Das Recht der Abgeordnetengruppe [1 ed.] 9783428464166, 9783428064168

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Das Recht der Abgeordnetengruppe [1 ed.]
 9783428464166, 9783428064168

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Beiträge zum Parlamentsrecht

Band 15

Das Recht der Abgeordnetengruppe Von

Dr. Reinhold Kassing

Duncker & Humblot · Berlin

REINHOLD KASSING

Das Recht der Abgeordnetengruppe

Beiträge zum Parlamentsrecht Herausgegeben von Norbert A.chterberg

Band 15

t

Das Recht der Abgeordnetengruppe

Von Dr. Reinhold Kassing

Duncker & Humblot . Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Kassing, Reinhold: Das Recht der Abgeordnetengruppe / von Reinhold Kassing. Berlin: Duncker u. Humblot, 1988 (Beiträge zum Parlamentsrecht; Bd.15) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1987 ISBN 3-428-06416-X NE:GT

Alle Rechte vorbehalten

© 1988 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Klaus-Dieter Voigt. Berlin 61 Druck: Wemer Hildebrand. Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3-428..06416-X

Meinen Eltern

Vorwort Der Herausgeber dieser Schriftenreihe, Prof. Dr. Achterberg, hatte beabsichtigt ein Geleitwort für diese Arbeit zu schreiben. Bedauerlicherweise konnte Prof. Dr. Achterberg dieses Vorhaben nicht mehr verwirklichen. Er ist am 17. März 1988 im Alter von 55 Jahren in Münster/Westf. verstorben. Ich habe den Tod meines Doktorvaters mit großer Bestürzung zur Kenntnis genommen. Sowohl sein 1984 erschienenes wissenschaftliches Standardwerk zum Parlamentsrecht, als auch die 1971 veröffentlichten "Grundzüge des Parlamentsrechts" haben wesentlich mein Interesse für dieses Rechtsgebiet geprägt und mich zu dieser Arbeit bewegt. Das Entstehen des Werkes hat Prof. Dr. Achterberg stets durch seine kritische und forschende Anteilnahme begleitet. Seine Anregungen und Hinweise waren mir zu jeder Zeit eine bedeutende Stütze und Hilfe. Ich bin ihm aus diesem Grunde zu großer Dankbarkeit verpflichtet. Diesen letzten von Prof. Dr. Achterberg herausgegebenen "Beitrag zum Parlamentsrecht" möchte ich dem Andenken des Verstorbenen widmen.

Reinhold Kassing

Inhaltsübersicht 15

A. Einleitung

15

I. Problemstellung

11. Das Recht der Abgeordnetengruppe als Teil des Minderheitenrechts ......

16

111. Die Trennung der Institutionalisierten und Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe ................................................

18

IV. Die verfassungsrechtliche Grundlage des Rechts der Abgeordnetengruppe

21

1. Das Demokratieprinzip .........................................

22

2. Das Rechtsstaatsprinzip ........................................

23

3. Eigener Lösungsvorschlag

24

......................................

B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

27

I. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe gemäß § 10 Abs. 4 GOBT

27

1. Die Entstehungsmöglichkeiten der Institutionalisierten Abgeordneten-

gruppe ....................................................... a) Eine Partei überwindet die Sperrklausei des § 6 Abs. 4 BWG, erreicht aber nicht Fraktionsmindeststärke ............................ b) Abgeordnete treten aus einer Fraktion aus, so daß diese ihren Status verliert .................................................... c) Mehrere fraktionslose Abgeordnete schließen sich zusammen ("Technische Abgeordnetengruppe") ................................

2. Die Mitgliederzahl der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe

28 28 29 30

.....

31

3. Die Anerkennung der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe ist konstitutiv und nicht nur deklaratorisch .............................

32

4. Die politische Homogenität als Bildungsvoraussetzung einer Institutionalisierten Abgeordnetengruppe .................................

33

5. Verfassungsmäßigkeit des Rechts der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe in der Geschäftsordnung des Bundestages ................... a) Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG als Grenze der Geschäftsordnungsautonomie b) Art. 21 Abs. 1 GG als Grenze der Geschäftsordnungsautonomie .... c) Der Gleichheitsgrundsatz als Grenze der Geschäftsordnungsautonomie ....................................................... aal Das Prinzip der verhältnismäßigen Repräsentation bei der Besetzung der Ausschüsse und des Ältestenrates. . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Parlamentarischer Minderheitenschutz; Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition ............... (1) Rederecht ..........................................

35 36 36 38 39 41 42

10

Inhaltsübersicht (2) Initiativrechte ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (3) Kontrollrechte ...................................... (a) Große Anfrage ..... . ............................. (b) Kleine Anfrage ............... . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (c) Aktuelle Stunde ................ . . . . . . . . . . . . . . . . .. 6. Fraktionszuschüsse und Zuschüsse an die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe im Vergleich ....................................... a) Die Pflicht zur Ausweisung eines Zuschusses an die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe ........................................ b) Die Angemessenheit der Zuschüsse ............................

11. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe gemäß § 7 Abs. 6 GO/Bre 1. Aktuelle Stunde (§

...

43 44 44 45 46 47 48 49 51

30 a GO/Bre) ................................. 53

2. Zuschüsse an die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe ...........

53

III. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe gemäß § 17 Abs. 5 GO/B-W ..

54

1. Die Rechte der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe nach der Ge-

schäftsordnung ........ ; ; . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

55

2. Die Zuschüsse an die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe ........

56

3. Die Bewertung der baden-Württembergischen Regelung

56

.............

IV. Die Regelungen in den Ländern ohne Institutionalisierte Abgeordnetengruppe .........................................................

58

1. Bayern ................ ;......................................

58

2. Berlin

60

3. Hamburg .............. ;................... . ....... . .... . .. . ..

60

4. Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland ...........................

60

5. Niedersachsen

................................................

60

6. Rheinland-Pfalz ...............................................

61

7. Schleswig-Holstein ............................................

62

V. Stellungnahme zur Ausgestaltung des Rechts der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe in den Bundesländern .............................

62

1. Die Pflicht zur Institutionalisierung der Abgeordnetengruppe

........ a) Die Pflicht zur Institutionalisierung der Fraktion ................ aal Die Fraktion als Begriff der Verfassung ......... . ....... . .. bb) Das parlamentarische Gewohnheitsrecht ................... cc) Das Recht auf organisierte Bildung und Ausübung der Opposition b) Die Prüfung der obigen Gründe aal bis cc) bei der Abgeordnetengruppe ....................................................

2. Die der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe einzuräumenden Befugnisse ...................................................... a) Die Größe des Parlaments .................................... b) Die Abhängigkeit der einzuräumenden Rechte von den Bildungsvoraussetzungen ..............................................

63 64 65 66 67 69 73 73 74

Inhaltsübersicht

11

VI. Die Parteifähigkeit der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe vor dem Bundesverfassungsgericht .........................................

76

1. Der Zugang zum Verfassungsgericht ..............................

76

2. Eingrenzung auf das Bundesverfassungsgericht

.......... . ....... . .

77

3. Organstreitverfahren und keine Verfassungsbeschwerde ,............

77

4. Die Parteifähigkeit der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe im Deutschen Bundestag ..........................................

78

5. Die Parteifähigkeit der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe in den Landtagen .................................................... a) Baden-Württemberg ........................................ b) Bremen ...................................................

79 80 80

C. Die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

82

I. Begriffsbestimmung - Abgrenzung von der bloßen Abstimmungsminderheit ............................................................

82

11. Formen der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe .............

83

II!. Die Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe nach dem Grundgesetz und dem Wahlprüfungsgesetz ...........................

86

1. Art. 44 Abs. 1 und 45 a GG ....................... . ..............

87

2. Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG

88

3. § 14 Wahlprüfungsgesetz

88

IV. Die Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe nach der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ..........................

89

1. Die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe mit Fraktionsmindest-

stärke im Plenum .............................................. 89 a) Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe mit verpflichtender Wirkung, die zu einem Tun zwingen ................ 90 b) Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe, die zu einem Unterlassen verpflichten ............................... 91 c) Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe, die zu einem Verhalten veranlassen ................................. 92

2. Die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe im Ausschuß .......

93

3. Die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe unterhalb der Fraktionsmindeststärke ............................................ 95 a) Die Abschaffung einiger Gruppenrechte durch die Änderung der Geschäftsordnung im Jahre 1980 ................................ 95 b) Bewertung der Änderung der Geschäftsordnung unter dem Gesichtspunkt der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe ......... 96 aal Der Gedanke des Minderheitenschutzes .................... 97 bb) Das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition ............................................. 102

Inhaltsübersicht

12

V. Die Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe in den Landesparlamenten .................................................. 104 1. Baden-Württemberg ........................................... 104 2. Bayern

105

3. Berlin

108

4. Bremen ...................................................... 108 5. Hamburg ..................................................... 109 6. Hessen ....................................................... 110 7. Niedersachsen

................................................ 111

8. Nordrhein-Westfalen ........................................... 113 9. Rheinland-Pfalz .................. . ....... . .................... 115 10. Saarland ..................................................... 117 11. Schleswig-Holstein ............................................ 119 12. Die Bewertung der Regelungen in den Landesparlamenten ........... 120 Vl. Stellungnahme zum Recht der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe ......................................................... 123 1. Der Vergleich mit den einzelnen Abgeordneten ..................... 124 2. Der Vergleich mit der Fraktion .................................. 124 3. Der Vergleich mit der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe ....... 125 Vll. Die Parteifähigkeit der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe vor dem Bundesverfassungsgericht ..................................... 126 1. Rechtsweg, Verfahrensart und Beschränkung auf die Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ...................................... 126 2. Die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe im Deutschen Bundestag ....................................................... 126 3. Die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe in den Landesparlamenten ...................................................... 130 Gesamtergebnis

132

Literaturverzeichnis

135

Abkürzungsverzeichnis Az.

Aktenzeichen

BHH

Bundeshaushalt

BK

Bonner Kommentar

BT

Deutscher Bundestag

BWG

Bundeswahlgesetz

Datenhandbuch I

Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages, 1949 bis 1982

Datenhandbuch 11

Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages, 1980 bis 1984

Drs.

Drucksache

EP

Einzelplan des Haushalts

EvStL

Evangelisches Staatslexikon

Fn.

Fußnote

GO

Geschäftsordnung

GO/Bay

Geschäftsordnung des Bayerischen Landtages

GO/BIn

Geschäftsordnung des Berliner Abgeordnetenhauses

GO/Bre

Geschäftsordnung der Bremischen Bürgerschaft

GOBT

Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages

GO/B-W

Geschäftsordnung des Baden-Württembergischen Landtages

GO/CDU-CSU

Geschäftsordnung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

GO/EP

Geschäftsordnung des Europaparlaments

GO/Hbg

Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft

GO/Hess

Geschäftsordnung des Hessischen Landtages

GO/Nds

Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtages

GO/Rh-Pf

Geschäftsordnung des Rheinland-Pfälzischen Landtages

GO/S-H

Geschäftsordnung des Schleswig-Holsteinischen Landtages

GO/SL

Geschäftsordnung des Saarländischen Landtags

GO/SPD

Geschäftsordnung der SPD-Bundestagsfraktion

IPA

Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft

LVF

Landesverfassung

LWG

Landeswahlgesetz

Stenogr.

Stenographische

VF

Verfassung

14

Abkürzungsverzeichnis

Vorbem.

Vorbemerkung

WP

Wahlperiode

Im übrigen wird auf Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der deutschen Rechtssprache, 3. Auf!., Berlin, New York 1985, verwiesen.

A. Einleitung I. Problemstellung Das Recht der Abgeordnetengruppe ist, soweit ersichtlich, noch nie monographisch abgehandelt worden l . Dennoch kann man daraus nicht den Schluß ziehen, es handele sich hierbei um ein in der Praxis unwesentliches Randgebiet des Parlamentsrechtes. Gerade die Entwicklung in den letzten Jahren hat gezeigt, daß auch die Abgeordnetengruppe nicht nur eine in der Theorie mögliche Erscheinung darstellt, sondern in den Landesparlamenten von Bayern2 , Bremen3 und Baden-Württemberg4 zur praktisch wichtigen Streitfrage geworden ist. Im Bundestag ist die Abgeordnetengruppe in ihrer institutionalisierten Form erst einmal Gegenstand einer Entscheidung gewesen. Am 28. 9. 1960 sind sechs Abgeordnete der Deutschen Partei als Gruppe anerkannt worden 5 • In dem Bundestagsbeschluß wird aber ausdrücklich erwähnt, daß durch die Entscheidung kein Präjudiz geschaffen werden sollte 6 , so daß auch aus diesem Grunde die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe in der dritten Wahlperiode lediglich historisch bedeutsam ist. Das Recht der Abgeordnetengruppe erfaßt jedoch neben der Institutionalisierten auch die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe 7 . Insoweit ist auch die Entwicklung im Deutschen Bundestag zu beachten. Zudem muß die Frage gestellt werden, ob eine umfassendere Berücksichtigung der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages nicht verfassungsrechtlich geboten ist. Neben der Bedeutung der Abgeordnetengruppe bei der Parlamentsarbeit ist ein prozessualer Aspekt zu beleuchten, es ist nämlich die Frage ihrer Parteifähigkeit zu erläutern. Die Gruppe wird erstmals in einem Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes vom 3. 11. 1982 8 , ebenso wie die Fraktion, als ständige Gliederung des Parlaments bezeichnet. Weiterhin war auch die 1 In Lehrbüchern nur bei Achterberg, Parlamentsrecht, S. 299 ff.; Achterberg, Grundzüge des Parlamentsrechts, S. 43 ff. 2 Vgl. Bayerischer Landtag, Stenogr.-Bericht 8/22 vom 15. 5. 1975. 3 Vgl. Jekewitz, ZParl15 (1984), 14 ff.; Röper, ZParl15 (1984), 7 ff. 4 Vgl. Landtag von Baden-Württemberg, 8. Wahlperiode, Drucksache 8/320. 5 Vgl. 124. Sitzung des Bundestages vom 28. 9. 1960, Stenogr.-Bericht, S. 7173. 6 Vgl. 124. Sitzung des Bundestages vom 28. 9. 1960, S. 1, Fn. 5. 7 Zur Unterscheidung vgl. unten Punkt IIl. 8 BVerfGE 62, 194 ff.

16

A. Einleitung

Frage der Bildung einer Abgeordnetengruppe bereits Gegenstand eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Bremen 9 • Die Qualifikation der Abgeordnetengruppe als ständige Gliederung des Parlaments wirft die Frage auf, welche Stellung die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe im Vergleich zur Fraktion, zum einzelnen Abgeordneten sowie dieser Gruppen zueinander einnimmt. Im Rahmen der Beantwortung dieser Frage ist entscheidend, welche Voraussetzungen für die Fraktionsbildung aufgestellt werden; vor allem ist insoweit die Fraktionsmindeststärke bedeutsam 1o , da eine Partei, welche die zur Bildung einer Fraktion erforderliche Abgeordnetenzahl nicht erreicht, den Zusammenschluß zur Institutionalisierten Abgeordnetengruppe suchen kann. Es ist fraglich, ob die Gruppe Antragsteller und Antragsgegner (vgl. nur Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG LV.m. §§ 13 Nr. 5 und 63 BVerfGG) in einem Verfahren vor dem Verfassungsgericht sein kann. Problematisch ist insbesondere die Parteifähigkeit der nichtinstitutionalisierten Gruppe, da sie keine ständige Gliederung des Parlaments darstellt, und deshalb nicht durch das Grundgesetz, eine Landesverfassung oder die Geschäftsordnung eines obersten Bundes- oder Landesorganes mit eigenen Rechten ausgestattet sein könnte l1 . Da es bei allem sowohl um Bundes- als auch um Landesrecht geht, muß berücksichtigt werden, wie unterschiedlich sich die Situation im Bundestag und den verschiedenen Landtagen darstellt. Aufgrund der Geschäftsordnungsautonomie der Parlamente 12 sind die Rechte der Institutionalisierten und auch der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengrupe unterschiedlich geregelt, wobei gerade unter politischem Druck eine Erweiterung der Gruppenrechte erkennbar ist1 3 . 11. Das Recht der Abgeordnetengruppe als Teil des Minderheitenrechts Der Begriff der Minderheit ist soziologisch wie juristisch mehrdeutig14 • In Europa ist ursprünglich die Frage des Minderheitenschutzes fast ausschließlich in bezug auf die völkerschaftlichen und religiösen Minderheiten in einem Staat diskutiert worden; während in den USA bereits durch die Beschluß des VG Bremen vom 22. 12. 1982, Az.: 2 V 423/82 (unveröffentlicht). Vgl. dazu BayVerfGH BayVBI 1976, 432 ff.; NdsStGH OVGE, 17, 508 ff.; VG Münster, Az.: 2 K 364170 (unveröffentlicht). 11 Vgl. BVerfGE 2, 143 (160 ff.). 12 Dazu Art. 40 Abs. 1 Satz 1 GG; Art. 38 Abs. 1 Satz 2 LVF NW. 13 Beispiele bieten die Situationen in Bayern nach der Landtagswahl im Jahre 1976 und in Baden-Württemberg nach der Landtagswahl im Jahre 1980. 14 Vgl. EvStL, Spalte 1310. 9

10

II. Das Recht der Abgeordnetengruppe als Teil des Minderheitenrechts

17

Verfassung von 1787 der Mehrheitswille zur bestimmenden Kraft der Politik gemacht wurde, und damit zugleich die Frage der angemessenen Sicherung von Minderheitenrechten auftauchte 15 • Die Gegenüberstellung der verschiedenen Diskussionsansätze macht deutlich, wie komplex die Frage der Minderheitenrechte ist. Allen Ansätzen ist jedoch gemeinsam, daß sich die Begriffe Mehrheit und Minderheit wechselseitig bedingen. Sie drücken immer das zahlenmäßige Verhältnis aus, in dem ein Teil von Individuen einer gegebenen Anzahl in bezug auf ein bestimmtes Merkmal zueinander stehen16 • Auf das Parlamentsrecht bezogen muß das bestimmte Merkmal in dem Abstimmungsverhalten oder der Partei- und Faktionszugehörigkeit gesehen werden. Ein Abgeordneter befindet sich somit in der Minderheit, wenn er bei einer Abstimmung überstimmt worden ist. Die zahlenmäßige Stärke einer Parlamentsminderheit kann von einem einzelnen Abgeordneten bis zu der die Mehrheit nur um eine Stimme verfehlenden Vielzahl reichen 17 • In zeitlicher Hinsicht kann die Minderheit dauerhaft verbunden, wie das Beispiel der Oppositionsfraktion es zeigt, oder aber auch zeitlich begrenzt sein. Die zeitlich begrenzte Minderheit kann sich nur für einen konkreten Anlaß verbündet haben oder auch ein ganzes Programm durchsetzen wollen. Diese Umschreibung des Begriffes "Minderheit" zeigt seine Vielfältigkeit, auch wenn die Anwendung lediglich auf den Bereich des Parlamentsrechtes beschränkt bleibt 18 . Im Schrifttum werden folglich die Rechte des einzelnen Abgeordneten, die einer Gruppe und auch die der Fraktion in diesem Zusammenhang erörtert1 9 • Die folgenden Ausführungen legen diesen weiten Begriff der Minderheit nicht zu Grunde. Sie orientieren sich vielmehr am Begriff der Gruppe als strukturierter handlungsrelevanter Gemeinschaft20 • Allerdings wird die Fraktion, obwohl sie eine Gruppe im soziologischen Sinn darstellt 2 1, bei den Untersuchungen nur vergleichend herangezogen, da im parlamentsrechtlichen Sprachgebrauch eine Unterscheidung zwingend notwendig ist22 •

16

Vgl. ereilelds, Rechtswörterbuch, S. 737; EvStL, Spalte 1310. Röhring / Sontheimer, Handbuch, S. 284; Wollmann, Parlamentsminderheiten,

17

Röhring / Sontheimer, Handbuch, S. 285; Wol/mann, Parlamentsminderheiten,

15

S.5. S.5. 18

19 20

21 22

Vgl. nur das bei Achterberg, Parlamentsrecht, S. 300, angegebene Schrifttum. Vgl. Wollmann, Parlamentsminderheiten, S. 65 ff. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 30l. Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 298. Dies ergibt sich bereits aus einem Vergleich des § 10 Abs. 1 und Abs. 4 GOBT.

2 Kassing

18

A. Einleitung

ill. Die Trennung der Institutionalisierten und Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe

Im Gegensatz zur Fraktion gibt es nicht nur eine Form der Abgeordnetengruppe im parlamentarischen Sinn. Es muß zwischen dem institutionalisierten und nichtinstitutionalisierten Zusammenschluß von Abgeordneten unterschieden werden 23 • Eine Abgeordnetengruppe ist institutionalisiert, wenn ihre Existenz in der Geschäftsordnung des Bundes- oder eines Landtages ausdrücklich vorgesehen ist. Institutionalisierte Gruppen sind demnach im Bundestag24 , in der Bremischen Bürgerschaft25 und im Landtag von Baden-Württemberg26 möglich. In allen drei genannten Geschäftsordnungen wird keine Mindeststärke für die Bildung einer Abgeordnetengruppe genannt, wie es für die Bildung einer Fraktion üblich ist 27 • Die institutionalisierte Gruppe besitzt ebenso wie die Fraktion das Recht, Gäste aufzunehmen. Bei der Berechnung der Gruppenstärke sind die Gäste nur in Bremen mitzuzählen. Im Bundestag und in Baden-Württemberg spielt die Zahl der Gäste bei der Berechnung der Gruppenstärke keine Rolle. Neben dem Recht, Gäste aufzunehmen, besteht für Institutionalisierte Abgeordnetengruppen auch die Pflicht, ihre Bezeichnung, die Namen der Vorsitzenden, der Mitglieder und der ständigen Gäste sowie der Hospitanten dem Parlamentspräsidenten schriftlich bekanntzugeben28 • Der institutionalisierten Gruppe werden somit zumindest teilweise die Pflichten auferlegt, die eine Fraktion erfüllen muß. Dies ist auch gerechtfertigt, da es sich um eine ständige Gliederung des Parlamentes handelt2 9 • In Baden-Württemberg besteht für die Bildung einer Institutionalisierten Abgeordnetengruppe die Besonderheit, daß nur Abgeordnete der gleichen Partei, die als Bewerber dieser Partei in den Landtag gewählt wurden, in dieser Stärke eine Gruppe bilden können 30 • Im Bundestag und in der Bremisehen Bürgerschaft besteht die Voraussetzung der gleichen Parteizugehörigkeit nicht. Auf die Vor- und Nachteile dieser unterschiedlichen Regelungen soll erst an späterer Stelle eingegangen werden. Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 299. § 10 Abs. 4 GOBT. 25 § 7 Abs. 6 GOIBre. 26 § 17 Abs. 5 GO/B-W. 27 Vgl. § 10 Abs. 1 GOBT; § 7 Abs. 1 GO/Bre; § 17 Abs. 1 GO/B-W. 28 Vgl. § 10 Abs. 4 Satz 2 LV.m. Abs. 2 und 3 GOBT; § 7 Abs. 6 Satz 2 LV.m. Abs. 2 bis 5 GO/Bre; § 17 Abs. 5 Satz 2 LV.m. Abs. 2 bis 4 GOIB-W. 29 BVerfGE 62, 194 ff. 30 § 17 Abs. 5 GO/B-W. 23

24

111. Institutionalisierte - Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

19

Hinsichtlich der Gewährung von weiteren Rechten, die denen der Fraktionen vergleichbar sind, sind die Geschäftsordnungen unterschiedlich und gegensätzlich ausgestaltet. Nach der Geschäftsordnung des Bundestages erlangt die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe keine weiteren Rechte, so daß von einer Gleichstellung von Fraktion und Abgeordnetengruppe nicht gesprochen werden kann 31 • In Bremen kann die institutionalisierte Gruppe nach § 30a Go/Bre eine Aktuelle Stunde beantragen, und sie besitzt somit die Möglichkeit, tagespolitische Themen in der Bürgerschaft zur Sprache zu bringen. Besonders umfassende Rechte sind der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe nach einer Änderung der Geschäftsordnung im Jahre 1980 in Baden-Württemberg gewährt worden 32 . Nach dieser Neuregelung ist die Gruppe im Ältestenrat33 vertreten, und die Ausschußmitglieder werden nach den Vorschlägen der Fraktionen und Gruppen gewählt3 4 • Neben den Rechten, die durch die jeweilige Geschäftsordnung gewährt werden, sei hier bereits darauf hingewiesen, daß den Gruppen der "Bremer Grünen Liste" und "Grünen Unabhängigen Liste" in der Bremischen Bürgerschaft Zuschüsse gezahlt wurden, die im Haushalt als Fraktionszuschüsse ausgewiesen worden sind 35 • Auch in Baden-Württemberg ist entgegen dem Wortlaut des § 19, Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Landtages, der Gruppe "Grüne" ein eigener Haushaltstitel für Zuschüsse eingeräumt worden 36 • Bei der Finanzierung werden somit die Gruppen und Fraktionen in Bremen und Baden-Württemberg nahezu gleichgestellt. Die Aussage, die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe sei in der Parlamentspraxis kaum von Bedeutung37 , ist im Hinblick auf die Situation in den Ländern Bremen und Baden-Württemberg also nicht haltbar. Die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe als solche wird in den Geschäftsordnungen nicht erwähnt. Sie bedarf keiner Anerkennung durch einen Parlamentsbeschluß und wird gebildet, um Befugnisse wahrzunehmen, die nur durch mehrere Abgeordnete gemeinsam ausgeübt werden können 38 • Achterberg, Parlamentsrecht, S. 299. Vgl. Landtag von Baden-Württemberg, 8. Wahlperiode Drucksache 8/320, Anlage 1. 33 § 14 GO/B-W. 34 § 19 Abs. 2 GO/B-W. 35 Vgl. den Nachweis bei Jekewitz, ZParl13 (1984), 18 f. 36 Vgl. Haushalt von 1982 EP 0101, Erläuterungen zu Titel 684.01 und 684.02, zitiert nach Jekewitz, ZParl13 (1982), 325. 37 Achterberg, Parlamentsrecht, S. 299. 38 Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 300. 31 32

2*

A. Einleitung

20

Zumeist vollzieht sich die Bildung der Gruppe ad hoc, so daß im soziologischen Sinn eine informelle Gruppe oder "Spontangruppe" vorliegt39 . Die Existenzdauer ist nicht entscheidend, sie wird jedoch davon abhängig sein, welche Ziele verfolgt werden sollen. Die Verfolgung dieser gemeinsamen Ziele durch ein gemeinsames Handeln in dem Bewußtsein der Zusammengehörigkeit und Abgrenzung gegenüber Dritten (Gruppenbewußtsein)40 bilden die notwendigen Strukturelemente der Nichtinstitutionalisierten Abgeordetengruppe und stellen zugleich ein unumgängliches Abgrenzungskriterium zur bloßen Abstimmungsminderheit dar, die nicht mit einer Gruppe verwechselt werden darf. Auf eine exakte Abgrenzung wird an späterer Stelle noch einzugehen sein41 . Die wahrnehmbaren und wahrzunehmenden Gruppenrechte beziehen sich im allgemeinen nur auf Verfahrens- nicht aber auf Sachfragen42 . Sie dienen sowohl der Intra-Organ-Kontrolle innerhalb des parlaments als auch der Inter-Organ-Kontrolle gegenüber der Regierung, wobei besonders die Kontrolle der Exekutive durch eine parlamentarische Minderheit als besondere Verpflichtung hervorgehoben wird43 . Die Bedeutung der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe bei der Kontrolle wird noch gesondert zu beschreiben sein44 • Die Gruppenrechte im Bundestag finden ihre Rechtsgrundlage neben der Gschäftsordnung auch im Grundgesetz 45 und im Wahlprüfungsgesetz 46 . Hinzuweisen ist aber bereits darauf, daß die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe nach der Reform der Geschäftsordnung im Jahre 1980 immer Fraktionsmindeststärke erreichen muß (5 % der Mitglieder des Bun.., destages, z. Z. also 26 Abgeordnete), um ihre Rechte im Plenum wahrnehmen zu können 47 . Auch die Gruppenrechte im Ausschußbereich sind durch die Reform im Jahre 1980 drastisch verringert worden. Es ist nur verblieben, daß eine öffentliche Anhörung von einem Viertel der Ausschußmitglieder verlangt werden kann48 . Sämtliche Gruppenrechte sind dabei hinsichtlich ihrer verpflichtenden oder veranlassenden Wirkung zu unterscheiden49 . Eine veranlassende Wir39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49

Zur informellen Gruppe: Behrens, " Gruppe " , EvStL; Spalte 944 f. Meyers Neues Lexikon: "Gruppe", S. 477. Vgl. Punkt C. I. Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 301; Schäfer, S. 77 und 83. Schäfer, S. 83. Dazu insbesondere Punkt B. V. 1. b). Art. 39 Abs. 3; 44 Abs. 1 und 45 a Abs. 2; Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG. § 14 WahlprüfG. Vgl. den Überblick im Datenhandbuch I, S. 767 - 771. § 77 Abs. 3 GOBT; Datenhandbuch I, S. 771. Achterberg,'Parlamentsrecht, S. 302 - 306.

IV. Verfassungsrechtl. Grundlage des Rechts der Abgeordnetengruppe

21

kung ist insofern schwächer, da sie lediglich einen Entscheidungsprozeß der Mehrheit herbeiführen kann. Die Gruppenrechte in den Landtagen der Bundesrepublik Deutschland sind aufgrund der Geschäftsordnungsautonomie unterschiedlich ausgestaltet 50 . Allen Geschäftsordnungen ist jedoch gemeinsam, daß neben der Fraktion auch der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe wesentliche Befugnisse eingeräumt werden. Wie im Bundestag muß die Gruppe aber zumeist Fraktionsmindeststärke erreichen, um ihre Rechte ausüben zu können 51 . Eine andere Regelung existiert jedoch in Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Hervorzuheben ist erneut die baden-württembergische Geschäftsordnung, nach der schon fünf Mitglieder des Landtages umfangreiche Befugnisse wahrnehmen können 52 . IV. Die verfassungsrechtliche Grundlage des Rechts der Abgeordnetengruppe Da das Parlamentsrecht die Einrichtung und das Handeln eines obersten Staatsorganes betrifft, zählt es in seinem ganzen Umfang zum materiellen Verfassungsrecht 53 , somit gehören unabhängig von der genauen rechtlichen Qualifizierung auch die Geschäftsordnungen jedenfalls zum Verfassungsrecht im materiellen Sinn54 • Auch das Recht der Abgeordnetengruppe als Teilgebiet des Parlamentsrechts gehört also notwendigerweise zum Verfassungsrecht und zwar zum Verfassungsinnenrecht. Die Binnenwirkung des Rechts der Institutionalisierten und Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe ergibt sich aus der entsprechenden Aufgabe der Rechtsgrundlage, denn die Geschäftsordnungen dienen der Regelung des Verfahrens der parlamentarischen Arbeit, sie regeln also die inneren Angelegenheiten der Parlamente und sind nicht in der Lage, andere Staatsorgane oder auch die Bürger zu verpflichten 55 • Auch soweit das Grundgesetz 56 und das Wahlprüfungsgesetz 57 die Rechtsgrundlage bilden, ist allein die parlamentarische Arbeit betroffen, so daß nur die Abgeordneten Adressaten dieser Bestimmungen sind. Die Zuordnung zum Verfassungsinnenrecht beantwortet noch nicht die Frage nach der verfassungsrechtlichen Grundlegung des Rechts der Abge50 51 52 53 54 55 56 57

Dazu Punkt C. V.; es werden die Rechte im einzelnen dargestellt. Dazu auch Punkt C. V. Vgl. §§ 33; 38 Abs. 2; 47 Abs. 2; 49 a Abs. 1; 50; 78 Abs. 5; 99 Abs. 1 GO/B-W. Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 14 f. Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 38 f. Kürschner, Die Statusrechte, S. 80; Maunz, in: Maunz / Dürig, Art. 40 Rn. 17 f. Art. 39 Abs. 3; 44 Abs. 1; 45 a Abs. 2 GG. § 14 WahlprÜfG.

22

A. Einleitung

ordnetengruppe. Sicher ist aber, daß die in den Art. 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 Satz 1 GG genannten verfassungsgestaltenden Grundentscheidungen 58 die Rechtsgrundlage bilden. In Betracht kommen insofern das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip. Wie bei allen verfassungsgestaltenden Grundentscheidungen handelt es sich hier um Blankettbegriffe, die ähnlich wie unbestimmte Rechtsbegriffe nur einen ausfüllungsbedÜIftigen Rahmen setzen59 . Bei der "Ausfüllung" muß auf die Antinomien zwischen Demokratie und Rechtsstaat geachtet werden 60 . Unzutreffend ist daher der Hinweis, ein Rechtsstaat müsse notwendigerweise demokratisch verfaßt sein 6 !. Der oft gebräuchliche Begriff "demokratischer Rechtsstaat" bildet bereits eine Synthese aus zwei verfassungsgestaltenden Grundentscheidungen. Es ist sehr wohl denkbar, daß eine demokratische Mehrheitsentscheidung rechtsstaatliche Grundsätze außer Acht läßt und "unveräußerliche Rechte" entzieht62 • Das Grundgesetz hat diese Gefahren eines demokratischen Prozesses erkannt und sich für solche Fälle zugunsten des Rechtsstaates entschieden (Art. 79 Abs. 3 und auch 19 Abs. 2 GG). Da die Begriffe Demokratie und Rechtsstaat somit nicht pleonastisch sind 63 , sondern durchaus konträr sein können, muß die verfassungsrechtliche Grundlage des Rechts der Abgeordnetengruppe genau herausgearbeitet werden. Dazu bedarf es einer näheren Erörterung der Blankettbegriffe 64 . 1. Das Demokratieprinzip

Es gibt kaum einen verfassungsrechtlichen Begriff, der so unterschiedlich interpretiert wird, wie der der Demokratie. Von Simson meint, der Begriff Demokratie umfasse, wolle man ihn ausschöpfen, "so ungefähr den gesamten Bereich des geltenden deutschen Staatsrechts"65. Trotz der Universalität des Begriffes geht es im Rahmen dieser Untersuchung nicht um die Demokratie "als solche", sondern um das demokratische Prinzip, das im Grundgesetz verankert ist. In ihm wird eine Identität von Regierenden und Regierten als Idealzustand angestrebt. Da ein derartiger Idealzustand nahezu unmöglich ist, muß 58 Zum Begriff vgl. H.J. Wolf!, Rechtsgrundsätze und verfassungsgestaltende Grundentscheidungen, in: Rechtsquellen, Forschungen und Berichte aus dem öffentlichen Recht, Gedächtnisschrift für Walter Jellinek 1955, S. 33 ff. (35,47 ff.). 59 Achterberg, Antinomien, Der Staat 8 (1969), S. 159 ff. (160). 60 Ebd., S. 172. 61 So aber Schrader, Recht und Gesetzgebung, DöD (a), 1950, S. 241 ff. (242). 62 Vgl. Maunz, Deutsches Staatsrecht, 23. Aufl., § 10 V, S. 77 f. (deutlicher als in späteren Auflagen). 63 Schrader, Recht und Gesetzgebung, S. 242. 64 Achterberg, Antinomien, S. 160. 65 Von Simson, VVDStRL, Heft 29 (1971), S. 4.

IV. Verfassungsrechtl. Grundlage des Rechts der Abgeordnetengruppe

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es eine Maxime geben, die eine Einigung möglich werden läßt. Das ist das Mehrheitsprinzip. Vom Bundesverfassungsgericht wird diese Form der Entscheidungsfindung als "fundamtentales Prinzip der Demokratie" bezeichnet 66 .

Hesse betont, daß der Mehrheitswille als solcher nicht der sachlich richtige sein muß 67 . Die demokratische Ordnung des Grundgesetzes legitimiert zudem nicht nur die Mehrheitsentscheidung, sondern begründet durch pluralistische Initiativen und Alternativen eine Beteiligung des ganzen Volkes am politischen Prozeß. Sie gibt daher Raum zur Austragung von Konflikten und eröffnet Möglichkeiten der Mitwirkung und Einflußnahme auch für Gruppen, die nicht der Mehrheit angehören. Die Beteiligung der Minderheiten geht somit über ein bloßes Überstimmtwerden hinaus 68 . Die Verankerung des Minderheitenschutzes im Demokratieprinzip macht Hesse deutlich, wenn er betont, daß mit dem Prinzip der Legitimation der Herrschaft durch die Mehrheit unlösbar die Gewährleistung der real gleichen Chancen der Minderheit verbunden werden müsse, einmal zur Mehrheit zu werden 69. Indem der Minderheitenschutz als Teil der demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes angesehen wird, muß auch das Recht der Abgeordnetengruppe, das wiederum einen Teil des Minderheitenrechtes darstellt 7o , seine verfassungsrechtliche Grundlegung im Demokratieprinzip finden. 2. Das Rechtsstaatsprinzip

Auch der Begriff des Rechtsstaates ist mehrdeutig, da bereits das Wort "Recht" und auch das Wort "Staat" nicht einheitlich definiert werden. Die Mehrdeutigkeit wird wohl am deutlichsten, wenn man bedenkt, daß 1934 auch vom "national-sozialistischen Rechtsstaat" gesprochen wurde 71 • Wie bereits das Demokratieprinzip, so soll auch hier nur das rechtsstaatliehe Prinzip des Grundgesetzes genauer untersucht werden. Das Bundesverfassungsgericht hat bisher auf eine Gesamtdefinition verzichtet und das Rechtsstaatsprinzip nur als "Grundentscheidung"72 oder "leitendes Prinzip"73 bezeichnet. Allerdings hat die Literatur zahlreiche Definitionen hervorgebracht7 4 . Herausgehoben werden soll die Definition von H. Peters: Der BVerfGE 29, 154 (165) mit dem Hinweis auf BVerfGE 1, 299 (315). Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 142. 68 Ebd., Rn. 134 f. 69 Ebd., Rn. 154. 70 Vgl. dazu Punkt A. m. 71 Vgl. dazu auch H. Lange, Gesetzesstaat und Rechtsstaat, S. 40; C. Schmitt, JW 1934,716. 72 BVerfGE 6, 32 ff. (41). 73 BVerfGE 6, 55 ff. (72); 20, 323 ff. (331). 74 Vgl. den Überblick bei Stern, Staatsrecht, Band I, S. 616 f. 66

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A. Einleitung

Rechtsstaatsbegriff meine einen Staat, "der sich die Verwirklichung, d. h. die Entwicklung und Sicherung der Gerechtigkeit zum Ziele setzt und gewillt und fähig ist, den Bürger vor Willkür und Gewalt zu schützen, also seine Macht auf die Seite des Rechts zu stellen"75. Nach dieser Definition ist also das "Schutzelement"76 wesentlicher Inhalt des Rechtsstaatsprinzips, so daß daraus gerade der Gerichtsschutz 77 und der Vertrauensschutz abgeleitet werden.

Achterberg zieht daraus die Schlußfolgerung, daß der Minderheitenschutz ein sowohl der Gerechtigkeit als auch der Rechtssicherheit dienendes "Schutzelement" darstellt und somit aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbar ist7 8 • Ein weiteres Argument in der Literatur, die Minderheitenrechte als Ausfluß des Rechtsstaatsprinzipes zu betrachten, liegt in der Tatsache, daß diese Rechte sich im allgemeinen auf Verfahrens- nicht aber auf Sachfragen beziehen können 79 , und somit ihrer Natur nach Kontrollbefugnisse begrunden 80 • Die Kontrolle und Hemmung der Gewalten, egal ob in der Form der Intra-Organ- oder der Inter-Organ-Kontrolle, finden ihre Grundlegung aber in der Gewaltenteilung, und sind darum Bestandteil des rechtsstaatlichen Prinzipes 81 • Der Grundsatz der Gewaltenteilung sichert durch die Ausgestaltung der Kontrollbefugnisse der Minderheit eine grundrechtlich garantierte Beteiligung an der öffentlichen Meinungsbildung und an der Parlamentsarbeit und gewährt somit eine Reihe von Einflußmöglichkeiten. Das Minderheitenrecht in der Ausformung des Rechts der Abgeordnetengruppe muß nach der zuletzt dargelegten Auffassung seine verfassungsrechtliche Grundlage im Rechtsstaatsprinzip finden. 3. Eigener Lösungsvorschlag

Hesse begeht bei der Grundlegung des Minderheitenschutzes und der Minderheitenrechte in dem Demokratieprinzip eine Ungenauigkeit, da er den Demokratiebegriff aus rechtsstaatlicher Sicht darstellt und somit bereits eine Synthese der beiden Begriffe zu Grunde legt. Deutlich wird die synthetisierende Darstellung dadurch, daß er bei der Klärung des Begriffes "Demokratie" auf den Begriff der "freiheitlichen demokratischen Grundordnung" zurückgreift82 und somit notwendigerweise Elemente der demoH. Peters, Geschichtliche Entwicklung und Grundfragen der Verfassung, S. 169. Zum Begriff vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 595. 77 Vgl. Stern, S. 655. 7B Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 595. 79 Vgl. Achterberg, Parlarnentsrecht, S. 301; Schäfer, S. 77 und 83. BO Achterberg, Parlamentsrecht, S.301; ders., Grundzüge des Parlamentsrechts, S.44. BI Stein, Staatsrecht, § 6 V, S. 68 f.; Stern, Staatsrecht, Band I, S. 624. 75 76

IV. Verfassungsrechtl. Grundlage des Rechts der Abgeordnetengruppe

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kratischen und rechtsstaatlichen Ordnung vermengt 83 . Es werden also die Antinomien zwischen den zwei verfassungsgestaltenden Grundentscheidungen nicht genügend berücksichtigt84 . Auch wenn Hesse darlegt, das Demokratieprinzip des Grundgesetzes enthalte mehr als die Möglichkeit einer Mehrheitsdiktatur, die sich von einer Minderheitsdiktatur lediglich durch eine geringere Zahl der Unterdrückten unterscheide 85 , entspricht es der Demokratie des Grundgesetzes eher, wenn die Mehrheit entscheidet, als wenn dies die Minderheit tut 86 • Die Mehrheitsentscheidung stellt nun einmal das wesentliche Mittel der demokratischen Konfliktbewältigung dar. Weiterhin ist zu beachten, daß die Minderheiten um ihrer selbst willen geschützt werden müssen 87 . Die Auffassung, der Minderheitenschutz rechtfertige sich nur dehalb, weil die "Minderheit von heute" die "Mehrheit von morgen" sein könne 88 , stellt unzulässigerweise nur auf den Machtwechsel ab. Es ist somit folgende Schlußfolgerung verfehlt: Mehrheit und Minderheit bedingen sich gegenseitig, so daß aufgrund der Zuordnung des Mehrheitsprinzipes zur Demokratie notwendigerweise auch die Minderheitenrechte ihre Grundlage in der Demokratie finden müssen. Die Minderheitenrechte dienen als Verfahrensrechte der Ordnung des Rechts und bilden somit eine ordnende und hemmende Kraft gegenüber der demokratischen Mehrheitsentscheidung89 • Sie stellen das rechts staatliche Korrektiv dar, um die Gefahr einer Mehrheitsdiktatur zu mildern. Dieses Korrektiv ist notwendig, da der Mehrheitswille nicht immer unfehlbar und gerecht sein muß. Das rechtsstaatliche Schutz- und Kontrollelement im Minderheitenrecht wird in der Parlamentsarbeit vor allem dadurch deutlich, daß ein Viertel der Abgeordneten des Bundestages die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verlangen kann9o • Hier greift das Minderheitenrecht nämlich oft ein, um das objektive Staatsinteresse als solches zu schützen. Das objektive Staatsinteresse muß dabei nicht mit dem Interesse der Regierung und der sie stützenden Parlamentsmehrheit identisch sein. Die Beschlußfassung zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist eine spezifische Organtätigkeit des Parlaments durch eine Minderheit 9l . Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 128. Vgl. dazu die von Hesse a.a.O. zitierte Entscheidung BVerfGE 2, 1 ff. (12 f.). 84 Vgl. Achterberg, Antinomien, Der Staat 8 (1969) S.172; Maunz, Deutsches Staatsrecht, 23. Aufl., § 10 V, S. 77. 8S Hesse, Grundzüge, Rn. 154. 86 Achterberg, Parlamentsrecht, S. 301; Achterberg, Antinomien, S. 173. 87 Achterberg, Parlamentsrecht, S. 592. 88 Vgl. dazu Häberle, JZ 1977,244. 89 Kägi, Rechtsstaat und Demokratie, Festschrift für Zaccaria Giacometti, S. 107 ff. (132 f.). 90 Vgl. Art. 44 Abs. 1 GG; § 25 Abs. 2 GOBT. 91 Vgl. Lewald, Das Minderheitenrecht, S. 57. 82

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A. Einleitung

Die demokratische Ordnung im Sinne des Grundgesetzes betont also in erster Linie das Mehrheitsprinzip. Die Betonung des Mehrheitsprinzipes schließt aber nicht notwendigerweise die Gewährung von Minderheitenrechten ein. Vor allem die den Minderheitenrechten innewohnenden Schutzund Kontrollbefugnisse gegenüber der Mehrheit zwingen dazu, in dem Rechtsstaatsprinzip die verfassungsrechtliche Grundlage des Rechts der Abgeordnetengruppe zu sehen.

