Kants Schriften in Übersetzungen
 9783787338580, 9783787340651

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ARCHIV FÜR BEGRIFFSGESCHICHTE SONDERHEF T 15 

GISEL A SCHLÜTER (HG.)

Kants Schriften in Übersetzungen ■ Bestandsaufnahmen: Kants Schriften in der angloamerika­nischen und romanischsprachigen Welt

■ Am Schreibtisch des Übersetzers: ­Ressourcen und Instrumente

■ Kants Terminologie in Theorie und Praxis und die Praktiken des Übersetzens

■  Termini Kants in Übersetzungen ■ Kants Philosophie in indirekten ­Übersetzungen

■  Philosophie in Über­setzung

ARCHIV FÜR BEGR IFFSGESCHICHTE  |  SONDER HEF T 15

A RCH I V FÜ R B EG R I FFS G E S CH I CH T E

Begründet von erich rothacker Herausgegeben von christian bermes, hubertus busche und michael erler

S O N D E R H E F T 15

FEL I X M EI N ER V ER L AG H A M B U RG

G I SEL A S CH LÜ T ER ( H G . )

Kants Schriften in Übersetzungen unter Mitwirkung von hansmichael hohenegger

FEL I X M EI N ER V ER L AG H A M B U RG

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. ISBN 978-3-783-3857-3 ISBN eBook 978-3-7873-3858-0

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Dr. German Schweiger-Stiftung

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I N H A LT

Gisela Schlüter

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

11

Siglenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

31

ABHANDLUNGEN

TEIL I Bestandsaufnahmen: Kants Schriften in der angloamerikanischen und romanischsprachigen Welt Stephen R. Palmquist

Should Translation of Kant’s Key Terms Be Standardized? An Overview of Recent English Translations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

39

Paul Guyer / Allen W. Wood

The Cambridge Edition of the Works of Immanuel Kant I. General Editors’ Preface . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  II. Interview with Paul Guyer and Allen W. Wood . . . . . . . . . . . . . . . . . .  III. The Cambridge Kant Edition: A Brief Biography . . . . . . . . . . . . . . . . 

51 53 67

Sophie Grapotte

Zur Geschichte und zum aktuellen Stand der Kant-Übersetzungen ins Französische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Giuseppe Landolfi Petrone

Die italienischen Kant-Übersetzungen (1985–2017) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

73

121

Laura Balbiani

Kant aus der Sicht seiner Übersetzer Italienische Neuübersetzungen der Werke Kants 1985–2017 . . . . . . . . . . . 

157

Marcos A. Thisted

Kant in Lateinamerika. Übersetzungen der letzten fünfzig Jahre ins Spanische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

175

6 Inhalt

Marcos A. Thisted

Kant in Spanien. Eine Skizze zu klassischen und neueren Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Mario Caimi

Interview mit Mario Caimi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Josep Clusa

Die katalanischen Übersetzungen von Kants Schriften . . . . . . . . . . . . . . .  Christian Hamm

Zur Übersetzungslage der Schriften Kants in Brasilien . . . . . . . . . . . . . . . 

197

209

221

245

Adriana Veríssimo Serrão

Bericht zum Stand der Kant-Übersetzungen ins Portugiesische (Portugal) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

259

Fernando M. F. Silva

Der lusophone Kant. Zum derzeitigen Stand der Übersetzungen kantischer Texte zu Ästhetik, Anthropologie und Geographie ins Portugiesische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

265

Titus Lateş

Kant’s Works in Romanian Translations Over the Last Hundred Years (1918–2019). Historical Outline and Annotated Bibliography . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

275

TEIL II Am Schreibtisch des Übersetzers: Ressourcen und Instrumente

Steve Naragon

Internet Resources for Translating Kant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Riccardo Pozzo

Blick nach vorn. Kant-Übersetzungen und Textkorpora . . . . . . . . . . . . . . . 

305

323

Archiv für Begriffsgeschichte Sonderheft 15 | 2020

Inhalt 7

TEIL III Kants Terminologie in Theorie und Praxis und die Praktiken des Übersetzens

Hansmichael Hohenegger

Philologie und Übersetzung. Technische Ausdrücke in Kants philosophischer Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

337

Thorsten Roelcke

Terminologisierung im ersten Paragraphen der Transzendentalen Ästhetik von Immanuel Kant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

367

Thorsten Roelcke

Terminologisierung als translatorisches Problem. Überlegungen anlässlich der Übersetzung von Kants philosophischen Werken . . . . . . . . 

397

François Ottmann

›Daß es also am Ende eben so wenig wahre Homonyma als Synonyma giebt.‹ Einige Bemerkungen zum ›Dublettenproblem‹ in der Übersetzung kantischer Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

415

TEIL IV Termini Kants in Übersetzungen Paolo Pecere

Anfangsgrund / Prinzip, Beweis / Demonstration. Zur Übersetzung kantischer wissenschaftlicher Termini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Robert Theis

Beweisgrund in neueren französischen Kantübersetzungen . . . . . . . . . . . . 

449

461

Emilio Garroni

Kant and the Bestimmungsgrund / ‘Principle of Determination’ of the Aesthetic Judgement (1989) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Hansmichael Hohenegger / Stefano Velotti: Presentation of the text . . . . . . .  Adriana Veríssimo Serrão

Exemplarische Probleme der Kant-Übersetzung ins Portugiesische . . . . . 

491 503

509

Archiv für Begriffsgeschichte Sonderheft 15

8 Inhalt

Mirella Capozzi

Wahrscheinlichkeit and Scheinbarkeit. A Key Issue in Kant’s Logic and Philosophy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

513

María Jesús Vázquez Lobeiras

Die Jäsche-Logik, ein Unikum unter den kantischen Schriften. Probleme der Textkonstitution und der Übersetzung ins Spanische . . . . . 

535

Costantino Esposito

Die Kritik der reinen Vernunft ins Italienische übersetzen: Erscheinungen, Grenzen, Schranken & weitere Entdeckungen . . . . . . . . . . Stephen R. Palmquist

An Analysis of Kant’s Use of the Terms Objekt and Gegenstand . . . . . . . . 

547

571

Mario Caimi

Lateinische Strukturen in Kants Stil. Mit besonderer Berücksichtigung der Erklärung des Begriffes vom Gegenstand in KrV A 104 . . . . . . . . . . . . 

593

Norbert Hinske

De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis. Zum Streit um die r­ ichtige Übersetzung des Titels von Kants Dissertation des Jahres 1770  603 Christian Hamm

Über die Fusion semantischer Felder. Das Beispiel compreender (einsehen – verstehen – begreifen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Jeffrey Edwards

What’s in a Word? ‘Right’ or ‘Justice’ in Kant’s Rechtslehre . . . . . . . . . . . . 

609

627

Robert R. Clewis

Schwärmerei and Enthusiasmus in Recent English Translations of Kant’s Lectures and Writings on Anthropology . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

649

Fernando M. F. Silva

Der Witz-Begriff bei Kant und das Problem seiner Übersetzung ins Portugiesische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

677

Rodica Croitoru

The Transition to Physics. Conceptual Structure of Opus Postumum. Problems of Translation into Romanian Language . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

683

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Inhalt 9

Mai Lequan

Die naturwissenschaftlichen Schriften Kants. Einige charakteristische Übersetzungsschwierigkeiten mit Blick auf den Artikel über das Erdbeben von Lissabon vom Januar 1756 . . . . .  Robert R. Clewis

The Importance of Translating Kant’s Physical Geography Lectures . . . . 

697

717

TEIL V

Philosophie in Übersetzung Andreas Gipper / Lavinia Heller

Philosophie und Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

723

Iris Plack

Kants Philosophie in indirekten Übersetzungen. Die historische Bedeutung der Übersetzungen ›aus zweiter Hand‹ für die Kant-Rezeption in den romanischen Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . 

749

Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Begriffsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

767 843 847 865

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Einleitung Gisela Schlüter Daher ist die Dauerhaftigkeit des allgemeinen Beifalls bei verschiedenen Nationen und Zeiten ein großer Probierstein der Wahrheit und der Schönheit einer Erkenntniß.1

I.

Kant heute: Die dauerhafte Wirkmächtigkeit und weltweite Strahlkraft seiner Philosophie haben sich in den vergangenen Jahrzehnten in vielfältiger Weise erneut erwiesen. Der Impuls, die Wahrheit und die Schönheit dieser Philosophie zu würdigen und zu bewahren, hat in jüngerer Vergangenheit nicht nur die philosophische Exegese von Kants Schriften, sondern auch die Kant-Philologie – die von den technologischen Möglichkeiten der digital humanities profitiert – befördert und geschärft. Der vorliegende Band beleuchtet die aktuelle globale Erfolgsgeschichte von Kants Schriften mit Blick auf einen ihrer wichtigsten Faktoren und Indikatoren: die Übersetzungen. Die internationale Präsenz der kantischen Philosophie dokumentiert sich in einer Vielzahl neuer Übersetzungen in die europäischen und zahlreiche außereuropäische Sprachen sowie, nach dem Vorbild der Cambridge Edition, in – im Gegensatz zu dieser einsprachigen Ausgabe neuerdings auch zweisprachigen – Werkausgaben wie der russischen 2 und spanischsprachigen 3 und einer geplanten chinesischen Ausgabe. Im vorliegenden Band werden die Übersetzungen von Kants Schriften in die größeren und kleineren romanischen Sprachen innerhalb und außerhalb Europas sowie im angloamerika1 Immanuel

Kant’s Menschenkunde oder philosophische Anthropologie. Nach handschriftlichen Vorlesungen hg. von Fr. Ch. Starke [d. i. Johann Adam Bergk]. Leipzig 1831 [ND Hildesheim 1976]. 35. 2 Marina Bykova: A Pioneering Contribution to the World Kant Scholarship. On the Russian-German Bilingual Edition of Immanuel Kant’s Works (in russischer Sprache). In: History of Philosophy Yearbook 2015 (Russland). Moskau 2015. 362–380. 3 Über ein ursprünglich in Mexiko angesiedeltes, aber auch Argentinien und andere lateinamerikanische Länder umfassendes sowie europäische und deutsche Kooperationspartner einbindendes Editionsprojekt berichtet im vorliegenden Band Marcos Thisted (Biblioteca Immanuel Kant. Leitung Dulce María Granja Castro, Mexiko). Ein EU-finanziertes, 2017 angelaufenes Projekt widmet sich Kant in Lateinamerika: Kant in South America [­https://www.kantinsa.eu/]. Ob und wie beide Projekte miteinander verbunden sind, ist für Außenstehende nicht ersichtlich.

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Gisela Schlüter

nischen Raum in den Fokus gerückt. Die Schwierigkeiten, aber auch der Gewinn, den ein vergleichender Blick auf die Übersetzungen der Schriften Kants in andere Sprachen im Allgemeinen erbringen kann, liegen auf der Hand. Mögliche Synergieeffekte sind offensichtlich. Schon Vaihinger habe, so bilanziert Hansmichael Hohenegger in seinem Beitrag, betont, dass bei der Exegese und Revision kantischer Texte die fremdsprachigen Übersetzungen nicht unwesentliche Dienste geleistet hätten. Es soll im Folgenden darum gehen, Übersetzung als wissenschaftliche Praxis sui generis zu würdigen, die Professionalität der Übersetzung philosophischer Texte aufzuzeigen und das hermeneutische Potential von Übersetzungsvergleichen vor Augen zu führen. Dass im vorliegenden Band die eben genannten Sprachen – das Englische, Französische, Italienische, Spanische, das Portugiesische, Katalanische und Rumänische – in den Blick genommen werden, hat zahlreiche, großenteils evidente Gründe. Dazu zählen historische Gründe: Schon früh, vereinzelt im letzten Jahrzehnt des ausgehenden 18. Jahrhunderts und in erheblichem Umfange schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, waren Kants Schriften, die Hauptschriften, aber auch kleinere und marginale, ins Französische, Englische und Italienische übersetzt worden – die Kritik der reinen Vernunft etwa Anfang der 1820er Jahre zuerst ins Italienische. Das Französische, Italienische und Englische können als die Kernsprachen der Übersetzungstradition kantischer Schriften gelten. Daher entwickelten sich innerhalb der englischen, französischen und italienischen Übersetzungstradition Dynamiken, setzten dort Optimierungseffekte ein, die zu herausragenden übersetzerischen Einzelleistungen und lebendigen Übersetzungstraditionen in diesen Sprachräumen führten. Eine erhebliche Rolle spielt in diesen Optimierungs- und Aktualisierungsprozessen die seit langem geläufige Praxis, ältere Übersetzungen zu überarbeiten und neu zu edieren; dies gilt auch für die beiden im Folgenden anzusprechenden Werkausgaben, die französische und die englische, die neben neuen auch überarbeitete ältere Übersetzungen präsentieren. Die genannten größeren romanischen Sprachen – das Spanische beteiligte sich an den europäischen Kant-Übersetzungen aus unterschiedlichen, teilweise nahe liegenden Gründen relativ spät – gaben auch Impulse für Übersetzungen in die kleineren, d. h. weniger verbreiteten romanischen Sprachen, die ihrerseits spätestens mit dem Ende des 19. Jahrhunderts erste sprachliche Annäherungen an die Philosophie Kants vorgenommen haben. Was den romanischen Sprachraum betrifft, sind – auch dies ein guter Grund, im vorliegenden Band fast den gesamten romanischen Sprachraum auszuleuchten – in ihren übersetzerischen Traditionen höchst interessante und auch brisante Wechselwirkungen zu beobachten, konstruktive Impulse, terminologische Brücken, aber auch irritierende Interferenzen. Solche Dynamiken innerhalb der romanischsprachigen Übersetzungstraditionen dürften mit Blick auf Kants Werk

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Einleitung

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bislang selten thematisiert worden sein, erscheinen aber als ein wichtiges und fruchtbares Arbeitsfeld; die enge Verwandtschaft der romanischen Sprachen hat in diesem Bereich positive Effekte, aber auch aufschlussreiche Komplikationen erzeugt. Ein weiterer Grund für die Wahl dieser Übersetzungsräume mag trivial erscheinen, soll aber hier explizit benannt werden: Das Englische und die romanischen Sprachen, unter ihnen vor allem das Französische, haben die großen frühneuzeitlichen philosophisch-terminologischen Traditionen hervorgebracht, 4 denen Kant, neben dem Lateinischen und dem Deutschen, zunächst verpflichtet war, selbst wenn er sich mit ihnen – wie mit der Terminologie der deutschen Schulphilosophie – einen freien Umgang erlauben sollte. Diese terminologischen Filiationen der kantischen Philosophie bergen ihrerseits wiederum für die späteren englischen und romanischen, insbesondere französischen Übersetzungen kantischer Schriften ein großes übersetzerisches Potential, gleichzeitig freilich auch erhebliche terminologische Risiken. Und um ein letztes Motiv der Sprachenwahl des vorliegenden Bandes zu benennen: Es waren das Englische und die romanischen Sprachen, die als Übersetzungssprachen den überseeischen Export von Kants Philosophie in Gang gesetzt haben. Kants enorme Präsenz in Nord-, Mittel- und Südamerika verdankt sich in hohem Maße den schon früh vorliegenden englischen, französischen und italienischen Übersetzungen. Heutzutage bildet die spanischsprachige Welt einen großen Resonanzraum der Schriften Kants, und dies hat etwa zu einer Bündelung übersetzerischer Initiativen in einem mexikanischen Projekt einer spanischsprachigen Werkausgabe geführt, über die im vorliegenden Band berichtet wird (vgl. den Beitrag von Marcos Thisted). Dass es, wie erwähnt, schon früh, in unmittelbarer historischer Nähe zum Erscheinen von Kants Philosophie und teilweise sogar noch zu seinen Lebzeiten, zu Übersetzungen einiger seiner Schriften in die genannten Sprachen kam, ist gewiss nicht zuletzt der lateinischen Übersetzung durch Friedrich Gottlob Born (1796– 1798) zu verdanken.5 Manche der frühen Übersetzer – wie Vincenzo Mantovani, der 4 An dieser Stelle gilt es zu berücksichtigen, dass in der Frühen Neuzeit etwa auch französischsprachige Schriften Descartes’ oft in lateinischer, Lockes oft in französischer Übersetzung gelesen wurden, sodass schon in der Ausgestaltung der philosophischen Terminologien der Frühen Neuzeit und der Aufklärung sprachliche Transfers und Interferenzen in schwer zu rekonstruierender Weise wirksam waren und dementsprechend (oft nur latent aktive) Mehrsprachigkeit als Faktor der Terminologiegeschichte nicht übersehen werden darf. In diesem Zusammenhang sei auf einschlägige Arbeiten von Tullio Gregory zur Terminologiegeschichte verwiesen (vgl. Bibliographie). 5 Immanuelis Kantii Opera ad philosophiam criticam. Latine vertit Fredericvs Gottlob Born. 4 Bde. Leipzig 1796–1798 [unveränderter ND Frankfurt a.M. 1969]. Kants Haltung gegenüber dieser Übersetzung kann an dieser Stelle nicht erörtert werden; sie wurde in der Forschungsliteratur gründlich dokumentiert und analysiert. Erst recht ist hier nicht der Ort,

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Gisela Schlüter

Übersetzer der KrV ins Italienische (1820–1822) – rekurrieren in terminologischen Zweifelsfällen explizit auf Borns lateinische Übersetzungen, und selbst dort, wo Borns Übersetzung nicht genannt wird, muss man sie als stille Ressource im Hintergrund der meisten historischen Übersetzungen vermuten; ja selbst heute noch greift mancher Übersetzer im Zweifelsfall noch gelegentlich zu Borns Opera ad philosophiam criticam (vgl. das Interview mit Mario Caimi im vorliegenden Band). Daher kann man Borns Übertragung der kantischen Philosophie ins Lateinische in unserem Zusammenhang als erste wirkmächtige Scharnierübersetzung bezeichnen: als eine Übersetzung, die zwischen der Ausgangssprache (dem deutschsprachigen Werk Kants) und der jeweiligen (englischen oder romanischen) Zielsprache ein Scharnier oder ein Relais, ein operatives Zwischenglied, bildete. Solche Scharnierübersetzungen, die entweder nur sporadisch Hilfe und Orientierung boten oder aber ihrerseits (ausdrücklich, wohl häufiger aber stillschweigend) als Ausgangssprache der (insofern indirekten) Übersetzungen in die Zielsprachen dienten, sind in ihrer Bedeutung und prägenden Wirkung innerhalb der gesamten Geschichte der Übertragung von Kants Schriften in andere Sprachen von enormer, kaum zu überschätzender Bedeutung gewesen.6 Iris Plack hat im vorliegenden Band den Blick auf die zahlreichen indirekten Übersetzungen der deutschsprachigen Philosophie Kants in andere Sprachen gerichtet. Eines der zahlreichen Desiderata, die sich im vorliegenden Band abzeichnen, besteht darin, solche Scharnierübersetzungen und die von ihnen in Gang gesetzten oder unterstützten indirekten Übersetzungen zu identifizieren; dass Rekonstruktionen in diesem Bereich sehr schwierig sind, leuchtet unmittelbar ein. Heute dient vor allem die große Cambridge Edition unter der Gesamtherausgeberschaft von Paul Guyer und Allen W. Wood (über die die beiden Herausgeber im vorliegenden Band Auskunft geben) als Scharnierübersetzung für Übersetzungen in andere Sprachen. Es ist kaum vorstellbar, dass ein heutiger Übersetzer nicht auf die im Rahmen dieser Ausgabe erschienenen Musterübersetzungen der kantischen Schriften rekurriert – um sich für seine eigene Übersetzung in eine mehr oder weniger weit vom Deutschen und Englischen entfernte Zielsprache rückzuversichern oder gar im Rekurs auf eine ihm oder ihr vertrautere Sprache, Kants Einstellung gegenüber Übersetzungen als solchen rekonstruieren zu wollen, noch auch zu klären, welche philosophischen Texte er in (welchen) Übersetzungen gelesen hat. 6 Das Phänomen der indirekten Rezeption fremdsprachiger Texte via Übersetzungen in eine andere als die eigene Sprache, die einem aber geläufiger und zugänglicher ist als die Ausgangssprache, hatte Kant zu der aus heutiger Sicht betrachtet erstaunlichen Empfehlung veranlasst, Ausländer möchten Deutsch lernen, um die sprachlichen Barrieren der vielsprachigen europäischen Philosophie zu umgehen: fast alle fremdsprachigen (gemeint waren wohl in erster Linie die englischen und französischen) Schriften lägen nämlich in deutscher Übersetzung vor: »Die Deutschen übersetzen alles und man könnte den ändern Nationen den Rath geben Deutsch zu lernen, denn so können sie alle andre Sprachen entbehren.« (Mrongovius AA 25,2: 1409) [Hinweis von Hansmichael Hohenegger]

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Einleitung

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das Englische, den deutschen Ausgangstext für sich selbst transparenter zu machen. Mutmaßungen darüber, wie präsent der deutschsprachige im Vergleich zum englischsprachigen Kant weltweit faktisch (noch) ist, verbieten sich selbstverständlich. Zumindest wird man sich, gerade auch hierzulande, die Konkurrenz zwischen diesen beiden aktuellen sprachlichen Gestalten, in denen Kants Werk weltweit präsent ist, vor Augen halten müssen. Auf Spekulationen über die künftigen Auswirkungen russisch- und chinesischsprachiger Werkausgaben kann an dieser Stelle verzichtet werden. Es wird jedoch auf die seit einiger Zeit international florierende Sparte zweisprachiger Werkausgaben – wie eben der russischen – zurückzukommen sein, die den Übersetzungen von Schriften Kants in eine Zielsprache den deutschen Ausgangstext im Buch direkt zur Seite stellen. Durch zweisprachige Ausgaben wird das Phänomen der indirekten Übersetzung naturgemäß nicht aus der Welt geschafft, wohl aber dem deutschen Ausgangstext der ihm gebührende Raum verschafft und dem polyglotten Leser ein wichtiges Instrument an die Hand gegeben, sich zwischen Ausgangs- und Zielsprache zu bewegen. Sofern diese Ausgaben auch elektronisch zugänglich gemacht werden, bieten sie für den im Umgang mit elektronischen Ressourcen versierten Wissenschaftler und Übersetzer willkommene bilinguale Recherchemöglichkeiten. Vor der Cambridge Edition, die seit 1992 erschienen und mittlerweile abgeschlossen ist, hat vor allem die französische Pléiade-Ausgabe der Werke Kants unter der Gesamtherausgeberschaft von Ferdinand Alquié als Scharnierübersetzung gedient; sie erschien zwischen 1980 und 1986. Auch abgesehen von ihrer jeweiligen Brückenfunktion haben diese beiden mehr oder weniger vollständigen Werkausgaben die aktuelle Übersetzungssituation entscheidend geprägt. Sie werden im vorliegenden Band dementsprechend ausführlich besprochen.7 Selbst wenn die französische Pléiade-Ausgabe Lücken aufweist und als Gesamtausgabe der Schriften Kants nicht gelten konnte, hat sie doch Kants Werk erstmals in einer Fremdsprache als Ganzes in Erscheinung treten lassen. Daher konzentriert sich der vorliegende Band auf die internationale Übersetzungslage von 1980 bis heute. Er zielt auf Aktualität, geht aber, in einzelnen Bestandsaufnahmen zu den marginaleren Übersetzungsräumen, mit guten Gründen zurück ins frühe 20. und gelegentlich sogar ins 19. Jahrhundert, um die derzeitige Lage historisch zu rekonstruieren. Für die größeren Sprachen ist eine Rekonstruktion der historischen Genese der gegenwärtigen Gesamtbefunde weitgehend entbehrlich, 8 da mittlerweile umfangreiche Forschungsliteratur zur Geschichte der Kant-Übersetzungen vorliegt.

7

Vgl. die Beiträge von Guyer/Wood und Sophie Grapotte im vorliegenden Band. Die Beiträge von Sophie Grapotte und Marcos Thisted zu französischen und spanischen Übersetzungen bieten gleichwohl historische Rückblenden. 8

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Gisela Schlüter

II.

Was haben der heutige Kant-Übersetzer, die heutige Kant-Übersetzerin9 zu leisten? Sie müssen Kants Schriften über eine historische und eine sprachliche Barriere befördern, Texte des 18. Jahrhunderts in solche des 21. Jahrhunderts und einen deutschsprachigen in einen rumänisch- oder katalanisch- oder anderssprachigen Text übersetzen. Die erste Barriere – die historische Distanz – wird meist übersehen, wenn die einschlägigen Übersetzungsfragen erörtert werden. Kaum ein Übersetzer wird versucht sein, die historische Distanz zu markieren, antiquierte Züge des Ausgangstextes hervortreten zu lassen und den historischen Text – auf ältere Sprachstufen der Zielsprache zurückgreifend – in einen der Aufklärungszeit nachempfundenen und dementsprechend anachronistischen Text in der Zielsprache zu verwandeln, um den historischen Kenntnis- und Sprachstand der Kant-Zeit wiederzugeben. Besonders augenfällig werden historisch bedingte Verlegenheiten der Übersetzung, wenn es etwa um die Übertragung des naturwissenschaftlichen Vokabulars Kants geht (vgl. bspw. den Beitrag von Mai Lequan im vorliegenden Band). Unauffälliger, daher aber auch riskanter sind Anachronismen in der Übersetzung von Kants theoretischer und praktischer Philosophie. Eklatant sind sie hingegen im Bereich der Alltagssprache und der reichhaltigen Metaphorik Kants: Wie etwa lässt sich das von Kant verschiedentlich metaphorisch verwendete Wort Gängelwagen10 in einer heutigen Übersetzung in eine Fremdsprache wiedergeben, wie ein Wort wie Blödsichtigkeit (vgl. Vorrede zu Prol), das, angelehnt an Blödigkeit, im 18. Jahrhundert eine andere, weniger pejorative Bedeutung hat, als man, vom heutigen Blödheit ausgehend, annehmen würde? Mit Blick auf die Markierung und Überwindung der historischen Distanz in einer heutigen Kant-Übersetzung gilt, was auch für die Überwindung der Distanz zwischen den Sprachräumen gilt: Die grundsätzliche Option des Übersetzers sollte erkennbar, aber nicht störend sein, und sie sollte konsequent umgesetzt werden. Behutsam historisierende und modernisierende Optionen haben ihre Berechtigung, sollten aber jeweils so weit wie möglich durchgehalten werden. Generell sind offenkun 9 Im

Folgenden wird einfachheitshalber durchgängig das Maskulinum verwendet. Gemeint sind selbstverständlich durchweg Übersetzer und Übersetzerinnen, Forscherinnen und Forscher etc. 10 Gottfried Gabriel hat erläutert: Ein Gängelwagen »ist ein Gestell oder Korb mit Rädern, in dem Kleinkinder das Laufen lernen«. Gottfried Gabriel: Präzision und Prägnanz. Logische, rhetorische, ästhetische und literarische Erkenntnisformen. Paderborn 2019. 122, Anm. 192. Selbst wenn dem Übersetzer ein dieser Funktion dienliches heutiges Gerät in den Sinn käme, würde sich der entsprechende Ausdruck (etwa eine fremdsprachige Entsprechung zu Lauflernhilfe) in der Übersetzung anachronistisch ausnehmen; im Übrigen entfiele auch der die Metapher prägende Aspekt des Gängelns (Dirigierens, An-der-Leine-Führens).

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Einleitung

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dige Archaismen ebenso zu vermeiden wie unmotivierte Anachronismen und plakative Modernismen. Die Übertragung von Kants Schriften vom deutschen in einen anderen Sprachraum birgt zahlreiche Probleme, die im vorliegenden Band ausgiebig thematisiert werden. Abgesehen sei an dieser Stelle von allen im weiteren Sinne editorischen Problemen und auch von den marginaleren sprachlichen Fragen wie der Übertragung der Interpunktion, der Nummerierung, typographischer Markierungen und paratextueller Elemente. Im Zentrum der Translationsproblematik stehen Syntax und Lexik, näherhin Terminologie Kants11 (er spricht auch von Kunstausdrücke[n]) sowie rhetorische Aspekte seines Werkes wie seine mehrfach untersuchte Metaphorik12 und seine Ironie13 . Was seine Metaphorik betrifft, so offenbaren sich dem Übersetzer terminologische Probleme, die bei der Lektüre des deutschen Textes nicht weiter auffallen und die etwa die Unterscheidung von terminologischen und metaphorischen Verwendungsweisen bestimmter Ausdrücke verlangen – so wird etwa, bspw. in den Prolegomena (z. B. §§ 57, 59), der Raum-Begriff mehrfach metaphorisch verwendet, und das erklärt auch die Verwendung eines ursprünglich metaphorischen Terminus wie Grenzbegriff. Kants Syntax ist notorisch komplex, und nicht immer sind die syntaktischen Bezüge korrekt, häufig sind sie mehrdeutig. Die meisten Übersetzer, die im vorliegenden Band über ihre Tätigkeit berichten, empfinden Kants Syntax als besondere Herausforderung des Übersetzens in eine andere Sprache. Ist der immer wieder als verstiegen und barock verrufene Satzbau Kants in der Zielsprache so weit wie möglich nachzubilden (einem seinerseits letztlich erläuterungsbedürftigen Ideal von Texttreue im Sinne von Wortwörtlichkeit der Übersetzung folgend) oder so weit wie möglich in einfachere, kürzere, parataktische Satzgefüge aufzu11

Kant spricht auch von Kunstausdrücke[n], die notfalls zu prägen sind: »Da wir in der Transscendental-Philosophie so oft Veranlassung finden, Ideen von Verstandesbegriffen zu unterscheiden, so kann es von Nutzen sein, ihrem Unterschied angemessene Kunstausdrücke einzuführen.« (KU B 239; AA 05: 341 f.) 12 Die am häufigsten aufgerufenen Bildbereiche bilden bekanntlich das Rechtswesen (Gerichtshof); die Architektur; die Seefahrt; Geographie und Territorialität (Grenze, Schranke; Übergang etc.); Verfahrensinstrumente (Leitfaden, Vehikel) etc.; für unseren Zusammenhang auch interessant: Dolmetscher/Dolmetschen als Metapher für (z. B. epistemische) Transferleistungen (vgl. z. B. Rx. 748, AA XV: 328 [Hinweis von Hansmichael Hohenegger]). Kants Metaphorik wurde oft untersucht. Hier muss der Hinweis auf folgende Arbeiten genügen: Manfred Sommer: Die Selbsterhaltung der Vernunft. Stuttgart/Bad Cannstatt 1977 [mit einem Register der Begriffe, Figuren und Metaphern]; Diego Kosbiau Trevisan: Der Gerichtshof der Vernunft. Eine historische und systematische Untersuchung über die juridischen Metaphern der Kritik der reinen Vernunft. Würzburg 2018; Kant and the Metaphors of Reason. Ed. by Patricia Kauark-Leite/Giorgia Cecchinato/Virginia de Araujo Figueiredo/ Margit Ruffing/Alicia Serra. Hildesheim/Zürich/N.Y. 2015. 13 Zu literarischen, stilistischen und rhetorischen Aspekten von Kants Werken und auch zur Ironie Kants vgl. u. a. Willi Goetschel: Kant als Schriftsteller. Wien 1990.

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lösen, um die Lesbarkeit des Textes zu optimieren? Sind scheinbar oder offenkundig fehlerhafte syntaktische Anschlüsse in der Übersetzung stillschweigend oder erkennbar und nachweislich (in einer Fußnote dokumentiert) zu korrigieren? Sind uneindeutige syntaktische Anschlüsse zu disambiguieren? Und auch hier: Ist dies von Fall zu Fall zu entscheiden, oder ist ein weitgehend konsequentes Procedere anzustreben? Wie fügen sich die eigenen prinzipiellen und einzelfallbezogenen übersetzerischen Optionen in das Gesamttableau einer einzelsprachlichen Übersetzungstradition ein? Kant hat bekanntlich in lateinischer und dann in deutscher Sprache geschrieben, und er hat auch seine deutschsprachigen Hauptschriften mit lateinischen Ausdrücken und Termini durchwirkt und sich mehrfach, besonders dezidiert aber an einer viel zitierten Stelle der KrV (B 368 f., A 312 f.), zu seiner terminologischen Praxis geäußert, die sich zwischen Traditionsbindung und Innovationsbereitschaft bewegt, Konsistenz in der Verwendung der Terminologie postuliert und sich doch auch eine flexible Handhabung seiner Termini vorbehält, welche, so ist immer wieder moniert worden, auch Inkonsistenzen, ja widersprüchliche Begriffsverwendungen zulässt. Dass er sich nicht nur auch solcher Termini bedient hat, die der lateinischsprachigen Schulphilosophie entstammten, sondern dass und wie er sich kritisch mit der Terminologieauffassung des Wolffianismus auseinandergesetzt und gegen dessen Definitionslehre abgegrenzt hat, untersucht Hansmichael Hohenegger in seinem Beitrag über Philologie und Übersetzung. Technische Ausdrücke in Kants philosophischer Sprache.14 Eine stärker (fach-)sprachwissenschaftlich pointierte Studie von Thorsten Roelcke über Terminologisierung im ersten Paragraphen der ›Transzendentalen Ästhetik‹ schließt sich an, welche der Verfasser anschließend in einem separaten Beitrag translatologisch-linguistisch pointiert und vertieft (Terminologisierung als translatorisches Problem). Gefragt wird nach den Praktiken der Übersetzung, die sich aus der terminologischen Praxis Kants ergeben, welche Rudolf Eucken in seiner Geschichte der philosophischen Terminologie im Umriss (1879) folgendermaßen problematisiert hat: [Es ist so], dass K ant in seinen Begriffen und Terminis manches aus der damaligen Zeitlage aufnahm, was seinen eignen Principien wenig entsprach, vielleicht gar in einem geraden Gegensatz dazu stand. Es konnte geschehen, dass im Ver14

Grundlegend dazu Norbert Hinske: Kants neue Terminologie und ihre alten Quellen. Möglichkeiten und Grenzen der elektronischen Datenverarbeitung im Felde der Begriffsgeschichte. In: Kant-Studien 65 (1974). 68–85; sowie Giorgio Tonelli: Das Wiederaufleben der deutsch-aristotelischen Terminologie bei Kant während der Entstehung der Kritik der reinen Vernunft. In: Archiv für Begriffsgeschichte 9 (1964). 233–242. – Viele interessante Einblicke bietet eine ältere Frankfurter Dissertation von Martin Puder: Doppeldeutige Sprachfiguren bei Kant und ihre sachliche Motivation. Studien über Äquivokationen, aporetische Begriffe und Selbstkorrekturen in der Transzendentalphilosophie. Phil. Diss. Frankfurt a.M. Druck Berlin 1968. Vgl. auch ders.: Kant – Stringenz und Ausdruck. Freiburg i.Br. 1974.

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lauf der Untersuchung eben der Standpunkt erschüttert wurde, den jene Bildungen voraussetzten. Manchmal erfasst er die Begriffe, wie er sie überliefert findet, bringt sie in den Schmelztiegel seines Denkens und beginnt an ihnen zu arbeiten. Nun entsteht auch in der That ein Neues, aber es bleibt ein Rest übrig und ein gewisser Zwiespalt ist unverkennbar.15

Für Übersetzer ist das Navigieren in diesem terminologischen Feld ausgesprochen schwierig, sehen sie sich doch einerseits mit der Konsistenzforderung, andererseits mit philologischen und hermeneutischen Standards der textstellenspezifischen Adäquatheit konfrontiert. Fraglich ist, über welches Textkorpus die Konsistenzforderung überhaupt sinnvollerweise geltend gemacht und durchgehalten werden kann (Einzelwerk, Abteilungen des Gesamtwerkes, Theoretische vs. Praktische Philosophie etc.) und wie sich die übersetzerischen terminologischen Optionen in einer einzelsprachlichen Übersetzungstradition oder gar mit Blick auf sprachverwandte Übersetzungen und Übersetzungstraditionen durchhalten lassen. Übersetzungen sind, so ließe sich unter Rekurs auf eine Kant teure Metapher formulieren, Probiersteine eines terminologischen Systems, und selbst wenn man mit Blick auf Kant nicht von einer streng festgelegten und in diesem Sinne systematischen Terminologie,16 sondern allenfalls von einem terminologischen Geflecht wird sprechen können,17 so gilt gleichwohl, dass eine übersetzerische Wahl, und zwar auch eine Option gegen die identische Übersetzung eines an unterschiedlichen Stellen unterschiedlich verwendeten Terminus Kants, der terminologischen Differenzierung und Schärfung dienen kann. In diesem methodologischen Zusammenhang ist, das betont auch Hohenegger in seinem Beitrag, die vergleichende Betrachtung von Parallelstellen angeraten, für deren Ermittlung mittlerweile digitale Instrumente bereitstehen (als zentrale Frage stellt sich dann offenkundig die nach der Normalstelle der Verwendung des Terminus oder Ausdrucks). Ja, es ist sogar immer wieder darüber zu entscheiden, ob ein Wort im terminologischen Sinne oder nicht-terminologisch, d. h. umgangs- oder alltagssprachlich, verwendet wird und dementsprechend in bestimmten Fällen auch unterschiedlich zu übersetzen ist, wie bspw. Phänomen und Unding. 15

Rudolf Eucken: Gesammelte Werke. Mit einer Einleitung hg. von Rainer A. Bast. Bd. 9: Einführung in die Philosophie. Geschichte der philosophischen Terminologie. Hildesheim/ Zürich/N.Y. 2005 [ND d. Ausg. Berlin/Leipzig 1879/1925]. [Teil 2] 149. 16 »Sich nicht an Terminologien fesseln und an Formeln.« (Log, AA 16: 819) [Hinweis von Hansmichael Hohenegger] 17 »In allen diesen Sonderungen und in der verschiedenen Werthschätzung der einzelnen Glieder der Gegensätze bezeugen sich specifische philosophische Theorien, aber bei allem innern Zusammenhange, den sie besitzen mögen, fehlt doch viel, dass sie zu einem eigentlichen System entwickelt und dabei zur vollen Ausgleichung gelangt wären.« Eucken: Gesammelte Werke. […] Geschichte der philosophischen Terminologie [Anm. 15] 149.

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Dies sind gewiss im Einzelfall schwierige übersetzerische Entscheidungen, die vertiefte philologische Einblicke in den Text, seine Lexik und Semantik voraussetzen und erfordern.18 Der vorliegende Band möchte diese Problematik nicht nur an terminologischen Einzelfällen exemplifizieren und diskutieren, sondern dazu anhalten, das facettenreiche Verhältnis von terminologischer Praxis Kants und übersetzerischen Praktiken auch in einem dynamischen mehrsprachigen Übersetzungskontext zu betrachten und die Wiedergabe eines kantischen Terminus in eine andere Sprache im Allgemeinen und an einer bestimmten Stelle mit der in andere Sprachen zu vergleichen. Als translatorisch problematisch erweisen sich, wie Nicholas Walker in seinem rezenten Forschungsbeitrag betont hat, die kontrastiven Begriffspaare, die Kant verwendet (wie bspw. Anschauung vs. Begriff).19 Mit einem speziellen Problem sieht sich der Übersetzer der notorischen lateinisch/griechisch-deutschen Begriffsdubletten Kants konfrontiert. 20 Hier verschränken sich begriffsgeschichtliche, terminologiegeschichtliche und translatologische bzw. übersetzungsgeschichtliche Fragen auf höchst intrikate Weise (man denke nur an Object/Gegenstand21; Phänomen/Erscheinung 22 etc.), 23 und eine Übersetzung wird in diesen Fällen auf Hinweise auf den Wortlaut des Ausgangstextes und/oder Kommentare kaum verzichten können. Warum freilich eine sich selbst fortlaufend kommentierende Übersetzung nicht unproblematisch ist, sei abschließend kurz erörtert.

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Zutreffend charakterisiert und würdigt Nicholas Walker in einem instruktiven rezenten Forschungsbeitrag zu den Problemen der Übersetzung Kants (und Hegels) ins Englische die Komplexität des Übersetzens: »the often unregarded or unappreciated hermeneutic labour of intellectual mediation and transmission that is ›translation‹«. Nicholas Walker: Translating Kant and Hegel. In: J. Piers Rowling/Philip Wilson (Hg.): The Routledge Handbook of Translation and Philosophy. London/N.Y. 2019. 358–374. Hier: 358. 19 »A key question in translating a writer such as Kant is the need to establish a consistent and perspicuous set of lexical equivalents for the numerous essential concepts that are defined contrastively with one another (intuition and concept, transcendent and transcendental, thinking and knowing) and are expressly deployed in a precise sense that cannot adequately be captured by recourse to a variety of ordinary words with an inevitably indeterminate semantic range.« Ebd. 362. 20 Vgl. den Beitrag von François Ottmann im vorliegenden Band. 21 Vgl. den Beitrag von Stephen Palmquist im vorliegenden Band. 22 Vgl. den Beitrag von Costantino Esposito im vorliegenden Band. 23 Und nicht nur solche einfachen Dubletten, sondern auch Doppeldubletten der Art malum/das Böse; malum/das Übel: »Die deutsche Sprache hat das Glück, die Ausdrücke zu besitzen, welche diese Verschiedenheit nicht übersehen lassen. Für das, was die Lateiner mit einem einzigen Worte bonum benennen, hat sie zwei sehr verschiedene Begriffe, und auch eben so verschiedene Ausdrücke. Für bonum das Gute und das Wohl, für malum das Böse und das Übel (oder Weh): so daß es zwei ganz verschiedene Beurteilungen sind, ob wir bei einer Handlung das Gute und Böse derselben, oder unser Wohl und Weh (Übel) in Betrachtung ziehen.« (KpV A 104 f.; AA 05: 59 f.)

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III.

Die einschlägige Forschungsliteratur hat aufgezeigt, wie tief Kants Umgang mit der deutschen Sprache, 24 seine Verwendung der deutschen Umgangssprache und deren Terminologisierung in seinem Vokabular, 25 die deutsche Sprach- und Philosophie-, näherhin Terminologiegeschichte geprägt haben. Dem Übersetzer präsentieren gerade die erst von Kant zu technischen Begriffen geschärften deutschen Wörter seines Vokabulars besondere Schwierigkeiten. 26 Ein Blick in das dem Band beigegebene skizzenhafte Begriffsverzeichnis, in dem Termini aufgelistet sind, die in einzelnen Beiträgen als Übersetzungsprobleme thematisiert werden, belegt dies eindrücklich. An dieser Stelle seien, über notorische Übersetzungsklippen wie Urteilskraft, Zweckmäßigkeit, Vorstellung, Gemüt, Gesinnung, Bestimmung, einsehen/begreifen/verstehen27 etc. hinaus, einige weitere, im Übersetzungskontext weniger häufig angeführte Begriffe genannt, die dem Übersetzer Kopfzerbrechen bereiten: Inbegriff, 28 auch Urbegriff (KrV B 602), Grenzbegriff,

24 Einen anregenden literaturwissenschaftlich-stilkritischen und an Rhetorik interessierten Durchgang durch das literarisch vielgestaltige Werk Kants, das gerade in den früheren und kleineren Schriften literarisch und rhetorisch sorgfältig elaboriert war und sich einer attraktiven variatio verschrieben hatte, hat Goetschel publiziert, vgl. Goetschel: Kant als Schriftsteller [Anm. 13]. Wertvoll sind auch die zahlreichen von Goetschel angeführten historischen Quellen mit Urteilen über Sprache und Stil Kants. 25 »Die deutsche Sprache ist unter den gelehrten lebenden die eintzige, welche eine Reinigkeit hat, die ihr eigenthümlich ist. Alle fremden Worte sind in ihr auf immer kentlich, an die stelle daß Englisch und Französisch mit solchen können angefüllet werden, ohne daß zu merken ist, sie wären ihnen anderwerts zugefallen. Deswegen belohnt es der Mühe, darauf acht zu haben und sich lieber in parenthese der fremden Worter zu bedienen. Diese Aufmerksamkeit macht nach und nach die Sprache reich und zugleich sehr bedeutend und bestimmt. Der neuen Zusammensetzung der Wörter müssen schranken gesetzt werden. Das allgemeine einer Sprache und der idiotismus.« (Rx 5108, AA 18:90) 26 »[…] [Kant] was [not] at all unaware of the rich sources of so-called ›ordinary‹ language (a problematic enough concept in itself, but here understood to mean language that has not been terminologically regularized or methodically stipulated) or indeed of powerfully affective or religious language, especially when it came to discriminating phenomenologically between subtly different but closely related forms of experience in the context of ethics and aesthetics – for example, words such as Neigung (inclination), Gesinnung (disposition), Achtung (respect), Ehrfurcht (reverence), Geheimnis (mystery), das Angenehme (the agreeable), Wohlgefallen (delight) and Gunst (favour).« Walker: Translating Kant and Hegel [Anm. 18] 362. 27 Vgl. den Beitrag von Christian Hamm im vorliegenden Band. 28 Vgl. dazu Seung-Kee Lee: Art. Inbegriff. In: Kant-Lexikon. Hg. von Marcus Willaschek/Jürgen Stolzenberg/Georg Mohr/Stefano Bacin. 3 Bde. Berlin/N.Y. 2015. Bd. 2. 1160 f., sowie marginal dazu Jeffrey Edwards in seinem Beitrag im vorliegenden Band. Barbara Cassins Vocabulaire européen des philosophies. Dictionnaire des intraduisibles. Paris 2004, verzeichnet Inbegriff als Lemma (1486).

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Grenze/Schranke, 29 Übergang, 30 Unding und andere bemerkenswerte Bildungen wie Ungrund (KrV B 400). Rudolf Eucken hat im Kapitel Deutsche Terminologie seiner Geschichte der philosophischen Terminologie in erhellender Weise auf die sprachlichen Wurzeln der deutschen philosophischen Sprache u. a. in der Mystik Meister Eckharts hingewiesen. 31 Eine hohe Frequenz haben dort etwa Wortbildungen mit un-/Un- (wie Unding), und auch der bis heute eigentümliche deutsche Begriff des Inbegriffs, dessen Verwendung durch Kant verschiedentlich kommentiert worden ist 32 und der sich letztlich einer auch sprachgestaltlich angemessenen Übersetzung widersetzt, hat dort seine Wurzeln. 33 Es sind nicht allein deutsche Substantive, die Probleme bereiten, sondern auch Ausdrücke wie überhaupt, überall, allein (adversativ oder restriktiv gebraucht), rein, schlechterdings etc., die in Kants Werk hoch frequent sind und vom Übersetzer in jedem Einzelfall eine reflektierte Entscheidung verlangen. Kants Verwendung von überhaupt hat viel Tinte fließen lassen. 34 Wie geht der Übersetzer mit rekurrenten Ausdrücken in Kants Diktion um wie z. B. dem weniger häufig adverbial denn adnominal gebrauchten überhaupt, die in bestimmten Verwendungszusammenhängen nicht eindeutig zuzuordnen sind (vgl. das im Folgenden angeführte Beispiel) und zwischen kantspezifischen Verwendungsweisen und alltagssprachlichem Wortgebrauch changieren? Sofern man dem durchaus einleuchtenden Vorschlag mehrerer Kant-Forscher und -Übersetzer, ein close reading ausgewählter, notorisch schwieriger und umstrittener Passagen zentraler Schriften Kants35 mittels eines probeweise unternommenen übersetzerischen Zugangs zu

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Vgl. dazu den Beitrag von Costantino Esposito im vorliegenden Band. Vgl. dazu den Beitrag von Rodica Croitoru im vorliegenden Band. 31 Eucken: Gesammelte Werke […]. Geschichte der philosophischen Terminologie [Anm. 15] 119 ff. 32 Vgl. dazu Jeffrey Edwards im vorliegenden Band. 33 »begrif und begrifunge (geistig=Inbegriff, Umfang) […] umbegriff (Umfang)«. Eucken: Gesammelte Werke […]. Geschichte der philosophischen Terminologie [Anm. 15] 120. Begriff laut Eucken erstmals von Eckhart in übertragener Bedeutung verwendet, im Sinne von »Umfang, Inbegriff«. Ebd., 208. 34 Vgl. schon Otto Schöndörffer: Kants gesammelte Schriften. Akademieausgabe. Bd. III. Die Kritik der reinen Vernunft (1787). Band II. In: Monatsschrift (NF) der Neuen Preussischen Provinzial-Blätter. Fünfte Folge. Hg. von Rudolf Reicke. Bd. 42. Königsberg 1905. 108–144, 558–564 (passim, zu überhaupt, rein, schlechterdings); Hans Amrhein: Kants Lehre vom ›Bewusstsein überhaupt‹ und ihre Weiterbildung bis auf die Gegenwart. In: Kant-Studien. Ergänzungshefte H. 10. Berlin 1909; für die Hinweise auf die Beiträge von Schöndörffer und Amrhein danke ich Hansmichael Hohenegger. Vgl. auch Norbert Hinske: Kants Weg zur Transzendentalphilosophie. Der dreißigjährige Kant. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1970. 28–37. Vgl. im vorliegenden Band den Beitrag von Josep Clusa, der u. a. die entsprechenden Übersetzungsprobleme thematisiert. 35 Vgl. u. a. Dieter Schönecker: Textvergessenheit in der Philosophiehistorie. In: Dieter 30

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schärfen, 36 Folge leisten wollte, böte sich die folgende berühmte Passage aus der Einleitung in die KrV als instruktives Lehrstück an: »Ich nenne alle Erkenntnis transzendental, die sich nicht so wohl mit Gegenständen, sondern mit unserer Erkenntnisart von Gegenständen, so fern diese a priori möglich sein soll, überhaupt beschäftigt. Ein System solcher Begriffe würde Transzendental-Philosophie heißen.« (KrV B 25)37 Abschließend sei ein weiteres Beispiel dafür angeführt, dass die Übersetzung als Probierstein des rechten Textverständnisses fungieren kann: das Faktum [Factum] der Vernunft. 38 Die besondere Schwierigkeit, ja, so darf man vielleicht sagen, Rätselhaftigkeit dieser Formulierung offenbart sich schlagartig, wenn man den Ausdruck in eine andere Sprache übersetzen will. Textexegese, Historische Semantik und Übersetzung befördern einander wechselseitig, um das Rätsel zu entwirren. Neben der auf Klärung aller syntaktischen Bezüge und möglicherweise ein ›unpacking‹39 der hypotaktischen Satzperioden bedachten Arbeit des Übersetzers an Kants Syntax kommt seiner terminologischen Arbeit zentrale Bedeutung zu. Schon Christian Garve hatte in seiner Rezension der KrV konstatiert: »Der Verfasser, um sein System begreiflich zu machen, hat nöthig befunden, auch eine neue Terminologie einzuführen. […] Die Terminologie ist der Faden der Ariadne, ohne welchen oft auch der scharfsinnigste Kopf seine Leser durch das dunkle Labyrinth abstrakter Spekulationen nicht würde durchführen können. Wenn dieser auch nicht immer deutlich sieht, so fühlt er doch zu seiner Beruhigung, daß er den Faden noch immer in seiner Hand hält, und hofft auf einen Ausgang.« 40 Dieses Leitfadens bedarf auch jeder Leser, jede Leserin einer Übersetzung. So stabil Schönecker/Thomas Zwenger (Hg.): Kant verstehen. Understanding Kant. Über die Interpretation philosophischer Texte. Darmstadt 2001. 159–181. 36 Walker: Translating Kant and Hegel [Anm. 18] 371. Michael A. Scarpitti/Susann Möller: ›Verschlimmbesserung‹. Correcting the Corrections in Translations of Kant. In: Semiotica 111/1–2 (1996). 55–73. 37 Zur Interpretation der Textstelle und der Verwendung von überhaupt vgl. u. a. Robert Schnepf: Metaphysik und Metaphysikkritik in Kants Transzendentalphilosophie. In: Jürgen Stolzenberg (Hg.): Kant in der Gegenwart. Berlin/N.Y. 2007. 71–109. Hier: 75–83. 38 Vgl. dazu u. a. Marcus Willaschek: Die Tat der Vernunft. Zur Bedeutung der Kantischen These vom ›Factum der Vernunft‹. In: Akten des VII. Internationalen Kant-Kongresses Mainz 1990. Hg. von Gerhard Funke. Bonn 1991. Bd. 2. 456–466. Matthias Kaufmann: Autonomie und das Faktum der Vernunft. In: Stolzenberg (Hg.): Kant in der Gegenwart [Anm. 37] 227–245. Hier: 237–244. Michael Wolff: Warum das Faktum der Vernunft ein Faktum ist. Auflösung einiger Verständnisschwierigkeiten in Kants Grundlegung der Moral. In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 57/4 (2009). 511–549. Sowie zu Factum [und T(h)atsache] bei Kant und seinen Zeitgenossen vgl. Kosbiau Trevisan: Der Gerichtshof der Vernunft [Anm. 12] 303 ff. 39 Walker: Translating Kant and Hegel [Anm. 18] 364. 40 Garve. Zit. nach Hinske: Kants neue Terminologie [Anm. 14] 68.

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wie im deutschen Text wird dieser terminologische Leitfaden freilich auch in der gelungensten und konsistentesten Übersetzung wohl kaum sein können. IV.

Der vorliegende Band ist kein Handbuch, wenngleich er die Übersetzungssituation in den definierten Sprach- und Zeiträumen und zentrale Übersetzungsprobleme relativ umfassend dokumentiert und diskutiert. 41 Ein Handbuch hätte einen umfassenderen enzyklopädischen Anspruch erheben und einen strikteren methodischen Zugriff wählen müssen. Aus unterschiedlichen Gründen war dies nicht möglich. Gleichwohl sollte der Band, ähnlich wie ein Handbuch, Orientierung und Überblick verschaffen, er sollte übersichtlich, nützlich und leicht handhabbar sein. Fast alle Beiträger bzw. Beiträgerinnen des Bandes haben selbst Schriften Kants in ihre jeweilige Muttersprache übersetzt, mehrere von ihnen haben auch kritische Editionen vorgelegt. Von dieser Expertise profitieren die Beiträge des Bandes. Sie wurden in mehreren Sprachen eingereicht, mehrere von ihnen wurden ins Deutsche übersetzt (sodass sich die Übersetzungsproblematik hier und da potenziert hat). Die Beiträge sind in Umfang, Stil, Duktus, Diktion recht unterschiedlich, wie sich prima vista zeigt. Man mag dies als Nachteil empfinden, und allein schon diese evidente Heterogenität der Beiträge entfernt den Band vom Format eines Handbuchs. Gleichwohl hat, was hier und da als Nachlässigkeit erscheinen mag, übers Ganze gesehen wohl doch auch einen eigenen Reiz und dokumentiert zumindest den unterschiedlichen wissenschaftlichen Stil der diversen Länder der romanisch- und englischsprachigen Welt, die sich am vorliegenden Projekt zum internationalen und mehrsprachigen Kant beteiligt haben. Die Unterschiedlichkeit der Beiträge betrifft aber nicht nur ihren Stil und Duktus, sondern auch die in ihnen artikulierten philosophischen und philologischen Konzeptionen und translatologischen Standpunkte. Der Leser findet Plädoyers für und gegen eine symbiotische Beziehung von Exegese und Übersetzung, für und gegen die Sichtbarkeit der Übersetzung (die Übersetzung solle sich als solche zu erkennen geben, so wird auf der einen Seite postuliert, sie solle so transparent wie möglich den Ausgangstext hervortreten lassen, so die Gegenseite), für und wider die heute recht geläufige Form der sich selbst durchgängig kommen41 Nachdrücklich

hinzuweisen ist auf einen schon 2010 erschienenen Sammelband zu ­ ragen der Kant-Übersetzung von Alessandro Pinzani/Valerio Rohden (Hg.): Crítica da raF zão tradutora. Sobre a dificuldade de traduzir Kant. Florianópolis, Nefiponline, 2010 [­ https:// www.nefipo.ufsc.br/files/2011/12/critica_razao_kant.pdf]. Der vorliegende Band verdankt dieser Aufsatzsammlung viel.

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tierenden Übersetzung, in der die übersetzerischen Optionen kommentiert und Varianten dokumentiert sind; Differenzen zeigen sich zudem in der Einschätzung des Nutzens von polyglotten terminologischen Datenbanken für Übersetzungen philosophischer Texte. Und auch an einer so grundsätzlichen und auch philosophisch belangvollen Frage wie der nach der Unübersetzbarkeit (ein von Barbara Cassin höchst erfolgreich lanciertes Konzept) scheiden sich die Geister. Zum Aufbau des Bandes: Im ersten Teil bietet der Band Bestandsaufnahmen vor allem aktueller, gängiger und/oder wissenschaftlich ambitionierter und editorisch elaborierter Kant-Übersetzungen im angloamerikanischen Raum (Stephen Palmquist; Guyer/Wood), in Frankreich (Sophie Grapotte), Italien (Giuseppe Landolfi Petrone; Laura Balbiani), im hispanophonen Lateinamerika und in Spanien (Marcos Thisted; Mario Caimi), in Katalonien (Josep Clusa), Brasilien (Christian Hamm), Portugal (Adriana Veríssimo Serrão, Fernando M.F. Silva) und in Rumänien (Titus Lateş). Die Beiträge fallen höchst unterschiedlich aus, ihr Umfang spiegelt mitnichten die Bedeutung und Dichte der jeweiligen nationalen Übersetzungslage. Besonders eklatant ist die damit verbundene Unausgewogenheit in diesem Teil des Bandes mit Blick auf das Verhältnis von Spanien einerseits, andererseits Lateinamerika und Katalonien, von Portugal und Brasilien: In beiden Fällen werden die ›Stammländer‹ unterbelichtet; einer sehr ausführlichen Berichterstattung über das spanischsprachige Lateinamerika steht ein Kurzbericht über Spanien gegenüber, die Übersetzungslage in Katalonien wird ausführlich gewürdigt, während Spanien nicht mehr als schlaglichtartig beleuchtet wird. Dieses Ungleichgewicht hat rein zufällige Gründe. Spanische Kolleginnen haben überraschend abgesagt, sodass Marcos Thisted, der ausführlich über Lateinamerika berichtet, kurzfristig um ein Statement zur spanischen Übersetzungslage gebeten wurde; dafür, dass er in kürzester Zeit ein solches knappes Resümee geliefert hat, sei ihm an dieser Stelle nochmals nachdrücklich gedankt. Zufälle haben auch zu dem Ungleichgewicht zwischen der Ausführlichkeit und Gründlichkeit der Würdigungen der portugiesischen und der brasilianischen Übersetzungslage geführt. Der Umstand, dass Kant im spanisch- und portugiesischsprachigen Lateinamerika seit geraumer Zeit so viel Aufmerksamkeit und auch auf dem Sektor der übersetzerischen und editorischen Initiativen so viel Resonanz findet, hätte in der Herausgabe des vorliegenden Bandes nicht in dem eklatanten Maße zuungunsten der europäischen ›Stammländer‹ zu Buche schlagen sollen, wie das unbeabsichtigt und zufällig geschehen ist. In den Bestandsaufnahmen, die nur teilweise auf einschlägige Sekundärliteratur zurückgreifen konnten und in Einzelfällen einen Bereich ganz neu erschließen (wie etwa Josep Clusa mit seiner Bestandsaufnahme zu katalanischen Übersetzungen und Titus Lateş zur rumänischen Übersetzungslage), finden sich in unterschiedlicher Breite auch historische Exkurse (vgl. dazu meine

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einleitenden Bemerkungen). Mit größerer oder geringerer Ausführlichkeit werden auch kommerzielle Aspekte und Entwicklungen des Verlagswesens und des Buchmarktes berücksichtigt. In dieser Hinsicht gibt vor allem der Beitrag von Giuseppe Landolfi Petrone u. a. auch Aufschluss über die verlegerische Fortüne Kants in Italien und die aktuelle Vermarktung von Kant-Übersetzungen. Der zweite Teil des Bandes erlaubt einen Blick auf den Schreibtisch (bzw. Bildschirm) des Übersetzers: Welcher gedruckter und welcher digitaler Hilfsmittel kann sich der Übersetzer heute bedienen? Für terminologische Fragen werden Übersetzer heute in erster Linie das KantLexikon konsultieren, das Marcus Willaschek, Jürgen Stolzenberg, Georg Mohr und Stefano Bacin 2015 publiziert haben. 42 Allerdings verzeichnet dieses Lexikon keine fremdsprachigen Entsprechungen zu den Lemmata, den kantischen Termini. Ein deutlich weniger umfangreiches Kant-Wörterbuch, herausgegeben von Mario Caimi unter Beteiligung von Marcos Thisted und einem Team, verzeichnet solche Entsprechungen in allen größeren romanischen Sprachen und erweist sich als nützliches und im mehrsprachlichen Zugang zu Kants Terminologie auch einzigartiges Arbeitsinstrument; aus nahe liegenden Gründen – vor allem wohl wegen des Vorliegens der Cambridge Edition mit ihren zahlreichen und ausführlichen Glossaren und wegen des in Vorbereitung befindlichen Cambridge Kant Lexicon 43 – bleibt freilich hier das Englische ausgespart. 44 Fremdsprachige Entsprechungen zu den Lemmata verzeichnet bekanntlich auch das Historische Wörterbuch der Philosophie. Speziell für das Französische sei hingewiesen auf die französische Übersetzung von Eislers Kant-Lexikon. 45 Im Übrigen gibt es zahlreiche zwei- oder sogar mehrsprachige Glossare, auf die der Übersetzer zurückgreifen kann. 46 Im zweiten Teil des vorliegenden Bandes gibt der Beitrag von Steve Naragon einen höchst informativen Einblick in das tool kit des Kant-Philologen und vor allem des Kant-Übersetzers (die Formulierung verdankt sich Hansmichael Hohenegger), insbesondere in das digitale tool kit. Naragons Website Kant in the Class42

Kant-Lexikon [Anm. 28]. The Cambridge Kant Lexicon [forthcoming]. Hg. von Julian Wuerth (Vanderbilt University). Eine Reihe von Artikeln sind bereits online zugänglich. 44 Diccionario de la filosofía crítica kantiana. Hg. von Mario Caimi/Ileana Beade/José González Ríos/Macarena Marey/Fernando Moledo/Mariela Paolucci/Hernán Pringe/Marcos Thisted. Buenos Aires 2017. 45 Rudolf Eisler: Kant-Lexikon. Aus dem Dt. übers., hg. und überarbeitet von Anne-­ Dominique Balmès/Pierre Osmo. 2 Bde. Paris 1994 [22011]. 46 Sehr elaboriert sind die zweisprachigen, englisch-deutschen Glossare im Rahmen der CE. Neben dem bereits erwähnten polyglotten Diccionario de la filosofía crítica kantiana [Anm. 44] sei hingewiesen auf die mehrsprachigen Glossare, die die bislang erschienenen zweisprachigen Bände der mexikanischen Biblioteca Immanuel Kant (unter der Gesamtherausgeberschaft von María Granja Castro [Anm. 3]) bereichern. 43

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room hat schon vor Entstehen dieses Bandes wertvolle Orientierung für Anfänger und fortgeschrittene Kantianer geboten. Parallel zum Entstehen dieses Bandes hat Steve Naragon innerhalb dieser Website eine einzigartige fortlaufende Bibliographie weltweiter Kant-Übersetzungen (von Kants Lebzeiten bis heute) erarbeitet, der eine gleichfalls beeindruckende Bibliographie der Forschungsliteratur zum Thema Kant’s Writings in Translations beigegeben ist. 47 Diese Initiative, für die Steve Naragon größtmöglicher Dank gebührt, hat den vorliegenden Band insofern entlastet, als die hier angefügte Bibliographie sich darauf beschränken konnte, fast ausschließlich die im Band selbst zitierte Primär- und Sekundärliteratur aufzuführen; statt der englischsprachigen bibliographischen Angaben Naragons und der deutsch- (bzw. englisch-)sprachigen bibliographischen Angaben im Textteil des vorliegenden Bandes finden sich in der hier vorgelegten Bibliographie die bibliographischen Angaben (incl. Verlagsangaben) in den Originalsprachen. Der Beitrag von Riccardo Pozzo schließt sich an den von Naragon an und diskutiert die Bedeutung von digitalen Werkkorpora und Parallelkorpora für die Kant-Philologie und -Übersetzung. Der dritte Teil des Bandes widmet sich, mit den bereits genannten Beiträgen von Hansmichael Hohenegger, Thorsten Roelcke und François Ottmann, in grundlegender Weise dem Verhältnis von Kants Terminologie in Theorie und Praxis und den Praktiken des Kant-Übersetzens. Der vierte Teil bildet den Schwerpunkt des Bandes: Termini Kants in Übersetzungen. Den Mitarbeitern wurde die Wahl der zu behandelnden übersetzerisch problematischen Begriffe weitgehend freigestellt. Trotzdem sind die großen Bereiche von Kants Philosophie – in der Reihenfolge der Anordnung der Beiträge: Erkenntnistheorie, Philosophie der Naturwissenschaft, Logik, Ästhetik, Anthropologie, Religionsphilosophie; Opus postumum; physische Geographie (vgl. Beitrag von Robert R. Clewis) – mit ihren jeweiligen Terminologien vertreten, mit einer Lücke im Bereich der Praktischen Philosophie, die trotz des höchst instruktiven Beitrags von Jeffrey Edwards über die vor allem das Englische betreffenden Übersetzungsprobleme, die sich mit Kants bzw. dem deutschen Rechtsbegriff und dem einschlägigen Wortfeld verbinden, nicht zu übersehen ist. Naturgemäß werden nicht in allen Beiträgen alle hier zu untersuchenden Sprachräume gleichermaßen berücksichtigt, sondern meist Akzente entweder auf das Englische oder die romanischen Sprachen oder eine einzelne romanische Spra47 [https://users.manchester.edu/facstaff/ssnaragon/kant/Helps/KantsWritingsTrans

lationsLinks.htm]. Im Beitrag von Steve Naragon im vorliegenden Band werden die wichtigsten Quellen bei der bibliographischen Ermittlung von Übersetzungen angeführt. An dieser Stelle sei darüber hinaus nur auf die fortlaufenden Anzeigen neu publizierter Übersetzungen im Rahmen der Kant-Studien/Kant-Bibliographie hingewiesen sowie auf die Dokumentation von Übersetzungen der einzelnen Schriften Kants ins Englische und in die größeren romanischen Sprachen in den Einzelbänden der Cambridge Edition.

