/2014/EU zu aufsichtlichen Meldungen. CRR-DelVO 2015/61/EU zu Liquiditätsdeckungsanforderungen (LCR).

355

F. Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts KurzbeLangbezeichnung zeichnung

Regelungsgegenstand

CSDR

Central Securities Depositories Regulation 909/2014/EU

Anforderungen an Lieferung und Abrechnung von Finanzinstrumenten und Vorschriften für Organisation und Führung von Zentralverwahrern.

CSPD

Credit Servicers and Anforderungen an Kreditdienstleister und Credit Purchasers Di- Kreditkäufer; Bedingungen für den Verkauf rective 2021/2167/EU von Krediten an Dritte.

DGSD

Deposit Guarantee Scheme Directive 2014/49/EU

DLTR

Pilotregelung für auf Distributed-LedgerDistributed Ledger Technology Regulation Technologie basierende Marktinfrastrukturen. 2022/858

DMD

Distance Marketing Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Directive 2002/65/EC Verbraucher.

EBAR

European Banking Authority Regulation 1093/2010/EU

ECD

E-Commerce Directive Regulierung des elektronischen Geschäfts2000/31/EC verkehrs.

ECSPD

European Crowdfun- Regulierung von Schwarmfinanzierungsdienstding Service Providers leistern. Directive 2020/1504

ECSPR

European Crowdfun- Regulierung von Schwarmfinanzierungsdienstding Service Providers leistern. Regulation 2020/1503

eIDASR

electronic Identification, Authentication and trust Services Regulation 910/2014/EU

EU-weite Anerkennung von elektronischer Identifizierung und von Vertrauensdiensten für elektronische Transaktionen.

EIOPAR

European Insurance and Occupational Pensions Authority Regulation 1094/2010/EU

Errichtung einer Europäischen Versicherungsaufsichtsbehörde.

EIR

European Insolvency Regulation 2015/848/EU

Grenzüberschreitende Insolvenzverfahren in der EU.

356

Errichtung und Funktionsweise von (gesetzlichen, vertraglichen und institutsbezogenen) Einlagensicherungssystemen.

Errichtung einer Europäischen Bankenaufsichtsbehörde.

I. Kapitalmarktgesetze KurzbeLangbezeichnung zeichnung

Regelungsgegenstand

ELTIFR

European Long Term Investment Funds Regulation 2015/760/EU

Bedingungen für EU AIF, die als europäische langfristige Investmentfonds (ELTIF) vertrieben werden.

EMD

E-Money Directive 2009/110/EC

Ausgabe von E-Geld.

EMIR

European Market Infractructure Regulation 648/2012/EU2142)

Vorschriften für Meldungen, Clearing und Risikomanagement für Derivatekontrakte sowie Ausübung der Tätigkeit von CCP und Transaktionsregistern.

ESGR

Environmental Social Government Taxonomy Regulation 2020/852/EU

Definition des Begriffs der Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Investitionen.

ESMAR

European Securities Errichtung einer Europäischen Wertpapier- und and Markets Authority Marktaufsichtsbehörde. Regulation 1095/2010/EU

ETSD

Emissions Trading System Directive 2003/87/EC

Schaffung eines Systems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten zwecks Verringerung von Treibhausgasemissionen.

EuSEFR

European Social Entrepreneurship Funds Regulation 346/2013/EU

Bedingungen für EU AIF, die als Fonds für soziales Unternehmertum (EuSEF) vertrieben werden.

EuVECAR European Venture Capital Funds Regulation 345/2013/EU

Bedingungen für EU AIF, die als Europäische Risikokapitalfonds (EuVECA) vertrieben werden.

FCD

Financial Collateral Bereitstellung von Wertpapieren und BargutDirective 2002/47/EC haben als Sicherheiten und deren Verwertung. (FinanzsicherheitenRiLi)

FICOD

Financial Conglomerates Directive 2002/87/EC

Beaufsichtigung der Unternehmen eines Finanzkonglomerats.

___________ 2142) Level 1: EMIR hat durch die VO 2019/834/EU (EMIR-Refit) eine grundlegende Überarbeitung vor allem im Hinblick auf die Berechnung der EMIR-Clearingschwellen und der EMIR-Meldepflichten erfahren. Level 2: EMIR-DelVO 148/2013/EU (EMIR-Meldepflicht); EMIR-DelVO 149/2013/ EU (EMIR-Clearingpflicht); EMIR-DelVO 2016/2251/EU (EMIR-Besicherungspflicht).

357

F. Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts KurzbeLangbezeichnung zeichnung

Regelungsgegenstand

FTR

Funds Transfer Regulation 2015/847/EU

Angaben zu Auftraggebern und Begünstigten bei Geldtransfers für Zwecke der Verhinderung, Aufdeckung und Ermittlung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.

IASR

International Anwendung der IAS auf kapitalmarktorientierte Accounting Standards Unternehmen in der EU. Regulation 1606/2002/EU

IDD

Insurance Distribution Harmonisierung nationaler Vorschriften für Directive 2016/97/EU den Versicherungs- und Rückversicherungsvertrieb

IFD

Investment Firm Di- Anfangskapital von Wertpapierfirmen und deren rective 2019/2034/EU Beaufsichtigung bzgl. Solvenz, Geschäftsorganisation, Transparenz und Behandlung von Risiken und Vergütung.

IFR

Investment Firm Regulation 2019/2033/EU

Anforderungen an Wertpapierfirmen bzgl. Solvenz (Eigenmittel, Konzentrationsrisiken, Liquidität).

MAR

Market Abuse Regulation 596/2014/EU2143)

Verhinderung von Marktmissbrauch bzgl. Finanzinstrumenten, die an einem Handelsplatz zugelassen sind.

MCD

Mortgage Credit Harmonisierung bestimmter Aspekte von mit Dircetive 2014/17/EU Verbrauchern geschlossenen Wohnimmobilienkreditverträgen.

MiFID

Regulierungrahmen für Finanzmärkte in der Markets in Financial Instruments Directive EU bzgl: Bedingungen für die Erbringung von Kapitalmarktdienstleistungen; organisatorische 2014/65/EU2144) Anforderungen an Wertpapierfirmen, geregelte Märkte und Datenbereitstellungsdienste; Meldepflichten bzgl. Finanzinstrumente; Beschränkungen und Kontrollen bei Warenderivaten; Transparenzanforderungen bzgl. Geschäften mit Finanzinstrumenten.

___________ 2143) Level 2: MAR-DurchfVO 2016/1055/EU, MAR-DelVO 2016/522/EU, MAR-DelVO 2016/958/EU (Anlageempfehlungen), MAR-DurchfVO 2016/347/EU. 2144) Level 1: MiFID wird auch als MiFID II bezeichnet (umgesetzt in Deutschland durch das 2. FiMaNoG), um sie von ihrer Vorgänger-RiLi 2004/39/EEC MiFID I abzugrenzen (umgesetzt in Deutschland durch das FRUG). MiFID I ging die RiLi 93/22/EEC (Investment Services Directive – ISD) voraus. Level 2: MiFID-DelVO 2017/565/EU (organisatorische Anforderungen an Wertpapierfirmen und Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit); MiFID-DelVO 2017/ 568/EU (Regulierungsstandards für die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel an geregelten Märkten); MiFID-DelVO 2017/589/EU (organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen, die algorithmischen Handel betreiben); MiFID-DelRiLi 2017/ 593/EU (Schutz der Finanzinstrumente und Gelder von Kunden; Produktüberwachung; Zuwendungen); MiFID-DelVO 2019/1011/EU.

358

I. Kapitalmarktgesetze KurzbeLangbezeichnung zeichnung

Regelungsgegenstand

MiFIR

Markets in Financial Instruments Regulation 600/2014/EU

Anforderungen an Veröffentlichung von Handelsdaten, Meldung von Geschäften, Handel mit Derivaten an Handelsplätzen und diskriminierungsfreien Zugang zum Clearing und Handel mit Referenzwerten.

NFRD

Nonfinancial Reporting Directive 2014/95/EU

Angaben in Jahresabschlüssen über nicht finanzielle und Diversität betreffende Aspekte.

PIER

Entities of Public Interest Regulation 537/2014/EU

Anforderungen an die Prüfung von Abschlüssen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse.

PRIIPsR

Packaged Retail and Insurance-based Investment Products Regulation 1286/2014/EU2145)

Basisinformationsblatt für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte.

ProspR

Prospectus Regulation Anforderungen an den Prospekt für öffentliche 2017/1129/EU2146) Angebote oder Zulassung von Wertpapieren an einem geregelten Markt.

PSD

Payment services Directive 2015/2366/EU2147)

RatingR

Verhaltensregeln für Ratingagenturen. Regulation 1060/2009/EC on Credit Rating Agencies

REMIT

Regulation on Whole- Regeln für das Marktmissbrauchsverbot im sale Energy Market Energiegroßhandel. Integrity and Transparency 1227/2011/EU

Rechtsrahmen für die Erbringung von Zahlungsdiensten und Schaffung eines einheitlichen EuroZahlungsverkehrsraums (Single Euro Payments Area – SEPA.2148).

___________ 2145) Level 2: PRIIPs-DelVO 2017/653/EU. 2146) Level 2: ProspR-DelVO 2019/979/EU; ProspR-DelVO 2019/980/EU; ProspR-DelVO 2021/528/EU. 2147) Level 1: PSD wird auch als PSD II bezeichnet, um sie von ihrer Vorgänger-RiLi 2007/ 64/EC PSD I abzugrenzen. 2148) SEPA umfasst 36 europäische Staaten (einschließlich aller 27 EU Mitgliedstaaten der EU). Ziel von SEPA ist die Vereinheitlichung der Abwicklung bargeldloser Zahlungen, so dass es für die Bankkunden keine Unterschiede mehr zwischen nationalen und grenzüberschreitenden Zahlungen gibt. VO 260/2012/EU regelt die technischen Voraussetzungen dafür (schreibt z. B. die Verwendung der Internationalen Bankkontonummer (IBAN) vor) und schafft folgende Zahlungsverkehrs-Instrumente: SEPA-Überweisung (SEPA Credit Transfer), SEPA-Lastschrift (SEPA Direct Debit) und SEPA-Kartenzahlung (SEPA for Cards). Alle SEPA-Instrumente werden vollautomatisch (Straight Through Processing – STP) abgewickelt, d. h. ohne manuelle Eingriffe.

359

F. Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts KurzbeLangbezeichnung zeichnung

Regelungsgegenstand

RID

Restructuring and Insolvency Directive 2019/1023/EU

Insolvenzprävention und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren.

Rome-I-R

Regulation on the law applicable to contractual obligations 593/2008/EG

Regelungen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht.

SecPR

Securitisation Prudential Regulation 2017/2401/EU

Einführung separater Risikogewichte für STSVerbriefungen.

SecR

Securitisation Regulation 2017/2402/EU2149)

Allgemeiner Rahmen für Verbriefungen und spezifischer Rahmen für einfache, transparente und standardisierte Verbriefungen.

SER

Rechtsrahmen für eine europäische AktienRegulation on the Statute for a European gesellschaft. company (SE) 2157/2001/EU

SFD

Settlement Finality Directive 98/26/EC (Finalitäts-RiLi)

SFDR

Sustainable Finance Vorschriften für Finanzmarktteilnehmer über Disclosure Regulation Transparenz bzgl. Nachhaltigkeit. 2019/2088/EU

SFTR

Securities Financing Transactions Regulation 2015/2365/EU

SolvencyI-D

Directives concerning Aufsichtsrechtliche Vorschriften zum eurolife (2002/83/EC) and päischen Solvabilitätssystem für die Schadennon-life (2002/13/EC) und Lebensversicherung. insurance undertakings

SolvencyII-D

Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit sowie Directive on the taking-up and pursuit Sanierung und Liquidation von Direkt- und Rückversicherungsunternehmen. of the business of Insurance and Reinsurance 2009/138/EC

Regelung für die Abwicklung grenzüberschreitender Zahlungs-, Wertpapierliefer- und -abrechnungsvereinbarungen.

Transparenzvorschriften für Wertpapierfinanzierungsgeschäfte und Regelungen für die Weiterverwendung von als Sicherheit erhaltenen Finanzinstrumenten.

___________ 2149) Level 1: In der durch VO 2021/557/EU geänderten Fassung, deren Ziel die Vereinfachung von NPL-Verbriefungen zum Zweck der Bekämpfung der Folgen einer wegen der Covid-Pandemie erwarteten wirtschaftlichen Depression war.

360

I. Kapitalmarktgesetze KurzbeLangbezeichnung zeichnung

Regelungsgegenstand

SRMR

Etablierung einer Abwicklungsbehörde und eines Single Resolution Mechanism Regulation Fonds für die Abwicklungsfinanzierung. 806/2014/EU2150)

SSMFR

Single Supervisory Mechanism Framework Regulation 468/2014/EU

Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen EZB und nationalen Behörden im einheitlichen Aufsichtsmechanismus.

SSMR

Single Supervisory Mechanism Regulation 1024/2013/EU

Übertragung von Aufgaben an die EZB bzgl. der Aufsicht über Kreditinstitute.

SSR

Short Selling Regulation 236/2012/EU2151)

Regulierung von Leerverkäufen und Credit Default Swaps.

StatR

Regulation Transparenzpflichten im Zusammenhang mit 1075/2013/ECB con- Verbriefungen. cerning statistics on the assets and liabilities of financial vehicle corporations engaged in securitisation transactions

TD

Transparency Directive Veröffentlichung laufender Informationen 2004/109/EC2152) über Emittenten, deren Wertpapiere an einem geregelten Markt zugelassen sind.

ToD

Takeover Directive 2004/25/EC

Rahmen für Übernahmeangebote für an einem geregelten Markt zugelassene, Stimmrechte gebende Wertpapiere einer dem Recht eines EU Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft.

___________ 2150) Level 1: In der durch RiLi 2019/877/EU (SRMR II) geänderten Fassung, die Reformen in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen enthält. 2151) Level 2: SSR-DelVO 826/2012/EU, SSR-DelVO 918/2012/EU, SSR-DelVO 919/2012/ EU und SSR-DurchfVO 827/2012. 2152) Level 1: In der durch RiLi 2013/50 geänderten Fassung. Level 2: TD-DurchfRiLi 2007/14/EU, TD-DelVO 2015/761/EU, TD-DelVO 2018/ 815/EU.