B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe Institutionalisierte Abgeordnetengruppen gibt es im Deutschen Bundestag, im Landtag von Baden-Württemberg und in der Bremischen Bürgerschaft. I. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe gemäß § 10 Abs. 4 GOßT Am 6. 12. 1951 verabschiedete der Bundestag eine neue Geschäftsordnung, die die bis dahin gültige Geschäftsordnung des Reichstages ablöste. Bereits mit diesem Beschluß wurde die Bezeichnung "Gruppe" in § 10 Abs. 4 GOBT aufgenommen, sowie die Voraussetzungen ihrer Bildnung normiert 92 •

Mit dem Inkrafttreten der Geschäftsordnung am 1. 2. 1952 ist auch die Auffassung nicht mehr haltbar, daß die Gruppe überhaupt keine juristische Figur der Geschäftsordnung, sondern lediglich eine Vereinigung von Abgeordneten darstelle, die zur Befriedigung bestimmter Verwaltungsbedürfnisse zugelassen oder vorgenommen werde 93 . Die Grundlage dieser Auffassung ist begründet in der Bildung der Gruppen "Nationale Rechte", "Deutscher Gemeinschaftsblock der Heimatvertriebenen und Entrechteten" sowie der Gruppe "Deutsche Partei"94 während der 1. Wahlperiode, da zum Zeitpunkt der Bildung dieser Gruppen am 15. 9. 1949, 13. 10. 1950 und 6. 12. 1951 noch die Geschäftsordnung des Reichstages Geltung beanspruchte, und es sich somit nicht um institutionalisierte Gruppen handelte. Eine Institutionalisierte Abgeordnetengruppe gern. § 10 Abs. 4 GOBT, die aufgrund eines ausdrücklichen Anerkennungsverfahrens entstand, bildeten nur 6 Abgeordnete der Deutschen Partei am 2. 7. 1960 95 . Daneben schlossen sich am 19. 4. 19535 Abgeordnete zur Gruppe der "Wirtschaftlichen Aufbauvereinigung" zusammen. Diese Gruppenbildung wurde dem Plenum jedoch vom Präsidenten lediglich mitgeteilt 96 . DesDatenhandbuch I, S. 884. Vgl. dazu Brill, Materialien zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages Band 112, S. 523. 94 Datenhandbuch I, S. 252, sowie die Stenographischen Berichte 1. WP, Sitzung vom 15. 9. 1949, S. 13; Sitzung vom 13. 10. 1950, S. 3375; Sitzung vom 6. 12. 1951, S.7416. 95 Vgl. oben Punkt A. I. 96 Stenogr.-Bericht, 2. WP, Sitzung 29. 4. 1953, S. 12783. 92

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B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

weiteren wurde die Gruppe "Kraft/Oberländer" am 15. 7. 1955 durch den Zusammenschluß von 7 Abgeordneten gebildet. Auch hier wurde kein förmliches Anerkennungsverfahren durchgeführt 97 •

1. Die Entstehungsmöglichkeiten der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe

§ 10 Abs. 4 GOBT macht keine Vorgaben in bezug auf die Entstehungsmöglichkeiten der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe 98 • Es wird lediglich festgestellt, daß sich einige Mitglieder des Bundestages, die sich zusammenschließen wollen, ohne Fraktionsmindeststärke zu erreichen, als Gruppe anerkennen lassen können, und daß sie ihre Bezeichnung, die Namen der Vorsitzenden, Mitglieder und Gäste dem Präsidenten schriftlich mitzuteilen haben (§ 10 Abs. 4 LV.m. Abs. 2 und 3). Eine institutionalisierte Gruppe im Sinne des § 10 Abs. 4 GOBT kann somit auf verschiedene Art und Weise entstehen.

a) Eine Partei überwindet die Sperrklausel des § 6 Abs. 4 BWG, erreicht aber nicht Fraktionsmindeststärke Eine Auffassung geht davon aus, daß das Überwinden der in § 6 Abs. 4 BWG festgelegten Sperrklausei der erfolgreichen Partei die Fraktonsmindeststärke garantiere, und sie somit eine Fraktion im Sinne des § 10 Abs. 1 GOBT bilden könne99 • Auch wenn man diese Aussage nur auf die Prozentund nicht auf die Grundmandatsklausel des § 6 Abs. 4 BWG bezieht lOO , ist sie nur eingeschränkt haltbar. Die 5-%-Klausel des § 6 Abs. 4 BWG, an die die Regelung in § 10 Abs. 1 GOBT bewußt anknüpft 101 , hat zwar in der Regel zur Folge, daß die Partei, die die ,,5-%-Hürde" überspringt, auch 5 % der Abgeordneten in das Parlament entsendet. Auf Grund des Auszählverfahrens ist dies jedoch sowohl nach d'Hondt wie auch nach Hare / Niemeyer nicht zwingend notwendig 102 • Diese Behauptung wird besonders deutlich, wenn mögliche Überhangmandate gem. § 6 Abs. 3 BWG berücksichtigt werden 103 • In diesem Fall erhöht sich die Gesamtzahl der Abgeordnetensitze und damit auch die gesetzliche Mitgliederzahl im Sinne des Art. 121 GG um die Zahl der ÜberhangmanStenogr.-Bericht, 2. WP, Sitzung 15. 7. 1955, S. 5528. Gegensätzlich deshalb: § 17 Abs. 5 GO/B-W. 99 Ritzel / Bücker, § 10, Anm. I 1 a aa. 100 Zur Begriffsbestimmung Seifert, § 6 BWG, Rn. 25 - 27. 101 Vgl. BT-Drs. V/4008 unter Punkt A a. 102 Dach, DVB11982, 1081. 103 Schreiber, § 6 BWG, Rn. 12; Seifert, § 6 BWG, Rn. 23. 97

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I. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe gern. § 10 Abs. 4 GOBT

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date, ohne daß ein Verhältnisausgleich für andere Parteien durch zusätzliche Sitze stattfindet 104 • Bei 3 Überhangmandaten würde sich die Mitgliederzahl des Deutschen Bundestags somit von 518 auf 521 erhöhen, was zur Folge hätte, daß sich die zur Erringung der Fraktionsmindeststärke erforderliche Zahl von 26 auf 27 Abgeordnete erhöhen würde, und somit 5 % der Stimmen nicht auch 5 % der Sitze im Bundestag nach sich ziehen würden. Bei der Berechnung des Quorums ist davon auszugehen, daß der Quotient, sofern er keine ganze Zahl ergibt, nach oben aufgerundet wird 105 • Es besteht folglich keineswegs eine Garantie, daß die Partei, die die ,,5-%-Hürde" des § 6 Abs. 4 BWG überspringt, auch die erforderliche Fraktionsmindeststärke erreicht (§ 10 Abs. 1 GOBT) und daß deren Abgeordnete dann eine Fraktion bilden können. Ist aber die Bildung einer Fraktion unmöglich, so liegt die Bildung einer Institutionalisierten Abgeordnetengruppe im Sinne des § 10 Abs. 4 GOBT nahe. Nach der Grundmandatsklausel des § 6 Abs. 4 BWG wird eine Partei bei der Verteilung der Sitze auch berücksichtigt, wenn sie 3 Grundmandate und somit in mindestens 3 Wahlkreisen einen Sitz direkt erringtl 06 • In diesem Fall zieht also eine Partei in den Bundestag ein, die unter Umständen erheblich weniger als 5 % der Stimmen und auch Abgeordnetensitze erreicht. Auch insoweit kann die Bildung einer Institutionalisierten Abgeordnetengruppe gemäß § 10 Abs. 4 GOBT in Betracht kommen 107 •

b) Abgeordnete treten aus einer Fraktion aus, so daß diese ihren Status verliert Die unter a) dargelegten Möglichkeiten hängen unmittelbar mit der Bundestagswahl und dem Beginn der Wahlperiode zusammen. Die Fraktionsstärken haben sich jedoch bisher stets während der Wahlperiode geändert 108 , so daß die Fraktions- und Gruppenbildung nicht allein von der Wahl selbst abhängig ist. Besonders in den ersten drei Wahlperioden hat es im Laufe der Legislaturperiode erhebliche Veränderungen in der Fraktionsund Gruppenstruktur gegeben 109 • Nur einmal hat aber eine Fraktion ihren Status aufgrund von Fraktionsaustritten verloren. Am 1. 7. 1960 traten 9 Abgeordnete der Deutschen Partei zur CDU/CSU-Fraktion über, wodurch 104 Schreiber, § 6 BWG, Rn. 12; ein Verhältnisausgleich findet in Baden-Württernberg (§ 3 Abs. 5 LWG), Hessen (§ 36 Abs. 3 LWG), Niedersachsen (§ 33 Abs. 7 LWG), Nordrhein-Westfalen (§ 33 Abs. 4 LWG) statt. 105 Ritzel / Bücker, § 10, Anrn. I 1 b. 106 VgL dazu Seifert, § 6 BWG, Rn. 27. 107 Zur Mitgliederzahl: Punkt B. I. 2. 108 Datenhandbuch I, S. 23.8 - 251. 109 Datenhandbuch I, S. 252 - 254.

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B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

die Fraktion der Deutschen Partei aufhörte zu bestehen und sich, wie bereits ausgeführt 11o , am 2.7. als Gruppe konstituierte. Allerdings zeigten die im Zusammenhang mit der Fraktion "Die Grünen" stehenden Diskussionen während der 10. Wahlperiode, daß der Verlust des Fraktionsstatus erhebliche politische und parlamentarische Auswirkungen hat. Wären nämlich nur 2 Abgeordnete der Fraktion "Die Grünen" ausgetreten, so hätte dies auch den Verlust des Fraktionsstatus zur Folge gehabt, und die "Grünen" hätten nur noch eine Abgeordnetengruppe im Sinne des § 10 Abs. 4 GOBT bilden können. Der enge Zusammenhang der parlamentsrechtlichen Begriffe "Fraktion" und "Abgeordnetengruppe" wird durch dieses "tagespolitische Thema" klar herausgestellt. c) Mehrere fraktionslose Abgeordnete schließen sich zusammen

(" Technische Abgeordnetengruppe")

Der Terminus der "Technischen Abgeordnetengruppe" ist nicht in der Geschäftsordnung des Bundestages oder eines Landtages zu finden. Angeknüpft werden kann jedoch an den Begriff der "Technischen Arbeitsgemeinschaft" in § 10 Abs. 5 GOBT. Dieser beinhaltet die Möglichkeit des Zusammenschlusses von Abgeordneten mehrerer Fraktionen, ohne allerdings diesen durch den Zusammenschluß im Hinblick auf die §§ 11 und 12 GOBT Vorteile bei der Zuteilung von Stellenanteilen in den Ausschüssen oder bei der Verteilung der Stellen der Ausschußvorsitzenden zu verschaffen l l l . § 10 Abs. 5 GOBT bietet also die Möglichkeit des Zusammenschlusses von Faktionen, so daß die "Technische Abgeordnetengruppe" als Zusammenschluß von einzelnen fraktionslosen oder fraktionsunabhängigen Abgeordneten verstanden werden muß, die nicht Fraktionsmindeststärke erreichen und verschiedenen Parteien angehören. Von dieser Begriffsbestimmung geht auch Schmidt aus 1l2 , wenn er von der "technischen Fraktion" spricht. Die "Technische Abgeordnetengruppe" bietet einzelnen Abgeordneten, die entweder als Unabhängige in den Bundestag gelangen oder sich im Laufe der Wahlperiode von einer Fraktion lösen, die Möglichkeit der gruppengestärkten Zusammenarbeit. Der Zusammenschluß dient folglich der Verwirklichung von gemeinsamen politischen Zielen, die nur in der Gruppe effektiv verfolgt werden können1l3 . Vgl. Punkt A. I. Ritzel / Bücker, § 10, Anm. V; Troßmann, § 10, Rn. 10. 112 Schmidt, Fraktionsstatus und parlamentarische Geschäftsordnung - unveröffentlichtes Gutachten im Auftrage der F.D.P. im bayerischen Landtag -, S. 27 und 28. 113 a.A. Troßmann, § 10, Rn. 10. 110 111

I. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe gern. § 10 Abs. 4 GOBT

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2. Die Mitgliederzahl der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe

Die Gruppe ist ein unscharfer Begriff für eine abgrenzbare Zahl von Personen 1l4 . Dabei muß berücksichtigt werden, daß die Mitgliederzahl an einer effektiven Handlungsrelevanz zu messen ist 1l5 . Als Maßstab für die Bestimmung der erforderlichen Mitgliederzahl der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe können die Fraktionsmindeststärke und die Gesamtzahl der Bundestagsabgeordneten herangezogen werden. Wird unter diesem Aspekt die für erforderlich gehaltene Zahl zu hoch angesetzt, so besteht die Gefahr, daß die in der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe organisierte Minderheit nicht effektiv arbeiten kann und der Willkür der Mehrheit ausgesetzt wird. Wird die erforderliche Mitgliederzahl andererseits zu niedrig gewählt, so ist keine Organisationsstruktur vorhanden, und es besteht die Gefahr der Obstruktion der Mehrheit durch eine kleine Minderheit 1l6 . In dem bereits erwähnten Beschluß des Bundestages vom 28. 9. 1960, der zur Anerkennung der Gruppe "Deutsche Partei" führte, wurde als Mindeststärke einer Gruppe die Zahl von fünf Abgeordneten festgesetzt 1l7 . Allerdings sollte durch diese Entscheidung kein Präjudiz geschaffen werden 1l8 . Die Fraktionsmindeststärke während der 3. Wahlperiode, und somit zum Beschlußzeitpunkt, betrug 15 Abgeordnete und die tatsächliche Gesamtzahl der Abgeordneten des Bundestages 519 119 . Im Hinblick darauf, daß die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe im Verhältnis zur Fraktion die "kleinere Einheit" im Parlament bildet, ist die Relation von eins zu drei bei den Mindeststärken angemessen, wie sie auch im Beschluß des Bundestages vom 28. 9. 1960 zum Ausdruck kommt. Jedoch dürfte mit Rücksicht auf die Gesamtzahl der Abgeordneten (519 zum Beschlußzeitpunkt; 518 als heutige Mindestzahl) sowohl die Mindeststärke der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe wie auch die der Fraktion zum Beschlußzeitpunkt am 28.9.1960 zu gering gewesen sein, da zu kleine Organisationseinheiten die Funktionsund Arbeitstüchtigkeit eines Parlamentes beeinträchtigen können. Auch mit Rücksicht auf diese Überlegungen hat der Bundestag durch Beschluß vom 27.3.1969 den § 10 Abs. 1 der GOBT geändert1 20 und als Fraktionsmindeststärke mindestens fünf Prozent der Mitglieder des Bundestages, d. h. bei einer gesetzlichen Mindestmitgliederzahl von 518 Abgeordenten 26 Abgeordnete für erforderlich gehalten. 114 115 116 117 118 119

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Meyers Neues Lexikon, "Gruppe", Bd. 3, S. 477. Achterberg, Parlarnentsrecht, S. 30l. Vgl. dazu Bundestag von a - z; Geschäftsordnung S. 3. 124. Sitzung des Bundestages vorn 28. 9. 1960, Stenogr.-Bericht, S. 7173. Vgl. Stenogr.-Bericht, ebd. Datenhandbuch I, S. 232 und 235. Datenhandbuch I, S. 232.

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B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

Wenn somit die Relation von eins zu drei im Verhältnis der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe zur Fraktion beibehalten wird, so ist eine Mitgliederzahl von 9 Abgeordneten zur Bildung einer Institutionalisierten Abgeordnetengruppe im Sinne des § 10 Abs. 4 GOBT erforderlich. Bei einer Gruppe von 9 Abgeordneten ist eine arbeitsteilige Organisation möglich und eine effektive Arbeit gewährleistet, ohne daß durch eine überzogene Zersplitterung die Arbeitstüchtigkeit des Parlaments als Einheit beeinträchtigt werden würde. 3. Die Anerkennung der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe ist konstitutiv und nicht nur deklaratorisch

Bei der Frage, ob der nach § 10 Abs. 4 GOBT notwendige Beschluß zur Anerkennung einer Institutionalisierten Abgeordnetengruppe konstitutive oder nur deklaratorische Wirkung hat, bietet sich erneut ein Vergleich mit der größeren parlamentarischen "Einheit", der Fraktion, an. Nach der in der 5. Wahlperiode vorgenommenen Neufassung des § 10 Abs. 1 GOBT sind Fraktionen Vereinigungen von mindestens fünf von hundert der Mitglieder des Bundestages. Eines entsprechenden Beschlusses beqarf es zur Entstehung einer Fraktion somit grundsätzlich nicht, wie bereits aus der Verwendung des Wortes "sind" deutlich wird 121 • Etwas anderes legt jedoch § 10 Abs. 1 Satz 2 GOBT fest, wonach alle anderen von Satz 1 abweichenden Zusammenschlüsse zur Anerkennung als Fraktion der Zustimmung des Bundestages bedürfen 122 . Insofern ist also ein Beschluß notwendig, wobei als Maßstab die in Satz 1 erwähnten Kriterien ausschlaggebend sind. Sieht man in diesem Zusammenhang die Formulierung in § 10 Abs. 4 GOBT: "können als Gruppe anerkannt werden", so ist daraus zwingend abzuleiten, daß der entsprechende Beschluß konstitutive und nicht nur deklaratorische Wirkung entfaltet1 23 • Auf diese Konsequenz hat auch der Bundestagspräsident während der Aussprache am 28. 9. 1960 durch die ausdrückliche Wiederholung des Wortes "können" hingewiesen 124 • Eine Institutionalisierte Abgeordnetengruppe gemäß § 10 Abs. 4 GOBT entsteht somit durch die Beschlußfassung im Bundestag. Der Beschluß ist eine konstitutive Entstehungsvoraussetzung.

Ritzel I BückeT, § 10, Anm. 1 a. Ritzel I BückeT, § 10, Anm. 2. c 123 Vgl. insoweit, die im Urteil des VG Bremen - 2 V 423/82 (unveröffentlicht) - vorgenommene Auslegung des § 7 Abs. 2 und 3 GO/Bre. 124 124. Sitzung des Bundestages vom 28. 9. 1960, Stenogr.-Bericht, S. 7173. 121 122

I. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe gern. § 10 Abs. 4 GOBT

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4. Die politische Homogenität als Bildungsvoraussetzung einer Institutionalisierten Abgeordnetengruppe

Durch die Beantwortung dieser Frage ist noch nicht geklärt, welche Grenzen bei der Beschlußfassung vom Bundestag zu berücksichtigen sind. Dabei müssen vor allem die Maßstäbe beachtet werden, die in der Geschäftsordnung selbst enthalten sind. Es soll insofern nicht darauf eingegangen werden, ob der Bundestag hier eine Ermessensentscheidung trifft oder ob ein Beurteilungsspielraum vorliegt 125 , da die rechtlichen Grenzen weitgehend identisch sind 126 und die praktischen Auswirkungen vorwiegend eine prozessuale Natur haben, d. h. ob die Entscheidung überhaupt gerichtlich nachprüfbar istl 27 • Ausdrücklich ist in § 10 Abs. 4 GOBT nur die obere Grenze der Mitgliederzahl einer Institutionalisierten Abgeordnetengruppe angegeben, nämlich "ohne Fraktionsmindeststärke zu erreichen". Zur unteren Grenze einer funktionstüchtigen Gemeinschaft wurden bereits Ausführungen gemacht 128 , so daß eine Gruppe von 9 bis 25 Abgeordneten sich als Institutionalisierte Abgeordnetengruppe zusammenschließen kann. Fraglich bleibt, ob die Anzahl der Abgeordneten das einzige in der Geschäftsordnung genannte Kriterium ist oder ob zusätzlich gefordert werden muß, daß die sich zusammenschließenden Abgeordneten auch politisch homogen zusammenwirken müssen. Gegen dieses zusätzliche Kriterium spricht zunächst einmal, daß in der Geschäftsordnung etwas entsprechendes ausdrücklich nicht gefordert wird. Auch bei dem den Gruppenstatus verleihenden Beschluß vom 28. 9. 1960 sind derartige Forderungen nicht deutlich geworden 129 . Allerdings können daraus wohl keine Schlüsse gezogen werden, da bei einem Zusammenschluß von 6 Abgeordneten der gleichen Partei (hier, der Deutschen Partei) notwendigerweise vom Vorliegen der politischen Homogenität ausgegangen werden muß. Wie bereits mehrfach dargelegt, nimmt der § 10 Abs. 4 GOBT auf die Voraussetzungen der Fraktionsbildung Bezug, indem an die Fraktionsmindeststärke angeknüpft wird und zusätzlich die Absätze 2 und 3 des § 10 GOBT für anwendbar erklärt werden. Es erscheint somit notwendig, die in § 10 Abs. 1 GOBT genannten Maßstäbe auch für die Gruppenbildung heranzuziehen. § 10 Abs. 1 Satz 1 GOBT postuliert das Homogenitätserfordernis, da die Bildung einer Fraktion ohne Beschluß nur bei gleicher Parteizugehörigkeit Zur Abgrenzung Erichsen / Martens, § 12 111 b, S. 190 ff. Vgl. nur Kopp, § 114 VwGO, Rn. 39. 127 Zum prozessualen Aspekt: vgl. Punkt B. VI. 128 Dazu oben Punkt B. I. 2. 129 124. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 28. 9. 1960, Stenogr.-Bericht, S. 7173 f. 125

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3 Kassing

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B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

möglich ist. Wenn die Abgeordneten verschiedenen Parteien angehören, dürfen die Parteien aufgrund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land in einem Wettbewerb stehen 13o • Durch diese Regelung wird klar, daß die politische Homogenität nicht allein an der Parteizugehörigkeit gemessen werden kann; wichtig bleibt die hinter einem Zusammenschluß stehende politische Intention. Insoweit ist besonders § 10 Abs. 1 Satz 2 GOBT hervorzuheben, der durch ein Zwischenschalten des Anerkennungsverfahrens den Mißbrauch eines Zusammenschlusses zu verhindern suchtl 31 . Anders ausgedrückt: Es soll verhindert werden, daß "Zweckehen" zwischen politisch heterogenen Elementen geschlossen werden, die nur von der Absicht bestimmt sind, sich die mit einem Zusammenschluß verbundenen Rechte zu verschaffen 132. Eine Übertragung dieser Kriterien auf das immer notwendige Anerkennungsverfahren für die Entstehung einer Institutionalisierten Abgeordnetengruppe bedeutet folgendes: a) Mindestens 9 und weniger als 26 Abgeordneten der gleichen Partei darf bei einer fehlerfreien Ausübung des Ermessens 133 die Anerkennung nicht versagt werden, da hier notwendigerweise die politische Homogenität gegeben ist und die ebenfalls zu beachtende Funktionstüchtigkeit des Bundestages durch die Mindestzahl von 9 Abgeordneten gewährleistet wird. b) Schließen sich mindestens 9 und weniger als 26 Abgeordnete aus verschiedenen Parteien zusammen, ist wie folgt zu verfahren: aa) Stehen die Parteien, deren Mitglieder die Abgeordneten sind, in keinem Land in einem Wettbewerb, so ist von der politischen Homogenität auszugehen (Argument aus § 10 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. GOBT). bb) Stehen die Parteien, deren Mitglieder die Abgeordneten sind, im Wettbewerb, so muß geprüft werden, ob dennoch eine politische Homogenität besteht, etwa weil es sich jeweils um Parteien sozialistischer oder konservativer Zielsetzung handelt. cc) Geht es um einen Zusammenschluß von Abgeordneten, die aus einer Fraktion ausgetreten oder ausgeschlossen sind, so müssen die Gründe des Austritts oder Ausschlusses bei der Prüfung der politischen Homogenität berücksichtigt werden. dd) Ebenso dürfen nicht bedenkenlos alle partei- oder fraktionslosen Abgeordneten als Gruppe anerkannt werden 134 . Auch hier ist das Homogenitätserfordernis anzuwenden. 130 Vgl. dazu die abgrenzenden Ausführungen des VG Bremen - Az.: 2 V 423/82 unveröffentlicht - zur Situation in Bremen, S. 10 - 12. 131 Troßmann, § 10, Rn. 4. 132 Ritzel / Bücker, § 10, Anm. I 2; Troßmann, § 10, Rn. 5 und 9. 133 Vgl. dazu oben Punkt B. 1. 4.

I. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe gem. § 10 Abs. 4 GOBT

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Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß insbesondere bei den Punkten 2 b bb - dd eine exakte Einzelfallprüfung zu erfolgen hat, wobei aber eine zu hohe Anforderung an die politische Homogenität untunlich wäre. Es soll lediglich der Mißbrauch vermieden werden. 5. Verfassungsmäßigkeit des Rechts der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe in der Geschäftsordnung des Bundestages

Die bisherigen Ausführungen beschränkten sich darauf, die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe als solche darzustellen. Im folgenden sollen nun Fragen erörtert werden, die über die Bildung hinausgehen. Es ist zu berücksichtigen, daß der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe in der Geschäftsordnung des Bundestages keine Rechte eingeräumt sind und sie in der Parlamentspraxis bisher kaum Bedeutung fand 135 • Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung ist diese Schlechterstellung der Abgeordnetengruppe, die ihren Ausdruck zum Beispiel in der Nichtberücksichtigung der Gruppenmitglieder bei der Besetzung der Ausschüsse findet, berechtigt, da so eine Aufspaltung der Volksvertretung verhindert werde, welche die Mehrheitsbildung erschweren oder sogar verhindern könnte 136 • Interessant ist weiterhin, daß in der Literatur immer nur die Frage gestellt wird, ob die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe der Fraktion gleichzustellen sei 137 , um diese Frage dann sofort mit einem Hinweis auf die Gefahr der Aufsplitterung des Bundestages zu verneinen 138 . Die jetzige Regelung in der Geschäftsordnung des Bundestages, welche die Abgeordnetengruppe im Sinne des § 10 Abs. 4 GOBT praktisch zu einer "leeren Hülse" degradiert, und die oben erwähnte Gleichstellung mit der Fraktion bilden nur die beiden extremen "Pole". Bei der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit soll daher auch gefragt werden, ob nicht eine Lösung "dazwischen" gefunden werden muß. Aufgrund der Geschäftsordnungsautonomie (Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG) hat eine Volksvertretung in der Gestaltung ihrer inneren Ordnung weitgehende Freiheit1 39 / 140 . Es soll folglich in erster Linie geprüft werden, ob die Grenzen des Regelungsspielraumes eingehalten worden sind. Nur sekundär kann sein, ob etwa eine andere Regelung zweckmäßiger wäre oder den Prinzipien der Verfassung besser entspräche. 134 Nach § 27 GO/EP bilden alle fraktionslosen Abgeordneten im Europaparlament eine Institutionalisierte Abgeordnetengruppe. 135 Achterberg, Parlamentsrecht, s. 299. 136 Vgl. Ritzel I Bücker, § 10 GOBT zu Abs. 4, Anm. 1 a. 137 Achterberg, Parlamentsrecht, S. 299; Ritzel I Bücker, § 10 GOBT zu Abs. 4, Anm.l a. 138 Ritzel I Bücker, § 10 GOBT zu Abs. 4, Anm. 1 a. 139/140 Vgl. nur BVerfGE 10,4 (19 f.).

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B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

Wesentlich ist, welche Grenzen des Verfassungsrechts die Geschäftsordnungsautonomie des Bundestags bei der Ausgestaltung des Rechts der Abgeordnetengruppe beschränken 141.

a) Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG als Grenze der Geschäftsordnungsautonomie Keine Bedeutung entfaltet insofern der Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG. Die in dieser Bestimmung enthaltenen Grundsätze der Repräsentation 142 und des freien Mandats 143 sind in erster Hinsicht für die Rechtsstellung des einzelnen Abgeordneten bedeutsam. In der Literatur 144 wird zudem die Auffassung vertreten, über die Rechtsstellung des einzelnen Abgeordneten hinaus enthalte der Art. 38 GG auch Regelungen, die bestimmte Verhältnisse und Vorgänge innerhalb der politischen Parteien beträfen. Als Beispiele145 werden die Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes und der Bereich verfassungswidriger Parteitätigkeit genannt. Zu den "Verhältnissen und Vorgängen" wird von Maunz jedoch nicht die Ausgestaltung der Fraktions- und Gruppenrechte gezählt. Auch wenn in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG entscheidende Fragen der Demokratie, des Parlaments und des Rechts der politischen Parteien angesprochen werden146 , muß doch immer der Bezug zu den Rechten des einzelnen Abgeordneten bestehen 147 • Gerade dies ist bei der Frage, wie das Recht der Abgeordnetengruppe gestaltet werden soll oder muß, nicht der Fall. Insoweit sind lediglich die Rechte und Pflichten bedeutsam, die der Abgeordnetengruppe als solcher zugestanden werden müssen, und nicht diejenigen Rechte, die die einzelnen Mitglieder der Gruppe innehaben.

b) Art. 21 Abs. 1 GG als Grenze der Geschäftsordnungsautonomie Fraglich bleibt, ob durch Art. 21 Abs. 1 GG der Geschäftsordnungsautonomie (Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG) eine Grenze gesetzt wird. Für das Recht der Abgeordnetengruppe kann dies nur gelten, wenn Abgeordnete derselben Partei eine Gruppe bilden und zudem die These richtig ist, daß die Fraktion 141 Amdt, Parlamentarische Geschäftsordnungsautonomie und autonomes Parlamentsrecht, S. 71. 142 v. Münch in: ders., Art. 38, Rn. 57 - 60. 143 v. Münch in: ders., Art. 38, Rn. 61 - 64. 144 Maunz, in: Maunz / Dürig, Art. 38, Rn. 18. 145 Ebd., Art. 38, Rn. 19. 146 v. Münch in: ders., Art. 38, Rn. 64 - Einzelfälle des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG -. 147 Ebd., Art. 38, Rn. 5.

I. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe gern. § 10 Abs. 4 GOBT

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als die "Partei im Parlament" zu qualifizieren ist 148 . Schmidt 149 beruft sich zur Begründung dieser These zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts l50 . Im zu entscheidenden Rechtsstreit, der Fragen der Redezeitbeschränkung betraf, bezeichnete das Bundesverfassungsgericht die Parlamentsfraktionen nur als notwendige Einrichtungen des Verfassunglebens. Weiterhin führte das Gericht aus, mit der Anerkennung der Parteien in Art. 21 GG erkenne das Grundgesetz auch die Fraktionen an 151 . Sonstige Ausführungen über die Voraussetzungen der Fraktionsbildung enthält die Entscheidung nicht, da es darauf nicht ankam. Mithin läßt sich dem Urteil nur entnehmen, daß das Gericht davon ausgeht, eine Fraktion bestehe in der Regel aus Mitgliedern derselben Partei, nicht aber, es bestehe eine Identität von Fraktion und Partei. Die Formulierungen bringen zudem die faktische Verknüpfung zwischen Partei und Fraktion, sowie deren Zulässigkeit im Hinblick auf Art. 21 GG zum Ausdruck. Das Bestehen einer engen personellen und funktionellen Verflechtung zwischen Partei und Fraktion 152 ist für eine politisch-soziologische Betrachtungsweise zwar interessant, jedoch läßt sich eine rechtlich zwingende Schlußfolgerung daraus nicht ziehen I53 • Im übrigen wird von weiteren in der Literatur vertretenen Meinungen die faktische Verknüpfung zwischen Partei und Fraktion herausgestellt, indem die Fraktion als Annex der Partei1 54 oder als die Repräsentanz der politischen Parteien im ParlamentI 55 bezeichnet wird. Trotz dieser faktisch engen Verknüpfung bleibt es jedoch dabei, daß die Fraktionen 156 anders als die Parteien, Teile des Parlaments sind und dem Parlamentsrecht unterliegen!57, während die Parteien vom Staat unabhängige Organisationen darstellen, die vor allem auf privatrechtlichen Rechtssätzen beruhen I58 • 148 Vgl. auch Borchert, AöR 1977, 221; Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 145; so Schmidt, Der Staat 9 (1970), 488; ders., unveröffentlichtes Gutachten im Auftrage der F.D.P. im Bayerischen Landtag: Fraktionsstatus und parlamentarische Geschäftsordnungsautonomie, S. 9. 149 Schmidt, Der Staat 9 (1970),487. 150 BVerfGE 10,4 (14). 151 BVerfGE 10,4 (14). 152 Schüle, Koalitionsvereinbarungen im Lichte des Verfassungslebens, S. 32. 153 Geller / Kleinrahm, Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, Art. 38 Anm. 3 c. 154 Badura, in: BK, Art. 38, Rn. 16. 155 von Mangoldt / Klein, Art. 40, Anm. III Id. 156 Zur umstrittenen Rechtsnatur bedarf es hier keiner Erörterung; vgl. dazu Achterberg, Parlamentsrecht, S. 274 - 278. 157 StGH Bremen DÖV 1970, 639 f.; BayVerfGH VGHE 29, 62 (67); Linck, DÖV 1975,693. 158 Steiger, Organisatorische Grundlagen des parlamentarischen Regierungssystems, S. 182 f.

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B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

Diese für die Fraktion getroffenen Aussagen lassen sich auf die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe übertragen, da es sich auch insoweit um Teile des Parlaments handelt, die dem Parlamentsrecht unterliegen. Art. 21 GG bildet somit keine Grenze der Geschäftsordnungsautonomie des Bundestages bei der Ausgestaltung des Rechts der Abgeordnetengruppe 159 • c) Der Gleichheitsgrundsatz als Grenze der Geschäftsordnungsautonomie

Eine Begrenzung der Geschäftsordnungsautonomie ergibt sich aus der Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes 16o . Wichtig ist insofern allerdings nicht der vom Bundesverfassungsgericht 161 entwickelte und näher konkretisierte Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien, da durch dieses Prinzip jede Partei die gleiche Chance haben soll, daß das Volk sie wählt. Es wird durch diese Ausprägung des Gleichheitsgebotes als der Zugang zum Parlament gewährleistet, nicht aber das Wirken der Abgeordneten im Parlament1 62 . Wenn auch der für die Wahlen entwickelte Grundsatz streng formaler Chancengleichheit der Parteien keine Grenze bildet, so darf die verfassungsrechtliche Schranke doch auch nicht nur durch das aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz folgende Willkür- und Mißbrauchsverbot gezogen werden163 . Diese sehr weite Grenze wäre nur verletzt, wenn gezielte Benachteiligungen einer Fraktion oder Institutionalisierten Abgeordnetengruppe vom Geschäftsordnungsgeber beabsichtigt wären. Eine derartige Absicht ist nicht nachweisbar, so daß diese Grenze als äußerste betrachtet werden muß 164 .

Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz zwingt den Geschäftsordnungsgeber zur Beachtung von tatsächlichen Gleichheiten und Ungleichheiten. Dieser generalisierende Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG findet sich in speziellen Ausprägungen wieder. Unbestritten ist die Zubilligung von bestimmten Rechten an Gruppen und Fraktionen von deren Stärke abhängig, um die in der Wahl zum Ausdruck gekommenen Kräfteverhältnisse auch im Plenum und den Ausschüssen deutlich werden zu lassen. Im Ergebnis ebenso Arndt / Schweitzer, ZParl 7 (1976), 71 (78). Achterberg, Parlamentsrecht, S. 291; Arndt, Parlamentarische Geschäftsordnungsautonomie und autonomes Parlamentsrecht, S. 71; a.A. wohl: Fröhlinger, DVBI 1982, 682 (684), die wegen der Spezialität die Chancengleichheit vom parlamentarischen Minderheitenschutz verdrängt wissen will. 161 BVerfGE 14, 121 (133 ff.); 20, 56 (116); 24, 300 (339 ff.); 34, 160 (163 f.). 162 Vgl. die Übersicht bei Leibholz / Rinck, Art. 38, Rn. 6, 13 f. 163 a.A. wohl Arndt, S. 74; Dach, DVBl1982, 1080; Spitta, Kommentar zur Bremischen Verfassung zu Art. 105 S. 205. 164 Im Ergebnis ebenso Fröhlinger, DVBl1982, 686. 159

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Die Mehrheitsverhältnisse in den Ausschüssen müssen mit denjenigen im Plenum korrespondieren165 , oder anders ausgedrückt, die Ausschüsse müssen ein verkleinertes Abbild des Plenums darstellen. Was als "Abbild" anzusehen ist, bestimmt sich traditionell rein mathematisch 166 . Dieser Grundsatz der proportionalen Vertretung hat nach einer Verfassungs änderung im Jahre 1968 seinen Niederschlag im Grundgesetz gefunden. Art. 53a Abs. 1 Satz 2 GG hat das Prinzip der verhältnismäßigen Repräsentation zum ersten Mal verfassungsrechtlich verankert1 67 • Desweiteren findet sich dieses Prinzip auch in den Gemeindeordnungen168 wieder, so daß die vom Rat gebildeten Ausschüsse nach der Stärke der Fraktionen und Gruppen besetzt werden müssen169 . aa) Das Prinzip der verhältnismäßigen Repräsentation bei der Besetzung der Ausschüsse und des Ältestenrates Es ist nun die Frage zu stellen, ob es gerechtfertigt ist, das Prinzip der verhältnismäßigen Repräsentation auf die Fraktion zu beschränken und folglich die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe nicht zu beachten, wie es bei der Besetzung der Ausschüsse durch § 12 und § 57 Abs. 2 GOBT geschehen ist. Einen zwingenden Grund kann die Funktionsfähigkeit und Effizienz des Parlaments darstellen 170 • Gemeint ist dabei das gesamte Parlament und nicht ein einzelner Abgeordneter oder auch eine Fraktion oder Gruppe l7l . Bei der heutigen Komplexität der im Parlament behandelten Themen ist die Effizienz entscheidend, um eine Kontrolle der Regierung speziell durch die Ausschüsse zu gewährleisten. Zu Recht weist Steiger darauf hin, daß der Bundestag ohne die Ausschüsse zwar nicht rechtlich, aber tatsächlich arbeitsunfähig wäre 172 • Diese außerordentliche Bedeutung der Ausschüsse macht es deutlich, daß die Ausschüsse nicht zu "groß und aufgebläht" sein dürfen, um funktionstüchtig zu sein. Auch hier wird somit davon ausgegangen, daß es dem Bundestag gemäß § 54 GOBT freisteht, die einzelnen Ausschüsse zu bilden und deren Größe festzusetzen. 165 Troßmann, Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, Bd. 28 (1979), S.113. 166 Zu den verschiedenen mathematischen Verfahren, die die Umsetzung der Mehrheitsverhältnisse garantieren; vgl. Datenhandbuch I, S. 598 bis 602. 167 Emmelius, S. 134; Herzog, in: Maunz / Dürig, Art. 53 a, Rn. 15. 168 Vgl. z. B. § 33 Abs. 1 BayGO; § 53 Abs. 2 und 3 NdsGO. 169 Dazu BayVGHE 8, 5 (8). 170 BVerfGE 6, 84 (92); Badura, in: BK, Art. 38, Rn. 70; Hauschild, S. 111. 171 So auch Badura, in: BK, Art. 38, Rn. 70; Linck, DÖV 1975, 690. 172 Steiger, Organisatorische Grundlagen des parlamentarischen Regierungssystems, S. 123.

B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

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Aus dem Grundsatz der verhältnismäßigen Repräsentation folgt nicht der Anspruch, daß jede Gruppe einen Sitz im Ausschuß erhält. Das stände mit den Grundsätzen der Effektivität und Praktikabilität nicht im Einklang173 • Es folgt jedoch aus diesem Grundsatz, daß die Verteilung der Ausschußsitze mathematisch zu erfolgen hat. Bei Beachtung des gewählten mathematischen Verteilungsschlüssels174 ist nicht ersichtlich, daß der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe der Zugang zu den Ausschüssen verwehrt bleiben sollte, wenn sie die entsprechende Größe erreicht. Der Ausschuß wird nicht größer, und es kommt auch nicht zu einer ständig ändernden personellen Besetzung, die eine Vorformung der parlamentarischen Entscheidung erschweren würde, da es sich sowohl bei der Fraktion, wie auch bei der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe um ständige Gliederungen des Parlaments handelt. Eine generelle Bevorzugung der Fraktionen gegenüber den Institutionalisierten Abgeordnetengruppen ist aufgrund der Effizienz und Funktionsfähigkeit des Parlaments nicht notwendig 175 , und die §§ 12 und 57 Abs. 2 GOBT sind daher verfassungswidrig. Sie verstoßen gegen den Grundsatz der verhältnismäßigen Repräsentation. Welche praktische Konsequenz dieses Ergebnis hat, verdeutlicht das im Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages abgedruckte Beispie11 76 , wenn man eine Abgeordnetengruppe mit 19 Mitgliedern zugrunde legt 177 • Bereits in einem Ausschuß mit 17 Mitgliedern 178 stände der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe danach ein Ausschußsitz zu. Das Prinzip der verhältnismäßigen Repräsentation gilt nicht nur für die Ausschüsse, sondern auch für den Ältestenrat. Dieses aus dem Präsidenten und seinen Stellvertretern sowie 23 weiteren Abgeordneten bestehende Gremium erledigt zwei Funktionen. Nach § 6 Abs. 2 GOBT erfüllt der Ältestenrat eine Leitungsfunktion, in deren Rahmen beispielsweise Termine und Tagesordnung jeder Sitzung des Bundestages vereinbart werden (§ 20 Abs. 1 GOBT). Gerade diese durch Vereinbarung und Verständigung geprägte Arbeit, macht es nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung zwinBayVGHE 21, 74 (77 f.), zu § 33 BayGO. Dazu Datenhandbuch I, S. 598 ff. 175 So aber Hauenschild, S. 84; Kleffmann, Rechtsstellung, S. 135. 176 Datenhandbuch I, S. 600. 177 Ohne die einzelnen Fraktionsmitgliederzahlen verändern zu müssen, wird klar, daß bei einer Rangmaßzahl von 13,657 der Abgeordnetengruppe ein Ausschußsitz zukommt: 519 R 1 = ~ x 0,5 = 13,657 173

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(Rangmaßzahl im Verfahren nach Schepers). 178 Zur Größe und Anzahl der Ausschüsse in der 9. WP, vgl. Datenhandbuch I, S. 594 - 597.