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che gesetzt. Auch unter diesem Aspekt kann und will der vorliegende Band den Erwartungen an ein Handbuch nicht gerecht werden. Er erscheint als Sonderband des Archivs für Begriffsgeschichte, und für die einschlägige Verschlagwortung bietet er (in der Reihenfolge der Beiträge des vierten Teils) folgende Termini und Begriffspaare: Anfangsgrund/Prinzip, Beweis/ Demonstration (Paolo Pecere; Schwerpunkt Englisch, Italienisch); Beweisgrund (Robert Theis; Schwerpunkt Französisch); Bestimmungsgrund (Emilio Garroni; Schwerpunkt Englisch, Italienisch); Zweckmäßigkeit, Urteilskraft (Adriana Ve­ ríssimo Serrão; Schwerpunkt Portugiesisch); Wahrscheinlichkeit, Scheinbarkeit (Mirella Capozzi; Schwerpunkt Englisch); Fürwahrhalten (María Jesús Vazquez Lobeiras; Schwerpunkt Spanisch); Phänomen/Erscheinung; Grenze/Schranke (Costantino Esposito; Schwerpunkt Italienisch); Objekt/Gegenstand (Stephen Palmquist; Schwerpunkt Englisch); Einsehen/Verstehen/Begreifen (Christian Hamm; Schwerpunkt [brasilianisches und portugiesisches] Portugiesisch); Recht, Gesetz, Gerechtigkeit, Rechtslehre (Jeffrey Edwards, Schwerpunkt Englisch); Schwärmerei, Enthusiasmus (Robert R. Clewis, Schwerpunkt Englisch); Witz (Fernando M. F. Silva, Schwerpunkt Portugiesisch); Übergang und andere Begriffe des Opus postumum (Rodica Croitoru; Schwerpunkt Rumänisch, Englisch); Erdbeben und andere geophysikalische Begriffe (Mai Lequan; Schwerpunkt Französisch). Nicht einzelne Begriffe und Begriffsfelder, sondern kontroverse lateinischsprachige oder Eigentümlichkeiten der lateinischen Syntax entspringende Formulierungen Kants untersuchen die Beiträge von Norbert Hinske (zum Titel der Inauguraldissertation) und Mario Caimi (KrV A 104). Im fünften und letzten Teil kommen die Mainz-Germersheimer und Heidelberger ÜbersetzungswissenschaftlerInnen Andreas Gipper, Lavinia Heller und Iris Plack zu Wort. Die beiden Erstgenannten umreißen in grundlegender Weise die Geschichte der Übersetzung philosophischer Werke und die Geschichte der Übersetzungstheorie (mit einem Schwerpunkt auf Schleiermacher) sowie den aktuellen Forschungsstand zum Problem der Übersetzung von Philosophie. Besondere Aufmerksamkeit in der einschlägigen Forschung haben bislang Heidegger-Übersetzungen (vgl. Beitrag Heller) und Wittgenstein-Übersetzungen48 gefunden. Wie bereits eingangs betont, behandelt der den Band beschließende Beitrag von Iris Plack den bis heute unterschätzten und doch in der Geschichte und noch im heutigen Übersetzungsgeschäft wirkmächtigen Faktor der Schar­ nier­übersetzung, der, Sprachgrenzen übergreifend, ganze Übersetzungstraditionen latent gesteuert hat. 49 48

Matthias Kroß/Esther Ramharter (Hg.): Wittgenstein übersetzen. Berlin 2012. vom Befund solcher trilateralen Übersetzungskonstellationen sei am Rande darauf hingewiesen, dass dieses auch (wohlgemerkt nicht ausschließlich) indirekte 49 Ausgehend

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Einleitung

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In der Gesamtheit der Beiträge zeichnen sich einige neuere Entwicklungen ab, die unverkennbar durch die neuen Arbeitsmöglichkeiten geprägt sind, welche die digital humanities bereitstellen: zweisprachige Ausgaben,50 Konkordanzen, mehrsprachige Glossare zu einzelnen Werkteilen, digitalisierte Lexika (vgl. das entstehende Cambridge Kant Lexicon), digitale Werkkorpora. Es sind sicherlich nicht zuletzt die digitalen facilities, denen sich das Phänomen der sich selbst kommentierenden und dokumentierenden Übersetzung verdankt: Ein Mausklick liefert dem Übersetzer eine Fülle von Synonyma zu einem bestimmten Wort oder Terminus – was ihn in kürzester Zeit in einen embarras de richesse versetzt, auf den er, aus einer komplexen psychologischen Haltung heraus, mit einer Dokumentation von alternativen Übersetzungsoptionen, lexikalischen Varianten reagieren wird. Leser werden die Vielfalt der Optionen beglückt und zugleich verwirrt zur Kenntnis nehmen. Im gedruckten Text wird die Lesbarkeit durch solche umfänglichen lexikalischen Dokumentationen beeinträchtigt, in Hypertexten wären sie ein Angebot, den Lesefluss für einen Seitenblick auf Synonyma und lexikalische Varianten zu unterbrechen, und dort insofern ein optionales Instrument, welches den Lesefluss nicht beeinträchtigen würde. Der Übersetzer kann seinerseits seine Übersetzung durch die Dokumentation unterschiedlicher Optionen in der Schwebe des mehr oder weniger Unverbindlichen halten, oder er kann sich verpflichtet fühlen, sich zu entscheiden (Marcos Thisted reißt diese Problematik am Ende seines Beitrags an). Man muss keine Dezisionistin sein, um in allen Fällen, in denen nach gründlicher Prüfung der Sachlage eine Entscheidung als möglich erscheint, vom Übersetzer eine solche zu erbitten; Eckart Förster, der zusammen mit Michael Rosen eine Übersetzung von OP im Rahmen der CE vorgelegt hat, hat bündig formuliert: »a translator at times has no choice but to make a decision.« 51

Arbeiten am zu übersetzenden Ausgangstext besonders dort in Rechnung zu stellen ist, wo sich übersetzerische, editorische und exegetische Arbeit so eng miteinander verbinden wie im Falle der Übersetzungen und Editionen von Kants Opus postumum in andere Sprachen. Zu den Übersetzungen des OP in diverse Sprachen vgl. die Beiträge von Rodica Croitoru und Sophie Grapotte im vorliegenden Band. – Indirekte Übersetzungen verzeichnen insbesondere die auf das Spanische bezogene Bestandsaufnahme von Marcos Thisted, die auf das Rumänische bezogene von Titus Lateş und die auf das Portugiesische bezogenen Beiträge. Die wichtigste Scharniersprache war, aufs Ganze gesehen und historisch betrachtet, vor Erscheinen der CE das Französische. 50 Zu dieser Praxis – sowie zur Praxis der umfänglichen Dokumentation von übersetzerischen Alternativen – vgl. u. a. Lavinia Heller in ihrem Beitrag zum vorliegenden Band (vgl. Gipper/Heller, letzter Teil). 51 Eckart Förster: Introduction. In: Kant: Opus postumum. Hg., eingeleitet und kommentiert von Eckart Förster. Übers. von Eckart Förster/Michael Rosen. Cambridge 1993. XV–LV. Hier: XLVI.

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Gisela Schlüter

Es ist die Gesamtheit der Übersetzungen in die verschiedenen Sprachen, es sind die vielen gelungenen und auch die weniger gelungenen Übersetzungen, die die Wertbeständigkeit und Lebendigkeit der kantischen Philosophie bestätigen und ihr ihre internationale Strahlkraft erhalten: Gewisse Glänzende Erscheinungen leuchten nur in irgendeiner Provintz […] oder Lande, werden aber auf fremdem Horizont gar nicht bemerkt. Diese gehören in die niedere Athmosphäre […] und sind Meteore. Andre werden endlich in aller Welt wargenommen, und, ob sie zwar bisweilen bald verschwinden, so giebt doch ihre Regelmässigkeit eine Vermuthung, daß sie, nachdem sie ihre Zeit hindurch gedauert haben, dereinst wiederum erscheinen werden, und sind ewige Weltkörper. So auch mit Produkten des Geistes. Gewisse Steine glänzen mit Metallfarben, aber sie halten kein feuer aus; es ist ein wenig mit schwefel verertztes Eisen, betrügt den unwissenden und wird von Kennern Glimmer oder Katzengold und Katzensilber genannt. Wenn schriften in der Übersetzung beynahe alles verlieren so war es eine den Nationalausdrüken anhängende zufällige Anspielung der Phantasie, aber keine selbständige Schonheit. Die Zeit sichtet alle Schriften. (Rx 917; AA 15: 401)

* Hansmichael Hohenegger (Istituto per il Lessico Intellettuale Europeo e Storia delle Idee [ILIESI], CNR, Rom) war an der Gesamtkonzeption des Bandes, der Auswahl und Gewinnung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sowie an den Interviews in erheblichem Maße beteiligt. Ich habe viel von ihm gelernt. Daher gebührt ihm mein Dank. Für die Ausführung des Bandes trage ich allein die Verantwortung. Danken möchte ich allen Kollegen und Kolleginnen, die sich in diesem Projekt engagiert und in jeder Phase als loyal und kooperativ erwiesen haben; Norbert Hinske sei nicht nur für seinen Beitrag, sondern auch für ein längeres Gespräch über Fragen der Kant-Philologie und -Übersetzung im Februar 2019 gedankt. Auch meinen studentischen Mitarbeiterinnen Anna Ißleib, Karoline Herbst und Isabelle Wimmer möchte ich für tatkräftige Unterstützung danken. Mehrere Beiträge mussten aus den romanischen Sprachen ins Deutsche übersetzt werden. Dank gebührt den folgenden Übersetzerinnen und Übersetzern: Ulrike Bickel, Joachim Christl, Jürgen Lang, Diana Lagier de Milani. Den Herausgebern des Archivs für Begriffsgeschichte wie dem Felix Meiner Verlag sei für die Aufnahme des Bandes in die Schriftenreihe des Archivs für Begriffsgeschichte gedankt. In einem persönlicheren Sinne und über eine große historische Distanz hinweg möchte ich Peter Baumanns danken, dessen Vorlesungen über Kant und den Deutschen Idealismus an der Universität Bonn in den 1980er Jahren mein Interesse an der Philosophie Kants geweckt haben.

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SIGLENVER ZEICHNIS

Die Zusammenstellung des Siglenverzeichnisses folgt den Maßgaben der Kant-Studien. Philosophische Zeitschrift der Kant-Gesellschaft. Hg. von Manfred Baum/Bernd Dörflinger/Heiner F. Klemme. Für die Erlaubnis, das Verzeichnis zu übernehmen, sei an dieser Stelle gedankt. AA  Akademie-Ausgabe Anth  Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (AA 07) AP  Aufsätze, das Philanthropin betreffend (AA 02) BDG  Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes (AA 02) Br Briefe  (AA 10–13) DfS  Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren erwiesen (AA 02) Di  Meditationum quarundam de igne succincta delineatio (AA 01) EAD  Das Ende aller Dinge (AA 08) EACG  Entwurf und Ankündigung eines Collegii der physischen Geographie (AA 02) EEKU  Erste Einleitung in die Kritik der Urteilskraft (AA 20) FBZE  Fortgesetzte Betrachtung der seit einiger Zeit wahrgenommenen Erderschütterungen (AA 01) FEV  Die Frage, ob die Erde veralte, physikalisch erwogen (AA 01) FM  Welches sind die wirklichen Fortschritte, die die Metaphysik seit Leibnitzens und Wolffs Zeiten in Deutschland gemacht hat? (AA 20) FM/Beylagen  (AA 20) FM/Lose Blätter  FM: Lose Blätter (AA 20) FRT  Fragment einer späteren Rationaltheologie (AA 28) GAJFF  Gedanken bei dem frühzeitigen Ableben des Herrn Johann Friedrich von Funk (AA 02) GMS  Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (AA 04) GNVE  Geschichte und Naturbeschreibung der merkwürdigsten Vorfälle des Erdbebens, welches an dem Ende des 1755sten Jahres einen großen Theil der Erde erschüttert hat (AA 01)

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Siglenverzeichnis

GSE  Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen (AA 02) GSK  Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte (AA 01) GUGR  Von dem ersten Grunde des Unterschiedes der Gegenden im Raume (AA 02) HN  Handschriftlicher Nachlass (AA 14–23) IaG  Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (AA 08) KpV  Kritik der praktischen Vernunft (AA 05) KrV  Kritik der reinen Vernunft (zu zitieren nach Originalpaginierung A/B) KU  Kritik der Urteilskraft (AA 05) Log  Logik (AA 09) MAM  Muthmaßlicher Anfang der Menschengeschichte (AA 08) MAN  Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaften (AA 04) MonPh  Metaphysicae cum geometria iunctae usus in philosophia naturali, cuius specimen I. continet monadologiam physicam (AA 01) MpVT  Über das Mißlingen aller philosophischen Versuche in der Theodicee (AA 08) MS  Die Metaphysik der Sitten (AA 06) MSI  De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis (AA 02) NEV  Nachricht von der Einrichtung seiner Vorlesungen in dem Winterhalbenjahre von 1765-1766 (AA 02) NG  Versuch, den Begriff der negativen Größen in die Weltweisheit einzuführen (AA 02) NLBR  Neuer Lehrbegriff der Bewegung und Ruhe und der damit verknüpften Folgerungen in den ersten Gründen der Naturwissenschaft (AA 02) NTH  Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels (AA 01) OP  Opus Postumum (AA 21 u. 22) Päd  Pädagogik (AA 09) PG  Physische Geographie (AA 09) PhilEnz  Philosophische Enzyklopädie (AA 29) PKR  Vorrede zu Reinhold Bernhard Jachmanns Prüfung der Kantischen Reli­ gionsphilosophie (AA 08) PND  Principiorum primorum cognitionis metaphysicae nova dilucidatio (AA 01) Prol  Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik (AA 04)

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Siglenverzeichnis

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Refl  Reflexion (AA 14–19) RezHerder  Recensionen von J. G. Herders Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (AA 08) RezHufeland  Recension von Gottlieb Hufeland‘s Versuch über den Grundsatz des Naturrechts (AA 08) RezMoscati  Recension von Moscatis Schrift: Von dem körperlichen wesentlichen Unterschiede zwischen der Structur der Thiere und Menschen (AA 02) RezSchulz  Recension von Schulz‘s Versuch einer Anleitung zur Sittenlehre für alle Menschen (AA 08) RezUlrich  Kraus‘ Recension von Ulrich‘s Eleutheriologie (AA 08) RGV  Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft (AA 06) RL  Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre (AA 06) SF  Der Streit der Fakultäten (AA 07) TG  Träume eines Geistersehers, erläutert durch die Träume der Metaphysik (AA 02) TL  Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre (AA 06) TP  Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis (AA 08) TW  Neue Anmerkungen zur Erläuterung der Theorie der Winde (AA 01) UD  Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral (AA 02) ÜE  Über eine Entdeckung, nach der alle neue Kritik der reinen Vernunft durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll (AA 08) ÜGTP  Über den Gebrauch teleologischer Principien in der Philosophie (AA 08) UFE  Untersuchung der Frage, ob die Erde in ihrer Umdrehung um die Achse, wodurch sie die Abwechselung des Tages und der Nacht hervorbringt, einige Veränderung seit den ersten Zeiten ihres Ursprungs erlitten habe (AA 01) VAEaD  Vorarbeit zu Das Ende aller Dinge (AA 23) VAKpV  Vorarbeit zur Kritik der praktischen Vernunft (AA 23) VAMS  Vorarbeit zur Metaphysik der Sitten (AA 23) VAProl  Vorarbeit zu den Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik (AA 23) VARGV  Vorarbeit zur Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft (AA 23) VARL  Vorarbeit zur Rechtslehre (AA 23) VASF  Vorarbeit zum Streit der Fakultäten (AA 23)

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Siglenverzeichnis

VATL  Vorarbeit zur Tugendlehre (AA 23) VATP  Vorarbeit zu Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis (AA 23) VAÜGTP  Vorarbeit zu Über den Gebrauch teleologischer Principien in der Philosophie (AA 23) VAVT  Vorarbeit zu Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton in der Philosophie (AA 23) VAZeF  Vorarbeiten zu Zum ewigen Frieden (AA 23) VBO  Versuch einiger Betrachtungen über den Optimismus (AA 02) VKK  Versuch über die Krankheiten des Kopfes (AA 02) VNAEF  Verkündigung des nahen Abschlusses eines Tractats zum ewigen Frieden in der Philosophie (AA 08) Vorl  Vorlesungen (AA 24 ff.) V-Anth/Busolt  Vorlesungen WS 1788/1789 Busolt (AA 25) V-Anth/Collins  Vorlesungen WS 1772/1773 Collins (AA 25) V-Anth/Dohna  Vorlesungen WS 1791/1792 Anthropologie DohnaWundlacken (AA 25) V-Anth/Fried  Vorlesungen WS 1775/1776 Friedländer (AA 25) V-Anth/Mensch  Vorlesungen WS 1781/1782 Menschenkunde, Petersburg (AA 25) V-Anth/Mron  Vorlesungen WS 1784/1785 Mrongovius (AA 25) V-Anth/Parow  Vorlesungen WS 1772/1773 Parow (AA 25) V-Anth/Pillau  Vorlesungen WS 1777/1778 Pillau (AA 25) V-Eth/Baumgarten  Vorlesungen WS 1793/1794 Baumgarten Ethica Philosophica (AA 27) V-Lo/Blomberg  Logik Blomberg (ca. 1771) (AA 24) V-Lo/Busolt  Logik Busolt (ca. 1789/1790) (AA 24) V-Lo/Dohna  Vorlesungen SS 1792 Logik Dohna-Wundlacken (AA 24) V-Lo/Herder  Vorlesungen WS 1762/1763 Logik Herder (AA 24) V-Lo/Philippi  Logik Philippi (ca. 1772) (AA 24) V-Lo/Pölitz  Vorlesungen SS 1789 Logik Pölitz (AA 24) V-Lo/Wiener  Wiener Logik (1780ff.) (AA 24) V-Mo/Collins  Vorlesungen WS 1784/1785 Moralphilosophie Collins (AA 27) VMo/Kaehler(Stark)  Immanuel Kant: Vorlesung zur Moralphilosophie (Hrsg. von Werner Stark. Berlin/New York 2004) V-Mo/Mron  Moral Mrongovius (Grundl.: 1774/75 bzw. 76/77) (AA 27) V-Mo/Mron II  Vorlesungen WS 1784/1785 Moral Mrongovius II (AA 29) V-Met/Arnoldt  Vorlesungen WS 1794/1795 Metaphysik Arnoldt (K 3) (AA 29) V-Met/Dohna  Vorlesungen WS 1792/1793 Metaphysik Dohna (AA 28) V-Met/Heinze  Kant Metaphysik L1 (Heinze) (ca. 1770–1775) (AA 28) V-Met/Herder  Metaphysik Herder (1762–1764) (AA 28) V-Met-K2/Heinze  Kant Metaphysik K2 (Heinze, Schlapp) (ca. 1770–1775) (AA 28)

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V-Met-K3/Arnoldt  Vorlesungen WS 1794/1795 Metaphysik K3 (Arnoldt, Schlapp) (AA 28) V-MetK 3E/Arnoldt Vorlesungen WS 1794/1795 Ergänzungen Metaphysik K3 (­A rnoldt) (AA 29) V-Met-L1/Pölitz  Kant Metaphysik L 1 (Pölitz) (Mitte 1770er) (AA 28) V-Met-L2/Pölitz  Kant Metaphysik L 2 (Pölitz, Original) (1790/91?) (AA 28) V-Met/Mron  Vorlesungen WS 1782/1783 Metaphysik Mrongovius (AA 29) V-Met-N/Herder  Nachträge Metaphysik Herder (1762–1764) (AA 28) V-Met/Schön  Metaphysik von Schön, Ontologie (ca. 1785–1790) (AA 28) V-Met/Volckmann  Vorlesungen WS 1784/1785 Metaphysik Volckmann (AA 28) V-MS/Vigil  Vorlesungen WS 1793/1794 Die Metaphysik der Sitten Vigilantius (AA 27) V-NR/Feyerabend  Naturrecht Feyerabend (Winter 1784) (AA 27) V-PG  Vorlesungen über Physische Geographie (AA 26) V-Phil-Th/Pölitz  Vorlesungen WS 1783/1784 Philosophische Religionslehre nach Pölitz (AA 28) V-Phys/Mron  Kleinere Vorlesungen V. Danziger Physik (AA 29) V-PP/Herder  Praktische Philosophie Herder (1763/64 bzw. 64/65) (AA 27) V-PP/Powalski  Praktische Philosophie Powalski (ca. 1782/83) (AA 27) V-Th/Baumbach  Vorlesungen WS 1783/1784 Danziger Rationaltheologie nach Baumbach (AA 28) V-Th/Mron  Vorlesungen WS 1783/1784 Danziger Moraltheologie nach Mrongovius (AA 28) V-Th/Volckmann  Natürliche Theologie Volckmann nach Baumbach (1783) (AA 28) VRML  Über ein vermeintes Recht, aus Menschenliebe zu lügen (AA 08) VT  Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton in der Philosophie (AA 08) VUB  Von der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks (AA 08) VUE  Von den Ursachen der Erderschütterungen bei Gelegenheit des Unglücks, welches die westlichen Länder von Europa gegen das Ende des vorigen Jahres betroffen hat (AA 01) VvRM  Von den verschiedenen Racen der Menschen (AA 02) WA  Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? (AA 08) WDO  Was heißt: Sich im Denken orientieren? (AA 08) ZeF  Zum ewigen Frieden (AA 08)

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TEIL I Bestandsaufnahmen: Kants Schriften in der angloamerikanischen und romanischsprachigen Welt





Should Translation of Kant’s Key Terms Be Standardized? An Overview of Recent English Translations Stephen R. Palmquist I.  The Turning-Point in English Kant-Translation

The last decade of the twentieth century witnessed the beginning of a new era in English Kant–scholarship: on 25 September 1992 the first two volumes appeared in what is now the 16-volume series of The Cambridge Edition of the Works of Immanuel Kant [hereafter CE]. The titles of the 16 volumes, in chronological order, are as follows: (1) Theoretical Philosophy 1755–1770 (1992); (2) Lectures on Logic (1992); (3) Opus Postumum (1993); (4) Religion and Rational Theology (1996); (5) Practical Philosophy (1996); (6) Lectures on Ethics (1997); (7) Lectures on Metaphysics (1997); (8) Critique of Pure Reason (1998); (9) Correspondence (1999); (10) Critique of the Power of Judgment (2000); (11) Theoretical Philosophy after 1781 (2002); (12) Notes and Fragments (2005); (13) Anthropology, History, and Education (2007); (14) Natural Science (2012); (15) Lectures on Anthropology (2012); and (16) Lectures and Drafts on Political Philosophy (2016).1 Throughout this chapter I shall refer to each volume by the number shown above, although CE volumes themselves do not use these numbers. The first collection of English translations of Kant’s writings, 2 a two-volume work translated anonymously (by John Richardson), appeared in 1798/1799 and included full texts or (in the case of a few longer works) excerpts from 19 of Kant’s

1 For my detailed reviews of the first and fourth volumes published, respectively, cf. ­ tephen Palmquist. In: Kant-Studien 89.2 (1998). 219–223. Id., in: Kant-Studien 91.3 (2000). S 366–370. For an earlier review of a Cambridge translation later incorporated in CE, cf. also Palmquist: [review of] Immanuel Kant: The Metaphysics of Morals. In: Kant-Studien 86.2 (1995). 240–244. 2 The very first English publication of a work of Kant’s was Perpetual Peace (London: Vernor & Hood, 1796), translated anonymously just a year after its initial German publication. For an exhaustive listing of English translations of Kant’s works up to the year 2000, cf. Part One (‘Kant’s Works’) of the Bibliography in Stephen Palmquist: Kant’s Critical Religion. Volume Two of Kant’s System of Perspectives. Aldershot 2000. 517–528. An earlier version of this bibliography of translations appeared in Palmquist: Kant’s System of Perspectives. An Architectonic Interpretation of the Critical Philosophy. Lanham, MD 1993. 424–436.

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Stephen R. Palmquist

published writings. 3 By 1992, all of Kant’s main works and most of his minor writings had been published in English translation at least once – some of them, multiple times. In a handful of cases the only English version available prior to the publication of the relevant CE volume was still the one included in Richardson’s rare and almost completely forgotten collection. By 1992, five of the writings included in Richardson’s 1798/1799 collection had not yet been re-translated, but new translations of all five appeared within the next two years: Peter Fenves retranslated On a Newly Arisen Superior Tone in 1993, 4 and I published revised translations of the other four minor essays in 1994.5 What quickly becomes evident for anyone who does even a cursory overview of the hundreds of different translations that appeared between 1796 and 1992 is that a wide range of terminological approaches has been used. This caused no end of confusion to interpreters who depended primarily on these translations, as there was no standardized key to translating Kant’s German into English. Thus, one translator’s use of ‘presentation’ might correspond to Kant’s use of Vorstellung, while for others ‘presentation’ would translate Darstellung – to cite just one of many examples of potentially confusing translation practices. The advent of the CE seemed to some to herald the beginning of the end of such translation-based confusions of usage – a sentiment I expressed in the first book review mentioned [see note 1], then called into question in the second review [ib.]. Indeed, the situation today is undoubtedly much improved by the availability of this standard edition, as the CE’s 16 volumes follow a similar format for many aspects of the process of converting the German text into an English equivalent. These conventions include the general formatting issues one would expect: the volumes are all roughly the same physical size, use the same fonts for different types of texts, include Akademie-Ausgabe volume and page numbers in the margins, and have glossaries stating how the main key words were translated. A good illustration of the 3 Kant:

Essays and Treatises on Moral, Political, Religious and Various Philosophical Subjects. (Trans. by John Richardson; anonymous translator). 2 vols. London 1798 and 1799. 4 Kant: Raising the Tone of Philosophy. Late Essays by Immanuel Kant. Ed. and trans. by Peter Fenves. Transformative Critique by Jacques Derrida. Baltimore 1993. 51–83. 5 Kant: Four Neglected Essays by Immanuel Kant. Ed. and trans. by Stephen Palmquist. Hong Kong 1994. The “Editor’s Introduction” (70–85) gives conclusive evidence that Richardson was the translator, including translations of a 1798 letter from Richardson to Kant (86–87) and an extant fragment of Kant’s draft reply (87). Stating such evidence was important, because the Bibliography in Volume 1 of the CE (cf. 469, 470, 472) repeatedly cites Jacob Sigismund Beck as the translator. This error probably arose because the title pages of Richardson’s two volumes state, somewhat cryptically, that the work is translated by the translator of another book, whose author was J. S. Beck but whose translator is there named as John Richardson. Unfortunately, few – if any – Kant scholars made use of Richardson’s translations throughout most of the twentieth century, because they were not widely distributed and very few copies are extant.

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level of standardization is that 14 of the CE volumes have both an English–German and a German–English glossary (though the two do not always appear in the same order), while the other two volumes each have only one glossary.6 The CE general editors encouraged consistency between volumes by preparing an initial, overall glossary showing preferred translations of Kant’s main technical terms, which they sent to the editor(s) of each volume in the hope that it would be used as a guide for the many translators involved in this major undertaking. However, the final decision on how to translate specific technical terms was left to each individual translator in consultation with the volume editor(s);7 as a result, many significant discrepancies in translation do still occur, not only between different CE volumes but sometimes even (for volumes that include multiple works translated by different people) within a single volume. Different translators within the same volume were sometimes allowed to translate the same German term with different English words; in such cases, that volume’s glossary simply lists both (or all) options, usually without specifying which option applies to which of Kant’s work(s). Despite the occurrence of such inconsistencies, the generally increased level of overall consistency makes the CE an invaluable asset for twenty-first century Kant scholars writing in English. II.  Fifty Years of English Kant Translation – A Brief Statistical Overview

Before addressing the issue of whether the CE’s level of standardization is appropriate (or whether either more or less attention to adopting a set of standard translations would have been preferable), I shall take a step back and survey the range of non-CE translations that have been published in recent decades. I shall then look briefly in § III at one alternative to the CE as a source of standardized English translations of Kant’s major writings. (I discuss a major example of translators tending to use the same English word for two different German words in my chapter in the fourth part of this volume.) To make an exhaustive overview of existing translations more manageable, I have included only translations of publications (or substantial unpublished writings) that Kant himself completed (or oversaw) during his lifetime and have limited my attention to those published since 1970; reprints of translations first published prior to 1970 are not included unless the republished version was significantly revised by a new translator. Given the foregoing parameters, I have found 58 distinct transla6 The two exceptions are Vols. 1 (only an English–German glossary) and 15 (only a German–English glossary). 7 My thanks to Paul Guyer for providing me with this information. Cf. also the interview with Paul Guyer and Allen W. Wood in this volume.

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tions published during this period of 50 years that are not part of the CE. 8 The 16 CE volumes include 71 of Kant’s published (or completed but unpublished) writings.9 More than half (i. e., 71 out of 129, or 55%) of the English translations published during the past 50 years are published in the CE. Since 1970, nearly half (i. e., 34) of those 71 works have been newly translated in non-CE versions: 21 of these 34 were translated only once (other than in the CE) during this period; nine were translated twice; and three had three different (non-CE) translations. The two most translated works have had five (non-CE) translations each. The translators and publication years for each of these translations, arranged first by total number of translations (since 1970) and then by original publication year, are as follows. Two of Kant’s works have been published in English translation five times. Groundwork (1785) was translated by Brendan Liddell (1970),10 James Ellington (1993),11 Arnulf Zweig (2002),12 Allen William Wood (2002/2018),13 and Jens Timmermann (2011).14 Toward Perpetual Peace (1795) was translated by Hugh Barr Nisbet (1970/1991),15 Ted B. Humphrey (1983),16 Wolf8

I would like to thank Brandon Love for assisting me by initially compiling most of the basic data relating to this survey of Kant translations published since 1970. 9 The 71 publications in question include 64 of the 69 publications listed in Part One of my Kant’s Critical Religion Bibliography [note 2]; five items listed there were not published during Kant’s lifetime (namely, those labelled Kt9, Kt25, Kt26, Kt35, and Kt68). The following seven minor publications appear in a CE volume but not in the aforementioned Bibliography: Announcement of the Programme of [Kant’s] Lectures for the Winter Semester 1765–1766 (1766) in Vol. 1; On Turning Out Books (1798) in Vol. 5; A Note to Physicians (1782), a letter of Kant’s that was published in Soemmerring’s On the Organ of the Soul (1796), and Kant’s Postscript to Christian Gottlieb Mielcke’s Lithuanian–German and German–Lithuanian Dictionary (1800), all published in Vol. 13; and Review of Silberschlag’s work: Theory of the Fireball that Appeared on 23 July 1762 (1764) and Notice of Lambert’s Correspondence (1782), both published in Vol. 14. 10 Translated (with interspersed commentary) by Brendan Edwin Alexander Liddell. In: Kant on the Foundation of Morality. A Modern Version of the Grundlegung. Bloomington 1970. 17–259. 11 Kant: Grounding for the Metaphysics of Morals. Trans. by James Ellington. Indianapolis 1993. 12 Kant: Groundwork for the Metaphysics of Morals. Ed. by Arnulf Zweig/Thomas ­Edward Hill. Trans. by Arnulf Zweig. Oxford 2002. 13 Kant: Groundwork for the Metaphysics of Morals. Trans. and ed. by Allen W. Wood. New Haven 2002 [²2018]. 14 Kant: Groundwork of the Metaphysics of Morals: A German–English Edition. Trans. and ed. by Jens Timmermann. Cambridge 2011; revision of Mary Gregor’s 1996 CE translation. 15 Trans. in Hans Reiss (ed.): Kant’s Political Writings. Cambridge 1970 [²1991]. 93–130. 16 Trans. by Ted B. Humphrey. In: Kant: Perpetual Peace and Other Essays. Indianapolis 1983. 107–143.

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Should Translation of Kant’s Key Terms Be Standardized?

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gang Schwarz (1988),17 David Lewis Colclasure (2006),18 and Ian Johnston (2008/ 2015).19 Three works have been translated three times each. Idea for a Universal History (1784) was translated by Nisbet (1970/1991), 20 Humphrey (1983), 21 and Colclasure (2006). 22 What is Enlightenment? (1784) was also translated by Nisbet (1970/1991), 23 Humphrey (1983), 24 and Colclasure (2006). 25 On the Common Saying (1793) was translated by Nisbet (1970/1991), 26 Ashton (1974), 27 and Humphrey (1983). 28 Nine of Kant’s publications have been translated twice since 1970. They are: Universal Natural History (1755), by Jaki (1981)29 and Johnston (1998/2008);30 Critique of Pure Reason (hereafter CPR) (1781/1787), by Schwarz (1982, long excerpts)31 and Pluhar (1996);32 Prolegomena (1783), by Ellington (1977/1985)33 and Zöller (2004);34 Metaphysical Foundations of Natural Science (1786), by Ellington (1970/1985)35

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Trans. in: Wolfgang Schwarz: Principles of Lawful Politics. Aalen 1988. 41–135. Trans. by David L. Colclasure. In: Pauline Kleingeld (ed.): Toward Perpetual Peace and Other Writings on Politics, Peace, and History. New Haven 2006. 67–109. 19 Kant: On Perpetual Peace. A Philosophical Sketch. Trans. by Ian Johnston. Arlington, VA 2008. Republication and ed. by Brian Orend. Indianapolis ²2015. 20 In Reiss: Political Writings [note 15] 41–53. 21 In Humphrey: Perpetual Peace [note 16] 29–39. 22 In Kleingeld: Perpetual Peace [note 18] 3–16. 23 In Reiss: Political Writings [note 15] 54–60. 24 In Humphrey: Perpetual Peace [note 16] 41–48. 25 In Kleingeld: Perpetual Peace [note 18] 17–23. 26 In Reiss: Political Writings [note 15] 61–92. 27 Kant: On the Old Saw: That May be Right in Theory But It Won’t Work in Practice. Trans. by Ernst Basch Ashton. Philadelphia 1974. 28 In Humphrey: Perpetual Peace [note 16] 61–92. 29 Kant: Universal Natural History and Theory of the Heavens. Trans. by Stanley Ladislas Jaki. Edinburgh 1981. 30 Kant: Universal Natural History and Theory of the Heavens, Or, an Essay on the Constitution and the Mechanical Origin of the Entire Structure of the Universe Based on Newtonian Principles. Trans. by Ian Johnston. Arlington, VA 1998/²2008. 31 Kant: Critique of Pure Reason. Concise Text in a New, Faithful, Terminologically Improved Translation Exhibiting the Structure of Kant’s Argument in Thesis and Proof. Trans. and ed. by Wolfgang Schwarz. Aalen 1982. 32 Kant: Critique of Pure Reason. Trans. by Werner Schrutka Pluhar. Indianapolis 1996. 33 Kant: Prolegomena to Any Future Metaphysics. Trans. by James Ellington. Indianapolis 1977. Revision of Paul Carus’ 1902 translation. Reprinted in: Ellington: Kant’s Philosophy of Material Nature. Indianapolis 1985. Book I. 1–122. 34 Kant: Prolegomena to Any Future Metaphysics That Will Be Able to Present Itself as Science. Trans. by Günter Zöller. Oxford 2004. Revision of Peter G. Lucas’ 1953 translation. 35 Kant: Metaphysical Foundations of Natural Science. Trans. by James Ellington. New York 1970. Reprinted in: Ellington: Kant’s Philosophy of Material Nature [note 33] Book II. 3–134. 18

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Stephen R. Palmquist

and Bennett (2017);36 Conjectures on the Beginning of Human History (1786), by Nisbet (1970/1991)37 and Humphrey (1983);38 Critique of Practical Reason (1788), by Cassirer (1998)39 and Pluhar (2002);40 Critique of Judgment (1790), by Pluhar (1987)41 and Nuzzo (2005, Introduction only);42 Religion within the Bounds of Bare Reason (1793/1794), by Pluhar (2009)43 and Palmquist (2016);44 and Anthropology from a Pragmatic Point of View (1798), by Gregor (1974)45 and Dowdell/Rudnick (1978). 46 Finally, 21 of Kant’s published works were translated once. They are: History and Physiography (1756), by Palmquist (1994); 47 The Only Possible Argument (1763), by Treash (1979);48 Sicknesses of the Head (1764), by Johnson and Magee (2002, excerpt);49 Dreams of a Spirit-Seer (1766), by Johnson and Magee (2002);50 Different Human Races: Announcement of Lectures (1775), by Mikkelsen (2013);51 Different Human Races (1777), by Mikkelsen (1999/2013); 52 Review of Her­ der’s Ideas (1785), by Nisbet (1970/1991);53 Concept of a Human Race (1785), by 36

Kant: Metaphysical Foundations of Natural Science. Trans. by Jonathan Bennett. Cambridge 2007 [https://www.earlymoderntexts.com/assets/pdfs/kant1786.pdf]. 37 In Reiss: Political Writings [note 15] 221–234. 38 In Humphrey: Perpetual Peace [note 16] 49–60. 39 Kant: Critique of Practical Reason. Trans. by Heinrich Walter Cassirer. Milwaukee 1998. 40 Kant: Critique of Practical Reason. Trans. by Werner Pluhar. Indianapolis 2002. 41 Kant: Critique of Judgment. Trans. by Werner Pluhar. Indianapolis 1987. 42 Kant: ‘Introduction’ to Critique of Judgment. Trans. by Angelica Nuzzo. In: ead.: Kant and the Unity of Reason. West Lafayette 2005. 100–113. 43 Kant: Religion within the Bounds of Bare Reason. Trans. by Werner Pluhar. Indianapolis 2009. 44 Palmquist: Comprehensive Commentary on Kant’s Religion within the Bounds of Bare Reason. Chichester 2016; complete translation in short passages, interspersed throughout the commentary. 45 Kant: Anthropology from a Pragmatic Point of View. Trans. by Mary Jane Gregor. The Hague 1974. 46 Kant: Anthropology from a Pragmatic Point of View. Trans. by Victor Lyle Dowdell/ Hans Heinrich Rudnick. Ed. by Hans Heinrich Rudnick. Carbondale 1978. 47 In Palmquist: Four Neglected Essays [note 5] 2–30. 48 Kant: The Only Possible Argument for the Demonstration of the Existence of God. Trans. by Gordon Treash. New York 1979. 49 Trans. by Gregory Johnson/Glenn Alexander Magee. In: Gregory Johnson (ed.): Kant on Swedenborg: Dreams of a Spirit-Seer and Other Writings (2002). 76–81. 50 Trans. by Johnson and Magee in Johnson (ed.): Kant on Swedenborg [note 49] 1–63. 51 Trans. by Jon Mark Mikkelsen. In: Jon Mark Mikkelsen (ed.): Kant and the Concept of Race. Late Eighteenth-Century Writings. Albany, NY 2013. 45–54. 52 Ib. 59–71. On p. 316 (note 96), Mikkelsen reports that his translation of this work was previously published in: Robert Bernasconi/Tommy Lee Lott (eds.): The Idea of Race. Indianapolis 2000. 3–26 [actual page range: 8–22]; there it is cited as being reprinted from a 1999 version published by Hackett. 53 In Reiss: Political Writings [note 15] 201–220.

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Should Translation of Kant’s Key Terms Be Standardized?

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­ ikkelsen (2013);54 Volcanos in the Moon (1785), by Palmquist (1994);55 InjusM tice of Counterfeiting Books (1785), by Palmquist (1994);56 What Is Orientation in Thinking? (1786), by Nisbet (1970/1991);57 Teleological Principles in Philosophy (1788), by Mikkelsen (2001/2013);58 On a Discovery (1790), by Allison (1973);59 Miscarriage of All Theodicy (1791), by Despland (1973);60 End of All Things (1794), by Humphrey (1983);61 Influence of the Moon (1794), by Palmquist (1994);62 Newly Arisen Superior Tone (1796), by Fenves (1993);63 Announcement of the Near Conclusion (1796), by Fenves (1993);64 A Supposed Right to Lie (1797), by Ellington (1993);65 Conflict of the Faculties (1798), by Gregor and Anchor (1979);66 and Logic (1800), by Hartman and Schwarz (1974).67 III.  Pluhar’s Legacy: An Alternative Standard?

In reading through the foregoing overview one could easily miss the fact that one translator of Kant into English has produced a significantly more extensive output than any other: without a doubt, the single most accomplished translator of Kant over the past 50 years has been Werner Pluhar. Not only is he the only translator to have produced English versions of all three Critiques (in 1996, 2002, and 1987, respectively), but he also went on to produce (in 2009) a translation of Kant’s Religion. Considering the fact that Ellington’s four translations (Prolegomena, Metaphysical Foundations of Natural Science, Grounding, and A Supposed Right to Lie) and Humphrey’s translation of six shorter essays in his Perpetual Peace have all come from the same publisher, we can readily see that Hackett has been second only to Cambridge as a leading publisher of English Kant translations since 1970. 54

In Mikkelsen: Concept of Race [note 51] 128–141. In Palmquist: Four Neglected Essays [note 5] 31–37. 56 Ib. 38–45. 57 In Reiss: Political Writings [note 15] 237–249. 58 In Mikkelsen: Concept of Race [note 51] 173–194. Revised and reprinted in: Robert Bernasconi (ed.): Race. Malden, MA 2001. 37–56. 59 In Henry E. Allison: The Kant–Eberhard Controversy. Baltimore 1973. 107–160. 60 In Michel Despland: Kant on History and Religion, with a translation of Kant’s On the failure of all attempted philosophical theodicies. Montreal 1973. 283–297. 61 In Humphrey: Perpetual Peace [note 16] 93–105. 62 In Palmquist: Four Neglected Essays [note 5] 46–52. 63 In Fenves: Raising the Tone [note 4] 51–72. 64 Ib. 83–93. 65 In Ellington: Grounding [note 11] 63–67. 66 Kant: The Conflict of the Faculties. Trans. by Mary J. Gregor/Robert E. Anchor. New York 1979. 67 Kant: Logic. Trans. and ed. by Robert Schirokauer Hartman/Wolfgang Schwarz. Indianapolis 1974. 55

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Each of Pluhar’s four translations includes an extensive German–English Glossary; each Index then lists all English technical terms, followed in parentheses by their German equivalent(s). A comparison of the four glossaries reveals that Pluhar applied (with a few minor exceptions) the same conventions throughout his translation of these works. The resulting four-volumes (all published by Hackett) therefore provide the most self-consistent way to read Kant’s key writings in English. Once the reader of Pluhar’s translations learns which English words he uses to translate which German words, his texts offer a high degree of reliability to the English reader who wants to know which German word is being used in a given passage. 68 A potential problem with adopting Pluhar’s translations is that his choice of standard English translations for Kant’s German terms sometimes differs quite starkly from those employed most frequently by CE translators. For example, most CE translators render Kant’s Gesinnung as ‘disposition’69 – this being by far the English word most commonly used by English-speaking Kant scholars prior to 1992. Pluhar, by contrast, adopts ‘attitude’ as his standard translation; although he offers a detailed defense of this choice,70 I have elsewhere argued against its suitability.71 Rather than getting bogged down in a detailed analysis of this or other issues that arise in reading Pluhar’s (or other non-CE) translations of Kant texts, I shall conclude this chapter by noting that, whether one prefers Pluhar or the CE as one’s standard text for Kant’s main works, several other sets of German terms continue to pose unresolved problems for the English reader – problems that intensify the urgency of considering whether the existence of a genuinely standard set of German–English translations would be a good thing. IV.  The Path Ahead for Translators: Survey of Other Problem Terms

An initial response to the question posed by the chapter title is: with the advent of the CE, wherein various key translation issues have been addressed, significant progress has been made toward the goal of establishing a working standard vocabulary for interpreters to use when discussing Kant’s philosophy in English. 68

This is particularly significant because Pluhar acknowledges that he and Ellington collaborated on their translation efforts (cf., e. g., Pluhar’s translation of Religion [note 43] XI). 69 Of 12 CE German–English glossaries that list Gesinnung, all but one lists ‘disposition’ as an option; in nine volumes it is the only option, whereas Vol. 3 adds ‘character’ and Vol. 15 adds ‘attitude’ and ‘comportment of mind’. Vol. 2 only lists ‘sentiment’. 70 Cf. Pluhar’s note on pp. 13 f. of his Religion translation [note 43] 6:14. 71 Cf. Palmquist: “Introduction” to Pluhar’s translation of Religion [note 43] XXViiin, and Palmquist: What is Kantian Gesinnung? On the Priority of Volition over Metaphysics and Psychology in Kant’s Religion. In: Kantian Review 20/2 (July 2015). 235–264; cf. especially 254–258.

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Should Translation of Kant’s Key Terms Be Standardized?

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While some degree of standardization is surely a good thing, too much could carry the potential disadvantage of causing those who read Kant in English to stop thinking creatively about the subtle meanings of many of his key terms. Many terms, of course, have never been problematic. Vernunft has always been ‘reason’, Verstand ‘understanding’, and translations of numerous other terms are properly regarded as standard. Most likely, the standard glossary provided by the CE’s general editors [see above, just before note 7] consisted mainly of such common terms; if the standard translation for such terms seemed obvious to the volume editors, this could explain why most CE glossaries omit many of Kant’s common technical terms – though not always the same ones. This seems likely, because a close comparison of the glossaries in all 16 CE volumes reveals that they share surprisingly little common ground. To test the degree of standardization between the CE glossaries, I began by comparing all entries in the first two glossaries of each type. The English–German glossaries in Volumes 1 and 2 have 193 and 495 entries, respectively, and 58 of these entries overlap; that is, 30% of the Volume 1 entries use an English word that also appears in the corresponding Volume 2 glossary. Of these 58, 20 (34.5%) cite the identical German word(s) for the translation, while 24 others (41.4%) overlap only partially; the remaining 14 entries (24.1%) differ entirely. Having found this moderate degree of disagreement, I then checked subsequent volumes only for these 58 common words and found that, by Volume 4, only two common words remained: ‘combination’ (listed in each of the first four volume glossaries as translating Verbindung) and ‘connection’ (always translating Verknüpfung, though Volumes 1 and 2 also list two other options). Although also present in the Volume 5 glossary, neither word appears in that of Volume 6. That is, one does not need to compare even half of the CE volumes to discover that no listed translation convention is common to all 15 English–German glossaries. My findings when comparing the 15 German–English glossaries were even more limited. Of the 451 and 161 entries listed, respectively, in Volumes 2 and 3 (the first two volumes that have a German–English glossary), only 26 German terms overlap (i. e., 16.1% of the entries in Volume 3), and of these just 8 (i. e., 30.75% of the common entries) have identical English translations; 10 others (38.5%) use at least one identical and one different English word, while the remaining 8 entries (30.75%) differ completely. Applying the same procedure as described above, for the English–German glossaries, I found that three terms (Bestimmung, Beschaffenheit, and Erkenntnis) actually appear in all 15 German–English glossaries, though the English translations are not always identical.72 Indeed, the one and only example of universal agreement between all CE glossaries is that Bestimmung can sometimes be 72

Cf. note 6, above: Vol. 1 has no German–English glossary and Vol. 15 has no English– German glossary.

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translated as ‘determination’ in each volume.73 For Beschaffenheit, ten volumes offer ‘constitution’74 as one option, nine include ‘property’, and eight list ‘characteristic(s)’; other options are ‘nature’ (Volumes 4–6 and 16), ‘quality’ (Volumes 12, 13, and 16), ‘condition’ (Volumes 9 and 13), ‘character’ (Volume 2), and ‘state’ (Volume 9). So, although the word is standard in the sense of being included in all relevant glossaries, the CE translators treat it in widely divergent ways. Perhaps most surprising, though, is that Erkenntnis is not consistently translated as ‘cognition’ in all CE volumes: while nine volumes do specify ‘cognition’ as the only option,75 Volumes 3, 9, and 11 also include ‘knowledge’, and Volume 10 adds ‘recognition’ to ‘cognition’; moreover, Volume 6 lists only ‘knowledge’ and Volume 14 lists only ‘insight, knowledge’. Although this surprising lack of standardization in the CE might perpetuate some of the pre-existing problems mentioned in § I, above, I do not regard it as necessarily a bad thing. Indeed, as an expression of my own view that Kant scholars too often tend to get stuck with one way of interpreting Kant’s technical terms, the glossary for the translation in my recent Comprehensive Commentary on Kant’s Religion76 lists numerous terms for which I have proposed non-standard translations. A few examples that appear in passages of Religion quoted in my other chapter in this volume are: ‘bare’ for the adjective bloß[en] (reserving ‘merely’ for the adverb), ‘conviction’ for Gesinnung, ‘delirium’ for Schwärmerei, ‘lifestyle’ for Le­ benswandel, ‘predetermination’ for Bestimmung (in specifically moral and religious contexts), ‘satisfactory’ (or ‘satisfaction’) for Wohlgefallen, and ‘volition’ for Willkür. Other significant examples include: ‘awareness’ for Kenntniß, ‘control’ for Gewalt, ‘discernment’ for Urteilskraft, ‘integrity’ for Lauterkeit, ‘judgmental’ for richtend,77 and ‘liturgy’ for Gottesdienst. While I would not claim to have hit upon the perfect translation in each of these cases, my hope is that proposing viable alternatives to standard translations that are often simply taken for granted can prompt other Kant scholars to think more deeply about the theories that employ these terms.

73

Vols. 2, 6, and 11 list ‘determination’ as the only translation of Bestimmung. Ten volumes also include ‘vocation’; other options are ‘purpose’ (Vol. 3), ‘function’ (Vol. 3), ‘modification’ (Vol. 9), ‘destiny’ (Vols. 13 and 15), and ‘factor’ (Vol. 14). 74 Including Vol. 7, which has ‘constitution of a thing’, in order to distinguish it from a political constitution. 75 This includes Vol. 16, which actually lists only the verb form, erkennen, translating it as ‘cognize’, ‘know’, ‘recognize’. 76 Cf. Palmquist: Comprehensive Commentary [note 44]. 77 Translating richten as ‘judge’ makes it indistinguishable from the quite distinct term, Urt[h]eil; the latter denotes rational determination of a cognitive issue, while the former involves deciding whether or not a given action is right – something that is perfectly in order when a judge (Richter) does it, or when we do it to ourselves through an exercise of conscience, but is inappropriately judgmental when we do it to others.

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Should Translation of Kant’s Key Terms Be Standardized?

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Whole articles have been written to defend and explain key terms, including Vorstellung,78 Gesinnung,79 and Schwärmerei, 80 to name just a few. Likewise, Pluhar has argued that Zweckmäßigkeit should be translated as ‘purposiveness’ rather than ‘finality’, as some previous translations had rendered it. 81 More word studies like these or those provided in the present volume would help Kant scholars, awakening them from the dogmatic slumber that the (as we have seen, potentially misleading) impression of having a ‘standard’ edition inadvertently tends to induce. In addition to the Objekt/Gegenstand distinction, which I will discuss in my other chapter in this volume, three other, largely neglected examples come immediately to mind, all of which are related at least indirectly to Kant’s elusive theory of the object. Thankfully, Guyer and Wood acknowledge each through the use of footnotes in their CE translation of CPR. First, translators of Kant over the past 50 years have typically translated the words Princip and Grundsatz both as ‘principle’, even though the two have virtually no overlap in meaning. A Princip, for Kant, is a rule imposed by reason, while a Grundsatz is a rule imposed by the understanding. Much more could be said about this distinction, but suffice it to say that I have elsewhere recommended translating Grundsatz as ‘precept’, 82 in order to distinguish the two. A second example is the three words Kant uses that are often translated as ‘relation’: Beziehung, Verhältnis, and Relation. Guyer and Wood acknowledge the possible significance of this distinction in several brief notes (e. g., at CPR A20/B34 [pp. 156,173] and A55/B79 [p. 195]). In examining Kant’s use of Objekt and Gegenstand in CPR [see my chapter below], I have observed when one of the latter two words occurs in close proximity to one of the above three terms, hoping to find a pattern in Kant’s usage, but have come up empty-handed so far. Still, a more detailed and focused study of the former triad on its own might reveal that these are anything but synonymous. Since at least one of these three words (Relation) is a crucial technical term for Kant, being the name for one of his four category headings [see e. g., CPR A80/B106], there is a danger among Kant scholars of assuming that whenever any of these words is used, Kant is referring to the category of relation. A careful study of his use of all three words for ‘relation’ would be required in order to settle this matter definitively. A final example, Kant’s use of the words Grenzen and Schranken, is easier to deal with and less likely to cause confusion to English Kant scholars: because Kant 78 E. g., Rolf George: Vorstellung and Erkenntnis in Kant. In: Moltke S. Gram (ed.): Interpreting Kant. Iowa City 1982. 31–39. 79 Palmquist: What is Kantian Gesinnung? [note 71]. 80 Cf., e. g., Robert R. Clewis’ chapter on Schwärmerei and Enthusiasmus in this volume. 81 Cf. Werner S. Pluhar: How to Render Zweckmäßigkeit in Kant’s Third Critique. In: Gram: Interpreting Kant [note 78] 85–98. 82 Cf. e. g., Palmquist: Comprehensive Commentary [note 44] 531. This alternative translation was first suggested to me by Robert Clewis.

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himself clarifies their difference in Prolegomena (AA 04: 352), these two terms are hardly ever taken synonymously. 83 Normally the word Grenzen has been translated as ‘boundaries’ or ‘bounds’, while Schranken has been rendered ‘limits’ – though the CE glossaries surprisingly lack agreement on how to translate these terms. What has not been widely recognized is the connection between these two terms and Kant’s key distinction between reason and understanding. This connection is actually one of the main points in the Prolegomena passage that clarifies the distinction: the human understanding has limits, beyond which it cannot pass without losing its bearings; yet reason naturally thinks both sides of these limits, so they function as a boundary between two (potentially) legitimate territories. ‘Principles’ (Principien), such as good and evil, properly guide reason and tend to come in pairs of opposites that thereby define each side of the boundary, whereas ‘precepts’ (Grundsätze), such as the law of causality, are monolithic when applied within their proper context, which is always and only to guide the understanding on a pre-established path. Similarly, as I argue in my second contribution to this volume, Gegenstände tend to relate to reason (or, viewed empirically, to sensibility), while Objekte are creations of the understanding (or, viewed empirically, they are external things that, though unknowable in themselves, stand in hypothetical contrast to the ‘I’ that understands, the Subjekt). It is tempting to suggest that different German words for relation might also correspond to each side of this distinction, but I have not done sufficient lexical work on the relevant German words [see above] to back up such a hypothesis. With the CE now virtually completed, one might be forgiven for thinking the work of English translators of Kant has finished. The main point of this chapter, however, is to argue that there is still plenty to do. For a variety of reasons, including the fact that the General Editors’ standardized set of CE translation conventions were not followed as rigorously as some might have desired [see § I.], many translation-related issues remain unsettled. The important examples discussed in the following part of this volume, together with the various other examples mentioned earlier in this concluding section, offer ample evidence that many crucial issues of translation are still far from being resolved and thus remain open for discussion. One might argue that it is part of the nature of translation itself that such issues will never be fully resolved: languages evolve, so today’s perfect fit may be tomorrow’s awkward and potentially misleading standard usage.

83 Cf.

the contribution of Costantino Esposito to this volume, where Esposito analyzes the relation of these terms in detail.

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The Cambridge Edition of the Works of Immanuel Kant I. General Editors’ Preface II. Interview with Paul Guyer and Allen W. Wood III. Allen W. Wood / Paul Guyer: The Cambridge Kant Edition: A Brief Biography Paul Guyer / Allen W. Wood I.  General Editors’ Preface1

Within a few years of the publication of his Critique of Pure Reason in 1781, Immanuel Kant (1724–1804) was recognized by his contemporaries as one of the seminal philosophers of modern times – indeed as one of the great philosophers of all time. This renown soon spread beyond German-speaking lands, and translations of Kant’s work into English were published even before 1800. Since then, interpretations of Kant’s views have come and gone and loyalty to his positions has waxed and waned, but his importance has not diminished. Generations of scholars have devoted their efforts to producing reliable translations of Kant into English as well as into other languages. There are four main reasons for the present edition of Kant’s writings: 1. Completeness. Although most of the works published in Kant’s lifetime have been translated before, the most important ones more than once, only fragments of Kant’s many important unpublished works have ever been translated. These include the Opus postumum, Kant’s unfinished magnum opus on the transition from philosophy to physics; transcriptions of his classroom lectures; his correspondence; and his marginalia and other notes. One aim of this edition is to make a comprehensive sampling of these materials available in English for the first time. 2. Availability. Many English translations of Kant’s works, especially those that have not individually played a large role in the subsequent development of philosophy, have long been inaccessible or out of print. Many of them, however, 1 Immanuel Kant: Critique of pure reason. Trans. and ed. by Paul Guyer / Allen W. Wood. Cambridge University Press 1998 (The Cambridge Edition of the Works of Immanuel Kant). VII–IX. Cambridge University Press has kindly licensed the reprint of the General Editors’ Preface.

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Paul Guyer / Allen W. Wood

are crucial for the understanding of Kant’s philosophical development, and the absence of some from English language bibliographies may be responsible for erroneous or blinkered traditional interpretations of his doctrines by Englishspeaking philosophers. 3. Organization. Another aim of the present edition is to make all Kant’s published work, both major and minor, available in comprehensive volumes organized both chronologically and topically, so as to facilitate the serious study of his philosophy by English-speaking readers. 4. Consistency of translation. Although many of Kant’s major works have been translated by the most distinguished scholars of their day, some of these translations are now dated, and there is considerable terminological disparity among them. Our aim has been to enlist some of the most accomplished Kant scholars and translators to produce new translations, freeing readers from both the philosophical and literary preconceptions of previous generations and allowing them to approach texts, as far as possible, with the same directness as present-day readers of the German or Latin originals. In pursuit of these goals, our editors and translators attempt to follow several fundamental principles: 1. As far as seems advisable, the edition employs a single general glossary, especially for Kant’s technical terms. Although we have not attempted to restrict the prerogative of editors and translators in choice of terminology, we have maximized consistency by putting a single editor or editorial team in charge of each of the main groupings of Kant’s writings, such as his work in practical philosophy, philosophy of religion, or natural science, so that there will be a high degree of terminological consistency, at least in dealing with the same subject matter. 2. Our translators try to avoid sacrificing literalness to readability. We hope to produce translations that approximate the originals in the sense that they leave as much of the interpretive work as possible to the reader. 3. The paragraph, and even more the sentence, is often Kant’s unit of argument, and one can easily transform what Kant intends as a continuous argument into a mere series of assertions by breaking up a sentence so as to make it more readable. Therefore, we try to preserve Kant’s own divisions of sentences and paragraphs wherever possible. 4. Earlier editions often attempted to improve Kant’s texts on the basis of controversial conceptions about their proper interpretation. In our translations, emendation or improvement of the original edition is kept to the minimum necessary to correct obvious typographical errors. 5. Our editors and translators try to minimize interpretation in other ways as well, for example, by rigorously segregating Kant’s own footnotes, the editors’

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The Cambridge Edition of the Works of Immanuel Kant

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purely linguistic notes, and their more explanatory or informational notes; notes in this last category are treated as endnotes rather than footnotes. We have not attempted to standardize completely the format of individual volumes. Each, however, includes information about the context in which Kant wrote the translated works, a German-English glossary, an English-German glossary, an index, and other aids to comprehension. The general introduction to each volume includes an explanation of specific principles of translation and, where necessary, principles of selection of works included in that volume. The pagination of the standard German edition of Kant’s works, Kant’s Gesammelte Schriften, edited by the Royal Prussian (later German) Academy of Sciences (Berlin: Georg Reimer, later Walter de Gruyter & Co., 1900– ), is indicated throughout by means of marginal numbers. Our aim is to produce a comprehensive edition of Kant’s writings, embodying and displaying the high standards attained by Kant scholarship in the Englishspeaking world during the second half of the twentieth century, and serving as both an instrument and a stimulus for the further development of Kant studies by English-speaking readers in the century to come. Because of our emphasis on literalness of translation and on information rather than interpretation in editorial practices, we hope our edition will continue to be usable despite the inevitable evolution and occasional revolutions in Kant scholarship. Paul Guyer/Allen W. Wood II.  Interview with Paul Guyer and Allen W. Wood

Question: As early as the 19th century and since the beginning of the 20th century, many of Kant’s works were translated into several languages. In many European countries the main writings have been made available by a few publishing houses. Probably the best examples are the Librairie philosophique de Ladrange (1820–1870), Vrin (starting in 1911), then Gallimard (the Pléiade edition) in France. These major translation and editing initiatives that took place also in many other European countries, have contributed to the development of modern philosophical terminology in the different European languages. Never, however, has such an important and coherent translation and editing project been realized for a single modern philosopher as the Cambridge Edition of Kant’s Works. It was certainly a pioneering editorial and translation achievement that required a long and continuous effort: planned in the mid-1980s, the publication of the last volume was completed in 2016. What made this enormous success possible? Was it the importance of Kant’s philosophy for the contemporary philosophical debate? Was it a favorable historic

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Paul Guyer / Allen W. Wood

juncture in national and international Kant studies? Was it the need also for a common philosophical language in a globalized world? Answer: No doubt there were numerous factors involved. In the Anglophone philosophical world, late idealists such as Norman Kemp Smith and H. J. Paton had kept Kant prominent through the 1940s, but by the 1960s Kant’s theoretical philosophy seemed to have been rendered irrelevant by the development of analytical philosophy culminating in Quine, and his practical philosophy equally irrelevant by the prominence of intuitionism on the one hand and utilitarianism on the other. But during the 1960s and 1970s, a defense of some key Kantian ideas was undertaken from within the tradition of analytical philosophy by writers such as Peter Strawson and Jonathan Bennett as well as others such as Graham Bird and Robert Paul Wolff, on the side of theoretical philosophy, and in practical philosophy above all by John Rawls, who presented his theory of justice in 1971 as founded upon a ‘Kantian interpretation’. All of this revived interest in Kant in core departments in the US and UK; in the US, students were also introduced to text-based scholarship by the visits of Dieter Henrich to Columbia and Harvard, by the presence of other Germantrained scholars in the US, and by study periods in Germany made possible by the well-funded graduate programs of those years. All of this produced both a market for new translations of Kant and the competence to produce them, the two factors necessary to make the Cambridge Edition possible. The general editors, Paul Guyer and Allen Wood, and many of the translators, such as Karl Ameriks, were students in that era, and others, such as Fred Rauscher and Eric Watkins, were students of this generation. Other translators developed by different routes; for example, Mary Gregor was a student of Paton and thus a descendent of the British idealist tradition, while George di Giovanni came from the Italian scholarly tradition but his long tenure at an Anglophone Canadian university equipped him with the English to complement his German. Question: You were responsible for the entire edition of the works and translated key-texts (and first of all the KrV) by yourselves. Did the resonance of your edition surprise you? To what factors do you attribute the worldwide success of your edition? Answer: As far as the character of our translations is concerned, our key objective for the whole edition was to produce an English that is readable without sacrificing truth to Kant’s own style. Our insistence upon preserving Kant’s sentences whole, as the unit of his thought, preserving as much of his syntax as is consistent with English,

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and using his own Latin equivalents as a guide for the translation of his German technical terms, produced translations that allow readers of English throughout the world to get as good a sense of the German texts as is possible in translation. We also aimed to provide as much useful editorial material as possible but to separate Kant’s own material, such as his own notes, as rigorously as possible from editorial material, and to minimize editorial intervention in the texts themselves. In the latter regard, we aimed to strip away as much editorial encrustation as possible from the German texts being translated, for example, in the case of the three Critiques we regarded the original editions from 1781 through 1793 as the ultimate arbiter as far as possible. All of this, we believe, has given English-readers throughout the world as true and helpful a rendering of the original German texts as is possible. Of course, nothing is perfect . . . Question: Taking up the points you made in your Preface, we would first like to ask you about the organization of the Cambridge Edition. Was the overall concept of all volumes (corpus, philological procedure, way of making and interlinking the glossaries, type of bibliographic documentation, etc.) already established at the beginning of your editorial work or did certain issues and strategies only emerge during the course of the work and during the publication process of the individual volumes? Answer: The main features of the organization of the edition are, first, the translation of Kant’s published works in entirety, and, second, the translation of as extensive selections from the other three parts of the Academy edition (correspondence, handwritten remains, and student lecture transcriptions) as would be both helpful and commercially feasible. In the case of the lectures, that meant translating the most complete and reliable transcriptions from several decades in entirety and including at least representative material if not a complete text from each of the decades in which Kant lectured on the subject at hand. The decision to organize the published works topically rather than solely chronologically was made at the outset. Two main modifications to the original plan for the edition were made along the way: for one, the Academy edition of Kant’s lectures in anthropology appeared only in 1997, after our edition had been underway for a decade, but we quickly decided to include a selection of them; second, the final published volume, Lectures and Drafts on Political Philosophy, including the translation of the Naturrecht Feyerabend as well as other notes and drafts, was planned only as the originally planned volume of Notes and Fragments threatened to become too large and as the wisdom of including the lectures on natural right became evident,

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in part in response to increasing interest in Kant’s political philosophy in the postRawlsian years. (Rawls himself had based his political philosophy solely on Kant’s moral philosophy, thus without using Kant’s Rechtslehre at all; but in recent years interest in Kant’s own version of his political philosophy and its background and context has grown, rendering this volume desirable.) Other than that, the edition proceeded according to the original plan, although naturally there were some problems along the way: among the original translators, Mary Gregor and Eva Schaper died before their work was finished and others had to step in, several other translators dropped out and had to be replaced, and so on, so some volumes took longer to appear than others. Question: Is the Cambridge Kant Lexicon, not yet published, conceived as a counterpart of the Cambridge Edition? Answer: No, this is a separate project of Cambridge University Press, which has been one of the chief venues for Kant scholarship in English since the publication of Jonathan Bennett’s pathbreaking studies of Kant’s analytic and dialectic in 1966 and 1974. The editor, Julian Wuerth, was a student of Paul Guyer, but was not involved in the Cambridge Edition. Of course the Lexicon will use and complement the Cambridge Edition. Question: The Cambridge Edition offers new translations or newly revised translations. Did the publisher and you as the General Editors decide whether an older translation was still worth publishing in updated form, or did you leave the decision to the respective editors of each volume? What criteria were used to revise and modernize older translations to be reprinted in the Cambridge Edition? Answer: The editors of the individual volumes had primary responsibility for the selection of translators and translations, but all decisions were approved by the General Co-Editors. In the end, however, very few previous translations were used. In Theoretical Philosophy 1755–1770, David Walford translated everything anew except for G. B. Kerferd’s earlier translations of the inaugural dissertation, which however Walford himself had previously co-edited; in Theoretical Philosophy after 1781 Henry Allison naturally made use of his earlier translation of Kant’s On a Discovery; in Practical Philosophy Mary Gregor likewise made use of her previous but still quite recent translations of the Groundwork and Metaphysics of Morals,

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although in the case of the Rechtslehre she took account of without completely adopting Bernd Ludwig’s reorganization of the German text, but everything else, including the Critique of Practical Reason, was new; and and for the Correspondence Arnulf Zweig greatly expanded the selection of Kant’s letters that he had himself published thirty years earlier. Robert Louden had intended just to revise Gregor’s translation of Anthropology from a Pragmatic Point of View but ended up re-doing it completely. Virtually all of Kant’s other published works, including the First and Third Critiques, were translated from scratch, as were all of the lectures and notes and fragments. In some cases, of course, there were prior translations to be consulted, in other cases, such as most of the lectures and notes, there were not. Question: How were the translators chosen? Does a competent Kant translator necessarily have to be a proven Kant expert? Answer: We think a good translator of philosophy normally needs to be someone with philosophical talent and training, though not necessarily a philosopher by academic affiliation. The volume editors were all chosen as well-established and wellregarded Kant scholars, and almost all translators were as well. Among the very few exceptions among the translators: Peter Heath was a well-regarded translator of German philosophers such as Fichte and Schelling but not a Kant commentator, so he worked with J. B. Schneewind, who was; Olaf Reinhardt, who translated Kant’s physical geography and several other scientific works, was an historian of science rather than a philosopher, but his work was edited by Eric Watkins, a Kant scholar; and when Eva Schaper, who was translating the Third Critique with Eric Matthews, a Scottish colleague best known for work on French philosophy rather than Kant, passed away, a Kant scholar had to be involved, so Paul Guyer stepped in and was responsible for the original translation of the Critique of Teleological Judgment and for the final form of the whole volume. In all other cases both translators and editors were Kant scholars. Question: Have there been agreements on linguistic and editorial standards for translations? Were the translators invited to propose and discuss rules and strategies? Answer: The general guidelines for translation as well as the general glossary for the edition were developed by the General Co-Editors with some input from the original advisory board. Glossaries for individual volumes were developed by

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the editors of those volumes in collaboration with the General Co-Editors. Volume editors were in turn responsible for imposing these choices on their translators, where these differed. Issues that arose in several volumes were negotiated with the General Co-Editors, who reviewed all the volumes before they went to press. Question: Have you retained something (terminological choices or organization of the editorial format) of the classic translations such as those of Norman Kemp Smith, Herbert James Paton or Lewis White Beck? Has it proved difficult to replace generally accepted translations? Answer: Mary Gregor’s translation of the Groundwork was influenced by that of Paton, her teacher, as well as by Beck. Other familiar translations, such as Kemp Smith’s of the First Critique or Beck’s of the Second Critique, no doubt had some subliminal influence on translators, but our translations were certainly not conceived as revisions of the earlier ones, were made on the basis of our own reading of the German originals, and attempted to avoid what we regarded as suboptimal choices of previous translators, such as Kemp Smith’s shortening (or in some cases lengthening) of Kant’s own sentences. No doubt we made some choices (as opposed to mere typographical errors or slips) that later translators will also regard as mistakes. Question: To what degree do translations into English depend on the constraints stemming from the strong terminological traditions of pre-Kantian British philosophy, particularly Locke and Hume? Answer: For all his criticisms of them, Kant himself was deeply influenced by Locke and Hume (as well as by Leibniz, Wolff, and Baumgarten), so it would hardly be surprising if his terminology reflected theirs in certain ways, and if that were in turn reflected in English translations of Kant. As already mentioned, however, we regarded Kant’s own Latin equivalents for his German terms as dispositive, and that, combined with some tradition from previous translations, helped avoid undue influence from the empiricists: e. g., since Kant regarded ‘Vorstellung’ as the German equivalent of representation, the thought of using Locke’s idea or Hume’s impression would never have occurred to us.