361

F. Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts KurzbeLangbezeichnung zeichnung

Regelungsgegenstand

UCITSD

Undertakings for Collective Investments in Transferable Securities Directive 2009/65/EC2153)

Rahmen für Organismen, deren ausschließlicher Zweck es ist, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung nach dem Grundsatz der Risikostreuung in Wertpapiere und bestimmte andere liquide Finanzanlagen zu investieren, und deren Anteile auf Verlangen der Anteilsinhaber zurückgenommen werden.

UTD

Unfair Terms Directive Regelungen zu missbräuchlichen Klauseln in 93/13/EEC Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern.

WPD

Whistleblower Protection Directive 2019/1937/EU

Standards für den Schutz von Personen, die Verstöße gegen EU Recht melden.

2. Deutsche Kapitalmarktgesetze 518 Das folgende Verzeichnis enthält eine Auflistung der in diesem Buch zitierten deutschen Gesetze mit erheblicher Bedeutung für den Kapitalmarkt und eine Kurzbeschreibung ihres Regelungsgegenstands.2154) Kurzbezeichnung Langbezeichnung

Regelungsgegenstand

AnlEntG

Anlegerentschädigungsgesetz

Errichtung von Entschädigungssystemen für Anleger.

AWG

Außenwirtschaftsgesetz2155)

Einschränkungen des Wirtschaftsverkehrs mit dem Ausland.

BausparG

Gesetz über die Bausparkassen

Regelung des Betriebs privatrechtlicher Bausparkassen.

___________ 2153) Vorgänger-Level1-RiLis: RiLi 85/611 (UCITSD I) – ergänzt durch zwei RiLi (UCITSD II + III): 2001/107 (company directive) und 2001/108 (product directive) – RiLi 2009/65 (UCITSD IV – neue konsolidierte RiLi, UCITS I-III treten außer Kraft) – RiLi 2014/91 (UCITSD V) – ein Entwurf für UCITSD VI ist seit 2012 in Konsultation. Level 2: UCITSD-DurchfVO 583/2010/EU (wesentliche Anlegerinformationen). 2154) Sämtliche genannten Kapitalmarktgesetze sind dem Gesetzgebungs-Level 1 zuzurechnen (s. zur Terminologie oben Rn. 32–33). In einigen Fällen sind in Fußnoten aufgeführt (Level 1) Hinweise auf die Gesetzesbegründungen (wenn die Gesetzesbegründungen in diesem Buch an anderer Stelle zitiert werden) sowie für das Verständnis der Level 1Rechtsakte wichtige Level 2-Rechtsakte (eine Liste der für die Aufsichtstätigkeit der BaFin wichtigsten Verordnungen findet sich auf: https://www.bafin.de/DE/Recht Regelungen/Rechtsgrundlagen/Verordnungen/verordnungen_node.html). Für eine Übersicht wichtiger den Kapitalmarkt betreffender Level 3-Rechtsakte europäischer und deutscher Behörden s. unten Rn. 519 ff. 2155) Level 2: Außenwirtschaftsverordnung (AWV).

362

I. Kapitalmarktgesetze Kurzbezeichnung Langbezeichnung

Regelungsgegenstand

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

Rechtsrahmen für das deutsche Zivilrecht.

BörsG

Börsengesetz

Betrieb und Organisation von Börsen, Zulassung von Handelsteilnehmern und -instrumenten, Ermittlung von Börsenpreisen.

EGBGB

Einführungsgesetz zum BGB

Rechtsrahmen für das deutsche IPR.

EGInsO

Einführungsgesetz zur InsO

Durchführung von insolvenzrechtlichen EU VO

EinSiG

Einlagensicherungsgesetz

Sicherung der Einlagen von CRR-Kreditinstituten durch Zugehörigkeit zu einem Einlagensicherungssystem.

EMIR-G

EMIR-Ausführungsgesetz2156)

Anpassung des deutschen Rechts an EMIR.

EnWG

Energiewirtschaftsgesetz

Regulierung der Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetze.

eWPG

Elektronisches Wertpapiergesetz2157)

Rechtsrahmen für die Begebung von Wertpapier in elektronischer Form.

FCD-G

Finanzsicherheiten-RiLi-Umsetzungsgesetz (Artikelgesetz)2158)

Umsetzung der Finanzsicherheiten-RiLi.

FinDAG

Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz Errichtung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

FiMaNoG

Finanzmarktnovellierungsgesetze (Artikelgesetze)

1.FiMaNoG: Umsetzung von MiFID II, MiFIR, SFTR und BMR. 2.FiMaNoG: Umsetzung von MAR, CISMAD, CSDR und PRIIPsR.

___________ 2156) Level 1: Regierungsentwurf zum EMIR-G, BT-Drucks. 17/11289 (EMIR-G-Gesetzesbegründung). 2157) Level 1: Regierungsentwurf zum eWPG, BT-Drucks. 19/26925 (eWPG-Gesetzesbegründung). Level 2: VO über Anforderungen an elektronische Wertpapierregister (eWpRV). Verordnung über Kryptofondsanteile (KryptoFAV). 2158) Level 1: Regierungsentwurf zum Finanzsicherheitenrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/1853 (FCD-G-Gesetzesbegründung).

363

F. Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts Kurzbezeichnung Langbezeichnung

Regelungsgegenstand

FMFG

Finanzmarktförderungsgesetze (Artikelgesetze)2159)

1.FMFG vom 22.2.1990: Änderungen des Investmentfondsrechts. 2.FMFG vom 26.7.1994: Umsetzung des EU Insiderrechts. 3.FMFG vom 24.3.1998: Deregulierung des Finanzmarktes. 4.FMFG vom 21.6.2002: Flexibilisierung des Börsenhandels; Erhöhung des Anlegerschutzes.

FRUG

Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Artikelgesetz)2160)

Umsetzung von MiFID I.

GeldwäscheG

Geldwäschegesetz2161)

Umsetzung der Geldwäsche-RiLis.

GewO

Gewerbeordnung §§ 34 c) – h)2162)

Einschränkungen der Gewerbefreiheit von in der Finanzbranche tätigen Vermittlern und Beratern.

HGB

Handelsgesetzbuch §§ 340 ff.

Besondere Rechnungslegungsvorschriften für Finanzakteure.

InsO

Insolvenzordnung2163)

Verfahren für die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger eines insolventen Schuldners.

___________ 2159) Level 1: Regierungsentwurf zum 3.FMFG, BT-Drucks. 13/8933 (3.FMFG-Gesetzesbegründung). Regierungsentwurf zum 4.FMFG, BT-Drucks. 14/8017 (4.FMFGGesetzesbegründung). Level 2: Verordnung des BMF über verstärkte Sorgfaltspflichten bei dem Transfer von Kryptowerten (Kryptowertetransferverordnung – KryptoWTransferV). 2160) Level 1: Regierungsentwurf zum FRUG, BT-Drucks. 16/4028 (FRUG-Gesetzesbegründung). 2161) Level 1: Gesetz zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU Geldwäscherichtlinie vom 12.12.2019 (BGBl. I, 2602) (AMLD-V-UmsG). Regierungsentwurf zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU Geldwäscherichtlinie, BT-Drucks. 19/13827 (AMLD-V-UmsG-Gesetzesbegründung). 2162) Level 2: Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV). Makler- und Bauträgerverordnung (MaBVwV). Allgemeine Muster-Verwaltungsvorschrift zum Vollzug der §§ 34f und 34h der GewO und zur FinVermV (FinVermVwV). 2163) Level 2: Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Gesetzentwurf einer Insolvenzordnung, BT-Drucks. 12/7302 (InsO-Gesetzesbegründung).

364

I. Kapitalmarktgesetze Kurzbezeichnung Langbezeichnung

Regelungsgegenstand

InvStG

Investmentsteuergesetz

Besteuerung von Investmentfonds.

KAGB

Kapitalanlagegesetzbuch2164)

Umsetzung von UCITSR und AIFMR und Schaffung von einheitlichen Standards zur Verwaltung von Investmentfonds.

KapMuG

Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz

Rechtsrahmen für Musterverfahren wegen irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen (z. B. in Jahresabschlüssen oder Prospekten), um geschädigten Anlegern die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen erleichtern.

KleinanlegerSchG Kleinanlegerschutzgesetz (Artikelgesetz)2165) KWG

Kreditwesengesetz2166)

Schutz von Privatpersonen bei Geldanlagen auf dem Grauen Kapitalmarkt. Umsetzung von CRD (und anderer EU Gesetze) zum Zweck der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Finanzwirtschaft.

___________ 2164) Level 1: Regierungsentwurf zum AIFM-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 17/12294 (AIFM-UmsG-Gesetzesbegründung). Level 2: RiLi der BaFin zur Festlegung von Fondskategorien gem. § 4 (2) KAGB und weitere Transparenzanforderungen an bestimmte Fondskategorien (BaFin-Fondskategorien-RiLi); VO über Risikomanagement und Risikomessung beim Einsatz von Derivaten, Wertpapier-Darlehen und Pensionsgeschäften in Investmentvermögen nach dem KAGB vom 16.7.2013 (KAGB-DerivateV); Kapitalanlage-Verhaltens- und -Organisationsverordnung (KAVerOV). 2165) Level 1: Regierungsentwurf zum RIG, BT-Drucks. 18/3994 (KleinanlegerSchG-Gesetzesbegründung). 2166) Level 1: Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über das Kreditwesen, BT-Drucks. 3/ 1114 (KWG-Gesetzesbegründung). Level 2: Anzeigenverordnung (AnzV); VO zur Einreichung von Finanz- und Risikotragfähigkeitsinformationen nach dem Kreditwesengesetz (FinaRisikoV); Großkredit- und Millionenkreditverordnung (GroMiKV); Inhaberkontrollverordnung (InhKontrollV); Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV); Verordnung über die Liquidität der Institute (LiqV); Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute (RechkredV); Verordnung zur angemessenen Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen, Finanzholding-Gruppen und gemischten Finanzholding-Gruppen (SolvV).

365

F. Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts Kurzbezeichnung Langbezeichnung

Regelungsgegenstand

PfandbriefG

Pfandbriefgesetz

Rechtsrahmen für die Emission von Pfandbriefen.

ProMechG

Projekt-Mechanismen-Gesetz

Umsetzung des Protokolls von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der UN über Klimaänderungen.

RiG

Risikoreduzierungsgesetz2167)

Umsetzung von BRRD II und CRD V.

SAG

Sanierungs- und Abwicklungsgesetz

Umsetzung von BRRD I durch Schaffung von Instrumenten zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten.

SchVG

Schuldverschreibungsgesetz2168)

Rechtsrahmen für nach deutschem Recht begebene Schuldverschreibungen, insbesondere für Mehrheitsbeschlüsse der Schuldverschreibungsinhaber.

SchwarmfinG

Schwarmfinanzierung-Begleitgesetz

Ausführung/Umsetzung der ECSPR/D durch Schaffung eines Rechtsrahmens für Schwarmfinanzierungsdienstleister.

SFD-G

Finalitäts-RiLi-Umsetzungsgesetz2169)

Umsetzung der FinalitätsRiLi.

___________ 2167) Level 1: Regierungsentwurf zum RIG, BT-Drucks. 19/22786 (RIG-Gesetzesbegründung). 2168) Level 1: Regierungsentwurf zum SchVG, BT-Drucks. 16/12814 (SchVG-Gesetzesbegründung). 2169) Level 1: Regierungsentwurf zum Finalitätsrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 14/ 1539 (SFD-G-Gesetzesbegründung).

366

I. Kapitalmarktgesetze Kurzbezeichnung Langbezeichnung

Regelungsgegenstand

StaRUG

Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz2170)

Umsetzung der RID durch Schaffung von Instrumenten zur Unterstützung der Sanierung von Unternehmen außerhalb eines Insolvenzverfahrens.

StGB

Strafgesetzbuch §§ 263 ff.2171)

Strafrechtliche Betrugstatbestände.

TEHG

Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz

Umsetzung der ETSD durch Schaffung eines Rechtsrahmens für den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen in einem EU-weiten Emissionshandelssystem.

UBGG

Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften

Rechtsrahmen für die Tätigkeit und Beaufsichtigung von behördlich anerkannten Unternehmensbeteiligungsgesellschaften.

VAG

Versicherungsaufsichtsgesetz2172)

Umsetzung von SolvencyI-D und Solvency-II-D durch Schaffung eines Rechtsrahmens für die Beaufsichtigung der in Deutschland tätigen Versicherer und Pensionsfonds.

___________ 2170) Level 1: Das StaRUG ist Teil des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetzes (SanInsFoG) vom 29.12.2020. Regierungsentwurf zum AIFM-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 19/24181 (SanInsFoG-Gesetzesbegründung). 2171) Level 1: Regierungsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (2. WiKG), BT-Drucks. 10/318 (StBG/2.WiKG-Gesetzesbegründung). 2172) Level 2: Verordnung über die Anlage des Sicherungsvermögens von Pensionskassen, Sterbekassen und kleinen Versicherungsunternehmen (Anlageverordnung – AnlV).

367

F. Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts Kurzbezeichnung Langbezeichnung

Regelungsgegenstand

VermAnlG

Vermögensanlagengesetz

Rechtsrahmen für die Beaufsichtigung des Angebots von Vermögensanlagen, die keine Wertpapiere oder Investmentfonds-Anteile sind.

VVG

Versicherungsvertragsgesetz2173)

Rahmen für die Rechte und Pflichten von Versicherungen, Versicherten und Versicherungsvermittlern bei Versicherungsverträgen.

WpHG

Wertpapierhandelsgesetz2174)

Umsetzung von MiFID und TD – Rechtsrahmen für die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und den Vertrieb von Finanzinstrumenten sowie kapitalmarktrechtliche Transparenzpflichten.