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gend erforderlich, die Fraktionen zu privilegieren l79 . Zur Begründung dient der Hinweis auf die Kontinuität der fraktionellen Arbeit. Damit wird jedoch verkannt, daß auch die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe eine ständige Gliederung des Parlaments darstellt und somit eine kontinuierliche Arbeit gewährleistet. Die in § 6 Abs. 2 GOBT aufgeführte Leitungsfunktion des Ältestenrates macht ein Abweichen vom Grundsatz der proportionalen Vertretung aus Gründen der Funktionalität nicht erforderlich. Für den Ältestenrat als Beschlußorgan gemäß § 6 Abs. 3 GOBT bestehen keine Besonderheiten im Vergleich zum Ausschuß, so daß auf die obigen Ausführungen verwiesen wird. Die Privilegierung der Fraktion in § 6 Abs. 1 GOBT ist daher verfassungswidrig, da gegen das Prinzip der verhältnismäßigen Repräsentation verstoßen wird. Der Grundsatz der verhältnismäßigen Repräsentation muß als Grenze der Geschäftsordnungsautonomie auf die Besetzungsrechte (Ausschuß, Ältestenrat) beschränkt bleiben, da es begrifflich notwendig ist, daß eine Gruppe oder Fraktion, die im Plenum vertreten ist, in einem anderen Organ oder Teil dieses Organs repräsentiert wird. Gerade diese Repräsentationsfunktion kann bei den Rede-, Initiativ- l80 , Anfrage- und Antragsrechten l8l nicht ausgefüllt werden, da sie auf das Plenum beschränkt sind. bb) Parlamentarischer Minderheitenschutz; Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition Grenze der Geschäftsordnungsautonomie gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG bleibt somit in bezug auf die unter aa) genannten Rechte der allgemeine Gleichheitssatz. Bei dieser Untersuchung ist zu berücksichtigen, daß dem Gesetz- und dem Geschäftsordnungsgeber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht'3 l82 eine sehr weitgehende Gestaltungsfreiheit zukommt und somit von diesem grundsätzlich bestimmt wird, was wesentlich gleich oder ungleich ist. Insbesondere ist noch einmal darauf hinzuweisen, daß der Geschäftsordnungsgeber nicht die gerechteste und zweckmäßigste Regelung treffen mußl83. Ferner ist zu beachten, daß im Bereich des Parlamentsrechts das Institut des parlamentarischen Minderheitenschutzes im Hinblick auf die innere Organisation des Parlaments die Schutzfunktion des allgemeinen Gleichheitssatzes weitgehend übernimmtl 84 . Es erscheint 179 Vgl. Kleffmann, Rechtsstellung, S. 133.

Gesetzesinitiative: §§ 75 Abs. 1lit. a., 76 Abs. 1 und 2 GOBT. Große Anfrage: §§ 100, 75 Abs. 1 lit. f., 76 GOBT; Kleine Anfrage: §§ 104, 75 Abs. 3 GOBT; Aktuelle Stunde § 106 LV.m. Anlage 5 GOBT. 182 BVerfGE 10,4 (19 f.). 183 Vgl. nur BVerfG NJW 1975, 439 f. 184 Vgl. auch Arndt, S. 78/79, der den engeren Zusammenhang zwischen dem Minderheitenschutz und der Chancengleichheit betont; Fröhlinger, DVBI 1982, 684; ebenso Hauenschild, S. 111. 180 181

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B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

somit sinnvoller, Rede-, Anfrage-, Antrags- und Initiativrechte sowie die Finanzierung der Gruppen und Fraktionen unter diesem Aspekt näher zu untersuchen, ohne den Gleichheitssatz "aus dem Auge" zu verlieren 185 . Der Schutz parlamentarischer Minderheiten ist wesentlicher Bestandteil der Geschäftsordnung des Parlaments 186 . Ein Forum offener Auseinandersetzung kann ein Parlament nur sein, wenn möglichst alle Meinungen diskutiert werden und ein Höchstmaß an Rationalität und Transparenz der Entscheidungsfindung vorausgeht. Allerdings darf die Minderheit das Parlament nicht als "Schwatzbude"187 degradieren und andererseits die Mehrheit es nicht zu einem bloßen "Abstimmungs automaten " mißbrauchen. Aufgabe der Geschäftsordnung muß es sein, eine sachgerechte Balance zwischen diesen beiden "Polen" herzustellen, um die Funktionsfähigkeit und Effizienz des Parlaments als Ganzen zu gewährleisten 188 . Es besteht somit ein Spannungsfeld zwischen dem Minderheitenschutz und dem Gesichtspunkt, eine möglichst reibungslose und effektive Arbeit zu ermöglichen. Ob es zum Abbau dieses Spannungsverhältnisses notwendig ist, der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe keinerlei Rechte einzuräumen, soll im folgenden untersucht werden. Eine Differenzierung hinsichtlich der beiden Funktionen des Parlaments, Kontrolle der Regierung und Teilnahme an der Staatsleitung189 muß nicht vorgenommen werden, da diese Unterscheidung für die Frage der kollektiven oder individuellen Ausgestaltung von Rechten wesentlich ist, nicht aber für die Frage, wie kollektive Rechte präzise ausgestaltet sein sollten 190. Insofern ist eine Differenzierung nach dem Zeit- und Arbeitsaufwand notwendig, den das entsprechende Recht erfordert. (1) Rederecht

Das Recht, im Plenum das Wort zu ergreifen, ist dem einzelnen Abgeordneten unentziehbar und somit im wesentlichen individuell ausgestaltet1 91 . Es ist somit grundsätzlich kein Gruppenrecht. Aus Gründen der Effektivität und Lebhaftigkeit einer Debatte gibt es Redezeitbegrenzungen von fünf 192 und fünfzehn 193 Minuten für den einzel185 Arndt, S. 78/79; Fröhlinger, DVBI 1982, 684; Kürschner, Die Statusrechte des fraktionslosen Abgeordneten, S. 119 f. 186 Kürschner, S. 119 f.; Vonderbeck, ZParl6 (1975), 150 ff. (187); Kürschner, S. 12l. 187 Kürschner, S. 12l. 188 Zum Gesichtspunkt der Effektivität: Hauenschild, S. 112 ff. 189 Vgl. Kleffmann, Rechtsstellung, S. 118 f./199. 190 Hauenschild, S. 112 ff.; Kleffmann, Rechtsstellung, S. 120; Linck, DÖV 1975, 69l. 191 § 28 Abs. 2 Satz 2 und 3; § 29; § 30 Satz 2 und 4; § 35 Abs. 1 GOBT. 192 § 29 Abs. 4 GOBT (Antrag zur Geschäftsordnung); § 30 Satz 4 GOBT (Erklärung zur Aussprache).

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nen Abgeordneten und von 45 Minuten für einen von der Fraktion benannten Redner194 . Auch insoweit wird die Fraktion somit privilegiert. Diese Privilegierung ist im Interesse einer effizienten Arbeit gerechtfertigt, da der Fraktionsredner nicht nur seine eigene Meinung darlegt, sondern praktisch das Ergebnis einer fraktionsinternen Meinungsbildung im Plenum offenlegt. Es wäre unzweckmäßig und für das Verständnis erschwerend, wenn mehrere Redner diese Aufgabe übernehmen würden. Fraglich bleibt jedoch, ob die Privilegierung auf die Fraktion beschränkt bleiben muß, oder ob es nicht notwendig wäre, auch der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe als ständiger Gliederung des Parlaments eine längere zusammenhängende Redezeit einzuräumen. Wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt, ist die Regelung des § 35 Abs. 1 Satz 3 GOBT zweckmäßig, aber nicht zwingend. Der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe bleibt auch ohne die Benennung eines Redners für eine längere Rededauer die Möglichkeit, ihre Auffassung im Plenum vorzutragen. Es liegt somit im gesetzgeberischen Ermessen des Geschäftsordnungsgebers, eine Angleichung zwischem dem Rederecht der Fraktion und dem der Abgeordnetengruppe herbeizuführen, ohne daß eine verfassungsmäßige Verpflichtung hierzu bestehtl 95 •

(2) Initiativrechte Nach den §§ 75 Abs. 1 lit. a, 76 Abs. 1 GOBT können Gesetzesentwürfe ausschließlich von einer Fraktion oder von 5 % der Mitglieder des Bundestages eingebracht werden. Zu beachten ist, daß das Gesetzgebungsverfahren mit 3 Lesungen im Plenum 196 des Bundestages, der Überweisung an die Ausschüsse l97 und einer eventuell notwendigen Beratung im Bundesrat das arbeits- und zeitaufwendigste Instrument des Parlaments darstellt. Besäße ein einzelner Abgeordneter die Möglichkeit, einen Gesetzesentwurf einzubringen, so müßte sich das Parlament mit einer Vorlage befassen, die in der Regel keine Aussicht auf Erfolg besitztl 98 • Allein das Merkmal der Erfolglosigkeit gebietet es, den Bundestag vor vergeblicher Arbeit zu schützen, um so die Funktionsfähigkeit zu erhalten. Unwesentlich ist die Qualität und Bedeutung eines Gesetzentwurfes 199 , denn es gibt keinen Erfahrungswert, daß die Mehrheit qualitativ besser arbeitet als die Minderheit.

193 194 195 196 197 198 199

§ 35 Abs. 1 Satz 2 GOBT. § 35 Abs. 1 Satz 3 GOBT. Vgl. dazu Arndt, S. 74 f.; Linck, DÖV 1975, 690 f.; sowie BVerfGE 24, 346. § 78 Abs. 1 GOBT. § 78 Abs. 2 GOBT. Vgl. Kleffmann, Rechtsstellung, S. 121 f.; Linck, DÖV 1975, 691. a.A. Linck, ebd.

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B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

Bedeutsam ist somit, ob der von einer Institutionalisierten Abgeordnetengruppe eingebrachte Gesetzentwurf generell nicht durchsetzbar ist und ob nicht auch aus dem Gesichtspunkt der Stärkung der Opposition 2oo die Abgeordnetengruppe gesetzesinitiativ werden muß. Betrachtet man die Wichtigkeit der Gesetzesinitiative und auch die Häufigkeit, mit der die Opposition davon Gebrauch macht20 l, so muß der Ausschluß der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe von diesem Instrumentarium gewichtig begrÜlldbar sein. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe hat weniger als 26 Mitglieder, so daß allein aus dieser zahlenmäßigen Unterlegenheit die mangelnde Durchsetzbarkeit einer Gesetzesinitiative ableitbar ist. Zudem muß bedacht werden, daß die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe wohl nie allein in Opposition steht und aufgrund dessen mit einer anderen Oppositionsfraktion zusammenarbeiten kann. Es wird daher nicht der Opposition das Initiativrecht verweigert, sondern nur einer Minderheit in der Minderheit 202 . Neben diesen Überlegungen bleibt das wichtigste Argument der Beschränkung des Gesetzesinitiativrechts auf die Fraktion oder 5 % der Mitglieder des Bundestages der Schutz vor vergeblicher Arbeit. Diese Schutzwirkung ist aufgrund des erheblichen Arbeitspensums derartig bedeutsam, daß andere Gründe zurücktreten müssen. Die Regelungen der §§ 75 Abs. llit. a, 76 Abs. 1 GOBT sind somit verfassungsgemäß203. (3) Kontrollrechte Die Ausgestaltung der einzelnen Kontrollrechte in der Geschäftsordnung des Bundestages ist unterschiedlich, so daß auch der durch das Verfahren beanspruchte Arbeits- und Zeitaufwand dem entspricht. (a) Große Anfrage 204 Eine Große Anfrage (§§ 100, 75 Abs. llit. f. GOBT) muß von einer Fraktion oder von 5 % der Mitglieder des Bundestages eingereicht werden, § 76 Abs. 1 GOBT. Weitgehend wird der Arbeits- und Zeitaufwand dieses Kon200 Die Abgeordnetengruppe soll hier als Teil der Opposition und nicht als eine die Regierung tragende Gliederung untersucht werden. Zu den Funktionen der Opposition, Steffani, in: Handbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, S. 430. 201 Vgl. Datenhandbuch I, S. 763, wonach in der 8. WP 64 % aller Gesetzesinitiativen des Bundestages durch die Opposition eingebracht wurden. Nicht verkannt werden darf jedoch, daß die Initiativen überwiegend von der Bundesregierung ausgehen. 202 Sollte eine Abgeordnetengruppe einmal die alleinige Opposition darstellen, so müßte diese Gesetzentwürfe einbringen können. 203 Im Ergebnis ebenso Kleffmann, Rechtsstellung, S. 122; Linck, DÖV 1975, S. 691. 204 Zur praktischen Bedeutung vgl. Datenhandbuch I, S. 751.

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trollrechts mit dem des Gesetzesinitiativrechts gleichgesetzt 205 , ohne daß dies gerechtfertigt wäre. Gemäß § 78 Abs. 1 GOBT werden "alle anderen Vorlagen" und somit auch die Große Anfrage nach § 75 Abs. 1lit. f. GOBT in einer Beratung behandelt, und nicht wie Gesetzesentwürfe in drei Beratungen. Zudem muß diese nur erfolgen, wenn dies von einer Fraktion oder von 5 % der Mitglieder des Bundestages verlangt wird (§ 101 Satz 3 GOBT); sonst wird nur die Anwort der Bundesregierung auf die Tagesordnung gesetzt (§ 101 Satz 2 GOBT). Der Arbeits- und Zeitaufwand ist somit nicht derart intensiv, wie derjenige bei Gesetzesentwürfen. Dennoch soll nicht verkannt werden, daß jede Debatte einer erheblichen Vorbereitungszeit bedarf und der Zeitplan der Sitzungswochen dicht gedrängt ist 206 • Eine überladene Tagesordnung beeinträchtigt die Effektivität der Arbeit. Andererseits darf die Kontrollfunktion nicht zu stark ausgehöhlt werden und die Einschränkung der Minderheitenrechte nicht zu groß sein. Nach Abwägung aller dieser Gesichtspunkte liegt es noch im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens des Bundestags, der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe die "Große Anfrage" zu verweigern. Allerdings muß beachtet werden, daß die Zahl der Institutionalisierten Abgeordnetengruppen nicht groß sein wird, und somit wahrscheinlich keine erhebliche Mehrbelastung auftreten würde. Die §§ 75 Abs. 1 lit. f., 100 bis 103 GOBT sind somit noch verfassungsgemäß. (b) Kleine Anfrage Gemäß den §§ 104, 75 Abs. 3 GOBT können Kleine Anfragen, ebenso wie Große Anfragen, nur von einer Fraktion oder 5 % der Mitglieder des Bundestages eingereicht werden. Kleine Anfragen müssen zwar innerhalb von 14 Tagen von der Bundesregierung schriftlich beantwortet werden (§ 104 Abs. 2 GOBT), sie dürfen jedoch nicht als Verhandlungsgegenstand auf der Tagesordnung erscheinen (§ 75 Abs. 3 GOBT). Durch eine große Anzahl Kleiner Anfragen kann daher nicht die Effizienz und Funktionsfähigkeit des Parlaments beeinträchtigt werden, sondern allenfalls diejenige der Bundesregierung207 • Die Beschränkung, Kleine Anfragen nur von einer Fraktion oder von 5 % der Mitglieder des Bundestages einreichen zu lassen, liegt allein im Interesse der Bundesregierung. Es kann jedoch nicht Aufgabe der Geschäftsordnung des Bundestages sein, die Bundesregierung zu entlasten.

205 Linck, DÖV 1975, 691 f.; differenzierter Witte-Wegmann, Recht und Kontrollfunktion der Großen, Kleinen und Mündlichen Anfragen im Deutschen Bundestag, S. 41 ff. 206 Vgl. Datenhandbuch I, S. 532. 207 Vgl. Kleffmann, Rechtsstellung, S. 125.

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B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

Aufgrund sachfremder Erwägungen208 sind die §§ 75 Abs. 3, 76 Abs. 2 GOBT daher wegen eines Verstoßes gegen den parlamentarischen Minderheitenschutz verfassungswidrig 209 . Wie die Bundesregierung vor zu vielen Kleinen Anfragen geschützt werden kann, ist keine wesentliche Frage, wenn das Recht auf die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe beschränkt bleibt. Erst wenn das Kontrollrecht der Kleinen Anfrage jedem Abgeordneten zugestanden würde, müßten andere Lösungen bedacht werden 210 • (c) Aktuelle Stunde Die Aktuelle Stunde gemäß § 106 GOBT gibt Gelegenheit, ein Thema von allgemeinem aktuellen Interesse in Kurzbeiträgen (in der Regel 5 Minuten) zu behandeln. Nach der Anlage 5 zur Geschäftsordnung findet die Aktuelle Stunde statt, wenn sie - im Ältestenrat vereinbart wird oder - von einer Fraktion oder von anwesenden 5 % der Mitglieder des Bundestages zu der Antwort der Bundesregierung auf eine Mündliche Anfrage oder - unabhängig von einer für die Fragestunde eingereichten Frage von einer Fraktion oder 5 % der anwesenden Mitglieder des Bundestags verlangt wird. Die Aktuelle Stunde gehört nicht zu den traditionellen Kontrollinstrumenten, da Kontrolle im allgemeinen nachträglich erfolgt und somit zumindest die unabhängig von einer Mündlichen Anfrage an die Bundesregierung beantragte Aktuelle Stunde keine traditionelle Kontrolle darstellt. Über den traditionellen Kontrollbegriff hinaus beginnt die Kontrolle des Parlaments heute bereits in einem frühen Stadium, sie umfaßt somit die Teilnahme an der Staatsleitung211 • Die Aktuelle Stunde dient vor allem der Opposition dazu, ihre eigene Auffassung, derjenigen der Regierung im Plenum gegenüberzustellen 212 • Das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition 213 Fröhlinger, DVB11982, 685. Kleffmann, Rechtsstellung, S. 126, sieht in den §§ 75 Abs. 3, 76 Abs. 1 GOBT einen Verstoß gegen Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG. Diese anscheinend unterschiedliche Auffassung liegt jedoch allein in der anderen Fragestellung begründet. Ausgangspunkt der Untersuchung von Kleffmann ist, ob ein Recht individuell oder kollektiv ausgestaltet sein muß. 210 Kleffmann, Rechtsstellung, S. 125, nimmt bei dieser Frage einen Vergleich mit der schriftlichen Einzelfrage vor. 211 Kleffmann, BayVBI 1979, 426; Kleffmann, Rechtsstellung, S. 199; im Ergebnis ebenso Datenhandbuch I, S. 754. 212 Vgl. Datenhandbuch I, insbesondere wird dies aus der tabellarischen Übersicht, S. 754 - 759, deutlich. 208 209

I. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe gern. § 10 Abs. 4 GOBT

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umfaßt den Anspruch der oppositionellen Minderheit, eigene politische Ansichten vorzutragen und die Mehrheitsmeinung zu kritisieren 214 . Dieses Recht darf vom Geschäftsordnungsgeber nur beschränkt werden, um eine funktionsfähige und effiziente Parlaments arbeit zu gewährleisten. Die Dauer der Aussprache in der Aktuellen Stunde ist auf 60 Minuten, unter Umständen auf 90 Minuten beschränkt, so daß nur ein geringer Zeitaufwand beansprucht wird. Zudem bedarf die Aktuelle Stunde nur einer geringen Vorbereitungszeit, was sich daraus ergibt, daß sie bis 12.00 Uhr des Vortages beim Präsidenten verlangt werden kann215 . Unter der Durchführung einer Aktuellen Stunde leidet die Effizienz der Arbeit des Parlaments nicht, wenn neben der Fraktion auch die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe antragsbefugt ist. Die Regelung des § 106 i.V.m. der Anlage 5 GOBT ist wegen des Verstoßes gegen den parlamentarischen Minderheitenschutz und insbesondere des Rechts auf verfassungsmäßige Ausübung der Opposition verfassungswidrig.

6. Fraktionszuschüsse und Zuschüsse an die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe im Vergleich

Die Geschichte derartiger Leistungen ist relativ jung; sie beginnt erstmals nach 1945 216 . Aufgrund einer stetigen Steigerung betrug die absolute Summe der im Bundeshaushalt festgesetzten Fraktionszuschüsse im Jahre 1978 bereits 24 993 000 DM217. Nur im Bundestag sowie in Bayern und Hessen werden die Fraktionszuschüsse über einen Titel im Haushalt gewährt. In den übrigen Bundesländern geschieht die Festschreibung der Zuschüsse in den Gesetzen über die Entschädigung der Abgeordneten 218 . Das Bundeshaushaltsgesetz und die Landeshaushaltsgesetze stellen eine Ermächtigungsgrundlage für die Regierung dar, die Mittel für die im Haushaltsplan festgelegten Zwecke auszugeben, und sind Recht im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 BVerfGG, das auf die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz in einem Normenkontrollverfahren geprüft werden kann 219 . Die Unterschiedlichkeit der gesetzlichen Grundlage führt somit nicht zu einem unterschiedlichen Prüfungsmaßstab. Die Gewährung von Fraktionszuschüssen war bereits mehrfach Gegenstand der Rechtsprechung des Bun213 214 215 216 217 218 219

BVerfGE 2, 1 (13). BVerfGE 44, 309 (321). Anlage 5 GOBT, Nr. I. 2. b. Vgl. Jekewitz, ZParl13 (1982), 314 (319 ff.). Ebd., S. 323, Fn. 64 unter Hinweis auf BHH 1978, EP 02 Kap. 0201 Titel 684.01. Ebd., S. 323 f. Vgl. BVerfGE 20, 56 (Leitsatz Nr. 1).

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B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

desverfassungsgerichts 220 • In einer "Grundsatzentscheidung" hat das Bundesverfassungsgericht 221 die Fraktionen als ständige Gliederungen des Parlaments bezeichnet, die der organisierten 8taatlichkeit eingefügt seien, und denen deshalb Zuschüsse gewährt werden dürften. Das Bundesverfassungsgericht mußte sich in einer weiteren Entscheidung222 mit einem Antrag der Gruppe "Bremer Grüne Liste" und einem Antrag eines Abgeordneten der Gruppe auseinandersetzen. Nach Auffassung der Antragsteller war es verfassungswidrig, den Fraktionszuschuß nach einem Grundbetrag sowie einem "Pro-Kopf-Zuschlag" zu bemessen und der Gruppe lediglich diesen zu gewähren 223 . Zwar betrachtete das Bundesverfassungsgericht die Anträge als unzulässig 22 4, jedoch bietet die Entscheidung genügend Anlaß, sich mit der Begründetheit auseinanderzusetzen.

a) Die Pflicht zur Ausweisung eines Zuschusses an die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe Zunächst muß festgestellt werden, daß auf die im Haushalt festgeschriebenen Zuschüsse kein Anspruch besteht, da der Art. 110 GG ausfüllende § 3 Abs. 2 HGrG und mit ihm übereinstimmend § 3 BHO bestimmt, daß durch den Haushalt keine Ansprüche begründet werden225 . Dennoch gibt es Kriterien, die der Bundestag bei der Festsetzung der Zuschüsse zu beachten hat. Zu diesen zählen die bereits vorher dargelegten Grundsätze der Chancengleichheit, des Minderheitenschutzes und des Rechts auf verfassungsgemäße Ausübung der Opposition. Die Frage, ob es sich insoweit um selbständige Kategorien des Verfassungsrechts handelt2 26 oder ob der Minderheitenschutz und das Recht auf verfassungsmäßige Ausübung der Opposition als unselbständige der Chancengleichheit unterzuordnende Kategorien gelten müssen 227 , braucht nicht behandelt zu werden, da sie in jedem Fall als Prüfungspunkte herangezogen werden müssen228 . Das Bundesverfassungsgericht hat in der hier näher untersuchten Entscheidung 229 ausgeführt, Fraktionen und Gruppen der Bürgerschaft seien durch die Landesverfassung (Fraktion) oder die Dazu der Überblick bei Jekewitz, ZParl15 (1984), 14 ff. BVerfGE 20, 56 (104). 222 . BVerf GE 62, 194 ff.; sowie Jekewitz, ZParl15 (1984), 18 - 20. 223 Diese Differenzierung nach Grundbetrag und "Pro-Kopf-Zuschlag" ist im Bund und allen Ländern üblich. Daneben gibt es noch weitere Bemessungskriterien, wie z. B. einen Oppositionszuschlag (vgl. Jekewitz, ZParl13 (1982), 321 - 323). 224 Vgl. BVerfGE 62, 194 (199 ff.). 225 So auch BVerfGE 46, 268. 226 So Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 814. 227 Vgl. Kleffmann, Rechtsstellung, S. 146 - 148. 228 Dazu BVerfGE 2, 1 (13); 5, 85 (140). 229 BVerfGE 62, 194 (202). 220 221

1. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe gern. § 10 Abs. 4 GOBT

. 49

Geschäftsordnung (Gruppe) als ständige Gliederungen des Parlaments anerkannt. Weiterhin heißt es, wie bereits dargelegt 230 , als Gliederung des Landesparlaments, die den technischen Ablauf der Parlamentsarbeit in gewissem Grade zu steuern und zu erleichtern hätten, seien sie der "organisierten Staatlichkeit" eingefügt und könnten deshalb mit staatlichen Mitteln finanziert werden 231 . Diese weitgehende Gleichsetzung von Fraktionen und Gruppen, die aufgrund des § 10 Abs. 4 GOBT auch für den Bundestag gilt, läßt nur die grundsätzliche Gleichbehandlung der beiden institutionalisierten Gliederungen des Parlaments zu. Bei einer Zuweisung von Fraktionszuschüssen müssen auch der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe Zuschüsse gewährt werden. Es widerspräche zudem dem Minderheitenschutz einer "kleineren Einheit" des Parlaments Vorrechte zu enthalten, die der "größeren Einheit" zukommen, obwohl beide Institutionen die Parlamentsarbeit erleichtern und verbessern sollen 232 • Wie eine Differenzierung zwischen Fraktion und Gruppe vorgenommen werden darf, kann nUr bei der Höhe der Zuschüsse relevant sein, nicht aber bei der grundsätzlichen Frage, ob der Gruppe Geldmittel bereitzustellen sind.

b) Die Angemessenheit der Zuschüsse Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht, daß die Fraktionszuschüsse allein der Bewältigung der aktuellen, fraktionellen Arbeit im Parlament dienen, und somit nicht ZUr Parteifinanzierung233 oder zur Unterstützung des einzelnen Abgeordneten herangezogen werden dürfen. Verfassungsrechtliches Kriterium für die Angemessenheit kann daher immer nur die Herstellung und die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Institution selbst wie ihrer Gliederungen sein 234 . Das Parlament muß in diesem Falle in eigener Sache entscheiden und gerade dann machen das demokratische und das rechtsstaatliche Prinzip (Art. 20 GG) eine Transparenz des gesamten Willensbildungsprozesses erforderlich, da dies die einzige "Kontrolle" darstellt 235 • Weiterhin muß bei der Frage nach der Angemessenheit der Zuschüsse beachtet werden, daß eine absolute Obergrenze mit konkreten Beträgen nicht angegeben werden kann. Der Geschäftsbedarf der Fraktionen und Gruppen ist zeit- und situationsbedingt, sowie von der subjektiven Einschätzung der Notwendigkeit 230 231

232 233 234

235

Vgl. BVerfGE 62, 194 (202), mit einem Hinweis auf BVerfGE 20, 56 (104). Vgl. oben Punkt B. 1. 6. BVerfGE 62, 194 (202). BVerfGE 20, 56 (105). Jekewitz, ZParl13 (1982), 314 (336). BVerfGE 40, 296 (327).

4 Kassing

B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

50

abhängig 236 . Alle diese unabwägbaren Schwierigkeiten machen eine generelle Antwort unmöglich. Es muß jeweils im Einzelfall entschieden werden, ob die zugewiesenen Mittel angemessen sind, um die anfallende Arbeit bewältigen zu können. Kann in dem als Ausgangspunkt der Überlegungen gewählten Fall237 die Gruppe "Bremer Grüne Liste" durch den gewährten "Pro-Kopf-Zuschlag" ihre Funktionsfähigkeit erhalten, so ist die Zuweisung verfassungsgemäß, und es besteht kein Anspruch auf den Grundbetrag. Erhalten hingegen die anderen Fraktionen durch das bei ihnen angewendete Bemessungssystem Mittel, die nicht für die fraktionelle Arbeit verwendet werden, so darf dieses Geld von der Parlamentsverwaltung zurückverlangt werden238 .

Zwischenergebnis 1. Der Gleichheitsgrundsatz in seinen verschiedenen Ausprägungen bildet

eine Grenze der Geschäftsordnungsautonomie (Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG) des Bundestages.

a) Das Prinzip der verhältnismäßigen Repräsentation (vgl. Art. 53 a Abs. 1 GG) erfordert eine Beteiligung der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe bei der Besetzung der Ausschüsse und des Ältestenrates. Maßstab kann allein das mathematisierte Verteilungsverfahren sein. b) Der Parlamentarische Minderheitenschutz und das Recht auf verfassungsmäßige Ausübung der Opposition zwingen dazu, der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe das Recht der Kleinen Anfrage sowie der Beantragungeiner Aktuellen Stunde einzuräumen. 2. Der Gleichheitsgrundsatz, die Chancengleichheit, der parlamentarische Minderheitenschutz sowie das Recht auf verfassungsmäßige Ausübung der Opposition machen bei der haushaltsrechtlichen Bereitstellung von Fraktionszuschüssen auch eine solche für die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe erforderlich. Die Angemessenheit muß eine Frage des Einzelfalles bleiben.

Vgl. Jekewitz, ZParl15 (1984), 14 (21). Vgl. oben Punkt B. I. 6. 238 Vgl. Jekewitz, ZParl 13 (1982), 314 (315) mit einem Hinweis auf zahlreiche Pressemeldungen, wonach der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses Gelder von der Fraktion der Alternativen Liste (AL) aufgrund mißbräuchlicher Verwendung zurückforderte. 236 237

11. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe gem. § 7 Abs. 6 GO/Bre

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n. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe gemäß § 7 Abs. 6 GO/Bre

Nach § 7 Abs. 6 Satz 1 GO/Bre können weniger als 5 Abgeordnete der Bürgerschaft eine Gruppe bilden. Auch die Geschäftsordnung der Bürgerschaft enthält jedoch keine Mindestzahl. Das Verwaltungsgericht Bremen239 hat dargelegt, der Zusammenschluß von 2 Abgeordneten sei ausreichend. Unter der Berücksichtigung der Gesamtzahl der Abgeordneten der Bremisehen Bürgerschaft (100 Abgeordnete) und der Fraktionsmindeststärke (5 Abgeordnete) bestehen keine Bedenken, 2 Abgeordneten den Gruppenstatus zuzubilligen24o • § 7 Abs. 6 Satz 2 GO/Bre bestimmt, daß die in den Absätzen 2 bis 5 getroffenen Regelungen hinsichtlich der Fraktion auch für die Abgeordnetengruppe gelten. Danach sind die Bildung einer Gruppe, ihre Bezeichnung, sowie die Namen der Vorsitzenden, Mitglieder und Hospitanten dem Vorstand der Bürgerschaft schriftlich mitzuteilen. Weitere Konstituierungsvoraussetzungen sind in der Geschäftsordnung nicht genannt. Insbesondere wird nicht ausdrücklich eine ausreichende politische Homogenität gefordert und auf ein damit einhergehendes Anerkennungsverfahren hingewiesen. Die bremische Regelung unterscheidet sich somit wesentlich von der in der Geschäftsordnung des Bundestages241 . Das Verwaltungsgericht Bremen242 zieht daraus den Schluß, die Abgeordnetengruppe in der Bremischen Bürgerschaft müsse nicht politisch homogen sein. Dem wird in der Literatur 243 vor allem von Röper244 mit folgender Argumentation widersprochen: "Die Funktion von Fraktionen und Gruppen ist es endlich, politische Ziele zu bündeln. Dem widerspricht es, wenn Abgeordnete politisch heterogener Parteien eine Zweckehe nur zur Erlangung finanzieller, geschäftsordnungsmäßiger oder ähnlicher Vorteile schließen. Auch wenn Geschäftsordnungen nicht ausdrücklich den Zusammenschluß von Abgeordneten einer Partei verlangen, ist vom Wesen der Fraktionen und Abgeordnetengruppen her, als politische Gemeinschaften, doch davon auszugehen, daß es politisch homogene Partner sein müssen. Politisch heterogene Partner können also über die kollektive Wahrnehmung parlamentarischer Minderheitenrechte hinaus keine Gruppen oder Fraktionen bilden. Dies gilt unabhängig von den jeweiligen Geschäftsordnungsbestimmungen. "

VG Bremen, Beschluß vom 22. 12. 1982 (Az.: 2 V 423/82). Vgl. die obigen Ausführungen zu den Bestimmungen in der GOBT, Punkt B. 1. 2. 241 Vgl. oben Punkt B. 1. 3. 242 VG Bremen, Beschluß vom 22. 12. 1982 (Az.: 2 V 423/82). 243 Geller 1 Kleinrahm 1 Dickelsbach, Art. 38 VF/N-W, Anm. 3 c; Pilz, Fraktionen, S. 8, in: Landtag von Abis Z (N-W). 244 Röper, ZParl15 (1984), 13 f. 239 240

4*

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B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

Weiterhin wird das Erfordernis der politischen Homogenität dadurch betont, daß die Fraktion eine auf die Dauer einer Legislaturperiode angelegte Vereinigung gleichgesinnter Abgeordneter darstelle 245 . Von den Stimmen in der Literatur, die die politische Homogenität für zwingend notwendig erachten, auch wenn dies in der Geschäftsordnung nicht gefordert ist, wird die Zweckmäßigkeit dieses Gedankens in den Vordergrund gerückt. Maßstab kann aber angesichts der Geschäftsordnungsautonomie eines Parlaments nicht die Zweckmäßigkeit einer Regelung sein, sondern nur die Verfassungsmäßigkeit. Ein Parlament hat bei der Regelung seiner inneren Angelegenheiten eine weitgehende Gestaltungsfreiheit 246 . Diese weitgehende Gestaltungsfreiheit schließt grundsätzlich den Verzicht einer Regelung mit ein, durch die der Mißbrauch eines Gruppen- oder Fraktionszusammenschlusses verhindert werden so1l247. Betrachtet man die anderslautenden Regelungen z. B. in der Geschäftsordnung des Bundestages, ist eine Regelungslücke, die durch Rechtsfortbildung zu schließen wäre, nicht vorhanden 248 . Der Verzicht auf ein Anerkennungsverfahren, in dem die politische Homogenität überprüft werden könnte, darf nicht durch eine weite Auslegung umgangen werden, wonach die politische Homogenität generell zu berücksichtigen wäre. Der Wille des Geschäftsordnungsgebers muß respektiert werden. Neben der politischen Homogenität wird von einigen Stimmen in der Literatur gefordert 249 , daß eine Institutionalisierte Abgeordnetengruppe immer auf Dauer (einer Legislaturperiode) angelegt sein müsse, um bestimmte politische Zielsetzungen vorzubereiten und durchzusetzen. Um überhaupt von einer Abgeordnetengruppe sprechen zu können, ist die Verfolgung eines gemeinsamen Zieles durch ein gemeinsames Handeln in dem Bewußtsein der Zusammengehörigkeit und Abgrenzung gegenüber Dritten (Gruppenbewußtsein) notwendig 250 , so daß das Element der Dauerhaftigkeit zum Begriff der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe gehört. Ob allerdings die Dauer einer Legislaturperiode zwingend ist, erscheint zweifelhaft. Ebenso kann aus der obigen Definition kein Rückschluß auf die politische Homogenität gezogen werden, da auch heterogene Teile eines Parlaments gemeinsam Ziele durchsetzen können und wollen. Im übrigen geht auch die Regelung in der Geschäftsordnung der Bremisehen Bürgerschaft von einer auf Dauer angelegten Gruppe aus, wie aus § 7 Abs. 2 bis 5 GO/Bre ersichtlich ist.

249

Geller 1 Kleinrahm 1 Dickelsbach, Art. 38 VF/N-W, Anm. 3 c. BVerfGE 44, 308 (314). VG Bremen, Beschluß vom 22. 12. 1982 (Az.: 2 V 423/82). VG Bremen, ebd. Geller 1 Kleinrahm 1 Dickelsbach, Art. 38 VF/N-W, Anm. 3 c; Linck, DÖV 1975,

250

Meyers Neues Lexikon, "Gruppe", S. 477.

245 246 247 248

692.

II. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe gern. § 7 Abs. 6 GO/Bre

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Die Grenze, um dem Mißbrauch vorzubeugen, bildet der Maßstab der Funktionstüchtigkeit und Effizienz des Parlaments251 • Gemeint ist insofern das Parlament als Gesamtheit252 • Sollte somit durch zu häufige Bildungen und Auflösungen von Abgeordnetengruppen eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung der Parlamentsarbeit erfolgen, wäre der Präsident der Bremischen Bürgerschaft in der Lage, mit dieser Begründung den Status zu versagen. Derartige Fälle sind in der Parlamentspraxis bisher nicht bekannt. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe in der Bremischen Bürgerschaft hat folgende Rechte: 1. Aktuelle Stunde (§ 30a GO/Bre)

Nach § 30 a GO/Bre findet auf Antrag einer Gruppe eine Aktuelle Stunde zu bestimmt bezeichneten Themen statt. Die Redezeit wird gemäß § 30 a Abs. 5 GO/Bre gleichmäßig auf Fraktionen und Gruppen verteilt, so daß die Abgeordnetengruppe eine Aktuelle Stunde nicht nur initiieren, sondern auch in den von anderen Fraktionen oder Gruppen beantragten Aktuellen Stunden das Wort ergreifen und reagieren kann. § 30 a Abs. 5 GO/Bre wird insoweit durch § 30 a Abs. 6 GO/Bre ergänzt. Die Bedeutung einer Aktuellen Stunde wurde für den Bundestag bereits dargelegt 253 • Die Wertung, daß es sich um ein nützliches und wirkungsvolles Instrument der Parlamentsarbeit handelt 254 , gilt nicht nur für den Bundestag, sondern muß auch für alle Landesparlamente Geltung beanspruchen. 2. Zuschüsse an die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

Nach § 37 des Bremischen Abgeordnetengesetzes erhalten die Fraktionen der Bürgerschaft zur Durchführung ihrer Aufgaben die erforderlichen Mittel. Eine weitergehende Vorschrift, die eine Mittelzuweisung auch für die Abgeordnetengruppe vorsieht, gibt es nicht. Dennoch erhielt z. B. die Gruppe "Bremer Grüne Liste" aufgrund der früheren Regelung des § 12 Abs. 2 Abgeordnetenentschädigungsgesetz einen an der "Kopfstärke" orientierten Betrag zuerkannt 255 . Die Rechtmäßigkeit der Zahlung von Zuschüssen an eine Abgeordnetengruppe wurde bereits ausführlich dargelegt 256 . Aus Gründen der RechtsSo auch VG Bremen, Beschluß vom 22. 12. 1982 (Az.: 2 V 423/82). Dazu bereits oben Punkt B. 1. 5. c) aal, vgl. auch BVerfGE 6, 84 (92); Badura, in: BK, Art. 38 Rn. 70; Hauenschild, S. 111. 253 Vgl. oben B. 1. 5. c) bb) (3) (c); Datenhandbuch I, S. 737 - 740. 254 Ritzel 1 Bücker, Vorbem. zu §§ 100 - 106 GOBT, Anm. III.4; Schäfer, S. 238. 255 Vgl. BVerfGE 62, 194 (202); Jekewitz, ZParl15 (1984), 18. 256 Vgl. oben Punkt B. 1. 6. b). 251

252

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B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

sicherheit und Klarheit sollte aber eine gesetzlich eindeutige Regelung erfolgen. Die strittige Frage der Angemessenheit der Zuschüsse könnte dadurch abschließend geklärt werden 257 • ID. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe gemäß § 17 Abs. 5 GO/B-W Nach § 17 Abs. 5 GO/B-W können die Abgeordneten der gleichen Partei, die als Bewerber dieser Partei in den Landtag gewählt wurden, in dieser Stärke eine Gruppe bilden. Diese Regelung erfolgte, nachdem bei der Landtagswahl im Jahre 1980 die "Grünen" zwar den Einzug in den Landtag schafften, jedoch die aufgrund des § 17 Abs. 1 GO/B-W erforderliche Fraktionsmindeststärke von acht Abgeordneten um zwei Mandate verfehlten 258 • Der Landtag hatte bereits in seiner konstituierenden Sitzung eine vorläufige Regelung getroffen, die der endgültigen Festlegung in der Geschäftsordnung weitgehend entspricht259 • Durch die baden-württembergische Regelung ist die Frage nach der Mindeststärke der Abgeordnetengruppe und die Forderung nach politischer Homogenität .eindeutig, da die Bildungsvoraussetzungen exakt in der Geschäftsordnung bestimmt sind. § 17 Abs. 5 Satz 2 GO/B-W verweist auf die Absätze 2 bis 4, die bei der Gruppe sinngemäß anzuwenden sind. Neben der Möglichkeit, Gäste aufzunehmen, und den Pflichten, die Bezeichnung der Gruppe und die Namen des Vorsitzenden, der Mitglieder und der Gäste dem Präsidenten mitzuteilen, ist gemäß § 17 Abs. 4 GO/B-W die Gruppe bei der Reihenfolge zu berücksichtigen. Diese Bestimmung ist unter anderem bedeutsam bei dem Vorschlagsrecht für das Amt des Präsidenten und der Reihenfolge der Redner 26o • Sie unterscheidet sich somit von den Regelungen in den Geschäftsordnungen des Bundestages und der Bremischen Bürgerschaft261 •

Wie sich aus den obigen Darlegungen ergibt 262 , kann eine Institutionalisierte Abgeordnetengruppe im Bundestag aus vier verschiedenen Gründen entstehen. Diese Vielfalt der Entstehungsmöglichkeiten existiert im Landtag von Baden-Württemberg nicht. § 17 Abs. 5 GO/B-W sieht nur eine Entstehungsmöglichkeit vor. 257 BVerfGE 62, 194 ff.; es wurde in diesem Verfahren allein um die Höhe der Zuschüsse gestritten. 258 Vgl. Landtag von Baden-Württemberg, 8. WP, Drucksache 8/320, S. 1 ff.; insbesondere Anlage I, S. 13 - 15. 259 Vgl. Landtag von Baden-Württemberg, 8. WP, Drucksache 8/4 Teil I. 260 Vgl. dazu Ritzel I BückeT, § 11 GOBT, Anm. 1 a. 261 § 10 Abs. 4 GOBT; § 7 Abs. 6 GO/Bre. 262 Vgl. oben Punkt B. I. 1.

III. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe gern. § 17 Abs. 5 GO/B-W

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1. Die Rechte der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe

nach der Geschäftsordnung

Mit der geschäftsordnungsmäßigen Anerkennung der Gruppe sind dieser auch eine Vielzahl von Rechten eingeräumt worden. In der Begründung werden die der Gruppe zuerkannten Rechte als zwingende Folgeänderungen bezeichnet263 . - Nach § 19 Abs. 2 GO/B-W werden die Ausschußmitglieder nach den Vorschlägen der Fraktionen und Gruppen gewählt. Ebenso werden gemäß § 14 Abs. 3 GO/B-W die Gruppen bei der Besetzung der Ausschüsse und der Wahl der Ausschußvorsitzenden sowie der Stellvertreter beteiligt. - Ebenfalls die Ausschußarbeit betrifft der § 27 Abs. 1 Satz 2 GO/B-W, nach dem bei selbständigen Anträgen der Berichterstatter und der Antragsteller nicht derselben Gruppe angehören sollen. - Nach § 47 Abs. 2 GO/B-W müssen Änderungsanträge zur Dritten Beratung des Haushaltsgesetzes oder eines Nachtragshaushaltsgesetzes von einer Fraktion oder Gruppe unterzeichnet sein. - :t-rach § 52 Abs. 3 GO/B-W können Anträge gegen den Willen des Antrag- stellers, die den Fraktionen oder Gruppen spätestens eine Woche vor der Sitzung mitgeteilt worden sind, nicht für erledigt erklärt oder der Regierung als Material überwiesen werden. - Gemäß § 53 Abs. 1 GO/B-W bedarf ein Antrag, der einen Gesetzentwurf enthält, der Unterzeichnung durch acht Abgeordnete, durch eine Fraktion oder Gruppe. - Nach § 59 Abs. 1 GO/B-W kann eine Fraktion oder Gruppe über ein bestimmt bezeichnetes Thema von allgemeinem Interesse, für dessen Erörterung ein aktueller Anlaß besteht, eine Aussprache beantragen (Aktuelle Debatte). Der Antrag ist schriftlich beim Präsidenten einzureichen, der ihn unverzüglich den Fraktionen, den Gruppen und der Regierung zur Kenntnis bringt. Gemäß § 59 Abs. 4 GO/B-W kann in einer Sitzung nur ein Antrag einer Fraktion oder Gruppe zum Zuge kommen. - Nach § 62 Abs. 2 GO/B-W müssen Große Anfragen von einer Fraktion, einer Gruppe oder mindestens fünfzehn Abgeordneten unterzeichnet sein. - Gemäß § 63 Abs. 2 GO/B-W wird die Große Anfrage auf die Tagesordnung gesetzt, wenn sie von einer Fraktion, einer Gruppe oder mindestens fünfzehn Abgeordneten verlangt wird. - Anträge zur Großen Anfrage bedürfen nach § 64 GO/B-W der Unterstützung einer Fraktion, einer Gruppe oder mindestens fünfzehn Abgeordneter. 263

Landtag von Baden-Württernberg, 8. WP, Drucksache 8/320, S. 14.

56

B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

- Bei der Bestimmung der Reihenfolge der Redner ist gemäß § 82 Abs. 2 GOI ~- W die sachgemäße Erledigung, die zweckmäßige Gestaltung sowie die Stärke der Fraktionen und Gruppen maßgebend. Nach § 83 Abs. 2 GO/B-W sind im Wortlaut vorbereitete Reden bei Regierungserklärungen, Erklärungen der Fraktionen und Gruppen und bei Berichten zulässig. 2. Die Zuschüsse an die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

Nach § 19 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Landtages erhält die Fraktion zur Bestreitung ihrer Kosten monatlich im voraus zu zahlende Zuschüsse nach Maßgabe des Staatshaushaltsplanes. Jede Fraktion erhält dadurch einen monatlichen Grundbetrag, einen monatlichen "Kopfbetrag" für jeden Abgeordneten sowie einen nach der Fraktionsstärke gestaffelten Zusatzbetrag 264 . Obwohl nach dem Wortlaut des § 19, Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Landtages, die Gruppe keinen Anspruch auf Zuschußgewährung hat, wurde der Gruppe "Die Grünen" ein eigener Haushaltstitel eingeräumt2 65 • Danach erhielt diese die Hälfte des monatlichen Grundbetrages einer Fraktion, denselben "Kopfbetrag" , den Oppositionszuschlag und einen der Größe der Gruppe entsprechenden Zusatzbetrag. 3. Die Bewertung der baden-württembergischen Regelung

Die Verfassungsmäßigkeit der Regelung des Rechts der Abgeordnetengruppe, wie sie in der Geschäftsordnung des Bundestags zum Ausdruck kommt, wurde in einem Zwischenergebnis festgehalten 266 • Vergleicht man das dort gefundene Ergebnis mit der tatsächlichen Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Landtages von Baden-Württemberg, so ist festzustellen, daß alle verfassungsmäßigen Erfordernisse erfüllt sind und darüber hinaus der Abgeordnetengruppe weitergehende Befugnisse eingeräumt wurden. Interessant ist in diesem Zusammenhang besonders, daß in der Begründung der Geschäftsordnungsänderung die jetzige Regelung als zwingende Folgeänderung bezeichnet wurde 267 . Zwingend muß in diesem Zusammenhang jedoch nicht notwendigerweise im verfassungsrechtlichen Sinne verstanden werden, sondern kann auch den Zweckmäßigkeitsge264 Vgl. Jekewitz, ZPari 13 (1982), 324 f. unter Hinweis auf den Haushalt von Baden-Württemberg 1982, EP 0101, Erläuterungen zu Titel 684.01. 265 Jekewitz, ZPari 13 (1982), 324 f. unter Hinweis auf den Haushalt von BadenWürttemberg 1982, EP 0101, Erläuterungen zu Titel 684.02. 266 Vgl. oben Zwischenergebnis nach Punkt B. I. 6. 267 Landtag von Baden-Württemberg, 8. WP, Durcksache 8/320, S. 14.

III. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe gern. § 17 Abs. 5 GO/B-W

57

sichtspunkt betonen. Durch die Verleihung des Gruppenstatus darf in jedem Fall nicht nur eine "leere Hülse" geschaffen werden, wie dies im Bundestag geschehen ist. Die baden-württembergische Regelung setzt die Fraktion und die Gruppe nahezu auf eine Stufe 268 . Es werden der Abgeordnetengruppe sogar Rechte eingeräumt, die sonst nur von 15 Abgeordneten ausgeübt werden können 269 , so daß dadurch eine Gruppe, die aus weniger als 8 Abgeordneten besteht, übermäßig gestärkt sein könnte, wenn dies eine unzulässige Benachteiligung der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe darstellen würde 270 . Weiterhin wird die Bedeutung, die der Gruppe zugemessen wird, beispielsweise durch § 83 Abs. 2 GO/B-W deutlich. Erklärungen der Gruppen und Regierungserklärungen werden insofern gleich gewichtet. Besondere Bedeutung muß bei jeder Änderung einer Geschäftsordnung die Effizienz und Funktionsfähigkeit des Parlaments finden 271 . Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung wird durch die Nichtberücksichtigung der Gruppen bei der Besetzung der Ausschüsse und anderer Gremien die Aufspaltung der Volksvertretung verhindert und die Mehrheitsbildung erleichtert 272 . Dies soll zwar letztlich die Effizienz der Parlaments arbeit sichern, jedoch ist die darin liegende gleiche Zielsetzung der Bestimmungen der Geschäftsordnung und der SperrklauseI des § 6 Abs. 6 BWG273 problematisch274 . Die Existenz einer "zweiten" SperrklauseI war Streitgegenstand einer Klage von drei Abgeordneten der Bezirksverordnetenversammlung BerlinReinickendorf, die diese angestrengt hatten, um den Fraktionsstatus zu erlangen. Dem Begehren der drei Abgeordneten wurde entsprochen, ohne daß es einer gerichtlichen Entscheidung bedurfte, nachdem in einer gutachterlichen Stellunganhme vom 22. 7. 1971 der Berliner Senator für Inneres die "zweite" Sperrklausel in der Geschäftsordnung für rechtswidrig erklärt hatte, weil diese dem verfassungsrechtlichen Minderheitenschutz widerspreche und die wahlrechtliche SperrklauseI im Wahlgesetz Vorrang habe 275 . Vgl. oben Punkt B. III. l. z. B. §§ 62 Abs. 2, 63 Abs. 2, 64 GO/B-W. 270 Zur Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe wird auf die folgenden Ausführungen unter Punkt C. verwiesen. 271 BVerfGE 6, 84 (92); Badura, in: BK Art. 38, Rn. 70; Hauenschild, S. 111; Linck, DÖV 1975, 690 . 272 Ritzel/ Bücker, § 10 GOBT, Anm. IV 1 b. 273 Das Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 6, 84 (92) hat die Sperrklausei für verfassungsgemäß erklärt. 274 Vgl. Schmidt, unveröffentlichtes Gutachten im Auftrage der F.D.P. im Bayerischen Landtag, S. 17 - 19. 275 Unveröffentlichtes Gutachten des Berliner Senators für Inneres vom 22 . 7. 1971, Az.: I A-0211/6906. 268

269

B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

58

Obwohl dieser Auffassung, wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt 276 , nicht gefolgt werden kann, zeigt sie die Schwierigkeit, der Abgeordnetengruppe bestimmte Rechte zu versagen, um die Parlamentsarbeit zu erleichtern. Im übrigen muß die Prämisse bezweifelt werden, die Volksvertretung werde aufgespalten und die Mehrheitsbildung erschwert, wenn der Abgeordnetengruppe parlamentarische Befugnisse eingeräumt würden. Nach Auskunft der Verwaltung des Landtages von Baden-Württemberg277 setzt die Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Landtages eine politische Wertung voraus, so daß eine abschließende An~wort nicht gegeben werden könne. Dennoch wurde dargelegt, daß aus Sicht der Verwaltung, die Funktionsfähigkeit des Landtages während der 8. Wahlperiode durch die Gruppe "Die Grünen" nicht nachteilig beeinflußt worden sei. Die 1980 in BadenWürttemberg gefundene Regelung hat sich danach auch in der Parlamentspraxis bewährt. Die verfassungsrechtlich nicht zwingende, jedoch zweckmäßige weitgehende Gleichbehandlung von Fraktion und Abgeordnetengruppe in BadenWürttemberg muß auch unter dem Aspekt gesehen werden, daß die Möglichkeiten der Gruppenbildung eingeschränkt sind278 • Es können nur die Abgeordneten einer Partei eine Gruppe bilden, wenn die wahlrechtliche Sperrklausel überwunden wird und die Fraktionsmindeststärke nicht erreicht worden ist. Aufgrund dieser eingeschränkten Bildungsvoraussetzungen wird durch die Geschäftsordnung sichergestellt, daß die Zahl der Abgeordnetengruppen begrenzt bleibt. Die Gefahr der ,erschwerten Parlamentsarbeit ist somit auch bei der jetzigen Regelung gering und der Mißbrauch nahezu ausgeschlossen. IV. Die Regelungen in den Ländern ohne Institutionalisierte Abgeordnetengruppe Probleme der Fraktionsbildung oder des Verlustes des Fraktionsstatus werden in den Landtagen von Baden-Württemberg und Bremen durch das Instrument der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe aufgefangen. Da diese Problematik jedoch nicht auf die beiden genannten Landtage beschränkt ist, bleibt zu untersuchen, wie die anderen Landtage eine Lösung herbeiführen. 1. Bayern

Bei den Landtagswahlen vom 27. 10. 1974 errangen lediglich 8 Abgeordnete der F.D.P. ein Mandat, so daß die Fraktionsmindeststärke von 10 Abge276

277 278

Vgl. nur das Zwischenergebnis nach Punkt B. I. 6. Schreiben vom 22.7.1985 auf eine entsprechende Anfrage. Vgl. § 17 Abs. 5 GO/B-W.

IV. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe in anderen Ländern

59

ordneten (§ 7 Abs. 1 GO/Bay) nicht erreicht wurde. In einem Verfahren vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof 279 stellten unter anderem die 8 Abgeordneten der F.D.P. den Antrag, festzustellen, daß der § 7 Abs. 1 GOI Bay mit der Bayerischen Verfassung nicht vereinbar sei, da ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 118 Abs. 1 BV, das freie Mandat (Art. 13 Abs. 2 BV) sowie die Oppositionsfreiheit und den Minderheitenschutz vorliege. Die Klage wurde abgewiesen. Vorher hatte der Bayerische Landtag bereits folgende Änderungen der Geschäftsordnung beschlossen: a) Gemäß § 17 Abs. 2 GO/Bay gilt der Absatz 1 für Gruppen von Abgeordneten derselben Partei, die wegen des Fehlens der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 GO/Bay keine Fraktion bilden können, entsprechend, so daß die Abgeordnetengruppe bei der Zusammensetzung des Ältestenrates zu berücksichtigen ist. b) Nach § 26 Abs. 2 GO/Bay ist für die Besetzung der Ausschüsse gemäß § 8 Abs. 2 GO/Bay die Stärke der Fraktionen maßgebend, wobei auch Gruppen von Abgeordneten derselben Partei, die wegen des Fehlens der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 GO/Bay (Fraktionsmindeststärke) keine Fraktion bilden können, berücksichtigt werden, falls die Zahl der Mitglieder des Ausschusses, der nach dem d'Hondtschen System besetzt wird, dies ermöglicht. c) § 26 Abs. 2 GO/Bay gilt für den Zwischenausschuß280 entsprechend (§ 20 Abs. 2 GO/Bay). d) Nach § 111 Abs. 2 GO/Bay betrug die Rededauer der Abgeordnetengruppe in besonderen Fällen höchstens die Hälfte der für eine Fraktion festgesetzten Grundredezeit. Diese Bestimmung ist allerdings inzwischen entfallen. Die Situation der Abgeordnetengruppe im Bayerischen Landtag ist außergewöhnlich. Obwohl eine Institutionalisierung nicht erfolgte, wurden teilweise Rechte geschaffen, wie dies bei institutionalisierten Gruppen der Fall ist oder sein sollte281 . Diese ein wenig unsystematische Neuordnung kann nur auf die besondere Situation nach der Landtagswahl im Jahre 1974 zurückgeführt werden und auf die damit im Zusammenhang stehende verhärtete Auseinandersetzung der verschiedenen Parteien282 . Die Diskussion um den Fraktionsstatus der 8 Abgeordneten der F.D.P. im Bayerischen Landtag ist exemplarisch dafür, daß verfassungs- und geschäftsordnungsrechtliche Auseinandersetzungen unabhängig von einem aktuellen Streit geführt werden sollten 283 . 279 280 281 282

BayVBl. 1976,431 ff. Vgl. Art. 26 Abs. 1 VF/Bay. Dazu Baden-Württemberg, Bremen, Bundestag; vgl. auch S. 56. Bayerischer Landtag, Stenographischer Bericht 8/22 vom 15.5. 1975,S. 1022 ff.

B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

60

2. Berlin

Soweit ersichtlich 284 ist eine Institutionalisierte Abgeordnetengruppe im Berliner Abgeordnetenhaus noch nie gebildet worden. Unverständiich muß daher die Erläuterung im Haushalt des Jahres 1982 zu einem auf § 35 Landesabgeordnetengesetz beruhenden Titel erscheinen, wenn es dort heißt: "Zuschüsse für Fraktionen und Gruppen"285. 3. Hamburg

In der 1. und 2. Wahlperiode der Bürgerschaft nach dem 2. Weltkrieg hatten nur 4 und 5 Abgeordnete der KPD ein Mandat errungen. Sie konnten daher keine Fraktion bilden 286 . Trotzdem wurde die Gruppe der KPD-Abgeordneten bei der Verteilung der Ausschußsitze berücksichtigt, ohne daß eine rechtliche Verpflichtung bestanden hätte 287 . Rein faktisch wurden die KPDAbgeordneten somit wie eine Institutionalisierte Abgeordnetengruppe behandelt. In den folgenden Wahlperioden gab es Gruppenbildungen in der Bürgerschaft nicht mehr. 4. Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland

In allen 3 Bundesländern ist noch nie eine Institutionalisierte Abgeordnetengruppe gebildet worden, obwohl eine Fraktionsmindeststärke existiert 288 . Wie an dem Beispiel Bayern deutlich wurde, sind die Fraktionsmindeststärke und die Rechte der Abgeordnetengruppe eng miteinander verknüpft. 5. Niedersachsen

Aufgrund des Ergebnisses der Landtagswahl vom 20. 4. 1959 hatte sich eine aus 20 Abgeordneten bestehende Fraktion der Deutschen Partei gebildet. Bis zum März 1962 verließen 18 Abgeordnete diese Fraktion. Dennoch stellte der Präsident des Landtages die Zahlung von Fraktionszuschüssen Vgl. oben Punkt A. I. Einen Überblick hinsichtlich der Minderheitenrechte im Abgeordnetenhaus gibt Nauber, S. 148. 285 Vgl. Jekewitz, ZParl. 13 (1982), 322 unter Hinweis auf den Haushalt Berlins 1982 (S. 19); EP 0100; Titel 684.01. 286 Nach § 9 Abs. 1 GO/Hbg. wird die Fraktionsmindeststärke durch Beschluß der Bürgerschaft festgesetzt. Am 20.6. 1978 erfolgte die Festlegung auf 6 Abgeordnete (9. WP LT-Drs. 9/1). 287 Die Information wurde auf Anfrage von der Bürgerschaftskanzlei am 14. 5. 1984 schriftlich erteilt. 288 § 2 GO/Hes, durch LT-Beschluß 6 Abgeordnete; § 16 Abs. 1 GO/N-W, 5 % der Mitglieder des Landtages; § 10 GO/SL, § 28 Gesetz über den Landtag des Saarlandes. 283 284

IV. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe in anderen Ländern

61

nur vorläufig ein. Die CDU-Fraktion rief daraufhin den Staatsgerichtshof an und machte geltend, die Fraktion der Deutschen Partei bestehe nicht mehr, so daß die Zahlungen endgültig einzustellen wären. Durch Urteil vom 19. 1. 1963 bekräftigte der Staatsgerichtshof die Auffassung, eine Vereinigung von 2 Abgeordneten könne nicht als Fraktion im Niedersächsischen Landtag angesehen werden 289 . Die 2 Abgeordneten der Deutschen Partei hätten lediglich als "Gruppe" auftreten können, wenn die Geschäftsordnung eine entsprechende Regelung vorgesehen hätte290 . Nach der heute geltenden Fassung des § 2 Abs. 1 GO/Nds ist das Problem der Gruppenbildung nicht mehr sehr akut, da sich die Abgeordneten zu einer Fraktion zusammenschließen können, die der gleichen Partei angehören, falls diese Partei den nach dem Landeswahlgesetz erforderlichen Gesamtstimmenanteil erreicht hat. Durch die Geschäftsordnung wird somit keine "zweite" Sperrklausei errichtet. Die Fraktionsmindeststärke ist an die wahlrechtliehe Sperrklausel gebunden. Problematisch bleibt jedoch der Fraktionsstatus bei Austritten 291 . Insofern ist die Frage der Abgeordnetengruppe nicht obsolet. 6. Rheinland-Pfalz

Die rheinland-pfälzische Regelung ist im wesentlichen mit derjenigen in Niedersachsen vergleichbar. Unterschiedlich ist allein der fehlende wörtliche Bezug zum Landeswahlgesetz. Abgeordnete derselben in den Landtag gewählten Partei können sich gemäß § 8 Abs. 1 GO/Rh-Pf zu einer Fraktion zusammenschließen, ohne daß eine Fraktionsmindeststärke erreicht werden muß. Bei der Landtagswahl im Jahre 1971 erreichte die F.D.P.lediglich 9 Mandate. § 20 des Landesgetzes zur Ausführung des Art. 97 der Verfassung für Rheinland-Pfalz (Abgeordnetenentschädigungsgesetz) erhielt daraufhin folgende neue Überschrift: "Zuschüsse an Fraktionen und Gruppen". Weiterhin wurde der Absatz 4 eingefügt, nach dem anerkannte Landtagsgruppen zur Bestreitung ihrer Geschäftskosten und für den Beratungsdienst einen pauschalisierten Zuschuß erhielten. 1973 wurde § 20 Abs. 4 aufgehoben, so daß die bis dahin mögliche Finanzierung von Landtagsgruppen nunmehr entfällt 292 .

Nds. StGH OVGE 17, 509 ff. Nds. Landtag, 4. WP LT-Drs. Nr. 864, S. 4433; vgl. auch die LT-Drs. Nr. 895, 907,911,989. 291 Vgl. Nds. StGH OVGE 17, 509 ff., wonach der zu Beginn einer Wahlperiode erlangte Status der Fraktion nicht für die gesamte Dauer der Wahlperiode, ohne Rücksicht auf den Wechsel im Mitgliederbestand, erhalten bleibt. 292 Vgl. Jekewitz, ZPar113 (1982), 328 f. 289 290

62

B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe 7. Schleswig-Holstein

Die Frage der Minderheitenrechte ist aufgrund der völkerschaftlichen Minderheit der Südschleswiger im Bundesland Schleswig-Holstein besonders relevant. Parteilich repräsentiert werden die Südschleswiger überwiegend durch den SSW. Diese Partei muß die ,,5-%-Hürde" nicht überwinden, um in den Landtag einzuziehen. Da zumeist nur ein Vertreter des SSW ein Mandat erringt, wäre die Bildung einer Fraktion gern. § 21 GO/S-H grundsätzlich unmöglich. Die Fraktionsmindeststärke ist durch Beschluß des Landtages vom 12. 4. 1983 auf 3 Mitglieder festgesetzt worden. Gleichzeitig wurden dem Vertreter des SSW für die Dauer der Wahlperiode die Rechte einer Fraktion eingeräumt 293 • Dieses weitgehende Entgegenkommen der Mehrheit, bedingt durch die außergewöhnliche Konstellation im nördlichsten Bundesland, ließ die Frage der Gruppenbildung bisher nicht aufkommen. Im übrigen wäre ein ähnliches Entgegenkommen notwendig, um einer Person Gruppenrechte zu gewähren. V. Stellungnahme zur Ausgestaltung des Rechts der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe in den Bundesländern Die soeben beschriebene höchst unterschiedliche Situation in den Bundesländern dokumentiert die Schwierigkeit einer auf alle Landesparlamente bezogenen Gesamtanalyse. Erstaunen darf die Vielfalt der Regelun~ gen angesichts der lückenlosen Autonomiebefugnisse eines Parlamentes 294 allerdings nicht hervorrrufen. Die Geschäftsordnungsautonomie ist in jeder Landesverfassung verankert295 • Wie bereits dargelegt, hat die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe im Landtag von Baden-Württemberg nahezu die Rechte, die auch die Fraktion besitzt. Dieser für die Abgeordnetengruppe idealsten Regelung stehen die Regelungen in den meisten Bundesländern gegenüber, die die Abgeordnetengruppe weder institutionalisieren noch ihr besondere Rechte einräumen. "Dazwischen" muß die Regelung in der Geschäftsordnung der Bremisehen Bürgerschaft eingeordnet werden, die die Abgeordnetengruppe zwar institutionalisiert, ihr jedoch wenige eigenständige Rechte gewährt 296 . Auch 293

Plenarprotokoll S. 6, zu LT-Drs. 10/6.

Maunz, in: Maunz 1 Dürig, Art. 40, Rn. 2. 295 Art. 32 Abs. 1,33 VF/B-W; Art. 20 Abs. 3 VF/Bay; Art. 29 VF/Bln; Art. 106 VFI Bre; Art. 18 Abs. 1, 20 Abs. 2, 3 VF/Hbg; Art. 99 VF/Hes; Art. 8 Abs. 1, 9, 42 VF/Nds; Art. 38 Abs. 1,39 Abs. 3,40 VF/N-W; Art. 85 Abs. 1 VF/Rh-Pf; Art. 70 VF/SL; Art. 13 294

Abs. 3 VF/S-H.

V. Stellungnahme zu den Länderregelungen

63

die in der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags enthaltene Regelung muß so eingeordnet werden, da ohne eine Institutionalisierung der Gruppe dieser besondere Rechte verliehen wurden 297 . Die Vielzahl der divergierenden Regelungen veranlaßt zu der Frage, ob alle Bestimmungen der Geschäftsordnungen verfassungsgemäß sind, oder ob nicht das Grundgesetz und die Landesverfassungen eine konkrete Entscheidung verlangen. Für das Recht der Abgeordnetengruppe fragt sich: Erstens: Ist der Geschäftsordnungsgeber verfassungsrechtlich verpflichtet, die Abgeordnetengruppe zu institutionalisieren? Zweitens: Müssen der Abgeordnetengruppe einzelne Rechte eingeräumt werden298 ? 1. Die Pflicht zur Institutionalisierung der Abgeordnetengruppe

Die Rechtsqualität der Geschäftsordnung des Bundestages und der Landtage ist umstritten. Es werden fast alle denkbaren Lösungen vertreten (Rechtsverordnung299 , gemischte Rechts- und Verwaltungsordnung300 , Konventionalregeln 301 , Gesetz ohne Publikationszwang302 , objektives Recht kraft Vereinbarung 303 , Rechtsgebilde sui generis 304 , interne Vorschriften ohne Rechtscharakter 305 , parlamentarische Innenrechtsnorm306). Die heute herrschende Lehre geht allerdings 4avon aus, bei der Geschäftsordnung handele es sich um eine autonome Satzung307 . Einer Entscheidung bedarf dieser Meinungsstreit nicht, da die Geschäftsordnungsautonomie in jedem Fall ihre Grenzen in der verfassungsmäßigen Ordnung (Art. 20 Abs. 3 GG) findet 308 , und daher die praktische Bedeutung gering ist. Als Grenze der Geschäftsordnungsautonomie sind nach der hier vertretenen Meinung im Rahmen des Rechts der Abgeordnetengruppe nicht die Art. 21 GG309 und § 30 a GO/Bre. §§ 20 Abs. 2 und 26 Abs. 2 GO/Bay. 298 Vgl. dazu die Ausführungen zur Geschäftsordnung des Bundestages, unter Punkt B. I. 5 und 6. 299 G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 169. 300 Giese, Deutsches Staatsrecht, S. 132; W. Jellinek, in: Teubners Handbuch der Staats- und Wirtschaftskunde, Bd. 2/3, H. 2, S. 66. 301 Hatschek, Parlamentsrecht, S. 3l. 302 v. Heyden, Die parlamentarische Polizeigewalt, Diss., S. 3l. 303 Schmid, AöR 32 (1914), 458 f. 304 Walz, Staatsrecht, S. 332 f. 305 Vgl. auch Arndt, S. 156 ff., der auch den gesamten Meinungsstreit umfassend darstellt; o. Mayer, Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen, S. 14l. 306 Achterberg, Parlamentsrecht, S. 59. 307 Vgl. nur Maunz, in: Maunz / Dürig, Art. 40, Rn. 21; BVerfGE 1, 144 (148). 308 Arndt, S. 75; Hamann / Lenz, Art. 40, Anm. B 3. 309 Vgl. Punkt B. I. 5. b). 296

297

64

B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG310 anzusehen, sondern sind der allgemeine Gleichheitssatz in der speziellen Ausprägung des parlamentarischen Minderheitenschutzes 311 sowie das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition312 heranzuziehen. Bevor jedoch die zwei aufgeworfenen Fragen313 des Rechts der Abgeordnetengruppe näher untersucht werden können, ist ein Rückgriff auf die Fraktion vorzunehmen. Es soll zunächst untersucht werden, ob es verfassungsrechtlich notwendig war, die Fraktion zu institutionalisieren, wie es beispielsweise durch § 10 GOBT und Art. 53 a GG geschehen ist, oder ob es aus verfassungsrechtlichen Gründen nur wünschenswert bleibt. Da die Fraktion gegenüber der Abgeordnetengruppe die größere parlamentarische "Einheit" darstellt, erscheint diese Reihenfolge zwingend. Besteht nicht einmal die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Institutionalisierung der Fraktion, so kann die Pflicht erst Recht nicht für die Abgeordnetengruppe bestehen.

a) Die Pflicht zur Institutionalisierung der Fraktion Der Begriff der Fraktion und die entsprechenden Bildungsvoraussetzungen sind in allen Geschäftsordnungen der Landtage genannt 314 . Diese rein tatsächliche Feststellung kann jedoch nur ein Indiz für die Beantwortung der obigen Fragen darstellen, obwohl gerade im Parlamentsrecht der Rechtswirklichkeit eine besondere Bedeutung zukommt315 . Der parlamentarische Brauch316 kann sich zum parlamentarischen Gewohnheitsrecht entwickeln und somit zur eigenständigen Rechtsquelle werden 317 . Parlamentarisches Gewohnheitsrecht und der Parlamentsbrauch haben allerdings nur eine ergänzende Funktion318 . Bevor untersucht werden kann, ob die Fraktion aus gewohnheitsrechtlichen Gründen institutionalisiert werden muß, ist ein Rückgriff auf das materielle Verfassungsrecht notwendig.

Vgl. Punkt B. 1. 5. a). Vgl. Punkt B. 1. 5. cl. 312 Vgl. Punkt B. 1. 5. c) bb); Arndt, S. 76; der Grundsatz der verhältnismäßigen Repräsentation ist als Grenze der Autonomie auf die Besetzungsrechte beschränkt und daher hier unbedeutend. 313 Vgl. Punkt B. V. 1. 314 §§ 14, 17, 19 GO/B-W; §§ 7, 8 GO/Bay; §§ 7 - 9 GOIBIn; § 7 GO/Bre; §§ 9, 10 GO/Hbg; §§ 2, 3 GO/Hes; §§ 2, 3 Abs. 2 GO/Nds; §§ 16 - 18 GO/N-W; §§ 8, 9 GOI Rh-Pf; § 10 GO/SL, § 28 Gesetz über den Landtag des Saarlandes; § 23 GO/S-H. 315 Achterberg, Parlamentsrecht, Vorwort. 316 Meyn, JZ 1977,168. 317 Achterberg, Parlamentsrecht, S. 67; Maunz I Zippelius, § 38 II 1 b, S. 342; Maunz, in: Maunz I Dürig, Art. 40, Rn. 15. 318 Achterberg, Parlamentsrecht, S. 67, Fn. 2; Meyn, JZ 1977, 168. 310 311

v. Stellungnahme zu den Länderregelungen

65

aa) Die Fraktion als Begriff der Verfassung Durch die Verfassungsnovelle vom 24. 6. 1968 ist Art. 53 a GG in den Text des Grundgesetzes aufgenommen worden. Damit taucht zum ersten Mal der Begriff der Fraktion auf der Ebene des Verfassungsrechts auf. Emmelius zieht daraus folgende Konsequenz: Die Hereinnahme des Fraktionsbegriffs in das Grundgesetz müsse ihrem Zweck entsprechend als eine Bindung des innerparlamentarischen Geschäftsordnungsrechts dahin aufgefaßt werden, daß die Mindestmitgliederzahl der Fraktionen, jedenfalls soweit sie für Art. 53 a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 GG bedeutsam sei, nicht über ein zwanzigstel der gesetzlichen Mitgliederzahl des Bundestages, also zur Zeit nicht über 25 angehoben werden dürfe, weil sonst die Vorschrift des Art. 53 a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 GG in sinnwidriger Weise ausgehöhlt werde. Würde die Berücksichtigung einer Gruppierung von Abgeordneten bei der Beschikkung des Gemeinsamen Ausschusses ausschließlich von einem Beschluß des Bundestages nach § 10 Abs. 1 Satz 4 GOBT abhängen, so müsse dieser Beschluß gefaßt werden 319 •

Herzog schließt sich dieser Auffassung weitgehend an. Er geht sogar noch einen Schritt weiter, indem die Frage aufgeworfen wird, ob nicht sogar eine Bindung an die Fraktionsmindeststärke von 15 Abgeordneten bestehe, da zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Verfassungsnovelle eine entsprechende Zahl bestanden habe. Letztlich wird diese weitgehende Konsequenz zwar abgelehnt, jedoch wird darauf verwiesen, daß eine wesentliche Erhöhung der Fraktionsmindeststärke dem Leitbild der Verfassungsnovelle widerspreche32o • Herzog und Emmelius gehen folglich davon aus, daß aufgrund des Art. 53 a GG der Bundestag verpflichtet sei, die Fraktion zu institutionalisieren. Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter, indem sie durch den Art. 53 a GG einen Einfluß auf die Festsetzung der Fraktionsmindeststärke erblicken. Folgt man dieser Auffassung, muß in den Ländern, in denen die Fraktion auch einen Begriff der Landesverfassung darstellt, das Landesparlament die Fraktion institutionalisieren. Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg sichert in Art. 37 dem Abgeordneten Indemnität zu für Äußerungen in einer Fraktion. Ebenso wird durch Art. 14 der Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung verfahren. Art. 105 der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen bestimmt, daß bei der Zusammensetzung der Ausschüsse in der Regel die Fraktionen zu berücksichtigen seien. In Baden-Württemberg, Bremen und Niedersachsen besteht danach die Pflicht zur Institutionalisierung der Fraktion. 319 320

Emmelius, Der Gemeinsame Ausschuß, S. 135. Herzog, in: Maunz / Dürig, Art. 53 a, Rn. 14, Fn. 2.

5 Kassing

B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

66

Die von Emmelius und Herzog entwickelte Auffassung ist überzeugend. Dennoch wird diesem Lösungsweg von Praktikern sicherlich vorgehalten werden, er sei zu formalistisch und berücksichtige die gerade im Parlamentsrecht bedeutsame Rechtswirklichkeit nicht ausreichend 321 . Aus diesem Grunde und im Hinblick auf die Bundesländer, in denen die Fraktion kein Verfassungsbegriff ist, soll untersucht werden, ob das parlamentarische Gewohnheitsrecht, der parlamentarische Minderheitenschutz oder das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition322 zur Institutionalisierung zwingt. bb) Das parlamentarische Gewohnheitsrecht Das parlamentarische Gewohnheitsrecht bedarf als ungeschriebenes Parlamentsrecht der parlamentarischen Tradition und einer langen Parlamentspraxis, um sich bilden zu können323 . Hat sich Gewohnheitsrecht jedoch entwickelt, so ist das Parlament in seinen Beschlüssen daran gebunden 324 . Erste Fraktionsbildungen im heutigen Sinne gab es bereits im ersten deutschen Parlament, der Frankfurter Nationalversammlung von 1848 325 . Das Streben nach effektiver Arbeit führte zu Gruppenbildungen politischer Richtungen, ohne allerdings parteipolitisch zu sein. Die Fraktionen nannten sich auch "Clubbs" oder "Mitgliedervereinigungen"326. Im Reichstag von 1871 schlossen sich die gewählten Abgeordneten erstmals nach ihrer Parteizugehörigkeit zusammen. Der Name der Partei wurde auch der der Fraktion327 . Institutionalisiert wurde die Fraktion allerdings erst durch die Geschäftsordnung des Weimarer Reichstages vom 12. 12. 1922. Die §§ 7 ff. befaßten sich eingehend mit der Größe der Fraktion und den speziell zugebilligten Rechten. Durch diese rechtliche Anerkennung zog man 1922 die Konsequenz aus einer Entwicklung, die die Fraktionen als notwendige Gliederungen des Parlaments praktisch anerkannt hatte. Dieser bewußt äußerst knappe historische Rückblick soll nur verdeutlichen, daß Fraktionen seit Beginn der parlamentarischen Entwicklung in Deutschland bestehen328 . Seit 1922 sind die Fraktionen auch institutionalisiert, so daß parlamentarisches Gewohnheitsrecht entstanden ist. Der Vgl. oben Punkt B. V. 1. Vgl. oben ebd. 323 Auf Gewohnheitsrecht beruht beispielsweise die Befugnis der stärksten Fraktion, einen Kandidaten für die Wahl zum Bundestagspräsidenten vorzuschlagen. Vgl. auch Achterberg, Parlamentsrecht, S. 657; Schäfer, S. 69. 324 Maunz, in: Maunz / Dürig, Art. 40, Rn. 15; Zinn / Stein, Art. 99 VF/Hes, Anm. 4 c. 325 Hauenschild, S. 21; Löwenberg, Parlamentarismus, S. 26; Tormin, S. 12 f. 326 Tschermak v. Seysenegg, S. 4. 327 Hauenschild, S. 28, 30; Tschermak v. Seysenegg, S. 5. 328 Bergsträsser, Zeitschrift für Politik 1955, 85; Hauenschild, S. 30. 321 322

V. Stellungnahme zu den Länderregelungen

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Geschäftsordnungsgeber ist verpflichtet gewesen, die Fraktionen zu institutionalisieren, wie es beispielsweise durch § 10 GOBT geschehen ist. Die Institutionalisierung liegt nicht im gesetzgeberischen Ermessen. Dies gilt für den Bundestag, wie auch für alle Landtage. ce) Das Recht auf organisierte Bildung und Ausübung der Opposition Die Gewährung von Minderheitenrechten ist wesentlicher Bestandteil der Geschäftsordnung eines Parlaments 329 . Da das Recht auf Bildung und Ausübung der Opposition einen Teil der Minderheitenrechte darstellt 33o , ist zu fragen, wie die Geschäftsordnung ein derartiges Recht gewähren muß oder sollte. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem sogenannten "SRP-Urteil"331 den Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung näher bestimmt und diesem Prinzip das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition entnommen332 . Im "KPD-Urteil" wurde diese Auffassung noch einmal bekräftigt und weiterentwickelt333 . Vom Bundesverfassungsgericht wurde ausgeführt, die mannigfach gesicherte politische Meinungs- und Diskussionsfreiheit und die Vereinigungsfreiheit führen zum Mehrparteiensystem und zum Recht auf organisierte politische Opposition 334 . Das Recht auf organisierte Opposition bezieht das Gericht hier zwar auf die außerparlamentarische Opposition, die durch die Parteien ermöglicht werden soll. Dennoch darf daraus nicht der Schluß gezogen werden, daß eine Beschränkung auf diesen Bereich zwingend sei. Unbestritten ist die Oppositionsfreiheit der Fraktionen eine verfassungspolitische Selbstverständlichkei t 335 . Schwierigkeiten, das Recht auf organisierte parlamentarische Opposition durch die Fraktionen zu begründen, bestehen, da die Rechtsnatur der Parlamentsfraktion immer noch nicht abschließend geklärt ist 336 . Das Bundesverfassungsgericht hat die Fraktionen immer wieder als Teile und ständige Gliederungen des Bundestages sowie als notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens bezeichnet, die die Parlamentsarbeit steuern und erleichtern Kürschner, S. 119; Lörken, S. 56 ff.; Vonderbeck, ZParl 6 (1975), 150 ff. Arndt, S. 79; Hauenschild, S. 107. 331 BVerfGE 2, 1 ff. 332 BVerfGE 2, 1 (12). 333 BVerfGE 5, 85 (140). 334 BVerfGE, ebd., S. 190; angesichts dieser gefestigten und überzeugenden Rechtsprechung erstaunt es, daß Kleffmann (Rechtsstellung, S. 146) die Opposition als eine Kategorie des Verfassungsrechts ablehnt. 335 Schneider, S. 360. 336 Einen Überblick über den Meinungsstreit gibt Achterberg, Parlamentsrecht, S. 274 ff. 329

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B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

sollen337 • Den Fraktionen ist daher, ebenso wie den Parteien, nicht nur der Bestand gesichert, sondern auch die Funktionstüchtigkeit. Die freie Bildung und ungehinderte Tätigkeit im Parlament gehört zu den Grundfesten des Rechtsstaates und der parlamentarischen Demokratie, die die Fraktion und insbesondere die Oppositionsfraktion beanspruchen kann. Von Schneider wird dieses Ergebnis als eine Konkretisierung des Art. 21 GG bezeichnet338 • Diese Auffassung kann nicht überzeugen, da Art. 21 GG sich ausschließlich auf die Parteien bezieht und gerade nicht auf die Fraktionen 339 • Obwohl die Opposition sich als ein verfassungspolitisches Faktum erwiesen hat, ist der Begriff, von einer Ausnahme abgesehen, weder verfassungsnoch geschäftsordnungsrechtlich institutionalisiert. Nur in die Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg ist 1971 folgender Art. 23 a eingefügt worden 340 : (1) Die Opposition ist ein wesentlicher Bestandteil der parlamentarischen Demokratie. (2) Sie hat die ständige Aufgabe, die Kritik am Regierungsprogramm im Grundsatz und im Einzelfall öffentlich zu vertreten. Sie ist die politische Alternative zur Regierungsmehrheit. Es bleibt festzuhalten, daß die Fraktion aus 3 Gründen institutionalisiert werden muß und insofern kein gesetzgeberisches Ermessen besteht. Der Begriff der Fraktion ist verfassungsrechtlich verankert (Art. 53 a GG, Art. 37 VF/B-W, Art. 105 VF/Bre, Art. 14 VF/Nds). Der Begriff "Fraktion" gehört zum parlamentarischen Gewohnheitsrecht. Das Recht auf organisierte innerparlamentarische Opposition zwingt als Teil des Minderheitenrechts zur Institutionalisierung. In den Bundesländern, in denen der Begriff "Fraktion" nicht in die Verfassung aufgenommen wurde, sind allein die beiden letztgenannten Gründe für die Institutionalisierungspflicht entscheidend, jedoch auch ausreichend, um eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Institutionalisierung anzunehmen.

337 BVerfGE 20, 56 (104); vgl. auch BVerfGE 1, 208 (299); 351 (359); 2, 143 (160, 167); 347 (365); 10,4 (14). 338 Schneider, S. 361 f. 339 Vgl. oben Punkt B. 1. 5. b). 340 Die Gründe der Verfassungsreform in Hamburg erläutern Busse / Hartmann, ZParl 2 (1971), 200 ff.

V. Stellungnahme zu den Länderregelungen

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b) Die Prüfung der obigen Gründe aa) bis ce) bei der Abgeordnetengruppe Zu untersuchen bleibt nunmehr, ob aus den soeben genannten Gründen auch das Recht der Abgeordnetengruppe in den Geschäftsordnungen geregelt sein muß. Die Abgeordnetengruppe ist kein Begriff des Verfassungsrechts, so daß der erste Grund, der zur Institutionalisierung der Fraktion zwingt, insofern keine Bedeutung entfaltet. Das parlamentarische Gewohnheitsrecht bedarf, wie bereits dargelegt341 , einer parlamentarischen Tradition und einer langen Parlamentspraxis 342 • Die Gruppen, die sich in der Frankfurter Nationalversammlung von 1848 bildeten, wurden auch "Clubbs" oder "Mitgliedervereinigungen" genannt 343 . Daraus ist nicht zwingend abzuleiten, es handele sich ausschließich um die Vorläufer der Fraktionen. Diese parlamentarischen Gruppierungen können auch die Vorläufer der Abgeordnetengruppe darstellen. Auch kann das Absterben der Abteilungen im Preußischen Abgeordnetenhaus, die sich an dem belgischen und französischen Vorbild orientieren344 nicht zwangsläufig so verstanden werden, daß allein die Fraktionen deren Aufgaben später wahrgenommen hätten. Die Abgeordnetengruppe als "kleinere Einheit" im Parlament ist insofern auch zu berücksichtigen. Erst durch die Geschäftsordnung des Weimarer Reichstages vom 12. 12. 1922 ist die Fraktion rechtlich anerkannt worden, und sie ist erst dann zur wesentlichen Gruppierung im Parlament geworden. Auch die Abgeordnetengruppe kann daher eine gewisse parlamentarische Tradition aufweisen. Eine lange Parlamentspraxis hingegen besitzt die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe nicht. Sie bildete sich lediglich sechsmal in den ersten drei Wahlperioden des Bundestages, wobei zu beachten ist, daß nur einmal ein förmliches Anerkennungsverfahren im Sinne des § 10 Abs. 4 GOBT durchgeführt wurde 345 . Unabhängig von der Frage, ob auch die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe auf einer parlamentarischen Tradition basiert, fehlt in jedem Fall die lange Parlamentspraxis, um eine Pflicht zur Institutionalisierung auf das parlamentarische Gewohnheitsrecht stützen zu können. Dabei ist bereits berücksichtigt, daß die Entstehung von Gewohnheitsrecht aufgrund staatlichen Handelns nicht einer so langen Zeit bedarf, wie diejenige durch das Handeln von Privaten.