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Question: Did the differences between British and American English play any role in the Cambridge Edition? Answer: Most of the editors and translators were American, and the Edition was originally produced out of the New York office of Cambridge University Press before the Press’s reorganization transferred responsibility for scholarly books back to England. Only the final volume was produced by the English office. But by then the use of American style was firmly established and did not change. Question: Translation policies. You have argued in favor of preferring literalness to readability in case of doubt, and postulated in this context to give the reader of the translation an experience as close as possible to that of the reader of the German original. The criterion for success in this intention is that as much interpretative work should be left to the reader of the translation as is left to the reader of the original. No interpretation should be surreptitiously introduced into a translation for reasons of readability. But even if literalness is in general to be preferred to readability, the dialectic between both of them imposes on the translator to decide on a case-by-case basis. Are there any typical cases where you would tend to renounce literalness in favor of readability? Answer: We cannot think of any. Perhaps readers will think they can perceive such cases, and we leave that to their judgment. Question: Translators will often be confronted with ambiguity in the original text. Even if translation is a hermeneutical practice that requires the translator to assume responsibility and to make decisions, there will be cases where the translator decides to maintain ambiguities of the original text in the target language. Do you approve of him washing his hands of it? Answer: Our policy was precisely that if something is ambiguous in the original text it should be ambiguous, as far as possible in the same way, in the translation. So we did not see translators leaving ambiguities as a matter of ‘washing their hands’ of it, but rather of doing their job. There are no doubt cases where a translator had

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to choose between possible referents for an ambiguous pronoun (e. g., ‘sie’), but we couldn’t produce an example offhand. Question: For the CE, you opted for a non-bilingual edition. Was it for pragmatic reasons? The format of all the volumes of CE (rich glossaries, linguistic annotations, paginations of the original text) hints at the fact that your ambition was not to replace the original text completely. Particular works of Kant that have been published in CE have also been published separately in bilingual editions. Editions of Kant’s Œuvres – recently in Russia – and individual editions in Romance-speaking countries are published in a bilingual format. Bilingual editions imply a caveat, just like the glosses and glossaries in the translations. How would you then in general assess the feasibility and benefit of bilingual editions of Kant’s works? Answer: Neither the editors nor the Press ever considered the feasibility of a bilingual edition; the scope of our edition, going beyond Kant’s published works into the other three categories of writings, would have rendered the production of such an edition prohibitively costly; since the edition was produced without any subsidies it had to be financially feasible for Cambridge University Press alone, and a bilingual edition of this scope would not have been. It could also have discouraged many students from using the edition. We did not aim to supplant the use of the Academy or other German editions by readers who could use them, but to produce an edition that could be used in conjunction with German texts by those who wished to do so. We believed that the reproduction of Academy edition pagination throughout the margins of our edition (or the A / B pagination in the case of the Critique of Pure Reason) would facilitate reference to the German text for those who could also read German, since that pagination is also available in other good modern German editions (e. g., those of the Philosophische Bibliothek). We have not had any complaints in this regard. Cambridge UP has since published a bilingual edition of the Groundwork, edited by Jens Timmermann, who revised Gregor’s text for this purpose. That is very valuable, although we do not know how commercially successful it has been. We are not aware that Cambridge UP has any further plans for bilingual editions. Question: Availability and completeness. The Cambridge Edition claims to present Kant’s work in all its parts as representatively as possible. This claim seems to contain a

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hermeneutic implication. According to this, especially in Kant’s case, it is essential to keep the whole of his work in mind, at least in its broad lines, in order to understand the individual writings adequately. In the past, the Third Critique, for example, had not been seriously perceived as an integral part of Kant’s entire critical project. Similarly in the reconstruction of Kant’s practical philosophy, the Metaphysics of Morals and Kant’s writings on the philosophy of history and anthropology were only marginally taken into account. Did the hermeneutic assumption of the substantial and systematic intertextuality of Kant’s writings guide the overall concept of the Cambridge Edition? Answer: The General Co-Editors certainly share this hermeneutical view, namely, that the best work on any subject in Kant is typically done by scholars who understand Kant’s work as a whole and can draw on the full range of his writing. However, there are also philosophers who are interested in constructing ‘Kantian’ theories of this or that (e. g., ‘Kantian ethics’) rather than in Kant interpretation, and their needs may be different than those of Kant scholars. We did not intend to impose on people any view of what to do with Kant; the intent of the Edition was simply to make as much of Kant’s writing available in reliable English translations as was feasible, to let individual readers use it as they see fit. We certainly did not intend to set ourselves up as the Kant police. Question: Consistency. The Cambridge Edition presents Kant’s work in all its parts. In view of the large number of volumes, which contain different texts from different areas of philosophy and translations by many different translators, the question arises as to the degree of terminological consistency the edition as a whole can achieve. In fact there is a general hermeneutical problem and a pragmatic one. According to Kant, philosophical concepts cannot be defined as in mathematics, but only by approximations (KrV A 731 / B 759, CECPR: 639), therefore the structure of argumentation cannot be based on definitions and demonstrations: “Sich nicht an Terminologien fesseln und an Formeln.” (AA 16: 819). Nevertheless the terminological system (or what Peirce would have called the ethics of terminology) has to be preserved in the translation with all its shifts and subtle interrelations. In translation practice, the first problem arising inevitably in this context is to single out what has to be regarded as a terminus technicus. Have there been philological discussions and controversies about the terminological profile and affiliations of Kant’s philosophy?

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Answer: The General Co-Editors certainly had such discussions in the course of formulating the General Glossary, and in some cases had relevant discussions with individual volume editors. Again, Kant’s provision of Latin equivalents often indicated when he thought he was using a technical term, and we tried to honor that in our glossaries. Everyone involved was familiar with Kant’s own strictures about definitions in philosophy (also presented in the 1764 prize essay and in logic lectures), but that does not undercut the desirability of trying to use a single English word or term for anything Kant regarded as a technical term in German, as far as possible. The consistent use of one English term to translate one of Kant’s own technical terms would not imply that his concept is readily definable. Question: Problems in maintaining consistency seem most evident in the volumes that contain different writings translated by different persons. The consistency requirement also results from the fact that the translator faces heterogeneous texts: texts published by Kant himself; Kantian manuscripts with many contemporary and late variants; Kant’s lectures written down by other persons. What do you consider to be the main hermeneutical and pragmatic problems in reproducing the Kantian terminological system across the different volumes and across the different types of texts (cf. General Editors’ Preface) in the Cambridge Edition? Answer: Frankly, this was not a large problem. Especially since the three Critiques appeared relatively early in the series (all three were published between 1996 and 2000, along with other major writings such as Religion within the Boundaries of Mere Reason), the terminology of those translations was available to translators of many of the other works. Volume editors were responsible for maintaining consistency among multiple translators within their volume, and seem to have done that well. Since so few of Kant’s own manuscripts survived, there was no problem of ‘many and late variants’. Kant’s lectures do survive only in student transcriptions, but the terminology in the lectures seems consistent with that in Kant’s published writings and did not present any special problems. Question: (Bilingual) glossaries certainly play the most important role in showing the multifaceted design of the Kantian terminological system and at the same time attest the impossibility of complete terminological transparency. These glossaries – some of them even finely annotated – as well as the linguistic annotations and

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footnotes within the translated texts (especially in your translation of KrV where you often indicate the German term corresponding to the English one) have been considerably useful not only for translators into English but also for translators into other languages. In this context, we would like to learn more about the relationship between the glossaries in the individual volumes, the linguistic documentation of the German terms in the footnotes and linguistic discussions in the annotations. To what degree are they or could they be interconnected? Have you studied and discussed the relative compatibility of the glossaries in the various volumes? Have you saved in your internal documentation the materials and reports of these discussions? Answer: We do not have extensive documentation of such discussion, nor have we studied the ‘relative compatibility of the glossaries in the various volumes’. The General Co-Editors have moved on to their own interpretative work on Kant and other philosophers and philosophy as well. We did not encounter much resistance to our general glossary and had only occasional discussion with individual volume editors, in later years of course more by email than anything else, of particular word choices. Since both General Co-Editors changed universities once or twice during the process and a number of editors and translators are now retired or even deceased, it would be very difficult to reconstruct much in the way of a history of the production of the edition. Question: Have the glossaries of the Cambridge Edition been compared with German glossaries and indexes and with glossaries in other languages? Do you think a polyglot international online glossary for Kant scholars, students and translators is feasible (and desirable)? What role could be assigned in this context to recent Kant lexicography (KantLexikon, especially in a future electronic edition, Kants naturtheoretische Begriffe [Max Planck Institute for the History of Science, Berlin] etc.)? Answer: No doubt such work could be useful. That will be work for the next generation. Question: Sustainability, online edition, online resources. The Cambridge Edition was created in the early stages of digital humanities. Since when did you have in mind an online edition of the Cambridge Edition?

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Would the Cambridge Edition look fundamentally different if it were conceived and realized nowadays, under the current conditions of advanced electronic techniques? Answer: When the edition was conceived in the 1980s, it was with print in mind, and did not foresee any on-line edition. All subsequent decisions concerning electronic on-line availability have been made by the publisher, without much consultation with us. But so far CUP has just made e-books available. We were closely involved in the original design of the printed books, although some of the principles of typo­graphy (type sizes, use of boldface for Kant’s own emphases) took a while to evolve, and the look of the edition is not as completely uniform as might be desired. If the Edition were to be reconceived now, from the point of view of the socalled ‘digital humanities’ (which are not actually a new kind of humanities, just a new way of handling information that might be used by the humanities), no doubt it would be different, with much more cross-referencing, links to other texts, etc. Question: What electronic resources have played an important role for you and your staff during the making of the Cambridge Edition? Answer: First of all, we had no ‘staff’. The work was simply done by the named editors and translators, without other assistants. As mentioned, there were no subsidies or research grants for the edition; perhaps quite different from European expectations! That said, we used the Bonn searchable Kant corpus from time to time and no doubt many of our editors and translators did. We gave no instructions on this nor did we ask about it. Question: The Cambridge Edition is designed for sustainability. Have you established policies for reprinting and revising the printed edition? Would there be different policies for the digital edition? Will a dynamic Cambridge online edition completely do without new print editions in the future? Answer: Reprinting and allowing revision is entirely in the hands of Cambridge UP. They generally order reprintings as needed without consulting us. They have told us

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that they will accept one more round of corrections for the First and Third Critique, which are needed. Otherwise they have not asked for revisions. There are no plans for a ‘digital edition’ or for a ‘dynamic online edition’. As noted, at least so far CUP has simply made e-books of the printed books. Question: In recent years Barbara Cassin’s Vocabulaire européen des philosophies. Dictionnaire des intraduisibles has become an international reference work successful enough to be published in a redesigned version for the Anglophone world. What is your opinion concerning the question of untranslatability in the languages of philosophy? Answer: We have only passing familiarity with this work. Some philosophy is obscure and obscurantist, therefore hard to translate for that reason; that is a defect in the thought as well as the language of the philosophy of which this is true. But clear, well-argued philosophy can generally be translated reasonably well from any original language into any target language. No doubt it is helpful for certain specific terms in some languages to receive explanation of their origins and uses when they are translated into another language. Cassin’s work is useful in this way regarding many terms. But we tend to favor the practice defended by Schleiermacher, and employed by him in his famous German translations of Plato: namely, that of choosing for each technical term in the original language a suitable term in the target language, and then letting the meaning of that term emerge for the reader of the target language from its use by the author. We are not impressed with a general claim of untranslatability of the languages of philosophy. Quine was famous for defending the thesis of the indeterminacy of translation as a general claim about language. We take no position on that thesis. But to claim that philosophy in particular is ‘untranslatable’ for purely linguistic reasons seems to us a form of obscurantism. Question: Let us finally return to the adventure of the Cambridge Edition and go on to a more personal question. As General Editors, you were responsible for the entire edition and translated key texts. Which were the most risky situations, the most difficult editorial decisions for you, and which problems in particular challenged you as translators? Did the experience of translating change anything in your scien­tific approach to Kant’s philosophy?

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Answers:

PG: Apart from a few issues such as deaths, personal disputes, and delays, the difficulties were not editorial. The challenges were simply those of translating difficult texts. In particular, as Kant got older, his writing got more crabbed and complex. So translating the First Critique was not really very hard, especially with one translator more focused on rendering Kant’s syntax into readable English and the other on finding accurate equivalents for Kant’s terminology. But translating later works such as the Third Critique or the Religion was more difficult because of Kant’s increasingly involuted sentences and increasingly complex ambitions for those works. How successful we were is of course for others to judge. The actual work of translating may not have changed the ‘scientific approach to Kant’s philosophy’ of either of us, but focusing on the complete range of Kant’s writings in all their forms and on the lectures has certainly enriched our own scholarship and that of many others. The kind of focus strictly on Kant’s published writings that characterized most Anglophone Kant scholarship before the 1970s or even later (with the honorable exception of Paton’s 1936 Kant’s Metaphysic of Experience) is simply no longer possible. So we do believe that the Cambridge Edition has elevated the standards of Kant scholarship throughout the Anglophone world. AW: The death of Eva Schaper, who was originally assigned to translate the Critique of the Power of Judgment, required Paul Guyer to take over her role, for which he was in any case very well suited. The death of Mary Gregor, who had nearly completed the Practical Philosophy volume, required me to translate two short essays and write the general introduction to the volume, as well as to see it through the publication phase. There were difficulties getting the volume of Kant’s Writings on Natural Science edited, which Eric Watkins finally succeeded in doing. Speaking for myself, my approach to Kant’s moral philosophy has certainly changed over the years, but I cannot say that the activity of translating his works or editing the translations of others has played any part in this as far as this was perceptible to me. I think the job of a translator is one thing: to offer the text to a reader of the target language which is as close as possible in range of meanings and interpretations to the original text. The job of a scholarly interpreter of a text is different from that: to explain the meaning of the text to a scholarly audience and to see how the text addresses philosophical questions that are salient for the philosophical audience. I think it is an error to confuse these tasks, and a defect in a translation if it takes itself to be obligated to address the concerns of the scholarly interpreter. Thank you very much for your kind willingness to answer our questions. Interviewers: Gisela Schlüter and Hansmichael Hohenegger

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III.  The Cambridge Kant Edition: A Brief Biography

The idea for a Cambridge Edition of the Works of Immanuel Kant in English Translation began with Jonathan Sinclair Wilson, philosophy editor in the New York office of Cambridge University Press in the first part of the 1980s. He noticed that Cambridge UP already had published a number of Kant translations, and that several others were commissioned and in progress. Early in 1985 he approached Allen Wood (then at Cornell University) and asked Wood if he would be interested in becoming general editor of such a project, also doing a new translation of the Critique of Pure Reason, which would have to be central to it. Wood expressed interest in the idea, but said he could do neither the editorial work nor the translation of the first Critique all by himself. He suggested as co-­editor and co-translator Paul Guyer (then at the University of Pennsylvania), whom he had not yet met, but with whom he had corresponded about Guyer’s article on Kant’s refutation of idealism that appeared in the Philosophical Review (1983), of which Wood was editor. Soon Wood and Guyer agreed to meet in Philadelphia in July, 1985, to discuss the Cambridge UP project. In the meantime, Wood drafted translations of the Prefaces. He also spent a day in April, 1985, in Rochester, NY, with Lewis White Beck, producing a preliminary sketch of the entire edition, originally planned for fourteen volumes. Ralf Meerbote (Rochester) and Hoke Robinson (Memphis) were also present at that day-long meeting. The edition was planned to include Kant’s published writings in their entirety, organized topically (first theoretical philosophy, then practical philosophy, the Third Critique, religion and rational theology, anthropology and history, science, etc., individual items organized chronologically within these topics), and then generous selections from the other three divisions of the Academy Edition, namely correspondence, notes and fragments from the Handschriftlicher Nachlass, and lectures. Conceived in the 1980s, the plan for the Cambridge Edition was of course for printed volumes; the volumes would subsequently also be made available as e-books, but the edition was not conceived as a digital edition. When Wood and Guyer met in July, 1985, they agreed to go ahead with the project, both as general co-editors of the whole edition and as co-translators of the First Critique. Wood showed Guyer the sketch for the entire edition. Guyer had some revisions to suggest in the plan regarding the placement of certain texts in a more appropriate volume. Guyer and Wood also devised a provisional list of editors and translators for individual volumes, and in the subsequent months secured the agreement of most of them. Guyer and Wood further agreed on the general principle of the edition, namely to produce readable English translations that would reflect Kant’s own German (or in a few cases Latin) style as closely as possible. The ideal was that readers of the translations should have an experience in their own language as close as possible to that of readers of the original

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in theirs. This meant that editorial interventions, purported ‘clarifications’ and ‘improvements’ to Kant’s texts, should be minimized as far as possible; that Kant’s terminology should be consistently rendered into English equivalents, with departures clearly noted; that Kant’s sentences, whether short and clear or long and involuted, and likewise his paragraphs, should be preserved intact; and that difficulties and obscurities in Kant’s original text should be preserved rather than resolved for the reader by the editors. At the same time, extensive apparatus, cross-referencing, and other useful information would be provided, but always clearly separated from Kant’s own words. Sinclair Wilson left Cambridge University Press shortly after the edition got underway. In 1987 he became Managing Director of Earthscan, a publisher of books on sustainable development: a position he held for twenty years. Sinclair Wilson’s place as head of the New York office at Cambridge University Press was taken in 1986 by Terence Moore, who had been with the Press since 1976. Moore’s background was in English and German literature, but he became the philosophy editor for the press as well, and eventually chief editor for the humanities. Moore remained in New York and all the volumes of the edition produced before his death were managed from New York. Before Moore’s early death from cancer in 2004 he had shepherded the Cambridge Edition through the publication of most of its volumes, working tirelessly even when undergoing the rigors of chemotherapy. Moore also devised the idea for the Cambridge Companions series, which has not only been highly successful, but has inspired many other such series by other publishers; the Cambridge Companion to Kant, edited by Guyer, was one of the earliest volumes in the series. Moore’s help and support were critical for the Cambridge Edition, in dealing both with the Press and with editors of individual volumes. After Moore’s death, responsibility for the edition initially passed to Beatrice Rehl, who succeeded him in New York; but after an eventual reorganization of the Press, in which responsibility for scholarly publication reverted to the Cambridge, England, office, responsibility for the edition was finally lodged with Hilary Gaskin, the chief philosophy editor there. The final volume of the edition was produced under her supervision. The earliest volumes of the Cambridge Edition to appear were two that were already in progress when the edition came into being: a translation by David Walford (then at St. Andrews; with the assistance of Meerbote) of pre-critical theoretical writings, the translation of Kant’s logic lectures by J. Michael Young (University of Kansas), who himself soon died of cancer in 1995; and a volume of selections from the Opus postumum, translated by Eckart Förster (then at Stanford University) and Michael Rosen (then at University College, London). The Opus postumum consists of drafts for a final work that Kant never completed, intended first to effect the ‘transition’ from the metaphysical foundations of natural science to empirical physics, and then as a conclusive restatement of the entire

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critical philosophy. The first two volumes appeared in 1992, and the volume of selections from the Opus postumum appeared in 1993. Another planned volume of the edition encountered a serious obstacle. The Critique of the Power of Judgment was to be translated by Eva Schaper (Glasgow) and Eric Matthews (Aberdeen), but Schaper died suddenly from a stroke in 1992. It was decided that Guyer would take her place, but he could not do so until he and Wood had made sufficient progress on the First Critique. The Critique of the Power of Judgment was eventually completed in 1999 and appeared in 2000. Mary J. Gregor (San Diego State University, but then visiting professor at the University of Oklahoma), who had earlier translated both parts of Kant’s Metaphysics of Morals for Cambridge UP, had completed nearly all the work on the Practical Philosophy volume, including new translations of the Groundwork for the Metaphysics of Morals and the Metaphysics of Morals, but she suffered a debilitating stroke in the summer of 1994 and died in October of that year. Wood translated two remaining short pieces for that volume and also wrote the general introduction, and saw the whole volume through the press. It appeared in 1996. The same year saw the appearance of the Religion and Rational Theology volume, edited and translated by Wood and George di Giovanni (McGill University). Two sets of selections from Kant’s lecture transcriptions appeared in 1997. Lectures on Ethics was translated by Peter Heath (University of Virginia) and edited by Heath and Jerome B. Schneewind (Johns Hopkins). Lectures on Metaphysics was translated by Karl Ameriks and Steven Naragon (both then at Notre Dame). Both volumes followed the pattern set by the Lectures on Logic, presenting complete courses from several different decades and selections from courses from other decades, so that there would be some representation of Kant’s approach in each of the decades during which he lectured on the subject at hand. That pattern would be followed in the subsequent volume of Lectures on Anthropology as well. Most of the work of drafting the First Critique was done by Guyer and Wood between 1990 and 1992. Wood drafted the translation of the Prefaces and Dialectic, while Guyer did the initial translation of the Introduction, Aesthetic and Analytic, and Doctrine of Method. They then carefully reviewed each other’s drafts; the whole was then revised and was finally ready for the press by late 1996 or early 1997. It appeared in 1998. Arnulf Zweig (University of Oregon) had earlier translated a selection of letters to and from Kant for the University of Chicago Press. He greatly expanded the collection for the Cambridge Edition, and it appeared in 1999. Kant’s theoretical writings after the Critique of Pure Reason, including the Prolegomena (translated by Gary Hatfield, University of Pennsylvania) and the Metaphysical Foundations of Natural Science (translated by Michael Friedman, then at Indiana University) were published in 2002 under the editorship of Henry Allison (then at Boston University). Allison also revised his earlier translation

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of Kant’s polemic with J. A. Eberhard, On a Discovery, the most extended and illuminating confrontation with his critics that Kant produced during his career, and Peter Heath translated the draft material from Kant’s intended submission to the Prussian Academy competition on the question What Real Progress Has Metaphysics Made since the Times of Leibniz and Wolff? Kant never completed his essay, but his drafts reveal much about his conception of his own project once he had completed all three Critiques. Theoretical Philosophy after 1781 thus lives up to its title, including all of Kant’s work in that area, except for his revisions to the second edition of the Critique of Pure Reason, between the publication of the first edition of the First Critique and Kant’s uncompleted attempt at a final statement of his transcendental philosophy in the manuscripts subsequently known as the Opus postumum. Notes and Fragments, a volume of Kant’s Nachlass writings, edited by Guyer, appeared in 2005. Translations for this volume were also contributed by two then recent students of Guyer’s, Curtis Bowman and Frederick Rauscher (Michigan State University). The philosophically most interesting notes were drawn chiefly from volumes XV through XIX of the Academy Edition, thus from the notes on anthropology, logic, metaphysics, and practical philosophy; a selection from Kant’s notes in his own copy of the 1764 book Observations on the Feeling of the Beautiful and Sublime (found in volume XX in the Academy Edition), in which Kant begins to sketch out his moral philosophy, were also included, while notes on the natural sciences (volume XIV) were excluded. It was originally intended also to include selections from Kant’s notes on Achenwall’s Ius Naturae from volume XIX and from his sketches (Vorarbeiten) for the Metaphysics of Morals, but it was subsequently decided to reserve those for a separate volume of Lectures and Drafts on Political Philosophy, which would conclude the edition in 2016. Two volumes in the Cambridge Edition took a long time to be completed. But the writings on Anthropology, History and Education, under the editorship of Günter Zöller (Munich) and Robert Louden (University of Southern Maine), appeared in 2007, with new translations of Kant’s textbook on anthropology and Rink’s edition of his Lectures on Pedagogy, a translation of the 1764 Observations by Guyer, and other essays by Zöller. And after many delays and tribulations, Kant’s writings on Natural Science finally appeared in 2012, after Eric Watkins took over the editorial task and brought the volume to completion. Jeffrey Edwards and Olaf Reinhardt contributed translations to this volume; Michael Friedman’s translation of the Metaphysical Foundations of Natural Science had already been included in Theoretical Philosophy after 1781 on the premise that this work is an essential part of Kant’s theoretical philosophy, just as the Metaphysics of Morals is an essential part of Kant’s practical philosophy and was included in the eponymous volume.

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The volumes just listed were the fourteen included in the original plan of 1985. However, along the way it became imperative to add two more volumes, leading to the total of sixteen volumes in the Cambridge Edition. In 1997, Kant’s lectures on anthropology became available in the Akademie-Ausgabe as Volume XXVI. It was decided that a volume of selections from them should be included in the Cambridge Edition. This volume appeared in 2012, edited by Wood and Louden, with contributions by Felicitas Munzel and Robert Clewis. It had also been earlier determined that the Notes and Fragments volume could not contain everything from Kant’s Handschriftlicher Nachlass that the Cambridge Edition ought to include. So it was decided to create a separate volume for Kant’s notes on Achenwall and the Vorarbeiten to the Rechtslehre; this also created the opportunity to include a translation of the Feyerabend lectures on natural right from the summer of 1784 (when Kant was writing the Groundwork for the Metaphysics of Morals) and several other drafts related to law and political philosophy. This finally appeared in 2016 under the editorship of Frederick Rauscher (Michigan State) and Kenneth Westphal (then at the University of East Anglia, now at Bogazici University). The addition of this volume to the edition also reflects the burgeoning interest in Kant’s political philosophy since the turn of the present century. With that the more than thirty-year effort comprising the Cambridge Edition finally reached completion. Its aim has been to make all of Kant’s published works and an extensive, representative selection of the other records of his thought in letters, notes, and lectures available in reliable and consistent English translations for the foreseeable future. Our hope has been to afford students, philosophers who do not specialize in Kant, and general readers an experience that comes as close to that of reading Kant in the original as is possible in English translation, and to facilitate the work of scholars who can read German as well by including the pagination of the Academy Edition throughout (in the case of the Critique of Pure Reason, the widely used pagination of the first and second editions [‘A’ and ‘B’] instead). How well we succeeded is of course for others to judge. The Cambridge Kant Edition

Theoretical Philosophy 1755–1770. Walford/Meerbote (1992) Lectures on Logic. Young (1992) Opus Postumum. Förster/Rosen (1993) Practical Philosophy. Gregor (1996) Religion and Rational Theology. Wood/Di Giovanni (1996) Lectures on Metaphysics. Ameriks/Naragon (1997) Lectures on Ethics. Schneewind/Heath (1997)

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Critique of Pure Reason. Guyer/Wood (1998) Correspondence. Zweig (1999) Critique of the Power of Judgment. Guyer/Matthews (2000) Theoretical Philosophy after 1781. Allison/Heath (2002) Notes and Fragments. Guyer (2005) Anthropology, History, and Education. Zöller/Louden (2007) Natural Science. Watkins (2012) Lectures on Anthropology. Wood/Louden (2012) Lectures and Drafts on Political Philosophy. Rauscher/Westphal (2016) Cf. Kenneth R. Westphal: Cambridge Kant Translations. Tables of Contents and Indexes [https://www.academia.edu/9492783/Cambridge_Kant_Translations_ Tables_of_Contents_Indexes].

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Zur Geschichte und zum aktuellen Stand der Kant-Übersetzungen ins Französische Sophie Grapotte

Für den vorliegenden Band ist eine Bestandsaufnahme der ins Französische übersetzten Texte Kants vorzunehmen, insbesondere der Übersetzungen, die seit 1980, als der erste Band der Ausgabe der Werke Kants in der Bibliothèque de la Pléiade erschien, veröffentlicht wurden. Dies hat uns veranlasst, zunächst eine möglichst vollständige Liste der seit 1796 auf Französisch erschienenen Übersetzungen der Texte1 Kants zu erstellen. Wenn man nun diese Liste betrachtet, sieht man, wie sich vier wesentliche ›Momente‹ dieser Geschichte der Übersetzungen ins Französische abzeichnen: I. der Moment der ›Ankunft‹ Kants in Frankreich im Jahr 1796 in Gestalt der allerersten Übersetzungen seiner Schriften ins Französische; II. die zweite ›Welle‹ der Verbreitung Kants in Frankreich im 19. Jahrhundert mit den ersten Übersetzungen der Hauptwerke der kritischen Philosophie, darunter der Kritik der reinen Vernunft; III. die 1980er Jahre und die Edition seiner ­Œuvres philosophiques in der Bibliothèque de la Pléiade; IV. ein letzter Moment, der, grob gerechnet, nach 1980 einsetzt. Seither und auch aktuell noch geht es darum, diejenigen seiner Texte, die bislang mehrheitlich unberücksichtigt geblieben sind, ins Französische zu übersetzen und dadurch der französischsprachigen Leserschaft zugänglich zu machen. Dies betrifft kleinere vorkritische Schriften, Kants Briefwechsel, das unvollendete Werk, an dem er in seinen letzten Lebensjahren gearbeitet hat (das Opus postumum), seine Anmerkungen zu seinen Handexemplaren im Rahmen der Vorbereitung seiner Lehrveranstaltungen (die Reflexionen) und auch die Nachschriften seiner Vorlesungen. Entsprechend dieser Unterscheidung von vier Haupt-›Momenten‹ in der Geschichte der Übersetzungen der kantischen Texte ins Französische gliedern wir den vorliegenden Beitrag in vier Teile, die sich zugegebenermaßen in ihrer Länge sehr stark unterscheiden. Unser Hauptanliegen ist es, die Erstübersetzungen von 1

Wir ziehen es hier vor, von ›Text‹ statt von ›Werk‹ im eigentlichen Sinn zu sprechen, insofern als diese Übersetzungen nicht nur Kants Werke im engeren Sinne betreffen, sondern, wie wir sehen werden, auch seine Korrespondenz, die sogenannten Reflexionen (Aufzeichnungen Kants, die nicht für die Veröffentlichung bestimmt waren), sein Opus postumum (ein bei weitem nicht abgeschlossenes Projekt) sowie die Aufzeichnungen bzw. Nachschriften der von ihm gehaltenen Vorlesungen.

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Texten Kants ins Französische, die seit 1980 erschienen sind, zu präsentieren und zu sichten. I.  Kants Ankunft in Frankreich

War der Name Kants bereits vor dem Erscheinen der KrV (Riga, April 1781) in Frankreich nicht völlig unbekannt – denn, so François Picavet, »man kannte, lehrte und diskutierte Kants Philosophie seit 1773 in Straßburg« (»Le kantisme a été connu, enseigné et discuté à Strasbourg dès 1773«) –, 2 so war gleichwohl erst das Jahr 1796 entscheidend, 3 und die ganz frühen Übersetzungen Kants ins Französische lösten dann »die erste große Welle des französischen Interesses« (»la première grande vague d’intérêt en France«)4 an dem Königsberger Philosophen aus. Am 3. Januar 1796 kündigte La Gazette Nationale, ou le Moniteur Universel die Übersetzung von Zum ewigen Frieden an,5 die einige Monate später unter dem Titel Projet de paix perpétuelle, essai philosophique erscheinen sollte.6 Es handelt sich um die Übersetzung der zweiten Auflage von ZeF, die gerade bei Nicolovius in Königsberg erschienen war, nachdem die erste Auflage (1795)7 innerhalb weniger Monate vergriffen war. Diese anonyme Übersetzung, die in Frankreich von Jansen und Perronneau veröffentlicht wurde, entspricht der französischen Übersetzung, die 1796 bei Nicolovius in Königsberg erschienen war (unmittelbar nach der zweiten, erweiterten Auflage von ZeF). 8 2 Vgl. Kant: Critique de la raison pratique. Neue Übers. ins Französische von François Picavet, mit einem Vorwort zur Philosophie Kants in Frankreich zwischen 1773 und 1814. Paris 1888. XXXV (Avant-propos). 3 Jean Ferrari: L’œuvre de Kant en France dans les dernières années du XVIIIe siècle. In: Les Études Philosophiques 4 (Oktober-Dezember 1981). 399–411. Ergänzend und zur Vervollständigung und Präzisierung des Folgenden sind folgende ergiebige Internetquellen zu konsultieren: Patrick Hatchuel: Kant en Français (1796–1917). Bibliographie des traductions françaises de Kant publiées entre 1796 et 1917 (Livres et tirés à part). Paris, Librairie Hatchuel, 2008 [https://pdfslide.tips/documents/kant-en-france-de-kant-en-francaislibrairie-hatchuel-kant-en-francais.html] sowie [https://data.bnf.fr][Kant, Einzelwerke, Einzelausgaben]. 4 François Azouvi/Dominique Bourel: De Königsberg à Paris. La réception de Kant en France. Paris 1991. 10 f. 5 Am 29. September 1795 zur Foire de la Saint Michel erschienen; das Manuskript hatte Kant schon am 13. August seinem Verleger Nicolovius (Königsberg) übergeben. 6 Aus dem Deutschen übers., mit einer neuen Ergänzung durch den Autor (Paris, Jansen et Perroneau, an IV/1796. 114). Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass 1795 in Bern eine erste Übersetzung von Jean-David Secrétan erschienen war, die aber nicht von Kant autorisiert wurde. 7 Die erste Auflage war im Vorjahr ebenfalls bei Nicolovius erschienen. 8 Bekanntlich wurde diese Ausgabe angekündigt als ›unter Aufsicht des Autors‹ entstan-

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Im selben Jahr, einige Monate zuvor, hatte Hercule Peyer-Imhoff die Erst­ übersetzung der Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen ins Französische veröffentlicht.9 Zwei Jahre später, im Jahr 1798, veröffentlichte Charles de Villers, der »am Anfang der Verbreitung der kantischen Philosophie« (»au principe de la diffusion du kantisme«)10 stehen sollte, in Le Spectateur du Nord mehrere Artikel, die in kleinerem Kreise zirkulierten, darunter die Erstübersetzung11 der Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht12 ins Französische. Diese drei Übersetzungen stellen die einzigen im 18. Jahrhundert erschienenen vollständigen Übersetzungen von Werken Kants ins Französische dar. Sie können folglich als die erste ›Welle‹ der französischen Kant-Übersetzungen angesehen werden, da die anderen Übersetzungen unvollständig waren, d. h. – (bestenfalls) Zusammenfassungen13 und Übersetzungen von (faktisch teilweise sehr kurzen) Auszügen. So begrüßt beispielsweise Anton Keil im Magasin encyclopédique14 Kants politischen Mut und lenkt die Aufmerksamkeit der französischen Öffentlichkeit auf die große Bedeutung von ZeF, dessen Hauptartikel er vorstellt. Im Journal d’économie publique, de morale et de politique vom den (vgl. Magasin encyclopédique. 3/1796. 113); sie besitzt »den einzigartigen Vorzug, von Kant selbst gelesen und vollständig autorisiert worden zu sein.« (»l’avantage, absolument unique, d’avoir été lue par Kant lui-même, lequel l’a entièrement approuvée.«) Kant: Œuvres philosophiques. Bd. III. Paris 1986. 304 (Pléiade-Ausgabe). Diese anonyme Übersetzung aus dem Jahre 1796 hat Ferdinand Alquié, auf Anraten von Heinz Wismann, im dritten Band von Kants in der Bibliothèque de la Pléiade erschienenen Œuvres philosophiques (Bd. III. 333– 383) statt einer der überaus zahlreichen neueren französischen Übersetzungen des Textes ediert. Dies hat nun gewiss eine Reihe von Korrekturen etlicher ›inconvénients‹ (›unpassender Übersetzungen‹) erforderlich gemacht, einzelne Begriffe mussten modernisiert und die Zeichensetzung und Orthographie der heutigen Praxis angeglichen werden; zudem musste die Übersetzung dort, wo sie Heinz Wismann zufolge Lücken aufwies, ergänzt werden, und es mussten Anmerkungen, die der anonyme Übersetzer nicht berücksichtigt hatte, wieder aufgenommen und übersetzt werden: Es ging darum, den Gedankengang anhand von Anmerkungen zu restituieren, wo die übliche französische Sprachpraxis den Übersetzer 1796 dazu veranlasst hatte, ihn zu modifizieren. Und so ließ sich dem Leser »eine Übersetzung, die von Kant autorisiert wurde und heutigen Ansprüchen genügt« (»une traduction approuvée par Kant [ainsi qu’] une traduction répondant aux exigences actuelles«), bieten. Vgl. ebd. 305.  9 Kant: Observations sur le sentiment du beau et du sublime. Paris 1796. 10 François Azouvi/Dominique Bourel: De Königsberg à Paris [Anm. 4] 113. 11 Kant: Idée de ce que pourrait être une histoire universelle dans les vues d’un citoyen du monde […]. In: Le Spectateur du Nord VI (1798). 1–39 [wiederabgedruckt in: Le Conservateur de François de Neufchâteau II/an VIII/1800. 57 ff.]. 12 Erschienen in: Berlinische Monatsschrift (November 1784). 385–411. 13 In dieser Hinsicht sei auch die Publikation von erläuternden Bemerkungen/Vorbemerkungen etc. erwähnt, wie bspw. durch Anton Keil, der u. a. das Vorwort zu den Prolegomena resümiert, vgl. Kant: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysic. Riga 1783. 14 Magasin encyclopédique ou Journal des Sciences, des Lettres et des Arts III. 2e année, an IV [1796]). 310–314.

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11. Oktober 1796 (20 vendémiaire an 5) äußert Adrien Lezai-Marnézia die Meinung, in ZeF ließen sich eine Lehre und Konzepte finden, die »auf unsere Angelegenheiten perfekt anwendbar« (»fort applicables à nos affaires«) seien, und er fasst Kants Schrift zusammen und kommentiert die beiden Maximen, die ihn am meisten interessieren. Zu erwähnen ist auch die im Jahr 1798 erfolgte Veröffentlichung von Aphorismen, die Kants Werken entnommen und von Jean-David Secrétan unter dem Titel Le philosophisme démasqué, et la philosophie vengée15 übersetzt werden, ebenso wie einige ›verkürzte‹ Übersetzungen Griesingers im Magasin encyclopédique, darunter Comment le sens commun juge-t-il en matière de morale? (Teil 1 der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten),16 Conjecture sur le développement progressif des premiers hommes17 oder auch De l’égoïsme, Auszüge aus der Anthropologie;18 – (im ungünstigeren Falle) einfache Besprechungen. So bespricht z. B. Griesinger 1796 im Magasin encyclopédique die GSE (Observations sur le sentiment du beau et du sublime);19 1797 werden in L’Esprit des Journaux die MAN 20 besprochen (die erstmals von Charles Andler und Édouard Chavannes ins Französische übersetzt werden sollten). 21 Nach dieser ersten Übersetzungs-›Welle‹ bringt im Verlaufe des 19. Jahrhunderts die zweite ›Welle‹ die französischen Übersetzungen der Hauptwerke der kritischen Philosophie. II.  Die zweite ›Welle‹

Die Geschichte der französischen Kant-Übersetzungen ist durch einige prominente Übersetzer geprägt, die daran gearbeitet haben, die Hauptwerke des kritischen Philosophen den französischsprachigen Lesern zugänglich zu machen. Der erste Name, der erwähnt werden muss, ist der von Claude Joseph Tissot (1801–1876). Auch wenn die Übersetzungen Tissots heute sicherlich nicht mehr verwendet und konsultiert werden, ist Tissot unserer Ansicht nach der eigentliche Auslöser dessen, was man als zweite ›Welle‹ der Übersetzungen der Werke Kants

15 Lausanne

1798; ohne Verlagsangabe; die Typographie deutet auf Henri Vincent als Verleger hin. 16 Magasin encyclopédique III (1798). 65–72. 17 Ebd. 73. 18 Magasin encyclopédique V (1799). 192 f. 19 Magasin encyclopédique VIII. 2me année (1796). 175–178. 20 1786 erschienen in Riga bei Johann Friedrich Hartknoch. 21 Kant: Premiers principes métaphysiques de la science de la nature. Übers. und eingeleitet von Charles Andler/Édouard Chavannes. Paris 1891.

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in Frankreich im 19. Jahrhundert betrachten kann. Zunächst einmal ist er der Autor der Erstübersetzung der KrV u.d.T. Critique de la raison pure (1835–1836) ins Französische, 22 die auf der zweiten Auflage (B) der KrV (1787) basiert. Zehn Jahre später, 1845, lässt er eine zweite Ausgabe/Übersetzung folgen, 23 diesmal auf der Grundlage der ersten Auflage (A) der KrV (1781), 24 und 1864 eine dritte Ausgabe, die die Unterschiede zwischen der ersten und zweiten Auflage dokumentiert und auch die Analyse des Werkes durch Mellin enthält. 25 Claude Joseph Tissot ist nicht nur Urheber der ersten Übersetzungen der KrV und der Prol, 26 sondern auch der ersten Übersetzungen vorkritischer Schriften (wie der Nova dilucidatio, der UD, der Diss. von 1770, etc.), kleinerer Werke der kritischen Periode (WDO; ÜGTP; VT etc.), 27 und ihm verdanken sich auch die ersten Übersetzungen der Vorlesungen Kants: der Logik28 (die französische Ausgabe enthält im Anhang auch die vollständige Übersetzung von DfS und NG), der Nachschriften der Metaphysik-Vorlesungen, die von Karl Heinrich Ludwig Pölitz

22

Kant: Critique de la raison pure […]. Nach der 7. Aufl. aus dem Dt. übers. von C. Joseph Tissot. 2 Bde. Paris 1835–1836. Die Übersetzung folgt auf die einige Jahre ältere Übersetzung von Auszügen aus der KrV, der KpV und der KU durch L. F. Schön, die u. d. T. Philosophie transcendantale, ou Système d’Emmanuel Kant (Paris, Abel Ledouc, 1831) erschienen war. 23 Kant: Critique de la raison pure. Zweite frz. Ausgabe, neu übers. nach der dt. Erstausgabe; enthalten sind alle Änderungen, die seitens des Autors an der ersten Auflage vorgenommen wurden, sowie Anmerkungen und eine Biographie Kants, von Joseph Tissot (seconde édition en français, retraduite sur la première édition allemande; contenant tous les changements faits par l’auteur dans la seconde édition, des notes et une biographie de Kant par Joseph Tissot). 2 Bde. Paris 1845. 24 Tissot rechtfertigt diese Änderung im Vorwort [Erstveröffentlichung]: La Vie de Kant, ses ouvrages, manière de les étudier. Ebd. xvii –xliii. 25 Kant: Critique de la raison pure […]. 3. frz. Ausgabe. 2 Bde. Paris 1864. 26 Kant: Prolégomènes à toute métaphysique qui aura le droit de se présenter comme science, suivis de deux autres fragments du même auteur, relatifs à la Critique de la raison pure. Paris 1865. Die beiden Teilstücke sind folgende: Sur une découverte d’après laquelle toute nouvelle critique de la raison pure doit être rendue inutile par une plus ancienne (Réponse à M. Eberhard), 1790 (209–310) und De la philosophie en général, 1794 (430–480). 27 Alle diese Übersetzungen sind erschienen in: Kant: Mélanges de logique (Paris 1862) mit insgesamt 12 Teilstücken, sog. ›Fragmenten‹: Explication nouvelle des premiers principes de la connaissance métaphysique; Recherche sur la clarté des principes de la théologie naturelle et de la morale; Essai sur l’introduction en philosophie de la notion des quantités négatives; Avertissement d’Emm. Kant sur l’ensemble de ses leçons pendant le semestre de 1765 à 1766; De la Forme et des principes du monde sensible et de l’intelligible; Correspondance philosophique entre Kant et Lambert; Qu’est-ce que s’orienter dans la pensée?; Détermination de la notion d’une race humaine; De l’Usage des principes téléologiques en philosophie; D’un ton élevé nouvellement pris en philosophie; Accommodement d’un différend mathématique résultant d’un malentendu; Annonce de la prochaine conclusion d’un traité de paix perpétuelle en philosophie. 28 Logique de Kant. Aus dem Deutschen übers. von C. J. Tissot. Paris 1840.

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unter dem Titel Vorlesungen über die Metaphysik (Erfurt, 1821) herausgegeben wurden, 29 und der Anthropologie30 . Wenngleich Tissots Übersetzungen heute nicht mehr maßgeblich sind, ist er doch Urheber mehrerer Erstübersetzungen ins Französische, die bis heute durch keine neueren Übersetzungen ersetzt worden sind: unseres Wissens namentlich der Zwei Aufsätze, betreffend das Basedow’sche Philanthropinum, die am 28. März 1776 und 27. März 1777 in den Königsbergsche[n] gelehrte[n] und politische[n] Zeitungen anonym veröffentlicht wurden;31 des Artikels über die Bestimmung des Begriffs einer Menschenrace, der in der Berlinische[n] Monatsschrift vom November 1785 erschienen ist;32 der Bemerkungen über Jakobs Prüfung der Morgenstunden Mendelssohns (vgl. Einige Bemerkungen von Ludwig Heinrich Jakob, Prüfung der Mendelssohnschen Morgenstunden, Leipzig, Heinsius, 1786)33 und schließlich der Mitteilung, die Kant im Oktober 1796 in der Berlinische[n] Monatsschrift als Replik auf Albert Heinrich Reimarus (1729–1814) veröffentlicht hat: Ausgleichung eines auf Mißverstand beruhenden mathematischen Streits. 34 Jules Barni (1818–1878) ist der zweite Name, den wir erwähnen möchten, »der zweite Vermittler der kantischen Philosophie in Frankreich« (»l’autre intro­ ducteur de Kant en France«), um die Worte aufzugreifen, die Laurent Fedi in der monumentalen Untersuchung verwendet, welche er der Wirkungsgeschichte Kants (den ›Kantianismen‹) in Frankreich von 1795 bis 1940 gewidmet hat. 35 Auch Jules Barni hat Werke Kants erstmals ins Französische übersetzt, darunter die KpV, Critique de la raison pratique, 36 und die KU, Critique du jugement

29 Kant: Leçons de métaphysique […]. Veröffentlicht von Pölitz, mit einer Einleitung, in der der Herausgeber skizziert, wie sich die Metaphysik nach Kant in Grundzügen verändert hat. Aus dem Dt. übers. von C. J. Tissot. Paris 1843. 30 Kant: Anthropologie, suivie de divers fragments du même auteur relatifs aux rapports du physique et du moral et au commerce des esprits d’un monde à l’autre. Paris 1863; erste französische Ausgabe der Anthropologie, die auf der zweiten deutschen Ausgabe basiert (1800), gefolgt von: Sur Swedenborg, 1758 (ebd. 345–351); Essai sur les maladies de l’esprit, 1764 (ebd. 352–369); Rêves d’un homme qui voit des esprits expliqués par des rêves de la métaphysique, 1766 (ebd. 371–435); De la superstition et de ses remèdes, 1790 (ebd. 437–439); À Sömmering, De l’organe de l’âme, 1796 (ebd. 441–446); De l’empire de l’esprit sur les sentiments maladifs par la seule volonté de les maîtriser, 1797 (ebd. 447–473). 31 Übersetzt in Kant: Principes métaphysiques de la morale, 3. korrigierte und erweiterte Auflage. Paris 1854. 32 Artikel übersetzt in: Kant: Mélanges de logique [Anm. 27]. 33 Übersetzung in: Logique de Kant [Anm. 28]. 34 Übersetzung in: Kant: Mélanges de logique [Anm. 27]. 35 Laurent Fedi: Kant, une passion française. 1795–1940. Hildesheim/Zürich/New York 2018. 247. 36 Kant: Critique de la raison pratique, précédée des Fondements de la métaphysique des mœurs. Übers. von Jules Barni. Paris 1848.

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(1846). 37 Wenn Barni die Geschichte der französischen Übersetzungen von Kants Werk geprägt hat, dann unserer Meinung nach nicht so sehr deshalb, weil er Erst­ übersetzungen, sondern weil er nach wie vor maßgebliche Übersetzungen vorgelegt hat. Dies trifft ganz besonders auf seine Neuübersetzung der KrV zu, 38 die er 1869 bei G. Beillière in Paris veröffentlichte. Neben anderen Vorteilen, die sie bietet, präsentiert sie dem Leser beide Auflagen der KrV, da Barni, »wie es sein sollte« (»comme il est juste«), 39 die zweite Auflage des Werkes, die Kant 1787 veröffentlicht hat, zu Grunde legt, aber zugleich auch die Änderungen gegenüber der Auflage A von 1781 (im Allgemeinen in Fußnoten) kenntlich macht. 40 Barni verfolgt mit dieser Übersetzung (die diejenige Tissots ablöst) ein doppeltes Ziel: eine Fassung anzubieten, die wörtlich genug ist, um denjenigen als Bezugstext zu dienen, die den Text nicht auf Deutsch lesen können, zugleich aber auch eine Übersetzung zu liefern, die so französisch ist, wie es die erste Bedingung zulässt. Barni räumt ein: »Dies führt ohne Zweifel nicht zu einem einfachen und angenehmen Stil, aber man würde etwas Unmögliches verlangen, wollte man hier diese Qualitäten einfordern; alles, was man vernünftigerweise verlangen kann, ist, dass die Übersetzung, während sie den Text treu wiedergibt, ihn in ein Französisch verwandelt, das so gut wie möglich ist, und ihn dadurch erhellt, anstatt ihn noch mehr zu verdunkeln.« (»[c]ela ne fait pas sans doute un style facile et agréable, mais ce serait demander l’impossible que de réclamer ici ces qualités; tout ce que l’on peut raisonnablement exiger, c’est que la traduction, tout en reproduisant fidèlement le texte, le rende en un français aussi bon que possible et par là même l’éclaircisse, au lieu de l’obscurcir encore.«)41 Denn: »Kant, das muss wohl gesagt werden, ist ein dunkler Schriftsteller.[!]« (»Kant, il faut bien le dire, est un écrivain obscur. [!]«) Diese »Dunkelheit« 42 beruht Barni zufolge auf der äußersten Abstraktion und Subtilität seiner Gedanken: »Die Fäden seiner Analysen sind so 37 Kant: Critique du jugement, suivie des Observations sur le sentiment du beau et du sublime […]. Übers. von Jules Barni. 2 Bde. Paris 1846. 38 Kant: Critique de la raison pure […]. Übers. von Jules Barni. 2 Bde. Paris 1869. Erwähnt sei auch seine Übersetzung der Critique de la raison pratique [Anm. 36] sowie der Éléments métaphysiques de la doctrine du droit. Première partie de la Métaphysique des mœurs, suivis d’un Essai philosophique sur la paix perpétuelle et d’autres petits écrits relatifs au droit naturel. Paris 1853. 39 Vgl. sein Vorwort zu Kant: Critique de la raison pure [Anm. 38] Bd. I. VIII. 40 Nur zwei Teilstücke sind wegen ihres Umfangs ans Ende des zweiten Bandes versetzt worden. 41 Vgl. sein Vorwort zu Kant: Critique de la raison pure [Anm. 38] Bd. I. VII. 42 Barni stellt klar, dass die Dunkelheit in der KrV »nicht, wie man oft glaubt, aus dem bei vielen deutschen Autoren üblichen ungenauen Denken resultiert; sein Denken ist ganz im Gegenteil von geometrischer Exaktheit.« (»ne vient pas, comme on le croit souvent, d’après le caractère de beaucoup d’auteurs allemands du vague des idées: ses idées ont au contraire une précision toute géométrique.«) 

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fein, dass es oft sehr schwierig ist, sie zu entwirren, und sie dem Autor zeitweilig selbst entgleiten.« (»Les fils de ses analyses sont si ténus qu’il est souvent très difficile de les bien démêler et qu’ils échappent parfois à l’auteur lui-même.«) Diese Dunkelheit beruht aber auch auf »einer mangelhaften Form, die dazu führt, dass die Sätze wirr oder schlecht verknüpft sind.« (»un défaut de forme qui fait que les phrases sont embarrassées ou mal liées.«) »In dieser Hinsicht mangelt es der KrV nicht nur an jener Klarheit, die Kant eine ästhetische nennt […], sondern mitunter auch an der logischen Klarheit, für die er ausreichend gesorgt zu haben glaubt.« (»Sous ce rapport, la Critique de la raison pure ne manque pas seulement de cette clarté que Kant appelle esthétique […], mais quelquefois aussi de cette clarté logique à laquelle il pense avoir suffisamment pourvu.«)43 Barni meint allerdings, dass eine französische Übersetzung zumindest bis zu einem gewissen Grad diesem Mangel an logischer Klarheit abhelfen könne. 44 Er räumt ein – und das ist im Übrigen mit Sicherheit die Hauptkritik, die man an diese Art von Übersetzung richten kann, welche letztlich den Wortlaut von Kants Text der Schönheit des Stils und einer vermeintlichen Klarheit opfert –: »So hatte ich keine Bedenken, nicht nur Sätze, die zu lang und zu verschachtelt waren, zu kürzen und zu vereinfachen, sondern bei Bedarf sogar syntaktische Verknüpfungen zu verändern, die den Gedankengang schlecht ausdrückten.« (»Aussi ne me suis-je pas fait scrupule, non seulement de couper et de dégager des phrases trop longues et trop enchevêtrées, mais même de changer au besoin des liaisons qui exprimaient mal le rapport des idées.«)45 Abgesehen von diesen Veränderungen (wie Satzkürzungen und modifizierten Verknüpfungen), hat Barni, um das Verständnis dieses teilweise dunklen Textes zu erleichtern, seiner Übersetzung eine lange Einleitung vorausgeschickt, die »denjenigen, die die KrV studieren wollen, eine genaue und vollständige Analyse zur Verfügung stellt, die, sofern [Barni sein] Ziel erreicht [hat], dieses große Werk zugleich erhellt und zusammenfasst« (»offre à ceux qui veulent étudier la Critique de la raison pure une analyse exacte et complète, qui si [Barni a] atteint [son] but, éclaircit ce grand ouvrage, tout en le résumant.«)46 Bekanntlich wurde Barnis Übersetzung der KrV mehrfach neu aufgelegt und überarbeitet, insbesondere von Paul Archambault, 47 und diese von Archambault überarbeitete Fassung Barnis wurde ihrerseits mehrfach neu aufgelegt. 48 Eben diese von Archambault überarbeitete Übersetzung Barnis liegt übrigens 43

Vgl. sein Vorwort zu Kant: Critique de la raison pure [Anm. 38] Bd I. VII–VIII. Ebd. VIII. 45 Ebd. VIII [Hervorhebung S. G.]. 46 Ebd. V–VI [Hervorhebung S. G.]. 47 Kant: Critique de la raison pure. Übers. von Jules Barni. Durchgesehen und korrigiert von Paul Archambault. 2 Bde. Paris 1912. 48 Kant: Critique de la raison pure. Übers. von Jules Barni/Paul Archambault. Mit einem Vorwort von Roger Verneaux. Paris 1973; Kant: Critique de la raison pure. Übers. von 44

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der Übersetzung der KrV durch Alexandre Jean-Louis Delamarre und François Marty zu Grunde, die 1980 in der Bibliothèque de la Pléiade erschien. 49 In den vergangenen Jahrzehnten wurden auch andere Übersetzungen Barnis neu aufgelegt: Dies betrifft insbesondere seine Übersetzung der Analytik des Schönen, Analytique du beau, die 1983 erschien und 2012 von Ole Hansen-Løve überarbeitet und neu aufgelegt wurde, 50 die Überarbeitung der von Barni übersetzten Schrift ZeF 51, außerdem seiner Übersetzung52 von Päd53 , die 1981 von Pierre-José About aktualisiert und neu herausgegeben wurde.54 Halten wir außerdem fest, dass die Übersetzungen Jules Barnis als Scharnier­ übersetzungen herangezogen wurden, um gewisse Werke Kants in andere Sprachen zu übersetzen – so beispielsweise im Fall der im Jahr 1876 von Alejo García Moreno realisierten spanischen Übersetzungen, 55 nämlich der KU (Critique du juge­ment, suivie des observations sur le sentiment du beau et du sublime)56 und der KpV.57

J. Barni. Durchgesehen von P. Archambault. Chronologie und Bibliographie von Bernard Rousset. Paris 1976. 49 Kant: Critique de la raison pure. Übers. von Alexandre Jean-Louis Delamarre/François Marty auf der Grundlage der Übersetzung von Jules Barni. In: Kant: Œuvres philo­ sophiques. Bd. I: Des premiers écrits à la Critique de la raison pure. Hg. von Fernand Alquié. Paris 1980 (Pléiade-Ausgabe, O.c. I–III; hier: O.c. I). Erwähnt sei ferner: Kant: Critique de la raison pure. Übers. von J. Barni. Vorwort von Luc Ferry. Paris 1987. 50 Kant: Analytique du beau. Übers. von J. Barni. Durchgesehen von Ole Hansen-Løve. Paris 1983; Analytique du beau. Texte intégral. Paris 2012. 51 Kant: Projet de paix perpétuelle. Übers. von J. Barni. Durchgesehen von Alain Lagarde. Paris 1988. 52 Kant: Éléments métaphysiques de la doctrine de la vertu (Seconde partie de la Métaphysique des mœurs), suivis d’un Traité de pédagogie et de divers opuscules relatifs à la morale. Aus dem Dt. übers. von J. Barni, mit einer analytisch-kritischen Einleitung des Übersetzers. Paris 1855. Es handelt sich um die erste französische Auflage von Jules Barnis Übersetzung; die zweite Auflage erschien, begleitet von einem kritischen Apparat von Raymond Thamin, 1886 unter dem Titel Traité de pédagogie. Aus dem Deutschen übers. von J. Barni. Mit einem Vorwort, analytischen Zusammenfassungen und einem Glossar von Raymond Thamin. Paris 1886. 53 Hg. von Friedrich Theodor Rink. Königsberg, bei Friedrich Nicolovius, 1803. 54 Kant: Traité de pédagogie. Übers. von J. Barni. Durchgesehen und aktualisiert von Pierre-José About. Paris 1981. Diese Neuauflage der durchgesehenen Übersetzung von Barni stützt sich auf die zweite Auflage der Übersetzung des Traité de pédagogie, erschienen 1886. 55 Halten wir an dieser Stelle fest, dass Alejo García Moreno mit Juan Ruvira gleichermaßen spanische Übersetzungen auf der Grundlage der französischen Übersetzungen Tissots realisiert hat; dies gilt etwa für die Übersetzung von Kants Logik: Lógica. Madrid 1875. 56 Kant: Crítica del Juicio, seguida de las Observaciones Sobre el Asentimiento de lo Bello y lo Sublime. Übers. von Alejo García Moreno/Juan Ruvira. 2 Bde. Madrid 1876. Die französischen Scharnierübersetzung von Jules Barni: Critique du jugement […] [Anm. 37]. 57 Kant: Crítica de la razón práctica, precedida de los fundamentos de la metafísica de las

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Mit Sicherheit haben andere Übersetzer – wenngleich sie keinen Beitrag zu dieser zweiten ›Welle‹ der Übersetzungen Kants geleistet haben, da ihre Übersetzungen später erfolgten – die Geschichte der Übersetzungen Kants in Frankreich 58 geprägt und in diesem Sinne zur Verbreitung des Kritizismus beigetragen. In besonderer Weise trifft dies auf Victor Delbos zu, dessen erstmals 1907 erschienene französische Übersetzung der GMS unter dem Titel Fondements de la métaphysique des mœurs59 mehrfach neu aufgelegt wurde60 und unter diesem Titel61 noch heute als Referenz dient. Im Übrigen haben Alexis Philocostumbres. 2 Bde. Madrid 1876. Die frz. Scharnierübersetzung von Barni: Kant: Critique de la raison pratique [Anm. 36]. 58 Es ist uns selbstverständlich nicht möglich, im Rahmen des vorliegenden Beitrages alle oder auch nur die wichtigsten französischen Übersetzungen von Schriften Kants anzuführen. Das Hauptziel des Beitrages ist es, den neueren Stand der Kant-Übersetzungen darzulegen, und daher haben wir uns entschieden, vor allem die Neuübersetzungen seit 1980 vorzustellen. Zu den (weiterhin oder neuerdings) kanonischen Übersetzungen ins Französische zählt etwa die Übersetzung der KpV durch François Picavet (Paris 1888 [Anm. 2]; erschienen rund 40 Jahre nach der Übersetzung von Barni; mit einem Vorwort zur Wirkungsgeschichte der kantischen Philosophie in Frankreich zwischen 1773 und 1814 sowie philologischen und philosophischen Kommentaren). Diese Übersetzung ist oft neu aufgelegt worden (z. B. 1902, 1906, 1913) und wird auch heute noch verlegt (zuletzt 2016 bei PUF); eine neue Einleitung dazu verfasste Ferdinand Alquié, zuerst erschienen in der Ausgabe bei PUF 1943 und dann bisher (bis 2016) immer wieder nachgedruckt. Die wirkungsgeschichtliche Einleitung ist auch heute noch erhellend. – Von den im 19. und 20. Jahrhundert realisierten Übersetzungen, die einigen Einfluss ausgeübt haben, sollte die französische Übersetzung von Kants Anthropologie durch Michel Foucault erwähnt werden. Sie erschien zuerst 1964 bei Vrin und wurde dort 2017 neu aufgelegt, erstmals mit der vollständigen Einleitung Foucaults (Genèse et structure de l’anthropologie de Kant) an Stelle der in den vorherigen Auflagen (1964, 1970, im Taschenbuchformat 1991, 1994, 2002) zu findenden kurzen historischen Präsentation (Notice historique), die dem Leser nicht mehr als ein kurzes Abstract von Foucaults Thèse complémentaire bot (Phil. Diss. Paris/La Sorbonne le 20 Mai 1961). Die neue Ausgabe von Foucaults Übersetzung inclusive der genannten ausführlichen Einführung erlaubt es dem Leser erstmals, »die Werkstatt eines Denkers [sc. Foucaults] zu betreten, dessen gesamtes Werk sich einer kritischen Auseinandersetzung mit Kant über die Frage verdankt: Was ist der Mensch?« (Verlagstext auf dem Bucheinband). 59 Die Übersetzung von Delbos ist nicht die erste französische Übersetzung der GMS, sondern vielmehr die dritte. Ihr geht die von Jules Barni verfertigte Übersetzung voraus (Critique de la raison pratique, précédée des Fondements de la métaphysique des mœurs [Anm. 36]. Neuauflage 1948) sowie diejenige von Joseph Tissot aus dem Jahr 1854 [in der dritten Auflage; zuerst ersch. 1830 in Paris bei Levrault, dann 1837 (2. erweiterte Aufl.)]: 1° De la traduction de l’Analyse de l’ouvrage par Mellin; 2° De la traduction de l’Analyse des Fondements de la métaphysique des mœurs et de celle de la Critique de la raison pratique, par le même; 3° De la traduction de la Morale élémentaire de Fr.-W. Snell. 60 Kant: Fondements de la métaphysique des mœurs. Neuübers., mit einer Einleitung und Anmerkungen von Victor Delbos. Paris 1907, erneut 1912; diese Übersetzung wurde 1957, 1969, 1971, 1993 (mit einem Vorwort von Monique Castillo) neu aufgelegt. 61 Delbos hebt zu Recht hervor, dass er die gängige deutsche Übersetzung des Titels

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nenko 62 und Ferdinand Alquié Delbos’ Übersetzung der GMS übernommen;63 Ferdinand Alquié ergriff dabei die Gelegenheit, »einen der besten Kommentatoren Kants zu würdigen, dessen Werk […] noch immer aktuell ist« (» [de] rendre hommage à l’un des meilleurs commentateurs de Kant, dont l’œuvre […] est toujours actuelle.«) 64 III.  Veröffentlichung der Werke Kants in der Bibliothèque de la Pléiade

Mit der Herausgabe von drei Bänden unter dem Titel Œuvres philosophiques bei Gallimard in der Bibliothèque de la Pléiade (1980, 1985 und 1986) verfolgte Ferdinand Alquié nicht mehr in erster Linie das Ziel, dem französischen Publikum die kantische Philosophie vorzustellen oder es auf das Verständnis der Werke der kritischen Philosophie vorzubereiten, sondern vielmehr, dieses Publikum direkt mit den Texten zu konfrontieren und deren direkte und objektive Rezeption zu ermöglichen. Die Herausforderung bestand nämlich darin, den Schriften Kants den größtmöglichen Raum zu geben, ohne irgendeine persönliche Konzeption darzulegen, ganz dem Prinzip folgend, das dieses Editionsprojekt als Ganzes beseelt: »eine Kant-Ausgabe ist keine Abhandlung über Kant. Sie zielt ausschließlich auf Objektivität.« (»une édition de Kant n’est pas une thèse sur Kant. Elle tend à la seule objectivité.«) 65 Mit dieser Ausgabe wollte Alquié dem französischsprachigen Leser zugleich die größtmögliche Zahl von Texten zugänglich machen. Alquié wusste von Anfang an, dass es unmöglich sein würde, die Übersetzung aller kantischen Texte in beibehalten hat, obwohl das französische Wort fondement das deutsche Grundlegung nicht adäquat wiedergibt und weder die Handlung des Grund-Legens noch den propädeutischen Charakter des Werks zum Ausdruck bringt. Freilich sei ihm jede alternative Übersetzung als unvereinbar mit der französischen Sprache oder als wohl noch unangemessener erschienen, vgl. Delbos: Avant-propos. In: Kant: Fondements de la métaphysique des mœurs. Paris 1989. 1. Auf der Grundlage einer Synopse der vier von Kant autorisierten Ausgaben der GMS (1785, 1786, 1792, 1797) entscheidet Delbos sich dafür, nicht die erste, sondern die zweite Aufl. (1786) zu Grunde zu legen, die ihm als die beste erscheint (vgl. ebd.). Er folgt damit der AA, die gleichfalls die 2. Aufl. gewählt hatte; an einigen wenigen Stellen weicht Delbos von der AA ab, wenn er Korrekturen des Herausgebers verwirft oder Korrekturen/Varianten akzeptiert, die der Herausgeber verworfen hatte; Delbos macht solche Abweichungen von der AA durchweg kenntlich. 62 Fondements de la métaphysique des mœurs. Übers. von Victor Delbos, durchgesehen, mit einer neuen Einleitung und neuen Anmerkungen versehen von Alexis Philonenko. Paris 1980. 63 Ziel war es, Delbos’ Übersetzung in der in der Pléiade-Ausgabe standardisierten Form zu übernehmen und einige Begriffe zu klären. Vgl. Kant: O.c. II (Édition de la Pléiade). 64 Ebd. 239. 65 Kant: O.c. III. XIV [Hervorhebung S.G.].