___________ 2173) Level 1: Regierungsentwurf zum VVG, BT-Drucks. 16/3945 (VVG-Gesetzesbegründung). 2174) Level 2: VO zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach dem WpHG (Wertpapierhandelsanzeigeverordnung – WpAV); VO über die Prüfung der WpDU nach § 89 WpHG (Wertpapierdienstleistungs-Prüfungsverordnung – WpDPV); VO zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für WpDU (bezieht sich auf Kundenklassifizierung, Kundeninformation, Bearbeitung von Kundenaufträgen, Zuwendungen, Vertriebsvorgaben für Anlageberatung, Produktfreigabeverfahren, Aufzeichnungspflichten und Pflichten zum Schutz des Kundenvermögens – WpDVerOV); VO über den Einsatz von Mitarbeitern in der Anlageberatung, als Vertriebsmitarbeiter, in der Finanzportfolioverwaltung, als Vertriebs-Beauftragte oder als Compliance-Beauftragte und über die Anzeigepflichten nach WpHG § 87 (WpHGMaAnzV).

368

II. Veröffentlichungen von Regierungsstellen und Behörden Kurzbezeichnung Langbezeichnung

Regelungsgegenstand

WpIG

WertpapierinstitutsG2175)

Umsetzung von IFD – Anfangskapital von Wertpapierfirmen und deren Beaufsichtigung (und derjenigen von Wertpapierfirmengruppen) bzgl. Solvenz, Geschäftsorganisation, Transparenz und Behandlung von Risiken und Vergütung.

WPO

Wirtschaftsprüferordnung

Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer.

WpPG

Wertpapierprospektgesetz

Ergänzende Regelungen zur ProspR bzgl. Prospektausnahmen und Prospekthaftung.

WpÜG2176)

Wertpapiererwerbs- und Übernahme- Rechtsrahmen für Angegesetz bote für an organisierten Märkten zugelassenen Gesellschaftsanteilen.

ZAG

Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz

Umsetzung von PSD und EMD durch Schaffung eines Rechtsrahmens für die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten und E-Geld.

II. Veröffentlichungen von Regierungsstellen und Behörden Das folgende Verzeichnis enthält eine Auflistung der in diesem Buch zitierten 519 Veröffentlichungen (VÖ) europäischer und deutscher Regierungsstellen und Behörden mit erheblicher Bedeutung für den Kapitalmarkt.

___________ 2175) Level 1: Das WpIG ist Teil des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2034 über die Beaufsichtigung von Wertpapierinstituten (IFD-UmsetzungsG). Regierungsentwurf zum WpIG, BT-Drucks. 19/26929 (WpIG-Gesetzesbegründung). Level 2: Die BaFin hat den Entwurf einer Mantelverordnung zum WpIG veröffentlicht, der aus vier Stammverordnungen für Wertpapierinstitute besteht, namentlich der Wertpapierinstituts-Prüfungsberichtsverordnung (WpI-PrüfbV), der WertpapierinstitutsVergütungsverordnung (WpI-VergV), der Wertpapierinstituts-Inhaberkontrollverordnung (WpI-IKV) und der Wertpapierinstituts-Anzeigenverordnung (WpI-AnzV). 2176) Level 2: WpÜG-AngebotsVO, WpÜG-GebührenVO und WpÜG-WiderspruchsausschussVO.

369

F. Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts

1. EU Kommission 520

Kurz-Bezeichnung

Lang-Bezeichnung

EU Kom-VÖ-Aktionsplan nachhaltiges Wachstum

EU Kommission Mitteilung COM(2018) 97: Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums.

EU Kom-VÖ-Aktionsplan FinTech

EU Kommission Mitteilung COM(2018) 109: FinTechAktionsplan: Für einen wettbewerbsfähigeren und innovativeren EU Finanzsektor.

EU Kom-VÖ-Aktionsplan Kapitalmarktunion2015

EU Kommission Mitteilung COM(2015) 468: Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion.

EU Kom-VÖ-Aktionsplan Kapitalmarktunion2020

EU Kommission Mitteilung COM(2020) 590: Eine Kapitalmarktunion für die Menschen und Unternehmen – neuer Aktionsplan.

EU Kom-VÖ-Derivatemärkte

EU Kommission Mitteilung COM(2009) 332: Gewährleistung effizienter, sicherer und solider Derivatemärkte.

EU Kom-VÖ-FSAP

EU Kommission Mitteilung vom 11.5.1999: Umsetzung des Finanzmarktrahmens: Aktionsplan (Financial Services Action Plan).

EU Kom-VÖ-Green Deal

EU Kommission Mitteilung COM(2019) 640: Der europäische Grüne Deal.

EU Kom-VÖ-Green-Bond EU Kommission Vorschlag COM(2021) 391: Vorschlag für eine Verordnung über europäische grüne Anleihen (European green bonds – EuGB). EU Kom-VÖ-Strategie nachhaltige Wirtschaft

EU Kommission COM(2021) 390: Strategie zur Finanzierung einer nachhaltigen Wirtschaft.

2. Europäische Zentralbank 521

Kurz-Bezeichnung

Lang-Bezeichnung

EZB-VÖ-Assessments

ECB Guide to fit and proper assessments, December 2021.

3. European Supervisory Authorities 522

Kurz-Bezeichnung

Lang-Bezeichnung

EBA/ESMA-VÖLeitungsorgane

Gemeinsame EBA und ESMA Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen (EBA/GL/2017/12).

EBA-VÖ-Governance

EBA Leitlinien zur internen Governance (EBA/GL/2017/11).

EBA-VÖ-NPESecuritisation

Opinion of EBA to the EU Commission on the Regulatory Treatment of Non-Performing Exposure Securitisations (EBA-Op-2019-13).

370

II. Veröffentlichungen von Regierungsstellen und Behörden Kurz-Bezeichnung

Lang-Bezeichnung

EBA-VÖ-Offenlegungspflichten

EBA Leitlinien zu den Offenlegungspflichten gemäß Teil 8 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (EBA/GL/2016/11).

EBA-VÖ-SREP

EBA Leitlinien zu gemeinsamen Verfahren und Methoden für den SREP (EBA/GL/2014/13).

EBA-VÖ-Vergütungspolitik

EBA Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik gemäß Artikel 74 Absatz 3 und Artikel 75 Absatz 2 der Richtlinie 2013/36/EU und Angaben gemäß Artikel 450 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (EBA/GL/2015/22).

ESMA/EBA-VÖBeschwerdeabwicklung

Joint Committee – Leitlinien zur Beschwerdeabwicklung für den Wertpapierhandel (ESMA) und das Bankwesen (EBA) (JC 2014/43).

ESMA-VÖ-AIFMD

ESMA Leitlinien zu Schlüsselbegriffen der AIFMD in der berichtigten Fassung vom 30.1.2015 der am 13.8.2013 veröffentlichten Leitlinien zu Schlüsselbegriffen der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (ESMA/2013/611).

ESMA-VÖ-Complex Debt Instruments

ESMA Final Report – Guidelines on complex debt instruments and structured deposits (ESMA/2015/1783).

ESMA-VÖ-ComplianceFunktion

ESMA Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID-IIAnforderungen an die Compliance-Funktion (ESMA35-36-1952).

ESMA-VÖ-ICO

ESMA Advice on Initial Coin Offerings and CryptoAssets (ESMA50-157-1391).

ESMA-VÖInteroperability

ESMA Guidelines and Recommendations for establishing consistent, efficient and effective assessments of interoperability arrangements Guidelines and Recommendations (ESMA/2013/322).

ESMA-VÖ-Anlageberatungskompetenz

ESMA Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen (ESMA/2015/1886).

ESMA-VÖ-MARAufschub

ESMA MAR-Leitlinien, Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen (ESMA/70-159-4966DE).

ESMA-VÖ-MARMarktsondierung

ESMA MAR-Leitlinien, Personen, die Marktsondierungen erhalten (ESMA/2016/1477DE).

ESMA-VÖ-Produktüberwachung

ESMA Leitlinien zu den Produktüberwachungsanforderungen der MiFID II (ESMA35-43-620 DE).

ESMA-VÖ-Geeignetheit

ESMA Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID IIAnforderungen an die Eignung (ESMA35-43-1163 DE).

ESMA-VÖ-Risikofaktoren

ESMA Leitlinien zu den Risikofaktoren im Rahmen der Prospektverordnung (ESMA31-62-1293 DE).

ESMA-VÖ-Vergütung

ESMA Guidelines on Remuneration policies and practices (ESMA/2013/606).

371

F. Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts Kurz-Bezeichnung

Lang-Bezeichnung

ESA-VÖ-Qualifizierte Beteiligungen

ESA Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor, 5.5.2017

4. Bundesregierung und Bundesministerien 523

Kurz-Bezeichnung

Lang-Bezeichnung

BundesReg-VÖ-Blockchain-Strategie

Blockchain-Strategie der deutschen Bundesregierung vom 18.9.2019.

BundesReg-VÖ-eWP+ Token

BMJV/BMF Eckpunktepapier für die regulatorische Behandlung von elektronischen Wertpapieren und KryptoToken vom 7.3.2019.

5. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 524

Kurz-Bezeichnung

Lang-Bezeichnung

BaFin-VÖ-Anlageempfehlungen

BaFin Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen, geändert am 23.1.2019.

BaFin-VÖ-Aufsichtsorgane

BaFin Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungsoder Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB vom 29.12.2020.

BaFin-VÖ-Digitalisierung BaFin Mitteilung Digitalisierung, Big Data Analytics & Fintechs, geändert am 29.5.2020. BaFin-VÖ-Eigenhandel+ Eigengeschäft

BaFin Merkblatt Hinweise zu den Tatbeständen des Eigenhandels und des Eigengeschäfts vom 22.3.2011, geändert am 15.5.2019

BaFin-VÖ-EMIR

BaFin Mitteilung – European Market Infrastructure Regulation (EMIR), geändert am 19.12.2019.

BaFin-VÖ-Emissionsgeschäft

BaFin Merkblatt Emissionsgeschäft vom 7.1.2009, geändert am 24.7.2013.

BaFin-VÖ-Emittentenleitfaden

BaFin Emittentenleitfaden, 5. Aufl., geändert am 22.4.2020.

BaFin-VÖ-ErlaubnisBaFin Hinweise zu Finanzinstrumenten nach § 1 Abs. 11 pflicht Finanzinstrumente Sätze 1 bis 5 KWG, vom 20.12.2011, geändert am 22.2.2021. BaFin-VÖ-Finanzinstrumente

BaFin Merkblatt Finanzinstrumente (Derivate) vom 21.5.2012.

BaFin-VÖ-Finanzkommissionsgeschäft

BaFin Merkblatt Finanzkommissionsgeschäft vom 18.3.2010, geändert am 4.5.2017.

BaFin-VÖ-FreistellungInland

BaFin Merkblatt zur Freistellung nach § 2 Abs. 4 KWG für im Inland ansässige Unternehmen vom 26.2.2014, geändert am 26.11.2015.

BaFin-VÖ-Geschäftsleiter

BaFin Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB vom 4.1.2016.

372

II. Veröffentlichungen von Regierungsstellen und Behörden Kurz-Bezeichnung

Lang-Bezeichnung

BaFin-VÖ-Grauer Kapitalmarkt

BaFin Veröffentlichung Grauer Kapitalmarkt, geändert am 2.2.2021.

BaFin-VÖ-Grenzüberschreitende Geschäfte

BaFin Merkblatt zur Erlaubnispflicht von grenzüberschreitend betriebenen Geschäften vom 1.4.2005, geändert am 11.3.2019.

BaFin-VÖ-GwG-AuA

BaFin Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, Stand Mai 2020.

BaFin-VÖ-GwG-AuABT-Banken

BaFin Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz – Besonderer Teil für Kreditinstitute, vom 8.6.2021, geändert am 10.6.2021.

BaFin-VÖ-Haftungskaskade

BaFin Merkblatt Übersicht über die Haftungskaskade im Rahmen der Bankenabwicklung vom 2.3.2017, geändert am 16.11.2018.

BaFin-VÖ-Hochrisikoländer

BaFin Rundschreiben 05/2022 (GW) vom 4.7.2022 betreffend Drittstaaten, die in ihren Systemen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung strategische Mängel aufweisen, die wesentliche Risiken für das internationale Finanzsystem darstellen (Hochrisiko-Staaten).

BaFin-VÖ-ICO

BaFin Hinweisschreiben zu Aufsichtsrechtliche Einordnung von sog. Initial Coin Offerings (ICOs) zugrunde liegenden Token bzw. Kryptowährungen als Finanzinstrumente im Bereich der Wertpapieraufsicht (WA) GZ: WA 11-QB 4100-2017/0010 vom 20.2.2018.

BaFin-VÖ-IVV

BaFin Auslegungshilfe zur Institutsvergütungsverordnung Stand: 15.2.2018

BaFin-VÖ-KAGB

BaFin Auslegungsschreiben zum Anwendungsbereich des KAGB und zum Begriff des „Investmentvermögens“ vom 14.6.2013, geändert am 9.3.2015 | Geschäftszeichen Q 31-Wp 2137-2013/0006.

BaFin-VÖ-Kapitalanlage

BaFin-Kapitalanlagerundschreiben 11/2017 (VA) vom 12.12.2017.

BaFin-VÖ-Kreditgeschäft BaFin Merkblatt Kreditgeschäft vom 8.1.2009, geändert am 2.5.2016. BaFin-VÖ-Kryptoverwahrgeschäft

BaFin Merkblatt Hinweise zum Tatbestand des Kryptoverwahrgeschäfts vom 2.3.2020.

BaFin-VÖ-KryptoBaFin Merkblatt 02/2022 (BA) Hinweise Erlaubnisverwertpapierregisterführung fahren Kryptowertpapierregisterführung vom 1.6.2022. BaFin-VÖ-KVG

BaFin Auslegungsentscheidung zu den Tätigkeiten einer Kapitalverwaltungsgesellschaft und der von ihr extern verwalteten AIF-Investmentgesellschaft vom 21.12.2017, Geschäftszeichen WA 41-Wp 2100-2016/0001.

BaFin-VÖ-Inhaberkontrolle

BaFin Merkblatt zur Inhaberkontrolle vom 27.11.2015.

373

F. Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts Kurz-Bezeichnung

Lang-Bezeichnung

BaFin-VÖ-Nachhaltigkeit BaFin Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken vom 20.10.2019. BaFin-VÖ-Prospektpflicht

BaFin Mitteilung – Prospektpflicht – Rechtslage seit dem 21.7.2019, geändert am 5.8.2019.