Vgl. oben Punkt B. V. 1 a) bb). Maunz, in: Maunz / Dürig, Art. 40, Rn. 15. 343 Vgl. nur Tschermak v. Seysenegg, S. 4. 344 Hauenschild, S.31; Stier-Somlo, Handwörterbuch der Rechtswissenschaft, S.370. 345 Vgl. oben Punkt B. 1. mit den entsprechenden Hinweisen auf die Stenographisehen Berichte. 341

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B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

Zu untersuchen bleibt damit nur der Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes und insbesondere das Recht auf organisierte Bildung und Ausübung der Opposition346 . Gerade das Recht auf organisierte Opposition verstärkt die Möglichkeiten oppositionellen Einwirkens auf die Regierung und macht die Oppositionsarbeit effektiver. Schneider führt in diesem Zusammenhang folgendes überzeugend aus: "Es läßt sich kaum bestreiten, daß die organisierte Wahrnehmung oppositioneller Interessen nicht nur eine weit größere potentielle Durchschlagskraft besitzt, sondern vielfach überhaupt nur in dieser Form von der jeweiligen Regierung(s-mehrheit) noch mit einiger Aussicht auf Berücksichtigung zur Kenntnis genommen wird. Daher stellt die formale Organisation oft das letzte Mittel dar, wichtige unpopuläre oder aus anderen Gründen unbeachtet gebliebene Forderungen selbst kleiner Minderheiten mit dem nötigen Nachdruck zur Geltung zu bringen"347. Bekräftigt werden diese Aussagen noch dadurch, daß das Recht auf Oppositionsbildung durch § 10 GOBT parlamentarisch gesichert ist. § 10 GOBT unterstreicht die Befugnis der Fraktionen, Gruppen und Arbeitsgemeinschaften zur Selbstorganisation348 . Schneider stellt in diesem Zusammenhang weiter die Frage, ob und in welchem Sinne die kollektive Oppositionsfreiheit möglicherweise als generelles "Gruppengrundrecht" verstanden werden könne 349 , denn es bedürfe gerade der gruppenmäßig organisierten Oppositionsaktivitäten, um innerhalb wie außerhalb des Parlaments ernstzunehmende Gegenkräfte bilden zu können 350 • Neben Schneider fordern auch andere Stimmen in der Literatur, daß Opposition möglich sein müsse und Minderheiten nicht von der tatsächlichen Arbeit des Parlaments ausgeschlossen sein dürften 351 . Die Tendenz, die Rolle der Opposition zu stärken, um damit der Minderheit weitere Bedeutung zukommen zu lassen, wird auch durch Beschlußvorlagen der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft dokumentiert 352 • Darin heißt es unter anderem, die Verfassungswirklichkeit werde durch ein zu starkes Übergewicht der Regierung und der sie tragenden Fraktionen gegenüber parlamentarischen Minderheiten bestimmt. Die in der Minderheit stehenden Fraktionen müßten durch eine ausreichende materielle und personelle Ausstattung, sowie durch umfassende geschäftsordnungsmäßige BVerfGE 2, 1 (12 f.); 5, 84 (140, 199). Schneider, S. 355. 348 Schneider, S. 228, 362; vgl. auch Zirker, S. 10, der die Fraktionen, die an der Regierungsbildung nicht beteiligt sind, als Träger der Opposition bezeichnet. 349 Schneider, S. 363. 350 Schneider, S. 364 f. 351 Achterberg, Parlamentsrecht, S. 86 - 89; Arndt, S. 79; vgl. nur Hauenschild, S.107. 352 IPA-Drucksache Nr. 728, Sitzung vom 11. 11. 1974. 346 347

V. Stellungnahme zu den Länderregelungen

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Befugnisse und Informationsrechte die Kontrolle der Regierung gewährleisten 353. Die Frage, ob aus den vorgenannten Gründen der Geschäftsordnungsgeber die Abgeordnetengruppe institutionalisieren muß, ist bisher nicht behandelt worden, obwohl z. B. die Situation nach der bayerischen Landtagswahl vom 27.10.1974 dazu genügend Anlaß geboten hätte 354 • Bei einem ähnlichen Wahlergebnis nach der Landtagswahl des Jahres 1980 in BadenWürttemberg hat der Landtag dagegen die Institutionalisierung der Abgeordnetengruppe beschlossen 355 • Aufgrund des bayerischen Wahlausgangs wurde allein darum gestritten, ob es verfassungsrechtlich notwendig sei, einer Partei, die die wahlrechtliche SperrklauseI von 5 % überwunden hatte, den Fraktionsstatus einzuräumen. Bedeutsam war die Festlegung der Fraktionsmindeststärke in der Geschäftsordnung. In einem sogenannten "Grundsatzurteil" hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof bestätigt, daß der Landtag bei der Frage der Fraktionsmindeststärke gewissen verfassungsrechtlichen Schranken unterliegt. Es sei jedoch nicht notwendig, daß den Abgeordneten einer Partei, die die wahlrechtliche Sperrklausel überwunden habe, auch der Fraktionsstatus zuerkannt werden müsse. Die in § 7 Abs. 1 Satz 1 GO/Bay festgelegte Fraktionsmindeststärke von 10 Abgeordneten sei somit mit der Bayerischen Verfassung vereinbar356 • Diese Entscheidung ist von der Literatur umfassend rezensiert worden357 • In allen Abhandlungen wurde jedoch immer nur gefragt, ob eine Fraktionsmindeststärke in der Geschäftsordnung überhaupt mit der Verfassung zu vereinbaren sei und wie hoch diese Fraktionsmindeststärke angesetzt werden dürfe. Eine Beschränkung auf diese Fragestellung ist zunächst verständlich, da der Fraktion eine umfassende Rechtsstellung durch die Geschäftsordnung gewährt wird, während die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe oftmals keine speziellen Befugnisse innehat. Wie jedoch bereits bei der Untersuchung der Abgeordnetengruppe im Bundestag festgestellt wurde, ist diese Regelung verfassungswidrig, soweit die Effizienz und Funktionsfähigkeit der Parlamentsarbeit sie nicht erfordert 358 • Es hätte daher in den Rezensionen auch gefragt werden müssen, ob den 8 Abgeordneten der F.D.P. im Bayerischen Landtag der Status der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe hätte zugestanden werden müssen und ob dadurch dem IPA-Drucksache Nr. 728, Sitzung vom 11. 11. 1974. Vgl. oben Punkt B. IV. 355 Vgl. oben Punkt B. III. 356 Bay. VerfGH BayVBl1976, 431 ff. 357 Vgl. Arndt / Schweitzer, ZParl 7 (1976), 71 ff.; Dellmann, DÖV 1976, 153 ff.; Fröhlinger, DVBI 1982, 652 ff.; Kisker, JuS 1980, 284 ff.; Linck, DÖV 1975, 689 ff; Weiler, ZParl 9 (1978), 18 ff.; mit der Frage der Fraktionsmindeststärke in einer kommunalen Vertretungskörperschaft beschäftigt sich ein Urteil des VG Münster vom 15. 6. 1971 (Az.: 2 K 364/70) - unveröffentlicht-. 358 Vgl. oben Punkt B. I. 5. 353 354

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B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

Recht auf organisierte Opposition ausreichend nachgekommen worden wäre 359 . Bemerkenswert bleiben in diesem Zusammenhang Ausführungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes, in denen darauf hingewiesen wird, daß aufgrund einer Geschäftsordnungsänderung den Gruppen von Abgeordneten, die aus Mitgliedern derselben Partei bestehen, Sitze und Mitwirkungsrechte im Ältestenrat, dem Zwischenausschuß und den größeren Ausschüssen eingeräumt worden seien360 • Darüber hinaus könnten sich auch Abgeordnete zu einer Fraktion zusammenschließen, die aus verschiedenen Parteien stammen würden. Weiterhin wird darauf hingewiesen, daß die Wahrnehmung kollektiver oppositioneller Minderheitenrechte nicht ausschließlich vom Fraktionsstatus abhängt oder davon, daß es sich um ständige Gruppierungen oder Abgeordnete derselben Partei hande1t3 61 . Der Bayerische Verfassungsgerichtshof nimmt somit eine "Gesamtschau" der Geschäftsordnung vor und verlangt die Zuerkennung des Fraktionsstatus dann nicht, wenn Minderheitenrechte und spezielle oppositionelle Rechte auch von einzelnen Abgeordneten oder anderen Gruppen wahrgenommen werden können. Diese Aussage ist auch für die Frage der Institutionalisierung der Abgeordnetengruppe entscheidend. Ist die Oppositionsarbeit auch möglich und effektiv, ohne daß der Status einer Institutionalisierten Abgeordnetengruppe besteht, dann gibt es für das Parlament keine Pflicht zur Institutionalisierung. Dieses Ergebnis widerspricht nicht dem Recht auf organisierte Opposition, da wie bereits dargelegt, diesem Recht durch die Pflicht zur Institutionalisierung der Fraktion nachgekommen ist. Die Geschäftsordnungsautonomie darf aus dem Gesichtspunkt des Rechts auf organisierte Opposition nicht zu stark eingeengt werden. Es kann nicht so weit gehen, daß eine Pflicht besteht, jede Minderheit zu institutionalisieren. Der von Schneider erwähnte Aspekt, daß kleine Minderheiten ihre eventuell unpopuläre Meinung nur bei Gewährleistung einer formalen Organisation durchsetzen können, ist nachvollziehbar. Allerdings kann aus dieser Feststellung keine Institutionalisierungspflicht abgeleitet werden. Allenfalls ist die Institutionalisierung verfassungspolitisch wünschenswert. Grundsätzlich ist es daher verfassungsgemäß, wenn eine Geschäftsordnung die Abgeordnetengruppe begrifflich nicht erfaßt. Bildet aber eine Abgeordnetengruppe die alleinige Opposition, muß diese institutionalisiert werden.

359 Diese Frage wird im übrigen auch nicht in dem unveröffentlichten Gutachten des Bayerischen Staatsministeriums des Innern (Nr. I 1 1-107/2), sowie dem von der F.D.P. in Auftrag gegebenen Gutachten von W. Schmidt behandelt. 360 BayVerfGH BayVBl1976, 431 (435). 361 BayVerfGH a.a.O., S. 436.

V. Stellungnahme zu den Länderregelungen

73

Es ist nicht inkonsequent, eine generelle Institutionalisierungspflicht zu verneinen, obwohl die Regelung in der Geschäftsordnung des Bundestages für verfassungwidrig erklärt wurde, der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe keinerlei Rechte einzuräumen. Es steht dem Geschäftsordnungsgeber frei, die Institutionalisierung vorzunehmen. Wenn er diesen Weg beschreitet, so darf die Abgeordnetengruppe nicht unrechtmäßig gegenüber der Fraktion benachteiligt werden, da es sich in bei den Fällen um ständige Gliederungen des Parlaments handelt. Nur dieses ist verfassungswidrig. Es bietet sich insofern ein Vergleich mit den Fraktionszuschüssen an. Eine Pflicht, Fraktionszuschüsse im Haushalt auszuweisen, besteht nicht. Verfährt der Bundestag jedoch so, ist er an bestimmte Zuteilungsmaßstäbe gebunden. 2. Die der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe einzuräumenden Befugnisse

Da eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Institutionalisierung der Abgeordnetengruppe grundsätzlich nicht besteht, ist die Frage, welche Rechte dieser Gruppe eingeräumt werden müssen, unbedeutender geworden. Dennoch sollen im folgenden damit verbundene Probleme erörtert werden. Problematisch erscheint es, daß die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe in der Bremischen Bürgerschaft ausschließlich das Recht besitzt, eine Aktuelle Stunde (§ 30 a GO/Bre) zu beantragen. Ausführlich wurde auch bereits dargelegt, welche Rechte der Abgeordnetengruppe im Bundestag aus verfassungsrechtlicher Sicht eingeräumt werden müssen 362 . Obwohl dieses Ergebnis nicht ohne weiteres auf die Landesparlamente übertragen werden kann, ist es als Ausgangsposition heranzuziehen. a) Die Größe des Parlaments Die Funktionsfähigkeit und Effizienz der Parlamentsarbeit zu gewährleisten, ist eine wesentliche Aufgabe der Geschäftsordnungen und zugleich eine Grenze der Autonomie 363 • Es ist offensichtlich, daß bei großen Parlamenten die Regelungen einschneidend sein müssen, um effektiv zu sein. Je kleiner das Parlament jedoch ist, um so weniger einschneidend müssen auch die Einschränkungen der Minderheitenrechte sein364 . Es ist daher zumindest erforderlich, die Rechte, die der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe im Bundestag aus verfassungsrechtlichen Gründen eingeräumt werden müssen, auch der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe in der BremiVgl. oben Punkt B. I. 5. BVerfGE 6, 84 (92); Badura, in: BK, Art. 38, Rn. 70; Hauenschild, S. 111; das Nebeneinander stellt auch Kürschner, S. 118 - 120, dar. 364 VG Münster, Urteil vom 15. 6. 1971 (Az.: 2 K 364/70) - unveröffentlicht-. 362 363

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B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

sehen Bürgerschaft zuzugestehen. Dies ergibt sich aus einem Vergleich der Größe der Parlamente (Bremen: 100 Abgeordnete; Bundestag: 518 Abgeordnete). Ob der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe in der Bremischen Bürgerschaft auch das Gesetzesinitiativrecht und das Recht der Großen Anfrage gewährt werden müssen, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht beantwortet werden, da es den Rahmen sprengen würde. Ebenso kann nicht untersucht werden, welche Rechte einer Institutionalisierten Abgeordnetengruppe in den anderen Länderparlamenten eingeräumt werden müßten 365 . Als "Mindestrechte" sind die Berücksichtigung bei der Ausschußbesetzung, das Recht der Kleinen Anfrage sowie die Beantragung einer Aktuellen Stunde anzusehen 366 • Prüfungsmaßstab der Geschäftsordnungen der Landesparlamente ist vorrangig das Landesverfassungsrecht367 . Das hat jedoch nicht zur Folge, daß ein grundgesetzfreier Raum besteht. Jede andere als eine grundgesetzkonforme Auslegung des landesverfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabs ist unmöglich 368 . Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Rechts der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe im Bundestag am Maßstab des Grundgesetzes muß daher auf die landesrechtlichen Regelungen "ausstrahlen".

b) Die Abhängigkeit der einzuräumenden Rechte von den Bildungsvoraussetzungen Welche Rechte der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe über die "Mindestrechte" hinaus eingeräumt werden müssen, hängt auch von den Entstehungsvoraussetzungen ab 369 • Je weniger Voraussetzungen für die Bildung der Gruppe gefordert werden, um so mehr Abgeordnetengruppen werden entstehen. Existieren in einem Parlament eine Vielzahl von institutionalisierten Gruppierungen, so ist eine ineffiziente Parlamentsarbeit eher möglich, da die Gefahr der Obstruktion parlamentarischer Minderheiten wächst370 • Diese Gefahr darf in keinem Fall den Geschäftsordnungsgeber dazu veranlassen, der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe keinerlei Rechte einzuräumen371 , sondern kann nur eine Begrenzung erfordern. 365 Als Vergleichsmaßstab sollen jedoch die Abgeordnetenzahlen der Landesparlamente dienen: B-W: 120; Bay: 204; BIn: 125 (von der Einwohnerzahl abhängig); Bre: 100; Hbg: 120; Nds: 155; N-W: 201; Rh-Pf: 100; SL: 51; S-H: 74. 366 Vgl. das Zwischenergebnis nach Punkt B. I. 6. 367 Bethge, S. 27. 368 Bethge, S. 29; Böckenförde-Grawert, DÖV 1971, 122; v. Olshausen, Landesverfassungsbeschwerde, S. 151; dazu auch: BVerfGE 42, 312 (324 f.). 369 Vgl. oben Punkt B. I. 1. 370 Dazu Teichmann, Diss., Göttingen 1958, der dieses Problem umfassend untersucht. 371 So aber wohl Ritzel / Bücker, § 10 GOBT, Anm. la zu Abs. 4.

V. Stellungnahme zu den Länderregelungen

75

§ 7 Abs. 6 GOIBre fordert für die Bildung der Abgeordnetengruppe den Zusammenschluß von weniger als 5 Abgeordneten. Weitere Voraussetzungen bestehen nicht372 . Es handelt sich insoweit um eine weitgehende Lösung, die eine Beschränkung der Rechte notwendig machen könnte. Weitergehende Bildungsvoraussetzungen postuliert die Geschäftsordnung des Bundestages, da ergänzend die politische Homogenität der Gruppe gefordert wird373 •

Strenge Voraussetzungen für die Gruppenbildung stellt § 17 Abs. 5 GOI B-W auf. Nur Abgeordnete der gleichen Partei, die als Bewerber dieser Partei in den Landtag gewählt wurden, können sich danach zu einer Gruppe zusammenschließen. Die umfassenden Rechte, die die Geschäftsordnung der Abgeordnetengruppe gewährt, sind auch unter diesem Gesichtspunkt zu sehen 374 • Der Vergleich dieser drei Regelungen macht deutlich, wie unterschiedlich die Bildungsvoraussetzungen sind und wie unterschiedlich sich daher auch die konkrete Ausgestaltung in der Geschäftsordnung entwickelt. In Niedersachsen und Rheinland-Pfalz können die Abgeordneten, die derselben in den Landtag gewählten Partei angehören, sich zu einer Fraktion zusammenschließen. Eine Fraktionsmindeststärke, wie sie die übrigen Geschäftsordnungen verlangen, gibt es in diesen Ländern nicht. Die Fraktion kann also die "kleinste Einheit" im Parlament darstellen, so daß die Bildung einer Institutionalisierten Abgeordnetengruppe außer Acht bleiben dürfte. Eine Abgeordnetengruppe bildet sich allerdings auch während einer Wahlperiode, so daß insbesondere durch Fraktionsaustritte der Fraktionsstatus verloren gehen kann 375 • Auch wenn die Geschäftsordnung somit eine Fraktionsmindeststärke nicht fordert, ist es sinnvoll, die Abgeordnetengruppe zu institutionalisieren.

Zwischenergebnis 1. Eine Pflicht zur Institutionalisierung der Fraktion besteht für den

Geschäftsordnungsgeber, wohingegen eine Pflicht zur Institutionalisierung der Abgeordnetengruppe nicht besteht. 2. Die Größe des Parlaments sowie die in der Geschäftsordnung geforderten Bildungsvoraussetzungen sind für die Frage, welche Rechte der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe eingeräumt werden müssen, ausschlaggebend. Es gibt jedoch Mindestrechte, die nicht entzogen werden dürfen. Vgl. Punkt B. 11.; VG Bremen, Beschluß vom 12. 12. 1982 (Az.: 2 V 423/82). Vgl. oben Punkt B. 1. 4. 374 Vgl. oben Punkt B. IH. 375 Vgl. oben Punkt B. IV. 5; der Niedersächsische Staatsgerichtshof, NdsStGH OVGE 17, 509 ff. begründet den Verlust des Fraktionsstatus ausführlich. 372 373

76

B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

VI. Die Parteifähigkeit der Institntionalisierten Abgeordnetengruppe vor dem Bundesverfassungsgericht Der prozeßrechtliche Aspekt ist von nicht nur untergeordneter Bedeutung. Materielle Rechte bedürfen, um Bedeutung in der Praxis zu erlangen, auch der prozessualen Durchsetzbarkeit. Ohne diese Möglichkeit ist der Minderheitenschutz wenig effektiv. 1. Der Zugang zum Verfassungsgericht

Die Streitigkeiten aus dem Recht der Abgeordnetengruppe sind in der Regel verfassungsrechtlicher Art. Der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist daher nicht gegeben376 • Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art, wenn das streitige Rechtsverhältnis entscheidend vom Verfassungsrecht geformt ist 377 • Zum Verfassungsrecht in diesem Sinne gehört nicht nur die geschriebene Verfassung, sondern gehören auch die Wahlgesetze und Geschäftsordnungen der Parlamente 378 . Nicht allein bedeutsam kann es sein, daß sich Organe oder Teilorgane des Parlaments gegenüberstehen 379 . Entscheidend ist hingegen die Rechtsnatur der streitentscheidenden Norm. Sowohl die Frage des Gruppenstatus, als auch die der notwendigen Gruppenrechte finden ihre Grundlage im Verfassungsrecht. Die Tatsache, daß das Verwaltungsgericht Bremen die Klage einer Abgeordnetengruppe auch materiell entschieden hat, widerspricht der hier vertretenen Auffassung nicht. Es muß insofern die Besonderheit beachtet werden, daß die Abgeordnetengruppe sowohl im "Landtag" des Landes Bremen als auch in der Stadtbürgerschaft Bremens vertreten war. Allein diese Doppelfunktion machte eine Entscheidung in der Sache notwendig in bezug auf die Stadtbürgerschaft380 .

376

82).

BVerwG NJW 1985, 2346; VG Bremen, Beschluß vom 12. 12. 1982 (Az.: 2 V 4231

BVerwG NJW 1984, 2346 unter Hinweis auf BVerwGE 50, 124 (130). VG Bremen, Beschluß vom 12. 12. 1982 (Az.: 2 V 423/82); Kopp, § 40 VwGO, Rn. 32; Redeker 1 v. OeTtzen, § 40 VwGO, Rn. 7. 379 Wenn ein Streit dieser Organe nicht auf dem verfassungsrechtlichen Grundverhältnis beruht, ist es eine verwaltungsrechtliche Streitigkeit, vgl. BVerfGE 42, 103 377

378

(113). 380

VG Bremen, Beschluß vom 22. 12. 1982 (Az.: 2 V 423/82)~

VI. Die Parteifähigkeit der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe

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2. Eingrenzung auf das Bundesverfassungsgericht

Neun Bundesländer haben eigenständige Landesverfassungsgerichte eingerichtet. Berlin besitzt kein solches Gericht. Schleswig-Holstein hat nach Art. 99 GG LV.m. Art. 37 der Landessatzung die Entscheidung von Organstreitigkeiten und abstrakten Normenkontrollverfahren dem Bundesverfassungsgericht übertragen. Grundsätzlich ist es Sache der Landesverfassungsgerichte, die Normen der Landesverfassung und das landesrechtliche Verfassungsrecht insgesamt auszulegen 381 • Probleme, die diesen Bereich betreffen, können aufgrund der Vielfalt hier nicht behandelt werden 382 . Es erfolgt daher eine Beschränkung auf die Verfahren, in denen auch die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe eines Landesparlaments das Bundesverfassungsgericht anrufen kann. 3. Organstreitverfahren und keine Verfassungsbeschwerde

Rügt eine Abgeordnetengruppe, daß ihr in verfassungswidriger Weise der Status oder bestimmte Rechte nicht eingeräumt wurden, so kann dies nur im Wege des Organstreitverfahrens geschehen 383 . Die Institutionalisierten Abgeordnetengruppen sind wie die Parlamentsfraktionen ständige Gliederungen des Parlaments. Rechtsbeziehungen bestehen daher nur innerhalb des Parlaments. Auch wenn die Abgeordnetengruppe eine Grundrechtsverletzung, wie beispielsweise einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, behauptet, kann keine Verfassungsbeschwerde erhoben werden 384 • Die Abgeordnetengruppe nimmt als Teil eines Verfassungsorgans hoheitliche Funktionen wahr, so daß der für die Verfassungsbeschwerde typische Gegensatz von öffentlicher Gewalt einerseits und andererseits einer natürlichen oder juristischen Person, die außerhalb der Staatsorganschaft steht, fehW 8s . Die Situation ist vergleichbar mit der der politischen Parteien, die ebenfalls keine Verfassungsbeschwerde erheben können 386 • Die gegenteilige Auffassung, die bei der Verletzung von Statusrechten neben dem Organstreitverfahren eine Verfassungsbeschwerde für zulässig erachtet, kann nicht überzeugen 387 . Es soll gar nicht in Abrede gestellt wer381 Nds. Staatsgerichtshof vertritt die Auffassung, die Auslegung der Geschäftsordnung könne nicht Gegenstand eines Verfahrens sein (NdsStGH OVGE, 17,499 ff.; 17, 504 ff.). 382 Vgl. dazu Starck / Stern, Landesverfassungsgerichtsbarkeit, die diese Problematik eingehend erörtern. 383 BVerfG DVB11977, 613 (614 f.). 384 BVerfG DVBlI977, 613 (614 f.). 385 Maunz, in: Maunz / Dürig, Art. 93, Rn. 66. 386 BVerfGE 6, 445 (448).

78

B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

den, daß der formalisierte Gleichbehandlungsgrundsatz in den verfassungsrechtlichen Status eines Abgeordneten "ausstrahlt"388. Jedoch kann in einer Ungleichbehandlung nicht eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG gesehen werden, da der Abgeordnete ebenfalls als Teil eines Verfassungsorgans betroffen ist. 4. Die Parteifähigkeit der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe im Deutschen Bundestag

Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V.m. den §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG389 ist ein "anderer Beteiligter" parteifähig, der durch das Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet ist. Das Bundesverfassungsgericht hat die 3. Alternative des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG unter Beachtung des Systems des Verfassungsschutzes so ausgelegt, daß zur Geltendmachung von Rechten des Bundestags nur die nach der Geschäftsordnung ständig vorhandenen Gliederungen berufen sein können 39o . Ständig vorhandene Gliederungen seien vor allem die Fraktionen 391 . Aus der Formulierung "vor allem" wird deutlich, daß die Fraktionen nur beispielhaft erwähnt worden sind. Als ständige Gliederung des Parlaments ist vom Bundesverfassungsgericht auch die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe in der Bremischen Bürgerschaft bezeichnet worden 392 . Die Abgeordnetengruppe gemäß § 10 Abs. 4 GOBT war zwar noch nicht Antragstellerin in einem Organstreitverfahren, dennoch dürfte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts393 dazu Anlaß bieten, auch insofern von einer ständigen Gliederung des Parlaments zu sprechen. Wie bereits ausgeführt, sind der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe im Deutschen Bundestag in verfassungswidriger Weise durch die Geschäftsordnung keine Rechte gewährt 394 . Betrachtet man allein den Wortlaut des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG sowie des § 63 BVerfGG, liegt zunächst der Schluß nahe, der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe im Deutschen Bundestag die Parteifähigkeit abzusprechen, da ihr die Geschäftsordnung keine Befugnisse einräumt. Strunck, DVBlI977, 615 ff. Ebd., S. 616. 389 Vgl. zu dem Streit, ob § 64 BVerfGG den Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG einschränkt oder einschränken kann: Maunz, in: Maunz / Dürig, Art. 93, Rn. 12. Das Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 13, 54 (81) hat entschieden, § 63 BVerfGG enthalte keine abschließende Regelung. Vgl. dazu: Ulsamer, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu, § 63 BVerfGG, Rn. 6. 390 BVerfGE 2, 143 (160). 391 BVerfGE 20, 56 (104); Lechner, § 13 BVerfGG, Ziffer 5 Anm. II; Leibholz / Rupprecht, § 63 BVerfGG, Rn. 2. 392 BVerfGE 61, 194 (202). 393 BVerfGE, ebd. 394 Vgl. oben Punkt B. I. 5. 387

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VI. Die Parteifähigkeit der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe

79

Nach § 10 Abs. 4 GOBT können Mitglieder des Bundestages, die sich zusammenschließen, ohne Fraktionsmindeststärke zu erreichen, als Gruppe anerkannt werden. Es muß also ein Anerkennungsverfahren durchgeführt werden, das mit einem entsprechenden Beschluß endet. Bereits aus dem § 10 Abs. 4 GOBT folgt somit ein Recht auf Prüfung des Abgeordnetengruppenstatus. In jedem Fall ist die Abgeordnetengruppe somit in einer Verfassungsstreitigkeit über die Zuerkennung des Gruppenstatus parteifähig395 • Darüber hinaus muß die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe im Bundestag auch parteifähig in einem Organstreitverfahren sein, in dem es um die Verfassungsmäßigkeit der bisherigen Regelung der Geschäftsordnung geht, soweit die Rechte der Abgeordnetengruppe betroffen sind. Zu bedenken ist, daß allein die Möglichkeit einer verfassungswidrigen Regelung ausreichend sein muß. Für die Parteifähigkeit der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe in einem solchen Verfahren spricht auch, daß einzelne Abgeordnete die Rechte einer Fraktion oder Gruppe nicht geltend machen können 396 . Der Abgeordnetengruppe die Parteifähigkeit in anderen Organstreitverfahren zuzuerkennen, läßt die bisherige Ausgestaltung des Rechts der Abgeordnetengruppe allerdings nicht zu. 5. Die Parteifähigkeit der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe in den Landtagen

Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG i.V.m. den §§ 13 Nr. 8, 71 ff. BVerfGG sind auch landesverfassungsrechtliche Organstreitigkeiten vor dem Bundesverfassungsgericht möglich. Allerdings begründet Art. 94 Abs. 1 Nr. 4 3. Alt. GG nur eine subsidiäre Zuständigkeit397 • Durch diese Subsidiaritätsklausel respektiert das Grundgesetz die oberste primäre Entscheidungsbefugnis der Landesverfassungsgerichte bei landesverfassungsrechtlichen Organstreitigkeiten 398 • Andererseits wird jedoch auch eine lückenlose Kontrolle aller verfassungsrechtlichen Streitigkeiten berücksichtigt3 99 • Mit Ausnahme von Schleswig-Holstein haben alle Länder die Entscheidung von Organstreitigkeiten ihren Landesverfassungsgerichten zugewiesen 4oo • Die Zuweisung erfolgt zumeist durch eine dem Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG wortgleiche Vorschrift401 . 395 Im Ergebnis ebenso BayVerfGH BayVBl 1976, 431 ff., bei der Frage des Fraktionsstatus. 396 Vgl. nur BVerfG NJW 1986, 907. 397 Klein, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu, § 71 BVerfGG, Rn. 2. 398 BVerfGE 36, 342 (377); 60, 175 (209). 399 BVerfGE 4, 375 (377); 60, 175 (205); 60, 319 (326); Friesenhahn, Bundes- und Landesverfassungsgerichtsbarkeit, S. 784. 400 Vgl. oben Punkt B. VI. 2. 401 B-W, Art. 68 Abs. 1 Nr. 1 VF, Bay, Art. 42 VF LV.m. Art. 42 VerfGHG; Nds, Art. 42 Abs. 1 Nr. 1 Vorl. VF; N-W, Art. 75 Abs. 1 VF; Hes, § 44 StGHG; SL, Art. 99 VF LV.m. § 7 Nr. 5 VerfGHG.

B. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe

80

a) Baden-Württemberg Für die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe im Landtag von BadenWürttemberg führt diese Regelung zur uneingeschränkten Parteifähigkeit vor dem Landesverfassungsgericht, da es sich um eine ständige Gliederung des Parlaments handelt, die in der Geschäftsordnung mit umfassenden Rechten ausgestattet ist402 . Die Subsidiaritätsklausel gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 3. Alt. GG macht eine Organstreitigkeit vor dem Bundesverfassungsgericht unmöglich.

b) Bremen Nach Art. 140 der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen ist nur der Senat, die Bürgerschaft oder 1/5 der gesetzlichen Mitgliederzahl der Bürgerschaft vor dem Staatsgerichtshof parteifähig. Der Kreis der Verfahrensbeteiligten wird somit enger gezogen als durch § 73 Abs. 1 Nr. 3 BVerfGG. Fraglich ist, ob die Subsidiaritätsklausel des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 3. Alt. GG ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ausschließt oder ob nicht vielmehr die Verpflichtung zur lückenlosen Kontrolle zu einem anderen Ergebnis führen muß.

Bethge geht davon aus, durch eine extensive Interpretation des § 71 Abs. 1 Nr. 3 BVerfGG dürfe das in einer Landesverfassung festgesetzte Quorum nicht unterlaufen werden, indem der Weg zum Bundesverfassungsgericht eröffnet würde 403 • Demgegenüber betont Friesenhahn, es sei zwar Aufgabe . des Landesverfassungsgerichts, die Normen der Landesverfassung auszulegen, ziehe es den Kreis der an einem Organstreit Beteiligungsfähigen jedoch enger als das Bundesverfassungsgericht, so entstehe eine Lücke, in die das Bundesverfassungsgericht eintrete404 • In zwei Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht dargelegt, daß bei Anträgen einer Institutionalisierten Abgeordnetengruppe der Bremischen Bürgerschaft der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht gegeben sei, da nach Art. 140 der Landesverfassung Bremens der Staatsgerichtshof nicht zuständig sei405 . Vom Bundesverfassungsgericht wird die Parteifähigkeit nicht in Frage gestellt, da offenbar dem lückenlosen Gerichtsschutz eine dominierende Rolle im Verfassungssystem zugeschrieben wird. Dieser Auffassung muß gefolgt werden, da sonst eine Landesverfassung den grundVgl. oben Punkt B. III. Bethge, S. 39, Fn. 139. 404 Friesenhahn, Bundes- und Landesverfassungsgerichtsbarkeit, S. 784; Pestalozza, S. 220, Fn. 94. 405 BVerfGE 62, 194 (199); 60, 319 (324), in diesem Verfahren wurde nur die Antragsbefugnis abgelehnt. 402

403

VI. Die Parteifähigkeit der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe

81

gesetzlichen Begriff der "öffentlich-rechtlichen Streitigkeit innerhalb eines Landes" prägen könnte. Eine bindende Auslegung kann aber allein durch das Bundesverfassungsgericht erfolgen. Die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe gemäß § 7 Abs. 6 GO/Bre ist eine ständige Gliederung des Parlaments, die mit dem Recht nach § 30 a GO/Bre (Aktuelle Stunde) ausgestattet und somit parteifähig ist406 . Für die Antragsbefugnis nach § 73 Abs. 1 Nr. 3 BVerfGG ist es notwendig, daß die Gruppe in ihren Rechten oder Zuständigkeiten unmittelbar berührt ist. Sie kann nicht Rechte des Parlaments im eigenen Namen geltend machen, wie dies im Organstreitverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG möglich ist (§ 64 BVerfGG)407.

406 407

BVerfGE 62, 194 (200). BVerfGE 60, 319 (324 f.).

6 Kassing

c. Die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe Herkömmlicherweise werden Fragen, die die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe betreffen, unter dem Stichwort "Minderheitenrecht" oder "Minderheitenschutz" behandelt 408 • Gegen diese Behandlung des Themas bestehen keine Bedenken. Das Recht der Abgeordnetengruppe und, als Unterfall, das Recht der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe stellen jedoch nur einen Teilbereich der Minderheitenrechte dar4 09 , der bereits so komplex ist, daß er als eigenständiger Punkt erörtert werden sollte. Unter dem Begriff Abgeordnetengruppe und somit als Unterfall der Mitgliedervereinigungen eines Parlaments wird - soweit ersichtlich - der hier angesprochene Fragenkreis erstmalig von Achterberg im Jahre 1971 behandelt 410 • I. BegriffsbestimmungAbgrenzung von der bloßen Abstimmungsminderheit Der Begriff der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe bedarf zunächst einer Klärung, insbesondere ist er von dem der bloßen Abstimmungsmehrheit oder -minderheit im Parlament abzugrenzen. Eine Gruppe lebt von den Interaktionen der einzelnen Gruppenmitglieder. Das Streben nach gemeinsamen Zielen und das Zusammengehörigkeitsbewußtsein sind weitere unverzichtbare Merkmale einer Gruppe4l1 . Sowohl die Institutionalisierte als auch die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe sind Primär- oder "Face-to-Face"-Gruppen, da es sich um Arbeitsgruppen handelt, die auch vom persönlichen Interesse und Kontakt der Gruppenmitglieder abhängig bleiben412 . In Abgrenzung zur institutionalisierten muß die nichtinstitutionalisierte Gruppe als informell im soziologischen Sinn bezeichnet werden. Sie ist geprägt durch die fehlende formale Organisation413 • Es gibt daher keine Satzung oder Geschäftsord408 Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, der auf S. 300, Fn. 20, einen Hinweis auf die entsprechende Literatur gibt. 409 Achterberg, Parlamentsrecht, S. 300. 410 Achterberg, Grundzüge, S. 43 ff. 411 Behrens, "Gruppe", EvStL, Spalte 944; Meyers Neues Lexikon: "Gruppe", S.477. 412 Behrens, "Gruppe", EvStL, Spalte 944 f. 413 Ebd., Spalte 945.

11. Formen der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe

83

nung, keinen Vorsitzenden oder Schatzmeister sowie keine bestimmten formalisierten Arbeitsanweisungen für einzelne Gruppenmitglieder4 14 . Die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe ist kein Begriff der Geschäftsordnung des Bundestages oder eines Landtages. Ihre Bildung vollzieht sich häufig ad hoc in dem Bewußtsein, nur durch den Zusammenschluß ein Recht überhaupt geltend machen zu können415 . Die Ausübung von Rechten ist nicht allein der Grund des Zusammenschlusses, auch die Dauer der Zusammengehörigkeit wird dadurch bestimmt. Es ist daher möglich, daß eine Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe nur kurze Zeit besteht. Unwahrscheinlich ist der Zusammenschluß für die Dauer emer Wahlperiode. Die bloße Abstimmungsminderheit besitzt kein Gruppenbewußtsein. Es ist ungewollt allein das gleiche Wahlverhalten, das diese Minderheit auszeichnet. Ohne einen Zusammenschluß durchzuführen, haben die einzelnen Abgeordneten einer Abstimmungsminderheit eine ähnliche politische Intention. Da auch die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe ohne formale Organisation arbeitet, müssen äußere Kennzeichen der Abgrenzung zur Abstimmungsminderheit bestimmt werden. Bedeutsam ist es daher, daß sich die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe vor der Abstimmung im Parlament zur Verteidigung oder Durchsetzung eines Rechts zusammenfindet 416 . Diese "Konstituierung" darf nicht im geheimen geschehen. Es müssen für Außenstehende erkennbare Anzeichen vorliegen, wie beispielsweise Schriftwechsel oder Anträge 417 • Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppen können sich auch zusammenschließen, um Reformen durchsetzen zu wollen, die nicht von einer Fraktion oder Institutionalisierten Abgeordnetengruppe initiiert werden. Hinzuweisen ist insofern auf die von der Abgeordneten Dr. Hamm-Brücher während der 10. Wahlperiode angeregte interfraktionelle Initiativgruppe " Parlamentsreform " . 11. Formen der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe

Es gibt verschiedene Formen der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe. Zu unterscheiden sind vor allem die inner- und die interfraktionellen418 Gruppen. 414 Im Gegensatz dazu besteht für die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe die Verpflichtung, die Bezeichnung sowie die Namen der Vorsitzenden, Mitglieder und Gäste mitzuteilen; § 10 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 GOBT. 415 Achterberg, Parlamentsrecht, S. 300. 416 Das Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 2, 143 (164) hat aufgrund der fehlenden Konstituierung das Vorliegen einer bloßen Abstimmungsminderheit bejaht. 417 Achterberg, DVBI 1980, 521 spricht insofern von einer vorübergehend Rechte wahrnehmender Institution.

6'

84

c. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

Besonders die Größe der CDU/CSU und der SPD-Fraktion zwingen zu einer Arbeitsteilung in den Fraktionen. Dies ist vielfach bereits in der Arbeits- oder Geschäftsordnung der Fraktion festgelegt. § 2 der Arbeitsordnung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterscheidet zwischen Organen und Gruppen. Organ ist nach § 2 Nr. 1 du. a. die Arbeitsgruppe, die für das Aufgabengebiet eines Bundestagsausschusses zuständig ist (§ 8 Nr. 1 GO CDU/CSU). Sonstige Gruppen sind gemäß § 2 Nr. 2 GO CDU/CSU die Gruppe der Frauen, die Arbeitnehmergruppe und der Diskussionskreis Mittelstand. Innerhalb der SPD-Fraktion gibt es gemäß § 17 GO SPD ebenfalls Arbeitsgruppen, deren Aufgaben weitgehend denen der CDU/CSU Arbeitsgruppen entsprechen. Ein Pendant zu den Gruppen der CDU/CSU-Fraktion gibt es innerhalb der SPD nicht, jedoch beschäftigen sich die Arbeitskreise (§ 18 GO SPD) mit fachübergreifenden Problemfeldern. Der Arbeitskreis III behandelt beispielsweise die Gebiete Selbständigen- sowie Verbraucherpolitik. Bei den Gruppen, Arbeitskreisen und Arbeitsgruppen handelt es sich zwar um Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppen, da sie keine Erwähnung in der Geschäftsordnung des Bundestages finden. Es darf jedoch nicht verkannt werden, daß eine Form der Institutionalisierung bereits durch die Fraktionsarbeits- oder -geschäftsordnung erfolgt ist. Die Arbeitsgruppen und Arbeitskreise haben ferner einen Vorsitzenden, eine feste Mitgliederzahl und einen konkreten Arbeitsauftrag. Eine formale Organisation besteht somit. Es handelt sich auch nicht um ad hoc gebildete Gruppierungen, sondern um den für die Dauer einer Wahlperiode gebildeten Zusammenschluß von Abgeordneten. Alle diese Merkmale sprechen für die Annahme einer Institutionalisierten Abgeordnetengruppe. Dennoch bleibt die fehlende Erwähnung in der Geschäftsordnung des Parlaments das bedeutsame Abgrenzungskriterium. Neben den soeben erwähnten Gruppierungen existieren Zusammenschlüsse von Abgeordneten einer Fraktion, die auch in den Fraktionsgeschäftsordnungen nicht genannt sind. Zu erwähnen sind insbesondere die "Kanalarbeiter" innerhalb der SPD-Fraktion oder die "Genscheristen" in der CDU/CSU-Fraktion. Die Bedeutung und der politische Einfluß derartiger Gruppen, die zumeist ohne festen Mitgliederbestand sind, darf nicht unterschätzt werden. Zudem können aufgrund geänderter Machtverhältnisse Gruppen dieser Art ohne weiteres untergehen und andere neu entstehen. Diese Gruppierungen haben vielfach keinen Vorsitzenden. Der Vor418 Der Begriff interfraktionell wird im parlamentarischen Sprachgebrauch in zweifacher Hinsicht verwendet. Zum einen bedeutet er, daß alle Fraktionen zusammengearbeitet haben; zum anderen bezeichnet man so das Zusammenwirken verschiedener Abgeordneter aus diversen Fraktionen. Im folgenden soll die 2. Bedeutung des Begriffs unterstellt werden.