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nur drei Bänden zusammenzufassen – allein zu Lebzeiten Kants wurden mehr als 70 Titel veröffentlicht – und damit eine französische Gesamtausgabe von Kants Werken zu publizieren. Wie also unter diesen Veröffentlichungen diejenigen auswählen, die nicht übersetzt werden sollten? Alquié ging davon aus, dass Kant, obgleich sich sein Interesse auf alle Bereiche erstreckte, vor allem Philosoph war und als solcher seinen Platz in der Ideengeschichte hatte. Er nahm infolgedessen hauptsächlich Kants ›philosophische‹ Texte auf, und daher lautet der Titel dieser Edition: Œuvres philosophiques/Philosophische Werke. Diese Ausgabe enthält, wenngleich sie nicht vollständig ist, doch alle wichtigen philosophischen Schriften Kants, die mit Blick auf eine Veröffentlichung verfasst worden sind. Um den Leser jedoch nicht in Unkenntnis über die Texte Kants zu lassen, die nicht in diese Ausgabe aufgenommen wurden, hat Alquié sie mit ihrem jeweiligen Erscheinungsdatum aufgelistet und kurz vorgestellt. Was die in die Ausgabe aufgenommenen Texte betrifft, 66 so wurde beschlossen, sie vollständig und ohne jegliche Kürzung zu präsentieren.67 Alquié legte außerdem Wert darauf, der französischsprachigen Leserschaft das Wesentliche der philosophischen Werke Kants gemäß der Reihenfolge ihres Erscheinens zu präsentieren; Alquié und seine Mitarbeiter waren der Überzeugung, dass Philosophie untrennbar mit ihrer Geschichte verbunden ist und dass wir noch viel von den Philosophen der Vergangenheit lernen können, dass »die Philosophie Kants nichts Totes oder Veraltetes und wenn nicht die philosophische Wahrheit […], dann zumindest eine der Formen ist, die diese Wahrheit innerhalb der Forschung und geistigen Erfahrungen von Menschen, die ihr Leben dem Versuch gewidmet haben, sie zu entdecken, angenommen hat« (dass »le kantisme n’est point chose morte ou dépassée«, dass er »sinon la vérité philosophique […], [est] du moins une des formes qu’a prises cette vérité, au sein des recherches et des expériences mentales des hommes qui ont consacré leur vie à tenter de la découvrir«).68 Last but not least verfolgte diese Edition der Werke Kants das Ziel, dem frankophonen Leser eine Übersetzung vorzulegen, die zugleich klar und wortgetreu ist.69 Ungeachtet dessen räumt Alquié ein, dass die Übersetzung in einigen Fällen 66

Von wenigen, in den Anmerkungen ausgewiesenen Ausnahmen abgesehen, folgen die Übersetzungen der Akademie-Ausgabe (AA). 67 Mit Ausnahme der Allgemeine[n] Naturgeschichte und Theorie des Himmels, oder Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprunge des ganzen Weltgebäudes […]. Königsberg und Leipzig 1755. AA 01: 217–368. 68 Kant: O.c. III. XII. 69 Um diesem Ziel gerecht zu werden, hat Alquié sich entschieden, einen deutschen oder lateinischen Terminus immer durch dasselbe französische Wort zu übersetzen. Alquié räumt freilich ein, dass diese Entscheidung nicht immer durchgehalten und diesem Vereinheitlichungsbedürfnis nicht immer Genüge getan werden konnte, da gewisse Termini in Kants Diktion unterschiedliche Bedeutungen haben können.

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nur dann lesbar sein kann, wenn man eine gelegentliche ›Untreue‹ in Bezug auf den Originaltext hinnimmt; wäre man in diesen Fällen dem Wortlaut des Textes treu geblieben, wäre die Übersetzung unleserlich geworden. Um diesen Zielen gerecht zu werden und dem Leser den Zugang zu den Haupttexten des Königsberger Philosophen zu erleichtern, enthalten diese drei Bände eine Reihe besonders nützlicher Werkzeuge:70 – Jeder der drei Bände enthält eine Chronologie des Zeitraums, dem die in dem jeweiligen Band übersetzten Werke zuzurechnen sind; so wird in Band I der Zeitraum vom 22. April 1724 (Kants Geburt) bis 1781, in Band II der von 1782 bis 1791 und in Band III die Periode von 1792 bis 1804 behandelt. – Um das Verständnis der schwierigsten Passagen zu erleichtern, werden die Übersetzungen von (durch die Übersetzer verfassten) Endnoten mit prinzipiell rein explikativem Charakter begleitet. So zielen diese Endnoten, die ein Wort oder einen Satz betreffen, in den häufigsten Fällen darauf ab, den einen oder anderen Punkt, dieses oder jenes Argument zu beleuchten. Für den Übersetzer besteht die Herausforderung hierbei darin, den Text zu erklären, ohne ihn zu rekonstruieren und, sofern das möglich ist, ohne ihn zu interpretieren oder dem Leser eine These oder persönliche Sichtweise aufzudrängen. – Jedem Teil ist eine Einleitung vorangestellt. Die von Alquié verfassten Einleitungen haben – auch hier mit dem Ziel, einseitige Kommentare zu vermeiden – einen im Wesentlichen historischen Charakter und zielen darauf ab, die Einheit zwischen den innerhalb eines jeden Bandes gesammelten und übersetzten Texten hervorzuheben. Wenn man, wie schon erwähnt, bedenkt, dass eine Kant-Edition keine Abhandlung über Kant ist, so hat sich Alquié besonders darum bemüht, »die wörtliche Bedeutung der vorgelegten Texte zu enthüllen und dabei jede Gesamtrekonstruktion oder abenteuerliche Synthese zu vermeiden« (»à dégager le sens littéral des textes présentés, en évitant toute reconstruction d’ensemble, toute aventureuse synthèse«), geleitet von dem Anliegen, dem Leser »Zeile für Zeile zu helfen zu verstehen, was der Autor sagt« (»à comprendre, ligne après ligne, ce que dit l’auteur«),71 während er ihm das Mittel an die Hand gibt, die Einheit (wie auch die Entwicklung) des kantischen Denkens zu erkennen. Gerade der den zwischen 1747 und 1781 verfassten Texten gewidmete Band I72 vereint Alquié zufolge die Werke, die hauptsächlich von der Suche nach einer Lösung des theoretischen Pro70 Allerdings mag man das Fehlen eines Namens- und eines Begriffsindexes bedauern, denn sie sind unseres Erachtens unentbehrlich, um dem Leser angesichts der rund 5000 Seiten, die die Pléiade-Ausgabe umfasst, Orientierung zu verschaffen; auch ist das Fehlen eines Glossars bedauerlich, welches dem Leser Aufschluss über die wichtigsten übersetzerischen Entscheidungen hätte geben können. 71 Kant: O.c. II. XI. 72 Kant: O.c. I (1980): Des premiers écrits à la Critique de la raison pure, ist in fünf Teile unterteilt: I. Les premiers écrits (1747–1762); II. Les écrits de 1763; III. Des observations sur

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blems von Natur und Reichweite des Wissens inspiriert sind, und erlaubt so, die Entwicklung, die Kant zur KrV geführt hat, zu erkennen und auf diese Weise der allmählichen Formulierung des Problems, auf das das Werk von 1781 eine Antwort liefert, zu folgen. Aus diesem Grund findet die KrV natürlicherweise ihren Platz am Ende von Band I: Die Lösungen, die sie bietet, antworten auf die Fragen, die sich Kant seit Beginn seiner Untersuchungen unaufhörlich gestellt hat. Die in Band II73 übersetzten und zwischen 1783 und 1791 erschienenen Texte – laut Alquié eine relativ kurze und so überaus fruchtbare Periode, dass man sagen könnte, dass sie »die Gesamtheit des kritischen Werks des Autors darlegen« (»exposent la totalité de l’œuvre critique de l’auteur«)74 – lassen erkennen, wie Kant die Methode der kritischen Analyse auf alle Bereiche und ganz besonders auf die Probleme der Moral, der Kunst und der Zweckmäßigkeit ausgedehnt hat. So fassen die Prol Alquié zufolge die KrV zusammen und erlauben auf diese Weise, die Essenz dessen aufzuspüren, was in der transzendentalen Philosophie den theoretischen Bereich betrifft. Die GMS und die KpV sind die beiden Hauptwerke, die Kant dem Problem der Grundlegung der Moral gewidmet hat. Die KU enthält die wichtigsten Überlegungen Kants über die Ästhetik und das teleologische Urteil. Dadurch erklärt sich die philosophische Einheit des zweiten Bandes. Die in Band III versammelten Texte hingegen, die in den letzten Lebensjahren des Philosophen veröffentlicht wurden (verfasst zwischen 1792 und 1804),75 behandeln höchst unterschiedliche Themen, sodass es schwierig ist, eine Einheit dieser Texte festzustellen, welche sich mit derjenigen vergleichen ließe, die Ferdinand Alquié als Gesamtherausgeber in den ersten beiden Bänden herauszuarbeiten suchte. Die in diesem dritten Band übersetzten Werke zeigen deutlich, dass sich Kant für höchst unterschiedliche Fragen interessiert hat und ein weites Reflexionsspektrum besaß (Religion, Tugend, Recht, Anthropologie, Erziehung etc.) und dass folglich sein Bemühen um Vereinheitlichung und Systematisierung dem Wunsch gewichen zu sein scheint, alle Wissensgebiete zu erforschen. – Neben den von Alquié für jeden Teil verfassten Einleitungen, die kurz die in jedem Teil übersetzten Hauptschriften vorstellen und dabei versuchen, eine Verbindung zwischen diesen Teilen herzustellen, sind einigen Übersetzungen von le beau et le sublime à l’étude des rêves d’un visionnaire (1764–1766); IV. La position du problème critique (1767–1780); V. La Critique de la raison pure (1781–1787). 73 Kant: O.c. II (1985): Des Prolégomènes aux écrits de 1791, umfasst sechs Teile: I. Les écrits de 1783–1784; II. Les écrits de 1785; III. Les écrits de 1786–1788; IV. La Critique de la raison pratique (1788); V. Les écrits de 1789 et la Critique de la faculté de juger; VI. Les écrits de 1790–1791. 74 Kant: O.c. II. XV. 75 Kant: O.c. III (1986): Les derniers écrits, umfasst fünf Teile: I. Les écrits de 1792–1793; II. Des réflexions sur la fin de toutes choses à l’examen d’un prétendu droit de mentir par humanité (1794–1797); III. La Métaphysique des mœurs et le Conflit des Facultés; IV. An­ thropologie et pédagogie; V. Œuvres inachevées.

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den jeweiligen Übersetzern selbst verfasste Vorbemerkungen vorangestellt, in denen sie das von ihnen übersetzte Werk vorstellen. – Schließlich enthält jeder Band auch eine (zweiteilige) Bibliographie, die die vollständige Liste der Originaltitel der Schriften Kants, die in dem vom jeweiligen Band behandelten Zeitraum erschienen sind, und eine Reihe von Studien aufführt, die den in dem jeweiligen Band übersetzten Werken Kants gewidmet sind. Abschließend kann man sagen, dass das Hauptinteresse und der wichtigste Beitrag dieser Edition unseres Erachtens darin liegt, in (nur) drei Bänden die zahlreichen bereits veröffentlichten französischen Übersetzungen, die bis dahin in einer Vielzahl von Publikationen verstreut waren, zu präsentieren. Auf diese Weise wird dem Hauptanliegen Alquiés Genüge getan: »einem größeren Publikum […] Zugang zu und Verständnis von einem besonders bewundernswerten und fruchtbaren Werk zu verschaffen« (»[de permettre] à un public plus large […] d’accéder à la connaissance et à la com­pré­hension d’une œuvre admirable et féconde entre toutes«)76 und auf diese Weise »Licht ins Dunkel zu bringen, ein Licht, das heutzutage manchmal selbst von denen wohl kaum noch wahr­ genommen wird, die es eigentlich verbreiten sollten, ohne welches jedoch niemand behaupten kann, völlige Klarheit zu erlangen« (»[d’] apporter […] une lumière qui, de nos jours, semble parfois n’être plus aperçue par ceux même qui la devraient ­répandre, mais sans laquelle nul ne peut prétendre atteindre une totale lucidité.«)77 Diese Ausgabe hat auch den Vorzug, dem frankophonen Leser neue Übersetzungen vorzulegen, wo die zuvor realisierten Übersetzungen ins Französische entweder vergriffen oder (aus welchem Grund auch immer) unbrauchbar geworden waren. So verhält es sich beispielsweise im Fall der Übersetzung der Nova dilucidatio durch Jean Ferrari, die auf die von Tissot im Jahr 1840 vorgelegte Erstübersetzung 78 folgt, im Fall der Übersetzung der IaG (1784), deren Erstübersetzung ins Französische79 zu der von uns so genannten ersten ›Welle‹ der Übersetzungen Kants gehört und mit der ›Ankunft‹ Kants in Frankreich zusammenfällt, oder auch im Fall der Übersetzung der Antwort Kants auf die Frage WA, deren Erstübersetzung ins Französische wir Jules Barni80 verdanken, wie gesagt einem der produktivsten Vermittler der kantischen Philosophie im Frankreich des 19. Jahrhunderts. Auch wenn es eine bewusste Entscheidung des Gesamtherausgebers war, nicht alle Texte Kants zu veröffentlichen, bedarf unserer Ansicht nach diese Ausgabe 76

Kant: O.c. I. XVI. Kant: O.c. II. XIII. 78 Vgl. Logique de Kant [Anm. 28]. 79 Charles de Villers: Kant: Idée de ce que pourrait être une histoire universelle dans les vues d’un citoyen du monde. Par M. Kant. 1798. 80 Vgl. [Jules Barni]. In: Éléments métaphysiques de la doctrine du droit [Anm. 38]. 77

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der philosophischen Werke Kants einer Vervollständigung, 81 insbesondere, aber nicht nur durch eine Übersetzung der kleineren wissenschaftlichen Werke (die bewusst bei Seite gelassen wurden), der Manuskripte, die die Vorlesungsnotizen Kants enthalten, oder auch des Manuskripts des letzten Werkes, an dem Kant gearbeitet hat, des Opus postumum. IV.  Die Erstübersetzungen

In diesem letzten und mit Abstand längsten Teil des vorliegenden Beitrags wollen wir die in den letzten Jahren realisierten Erstübersetzungen ins Französische in den Fokus rücken. Da die Haupttexte des Kritizismus bereits übersetzt und oft auch neu übersetzt waren, handelt es sich hier hauptsächlich um: – Texte, die Kant vor der KrV verfasst hat, genauer gesagt, um ›wissenschaftliche‹ Texte, die der vorkritischen Phase angehören – Briefe – ›Notizen‹/Bemerkungen, die zum Nachlass gehören und gemeinhin als Reflexionen bezeichnet werden – Entwürfe – Nachschriften der von Kant gehaltenen Vorlesungen (die Vorlesungen) – und, nicht zu vergessen, um das letzte Werk, an dem Kant zum Zeitpunkt seines Todes arbeitete, das Opus postumum. A.  Die wissenschaftlichen Schriften der vorkritischen Periode

Die Übersetzungen, die wir in diesem Abschnitt vorstellen, tragen Kants Inter­ esse für die Naturwissenschaften Rechnung, ein Interesse, das nie abgenommen hat und von dem insbesondere, freilich nicht ausschließlich, jene rund zehn Ar81

Es fehlen auch Übersetzungen der Physische[n] Geographie, von Rink 1802 ediert, und der 1800 von Jäsche edierten Logik, welche Alquié kaum als Werk Kants zulassen mag. Diesbezüglich erinnert Alquié daran, dass das, was man als Logik bezeichnet, dem Handbuch zur Logik von Meier entspricht, welches Kant für seine Vorlesungen benutzte und in das er seine persönlichen Bemerkungen eintrug; daher könne man das, was tatsächlich Kant zuzuschreiben ist, nur auf Grund eines detaillierten Vergleichs mit Meier ermitteln. Vgl. Alquié in Bd. III. 1207. Da Alquié den Leser freilich über den Stand der Dinge nicht gänzlich im Unklaren lassen wollte, hat er Alexandre J.-L. Delamarre mit der Abfassung einer Anmerkung zur Logik (Note sur la Logique) beauftragt (Bd. III. 1295–1299); vgl. Alquiés Kommentar ebd. 1207; dabei handelt es sich um die Übersetzung zweier eher kurzer Passagen, die in AA 09: 25 und 09: 94 transkribiert und publiziert sind. Es schließt sich im dritten Band der Pléiade-Ausgabe eine Information über das Opus postumum an. Vgl. Note sur l’Opus postumum. Ebd. 1301 ff.

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tikel zeugen, die er zwischen 1754 und 1794 der physischen Geographie und astronomischen Phänomenen gewidmet hat. Darin behandelt er unter anderem die Fragen der axialen Erdrotation, der Natur und Verbreitung des Feuers, des Ursprungs der Erdbeben, der Meteore und der meteorologischen Bedingungen. Überdies darf man nicht vergessen, dass die Naturwissenschaften einen integralen Bestandteil der Lehre bildeten, die in den philosophischen Fakultäten verbreitet wurde; Kant unterrichtete – zwischen 1755 und 1788 – 21 Semester lang (besonders theoretische) Physik; von dieser Lehre erfahren wir durch die drei erhaltenen Nachschriften. 82 – Arnaud Pelletier legt in Principes métaphysiques de la science de la nature/ Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft83 neben einer neuen Übersetzung dieser Schrift auch die Übersetzung derjenigen Texte vor, die zu den allerersten von Kant veröffentlichten Artikeln zählen und größtenteils bislang nicht auf Französisch erschienen sind. Diese Übersetzung zielt darauf ab, »nach einer langen Zeit des Desinteresses noch einmal ganz von vorn anzufangen« (»[à les] considérer à nouveaux frais après une longue période de désintérêt«) 84 und der französischsprachigen Leserschaft die Entdeckung dieser Artikel, die so gut wie gar nicht rezipiert worden waren, zu ermöglichen. Vielleicht ist letzterer Umstand in erster Linie damit zu erklären, dass diese Beiträge ursprünglich in der lokalen Presse veröffentlicht wurden und daher nur wenig Resonanz fanden. Diese Artikel sind tatsächlich nicht in den großen europäischen gelehrten Zeitschriften erschienen, sondern in Zeitungen wie dem Königsberger Wochenblatt, das von dem Buchhändler Johann Jacob Kanter herausgegeben wurde, den Wöchentliche[n] Königsbergsche[n] Frag- und Anzeigungs-Nachrichten und den Königsbergsche[n] gelehrte[n] und politische[n] Zeitungen, allesamt Zeitungen, deren Verbreitung extrem eingeschränkt war. Kant betont zudem in seinem Brief an Johann Heinrich Tieftrunk vom 13. Oktober 1797, dass eine Ausgabe seiner Werke die vor 1770 verfassten Texte nicht einschließen dürfe, sodass eine solche Ausgabe seine ersten Artikel außer Acht lassen musste. 85 Im Gegensatz zu dem von Erich ­Adickes in seinem Buch Kant als Naturforscher86 vertretenen Standpunkt legt Arnaud Pelletier dar, inwiefern diese ersten wissenschaftlichen Artikel »beschei82 Besonders

die Nachschrift von Mrongovius ab der Vorlesung des Sommersemesters 1785 kann als vollständig gelten (Theoretische Physik/gelesen/Im Sommer halben Jahre: 1785/Vom/Herrn Pr. Kant./Chr. Coelest. Mrongovius SSTC). 83 Kant: Principes métaphysiques de la science de la nature, suivis des Premiers articles sur la physique de la terre et du ciel. Übers. von Arnaud Pelletier [mit einem Glossar, einer Auswahlbibliographie und einem Namensindex]. Paris 2017. 84 Ebd. 239 f. 85 Vgl. Br, AA 12: 208. 86 Erich Adickes: Kant als Naturforscher. 2 Bde. Berlin 1924/1925. Mit seiner Übersetzung des Artikels aus dem Jahr 1754 will Pelletier Erich Adickes widerlegen, demzufolge Kant zwar ein Naturphilosoph, aber kein kompetenter Naturforscher war. – Zur naturwissen-

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dene, aber reelle« 87 wissenschaftliche Beiträge darstellen, und erinnert zu Recht daran, dass Kant drei Entdeckungen in den Naturwissenschaften zugeschrieben werden. 88 Kurz gesagt, ist Kant der Erste, der eine gültige wissenschaftliche Erklärung für den Einfluss der Gezeiten auf die Rotationsbewegung der Erde geliefert hat, 89 der Erste, der erklärt hat, warum der Mond der Erde immer dieselbe Seite zuwendet,90 und der Erste, der gezeigt hat, dass die Äquatorwinde oder die Pole einer lateralen Abweichung unterliegen.91 Auch verdanken sich Kant zwei Hypothesen, die sich als fruchtbar erwiesen haben: die Nebel-Hypothese und die gegen William Herschel gerichtete Hypothese, derzufolge die Krater, die auf dem Mond gesichtet wurden, keinen vulkanischen Ursprung haben; genauer gesagt, formuliert Kant in seinem im Juni 1754 veröffentlichten Aufsatz UFE die bis zu diesem Zeitpunkt niemals erwogene Hypothese einer Verlangsamung der axialen Erdrotation, d. h. einer tendenziellen Verlängerung der Dauer des Tages. Kant gibt in dem ersten nach seinen GSK (1746) veröffentlichten Text »eine vollständige physikalische Erklärung, die auch heute noch als absolut richtig gilt« (»une explication physique complète tenue aujourd’hui encore comme parfaitement juste«), sodass »ganz gleich in welchem Handbuch über Himmelsmechanik Kant im Kapitel über Erdrotation erwähnt wird«. (»n’importe quel manuel de mécanique céleste mentionne Kant au chapitre de la rotation de la Terre«.) 92 Pelletier gelingt es also, indem er der frankophonen Leserschaft Zugang zu diesem kleinen Aufsatz verschafft, die in ihm enthaltene Entdeckung offenzulegen – eine Entdeckung, die, ebenso wie der Aufsatz selbst, von philosophischen Kommentatoren weitgehend ignoriert wird – und auf diese Weise Kant den Platz zuzuweisen, der ihm gebührt.93 An diesen ersten Artikel hängt Pelletier die Übersetzung eines Teils der ersten Entwürfe an; es handelt sich um Versuche einer Antwort auf die von der Akademie im Jahr 1754 gestellte Frage nach der axialen Erdrotation ,94 in schaftlichen Theoriebildung und Terminologie vgl. die Beiträge von Mai Lequan und Paolo Pecere im vorliegenden Band. 87 Pelletier. In: Kant: Principes métaphysiques de la science de la nature [Anm. 83] 10. 88 Es geht um die erste Formulierung dreier Aussagen, die eine Theorie intern vollständig rechtfertigen und experimentell bestätigt werden können. Vgl. ebd. 248. 89 Pelletier räumt ein, Kants Erklärung sei erst ein Jahrhundert später verifiziert worden. 90 Vgl. Kant: Untersuchung der Frage, ob die Erde in ihrer Umdrehung um die Achse, wodurch sie die Abwechselung des Tages und der Nacht hervorbringt […]. In: Wöchentliche Königsbergsche Frag- und Anzeigungs-Nachrichten 23/24 (8./15. Juni 1754). 91 Vgl. Kant: Neue Anmerkungen zur Erläuterung der Theorie der Winde. Königsberg 1756. 92 Pelletier. In: Kant: Principes métaphysiques de la science de la nature [Anm. 83] 253 f. 93 Insbesondere wird die irrige Sichtweise ausgeräumt, derzufolge die Erde sich nach Ablauf von zwei Millionen Jahren – von der Gegenwart aus gerechnet – nicht mehr drehen werde.  94 Vgl. Kant: Nachlass, AA 23 (Fragment zur Preisfrage von 1754).

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denen Kant eine Hypothese ins Auge fasste, die sich von der im Juni formulierten Hypothese unterschied.95 Nun erklärte Kant jedoch in seinem im Juni veröffentlichten Aufsatz, warum er nicht an dem Wettbewerb teilnehmen werde96 – gerade, als die Akademie dabei war, ihr Urteil zu fällen –, und erklärte damit alle in den eingereichten Denkschriften gelieferten Antworten für ungültig. Kant zufolge ist das Problem in zweifacher Hinsicht unlösbar: einerseits, insofern das Thema von einem physikalischen Standpunkt aus gesehen »seiner Natur nach auf dieser Seite unfähig ist, zu demjenigen Grade der Vollkommenheit gebracht zu werden« 97 (d. h. eine präzise mathematische Behandlung der Widerstands- oder Beschleunigungskräfte, die die Erdrotation verändern könnten, zu erhalten), und andererseits, insofern es von einem sachlichen Standpunkt aus gesehen unmöglich ist, eine physikalische Hypothese, die sich auf die Rotation der Erde oder die Dauer des Tages bezieht, zu verifizieren. So bleibt letztlich nur die Möglichkeit, eine physikalische Erklärung zu formulieren, indem man sich unmittelbar an der Natur orientiert98 und deren Wirkungen abschätzt, ohne sie jedoch messen zu können. Arnaud Pelletier lässt der Übersetzung des Aufsatzes vom Juni 1754 eine französische Neuübersetzung des Beitrages folgen,99 der der »Frage des Alterns der Erde, von einem physikalischen Standpunkt aus betrachtet« gewidmet ist und zwischen dem 10. August und dem 14. September 1754 in sechs sukzessiven Nummern wiederum in der besagten Zeitschrift der Wöchentliche[n] Königsbergsche[n] Frag- und Anzeigungs-Nachrichten veröffentlicht wurde.100 Während dieser Aufsatz von der Erdalterung handelt, befassen sich die beiden von Arnaud Pelletier übersetzten Aufsätze von 1754 mit vergleichbaren Phänomenen, außergewöhnlichen Wirkungen (Verlangsamung oder Alterung der Erde), die durch die Integration oder Anhäufung kleinster Ursachen (Meeresströmungen oder Flusserosionen) entstehen, von einem physikalischen Standpunkt aus betrachtet. Doch während der Artikel über die Rotation seine Hypothese direkt auf der Basis der Newtonschen Physik formuliert und Newton als einzige Referenz zitiert, unter 95 In

seinen Antwortversuchen bezieht Kant sich direkt auf die erste Proposition des dritten Buchs von Newtons Philosophiae naturalis principia mathematica (»trouver la proportion de l’axe d’une planète au diamètre qui lui est perpendiculaire«, vgl. Newton: Principes mathématiques de la philosophie naturelle. Aus dem Lateinischen übers. nach der Ausgabe von 1726 von Émilie Du Châtelet. Paris 1759), welche er mit Huygens’ Analysen der Wirkung der Schwerkraft auf die Form der Erde konfrontiert.  96 Vgl. UFE, AA 01:185.  97 UFE, AA 01:185.  98 UFE, AA 01:186: »Ich will mich also deshalb unmittelbar an die Natur halten […].«  99 Es handelt sich nicht um eine französische Erstübersetzung, denn dieser Artikel wurde bereits von Hicham-Stéphane Afeissa übersetzt (erschienen in: Philosophie 110 [2011] 3–30).  100 Die Frage, ob die Erde veralte, physikalisch erwogen; der Artikel erschien anschließend in den Wöchentliche[n] Königsbergsche[n] Frag- und Anzeigungs-Nachrichten 32–37 (10. August–14. September 1754).

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sucht der zweite Text vier Hypothesen, für deren Prüfung Kant Arbeiten von Wissenschaftlern aus ganz Europa heranzieht: die orographische Hypothese des Bologneser Astronomen Eustachio Manfredi, die Erhebungen des schwedischen Chemikers J. Gottschalk Wallerius oder des holländischen Botanikers Nicholaus Hartsöcker, die mineralogischen Experimente des holländischen Arztes Hermann Boerhaave und die botanischen Experimente des englischen Naturforschers Stephen Hales.101 Selbst wenn der Artikel über die Alterung der Erde, wie Pelletier betont, von allen Artikeln über die Theorie des Himmels und der Erde als der am wenigsten eigenständige und als der unausgereifteste erscheinen mag, so zeugt er doch von einem sehr klaren Verständnis des Phänomens der Flusserosion und der Sedimentation und legt »ein differenziertes und vollständiges Verständnis der Physik«, eine »conception discriminante et intégrative de la physique«102 an den Tag, indem er die Hypothesen verwirft, die die Phänomene nicht sichern, und die physikalischen Phänomene in einem größeren Zusammenhang situiert, in dem das Problem der Erderosion nicht unabhängig vom Gasaustausch behandelt wird. Auf die Übersetzung dieser aus dem Jahr 1754 stammenden Aufsätze folgt die Übersetzung eines der drei Texte, die Kant dem Erdbeben von Lissabon vom 1. November 1755 gewidmet hat, VUE. In diesem ersten Beitrag, der am 24. und 31. Januar 1756 in den Nummern 4 und 5 der Wöchentliche[n] Königsbergsche[n] Frag- und Anzeigungs-Nachrichten veröffentlicht wurde, bemüht sich Kant, eine physikalische Erklärung des von Feuersbrünsten begleiteten seismischen Stoßes zu liefern, der mehr als die Hälfte Lissabons (mit damals ungefähr 150000 Einwohnern) zerstört hat und selbst heute noch als der heftigste angesehen wird, den Europa je erlebt hat; seine Stärke auf der Richterskala betrug 8,7. Der letzte von Pelletier in dieser Sammlung übersetzte Text ist die Rezension von Silberschlags Schrift: ›Theorie der am 23. Juli 1762 erschienenen Feuerkugel‹, die anonym in der 15. Nummer der Königsbergsche[n] gelehrte[n] und politische[n] Zeitungen vom Freitag, dem 23. März 1764 veröffentlicht wurde. – Die Übersetzung dieser wissenschaftlichen Beiträge der vorkritischen Periode ergänzt Mathieu Goldgewichts französische Erstübersetzung von Meditationum quarundam de igne succincta delineatio, gemeinhin als De igne bezeichnet,103 eine Schrift, die der Philosophischen Fakultät der Universität zu Königsberg am 17. April 1755 zur Erlangung des Magistertitels vorgelegt wurde. Da nur die Dissertationen der drei höheren Fakultäten veröffentlicht wurden, blieb De igne zu Kants Lebzeiten unveröffentlicht; es erschien unter dem frz. Titel Esquisse sommaire de quelques méditations sur le feu. 101

Vgl. Pelletier. In: Kant: Principes métaphysiques de la science de la nature [Anm. 83] 297.

102 Ebd. 304. 103 Kant:

De igne. Übers. von Mathieu Goldgewicht. In: Philosophie 63 (1999). 13–30.

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– Die von Pelletier vorgelegten Übersetzungen ergänzen auch die französische Übersetzung mehrerer kleinerer wissenschaftlicher Werke,104 die zwischen 1756 und 1768 verfasst wurden, nämlich der MonPh/Monadologie physique105 (eine Abhandlung, die Kant am 23. März 1756 vor der Philosophischen Fakultät der Universität zu Königsberg im Hinblick auf die Berufung zum außerordentlichen Professor für Logik und Metaphysik vorgelegt und am 10. April öffentlich verteidigt hat – Knutzens Stelle war seit dessen Tod im Jahr 1751 vakant), von NLBR/ Nouvelle définition du mouvement et du repos (1758), von DfS/De la fausse subtilité des quatre figures du syllogisme (1762) und GUGR/Du premier fondement de la différence des régions dans l’espace.106 – Um die Besprechung der seit den 1970er Jahren erschienenen französischen Übersetzungen der vorkritischen wissenschaftlichen Texte Kants zu beschließen, seien an dieser Stelle einige Worte über die Neuübersetzung von NTH erlaubt. Fast ein Jahrhundert nach der französischen Übersetzung von NTH durch Charles Wolf legten Pierre Kerszberg, Anne-Marie Roviello und Jean Seidengart eine vollständige französische Neuübersetzung der Schriften von 1755 unter dem Titel Histoire générale de la nature et théorie du Ciel vor.107 Da die von Charles Wolf realisierte vollständige Übersetzung108 vergriffen und die von François Marty im ersten Band der Pléiade-Ausgabe vorgelegte Übersetzung unvollständig war,109 boten Pierre Kerszberg, Anne-Marie Roviello und Jean Seidengart eine Neuübersetzung an, die diejenige Wolfs korrigieren und auf diese Weise die Theorie des Himmels aus der Vergessenheit holen sollte. Die NTH hatte in der französischsprachigen Kant-Forschung kaum Aufmerksamkeit gefunden und erschien »als eine große Vergessene der Geschichte« (»figure comme une grande oubliée de l’histoire«).110 Den Übersetzern zufolge ist es übrigens bezeichnend, dass die Erstübersetzung ins Französische im Jahr 1886 nicht durch einen Philo104 Vgl.

Kant: Quelques opuscules précritiques. Übersetzt von Sylvain Zac. Paris 1970. Metaphysicae cum geometria junctae usus in philosophia naturali, cuius specimen I. continet monadologiam physicam. Königsberg 1756. 106 Kant: Von dem ersten Grunde des Unterschiedes der Gegenden im Raume. In: Wöchentliche Königsbergsche Frag- und Anzeigungs-Nachrichten. 6–8 (1768). 107 Histoire générale de la nature et théorie du ciel. Übers. von Pierre Kerszberg/AnneMarie Roviello/Jean Seidengart. Paris 1984. Enthalten sind bibliographische Hinweise auf die Forschung zur vorkritischen kantischen Kosmologie sowie ein Index der zitierten Namen. 108 Charles Wolf: Les hypothèses cosmogoniques. Examen des théories scientifiques modernes sur l’origine des mondes, suivi de la traduction de la Théorie du ciel de Kant. Paris 1886; vgl. die Übersetzung der Histoire naturelle générale et théorie du ciel, ebd. 103–255. Steve Naragon führt in seiner Bibliographie der Übersetzungen der Schriften Kants eine 1808 publizierte Übersetzung an, die also früher als die Wolfsche Übersetzung erschienen ist. Vgl. Naragon: Kant’s Writings in Translations. 109 Kant: Histoire générale de la nature et théorie du ciel. Übers. von François Marty. In: Kant: O.c. I. 35–107 [Teiledition]. 110 Kant: Histoire générale de la nature et théorie du ciel [Anm. 107] 9. 105 Kant:

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sophen, sondern durch einen Astronomen erfolgte. Die besagte Neuübersetzung will in diesem Kontext der kantischen Kosmologie wieder den Platz zuweisen, den sie innerhalb der französischen Kant-Forschung nie hätte aufgeben dürfen. Um diesem Anliegen gerecht zu werden, haben die Übersetzer sich entschieden, ganz im Gegensatz zu der Übersetzung von 1886, die die Texttreue immer wieder dem schönen Stil opfert und sich so recht häufig vom wörtlichen Inhalt des Originaltexts entfernt, so nah wie möglich am Wortlaut des Textes zu bleiben; sie haben eine eher wörtliche denn literarische Übersetzung vorgelegt und die Entscheidung getroffen, den Text Kants, der mitunter nicht nur schwerfällig und umständlich ist, sondern darüber hinaus gewisse konzeptuelle Ungenauigkeiten enthält, nicht zu korrigieren. Die Tatsache, dass Kant der literarischen Form dieser Texte keine besondere Bedeutung zugemessen zu haben scheint, hat sie darin bestärkt. Um das Verständnis der unübersichtlichsten und am wenigsten präzisen Passagen zu erleichtern, haben die Übersetzer in Anmerkungen Kommentare hinzugefügt und ihrer Übersetzung ein von Pierre Kerszberg verfasstes Nachwort über »die philosophische Bedeutung einer grundlegenden kosmologischen Fragestellung in der Theorie des Himmels« (»le sens philosophique d’une interrogation cosmologique fondamentale dans la Théorie du Ciel«) folgen lassen, das die dreiteilige Einleitung von Jean Seidengart ergänzt, der das ›Wiederaufleben der Kosmologie in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts‹, die ›Annäherung des jungen Kant an eine Kosmologie‹ und die ›Behandlung der Kosmologie in der Theorie des Himmels‹ expliziert. In der Bilanz erscheint es als unbestreitbar, dass die lange Einleitung, das Nachwort und die kommentierenden Anmerkungen, die diese vollständige Neuübersetzung der Allgemeine[n] Naturgeschichte und Theorie des Himmels begleiten, den Zweck dieser Übersetzung erfüllen: eine beträchtliche Lücke in der französischen Kant-Forschung und in der Geschichte der Kosmologie zu füllen. B.  Der Briefwechsel

Während einige Briefe Kants seit 1862 sukzessiv ins Französische übersetzt wurden,111 wird ein Großteil seiner in den Bänden 10 bis 12 der AA erschienenen Korrespondenz erst im Jahre 1991 auf Französisch zugänglich. Der Band der Correspondance beansprucht,112 die französische Übersetzung aller von Kant 111 Eine

erste Auswahl aus dem Briefwechsel Kants wurde 1862 von Tissot übersetzt (Kant: Correspondance philosophique entre Kant et Lambert); vgl. Kant: Mélanges de logique [Anm. 27] 277–314. 112 Kant: Correspondance par Immanuel Kant. Aus dem Dt. übers. von Nicolas Aumonier/Marie-Christine Challiol/Marc B. de Launay/Michèle Halimi/Max Marcuzzi/Valérie Séroussi. Paris 1991 [ohne Einleitung, Indices, Glossare und ohne Bibliographie]. Zur Infor-

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verfassten Briefe ebenso wie eine Auswahl von Briefen seiner Korrespondenten (Hamann, Lavater, Mendelssohn, Fichte, Schiller u. a.) zu enthalten.113 So präsentiert die Correspondance die französische Übersetzung von 457 Briefen (die 26 in den Nachlieferungen veröffentlichten Briefe müssen noch hinzugezählt werden), angefangen mit dem Brief vom 23. August 1749, den Kant an Albrecht von Haller richtet, bis hin zu dem an Friedrich Stuart adressierten Brief vom 9. April 1803. Da Einleitungen – wie auch Glossare – fehlen, ist zu bedauern, dass uns der Herausgeber des Bandes über die von den Übersetzern getroffenen begrifflichen Entscheidungen im Dunkeln lässt. Auch hätte ein Sachregister dem französischsprachigen Leser das Auffinden derjenigen Briefe erleichtert, in denen Kant und seine Gesprächspartner die wichtigsten Themen der kritischen Philosophie behandeln. C.  Der Handschriftliche Nachlass

Der Handschriftliche Nachlass (dritte Sektion der AA) vereinigt – Aufzeichnungen und Reflexionen Kants, d. h. größtenteils Anmerkungen, die Kant in seinen Handexemplaren – zumeist Handbüchern, die er verwendete, um seine Vorlesungen zu halten – 114 hinterlassen hat – Reflexionen und Argumente, die er auf losen Blättern (Lose Blätter) notiert hat (vgl. Refl, AA 14–19)115 mation über die in diesem Band übersetzten Briefe kann man zurückgreifen auf die deutsche Ausgabe. Vgl. Kant: Briefwechsel. Auswahl und Anmerkungen von Otto Schlöndorffer. Bearbeitet von Rudolf Malter. Hamburg 1986. 113 Der Herausgeber gibt an, die Briefe unverändert und in der Übersetzung von Jacques Rivelaygue der dreibändigen Pléiade-Ausgabe entnommen zu haben. Vgl. Avertissement de l’éditeur. 114 Der Website von Steve Naragon [https://users.manchester.edu/facstaff/ssnaragon/ kant/Helps/KantsWritingsTranslationsLinks.htm] zufolge hat Kant 18 Handbücher für seine Vorlesungen benutzt, von denen nur sechs im Lauf der Zeit lokalisiert werden konnten. Drei von ihnen sind im Zweiten Weltkrieg zerstört worden oder verschollen: das Exemplar von Achenwalls Naturrecht-Handbuch, dessen zweiter Band hatte lokalisiert werden können (Jus naturae in usum auditorum, pars posterior, Bücher 2–4, 5.Aufl. Göttingen, Bossiegel, 1763 [11750]), das von Johann August Eberhards Handbuch zur natürlichen Theologie (Vorbereitung zur natürlichen Theologie zum Gebrauch akademischer Vorlesungen, Halle, Waisenhaus, 1781) sowie von Baumgartens Einführung in die praktische Philosophie. Glücklicherweise waren Kants handschriftliche Notizen zu diesen Handbüchern transkribiert und in AA 18 und AA 19 ediert worden, bevor diese Exemplare verschwanden. Die drei heute noch verbleibenden Handbücher sind: zwei Auflagen von Baumgartens Metaphysica (die dritte und vierte Auflage, nur Letztere scheint von Kant tatsächlich im Hörsaal gebraucht worden zu sein, vgl. AA 17, 18), sowie Meiers Vernunftlehre (AA 16). 115 AA 14–18. Hg. von Erich Adickes, AA 19 von Erich Adickes/Friedrich Berger. Adickes war verstorben, als Bd. 19 erschien.

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– Entwürfe und Revisionen (vgl. HN, AA 20, 23)116 – das Opus postumum (vgl. OP, AA 21, 22).117 Mehrere Passagen des Handschriftliche[n] Nachlass[es] wurden ins Französische übersetzt. Hier sind besonders zu nennen: – eine Auswahl an Reflexionen, die sich auf die Metaphysik und die Moralphilosophie beziehen, – Anmerkungen, die Kant auf seinem persönlichen Exemplar der Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen hinterlassen hat, – eine Reihe von Auszügen aus dem Opus postumum.118 D.  Der Duisburgsche Nachlass

Unter dem Titel Manuscrit de Duisbourg (1774–1775)119 bietet uns François-­ Xavier Chenet die französische Erstübersetzung der Reflexionen 4674–4682 (transkribiert in AA 17: 643–672).120 Da Folio 8 (Reflexion 4675) auf der Rückseite eines Briefes Bertrams an Kant, der das Datum 20. Mai 1775 trägt, verfasst wurde, haben diese Reflexionen, verglichen mit dem Großteil der im Nachlass versammelten Reflexionen, den nicht unerheblichen Vorzug, zuverlässig datiert werden zu können, im vorliegenden Fall auf die Jahre 1774–1775. Insofern bieten diese Reflexionen wertvolles Material, das dabei helfen kann, die Lücke zwischen der Veröffentlichung der am 21. August 1770 verteidigten Inaugural-Dissertation MSI und dem Erscheinen der KrV im Jahr 1781 auszufüllen. Ungeachtet des unbestreitbaren Potenzials dieser Reflexionen im Hinblick auf eine Rekonstruktion der Entwicklung des kantischen Denkens zwischen 1770 und 1781 sind der Gebrauch und a fortiori die Übersetzung dieser Reflexionen nicht unproblematisch und haben den Übersetzer gezwungen, eine Reihe von Entscheidungen zu treffen, angefangen mit der Frage der Reihenfolge der übersetzten Reflexionen. François116

AA 20, 23. Hg. von Gerhard Lehmann. 21, 22. Hg. von Artur Buchenau/Gerhard Lehmann. Einige Reflexionen waren bereits vor ihrer Publikation im Rahmen der AA erschienen, vgl. Karl Rosenkranz/Friedrich Wilhelm Schubert (Hg.): Immanuel Kant’s sämmtliche Werke. 12 Bde. Leipzig 1838– 1842, Benno Erdmann (Hg.): Reflexionen Kants zur kritischen Philosophie. Aus Kants handschriftlichen Aufzeichnungen. 2 Bde. Leipzig 1882/1884, und Rudolph Reicke (Hg.): Lose Blätter aus Kants Nachlass. 3 Bde. Königsberg 1889/1895/1898. 118 Wir präsentieren im Folgenden die Übersetzungen des Nachlasses nach der Anordnung in der AA. 119 Kant: Manuscrit de Duisbourg (1774–1775). Hg. und übers. von François-Xavier Chenet. Paris 1988 [ohne Indices, ohne Glossar]. 120 Der Duisburgsche Nachlass wurde erstmals 1889 von Rudolf Reicke publiziert (Lose Blätter aus Kants Nachlass. 2 Bde. Königsberg 1889–1899). Bekanntlich fehlt der Duisburgsche Nachlass in den von Benno Erdmann edierten (Kant) Reflexionen. Leipzig 1881–1884. 117 AA

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Xavier Chenet boten sich zwei Optionen: Reickes121 oder der von Theodor Häring gewählten122 und von Erich Adickes in der AA fortgeführten Anordnung zu folgen. Der Übersetzer des Duisburgsche[n] Nachlass[es] hat beschlossen, der AA zu folgen, die, wie er betont, die maßgebliche Referenz (›autorité et référence‹) darstellt. Darüber hinaus hielt Chenet es für sinnvoll, der Übersetzung der Reflexionen, die den Duisburgsche[n] Nachlass bilden, die Übersetzung der 168 Reflexionen, die in den Bänden 17 und 18 der AA veröffentlicht wurden, folgen zu lassen. In diesem Sinne übernahm Chenet die Übersetzung der zeitgenössischen und parallelen Reflexionen, die die Analysen im Duisburgsche[n] Nachlass verdeutlichen und bestätigen konnten. Er entschied sich des Weiteren, diese Option in zwei Richtungen zu erweitern: einerseits, Reflexionen zu übersetzen, die seiner Meinung nach Aufschluss über das Fortschreiten der kantischen Reflexion in Richtung auf die Transzendentale Ästhetik und Transzendentale Dialektik der zukünftigen KrV geben, und andererseits, den Zeitraum seiner Untersuchungen ausdehnen: Nachdem Chenet die Materialien, die aus der Zeit von 1774 bis 1775 und unmittelbar vorher und nachher datieren, erforscht hatte, beschloss er, diejenigen Reflexionen, die für die Kenntnis der Entwicklung der kantischen Philosophie während der zehn Jahre interessant sind, die gemeinhin als ›das schweigende Jahrzehnt‹, ›das Schweigen Kants‹ (›le silence de Kant‹) bezeichnet werden,123 ins Französische zu übersetzen. – Die französische Übersetzung der ›metaphysischen‹ Reflexionen der Jahre 1772 bis 1777 wird durch die der sogenannten Phase psi (1780 –1789) vervollständigt. Im Allgemeinen versammeln die Reflexionen zur Metaphysik Aufzeichnungen und Anmerkungen, die Kant auf Trennblättern, am Rand oder zwischen den Zeilen der von ihm als Vorlesungshandbuch124 benutzten Metaphysica Baumgartens anbrachte. Im Jahr 2010 veröffentlichte Sophie Grapotte die französische Erstübersetzung der Reflexionen, die Erich Adickes der psi-Phase entnommen hat125 und die, folgt man Adickes Datierungssystem,126 vermutlich zwischen 1780 121 Im

Einzelnen: Folio 15, 16, 11, 12, 10, 17, 14, 7, 18, 8, 13; nach der Nummerierung der AA Refl 4 681, 4 682, 4 677, 4 678, 4 676, 4 683, 4 680, 4 674,4 684, 4 675, 4 679. 122 Theodor Häring: Über den Duisburg’schen Kantnachlaß und Kants Kritizismus um 1775. Tübingen 1910. 123 Wir übernehmen den Titel aus einem Beitrag von Robert Theis: Le silence de Kant. Étude sur l’évolution de la pensée kantienne entre 1770 et 1781. In: Revue de Métaphysique et de Morale. Jg. 87/2 (April–Juni 1982). 209–239; hier wurden bereits einige Reflexionen (4286, 4473, 4634, 5013) ins Französische übersetzt. Vgl. Wolfgang Carl: Der schweigende Kant. Die Entwürfe zu einer Deduktion der Kategorien von 1781. Göttingen 1989. 124 Eine sorgfältige Textsammlung publizierte schon Erich Adickes 1926/1928, vgl. HN, AA 17, 18. 125 Kant: Réflexions métaphysiques. Hg., übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Sophie Grapotte. Paris 2011 [mit Glossar, Begriffs- und Namensindex]. 126 Erich Adickes hat sein Datierungssystem vor allem auf Stellungsindizien begründet,

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und 1789 verfasst worden sind. Die psi-Phase vereint, um genauer zu sein, zwei ›Typen‹ von Reflexionen: die Reflexionen auf fliegenden Blättern (Lose Blätter) – es handelt sich hier um die Reflexionen 5636 bis 5663 (Refl, AA 18: 267–323) – und die Reflexionen, die sich unmittelbar auf die Metaphysica Baumgartens beziehen – die Reflexionen 5664 bis 6205 (Refl, AA 18: 323–488), die Adickes dem Inhaltsverzeichnis der Metaphysica entsprechend angeordnet hat. Da diese Aufzeichnungen nicht für die Veröffentlichung bestimmt sind, sieht sich der Übersetzer mit mehreren Schwierigkeiten konfrontiert, die für diese Art von Texten charakteristisch sind und ihm eine Reihe von Übersetzungsentscheidungen abverlangen. Angesichts der Tatsache, dass Sophie Grapottes Aufgabe nicht darin bestand, die Datierung der von Adickes zusammengetragenen Reflexionen der psi-Phase in Frage zu stellen,127 hat sie sich entschieden, alle in dieser Phase gesammelten Reflexionen zu übersetzen.128 Die Reihenfolge entspricht der vermutlichen Chronologie der Niederschrift und, innerhalb jeder ›Schriftphase‹, der Anordnung des Inhalts in Baumgartens Metaphysica. Eine weitere nicht geringe Schwierigkeit, vor die sich die Übersetzerin der Reflexionen gestellt sieht, ergibt sich aus ihrem fragmentierten und kaum elaborierten Zustand. Es handelt sich, wie gesagt, im Wesentlichen um Aufzeichnungen, die Kant während der Vorbereitung seiner Metaphysik-Vorlesungen zu rein persönlichen Zwecken aufs Papier geworfen hat. Diese Aufzeichnungen, die Kant auf eingelegten Blättern, auf den Rändern und zwischen den Zeilen der Metaphysica angebracht hat, haben also nichts mit literarisch elaborierten Texten gemein und waren keinesfalls zur Veröffentlichung bestimmt. Folglich kam es Kant nicht auf einen eleganten Stil und oft nicht einmal auf Klarheit an.129 Nicht selten kommt es vor, dass Sätze abgebrochen werden, der Ausdruck ist oft lückenhaft, hier und da wurden Wörter hinzugefügt, andere durchgestrichen, was in einigen Fällen dazu führte, dass die Satzstruktur völlig auf den Kopf gestellt wurde, von unleserlichen oder schwer zu d. h., ihm zufolge sind Marginalien am linken Rand früher entstanden als solche am rechten Rand und früher als die interlinearen Notizen, zudem wertete er die unterschiedlichen benutzten Tinten aus. 127 Zu Fragwürdigkeiten des Datierungssystems von Adickes und der von ihm benutzten Methode vgl. Sophie Grapotte: Einleitung. In: Grapotte: Kant: Réflexions métaphysiques [Anm. 125] 18–22. 128 Refl, AA 18: 267–488. Allerdings übersetzte Sophie Grapotte nicht Kants Notizen in seinem Exemplar der Vorbereitung zur natürlichen Theologie von Johann August Eberhard (Halle 1781). Diese Notizen sollen Adickes zufolge zwischen 1783 und 1788 verfasst worden sein und werden von ihm mit den Vorlesungen zur Religionsphilosophie in Zusammenhang gebracht, die Karl Heinrich Ludwig Pölitz 1830 publiziert hat. 129 Man mag in diesem Zusammenhang an das strenge Urteil von Theodor Häring in seiner Edition des Duisburgsche[n] Nachlass[es] erinnern [Anm. 122]: »verschrobener Ausdruck« (ebd. 69), »sehr geschraubt« (ebd. 96), »schrecklich formuliert« (ebd. 103), »die Formulierung ist äußerst nachlässig« (ebd. 110), »der Ausdruck ist sehr verzwickt« (ebd. 120).

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entziffernden Wörtern ganz zu schweigen.130 Sophie Grapotte hat sich bemüht, genau diesen für diese Aufzeichnungen charakteristischen, fragmentierten, wenig elaborierten Stil in ihrer Übersetzung der Reflexionen zur Metaphysik beizubehalten. Die Refl bieten, abgesehen von den Schwierigkeiten, die sich bei der Herausgabe dieser Aufzeichnungen Kants und im Umgang mit ihnen ergeben, den unschätzbaren Vorzug, uns unmittelbar mit einem sich im Prozess der Ausarbeitung befindenden Denken, einem suchenden, sich vortastenden Denken, also mit dem eigentlichen Reflexionsprozess des Philosophen in Berührung zu bringen. Insbesondere die von Erich Adickes zusammengetragenen Reflexionen der psiPhase – diese Phase beginnt ein Jahr vor der Veröffentlichung der KrV (1781) und endet 1789, d. h. ein Jahr vor Erscheinen der KU – liefern uns kostbares Material, um die Entwicklung der kantischen Argumentation zwischen den beiden Auflagen der ersten Kritik zu erfassen, indem sie uns die Arbeit des Philosophen an den grundlegenden Begriffen des Kritizismus vor Augen führen, die sowohl in den Bereich der theoretischen wie auch der praktischen Philosophie gehören; sie dokumentieren die Anstrengungen, die Kant unternommen hat, um Argumente zu verdeutlichen und zu präzisieren, Beweisführungen zu untermauern, aber auch, um neue Argumente auszuarbeiten, die auf die Kritik und Einwände seiner ersten Leser reagieren. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die psi-Phase liefert uns die allerersten Widerlegungen des Idealismus, die als Reaktion auf den in der ersten wichtigen Besprechung der KrV, der berühmten Garve-Feder-Rezension,131 erhobenen Vorwurf des Idealismus verfasst wurden. E.  Die Reflexionen zur Moralphilosophie

Im Jahr 2014 hat Luc Langlois in Zusammenarbeit mit Mathieu Robitaille und Émilie Jade-Poliquin die französische Erstübersetzung der Reflexionen zur Moralphilosophie vorgelegt (AA 19), die, dem von Erich Adickes erarbeiteten Datierungssystem folgend, acht Phasen entstammen und sich von Anfang der 1760er Jahre bis zur ersten Hälfte der 1790er Jahre erstrecken.132 Diese Aufzeichnun130 In

diesen Fällen, in denen ein Wort ungewiss oder schwer zu entziffern ist, hat Sophie Grapotte sich an den einschlägigen Hinweisen und Vorschlägen von Erich Adickes (AA) oder Benno Erdmann orientiert; vgl. Erdmann: Reflexionen Kants zur kritischen Philosophie [Anm. 117]. 131 So wird die erste bedeutende Rezension der KrV bezeichnet, die am 19. Januar 1782 in den Göttingische[n] Gelehrte[n] Anzeigen erschien. Feder, der Chefredakteur der Zeitschrift, kürzte Garves Text um zwei Drittel und veränderte zudem den Stil; auch fügte er seinerseits einige Paragraphen hinzu. 132 Kant: Réflexions sur la philosophie morale. Alexander Gottlieb Baumgarten: Principes de la philosophie pratique première. Einleitung und Übers. von Luc Langlois in Zusam-

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gen, die nicht zur Veröffentlichung, sondern zu Kants persönlichem Gebrauch bestimmt waren, wurden zum Großteil an den Rändern ebenso wie auf den sogenannten Losen Blättern seines Handexemplars der Initia philosophiae practicae primae von Alexander Gottlieb Baumgarten, das er als Handbuch für seine Vorlesung über Moralphilosophie gebrauchte, angebracht. Die Übersetzer haben beschlossen, ihrer Übersetzung der Reflexionen Kants über die Moralphilosophie die vollständige französische Erstübersetzung der Initia philosophiae practicae Baumgartens (Halle 1760) voranzustellen. Die Übersetzung der Réflexions sur la philosophie morale, begleitet von der der Principes de la philosophie pratique première, führt uns den Dialog, den Kant mit der praktischen Philosophie Baumgartens aufnimmt, und dessen Hauptbegriffe vor Augen und trägt auf diese Weise dazu bei, Baumgartens wichtige Rolle anzuerkennen, die er in der Bildung der Moralphilosophie Kants, besonders im Hinblick auf den Begriff der Pflicht, gespielt hat. Obwohl die Verwendung dieser Aufzeichnungen offenkundig einige Probleme aufwirft, insbesondere was die Datierung betrifft, und diese Aufzeichnungen keine wirkliche Einheit bilden, sind die hier übersetzten Reflexionen für den Historiker des kantischen Denkens dennoch in mehrfacher Hinsicht kostbar. So betrachtet Luc Langlois diese Dokumente in seiner Einleitung – wie wir finden, zu Recht – als »ein echtes Gedankenlabor« (»véritable laboratoire dʼidées«),133 das uns erlaubt, eine Reihe von Leitlinien aufzuspüren, die die Philosophie Kants geprägt haben, und auf diese Weise deren Entwicklung besser zu verstehen. Selbst wenn diese Aufzeichnungen keine wirkliche Einheit bilden, kann man zudem doch feststellen, dass eine Reihe von Themen wieder auftauchen, sodass der Leser der Réflexions sur la philosophie morale Entstehen und Entwicklung der Leitbegriffe der Moralphilosophie Kants, insbesondere des Begriffs der Pflicht, erfassen kann; dieser kehrt in den meisten Phasen der hier im Abschnitt mit dem Titel L’obligation en général übersetzten Reflexionen wieder, der sich auf die §§ 10–49 der Prinzipien der Initia Baumgartens bezieht (und uns mithin den Dialog vor Augen führt, den Kant mit Baumgarten im Hinblick auf diesen Grundbegriff ihrer jeweiligen Moralphilosophien führt). Selbst wenn wir letztlich niemals aus dem Blick verlieren dürfen, dass die Reflexionen zur Moralphilosophie Notizen enthalten, die Kant in dem Kompendium, das er für seine Vorlesung über Moralphilosophie benutzte, zu seinem strikt persönlichen Gebrauch angefertigt hat (und wir also niemals der Versuchung nachgeben dürfen, die Reflexionen als ein Werk Kants misszuverstehen), selbst wenn diese Reflexionen mit größter Vorsicht zu verwenden sind, besonders aufgrund der Datierungsprobleme, so gibt dieser Band doch dem französischsprachigen Leser, indem er menarbeit mit Mathieu Robitaille und Émilie Jade-Poliquin. Paris 2015 [mit einem frz.-lt./ frz.-dt. Glossar sowie einer Bibliographie]. 133 Ebd. 9.

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die vollständige französische Erstübersetzung der Initia philosophiae practicae Baumgartens und die französische Erstübersetzung der Reflexionen zur Moralphilosophie präsentiert, ein außerordentlich kostbares Instrument an die Hand. Es hilft ihm nicht nur dabei, die Entstehung und Entwicklung der praktischen Philosophie Kants zu verstehen, sondern auch, den Dialog mit der Moralphilosophie Baumgartens, den Kant seit den 1760er Jahren unterhielt, zu erfassen. F. Die Bemerkungen zu den Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen

Brigitte Geonget legte mit den Remarques touchant les Observations sur le sentiment du beau et du sublime die erste vollständige französische Übersetzung der handschriftlichen Anmerkungen Kants zu seinem Handexemplar der Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und des Erhabenen vor (vgl. GSE, AA 02), ein Textkorpus, das im Ganzen als ein erstrangiges Zeugnis der Entwicklung des kantischen Denkens gelten kann; die Bemerkungen entstanden zwischen 1764 und 1767/68.134 Damit verschaffte die Übersetzung der Bemerkungen ins Französische der Kant-Forschung des französischen Sprachraums Zugang zu einem Text, der bis dahin nur in Bruchstücken vorlag, da die wichtigsten Kommentatoren, abgesehen von den Passagen, die sich auf Rousseau beziehen,135 wenig Inter­ esse an den Bemerkungen gezeigt hatten. Selbst wenn nun der Bezug zu Rousseau stark präsent ist – die Bemerkungen bieten uns ein ›lebendiges Zeugnis‹ von Kants Entdeckung der Schriften Rousseaus, des ›Newton der moralischen Welt‹ – und sie es insofern ermöglichen, die Wende, die sich dank dieser Entdeckung im kantischen Denken vollzogen hat, zu erfassen, wird das Denken Kants dennoch 134 Kant:

Remarques touchant les Observations sur le sentiment du beau et du sublime. Übers. von Brigitte Geonget. Paris 1994 [mit einem Vorwort von Bernard Bourgeois und einem Index nominum, jedoch ohne Index rerum und ohne Glossar]. Brigitte Geonget lag die neue deutsche Ausgabe auf der Grundlage des von Reinhard Brandt und Werner Stark transkribierten Manuskripts vor. Vgl. Kant: Bemerkungen zu den Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen. Kant-Forschungen. Bd. 3. 1991. Sie konnte die wichtigen Korrekturen an der Transkription der AA berücksichtigen. 135 Wenn man von Victor Delbos absieht, der in La philosophie pratique de Kant (Paris 1905) einige Passagen übersetzt, in denen auf Rousseau Bezug genommen wird, mag man mit Brigitte Geonget bedauern, dass der Text der Bemerkungen diesbezüglich nicht stärker ausgewertet worden ist. Roger Kempf fügt in seiner Präsentation der Observations sur le sentiment du beau et du sublime (Paris 1953) den schon ins Französische übersetzten Teilen nur einige wenige Zeilen hinzu, und die französische Übersetzung von Cassirers einschlägiger Studie durch J. Lacoste: Rousseau, Kant, Goethe (Paris 1991) greift einige Bemerkungen auf, ohne den von Delbos übersetzten Passagen etwas nennenswert Neues hinzuzufügen. F. ­A lquié begnügt sich in seiner Ausgabe im Rahmen der Bibliothèque de la Pléiade (Kant: O.c. I) damit, auf das Vorhandensein der Bemerkungen hinzuweisen.