BaFin-VÖ-Referenzwerte BaFin Referenzwerte-Verordnung, geändert am 24.11.2021. BaFin-VÖ-RoBo Advice

BaFin Mitteilung – Robo-Advice – Automatisierte Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung, geändert am 19.2.2020.

BaFin-VÖ-Sicherungssysteme

BaFin Rundschreiben 5/2017 (GW) vom 24.5.2017 – Angemessene geschäftsbezogene Sicherungssysteme im Sinne des § 25h Abs. 1 Satz 1 KWG.

BaFin-VÖ-Solvency-I

BaFin Solvency-I, zuletzt geändert am 1.1.2016.

BaFin-VÖ-Solvency-I_ Derivate

Kapitalanlagen: BaFin Rundschreiben 08/2017 (VA) zu derivativen Finanzinstrumenten und strukturierten Produkten vom 30.8.2017.

BaFin-VÖ-Solvency-II

BaFin Solvency-II, zuletzt geändert am 1.1.2016.

BaFin-VÖ-Solvency-II_ Derivate

Die Verwendung von derivativen Finanzinstrumenten im Rahmen des Grundsatzes der unternehmerischen Vorsicht (§ 124 VAG) vom 14.7.2017.

BaFin-VÖ-Systematische Internalisierung

BaFin Mitteilung vom 15.4.2017 zu: Systematische Internalisierung: Eckpunkte des neuen Aufsichtsregimes nach MiFID II/MiFIR.

BaFin-VÖ-Token

BaFin Merkblatt Zweites Hinweisschreiben zu Prospektund Erlaubnispflichten im Zusammenhang mit der Ausgabe sogenannter Krypto-Token GZ: WA 51-Wp 71002019/0011 und IF 1-AZB 1505-2019/0003 vom 16.8.2019.

BaFin-VÖ-Vermögensanlagen-Produktinformationsblatt

BaFin Mitteilung Vermögensanlagen-Informationsblatt, geändert am 16.7.2021.

BaFin-VÖ-Verständlichkeit

BaFin Merkblatt – Prüfung von Wertpapierprospekten auf Verständlichkeit GZ: WA 51-Wp 7115-2019/0099.

BaFin-VÖ-Video-Ident

BaFin-Rundschreiben 3/2017 (GW) vom 10.4.2017 zum Videoidentifizierungsverfahren.

BaFin-VÖ-Virtuelle Währungen

BaFin Mitteilung Virtuelle Währungen/Virtual Currency (VC) geändert am 18.9.2020.

BaFin-VÖ-WpHGBußgeldleitlinien

BaFin Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen bei Verstößen gegen Vorschriften des WpHG, Stand November 2013.

BAIT

BaFin Rundschreiben 10/2017 (BA) in der Fassung vom 14.9.2018 zu Bankaufsichtlichen Anforderungen an die IT.

374

II. Veröffentlichungen von Regierungsstellen und Behörden Kurz-Bezeichnung

Lang-Bezeichnung

KAMaRisk

BaFin Rundschreiben 01/2017 (WA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement von Kapitalverwaltungsgesellschaften – in der Fassung vom 10.1.2017.

MaBail-in

BaFin Rundschreiben 14/2021 (A) – Mindestanforderungen zur Umsetzbarkeit eines Bail-in.

MaBeschwerdemanagement

Gemeinsames Rundschreiben BA, WA und VA 06/2018 – Mindestanforderungen an das Beschwerdemanagement.

MaComp

BaFin Rundschreiben 05/2018 (WA) – Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und weitere Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten, Fassung vom 19.4.2018, geändert am 10.8.2021 (Präzisierung des 11. Abschnitts des WpHG sowie der Art. 21 ff. DelVO (EU) 2017/565/Geschäftsorganisation des Wertpapiergeschäfts.

MaRisk

BaFin Rundschreiben 10/2021 (BA) vom 16.8.2021, geändert am 7.9.2021 – Mindestanforderungen an das Risikomanagement.

6. Deutsche Bundesbank Kurz-Bezeichnung

Lang-Bezeichnung

Buba/BaFin-VÖ-Anlageberatung

Gemeinsames Informationsblatt von BaFin und Buba zum Tatbestand der Anlageberatung, Stand: Februar 2019.

525

Buba/BaFin-VÖDeutsche Bundesbank und BaFin Leitlinien zur Bewertung Offenlegungsanforderung der Erfüllung der Offenlegungsanforderungen nach § 26a KWG und Teil 8 der CRR (Stand Juni 2017). Buba/BaFin-VÖ-Risikotragfähigkeitsleitfaden

Deutsche Bundesbank und BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung vom 24.5.2018.

Buba-VÖ-Bankenpaket

Deutsche Bundesbank, Das europäische Bankenpaket – Die Überarbeitung der EU Bankenregulierung, in: Deutsche Bundesbank Monatsbericht Juni 2019, S. 31.

Buba-VÖ-Basel

Deutsche Bundesbank, Buba website – Aufgaben – Bankenaufsicht – Rechtsgrundlagen – Baseler Rahmenwerk.

Buba-VÖ-Basel-III

Deutsche Bundesbank (2011), Basel-III-Leitfaden zu den neuen Eigenkapital- und Liquiditätsregeln für Banken.

Buba-VÖ-DLT

Deutsche Bundesbank, Distributed-Ledger-Technologien im Zahlungsverkehr und in der Wertpapierabwicklung: Potenziale und Risiken, in: Deutsche Bundesbank Monatsbericht September 2017, S. 36.

Buba-VÖ-Erlaubnis

Deutsche Bundesbank, Merkblatt über die Erteilung einer Erlaubnis zum Erbringen von Finanzdienstleistungen gemäß § 32 Absatz 1 KWG (Stand: 6. Juli 2018).

375

F. Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts Kurz-Bezeichnung

Lang-Bezeichnung

Buba-VÖ-EU Bankenaufsicht

Deutsche Bundesbank, Gemeinsame europäische Bankenaufsicht – Erster Schritt auf dem Weg zur Bankenunion, in: Deutsche Bundesbank Monatsbericht Juli 2013, S. 15.

Buba-VÖ-Finanzsanktionen

Deutsche Bundesbank, Buba website – Service – Finanzsanktionen.

Buba-VÖ-InterbankenGeldmarkt

Deutsche Bundesbank, Langfristige Veränderungen im unbesicherten Interbanken-Geldmarkt, in: Deutsche Bundesbank Monatsbericht September 2019, S. 59.

Buba-VÖ-Krypto-Token-1 Deutsche Bundesbank, Krypto-Token im Zahlungsverkehr und in der Wertpapierabwicklung, in: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juli 2019, S. 39. Buba-VÖ-Krypto-Token-2 Deutsche Bundesbank, Krypto-Token und dezentrale Finanzanwendungen, in: Deutsche Bundesbank Monatsbericht Juli 2021, S. 34. Buba-VÖ-Leverage Ratio

Deutsche Bundesbank, Buba website – Aufgaben – Bankenaufsicht – Einzelaspekte – Leverage Ratio.

Buba-VÖ-Marktrisiko

Deutsche Bundesbank, Buba website – Aufgaben – Bankenaufsicht – Einzelaspekte -Eigenmittelanforderungen – Marktrisiko.

Buba-VÖ-Referenzzinssätze

Deutsche Bundesbank, Neue Referenzzinssätze bringen neue Herausforderungen: Einführung des €STR im Euroraum, in: Deutsche Bundesbank Monatsbericht März 2020, S. 49.

Buba-VÖRestrukturierungG

Deutsche Bundesbank, Grundzüge des Restrukturierungsgesetzes, in: Deutsche Bundesbank Monatsbericht Juni 2011, S. 63.

Buba-VÖ-RiG

Deutsche Bundesbank, Risikoreduzierungsgesetz – Die nationale Umsetzung des europäischen Bankenpakets, in: Deutsche Bundesbank Monatsbericht Dezember 2020, S. 51.

Buba-VÖ-TLAC+MREL Deutsche Bundesbank, Abwicklung und Restrukturierung von Banken – Die neuen Mindestanforderungen TLAC und MREL, in: Deutsche Bundesbank Monatsbericht Juli 2016, S. 65. Buba-VÖ-Wertpapierfirmen

Deutsche Bundesbank, Ein neuer europäischer Aufsichtsrahmen für Wertpapierfirmen, in: Deutsche Bundesbank Monatsbericht März 2021, S. 45.

Buba-VÖ-Zentralverwahrer

Deutsche Bundesbank, Buba website – Aufgaben – Unbarer Zahlungsverkehr – Überwachung – Zentralverwahrer.

376

II. Veröffentlichungen von Regierungsstellen und Behörden

7. Bundesnetzagentur Kurz-Bezeichnung

Lang-Bezeichnung

BundesnetzagenturREMIT-Hdbuch

Bundesnetzagentur, Handbuch zur Registrierung von Marktteilnehmern gemäß Artikel 9 REMIT.

BundesnetzagenturREMIT-Merkblatt

Bundesnetzagentur Merkblatt 1 Effektive und rechtzeitige Veröffentlichung von Insider-Informationen gemäß Art. 4 (1) REMIT).

526

377

Stichwortverzeichnis Die Verwendung des Plurals beinhaltet auch den Singular und umgekehrt.

Abgeltungssteuer

344 Abrechnungssystem 212 ff. Abschlussprüfer 258, 345 Abschlussvermittlung 112, 482 Absicherung 210, 227, 350, 416 Absonderung 70 Abstraktheit 247 f., 374 Abstraktionsprinzip 352 (Fn.), 359 (Fn.) Abwicklungsaufsicht 80 Accounting and Auditing Organisation of Islamic Financial Institutions (AAOIFI) 393 (Fn.) Ad-hoc-Publizität 10, 525 Additional Tier1 (AT1) Capital 147 Äquivalenz 59 (Fn.) Agency Agreement 402 f., 409 Agio 302 Aktien 382 Aktienanleihe 396 Aktiengesellschaft (AG) 173, 382, 451 Aktienregister 382 Aktienrückkaufprogramm 238 Aktionär 236 ff. Aktiva 137, 140, 155 Aktivgeschäft 74 ff. Akteursaufsicht 90 ff. Algorithmus 515 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) 354 Alternative Investment Fund (AIF) 307 Alternative Investment Fund Manager (AIFM) 307 Altersvorsorge 48, 199 American Option 419 Anfangskapital 106, 127, 152 Anfechtung 371 Angebotsfrist 241, 275

Angebotsunterlage 241 Angemessene Gegenleistung 241 Angemessenheit 140, 192 Anhänge 254 ff. Anlagebedingungen 328, 463 Anlageberatung 97, 196 ff., 207, 492 Anlageberatungshaftung 24 Anlageberatungsproduktinformationsblatt 200 Anlagebeschränkung 311, 458 Anlagebuch 138, 295 Anlageentscheidung 189 ff., 250 ff., 275 Anlageempfehlung 208, 493 Anlagegegenstand 303 Anlagegrundsätze 308 ff. Anlagestrategie 208 Anlagevermögen 298 ff. Anlagetätigkeit 93 ff. Anlagevermittlung 112, 492 ff. Anlageziel 192 Anleger- und objektgerechte Beratung 493 Anlegerschutz 42 ff. Anleihe 383 Anleihebedingungen 400 ff. Anleiheemittent 384, 401 f. Anleihegläubiger/inhaber 181 f., 384 Anleihegläubiger-Interessenvertretung 410 Anleihenmarkt 8 Anleihetreuhänder 182 Antragsteller 128 Annuität 384 Anzeigeverfahren 174, 331 Approved Publication Arrangement (APA) 218 Approved Reporting Mechanism (ARM) 218 Arbitrage 469, 512b

379

Stichwortverzeichnis

Arranger 404 ff. Artikelgesetz 10, 518 Asset Backed Securities (ABS) 179, 243, 389 Audit 158 Aufnahmemitgliedstaat 279 f., 299, 330 Aufrechnung 358 Aufsichtsbehörde 9 f., 30 ff., 80 ff. Aufsichtsorgan 172 ff., 258 Aufsichtsrat 173 f. Aufsichtsrecht 11, 23 ff., 37 ff. Auftragsausführung 201 f., 213, 513 Aufwendungsersatz 458 Ausfallrisiko 43, 142, 295, 428 Ausfallwahrscheinlichkeit (Probability of Default – PD) 142 (Fn.) Ausführungsplatz 201 (Fn.) Ausgabepreis 302, 406 Auskunftsvertrag 492 f. Ausland 60 ff. Auslandsanleihe 384 Auslagerung 163, 169, 453 Auslagerungsunternehmen 163 Auslagerungsvertrag 163 Ausnahmen vom Zulassungserfordernis 129 Ausnahmen von der Prospektpflicht 252 Ausschüttungsbeschränkung 150 Ausschuss 86 Außerbilanzielle(r) Position/Posten 108, 138 ff., 155 Außerbörslich 100, 334, 422, 431 Aussonderung 446 Austauschbarkeit 247 Authentifizierung 498 (Fn.) Automatische Beendigung 442

Back Office

173 BaFin Token Taxonomie 506, 511 Bail-in 25, 75 ff. Bank of England (BoE) 229 (Fn.) Bank Run 16, 154 Bankenaufsicht 10, 39

380

Bankerlaubnis 380 Bankgeschäft 39 ff., 215b, 296 Bankenunion 9, 28 Banking as a Service 61 Bargeld 155, 210, 286, 429 Bargeschäft 371 (Fn.) Barguthaben 358 ff. Barwert 388 Basel Committee on Banking Supervision (BCBS) 31, 124 Basel-Säulen 124 (Fn.) Baseler Rahmenwerk 124, 155 Basisinformationen 198 ff., 264, 487 Basisprospekt 255, 266 ff., 409 Basiswert 184, 228, 262, 282, 385, 401 Baukastenprinzip 254 Bausparkasse 30 Bedeutende Institute/Finanzakteure 162 Beleihungswert 388 (Fn.) Bemessungszeitraum 162 Benchmark 184, 228 ff. Benchmark-Administrator 184 Beratungshaftung 24 Beratungsvertrag 492 ff. Berichtswesen 20 Berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten 73 (Fn.) Berufs- und Gewerbefreiheit 51 (Fn.) Beschlagnahme 88, 371 Beschwerdemanagement Besicherung 283 ff. Besicherungsanhang (BSA) 430 Besicherungsanhang für Initial Margin (IM-BSA) 483 (Fn.) Besicherungsanhang für Variation Margin (VM-BSA) 432 (Fn.) Besitz 88, 373 Besitzmittlungsverhältnis 411 Best Execution 201 Betriebsergebnis 108 Betrug 479, 497 Beweislast 224, 486, 494