II. Formen der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe

85

sitz wird abwechselnd von verschiedenen Gruppenmitgliedern übernommen. Aufgrund der fehlenden formalen Organisation und der Fluktuation im Mitgliederbestand ist es berechtigt, von Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppen innerhalb einer Fraktion zu sprechen. Intrafraktionelle Abgeordnetengruppen (Institutionalisierte oder auch Nichtinstitutionalisierte) treten kaum im Plenum auf. Ihre Bedeutung entfalten diese Gruppierungen in den Fraktionen419 • Innerhalb der Fraktion wird versucht, im Wege der politischen Argumentation die Gruppenmeinung durchzusetzen, um diese dann als Auffassung der Fraktion im Plenum darzustellen. Der Meinungsbildungsprozeß, für den die intrafraktionellen Abgeordnetengruppen verantwortlich sind, dringt somit sehr selten nach "außen", das heißt ins Plenum und damit an die Öffentlichkeit. Es bedarf keiner näheren Begründung, um die Bedeutung der Fraktionen im Parlament zu unterstreichen. Stern 420 nennt zwei Aufgaben, die die Fraktionen zu erfüllen haben, nämlich die Steuerung der Arbeit des Parlaments und die kollektive Wahrnehmung parlamentarischer Rechte. Wie intensiv gerade die letztgenannte Aufgabe von den Fraktionen ausgeübt wird, ist aus den in den Datenhandbüchern des Deutschen Bundestages enthaltenen Übersichten bezüglich der Großen Anfragen42 1, der Kleinen Anfragen422 und der Aktuellen Stunden423 ersichtlich. Allerdings wird aus diesen Aufstellungen nicht deutlich, inwieweit eine interfraktionelle Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe diese parlamentarischen Kontrollinstrumente wahrgenommen hat, da der Begriff "interfraktionell" allein auf ein Zusammenwirken aller Fraktionen hinweist 424 . Weiterhin sollte beachtet werden, ob die interfraktionellen Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppen Entschließungs- 425 oder Änderungsanträge426 eingebracht haben. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird im weiteren insofern nur noch von "Anträgen" gesprochen 427 . In der 8. Wahlperiode haben interfraktionelle 428 Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppen 13 Kleine Anfragen eingebracht 429 • Sie betrafen Kretschmer, Fraktionen, S. 94 - 98. Stern, Band I, S. 808 f. 421 Datenhandbuch I S. 751; II S. 708. 422 Datenhandbuch I S. 753; II S. 709. 423 Datenhandbuch I S. 754 - 759; II S. 737 - 740. 424 Zu den zwei Bedeutungen des Begriffs, Fn. 418. 425 §§ 88, 75 Abs. 2 lit. c. GOBT. 426 §§ 82 Abs. 1, 85 Abs. 1 GOBT. 427 So auch in den Parlamentsdrucksachen. 428 Interfraktionell bedeutet hier und im folgenden die Zusammenarbeit einzelner Abgeordneter aus verschiedenen Fraktionen. 429 Vgl. Drs.-Nr.: 880, 2063, 2125 (neu), 2126, 2127, 2128, 2398, 2527, 2770, 2905, 3969, 4453, 4505. 419

420

86

C. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

unterschiedliche Themenbereiche und wurden von unterschiedlichen Abgeordnetengruppen initiiert. Während der 9. Wahlperiode wurde nur eine Kleine Anfrage430 eingebracht und während der 10. Wahlperiode keine. Große Anfragen sind, soweit ersichtlich, von der 8. bis 10. Wahlperiode von Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppen nicht eingereicht worden431 . Die Untersuchung im Hinblick auf die Aktuellen Stunden beschränkt sich auf die 10. Wahlperiode. In diesem Zeitraum wurden von Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppen 3 Aktuelle Stunden beantragt432 . Ferner ist eine nicht genau zu beziffernde Anzahl von Anträgen gestellt worden433 , die erneut von sehr unterschiedlichen Abgeordnetengruppen unterzeichnet wurden. Die obigen Angaben zeigen, wie selten parlamentarische Kontrollinstrumente von interfraktionellen Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppen ausgeübt werden. Dennoch darf daraus nicht der Schluß gezogen werden, diese Art der Kontrolle sei unbedeutend. Allein die Themen der von nichtinstitutionalisierten Gruppierungen beantragten Aktuellen Stunden in der 10. Wahlperiode wiesen auf den Stellenwert hin: Verantwortung aller demokratischer Parteien gegenüber Anfängen antisemitischer Tendenzen 434 ; Hilfsprojekte in Hungerkatastrophengebieten Äthiopiens 435 , Jahresversammlung des internationalen Währungsfonds der Weltbank436 . Die Rechte der interfraktionellen Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe ergänzen lediglich diejenigen der Fraktionen. Deren dominierende Rolle im heutigen "Fraktionsparlament"437 bleibt daher unberührt438 .

m. Die Rechte der Nichtinstitutionalisierlen Abgeordnetengruppe nach dem Grundgesetz und dem Wahlprüfungsgesetz

Die nachfolgend aufgeführten Rechte beziehen sich nicht ausschließlich auf die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe. Es wird jedoch die Einbindung dieser Gruppe in das System der Minderheitenrechte dokumentiert. Vgl. Drs.-Nr.: 96. Vgl. Datenhandbuch 1 und 11. 432 Vgl. Stenogr.-Bericht: 84. Sitzung (19.9. 1984) S. 6127 B ff.; 108. Sitzung (6. 12. 1984), S. 7988 B ff.; 201. Sitzung (27.2.1986) S. 15413 A ff. 433 Vgl. nur Drs.-Nr. 3724 (neu), 5357. 434 Stenogr.-Bericht: 201. Sitzung (27.2.1986) S. 15413 A ff. 435 Stenogr.-Bericht: 108. Sitzung (6. 12. 1984) S. 7988 B ff. 436 Stenogr.-Bericht: 84. Sitzung (19.9. 1984) S. 6127 B ff. 437 Bücker, BayVBl1981, 232 hält den Begriff "Parteienparlament" für angemessener. 438 Die Dominanz der Fraktionen wird unterstrichen durch die Aussage H. Meyers, "das Parlament kennt eine zweifache Gliederung, die politische Arbeitsgliederung nach Fraktionen und die rechtliche Arbeitsgliederung nach Ausschüssen." (VVDStRL 33 (1975), 92); vgl. auch Stein, Staatsrecht, § 2 11 3. 430 431

III. Die Rechte nach dem Grundgesetz und dem Wahlprüfungsgesetz

87

1. Art. 44 Abs. 1 und 45 a GG

Nach Art. 44 Abs. 1 GG ist auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Bundestages ein Untersuchungsausschuß einzusetzen439 . Auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Verteidigungsausschusses muß dieser als Untersuchungsausschuß tätig werden (Art. 45 a Abs. 2 Satz 2 GG). Die in Art. 44 und 45 a GG zum Ausdruck kommenden Quoren weichen vom Mehrheitsprinzip des Grundgesetzes ab und dokumentieren die Bedeutung von Minderheitenrechten44o . Der Abgeordnete Engelhard hat in einer Bundestagsdebatte angeregt 441 , es müsse ausreichend sein, den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses von einer Fraktion stellen zu lassen, wenn man es mit dem Minderheitenschutz ernst meine. Ferner solle sichergestellt werden, daß jede Fraktion ein Mitglied in jeden Untersuchungsausschuß entsenden könne. Das Recht der Untersuchungsausschüsse ist insgesamt reformbedürftig442 . Ihren Ausdruck findet diese Analyse im Entwurf eines Gesetzes über "Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Bundestages"443. Zudem wird die Unsicherheit, die auf diesem Rechtsgebiet herrscht, durch eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen herausgestellt, die den Minderheitenschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren betreffen 444 . Bemerkenswert bleibt jedoch, daß gegen den Willen der Minderheit die Mehrheit den Untersuchungsgegenstand durch Zusatzfragen nicht erweitern darf 445 und daß die Minderheit ein Beweiserhebungsrecht besitzt sowie daß Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Pflicht vom Minderheitenrecht umfaßt sind446 . Es ist somit eine Ausweitung der Minderheitenrechte festzustellen. Allerdings sind Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppen davon kaum betroffen, da der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses grundsätzlich von Fraktionen gestellt wird447 • In den ersten 10 Wahlperioden wurde nur einmal ein entsprechender Antrag von einer Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe eingebracht448 . 439

440

Vgl. auch §§ 54 Abs. 1,74 Abs. 1lit. k. GOBT.

v. Münch, Art. 44 GG, Rn. 5.

441 Stenogr.-Bericht: 8. WP, 63. Sitzung (15. 12. 1977) S. 4829; v. Münch, Art. 44 GG, Rn. 5 hält diesen Vorschlag für nicht abwegig. 442 Vgl. Bericht des 1. Bundestagsuntersuchungsausschusses der 10. WP (FlickAusschuß), Drs.-Nr. 5079. 443 Drs. des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, 106-55. 444 Vgl. die Übersicht bei Schröder, ZParl17 (1986), 367 ff. 445 BVerfG NJW 1979, 261. 446 NdsStGH, Urteil vom 16. 1. 1986 (StGH 1/85), zitiert bei Schröder, ZParl 17 (1986), 375. 447 Datenhandbuch I, S. 618 - 623, 11 S. 595. 448 Untersuchungsausschuß zur Hauptstadtfrage; 1. WP, Drs.-Nr.: 1/1397 (neu).

88

C. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe 2. Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG

Ein Drittel der Bundestagsabgeordneten kann gemäß Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG eine außerplanmäßige Sitzung des Plenums verlangen. Dieses Minderheitenrecht darf jedoch sinnvoll nur außerhalb der Sitzungswochen wahrgenommen werden, da aufgrund der Parlamentsautonomie der Ältestenrat andernfalls die Termine und die Tagesordnung bestimmt. Im übrigen muß der Bundestag zwar auf Verlangen von einem Drittel der Abgeordneten zusammengerufen werden, es ist dieser Minderheit jedoch nicht möglich, die Tagesordnung festzulegen 449 . 3. § 14 Wahlprüfungsgesetz

Gemäß § 14 Wahlprüfungsgesetz kann der Bundestagspräsident Einspruch gegen die Wahl eines Abgeordneten einlegen, wenn Zweifel an dessen Wählbarkeit bestehen. Auf Verlangen von 100 Abgeordneten ist er dazu verpflichtet. Soweit ersichtlich, hat dieses Minderheitenrecht in der Praxis noch keine Bedeutung erlangt. Bei den oben genannten Gruppenrechten handelt es sich um solche mit verpflichtender Wirkung, das heißt, die in der Minderheit befindliche Abgeordnetengruppe kann die Mehrheit des Parlaments zu einem bestimmten Verhalten (Tun oder Unterlassen) zwingen. Im Gegensatz dazu stehen die Gruppenrechte mit lediglich veranlassender Wirkung, durch die die Gruppe nur die Behandlung eines Antrages durch das Plenum erreichen kann, nicht aber die Annahme selbst 450 . Der Mehrheit bleibt bei den Gruppenrechten mit veranlassender Wirkung die Entscheidungskompetenz erhalten. Die Terminologie, die dazu dienen soll, die Minderheitenrechte zu trennen, ist unterschiedlich. Neben dem oben erwähnten Begriffspaar findet man auch die Aufteilung in absolute (unbeschränkte) und relative (beschränkte) Minderheitenrechte451 . Wollmann benutzt zudem die Ausdrücke "parlamentarische Gestaltungsrechte" und "parlamentarische Antragsrechte"452. Schäfer spricht teilweise von " Vetorechten " 453. Alle Differenzierungen haben aber gemeinsam, daß entscheidend darauf abgestellt wird, ob die Minderheit die Mehrheit zu etwas verpflichten kann oder ob nur das Plenum veranlaßt werden soll, sich mit einem Antrag zu befassen. Um diese letztlich bedeutsame Differenzierung klarzustellen, sollte zwischen veranlassender und verv. Münch, Art. 39 GG, Rn. 38; Troßmann, § 25 GOBT, Rn. 7. 450 Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 300, der eine entsprechende Einteilung vornimmt. 451 H. P. Schneider, AöR 99 (1974), 629 f.; Vonderbeck, ZParl6 (1975), 150. 452 Wollmann, Parlamentsminderheiten, S. 33. 453 Schäfer, S. 82. 449

IV. Die Rechte nach der Geschäftsordnung

89

pflichtender Wirkung getrennt werden. Der Erkenntniswert der anderen Unterscheidungen ist geringer.

IV. Die Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe nach der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages

Die Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe decken sich weitgehend mit denen der Fraktionen, da auch die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe immer Fraktionsmindeststärke erreichen muß 45 4, um Rechte im Bundestag ausüben zu können. Begrifflich ist dies nicht zwingend. Bis zur Reform der Geschäftsordnung im Jahre 1980 besaß die Gruppe mit 5 oder 10 Abgeordneten noch verfahrensrechtliche Befugnisse 455 • Auch wenn zwischen der Fraktion und der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe mit Fraktionsmindeststärke zahlenmäßige Übereinstimmung bestehen kann, ist ein wesentlicher Unterschied bemerkenswert. Die Abgeordnetengruppe muß in der Sitzung in voller Zahl vertreten sein, die Fraktion jedoch nicht, um ein Recht auszuüben456 • 1. Die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

mit Fraktionsmindeststärke im Plenum

Die der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gewährten Befugnisse werden hinsichtlich ihrer verpflichtenden oder veranlassenden Wirkung differenziert457 • Zudem soll eine Systematisierung in bezug auf das Tun oder Unterlassen erfolgen458 • Einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt die Zusammenfassung nicht 459 • Es werden nur exemplarisch einige Rechte aufgezeigt.

454 Datenhandbuch 11 S. 747 - 750 (die Darstellung ist beschränkt auf die absoluten Minderheitenrechte). 455 Datenhandbuch I S. 768. 456 Achterberg, Parlamentsrecht, S. 303. 457 Vgl. Punkt B. 111. 3. 458 So auch die Unterscheidung bei Achterberg, Parlamentsrecht, S. 303 ff. 459 Die Übersichten "Minderheitenrechte" in den Datenhandbüchern I, S. 766 - 771 und 11, S. 746 - 750 zeigen ein vollständiges Bild der "absoluten Minderheitenrechte"; die Gruppenrechte mit veranlassender Wirkung stellt Achterberg, Parlamentsrecht, S. 306, dar.

90

C. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

a) Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe mit verpflichtender Wirkung, die zu einem Tun zwingen - Es kann vor Beginn einer Abstimmung die Beschlußfähigkeit bezweifelt werden. Bejaht der Sitzungsvorstand diese nicht einmütig, so ist in Verbindung mit der Abstimmung die Beschlußfähigkeit durch Zählung der Stimmen festzustellen (§ 51 Abs. 2 GOBT). - Die namentliche Abstimmung kann bis zur Eröffnung der Abstimmung verlangt werden (§ 52 GOBT), wenn diese nicht grundsätzlich unzulässig ist (vgl. § 53 lit. a - g GOBT). - Auf Verlangen wird die zweite Beratung eines Gesetzentwurfs mit einer allgemeinen Aussprache eröffnet (§ 81 Abs. 1 Satz 1 GOBT). Vor dem zweiten Tage nach Verteilung des Ausschußberichts und der Beschlußempfehlung beginnt die Aussprache nur, wenn dem Antrag der Gruppe zwei Drittel der anwesenden Mitglieder des Bundestags zustimmen (§ 81 Abs. 1 Satz 2 GOBT)46o. - Auf Verlangen beginnt die dritte Beratung eines Gesetzentwurfs mit einer allgemeinen Aussprache, wenn in der zweiten Beratung keine solche stattfand (§ 84 GOBT). - Änderungsanträge, die sich auf Bestill1rtl.ungen beziehen, die in zweiter Beratung geändert wurden, müssen von der Gruppe unterzeichnet werden (§ 85 Abs. 1 GOBT). - Nach Eingang der Antwort der Bundesregierung muß die Beratung einer Großen Anfrage auf Verlangen auf die Tagesordnung gesetzt werden (§§ 100, 75 Abs. 1lit. f., 76 Abs. 2 GOBT). - Eine Aussprache über den Bericht des Petitions ausschusses kann verlangt werden (§ 112 Abs. 2 GOBT). - Auf Verlangen muß der Bericht des Wehrbeauftragten auf die Tagesordnung gesetzt werden (§ 114 Abs. 1 GOBT). - Auf Verlangen muß die Entscheidung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung über die Auslegung der Geschäftsordnung dem Bundestag zur Entscheidung vorgelegt werden (§ 127 Abs. 1 GOBT). - Zu der Antwort der Bundesregierung auf eine mündliche Anfrage oder unabhängig von einer für die Fragestunde eingereichten Frage muß auf Verlangen eine Aktuelle Stunde stattfinden (§ 106 i.V.m. Anlage 5, Nr. 1 b undc GOBT). 460 § 81 Abs. 1 GOBT stellt ein Gruppenrecht sowohl mit verpflichtender Wirkung (Satz 1) als auch mit veranlassender Wirkung (Satz 2) dar.

IV. Die Rechte nach der Geschäftsordnung

91

Zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe muß auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Bundestages eine Enquete-Kommission eingesetzt werden (§ 56 Abs. 1 GOBT).

b) Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe, die zu einem Unterlassen verpflichten Nach Feststellung der Tagesordnung dütfen andere Verhandlungsgegenstände nur beraten werden, wenn kein Widerspruch erfolgt oder die Beratung von der Geschäftsordnung außethalb der Tagesordnung zugelassen ist (§ 20 Abs. 3 GOBT). - Auf Verlangen findet die Abstimmung nicht unmittelbar nach Schluß der Beratung eines Gesetzentwurfs statt, wenn Änderungen in der zweiten Beratung vorgenommen wurden. In diesem Fall müssen zunächst die Beschlüsse zusammengestellt und verteilt werden (§ 86 GOBT). Die obige Aufstellung der Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe im Plenum zeigt, daß in erster Linie Verfahrensrechte betroffen sind. Diese Verfahrensrechte dienen dem Ziel, "die Diktatur der Mehrheit über die Minderheit zu verhindern"461. Dennoch ist die These, Mehrheitsentscheidungen bezögen sich auf Sachfragen und Minderheitsentscheidungen auf Verfahrensfragen 462 , in dieser Allgemeinheit unrichtig463 , wie zwei Beispiele verdeutlichen können: - Der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses bezieht sich sowohl auf Sach- wie auch auf Verfahrensfragen. Er zeigt daher, wie wichtig ein Minderheitenrecht in Sachfl'agen sein kann. - Zwei Drittel der anwesenden Mitglieder des Bundestages müssen einem Antrag zustimmen, damit vor dem zweiten Tage nach Verteilung des Ausschußberichts und der Beschlußempfehlung die Aussprache über die zweite Beratung eines Gesetzentwurfs beginnen kann. Eine Mehrheitsentscheidung ist somit für eine reine Verfabrensfrage vorgeschrieben464 . Durch die Geschäftsordnung muß die Vertretung der Minderheiten bei der parlamentarischen Arbeit organisatorisch gewährleistet werden 465 . Dieser Verpflichtung wird insbesondere durch Verfahrensrechte nachgekommen, da die Minderheit das Gesamtparlament von ihrer Sicht der Dinge überzeugen können muß. Auch im "Fraktionenparlament" ist es möglich, durch vor461 462 463 464 465

Schäfer, S. 75. So aber Schäfer, S. 75; Vonderbeck, ZParl 6 (1975), 150. Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 594; ders., DVB11980, 520. § 81 GOBT. Hauenschild, S. 107.

C. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

92

getragene Argumente Mehrheiten zu verändern und die Solidarität der Partei- und Fraktionszugehörigkeit aufzubrechen466 . Daneben wird durch die oben dargelegten Rechte klar, daß auch die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe durch die Ausübung ihrer Minderheitenrechte eine wichtige Kontrolle der Mehrheit und der Regierung gewährleisten kann. Minderheitenrechte dienen nicht notwendigerweise dem Minderheitenschutz. Nach § 45 Abs. 2 GOBT kann eine nichtinstitutionalisierte Gruppierung die Beschlußfähigkeit des Bundestages bezweifeln. Dieses Minderheitenrecht dient auch der Mehrheit, da diese damit Zufalls- oder Augenblicksmehrheiten verhindern kann. 1963 stellten Mitglieder der "CDU/ CSU-Mehrheitsfraktion" den Antrag nach § 45 Abs. 2 GOBT, um ein von der Bundesregierung verhängtes Röhrenembargo zu verteidigen 467 . c) Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe,

die zu einem Verhalten veranlassen468

- Es kann beantragt werden, die Beratung zu vertagen oder die Aussprache zu schließen (§ 25 GOBT). - Die Vertagung der Sitzung kann beantragt werden (§ 26 GOBT). - Der Antrag auf Herbeirufung eines Mitglieds der Bundesregierung ist möglich (§ 42 GOBT). - Auf ein entsprechendes Verlangen und mit Genehmigung des Bundestagspräsidenten kann ein Ausschuß außerhalb des Zeitplanes und außerhalb des ständigen Sitzungsortes tagen (§ 60 Abs. 3 GOBT)469. - Auf Antrag kann der Bundestag beschließen, die Einberufung des Vermittlungsausschusses zu verlangen (§ 89 GOBT). - Ein Viertel der Abgeordneten kann Wahlvorschläge für den zweiten und dritten Wahlgang bei der Wahl des Bundeskanzlers machen (§ 4 GOBT). - Ein Viertel der Abgeordneten kann einen Mißtrauensantrag gegen den Bundeskanzler stellen (§ 97 Abs. 1 GOBT). Die Gruppenrechte mit veranlassender Wirkung sind im Vergleich zu denen mit verpflichtender Wirkung von untergeordneter Bedeutung, da aufgrund dieses Antrages lediglich ein Mehrheitsbeschluß herbeigeführt werden kann470 . Eine Ausnahme macht § 60 Abs. 3 GOBT, da die Genehmigung des Bundestagspräsidenten hinzukommen muß. Schäfer, S. 76. Vgl. den Hinweis bei Schäfer, S. 81 f. 468 Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 306. 469 Diese Bestimmung ist bedeutsam für Ausschußsitzungen in Berlin; vgl. auch Datenhandbuch II, S. 610. 470 Vgl. oben Punkt B. III. 3. 466 467

IV. Die Rechte nach der Geschäftsordnung

93

2. Die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe im Ausschuß

Ohne die Ausschüsse wäre der Bundestag zwar nicht rechtlich, aber tatsächlich arbeitsunfähig 471 . Der Bundestag wird deshalb von Zeh als "Ausschußparlament" bezeichnet 472 • Ob diese Bezeichnung angesichts der fehlenden Beschlußbefugnis der Ausschüsse und der Bedeutung der Fraktionen glücklich gewählt wurde, soll dahingestellt bleiben. Allerdings beschränkt sich die Ausschußarbeit nicht mehr auf die bloße Gesetzesvorbereitung. Aufgrund des Selbstbefassungsrechts gemäß § 62 Abs. 1 GOBT besteht eine intensive Kontrollmöglichkeit der Ressortpolitik und eine Art "Mitregierung" der Ausschüsse. Teilweise liegt der Schwerpunkt der Ausschußarbeit deshalb nicht mehr bei der Gesetzesvorbereitung473 • Im Hinblick auf diese Bedeutung der Ausschüsse ist es folgerichtig, daß auch Gruppenrechte innerhalb der Ausschüsse bestehen. Die Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe, die zu einem Tun verpflichten: - Ein Viertel der Mitglieder eines federführenden Ausschusses 474 kann bei überwiesenen Vorlagen verlangen, daß eine öffentliche Anhörung von bestimmten Sachverständigen, Interessenvertretern und anderen Auskunftspersonen vorgenommen wird (§ 70 Abs. 1 GOBT). - Ein Viertel der Mitglieder des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung kann verlangen, daß die vom Ausschuß vorgenommene Auslegung der Geschäftsordnung dem Bundestag zur Entscheidung vorgelegt wird (§ 127 Abs. 1 GOBT). - Ein Drittel der Mitglieder des Ausschusses kann unter Angabe der Tagesordnung verlangen, daß der Vorsitzende eine Einberufung zum nächstmöglichen Termin innerhalb des Zeitplanes vornimmt (§ 60 Abs. 2 GOBT). Die Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe, die zu einem Unterlassen verpflichten: Widerspricht ein Drittel der Mitglieder des Ausschusses der Einsetzung eines Unterausschusses 475 , kann dieser nicht gebildet werden (§ 55 Abs. 1 GOBT).

Steiger, Organisatorische Grundlagen, S. 123. Zeh, ZParl17 (1986), 410. 473 Ebd., 410 f. 474 Vgl. dazu § 63 GOBT. 475 Der Auswärtige Ausschuß hat beispielsweise in der 10. Wahlperiode folgende Unterausschüsse gebildet: - Abrüstung und Rüstungskontrolle, - Humanitäre Hilfe, - Rundfunkfragen, - Auswärtige Kulturpolitik; Datenhandbuch 11, S. 571. 471

472

94

c. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

- Wird ein Unterausschuß für eine bestimmte Dauer eingesetzt, kann die vorzeitige Auflösung nur erfolgen, wenn ein Drittel der Ausschußmitglieder nicht widerspricht (§ 55 Abs. 2 GOBT). Gruppenrechte im Ausschußbereich mit lediglich veranlassender Wirkung gibt es im Bundestag nicht. Im Ausschußbereich können Befugnisse bereits von sehr kleinen Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppen wahrgenommen werden. So bestand der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung in der 10. Wahlperiode aUS 13 Mitgliedern476 • Es kann demgemäß eine Gruppe von nur 4 Abgeordneten das Recht nach § 127 Abs. 1 GOBT ausüben. Ebenso ist es möglich, daß der Sportausschuß, der in der 10. Wahlperiode auch aus 13 Mitgliedern bestand477 , die Federführung innehat. Mithin können auch 4 Abgeordnete das Recht nach § 70 Abs. 1 GOBT ausüben. Das Quorum von einem Viertel der Abgeordneten in Art. 45 a Abs. 2 GG entspricht demjenigen in Art. 44 Abs. 1 GG. Aufgrund der Mitgliederzahl von 27 im Verteidigungsausschuß478 können bereits 7 Abgeordnete die Einsetzung des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuß verlangen. Im Plenum sind 130 Abgeordnete notwendig, um in Bereichen außerhalb der Verteidigungspolitik die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durchzusetzen.

Achterberg nennt die Rechte der "kleinen" Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppen im Ausschußbereich eine deutliche Ausprägung des Minderheitenschutzes, der bewirken solle, daß die Abgeordneten sich nicht in unnötige Sacherörterungen einlassen müßten 479 • Auch Dürig betrachtet das Gruppenrecht im Verteidigungsausschuß als folgerichtigen Ausdruck eines notwendigen parlamentarischen Minderheitenschutzes 48o . Beide Wertungen heben zutreffend die Bedeutung der Gruppenrechte im Ausschußbereich hervor. Dennoch darf nicht übersehen werden, daß die Mehrheitsverhältnisse im Plenum mit denjenigen im Ausschuß korrespondieren, da die Ausschüsse ein verkleinertes Abbild des Plenums darstellen 481 • Der Proporz ist damit unverändert in den Ausschüssen vorhanden482 . Diese Tatsache führt dazu, daß kleine Gruppen oder Fraktionen teilweise nur mit einem Abgeordneten im Ausschuß vertreten sind und fraktionslose Abgeordnete überhaupt nicht483 • Es ist für diese Gruppen also beispielsDatenhandbuch II, S. 571. Datenhandbuch II, S. 571. 478 Datenhandbuch II, S. 572. 479 Achterberg, Parlamentsrecht, S. 305. 480 Dürig, in: Maunz / Dürig, Art. 45 a, Rn. 9. 481 Vgl. nur BVerfGE 14, 121 (133 ff.); 20, 56 (116); 24, 300 (339); 34, 160 (163 f.). 482 Auf die Schwierigkeiten des unveränderten Proporzes bei Minderheiten-Enqueten weist Hernekampf, in: v. Münch, Art. 45a, Rn. 12, hin. 476

477

IV. Die Rechte nach der Geschäftsordnung

95

weise ebenso schwierig, 4 Abgeordnete des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung auf "ihre Seite" zu bringen, wie 26 (Fraktionsmindeststärke) Abgeordnete im Plenum.

3. Die Nichtinstitutionalisierle Abgeordnetengruppe

unterhalb der Fraktionsmindeststärke

Am 25: 6. 1980 verabschiedete der Deutsche Bundestag eine neue Geschäftsordnung, die am 1. 10. 1980 in Kraft getreten ist. Es sollte keine Parlamentsreform sein484 . Die Leitgedanken der neuen Regelung bezeichnet Roll folgendermaßen: Feststellung, Ordnung und vorsichtige Verbesserung des parlamentarischen Verfahrensrechts485 •

a) Die Abschaffung einiger Gruppenrechte durch die Änderung der Geschäftsordnung im Jahre 1980 Vielfach sind die vorgenommenen Änderungen tatsächlich rein formaler Natur4 86 • Dies gilt jedoch nicht bezüglich der Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe unterhalb der Fraktionsmindeststärke, da alle Regelungen insofern gestrichen oder nur noch von einer Gruppe mit Fraktionsmindeststärke ausgeübt werden können. Im einzelnen sind folgende Normen geändert oder gestrichen worden: §§ 24 Abs. 3, 49 Abs. 2, 93 Abs. 1 und 2, 99 Abs. 2 GOBT in der bis 1980 geltenden Fassung. 5 Abgeordnete können demnach nicht mehr: durch Widerspruch verhindern, daß Gegenstände, die nicht auf der Tagesordnung stehen, beraten werden die Beschlußfähigkeit des Hauses bezweifeln durch Widerspruch verhindern, daß drei Beratungen eines Gesetzentwurfs an einem Tag auf die Tagesordnung gesetzt werden einer Abstimmung über einen nicht verteilten oder nicht auf der Tagesordnung stehenden Antrag widersprechen, auch wenn sie der Beratung des Punktes außerhalb der Tagesordnung nicht widersprochen haben 487 • Vgl. Kürschner, S. 107, 115. So der Vorsitzende des "Geschäftsordnungsausschusses" , Stenogr.-Bericht 8/ 225 vom 25. 6. 1980, S. 18268 B. 485 Roll, NJW 1981, 23. 486 Beispielsweise die neue Paragraphenfolge. 487 Dieses und die beiden erstgenannten Rechte besitzen nur noch die Fraktion oder die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe mit Fraktionsmindeststärke. 483

484

c. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

96

10 Abgeordnete können nicht mehr: durch Widerspruch verhindern, daß bei der Beratung von Gesetzentwürfen die Fristen verkürzt werden, soweit die Geschäftsordnung nicht ausdrücklich eine andere Regelung trifft 488 •

b) Bewertung der Änderung der Geschäftsordnung unter dem Gesichtspunkt der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe Durch die Neufassung der Geschäftsordnung im Jahre 1980 sind neue Minderheitenrechte geschaffen worden489 • Deren Träger sind jedoch nur die Fraktionen und Abgeordnetengruppen mit Fraktionsstärke. Wollen aber beispielsweise 15 Abgeordnete des Bundestages initiativ werden oder ein Recht verteidigen, so wird durch diesen Zusammenschluß nichts bewirkt, da entweder dem einzelnen Abgeordneten oder mindestens 26 Abgeordneten Befugnisse eingeräumt sind. Die lang andauernde und durch die neue Geschäftsordnung massiv unterstützte Wandlung des Bundestages zum "Fraktionenparlament" hat zunächst einen Abschluß gefunden, der es gerechtfertigt erscheinen läßt, die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages als Verfahrensregelung eines reinen "Fraktionenparlaments" zu bezeichnen49o • Der einzelne Abgeordnete und auch die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe haben durch die Änderungen im Jahre 1980 mehr verloren als gewonnen491 . Durch die unter Punkt a) aufgeführten Änderungen und Streichungen, welche die Gruppen von mindestens 5 oder 10 Abgeordneten betreffen, sind die verschiedenen Quoren reduziert worden. Ziel des Geschäftsordnungsausschusses war eben diese Reduzierung der Quoren, da im Ausschuß davon ausgegangen wurde, daß entweder ein einzelner Abgeordneter besondere Statusrechte in Anspruch nehmen oder aber die Wahrnehmung von Rechten an die Fraktionsmindeststärke gebunden sein solle492 • Andere Überlegungen haben bei diesen Änderungen offensichtlich keine Bedeutung gehabt493 • Mit Roll / Rüttger4 94 muß davon ausgegangen werden, daß die vorgenommene Streichung von Rechten der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe nicht einfach als bloße Vereinheitlichung der Quoren interpretiert Vgl. Datenhandbuch I, S. 768. Roll / Rüttger, ZParl 11 (1980), 484 ff., nehmen eine Gegenüberstellung der alten und neuen Geschäftsordnung vor. 490 Vgl. Wollmann, Parlamentsminderheiten, S. 15. 491 a.A. Bücker, BayVBl1981, 232, der auch die Wandlung zum "Fraktionenparlament" nicht bestätigt sieht; Roll, NJW 1981, 23; Roll / Rüttger, ZParl11 (1980), 491. 492 Vgl. die Begründung des Geschäftsordnungsentwurfs zu § 20 Abs. 3, Drs. 8/3460, S.84. 493 Drs. 8/3460, S. 84, sowie Punkte B. V. 2. und C. I. 494 Roll / Rüttger, ZParlll (1980), S. 491. 488

489

IV. Die Rechte nach der Geschäftsordnung

97

werden darf. Im folgenden soll daher untersucht werden, ob die Geschäftsordnungsautonomie des Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG überschritten wurde und ob es verfassungsrechtlich zwingend ist, der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe mit 2 bis 25 Abgeordneten durch die Geschäftsordnung Befugnisse einzuräumen. Die Grenzen der Geschäftsordnungsautonomie sind bereits ausführlich dargelegt worden495 . Daraus ergibt sich, daß bei der Frage der Gruppenrechte Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG nicht einschlägig ist, da die Gruppe als solche im Mittelpunkt steht und nicht das einzelne Mitglied der Gruppe 496 . Ebenso kann auch Art. 21 GG keine Grenze bilden. Eine rechtliche Gleichstellung der Partei mit einer ständigen Gliederung des Parlaments wäre unzulässig497. Im Rahmen der Erörterungen des Rechts der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe wurde die Bedeutung des Prinzips der verhältnismäßigen Repräsentation (Art. 53 a Abs. 1 Satz 2 GG) für die Besetzungsrechte (Ausschuß und Ältestenrat) herausgearbeitet498 . Dieses Prinzip kann allerdings allein bei ständigen Gliederungen des Parlaments bedeutsam sein. Nur auf die Dauer einer Legislaturperiode gerichtete Zusammenschlüsse können in Organen des Parlaments repräsentiert werden. Wichtig ist insbesondere die dadurch gewährleistete kontinuierliche Ausschußarbeit 499 . Es wäre im Hinblick auf die Effizienz und Funktionstüchtigkeit des Bundestages nicht wünschenswert, einer Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe, die sich ad hoc bilden und auflösen kann, den Zugang zu Organen des Parlaments zu eröffnen. Die Dauerhaftigkeit des Zusammenschlusses ist insofern ein unverzichtbares Kriterium. Als Grenze der Geschäftsordnungsautonomie sind für die obige Ausgangsfrage der parlamentarische Minderheitenschutz 500 und das Recht auf Bildung und Ausübung der Opposition501 wesentlich. aa) Der Gedanke des Minderheitenschutzes Die Vertretung der Minderheiten bei der parlamentarischen Arbeit ist organisatorisch angemessen zu gewährleisten502 . Organisatorisch zu fördern ist insbesondere die auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhende Gruppenbildung503 . Der darin zum Ausdruck kommende Kollektivwille ist immer ein positives Ergebnis der Rechtsordnung504 . Berücksichtigt werden muß aber 495 Oben Punkt B. I. 5. 496 Oben Punkt B. I. 5. a). 497 Oben Punkt B. I. 5. b).

Oben Punkt B. I. 5. c) aal. Oben, ebd. 500 Vgl. dazu Kürschner, S. 119 ff.; Vonderbeck, ZParl 6 (1975), 150 ff. 501 BVerfGE 2, 1 (12 ff.); 5,84 (140, 199). 502 Hauenschild, S. 107; Zinn-Stein, Art. 99, Anm. 4 c. 503 Hauenschild, S. 110 f. 498 499

7 Kassing

c. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

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auch die zahlenmäßige Stärke der in der Minderheit stehenden Gruppe, denn einer kleinen Minderheit darf es nicht gelingen, das Parlament zu einer "Schwatzbude" zu degradieren 505 • Funktionsfähigkeit und Effizienz der Parlamentsarbeit müssen auch die der aus 2 bis 25 Abgeordneten bestehenden Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe zu gewährenden Rechte begrenzen. Die Frage, wie eng diese Grenze aus den genannten Gesichtspunlden gezogen werden darf, kann nur durch eine Analyse der dieser Gruppe entzogenen Rechte sowie der dem einzelnen Abgeordneten zustehenden Befugnisse beantwortet werden. Das Bezweifeln der Beschlußfähigkeit durch 5 Abgeordnete nach § 49 Abs. 2 GOBT a. F. ist kein Minderheitenrecht im eigentlichen Sinne, da auch die der Mehrheit angehörenden Abgeordneten eine zufällig entstehende Änderung der Mehrheitsverhältnisse verhindern können 506 . Will man die durch die oftmals geringe Präsenz im Plenum bestehende Möglichkeit von Zufallsmehrheiten verhindern, ist es nur folgerichtig, einer kleinen Gruppe dieses Recht einzuräumen. Bei einer drohenden extensiven Wahrnehmung dieses Rechts durch die Minderheit wird die Mehrheit gezwungen, für eine ausreichende Präsenz im Plenum zu sorgen, um ihre Beschlüsse und Gesetzentwürfe verabschieden zu können. Beließe man einer kleinen Gruppe das Recht gemäß § 49 Abs. 2 GOBT a. F., könnte dies einem "leeren" Plenum vorbeugen. 5 Abgeordnete konnten eine nachträgliche Erweiterung der Tagesordnung verhindern (§ 24 Abs. 3 GOBT a. F.). Auf diese Weise war es der Mehrheit nicht möglich, die Minderheit mit einer Flut von Beratungsgegenständen zu überfordern 507 • Einem ähnlichen Zweck diente auch § 99 Abs. 2 GOBT a. F., wonach eine Minderheit nicht gezwungen werden konnte, über einen Beschlußentwurf zu beraten und abzustimmen, wenn eine schriftliche Vorlage fehlte 508 • Durch § 93 GOBT a. F. war es einer kleinen Gruppe von 5 oder 10 Abgeordneten möglich, die Verkürzung von Fristen im Gesetzgebungsverfahren zu verhindern. Die Abkürzungsmöglichkeit von Fristen im Gesetzgebungsverfahren bedeutet für die Mehrheit einen verlockenden Anreiz, ein unpopuläres Gesetz möglichst schnell zu verabschieden. Unerwünschte Anträge werden schnell erledigt oder ganz unterdrückt 509 • Dieses Ergebnis kann bei Beachtung des Minderheitenschutzes nicht das Ziel der Änderung der Geschäftsordnung im Jahre 1980 gewesen sein510 . 504 505 506

507 508

509 510

Lewald, S. 55. Kürschner, S. 12l. Schäfer, 2. Aufl., S. 80. Ebd. Ebd. Ebd. Vgl. dazu Drs.-Nr. 8/3460, zu § 24 Abs. 3 GOBT.

IV. Die Rechte nach der Geschäftsordnung

99

Die Bedeutung, welche die Gewährung von Minderheitenrechten für kleine Gruppen hat, unterstreicht die Tatsache, daß ein solches Recht nicht in erster Linie durch seine Ausübung wirkt, sondern durch die damit verbundene Drohung511 • Im heutigen Alltag des Fraktionenparlaments sind kleine Gruppen in einer Fraktion oftmals nur stark, wenn ihnen Rechte eingeräumt werden, die auch im Plenum oder in den Ausschüssen Wirkung entfalten. Der offene Konflikt wird dann möglicherweise von der Fraktionsmehrheit gescheut, so daß auch Argumente kleiner Gruppen in Fraktionsvorlagen eingearbeitet werden. Durch die Änderung der Geschäftsordnung hat sich für den einzelnen Abgeordneten nur wenig ergeben512 . Verbesserungen hat es im Fragerecht gegeben. Ferner besteht die Möglichkeit, Änderungsanträge auch bei Vorlagen zu stellen, die nur in einer Beratung behandelt werden sollen (§ 78 Abs. 4 i.V.m. § 82 Abs. 1 GOBT)513. Andererseits ist es aufgrund der Streichung des § 116 Abs. 1 GOBT a. F. nicht mehr möglich, eine Auskunft der Bundesregierung zu beanstanden. Die geringfügigen Änderungen der Statusrechte des einzelnen Abgeordneten können weder als Verschlechterung noch als Verbesserung betrachtet werden. Es ist daher nicht legitim zu behaupten, die den kleinen Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppen entzogenen Rechte würden aufgrund der Ausweitung der Rechte des einzelnen Abgeordneten nicht ins Gewicht fallen. Die Verlagerung der Befugnisse auf die Fraktion und die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe mit Fraktionsmindeststärke514 hat zu einer Schlechterstellung der kleinen Gruppe geführt. Art. 53 a GG kann im Rahmen des Rechts der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe unmittelbar keine Wirkung entfalten. Es muß jedoch beachtet werden, wie wichtig die Festsetzung der Fraktionsmindeststärke auch für nichtinstitutionalisierte Gruppierungen ist, da entweder der Fraktion oder aber einer Anzahl von Abgeordneten in Fraktionsmindeststärke Befugnisse eingeräumt sind. Zum Zeitpunkt der Einführung des Art. 53 a in das Grundgesetz bestand eine Fraktionsmindeststärke von 15 Abgeordneten. Herzog stellt aufgrund dieser Konstellation die Frage, ob durch Art. 53 a GG diese Fraktionsmindeststärke verfassungsrechtlich zementiert werden sollte. Im Ergebnis wird dies nicht bejaht, jedoch widerspricht es nach Auffassung Herzogs dem Leitgedanken der Verfassungsnovelle, wenn die Fraktionsmindeststärke von 15 Abgeordneten wesentlich erhöht werden sollte515 • Auch Arndt folgt dieser Meinung. Er legt dar, die herkömmliche 511 Zeh, ZParl17 (1986),406, bezieht diesen Gedanken auf die Statusrechte des einzelnen Abgeordneten. 512 Datenhandbuch I, S . 767 f.; Roll, NJW 1981, 23. 513 Roll / Rüttger, ZParlll (1980), 49l. 514 Ebd. 515 Herzog, in: Maunz / Dürig, Art. 53 a, Rn. 14, Fn. 2.

7*

100

c. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

Stärke von 15 Abgeordneten dürfe nicht wesentlich erhöht werden, da zahlreiche Rechte innerhalb der Regelung von Geschäftsordnungsangelegenheiten nur von mindestens so vielen Abgeordneten ausgeübt werden könnten, wie es einer Fraktionsstärke entspräche516 • Die Anhebung der Fraktionsmindeststärke von 15 auf 26 am 27. 3. 1969 stellt eine wesentliche Erhöhung dar. Für die hier zu behandelnden Fragen sind allerdings die Auswirkungen auf die Fraktion selbst unerheblich, beachtlich sind die damit verknüpften Änderungen. Der Automatismus, mit dem Fraktionsrechte und Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe weitgehend gleichbehandelt werden, muß bei den Überlegungen Arndts überraschen. Der Fraktionsstatus berechtigt beispielsweise zu erheblichen finanziellen Ansprüchen, die die nichtinstitutionalisierten Gruppierungen nicht haben. Allein diese Tatsache rechtfertigt es, an die Fraktionsbildung höhere Ansprüche zu stellen. Ferner bildet die Voraussetzung der politischen Homogenität einer Fraktion einen weiteren Unterschied zur Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe. Wenn damit bereits 15 Abgeordnete eine bei der Fraktionsbildung zu beachtende Grenze darstellen, muß diese Grenze erst recht bei den Befugnissen der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe wesentlich sein. Diese Überlegungen hat das Parlament bei der Streichung der Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe unterhalb der Fraktionsmindeststärke offensichtlich nicht vorgenommen. Es sollte ausschließlich eine Verringerung der verschiedenen Quoren erreicht werden 517 • Dechamps 518 hat zwischen "Meinungs-" und "Handlungsparlamenten" unterschieden 519 • Meinungsparlamente haben danach im wesentlichen Kontrollfunktionen. Es soll der Kontrolle dienen, wenn möglichst viele Gruppen ihre Meinung in die parlamentarische Arbeit einbringen. Ein Handlungsparlament hat hingegen eine besondere Mitregierungsfunktion. Die Arbeit der Mitregierung bedeutet, daß das Parlament für den Handelnden einen Plan erstellt, nach dem dieser sich zu richten hat52o . Beide Parlamentstypen verlangen verschiedene Organisationstypen, um möglichst große Effektivität zu erzielen. So ist die Arbeit eines "Meinungsparlaments" besonders effektiv, wenn den kleinen Gruppen und dem einzelnen Abgeordneten umfassende Rechte zugestanden werden. Gerade diese Befugnisse schränken die Mitregierungsfunktion dann jedoch wieder ein 521 .

516

517 518 519 520

521

Arndt, S. 79. Vgl. Drs.-Nr.: 8/3460, S. 84. Dechamps, Macht und Arbeit der Ausschüsse, S. 139 f. Vgl. auch Hauenschild, S. 112. Hauenschild, S. 113. Ebd.