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in keiner Weise von der Untersuchung und Diskussion der Thesen der beiden Discours, des Émile oder des Contrat social beherrscht, sondern entwickelt sich mit außerordentlich großer Freiheit und Vielfalt, je nachdem, wie sich ihm Beobachtungen und Ideen zu verschiedenen Gelegenheiten präsentieren (Werke von Schriftstellern oder Philosophen, Zeitungsartikel, Reiseberichte oder auch Reflexionen über eine Unterhaltung, der Kant beigewohnt hat, etc.). So liefern diese 200 Seiten mit überwiegend in Deutsch, selten in Latein verfassten Notizen136 in roher und dürftiger Form Aperçus, die ebenso gut dem Bereich der Sozialpsychologie wie der Metaphysik, der Ästhetik wie der Rechtslehre, der Physik wie der moralischen Reflexion zuzuordnen sind. Sie führen Perspektiven vor Augen, die sich im Hinblick auf so entscheidende Fragen wie die nach der Grundlage moralischer Verpflichtung (Schuldigkeit), der Bedeutung von Kultur, der moralischen Dimension religiösen Glaubens, des Naturrechts und der Bestimmung des Menschen abzeichnen. Mit ihrer Übersetzung stellt Brigitte Geonget der französischsprachigen Kant-Forschung Material zur Verfügung, das gewiss sehr wertvoll, aber extrem schwer zu lesen und auszuwerten ist. Diese Schwierigkeit beruht gleichermaßen auf der genuin bruchstückhaften Natur des Textes (denn Kant hat nicht kontinuierlich an den Bemerkungen geschrieben),137 der »eintönigen«, »hastigen« Schreibweise138 und den schwerfälligen Sätzen – durch das Anhäufen von Nebensätzen verdunkelt Kant stellenweise seine Aussage. Die Schwierigkeit, diesen Text auszuwerten, hängt auch mit der Natur dieses sehr unterschiedlich ausgearbeiteten Materials zusammen. So unterscheidet Brigitte Geonget zwei Haupttypen von Bemerkungen: Neben extrem kurzen Vermerken (einige Wörter, die kaum ausreichen, um eine Interpretation zu ermöglichen, Anmerkungen, die so anspielungsreich sind, dass sie rätselhaft bleiben müssen)139 eröffnen diese Bemerkungen kohärentere, sich über mehrere Seiten erstreckende Ausführungen, in denen Kant z. B. ein anthropologisches, rechtliches, moralisches oder naturwissenschaftliches Thema untersucht und zumeist einen Anhaltspunkt gibt, wie dieses Thema anzugehen ist. Brigitte Geonget zufolge ist es möglich, dass diese beiden Arten von Bemerkungen unterschiedlichen Zwecken dienen: Während die ersteren, extrem kurzen Anmerkungen Informationen und Belege sammeln, um ggf. eine These oder Analyse zu veranschaulichen und zu klären, bieten die letzteren, die längeren Ausführungen allgemeine Rahmenbedingungen für eine echte Untersuchung des angesprochenen Problems. Die Einleitung von Brigitte 136 Hier

und da verwendet Kant französische Wörter, um gewisse Personen zu charakte-

risieren. 137 Dieser Umstand zeigt sich deutlich an den unterschiedlichen Tinten, die sich im handschriftlichen Text finden. 138 Geonget in: Kant: Remarques [Anm. 134] 10. 139 Dabei handelt es sich oft um einfache Beobachtungen oder um Aperçus, die Kant rasch notiert hat, um sie später wiederaufgreifen und vertiefen zu können.

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Geonget und die vielen Kommentare, mit denen sie ihre Übersetzung begleitet, tragen mit Sicherheit dazu bei, die teils verwirrende, teils mühsame Lektüre dieser »Fragmente, die manchmal in ihrer allzu großen Kürze schwer verständlich sind« (»fragments qui sont parfois dans leur brièveté excessive difficilement compréhensibles«),140 zu erleichtern – Fragmente, die allerdings die Schaffenskraft desjenigen vor Augen führen, der »aus Neigung ein Forscher«141 ist, die Schaffenskraft des »Kant vivant«, des »Kant intime«.142 – Im Zusammenhang mit den französischen Übersetzungen der im Hand­ schriftliche[n] Nachlass zusammengefassten Reflexionen sei der Vollständigkeit halber auch die Auswahl an Reflexionen erwähnt, die sich auf die Anthropologie beziehen und von Monique Castillo143 und von Gilles Blanc-Brude144 übersetzt wurden, ebenso die Übersetzung der in den 1980er Jahren entdeckten und 1987 erstmals veröffentlichten Reflexion über den ›Sens interne‹ (Vom inneren Sinne).145 G. Das Opus postumum

Sofern sich der Übersetzer des Opus postumum dazu entschließt, nicht die Gesamtheit der in den Bänden 21 und 22 der Akademie-Ausgabe146 veröffentlichten verfügbaren Texte zu übersetzen, ist er gezwungen, eine Auswahl zu treffen, die als solche weitreichende Konsequenzen nach sich zieht. Eine solche Auswahl hat nämlich zur Folge, dass dem Leser nur ein Teil des OP in der Übersetzung zugänglich ist und folglich einige Passagen stillschweigend übergangen werden, während andere hervorgehoben werden. Bislang wurden zwei gleichermaßen unvollständige und unvollkommene französische Übersetzungen des OP vorgelegt, die Auswahl der Passagen erscheint allzu fraglich. Da wir keinen Zugang zu der 140 Jean Ferrari:

Les sources françaises de la philosophie de Kant. Paris 1979. 172. HN, AA 20: 44. 142 Geonget in: Kant: Remarques [Anm. 134] 16. 143 Monique Castillo: Kant et l’avenir de la culture. Paris 1990. 144 Kant: Réflexions en vue de l’anthropologie. Übers. von Gilles Blanc-Brude. In: Philosophie 17/2 (2013). 11–37. 145 Vgl. Kant-Forschungen 1 (1987). 1–30; Transkription Werner Stark, Kommentar Reinhard Brandt. Vgl. Kant: Du sens interne. Un texte inédit d’Immanuel Kant. Hg., übers. und kommentiert von Reinhard Brandt/Georg Mohr/Alain Perrinjaquet/Gerhard Seel/Werner Stark. In: Revue de théologie et de philosophie (1988) 421–452. 146 OP, AA 21 und 22. 1936/1938. Hg. von Artur Buchenau/Gerhard Lehmann. Mit einer Einleitung von G. Lehmann und einem Index. Halten wir fest, dass es sich nicht um die allererste Edition des Opus postumum handelt, dass aber die vorausgegangenen Editionen bruchstückhaft waren; vgl. die Herausgeber Rudolf Reicke (1882 und 1884), dann Albert Krause (1884 und 1902). 141

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von Jean Gibelin im Jahr 1950 vorgelegten Erstübersetzung des OP ins Französische hatten,147 werden wir uns an dieser Stelle darauf beschränken,148 die Einwände des zweiten Übersetzers, François Martys, an die Adresse Gibelins wiederzugeben. Um die Schwierigkeiten ermessen zu können, mit denen der Übersetzer des Opus postumum – ganz gleich um welche Zielsprache der Übersetzung es sich handelt – konfrontiert ist, erscheint es uns wichtig, an den Zustand des so bezeichneten Manuskripts zu erinnern. Das OP stellt bekanntlich ein Werk Kants dar, das weder veröffentlicht noch fertiggestellt wurde. Es gehört zum Nachlass, das heißt zu den handschriftlichen Aufzeichnungen, die von Kant hinterlassen wurden und die nicht zur Veröffentlichung bestimmt waren. Gerade die unter dem Titel Opus postumum zusammengefassten Aufzeichnungen führen uns die Entstehung des letzten Werkes, an dem Kant arbeitete, vor Augen, das darauf abzielte, so drückte er sich in einem Brief an Garve vom 21. September 1798 aus, »den ›Übergang von den metaphys. Anf. Gr. d. N. W. zur Physik‹ […]« zu vollziehen, »[…] weil sonst im System der crit. Philos. eine Lücke seyn würde« (BR, AA 12: 257). Erich Adickes zufolge, der sich der Datierung der im Handschriftliche[n] Nachlass veröffentlichten Notizen gewidmet hat,149 soll Kant erst im Jahr 1796, dem Jahr, in dem er seine Lehrtätigkeit aufgab, oder sogar erst im Juli 1797 tatsächlich damit 147 Kant:

Opus postumum. Auswahl und Übersetzung von Jean Gibelin. Paris 1950. Opus postumum. Passage des principes métaphysiques de la science de la nature à la physique. Übersetzt und hg. von François Marty. Paris 1986 [mit einem Index nominum, einem Index rerum, einer Okkurrenzenliste für bestimmte Begriffe, einer Zusammenfassung, einer Bibliographie und einem Glossar]. – Marty schließt sich dem strengen Urteil V ­ ittorio Mathieus (vgl. Kant: Opus postumum […]. Hg. und übersetzt von Vittorio Mathieu. Bologna 1963) über die Übersetzung von Gibelin an: Diese sei für die Kenntnis des kantischen Denkens belanglos (vgl. Marty, a. a.O. 265). Marty wirft Gibelin vor, seine Übersetzung folge der willkürlichen Anordnung in der AA und behandele die im engeren Sinne philosophischen Texte bevorzugt, die ihm als wichtiger erschienen, ebenso Texte wissenschaftlicher Art, die unter dem Aspekt des Lehrgebäudes interessanter erschienen (Marty bezieht sich hier auf Gibelins Übersetzung, ebd. VII). Marty zufolge sind Gibelins Kriterien für den Leser nicht überprüfbar, denn die Interpretationsprinzipien des Übersetzers würden nirgendwo expliziert. Das mag zutreffend sein, doch eine Explikation der Prinzipien und Übersetzungskriterien (wie Marty sie praktiziert) allein garantiert noch nicht, dass die übersetzerischen Entscheidungen akzeptabel sind und die Anlage der Übersetzung gerechtfertigt ist. Marty: »[l]e texte traduit est bien des fois une mosaïque d’extraits, souvent très courts. Parfois des points de suspension avertissent de l’omission, dans la séquence de la page. […] Très souvent, des réflexions séparées par plusieurs lignes sont juxtaposées, sans même aller à la ligne. Les extraits retenus peuvent être arrêtés avant la fin d’une phrase. Ils peuvent commencer au beau milieu d’une séquence. […] Le résultat est que des extraits comprenant une dizaine de lignes, faites de mosaïques de passages, sont à rechercher dans deux ou trois des pages très serrées de l’édition de l’Académie. Si on ajoute que la traduction est souvent ›arrangée‹, que l’on a affaire parfois à de simples résumés […].« Ebd. 266. 149 Die Datierung der im Handschriftliche[n] Nachlass edierten Notizen durch Adickes 148 Kant:

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begonnen haben, an diesem letzten Projekt zu arbeiten. Während Kant allerdings noch am 19. Oktober 1798 an Kiesewetter schreibt, dass ihm die geringe verbleibende Kraft noch erlauben werde, das Werk, an dem er arbeite, zu einem guten Ende zu bringen, hindern ihn stetig größer werdende gesundheitliche Probleme daran. Und man muss einräumen, dass das Manuskript bei Kants Tod am 12. Februar 1804 weitgehend unvollendet ist – so sehr, dass sich Johann Schultz, als ihm Wasianski nach Kants Tod das Manuskript überreicht, gegen seine Veröffentlichung ausspricht, da es sich nur um den Anfang eines Werkes handele, dessen Einleitung unvollständig sei und das in diesem Zustand nicht veröffentlicht werden könne. Erst mit der von Gerhard Lehmann 1936/1938 in den Bänden 21 und 22 der AA realisierten Transkription verfügen wir über eine vollständige Ausgabe der unter dem Titel OP zusammengefassten Notizen Kants. Das in der AA veröffentlichte Manuskript150 besteht im Einzelnen aus 13 Konvoluten,151 die jeweils Bogen unterschiedlichen Formats in sich versammeln, in-folio, Bogen, die wiederum größtenteils vier Seiten enthalten, die beidseitig beschrieben sind.152 Einige Konvolute enthalten auch Lose Blätter (fliegende oder abgetrennte Blätter) in ganz unterschiedlichen Formaten. Die erste Frage, die sich angesichts dieser 13 Konvolute stellt, ist die ihrer Reihenfolge. Folgt die Nummerierung der Konvolute tatsächlich der chronologischen Reihenfolge der Entstehung der Texte und/oder der logischen Progression des Textes? Die Untersuchung der von Kant selbst am Anfang der Bogen eingefügten Markierungen und die Untersuchung des Inhalts ergeben, dass die Reihenfolge der Konvolute weder logisch noch chronologisch ist. François Marty zufolge handelt es sich bei Konvolut I sogar um den letzten von Kant verfassten Text. Zudem kann ein und dasselbe Konvolut Texte enthalten, die in unterschiedlichen Perioden entstanden sind. Die Reihenfolge des Manuskripts soll von fremder Hand durcheinandergebracht worden sein, und es ist nicht auszuschließen, dass Kant selbst Blätter zusammengefügt hat, die keinen chronologischen oder logischen Zusammenhang haben. Hinzu kommt folgende Schwierigkeit: In der Regel schrieb Kant zahlreiche Bemerkungen an den Rand und fügte, wie in den für seine Vorlesungen bestimmten persönlichen Exemplaren, oftmals Korrekturen oder neue Anmerkungen interlinear ein. In diesem Zustand befindet sich das Manuskript, das die Akademie herausgegeben mag umstritten sein – man sollte gleichwohl die außerordentliche Arbeit, die er geleistet hat, nicht geringschätzen. 150 Für eine genaue Beschreibung des Manuskripts vgl. OP, AA 22: 773–789. Zu den Schwierigkeiten einer Übersetzung des OP ins Rumänische vgl. den Beitrag von Rodica Croitoru im vorliegenden Band. 151 Das 13. Konvolut umfasst nur ein Blatt und gehört nicht zum Ensemble, sondern enthält vorbereitende Arbeitsnotizen zu SF. Die Konvolute sind unterschiedlicher Länge, ihr Umfang liegt zwischen 13 (Konvolut VI) und 101 (Konvolut IV) Seiten. 152 Zuweilen liegt nur ein Halb-Bogen, d. h. liegen nur zwei Seiten (recto-verso) vor.

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hat, wobei sie, wie François Marty hervorhebt, seinen ›Werkstattcharakter’ (›état de chantier‹) wahrte. Genau diesen Werkstattcharakter findet der Übersetzer vor. Dies bedeutet von Anfang an, dass der Anteil der Auslegung hier größer sein wird als bei der Übersetzung eines vollendeten Werkes und der Übersetzer eine Reihe äußerst bedeutsamer Entscheidungen treffen muss. François Marty hat die ›sinnlose‹ Idee, die 1263 Seiten des OP, so wie es in der AA veröffentlicht wurde, zu übersetzen, von vornherein verworfen.153 Nach welchem Prinzip sollte nun eine Passage beiseitegelassen, eine andere beibehalten werden? Nach François Marty »besteht das Hauptanliegen des Übersetzers darin, mit dem Text in Kontakt zu treten, den er dem Leser zugänglich machen will: die verschiedenen Übersetzungsentscheidungen […] setzen den Leser über den Auslegungshorizont des Übersetzers in Kenntnis.« (»le traducteur a pour visée première le contact avec le texte, qu’il s’efforce de médiatiser pour le lecteur, les diverses décisions de traduction […] avertissant celui-ci de l’horizon interprétatif du traducteur.«)154 Um dieses Ziel zu erreichen, hat Marty drei Kriterien bestimmt, die ihm zufolge einen fruchtbaren Zugang zum Text des OP ermöglichen:155 Das erste dieser Kriterien ist die chronologische Reihenfolge. Die Chronologie wurde, wie gesagt, von Erich Adickes aufgestellt,156 und selbst wenn wir der von Adickes vorgeschlagenen Datierung nicht vorbehaltlos trauen können, haben wir keine andere Option, als dieser Datierung zu folgen; zum aktuellen Zeitpunkt steht uns nämlich, wie Marty zu Recht feststellt, nichts Besseres zur Verfügung. Das zweite Kriterium betrifft die logische Entwicklung des Denkens. In diesem Fall ist es möglich, Textelemente heranzuziehen. Zunächst einmal sind die Einteilungen zu nennen, die Kant selbst auf den Bogen markiert hat. Die Angaben zum Inhalt sind allerdings äußerst spärlich, und es handelt sich im Großen und Ganzen um Teilnummerierungen ohne Titel, sodass diese Angaben für sich allein keine Gliederung des Ganzen erlauben. Wir verfügen über ein weiteres ›textuelles‹ Element: von Kant selbst bereitgestellte Titel, die allerdings nicht erkennen lassen, wie sie in die größeren Abteilungen einzugliedern sind. Einerseits existieren mehrere Projekte, deren Zusammenhang nicht einfach zu erkennen ist, andererseits fehlen Mittelstücke, die notwendig sind, um von den umfangreicheren zu den enger gefassten Abteilungen vorzudringen. Was dieses zweite Kriterium betrifft, nimmt folglich, sobald man über die logische Folge des Denkens entscheiden will, der Anteil der Auslegung zu – sofern man sich wie François Marty dafür entschieden hat, nicht die Gesamtheit der zur Verfügung stehenden Texte zu übersetzen 153 Marty:

Kant: Opus postumum [Anm. 148] Présentation. IX. X. 155 Während die ersten beiden Kriterien auf jedes Werk in statu nascendi zutreffen, beschränkt sich die Verwendung des dritten von Marty geltend gemachten Kriteriums auf das OP. 156 Wie auch für die meisten Reflexionen. 154 Ebd.

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und den Versuch zu unternehmen, die übersetzten Passagen in einer anderen als der von der AA vorgenommenen Reihenfolge anzuordnen. Diesen beiden Kriterien fügt Marty, dem Beispiel Vittorio Mathieus folgend, ein drittes hinzu, das nur für OP gilt. Es besteht darin, »Arbeitseinheiten« (»unités de travail«)157 zu berücksichtigen. Jeder Bogen stellt laut Marty, der hierin Mathieu folgt,158 ein Ganzes dar, das einen ganzseitigen Text und von Kant hinzugefügte Notizen an den Rändern oder zwischen den Zeilen enthält. Mathieu und Marty sehen darin eine echte Arbeitsmethode,159 bei der das Denken, ausgehend von dem, was bereits geschrieben ist und vor Augen liegt, fortschreitet. Dies würde auch die zahlreichen Wiederholungen erklären. Abgesehen von diesen drei Kriterien, deren Kombination wohl den bestmöglichen Zugang zum Text des OP gewährleisten dürfte, hat François Marty in der von ihm vorgelegten Übersetzung drei Arbeitsebenen implementiert. Die erste Ebene betrifft die Reihenfolge und die Auswahl unter den Wiederholungen und verfolgt das Ziel, die Leitlinien in Kants Vorgehen zu identifizieren und den Leser mit »der Gesamtbewegung des sich entwickelnden Denkens« (»le mouvement d’ensemble de la pensée qui s’élabore«)160 vertraut zu machen. Diese erste Arbeitsebene wird in Übereinstimmung mit den beiden ersten Kriterien – chronologische und logische Anordnung – durchgeführt und mündet in eine 25 Einheiten umfassende Rekonstruktion des OP.161 Die Rekonstruktion, die Marty hier dem französischsprachigen Leser vorlegt, ist das Ergebnis einer Reihe von Entscheidungen in Bezug auf Anordnung und Inhalt, die er jeweils in einer mehr oder weniger langen Einleitung zu jeder dieser 25 Einheiten und in den Endnoten erläutert. Marty räumt ein (dies betrifft den gewichtigsten Einwand, den man gegen seine Rekonstruktion vorbringen kann): So bleibt ein großer Teil des dem französischsprachigen Lesers dargebotenen Textes außer Betracht. Genau hier setzt Marty seine zweite Arbeitsebene an: Einerseits geht es darum, in den Anmerkungen auf andere Teile des Textes zu verweisen (Wiederholungen mit ihren Varianten, insbesondere die geglückten Formulierungen), und andererseits, die von Jean Gibelin realisierte französische Erstübersetzung des OP zu berücksichtigen ,162 die im Gegensatz zu der von Marty vorgelegten Übersetzung der 157 Marty:

Kant: Opus postumum [Anm. 148] Présentation. XI. vertritt die Meinung, Kant habe mit jedem neuen Blatt gewissermaßen das ganze Werk neu begonnen. Vgl. Mathieu: Kant: Opus postumum [Anm. 148] 7f. 159 Kant mag diese Arbeitsmethode eventuell zur Kompensation seines zu diesem Zeitpunkt schon nachlassenden Gedächtnisses gewählt haben. 160 Marty: Kant: Opus postumum [Anm. 148] Présentation. XI. 161 Marty betont, wie sehr seine Übersetzung der Arbeit von Vittorio Mathieu verpflichtet sei, vgl. ebd. XII. 162 Marty hat der Arbeit Gibelins – der ersten französischen Übersetzung des OP, gegen die Marty unterschiedliche Einwände erhoben hatte – insofern Rechnung getragen, als er einige Textblöcke, die Gibelin übersetzt hatte und die er selbst (Marty) nicht ausgewählt 158 Mathieu

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Anordnung der Konvolute folgt. Die dritte von Marty installierte Arbeitsebene zielt auf eine systematische Nutzung der Textvarianten unter Berücksichtigung der Okkurrenzen ab. Diese dritte Ebene veranlasste Marty dazu, eine Tabelle mit den Okkurrenzen bestimmter Begriffe zu erstellen. Um das Lesen des OP auf Französisch zu erleichtern, hat Marty, abgesehen von diesen drei Arbeitsebenen, jeder der 25 von ihm rekonstruierten Einheiten eigene Titel hinzugefügt,163 die den französischsprachigen Leser unserer Meinung nach noch weiter vom Originalmanuskript wegführen. Abschließend kann man sagen, dass uns François Marty eine seriöse Edition an die Hand gibt, insofern als er seine Übersetzung mit einer Einleitung versieht, in welcher er seine Auswahlprinzipien erklärt, weiterhin durch eine mehr oder weniger umfangreiche Einleitung zu jeder von ihm präsentierten Texteinheit, durch Endnoten, einen Namensindex, einen detaillierten Sachindex, durch eine vollständige Liste der Okkurrenzen bestimmter Begriffe – es handelt sich um die Begriffe, die für das Verständnis des letzten Werkes, an dem Kant gearbeitet hat, vermutlich am relevantesten sind –, eine Aufstellung, die die Okkurrenzen im Deutschen wiedergibt und dazu verwendet werden kann, diejenigen Passagen, die diese Begriffe enthalten und nicht ins Französische übersetzt wurden,164 in den beiden dem OP gewidmeten Bänden der AA ausfindig zu machen, und schließlich durch ein Glossar, das seine Übersetzungsentscheidungen erläutert. Allerdings legt die von Marty vorgelegte Übersetzung unserer Meinung nach allzu großen Wert auf Rekonstruktion und Interpretation. Die Umsetzung dessen, was er als erste Arbeitsebene definiert, mündet in ein Manuskript, das als kurz – vielleicht zu kurz – qualifiziert werden kann, und zwar entsprechend der von Vittorio Mathieu vorgelegten italienischen Übersetzung, deren Aufbau Marty übernimmt. Es ist schwer zu entscheiden, ob Marty mit seiner Auffassung hat, in seine Ausgabe übernommen hat. Er hat die von Gibelin übersetzten Passagen übernommen und den Gesamtkontext, zu dem sie gehören, mit-/neuübersetzt, indem er die von Gibelin beiseitegelassenen Teile gekennzeichnet (< >) und die chronologische Anordnung wiederhergestellt hat. Zudem hat er in seinen Anmerkungen die besonders ›geglückten‹ Formulierungen Gibelins (jeweils mit Seitenangabe) erwähnt. 163 Neben diesen Titeln hat Marty noch Marginalien am rechten Rand eingefügt, die der inhaltlichen Orientierung dienen sollen. 164 Es muss gesagt werden, dass in den meisten Fällen, in denen wir uns auf das OP bezogen haben, vor allem dann, wenn wir die Okkurrenzen eines Terminus mit Hilfe der AA festgestellt hatten und nachverfolgen wollten, die Übersetzung von Marty nicht konsultiert werden konnte, da die Textpassagen, die uns interessierten, schlichtweg nicht übersetzt waren. Die französische Übersetzung von Marty ist – das ist unsere persönliche Meinung – zu lückenhaft, sie spart zu viele Passagen aus, darunter auch solche, die zwar möglicherweise von Marty übersetzte Passagen zu wiederholen scheinen, die aber insofern wichtig sind, als sie einen Begriff oder ein Argument enthalten, welches sich in den übersetzten Passagen nicht findet.

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richtig liegt, dass »V. Mathieu vermutlich nicht weit von der Wahrheit entfernt ist, wenn er die Meinung vertritt, dass das endgültige Werk, wenn es denn veröffentlicht worden wäre, hundert Seiten wohl kaum überschritten hätte«. (»V. Mathieu n’est sans doute pas loin de la réalité, quand il pense que l’ouvrage définitif, s’il avait vu le jour, n’aurait guère dépassé la centaine de pages«.)165 Tatsächlich aber lässt diese Übersetzung bzw. Rekonstruktion des OP in Gestalt von 25 Einheiten zahlreiche Passagen unbeachtet, die für sich genommen mitunter beachtenswert sind und uns über Kants Vorstellungen während der letzten Jahre seines Lebens Aufschluss geben könnten. Der Vorwurf ›übermäßiger Kürze‹, der gegen die von Marty vorgelegte Übersetzung bzw. Rekonstruktion erhoben worden ist, entspricht übrigens exakt dem Vorwurf, den der Autor der spanischen Übersetzung des OP, Félix Duque,166 gegen die Rekonstruktion Mathieus vorgebracht hat. Letztendlich bezweifeln wir, dass es einem Übersetzer tatsächlich zusteht, so viel Struktur in einen Text zu bringen, der sich in Bearbeitung befand. OP ist ein von Grund auf unvollendetes Werk; vielleicht muss man akzeptieren, es den französischsprachigen Lesern in diesem Zustand zu übergeben und die Rekon­ struktionsarbeit den Kommentatoren zu überlassen. H.  Die Vorlesungen

Vom Wintersemester 1755/1756 bis zum Sommersemester 1796 unterrichtete Kant an der Albertina Logik (56 Semester), Metaphysik (53 S.), physische Geographie (49 S.), Moralphilosophie (28 S.), Anthropologie (24 S.), Physik (21 S.), Mathematik und Mechanik (mindestens 15 S.), Naturrecht (12 S.), philosophische Enzyklopädie (10 S.), Pädagogik (4 S.), natürliche Theologie (4 S.) und Mineralogie (bis zum Winter 1770/71). Von dieser 41 Jahre währenden Lehrtätigkeit (insgesamt 82 Hochschulsemester) zeugen die zahlreichen Nachschriften, die von seinen Studenten oder von professionellen Kopisten abgeschrieben wurden. Einige davon – tatsächlich sehr wenige – wurden ins Französische übersetzt. Wir stellen sie in diesem letzten Abschnitt vor.167 – Encyclopaediam philosophiae. Der Abrégé de philosophie oder die Leçons sur l’encyclopédie philosophique168 bieten die französische Übersetzung des einzigen 165 Marty:

Kant: Opus postumum [Anm. 148] Présentation. XII. Transición de los principios metafísicos de la ciencia natural a la fisica (Opus postumum). Übers. von Félix Duque. Madrid 1983. 167 In alphabetischer Reihenfolge der behandelten Disziplinen. 168 Kant: Abrégé de philosophie ou Leçons sur l’encyclopédie philosophique. Ins Französische übers., eingeleitet und kommentiert von Arnaud Pelletier. Paris 2009 [mit einer Konkordanz zur KrV, einem Namensindex, einem Begriffsindex und einer Bibliographie]. 166 Kant:

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heute verfügbaren Zeugnisses der Vorlesung Philosophische Enzyklopädie, die Kant während zehn Semestern zwischen dem Winter 1767/1768 und dem Winter 1781/1782, also in den Jahren des ›Schweigens‹, gehalten hat. Die Phil Enz 169 stellt ein singuläres Dokument dar: Nicht nur wurde Kants persönliches Exemplar des Handbuchs, auf dessen Grundlage er seine Vorlesungen hielt, nicht aufgefunden, sondern es wurden auch von all den Vorlesungen, die Kant der philosophischen Enzyklopädie widmete, nur drei Nachschriften identifiziert.170 Nur eine ist verfügbar: die Abschrift, die in der Klassifizierung des Marburger Kant-Archivs als Enzyklopädie Anonymus-Friedländer 4.1171 referenziert wird. Diese Kennzeichnung macht deutlich, dass der Verfasser der Abschrift nicht identifiziert und David Joachim Friedländer (1750–1834) der früheste nachweisliche Besitzer ist, sie sagt allerdings nichts darüber aus, ob es sich um Unterrichtsnotizen ein- und desselben Semesters handelt.172 Arnaud Pelletier zufolge – der bedauert, dass die Leçons sur l’encyclopédie philosophique in der Kant-Forschung wenig Beachtung gefunden haben und allenfalls für die Datierung der Vorlesung konsultiert wurden, aus der diese Aufzeichnungen stammen – wurden sie vermutlich zwischen 1778 und 1780, in jedem Fall aber vor 1781 abgefasst. Neben der Frage nach dem Datum der Vorlesung über philosophische Enzyklopädie (auf der diese Nachschrift basiert) stellt sich die Frage nach dem Status der Nachschriften. Zu Recht ermahnt uns Pelletier im Umgang mit diesem Texttypus zu äußerster Vorsicht: Es handelt sich ganz einfach um Nachschriften, die folglich als solche betrachtet werden müssen und nicht als ein von Kant selbst verfasster Text oder als originalgetreues Protokoll der mündlich vorgetragenen Lehre, sondern als unvollständiger Text, dem möglicherweise Passagen oder ganze Teile der Vorlesung fehlen. Diese Vorsicht, die im Umgang mit Nachschriften, so möchten wir betonen, in jedem Fall angebracht ist, bedeutet jedoch keineswegs, dass diese wenigen Blätter nicht im Hinblick auf die Rekonstruktion des kantischen Denkens wertvoll wären. Tatsächlich geben uns diese Blätter ein »Zeugnis aus erster Hand, […] das uns Kant nicht zu lesen, sondern zu hören gibt« (einen »témoignage de première main, […] qui ne nous donne pas à lire Kant, mais à l’écouter«)173 – ihn zu hören, wie er uns in die Philosophie einführt. Dieses Zeugnis ist umso wertvoller, 169 Das

Manuskript mit dem Titel Philosophische Encyclopedie oder ein kurtzer Inbegriff aller philosophischen Wissenschaften aus den Vorlesungen des Herrn Professoris Immanuel Kant befindet sich in der Staatsbibliothek Berlin. Es wurde erstmals publiziert von Gerhard Lehmann, vgl. PhilEnz, AA 29. 170 Und das trotz der großen Hörerzahl: In den drei Semestern, in denen Kant über philosophische Enzyklopädie las, waren 82 Studenten eingeschrieben. 171 Die beiden anderen Nachschriften an-Hippel 2 und an-Pillau 2 sind nicht zugänglich. 172 Eine Reihe von Nachschriften haben sich als Kompilationen aus unterschiedlichen Vorlesungen unterschiedlicher Semester erwiesen. 173 Pelletier: Kant: Abrégé de philosophie [Anm. 168] 13.

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als in dem Verzeichnis der an der Albertina zwischen 1720 und 1770 gehaltenen Vorlesungen weder eine Vorlesung zur Einführung in die Philosophie noch eine Vorlesung über die Gesamtheit der philosophischen Disziplinen erwähnt wird. Es ist allgemein bekannt, dass Kant, als er im Wintersemester 1767/1768 seine erste Vorlesung über philosophische Enzyklopädie ankündigt (Encyclopaediam philosophiae universae cum succincta historia philosophica secundum Compendium Feders Grundriß der philos. Wissenschaften uno semestri pertractandum proposuit ), der Erste an der Universität zu Königsberg ist, der eine Vorlesung über die Gesamtheit der philosophischen Disziplinen anbietet,174 und der Erste, der unter Enzyklopädie etwas Anderes als vollständiges Wissen, als universelle historische Gelehrsamkeit versteht. – Geographiam physicam. Géographie physique ist die französische Übersetzung des Textes (AA 09),175 auf dessen Grundlage Kant von 1756 bis 1796 physische Geographie unterrichtete, dessen Herausgabe er Theodor Rink übertrug und den die Pléiade-Ausgabe übergeht, da dieses da dieses letzte Werk ›nichts Philosophisches‹ habe.176 Michèle Cohen-Halimi, Max Marcuzzi und Valérie Séroussi bieten uns somit die erste französische Übersetzung dieses Textes mit ›Außenseiter‹Status: Es handelt sich weder um ein Werk Kants im engeren Sinn noch um eine einfache Nachschrift. Obwohl Kant die Ausarbeitung eines Geographie-Lehrbuchs auf der Grundlage des Manuskripts, das er während der Vorlesung benutzte, als eine nahezu unmögliche Aufgabe betrachtete, vertraute er am Ende seines Lebens diese Aufgabe Rink an, der den Text, über den wir heute verfügen, auf der Grundlage mehrerer Manuskripte, an-Rink 1 und an-Rink 2,177 zusammenstellte und zudem mit einer Reihe von Ergänzungen versah. Die Schwierigkeiten, die die von Rink realisierte Ausgabe aufwirft, dürfen uns allerdings nicht dazu verleiten, die Wichtigkeit der Geographie-Vorlesung und damit auch die Bedeutung einer französischen Übersetzung dieses Textes zu übersehen: Physische Geographie war nicht nur eine der von Kant am häufigsten (genau 174

Nach Kant sollten sich die Vorlesungen und Handbücher zur philosophischen Enzyklopädie vervielfachen. 175 Kant: Géographie physique. Übers. von Michèle Cohen-Halimi/Max Marcuzzi/Valérie Séroussi. Paris 1999. Als Supplement findet sich eine Übersetzung zweier Auszüge aus dem Nachlass, die von G. Hartenstein (in Kant: Sämtliche Werke [Leipzig 1868]. Bd. 8. 436– 452) veröffentlicht worden waren, wie auch Reproduktionen von Karten aus dem Atlas portatif pour servir à l’intelligence des auteurs classiques des Abbé Grenet (1781); außerdem ein kommentiertes Personenverzeichnis zu den von Kant oder Rink erwähnten Forschern oder Reisenden. 176 Kant: O.c. III. 1207. 177 Heute unauffindbar. Das erste Manuskript soll von Kant 1757–1759 vorbereitet worden sein, sodass Adickes es als ›Diktattext‹ bezeichnet, das zweite soll eine studentische Mitschrift aus dem Jahre 1774 sein.

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49 Mal) unterrichteten Disziplinen – unmittelbar nach Logik und Metaphysik –, sondern, und das ist noch wichtiger, Kant war der erste Philosoph, der diese Disziplin, noch bevor der erste Lehrstuhl für Geographie geschaffen wurde, an der Universität einführte. Es ist bekannt, dass sich vor Kant kein Philosoph in dem Maße für diese Disziplin interessiert hat, dass er sie gelehrt und ein Lehrbuch dazu geschrieben hätte, sodass kein Lehrbuch zur Verfügung stand, auf dessen Grundlage Kant seine Vorlesung hätte halten können,178 und sodass Kant daraufhin kraft eines Dekrets (von von Zedlitz vom 16. Oktober 1778) ausnahmsweise autorisiert war, physische Geographie auf der Grundlage seiner eigenen Aufzeichnungen (secundum dictata sua) zu lehren. Trotz der Streitigkeiten, die sich aus der Edition Rinks ergeben haben, ist Max Marcuzzi der Auffassung, dass die Geographie-Vorlesung als »ein authentisches Werk Kants« (»une œuvre kantienne authentique«)179 angesehen werden kann. 1.  Logik

Von allen Fächern unterrichtete Kant am häufigsten Logik, nämlich genau 56 Mal. Insofern erschiene es uns als problematisch, in diesem Abschnitt mit keinem Wort die französischen Übersetzungen der Logik-Vorlesung zu erwähnen, wenngleich es sich nicht um Übersetzungen der Nachschriften handelt, sondern um den von Gottlob Benjamin Jäsche im Jahr 1800 – somit zu Kants Lebzeiten – herausgegebenen, auf Wunsch von Kant vermutlich im Frühjahr 1799 verfassten Text. Unter dem Titel Logique180 übersetzte Louis Guillermit im Anschluss an Joseph Tissot181 Immanuel Kants Logik, ein Handbuch zu Vorlesungen, das, wie gesagt, von Jäsche herausgegeben wurde (vgl. Log, AA 09:1–150). Es handelt sich hierbei um einen Text, der vermutlich auf der Grundlage mehrerer Nachschriften (von denen eventuell eine von Jäsche selbst stammt) und der Notizen und Bemerkungen, die Kant in sein Handexemplar des Auszug[s] aus der Vernunftlehre Meiers eingetragen hat, 182 ausgearbeitet wurde. Wenngleich Kant diese Publikation genehmigt hat, ist unklar, ob er in irgendeiner Weise an ihrer Ausarbeitung mitgewirkt hat. Da die Schwierigkeiten, die dieses von Jäsche herausge-

178 Entsprechend den zeitgenössischen Verordnungen, die vorsahen, dass nach einem offiziell anerkannten Handbuch unterrichtet wurde. 179 Kant: Géographie [Anm. 175] 9. Vgl. auch 11 f. 180 Kant: Logique. Übers. und hg. von Louis Guillermit. Paris 1966 [mit Sachindex]. Vgl. den Beitrag von María Jesús Vázquez Lobeiras zur Übersetzung der Jäsche-Logik ins Spanische im vorliegenden Band. 181 Kant: Logique de Kant [Anm. 28]. 182 Kant: Anmerkungen. Hg. von Erich Adickes. AA 16: Logik Nachlaß.

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gebene Handbuch der Logik aufwirft, nicht unerheblich sind,183 erscheint es uns angemessen, die französischen Übersetzungen des von Jäsche zusammengestellten Textes durch die Übersetzung weiterer Nachschriften der Logik-Vorlesung (19 der 26 verzeichneten Nachschriften sind noch verfügbar) zu ergänzen, zum Beispiel, um nur eine zu nennen, der Wiener Logik (1780/1782), die als relativ vollständig angesehen wird. 2. Metaphysik

Vom Wintersemester 1755/1756 bis zum Wintersemester 1795/1796 unterrichtete Kant Metaphysik, zunächst als Privatdozent, dann als ordentlicher Professor der Logik und der Metaphysik, zunächst bis 1770 in jedem Semester,184 danach während insgesamt 53 Semestern in jedem Wintersemester jeweils montags, dienstags, donnerstags und freitags von 7 bis 8 Uhr. Von der Lehre, die Kant während dieser 53 Semester derjenigen widmete, die nach den Worten der Vorrede zur ersten Auflage der KrV als »die Königin aller Wissenschaften« (KrV A VIII; AA 04: 7) zu bezeichnen war, zeugen 17 erhaltene Nachschriften, von denen 13 noch heute verfügbar sind und 11 veröffentlicht wurden. Der von Monique Castillo im Nachgang zu Tissot185 in den Leçons de métaphysique186 ins Französische übersetzte Text wurde im Jahr 1821 von Karl Heinrich Ludwig Pölitz unter dem Titel Vorlesungen über die Metaphysik veröffentlicht. Die Basis bilden zwei Manuskripte: das Manuskript, das die Einleitung, die Prolegomena und die Ontologie, und dasjenige, das die Kosmologie, die Psychologie und die Theologie enthält.187 Diese beiden Manuskripte, auf deren Grundlage Pölitz den Text der Vorlesungen über die Metaphysik ausgearbeitet hat, wurden auch im Rahmen der AA veröffentlicht: das erste unter dem Titel Metaphysik L2 (Einleitung, Prolegomena und Ontologie nach Pölitz) (V-Met-L2/Pölitz, AA 28.2,1: 527–577, das zweite un-

183 Zu

den Schwierigkeiten, die sich mit dem Text von Immanuel Kants Logik verbinden, vgl. insbesondere Terry Boswell: On the Textual Authenticity of Kant’s Logic. In: History and Philosophy of Logic 9 (1988). 193–203. 184 Mit den möglichen Ausnahmen der Jahre 1763, 1765 und 1769. 185 Kant: Leçons de métaphysique […] [Anm. 29]. Es handelt sich um die erste französische Übersetzung dieser Vorlesungsmitschriften von Hörern Kants; sie wurden gesammelt und herausgegeben von Karl Heinrich Ludwig Pölitz u.d.T. Vorlesungen über die Metaphysik. Erfurt 1821. 186 Kant: Leçons de métaphysique. Hg., übers. und mit Anmerkungen versehen von ­Monique Castillo. Mit einem Vorwort von Michel Meyer, einer kurzen Bibliographie, Namens- und Begriffsindices. Paris 1993. 187 Das erste gilt als jünger als das zweite; Pölitz datiert es auf 1788, räumt aber ein, es sei 1789/1790 überarbeitet worden.

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ter dem Titel Metaphysik L1 (Kosmologie, Psychologie, Theologie nach Pölitz) (V-Met-L1/Pölitz, AA 28.1: 193–350). Die Vorlesung über Metaphysik, die die Übersetzer auf Französisch vorgelegt haben, stellt uns, vor allem im Hinblick auf die Datierung, vor beträchtliche Schwierigkeiten – wir werden noch Gelegenheit haben, diese hervorzuheben, wenn wir die (einzige) auf Französisch verfügbare Übersetzung der Vorlesung über Moralphilosophie vorstellen werden. Zu diesen Schwierigkeiten kommen noch jene hinzu, die jede Übersetzung und in einem weiteren Sinn jede Nutzung von Nachschriften bereitet: zu bestimmen, mit welchem Typ von Nachschrift – Urschrift oder Mitschrift, Reinschrift, Abschrift – man es zu tun hat, die eigentlichen Argumente Kants von den Argumenten und Definitionen zu unterscheiden, die Kant von dem Autor des Handbuchs, auf dessen Grundlage er seine Vorlesung hält, übernommen hat. Außerdem müssen wir sagen, dass die Datierung der von Pölitz veröffentlichten Vorlesungen umstritten ist. So ist Benno Erdmann, der anerkennt, dass diese Vorlesungen eine wertvolle Quelle darstellen, um die Entwicklung von Kants Denken während der Zeit seines Schweigens zwischen 1770 und 1781 nachzuzeichnen, der Ansicht, dass die von Kant gehaltene Vorlesung und die Notizen dieser Vorlesung dem Zeitraum zwischen 1773 und 1774 entstammen. Heinze wiederum argumentiert für eine Datierung, die in größerer Nähe zur ersten Auflage (A) der KrV liegt, zwischen 1775 und 1781.188 Wie Monique Castillo zu Recht feststellt, erhält man die besten Anhaltspunkte für die Datierung dieses Textes durch seine interne Analyse und die in ihm enthaltenen Anspielungen. So ist es bemerkenswert, dass Kant in der Rationalen Psychologie von Crusius in der Vergangenheitsform spricht, was die Annahme nahelegt, dass die Vorlesung und die Nachschrift nach Crusius’ Tod im Jahr 1775 entstanden sind. Darüber hinaus soll laut Lehmann das erste Manuskript, aus dem sich der von Pölitz vorgelegte Text der Vorlesungen über die Metaphysik zusammensetzt, von Pölitz stark verändert worden sein. So soll Pölitz Lehmann zufolge in der Bibliothek in Leipzig ein Notizbuch mit dem Titel Logik und Metaphysik Kants, Jahr 1789 gefunden haben, aus dem er Einleitung, Prolegomena und Ontologie entnommen habe. Es ist allerdings auch möglich, dass Pölitz Teile älterer Texte hinzugefügt hat, Rekonstruktionsarbeiten, die die Koexistenz vorkritischer Elemente und ›kritischer’ Weiterentwicklungen in diesem Text erklären könnten. In Anbetracht der Schwierigkeiten, die der von Pölitz veröffentlichte Text der Metaphysik-Vorlesung aufwirft, erscheint es uns als wichtig, um nicht zu sagen als dringlich, diese Übersetzung der Vorlesungen über die Metaphysik durch eine französische Übersetzung anderer Nachschriften der von Kant gehaltenen Metaphysik-Vorlesungen zu ergänzen. Einige von ihnen gelten als vollständig,

188 In

den Vorlesungen Kants über Metaphysik aus drei Semestern. Leipzig 1894.

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insbesondere Mrongovius 2, eine Nachschrift der im Winter 1783/1784189 gehaltenen Vorlesung, und V-Met/Dohna190 , die Nachschrift einer vermutlich im Winter­ semester 1792/1793 gehaltenen Vorlesung. 3. Moralphilosophie

Obwohl Kant von 1756 bis 1794 Moralphilosophie lehrte, verfügen wir bekanntlich (und bedauerlicherweise) nur über eine einzige ins Französische übersetzte Vorlesung. Sie trägt den Titel Leçons d’éthique.191 Bei den Leçons d’éthique handelt es sich genau genommen um die Übersetzung von Eine Vorlesung Kants über Ethik, die erstmals 1924 von Paul Menzer veröffentlicht wurde. Es ist jedoch zu bedenken, dass der von Luc Langlois ins Französische übersetzte Text nicht nur nicht von Kant selbst verfasst worden ist, sondern dass es sich nicht einmal um Notizen handelt, die von einem Studenten im Hörsaal angefertigt wurden (d. h. es handelt sich weder um eine Urschrift noch um eine Mitschrift), sondern um einen Text, der auf der Grundlage von drei Manuskripten der Studenten Theodor Friedrich Brauer, Gottlieb Kutzner und Christoph C. Mrongovius ausgearbeitet wurde.192 Die Art und Weise, wie Menzer diesen Text der Vorlesung auf der Basis von drei unterschiedlichen Manuskripten ausgearbeitet hat,193 führt uns zu einer ersten Schwierigkeit: der der Datierung. Folgt man Menzers Hypothese, dass diese drei Manuskripte aus einem gemeinsamen Manuskript hervorgegangen sind, so ist es möglich, den Zeitraum der Vorlesung abzustecken;194 Luc Langlois 189 Das Manuskript liegt in der Bibliothek Gdansk (und ist im Kant-Archiv in Marburg als Mikrofilm zugänglich). 190 Das Manuskript liegt als Privateigentum der Familie Dohna in Bentheim, ist aber im Kant-Archiv in Marburg als Mikrofilm zugänglich. 191 Kant: Leçons d’éthique. Übers. und eingeleitet von Luc Langlois. Paris 1997 [ohne Index, ohne Glossar]. 192 Vgl. ebd. 21. 193 Menzer hat die drei Texte einer sorgfältigen Prüfung unterzogen und ihre fast vollständige Übereinstimmung festgestellt. Auf der Grundlage dieser Synopse hat er die Hypothese aufgestellt, dass sie alle auf eine gemeinsame Quelle zurückgehen. Er hat seiner Edition des Textes der Vorlesung das Manuskript Brauer zu Grunde gelegt, welches Menzer zufolge in dem Zeitraum abgefasst wurde, als Kant seine Vorlesung über Moralphilosophie hielt, sodass es sich hier mit großer Wahrscheinlichkeit um eine zeitgenössische Nachschrift handelte. Luc Langlois hält fest: »Was uns überliefert ist, ist die Wiederabschrift einer Originalmitschrift durch einen Kopisten; dieser scheint wenig kompetent gewesen zu sein, denn er übernimmt in seine Nachschrift Verschreibungen von Eigennamen, die der in der Vorlesung anwesende Student wohl schlecht verstanden hatte.« Langlois: Kant: Leçons d’éthique [Anm. 191] 21 f. 194 Tatsächlich bezieht sich Kant in seinen Vorlesungen auf die von Basedow 1774 gegründeten Einrichtungen, und man weiß, dass er sich besonders seit 1775 für die dortigen Erziehungsexperimente interessierte.

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hat den »Text der Ethik-Vorlesungen, wie sie von Kant zwischen 1775 und 1780 gehalten wurden, d. h. während einer neuralgischen Periode seiner philosophischen Entwicklung« (»texte des leçons d’éthique telles qu’elles furent dispensées par Kant entre 1775 et 1780, soit à une période névralgique de son cheminement philosophique«)195 , ins Französische übersetzt. Neben der Schwierigkeit der Datierung muss auf eine Schwierigkeit hingewiesen werden, mit der wir systematisch konfrontiert werden, wenn wir Kant übersetzen oder allgemein seine Vorlesungsnachschriften benutzen: nämlich die, die Definitionen und Argumente, die dem Autor des Handbuchs zuzuschreiben sind, auf dessen Grundlage die Vorlesung gehalten wurde,196 im vorliegenden Fall Baumgartens Initia philosophiae practicae primae acroamatice und Ethica philosophica (Halle 1760 bzw. 1740), von den Argumenten Kants abzugrenzen. Auch wenn sich das Vokabular der Vorlesung großzügig der Terminologie Baumgartens bedient, ist es im gegenwärtigen Fall offensichtlich, dass Kant seinen Studenten – »mit einem sehr hohen Maß an Freiheit des Denkens und dem Willen, die grundlegenden Probleme der Moral ganz neu anzugehen« (mit »une très grande liberté de pensée et une volonté de reprendre à neuf les problèmes fondamentaux de la morale«)197 – eigene Über­ legungen, seinen eigenen Begriff der Pflicht, des Guten und der moralischen Imperative vorträgt. Abgesehen von den Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Datierung und Ausarbeitung des übersetzten Manuskripts, stellt dieser Text Luc Langlois zufolge nach wie vor »einen wichtigen Schritt in der Reifung von Kants moralischen Ideen« (»une étape de première importance dans la maturation des idées morales de Kant«)198 und letztlich einen grundlegenden Text dar, in dem die Thesen und Themen formuliert werden, die 1785 in der GMS im Zentrum von Kants Anliegen stehen sollten. Es ist jedoch bedauerlich, dass es sich angesichts von 23 identifizierten Exemplaren der Vorlesung über Moralphilosophie, von denen heute noch 14 verfügbar sind und konsultiert werden können, bei der einzigen uns auf Französisch zur Verfügung stehenden Übersetzung um die Übersetzung eines Manuskripts handelt, das auf drei Nachschriften, zumal aus der vorkritischen Periode, basiert. Gewiss, dieser Text kann sich als nützlich erweisen, wenn es darum geht, die Genese des moralischen Denkens Kants zu rekonstruieren. Es scheint uns allerdings auch im Hinblick auf eine Rekonstruktion wichtig zu sein, eine Nachschrift der kritischen Periode ins Französische zu übersetzen, beispielsweise das Ms Mrongovius 4.2, eine Nachschrift der im Wintersemester 1784/1785 gehaltenen Vorlesung (somit 195

Langlois: Kant: Leçons d’éthique [Anm. 191] 23. den zeitgenössischen Dekreten war es untersagt, nach eigenen Notizen zu dozieren. Eine Ausnahme bildeten die Disziplinen, für die es keine Handbücher gab – was bspw. für die physische Geographie galt. 197 Langlois: Kant: Leçons d’éthique [Anm. 191] 24. 198 Ebd. 6. 196 Entsprechend

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zeitgleich mit dem Verfassen der GMS)199 oder sogar das Ms Vigilantius 4, ein zudem als relativ vollständig angesehener Satz der Notizen der im Winter 1793 /1794 gehaltenen Vorlesung. 200 4.  Natürliche Theologie

Die Leçons sur la théorie philosophique de la religion201 sind die französische Übersetzung der Vorlesungen über die philosophische Religionslehre. 202 Diese Vorlesung wurde nach einhelliger Meinung erstmals im Wintersemester 1783/1784 gehalten , 203 d. h. zu einer Zeit, als Kant seine kritische Philosophie vollständig entwickelt und die Prol verfasst, wobei er ganz besonderen Wert darauf legt, den von der sogenannten Garve-Feder-Rezension erhobenen Idealismus-Vorwurf zurückzuweisen – eine Synergie, von der zahlreiche Parallelen zeugen, die sich zwischen mehreren Passagen dieser Vorlesung, der ersten Auflage der KrV und den Prol ziehen lassen. 204 Darüber hinaus bieten diese Vorlesungen, die von Theodor Rink kopiert und erstmals 1817 von Pölitz veröffentlicht wurden, 205 den Vorteil, die erste Vorlesung, die Kant – ohne die üblichen ontologischen Vorbereitungen und den üblichen philosophischen Kontext – allein der Frage der Religion gewidmet hat, zugänglich zu machen und somit eine »spezifische Annäherung an das Problem der Religion mit all seinen mitunter schwierigen Aspekten« (»approche spécifique du problème religieux, dans tous ses aspects, parfois difficiles«) zu ermöglichen. 206 William Fink und Gérard Nicolas haben mit dieser Übersetzung mit Sicherheit dazu beigetragen, die längste und konsistenteste der vier existierenden Vorlesungen über Rationaltheologie207 im Rahmen der französischsprachigen

199 Manuskript

in Gdansk, Transkription in V-Mo/Mron II, AA 29.1,1:597–642. AA 27.2,1: 479–732. 201 Kant: Leçons sur la théorie philosophique de la religion. Übers., mit einer Einleitung, Kommentaren, biographischen Erläuterungen, Glossaren und einem Index rerum von ­William Fink/Gérard Nicolas. Paris 1993. 202 V-Phil-Th/Pölitz, AA 28.2,2: 988–1126. 203 Zur Datierung vgl. AA 28.2,2: 1360. 204 Vgl. Walter B. Waterman: Kant’s Lectures on the Philosophical Theory of Religion. In: Kant-Studien 3 (1899). 301–310. Hier: 302–305. William Fink und Gérard Nicolas zufolge wurden einzelne Passagen wortwörtlich aus der KrV und den Prol übernommen, vgl. Fink/ Nicolas in: Kant: Leçons [...] [Anm. 201] 47 und 48, Fußnote 1. 205 William Fink und Gérard Nicolas übersetzten die Vorlesungen nach der 1830 in Leipzig publizierten zweiten Auflage (ND Darmstadt 1982). 206 Schwierigkeiten, die den Übersetzern zufolge zugleich das Interesse erhöhen, das der Text beanspruchen kann Vgl. Fink/Nicolas: Kant: Leçons [Anm. 201] 6. 207 Die drei anderen Texte sind stärker fragmentarisch: Natürliche Theologie Volckmann nach Baumbach; Danziger Rationaltheologie; Fragment einer späteren Rationaltheologie. 200 V-MS/Vigil,

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Kant-Forschung zu präsentieren, einen Text, der bis dahin wenig bekannt war und dem wenige (französische) Kommentare gewidmet worden waren. 208 Fazit

Es erscheint uns abschließend unbestreitbar, dass in den letzten Jahrzehnten beträchtliche Anstrengungen unternommen wurden, innerhalb der französischsprachigen Kant-Forschung Zugang zu solchen Texten zu ermöglichen, die nicht zu Kants Werk im engsten Sinne gehören – Anstrengungen, die wir vor allem im vierten Teil dieses Beitrags hervorzuheben versucht haben. Sie zeugen insbesondere von dem Wunsch, bestimmte Texte in französischer Sprache zugänglich zu machen, die in dem, was der AA folgend Handschriftlicher Nachlass genannt wird, und in jenen Nachschriften veröffentlicht wurden, die uns die von Kant gehaltenen Vorlesungen zur Kenntnis zu bringen. Wenn der Gebrauch der Reflexionen und der Vorlesungen wie auch ihrer jeweiligen Übersetzungen stets – das kann gar nicht oft genug wiederholt werden – von größter Vorsicht und Sorgfalt begleitet werden muss, verfügen doch die Spezialisten des kantischen Denkens mit diesen Texten über Quellen, die sich für denjenigen als kostbar erweisen können, der die Genese des kantischen Denkens nachzuvollziehen oder ein Argument oder einen problematischen Begriff in Kants Werk zu klären versucht. So erscheint es uns trotz der Schwierigkeiten, die der Gebrauch dieser Art von Quellen mit sich bringt, außerordentlich wichtig, diese Übersetzungsarbeit fortzusetzen. Selbstverständlich geht es nicht darum, tatsächlich sämtliche Reflexionen oder gar alle Vorlesungen zu übersetzen, sondern unter diesen Reflexionen, Manuskripten und Nachschriften diejenigen auszuwählen, die uns helfen können, die Entwicklung des Denkens Kants nachzuvollziehen 209 und das Auftauchen und die Entwick208 Die Übersetzer erwähnen namentlich Victor Delbos, der in seiner Philosophie pratique

de Kant an seine Betrachtungen der Prol eine Diskussion dieser Vorlesung unter Rekurs auf Waterman anschließt, sodann James Collins, der sich oft in The Emergence of Philosophy (Yale University Press 1967) auf diese Vorlesung bezieht, und schließlich Jean-Louis Bruch: La philosophie religieuse de Kant. Paris 1968. 209 Dies gilt – um nur ein einziges Beispiel zu zitieren – für das Naturrecht Feyerabend, die einzige heute zugängliche Nachschrift der Naturrechtsvorlesung, die Kant zwischen 1767 und 1788 zwölf Mal gehalten hat und deren Einleitung sich mit Blick auf eine Rekonstruktion der Entwicklung von Kants praktischer Philosophie im weiteren Sinne, d. h. seiner Moral- und Rechtsphilosophie, als ausgesprochen nützlich erweist. Von unmittelbarem Interesse ist auch der Umstand, dass das Naturrecht Feyerabend auf eine 1784 gehaltene Vorlesung zurückgeht, denn dieses Jahr ist von besonderer Bedeutung für die Entwicklung der kantischen Moralphilosophie, schloss er doch zu diesem Zeitpunkt die Arbeit an der GMS ab. Ganz grundsätzlich macht die heute zugängliche Nachschrift der Naturrechtsvorlesung deutlich, zumal, wenn man sich die Einleitung genauer anschaut, dass Kant hier einige Argumente verwendet,

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Geschichte und aktueller Stand der Kant-Übersetzungen ins Französische

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lung bestimmter Argumente und Schlüsselbegriffe der kantischen Philosophie genauer zu bestimmen, indem wir diese Texte grundsätzlich systematisch mit den veröffentlichten Werken Kants abgleichen. 210 Aus dem Französischen übersetzt von Ulrike Bickel und Gisela Schlüter

die man in dieser klaren und expliziten Form in den Grundtexten seiner praktischen Philosophie, in der wie gesagt zeitgleich entstandenen Grundlegung und in der KpV (1788), eher selten findet: »die Freiheit, nur die Freiheit allein, macht, daß wir Zweck an sich selbst sind.« (V-NR/Feyerabend, AA 27. 2,2: 1322); »wenn nur vernünftige Wesen Zweck an sich selbst seyn können, so können sie es nicht darum seyn, weil sie Vernunft haben, da die Vernunft bloss ein Mittel ist.« Die Freiheit kann nicht unbeschränkt, grenzenlos sein. Dieser Gedanke führt Kant zu der Behauptung, dass die Freiheit eingeschränkt werden muss und dass daher die Freiheit sich selbst ein Gesetz sein muss. 210 Es ist auch zu betonen, dass für die Übersetzungen der Vorlesungen die in der AA edierten Texte mit den heute noch zugänglichen Originalmanuskripten verglichen werden sollten, da die in der AA veröffentlichten Transkriptionen häufig fehlerhaft sind.

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Die italienischen Kant-Übersetzungen (1985–2017) Giuseppe Landolfi Petrone

Zur Erinnerung an Valerio Verra

I.  Allgemeine Überlegungen

Diese im Umfang begrenzte Sondierung soll vor allem die Hauptlinien der KantÜbersetzungen der letzten dreißig Jahre herausarbeiten, in denen sich eine reifere Auffassung von Grenzen und Aufgaben philosophischer Übersetzungen entwickelt und man zunehmend, wenngleich noch nicht in ausreichendem Maße, die Ergebnisse der Debatten über Translatologie und Texttheorie zur Kenntnis genommen hat. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich von 1985 bis 2017. Er ist für die Geschichte der italienischen Kant-Forschung aus unterschiedlichen Gründen von besonderem Interesse: Zum einen fielen wichtige Gedenkjahre in diesen Zeitraum, in denen an das erste Erscheinen der Kritik der reinen Vernunft in der Auflage B, der Kritik der praktischen Vernunft, der Kritik der Urteilskraft und alle anderen systematischen Werke Kants erinnert wurde. Zum anderen ließen zwei Initiativen das hohe Niveau der italienischen Kantforschung deutlich hervortreten. 1990 begründete Silvestro Marcucci zusammen mit Emilio Garroni und Franco Bianco die italienische Kant-Gesellschaft, die Società di Studi Kantiani, und seit 1988 erscheint die Zeitschrift Studi Kantiani. Unter dem prägenden Einfluss Marcuccis wurde in jenen Jahren zudem in Italien der elfte Internationale Kant-Kongress ausgerichtet, der vom 22. bis zum 26. Mai 2010 in Pisa stattfand und sich dem Thema Kant und die Philosophie in weltbürgerlicher Absicht widmete.1 In dem dreißig Jahre umfassenden Untersuchungszeitraum kam im Übrigen den Gedenkfeiern aus Anlass der zweihundertjährigen Geschichte der Französischen Revolution enorme Bedeutung zu, und auch in Italien gab dies mannigfach Anlass, das politische Denken Kants in Erinnerung zu rufen. Schließlich regte der zweihundertjährige Todestag Kants im Jahr 2004 eine neue Betrachtung des Kritizismus an, welcher von einem Generationenwechsel und der zunehmenden Internationalisierung der Kantforschung profitieren konnte. 1

Kant und die Philosophie in weltbürgerlicher Absicht. Hg. von Stefano Bacin/Alfredo Ferrarin/Claudio La Rocca/Margit Ruffing. 5 Bde. Berlin/Boston 2013.

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A.  Zu Auswahlkriterien und Methode

Die im Folgenden zu Grunde gelegten bibliographischen Daten wurden über die kombinierten Suchbegriffe Zeitraum/Autor im Servizio Bibliotecario Nazionale ermittelt. Für einen prägnanten Vergleich wurden die Daten der Zeiträume 1900 bis 1984 und 1985 bis 2017 miteinander abgeglichen – mehr als ein ganzes Jahrhundert editorischer und verlegerischer Aktivitäten [vgl. Graphik 1], in dem sich die Notwendigkeit direkter Kenntnis der kantischen Texte immer deutlicher abzeichnete und in dem verschiedene Verleger und Herausgeber zudem, vor allem in jüngerer Vergangenheit, immer wieder versucht haben, Kants Schriften zu weiterer Verbreitung zu verhelfen, sei es im Rahmen von Sonderheften zu Periodika oder von Beilagen zur Tagespresse.

Graphik 1: Überblick über die Zeiträume 1900–1984 und 1985–2017

Die ermittelten Daten wurden zunächst unter quantitativen Aspekten analysiert, um Tendenzen ausmachen zu können: so beispielsweise die unterschiedlichen Funktionen und das jeweilige Gewicht der Anthologien, die im Laufe der Zeit erschienen sind, unter anderem aus didaktischen Gründen und im Kontext der schwierigen Universitätsreformen. In einem zweiten Schritt galt die Aufmerksamkeit den zwischen 1985 und 2017 zu verzeichnenden Publikationen [vgl. Graphik 2]. Die Analyse behandelt An-

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Graphik 2: Ausgaben/Auflagen 1985–2017



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thologien und Sammlungen nicht zentral, jedoch finden die politischen Schriften, die geschichts- und rechtsphilosophischen Schriften, herausgegeben von Filippo Gonnelli, die religionsphilosophischen Schriften, ediert von Giuseppe Riconda, die von Giuseppe De Flaviis herausgegebenen Schriften zum Kritizismus und schließlich die von Fabrizio Desideri edierten Schriften hier angemessene Berücksichtigung. Nicht näher in Betracht gezogen wurden hingegen die bei Laterza erschienenen vorkritischen Schriften (Scritti precritici), deren Edition vor 1985 liegt; in den letzten dreißig Jahren waren keine neuen Gesamtausgaben dieser Schriften zu verzeichnen. Allerdings wurden die Schriften zur Geschichtsphilosophie, zu Politik und Recht in die Betrachtung einbezogen, so eine Edition für UTET ab 1956, herausgegeben von Gioele Solari und abgeschlossen von Norberto Bobbio, Luigi Firpo und Vittorio Mathieu; dies erlaubt den Vergleich mit der Edition von Gonnelli, einer sehr planvollen Sammlung der politisch-juridischen Schriften Kants. Ein erster Durchgang durch das Material erlaubt interessante Einsichten in die kulturellen Kontexte, denen die Übersetzungen verpflichtet sind. Die Übersetzungen sind nicht nur von bestimmten historiographischen Trends abhängig, sondern sie sind auch Ausdruck einer allgemeinen Wissenskultur, innerhalb derer sich heute ein neuartiges kollektives, ja sogar populäres Interesse für Philosophie abzeichnet. So lebhaft haben sich in den vergangenen Jahren Verleger für Kant engagiert, insbesondere auch mit Blick auf Übersetzungen, dass beim derzeitigen Stand der Dinge ein Goodbye Kant, so ironisch und treuherzig es auch sein mag, in ferner Zukunft zu liegen scheint. 2 Vielmehr ist es notwendig, sich bewusst zu machen, welchen Impulsen sich die weite Verbreitung der Schriften Kants und ihre Diversifizierung in Italien in den vergangenen drei Jahrzehnten verdankten. B.  Studi kantiani als erster Impuls

Quantitativ betrachtet, hat die Zweihundertjahrfeier zum Erscheinen der KrV (1981/1987) keine nennenswerte übersetzerische Aktivität ausgelöst, abgesehen von einigen im Folgenden anzuführenden Initiativen. Für die Kant-Forschung hingegen erwiesen sich diese Jahre als wichtig, denn wie bereits erwähnt nahm der Plan einer Fachzeitschrift Gestalt an, welche von ihrem Gründungsjahr 1988 an bis 2005 von Silvestro Marcucci geleitet wurde. Vor allem in den ersten Jahren hat die Zeitschrift sich sehr um eine historiographische Bestandsaufnahme der italienischen Kant-Forschung verdient gemacht – Jahre, die noch in einer von der Deutung Gentiles geprägten spezifisch italienischen Kant-Tradition standen. 2

Maurizio Ferraris: Goodbye Kant! Cosa resta oggi della Critica della ragion pura. Mailand 2004.