Stichwortverzeichnis

Beweisurkunde 337, 471 Bewertung 153, 158, 274, 288, 306 Bezugsrecht 382 Bieter 239 ff. Big Data Analytics 524 Bilanz 106 ff. Bilanzsumme 106 ff. Billigung 250, 259, 271 ff. Binnenmarkt 29 Bitcoin 504 ff. Blindpool 312 Blockchain 36, 502, 512b Börse 16, 100, 213, 247 f. Börsenaufsichtsbehörden 87 Börsenhandel 411 Börsenpreis 143, 487 Bogen 374 (Fn.) Bonität 183 Bonuspool 161 Bookbuilding 406 Brexit 59 (Fn.) Bridge 425 (Fn.) Briefkurs 217 British Bankers Association (BBA) 228 (Fn.) Broker 412 (Fn.) Broker-Dealer 412 (Fn.) BRRD-Finanzakteur 75 Buchführung 158, 345 Bürgschaft 364 (Fn.) Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) 75 (Fn.) Bundesanleihen (Bunds) 384 (Fn.) Bundesanzeiger 345 Bundesnetzagentur 526 Bundesregierung 523 Burning 504 Business Day Convention 384 Business Judgement Rule 410 (Fn.) Bußgeld 477

Calculation Agent 178 (Fn.) Call Option 419 Cash Manager 178 (Fn.) Cash Settlement 421

Central Counterparty (CCP) 210, 283 Central Securities Depository (CSD) 215b, 379 Cherry Picking 426 ff. Chicago Board of Trade (CBOT) 11 (Fn.) Chicago Mercantile Exchange (CME) 11 (Fn.) Chinese Wall 224 Classical Global Note (CGN) 411 (Fn.) Clearing 104 f., 210, 286 ff. ClearingMitgliedschaftsvereinbarung 289 Clearingkette 290, 433 ff. Clearingmitglied (CM) 289, 433 Clearingsystem 105, 402, 435 Clearingvereinbarung 289 Close-out Netting (CoN) 358 CM-Modell 289, 433 f. Coin 502 ff. Collar 384 (Fn.) Collateral Management 25 (Fn.) Comfort Letter 406 (Fn.) Commercial Paper (CP) 96, 333 Common Equity Tier1 Capital (CET1) 147 Commodities 334 Compliance 158 Compliance-Beauftragter 171 Compliance-Funktion 168 ff. Compliance Management System 168 Conduct of Business Rules 186 Constant Maturity Spread Ladder Swap 493 (Fn.) Contract for Difference (CFD) 415 (Fn.) Controlling 158, 163 Convertible Bond 396 Cornering 226 Corporate Services Provider (CSP) 179, 403 Costa/ENEL-Urteil 28 (Fn.)

381

Stichwortverzeichnis

Covenant 386 (Fn.) Covered Bond 386 ff. Credit Default Swap (CDS) 227 Credit Linked Note (CLN) 420 (Fn.) Criminal Compliance 169 (Fn.) Crowd-Financing 514 f. CRR-Eigenmittel 140 ff. CRR-Kreditinstitut 83 ff. CRR-Risikoposition 140 ff. Culpa in contrahendo (cic) 490 Cum 469 (Fn.) Cum/Ex 469 (Fn.) Cybersicherheit 34 (Fn.)

Daimler 234 (Fn.) Darlehen 337 ff. Daten 63, 88, 218, 229, 515 Datenbank 502 Datenbereitstellungsdienst 93 (Fn.), 517 Datenfriedhof 63 Datenschutz 36, 171, 346 Datenstrom 105 Datenverarbeitung 502 Daueremittent 259 Dauerhafter Datenträger 198 Day Count Fraction 384 De-Larosière-Gruppe 82 (Fn.) Dealer 404 ff. Dealer Agreement 409 Debt Issuance Programme (DIP) 266, 409 Deckungsstock 342, 388 Deckungswert 388 Delivery-versus-Payment 210, 402, 406 Dematerialisierung 355 Depot 215b Depotauszug 412 (Fn.) Depotbank 215b, 370, 379 ff. Depotkunde 362 Depotverwahrerklärung 362 Derivat 11, 31, 74, 96, 281 ff., 361, 423 f. 382

Derivate-MRV-Sponsor 423 f., 435 Derivate-Muster-Rahmenvertrag (Derivate-MRV) 423 f. Derivatekategorie 284, 287, 294 Derivatekontrakt 283 ff. Delegierter Rechtsakt 32 Deutsche Bundesbank 525 Deutsche Kreditwirtschaft (DK) 423 (Fn.) Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) 168 (Fn.) Deutscher Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte (DRV-D) 423 Deutscher Rahmenvertrag für Wertpapierpensionsgeschäfte (Repo) (DRV-R) 423 (Fn.) Deutscher Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen (DRV-W) 470 Devisen 3, 420 Dezentralisierung 501, 514 Differenzgeschäft 96, 282 Differenzschaden 495 Digitale Identifizierung 498 Digitalisierung 9, 34 ff., 498 ff. Dingliche Sicherheit 445 Directed Selling Efforts 407 (Fn.) Directors Dealing 235 Disintermediation 501, 514 Diskriminierungsfreiheit 104 f. Dividende 249 Dividendenwert 249, 260 Dominoeffekt 19, 25, 38, 68 Doppelnützigkkeit 182 Drei Säulen 39 ff. Drittland, Drittstaat 57 ff., 320 Dualistische Struktur 172 f. Durchführungsrechtsakt 32

E-Geld 353, 506 E-Geldinstitut 51, 84 Echtzeit 217 Ecosystem 504 ff.

Stichwortverzeichnis

Endgültige Bedingungen 266 Effekten 215b, 247, 376, 381 Effektengeschäft 412 ff. Effektengiro 215b, 379 Effektive Stücke 370 Eigenemission 399, 404 Eigengeschäft 131 Eigenhandel 79, 131 Eigenkapital 19 ff. Eigenkapitalinstrument 344, 382 Eigenmittel 25, 139 ff., 295 Eigenmittelanforderungen 148 Eigenmittelberechnung 152 Eigenmittelbestandteile 147 Eigenmittelquote 147 f. Eigentumsvorbehalt 364 Eingriffsbefugnis 81, 88 f., 474 Einheitlicher Abwicklungsmechanismus (SRM) 28 Einheitlicher Aufsichtsmechanismus (SSM) 28 Einheitlicher Vertrag 427 Einheitliches Registrierungsformular 259 Einheitsrecht 31, 349 Einlage 18, 74 ff., 147, 337 Einlagengeschäft 507 Einlagenschutz 78 Einlagensicherung 18, 28, 74 Einlagenzertifikat 96 Einigung 375 ff. Einschusszahlung 288 Eintrittswahrscheinlichkeit 158 (Fn.) Einzel-Zwangsvollstreckung 367 (Fn.) Einzelbestätigung 425 Einzeleintragung 379 Einzelkunden-Kontentrennung 290 Einzelunternehmen 109 Elektronische Signatur 164 (Fn.) Elektronisches Geld (E-Geld) 353, 506 Elektronisches Wertpapier (eWP) 377 ff.

Elektronisches Wertpapierregister (eWP-Reg) 377 EMIR-Besicherungspflicht 284, 293, 438 EMIR-Clearingpflicht 283, 286 ff. EMIR-Clearingschwelle 284 EMIR-Drei 283 f., 431 EMIR-Meldepflicht 283 ff. EMIR-Risikominderungspflichten 284 Emission 97, 178, 243, 252 ff., 388, 393 Emissionsbedingungen 378 Emissionsberechtigungen 334 Emissionserlös 406 Emissionsgeschäft 108, 112 Emissionsprogramm 266, 274, 389, 409 Emissionsvehikel 179 Emissionszertifikat 96, 99, 132, 334 Emittent 5, 49, 178 ff., 233 ff., 248 ff. Emittentenbeschreibung 250, 266 Energiederivat 334 Energiegroßhandel 334 Energiemarktinstrument 334 Entschädigung 78 Entschädigungseinrichtung 78 (Fn.) Environment Social Government (ESG) 36 Ergänzungskapital (T2) Erlaubnis 30, 51 ff., 125 ff., 296, 339 Erlaubnisvorbehalt 55 Ersetzung 354, 384 Ertragsvermehrungsgeschäft 342 (Fn.) Erwerbsvorbereitungsgeschäft 342 (Fn.) Erwerbs- und Übernahmeangebot 240 Escrow 181 ff. ESG-Instrumente 49 ESG-Offenlegungspflichten 49 ESG-Taxonomie 49 Ether 504 ff. Ethik 103

383

Stichwortverzeichnis

EU Binnenmarkt 29 EU Emissions Trading System (EU ETS) 96, 334 EU Mitgliedstaat 28, 51 ff., 81, 125, 172, 239, 299 ff. EU Pass 9, 29, 51 ff., 125, 278 EU Wachstumsprospekt 215, 256, 270 Euler-Hermes-Verbriefungsgarantie 386 (Fn.) EUREX 422 (Fn.) Euro 28 Euro Interbank Offered Rate (EURIBOR) 228 (Fn.) Euro Short-Term Rate (€STR) 229 (Fn.) Eurobonds 384 (Fn.) Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) 29 Europäische Union (EU) 29 Europäische Zentralbank (EZB) 82, 521 Europäischer Wirtschaftsraum (EWR) 29 European Banking Authority (EBA) 86 European Deposit Insurance Scheme (EDIS) 78 (Fn.) European Green Bond (EuGB) 392 European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA) 86 European Long-Term Investment Fund (ELTIF) 332 (Fn.) European Master Agreement (EMA) 423, 470 European Money Markets Institute (EMMI) 228 (Fn.) European Option 419 European Social Entrepreneurship Funds (EuSEF) 517 European Venture Capital Funds (EuVECA) 517 European Securities and Markets Authority (ESMA) 86

384

European Social Entrepreneurship Funds (EuSEF) 517 European System of Financial Supervision (ESFS) 82 European Systemic Risk Board (ESRB) 86 European Venture Capital Funds (EuVECA) 517 Eurosystem Collateral Management System (ECMS) 25 (Fn.) Exchange Traded Funds (ETF) 313 Exchangeable Bond 397 Execution-only 192 External Credit Assessment Institution (ECAI) 183 Externe VG 299

Fahrlässigkeit 487 f., 494 f. Family Office 298 (Fn.) Federation Bancaire de LಬUnion Europeenne (FBE) 423 (Fn.) Fehlerhafter Prospekt 487 Feste Übernahmeverpflichtung 97, 405 Festgeschäft 412 Festpreisgeschäft 412 Festzins 384 FIAT-Währung 504 Fiktion 378 Financial Action Task Force (FATF) 164 (Fn.) Financial Conduct Authority (FCA) 229 (Fn.) Financial Intelligence Unit (FIU) 164 (Fn.) Financial Services Authority (FSA) 228 (Fn.) Financial Stability Board (FSB) 20 (Fn.) Final Settlement Amount 427 ff. Finanzakteur 5 ff., 19 ff., 39, 51, 57 Finanzanlage 311 Finanzanlagenvermittler 133 Finanzanalyse 208 Finanzaufsicht 20, 39 ff., 51 ff., 63

Stichwortverzeichnis

Finanzaufsichtsbehörde 9, 39, 80 ff., 474 Finanzaufsichtsgesetz 39, 178 Finanzaufsichtsrecht 4 ff., 33, 38, 42, 50, 62, 499 Finanzbranche 4 ff., 66 ff., 498 Finanzdienstleistung 115 ff. Finanzdienstleistungserlaubnis 120, 380 Finanzdienstleistungsinstitut 84, 115 ff. Finanzgeschäft 5, 39, 51 ff., 157, 405 Finanzgruppe 62, 66 f. Finanzielle Gegenpartei (FGP) 284 Finanzierungshilfe 353 Finanzierungsschätze 333 Finanzinstrument 3 ff., 14 ff., 60, 93 ff., 111 ff., 125 ff., 191 ff., 282 Finanzintermediär 251, 276 Finanzkommissionsgeschäft 112 Finanzkonglomerat 66 f. Finanzkrise 12 ff. Finanzmarkt 3, 43, 508 Finanzmarktrichtlinie 92 Finanznahe Aktivität 55 Finanzportfolioverwaltung 112, 515 Finanzsicherheit 355 ff. Finanzstabilität 19, 512b Fintech 499 Fixed Overheads Requirements (FOR) 152 Floater 384 Floor 384 (Fn.) Förderbank 30 (Fn.) Fondsbegriff 307, 339 Fondsprospekt 323 ff. Fondsreporting 322 (Fn.) Forderungsstatut 361 f. Forderungsverrechnung 25, 357 Formerfordernis 358 Forward 96, 419 Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) 414 Freihändiger Verkauf 368 ff. Freistellung 59

Freiverkehr 122 (Fn.) Freiwilliges Angebot 240 Fremdemission 399, 404 Fremdkapital 70 ff. Fremdkapitalinstrument 333, 381 Fremdwährung 143 ff., 384 Fristenmanagement 154 Fristentransformation 155 Front Office 173 Frontrunning 201 (Fn.) Full Title Transfer 358 Future 96, 282, 419, 422 Futures and Options Association (FOA) 435 (Fn.)