IV. Die Rechte nach der Geschäftsordnung

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Der Bundestag ist mehr ein "Handlungsparlament"522. Es kommt also entscheidend darauf an, die Mitregierungsfunktion organisatorisch zu sichern523 , ohne die Kontrollfunktion unberücksichtigt zu lassen 524 . Durch die Fraktionen wird die Mitregierungsfunktion sichergestellt. Eine erfolgreiche parlamentarische Arbeit ist ohne Fraktionen nicht vorstellbar 525 . Andererseits muß alles, was kleine Gruppen von Abgeordneten für wichtig erachten, auch als wichtig für die Behandlung durch das gesamte Parlament gelten 526 . Die Kontrollfunktion, die dadurch ausgeübt wird, darf keinesfalls unterschätzt werden. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppen werden häufig Sachfragen behandeln, die für die Fraktionen nicht oder noch nicht interessant sind. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf eine Reihe von Kleinen Anfragen auf dem Gebiet des Umweltschutzes im Laufe der 8. und 9. Wahlperiode. Dieses heute mit sehr viel Sensibilität behandelte Thema war zum damaligen Zeitpunkt noch von geringerer Publizität, so daß den Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppen insofern eine "Vorreiterrolle" zugekommen ist 527 • Ein weiteres Beispiel für die Bedeutung der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppen bei Sachfragen bildet die Diskussion um die Neubauten des Deutschen Bundestages 528 . Es ist nicht verständlich, warum die durch eine kleine Gruppe ausgeübte Kontrolle ausgeschaltet werden muß und nur noch relativ große Gruppen diese Funktion übernehmen sollen, wie es faktisch nach der Geschäftsordnung aus dem Jahre 1980 der Fall ist. Die Funktionsfähigkeit und Effizienz der parlamentarischen Arbeit verlangen eine derartige Regelung im Geschäftsordnungsrecht nicht. Durch die ,,5%-Sperrklausel" des Bundeswahlgesetzes wird die Funktionsfähigkeit des Parlaments bereits sichergestellt. Die Einräumung von Rechten an kleine Gruppen von Abgeordneten stellt das durch die wahlrechtliche Sperrklausei erreichte Ziel nicht in Frage529 , sondern vermeidet dadurch entstehende Härten 530 . Gegen die Gewährung von Befugnissen an kleine Gruppen spricht auch nicht das Argument, eine derartige Gruppe habe keine Chance, ihre Absichten im Parlament durchzusetzen. Diese Argumentation betrifft nicht die durch diese Gruppen wahrzunehmende "Kontrollfunktion", sondern die "Mitre-

Hauenschild, S. 114. Kaufmann, Grundtatsachen und Grundbegriffe, S. 22. 524 Vgl. auch Hauenschild, S. 114; Zenker, Der Parlamentarismus, sein Wesen und seine Bedeutung, S. 15. 525 Hauenschild, S. 116. 526 Vgl. nur v. Mangoldt / Klein, Art. 40, Anm. III 1 d. 527 Drs.-Nr.: 9/96; 8/4453; 8/4505; 8/3969. 528 Drs.-Nr.: 10/5357. 529 a.A. Bücker, BayVBl1981, 232. 530 Der BayVerfGH BayVBl1976, 435, betont die Bedeutung der Rechte einer kleinen Gruppe von Abgeordneten, die keine Fraktion bilden können. 522 523

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C. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

gierungsfunktion". Mitregierungsfunktionen sollen aber auch den größeren parlamentarischen Einheiten vorbehalten bleiben. Festzustellen ist somit, daß es gegen den Minderheitenschutz verstößt, der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe mit 2 bis 25 Abgeordneten keinerlei Rechte in der Geschäftsordnung einzuräumen. Aufgrund der Geschäftsordnungsautonomie kann allerdings allein das Parlament bestimmen, welche Rechte im einzelnen dieser Gruppe zugestanden werden müssen. Wesentlich ist im Rahmen dieser Entscheidung die exakte Größe der Gruppe und die dadurch entstehende erhöhte Arbeitsbelastung des Parlaments. Zu beachten sind auch die bei der Untersuchung der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe gewonnenen Erkenntnisse 531 , ohne daß eine bedenkenlose Übernahme vorzunehmen wäre. Die Unterschiede zwischen diesen parlamentarischen Gruppierungen können nicht dazu zwingen, der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe auch die Rechte der Kleinen Anfrage und der Aktuellen Stunde zu gewähren. Allerdings ist aufgrund der großen Anzahl von Aktuellen Stunden im Laufe der 10. Wahlperiode 532 die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe nicht grundsätzlich von diesem Recht auszuschließen. Einschränkungen sind auch durch eine zahlenmäßige Begrenzung der Aktuellen Stunden entsprechend dem Stärkeverhältnis der Fraktionen und Gruppen denkbar. bb) Das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition Der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beinhaltet das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition 533 • Insbesondere kleine Minderheiten müssen in der Lage sein, ihre oppositionellen Auffassungen mit Nachdruck zur Geltung zu bringen534 • Schneider betont, es bedürfe der gruppenmäßigen Oppositionsaktivitäten, um ernst zu nehmende Gegenkräfte zur Regierungsmehrheit zu bilden 535 . Die vielfach verlangte Stärkung der Opposition536 kann nicht allein durch eine Erweiterung der Fraktionsbefugnisse erreicht werden. Wichtig bleibt in diesem Zusammenhang die Stärkung kleiner parlamentarischer Gruppen, um die verschiedenen außerhalb der Parlamente diskutierten Auffassungen auch im Parlament zur Sprache zu bringen. Vgl. das Zwischenergebnis nach Punkt B.1. 6. Dazu Roll, ZPar117 (1986), 316 f. 533 Vgl. nur BVerfGE 2, 1 (12 f.); 5, 85 (140); oben S. 82. 534 Schneider, S. 355. 535 Schneider, S. 364 f.; vgl. auch Punkt B. V. 1. b). 536 IPA-Drs.-Nr. 728; Sitzung vom 11. 11. 1974; vgl. auch die von der Bürgerschaftskanzlei Hamburgs erstellte Synopse, ZParl15 (1984), 9 ff. 531 532

IV. Die Rechte nach der Geschäftsordnung

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Der Bayerische Verfassungsgerichtshof537 hat in dem bereits mehrfach erwähnten Verfahren, in dem um den Fraktionsstatus einer Gruppe von 8 F.D.P. Abgeordneten gestritten wurde, die Versagung des Fraktionsstatus unter anderem mit drei Argumenten begründet. Erstens werde eine Gruppe von Abgeordneten derselben Partei, die die Fraktionsmindeststärke nicht erreiche, bei der Besetzung des Ältestenrates, des Zwischenausschusses und der größeren Ausschüsse berücksichtigt. Zweitens könne sich eine Fraktion auch aus Mitgliedern verschiedener Parteien bilden und drittens hänge die Wahrnehmung oppositioneller Minderheitenrechte nicht ausschließlich vom Fraktionsstatus ab 53ß . Vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof wird die Frage des Fraktionsstatus somit nicht isoliert betrachtet, sondern es kommt zu einer "Gesamtschau" der Oppositionsrechte in der Geschäftsordnung. Diese Art der Betrachtung führte bereits dazu, eine generelle Pflicht zur Institutionalisierung der Abgeordnetengruppe abzulehnen, wenn der einzelne Abgeordnete oder eine kleine Gruppe von Abgeordneten ihre Oppositionsarbeit effektiv gestalten können 539 • Davon kann nach den obigen Ausführungen 540 jedoch nicht ausgegangen werden. Auch aus dem Grunde einer effektiven Bildung und Ausübung der Opposition ist es somit verfassungsrechtlich geboten, der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe mit 2 bis 25 Abgeordneten besondere Rechte durch die Geschäftsordnung einzuräumen. Wie groß die Gruppe im einzelnen sein sollte und welches Recht zu gewähren ist, muß der Bundestag aufgrund der Geschäftsordnungsautonomie entscheiden.

Zwischenergebnis a) Eine Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe ist durch Interaktionen der einzelnen Mitglieder und durch Gruppenbewußtsein geprägt. Die Bildung ist gekennzeichnet durch äußerlich erkennbare Handlungen. b) Es gibt inner- und interfraktionelle Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppen. c) Die Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe im Plenum und im Ausschuß müssen nach ihrer verpflichtenden und veranlassenden Wirkung unterschieden werden. d) Die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe unterhalb der Fraktionsmindeststärke ist durch die Reform der Geschäftsordnung im Jahre 1980 geschwächt worden. 537 538 539 540

aa).

BayVerfGH BayVB11976, 431 f. BayVerfGH a.a.O., S. 435 ff.; vgl. auch Punkt B. V. 1. b). Oben Punkt B. V. 1. b). Vgl. die Erörterungen hinsichtlich des Minderheitenschutzes, Punkt C. IV. 3. b)

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C. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

e) Aus Gründen des Minderheitenschutzes und der effektiven Bildung und Ausübung der Opposition müssen der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe mit 2 bis 25 Abgeordneten gewisse Rechte eingeräumt werden. Welche Rechte dies sein sollten, ist allein vom Parlament zu bestimmen. V. Die Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe in den Landesparlamenten

Für die Landesparlamente gibt es keine den Datenhandbüchern des Deutschen Bundestages vergleichbaren Werke. Die Handbücher der Landtage erschöpfen sich zumeist in der Wiedergabe von Gesetzen, Geschäftsordnungen und Biographien der Abgeordneten. Bevor daher eine Bewertung der sehr unterschiedlichen Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppen in den Landesparlamenten erfolgen kann, müssen diese zunächst dargestellt werden. Diese Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da insbesondere eine Beschränkung auf die Geschäftsordnung erfolgt. Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe, die unmittelbar der Landesverfassung zuzuordnen sind, bleiben weitgehend unberücksichtigt. 1. Baden-Württemberg

Der Landtag von Baden-Württemberg hat 120 Mitglieder. Eine Fraktion können 8 Abgeordnete der gleichen Partei bilden (§ 17 Abs. 1 GO/B-W). Es gibt eine Vielzahl von Rechten, die eine Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe auch ohne Fraktionsmindeststärke zu erreichen, wahrnehmen kann. - § 19 a Abs. 1541 : Ein Viertel der Mitglieder des ständigen Ausschusses kann die Einberufung dieses Ausschusses verlangen. § 33 542 : Auf Antrag von 5 Abgeordneten muß ein Untersuchungsausschuß eingesetzt werden. § 37 Abs. 3: 10 Abgeordnete können beantragen, daß die Antwort der Landesregierung auf die Tagesordnung gesetzt wird. § 38 Abs. 2: 5 Abgeordnete können die Herbeirufung eines Ministers in den Landtag verlangen. 541 Paragraphen ohne Angabe sind solche der Geschäftsordnung des Landtages von Baden-Württemberg. 542 Eine kursiv gedruckte Paragraphenangabe weist auf ein Gruppenrecht hin, das auch von einer Anzahl von Abgeordneten wahrgenommen werden kann, die nicht Fraktionsmindeststärke erreicht.

v. Die Rechte in den Landesparlamenten

105

§ 47 Abs. 2: 5 Abgeordnete können Änderungsanträge in der dritten Beratung eines Gesetzentwurfs stellen. Beim Haushalts- oder N achtragshaushaltsgesetz muß der Antrag zumindest von einer Gruppe gestellt werden. - § 48: 10 Abgeordnete können die Verweisung eines Gesetzentwurfs an den Ausschuß verlangen. - § 49 a Abs. 1: Entschließungsanträge zu Gesetzentwürfen können 5 Abgeordnete stellen. - § 50: 5 Abgeordnete können eine Änderung der Fristen im Gesetzgebungsverfahren verhindern.

- § 53 Abs. 1: 8 Abgeordnete oder eine Gruppe können einen Antrag, der einen Gesetzentwurf enthält, stellen. - § 54 Abs. 1: 5 Abgeordnete können einen Antrag ohne Gesetzentwurf stellen.

- § 55: Ein Mißtrauensantrag kann von einem Viertel der Abgeordneten eingebracht werden. - § 56: Der Antrag auf Entlassung eines Ministers kann von einem Viertel der Abgeordneten gestellt werden. - § 59: Eine Aktuelle Debatte kann eine Gruppe beantragen. - §§ 62 Abs. 2, 64: 15 Abgeordnete oder eine Gruppe können eine Große. Anfrage oder einen Antrag zur Großen Anfrage stellen.

- § 78 Abs. 4: 5 Abgeordnete können der Beratung von Gegenständen widersprechen, die nicht auf der Tagesordnung stehen. - § 81 Abs. 2: Eine Besprechung über die Wortnahme eines Mitglieds der Landesregierung können 10 Abgeordnete verlangen. - § 99 Abs. 1: Eine namentliche Abstimmung findet auf Verlangen von 5 Abgeordneten statt. - § 105 Abs. 2: Auf Verlangen von 5 Abgeordneten geht die Beschlußfassung durch den zuständigen Ausschuß voraus, wenn von der Geschäftsordnung abgewichen werden soll. 2. Bayem

Der Bayerische Landtag hat 204 Mitglieder. Eine Fraktion können 10 Abgeordnete bilden (§ 6 Abs. 1 GO/Bay). Rechte einer Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe, die nicht Fraktionsmindeststärke erreicht, enthält die Geschäftsordnung nicht. Dennoch werden Abgeordnete derselben Partei, die keine Fraktion bilden können, bei der Besetzung des Ältestenrates und der Ausschüsse berücksichtigt (§§ 15 Abs. 2, 23 Abs. 2 GOI Bay).

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C. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

- § 26 543 : Ein Drittel der Mitglieder eines Ausschusses kann einen Antrag auf Abberufung des Ausschußvorsitzenden oder dessen Stellvertreter stellen.

- § 27 Abs. 2: Auf Antrag von 20 Abgeordneten kann die Stellvertretung in den Unterausschüssen beschränkt werden. - § 29 Abs. 1: Auf Antrag von 20 Abgeordneten muß der Landtag über eine Ausnahme vom Grundsatz der öffentlichen Ausschußsitzungen beschließen.

§ 30 Abs. 1: Auf Antrag von 50 Abgeordneten kann der Landtag die Geheimhaltung eines Beratungsgegenstandes im Ausschuß beschließen. § 35 Abs. 1: Auf Verlangen von einem Viertel der Ausschußmitglieder muß beim Vorliegen eines Tagesordnungspunktes eine Sitzung einberufen werden. - § 36: Auf Antrag von 20 Abgeordneten kann ein Drittel der Mitglieder des Landtages verlangen, daß Beratungsgegenstände, über die ein Ausschuß länger als 8 Wochen nicht beraten hat, auf die Tagesordnung der Vollversammlung gesetzt werden. - § 44 LV.m. Art. 25 Bay/VF: Ein Fünftel der Mitglieder des Landtages kann die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verlangen. - § 53: Auf Antrag von 20 Abgeordneten findet eine dritte Lesung statt. - § 56 Abs. 2: Auf Antrag von 20 Abgeordneten kann eine dritte Lesung erst nach Aushändigung der' Beschlüsse der zweiten Lesung erfolgen. - § 59: Wurden Veränderungen in der abschließenden Lesung vorgenommen, so können 20 Abgeordnete verlangen, daß die Schlußabstimmung erst nach der Zusammenstellung und Verteilung der Beschlüsse erfolgt. - § 63 Abs. 3: Ein von 20 Abgeordneten gestellter Dringlichkeitsantrag muß vom Präsidenten sofort auf die Tagesordnung gesetzt werden. - § 64: Der Antrag gemäß Art. 44 Abs. 3 Satz 2 Bay/VF (Mißtrauensantrag) kann von 20 Abgeordneten gestellt werden. - § 68 Abs. 1: 20 Abgeordnete können Große Anfragen (Interpellationen) einbringen. - § 69 Abs. 3: Eine Besprechung der Antwort der Staatsregierung auf eine Interpellation erfolgt auf Verlangen von 20 Abgeordneten.

- § 70: Anträge zu Interpellationen können 20 Abgeordnete stellen. - § 75 Abs. 1: Auf Antrag von 20 Abgeordneten findet eine Aktuelle Stunde statt. 543 Paragraphen ohne Angabe sind solche der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtages.

v. Die Rechte in den Landesparlamenten

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§ 79 Abs. 4: Die Antwort der Staatsregierung über die Ausführung eines Beschlusses des Landtages wird auf Antrag von 20 Abgeordneten auf die Tagesordnung der nächsten Vollversammlung gesetzt. - § 84 Abs. 2: Entscheidungen des Ausschusses bezüglich der Eingaben und Beschwerden werden auf Verlangen von 20 Abgeordneten in der nächsten Vollversammlung beraten und beschlossen.

- § 87: Anträge auf Klageerhebung gegen ein Mitglied der Staatsregierung oder des Landtages bedürfen der Unterzeichnung von mindestens einem Drittel der gesetzlichen Mitgliederzahl. - § 90 Abs. 1: 20 Abgeordnete können einen Antrag auf Erhebung von Verfassungsstreitigkeiten mit einem anderen Staatsorgan stellen. - § 96 Abs. 1: Auf Verlangen von mindestens einem Drittel der Abgeordneten tritt der Landtag zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. - § 100 Abs. 2: Die Tagesordnung kann während der Sitzung geändert werden, wenn 20 Abgeordnete nicht widersprechen.

- § 100 Abs. 4: Vor Erledigung der Tagesordnung kann die Sitzung nUr durch Beschluß der Vollversammlung auf Vorschlag von 20 Abgeordneten geschlossen werden. - § 104 Abs. 3: Anträge auf Schluß der Aussprache bedürfen der Unterstützung von mindestens 50 Abgeordneten. - § 125 Abs. 1: Ein Antrag in der Vollversammlung auf Herbeirufung eines Ministers der Staatsregierung muß von 20 Abgeordneten unterstützt werden. - § 127: Auf Antrag von 20 Abgeordneten wird durch Beschluß die Aussprache eröffnet, wenn ein Mitglied der Staatsregierung Ausführungen außerhalb der Tagesordnung macht. - § 135 Abs. 2 und 3: Namentliche Abstimmung kann von 20 Abgeordneten beantragt werden. - § 138 Abs. 1: Ein Abgeordneter kann das Abstimmungsergebnis bezweifeln. Unterstützen 20 Abgeordnete diesen Antrag, so muß die Vollversammlung entscheiden. - § 140: Auf Verlangen von 20 Abgeordneten muß vor wichtigen abschließenden Sachentscheidungen eine Überlegungspause eingeschaltet werden. - § 149: Auf Widerspruch von 20 Abgeordneten darf im Einzelfall von den Regeln der Geschäftsordnung nicht abgewichen werden. - § 150: Widersprechen 20 Abgeordnete einer vom Präsidenten vorgenommenen Auslegung der Geschäftsordnung im Einzelfall, muß die Vollversammlung entscheiden.

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c. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe 3. Berlin

Das Berliner Abgeordnetenhaus hat zur Zeit 125 Mitglieder. Diese Zahl ist abhängig vom Verhältnis der Einwohnerzahl Berlins (West) zur Einwohnerzahl Gesamt-Berlins. Eine Fraktion können Mitglieder des Abgeordnetenhauses bilden, wenn sie derselben Partei angehören (§ 7 Abs. 1 Satz 1 GO/BIn). 5 % (also zur Zeit 7) der Abgeordneten bilden die Fraktionsmindeststärke 544 • Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe, die nicht Fraktionsmindeststärke erreicht, enthält die Geschäftsordnung nicht. - § 39 Abs. 1545 : Anträge, auch Entschließungsanträge, können von 10 Abgeordneten schriftlich eingebracht werden. - § 45 Abs. 1: Ein Viertel der anwesenden Abgeordneten kann einen Mißtrauensantrag gegen den Senat oder einen oder mehrere seiner Mitglieder stellen. - § 46 Abs. 4: 10 Mitglieder des Abgeordnetenhauses können beantragen, daß die Antwort des Senates über die Ausführung der Beschlüsse des Abgeordnetenhauses auf die Tagesordnung der nächsten ordentlichen Sitzung gesetzt wird. - § 47 Abs. 1: 10 Abgeordnete können eine Große Anfrage einbringen. - § 52 Abs. 1: Auf Antrag von mindestens 10 Abgeordneten findet eine Aktuelle Stunde statt. - § 56 Abs. 1: Auf Antrag eines Fünftels seiner Mitglieder muß das Abgeordnetenhaus unverzüglich einberufen werden.

- § 60 Abs. 2: Auf Antrag eines Fünftels seiner Mitglieder kann die Öffentlichkeit für bestimmte Angelegenheiten von den Verhandlungen des Abgeordnetenhauses ausgeschlossen werden. 4. Bremen

Die Bremische Bürgerschaft hat 100 Mitglieder. 5 Abgeordnete können sich zu einer Fraktion zusammenschließen (§ 7 Abs. 1 GO/Bre). Erreicht eine Vereinigung die Fraktionsmindeststärke nicht, so kann sie eine Institutionalisierte Abgeordnetengruppe bilden (§ 7 Abs. 6 GO/Bre). Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe, die nicht Fraktionsmindeststärke erreicht, enthält die Geschäftsordnung nicht. 544 Vgl. Nauber, Das Berliner Parlament, S.265; die Fraktionsmindeststärke ist nicht in der Geschäftsordnung genannt. 545 Paragraphen ohne Angabe sind solche der Geschäftsordnung des Berliner Abgeordnetenhauses.

V. Die Rechte in den Landesparlamenten

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§ 23 Abs. 2 546 : Auf Antrag von einem Viertel der gesetzlichen Mitgliederzahl der Bürgerschaft tritt diese in geheimer Sitzung zusammen. Nur bei einem entsprechenden Beschluß bleibt die Sitzung geheim, sonst wird die Öffentlichkeit wieder hergestellt (vgl. Art. 91 VF/Bre). - § 29 Abs. 1 und 2: Große und Kleine Anfragen können Abgeordnete in Fraktionsstärke an den Senat richten. Auf das Verlangen von Abgeordneten in Fraktionsstärke folgt eine Aussprache auf die Antwort des Senats bei einer Großen Anfrage. - § 36 Abs. 4: In der zweiten Lesung eines Gesetzentwurfs findet auf Verlangen von Abgeordneten in Fraktionsstärke eine allgemeine Beratung statt.

- § 57 Abs. 3: Eine namentliche Abstimmung findet auf Antrag von Abgeordneten in Fraktionsstärke statt. - § 58 Abs. 1: Wahlvorschläge müssen von 5 Abgeordneten unterstützt werden.

- § 58 Abs. 5: Auf Verlangen von Abgeordneten in Fraktionsstärke muß bei geheimer Wahl die Abstimmung in Wahlkabinen erfolgen. - § 59 Abs. 2: Ein Antrag auf Ausschluß aus der Bürgerschaft kann von einem Viertel der gesetzlichen Mitgliederzahl der Bürgerschaft gestellt werden. 5. Hamburg

Die Hamburgische Bürgerschaft hat 120 Mitglieder. Eine Fraktion können Mitglieder derselben Partei bilden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 GO/Hbg). Durch Beschluß der Bürgerschaft wurde die Fraktionsmindeststärke auf 6 Abgeordnete festgelegt. Die Geschäftsordnung beinhaltet zwei Rechte, die die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe ausüben kann, obwohl sie nicht die Fraktionsmindeststärke erreicht. - § 16 Abs. 2547 : Ein Zehntel der Abgeordneten kann eine geheime Sitzung beantragen. Die Bürgerschaft beschließt darüber in nicht öffentlicher Verhandlung (vgl. auch Art. 21 Satz 2 VF/Hbg). - § 20 Abs. 2: 10 Abgeordnete können verlangen, daß bei einem abgelehnten Überweisungsantrag die Beratung wieder eröffnet wird.

- § 20 Abs. 5: 10 Abgeordnete können jederzeit beantragen, daß die Beratung geschlossen wird. 546 Paragraphen ohne Angabe sind solche der Geschäftsordnung der Bremischen Bürgerschaft. 547 Paragraphen ohne Angabe sind solche der Geschäftsordnung der Hamburgisehen Bürgerschaft.

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c. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

- § 25 Abs. 1: Ein Viertel der anwesenden Abgeordneten kann einen Antrag auf Übergang zur Tagesordnung stellen. § 26 Abs. ]548: Selbständige Anträge und Änderungsanträge sind schriftlich einzureichen und von einer durch die Bürgerschaft festzusetzenden Anzahl 549 von Abgeordneten zu unterzeichnen.

§ 33 Abs. 1: 6 anwesende Abgeordnete können eine Antrag auf namentliche Abstimmung stellen. § 36 a Abs. 1: Auf Antrag von 6 Abgeordneten findet eine Aktuelle Stunde statt. § 38 Abs. 1: Schriftlich gestellte Große Anfragen müssen von 6 Abgeordneten unterzeichnet sein. § 43 Abs. 2: Ein Viertel der anwesenden Abgeordneten kann widersprechen, wenn die erste und zweite Lesung an einem Tag stattfinden sollen (vgl. auch Art. 49 Abs. 2 und 3 VF/Hbg). § 57 Abs. 1: Wahlvorschläge für den Bürgerausschuß können 5 Abgeordnete einreichen.

§ 68: Ein Ausschuß muß ein öffentliches Anhörungsverfahren durchführen, wenn ein Viertel der Mitglieder des Ausschusses dies beschließt. § 74 Abs. 1: Ein Viertel der Abgeordneten kann die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verlangen. § 77 Abs. 2: Ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses kann die Erhebung von Beweisen verlangen.

- § 79 a Abs. 1: Ein Viertel der Abgeordneten kann die Einsetzung einer Enquete-Kommission verlangen. - § 86: Eine Besprechung von Eingaben findet im Plenum auf Verlangen von 10 Abgeordneten statt. 6. Hessen

Der Hessische Landtag hat 110 Mitglieder. Fraktionen sind Vereinigungen von Abgeordneten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GO/Hes). Die Fraktionsmindeststärke wurde durch Beschluß des Landtages auf 6 Abgeordnete festgesetzt 550 . Rechte, die die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe ausüben kann, ohne Fraktionsmindeststärke zu erreichen, gibt es in der Geschäftsordnung des Hessischen Landtages nicht. 548 Der Kursivdruck deutet auf ein Recht der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe hin, die nicht Fraktionsmindeststärke erreicht. 549 Am 20. 6. 1978 (LT-Drs.-Nr.: 9/1) hat die Bürgerschaft die Anzahl von mindestens 5 Abgeordneten festgesetzt. 550 Vgl. LT-Drs.-Nr.: 11/1.

V. Die Rechte in den Landesparlamenten

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§ 26 Abs. 3 551 : Auf Verlangen von einem Fünftel der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten muß ein Untersuchungsausschuß eingesetzt werden (so auch Art. 92 Abs. 1 VF/Hes). - § 37 Abs. 1: Abgeordnete in Fraktionsmindeststärke können Gesetzentwürfe einbringen. § 40 Abs. 3: In der zweiten Lesung sind auf Verlangen von Abgeordneten in Fraktionsmindeststärke einzelne Bestimmungen oder Teile des Gesetzentwurfs getrennt zu beraten und abzustimmen. § 43 Abs. 2: Abänderungsanträge in der letzten Lesung des Gesetzentwurfs bedürfen der Unterzeichnung von Abgeordneten in Fraktionsmindeststärke. - § 46 Abs. 15 52 : Selbständige Anträge können von 5 Abgeordneten eingebracht werden. - § 49 Abs. 1: Abgeordnete in Fraktionsmindeststärke können Große

Anfragen stellen.

- § 52 Abs. 1: 10 Abgeordnete können eine Aktuelle Stunde beantragen. 7. Niedersachsen

Der Niedersächsische Landtag hat 155 Mitglieder. Abgeordnete, die der gleichen Partei angehören, können sich zu einer Fraktion zusammenschließen, falls diese Partei die nach dem Landeswahlgesetz erforderliche Stimmenanzahl erreicht (§ 2 Abs. 1 GO/Nds)553. Die Fraktionsmindeststärke beträgt somit 7 oder 8 Abgeordnete. Da die Fraktionsmindeststärke sich ausschließlich an dem Wahlgesetz orientiert, gibt es keine durch die Geschäftsordnung geschaffene "zweite Sperrklausel" . Rechte, die die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe ausüben kann, ohne Fraktionsmindeststärke zu erreichen, existieren nicht. - § 22 Abs. 15 54 : Gesetzentwürfe können von 10 Abgeordneten eingebracht werden.

§ 23 Abs. 2: Änderungsanträge zu Gesetzentwürfen müssen von 10 Abgeordneten unterstützt werden.

551 Paragraphen ohne Angabe sind solche der Geschäftsordnung des Hessischen Landtages. 552 Es handelt sich um ein Recht der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe, die nicht Fraktionsmindeststärke erreicht. 553 Vgl. § 33 Abs. 3 LWG; ,,5 %-Sperrklausel". 554 Paragraphen ohne Angabe sind solche der Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtages.

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C. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

- § 25 Abs. 1: Die erste Beratung eines Gesetzentwurfs beginnt grundsätzlich am dritten Tage nach der Verteilung des Entwurfs. Widersprechen 10 Abgeordnete nicht, kann sie früher beginnen. - § 27 Abs. 2: Auf Verlangen von 30 Abgeordneten muß ein Gesetzentwurf nach der ersten Beratung einem Ausschuß überwiesen werden. - § 29: Zwischen der ersten und der zweiten Beratung oder der Verteilung einer Beschlußempfehlung und der zweiten Beratung muß eine Frist von zwei Tagen eingehalten werden. Früher kann die zweite Beratung nur ohne Widerspruch von 10 Abgeordneten beginnen. - § 30 Abs. 2: Auf Wunsch von 10 Abgeordneten findet vor der Einzelberatung eine allgemeine Aussprache statt (Verlauf der zweiten Beratung).

- § 33: Treten zwischen der zweiten und dritten Beratung eines Gesetzentwurfs unvorhersehbare Änderungen ein, kann die Frist von zwei Tagen zwischen den Beratungen nur verkürzt werden, wenn 10 Abgeordnete nicht widersprechen. - § 38 Abs. 1: Selbständige Anträge können von 10 Abgeordneten eingebracht werden. - § 40 Abs. 4: Die Bemerkung eines Abgeordneten, die Antwort der Landesregierung auf einen Beschluß des Landtages sei unvollständig oder erledige den Beschluß nicht, wird im Landtag besprochen, wenn 10 Abgeordnete dies verlangen. - § 45 Abs. 1: 10 Abgeordnete können Große Anfragen an die Landesregierung richten.

- § 45 Abs. 5: Die Große Anfrage und die Antwort werden auf Antrag von 10 anwesenden Abgeordneten besprochen. § 63 Abs. 3: Ein Viertel der Abgeordneten kann bei Angabe des gewünschten Beratungsgegenstandes die Einberufung des Landtages verlangen. - § 66 Abs. 1: Der Landtag kann auf Antrag von 10 Abgeordneten eine Abweichung von der Tagesordnung beschließen. - § 74 Abs. 2: Ein Antrag auf Unterbrechung oder Schluß der Besprechung bedarf der Unterstützung von 10 Abgeordneten.

- § 78 Abs. 1: 10 Abgeordnete können beantragen, daß die Anwesenheit eines Mitglieds der Landesregierung verlangt wird. - § 78 Abs. 3: Auf Verlangen von 10 Abgeordneten muß die Besprechung über Ausführungen eines Mitglieds der Landesregierung, die dieser auf sein Verlangen außerhalb der Tagesordnung gemacht hat, eröffnet werden. - § 84 Abs. 3: 10 Abgeordnete können eine namentliche Abstimmung verlangen.

V. Die Rechte in den Landesparlamenten

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§ 92 Abs. 2: Ein Drittel der Ausschußmitglieder kann schriftlich die Einberufung des Ausschusses verlangen. - § 99: Auf Widerspruch von 10 Abgeordneten darf im Einzelfall nicht von der Geschäftsordnung abgewichen werden. 8. Nordrhein-Westfalen

Der Nordrhein-Westfälische Landtag hat 201 Mitglieder. Fraktionen sind Vereinigungen von mindestens 5 % der Mitglieder des Landtages (§ 16 Abs. 1 GO/NW). Die Fraktionsmindeststärke beträgt folglich 11 Abgeordnete. Allerdings behält eine einmal gebildete Fraktion ihren Status auch bei Fraktionsaustritten, wenn die Mitgliederzahl nicht unter 7 absinkt (§ 16 Abs. 3 i.V.m. § 87 Abs. 3 GO/NW). Die Geschäftsordnung gewährt auch der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe, die nicht Fraktionsmindeststärke erreicht, bestimmte Befugnisse. - § 26 Abs. 2 555 : Auf Antrag eines Viertels der Abgeordneten muß der Ausschuß bei Gesetzentwürfen und Anträgen neun Monate nach der Überweisung Bericht erstatten. - § 28 Abs. 2 und 3: Ein Viertel der Ausschußmitglieder kann die Einberufung des Ausschusses verlangen. Während der sitzungsfreien Zeit muß der Ältestenrat zustimmen. - § 33 Abs. 2: Ein Viertel der Ausschußmitglieder kann die öffentliche Anhörung von Sachverständigen und anderen Personen verlangen.

- § 35 Abs. 1: Ein: Fünftel der Abgeordneten kann die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verlangen (Art. 41 VF/NW ist nahezu identisch). - § 37 Abs. 2: Auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder ist der Landtag unverzüglich einzuberufen. - § 40 Abs. 2 556 : Bei Widerspruch von 6 Abgeordneten darf die Tagesordnung während der Sitzung nicht ergänzt werden.

- § 42: Auf Antrag von 10 Abgeordneten kann der Landtag mit Zweidrittelmehrheit die Öffentlichkeit ausschließen. - § 54 Abs. 1: 10 Abgeordnete können eine namentliche Abstimmung verlangen.

555 Paragraphen ohne Angabe sind solche der Geschäftsordnung des Landtages von N ordrhein-Westfalen. 556 Bei den kursiv gedruckten Paragraphen handelt es sich um Befugnisse der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe, die nicht Fraktionsmindeststärke erreicht.

8 Kassing

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C. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

- § 72 Abs. 1557 : Auf Verlangen eines Viertels der Abgeordneten muß die Beratung des Landtages vor der Abstimmung über den Antrag eines Abgeordneten auf Anwesenheit eines Mitglieds der Landesregierung eröffnet werden. - § 73 Abs. 2: Ergreift ein Minister oder Beauftragter der Landesregierung das Wort außerhalb der Tagesordnung, wird auf Verlangen eines Viertels der Abgeordneten die Beratung über seine Erklärung eröffnet. - § 74 Abs. 2: Eine Bemerkung, daß die Mitteilung der Landesregierung zu einem Beschluß des Landtages unvollständig sei oder den Beschluß nicht erledige, müssen 10 Abgeordnete unterzeichnen. Es erfolgt eine schriftliche Antwort der Landesregierung. - § 74 Abs. 3: Die Bemerkung und die Antwort der Landesregierung werden auf Antrag von 20 Abgeordneten auf die Tagesordnung des Landtages gesetzt. § 74 Abs. 4: Antwortet die Landesregierung nicht innerhalb von vier Wochen, können 30 Abgeordnete verlangen, daß die Bemerkung auf die Tagesordnung des Landtages gesetzt wird. - § 77 Abs. 1: Wird die Frist von drei Tagen zwischen der Verteilung der Drucksache und deren Beratung nicht eingehalten, entscheidet der Landtag auf Antrag eines Viertels der Abgeordneten über den Beginn. - § 80 Abs. 1: Auf Antrag eines Viertels der Abgeordneten kann die zweite Lesung als Einzelberatung und Einzelabstimmung durchgeführt werden. - § 81 Abs. 1 LV.m. § 77 Abs. 7: Ein Viertel der Abgeordneten kann beantragen, daß Verfassungsänderungen, der Entwurf des Haushaltsgesetzes und der Entwurf des Finanzausgleichgesetzes in drei Lesungen beraten werden. - § 81 Abs. 2: Auf Widerspruch eines Viertels der Abgeordneten ~ann die dritte Lesung nicht unmittelbar nach Schluß der zweiten Lesung erfolgen. Änderungsanträge müssen mindestens 3 Abgeordnete unterzeichnen. - § 83: 5 Abgeordnete können eine Verkürzung der Fristen zwischen den Lesungen verhindern.

- § 86: Entschließungsanträge müssen von einem Viertel der Abgeordneten unterstützt werden. - § 87 Abs. 3: Anträge, die einen Gesetzentwurf beinhalten, müssen 7 Abgeordnete unterzeichnen.

557 Eine Minderheit kann vorliegend ein Verfahrensrecht des einzelnen Abgeordneten entwerten.

V. Die Rechte in den Landesparlamenten

115

- § 88 Abs. 2: Änderungsanträge zu Anträgen, die keinen Gesetzentwurf beinhalten, müssen von einem Viertel der Abgeordneten unterzeichnet sein. - § 89 Abs. 2: Vorlagen nach Art. 91 a und 91 b des Grundgesetzes werden auf Antrag eines Viertels der Abgeordneten im Landtag beraten.

- § 94 Abs. 1: Ein Viertel der Abgeordneten kann Große Anfragen stellen. - § 95 Abs. 2: Ein Viertel der Abgeordneten kann die Beratung der Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage im Landtag verlangen.

- § 95 Abs. 3: Ohne Antwort der Landesregierung kann auf Antrag eines Viertels der Abgeordneten die Große Anfrage im Landtag beraten werden. - § 99 Abs. 2: Ein Viertel der Abgeordneten kann eine Aktuelle Stunde beantragen. 9. Rheinland-Pfalz

Der Rheinland-Pfälzische Landtag hat 100 Mitglieder. Abgeordnete, die derselben Partei angehören, die in den Landtag gewählt worden ist, können eine Fraktion bilden (§ 8 Abs. 1 GO/Rh-Pf). Es gibt somit, ähnlich wie im Niedersächsischen Landtag, keine durch die Geschäftsordnung festgesetzte SperrklauseI. Erreicht eine Partei 5 % der Gesamtstimmen, so dürfte sie 5 Mandate erringen. Diese Zahl muß als Fraktionsmindeststärke gelten. Rechte, die die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe ausüben kann, ohne Fraktionsmindeststärke zu erreichen, gibt es nicht. - § 18 Abs. 2 558 : Auf Antrag von 10 Abgeordneten kann die Öffentlichkeit mit Zweidrittelmehrheit von den Sitzungen des Landtags ausgeschlossen werden.

- § 20 Abs. 3: Auf Verlangen eines Drittels der Abgeordneten muß der Landtag einberufen werden. - § 22 Abs. 1: Auf Antrag von 8 Abgeordneten kann bei einem Beschluß des Landtages die Tagesordnung auch nach Feststellung noch geändert werden. - § 24 Abs. 1: 8 Abgeordnete können beantragen, daß über einen Gegenstand zur Tagesordnung übergegangen wird. - § 25 Abs. 1: Ein Antrag auf Vertagung oder Schluß der Besprechung bedarf der Unterstützung von 8 Abgeordneten.

558 Paragraphen ohne Angabe sind solche der Geschäftsordnung des Landtages von Rheinland-Pfalz.

8'

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C. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

- § 34: Ein Antrag auf Herbeirufung eines Mitglieds der Landesregierung kann von 8 Abgeordneten gestellt werden. - § 35 Abs. 2: Ergreift ein Mitglied der Landesregierung das Wort außerhalb der Tagesordnung, wird auf Verlangen von 8 Abgeordneten die Besprechung über seine Ausführungen neu eröffnet. - § 44 Abs. 1: Auf Verlangen von 8 Abgeordneten findet eine namentliche Abstimmung statt. - § 48 Abs. 1: 16 Abgeordnete können den Antrag stellen, der Landesregierung oder einem einzelnen Minister das Vertrauen auszusprechen oder zu entziehen. § 49 Abs. 2: 8 Abgeordnete können einen Antrag einbringen. - § 51 Abs. 4: Vorlagen der Landesregierung nach Art. 91 a und 91 b GG müssen auf Verlangen von 8 Abgeordneten im Landtag besprochen werden.

- § 61 Abs. 1: Werden in der letzten Beratung eines Gesetzentwurfs Änderungsanträge angenommen, muß die Schlußabstimmung auf Antrag von 8 Abgeordneten ausgesetzt werden, bis alle Beschlüsse zusammengestellt und verteilt sind. § 62 Abs. 2: 8 Abgeordnete können Änderungsanträge zur dritten Beratung eines Gesetzentwurfs stellen. - § 63 Abs. 2: Entschließungsanträge zu Gesetzentwürfen, selbständige Anträge und Anträge zu Regierungserklärungen können von 8 Abgeordneten gestellt werden.

- § 67 Abs. 2: Empfiehlt der federführende Ausschuß mit Zustimmung des Antragstellers die Erledigung, so muß der Antrag auf Verlangen von 8 Abgeordneten dennoch im Landtag beraten werden. - § 67 Abs. 3: Wird ein Antrag während der Beratung im Landtag zurückgezogen, kann er von 8 Abgeordneten wieder aufgenommen und die Beratung fortgesetzt werden. - § 74 Abs. 1: Ein Drittel der Ausschußmitglieder kann die Einberufung des Ausschusses verlangen. - § 81 Abs. 2: 5 Mitglieder des Zwischenausschusses können die Einberufung verlangen. - § 83 Abs. 2: 20 Abgeordnete können die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verlangen.

- § 84 b Abs. 1: Ein Fünftel der Mitglieder des Landtages kann die Einsetzung einer Enquete-Kommission verlangen. - § 85 Abs. 1: 8 Abgeordnete können eine Große Anfrage einbringen.

V. Die Rechte in den Landesparlamenten

117

§ 86 Abs. 1: Die anfragenden Abgeordneten können verlangen, daß über die Große Anfrage und die Antwort der Landesregierung eine Besprechung im Landtag stattfindet. - § 87: Die anfragenden oder 16 anwesende Abgeordnete können bei der Besprechung im Landtag Anträge zur Großen Anfrage stellen. - § 88 Abs. 1: Die anfragenden Abgeordneten können verlangen, daß im Falle der Ablehnung einer Antwort durch die Landesregierung die Große Anfrage auf die Tagesordnung des Landtages gesetzt wird. - § 92 Abs. 1: Eine Aussprache im Anschluß an eine mündliche Anfrage findet auf Antrag von 8 Abgeordneten statt, wenn dieser Antrag von einem Drittel der anwesenden Abgeordneten unterstützt wird. - § 93 Abs. 1: Auf Verlangen von 8 Abgeordneten findet eine Aktuelle Stunde statt. - § 106 Abs. 1: Auf Verlangen von 8 Abgeordneten wird ein Bericht der Landesregierung zur Besprechung auf die Tagesordnung des Landtages gesetzt.

- § 107 Abs. 3: Auf Antrag von 10 Abgeordneten kann der Landtag mit Zweidrittelmehrheit beschließen, daß das Sitzungsprotokoll einer Geheimsitzung gedruckt wird. - § 120 Abs. 2: Eine Entscheidung des Präsidenten während der Sitzung über die Auslegung der Geschäftsordnung muß auf Einspruch von 16 Abgeordneten der Rechtssausschuß überprüfen. Der Landtag faßt einen Beschluß. 10. Saarland

Der Saarländische Landtag hat 51 Mitglieder. Es besteht die Besonderheit, daß die Ordnung im Landtag sowohl durch die Geschäftsordnung als auch durch das Gesetz über den Landtag des Saarlandes geregelt wird. Die Fraktionsbildung ist nicht ausdrücklich von derselben Parteizugehörigkeit der Abgeordneten abhängig; die Fraktionsmindeststärke wird durch Beschluß zu Beginn der Wahlperiode bestimmt (§ 10 Abs. 1 GO/SL, § 28 Abs. 3 Gesetz über den Landtag des Saarlandes). Von der siebten bis zur zehnten Wahlperiode waren demnach 3 Abgeordnete zur Bildung einer Fraktion notwendig559 • Rechte, die die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe ausüben kann, ohne Fraktionsmindeststärke zu erreichen, gibt es nicht.