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So erschienen etwa noch 1986 zwei Bände mit Akten eines Kongresses in Messina zum Thema Die kant[ian]ische Tradition in Italien (La tradizione kantiana in Italia); der erste Band enthielt im Übrigen einen ersten Beitrag zur Geschichte der italienischen Kant-Übersetzungen. 3 Die einschlägigen Bestandsaufnahmen in den Studi kantiani (besonders in der Rubrik Bollettino bibliografico) belegen deutlich, dass sich ein ›italienischer Weg‹ zu Kant nicht abgezeichnet hatte, auf den eine bestimmte Strömung des Neuidealismus hoffte. C.  Die Gesamtbilanz der italienischen Philosophie als zweiter Impuls

In den frühen 1980er Jahren fand eine breite Bestandsaufnahme der italienischen Nachkriegsphilosophie statt. 1981 hatte in Anacapri ein Kongress zur philosophischen Kultur Italiens von 1945 bis 1980 (La cultura filosofica italiana dal 1945 al 1980) stattgefunden, dessen Akten 1982 erschienen. Der angestrebten Gesamtbilanz fehlte, wie Norberto Bobbio am Schluss feststellte, der Anlass: Bilanz ziehe man in Krisensituationen, eine solche Krise gebe es indes nicht. Es sei nichts Ungewöhnliches passiert, das zu einer Gewissensprüfung verpflichten würde. 4 Wie man sieht, liegt es Bobbio wie den anderen Kongressteilnehmern fern, so entschieden auf eine Bilanz zu dringen, wie Eugenio Garin dies in seinen Cronache di filosofia italiana getan hatte.5 Bobbio und die anderen Teilnehmer des Kongresses von Anacapri hätten aber weniger auf die internen Entwicklungen innerhalb der philosophischen Strömungen schauen sollen als vielmehr auf die massenkulturellen Trends, die sich spätestens seit Mitte der 1970er Jahre (in der sozial und politisch schwierigen Zeit der anni di piombo) auch im Bereich der Geisteswissenschaften durchsetzten. Was sich in den 1980er Jahren änderte und was Bobbio nicht bemerkte bzw. noch nicht bemerken konnte, war die 3

La tradizione kantiana in Italia. 2 Bde. Messina 1986. Zu den ersten italienischen Kant-Übersetzungen vgl. Giovanni Santinello: Le prime traduzioni italiane dell’opera di Kant. A. a. O. Bd. 1. 295–323. In den 1980er Jahren stellte sich die Frage nach dem italienischen Beitrag zur historiographischen Kant-Forschung erneut, wiederum verbunden mit der Frage nach Kants Beitrag zur italienischen Philosophie. Vgl. Massimo Barale: Kant heute in Italien. In: Kant-Studien 72 (1981). 96–109; Ada Lamacchia: Kant in Italia (1950–1979). Bari 1986 [erweiterte Fassung des bereits in: La tradizione kantiana in Italia (a. a. O. Bd. 1. 117–169) erschienenen Beitrages]. 4 Norberto Bobbio: Bilancio di un convegno. In: La cultura filosofica italiana dal 1945 al 1980 nelle sue relazioni con altri campi del sapere. Atti del Convegno di Anacapri [Juni 1981]. Neapel 1982. 301–311. Hier: 301. 5 Eugenio Garin: Cronache di filosofia italiana. 1900–1943. Bari 1955. Vgl. auch die Fortsetzung seiner Polemik, ders.: Quindici anni dopo. 1945–1960. In: ders.: La cultura italiana tra ’800 e ’900. Bari 31963. 229–351; vgl. jetzt in: ders.: Cronache di filosofia italiana. 1900– 1943. Quindici anni dopo. 1945–1960. 2 Bde. Rom/Bari ²1975. Bd. 2. 489–617.

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Praxis der Philosophie, die Art, wie die philosophische Kultur verbreitet, diskutiert und betrieben wurde. In einem gewissen Sinne war die Situation der italienischen Philosophie unvermeidlich rückständig. Dies belegt eine Umfrage, die Valerio Verra 1976 in einer Reihe von Radiointerviews realisierte, welche in den Band La filosofia dal ´45 ad oggi Eingang fanden; hier fehlen die Exponenten derjenigen Disziplinen, die in diesen Jahren zum Durchbruch gelangten, wie etwa die Sprachphilosophie oder die Semiotik – ein Jahr zuvor war Umberto Ecos Trattato di semiotica generale erschienen, welcher der italienischen Philosophie internationales Ansehen verschaffen sollte.6 Auch heute wird weiterhin an Bestandsaufnahmen der italienischen Philosophie gearbeitet, freilich mit anderen Zielen und aus anderen Perspektiven. Das belegen die Bände La cultura filosofica italiana attraverso le riviste (1945–2000), herausgegeben von Piero Di Giovanni. Dieses Unternehmen ist nicht nur nützlich, sondern angesichts der derzeit trüben Situation, in der die Bedeutung der wissenschaftlichen Zeitschriften nach politischen Logiken gerankt wird, besonders angezeigt.7 D.  Die Neubewertung der Klassiker als dritter Impuls

Im 19. Jahrhundert hatte es eine einzige, wenig geglückte Übersetzung der KrV gegeben. 8 Erst 1906 erschien eine erste Übersetzung der KU und 1909 eine der KpV, dann 1909–1910 die mühsam zustande gekommene Übersetzung der KrV von Giuseppe Lombardo Radice und Giovanni Gentile.9 In unserem Untersuchungszeitraum hat es freilich zwei Neuübersetzungen der KrV, eine der KpV und sogar vier der KU gegeben. Eine solche Vervielfältigung deutet auf eine neue Einstellung gegenüber den klassischen Autoren hin: Man betrachtet deren Werke heute glücklicherweise ohne Minderwertigkeitskomplexe in Bezug auf deren vorherige Übersetzer. Es war Valerio Verras Publikation des ersten Teils der großen philosophischen Enzyklopädie Hegels, der Logik, die 1981 die Grenzen für eine Neubewer-

6

Valerio Verra: Parlano i filosofi italiani. In: ders. (Hg.): La filosofia dal ’45 ad oggi. Turin 1976. 447–540. 7 La cultura filosofica italiana attraverso le riviste. 1945–2000. Hg. von Piero Di Giovanni. 2 Bde. Mailand 2006–2008. 8 Kant: Critica della ragione pura di Manuele Kant. Aus dem Deutschen übers. von Vincenzo Mantovani. 8 Bde. Pavia 1820–1822. 9 Kant: Critica del Giudizio. Übers. von Alfredo Gargiulo. Bari 1906. Kant: Critica della ragion pratica. Übers. von Francesco Capra. Bari 1909. Kant: Critica della ragion pura. Übers. von Giovanni Gentile/Giuseppe Lombardo Radice. 2 Bde. Bari 1909–1910.

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tung der klassischen deutschen Philosophie öffnete.10 Das Werk, das Benedetto Croce 1906 für Laterza übersetzt hatte, erneut zu präsentieren, war in doppelter Weise folgenreich, was Verra vollständig bewusst war: Einerseits ließ sich auf diese Weise der hermeneutische Einfluss eines herausragenden und maßgeblichen Interpreten umgehen, sodass ein direkter, alternativer Zugang zum Text ermöglicht wurde. Andererseits unterbrach Verra dadurch die herrschende Praxis der Textrevision, die schon seit langem die verlegerische Politik Laterzas geprägt hatte (und sie noch heute prägt): Seit den 1950er Jahren sah sich der Verleger, der Tradition Croces verpflichtet, mit der Notwendigkeit konfrontiert, die Reihe Classici della filosofia moderna zu modernisieren, jene Reihe, die Croce, der sie eine Zeitlang gemeinsam mit Gentile geleitet hatte, aus der Taufe gehoben hatte. Die beiden genannten Aspekte sind eng miteinander verflochten und müssen gründlicher durchdacht werden, denn sie hängen mit der neueren Geschichte der italienischen Kant-Übersetzungen unmittelbar zusammen. Verra konzentriert sich hinsichtlich der vorausgegangenen Übersetzung durch Croce auf drei wesentliche Aspekte. Es sei daran erinnert, dass Croces Über­ setzung nie überarbeitet worden war, im Gegensatz zur üblichen Praxis des Verla­ ges Laterza, der die Übersetzungen, incl. derjenigen Hegels, üblicherweise überarbeiten ließ. Verra betont die Verpflichtung gegenüber den vorangegangenen Übersetzungen, sodann die Notwendigkeit, ein Gleichgewicht zwischen Textauslegung und buchstäblicher Texttreue zu erzielen, und schließlich die große Bedeutung der individuellen Terminologie eines Autors. Was den ersten, historiographisch brisantesten Aspekt betrifft, so ist Verra sich bewusst, dass er die Jahrzehnte währende Bindung an den maßgeblichen und aktivsten italienischen Vermittler im Bereich der Philosophie in Frage stellt. Croce war nicht nur der Autor der bei Laterza erschienenen Übersetzung der Hegelschen Enzyklopädie, sondern auch derjenige, dem sich die Dominanz von Laterza im Bereich der Edition philosophischer Texte verdankte. Für ganze Generationen ist der Einfluss der von ihm verantworteten Reihe unauslöschlich gewesen, sie haben Kant, Fichte, Schelling und Hegel in den Übersetzungen und Auslegungen von Francesco Capra, Alfredo Gargiulo, Giovanni Gentile, Giuseppe Lombardo Radice, Adriano Tilgher, Michele Losacco oder Benedetto Croce gelesen. In den 1950er Jahren initiierte Laterza die Überarbeitung dieser ersten Übersetzungen, um seine verlegerische Dominanz zu wahren und die großen Namen zu schützen, die zu Jahrhundertbeginn den beispiellosen verlegerischen Erfolg ausgelöst hatten. Dabei übertrug Laterza die Revisionen prominenten Vertretern der zeitgenössischen philosophischen Szene in Italien. Was Kant betrifft, so wurde als Erster Eugenio

10

Georg Wilhelm Friedrich Hegel: La scienza della logica. Hg. von Valerio Verra. Turin

1981.

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Garin anlässlich der siebten Auflage der KpV 1955 eingeschaltet.11 Die wichtigste Überarbeitung aber nahm wenige Jahre später Vittorio Mathieu 1958 an der siebten Auflage der KrV vor,12 wichtig nicht zuletzt deswegen, weil sie mit der Übersetzung Giorgio Collis für Einaudi aus dem Vorjahr konkurrierte.13 Eine Polemik wurde ausgelöst, welche sich 1976 anlässlich der Neuauflage von Collis Übersetzung erneut entzündete. Im Zentrum der Polemik stand nicht nur die Rolle Mathieus als Überarbeiter der Übersetzung von Gentile,14 sondern auch die Rolle des neuen Übersetzers, der sich eine Interpretation zu eigen macht, die die hermeneutische Autorität des Aktualismus in Frage stellt und die alte Frage nach der Rangordnung der Auflagen A und B erneut virulent werden lässt. Colli schloss sich Schopenhauer an und dokumentierte dies in einer synoptischen Edition. Erscheinung übersetzte er mit ›apparenza‹. Mathieu und viele andere Forscher widersetzten sich, und ihr Einspruch wie auch der Kompromiss Pietro Chiodis, der die seither geläufige Übersetzung ›fenomeno‹ wählte,15 ohne das Problem der beiden Auflagen zu thematisieren, lösten unverzüglich eine Debatte über die kantische Terminologie aus. Von dieser sollte dann die italienische Philosophiegeschichtsschreibung profitieren, vor allem mit Blick auf die Methodologie, welche heute im Bereich der Ideengeschichte krisenhafte Züge zeigt. Was Colli hinsichtlich Kants nicht gelungen war, gelang Verra hingegen hinsichtlich Hegels, denn er hatte Croce nicht polemisch, sondern in konstruktiver Weise angegriffen: Die Interpretation hat erst nach dem wörtlichen Textver11

Kant: Critica della ragion pratica. Siebte, von Eugenio Garin durchgesehene Aufl. Bari 1955; seit 1971 verfügt diese Ausgabe auch über ein Glossar und einen Namensindex von Mathieu. 12 Kant: Critica della ragion pura. Siebte, von Vittorio Mathieu durchgesehene Aufl. Bari 1958; 1966 fügte Mathieu ein nützliches Glossar hinzu, in der Auflage von 1977 dann auch eine eigene Einleitung. 13 Kant: Critica della ragion pura. Einleitung, Übers. und Kommentar von Giorgio Colli. Turin 1957. 1976 publizierte Colli eine Neuauflage bei Adelphi mit einem gegen Mathieu gerichteten polemischen Vorwort. Wenngleich diese Auflage als ›überarbeitete Neuauflage‹ (›nuova edizione riveduta‹) bezeichnet wird, handelt es sich doch um einen Nachdruck der vorangegangenen Turiner Edition; selbst der gravierende Fehler auf der Seite 47 wird beibehalten (Erkenntnisse a priori wird übersetzt als Erfahrungen a priori [»esperienze a priori«]). Zu den Unterschieden zwischen den Übersetzungen von Colli und Mathieu vgl. Laura Balbiani: La sfida della traduzione e la Critica della ragion pura in Italia. In: Rivista di Filosofia Neo-Scolastica 99 (2007). 233–260. Hier: 250–252. 14 Die als Leistung von Gentile und Lombardo Radice bekannte Übersetzung verdankt sich, daran muss hier erinnert werden, ausschließlich Gentile. Als dieser die zweite Auflage 1919 zum Druck gab, erklärte er, er habe die Gelegenheit ergriffen, »die Übersetzung sorgfältig zu korrigieren und großenteils neu zu machen«, vgl. Giovanni Gentile: Prefazione a questa traduzione. In: Kant: Critica della ragion pura. Übers. von Giovanni Gentile/Giuseppe Lombardo Radice [Anm. 9] [ND der zweiten Aufl. Bari ²1940]. V–XXIII. Hier: XXIII. 15 Vgl. dazu den Beitrag von Costantino Esposito im vorliegenden Band.

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ständnis einzusetzen, und der Übersetzer ordnet sich dem Text unter. Um diesen Aspekt hervorzuheben, formulierte Verra dem Werk Croces gegenüber ›besondere Dankbarkeit‹ und hielt es nicht für nötig, die Gründe seiner übersetzerischen Entscheidungen (treu oder abweichend) darzulegen.16 Verra schreibt sich demzufolge in eine Tradition ein, die er zugleich überwindet. Dabei widmet er sich mit besonderer Sorgfalt dem zweiten der oben angeführten Punkte, nämlich dem der Texttreue, welche freilich nicht im Sinne sklavischer Nachahmung vor allem auf der Ebene der Satzbildung aufzufassen ist. Die zuletzt genannte Praxis wird heutzutage erstaunlicherweise noch oft gepflegt – dabei gerät aber die begriffliche Ebene in den Hintergrund.17 Verra hebt zu Recht hervor: »wir haben grundsätzlich keine bloße Nachahmung des Hegelschen Textes und keine mechanische Übertragung nach Maßgabe eines festgelegten terminologischen Rasters angestrebt, sondern wir haben versucht, den Sinn des Textes im Wesentlichen wiederzugeben, ohne die unvermeidlichen Risiken zu verkennen und ohne den Anspruch oder die Illusion, optimale Lösungen gefunden zu haben.«18 Schlüsselwörter dieser Erklärung sind das ›festgelegte terminologische Raster‹ (›codice terminologico prefissato‹) und ›unvermeidliche Risiken‹, denn sie umreißen den Aktionsradius des Übersetzers, der tiefer ansetzen muss als bei einer rein syntagmatischen Angleichung an eine dem Italienischen fremde Grammatik und Syntax. Leider sind die Übersetzer der Werke Kants kaum den Richtungsvorgaben Verras gefolgt. Dieser hat 1959 die 1906 erschienene Übersetzung der KU durch Alfredo Gargiulo, von der bereits die Rede war, überarbeitet und sich dabei nur an dessen stilistische Vorgaben gehalten, terminologische und allgemeinere kulturelle Entscheidungen Gargiulos hingegen revidiert. Die wenig offenkundige, aber folgenreiche Mangelhaftigkeit der Übersetzung von Gargiulo ergibt sich, so Verra, aus ›der relativ unzureichenden terminologischen Stringenz‹, die sich in der inkonsequenten Wiedergabe der Differenzierung von Urteil und Urteilskraft (nach Gargiulo ›giudizio‹ und ›Giudizio‹) oder anderer Ausdrücke und Termini der Sprache Kants zeigt. Auf der kulturellen Ebene empfand man zur Zeit Verras das Bedürfnis, »zwischen der vorliegenden Übersetzung und denen anderer Schriften Kants, die mittlerweile innerhalb unserer philosophischen Kultur kanonische Geltung besitzen, Kohärenz herzustellen«.19 16

Valerio Verra: La presente edizione [Anm. 10] 73. Vgl. den Beitrag von Laura Balbiani im vorliegenden Band. 18 Verra: La presente edizione [Anm. 10] 74. »non ci siamo mai proposti un semplice calco del testo hegeliano o una sua trasposizione meccanica secondo un codice terminologico prefissato, ma abbiamo via via cercato, pur consapevoli degli inevitabili rischi, di renderne sostanzialmente il senso, sia pur senza alcuna pretesa o illusione di soluzioni ottimali.« 19 Verra: Nota del revisore. In: Kant: Critica del Giudizio. Von Valerio Verra durchgesehene Aufl. Bari 1960 [ 51963]. XVI–XIX. Hier: XVII f. (»stabilire una coerenza tra questa 17

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Mehrheitlich verpflichten sich die Kant-Übersetzer der Texttreue, bis hin zu einer maximalen lexikalischen und syntaktischen Angleichung selbst in den Fällen, in denen der Übersetzer von einer zweisprachigen Ausgabe profitieren kann. 20 Sieht man von den philologischen und sprachlichen Implikationen einmal ab, so wird man bilanzieren können, dass die Neubewertung der klassischen Autoren die Verjüngung der italienischen Kant-Übersetzungspraxis deutlich beschleunigt und verlegerische und regionale Dominanzen überwunden hat. Übersetzerische Strategien, die klar definierten und zielgerichteten kulturellen Interessen und Bedürfnissen Rechnung tragen könnten, wurden freilich nicht entwickelt, wie dies noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Fall gewesen war, als sich zwei konträre Positionen gegenüberstanden. E.  Die Übersetzungsstrategien von Gentile und Vidari

Es mag nützlich sein, kurz jenes kulturelle Klima in Erinnerung zu rufen, in dem die ersten wichtigen Kant-Übersetzungen entstanden, um einige Probleme hervortreten zu lassen, die sich mit der Verbreitung der wichtigsten Texte des Kritizismus verbanden – Probleme, die bis heute ungelöst sind. Das Hauptproblem besteht darin, dass es noch immer kein Projekt einer italienischen Gesamtausgabe der Schriften Kants gibt, obwohl man sich schon in der Vergangenheit dieser Notwendigkeit bewusst war und es noch heute ist. 21 Dieses Desiderat betrifft auch andere Autoren derselben Epoche. Es gab zwei alternative Lösungsansätze, denjenigen von Croce und Gentile auf der einen Seite und auf der anderen Seite den von Giovanni Vidari. Wie bereits erwähnt, publizierte Laterza die drei Kritiken in Folge zwischen 1906 und 1910 und schloss damit eine der offenkundigsten Lücken in der philosophischen Kultur Italiens, in der freilich der Neukantianismus durchaus präsent gewesen war. Die Strategie Laterzas bestand darin, den Kritizismus nach traduzione e quella degli altri testi kantiani ormai divenuti patrimonio della nostra cultura filosofica«). In die siebte Auflage von 1970 hat Verra ein Glossar und einen Namensindex aufgenommen. 20 Dies gilt für die Übersetzungen der KrV, der KpV und der GMS durch Anna Maria Marietti, für die der KU durch Leonardo Amoroso, der RL durch Filippo Gonnelli und auch noch für die der KrV durch Costantino Esposito. Auf andere Übersetzungen wird zurückzukommen sein. 21 Es sei an dieser Stelle auf die englische Ausgabe unter der Gesamtherausgeberschaft von Paul Guyer und Allen W. Wood bei CUP und auf die französische Ausgabe unter der Gesamtherausgeberschaft von Ferdinand Alquié bei Gallimard (3 Bde.) hingewiesen (Pléiade-Ausgabe). In der Reihe Meridiani sind bei Mondadori drei Bände mit klassischen KantÜbersetzungen erschienen, die jedoch weder unter philosophischen noch unter verlegerischen oder übersetzerischen Aspekten vereinheitlicht worden sind.

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folgendem Schema mehrstimmig auftreten zu lassen (A=Autor; S=Schriften; T=Übersetzer): A

S1 S2 S3

T1 T2 T3 Giovanni Vidari hingegen beschritt einen deutlich unbequemeren Weg, konnte damit aber einen dauerhafteren Absatz erzielen: Er übersetzte für verschiedene Verlage die wichtigsten moralphilosophischen Schriften Kants: zunächst GMS 1910, dann im Jahr darauf TL, 1916 die gesamte MS und schließlich 1921 die erfolgreiche Anth (erinnert sei im Übrigen an die Anthologie zur KpV, die Paravia 1924 herausgab und die anschließend von Mathieu übernommen wurde). Ein bemerkenswertes Unternehmen, das nach folgendem Schema verfuhr: A

S1 S2 S3

T

Vidaris Übersetzungen sind auf breite Resonanz gestoßen und gehören substantiell zum Kant-Programm des Verlages Laterza, der dadurch seinen Status als wichtigster italienischer Verleger Kants hat behaupten können. 22 Im Laufe der Zeit haben sich andere Logiken und Strategien etabliert, die in unterschiedlicher und jeweils charakteristischer Weise auf den Originaltext rekurrieren. Allerdings wurde nie eine Gesamtausgabe in Angriff genommen, 22 Im

Zeitraum zwischen 1900 und 1983 druckte Laterza 96 Ausgaben/Auflagen, zwischen 1985 und 2017 stieg die Zahl auf 132.

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welche dem state of the art im Bereich der Philologie hinsichtlich der Quellenlage (der besonders für die anthropologischen Schriften heute deutlich fortgeschritten ist) sowie derjenigen philosophischen und nicht-philosophischen Disziplinen, mit denen Kant sich beschäftigt hat, Rechnung tragen könnte. Hervorzuheben ist aber, dass in jüngerer Vergangenheit sowohl Rizzoli als auch Bompiani im Bereich der zweisprachigen Ausgaben Initiative gezeigt haben. Vor allem Giovanni Reale, der zwei philosophische Reihen bei Bompiani herausgegeben hat (Testi a fronte, Il pensiero occidentale), hat eine enorme organisatorische Kraft entfaltet und ein Korpus entstehen lassen, welches bislang zehn Werke und kleinere Schriften Kants in zweisprachigen Ausgaben umfasst; Rizzoli führt im Katalog sieben Titel in der Reihe BUR, 23 allerdings hat sich das verlegerische Engagement in den vergangenen Jahren verringert, verglichen mit dem Bompianis. II.  Eine Bestandsaufnahme der Daten

Im Folgenden werden zusammenfassend einige quantitative Aspekte dargelegt, um dann die unterschiedlichen Tendenzen im Gesamtpanorama zu analysieren. Zunächst ist das beträchtliche verlegerische Engagement hinsichtlich Kants hervorzuheben. Insgesamt erschienen im Berichtszeitraum 1985 bis 2017 rund 411 unterschiedliche Ausgaben bzw. Auflagen seiner Werke. Diese Gesamtzahl umfasst sowohl selbstständige Publikationen einzelner Werke (363) als auch Sammelbände mit kürzeren, thematisch einheitlichen Schriften sowie Anthologien unterschiedlicher Art (48). Vergleicht man diesen Output mit dem der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis 1985, so ergibt sich eine in etwa vergleichbare Gesamtzahl, jedoch mit unterschiedlichen Akzentsetzungen: Während man in der ersten Phase vor 1985 Sammelbände und Anthologien mit Werkauszügen präferierte, bevorzugt man heute – wohl dank einer verfeinerten philologischsprachlichen Sensibilität für die Gesamtgestalt eines Werkes – die Übersetzung von Einzelwerken als Ganzen; Sammlungen sind von marginaler Bedeutung [vgl. Graphik 1]. Diese Gesamtzahl umfasst sowohl Neuübersetzungen als auch Neuauflagen/ Nachdrucke klassisch gewordener Übersetzungen oder von Übersetzungen aus den vorangegangenen Jahrzehnten. Insofern betrifft diese Gesamtzahl die verlegerische Situation, sagt jedoch kaum etwas über den Status der Übersetzungen im engeren Sinne aus. Meines Erachtens besitzt diese Gesamtzahl eine hohe Aus23 Bei Bompiani sind folgende Übersetzungen herausgekommen: RGV (1996), KpV (2000), GMS (2003), MAN (2003), PhilEnz (2003), KrV (2004), KU (2004), MS (2006), MSI (2014), V-N/Feyerabend (2016). In der Reihe BUR erschienen GSE (1989), KpV (1992), GMS (1995), KU (1995), TG (1995), KrV (1998), ZeF (2003).

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sagekraft hinsichtlich des realen soziokulturellen Einflusses Kants in Italien. In diesem Zusammenhang gilt es auch zu bedenken, dass der Buchmarkt weitere und globalere Kommunikationswege eröffnet hat, die es nahelegen, auch das zu berücksichtigen, was man am Zeitungskiosk, oft als Beilage zu einer Tageszeitung, erwerben kann – neue publizistische Medien und Verbreitungsweisen, die sich neben der traditionellen Form der akademischen Publikation etabliert haben.

Graphik 3: Übersetzungen 1985–2017

Innerhalb unseres Berichtszeitraums zeichnen sich einzelne Höhepunkte der Produktion aus, die, wie bereits erwähnt, mit den beiden Gedenkjahren zusammenhängen, die in den Berichtszeitraum fielen (1995/1996 und 2003/2004); auch die Jahre 1990/1991 waren, mit 17 bzw. 18 Bänden, besonders produktiv, 2001 gleichermaßen [vgl. im Einzelnen Graphik 3]. Bemerkenswert ist der Anteil der einzelnen Verlage am Markt, der weiterhin von Laterza beherrscht wird, welcher den stärksten Anteil an der Verbreitung von Kants Werken in Italien hat. Erheblich

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geringer ist der Anteil von Verlagen, die erst seit kurzem Präsenz im Bereich der kanonischen Texte der Philosophie gezeigt haben, wie etwa Bompiani und BUR. Der erste hat sich schon lange als ein Verlag etabliert, in dem Debatten über das zeitgenössische Denken dokumentiert werden; der zweite lässt seine Titel durch Fabbri als Zeitungs-/ Zeitschriftenbeilagen vermarkten. Diese für die Verbreitung von Kants Werken neuerdings wichtigen Verlage zeichnen sich durch Dynamik und eine erhebliche Innovationskraft aus. Sie geben neue Übersetzungen in Auftrag, während Laterza weiterhin die Politik verfolgt, die Übersetzungen, die der Verlag schon immer in seinem Katalog hatte, neu aufzulegen. Konzentriert man sich auf die eigentliche Übersetzungstätigkeit und lässt Nachdrucke und Neuauflagen beiseite, so lassen sich innerhalb der 363 Publikationen aus dem Berichtszeitraum 1985–2017 80 Neuübersetzungen identifizieren. Die wichtigsten Übersetzungen sind in den beiden produktivsten Jahren erschienen: 1995, als die geschichtsphilosophischen, politischen und rechtsphilosophischen Schriften bei Laterza erschienen, und 2004, als Bompiani die Neuübersetzungen der KrV und der KU druckte (um uns auf wenige Beispiele zu beschränken).

Graphik 4: Neuübersetzungen

Obwohl Laterza als Verlag nach wie vor für die Schriften Kants einschlägig ist, hat der Verlag in unserem Berichtszeitraum nur zwei Neuübersetzungen von Bedeutung publiziert, beide stammen von Filippo Gonnelli: die geschichtsphilosophischen Schriften, auf die soeben hingewiesen wurde, und die RL in einer zweisprachigen Ausgabe des Jahres 2005. In der Zwischenzeit haben Bompiani und BUR eine umsichtige Verlagspolitik betrieben: Bompiani hat immerhin acht Neu-

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übersetzungen, BUR (die insgesamt sechs Texte Kants im Programm hat) hat drei Neuübersetzungen lanciert. Hinzu kommt Einaudi mit einer Wiederaufnahme philosophischer Klassiker und zwei neuen Kant-Übersetzungen: Anth und KU. Eine Sonderstellung nimmt Mondadori ein, wo zwischen 2008 und 2009 in der Reihe Classici del pensiero (die zu Meridiani gehört) drei Bände erschienen sind, die bei Laterza und bei UTET erschienene Übersetzungen übernommen haben: Der erste Band enthält die drei Kritiken, der zweite die politischen Schriften (in der Ausgabe Solaris), der dritte die Ethikvorlesungen, Prol und GMS. Die beiden letztgenannten Schriften erschienen dort als zweisprachige Ausgaben – eine wertvolle Initiative, allerdings leider unkoordiniert und daher ungeeignet, eine italienische Gesamtausgabe der Werke Kants zustande zu bringen. Von erheblicher Bedeutung ist die Publikation von Quellenmaterial und Gelegenheitsschriften. Auf letztere werden wir zurückkommen. Was die Übersetzung von Quellenmaterialien betrifft, die Aufschluss über die Entwicklung des kantischen Denkens geben, so seien an dieser Stelle nur einige erwähnt: Oscar Meo veröffentlichte 1990 eine breite Auswahl aus dem Briefwechsel und schloss damit eine empfindliche Lücke;24 2001 publizierte Katrin Tenenbaum die Bemerkungen zu GSE in einer zweisprachigen Ausgabe bei Meltemi, und schon 2002 edierte dann auch Maria Teresa Catena dieselbe Schrift bei Guida. 25 Bruno Bianco veröffentlichte 2000 die Wiener Logik, und Armando Rigobello hat unter dem Titel Realtà ed esistenza die Einleitung und die Ontologie aus den Vorlesungen über Metaphysik publiziert. 26 2017 kamen bei Orthotes die von Benno Erdmann edierten Reflexionen in der Übersetzung von Raffaele Ciafardone heraus;27 trotz der bemerkenswerten Initiative und der langjährigen Erfahrung Ciafardones im Bereich der Aufklärungsforschung krankt die italienische Übersetzung an einer unzureichenden sprachlichen Ausarbeitung des Zieltextes. Eine Sonderstellung hat schließlich die Logik, der, wie auch der Pädagogik, Jäsche noch zu Lebzeiten Kants Gestalt verliehen hat. Eine Sonderstellung besitzt die Logik insofern, als sie seit 1874 dauerhaft in Italien präsent war. In unserem Berichtszeitraum erscheint eine einzige Neuübersetzung der von Jäsche herausgegebenen Logik, und zwar von Mirella Capozzi, 28 welche sich 24

Kant: Epistolario filosofico 1761–1800. Hg. von Oscar Meo. Genua 1990; ders.: Note per un diario filosofico. Hg. und übers. von Katrin Tenenbaum. Rom 2001. 25 Kant: Annotazioni alle Osservazioni sul sentimento del bello e del sublime. Übers. und hg. von Maria Teresa Catena. Neapel 2002. 26 Kant: Realtà ed esistenza. Lezioni di metafisica. Introduzione e Ontologia. Hg. und übers. von Armando Rigobello. Cinisello Balsamo 1998. Kant: Logica di Vienna. Hg. von Bruno Bianco. Mailand 2000. 27 Kant: Riflessioni sulla Critica della ragion pura, da annotazioni manoscritte. Hg. von Benno Erdmann. Übers. von Raffaele Ciafardone. Nocera Inferiore 2017. 28 Kant: Logica. Un manuale per lezioni. Hg. und übers. von Mirella Capozzi. Neapel 1990. Die Übersetzung fand wenig Verbreitung und ist seit längerem vergriffen.

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durch ihre in der Einleitung dargelegte präzise Rekonstruktion der Textgeschichte und durch die Sorgfalt der Übersetzung auszeichnet. Sie lässt die Absicht erkennen, die Innovationen des logischen Denkens Kants hervortreten zu lassen. 29 III.  Die wesentlichen Tendenzen

Das Gesamtphänomen der italienischen Kant-Übersetzungen ist facettenreich und leidet unter den Kollateraleffekten der sich derzeit wandelnden verlegerischen Praktiken unseres Landes. Diese Kollateraleffekte können an dieser Stelle ihrerseits nicht untersucht werden, sie sind aber wichtig, denn sie zeitigen negative Wirkungen im Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens. Ein vielleicht nützliches Beispiel, das sich auf den verlegerischen Umgang mit der Kant-Ikonographie bezieht, die in den letzten Jahren arg vernachlässigt wurde, sei gleichwohl an dieser Stelle angeführt. Die Verwechslung der Bildnisse von Kant und Friedrich Heinrich Jacobi ist mittlerweile keine Ausnahme mehr: Mehrere Buchdeckel belegen deutlich die Schnitzer, die auf die Unaufmerksamkeit sogar von renommierten Forschern und von Verlegern zurückzuführen sind, welche selbst den eigenen Publikationen keine Aufmerksamkeit mehr zu schenken scheinen; dies belegt u. a. der Fall von Mimesis, in dessen Sortiment andere Texte von Kant mit einem korrekten Bildnis figurieren. Diese Art von Schlampigkeit, die im Pressewesen und dem vielgestaltigen Bereich digitaler Editionen noch stärker grassiert, bildet eine Begleiterscheinung der in den neuen Informationsmedien weit verbreiteten Tendenz, kurzfristigen und vorübergehenden kulturellen Bedürfnissen entgegenzukommen, die sich jedoch im raschen Verbrauch von Bildern und Diskursen erschöpfen; unfreiwillig komische Effekte können die Folge sein. 30 A.  Der politische Kant

Der zweihundertjährige Todestag Kants wurde von Neuübersetzungen der KrV und der KU, erschienen bei Bompiani, begleitet. Bemerkenswert war aber auch die neue Präsenz moralphilosophischer Werke (KpV, MS, RGV, hinzu kam eine Sammlung einschlägiger Schriften, herausgegeben von Piero Giordanetti) und 29

Mirella Capozzi ist später auf dieses Thema zurückgekommen, vgl. dies.: Kant e la logica. Bd. 1. Neapel 2002. 21. 30 Die Verantwortlichkeit für solche Nachlässigkeiten sollte nicht dem Medium der Informations- und erst recht nicht der Quellenbeschaffung zugeschrieben werden, nämlich dem Web. Tatsächlich verantwortlich ist stets derjenige, der die wissenschaftlichen Kompetenzen besitzt oder dem diese Kompetenzen zugeschrieben werden.

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politischer Schriften (vgl. die von Filippo Gonnelli herausgegebene Sammlung), unter ihnen insbesondere von ZeF (in vier verschiedenen Übersetzungen publiziert). Elf der zwanzig Veröffentlichungen des Jahres 2004 betrafen die moralische und politische Sphäre. Dieses besondere Interesse am politischen Denken Kants hat in Italien Tradition und färbte, so könnte man sagen, alle Phasen der Wirkungsgeschichte des Kritizismus in unserem Land, in dem das politische Denken, il pensiero civile, schon immer einen besonders hohen Rang eingenommen hat. Von den 35 Übersetzungen, die 1995 erschienen sind, gehörten 15 Texte zu der von Gonnelli herausgegebenen Sammlung geschichtsphilosophischer, politischer und rechtsphilosophischer Schriften – einer Sammlung, die eine wichtige Innovation in der italienischen Kant-Forschung markierte, die aber an die Sammlung von Gioele Solari angelehnt war, welche schon 1956 erschienen war und bis heute eine unverzichtbare Referenz geblieben ist. Ebenfalls 1995 wurde der 1970 zuerst erschienene zweite Band der von Pietro Chiodi herausgegebenen Werke Kants nachgedruckt, in dem die KpV und andere moralphilosophische Schriften (GMS, RGV, Anth) figurieren. In diesem Kontext standen die drei unterschiedlichen Übersetzungen von ZeF von Alberto Bosi, Roberto Bordiga und Gonnelli, die aus Anlass des zweihundertjährigen Jubiläums von Kants berühmtester politischer Schrift erschienen. Dieser Zweihundertjahrfeier kam wegen der Kriege in Ex-Jugoslawien und ihrer europaweit spürbaren zerstörerischen Auswirkungen besondere historische Brisanz zu. Gleichzeitig diskutierte man in Italien lebhaft über das Verhältnis zwischen Politik und Information. Ein Echo dieser Ereignisse findet sich im Vorwort Salvatore Vecas zu ZeF (1995 bei Feltrinelli erschienen): »Die kosmopolitische und gemeinschaftliche Utopie der Männer und Frauen, die diesen Planeten gemeinsam als Weltbürger bewohnen, diese Utopie des Jahres 1989 [Bezug auf innerdeutsche ›Revolution‹, G.L.P.] scheint sich auf einen Schlag zu verflüchtigen angesichts des Erstarkens ethnischer, nationaler, religiöser, sprachlicher Identitäten, die sich der Logik des Konflikts und eines unvermeidlichen Freund-Feind-Schemas verschreiben und in unseren Tagen das große Welttheater bevölkern.«31 Was ZeF betrifft, so wurde eine andere wichtige Übersetzung des Textes, die von Nicolao Merker, 1995 zwar nicht nachgedruckt;32 ein Nachdruck war hingegen 1989 anlässlich der Zweihundertjahrfeier der Französischen Revolution erschienen. 31

Veca: Prefazione. In: Kant: Per la pace perpetua. Mailand 31995. 8 (»l’utopia cosmopolitica e cooperativa degli uomini e delle donne coinquilini del pianeta come cittadini del mondo dell’Ottantanove sembra d’un tratto evaporare, di fronte all’insorgenza di identità etniche, nazionali, religiose, linguistiche e che si costituiscono nella logica del conflitto e dell’­ inevitabile relazione amico-nemico, affollando il gran teatro del mondo dei nostri anni.«). 32 Sie war mit einem Vorwort von Norberto Bobbio versehen und 1985 bei Editori Riuniti erschienen.

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Statt der politischen Aktualität von Kants Schrift wurde damit deren herausragende Bedeutung innerhalb des komplexen historischen Prozesses hervorgehoben, den die Revolution des ausgehenden 18. Jahrhunderts in Europa in Gang gesetzt hatte. 1995 war mithin das Jahr des politischen Kant, selbst wenn diese Reduktion auf das Politische im engeren Sinne irreführend sein mag, wie Gonnelli 1995 im Vorwort zu seinem bereits zitierten Band zurecht angemerkt hat. 33 Der von ihm besorgte Band war bemerkenswert, denn nach der Ausgabe von Gioele Solari, die 1956 posthum und 1995 in dritter Auflage erschienen war, 34 lag nun erstmals eine Neuübersetzung der Schriften zu Geschichtsphilosophie und Politik im weiteren Sinne vor, in einer Anordnung, die sich indes von der unterschied, die die Herausgeber der posthumen Ausgabe von Solari gewählt hatten. Gonnelli hielt sich eng an die Chronologie und vermied eine thematische Anordnung, wie Solari sie geplant hatte; er fügte seiner Sammlung RezMoscati hinzu, die im bei UTET erschienenen Band fehlt, verzichtete aber darauf, die RL aufzunehmen, welche die Herausgeber der Ausgabe von 1956 in der allgemein anerkannten Übersetzung durch Giovanni Vidari übernommen hatten. 2005 sollte Gonnelli bei Laterza eine eigene Übersetzung der RL in einer zweisprachigen Ausgabe in Druck geben. 35 Auch in den Folgejahren und bis heute sollte das politische Denken Kants auf besonders großes Interesse stoßen, und zwar aus mindestens zwei Gründen: Zum einen zeichneten sich auf internationaler Ebene viele tragische Verwicklungen ab, die Anlass zu allgemeineren geopolitischen Überlegungen gaben und die Weltpolitik und das Völkerrecht betrafen. Vor diesem Hintergrund bot das politische Denken Kants, das so eng mit Anthropologie und Recht verbunden ist, wertvolle Anregungen. Zum anderen konzentrierte sich das Interesse der philosophiegeschichtlichen Forschung mehr und mehr auf die moralphilosophische und anthropologische Dimension der kantischen Philosophie, und in dieser Hinsicht rückte der vorkritische Kant, insbesondere der der GSE, 36 erneut ins Blickfeld, zudem auch Kant als Anwalt der Gedankenfreiheit, sodass WDO mehrfach übersetzt und in unterschiedlicher Form nachgedruckt wurde, zuletzt neuerdings auch als am Kiosk erhältliche Zeitungsbeilage. 37 33 Filippo Gonnelli: Introduzione. In: Kant: Scritti di storia, politica e diritto. Rom/Bari 1995. VII f. 34 Kant: Scritti politici e di filosofia della storia e del diritto. Mit einem Essay von Christian Garve. Übers. von Gioele Solari/Giovanni Vidari. Hg. von Norberto Bobbio/Luigi Firpo/Vittorio Mathieu. Turin 1956 [ 31995]. 35 Kant: Primi principi metafisici della dottrina del diritto. Hg. von Filippo Gonnelli. Rom/Bari 2005. 36 GSE erschien in der Übersetzung von Laura Novati zwischen 1989 und 2004 in acht Auflagen [Erstauflage in der Reihe BUR bei Rizzoli], bei Laterza hingegen 1990 und 2000 in der Übersetzung von Pantaleo Carabellese in der Sammlung Kant: Scritti precritici. Überarbeitet von Rosario Assunto und Rolf Hohenemser. 37 Über die langlebige Übersetzung von Michele Giorgioantonio hinaus, die 1930 erst-

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B.  Sich in der Aufklärung orientieren

Von seinem Tod im Jahre 1984 an ist Michel Foucault just wegen der soeben skizzierten engen Verbindung von Anthropologie und Politik in den Fokus der Kant-Forschung gerückt. Foucaults akademische Vita hat mit Kant begonnen und geendet: 1961 hatte er seine Thèse der Anth gewidmet, 38 und eine seiner letzten gedruckten Interventionen galt WA, erschienen 1984 unter dem Titel Qu’est-ce que les Lumières?39 Foucaults im Lichte des Kritikbegriffs stehende Interpretation der kantischen Anthropologie und der Frage nach der Aufklärung verbindet sich mit seinem theoretischen Interesse an Heterotopien, an den Grenzen des Wissens und der Macht. Und so kommt es dazu, dass WDO, eigentlich unter dem klaren Einfluss der deutschen Kultur des ausgehenden 18. Jahrhunderts stehend, jetzt in der Reihe all jener aktuellen Herausforderungen der Metaphysik gesehen wird, die nach einer Orientierung zwischen der Erfahrungswelt und der nicht-empirischen Welt verlangen. 40 Der lange Schatten einer bestimmten Nietzsche-Lektüre unter dem Einfluss poststrukturalistischer und posthermeneutischer Strömungen fiel damit auch auf die klare politisch-kulturelle Vision Kants. Sein Denken bezog sich unmittelbar auf die sozialen und kulturellen Verhältnisse im Lande, welches den Übergang von der Regierungszeit Friedrichs II. zu der seines Neffen Friedrich Wilhelms II. erlebte. Auf diesen historischen Kontext führte Giuseppe De Flaviis WDO in seiner Einleitung zurück; er integrierte diese Schrift in eine Sammlung kritischer Interventionen Kants, mit denen dieser mehrfach seine eigene intellektuelle Position und vor allem die Meinungsfreiheit und die Publikationsfreiheit verteidigt hat, welche nicht nur von politischer Seite, sondern, schlimmer noch, seitens einer immer weiter verbreiteten Schwärmerei intellektueller Zirkel bedroht war. 41 In der Einleitung der von ihm besorgten Ausmals bei Carabba, dann 1975 und schließlich erneut 2014 erschienen ist, sind im kurzen Zeitraum von rund 10 Jahren eine Reihe von verschiedenen weiteren Übersetzungen von WDO zu registrieren: 1990 durch Fabrizio Desideri, 1991 durch Giuseppe De Flaviis [NA 2015], 1992 durch Paolo Grillenzoni [ND 1998], 1996 durch Petra Dal Santo [ND 1997 und 2000], 1996 durch Andrea Gentile. Schließlich erscheint bei RBA derzeit eine Reihe von Büchern für Sammler unter dem Titel Imparare a pensare, die sich an ein größeres Publikum wendet und in der Kant mit WDO figuriert. 38 Foucaults Thèse complémentaire ist mittlerweile erschienen. Vgl. Kant: Anthropologie du point de vue pragmatique. Michel Foucault: Introduction à l’Anthropologie. Hg. von Daniel Defert/ François Ewald/Frédéric Gros. Paris 2008 [22017]. 39 Michel Foucault: Qu’est-ce que les Lumières? In: ders.: Dits et Écrits. Bd. 4. Paris 1984. 562–578 [https://foucault.info/documents/foucault.questcequeLesLumieres.fr/] (letzter Zugriff am 05.12.2019). 40 Vgl. bspw. Fabrizio Desideri: Introduzione. In: Kant: Questioni di confine. Genua 1990. VII f. 41 Kant: Che cosa significa orientarsi nel pensare? In: ders.: Scritti sul criticismo. Übers. und hg. von Giuseppe De Flaviis. Rom/Bari 1991. 13 ff.

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gabe von WDO hob Franco Volpi, in der Linie Heideggers, Inkongruenzen in der von Kant konstruierten Analogie zwischen Orientierung im Denken und Orientierung im Raum hervor. 42 Gleichfalls 1996 kam eine weitere Übersetzung von WDO heraus, diejenige von Andrea Gentile, der dem Text zudem einen eher didaktisch angelegten Essay gewidmet hat, welcher sich auf das Verhältnis von Orientierung im Denken und Grenzen der Vernunft fokussiert. 43 2004 fügte Piero Giordanetti WDO in eine Sammlung moralphilosophischer Texte in einer Schulbuchreihe ein; obwohl WDO nicht explizit moralphilosophisch angelegt ist, finde sich dort, so betonte Giordanetti, die Vorstellung von einem Vernunftglauben, der im Wert der ›Aufklärung‹ gründet. 44

Graphik 5: Kants am häufigsten übersetzte Werke

42

Kant: Che cosa significa orientarsi nel pensiero. Hg. von Franco Volpi. Übers. von Petra Dal Santo. Mailand 1996. Neben Collis Übersetzung der KrV ist dieser der einzige Text Kants im Programm des Mailänder Verlages Adelphi. 43 Kant: Che cosa significa orientarsi nel pensare? Hg. von Andrea Gentile. Rom 1996; vgl. Andrea Gentile: Kant: Che cosa significa orientarsi nel pensare? Rom 2017. 44 Piero Giordanetti: Introduzione. In: Kant: Scritti di etica. Florenz 2004. 4 f. Giordanetti übernimmt die Übersetzung von WDO von Fabrizio Desideri, vgl. ebd. 17 ff.

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C.  Die pragmatische Vernunft

Wie aus der Graphik 5 hervorgeht, kann man mit Blick auf einige Schriften Kants von einer Wiederentdeckung im engeren Sinne sprechen. Das gilt gewiss für die Schriften, die bisher in Augenschein genommen worden sind und die in den großen Bereich der Praktischen Philosophie gehören. Dieser erstreckt sich im Übrigen bis hin zum weiten Feld der Anthropologie und betrifft damit auch Stellungnahmen zur Geschichte, zur politischen Aktualität, zur rechtspolitischen Dimension des Staates sowie zur Stellung des Menschen als Einzelner und als Bürger in der Gesellschaft, als Teil der Öffentlichkeit und als Teil der Privatsphäre. Die gesamte zweite Phase der kritischen Philosophie, zumindest von GMS an, widmet sich mehr und mehr der Frage, auf welche Weise der Mensch sich in der Welt orientieren sollte, weniger der Frage nach der Dimension, die dem Menschen eigentümlich ist. Aktuelle Studien haben zunehmend die Bedeutung des kosmopolitischen Denkens Kants hervorgehoben, genauer gesagt, die kosmopolitische Perspektivierung seiner Philosophie. Das alles hat zu einer exponentiellen Zunahme von Publikationen aus dem Bereich der Anthropologie geführt. Wie bereits erwähnt, hat sich die Präsenz von ZeF im Verlagswesen in den letzten 30 Jahren mehr als verdoppelt, die Neuauflagen und Neuübersetzungen von WA und WDO haben sich sogar verdreifacht. Dieses Phänomen betrifft auch die RGV, die zwei Mal neu übersetzt und 16 Mal ediert wurde, dies im Gegensatz zu nur fünf Ausgaben zwischen 1900 und 1984. Kants Religionstheorie widmet sich nur partiell der rationalen Theologie, denn sie berührt sich in vielen Punkten mit Moral, Politik und dem, was der Mensch sein muss, um der Rationalität zu genügen, die sich mit seiner anthropologischen Bedingtheit verbindet. Das Interesse an diesem Aspekt von Kants Philosophie ist immer lebhafter geworden, gerade im Vergleich zur Vergangenheit, da dieser Aspekt philosophiegeschichtlich nur eine Nebenrolle spielte. Darauf hatte der erste Übersetzer der RGV, Alfredo Poggi, 45 bereits hingewiesen. Poggi hatte versucht, ein größeres Interesse am religionsphilosophischen Denken Kants zu wecken, das seines Erachtens keineswegs so abstrakt und symbolisch war, wie die zeitgenössische Forschung dies behauptete. Bedeutend sind in diesem Zusammenhang die Studien von Ada Lamacchia, da die Übersetzungen der Vorlesungen über die philosophische Religionslehre durch ihren Schüler Costantino Esposito in ihnen wurzeln. 46 Dabei handelt es sich um einen wertvollen Beitrag, nämlich die italienische Erstübersetzung des von 45

Kant: La religione entro i limiti della sola ragione. Erstübersetzung aus dem Deutschen, eingeleitet und hg. von Alfredo Poggi. Modena 1941. Überarb. Neuauflage Parma 1967. Überarb. Neuauflage. Hg. von Marco M. Olivetti. Rom/Bari 1980 [21985]. 46 Kant: Lezioni di filosofia della religione. Hg. und übers. von Costantino Esposito. Neapel 1988.

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Karl Heinrich Ludwig Pölitz 1817 herausgegebenen Manuskripts V-Phil-Th/Pölitz – bis auf dieses Jahr lässt sich die lang währende Diskussion über Wert und Geltung der Vorlesungsnachschriften zurückverfolgen, welche schließlich Eingang in die vierte Abteilung von Kants gesammelten Schriften finden sollten. 47 1989 besorgte Giuseppe Riconda eine Sammlung mit religionsphilosophischen Schriften, 48 in der Überzeugung, dass der Umstand, dass Kant sich der Frage nach der Offenbarung nicht verschließt, »ein Indiz dafür ist, wie schwierig es ist, seine Untersuchung im Bereich der Religion innerhalb der Grenzen der Vernunft zu halten, und ein Indiz dafür, wie [Kant] in der Analyse der Religion ständig auf die Sphäre des Unerforschlichen zurückverwiesen wird und wie das Geheimnis sich an genau diesen Grenzen dringlich ankündigt.« 49 Wie Esposito zurecht hervorhebt, zeigt sich in den V-Phil-Th/Pölitz deutlich, dass Theologie sich bei Kant »ausschließlich auf die reine, apriorische Moral gründet und sich nur aus ihr legitimiert«.50 2001 legten Massimo Roncoroni und Vincenzo Cicero eine neue, zweisprachige Edition der RGV vor, die sich zu den Ausgaben von Alfredo Poggi (1941), Gaetano Durante (1945)51 und Pietro Chiodi (1970)52 gesellte. In seiner Einleitung postuliert Roncoroni, bei Kant finde sich »eine intensive Intentionalität metaphysisch-religiösen Zuschnitts, welche die Bestrebungen der Vernunft in Gang setzt«53 , wobei die Vernunft jeden Versuch, die Exegese der Heiligen Schrift zu vertiefen, in sich aufnehme. All dies führt direkt zur pragmatischen Anthropologie, die den Rahmen bildet, in den die transzendentale Untersuchung der menschlichen Vermögen und Fähigkeiten sich einfügt. Man wird die Meinung derer teilen, die, wie Reinhard Brandt, die Frage nach der Bestimmung des Menschen ins Zentrum von Kants Philosophie rücken, 54 doch wird man sich vor den Risiken vorschneller Verallgemeinerung hüten, die sich mit dem Bestreben verbinden, in jedem ­T heoriestrang 47

Eine rasche, aber nützliche Skizze dieser Diskussionen liefert Gian Antonio De Toni: Nota al testo. In: Kant: Lezioni di psicologia. Hg. von Luciano Mecacci. Rom/Bari 1986. 31 ff. 48 Kant: Scritti di filosofia della religione. Hg. von Giuseppe Riconda. Mailand 1989. Die Sammlung enthält auch zwei Briefe an Lavater aus dem Jahre 1775, MpVT, RGV, EAD, SF. 49 Ebd. 13. 50 Kant: Lezioni di filosofia della religione [Anm. 46] 78. 51 Kant: La religione entro i limiti della semplice ragione. Hg. von Vincenzo Cicero/Massimo Roncoroni. Mailand 2001. Edition von A. Poggi [Anm. 45]. Kant: La religione nei limiti della semplice ragione. Hg. von Gaetano Durante. Turin 1945 [ND in: Kant: Scritti di filosofia della religione (Anm. 48) 65 ff.]. 52 Kant: La religione nei limiti della semplice ragione. In: Kant: Critica della ragion pratica e altri scritti morali. Hg. von Pietro Chiodi. Turin 1970. 317–534. 53 Massimo Roncoroni: Introduzione. In: Kant: La religione entro i limiti della semplice ragione [Anm. 51] 6. 54 Reinhard Brandt: Die Bestimmung des Menschen bei Kant. Hamburg 2007.

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der kantischen Philosophie anthropologische Aspekte auszumachen; auf diese Art würde die kritische Philosophie ihre theoretische Tiefe und ›technische‹ Raffinesse verlieren. Die Anth hat in jüngerer Vergangenheit in Italien ebenso viel Aufmerksamkeit gefunden wie WDO, RGV und WA. Zwar ist im Berichtszeitraum nur eine Neuübersetzung der Anth entstanden, doch die zehn Nachdrucke dieses späten Werks Kants bezeugen, verglichen mit nur zwei Ausgaben im vorangegangenen Zeitraum, ganz klar das gestiegene Interesse an der Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. Die langlebigste Übersetzung verdankt sich Giovanni Vidari, der sie 1921 zum Druck gab.55 1969 überarbeitete Augusto Guerra diese Übersetzung, die in dieser neuen Form in den Verlagskatalog von Laterza einging.56 Schon ein Jahr später, 1970, veröffentlichte Pietro Chiodi den zweiten Band seiner Ausgabe von Kants Werken bei UTET, in den auch seine Übersetzung der Anth aufgenommen wurde; diese erschien 1995 mit einer Einleitung von Alberto Bosi in einer preiswerten Ausgabe bei TEA. 57 Zu diesen beiden Übersetzungen kam vor einigen Jahren eine Neuübersetzung von Gianluca Garelli hinzu, welche Kants Duktus eine gewisse Flüssigkeit verliehen hat. 58 In der Anth erschwert nicht so sehr die die Syntax das Verständnis von Kants Diktion, vielmehr überlagern sich dort unterschiedliche Terminologien in der Analyse der Vermögen und Charakterzüge des Menschen – was im Übrigen für alle Texte dieser Art typisch ist, zumindest seit Descartes. Garellis Edition enthält, das unterscheidet sie von den vorangegangenen Editionen, eine Einleitung von Michel Foucault, die, wie gesagt, ursprünglich Teil seiner Thèse complémentaire war; Foucaults Einleitung wurde von Mauro Bertani übersetzt und gibt Einblick in die Grundlagen von Foucaults Les mots et les choses (1966) und dessen Vorbereitung durch die Arbeit von 1961. Gleichwohl hat Foucaults KantInterpretation – das kann bei der Begegnung zweier großer Autoren grundsätzlich nicht ausbleiben – eine präzise Funktion in seiner eigenen intellektuellen Vita, kann jedoch, für sich betrachtet, nicht als mustergültige Präsentation von Kants Denken gelten. Hier hilft es auch nicht weiter, daran zu erinnern, dass Foucaults Thèse ursprünglich den Titel Genèse et structure de l’Anthropologie de Kant trug, der sich Jean Hyppolite als Gutachter der Arbeit verdankte: von

55 Kant:

Antropologia pragmatica. Erstübers. ins Italienische, Einleitung und Anmerkungen von Giovanni Vidari. Turin 1921. 56 Kant: Antropologia pragmatica. Übers. von Giovanni Vidari. Überarb. von Augusto Guerra. Rom/Bari 1969. 57 Kant: Antropologia dal punto di vista pragmatico. In: Kant: Critica della ragion pratica e altri scritti morali [Anm. 52] 535–757; neu abgedr. in: Kant: Antropologia dal punto di vista pragmatico. Hg. von Pietro Chiodi, Einleitung von Alberto Bosi. Mailand 1995. 58 Kant: Antropologia dal punto di vista pragmatico. Einleitung und Anmerkungen von Michel Foucault. Übers. von Mauro Bertani/Gianluca Garelli. Turin 2010.

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einer genealogischen Untersuchung ist Foucaults Introduction tatsächlich weit entfernt.59 Der anthropologischen Komponente der kritischen Philosophie wird auch durch die Beachtung kleinerer einschlägiger Beiträge Kants Genüge getan, so durch die Übersetzung von De medicina corporis durch Vincenzo Bochicchio 60 oder des Versuch[s] über die Krankheiten des Kopfes durch Alfredo Marini61 und dann durch Luisa D’Ortenzi 62. Die Bedeutung dieser kleineren Schriften in historiographischer Perspektive betonte Paolo Manganaro in seiner auf das Thema der Hypochondrie fokussierten Sammlung kleinerer Schriften und Textauszüge. Seiner Meinung nach ermöglichen diese Schriften, die Marginalität und Exzen­ trizität des Imaginären vor Augen zu führen, ohne dass die Schlüsselstellung der großen philosophischen Reflexion dabei verloren ginge.63 Man bewegt sich mithin in immer weiterer Entfernung von der Kant-Philologie hin zu einer umfassenderen Exploration von lebensweltlichen Themen, die den deutschen Philosophen interessierten. Dazu zählen Psychopathologie und Krankheit im Allgemeinen. Oscar Meo etwa hat sich mehrfach mit diesen marginalen Aspekten von Kants Produktion befasst, angefangen von seiner Studie zu Kants Konzept der Geisteskrankheit64 und bis hin zu rezenteren Arbeiten zu Ästhetik und Semiotik; innerhalb der letztgenannten figuriert auch seine Edition einer lateinischen Schrift über die dichterische Illusion, verfasst 1776 anlässlich einer Disputation zur Berufung von Johann Gottlieb Kreutzfeld als Poetikprofessor an die Albertina.65 Den sogenannten kleineren Schriften (im Italienischen oft als ›scritti minori‹ bezeichnet) 66 kommt besonders im Falle Kants nicht nur nachrangige Bedeutung zu. Es sei an dieser Stelle an das erinnert, was Kant selbst zu Beginn von VUE gesagt hat: »Große Begebenheiten, die das Schicksal aller Menschen betreffen, erregen mit Recht diejenige rühmliche Neubegierde, die bei allem, was außer59

Vgl. Kant: Anthropologie du point de vue pragmatique. Paris 2017. 8. Kant: De medicina corporis. Hg. von Vincenzo Bochicchio. Neapel 2007. 61 Kant: Saggio sulle malattie della mente. Übers. von Alfredo Marini. Vorwort von Fulvio Papi. Como/Pavia 1992 [21994, 32008; die beiden neueren Ausgaben sind zweisprachig]. 62 Kant: Saggio sulle malattie della mente. Hg. von Luciano Dottarelli. Übers. von Luisa D’Ortenzi. Bolsena 2001. 63 Paolo Manganaro: Presentazione. In: Kant: Ragione e ipocondria. Hg. von Paolo Manganaro. Salerno 1989. Auf derselben Linie bewegt sich eine weitere Textsammlung von Manganaro, vgl. Kant: Scritti sui terremoti. Salerno 1984. 64 Oscar Meo: La malattia mentale nel pensiero di Kant. Genua 1982. 65 Kant: Sull’illusione poetica. In: Oscar Meo: Kantiana minora vel rariora. Genua 2000. 113–132. Der Text dieser lateinischen Abhandlung war bereits übersetzt worden, vgl. Kant/ Johann Gottlieb Kreutzfeld: Inganno e illusione. Übers. und hg. von Maria Teresa Catena. Neapel 1998. 66 So war bspw. die erste Sammlung vorkritischer Schriften betitelt. Vgl. Kant: Scritti minori. Übers. von Pantaleo Carabellese. Bari 1923. 60

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ordentlich ist, aufwacht und nach den Ursachen derselben zu fragen pflegt. In solchem Falle soll die Verbindlichkeit gegen das Publicum den Naturforscher vermögen, von den Einsichten Rechenschaft zu thun, die ihm Beobachtung und Untersuchung gewähren können.« (VUE, AA 01: 419) Die einschlägige Gattungsbezeichnung für fast alle Texte dieser Art ist Gelegenheitsschriften, denn es ist hier die historische Realität, in der sich der Autor bewegt, welche seine intellektuellen Energien lenkt. Themen, die von der Forschung wenig untersucht werden, kann man nicht aus diesem Grunde als nachrangig bezeichnen, denn die Forschung folgt den Verzweigungen der Geschichtsschreibung. Diese wiederum empfängt ihre Impulse stets von den Zeitläuften, die ihrerseits häufige hermeneutische Paradigmenwechsel mit sich bringen. IV.  Paradigmenwechsel

Einige Aspekte im Denken Kants, die eine Zeitlang eher widerstrebend zur Kenntnis genommen wurden, finden mittlerweile in der Forschung zunehmend Akzeptanz. Als Beispiel hierfür sei verwiesen auf das Verhältnis der kritischen Philosophie zur Sprache, zur Semiotik und zum Kognitivismus; man denke nur – ausschließlich mit Blick auf Italien – an die Arbeiten von Umberto Eco, Gian Luigi Paltrinieri, Luca Forgione und an den bereits erwähnten Oscar Meo.67 In dieser Linie liegt das wiedererwachte Interesse für die dritte Kritik, für Kants Ästhetik, die nicht nur als Vorläuferin oder zumindest Anregerin der großen idealistischen und romantischen ästhetischen Systeme, sondern auch – vielleicht sogar vor allem – als empirische Ästhetik betrachtet und mithin in eine für das 18. Jahrhundert charakteristische Debatte eingegliedert wurde. Um die grundlegende Änderung des Zugangs zu Kant auf den Punkt zu bringen, würde ich sagen, dass der Kant des 18. Jahrhunderts den Kant des 19. Jahrhunderts ersetzt hat: Man hat mehr oder weniger Abstand davon genommen, den Weg zu rekonstruieren, der von Kant zu Hegel führt, und man hat immer häufiger Kant im Kontext der deutschen Philosophie des 18. Jahrhunderts und umgekehrt Philosophen wie Lambert, Crusius und Mendelssohn im Lichte des kantischen Denkens betrachtet. An dieser Stelle müssen die Gründe für diese Veränderung nicht vertieft werden, jedoch lassen sich einige Konsequenzen für die Verbreitung von Kants Schriften in Italien aufzeigen.

67

Umberto Eco: Kant e l’ornitorinco. Mailand 1997 [22016]; Gian Luigi Paltrinieri: Kant e il linguaggio. Autocritica e immaginazione. Venedig 2009; Luca Forgione: L’io nella mente. Linguaggio e autocoscienza in Kant. Acireale/Rom 2006; Oscar Meo: Un’arte celata nel profondo. Gli aspetti semiotici del pensiero di Kant. Genua 2004.