Gaius 347 (Fn.) Gamag-Entscheidung 112 (Fn.) Garantie 255, 262 ff. Gas 334 Gate Keeper 380 Gedeckte Schuldverschreibungen 386 Geeignete Gegenpartei 188 ff. Geeignetheit 192, 207 Gefängnis 221 Gegenpartei 188 ff, 210, 283 f., 425 Gegenparteiausfallrisiko 414 Gekorener Professioneller Kunde 190 Geldbuße 475 ff. Geldkurs 217 (Fn.) Geldmarkt 74, 309 ff. Geldmarktinstrument 96, 309 f., 333 Geldmarktzins 333 Geldpolitik 17 f. Geldstrafe 221, 481 Geldwäsche 58, 164 f., 479, 511 Geldwäscheprävention 164, 511 GeldwäschepräventionsVerpflichtete 164 Geltl/Daimler-Urteile 234 (Fn.) Gemeinkosten 152 Gemeinsamer Vertreter 181, 410 Gemischte Gruppe 67

385

Stichwortverzeichnis

Genehmigter Meldemechanismus 218 Genehmigtes Veröffentlichungssystem 218 General Standard 122 (Fn.) Genussrecht 472 Genussschein 395 Geregelter Markt 99 ff. Gerichtsstand 384 Gerichtsvollzieher 370 Gesamtkapitalquote 148 Gesamtnennbetrag 384, 393 Gesamtverantwortung 173 (Fn.) Gesamtvollstreckung 371, 367 (Fn.) Geschäftsbank 18, 79 Geschäftsbetrieb 25, 30 ff., 72 f., 163 Geschäftsleiter 172 ff. Geschäftsmodell 59, 128, 346, 501 Geschäftsorganisation 90 ff., 157 ff. Geschäftsplan 299 Geschäftstagekonvention 384 Geschlossener Typ 313 ff. Gesellschaftsstatut 361 f. Gesellschaftsvertrag 399, 463 Gesetzlicher Mindestpreis 241 Gewerbeaufsicht 133 (Fn.) Gewerbeerlaubnis 133 Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) 345 Gewinnabschöpfung 477 (Fn.) Gewinnprognose 258 Gezeichnetes Kapital 76, 147 Girosammel-Depotgutschrift 411 (Fn.) Girosammelverwahrung 411 (Fn.) Gläubiger 25, 69 ff., 182, 367 ff., 384 ff. Gläubigerbenachteiligung 371 (Fn.) Gläubigerbeteiligung 76 Gläubigerversammlung 70 (Fn.) Glass-Steagall Act 18 Gleichbehandlung 319 Gleichwertigkeit 60 Global Master Repurchase Agreement (GMRA) 470

386

Global Master Securities Lending Agreement (GMSLA) 470 Globalurkunde 374, 379, 384, 411 Goldplating 511 Governance 158, 191 ff. Grauer Kapitalmarkt 524 Green Bonds 36, 392 Greenshoe 408 (Fn.) Greenspan 46 (Fn.) Greenwashing 392 Großkreditgrenze 156 Grundfreiheiten 29 Grundpfandrechte 181, 361 Grundschuld 364 Gruppeninterne Transaktion 66 Gruppeninternes Geschäft 294 Gutgläubiger Erwerb 248 Gutschrift 362, 413

Haftung 24, 76, 249, 402, 482 ff. Haftungsdach 134 Haftungskaskade 76 Haircut 446 Halbjahresbericht 322 ff. Halbjahresfinanzbericht 233 Handel für eigene Rechnung 97 ff., 130 ff. Handelbarkeit 245 ff. Handelsaufsicht 90 ff. Handelsbuch 138, 143, 238, 295 Handelsdaten 104 Handelsgeschäft 64, 209 ff., 350, 412 ff. Handelsinfrastruktur 97, 112 Handelsmakler 358 (Fn.) Handelsplattform 100, 504 ff. Handelsplatz 60, 93 f., 99 ff., 122, 215a ff. Handelsplatzbetreiber 64, 216 Handelsposition 217 Handelsregister 345 Handelssystem 60, 213 ff., 512c Handelsteilnehmer 60, 209 Handelstranzparenz 216 Hard Fork 504

Stichwortverzeichnis

Harte Kernkapitalquote 148 Hartes Kernkapital 147 ff. Hauptniederlassung, Hauptstelle, Hauptverwaltung 52, 58 f., 307, 362, 427 Hebelfinanzierung 299 (Fn.) Hebelwirkung 417, 426 Hedge Fonds 311 Hedging 336, 416 Herabschreibung 76, 147 Herabstufung 190, 325 Herausgabeanspruch 370 Herkunftsmitgliedstaat 51 ff., 125, 236, 278 ff. Herstattkrise 10 (Fn.) HGB-Bilanzregeln 345 High Yield Bonds 386 (Fn.) Hintermänner 487 (Fn.) Hinweisgeber 166 Hochfrequenzhandel 131 Hochrisikoland 164 (Fn.) Hochstufung 189 Holding 66 ff., 91 Honorar-Finanzanlagenberatung 133 (Fn.) Hypridanleihen 398 Hybrides Wertpapier 381, 394 Hybridkapital 19, 76, 147 Hypothek 364, 388

ICE Clear Europe 435 (Fn.) Identifizierung 218, 498 Imparitätsprinzip 415 (Fn.) Immobilie 13 ff., 311, 364 ff., 445 Implementing Technical Standards (ITS) 32 In the Money 419 (Fn.) Index 228, 311 Indemnity 407 Indirekter Kunde 289 f., 433 Indossament 375 Information Overload 63 (Fn.) Informationssicherheit 36 Informationsübermittlung 159 Inhaber 173 ff., 237 ff., 355 ff.

Inhaberaktie 382 Inhaberkontrollverfahren 175 Inhaberpapier 375 Inhaberschuldverschreibung 247, 373, 377, 384 Initial Coin Offering (ICO) 504 Initial Margin (IM) 288 Initial Public Offering (IPO) 408 Initial Token Offering (ITO) 504 (Fn.) Inkasso 180 Inländischer Investmentfonds 133, 327 Inländisches Recht 352 Inland 57 ff. Inlandsemittent 233 Innovation 35, 47, 341, 499 f. Insider 223 f. Insidergeschäft 220, 223, 233 f., 477 ff. Insiderhandel 10, 170 Insiderhandelsverbot 89, 234 Insiderinformation 222 ff., 234 Insiderregeln 222 Insidertat 222 Insolvenz 14 ff., 69 ff., 159, 349 Insolvenzfestigkeit 25, 301 Insolvenzforderung 74 Insolvenzmasse 74, 371 Insolvenzprävention 25, 72 f. Insolvenzrangfolge 70, 74 Insolvenzrecht 25, 72, 349, 358, 366, 437 ff. Insolvenzverfahren 74 ff. Insolvenzverwalter 70, 290, 371, 428, 440, 447 Insolvenzverwalterwahlrecht 371, 440 Institute of Internal Auditors (IIA) 158 (Fn.) Institutionensystem 347 (Fn.) Institutssystematik 116 (Fn.) Interbanken-Geldmarkt 525 Intercreditor Agreement 71 (Fn.) Interessenbekundung 217

387

Stichwortverzeichnis

Interessenkonflikt 159, 170, 183 ff., 203 ff. Intermediäre 251, 276, 379 f., 512b ff. Internal Capital Adequacy Assessment Process (ICAAP) 153 International Capital Market Association (ICMA) 31 International Central Securities Depository (ICSD) 215b (Fn.) International Financial Reporting Standards (IFRS) 345 International Organization of Securities Commissions (IOSCO) 31 International Securities Identification Number (ISIN) 266 (Fn.) International Securities Lending Association (ISLA) 470 (Fn.) International Swaps and Derivatives Association (ISDA) 31 Internationale Organisation 189 Internationales Einheitsrecht 31 Internationales Privatrecht (IPR) 31 Internationales Recht 28, 31 Internationales Zivilverfahrensrecht (IZVR) 349 (Fn.) Internet 251, 504 Interoperabilitätsvereinbarung 286 (Fn.) Investment Token (I-Token) 506 Investmentaktiengesellschaft (Inv-AG) 324, 451, 460 Investmentbank 13 ff. Investmentdreieck 454 ff. Investmentfonds 4 ff., 73, 133, 296 ff., 461 Investmentfondsanteil 96, 199, 296, 302 ff., 461 Investmentfondsanteil-Zeichnungsvertrag 464 Investmentfondsaufsichtsrecht 448 Investmentfondsinitiator 456 Investmentfondskategorie 303, 322, 448 ff., 463 Investmentgesellschaft 317 f., 451

388

Investmentgeschäft 296, 456, 507 Investmentkommanditgesellschaft (Inv-KG) 324, 451, 460 Investmenttätigkeit 306 Investmentvermögen 307 Investmentvertrag 454 ff., 463 Investor 341 ff. Irreführung 225 ISDA Master Agreement (ISDA-MA) 24, 423 Islamic Finance 393 (Fn.) Islamische Anleihe 393 IT-System 158

Jahresabschluss

176, 345 Jahresbericht 320 ff. Jahresfinanzbericht 233 Jumbo-Pfandbriefe 387 (Fn.)

K-Faktoren 152 K-Modell 289, 433 f. Kapitaladäquanzverfahren 153 Kapitalanlagebetrug 479 Kapitalerhaltung 140 (Fn.) Kapitalerhöhung 252 Kapitalertragsteuer 469 (Fn.) Kapitalkosten 47 Kapitalmarkt 1 ff. Kapitalmarkt-Nebenakteur 5, 177 ff. Kapitalmarkt-Nebenakteursdienstleistung 123 Kapitalmarktakteur 5 ff., 23 ff., 123 ff., 348 Kapitalmarktaufsicht 10 f. Kapitalmarktaufsichtsrecht 23 ff., 37 ff., 91 ff. Kapitalmarktdienstleistung 3 ff., 97 f., 111 f., 120 ff. Kapitalmarktgesetz 9, 81, 92, 244, 338, 475, 517 Kapitalmarkthaftung 482 ff. Kapitalmarkthandelsgeschäft 210, 350 Kapitalmarktinstrument 3, 90, 148, 348 ff.

Stichwortverzeichnis

Kapitalmarktorientiertes Unternehmen 345 Kapitalmarktprodukt 23 f., 64, 242 ff. Kapitalmarktrecht 2 ff., 22 ff. Kapitalmarktrechtliche Ansprüche 348, 365 ff. Kapitalmarktrechtsquelle 27 Kapitalmarktrechtstrend 34 ff. Kapitalmarktregulierung 92 ff., 505, 512 Kapitalmarktsanktion 26, 473 ff. Kapitalmarktstrafrecht 26 Kapitalmarktstraftat 478 ff. Kapitalmarktunion 9 Kapitalmarktverstoß 475 Kapitalmarktwertpapier 247, 376, 381 Kapitalmarktzivilrecht 24, 347 ff. Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) 299, 452 Karl Marx 35 (Fn.) Kassageschäft 108, 415, 417 Kassamarkt 8 (Fn.) Kaufleute 345 Kaufvertrag 406 Kausalität 224, 488, 494 Kausalverhältnis 374 Kernkapital 147 ff., 391 Kernkapitalquote 148 Key Investor Information Document (KIID) 199, 323 Keynesianismus 17 Kickback 205 Klasse 108, 124 Kleinanleger 7, 188 ff., 327 ff. Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) 35, 215 Klima 36, 420 Klumpenrisiko 43 (Fn.) KMU-Wachstumsmarkt 215 Kohlendioxid (CO2) 334 (Fn.) Kollektive Bindung 410 (Fn.) Kollektive Vermögensverwaltung 296

Kollisionsrecht 31, 361 Kommanditgesellschaft (KG) 147, 459 Kommissionsgeschäft 112, 406, 412 f. Kongruente Deckung 447 Kongruenz 388 Konsolidierte Aufsicht 62, 66 f., 109 Konsolidierung 35, 67 Konsolidierungsmethode 267 (Fn.) Konsortialführer 406 Konsortium 404 Kontoführende Stelle 362 Kontentrennung 289 ff., 438 Kontrahentenrisiko 43 (Fn.) Kontributor 229 f. Kontrollschwelle 241 Kontrollsystem 158 (Fn.) Konzernabschluss 345 Konzernanhang 87 (Fn.) Konzernlagebericht 87 (Fn.) Konzernunternehmen 384 Konzentrationsrisiko 43 ff. Kooperationsvereinbarung 61 Kredit 54, 154, 337 Kreditausfall 43 (Fn.) Kreditderivat 14, 96, 282 Kreditereignis 227 (Fn.) Kreditfonds 54, 311 Kreditgeschäft 18, 115 Kredithandel 54 Kreditinstitut 4 f., 30, 51, 115 ff., 140 Kreditintermediation 54 Kreditrisiko 420 Kreditrisikominderung 142 (Fn.) Kreditrisiko-Standardansatz (KSA) 142 (Fn.) Kreditvermittlung 336 Krise 12 ff., 34 Krisenmanagement 68 Kryptowert 511 ff. Kryptowertdienstleister Kryptowertpapier 379 Kryptowertpapierregister 118, 379 f. Kryptoverwahrgeschäft 118

389

Stichwortverzeichnis

Kündigung 314, 384, 391, 398, 402, 427 Künstliche Intelligenz (KI) 501 Kunde 7, 188 ff. Kunden-Clearing-RahmenVereinbarungen (KCRV) 435 Kundenkategorien 188 ff. Kundenvermögen 25, 159 Kundentransparenz 45, 64, 193, 493 Kurs 13 ff., 217 f., 225, 234 Kursbeeinflussung 223 (Fn.) Kursstabilisierung 238 KWG-Finanzdienstleistung 119 f.

Lagebericht

233, 345 Lamfalussy 32 f. Landesbank 30 Laufzeit 14, 314, 332 f., 384 LBBW 471 (Fn.) LCH.Clearnet Ltd. 435 (Fn.) LCH-KundenclearingDokumentation 435 (Fn.) Lead Manager 404 ff. Lebensversicherungsprodukt 198 Leerverkauf 227, 469 Legal Entity Identifier (LEI) 218 Legal Opinion 406 (Fn.) Legitimation 375 Lehman Brothers 13 Leichtfertigkeit 477 (Fn.) Leistungsbestimmungsrecht 401 Leitungsorgan 88, 172, 475 Level playing field 105 Leverage 417 Leverage Ratio 151 Lex rei sitae 360 f. Lieferung-gegen-Zahlung 210 Liikanen Report 79 (Fn.) Liquidität 14 f., 154 f., 176, 209, 390, 469 Liquiditätsdeckungsanforderung 155 Liquiditätsmanagement 14, 154 f., 158, 213, 284, 311 Liquiditätsplanung 158 Liquiditätsquote 155

390

Liquiditätsreserve 155 Liquiditätsrisiko 43 Liquiditätsstandards 20 Liquiditätsstatus 158 Liquiditätsvorschau 158 Listing Agent 178 (Fn.) Lizenz 51, 61 Lizenz light 117 (Fn.) Lösungsklausel 442 Loan Market Association (LMA) 471 (Fn.) Lombardgeschäft 336 London Interbank Offered Rate (LIBOR) 228 (Fn.) Long 517 Lugano Convention 349 (Fn.)