559 7. WP, Sitzung vom 14. 7. 1975, Stenogr.-Bericht, S. 6; 8. WP, Sitzung 21. 5. 1980, Stenogr.-Bericht, S. 5; 9. WP, LT-Drs. 9/2.

118

C. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

- § 15 Abs. 2560: Ein Drittel der Ausschußmitglieder kann die Einberufung des Ausschusses verlangen. - § 18 Abs. 4: Ein Viertel der Mitglieder des federführenden Ausschusses kann die öffentliche Anhörung von Sachverständigen, Interessenvertretern und anderen Auskunftspersonen verlangen. - § 22 Abs. 6: Die Beschlüsse des Ausschusses für Eingaben müssen auf Antrag von 16 Abgeordneten im Landtag besprochen werden. - § 27 Abs. 3: Vor Erledigung der Tagesordnung kann eine Sitzung nur durch Beschluß des Landtages auf Antrag von 5 Abgeordneten geschlossen werden. - § 29 Abs. 4: Der Beschluß auf Absetzung von der Tagesordnung kann auf Antrag von 5 Abgeordneten gefaßt werden. - § 36: Auf Widerspruch von 6 Abgeordneten unterbleibt eine Abweichung vom Grundsatz dreier Lesungen.

- § 45 Abs. 2: Ergreift ein Mitglied der Regierung außerhalb der Tagesordnung das Wort, so muß der Präsident auf Antrag von 5 Abgeordneten darüber die Aussprache eröffnen. - § 46 Abs. 1: Der Antrag auf Vertagung oder Schluß der Sitzung muß von mindestens 5 Abgeordneten gestellt werden.

- § 57 Abs. 1: Eine Aktuelle Stunde kann von 6 Abgeordneten beantragt werden. - § 59 Abs. 1: Große Anfragen können von 5 Abgeordneten gestellt werden. - § 59 Abs. 3: Über die Antwort der Regierung auf eine Große Anfrage findet auf Antrag von 5 Abgeordneten eine Aussprache statt.

Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe im Gesetz über den Landtag des Saarlandes: - § 39 Abs. 2: Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses erfolgt auf Antrag eines Viertels der Abgeordneten.

- § 60 Abs. 2: Auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Ausschusses für Grubensicherheit muß dieser Ausschuß als Untersuchungsausschuß eingesetzt werden. - § 69 Abs. 2: 5 Abgeordnete können eine namentliche Abstimmung verlangen.

560 Paragraphen ohne Angabe sind solche der Geschäftsordnung des Saarländischen Landtages.

V. Die Rechte in den Landesparlamenten

119

11. Schleswig-Holstein

Der Landtag von Schleswig-Holstein hat 74 Mitglieder. Abgeordnete derselben Partei können sich zu einer Fraktion zusammenschließen (§ 12 Abs. 1 GO/S-H). Durch den Beschluß des Landtages vom 12. 4. 1984 wurde die Fraktionsmindeststärke auf 3 Mitglieder festgesetzt. Außerdem wurden dem Vertreter des SSW die Rechte einer Fraktion eingeräumt561 • Etwa 4% der Mitglieder des Landtages sind danach grundsätzlich in der Lage, eine Fraktion zu bilden. Im übrigen gilt: Rechte, die die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe ausüben kann, ohne Fraktionsmindeststärke zu erreichen, gibt es nicht. - § 10 Abs. 1562 : Auf Verlangen eines Viertels der Abgeordneten muß ein Untersuchungsausschuß eingesetzt werden. - § 26 Abs. 1: Auf Widerspruch von 15 Abgeordneten darf die Frist bis zum Beginn der 2. Lesung nicht verkürzt werden.

- § 26 Abs. 2: Auf Widerspruch von 15 Abgeordneten darf auf eine Verlesung der Überschriften und selbständigen Bestimmungen in der 2. Lesung nicht verzichtet werden. - § 29 Abs. 2: Anträge, die einen Gesetzentwurf enthalten, müssen von mindestens 15 Abgeordneten gestellt werden. - § 29 a LV.m. Nr. 1 der Richtlinien für eine Aktuelle Stunde: Eine Aktuelle Stunde kann von 15 Abgeordneten beantragt werden.

- § 31 Abs. 2: 15 Abgeordnete können einen konstruktiven Mißtrauensantrag gegen den Ministerpräsidenten einbringen. § 35 Abs. 1: Eine Große Anfrage kann von 15 Abgeordneten gestellt werden. - § 40 Abs. 2: Auf Verlangen von 15 Abgeordneten muß der Präsident eine außerordentliche Tagung des Landtages einberufen. § 43 Abs. 1: Auf Antrag von 15 Abgeordneten kann vom Landtag mit Zweidrittelmehrheit die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden.

§ 45 Abs. 1: Auf Widerspruch von 4 Abgeordneten darf die Frist von 9 Tagen nicht unterschritten werden, in der ein Ausschußbericht auf die Tagesordnung gesetzt wird, um beraten werden zu können. § 50 Abs. 3: Ein Antrag auf Vertagung oder Schluß der Beratung bedarf der Unterstützung von 4 Abgeordneten.

Vgl. Stenogr.-Bericht, S. 6; LT-Drs. 10/6. Paragraphen ohne Angabe sind solche der Geschäftsordnung des Landtages von Schleswig-Holstein. 561

562

120

c. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

- § 54 Abs. 2: Auf Verlangen von 15 Abgeordneten muß eine namentliche Abstimmung stattfinden. - § 68 Abs. 2: Sind 15 Abgeordnete mit der Erledigung eines Landtagsbeschlusses durch die Landesregierung nicht zufrieden, muß der Präsident den Gegenstand auf die Tagesordnung setzen. 12. Die Bewertung der Regelungen in den Landesparlamenten

Die Regelungen, die das Recht der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe in den Landesparlamenten betreffen, sind so unterschiedlich ausgestaltet, wie die Geschäftsordnungen selbst. Es ist demnach folgende Abhängigkeit festzustellen: Je umfangreicher die Geschäftsordnung ist, um so umfangreicher sind auch die Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe. Beispielhaft sei auf die Geschäftsordnungen der Landtage von Bayern (sehr umfangreich) und Schleswig-Holstein (sehr wenig) hingewiesen. Eine Vielzahl von Gruppenrechten bedeutet jedoch nicht immer eine Stärkung der nichtinstitutionalisierten Gruppe. In Bayern wird die Ausübung der Befugnisse oft an eine Gruppenstärke von 20 Abgeordneten geknüpft, das bedeutet, daß etwa 10 % der Mitglieder des Landtages zusammen kommen müssen, um initiativ werden zu können. Diese Schwelle ist doppelt so hoch, wie die Fraktionsmindeststärke. "Abweichler" in den Fraktionen haben es somit besonders schwer, ihre Meinung im Parlament durchzusetzen. Dem Fraktionsvorstand hingegen wird die Führung der Fraktion wesentlich erleichtert. Unter Berücksichtigung des Minderheitenschutzes und des Rechts auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition ist eine derartige Regelung sehr problematisch. Die bayerische Geschäftsordnung bildet insofern allerdings keinen Einzelfall. Es ist nahezu die Regel, daß die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe einer Mitgliederzahl bedarf, die höher liegt als die der Fraktionsmindeststärke (Niedersachsen und RheinlandPfalz seien beispielhaft erwähnt), um Befugnisse selbständig wahrnehmen zu können. Ein Extrem stellt die schleswig-holsteinische Geschäftsordnung dar, die zumeist eine Zahl von 15 Abgeordneten und somit etwa 20 % der Mitglieder des Landtages verlangt, damit die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe ein Recht wahrnehmen kann. Die Besorgnis, die bereits bei der bayerischen Geschäftsordnung geäußert wurde, muß daher in besonderem Maße für die schleswig-holsteinische gelten. Es gibt auch Landtage (Hessen und Nordrhein-Westfalen), die die Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe weitgehend an die Fraktionsmindeststärke knüpfen. Diese Gleichstellung, wie sie auch im

V. Die Rechte in den Landesparlamenten

121

Deutschen Bundestag die Regel ist, überzeugt. Andererseits können die Rechte der nichtinstitutionalisierten Gruppierungen auch an konkrete Abgeordnetenzahlen gebunden sein, wenn diese sich an der Fraktionsmindeststärke orientieren und, soweit möglich, auch kleinsten Gruppen Rechte eingeräumt werden 563 • Große Bedeutung für die Stärke der Gruppen, die Befugnisse selbständig wahrnehmen wollen, haben auch das wahrnehmbare Recht selbst und seine Bedeutung für die Arbeit des Parlaments als ganzes. So ist für den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses grundsätzlich die Unterstützung eines Viertels der Mitglieder des Landtags notwendig. Dieses relativ hohe Quorum scheint unter Berücksichtigung der Bedeutung und Folgen eines Untersuchungsausschusses gerechtfertigt. Die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe hat eine wesentliche Kontrollfunktion 564 . Bedeutsam sind daher die Kontrollrechte der Großen und Kleinen Anfrage sowie die Aktuelle Stunde. Alle Landtagsgeschäftsordnungen räumen das Recht der Kleinen Anfrage dem einzelnen Abgeordneten ein. Diese weitgehende Regelung steht im Widerspruch zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Im Bundestag ist nur die Fraktion oder sind 5 % der Mitglieder berechtigt, eine Kleine Anfrage zu stellen565 • Die Große Anfrage sowie die damit im Zusammenhang stehenden Rechte (Anträge zur Großen Anfrage, Beratung der Großen Anfrage im Landtag) haben alle Landesparlamente auch der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe zuerkannt. Allerdings schwankt die dafür erforderliche Gruppenstärke erheblich. Die Aktuelle Stunde kann in vielen Landtagen auch von einer nichtinstitutionalisierten Gruppierung beantragt werden 566 . Nur in Baden-Württemberg, Bremen und Niedersachsen ist dieses Recht den institutionalisierten Gruppen des Parlaments vorbehalten. In den beiden letztgenannten Bundesländern ist jedoch die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe berechtigt, eine Aktuelle Stunde zu beantragen, so daß auch kleine Gliederungen ihre Auffassung zu tagespolitischen Themen im Parlament zur Diskussion stellen können. Dennoch ist nicht nachvollziehbar, warum die nichtinstitutionalisierten Gruppen von diesem Recht ausgeschlossen sein sollen. Besonders auffallend ist die niedersächsische Geschäftsordnung, da allein die Fraktion eine Aktuelle Stunde durchsetzen kann.

563 Vgl. den jeder Darstellung der einzelnen Landtagsgeschäftsordnungen vorangestellten Hinweis auf die Befugnisse, die die Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppen ausüben können, die nicht die Fraktionsmindeststärke erreichen. 564 Vgl. oben Punkt C. IV. 3. b) aa). 565 §§ 104,75 Abs. 3, 76 Abs. 1 GOBT. 566 Bay: 20 Abg.; Bln: 10 Abg.; Hbg: 6 Abg.; Res: 10 Abg.; NW: Ein Viertel der Abg.; Rh-Pf: 8 Abg.; SL: 5 Abg.; S-R: 5 Abg.

122

c.

Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

Die Aktuelle Stunde ist ein besonders "beliebtes" Instrument der parlamentarischen Auseinandersetzung567 , das auch den nichtinstitutionalisierten Gruppierungen offenstehen sollte. Der Gefahr der Abnutzung und Überbeanspruchung darf nicht durch den Ausschluß gewisser parlamentarischer Zusammenschlüsse begegnet werden. Es besteht die Möglichkeit, die Zahl der Aktuellen Stunden für die Dauer einer Wahlperiode dem Stärkeverhältnis der Fraktionen und Gruppen entsprechend zu begrenzen und einen bestimmten prozentualen Anteil den nichtinstitutionalisierten Gruppen vorzubehalten. Hervorzuheben sind weiterhin die Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe im Ausschuß. Auch insoweit bestehen Unterschiedlichkeiten. In den Ländern Berlin, Bremen, Hessen und Schleswig-Holstein hat die Ausschußminderheit keinerlei Befugnisse. Sie kann somit die Ausschußmehrheit oder den Vorsitzenden zu keiner außerordentlichen Sitzung zwingen. Dies ist im Hinblick auf die Bedeutung der Ausschußarbeit bedenklich und entspricht nicht den Erfordernissen des Minderheitenschutzes. Einige Geschäftsordnungen der Landesparlamente räumen den Minderheiten im Ausschuß neben dem Recht auf Einberufung auch die Befugnis ein, ein öffentliches Anhörungsverfahren zu erzwingen. Beachtenswert ist ferner, daß sich der Ausschuß für Grubensicherheit im Saarländischen Landtag auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder als Untersuchungsausschuß konstituieren muß 568 • Die Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg ist im Rahmen des Rechts der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe hervorzuheben. Die besondere Bedeutung, die diese Regelung kennzeichnet, ist nicht die große Anzahl der Befugnisse, insofern gibt es umfassendere (Bayern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz). Erwähnenswert ist die Vielfalt der Rechte, die eine nichtinstitutionalisierte Gruppe ausüben kann, ohne Fraktionsmindeststärke zu erreichen. Die Fraktionsmindeststärke liegt bei 8 Abgeordneten. Eine große Zahl der Befugnisse kann jedoch von nur 5 Abgeordneten wahrgenommen werden. Dabei handelt es sich um so bedeutende Rechte, wie den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses 569 oder die Befugnis, Entschließungsanträge zu Gesetzentwürfen zu stellen 57o . Auf Anfrage hat die Verwaltung des Landtages von BadenWürttemberg mitgeteilt, daß die Funktionsfähigkeit und Effizienz der Parlamentsarbeit unter diesen niedrigen Quoren nicht leide 571 • Die Behauptung, die Gewährung von parlamentarischen Rechten an kleine Gruppierungen Roll, ZParl17 (1986), 16. § 60 Abs. 2, Gesetz über den Landtag des Saarlandes; vgl. auch: § 45 a GG, der Verteidigungsausschuß als Untersuchungsausschuß. 569 §§ 33 GO/B-W. 570 § 49 a Abs. 1 GO/B-W. 571 Schreiben vom 22. 1. 1985. 567

568

VI. Stellungnahme zu den verschiedenen Regelungen

123

im Parlament beeinträchtige die Arbeit des Parlaments als Ganzes 572 , ist demnach in dieser Allgemeinheit nicht aufrechtzuerhalten. In Erinnerung zu rufen ist in diesem Zusammenhang noch einmal, daß in der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg die Abgeordnetengruppe auch institutionalisiert ist (§ 17 Abs. 5 GO/B-W).

Zwischenergebnis a) Es gibt keine einheitliche Regelung bezüglich der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe in den Landesparlamenten. b) Es verstößt gegen den Minderheitenschutz, wenn 10 bis 20 % der Mitglieder des Landtages sich zu einer Gruppe zusammenschließen müssen, um Rechte ausüben zu können. c) Bedenklich ist es aus Gründen des Minderheitenschutzes, der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe im Ausschuß keinerlei Rechte einzuräumen. d) Hervorzuheben ist die Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg, nach der Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppen unterhalb der Fraktionsmindeststärke bedeutsame Befugnisse innehaben. Die Effizienz und Funktionsfähigkeit der Parlamentsarbeit leidet darunter nicht. VI. Stellungnahme zum Recht der NichtinstitutionaIisierten Abgeordnetengruppe

Das Recht der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe spielt im Geschäftsordnungsrecht aller Parlamente keine dominierende Rolle. Wollmann 573 hat zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages folgende Wertung abgegeben: "Insgesamt stellt sich also die Geschäftsordnung des Bundestages als die Verfahrensregelung eines Fraktionen-Parlaments dar, die in den Fraktionen die wirklichen Akteure im Parlament sieht und den Abgeordneten die parlamentarische Handlungsfähigkeit nur insoweit zuerkennt, als sie einer Fraktion angehören oder sich zumindest im Einzelfall in Fraktionsstärke formieren." Diese Aussage stellt sich als zutreffend heraus, wenn man die Minderheitenrechte im Bundestag betrachtet574 • Auch für die Landesparlamente gilt weitgehend nichts anderes. Die außerordentlich große Bedeutung der Fraktionen und ihre Wirkung auf die tägliche Arbeit im Parlament soll hier nicht in Frage gestellt werden. 572

573 574

Vgl. nur Ritzel / Bücker, § 10, Anm. IV 1 a. Wollmann, Parlamentsminderheiten, S. 15. Vgl. Datenhandbuch 11, S. 747 - 750.

124

C. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

Es soll auch nicht der Eindruck erweckt werden, die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe könne oder solle die Fraktion verdrängen. Vielmehr ist ein Nebeneinander der verschiedenen Teilorgane und nicht ständigen Gliederungen der Parlamente wünschenswert 575 • Insoweit ist das Verhältnis der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe zu allen parlamentarischen Gruppierungen bedeutsam. 1. Der Vergleich mit den einzelnen Abgeordneten

Kann der einzelne Abgeordnete bereits die wesentlichen Rechte im Parlament ausüben, so fördert dies den Zerfall bereits gebildeter Gruppen und verhindert die Gruppenbildung überhaupt 576 • Nur wenn die Abgeordneten daher bestimmte Minderheitenrechte gemeinsam wahrnehmen müssen, wird der Zusammenschluß gefördert. Die Abhängigkeit von Rechten der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe und Rechten der einzelnen Abgeordneten ist somit offensichtlich. Deutlich wird diese Konsequenz auch bei der Diskussion, ob das Recht der Kleinen Anfrage von einzelnen Abgeordneten wahrgenommen werden kann 577 • Räumte man entgegen den jetzigen Bestimmungen der Geschäftsordnung des Bundestages (§ 104 i.V.m. §§ 75 Abs. 3, 76 GOBT) dem einzelnen Abgeordneten das Recht der Kleinen Anfrage ein, wäre die Frage obsolet, ob auch die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe unterhalb der Fraktionsmindeststärke eine Kleine Anfrage einbringen können sollte. Nahezu alle Geschäftsordnungen der Landtage gewähren dem einzelnen Abgeordneten das Recht der Kleinen Anfrage, so daß die Problematik des Gruppenrechts dort nicht entstehen kann. Zusammenfassend muß festgestellt werden: Je mehr Rechte der einzelne Abgeordnete bereits besitzt, um so weniger Rechte können der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe eingeräumt werden. Es besteht eine Wechselwirkung. 2. Der Vergleich mit der Fraktion

Die enge Verknüpfung von Fraktion und Nichtinstitutionalisierter Abgeordnetengruppe kommt bereits dadurch zum Ausdruck, daß die größte Anzahl der Fraktionsrechte auch von Abgeordnetenzusammenschlüssen in Fraktionsstärke ausgeübt werden können 578 • Dieses Nebeneinander ver;7; Zum wünschenswerten Nebeneinander der Fraktion und Institutionalisierten Abgeordnetengruppe vergleiche die Darlegungen zu B. 576 Hauenschild, S. 108. 577 Vgl. Zeh, ZParl17 (1986),404 f. 578 Datenhandbuch II, S. 748 f.

VI. Stellungnahme zu den verschiedenen Regelungen

125

deutlicht, daß sich beide parlamentarischen Gruppierungen ergänzen und nicht ausschließen. Ein Monopol besitzen die Fraktionen jedoch im Bereich der Besetzung und des Verfahrens der Ausschüsse und des Ältestenrates579 , da diese Organe für die Dauer einer Legislaturperiode ungestört vom Wechsel der Mitglieder arbeiten sollen. Würde man die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe auch insoweit der Fraktion gleichstellen, wäre eine kontinuierliche Arbeit nicht mehr sichergestellt. Die Abhängigkeit von Fraktion und nichtinstitutionalisierter Gruppe ist eine andere als die zwischen dem einzelnen Abgeordneten und der nichtinstitutionalisierten Gruppe. Es gilt für dieses Verhältnis nicht der Satz: Je mehr Rechte die Fraktion besitzt, um so weniger Befugnisse dürfen der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe eingeräumt werden. Allerdings ist die Leitung der Fraktion einfacher und eine erhöhte Fraktionsdisziplin gewährleistet, wenn die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe weniger Rechte ausüben kann sowie nur zahlenmäßig große Gruppen Befugnisse innehaben. Gruppenrechte wirken nämlich nicht in erster Linie durch ihre Ausübung, sondern bereits durch die Möglichkeit der Ausübung 580 • Haben daher wenige Abgeordnete in einer Fraktion eine umfassende Rechtsstellung, so wird ihre Konfliktfähigkeit in der Fraktion erhöht. Besonders gravierend ist unter diesem Aspekt die Situation der nichtinstitutionalisierten Gruppen im Bayerischen und Schleswig-Holsteinischen Landtag, da dort nur relativ (im Verhältnis zur Fraktionsmindeststärke) große Gruppen initiativ werden können581 • 3. Der Vergleich mit der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe

Ein Nebeneinander von Institutionalisierter und Nichtinstitutionalisierter Abgeordnetengruppe hat es praktisch bisher nur in den Landtagen von Baden-Württemberg und Bremen gegeben. Probleme sind nach Auskunft der Verwaltung des Landes von Baden-Württemberg dadurch nicht entstanden 582 • Diese Auskunft darf nicht erstaunen, da es sich bei der institutionalisierten Gruppe um eine ständige Gliederung des Parlaments handelt 583 , wohingegen die nichtinstitutionalisierte Gruppe sich oftmals ad hoc zusammenschließt. Das Verhältnis von Institutionalisierter und Nichtinstitutionalisierter Abgeordnetengruppe ist daher ähnlich zu sehen wie das von Fraktion und nichtinstitutionalisierter Gruppe. Die Rechte auch dieser beiden Gruppierungen schließen sich somit nicht aus, sondern können sich ergän579 580 581 582 583

Datenhandbuch 11, S. 749; Wollmann, Parlamentsminderheiten, S. 69. Vgl. Zeh, ZParl17 (1986), 406. Vgl. Punkt C. V. 12. Schreiben vom 22. 1. 1985. Vgl. BVerfGE 61, 194 (202).

126

C. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

zen. Nicht so wesentlich wie bei der Fraktion dürfte die Relevanz der Rechte und Größe der nichtinstitutionalisierten Gruppe auf die Disziplin in der institutionalisierten Gruppe wirken, da diese kleiner ist als die Fraktion und grundsätzlich weniger gegenläufige Strömungen haben dürfte. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß zwischen dem einzelnen Abgeordneten, der Nichtinstitutionalisierten und der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe sowie der Fraktion mehr Gemeinsamkeiten als Gegensätze bestehen. Dokumentiert wird dieses Ergebnis bereits dadurch, daß die Befugnisse der verschiedenen Organteile häufig unter der gemeinsamen Überschrift "Minderheitenrechte" dargestellt werden 584 •

W. Die Parteifähigkeit der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe vor dem Bundesverfassungsgericht Die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe besitzt keine formale Organisation. Sie stellt auch keine ständige Gliederung des Parlaments dar. Dennoch ist es im Interesse eines effektiven Minderheitenschutzes wichtig, die Parteifähigkeit dieser Gruppierung zu untersuchen. 1. Reehtsweg, Verfahrensart und Beschränkung auf die Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht

Hinsichtlich der Fragen des Rechtsweges, der Beschränkung auf das Bundesverfassungsgericht und der Verfahrensart wird zur Vermeidung von Wiederholungen inhaltlich auf die entsprechenden Ausführungen zur Parteifähigkeit der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe Bezug genommen585 • Ergänzend sei lediglich zur Unzulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde folgendes dargelegt: Auch die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe ist Teil eines Verfassungsorgans und nimmt daher hoheitliche Funktionen wahr. Wird in die Befugnisse dieser Gruppe eingegriffen, sind organschaftliche Rechte verletzt, die nur im Organstreitverfahren gerügt werden können. 2. Die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe im Deutschen Bundestag

Gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V.m. den §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG ist ein "anderer Beteiligter" parteifähig, der durch das Grundgesetz oder die Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausge584 585

Siehe nur Datenhandbuch I, S. 766 ff.; Datenhandbuch 11, S. 717 ff. Vgl. oben Punkt B. VI.

VII. Die Parteifähigkeit vor dem Bundesverfassungsgericht

127

stattet ist 586 . Fraglich ist somit, ob die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe im Bundestag als "anderer Beteiligter" im Sinne der oben genannten Vorschriften angesehen werden kann. Die Kategorie der Parteifähigkeit dient dazu, den Kreis potentieller Verfahrensbeteiligter formal und abstrakt zu bestimmen587 . Dazu stellt Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG nicht auf echte subjektive Individualrechte ab, sondern auf Kompetenzen und Zuständigkeiten im Rahmen der Funktionsordnung, die verschiedene Funktionsträger eigenverantwortlich wahrnehmen können588 . Das Organstreitverfahren dient insoweit vor allem der Durchsetzung von Minderheits- und Oppositionsrechten589 . Das Bundesverfassungsgericht hat folgende Leitsätze aufgestellt 590 : "Als in der Geschäftsordnung des Bundestags mit eigenen Rechten ausgestattete Teile des Bundestags sind zur Geltendmachung von Rechten des Bundestags nur ständig vorhandene Gliederungen des Bundestags -insbesondere die Fraktionen - befugt, nicht aber solche Gliederungen, die sich nur von Fall zu Fall zusammenfinden, um gestaltend auf den Geschäftsgang einzuwirken. Die Mehrheit und Minderheit des Bundestags sind vor dem Bundesverfassungsgericht nicht parteifähig. " Zur Begründung hat das Bundesverfassungsgericht auf das System des Verfassungsschutzes im Grundgesetz hingewiesen, wonach nur ständig vorhandene Gliederungen Rechte des Bundestags wahrnehmen könnten591 . Die Absolutheit dieser Aussage wird durch das Gericht in derselben Entscheidung relativiert. Danach ist es auch nach dieser Auffassung möglich, einer qualifizierten Minderheit ein eigenes durch das Grundgesetz verliehenes Recht (beispielsweise Art. 79 Abs. 2 GG) zuzubilligen, wenn die Minderheit sich ad hoc zur Verteidigung dieses Rechts vor der Schlußabstimmung des Bundestages zusammenfindet. In einem solchen Fall wäre die qualifizierte Minderheit auch nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts ein "parteifähiges Gebilde"592. Die vom Bundesverfassungsgericht vertretene Auffassung hat in der Literatur vielfach dazu geführt, der Minderheit im Bundestag grundsätzlich die Parteifähigkeit abzusprechen 593 . Abgestellt wird unter anderem darauf, daß die parteifähigen Organteile eigene Entscheidungsbefugnisse besitzen müß586 Die Ausgangsfrage ist identisch mit derjenigen bei der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe. 587 BK-Stern, Art. 93, Rn. 109. 588 BVerfGE 2, 143 (152 f.); BK-Stern, Art. 93, Rn. 107; Lechner, BVerfGG, § 13, Anm. 5 c) aa). 589 BK-Stern, Art. 93, Rn. 107. 590 BVerfGE 2, 143 ff. 591 BVerfGE 2, 143 (160). 592 BVerfGE 2, 143 (164). 593 Vgl. nur Leibholz / Rink, § 63 BVerfGG, Rn. 2; Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Ulsamer, § 63 BVerfGG, Rn. 12 f.

128

c. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

ten 594 . Diese Anforderung stellt sich jedoch als ungeeignetes Abgrenzungskriterium dar, da es ausreichend ist, daß das parteifähige Organteil eigene Kompetenzen oder Zuständigkeiten besitzt595 . Im Rahmen dieser Zuständigkeiten ist der aktive und gestaltende Einfluß auf die Willens bildung im Parlament maßgebend 596 • Im Gegensatz zu der soeben dargelegten Meinung wird von einem anderen Teil der Literatur der Bundestagsminderheit die Parteifähigkeit grundsätzlich zuerkannt, wenn sie ein im Grundgesetz oder der Geschäftsordnung festgesetztes Quorum erreicht597 • So hat ein Viertel der Mitglieder des Bundestages das Recht gemäß Art. 44 GG und § 74 a GOBT. Abgeordnete in Fraktionsmindeststärke können die Befugnisse nach den §§ 97, 105, 110 GOBT wahrnehmen598 • Diese Auffassung orientiert sich offensichtlich eng am Wortlaut des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und § 63 BVerfGG. Sie sieht die entsprechende Anzahl von Abgeordneten aufgrund der Existenz der oben beispielhaft zitierten Vorschriften mit eigenen Rechten ausgestattet. Geiger und Goessl erwähnen in diesem Zusammenhang auch die Befugnis von 5 Abgeordneten gemäß § 99 Abs. 2 GOBT a. F.599. Das Bundesverfassungsgericht hat speziell zu § 99 Abs. 2 GOBT a. F. folgendes ausgeführt 600 : "Es ist schlechterdings unmöglich zu argumentieren, daß fünf Abgeordnete deshalb, weil sie gegebenenfalls nach § 99 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundestags eine Abstimmung durch ihren Widerspruch verhindern können, ohne Rücksicht auf die konkrete Ausübung dieses Rechts ein Organteil seien, der Rechte vor dem Bundesverfassungsgericht wahrnehmen könne. " Eine dritte Auffassung geht von einer differenzierten Fragestellung aus 601 • Es wird nicht darauf abgestellt, ob eine Minderheit des Bundestags parteifähig ist. Entscheidend ist die Abgrenzung zwischen der Abstimmungsminderheit und der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe 602 • Die Abstimmungsminderheit entsteht und besteht nur durch den Akt der Abstimmung selbst, während die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe Gruppenbewußtsein entwickelt und vorübergehend als selbständige, eigene Rechte wahrnehmende Institution erscheint603 • Zuordnungsobjekt Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Ulsamer, § 63 BVerfGG, Rn. 17. BK-Stern, Art. 93, Rn. 107. 596 Goessl, S. 126. 597 Geiger, § 63 BVerfGG, Anm. 4; Goessl, S. 126; Maunz, in: Maunz / Dürig, Art. 93, Rn. 1l. 598 Maunz, in: Maunz / Dürig, Art. 93, Rn. 1l. 599 Geiger, § 63 BVerfGG, Anm. 4; Goessl, S. 126. 600 BVerfGE 2, 143 (160). 601 Achterberg, Die parlamentarische Verhandlung, S. 55; BK-Stern, Art. 93, Rn. 114 f.; Lechner, § 13 BVerfGG, Anm. 5 d) bb). 602 Zur Abgrenzung: Punkt C. I. 603 Achterberg, Die parlamentarische Verhandlung, S. 55. 594 595

VII. Die Parteifähigkeit vor dem Bundesverfassungsgericht

129

eigener Kompetenzen ist allein die nichtinstitutionalisierte Gruppe. Demgegenüber bildet die Abstimmungsminderheit ein nicht aktiv gestaltendes Element der Willens bildung des Bundestages 604 • Bei Berücksichtigung dieser Unterschiede muß die Abstimmungsminderheit als nicht parteifähig im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG gelten, die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe jedoch als parteifähig. Aufgrund des oben bereits näher definierten Begriffs der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe 605 wird deutlich, daß nicht allein das Erreichen eines bestimmten Quorums des Grundgesetzes oder der Geschäftsordnung des Bundestages ausreichend ist, um von einer Gruppe zu sprechen. Stern betont in diesem Zusammenhang, daß eine Minderheit sich zunächst bilden muß 606 • Er verwendet den Begriff der Konstituierung allerdings nicht. Der zuletzt wiedergegebenen Meinung ist zu folgen, da allein durch die dabei vorgenommene Differenzierung zwischen der Abstimmungsminderheit und der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe die Begriffe des "anderen Beteiligten" im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und des mit "eigenen Rechten ausgestatteten Organteils" im Sinne des § 63 BVerfGG hinreichend konkret ausgelegt werden können. Nur die Abgeordnetengruppe kann als "anderer Beteiligter" und "Organteil" angesehen werden, da erst nach einer vorhergehenden Konstituierung diese Gruppe eigene Kompetenzen ausüben kann. Wer jedoch eigene Rechte inne hat, der muß diese Rechte auch in einem Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht verteidigen können. Dieser hier vertretene Lösungsweg widerspricht anscheinend der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts 607 , daß nur ständig vorhandene Gliederungen des Bundestages zur Geltendmachung von Rechten des Bundestages befugt sind. Allerdings muß diese Aussage, wie bereits ausgeführt 608 , aufgrund ergänzender Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in derselben Entscheidung näher untersucht werden. Das Bundesverfassungsgericht hat es als unhaltbar dargestellt, wenn relativ kleine Gruppen von Abgeordneten Rechte des Gesamtorgans Bundestag wahrnehmnen dürften, nur weil ihnen eine Kompetenz durch die Geschäftsordnung eingeräumt würde 609 . An anderer Stelle der Entscheidung heißt es dann: "Diese qualifizierte Minderheit könnte sich aber nur selbst zur Verteidigung ihres Rechts als Beteiligte konstituieren, nicht könnte ein anderes Verfassungsorgan, geschweige 604

605 606

607 608 609

BK-Stern, Art. 93, Rn. 114 f. Oben Punkt C. I. BK-Stern, Art. 93, Rn. 114 f. BVerfGE 2, 143 (144; insbesondere der Leitsatz). Oben Punkt C. VII. 2. BVerfGE 2, 143 (160).

9 Kassing

130

C. Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe

denn ein Organteil, aus seinem Willen dieses parteifähige Gebilde entstehen lassen 610 • Diese beiden Passagen611 des Urteils berechtigen zu zwei Schlußfolgerungen: - Die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe ist nur parteifähig, wenn sie selbst als Antragstellerin auftritt, nicht aber bei einem gegen sie gerichteten Antrag 612 • - Die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe ist in den Verfahren parteifähig, die zur Verteidigung eines durch das Grundgesetz oder die Geschäftsordnung des Bundestages eingeräumten Gruppenrechts notwendig werden. Rügt die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe Eingriffe in Rechte des Gesamtorgans Bundestag, fehlt die Parteifähigkeit. Die hier vertretene Auffassung steht demnach im Einklang mit der des Bundesverfassungsgerichts, so daß die oben gezogenen Schlußfolgerungen als Ergebnis der Frage nach der Parteifähigkeit der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe im Bundestag anzusehen sind. 3. Die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe in den Landesparlamenten

Landesverfassungsrechtliche Streitigkeiten müssen primär vor den Landesverfassungsgerichten ausgetragen werden. Das Bundesverfassungsgericht ist gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 3. Alt. GG nur subsidiär zuständig 613 • Unter Beachtung dieser Prämisse, muß die Frage nach der Parteifähigkeit der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppen in den Landesparlamenten vor dem Bundesverfassungsgericht beantwortet werden. Nach § 71 Abs. 1 Nr. 3 BVerfGG sind die in der Landesverfassung oder in der Geschäftsordnung eines obersten Organs des Landes mit eigenen Rechten ausgestatteten Organteile der obersten Organe des Landes parteifähig, wenn sie durch den Streitgegenstand in ihren Rechten oder Zuständigkeiten unmittelbar berührt sind. Die Problematik, die entsteht, wenn das Landesrecht den Kreis der Verfahrensbeteiligten enger zieht als § 71 Abs. 1 Nr. 3 BVerfGG, wurde bereits oben dargestellt 614 • Das insofern gefundene Ergebnis, das die lückenlose Kontrolle durch die Gerichte besonders betont und

BVerfGE 2, 143 (164). BVerfGE 2, 143 (160, 164). 612 Vgl. auch BK-Stern, Art. 93, Rn. 114; abweichend: Goessl, S. 104 f. 613 Oben Punkt C. V. 12; Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Ulsamer, § 71 BVerfGG, Rn. 2. 614 Oben Punkt B. VI. 5. b). 610

611

VII. Die Parteifähigkeit vor dem Bundesverfassungsgericht

131

im Zweifel zur Bejahung der Parteifähigkeit führt, muß auch hier Geltung beanspruchen. Für die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe im Schleswig-Holsteinischen Landtag gilt die Besonderheit, daß das Bundesverfassungsgericht nach Art. 99 GG i.V.m. Art. 37 der Landessatzung für alle landesrechtlichen Organstreitverfahren zuständig ist. Die Parteifähigkeit ist daher gemäß den §§ 13 Nr. 10, 73 BVerfGG zu beurteilen. Allerdings ist § 73 BVerfGG mit dem Wortlaut des § 71 Abs. 1 Nr. 3 BVerfGG nahezu identisch.

Bethge 615 bejaht die Parteifähigkeit der qualifizierten Landtagsminderheiten nach den §§ 71 Abs. 1 Nr. 3, 73 Abs. 1 BVerfGG mit einem Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts616 . Das Bundesverfassungsgericht hatte sich in diesem Verfahren mit einem Antrag von 25 SPDAbgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtags zu befassen. Die Antragsteller, die den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gestellt hatten, begehrten die Feststellung, daß Beschlüsse des Landtages, mit denen der Untersuchungsgegenstand des Untersuchungsausschusses erweitert werden sollte, gegen Art. 155 Abs. 1 der Landessatzung verstoßen würden. Es wird somit deutlich, daß sich die 25 Abgeordneten des Landtags zur Verteidigung eines Gruppenrechtes zusammengeschlossen haben. In Ausübung dieses Rechts war bereits der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gestellt und war auch der Antrag vor dem Bundesverfassungsgericht gestellt worden. Die 25 Abgeordneten bildeten daher eine Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe, die vom Bundesverfassungsgericht für parteifähig angesehen wurde. Bethges Aussage, die qualifizierte Landtagsminderheit gehöre zu den "parteifähigen Gebilden" eines Organstreitverfahrens im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG, ist zumindest mißverständlich, da eine Differenzierung zwischen der Abstimmungsminderheit und der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe fehlt. Gerade diese Differenzierung ist auch im Verfassungsprozeßrecht jedoch unerläßlich, da ebenso wie im Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG617 auch vorliegend nur die Abgeordnetengruppe die Parteifähigkeit besitzt. Die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe eines Landesparlaments ist demnach parteifähig, wenn sie die Verletzung eines ihr durch die Landesverfassung oder die Geschäftsordnung des Landtages eingeräumten Rechts rügt.

615 616 617

9'

Bethge, Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Band 11, S. 34. BVerfGE 49, 70 (77). Vgl. das Ergebnis zu Punkt C. VII. 2.

Gesamtergebnis 1. Vor allem die den Minderheitenrechten innewohnenden Schutz- und Kontrollbefugnisse gegenüber der Mehrheit zwingen dazu, in dem Rechtsstaatsprinzip die verfassungsrechtliche Grundlage des Rechts der Abgeordnetengruppe zu sehen. 11. Die Anerkennung der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe im Deutschen Bundestag: Mehr als 9 und weniger als 26 Abgeordneten der gleichen Partei darf bei einer fehlerfreien Ausübung des Ermessens die Anerkennung gern. § 10 Abs. 4 GOBT nicht versagt werden, da hier notwendigerweise die politische Homogenität gegeben ist und die ebenfalls zu beachtende Funktionsfähigkeit und Effizienz des Bundestages durch die Mindestzahl von mehr als 9 Abgeordneten gewährleistet wird. Schließen sich mehr als 9 und weniger als 26 Abgeordnete aus verschiedenen Parteien zusammen, ist wie folgt zu verfahren: Stehen die Parteien, deren Mitglieder die Abgeordneten sind, in keinem Land in einem Wettbewerb, so ist von der politischen Homogenität auszugehen (Argument aus § 10 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. GOBT). Stehen die Parteien, deren Mitglieder die Abgeordneten sind, im Wettbewerb, so muß geprüft werden, ob dennoch eine politische Homogenität besteht, etwa weil es sich jeweils um Parteien sozialistischer oder konservativer Zielsetzung handelt. Geht es um einen Zusammenschluß von Abgeordneten, die aus einer Fraktion ausgetreten oder ausgeschlossen sind, so müssen die Gründe des Austritts oder Ausschlusses bei der Prüfung der politischen Homogenität berücksichtigt werden. Ebenso dürfen nicht bedenkenlos alle parteilosen oder fraktionslosen Abgeordneten als Gruppe anerkannt werden. Auch hier ist das Homogenitätsprinzip anzuwenden. IH. Der Gleichheitsgrundsatz in seinen verschiedenen Ausprägungen bildet eine Grenze der Geschäftsordnungsautonomie (Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG) des Bundestages. Das Prinzip der verhältnismäßigen Repräsentation (vgl. Art. 53 a Abs. 1 GG) erfordert eine Beteiligung der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe bei der Besetzung der Ausschüsse und des Ältestenrates. Maßstab kann allein das mathematisierte Verteilungsverfahren sein.

Gesamtergebnis

133

Der parlamentarische Minderheitenschutz und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition zwingen dazu, der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe das Recht der Kleinen Anfrage sowie der Beantragung einer Aktuellen Stunde einzuräumen. Der Gleichheitsgrundsatz, die Chancengleichheit, der parlamentarische Minderheitenschutz sowie das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition machen bei der haushaltsrechtlichen Bereitstellung von Fraktionszuschüssen auch eine solche für die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe erforderlich. Die Angemessenheit muß eine Frage des Einzelfalles bleiben. IV. Eine Pflicht zur Institutionalisierung der Fraktion besteht für den Geschäftsordnungsgeber, wohingegen eine Pflicht zur Institutionalisierung der Abgeordnetengruppe nicht besteht. Die Größe des Parlaments sowie die in der Geschäftsordnung geforderten Bildungsvoraussetzungen sind für die Frage, welche Rechte der Institutionalisierten Abgeordnetengruppe eingeräumt werden müssen, ausschlaggebend. Es gibt jedoch Minderheitenrechte, die nicht entzogen werden dürfen. V. Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG LV.m. §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG ist die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe im Bundestag in einem Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht parteifähig, um eigene Rechte geltend zu machen. Gleiches gilt für die Institutionalisierte Abgeordnetengruppe in der Bremischen Bürgerschaft gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 3. Alt. GG i.V.m. §§ 13 Nr. 10, 73 Abs. 1 BVerfGG. VI. Eine Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe ist durch Interaktionen der einzelnen Mitglieder und durch das Gruppenbewußtsein geprägt. Die Bildung ist gekennzeichnet durch äußerlich erkennbare Handlungen, wie Anträge. Es gibt inner- und interfraktionelle Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppen. Die Rechte der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe im Plenum und im Ausschuß müssen nach ihrer verpflichtenden und veranlassenden Wirkung unterschieden werden. Die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe unterhalb der Fraktionsmindeststärke ist durch die Reform der Geschäftsordnung im Jahre 1980 geschwächt worden. Aus Gründen des Minderheitenschutzes und der effektiven Bildung und Ausübung der Opposition müssen der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe mit 2 bis 25 Abgeordneten gewisse Rechte eingeräumt werden. Welche Rechte dies sind, ist aufgrund der Geschäftsordnungsautonomie allein vom Parlament zu bestimmen.

134

Gesamtergebnis

VII. Es gibt keine einheitliche Regelung bezüglich der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe in den Landesparlamenten. Es verstößt gegen den Minderheitenschutz, wenn 10 bis 20 % der Mitglieder des Landtages sich zu einer Gruppe zusammenschließen müssen, um Rechte ausüben zu können. Bedenklich ist weiterhin, der Nichtinstitutionalisierten Abgeordnetengruppe im Ausschuß keinerlei Rechte einzuräumen. Hervorzuheben ist die Geschäftsordnung des Landtags von BadenWürttemberg, nach der Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppen unterhalb der Fraktionsmindeststärke bedeutsame Befugnisse innehaben. Die Effizienz und Funktionsfähigkeit der Parlaments arbeit leidet darunter nicht. VIII. Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG ist die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe im Deutschen Bundestag, und nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 10, 73 BVerfGG die Nichtinstitutionalisierte Abgeordnetengruppe in der Bremischen Bürgerschaft in einem Organstreitverfahren vor dem Bundestag parteifähig, wenn die Verletzung von Rechten gerügt wird, die dieser Gruppe von der Verfassung oder der Geschäftsordnung des Parlamentes eingeräumt werden.

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