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A.  Die Übersetzung von Urteilskraft

Eine Veränderung von paradigmatischer Bedeutung hat in den vergangenen dreißig Jahren den Zugang zur dritten Kritik erfasst. Die Arbeit an den Fundamenten hat nicht immer zur Wahl eines neuen Titels italienischer Übersetzungen der KU geführt, und wenn ein neuer Titel gewählt wurde, so geschah dies bedacht und umsichtig, wie wir in Kürze sehen werden. Die Neuansätze zur Erschließung der KU zielen nicht auf ein einfaches neues ›Styling‹ ab, sondern markieren eine tiefgehende Re-Interpretation des Textes. Dies belegen drei Neuübersetzungen des Werkes im Zeitraum von sechs Jahren, zwischen 1993 und 1999, eine vierte folgte 2004. Ein erster interessanter Aspekt der Wiederentdeckung der KU in Italien verbindet sich mit der kantischen Terminologie, die ein in Italien oft verkanntes Problem darstellt, denn die Forschung hält sich zu sehr an lexikalische Gewohnheiten, gerade so, als ob die lexikalischen Optionen, die zu anderen Zeiten galten, dauerhaft verbindlich wären – und das besonders in kontroversen Fällen. Ein erstes terminologisches Problem ergibt sich für die dritte Kritik bereits aus ihrem Titel (was ja bei Kant oft der Fall ist). Das italienische Wort giudizio, das in den ersten Übersetzungen benutzt wurde, bezeichnet sowohl das Ergebnis einer Handlung (Urteil) als auch ein Vermögen/eine Kraft (Urteilskraft). So bemühten sich neuere Übersetzer darum, diesen semantischen Unterschied zur Geltung zu bringen. Gargiulo und Verra schlossen sich der Option der französischen Übersetzer an und differenzierten zwischen ›giudizio‹ als Ergebnis einer Handlung (Urteil) und ›Giudizio‹ als Vermögen (Urteilskraft). 1993 schloss Alberto Bosi nach mehr als 20 Jahren jenes editorische Unternehmen ab, das Pietro Chiodi mit den beiden Bänden von Kants Werken bei UTET in Gang gebracht hatte. Bosi gab seine Übersetzung der KU in den Druck, und diese erschien damit erstmals in anderer Gestalt als der, die Gargiulo ihr zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegeben hatte. Er behielt zwar den Titel Critica del Giudizio bei, doch unternahm Bosi einen bedeutenden Versuch, die entwicklungsgeschichtliche Herangehensweise, die die Kant-Philologie lange beherrscht hatte, mit einer historisch fundierten Neulektüre der wesentlichen theoretischen Gelenkstellen der kantischen Ästhetik und Teleologie zu verbinden. Bosi erschien es als unverzichtbar, die erhellende Verbindung zwischen der Terminologie Kants und der Sprache der Philosophie im 18. Jhd. zu rekonstruieren, denn er war davon überzeugt, dass »ein großer Teil der Schwierigkeiten, die sich mit der Lektüre der Texte Kants verbinden, daraus resultieren, dass uns die philosophische koiné des deutschen 18. Jahrhunderts, die zum großen Teil von der Wolff’schen Schulphilosophie geprägt wurde, vielleicht sogar noch fremder ist als die der mittelalterlichen Scholastik«.68 Anders gesagt: 68

»Molta parte della difficoltà inerente alla lettura dei testi di Kant dipende dal fatto che

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Ohne die Metaphysik Baumgartens zu kennen, an der Kant sich substantiell für seine Untersuchung inspirierte, lässt sich die KU nicht adäquat erfassen.69 In einer Anmerkung Bosis zum Sprachgebrauch (Nota lessicale) werden einige Schlüsselbegriffe des Werkes hervorgehoben, um die Relevanz der terminologischen Problematik zu dokumentieren. Auch die Übersetzung Leonardo Amorosos für seine 1995 – zwei Jahre nach der Ausgabe von Bosi – erschienene zweisprachige Ausgabe befasst sich intensiv mit der Sprache Kants.70 Da er in einer Reihe mit weiter Verbreitung, nämlich BUR, publizierte, hatte Amoroso ein doppeltes Lesepublikum vor Augen, dem er zwei unterschiedliche Lektüreanleitungen gab: Dem nicht spezialisierten Leser bot er »eine Art rascher Orientierung, so klar wie möglich, um sich in dem recht komplexen und vielgestaltigen Werk, der dritten Kritik, auf Anhieb zurechtzufinden«; einem kompetenteren Publikum war eine Vorbemerkung (Avvertenza) vorbehalten, in der Amoroso »die Kriterien dieser Edition und Übersetzung […]« erläuterte und gegen schon vorliegende abgrenzte, »von denen meine sich erheblich unterscheidet«.71 Der italienische Leser, der sich erstmals mit dem deutschen Originaltext konfrontiert sieht, erhält in der Vorbemerkung besonders auch Aufschluss über die Terminologie, und diese materialisiert sich in einem umfangreichen deutsch-italienischen Glossar, welches allzu ausführlich erscheinen mag, denn es enthält auch nicht-technische Begriffe und solche, die für den Übersetzer unproblematisch sind, wie z. B. positiv, Schema, Thesis usw.72 Um zu begründen, warum er den Titel von Kants Werk abweichend mit Critica della capacità di giudizio übersetzt hat, beruft er sich letztlich auf eine größere Nähe des Wortes capacità (›Fähigkeit‹) zum gemeinen Sprachgebrauch: Eine verständige Person (una persona di giudizio) ist eine urteilsfähige Person (una persona dotata di capacità di giudizio).73 Urteilskraft mit ›capacità di giudizio‹ wiederzugeben, bringt jedenfalls einige Schwierigkeiten mit sich, die sich schon in der Vorrede abzeichnen, wo Urteilskraft in Kants Auffassung stets als Vermögen zu verstehen ist und der Übersetzer immer die italienische Entsprechung ›capacità‹ verwendet – diese Op-

la koiné filosofica del Settecento tedesco, largamente forgiata dalla scuola di Christian Wolff, ci è altrettanto, se non più, remota quanto quella della scolastica medievale.« Albero Bosi: Introduzione. In: Kant: Critica del Giudizio. Hg. von Alberto Bosi. Turin 1993. 11. 69 Ebd. 12. 70 Kant: Critica della capacità di giudizio. Hg. von Leonardo Amoroso. 2 Bde. Mailand 1995. 71 Leonardo Amoroso: Premessa. In: Kant: Critica della capacità di giudizio [Anm. 70] Bd. 1. III (»i criteri di questa edizione e traduzione […] anche in confronto con le altre esistenti, dalle quali questa mia differisce non poco«). 72 Ebd. 44–59. Amoroso behauptet freilich, das Glossar dokumentiere das gesamte ›terminologische Netz‹ des Werkes. Vgl. ebd. 44. 73 Ebd. 42.

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tion aber nicht konsequent umsetzt. Man beachte beispielsweise folgende Stelle, wo die Inkongruenz deutlich auftritt: Ma la capacità di giudizio, che nell’ordine delle nostre capacità conoscitive [Erkenntnisvermögen] costituisce un termine medio fra l’intelletto e la ragione, ha anch’essa suoi princìpi regolativi […]? Ed essa dà forse la regola al sentimento di piacere e del dispiacere, come termine medio fra la capacità conoscitiva [Erkenntnisvermögen] e la facoltà appetitiva [Begehrungsvermögen] […]?74

In solchen Fällen legen es nicht nur sprachliche, sondern auch theoretische Gründe nahe, die Urteilskraft als ein Vermögen (›facoltà‹) aufzufassen. So verfahren die beiden nächsten Übersetzer der Critica della facoltà di giudizio, Emilio Garroni und Hansmichael Hohenegger, die 1999 eine dritte Neuübersetzung vorlegten. Der zugrunde liegende Interpretationsansatz zielt darauf ab, die radikal kritische Anlage der KU herauszuarbeiten, und geht vor allem davon aus, dass das Werk keine Ästhetik im Sinne einer Disziplin ist und dies auch nicht sein kann.75 Auch die beiden Herausgeber dieser Ausgabe heben terminologische Fragen hervor und legen zwar kein Glossar vor, jedoch ein nützliches und gut gemachtes lexikalisches Instrument (das freilich nicht ganz einfach zu benutzen ist), welches aus einer fortlaufenden Liste von Termini besteht, denen kurze Erläuterungen beigefügt sind. In dieser Ausgabe wird der Klassifizierung der Terminologie erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt. Sie ist im Falle der KU besonders komplex, weil sie in unterschiedlichem Maße spezifisch ist. Garroni und Hohenegger unterscheiden drei Niveaus: 1. die technische Terminologie im engeren Sinne, wie z. B. Begehrungsvermögen (›facoltà di desiderare‹); 2. die technische Terminologie im weiteren Sinne, wie z. B. Anlage (›attitudine‹ oder ›predisposizione‹); 3. die nicht-technische Terminologie, die technisch verwendet wird, wie z. B. Erweiterung (›estensione‹ und ›ampliamento‹, je nach Kontext).76 Die aktuellste Übersetzung der KU ist die von Massimo Marassi für Bompianis Reihe Il pensiero occidentale.77 Sie erschien zusammen mit der Critica della ragion pura und der Critica della ragion pratica in einem Schuber. Auffällig ist, dass sie einen doppelten Titel trägt: Auf dem Buchdeckel findet sich der Titel Critica del giudizio, doch in Marassis Übersetzung wird der Titel Critica della forza di giudizio verwendet. Die Interpretation steht unter dem Einfluss von Schopenhauers Kritik – diese wird auch zitiert – und gründet in der Vorstellung, dass die Urteilskraft in einem Funktionszusammenhang mit Verstand und Vernunft 74

Kant: KU. Vorrede. Übers. v. Amoroso [Anm. 71] 64 f. Emilio Garroni/Hansmichael Hohenegger: Introduzione. In: Kant: Critica della facoltà di giudizio. Übers. und hg. von Emilio Garroni/Hansmichael Hohenegger. Turin 1999. XII f. 76 Ebd. LXXXIII–LXXXV. 77 Kant: Critica del giudizio. Übers. und hg. von Massimo Marassi. Mailand 2004. 75

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stehe und daher eine operative Kraft sei, die Verstand und Vernunft kohärent miteinander verknüpfe.78 Die Notwendigkeit, Kraft und Vermögen voneinander zu unterscheiden, ergebe sich daraus, dass im dritten Teil der KU die Urteilskraft kein Vermögen, sondern eine Kraft sei.79 Wie im Falle der KrV, hat Schopenhauer auch hier seinen Auftritt in der italienischen Philosophiegeschichte und trägt, so Marassi, zu einem »Paradigmenwechsel in der Interpretation« bei. 80 Diese grundlegende Veränderung vollzieht sich in einer sprachlichen Wende, in einer terminologischen Weichenstellung, die die hermeneutische Achse der kritischen Philosophie völlig verschiebt. Wie ›apparenza‹ bei Colli nicht nur eine alternative Übersetzung für Erscheinung ist, sondern Ausdruck einer Parteinahme, so wird die Verwendung von ›forza‹ durch Marassi zu einem historiographischen Signal: Die KU wird auf den Kontext der Philosophie des 18. Jahrhunderts zurückgeführt, mit ihren Anklängen an Leibniz und Vico; daran erinnert Marassi am Schluss seiner Einleitung. 81 B.  Die Pop-Philosophie

Wie auch immer die neuen hermeneutischen Perspektiven sich bewähren mögen: Es besteht kein Zweifel daran, dass die intensiven verlegerischen Aktivitäten der vergangenen Jahre die Frage nach dem Zielpublikum aufwerfen. An wen wendet sich der Verleger, dessen Programm Werke von Kant führt? Was Italien betrifft, so erschöpft sich der Sinn dieser Frage nicht in einer Analyse des Buchmarktes, sondern es geht auch um den weiteren Kontext der Bildungspolitik im Bereich von Schule und Universität. Seit Ende der 1990er Jahre haben wir eine Reihe von Universitätsreformen erlebt, die sich mit dem sogenannten Bologna-Prozess verbinden. Eine der direkten Auswirkungen verkürzter Studiengänge (zunächst die laurea breve, dann eine laurea triennale) besteht darin, ein spezielles Genre lanciert zu haben, die guida alla lettura, genauer gesagt, eine Art verkürzter und vereinfachter Textausgabe auf der Grundlage eines längeren Originalwerkes. Es soll einem späteren Artikel vorbehalten bleiben, die Vielzahl solcher guide alle opere di Kant in Italien zu untersuchen. Hier sei nur daran erinnert, dass der neue Bildungshorizont die Lektüre der klassischen Autoren zutiefst verändert: Es fällt den Studenten schwer, sich den klassischen Texten im Original und direkt zu nähern. 78

»una potenza operativa che permette a intelletto e ragione di risultare coerentemente connessi«. Ebd. IX. 79 Ebd. XIII. 80 Ebd. 81 Ebd.

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Zugleich hat das Phänomen der sogenannten Pop-Philosophie eine weit verzweigte Verbreitung einiger philosophischer Texte bewirkt, die man für besonders ›angesagt‹ oder lohnenswert hält (so z. B. Schopenhauers Kunst, recht zu behalten, weit verbreitet in der italienischen Verlags- und Presselandschaft). Die Pop-Philosophie fügt sich als dynamisches Element in die italienische Verlagslandschaft ein, welche sich immer mehr in großen Verlagsgruppen konzentriert, die die Traditionshäuser übernommen haben und so durchsetzungsstark sind, dass auch das Pressewesen ihrem Einfluss unterliegt. Verlage wie Hachette, ­Fabbri, RCS, RBA publizieren regelmäßig Taschenbücher, die man am Zeitungskiosk kaufen kann. Adressat dieser verlegerischen Aktionen sind Studenten und unerfahrene Leser; daher bieten diese Ausgaben – wie wir gleich sehen werden – Einleitungen, die als Lektüreanleitungen für Anfänger fungieren. Dieses Phänomen ist in weit verbreiteten Ausgaben wie denen der BUR besonders häufig zu finden. V.  Kants Vokabular

Die Neuübersetzungen der KU haben bereits deutlich gemacht, dass die Problematik der Terminologie, auf die Verra 1981 aufmerksam gemacht hatte, immer mehr an Bedeutung gewinnt. Die übersetzerische Arbeit übernimmt auch die Aufgabe der lexikalischen Klärung, die an jene Publizistik erinnert, die ich als die ursprüngliche Form der Kant-Kommentierung bezeichnen möchte, nämlich jenes spezifische Phänomen, das sich in den Jahren 1784 bis 1804 in der philosophischen Welt Deutschlands etablierte, um den Werken der kritischen Philosophie Sichtbarkeit und Kohärenz zu verleihen. Schon Giorgio Colli hatte sich 1957 die philologischen Instrumente jener damals unbekannten Autoren zu Eigen gemacht, vor allem Georg Samuel Albert Mellins und Friedrich Grillos, die als Erste eine Liste der Errata der KrV erstellten. Heutige Übersetzer befinden sich in einer vergleichbaren Situation wie das Lesepublikum zu Kants Zeiten: Der Zugang zu den Texten der kritischen Philosophie ist schwierig (so heißt es, selbst wenn die Realität eine andere sein mag), und ein immer weniger homogenes Publikum ist jenseits der kleinen Gruppe von Experten ›abzuholen‹ (wie man heute gern sagt). Es sei daran erinnert, dass das lexikographische Interesse an Kants Werk mit dem Fortschritt der Computerlinguistik einhergegangen ist. Das belegt eindrucksvoll der Kant-Index, den Norbert Hinske auf den Weg gebracht hat, welcher zugleich zusammen mit Heinrich P. Delfosse und Gianluca Bordoni die Indices und Konkordanzen von V-NR/Feyerabend herausgegeben hat; NR/Feyerabend wurde dann von Hinske und Sadun Bordoni für Bompiani übersetzt. 82 82

Heinrich P. Delfosse/Norbert Hinske/Gianluca Sadun Bordoni: Stellenindex und Kon-

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A.  Wider die Gelehrsamkeit

1998 präsentierten die italienischen Buchhandlungen die Übersetzung der KrV von Anna Maria Marietti (BUR). Die Übersetzerin und Herausgeberin stellte ihr Anliegen gleich am Anfang klar: Angesichts der vorliegenden Übersetzungen, die von kritischen Apparaten und gelehrten Anmerkungen geprägt seien, habe bislang »eine bescheidenere Ausgabe mit einem rein didaktisch angelegten Kommentar gefehlt, die dieses sehr schwierige und schöne Werk dem ›Volk‹ erklärt (dem Volk als Gegensatz zur ›Menge‹, um den größten modernen Lyriker zu zitieren); eine Ausgabe, die keinerlei Anspruch auf Gelehrsamkeit erhebt.« 83 Um dies zu erreichen, integrierte Marietti schematische Darstellungen und Zusammenfassungen in ihre Ausgabe, die dem Leser die Arbeit erleichtern sollten. Ein Glossar steht am Anfang; es ist in semantische Felder gegliedert und erläutert die terminologischen Optionen der Übersetzung. Eine Zusammenfassung von Kants Denken lässt auch Kants Leben Revue passieren, in einem Stil, der an Piero Martinettis Ausgabe der Prol erinnert, auf die die Herausgeberin sich explizit beruft. Es folgt eine Zusammenfassung des Werkes, die, schematisch gehalten, die theoretischen Verknüpfungen des Textes nicht durchgängig aufzuzeigen vermag. Trotz der didaktischen Anlage der Edition will die Übersetzerin möglichst textnah übersetzen, »sowohl hinsichtlich der Lexik als auch der syntaktischen Struktur des kantischen Periodenbaus«. 84 Der Stil der Übersetzung erweist sich freilich als wenig zeitgemäß, und es bleibt unklar, was genau unter der Treue zum kantischen Sprachgebrauch zu verstehen ist. Der paradigmatische Charakter des Wortschatzes, der sich unweigerlich in der Übersetzung widerspiegelt, gebietet es, sich hier und da auch für komplexe Lösungen zu entscheiden, wie das Verzeichnis von Parallelstellen für einzelne semantische Bereiche belegt. Dieselbe konservative Haltung prägte auch die Übersetzung der GMS; Marietti postulierte diesbezüglich, »jeden kantischen Terminus mit einem einzigen italienischen Wort« wiedergegeben und die »zuweilen sehr langen Satzperioden Kants« nicht aufgelöst zu haben, und schließlich, »entschieden moderne Ausdrücke« vermieden zu haben. 85 kordanz zum ›Naturrecht Feyerabend‹. 3 Bde. Stuttgart/Bad Cannstatt 2010–2014. Kant: ­L ezioni sul diritto naturale [Naturrecht Feyerabend]. Hg. von Norbert Hinske/Gianluca ­Sadun Bordoni. Mailand 2016. 83 Anna Maria Marietti: Parte introduttiva. In: Kant: Critica della ragione pura. Übers. und hg. von Anna Maria Marietti. 2 Bde. Mailand 1998. Bd. 1. 10 (»mancato, finora, [è] un modesto lavoro di commento strettamente didascalico, inteso a spiegare quest’opera molto difficile e bella al ›Volk‹ [antitetico alla Menge, secondo la convinzione del più grande lirico moderno]; privo di ogni ambizione erudita.«) 84 »[…] sia nel lessico che nella struttura sintattica del periodare kantiano« . Ebd. 11. 85 Marietti: Presentazione di questa edizione italiana. In: Kant: Fondazione della metafisica dei costumi. Übers. und hg. von A. M. Marietti. Einleitung von Amalia De Maria. Mailand 1995, 22002. 48: sie habe »ogni termine kantiano con un vocabolo italiano determi-

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B.  Übersetzerische Treue

Die Frage des kantischen Wortgebrauchs und der Texttreue ist so wichtig, dass sie besondere Aufmerksamkeit verdient. Linguistisch betrachtet, bezieht sich die Semantik auf die paradigmatische Ebene und die Syntax auf die syntagmatische Ebene. Daraus folgt, dass die Lexik den Raum von Korrelationen in absentia abdeckt (ein Begriff ersetzt einen anderen), während Syntagmen sich innerhalb von Relationen in praesentia bewegen (der Satz resultiert aus einer geregelten Wortfolge). Aus Gründen, die der Struktur eines Textes inhärent sind, ist es weder erforderlich noch möglich, dem konservativen Kriterium der Treue zum Originaltext gerecht zu werden, denn die Position des Lesers fluktuiert beständig mit dem fließenden Prozess und folglich auch mit den wechselnden möglichen lexikalischen Korrelationen. Anders gesagt, die Lexik besteht aus Differenzen und nicht aus Identitäten. Verhielte sich dies anders, wäre Kant stets eine klare, wohlgeordnete, unproblematische Darstellung gelungen. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass Kant denkt, indem er schreibt, und aus diesem Grunde mag es so scheinen, als könne man den Schaffensprozess des Philosophen zurückverfolgen, indem man seine Satzakrobatik nachvollzieht. In dieser Situation verlangt der Text aber eine genaue Abwägung der übersetzerischen Möglichkeiten. Kants Sprachgebrauch ist bereichsspezifisch differenziert und fordert den Übersetzer doch zugleich dazu auf, Kants Bemühen um terminologische Vereinheitlichung zu berücksichtigen. Daraus folgt nicht zwangsläufig, dass auch der Duktus und Stil der Argumentation mit derselben Rigorosität übertragen werden müssen. C.  Metaphysik und Kritik

Die neueste Übersetzung der KrV, die von Costantino Esposito vorgelegt wurde und 2004 bei Bompiani erschien, kann als präzise, ausgewogen und klar gelten. 86 Neu ist in diesem Falle die Zweisprachigkeit der Ausgabe; BUR, wo sowohl GMS als auch KU zweisprachig erschienen sind, hat im Falle der KrV auf diese Option verzichtet. Die Schwierigkeiten, die sich mit einer zweisprachigen Edition der KrV verbinden, resultieren offenkundig in erster Linie aus dem Umfang des Werkes, dann aber auch aus der üblichen Kopräsenz der beiden Auflagen von 1781 und 1787; die Erstauflage (A) erscheint als Steinerner Gast, der seine Faszination als eigenständiges Werk, ja als Anti-Werk bewahrt hat. Esposito vermeinato« wiedergegeben; sie habe »i talora lunghissimi periodi kantiani« beibehalten; sie habe »evitato espressioni decisamente moderne«. 86 Vgl. den Beitrag von Costantino Esposito im vorliegenden Band.

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det die Parallelsetzung oder andere synoptische Lösungen wie die von Wilhelm Weischedel, Jens Timmermann oder Colli, und versetzt stattdessen die Varianten der KrV A in einen Anhang. Espositos Ausgabe empfiehlt sich trotz ihres beträchtlichen Umfangs durch ihre Leserfreundlichkeit und einfache Handhabbarkeit. Das ist ein wesentlicher Vorzug im Vergleich zu den preiswerteren Editionen – selbst den zweibändigen – wie bei BUR, denn jene lassen sich weniger leicht so benutzen, wie es ein Buch generell verlangt und die KrV es geradezu gebietet. Die Mühen des kantischen Satzbaus erspart Espositos Ausgabe dem Leser freilich nicht, und dies nicht so sehr wegen der Präsenz des deutschen Originaltextes – die ja eine gewisse Flexibilität erlaubt hätte –, sondern aus ausdrücklich hermeneutischen Gründen. Die übersetzerische Treue zum Originaltext erlaubt »die größtmögliche Annäherung an das deutsche Original […] und das getreuliche Nachverfolgen der kantischen Satzperioden, welche seine denkerische Arbeit konsequent zum Ausdruck bringen und widerspiegeln«. 87 Dieses Ziel ist im Übrigen nicht immer leicht umzusetzen, wie beispielsweise KrV § 25 (B 157–159) belegt; hier ist die Satzperiode am Schluss so lang und verwickelt, dass der Übersetzer gezwungen ist, nützliche Zäsuren zu setzen. 88 Auch hier bestätigt sich, dass, sofern das Denken sich im sprachlichen Ausdruck spiegelt, das Dechiffrieren nicht umhin kann, zusammen mit dem mit dem Wortlaut gewissermaßen auch das Denken zu übersetzen. Glücklicherweise setzt sich Esposito neben der Treue zum kantischen Periodenbau ein weiteres Ziel, nämlich das Italienische nicht durch eine möglichst vollständige Nachbildung der Terminologie Kants zu entstellen. Um nur drei Beispiele zu nennen: Grundsatz, Einbildungskraft und Urteilskraft. Was das erstgenannte Wort betrifft, so wählt Esposito umsichtig immer die Übersetzung ›principio‹ und vermeidet den künstlichen Ausdruck ›proposizione fondamentale‹; in den beiden anderen Begriffe wird -kraft zutreffend mit ›facoltà‹ übersetzt. 89 Um sich dem Wortschatz Kants angemessen anzunähern, sollte man sich den Standpunkt von Garroni und Hohenegger zu eigen machen:

87

Costantino Esposito: Introduzione. In: Kant: Critica della ragion pura. Übers. und hg. von Costantino Esposito. Mailand 2004. XXXII f. (»la massima attinenza possibile all’originale tedesco […], e cioè nel seguire fedelmente l’andamento del periodare kantiano, che sempre esprime e rispecchia il lavoro del suo pensare.«) 88 Ebd. 275 ff. 89 Gerade die Übersetzer philosophischer Werke, die es lieben zu spekulieren, wo sie nicht spekulieren sollten, verfallen oft dem Wahn, Bedeutungen zu stipulieren, die die italienische Sprache nicht vorsieht. Ich muss mich selbst zu dieser Gruppe zählen, da ich selbst gelegentlich ungewöhnliche, auf ihre Art eigenartige übersetzerische Lösungen präferiert habe. Dementsprechend würde ich einige übersetzerische Entscheidungen in meiner Übersetzung von MS (erschienen bei Bompiani 2006) ohne Weiteres revidieren.

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Um Kant wirklich zu verstehen, muss man sich unserer Meinung nach von der Vorstellung frei machen, seine Sprache sei starr und durchgängig standardisiert. Eine energischere Standardisierung seitens des Übersetzers birgt jedenfalls das Risiko, Verrat an Kants Art zu denken und zu schreiben zu begehen.90

Esposito verortet klar und präzise die erste Kritik in der breiten Strömung des metaphysischen Denkens, dessen Stationen er in seiner Einleitung von TG bis zur KrV B Revue passieren lässt. Unter Metaphysik versteht er eine Wissenschaft von der erkennenden Vernunft. Von hier her gesehen gewinnt, wie wir bereits sahen, der Begriff der Grenze Profil: Die Grenzen, an denen und auf die hin sich die Metaphysik bewegt, erlauben es, die Grenze selbst nicht als eine Grenze für die Vernunft, sondern als eine Grenze innerhalb der Vernunft zu bestimmen; diese umfasst, über den legitimen Gebrauch des Verstandes hinaus, auch das, was als Idee über jene Funktion hinaus geht und was insbesondere dasjenige repräsentiert, was a priori über die Möglichkeit des Einen oder des Anderen entscheidet.91

VI.  Schluss

Am Ende dieser kurzen und zwangsläufig lückenhaften Sichtung der italienischen Kant-Übersetzungen lässt sich Folgendes festhalten: 1.  Kant ist nicht überwunden und nicht in Vergessenheit geraten, wie einige suggerieren; im Gegenteil wird er viel häufiger als früher gelesen, und sein Werk wird intensiver erforscht. Dies zeigt sich daran, dass die verlegerischen Aktivitäten, die sich auf Kants Werke richten, in den vergangenen dreißig Jahren so zahlreich waren wie in den vorangegangenen 84 Jahren seit Beginn des 20. Jahrhunderts insgesamt.

90 Garroni/Hohenegger: Nota sulla traduzione. In: Kant: Critica della facoltà di giudizio [Anm. 75] LXXXIV f. (»per comprendere davvero Kant crediamo che sia necessario liberarsi dall’idea che il suo linguaggio sia rigido e dappertutto convenzionalizzato. In ogni caso una convenzionalizzazione più accentuata da parte del traduttore rischierebbe di tradire il modo di pensare e di scrivere di Kant.«) 91 Esposito: Introduzione. In: Esposito: Kant: Critica della ragion pura [Anm. 87] XXV (»i confini a cui e su cui la metafisica ci conduce permettono di determinare dunque lo stesso limite non come un limite della ragione, ma come un limite nella ragione, la quale comprende in sé oltre all’uso legittimo dell’intelletto anche ciò che fuoriesce (come idea) da quella funzione, e soprattutto rappresenta ciò che decide a priori della possibilità dell’uno e dell’altro.«) – Zum Begriff der Grenze bei Kant vgl. den Beitrag von Costantino Esposito im vorliegenden Band.

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2.  Die zeitgenössischen philosophischen Strömungen haben oft von der kritischen Philosophie profitiert, ja sich von ihr inspirieren lassen: Strukturalismus, Generative Grammatik, Kognitive Semiotik haben einen substantiellen Bezug zu Kant; das hat sich in einem erheblichen Interesse an seinen kritischen Werken niedergeschlagen. 3.  Selbst wenn sich seine Schriften den Dynamiken der Pop-Philosophie entziehen, so haben sie doch immer weitere Verbreitung gefunden, was auf eine kulturelle Rückbesinnung – nicht nur im Bereich der Philosophie – hoffen lässt. Es bleibt zu hoffen, dass das Spezialistentum in diesem Kontext nicht als Erkenntnishindernis gelten wird. 4.  Die Entdeckung des Anthropologen Kant hat die Perspektive auf seine sog. rigoristische Ethik geweitet: Es ist der Mensch, der im Zentrum der Philosophie steht, und das nicht nur deshalb, weil der Mensch das zentrale ›Subjekt‹ der Metaphysik ist, sondern auch deshalb, weil er ein ›relationales Subjekt‹ ist, ein empirisches Subjekt, das sich, mit all seinen Schwächen und weit tragenden Idealvorstellungen, in der historischen und sozialen Realität bewegt. Die Kürze der Texte, in denen Kant diesen historischen Menschen beschreibt und seine Anthropologie und Ethik umrisshaft skizziert, wie im Falle von WDO, hat erheblich zur Verbreitung des kantischen Denkens beigetragen. 5.  Es wäre an dieser Stelle gewiss nützlich, auch die digitalen Editionen und insbesondere die eBook-Produktion einzubeziehen, denn die technologischen Eigenheiten dieser Publikationsart verleihen ihnen ein eigenständiges Profil. Freilich werden diese Eigenheiten oft nicht angemessen genutzt. Zugleich hat das digitale Verlagswesen Formen des Self-Publishing ermöglicht, die sich auch auf den akademischen Bereich ausgedehnt haben. So gibt es etwa Neuübersetzungen der KrV, die man auswerten müsste; darauf musste hier aus Raumgründen verzichtet werden. 6.  Zuletzt sei noch die ›thymische‹ Dimension der Übersetzungsarbeit angeführt, denn Übersetzer grenzen sich auch heute noch und vielleicht sogar heute ganz besonders polemisch gegen ihre Vorläufer und Konkurrenten ab. An sich bedürfte keine Übersetzung einer solchen Abgrenzung zwecks Selbstlegitimierung, denn ein Übersetzer hat in erster Linie einen hermeneutischen Auftrag, der sich nicht am verlegerischen Erfolg messen lässt. Nicht selten hat es aber, allerdings wohl im Falle anderer Autoren mehr als im Falle Kants, veritable Feldzüge gegen frühere Übersetzer gegeben. In diesem Zusammenhang hat, so meine ich, die Devise Valerio Verras ihre Gültigkeit in vollem Umfange bewahrt: Man schuldet denen, die einem mit ihrer Arbeit vorausgegangen sind, Dank. Aus dem Italienischen übersetzt von Gisela Schlüter

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Kant aus der Sicht seiner Übersetzer Italienische Neuübersetzungen der Werke Kants 1985–2017 Laura Balbiani

In den letzten Jahrzehnten war die editorische Landschaft der Kant-Rezeption in Italien sehr bewegt: Man beschäftigte sich intensiv mit den Werken des Königsberger Philosophen, und Neuauflagen und Neuausgaben seiner Schriften haben sich von 1985 bis 2017, in der hier betrachteten Zeitspanne, angehäuft. Angeregt wurde das schon lebhafte Interesse zudem durch die zwei Jubiläumsjahre 1995 und 2004, die der übersetzerischen Tätigkeit neuen Schwung verliehen. [vgl. Abb. 1] Unter den über 400 Bänden, die Kants Werke dem italienischen Publikum nahebrachten, sind nämlich 80 neue Übertragungen zu verzeichnen.1

Abb. 1: Neuübersetzungen 1985 – 2017

Das einzige größere Werk, das dem italienischen Publikum noch nicht zugänglich war, waren die Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte, die erst 2000 ins Italienische übertragen wurden; sonst betreffen die Neuübersetzungen so1 Vgl.

den Beitrag von Giuseppe Landolfi Petrone in diesem Band, der einen Gesamtüberblick über diesen Zeitraum bietet.

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wohl ›klassische‹ Werke, die seit längerer Zeit in anerkannten Übertragungen kursierten und die manchmal Gegenstand erneuter Aufmerksamkeit wurden (wie die KU), als auch kleinere Schriften und Handschriften aus dem Nachlass, die bisher noch nicht übersetzt worden waren. Die Perspektive der italienischen Übersetzer, 2 die inhaltliche, sprachliche und stilistische Schwierigkeiten der kantischen Werke zu bewältigen haben, steht im Mittelpunkt dieses Beitrags, der sich ausschließlich auf die neuen, in der hier untersuchten Zeitspanne erschienenen Übersetzungen fokussiert. 3 Wie entscheidend die Übersetzung für die Rezeption und die Verbreitung eines Autors sein kann, wie grundlegend ihre Rolle in der Kulturvermittlung ist, wurde in jüngerer Vergangenheit immer deutlicher; die ›linguistische Wende‹ und die Cultural Studies haben die Geisteswissenschaften tief geprägt, und die Aufwertung der sprachlichen, kommunikativ-pragmatischen (und daher auch translatorischen) Dimension lieferte dadurch neue Ansatzpunkte für die Textinterpretation, die zum wesentlichen Bestandteil der philosophischen Reflexion geworden sind. Infolgedessen hat sich auch die Einstellung der Übersetzer ihren Texten gegenüber stark geändert: In den Paratexten werden wie zuvor texteditorische und historisch-inhaltliche Fragen besprochen, hinzu kommen aber immer häufiger Überlegungen über die eigene translatorische Leistung und deren Folgen; man versucht, Richtlinien und Strategien herauszuarbeiten und sich konkret an den übersetzungstheoretischen Begriffen der Treue, Adäquatheit, Leserorientierung zu messen. I.  Die Übersetzung rückt in den Vordergrund

Nach einer langen Phase, in der eine adaptierende, zusammenfassende und kommentierende Übersetzungspraxis vorherrschte, wollte Giovanni Gentile 1909 den rein instrumentalen Charakter der Übersetzung hervorheben, die nur dazu unternommen werden sollte, um denjenigen, die der Fremdsprache nicht kundig sind, den Zugang zum Original zu ermöglichen. Der Übersetzer sollte den Ausgangstext getreu wiedergeben und die Leser auch mit seinen Schwierigkeiten bekannt machen, ohne den Text zu vereinfachen und zu verbessern. 4 Die strenge, konse2

Das generische Maskulin wird der Einfachheit halber durchgehend verwendet. Berücksichtigt werden hier also weder Nachdrucke älterer Übersetzungen noch Anthologien, die Auszüge aus den Werken Kants, manchmal auch seiner Zeitgenossen bieten, denn diese verwenden in der Regel unterschiedliche schon existierende Übersetzungen. 4 Kant: Critica della ragion pura. Übers. und hg. von Giovanni Gentile und Giuseppe Lombardo Radice. Bari 1909–1910. »Die Übersetzung eines philosophischen Werkes stellt sich in den Dienst desjenigen, der der Originalsprache, in der es abgefasst wurde, nicht mächtig ist, ohne den Inhalt des Werkes klären oder kommentieren zu wollen […]. Die Schwie3

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quentere Trennung zwischen Übersetzung und Kommentar, die Gentile wünschte, war ein verdienstvolles Ziel, das spätere Übersetzer und Herausgeber anstrebten. Dass aber eine scharfe Trennung in der Praxis nicht möglich war und ist, wurde bald klar, denn Gentiles Entscheidungen bei der Wiedergabe der Kernbegriffe der kritischen Philosophie boten reichlich Zündstoff für eine scharfe, lebhafte Debatte, die sich lange hinzog.5 Mit dem Aufkommen der Translation Studies und der ›linguistischen Wende‹ nahm eine sprachorientierte und textkritische Ausrichtung immer mehr zu; gleichzeitig wurde die positivistische Auffassung der Übersetzung als ›transparente‹ Vermittlungsform völlig verdrängt: Wenn sich alle menschliche Erkenntnis durch Sprache strukturiert, ist jedes translatorische Verfahren im Wesentlichen ein Interpretationsverfahren. Diese übersetzungstheoretische und sprachphilosophische Annahme sorgte für neue methodologische Anregungen, die sich allmählich auch in der Praxis verbreiteten. Der Ausgangstext als Ganzes wird nun als minimale Analyseeinheit angesehen, 6 und immer häufiger fühlen sich Übersetzer dazu berufen, auch die translatorische Dimension zu thematisieren und ihre Entscheidungen und Arbeitsstrategien in Vorworten und Anmerkungen explizit darzustellen.7 rigkeiten, auf die der Leser des originalsprachlichen Textes stößt, müssen ausnahmslos alle auch dem präsentiert werden, der das Werk in einer Übersetzung lesen muss; und in dieser Übersetzung sollten so getreulich wie möglich alle Facetten Berücksichtigung finden, die der Autor seinem Denken verliehen hat.« (»la traduzione di un’opera di filosofia s’imprende in servigio di chi ignori la lingua originaria di essa, non per schiarimento o commento del pensiero che essa contiene […]. Le difficoltà, che incontra il lettore, che legge il testo nella lingua originaria, devono essere tutte presentate a chi sia costretto a leggere la traduzione; e ha interesse di veder rispecchiato in questa, quanto più fedelmente è possibile, l’atteggiamento, in tutti i suoi particolari, dati dallo scrittore al proprio pensiero.«) Ebd. XXII–XXIII (Prefazione a questa traduzione). 5 Zur Geschichte der Kant-Rezeption in Italien im 19. und 20. Jahrhundert und der grundlegenden Rolle, die Übersetzungen in dieser Hinsicht spielten, vgl. Laura Balbiani: La sfida della traduzione e la Critica della ragion pura in Italia. In: Rivista di Filosofia Neo-Scolastica 99/2 (2007). 233–260. Giuseppe Landolfi Petrone: Das Gesicht des Götzen. Die italienischen Übersetzungen Kants im 19. Jahrhundert. In: Kant-Studien 95 (2004). 470–504. Hier wird auch die terminologische Debatte rekonstruiert, die die Rezeption Kants in Italien prägte. 6 Denn »das Übersetzen erfolgt nicht zwischen Systemen, sondern zwischen Texten.« So Umberto Eco: Quasi dasselbe mit anderen Worten. Übers. von Burkhart Kroeber. München 3 2014. 42. Dank diesem Ansatz kommen auch kommunikative und extralinguistische Elemente in Betracht, während man sich vorher auf Wort-für-Wort-Entsprechungen (Terminologie) oder auf einzelne sprachliche Erscheinungen konzentrierte. 7 Der Übersetzer soll und will nicht mehr unsichtbar bleiben. Der Begriff der ›Unsichtbarkeit‹ wurde in der letzten Zeit viel debattiert, vor allem, nachdem der amerikanische Translationswissenschaftler Lawrence Venuti ihn auf die Übersetzung anwandte. Damit ist eine (im Verlagswesen oft praktizierte, von den Übersetzern jedoch heftig kritisierte) adap-

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Diese Anregungen wurden z. B. vom Verlag Bompiani aufgenommen, der seit 2000 zwei philosophische Reihen in seinem Katalog führt (Testi a fronte und Il pensiero occidentale), die die Dimension der Übersetzung nicht ausblenden, sondern ins volle Licht rücken und als Mehrwert auslegen. 8 Hier ist jeder Text vom Original begleitet, der Übersetzer wird auf Buchdeckel und Titelblatt immer genannt, und eine ›Editorische Notiz‹ gibt ihm Gelegenheit, sich über seine Arbeit zu äußern und konkrete Aspekte und Entscheidungen darzulegen. Einen Schritt in dieselbe Richtung wagte später auch der Verlag Laterza mit der Reihe Classici della filosofia con testo a fronte. Manchmal begnügt er sich jedoch damit, alte Übersetzungen, denen man einfach das Original gegenüberstellt, neu aufzulegen; interessanter sind hingegen Bände, die neu konzipiert sind, wo der Herausgeber (der oft gleichzeitig auch Übersetzer ist) die Möglichkeit hat, mit neuen Editionsund Übersetzungsstrategien zu experimentieren, die der Leser unmittelbar am Originaltext überprüfen und nachvollziehen kann. II.  Herausgeber und Übersetzer

Die meisten Übersetzungen sind Ergebnis akademischer Forschungsarbeit. Sie spiegeln die Interessen und Forschungsschwerpunkte ihrer Verfasser wider und finden an den Universitäten, unter Dozenten und Studenten ihr Zielpublikum. Das merkt man gleich bei der Einleitung, die sich oft als langer, eigenständiger wissenschaftlicher Aufsatz präsentiert. Sie bietet historisch-philosophische Informationen zum jeweiligen Werk, beschreibt seine Bedeutung innerhalb des Denkens und der Epoche Kants, schildert seine Rezeption, erläutert die inhaltlichen Schwerpunkte. In einem kurzen Vorwort oder als Abschluss der Einleitung kommt dann der eigentliche Herausgeber zu Wort und äußert sich aus editorischer Perspektive: wie der Band aufgebaut ist, wie der Apparat strukturiert ist, welche Angaben in die Register aufgenommen wurden, was der Leser erwarten soll. Philologische und textkritische Überlegungen spielen immer eine große Rolle, und es wird daher immer genau angegeben (und wo nötig begründet), auf welcher Ausgabe die Arbeit basiert, welche Änderungsvorschläge von späteren Forschern angenommen, welche Handschriften berücksichtigt wurden. Ausführtierende Methode gemeint, in der die Arbeit und die Vermittlung des Übersetzers vom Leser gar nicht wahrgenommen werden sollen. Vgl. Lawrence Venuti: The Translator’s Invisibility. A History of Translation. London 1995. 8 Beide Reihen existierten schon im Verlag Rusconi, wurden von Bompiani übernommen, und Giovanni Reale gab ihnen neue Gestalt und einen entscheidenden Impuls. Zu den Übersetzungen aus dem Deutschen in der Reihe Il pensiero occidentale vgl. Laura Balbiani: Uscire allo scoperto. Quando il traduttore parla di sé. In: Raul Calzoni (Hg.): La circolazione del sapere nei processi traduttivi della lingua tedesca. Mailand 2018. 39–59.

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lich behandelt sind oft auch Fragen zur Textüberlieferung, -datierung und -geschichte. Und last but not least sollte die Übersetzung selbst ins Visier kommen, die einen weiteren, bedeutenden Aspekt der editorischen Tätigkeit darstellt – sie wird jedoch in vielen Fällen völlig vernachlässigt, und das ist überraschend, wenn man die große Bedeutung bedenkt, die Philosophen in der letzten Zeit der Übersetzung zugemessen haben. In etwa der Hälfte der untersuchten Übersetzungen enthalten die Paratexte, die die Edition begleiten, keinen Hinweis auf translatorische Aspekte. Der Schwerpunkt des Interesses liegt offensichtlich auf philosophiehistorischen und inhaltlichen Elementen, und diese Perspektive beherrscht und beeinflusst die Einstellung des Herausgebers in seiner Auseinandersetzung mit dem Text, sodass andere Facetten im Dunkeln bleiben – die Übersetzung bleibt rein instrumental, gilt für viele immer noch als ›durchsichtige‹ Vermittlerin des Originals. Andere Herausgeber hingegen nehmen ihre Rolle als Kultur- und Textvermittler wahr und thematisieren auch diesen Aspekt ihrer Arbeit. Von ihren Überlegungen wird im Folgenden die Rede sein. III.  Der Übersetzer kommt zu Wort

Zahlreich sind diejenigen, die sich auf die metasprachliche Ebene wagen und der Reflexion über das Übersetzen Raum gewähren. In den Paratexten werden dann die relevanten Eigenschaften der translatorischen Leistung beleuchtet, methodologische und praktische Entscheidungen sowie die zur Textübertragung erarbeiteten Strategien dargelegt. Es ist oft ein Bericht aus der Werkstatt, in dem der Übersetzer die Schwierigkeiten beschreibt, die der Text ihm bereitet hat; hier werden die Mühe der Arbeit, das Ringen um ein bestimmtes Wort und der Kampf mit dem komplexen kantischen Duktus sichtbar; kleine Einzelheiten, die sonst beim Lesen unauffällig bleiben würden, gewinnen plötzlich an Relevanz und fördern auch beim Leser eine tiefere Wahrnehmung der Texteigenschaften. Um etwas über seine Leistung aussagen zu können, muss der Übersetzer einen induktiven Analysevorgang einleiten, der ihn dazu führt, die einzelnen translatorischen Handlungen, die er manchmal spontan und unbewusst vollzogen hat, zu reflektieren, um daraus eine allgemeine Regel abzuleiten. Seine Arbeit besteht nämlich aus zahlreichen kleinen Entscheidungen, die jedes Mal, in jeder Zeile, immer wieder auf die Probe gestellt und ›verhandelt‹ werden müssen.9 Es ist also 9 Mit dem Begriff des ›Verhandelns‹ bezeichnet Umberto Eco den Translationsprozess. Er geht davon aus, dass man beim Übersetzen niemals dasselbe sagt, aber »quasi dasselbe sagen kann«. Alles dreht sich also um die Art dieses quasi: »Die Bestimmung der Flexibilität und Ausdehnung dieses quasi hängt von Kriterien ab, die im Vorhinein ausgehandelt werden

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ein systematisierendes Abstraktionsverfahren nötig, um in den sich wiederholenden Einzelfällen eine Richtlinie und allgemeine Translationsstrategien zu erkennen, die es dann dem Leser mitzuteilen gilt. Dass es sich um ein komplexes, mühsames Verfahren handelt, zeigt die Tatsache, dass man oft darauf verzichtet, auf allgemeine Formulierungen zurückgreift oder wie Gian Antonio De Toni trocken feststellt: »Über die Übersetzung habe ich kaum etwas zu sagen.«10 Aufschlussreich sind daher die Paratexte, wo sich der Herausgeber nicht auf editorisch-philologische Informationen beschränkt, sondern sich über linguistische und textuelle Aspekte der Übersetzung explizit äußert. Seine Aussagen können um vier Schwerpunkte kreisen: •  den Ausgangstext [AT]; •  den Zieltext [ZT]; •  die translatorischen Verfahren, die den Übergang vom AT zum ZT steuern; •  die Beziehung zu den schon vorhandenen Übersetzungen. IV.  Der Text, Anfang und Ende

Nur selten richtet sich die Aufmerksamkeit auf den Originaltext. Wenn er mitgedruckt ist, werden z. B. seine orthographischen und typographischen Eigenarten beschrieben, um dann zu erklären, wie sie transkribiert wurden. Sonst wird der AT nur insofern erwähnt, als er die Dunkelheit mancher Stellen und die verschachtelte Syntax des Zieltextes rechtfertigt. Es sei nicht Aufgabe des Übersetzers, so heißt es, den Text zu verbessern, zu verschönern oder zu verdeutlichen, daher solle der Leser mit manchen Verständnisschwierigkeiten und mit einem nicht immer fließenden Lesetext rechnen – Eigenschaften, die er auch in der Vorlage vorfinde.11 Diese allgemeine Formulierung ist aber nur beschränkt auf den Übersetzungsprozess zu beziehen, denn der Mangel an Deutlichkeit und Verständlichkeit ist eine typische Eigenschaft philosophischer Texte. Wenn es aber für den ›normalen‹ Leser möglich ist, diese Dunkelheit anzunehmen und sich besiegt zu erklären, gibt es einen Leser, der sich dies nie leisten kann: der Übersetzer. So klar oder dunkel der Text auch sein mag, muss er eine Entscheidung treffen, und wenn er auf die eine oder auf die andere Weise übersetzt, dann hat müssen. Quasi dasselbe zu sagen ist ein Verfahren, das […] unter dem Zeichen der Verhandlung steht.« Eco: Quasi dasselbe mit anderen Worten [Anm. 6] 10 f. 10 Kant: Lezioni di psicologia. Übers. und hg. von Gian Antonio De Toni. Rom/Bari 1986. 42: »Sulla traduzione ho ben poco da dire.« 11 Diese und ähnliche Behauptungen sind oft belegt, u. a. in: Kant: Scritti sul criticismo. Übers. und hg. von Giuseppe De Flaviis. Rom/Bari 1991; Kant: Scritti di storia, politica e diritto. Übers. und hg. von Filippo Gonnelli. Rom/Bari 1995.

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er in seinem Kopf jene Dunkelheit irgendwie geklärt.12 Das bleibt also immer ein brisanter Punkt, wo Übersetzung und Interpretation am engsten miteinander verwoben sind. So sind manche Übersetzer der Meinung, auch die Dunkelheit solle beibehalten bleiben – »The trouble is, of course, […] that when the obscurity is really obscure, you will not be able to tell what it is that needs to be preserved.«13 Im Falle Kants ist die Dunkelheit mancher seiner Schriften zum rhetorischen Topos geworden, der die Rezeption seiner Werke schon von den Anfängen begleitet hat. Er wurde so oft von Kommentatoren, Lesern und Kritikern wiederholt, dass diese Aussage nun wie die Nacht wirkt, in der alle Kühe schwarz sind.14 Textnäher und konkreter argumentieren diejenigen, die auf Eigenschaften des AT eingehen, die die Übersetzungsstrategien bedingt haben, wie z. B. Gianluca Garelli, der eine Nachschrift der Vorlesungen überträgt, die zahlreiche Wiederholungen, fehlende Satzzeichen usw. aufweist – Probleme, für die er eine systematische Lösung finden musste.15 Alberto Bosi holt weiter aus und eröffnet seine ›Nota sulla traduzione‹ mit einer Überlegung über Kants Auffassung vom Schreiben: Der Schwerpunkt habe für ihn ausschließlich auf dem Denken gelegen, um die sprachliche Formulierung seiner Gedanken habe er sich kaum gekümmert, was die Lektüre – und jeden Übersetzungsversuch – so mühsam mache. Das Augenmerk gilt sonst dem AT, wenn er aus irgendeinem Grund einen Sonderstatus besitzt und deswegen eine ausführlichere Beschreibung verdient, und das war in der letzten Zeit häufig der Fall: Nachdem man sich in einer ersten Phase auf die Hauptwerke Kants konzentriert hatte, differenzierten sich dann die Interessenschwerpunkte. Die Übersetzer setzten sich auch mit den kleineren Schriften auseinander, die in ihren historischen Kontext eingebettet werden sollten, und mit handschriftlichen Vorlagen wie Bemerkungen, Reflexionen, Nachschriften der Vorlesungen. Reflexionen und Kollegentwürfe etwa sind Textsorten ganz besonderer Art, mit denen italienische Leser noch nicht gut vertraut waren. So erörtert Oscar Meo in seiner thematischen Auswahl die außergewöhnlichen Merkmale seiner 12

Vgl. Jonathan Rée: The Translation of Philosophy. In: New Literary History 32/2 (2001). 223–257. 227: »Translators have to make up their minds, even when it is impossible.« 13 Rée: The Translation of Philosophy [Anm. 12] 227. 14 Liest man z. B. die jüngst erschienene Übersetzung der kantischen Riflessioni sulla Critica della ragion pura, da annotazioni manoscritte (übers. und hg. von Raffaele Ciafardone. Nocera Inferiore 2017), so hat man den Eindruck einer weit verbreiteten Dunkelheit: Die Referenzen wirken verwirrend, die Sätze elliptisch, die Lexik altertümlich. Man könnte davon ausgehen, das seien Eigenschaften des Originals – und dies mag wohl auch zutreffen. Schaut man sich dann die Anmerkungen Benno Erdmanns an, die mitübersetzt wurden, wirkt der italienische Duktus genauso dunkel und konfus. Wo die Verworrenheit anfängt und für wen sie typisch ist, sei es den Autor, den Kommentator oder den Übersetzer, kann niemand mehr sagen. 15 Kant: Lezioni di enciclopedia filosofica. Übers. und hg. von Gianluca Garelli. Udine 2002. XXXIII–XXXIV.

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Vorlage; ein ähnlicher Fall ist die einzige überlieferte Nachschrift der Vorlesung über philosophische Enzyklopädie, die nie in den Druck gelangte und daher nie revidiert wurde. Sie liefert ein wertvolles Zeugnis des mündlichen Sprachgebrauchs Kants, und die Einleitung der Übersetzerin beschreibt aus sprachhistorischer Perspektive die lexikalischen, stilistischen und kommunikativen Eigenschaften des Originals, die sich dann in der italienischen Fassung wiederfinden lassen.16 So kann der Leser auch den mitgedruckten deutschen Text würdigen. Der ZT wird seinerseits insofern betrachtet, als er die Eigenschaften des Originals wiederaufnimmt. Die Aussagen der Übersetzer sind tatsächlich aus praktischen Problemen entsprungen, aus konkreten Schwierigkeiten, mit denen sie zurechtkommen mussten, und man spürt die Mühe und die Zweifel, die jede Entscheidung begleiten. Das Verständnis des Originals ist vielschichtig, suggeriert mehrere Alternativen und muss nichtsdestoweniger am Ende auf die Linearität der Schrift komprimiert und reduziert werden. Die Übertragung stellt also ›nur‹ das Ergebnis eines lexikalischen und interpretatorischen Auswahlprozesses dar, den der Übersetzer durchgeführt hat. Wichtig in dieser Hinsicht ist manchmal der Bezug auf das Zielpublikum, das einen entscheidenden Einfluss auf das Endergebnis ausübt, insbesondere auf die Gestaltung von Einleitung und Textkommentar. Die weitaus größte Zahl der vorhandenen italienischen Fassungen wird von Dozenten und Wissenschaftlern betreut, die ihr Publikum in der akademischen Welt anvisieren, unter Kollegen und Studierenden; ist das aber nicht der Fall, dann wird der ZT mit Blick auf die vermeintliche Leserschaft gestaltet. Manche Übertragungen sind beispielsweise für die Schule gedacht – hier ist der AT entweder nur auszugsweise übersetzt oder von zusammenfassenden Kommentaren und Paratexten mit einem niedrigen sprachlichen Abstraktionsgrad begleitet.17

16

Kant: Enciclopedia filosofica. Übers. und hg. von Laura Balbiani. Mailand 2003. 63– 85: Kants Vorlesungen zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit (Le lezioni di Kant fra oralità e scrittura). 17 Einige Übersetzungen sind dieser Kategorie zuzurechnen, z. B. die von den Verlagen Canova Edizioni Scuola (GMS. Treviso 1996), QuattroVenti (KpV. Urbino 2003), La Scuola (Prol. Brescia 2016). Eine stark didaktische Ausprägung haben auch die beiden Ausgaben von Marietti (GMS und KrV), die sich an ein breiteres Publikum von Schülern und Studierenden wenden. Diesem Vorhaben scheinen jedoch die dort bevorzugten veralteten und manchmal schwerfälligen Formulierungen abträglich zu sein, die man einem heutigen Studierenden oder Schüler kaum zumuten kann.

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V.  Die Rolle der Vorgänger

Ein weiterer externer Faktor, der einen wesentlichen Anhaltspunkt bietet, sind schon vorhandene Übersetzungen, die in den Vorworten selten unerwähnt bleiben. Sie stellen normalerweise einen großen Vorteil dar, denn durch Analyse und Vergleich werden textuelle und translatorische Eigenschaften viel deutlicher wahrgenommen, sodass sich der nächste Übersetzer bewusst und zielgerichtet an die Arbeit machen kann. Auf der einen Seite ist der Weg schon geebnet, und eine schon eingebürgerte Terminologie erleichtert nicht wenig die Arbeit; auf der anderen Seite wird es schwieriger, von der Überlieferung Abstand zu nehmen: Jeder neue Vorschlag muss begründet werden und bringt zweifellos Kritik mit sich. Für manche Werke gibt es Übertragungen, die vorbildlich wirken: Daran muss sich jeder messen, eventuelle terminologische Abweichungen fallen dann noch stärker auf und bedürfen einer genauen Rechtfertigung. Vorbildlich wirkte z. B. die sehr sorgfältige und solide Arbeit von Pietro Chiodi, der 1967 die KrV ins Italienische übertrug und einen Ausgleich im langwierigen Streit über die beiden vorherigen Fassungen (die Übertragung von Gentile und Lombardo Radice, die Mathieu später revidierte, und die von Giorgio Colli) herstellte. So können spätere Übersetzer dieses Werkes nicht umhin, auf die schon existierenden Übersetzungen ausführlich einzugehen und Stellung zu beziehen: Alberto Bosi übernimmt die Terminologie von Chiodi, nicht nur, weil er dessen Entscheidungen voll unterstützt, sondern auch aus editorischer Kohärenz;18 Anna Maria Marietti (Mailand 1998) räumt Chiodis Leistung eine maßgebende Rolle ein, während Costantino Esposito (Mailand 2004), aus einer größeren Zeitentfernung, ein ausgeglichenes Urteil über über seine Vorgänger aussprechen kann. Die meisten Werke schauen also auf eine eigene Übersetzungsgeschichte zurück, die für den Neuübersetzer immer hilfreich ist: so die Briefe Kants, die Piero Martinetti Jahrzehnte früher übersetzt hatte. Sie stellten für Oscar Meo eine besonders wertvolle Vorlage dar, der er mit nur kleinen Abweichungen wörtlich folgte.19 Alle Neuübersetzer führen die zur Verfügung stehenden italienischen Übersetzungen auf, die selbstverständlich zu Rate gezogen wurden – einige beschränken sich auf eine Auflistung, ohne genau zu erklären, inwieweit sie dem einen oder dem anderen Vorgänger verpflichtet sind; andere versehen die erwähnte Übertragung mit knappen Kommentaren, um die unterschiedlichen Arbeitsstrategien, Stärken und Schwächen hervorzuheben. Massimo Marassi, der sich 18

Kant: Critica del giudizio. Übers. und hg. von Alberto Bosi. Turin 1993. – Pietro Chiodi hatte für den Verlag UTET die ersten zwei Bände der Werke Kants übersetzt; nach seinem Tod übernahm Bosi den dritten und letzten Band. 19 Kant: Epistolario filosofico 1761–1800. Übers. und hg. von Oscar Meo. Genua 1990. 24.

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mit der KU auseinandersetzt (einem Werk, das in der hier untersuchten Zeitspanne viermal neu übersetzt wurde), listet seine Vorgänger auf und behandelt ausführlicher die beiden Leistungen, die sich seiner Meinung nach durch besonders wirksame translatorische Strategien auszeichnen, die er selbst als Richtlinien übernimmt. In wenigen Fällen beruft man sich allgemein auf die Überlieferung, indem man behauptet, man übernehme die für bestimmte Termini schon gängigen Äquivalente. Zur Arbeitsvorbereitung gehören also immer Analyse und Auswertung der schon vorhandenen Übersetzungen: Man erwägt Vorzüge und Mängel einer jeden, man wird der Schwierigkeiten gewahr, die der Text bereitet, und indem man vorherige Arbeiten lobt oder kritisiert, findet man eine eigene Herangehensweise an das Werk und seinen Verfasser. Nützlich (und oft erwähnt) sind auch Übertragungen in andere europäische Sprachen, meistens die englische und französische. Die Arbeit ausländischer Kollegen spielt oft eine wichtige Rolle, insbesondere wenn es darum geht, dunkle Stellen des AT auszulegen, aber nicht nur. Wie Jonathan Rée treffend feststellte und mit zahlreichen Beispielen belegte, sollte abendländische Philosophie »mit mehrsprachigen Augen gelesen und übersetzt werden«, 20 vor allem, wenn es um den Fachwortschatz geht. So bieten englische und französische Heteronyme manchmal wertvolle Anregungen und pro- oder contra-Argumente für eine gewisse Entscheidung, die so in einem breiteren Bezugsrahmen kontextualisiert werden kann. VI.  Translatorische Verfahren

Sehr intensiv denken Übersetzer über die Arbeit selbst und ihr komplexes Prozedere nach. Wenn sie darüber berichten, taucht oft der Begriff der ›Treue‹ auf, und jeder versucht, zwischen den beiden Polen einer verfremdenden und einer adaptierenden Übersetzungsmethode Stellung zu nehmen. Manche treffen die radikale Entscheidung der (fast) wörtlichen Übersetzung und nehmen sich vor, die verschachtelte Syntax, die überlangen Sätze, sogar die Zeichensetzung beizubehalten – was im Italienischen generell fremd wirkt. Dadurch will man so nahe wie möglich am Original bleiben, obwohl der italienische Leser deswegen mit zusätzlichen Schwierigkeiten konfrontiert wird. Zu diesen Übersetzern zählt z. B. Emilio Garroni, der sich entschieden zur Treue, also zur wörtlichen Übersetzung, 20

Rée: The Translation of Philosophy [Anm. 12] 235: »Translators usually think of themselves as conducting transactions between just two languages; but when it comes to philosophical translation, the assumption will not hold. By tradition, European philosophy has always been written with several languages in mind; and it has to be read, and translated, with multilingual eyes as well.«

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bekennt, wie er selber in einem Interview erklärt. 21 Andere setzen sich hingegen das Ziel der Lesbarkeit und streben einen flüssigen und (soweit möglich) verständlichen italienischen Text an. Das richtige Gleichgewicht zwischen Treue und Lesbarkeit zu treffen – das soll jedes Mal neu gewichtet werden, auch in Bezug auf Zielpublikum, Zeit, Situation. 22 Das hebt Costantino Esposito hervor:23 Für seine Übertragung der KrV hat er sich zwei Ziele gesetzt, einerseits die höchstmögliche Treue (der Form, dem Duktus, der Syntax, der Satzlänge des kantischen Textes gegenüber), andererseits eine flüssige italienische Sprache, die nicht wie eine künstliche Nachahmung des Deutschen wirken soll – wie schwer sie zu vereinen sind, ist ihm wohl bewusst, und er schreibt selbst in der Einleitung, das erste Ziel sei eher ein Ideal und entspreche nicht wirklich dem Ergebnis. 24 Die Paratexte belegen ein wachsendes Interesse für spezielle linguistische und translatorische Aspekte, für die einige Übersetzer besondere Aufmerksamkeit zeigen. Sie begnügen sich nicht mit allgemeinen Anmerkungen über die schwierige Syntax Kants, sondern besprechen konkrete, textbezogene Probleme, mit denen sie konfrontiert wurden; durch Beispiele erörtern sie ihre Verfahrensweise. Was die Syntax anbelangt, beschreiben Garroni und Hohenegger sehr genau ihre Verfahrensweise: Sie behalten die syntaktischen Einheiten des AT von Punkt zu Punkt bei, innerhalb dieser Blöcke behandeln sie die Satzzeichen, vor allem Kommata, freier, was ja sehr sinnvoll scheint, da Kommata im Italienischen eine phonetische, intonatorische Funktion haben (und nicht eine grammatische wie im Deutschen). Das rigide Treueprinzip wird also in der Praxis durch die Forderungen der Zielsprache und die Orientierung am Leser zum Teil gemildert. Oscar Meo bemühte sich, die zahlreichen Titel und Höflichkeitsfloskeln, die in den Briefen vorkommen, wiederzugeben sowie die Referenz von Personal- und De21 So

Garroni, der 1999 mit Hansmichael Hohenegger die KU übertrug: »Ich wünsche mir, dass der Leser unserer Übersetzung sich gewissermaßen vor dem tatsächlichen kantischen Satzgefüge befindet, bis in dessen Ungelenkheit hinein, und dass er demzufolge in der Lage ist, den kantischen Text selbst, als solchen, zu lesen.« (»Io mi auguro che il lettore con la nostra traduzione si trovi, per così dire, dinanzi al vero periodare kantiano, perfino nelle sue goffaggini, e sia quindi in grado di leggere, sempre per così dire, lo stesso testo di Kant.«) Emilio Garroni: Tradurre Kant. Intervista a Emilio Garroni a cura di Mavì de Filippis [Interview mit Mavì de Filippis]. In: L’ospite ingrato. La traduzione. Macerata 2002. 169–174. Hier: 170. 22 Das Endergebnis des Übersetzungsverfahrens ergibt sich immer aus dem Zusammenspiel verschiedener Faktoren, indem man versucht, die kommunikativen Intentionen des ATAutors mit den Forderungen des Übersetzungsauftrags in Einklang zu bringen. Vgl. Christiane Nord: Das Verhältnis des Zieltexts zum Ausgangstext. In: Handbuch Translation. Hg. von Mary Snell-Hornby. Tübingen 22015. 141–144. Hier: 143. Demzufolge ist der Begriff der ›Treue‹ relativ: Er ist zeit- und kulturbedingt und kann je nach Text, Kommunikationssituation und Übersetzungsauftrag unterschiedlich aufgefasst werden. 23 Vgl. den Beitrag von Costantino Esposito im vorliegenden Band. 24 Kant: Critica della ragion pura. Zweisprachige Ausgabe. Übers. und hg. von Costantino Esposito. Mailand 2004. XXXIII.