Madoff-Betrugsfall 497 Managed Account 472 Mantel 374 (Fn.) MAR-Finanzinstrument 223 Margensicherheit 288, 447 Margin 288, 429 Market Maker 130, 224, 238 Marktbetreiber 88, 213 Markteffizienz 47, 63 Markteintrittsbarriere 50 ff. Markteintrittstransparenz 45, 64 Marktfolge 158 (Fn.) Marktinfrastruktur 104, 512b f. Marktintegrität 219 ff., 483, 512b Marktmanipulation 220, 225 f., 477 Marktmissbrauch 20, 208, 220 ff., 334 Marktpreis 292, 370, 421, 427 Marktrisiko 43, 143 Marktteilnahmetransparenz 64, 232, 270, 483 Marktteilnehmer 24, 35, 47, 105, 228 f., 423, 500, 503 Markttransparenz 64, 219, 232 Marktwert 145, 429, 467 ff. Marktzugang 60 f. Massegläubiger 70 (Fn.) Master Agreement 24, 423, 470

Stichwortverzeichnis

Master Feeder Fonds 311 (Fn.) Matching 210 Mehrfachmeldung 285 (Fn.) Melderegister 20 Meldewesen 127 Meldung 64, 104, 176, 216, 222 MiFID-Finanzinstrument 96 ff. MiFID-Handelsplatz 220, 232 ff., 294, 513 MiFID-Kapitalmarktdienstleistung 97 f., 112, 118 ff., 186, 513 MiFID-Schlüsselbegriff 111, 122 MiFIR-Handelspflicht 294 Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities (MREL) 76 (Fn.) Mining 504 Mismatch 424 (Fn.) Mitarbeiter 159 ff. Mitarbeitervergütung 91, 106, 161 f., 206 Miteigentum 215b, 382, 413 Miteigentumsanteil 215b, 382, 413 Miteigentumslösung 460 Mitgliedschaftsrecht 506 ff. Mittlere Wertpapierfirma 152 Monetärer Vorteil 205 ff. Monetarisierung 346 Monetarismus 17 Monistische Struktur 172 Moral Hazard 19 Mortgage Backed Securities (MBS) 14 Multibranch Netting 437 (Fn.) Multilaterales System 99 ff., 512c Multinationale Abkommen 31 Musterverfahren 486

Nachbesicherung 447 (Fn.) Nachhaltigkeit 9, 34 ff., 49 Nachhaltige Anleihen 392 Nachhandel 216 f. Nachhandelstransparenz 216 Nachhandelstransparenzmeldungen 218

Nachrang 25, 74 Nachrangdarlehen 472 Nachschusszahlung 288 Nachtrag 274 ff. Nachtragsereignis 274 Namensaktie 375, 382 Namenspapier 375 Namensschuldverschreibung 74, 375, 472 Naming and Shaming 221, 475 National Competent Authority (NCA) 82 ff. Nationale Abwicklungsbehörde 87 Nationale Aufsichtsbehörde 82 ff. Nebendienstleistung 98, 126 Negatives Interesse 495 Nennbetragsaktie 382 Nennwert, Nominalwert 76, 382 ff., 395 Nennwertlose Stückaktie 382 Net Asset Value (NAV) 302 Net Stable Funding Ratio (NSFR) 155 Netting 25, 210, 357 f., 426 f., 440 Nettoausfallrisiko 428 Nettoinventarwert 302 Netzwerk 502 Neu-Produkt-Prozess 158 (Fn.) New Global Note (NGN) 411 (Fn.) New York Stock Exchange (NYSE) 422 (Fn.) Nicht-Clearingmitglied 289 Nicht-EU Mitgliedstaat (s. Drittland) 60, 278 Nicht-Finanzakteur 137 Nicht-finanzielle Gegenpartei (nFGP) 5 (Fn.), 248, 284, 292 Nicht-finanzielle Gegenpartei über der EMIR-Clearingschwelle (nFGP+) 248, 287 Nicht-finanzielle Gegenpartei unter der EMIR-Clearingschwelle (nFGP-) 284, 287 Nicht-Handelsbuchinstitut 143 (Fn.)

391

Stichwortverzeichnis

Nicht-komplexe-Finanzinstrumente 192 Nicht-MiFID-Finanzinstrumente 119, 335 ff. Nicht-monetäre Vorteile 205 ff. Nichtdiskretionäre Regeln 99 f. Nichtdividendenwert 249 Niederlassung 52, 61, 299, 427 Niederlegung 64, 378 Nießbrauch 237 Nike/Sportland 441 (Fn.) Non Performing Loan (NPL) 54 (Fn.) Non Investment Grade 386 (Fn.) Normale Anleihe 383 ff., 396 f. Normenhierarchie 33 Note Trustee 182 Notfallkonzept 158 Notifizierung 279 Notleidender Kredit 54 Nullkupon-Anleihe 384

Öffentliche Bloßstellung 221 Öffentliche Hand 341 Öffentliche Versteigerung 368 Öffentliches Angebot 249, 251, 274 f., 491 Öffentliches Recht 23 Öffentliches Übernahmeangebot 274 Offener Typ 306 Offenlegung 49, 215, 223, 234, 336 Omnibus-Konto 290 f. Omnibuskunden-Kontentrennung 290 Online-Plattform 501, 513 f. Open Market 122 (Fn.) Operativ tätiges Unternehmen 297 Operationelles Risiko 43, 144, 165 Option 96, 267 Optionsanleihe 397 Optionsschein 385, 397, 422 Orderpapier 370, 375 Orderbuch 406 Orderschuldverschreibung 74 392

Ordnungswidrigkeit 221, 477 Organhaftung 484 Organisationsform 317 Organisationsrahmen 92, 104 Organisationsrichtlinien 160 f. Organised Trading Facility (OTF) 97 ff. Organisierter Handelsplatz 104 f. Organisierter Markt 213, 345 Organismus für gemeinsame Anlagen (OGA) 297 f., 307 Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) 304 (Fn.) Organization for Economic Co-operation and Development (OECD) 140 (Fn.) Originator 389 Out of the Money 419 (Fn.) Outsourcing 163 Over the counter (OTC) 8, 93, 209, 422

Packaged Retail and Insurancebased Investment Products (PRIIPs) 198 ff. Packaged Retail Investment Products (PRIPs) 198 Pari 384 Partizipations-Zertifikat 385 Passiva 137, 155 Passive Dienstleistungsfreiheit 59 Passiver Investor 315 Patronatserklärung 364 (Fn.) Paying/Issuing/Fiscal Agent 178, 182, 402 Payment Netting 426 Payout Mechanism 385 Payment Token (P-Token) 506 Pensionsfonds 342 Pensionsgeschäft 309, 465 ff. Performance 401 Periodische Publizität 64, 233 Permanent Global Note 402 Perpetual Bond 384 (Fn.)

Stichwortverzeichnis

Personalsicherheiten 364 (Fn.) Personengesellschaft 5 (Fn.) Personenrecht 347 (Fn.) Pfandbrief 243, 387 f. Pfandbriefbank 30, 342 Pfandrecht 364, 368, 445 Pfandreife 358 (Fn.) Pflichtangebot 240 ff. Pflichtverletzung 402, 486 Phoenix-Betrugsfall 497 Physical Settlement 421 Plain Vanilla Bond 383 Platzierung 97, 251, 404 ff., 482 Platzierungsgeschäft 108, 112, 134, 405 f. Politisch exponierte Person (PeP) 164 (Fn.) Private Equity 311 Ponzi Scheme 165, 497 Portfolioabgleich 292 Portfoliokomprimierung 292 Portfolioverwaltung 36, 97, 186, 192 ff., 350, 452, 482 Porting 291, 438 Positionsrisiko 143 Positive Vertragsverletzung (pVV) 490 Positives Interesse 495 Präzise Information 234 (Fn.) Premium 419 PRIIPs-Basisinformationsblatt 198 ff. PRIIPs-Hersteller 198 Primärmarkt 97, 482 ff. Primärmarkttransparenz 64 Primärrecht 29, 32 Primär-Insider 224 Prime Standard 122 (Fn.) Primebroker 299 (Fn.) Privatanleger 7, 323, 486 Privatautonomie 352 Private Placement 408 Privatkunden 7 Privatplatzierung 408 Prozyklische Effekte 336

Product Governance 191 f. Produktintervention 89 Produktanhänge 425 Produktaufsicht 80, 90 ff. Produktaufsichtsgesetz 92 Produktbedingungen 399 Produktgenehmigungsverfahren 191 Produktinformationsblatt 197 ff., 514 Produktkategorien 198 Professioneller Anleger 7, 331, 460 Professioneller Kunde 7, 189 f. Proportionalität 35, 51, 107, 270 Prospekt 48, 197, 215, 249 ff., 270, 487 ff. Prospektaktualisierung 274 Prospektbilligung 271 ff. Prospekteinreicher 272 f., 276 Prospekterleichterungen 270 Prospekthaftung 249, 487 ff. Prospektpflicht 251 f., 324, 338, 509 Prospektprüfung 272 Prospektschema 254 Prospektveranlasser 487 ff. Prospektverantwortlicher 487 Prospektveröffentlichung 273 Prospektzusammenfassung 264 Protokolltechnik 425 (Fn.) Provision 207 Prudential Regulation 517 Prudential Regulation Authority (PRA) 229 (Fn.) Publikumsfonds 306 f. Put Option 385, 419 Pyramide 215b, 411

Qualified Institutional Buyers (QIBs) 407 (Fn.) Qualifizierter Anleger 7, 252, 270 Qualitätsverbesserung 205 (Fn.) Quellensteuer 334, 384, 402 Querverkäufe 186 (Fn.) Querverweis 265, 272 Quittung 375 (Fn.)

393

Stichwortverzeichnis

Rahmenrechtsakt 32 Rating 142, 386 Ratingagentur 14, 183 Real Estate Investment Trust (REIT) 382 (Fn.) Realisationsprinzip 415 (Fn.) Realsicherheiten 364 Realwirtschaft 16, 19, 25, 154, 284, 386 Rechnungseinheit 511 Rechnungslegung 37, 345 Rechnungslegungsstandard 345 Rechnungslegungssystem 345 Rechnungswesen 345 Rechtsbegründende Eintragung Rechtsdienstleistung 180 Rechtsform 61, 299, 307, 317 f., 451 Rechtsgeschäft 5 (Fn.), 354 Rechtsgutachten 438 f. Rechtsharmonisierung 28 Rechtsordnung 31, 349 ff., 359 ff. Rechtsstatut 361 f. Rechtsträgerkennung 218 Rechtsvereinheitlichung 28 ff. Rechtsverordnung 33, 62 Rechtswahl 352 ff. Referenzmitgliedstaat 321 Refinanzierung 14, 155, 389 Refinanzierungsmittler 389 Refinanzierungsregister 389 (Fn.) Refinanzierungsunternehmen 389 Referenzwert 104, 184, 198, 225, 228 ff. Referenzzinssatz 384 Registerführende Stelle 380 Registrierte KVG 299 (Fn.) Registrierungsformular 250 ff. Regresslosigkeit 389 Regulation S (RegS) 407 (Fn.) Regulatorische Anleihe 25, 391 Regulatorischer Tsunami 35 Regulatorisches Eigenkapital 25, 135, 391 Regulatory Technical Standard (RTS) 32 394

Regulierter Markt 93, 122 (Fn.) Rehypothication 358 Rektapapier 362, 375 Reporting Agent 178 (Fn.) Representations and Warranties 407 Repurchase Agreement (Repo) 467, 470 Restrukturierung 71 Restrukturierungsplan 71 Restrukturierungsgericht 71 Restrukturierungsinstrument 71 Reverse Convertible Bond 396 Reverse Solicitation 59 Revision 158, 160 Richtlinienkonforme Auslegung 447 (Fn.) Risiko-Controlling 158 Risikoabsicherung 336 Risikofaktoren 255 ff., 263 Risikogewicht 142 Risikokonzentration 66, 136 Risikomanagement 36, 43, 158 ff. Risikoposition 140 ff. Risikoprofil 35 (Fn.) Risikoselbstbehalt 389 (Fn.) Risikotragfähigkeit 158 Risikoträger 162 Risikovorsorge 139 Risk Free Rate (RFR) 229 (Fn.) Robo Advice 501, 515 Rohstoffe 334, 420 Rosenbergsche Formel 486 (Fn.) Rücknahmepreis 302, 306, 323 Rule 144A 407 (Fn.)

Sachenrecht 349, 359 ff., 363 f. Sachkunde 180 Sachrecht 31 Sachstatut 360 ff. Sachwalter 388 (Fn.) Sachwerte 312, 314 Safe Haven 407 (Fn.) Sammelbestand 215b, 362, 411 Sammeleintragung 379 Sammelurkunde 382

Stichwortverzeichnis

Sammelverwahrung 215b, 370, 411 Sanierung 25, 71 Sanktion 26, 167, 473 ff. Sanktionsmaßnahme 167 Satzung 30, 247, 306, 328, 400, 463 Schachtelprivileg 311 (Fn.) Schadenersatz 11, 65, 392, 485 ff. Schattenbanken 54, 336, 469 Schatzwechsel 333 Schließfach 411 (Fn.) Schlüsselbegriff 92 ff., 111, 122 Schlüsselgesetz 29, 37, 90 ff. Schneeballsystem 165, 480 Schrempp 234 (Fn.) Schuldbeitritt 364 (Fn.) Schuldbuchforderung 377 (Fn.) Schuldrecht 210, 349 ff., 472 Schuldschein 74, 337, 471 Schuldtitel 74 ff., 227 Schuldverschreibung 74, 96, 147, 184, 244, 333, 373, 383 ff., 472 Schutzniveau 188 ff. Schwarmfinanzierung 252, 514 f. Schwarmfinanzierungsdienstleister 514a Schwarzer September 13 Schwebendes Geschäft 371, 426 Schweiz 29 (Fn.) Segregation 290 Security Token Offering (STO) 504 (Fn.) Sekundärmarkt 8, 97, 198, 482 Sekundärmarkttransparenz 64, 232 Sekundärrecht 32 Sekundär-Insider 223 (Fn.) Selling Restrictions 407 (Fn.) Selbstemission 399 Semiprofessioneller Anleger 316 Senior Bond 384 Settlement 43 ff., 145, 209 ff., 421, 427 Shadow banking 20 Short 469 Short selling 227 Sicherheiten 25, 181 f., 288, 356 ff.

Sicherheitenanhänge 425 Sicherheitengeber 358, 366 Sicherheitennehmer 336, 444 ff. Sicherheitentreuhänder 181, 403 Sicherheitenverwertung 358, 367 ff. Sicherheitssystem 158 Sicherungseinrichtung 78, 128 Sicherungsabtretung 364 Sicherungsübereignung 361, 364 Sicherungsvermögen 342 Sicherheitszweck 358 (Fn.) Sichteinlage 309 Siemens/Neubürger-Urteil 168 (Fn.) Signal 513 Single Resolution Board (SRB) 77 Single Resolution Fund (SRF) 77 Single Rulebook 86 Single Supervisory Mechanism (SSM) 28, 83 Sitzstaat 58, 128, 184, 230, 437 Skripturakt 378 (Fn.) Smart Contract 504 Social Media 504 Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) 15 (Fn.) Solvabilitätskapital 135 Solvenz 64, 67, 90, 106 f., 124, 135 ff. Solvenzanforderungen 106, 109, 135 ff. Solvenzaufsicht 67 Solvenzkoeffizient 140 (Fn.) Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte (SB-WPG) 411 (Fn.) Sonderinsolvenzrecht für Finanzakteure 25, 72 ff., 372 Sonderkündigungsrecht 384 Sonderprüfung 176 Sondervermögen (SV) 290, 318, 451, 460, 464 Sonderverwalter 76 (Fn.) Sorgfaltspflicht 164, 479 Sparbrief 333 Sparkasse 30 Sparkonto 48

395

Stichwortverzeichnis

Special Purpose Acquisition Company (SPAC) 408 (Fn.) Special Purpose Vehicle (SPV) 179, 389, 403 Spector Photo Group-Urteil 223 (Fn.) Spekulation 16, 336, 416, 479 Spezialfonds 307 Spieleinwand 281 (Fn.) Sponsor 389, 423, 431 ff. Sprache 198, 278 ff. Spread 406 Staatsanleihen 155, 227 Staatsanwalt 478 Stand alone 389, 409 Standardisierung 244 f., 287, 422 Start up 61 Status 92, 215, 259, 384, 512c Stellvertretung 406, 412 Steuern 344, 384 Stewardship 382 (Fn.) Stillhalter 419 Stille Beteiligung 147 Stimmrechtepublizität 236 ff. Stimmrechtsanteil 10 Stimmrechtsschwelle 236 Stimmrechtsvereinbarung 237 Strafrecht 22 ff., 478, 481 Straftat 164 ff., 221, 478 ff. Strafverfolgungsbehörde 88, 224 Straight Bond 384 Streifbandverwahrung 362 Stresstest 158 Strike Price 419 Strom 334 Strukturierte Schuldverschreibung 74, 184 STS-Verbriefungen 517 Stückaktie 382 Stücke 370, 374 Stückelung 52 (Fn.), 384 Stufenzinsanleihe 384 (Fn.) Subordinated Bond 384 Subprime Credits 14 Subsidiarität 28

396

Substantial US Market Interest (SUSMI) 407 (Fn.) Sukuk 393 Supervisory Review and Evaluation Process (SREP) 153 Swap 31, 96, 227, 282, 419 Swaption 420 (Fn.) Synthetisch 311 (Fn.) Systematische Internalisierung 131 Systemrelevanz 19 ff., 75, 107 Systemrisiko 20, 44 Systemstabilität 63, 135, 512b

Täuschung 219, 225 Tagesgeld 333 Talon 374 (Fn.) Tax Equity and Fiscal Responsibility Act (TEFRA) 407 (Fn.) Trans-European Automated Realtime Gross Settlement Express Transfer System2 (TARGET2) 384 (Fn.) Teilschuldverschreibung 383 (Fn.) Temporary Global Note 402 Termingeld 333 Termingeschäft 96, 423 Termingeschäftsfähigkeit 281 (Fn.) Terminkauf 419 Terminkontrakt 96 Terminmarkt 8, 334 Tertiärrecht 32 Terrorismusfinanzierung 164 f., 479 Thesaurierung 344 (Fn.) Tier2 Capital (T2) 147 Tilgung 379, 384 Tochtergesellschaft, Tochterunternehmen 57 f., 61, 237 ToD-Wertpapiere 239 f. Token 501 ff. Too Big To Fail (TBTF) 19, 75 (Fn.) Total Loss Absorbing Capacity (TLAC) 76 (Fn.) Total Return Swap (TRS) 420 (Fn.) Trade Date Plus 2 Days (T+2) 8 (Fn.)

Stichwortverzeichnis

Trade Repository 336 Trading 96, 210, 334, 512b f. Transaktionsmeldungen 218 Transaktionsregister 283, 285, 336 Transparenz 20, 63 ff., 124, 176, 193, 216 ff., 232, 322, 401 Transpositionslehre 364 (Fn.) Treasury 158 (Fn.) Treasury Bill 333 Trennbankensystem 79 Treu und Glauben 401 Treuhandlösung 460 Treuhänder 25, 181 f., 317, 389 True Sale 386 (Fn.)

Übergabe 375, 413 Überkreuzcheckliste 272 Übermittlung 64, 88, 97, 192, 251, 330 Überraschende Klausel 401 Überschuldung 14 Übersicherung 353 (Fn.) Übertragbares Wertpapapier 96, 215b, 244, 376 Übertragungsinstrument 76 Ultra Vires 437 (Fn.) Umqualifizierung 445 f. Umsetzungsgesetz 33, 110 Umtauschanleihe 397 Unabhängige Anlageberatung 205 (Fn.) Undertakings 407 Undertakings for Collective Investments in Transferable Securities (UCITS) 96, 296, 303 ff. Underwriting 405 (Fn.) Unerlaubte Handlung 488 United Kingdom (UK) 59 (Fn.) United Nations (UN) 167 United States (US) 345 (Fn.) Universalbank 41, 126 Unterbilanz 345 (Fn.) Unterdeckung 342, 430 Unverbrieftes Recht 248 Urkunde 178, 247, 362, 373 ff., 471

US Federal Reserve System (Fed) 14 ff. US Personen 407 (Fn.) US Securities Act 1933 407 (Fn.) Utility Token (U-Token) 506

Validierung

502 Variabler Zins 419 (Fn.) Variation Margin (VM) 288 Venture Capital 311 Verantwortliche Personen 225, 258, 261 Verbraucher 229, 353 Verbraucherdarlehen 122 (Fn.) Verbraucherschutz 42, 48 Verbraucherschutzrecht 11 Verbriefung 54, 246, 389 Verdacht 88, 164, 222 Verfügung 362 (Fn.) Vergütung 19 ff. Vergütungspolitik 161, 206 Vergütungssystem 20, 161 f. Verhältnismäßigkeit 29, 35, 230 Verhaltensaufsicht 90 ff. Verjährung 488, 495 Verkaufsbeschränkungen 407 (Fn.) Verkaufsprospekt 323, 489 Verleitung 206, 223, 479 Verlust 19, 76, 135, 149, 192, 389, 395, 417, 507 Verlustquote bei Ausfall (Loss Given Default – LGD) 142 (Fn.) VermAnlG-Produktinformationsblatt 199, 514 Vermögen 25, 69, 299, 318, 460 Vermögensanlage 113, 337 Vermögensrecht 355, 373 f. Vermögensverwalter 51 Vermögensverwaltung 296 Vermögenswert 88, 108, 290 f., 299 ff., 342, 384, 502 Vermögenszuordnung 348, 359 Veröffentlichungspflicht 89 Verschuldungsquote 151 Versicherung 4, 39 ff., 73, 84, 342

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Stichwortverzeichnis

Versicherungsanlageprodukte 198 Versicherungsaufsicht 39 Versicherungsgeschäft 41 Versicherungsunternehmer 51, 342 Verständnishorizont 401 (Fn.) Vertrag zugunsten Dritter 403 (Fn.) Verträge über die Europäische Union (EUV) 29 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) 29 Vertraglich gebundener Vermittler (vgV) 61 (Fn.) Vertragsbedingungen 301, 306 ff., 354 Vertragsfortführung 371 (Fn.) Vertragsfreiheit 353 Vertragspartei 352 ff., 393, 414 Vertragsrecht 24, 352, 437 Vertragsstatut 352 (Fn.) Vertretbarkeit 245 (Fn.) Vertrieb 23, 88, 97, 112, 197, 307, 326 ff. Vertriebsstrategie 191 Verwaltungsgesellschaft (VG) 296, 299, 452 Verwahrung 209, 215b, 301, 384, 411 ff. Verwahrstelle (VS) 238, 301, 453 f. Verwahrstellenvertrag 454 f., 461 f. Verwaltungsvorschrift 33 Verweismethode 267 (Fn.) Verwender 354, 401 Verwertung 358, 367 ff., 446 Verwertungsreife 368 Videoidentifizierung 524 Vier-Augen-Prinzip 158 (Fn.) Vinkulierung 382 (Fn.) Virtuelle Währung 504, 506 f. Völkerrecht 31 Vollbanklizenz 51 Vollrechtsübertragung 358, 370, 429, 446 Vollstreckung 367 ff. Vollstreckungsgericht 370

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Vorhandel 216 f. Vorlegungsfrist 384 Vorrang 28, 70, 74 Vorstand 173, 239 ff., 459 Vorzugsaktie 382 Vorzugsdividende 382 (Fn.)

Wallet 504 Wandelanleihe 147, 397 Warenderivat 88, 132 Warenpositionsrisiko 143 Warnhinweis 264 Warrant 385, 397, 407 Wash Sales 226 Wasserfall 389 Weltwirtschaftskrise 16 ff., 79 Werbung 270, 277. 325 Wertpapier 239, 243 ff., 277, 373 ff. Wertpapier-Rechtsstatut 362 Wertpapier-Sachstatut 362 Wertpapierabwicklung 525 Wertpapierart 375 Wertpapieraufsicht 10 Wertpapierbegriff 244, 373 Wertpapierbeschreibung 250, 256 f., 261 f. Wertpapierdarlehen 309, 465 ff. Wertpapierdienstleistung 3, 57, 93 f., 112, 120 Wertpapierdienstleistungsrichtlinie Wertpapierdienstleistungsunternehmen (WpDU) 5, 115 Wertpapierfinanzierungsgeschäft (WPFG) 54, 336 ff., 465 ff., 503 Wertpapierfirma 4, 51, 93, 106 ff., 115, 126, 140, 152, 185 Wertpapierfirmengruppe 91, 109 Wertpapierhandel 10, 36 Wertpapierinstitut 84, 115, 120, 126 Wertpapierkennnummer (WKN) 266 (Fn.) Wertpapiermarkt 3 Wertpapierleihe 466 Wertpapiernebendienstleistungen 98

Stichwortverzeichnis

Wertpapierpensionsgeschäft 465, 467 Wertpapierprospekt 215, 249 ff. Wertpapierprospektrecht 249 ff. Wertpapierrechtstheorie 373 (Fn.) Wertpapierregister 377 Wertpapiersammelbank 215b, 370, 379, 382, 411 Wertpapierverwahrung 125 (Fn.) Wettbewerb 35, 500 Wettbewerbsbedingungen 47 Whistleblowing 166 White Label Banking 61 Widerrufsrecht 274 ff., 353 Wiedereindeckungsaufwand 145 Windscheid 347 (Fn.) Wirtschaftlich Berechtigter 164 (Fn.) Wirtschaftsprüfer 128, 345 Wohlverhaltensregeln 90, 103, 186, 301, 326, 493, 509 WPFG-Muster-Rahmenvertrag 470 WpPG-Produktinformationsblatt 199

Zahlstelle

178, 384 Zahlungsdienst 353 Zahlungsdienstleister 4, 178, 498 Zahlungsinstitut 84 Zahlungsunfähigkeit 14 Zahlungsverkehr 18, 167, 301, 357, 455 Zeichnung 251, 275 Zeichnungsfrist 408 Zeichnungspreis 402 Zeichnungsschein 464 (Fn.) Zeichnungsvertrag 406, 412, 464 Zentralbank 215b (Fn.) Zentrales Clearing 295 (Fn.), 433 Zentrale Gegenpartei 283, 295 Zentrales Register 380 Zentralregisterwertpapier 379

Zentralverwahrer 215a ff. Zero Bond 384 Zertifikat 74 ff., 132, 184, 333 f., 385 Zession 361 (Fn.) Ziehung 266 ff. Zielgesellschaft 239 ff. Zielmarkt 191 Zins 14, 43, 143, 383 f., 396 ff. Zinsberechnung 384 Zinskupon 374 (Fn.) Zinsperiode 384 Zinstagequotient 384 Zinszahlungstag 384 Zivilrecht 11, 24 f., 246 f., 373, 384, 406, 482 ff. Zuckerbrot und Peitsche 29 Zulässige Marktpraxis 225 Zulassung 51, 94, 100 ff., 117, 125 ff., 178, 212 ff., 230, 252, 261 ff., 299, 306, 475 Zulassungserfordernis 51 ff., 119, 125 ff. Zulassungsverfahren 100, 127 f., 213 Zulassungsvoraussetzungen 127, 183 Zusammenfassung 197, 264 ff. Zusätzliche Beträge 384, 397 Zusätzliches Kernkapital 147, 391 Zuständigkeit 28, 81 f. Zwangsversteigerung 368 Zwangsverwaltung 368 (Fn.) Zwangsvollstreckung (ZV) 367 ff. Zweckgebundene Anleihe 390 Zweckgesellschaft 389 Zweigstelle, Zweigniederlassung 57 ff., 362 Zug um Zug 413 (Fn.) Zuwendungen 205 Zuwendungsverzeichnis 205 (Fn.) Zwingende Norm 352 Zwingendes Recht 11, 24, 353 f., 424 Zwischenlagebericht 233 Zwischenverwahrer 215b, 411

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