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monstrativpronomina zu disambiguieren;25 darum bemühte sich auch Leonardo Amoroso26 , während Gianluca Garelli eher auf Deutlichkeit und Lesbarkeit hinarbeitete und einige Konnektoren hinzufügte, »um die ›Eintönigkeit‹ des Duktus zu unterbrechen«. 27 Nicht leicht zu übersetzen sind substantivierte Adjektive und Possessivartikel wie Recht/das Rechte und das Mein, das Dein usw., die in einigen Texten besonders häufig vorkommen. Sie stellen ein Problem für beide Übersetzer der MS dar, Giuseppe Landolfi Petrone und Filippo Gonnelli. Sehr ausführlich erörtert Anna Maria Marietti ihre sprachlichen Strategien, indem sie beim Gebrauch der Negation oder bei den Unterschieden zwischen Zustandsund Vorgangspassiv verweilt oder andere Eigenarten des kantischen Duktus Revue passieren lässt, den sie (als Einzige) als »kompliziert und schön« rühmt. 28 Wie man sich aber leicht vorstellen kann, ist das meistbehandelte Thema, worauf sich die Aufmerksamkeit ausnahmslos aller Übersetzer fokussiert, die Terminologie. VII.  Die Terminologie

Diejenige innersprachliche Eigenschaft philosophischer Texte, die als vordringlich erscheint und als konstitutiv betrachtet werden kann, ist im Bereich des Wortschatzes zu finden, zumal jeder Denker (und Kant ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme) die von ihm benutzten Begriffe und die entsprechenden Termini neu definiert. Daraus entsteht ein Idiolekt, der für den Übersetzer immer eine Herausforderung darstellt, weil die Zielsprache für diese semantisch äußerst prägnanten Begriffe oft keine adäquate Entsprechung bietet, die allen semantischen Nuancierungen des deutschen Begriffs Rechnung trägt. 29 Aus diesem Grund war die Wiedergabe bestimmter Termini heiß umstritten (es ging u. a. um Lexeme wie Geist, Erscheinung, Schein), und die Rezeptionsgeschichte der Philosophie Kants wurde, wie oben schon angedeutet, von diesen Debatten geprägt. So stehen Fachwörter häufig im Mittelpunkt der ›Vorbemerkung des Übersetzers‹ (›Nota del traduttore‹). Bei Bompiani bietet jeder Band in der Regel einige Seiten mit den ›Schlüsselwörtern‹ des jeweiligen übersetzten Werks: Die kleine Auswahl wird von einem Kommentar begleitet, der die Begriffe erörtert und ihre semanti25

Kant: Kantiana minora vel rariora. Übers. und hg. von Oscar Meo. Genua 2000. Kant: Critica della capacità di giudizio. Übers. und hg. von Leonardo Amoroso. Mailand 1995. 27 Kant: Lezioni di enciclopedia filosofica [Anm. 15] XXXIV. 28 Kant: Critica della ragione pura. Übers. und hg. von Anna Maria Marietti. 2 Bde. Mailand 1998. 11. 29 Viele Begriffe sind tatsächlich schwierig zu übersetzen; vgl. Barbara Cassin (Hg.): Vocabulaire européen des philosophies. Dictionnaire des intraduisibles. Paris 2004. 26

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schen Nuancierungen textbezogen erläutert. Marassi (KU) und Landolfi Petrone (MS) gingen noch weiter und verfassten sowohl ein Glossar als auch eine Liste der Schlüsselwörter, die durch Textbelege erläutert werden. Aber auch dort, wo es nicht vom Verlag schon vorgesehen ist, sind Glossare und Wortlisten oft vorhanden und zeigen, wie intensiv sich jeder Herausgeber mit dem Fachwortschatz auseinandersetzte. 30 Manche bekennen sich zum standardisierten Gebrauch und passen sich den schon eingebürgerten Lösungen an; die meisten verzichten aber nicht auf die Vertiefung semantischer und lexikalischer Aspekte. Einige wenige, u. a. Leonardo Amoroso und Paolo Pecere, gehen von einem Eineindeutigkeitsverhältnis zwischen deutscher und italienischer Terminologie aus:31 Nach diesem (freilich längst überholten) Modell besitzt jedes Fachwort der Ausgangssprache jeweils genau eine Bedeutung, die wiederum allein durch ein einziges Wort der Zielsprache (Heteronym) übersetzt werden sollte. 32 Polysemie-Phänomene, die auch innerhalb des Fachwortschatzes eine große Rolle spielen, oder kontextgebundener Gebrauch der fachlichen Ausdrücke werden gar nicht beachtet. Das Ziel der Einheitlichkeit und Kohärenz in der Übersetzung der Terminologie setzen sich auch Andere, obwohl sie es nicht so streng wie Amoroso durchsetzen. 33 Ein se-

30 Eine Liste der Schlüsselwörter bietet auch Vittorio Mathieu (Kant: Fondazione della metafisica dei costumi. Übers. und hg. von Vittorio Mathieu. Mailand 1988. 239–242). In Kant: Lezioni di filosofia della religione. Übers. und hg. von Costantino Esposito. Neapel 1988, sind die Stichwörter im Sachregister italienisch-deutsch, sodass es als eine Art Glossar dient; Alberto Bosi schreibt eine ›Nota lessicale‹, wo ein Dutzend grundlegender Begriffe dargestellt und erörtert werden, vgl. Kant: Critica del giudizio. Übers. und hg. von Alberto Bosi. Turin 1993. 69–79, und das sind nur einige Beispiele. 31 Kant: Principi metafisici della scienza della natura. Zweispr. Ausgabe. Übers. und hg. von Paolo Pecere. Mailand 2003; Kant: Critica della capacità di giudizio. Übers. und hg. von Leonardo Amoroso. 2 Bde. Mailand 1995 (hier sind die Entsprechungen in einem Glossar [44–59] aufgelistet). Amoroso merkt an, dass es manchmal besser wäre, das deutsche Wort je nach Kontext anders zu übersetzen, führt aber trotzdem seinen Vorsatz konsequent durch, wie er selbst erklärt (ebd. 41). Problematisch bleiben dabei bedeutungsverwandte Wörter (wie z. B. Lust und Wohlgefallen) und Wortfamilien (Zweck, Endzweck, letzter Zweck, zweck­mäßig, zweckwidrig, Zweckbestimmung etc.), die ihn sogar zwingen, Neologismen wie ›contro­f inale‹ und ›finalizzazione‹ zu erfinden. 32 Dieser dem systemlinguistischen Inventarmodell verpflichtete Ansatz eines Eineindeutigkeitsverhältnisses wurde in der Linguistik und Translationswissenschaft in den 1980er Jahren durch ein pragmalinguistisches Kontextmodell abgelöst, dem ein kognitionslinguistisches Funktionsmodell folgte. Vgl. Thorsten Roelcke: Fachsprachen. Berlin 22005. 63–67. Vgl. auch die Beiträge von Thorsten Roelcke im vorliegenden Band. Weitere Impulse verdankt man neuerdings den Cultural Studies. 33 Kant: Lezioni di filosofia della religione [Anm. 30]; ders.: Fondazione della metafisica dei costumi. Übers. und hg. von Filippo Gonnelli. Rom/Bari 1997; ders.: Primi principi metafisici della dottrina del diritto. Übers. und hg. von Filippo Gonnelli. Rom/Bari 2005.

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mantisch flexibleres und adäquateres Verfahren wenden Garroni/Hohenegger an, die den Fachwortschatz aufgrund seines auf fachlicher Mehrdeutigkeit basierenden Gebrauchs in drei Gruppen unterteilen (Termini technici im engeren Sinne; Fachwörter, die auch in nichtfachlicher Bedeutung gebraucht werden können; schließlich Fachwörter, die in mehreren fachsprachlichen Bereichen auftauchen) und die jeweils benutzten Übersetzungsstrategien durch Beispiele darlegen. 34 Andere Übersetzer tragen der Mehrdeutigkeit eines Fachwortes Rechnung und erklären, dass die Übersetzung von Fall zu Fall die semantische Nuancierung berücksichtigt, die dasselbe Wort in unterschiedlichen Kontexten (in einem fachsprachlichen, einem allgemeinsprachlichen usw.) haben kann: so u. a. Gianluca Garelli, Laura Balbiani, Anna Maria Marietti. In jeder Vorrede werden immer mehrere Termini besprochen, es wird durch Beispiele gezeigt, wo die Schwierigkeiten und Zweideutigkeiten lagen und welche Entscheidungen getroffen wurden; innovative terminologische Entscheidungen werden vorgestellt und begründet. 35 Anna Maria Marietti, deren Vorworte (KrV, GMS) sich durch ein besonderes Feingefühl für sprachliche Eigenschaften auszeichnen, liefert im Anhang der GMS eine umfassende Auflistung der bedeutendsten Termini der Ethik. Hier begründet sie ihre Richtlinien bei der Wahl der Äquivalente, während einmalige, kontextbedingte Lösungen in den entsprechenden Anmerkungen dargelegt werden. In der KrV sind es die Polysemie und der schwankende Gebrauch, den Kant selbst von der Terminologie macht, die die Übersetzerin vor lexikalische Hindernisse stellen. Sie ist übrigens die Einzige, die das für das Sprachenpaar Deutsch/Italienisch hoch relevante Problem der Modalverben erwähnt. Unter ›Scelte particolari‹ (Spezialfälle; Einzelentscheidungen) sammelt sie die deutschen Lexeme nach Wortfamilien und stellt die von ihr ausgewählten Entsprechungen vor (z. B. werden verändern – verwandeln – wechseln – verwechseln zusammen behandelt). Am Ende werden die einzelnen Abschnitte des Werkes zusammengefasst und aus sprachlich-translatorischer Perspektive kommentiert, manche sind sogar eigens mit einer Liste der wichtigsten Termini (dt./ital.)

34 Vgl. Kant: Critica della facoltà di giudizio. Übers. und hg. von Emilio Garroni und Hansmichael Hohenegger. Turin 1999. Die drei Gruppen entsprechen der fachsprachenlinguistischen Gliederung in intra-, inter- und extrafachlichen Fachsprachwortschatz (Roelcke: Fachsprachen [Anm. 32] 50–53). 35 Fabrizio Desideri (Kant: Questioni di confine. Saggi polemici 1786–1800. Übers. und hg. von Fabrizio Desideri. Genua 1990) bespricht seine Neuübersetzung von Fürwahrhalten und Schwärmerei; Laura Balbiani (Kant: Enciclopedia filosofica [Anm. 16] schlägt Neuübersetzungen für Erscheinung, Vernunftkünstler und Bestimmung des Menschen vor; Vittorio Mathieu (Kant: Critica della ragion practica. Zweisprachige Ausgabe. Übers. und hg. von Vittorio Mathieu. Mailand 2000) verwendet von der Überlieferung abweichende Heteronyme für Triebfeder und Bestimmungsgrund, Garroni/Hohenegger verwenden solche für Urteilskraft, um nur einige Beispiele zu nennen.

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versehen. Aber trotz ihrer Aufmerksamkeit für sprachliche Nuancen orientiert sich Marietti dann in der Praxis an veralteten Ausdrücken und schwerfälligen Wendungen, die den italienischen Text unzeitgemäß und kaum lesbar erscheinen lassen. Dass die Terminologie weiterhin im Vordergrund der translatorischen Praxis bleibt, zeigen dann die Übersetzungen, die die (aus übersetzerischer Perspektive kaum akzeptable) Strategie der ›Glossen‹ anwenden: Im ZT wird nach einem bestimmten italienischen Wort seine deutsche Entsprechung in eckige Klammern gesetzt. Wenn das nur sparsam geschieht, bleibt die Lektüre noch flüssig; sind die Glossen zu häufig, ergibt sich ein unübersichtlicher, an sich kaum lesbarer Text. Das ist z. B. bei der ersten Übersetzung von Garelli der Fall (Kant: Lezioni di enciclopedia filosofica, 2002), wo ganze Syntagmen und sogar Wörter wie Lehrer oder buchstabieren, die an sich völlig unproblematisch sind, von deutschen Glossen begleitet werden. Sinnvollerweise hat er bei einer späteren Übersetzung beschlossen, die deutschen Ausdrücke nicht im Fließtext, sondern in den Fußnoten anzuführen (Kant: Antropologia dal punto di vista pragmatico. Turin 2010). So leser(un)freundlich diese Strategien auch sein mögen, so beweisen doch sowohl die ausführlichen semantischen Ausführungen in den Paratexten als auch der häufige Gebrauch von Glossen die primäre Rolle der Terminologie in den Übersetzungen der kantischen Werke. VIII. Schlussbemerkung

Betrachtet man die Zeitspanne von 1985 bis 2017, hat man den Eindruck einer imponierenden editorischen Tätigkeit, die sich mit ihren insgesamt 410 Einzelwerkausgaben auf Kant konzentriert. Unter die Lupe genommen wurden hier ausschließlich die eigentlichen Neuübersetzungen (80 an der Zahl), deren Paratexte in Hinsicht auf metasprachliche translatorische Äußerungen untersucht wurden. Der Herausgeber erfüllt, in der Mehrzahl der hier behandelten Veröffentlichungen, vielfältige Aufgaben, denn er agiert gleichzeitig als Editor, Autor, Dozent, Kommentator und Übersetzer. In den Paratexten stellt er seine facettenreiche Beschäftigung mit dem Text und die eigene Arbeitsweise dar, im Vordergrund bleiben jedoch immer editorische und textkritische Fragen. Der Übersetzer kommt manchmal zu kurz, und auch wenn er die editorische Notiz oder das Vorwort unterschreibt, behandelt er die eigene translatorische Leistung oft nur flüchtig, sodass ihre Bedeutung nicht genügend zum Tragen kommt. Wie eng aber das Wechselverhältnis zwischen Philosophie, Hermeneutik und Übersetzung ist, hoben Philosophen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer deutlicher hervor, sodass man jetzt behaupten kann, dass »translation is inherently philosophical and that philosophy not only demands, but also itself

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engages in, a type of translation.« 36 Die Entwicklung der Translation Studies brachte ihrerseits ein neues Bewusstsein für sprachlich-kommunikative Elemente der Übersetzung und für ihre Rolle als durchaus nicht neutrale Form der Kulturvermittlung. Das hatte zur Folge, dass auch die Übersetzungspraxis aufgewertet wurde und ihre interkulturellen und rezeptionsgeschichtlichen Implikationen nicht mehr vernachlässigt werden dürfen. Der grundlegenden Rolle der Übersetzung als erster Stufe zur Textinterpretation und -rezeption werden sich die Übersetzer selbst jetzt allmählich bewusster, umso mehr, wenn sie sich der Translationsarbeit aus philosophiegeschichtlicher Perspektive nähern. Dem Kant-Übersetzer bietet das Vorwort oder ein ähnlicher Paratext eine wertvolle Gelegenheit, um mit dem Leser Kontakt aufzunehmen und nicht nur als Kant-Forscher oder Kant-Kommentator, sondern auch als Vermittler zwischen zwei Kultursystemen aufzutreten. Mittlerweile spürt man ein wachsendes Interesse an der sprachlichen Ebene;37 man versucht, die Stellung des Übersetzers dem Original und dem Leser gegenüber neu zu definieren und ihn in seiner Werkstatt zu beobachten. So werden Translationsprozesse dokumentiert, translatorische Entscheidungen im Allgemeinen reflektiert und im Einzelnen besprochen. Die Themen, die in dieser Hinsicht angesprochen werden, sind manchmal einzeltextbezogen (wie z. B. die Formulierung einer Überschrift oder Begrüßungsformeln in den Briefen); andere sind hingegen allgemein verbreitet, und als Merkmal der persönlichen Schreibweise Kants stellen sie für jeden Übersetzer eine Herausforderung dar: die vertrackte Syntax, die Zeichensetzung und vor allem der Fachwortschatz. Die Fixierung auf die Terminologie ist verständlich, zumal der Wortschatz die grundlegende Eigenschaft von Fachtexten ist und das auffälligste Element, das die besondere Prägung und die Originalität eines philosophischen Systems bekundet. So sind Glossare, Wortlisten und Schlüsselwörter eine besonders häufige Beigabe der Übersetzungen, während kontextgebundene Nuancierungen in den Anmerkungen diskutiert werden. Neue Vorschläge für die Übersetzung dieses oder jenes Fachworts – die eines gewissen Mutes bedürfen – sorgen für Highlights und bringen zusätzliche semantische Nuancierungen ans Licht. 36

Lisa Foran: What is the Relation between Translation and Philosophy? In: Lisa Foran (Hg.): Translation and Philosophy. Bern etc. 2012. 11. 37 Es sind vor allem die neueren Arbeiten, die eine besondere Sensibilität für die Kommunikationsebene (also Sprache und Übersetzung) aufweisen. Manchmal verdankt sie sich dem Übersetzer, manchmal wird sie ›von außen‹ angeregt, wie im Fall Bompiani. Anna Maria Marietti schreibt: »Der wesentliche Schwerpunkt dieses Kommentars ist die Sprache oder das Deutsch, wie Kant es verwendet, d. h. die substantielle Form seines Denkens, die für dessen Verständnis unerlässlich ist.« (»La dimensione fondamentale assunta da questo commento è il linguaggio, ossia il tedesco quale è impiegato da Kant, e che è la forma sostanziale del suo pensiero, imprescindibile per la comprensione di esso.«) Kant: Fondazione della metafisica dei costumi. Übers. und hg. von Anna Maria Marietti. Mailand 1995. 47.

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Die intensive Auseinandersetzung mit dem Wortschatz zeigt zudem die Aufmerksamkeit der Herausgeber/Übersetzer für die historiographische Debatte, die in Italien die Rezeption einiger höchst relevanter Begriffe begleitet hat. Diese finden selten eine endgültige Entsprechung in den Zielsprachen, sodass es immer Raum für neue Äquivalente gibt, die zur Diskussion anregen. Darin liegt gerade der unschätzbare Wert von Neuübersetzungen. Denn »es ist unmöglich, sich gleichzeitig allen Dimensionen des Originaltextes anzunähern. […] Darum wird es notwendig sein, die Arbeit aufzuteilen und von einem und demselben Werk verschiedene Übersetzungen herzustellen, je nach den Gesichtspunkten, die wir mit aller Sorgfalt im Auge behalten wollen.«38 Dank den Neuübersetzungen wird unser Textverständnis vertieft und erweitert, und man kann sich mit Ortega y Gasset nur wünschen, dass die Übersetzung dauerhaft gepflegt und von nun an »als geistige Arbeit ersten Ranges«39 geschätzt wird.

38

José Ortega y Gasset: Glanz und Elend der Übersetzung. In: Merkur 28/4 (1950). 601622. Hier: 620. 39 Ebd. 622.

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Kant in Lateinamerika Übersetzungen der letzten fünfzig Jahre ins Spanische Marcos A. Thisted I.  Einleitung

2007 wurde Kants Werk Kritik der reinen Vernunft von Mario Caimi vollständig ins Spanische übersetzt.1 Caimi ist Lehrstuhlinhaber für Geschichte der modernen Philosophie an der Universidad de Buenos Aires und anerkannter Spezialist für die Theoretische Philosophie Kants. 2 Ursprünglich von dem argentinischen Verlag Colihue in seiner Reihe Klassiker des philosophischen Denkens und der Weltliteratur veröffentlicht, wurde Caimis Übersetzung wenig später (2009) in Mexiko – diesmal in der Reihe Biblioteca Immanuel Kant des Verlags Fondo de Cultura Económica, dem wichtigsten Verlag in Lateinamerika für Hochschulpublikationen – in Form einer sorgfältig gestalteten zweisprachigen Ausgabe erneut herausgegeben. 3 Wenn diese neue Fassung der KrV ein Ereignis im Bereich der spanischsprachigen philosophischen Forschung – und für die Kant-Forschung im 1 Kant: Crítica de la razón pura. Übers. und hg. von Mario Caimi. Indices von Esteban Amador/Mariela Paolucci/Marcos Thisted. Buenos Aires 2007. 2 Vgl. Vf.: Mario Caimi, traductor de Kant. In: Con-Textos Kantianos. International Journal of Philosophy 1 (November 2014). 127–140. In der vorliegenden Studie werden einige der dort behandelten Aspekte aufgegriffen, jedoch mit erheblichen Modifizierungen. 3 Der Verlag Colihue wurde vor mehr als drei Jahrzehnten in Buenos Aires gegründet. Durch die Reihe Colihue Clásica erfüllt er eine zentrale Aufgabe bei der Verbreitung der klassischen Texte der Philosophie und Literatur, die von herausragenden lateinamerikanischen Spezialisten übersetzt, eingeleitet und kommentiert werden. Es sei eigens darauf hingewiesen, dass es sich um eine Reihe handelt, die sich nicht exklusiv dem kantischen Denken widmet, sondern ebenso den klassischen Werken der Philosophie und Weltliteratur. Besonders in Argentinien – und in geringerem Maße in Lateinamerika i.A. – hat dieser Verlag den Platz eingenommen, den jahrzehntelang der Verlag Eudeba der Universidad de Buenos Aires innehatte. Der 1934 gegründete Fondo de Cultura Económica (FCE) ist eine Einrichtung des mexikanischen Staates. Der FCE startete 2005 die Reihe Biblioteca Immanuel Kant mit einem höchst ambitionierten Vorsatz: die kontinuierliche Veröffentlichung des kantischen Werkes auf Spanisch, in aktualisierten, zweisprachigen Fassungen und mit ausführlichen Paratexten, die die Nutzbarkeit der Texte für die wissenschaftliche Forschung unterstützen sollen; vgl. Gustavo Leyva: Biblioteca Immanuel Kant. La edición como cristalización del texto en el horizonte de la historia. In: Casa del tiempo 85 (2006). 33–35 (Text des am 23. No-

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Allgemeinen – 4 darstellte, so war dies nicht nur auf die Tatsache zurückzuführen, dass es sich hierbei um das zentrale Werk des kritischen Vermächtnisses handelte, das nun in neuer spanischer Übersetzung vorlag, sondern insbesondere darauf, dass in dieser Ausgabe eine neue Übersetzungsauffassung hinsichtlich des kantischen Werkkorpus zum Ausdruck kam. Wie wir später noch bei einer gründlichen Analyse feststellen werden, vollzog sich die Erneuerung des Verständnisses von Bedeutung und Funktion von Übersetzung als solcher in Caimis Übersetzung der KrV nicht schlagartig: Sie ist im Laufe eines langen Prozesses eingetreten, dessen unmittelbare Vorläufer in den bemerkenswerten Übersetzungen von Manuel García Morente zu finden sind. Die Anfänge dieser Erneuerung gehen wohl bis in die frühen 1970er Jahre zurück; ihre Vollendung und Konsolidierung erstrecken sich bis in die beiden letzten Dekaden des 20. Jahrhunderts. Die Ziele und Methoden dieser Phase weisen deutlich auf Mario Caimis Übersetzung der KrV voraus. In den darauffolgenden Jahren – von 2007 bis heute – beobachtet man eine Konsolidierung des neuen Übersetzungsparadigmas, in dem Erneuerung und Erweiterung des kantischen philosophischen Gesamtwerks in spanischer Sprache sichtbar werden. 5 Dieser Prozess, der im Großen und Ganzen Spanien und Lateinamerika gemeinsam ist, entwickelt sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten6 und spevember 2005 bei der Vorstellung der Reihe Biblioteca Immanuel Kant in der Buchhandlung Octavio Paz des FCE gehaltenen Vortrags). 4 Einer der von der Kant-Gesellschaft angeführten Gründe für die Verleihung des KantPreises 2010 an Mario Caimi war gerade die spanische Übersetzung der KrV. Vgl. Crítica y metafísica. Homenaje a Mario Caimi. Hg. von Claudia Jáuregui/Fernando Moledo/Hernán Pringe/Marcos Thisted. Hildesheim/Zürich/New York 2015. 9 f. 5 Die Änderung der Art der Übersetzung der kantischen Werke – und im Allgemeinen der Klassiker der Philosophie –, die sich seit den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts feststellen lässt, fällt mit der strukturellen Umgestaltung, der heute die universitäre Forschungsarbeit in Lateinamerika ausgesetzt ist, zusammen. Die alte Universität aus der Kolonialzeit mit ihrem elitären Anspruch wandelt sich nach und nach in eine Massenuniversität – die Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM) und die Universidad de Buenos Aires (UBA) sind hierfür die deutlichsten lateinamerikanischen Beispiele. Vgl. Björn Wittrock: Las tres transformaciones de la universidad moderna. In: Sheldon Rothblack/Björn Wittrock (Hg.): La universidad europea y americana desde 1800. Barcelona 1996. Unter diesen Rahmenbedingungen werden die neuen Übersetzer des kantischen Werkes ihre Ausbildung erfahren – es taucht der Typ des Forschungsprofessors auf, der sich auf die Philosophie eines Autors (und oft auf ein einzelnes Gebiet eines bestimmten Autors) spezialisiert, während gleichzeitig ein neues Publikum erscheint, an das sich diese Übersetzungen richten –Studierende und Forscher, die sich mit der betreffenden Periode oder dem betreffenden Autor befassen. In gleicher Weise entstehen neue Verbreitungswege für die Übersetzungen: Universitätsverlage (Eudeba), staatliche Verlage (FCE), private Verlage (Colihue, Monte Ávila), einige Fachzeitschriften (Diálogos, Cuadernos de filosofía etc.) und die rezenten publizistischen Aktivitäten seitens der Kant-Forschung (Con-Textos Kantianos, Revista de Estudios Kantianos). 6 Die unterschiedliche Entwicklung der Übersetzungsprojekte des kantischen Werkes

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zifischen Eigenschaften auf beiden Seiten des Atlantiks. Hier werden wir uns zunächst insbesondere mit der Arbeit lateinamerikanischer Spezialisten beschäftigen.7 Im Folgenden nehmen wir uns – nach einer kurzen historisch orientierten Hinführung zum Thema – vor, die allgemeinen Züge dieser neuen Übersetzungsauffassung hinsichtlich des kantischen Werkes zu beschreiben, einige der repräsentativsten Beispiele aus Lateinamerika zu analysieren und abschließend eine Überlegung zur Spezifik der lateinamerikanischen Übersetzungen des kantischen Werkes zu versuchen. II.  Historische Vorläufer der Übersetzung von Kants Werken ins Spanische

Während der ersten Dekaden des 19. Jahrhunderts verlief die Rezeption der kantischen Philosophie in den spanischsprachigen Ländern langsam, vor allem im Vergleich zu Frankreich, Italien und England. 8 Trotz des Engagements einzelhängt mit der wechselnden Ausrichtung der Forschungsprogramme zusammen, die für die lateinamerikanischen Länder und auch Spanien typisch sind. Das Entstehen einer Gesellschaft für Kant-Studien in der spanischsprachigen Welt (der Sociedad de Estudios Kantianos en Lengua Española, SEKLE) und zweier Zeitschriften, die sich den kantischen Schriften widmen, deuten auf eine einheitliche Entwicklung dieser Aufgabe hin (Con-Textos Kantianos, seit 2014; Revista de Estudios Kantianos, seit 2016). 7 Eine skizzenhafte Ergänzung zur spanischen Übersetzungslage in Spanien in den vergangenen 40 Jahren begleitet im vorliegenden Band diese Bestandsaufnahme zu Latein­ amerika. 8 Zur Rezeption von Kant in der hispanophonen Welt vgl. Wincenty Lutoslawski: Kant in Spanien. In: Kant-Studien 1 (1897). 217–223; Martin Honecker: Immanuel Kants Philosophie in den romanischen Ländern. In: Philosophisches Jahrbuch 37/2 (1924). 108–143; José Luis Molinuevo: La recepción de Kant en España. In: Cirilo Flórez/Mariano Alvarez (Hg.): Estudios sobre Kant y Hegel. Salamanca 1982. 99–114; Jorge Eugenio Dotti/Harald Holz/ Hans Radermacher (Hg.): Kant in der Hispanidad. Bern/Frankfurt a.M./New York/Paris 1988; Mario Caimi: La tradición kantiana. In: José Luís Villacañas Berlanga (Hg.): La filosofía del siglo XIX. Enciclopedia Ibero Americana de Filosofía 23. Madrid 2001. 359–380; Juan Miguel Palacios: La filosofía de Kant en la España del siglo XIX. In: Javier Muguerza/ Roberto Rodríguez Aramayo (Hg.): Kant después de Kant. En el bicentenario de la Crítica de la razón práctica. Madrid 1989; José Luis Villacañas Berlanga: Kant en España. El neokantismo en el siglo XIX. Madrid 2006. Vgl. auch Jorge Eugenio Dotti: La letra gótica. Recepción de Kant en Argentina, desde el romanticismo hasta el treinta. Buenos Aires 1992. Bibliographische Zusammenstellungen spanischer Kant-Übersetzungen: vgl. Juan Miguel Palacios: Kant en español. In: Logos. Anales del Seminario de Metafísica 9 (1974). 195–202; Dulce María Granja Castro: Kant en español. Elenco bibliográfico. Mexiko 1997. Zur Rezeption von Kant in Lateinamerika: Raúl Fornet: Anmerkungen zur Rezeptionsgeschichte Kants in Südamerika. In: Kant-Studien 75 (1984). 317–327. Hingewiesen sei auf die Bibliographie der Übersetzungen von Steve Naragon [http://users.manchester.edu/FacStaff/SSNaragon/ Kant/Helps/KantsWritingsTranslations.htm].

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ner Personen9 findet man bis Mitte des 19. Jahrhunderts keine Übersetzung der wichtigsten Titel der Transzendentalphilosophie ins Spanische. Als die ersten Ausgaben schließlich um 1870 erschienen, handelte es sich hauptsächlich um indirekte Übersetzungen10 auf der Basis französischer Übersetzungen, die großes Ansehen genossen. Gestützt durch den Neukantianismus kam es einige Jahrzehnte später – zuerst in Spanien und anschließend in Lateinamerika – zu den ersten direkten Übersetzungen von Kant ins Spanische.11 Diese Neukonzeption der Kriterien und Ziele für die Übersetzung der kantischen Werke – die direkte Übersetzung aus dem deutschen Originaltext, die auch hinsichtlich des Fachvokabulars zuverlässig war – fand in Manuel García Morente (1886–1942), geprägt durch den Neukantianismus (Marburg) und Schüler von Ortega y Gasset, einen ihrer herausragenden Vertreter, der noch heute ein Vorbild für die Übersetzer der kritischen Philosophie darstellt. In der Tat sind seine Übersetzungen der KpV (Crítica de la razón práctica, 1913, zusammen mit Emilio Miñana y Villagrasa), der KU (zuerst 1914 unter dem Titel Crítica del juicio teleológico erschienen), der GMS (Fundamentación de la metafísica de las costumbres, 1921) und vor allem die – obwohl unvollendet gebliebene – Übersetzung der KrV (Crítica de la razón pura, 1928) der Ausgangspunkt für die Bildung eines Bestands der kritischen Philosophie auf Spanisch im frühen 20. Jahrhundert.12 Die Anzahl der kantischen Titel, die Zur Übersetzungslage in Brasilien vgl. den Beitrag von Christian Hamm im vorliegenden Band.  9 In der Rezeption des Kantianismus in Spanien treten die Namen Ramón de la Sagra und Toribio Núñez Sesse hervor. 10 In dieser ersten Rezeptionsphase hebt man gewöhnlich Julián Sanz del Río, José Rey y Heredia und Matías Nieto Serrano besonders hervor. Die erste Kant-Übersetzung ins Spanische (eine indirekte, auf der Grundlage französischer Übersetzungen) stammt von José Rey y Heredia, der seiner Teoría trascendental de las cantidades imaginarias (Madrid 1865) eine Reihe von Teilstücken der Transzendentale[n] Logik hinzufügte. – Zur Frage der indirekten Übersetzungen vgl. den Beitrag von Iris Plack im vorliegenden Band. 11 Die erste direkte Übersetzung der KrV ins Spanische stammt von José García del Perojo (Madrid 1883); sie reicht allerdings nur bis KrV B 294. Eine Bibliographie der besagten Übersetzungen findet der Leser in Dulce María Granja Castro: Kant en español [Anm. 8] 23–42. 12 Aus genau diesem Grund bleibt noch heute García Morente – der wichtigste Exponent dessen, was man als zweite Übersetzungsphase des kantischen Werkes bezeichnen kann – eine der Referenzfiguren für die meisten Kant-Übersetzer, trotz Unterschieden in der Übersetzungsmethode. Vgl. dazu auch unseren Beitrag zur Übersetzungslage in Spanien im vorliegenden Band. In der kritischen Ausgabe der GMS (Fundamentación de la metafísica de las costumbres. Übers. von M. García Morente. Hg. von Silvia Schwarzböck. Buenos Aires 2012) schreibt Silvia Schwarzböck: »Für die Neuübersetzung des Originaltextes wurde als Grundlage die spanische Fassung von Manuel García Morente […] gewählt, die zum ersten Mal 1946 veröffentlicht wurde. Im Prolog wies García Morente auf etwas hin, das seine Arbeit in einen Referenzpunkt für jeglichen zukünftigen Übersetzer verwandelt: nämlich dass er sich für eine enorme Werktreue entschieden hat, nicht nur hinsichtlich des Inhalts, sondern

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direkt aus dem Deutschen ins Spanische übersetzt wurden, wuchs im Verlauf des 20. Jahrhunderts allmählich bis zum Aufbau eines begrenzten – aber brauchbaren – verlegerischen Bestandes an. Dieses Korpus von kantischen Werken, zuverlässig aus dem Deutschen ins Spanische übersetzt, erlebte ab 1970 einen Erneuerungs- und Erweiterungsprozess. Im Laufe dieser Umwandlung des Korpus des Kritizismus gewann ein neuer Übersetzungsansatz Profil, man orientierte sich zunehmend an einer neuen Zielsetzung. Gleichzeitig wurden, um diese Ziele zu erreichen, die methodologischen Verfahren verfeinert. Wenn wir uns an die Werke halten, die im Laufe des vergangenen Jahrhunderts veröffentlicht wurden, so können wir feststellen, dass dies die Bühne für eine bedeutende Wandlung in der Konzeption der Zielsetzung bei der Übersetzung der kantischen Werke war: In den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts (und auch in den letzten des vorausgegangenen) verfolgten die spanischen Übersetzungen der kritischen Philosophie hauptsächlich den Zweck, Kants wichtigste Werke ins Spanische zu verpflanzen.13 Die Treue zum Originalwerk war aus dieser Perspektive sekundär. Gegen Mitte des 20. Jahrhunderts verlagerte sich die Zielsetzung hin zur Anerkennung des kantischen Werkes als eines gleichsam sakrosankten Textes, der aus der Ausgangssprache mit einem zu diesem Zweck sorgfältig ausgearbeiteten Wortschatz übertragen werden sollte. Ab den letzten drei Dekaden des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts verlagert sich die Zielsetzung in Richtung des Ideals von Werktreue, wobei der Ausgangstext – einschließlich seiner Defekte – als ein unersetzliches historisch-philosophisches Dokument verstanden wird.14 Während der letzten fünfzig Jahre hat diese neue Übersetzungsweise beachtliche Ergebnisse für das Vermächtnis des ›Weisen von Königsberg‹ hervorgebracht. auch hinsichtlich der deutschen Satzgestaltung.« (ebd. 19) García Morente kann weiterhin als idealer Übersetzer gelten, selbst wenn seine Übersetzungen kritisch revidiert werden; vgl. dazu meinen Beitrag zu spanischen Kant-Übersetzungen in Spanien im vorliegenden Band. 13 Es erschienen im frühen 20. Jahrhundert folgende Übersetzungen: Kant: Crítica de la razón practica. Übers. von Emilio Miñana y Villagrasa/Manuel García Morente. Madrid 1913. – Crítica del Juicio. Übers. und eingeleitet von Manuel García Morente. Madrid 1914. – Fundamento de una filosofia de las costumbres. Filosofia moral. Übers. von Manuel García Morente. Madrid 1921. – Crítica de la razón pura. Übers. von Manuel García Morente. 2 Bde. Madrid 1928; diese Übersetzung blieb unvollendet (sie reicht bis zur vierten Antinomie, B 488/A 460). 14 Was die Periodisierung der sukzessiven Veränderungen der Übersetzungsziele angeht, so war mir der Vortrag, den Mario Caimi bei der Präsentation seiner Übersetzung der KrV hielt, besonders hilfreich; ihm verdanke ich die Unterscheidung zwischen dem Text als einem ›seltsamen Objekt‹ (›objeto curioso‹) (erste Phase, repräsentiert durch García del Perojo), einem ›sakrosankten Objekt‹ (›objeto sagrado‹) (zweite Phase, repräsentiert durch García Morente) und dem Text als einem ›wertvollen Objekt‹ (›objeto precioso‹) der Übersetzung; hier schlage ich eine Modifikation vor: der Text als ein historisch-philosophisches Dokument. Vgl. Caimi: Presentación de la Crítica de la razón pura. Vortragstext vom 28. April 2007 [unveröffentlicht].

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Die kantischen Hauptwerke, seine divulgativen Texte, seine weniger bekannten Schriften – die vorkritischen – wie auch die marginalen Texte – die Reflexionen und die Vorlesungen – wurden in dieser Zeit neu übersetzt oder erstmals ins Spanische übertragen. III.  Allgemeine Merkmale der neuen lateinamerikanischen Übersetzungen des kantischen Werkes

Wenn man, wie oben angedeutet, behaupten kann, dass sich ab den 1970er Jahren eine neue Art, Kants Werke zu übersetzen, abzeichnete, so zeigt sich dies faktisch bis heute in den neuen Übertragungen der kantischen Werke, die erkennen lassen, dass die Übersetzer eine andere Zielsetzung als ihre Vorgänger verfolgen. Bei der Festlegung dieses Ziels gibt es einen verbreiteten Konsens: Anders als früher versucht der Übersetzer heutzutage, den Ausgangstext werkgetreu wiederzugeben. In der Tat ist die Haltung des zeitgenössischen Übersetzers die des Philosophiehistorikers, der sich gegenüber einem wertvollen Dokument befindet, einem Werk, das bis ins kleinste Detail bewahrt werden muss.15 Die Priorität der übersetzerischen Entscheidungen kann nicht darin bestehen, das Werk gewissermaßen heiligzusprechen, sondern darin, es wissenschaftlich zu erforschen und philologisch zu erschließen und dementsprechend das, was auf den ersten Blick sogar als Fehler des Autors erscheinen mag,16 möglichst werkgetreu zu übertragen.17 15 Gonzalo Serrano Escallón, Übersetzer diverser Teile der theoretischen Philosophie Kants (vgl. Kant: La Deducción trascendental y sus inéditos. 1772–1788. Hg. und übers. von Gonzalo Serrano Escallón. Bogotá 2014), bietet eine interessante Analogie, die es ermöglicht, die neue Übersetzerrolle besser zu verstehen: »Wenn man mir die Metapher erlaubt, bewegt mich der gleiche Geist wie der jener Interpreten der alten Musik, die sich vornehmen, das Werk nicht nur dadurch zu respektieren, dass sie die Instrumente aus der Epoche spielen, sondern überdies mittels der ursprünglichen Partituren und Notation.« Gonzalo Serrano Escallón: ¿Por qué no es inútil una nueva traducción de la Deducción Transcendental? In: Ideas y valores 1 (Dezember 2003). 73–102. Hier: 75 f. 16 Auch für Pablo Oyarzún gilt die Priorität der Werktreue: Die Übersetzung »darf nicht die Fehler, Unebenheiten und Defekte des Textes beheben, denn alle diese sind wichtige – und vielleicht entscheidende – Momente seiner Entfaltung (oder können solche sein).« Pablo Oyarzún: Introducción del traductor. In: Kant: Crítica de la facultad de juzgar. Übers. und hg. von Pablo Oyarzún. Caracas 1992. 15. In einem ähnlichen Sinne hebt Caimi hervor, dass sich »in einem klassischen Werk Fehler oder Defekte oftmals gerade als die Merkmale erweisen, in denen sich das Genie verbirgt. Es war zu erwarten, dass es viele Merkmale von Ingeniosität geben würde, die mir als unverständlich oder sogar als Irrtümer des Autors vorkämen; und dass ich nicht dem Irrtum erliegen durfte, meine eigene Sicht über das Urteil des Autors zu stellen.« Caimi: Presentación de la Crítica de la razón pura [Anm. 14]. 17 Es geht darum, »dem wörtlichen Textsinn treu zu bleiben«, führt Dulce María Granja

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Wie dargelegt, ist es die Absicht des Übersetzers, dem Leser eine werkgetreue Übertragung des Ausgangstextes als eines historisch-philosophischen Dokuments zur Verfügung zu stellen. Dieses neue Desideratum verlangt seinerseits eine neue Methodologie, deren allgemeine Merkmale durch den renommierten Forscher Gustavo Leyva, einen der für den Fondo de Cultura Económica verantwortlich zeichnenden Herausgeber, zusammengefasst werden: So nimmt sich diese Werkausgabe, die wir hiermit vorlegen, und allgemein das Projekt, das die Biblioteca Immanuel Kant beseelt, vor, möglichst präzise den Entwicklungsgang des Textes von seinem Ursprungsgedanken bis zu seiner Schlussgestalt zu präsentieren und dabei die verschiedenen Schichten seiner Entstehung aufzuzeigen und das Verständnis des Ausgangstextes für den Leser, der sich in einem anderen Zeithorizont als dem der Entstehung des Originaltextes befindet, durch Kommentare, lexikalische Erklärungen, Zitatnachweise, Namensverweise etc. zu erleichtern. Aus diesem Grund wird der Leser vielleicht merken, dass – genau wie die Auslegung, der Kommentar oder die Kritik – diese Ausgabe letzten Endes eine der verschiedenen Formen der Gestaltwerdung und Aktualisierung eines Textes ist.18

Eine oberflächliche Betrachtung der Übersetzungen des kantischen Korpus, die diesem neuen Übersetzungsansatz folgen, erlaubt es festzustellen, welche die Regeln der neuen Kunst des Übersetzens sind. Wie wir schon vorausgeschickt haben, beschränkt sich diese nicht auf das sukzessive Übersetzen der Originaltexte, sondern umfasst auch eine ganze Reihe von Techniken, die die Edition des Werkes begleiten und mittels derer der Originaltext wiederhergestellt werden soll.

Castro aus, indem »größere Rekonstruktionen« vermieden werden, um, kurz gesagt, »Kant durch Kant zu präsentieren«. In der Tat: In ihrem einleitenden Kommentar zu ihrer Übersetzung der KpV bringt Granja Castro ein ähnliches Verständnis des Übersetzungsziels zum Ausdruck: »Aus meiner Sicht ist das Herausgeben eines Werks von Kant etwas Anderes als eine Doktorarbeit über besagten Philosophen, in der man eine bestimmte Interpretation auf die zentralen Passagen des Werks anwendet. Deshalb habe ich versucht, treu den wörtlichen Sinn des Textes zu respektieren und umfassende Textrekonstruktionen zu vermeiden sowie keine paraphrasierenden Synthetisierungen des Werkes zu wagen. […] Mein Interesse bestand eher darin, Kant durch Kant zu präsentieren und dem Leser dabei zu helfen, jede einzelne Zeile des Autors zu verstehen […].« Kant: Crítica de la razón práctica. Zweisprachige Ausgabe. Übers. und hg. von Dulce María Granja Castro. Mexiko 2005. XIL–L [Kursivierung M. T.] 18 »[…] la edición es en último análisis una de las diversas formas de cristalización y actualización de un texto.« Gustavo Leyva: La Crítica de la razón pura. Génesis y edición de un clásico. In: La Gaceta del Fondo de Cultura Económica 471 (März 2010). 11–13. Hier: 13 [Kursivierung M. T.].

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In der Tat widmet sich der größte Teil der neuen Ausgaben des kantischen Werkes in erheblichem Maße der philologischen Rekonstruktion des Originaltextes, welcher oft mit seinen unterschiedlichen Fassungen verglichen wird; die Originalpaginierung und/oder die Paginierung der AA werden übernommen. Immer öfter wurden und werden die Werke zweisprachig herausgegeben. Was den kantischen Text auf Spanisch anbelangt, so bekennen sich mehrere Übersetzer zu dem Anspruch, einen kantischen Satz wortgetreu im Spanischen wiederzugeben, und behalten sich gleichzeitig vor, in den Fußnoten eine Vielzahl an Übersetzungsvarianten anzubieten. Wir haben bereits auf die Notwendigkeit hingewiesen, mögliche Fehler im kantischen Text nicht zu beseitigen. Andererseits wird die Übersetzung ins Spanische mit früheren Übersetzungen in diese Sprache und auch in andere Sprachen abgeglichen. Die Einfügung von Glossaren mit Fachbegriffen begünstigt diese Verschiedenheit der Lesarten ein und desselben Textes. Die einschlägige Forschung zu Autor und Werk und zur Wirkungsgeschichte findet gleichfalls Berücksichtigung. Die Paratexte, die Einleitungen, manchmal auch ausführliche Fußnoten oder eingeschobene erklärende Zusätze und gelegentlich Epiloge machen den Leser mit den Kontexten, in die das Werk eingebettet ist und die ihm Sinn verleihen, vertraut. Schließlich ist die Funktion der Namens- und Begriffsindices hervorzuheben, die mit großer Sorgfalt und Professionalität erstellt werden. IV.  Kurzer Überblick über die wichtigsten Übersetzungen des kantischen Werkes (Lateinamerika: 1970–2018)

Bisher haben wir gezeigt, worin das neue Ziel bei den Übersetzungen des kantischen Werkes besteht und welche die üblichsten Verfahren sind. Zur Vervollständigung des aktuellen Überblicks über die Übersetzungen in Lateinamerika werden wir eine kurze Synopse der wichtigsten im Laufe der letzten fünfzig Jahre registrierten Publikationen, die für die Erneuerung der Kant-Übersetzung repräsentativ sind, vorstellen. Bei ihrer Erstellung werden wir uns durch ein systematisches Kriterium leiten lassen und dabei die chronologische Reihenfolge der Veröffentlichungen außer Acht lassen. Wir beginnen also mit einem kurzen Überblick über die Übersetzungen der drei Kritiken [A.], fahren fort mit einer Analyse der Werke der sogenannten kritischen Periode [B.], beschäftigen uns drittens mit den Vorkritischen Schriften [C.] und beziehen uns zum Schluss auf die wenigen von lateinamerikanischen Gelehrten übersetzten Texte des Nachlasses [D.].

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A.  Die Übersetzung der drei Kritiken in Lateinamerika

Die Neuübersetzung der KrV durch Mario Caimi, auf die wir eingangs bereits hingewiesen haben,19 bietet den vollständigen Text beider Auflagen A und B (1781 und 1787), versehen mit Verweisen auf die Originalpaginierung und einer Einleitung des Übersetzers sowie einem ausführlichen Namen- und Begriffsregister. 20 Die Übersetzung des Textes wird von einem reichhaltigen kritischen Apparat begleitet, dessen Hauptzweck darin besteht, den Leser über die verschiedenen Übersetzungsvarianten, die Kants Text zulässt, zu informieren und die Eingriffe des Übersetzers kenntlich zu machen. 21 Eine zweite Auflage dieser Übersetzung hat einige leichte Korrekturen aufgenommen. Die dritte Auflage, diesmal in Mexiko durch den Fondo de Cultura Económica besorgt, übernahm auch den deutschen Ausgangstext und bietet ein umfangreiches vergleichendes Glossar der Terminologie. 22 Ein Neudruck dieser Ausgabe (2018) präsentierte einige Begriffsänderungen, die Neuübersetzung einer Textstelle23 und die Beseitigung einiger geringfügiger Fehler sowohl des deutschen wie auch des spanischen Textes. Für seine Übersetzung stützte sich Caimi auf die Ausgabe von Raymund Schmidt. 24 Was die markantesten terminologischen Entscheidungen betrifft, so sticht die Wahl des spanischen Wortes ›mente‹ als Übersetzung für Gemüt hervor, 25 ebenso die Unterscheidung zwischen ›realidad efectiva‹ (als Übersetzung für 19

Caimi: Kant: Crítica de la razón pura [Anm. 1]. Die wichtigsten vorausgegangenen spanischsprachigen Ausgaben der KrV sind die von José García del Perojo (Madrid 1883), Manuel García Morente und Manuel Fernández Núñez (2 Bde. Madrid 1928), [García Morente bis A 460/B 488, von da an Fernández Núñez; später neu hg. bei Espasa-Calpe, Madrid, und bei Porrúa, Mexiko], Manuel Fernández Núñez (2 Bde. Madrid 1934) und Pedro Ribas (Madrid 1978). Eine vollständige Liste findet sich in den bereits zitierten Bestandsaufnahmen von J. Palacios und D. M. Granja Castro [Anm. 8]. 21 Der Übersetzer selbst bezieht sich auf diese spezifische Eigenschaft des kritischen Apparats in der Crítica de la razón pura; vgl. Caimi: Algunos problemas de traducción de la Crítica de la razón pura al español. In: Anuario de Filosofía Jurídica y Social 31 (2013). 97–108. 22 Kant: Crítica de la razón pura. Eingeleitet, übers. und hg. von Mario Caimi. Indices von Esteban Amador/Mariela Paolucci/Marcos Thisted. Vergleichender Begriffsindex von Dulce María Granja Castro/María de Jesús Gallardo/Ernesto Aguilar/Óscar Palancares. Mexiko, Fondo de Cultura Económica. Universidad Autónoma Metropolitana y Universidad Nacional Autónoma de México, 2009. 23 KrV B 430. 24 Kant: Kritik der reinen Vernunft. Nach der ersten und zweiten Original-Ausgabe neu hg. von Raymund Schmidt. Hamburg 1976. 25 Zu den Übersetzungsproblemen dieses Terminus im Allgemeinen vgl. Valerio Rohden: O sentido do termo ›Gemüt‹ em Kant. In: Analytica I/1 (1993). 61–75. Die Gründe für seine übersetzerischen Optionen legte Caimi dar in: Algunos problemas de traducción de la Crítica de la razón pura al español [Anm. 21]. 20

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Wirklichkeit) und ›realidad‹ (für Realität) wie auch der Ausdruck ›facultad de juzgar‹ als Übersetzung von Urteilskraft und ›apariencia ilusoria‹ von Schein. 26 Ungeachtet dessen bestand Caimi zufolge die größte Schwierigkeit bei der Übersetzung des Textes der KrV nicht darin, die richtige Wortwahl für bestimmte Fachausdrücke zu treffen, sondern in der korrekten Übertragung der syntaktischen Konstruktion mancher Sätze des kantischen Textes. Mit der Absicht, die schwierigsten Fälle zu lösen, ging der Übersetzer von der Arbeitshypothese einer Ähnlichkeit zwischen den deutschen Satzkonstruktionen der KrV und der lateinischen Grammatik aus. 27 Caimis Übersetzung der KrV stützt sich auf seine umfangreiche Forschungsarbeit zu verschiedenen Kapiteln und Begriffen des Hauptwerks des Kritizismus, wie die Transzendentale Ästhetik, die Transzendentale Analytik (Transzendentale Deduktion der reinen Verstandesbegriffe und Transzendentaler Schematismus), die Transzendentale Dialektik und die Transzen­ dentale Methodenlehre. 28 Die erste spanische Übersetzung der KpV stammt aus dem Jahre 1876 (1913, NA 1963, 1975, 1994), als Alejo García Moreno in Madrid seine Übersetzung veröffentlichte, die auf der französischen Fassung von Jules Barni (Paris 1848) basierte. Eine zweite Ausgabe – ebenfalls auf der Grundlage von Barnis Fassung – erschien wenige Jahre später, besorgt von Antonio Zozaya (Madrid 1886). Was die Nützlichkeit und Präzision des Fachvokabulars anbelangt, so gelang es den späteren Ausgaben 29 nicht, diejenige von Manuel García Morente zu übertreffen, welche nach wie vor als kanonisch gilt. 2000 besorgte Roberto Rodríguez Aramayo eine in Madrid erschienene Neuübersetzung des kantischen Textes. 30 26 Eine umfassendere Liste dieses Typs von Schwierigkeiten, auf die der Übersetzer aufmerksam macht, findet sich in der bereits zitierten Studie von Caimi: Algunos problemas de traducción [Anm. 21]. Vgl. die instruktive Rezension von Caimis Übersetzung der KrV durch María Jesús Vázquez Lobeiras. In: Kant-Studien 101/4 (2010). 405–408. 27 Vgl. Caimis Beitrag über lateinische Strukturen in Kants Stil im vorliegenden Band. 28 Vgl. Bibliografía de Mario Caimi. In: Crítica y metafísica. Homenaje a Mario Caimi [Anm. 4]. 451–460. 29 Wir beziehen uns auf die Fassung von V. E. Lollini (Buenos Aires 1939) und auf die noch bekanntere des Spaniers José Rovira Armengol (Buenos Aires 1961 und Nachdrucke). 30 Die Übersetzung von Rodríguez Aramayo – so führt Ileana Beade in ihrer Rezension zur Neuausgabe von 2013 aus – »versucht, den kantischen Text ins Spanische zu übertragen, indem die Besonderheiten der spanischen Sprache berücksichtigt werden, um so die Lektüre und das Verständnis einer komplexen philosophischen Prosa (wie der von Kant) zu erleichtern. Im Unterschied zu Morente neigt Rodríguez Aramayo dazu, die übergroße Treue zum deutschen Original aufzugeben; die Freiheiten, die er sich in seiner Übersetzung hinsichtlich Syntax und Interpunktion nimmt, tragen maßgeblich zu einer flüssigeren und leserfreundlicheren Lektüre bei – ohne dabei gegen den ursprünglichen Sinn zu verstoßen –, indem sie, kurz gesagt, ein besseres Textverständnis ermöglichen (diejenigen, die Gelegenheit haben, verschiedene spanische Übersetzungen der zweiten Kritik zu vergleichen, werden wahrscheinlich die beträchtlichen Vorteile dieser Übersetzung hinsichtlich der Lesbarkeit

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2005 veröffentlichte der Fondo de Cultura Económica in Mexiko die erste zweisprachige Fassung der KpV 31 von Dulce María Granja Castro, einer angesehenen Spezialistin für die praktische Philosophie Kants, 32 die sich vor allem der Texttreue verpflichtet fühlte. 33 Die Übersetzerin hielt sich an die erste Auflage des Ausgangstextes, die von Hartknoch (1788) verlegt worden war und die mit der kritischen Edition von Paul Natorp im Rahmen der AA verglichen wurde. 34 Was die spanische Fassung betrifft, so hat die Übersetzerin versucht, den kantischen Text wortwörtlich zu übertragen, ohne dabei schwer verständliche Passagen zu erläutern oder den Text in möglicherweise inadäquater Weise zusammenzufassen. Die Undurchsichtigkeit des kantischen Stils schreibt Granja Castro explizit den »hohen Ansprüchen des Ausgedrückten« (IX) und nicht einer möglichen Unbeholfenheit des Autors zu. (ebd.) Aus diesem Grund, und da ›der Stil nicht jenseits des Inhaltes betrachtet werden kann‹, ohne den eigentlichen Sinn des Werkes zu verfälschen, entschied Dulce María Granja Castro, weder in die langen Satzperioden, die für Kants Werk charakteristisch sind, noch bei Wiederholungen einzugreifen. Was die möglichen Übersetzungsvarianten angeht, so erscheinen diese hauptsächlich im sprachvergleichenden terminologischen Glossar, das die unterschiedlichen Übersetzungsoptionen in anderen Sprachen (Englisch, Italienisch, Portugiesisch, Französisch) und terminologische Varianten im Spanischen (García Morente, Aramayo und Granja Castro selbst) aufführt. und Transparenz des Textes bemerken).« Ileana Beade: [Rez.] In: Con-Textos Kantianos 1 (November 2014) 150–152. Hier: 151. Zu den Übersetzungen von R. Rodríguez Aramayo vgl. meine Skizze zu den spanischen Kant-Übersetzungen in Spanien im vorliegenden Band. 31 Granja Castro: Kant: Crítica de la razón práctica [Anm. 16] 504–506 [ND dieser Übers. 2011]. Zunächst erschien sie als zweisprachige Ausgabe, versehen mit einer Einleitung der Übersetzerin (Kant: Crítica de la razón práctica. Zweisprachige Ausgabe. Übers. und hg. von Dulce María Granja Castro. Mexiko 2001). Diese Übersetzung wurde von Jacinto Rivera de Rosales rezensiert, der eine Reihe von Fehlern sowohl in der Übersetzung als auch bei der Festlegung des deutschen Ausgangstextes aufführt (vgl. Jacinto Rivera de Rosales: [Rez.] In: Kant-Studien 96. Jg. [2005] 265–267) und überdies verschiedene Einwände in Bezug auf die Übersetzung bestimmter Termini (Gemüt, Faktum, Gewissen/Bewusstsein etc.) geltend macht. 32 Dulce María Granja Castro hat den Lehrstuhl für die Philosophie Kants an der Facultad de Filosofía y Letras der Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM) seit 1984 inne. Sie ist Direktorin des Centro de Documentación Kantiana de la Universidad Autónoma de México (UAM), Autorin zahlreicher Artikel und Bücher über die praktische Philosophie Kants und Direktorin der Biblioteca Immanuel Kant des Fondo de Cultura Económica. 33 »Meine Absicht hat darin bestanden, nachdrücklicher zu versuchen, Kant durch Kant zu präsentieren und dem Leser dabei zu helfen, Zeile für Zeile des Autors zu verstehen, denn ich bin der Auffassung, dass die Gesamtsicht, zu der man sich aufzuschwingen geneigt ist, leicht zu Fehlern führen kann.« Granja Castro: Kant: Crítica de la razón practica [Anm. 17] L. 34 Varianten werden in den Fußnoten aufgeführt; die Paginierungen beider Fassungen werden angegeben. Die Interpunktion des Originals wurde so textgetreu wie möglich beibehalten; Unterstreichungen Kants wurden durch Fettdruck ersetzt.

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Wie die KpV, so übersetzte auch die KU als Erster Alejo García Moreno, der von Barnis französischer Fassung ausging. 35 Dreißig Jahre später lieferte Manuel García Morente eine heute noch brauchbare direkte Übersetzung aus dem Deutschen. 36 Mitte des 20. Jahrhunderts erschien die Übersetzung von Rovira Armengol , 37 1991 die erste vollständige Übersetzung38 der KU von Pablo Oyarzún. 39 Bei der Übersetzung berücksichtigte Oyarzún die verschiedenen auf Spanisch vorliegenden Übersetzungen, außerdem die französische (Jean Gibelin 1946; Alexis Philonenko 1968) und englische (James Creed Meredith). In der Oyarzún-Übersetzung fällt die große Zahl an Fußnoten auf, die der Autor zu unterschiedlichen Zwecken verwendet – es werden dort mögliche Übersetzungsoder Interpretationsvarianten angegeben, es wird versucht zu klären, welche Optionen der Übersetzer für übersetzerisch problematische Fachbegriffe wählte, manchmal werden Begriffe auf Deutsch als originalsprachliche Referenzen geliefert, oder es werden dem Leser Informationen über die kontextuellen Bezüge des Textes gegeben. Die wichtigste Wahl des Übersetzers erscheint gleich im Titel des Werks, wenn er Urteilskraft als ›facultad de juzgar‹ übersetzt, in Abgrenzung von Manuel García Morente, der diesen Begriff mit ›Juicio‹ übersetzte, und zu Rodríguez Aramayo, der die Variante ›discernimiento‹ einführte. 40 Die Absicht des Übersetzers ist es, die Mehrdeutigkeit des Wortes Juicio/juicio zu vermeiden, »indem terminologisch zwischen den Begriffen ›facultad de juzgar‹, ›enjuiciamiento‹ (Beurteilung)

35 Kant: Crítica del juicio, seguida de las Observaciones sobre el sentimiento de lo bello y lo sublime. Übers. a. d. Frz. von Alejo García Moreno/Juan Ruvira. 2 Bde. Madrid 1876. 36 Kant: Crítica del Juicio. Übers. und eingeleitet von Manuel García Morente. Madrid 1914 [diverse Nachdrucke in Madrid und Mexiko]. 37 Kant: Crítica del juicio. Übers. von José Rovira Armengol. Hg. von Ansgar Klein. Bue­ nos Aires 1961. 38 Eine Teilausgabe war einige Jahre zuvor erschienen: Textos estéticos de Kant. Übers. von Pablo Oyarzún. Santiago de Chile 1983. Die Veröffentlichung enthielt folgende Übersetzungen von Pablo Oyarzún: Observaciones sobre lo bello y lo sublime; Crítica de la facultad de juzgar (erster Teil); El Sentimiento de placer y displacer (zweites Buch der Anth). 39 Kant: Crítica de la facultad de juzgar. Übers. und hg. von Pablo Oyarzún. Caracas 1992. Oyarzúns spanische Übersetzung berücksichtigte auch die 1969 in Buenos Aires erschienene von Arturo Altman. Die Oyarzún-Ausgabe beinhaltet auch die Übersetzung der ersten Fassung der Einleitung in die KU, für die er die deutsche Edition von Weischedel als Vorlage benutzte; am Rande werden, im Anschluss an die Weischedel-Ausgabe, die Seitenangaben der ersten drei Auflagen der KU vermerkt. – Pablo Oyarzún, Professor in Chile, war auch an der Universidad Simón de Bolívar in Caracas als Spezialist für Kants Schriften zur Ästhetik tätig. 40 Die Übersetzung des Begriffs Urteilskraft bildet eine in allen hier behandelten Sprachräumen rekurrente Schwierigkeit, die in etlichen Beiträgen des vorliegenden Bandes thematisiert wird.

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und ›juicio‹ (Urteil) unterschieden wird, so wie es im kantischen Original der Fall ist«. 41 B.  Andere Schriften der kritischen Periode

Zwei Jahre nach Erscheinen der KrV A wurden die Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können veröffentlicht. Dieses Werk war der erste kantische Text, den Mario Caimi ins Spanische übersetzte. 42 Es gibt zwei Versionen der von Caimi übersetzten Prolegomena: die Originalausgabe, die 1984 in Buenos Aires erschien, 43 und eine zweite, überarbeitete Ausgabe, die fünfzehn Jahre später in Madrid veröffentlicht wurde. 44 Im Folgenden werden wir uns speziell auf diese letzte Version beziehen, die den Originaltext der ersten mit einigen leichten Korrekturen wiedergibt, aber auch wichtige konzeptionelle Neuerungen einbringt. Als Vorlage für seine Übersetzung wählte Caimi die Ausgabe Karl Vorländers (1905, ²1969). 45 Eine entscheidende Änderung der zweiten Auflage von Caimis Übersetzung besteht darin, dass Kants Text zweisprachig präsentiert und für den deutschen wie den spanischen Text die Paginierung der AA übernommen wird. Den Prolegómenos wird eine kurze Einleitung des Herausgebers/Übersetzers vorangestellt. Die zweite Auflage von Caimis Übersetzung enthält außerdem ein detailliertes Glossar der deutschen/spanischen Termini. 46 Als Nachwort figuriert eine Studie von Norbert Hinske, die den zeitgenössischen Kontext der frühen Rezeption der kantischen Philosophie nachzeichnet. 47 41

Oyarzun: Introducción del traductor. In: Oyarzún: Kant: Crítica de la facultad de juzgar [Anm. 16] 17 [Kursivierung M. T.]. 42 Von den Prolegomena liegen drei frühere Übersetzungen vor: die von Julián Besteiro (Madrid 1912), mit einem Nachwort von Ernst Cassirer; die von Rufino Natal (Buenos Aires 1939); und die von José López y López (Buenos Aires 1950). 43 Kant: Prolegómenos a toda metafísica futura que pueda presentarse como ciencia. Direkt aus dem Dt. übers. und mit Anmerkungen versehen von Mario Caimi. Buenos Aires 1984. 44 Kant: Prolegómenos a toda metafísica futura que haya de poder presentarse como ciencia. Zweisprachige Ausgabe. Direkt aus dem Dt. übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Mario Caimi. Nachwort von Norbert Hinske. Madrid 1999. 45 Der Text der Prolegomena wurde mit den Ausgaben von Benno Erdmann, Wilhelm Weischedel und Karl Schulz abgeglichen. Caimi berücksichtigte auch die Übersetzungen von Julián Besteiro (Madrid 1912; ins Span.), Pantaleo Carabellese (Bari 1925; ins Ital.) und Jean Gibelin (Paris 1957; ins Frz.). 46 In der vom FCE besorgten Neuausgabe der kantischen Werke sind diese Verzeichnisse mit Blick auf die spanischsprachigen Leser und Nutzer angepasst worden. 47 Norbert Hinske: La tardía impaciencia de Kant. Un epílogo para los Prolegómenos de Kant. In: Caimi: Kant: Prolegómenos [Anm. 44] 339–354.

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Das Werk Über die Fortschritte der Metaphysik stellt eine der wichtigsten verfügbaren Quellen dar, um Kants Haltung gegenüber der Metaphysik zu verstehen, nachdem die kritische Philosophie ihre philosophische Reife mit der Veröffentlichung seiner drei großen Kritiken erlangt hatte und bevor der Prozess der Überarbeitung seines Denkens im Opus postumum einsetzte. 48 Kurz vor Caimis Übersetzung war eine Übersetzung des Textes durch Félix Duque erschienen. 49 Von der Übersetzung, die Caimi anfertigte, liegen zwei Ausgaben aus den Jahren 1989 50 und 2008 51 vor. Auch wenn die letztgenannte Auflage keine Abweichungen im Übersetzungstext aufweist, so enthält sie doch signifikante Änderungen und Erweiterungen: Vor allem erscheint der Text Progresos de la metafísica in der Ausgabe des Fondo de Cultura Económica zweisprachig und mit der Paginierung der AA sowohl für die spanische als auch für die deutsche Fassung;52 zweitens wird die einleitende Studie von Mario Caimi – die bereits als Monographie erschienen war – 53 mit aufgenommen; drittens wird ein Glossar hinzugefügt.54 Die spanische Übersetzung des kantischen Textes trägt den zahlreichen Problemen drucktechnischer, grammatikalischer und lexikalischer Art Rechnung, die den Ausgangstext kennzeichnen – es sei daran erinnert, dass es sich um eine 48 Die

mit diesem Werk befassten Forscher haben den Entstehungszeitraum der Handschriften zwischen 1792 und Ende 1795 datiert. 49 Die Übersetzung der FM, die Félix Duque erstellte – Kant: Sobre el tema del Concurso para el año de 1791 propuesto por la Academia Real de Ciencias de Berlín: ¿Cuáles son los efectivos progresos que la Metafísica ha hecho en Alemania desde los tiempos de Leibniz y Wolff? Madrid 1987 –, erschien nur zwei Jahre vor derjenigen von Mario Caimi. Die spanischsprachigen Leser verfügen deshalb über ein Privileg: Es existieren zwei hervorragende Übersetzungen ein und desselben Werkes, zudem mit aufschlussreichen Einleitungen. Während die einleitende Studie von Caimi sich der Analyse und Interpretation des kantischen Werkes widmet, befasst sich Duque mit der Analyse des Kontexts der Aetas Kantiana, welche die besonderen Merkmale der Schrift über die Fortschritte der kritischen Metaphysik erkennbar werden lässt. 50 Kant: Los progresos de la Metafísica desde la época de Leibniz y de Wolff. Aus dem Dt. übers. und mit Anmerkungen versehen von Mario Caimi. Buenos Aires 1989. 51 Kant: Los progresos de la metafísica. Zweisprachige Ausgabe. Übers., eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Mario Caimi. Mexiko 2008. 52 Der AA folgend, wird dem Text von Progresos de la metafísica ein Anhang hinzugefügt, der eine Reihe ›loser Blätter‹ enthält, welche seit Beginn des 20. Jahrhunderts mit dieser kantischen Schrift in Verbindung gebracht werden. Caimi stützte sich bei seiner Übersetzung auf den Text von Gerhard Lehmann, veröffentlicht in AA 20. Er hat die AA mit der Faksimileausgabe des Originals und mit den Ausgaben von Otto Buek, Wilhelm Weischedel und Gustav Hartenstein abgeglichen. Zudem hat er für seine Übersetzung auch die frz. und ital. Ausgaben konsultiert. 53 Caimi: La metafísica de Kant. Buenos Aires 1989. 54 In dieser sprachvergleichenden Übersicht werden die span. Übersetzungen von Mario Caimi und Félix Duque, die frz. von Louis Guillermit und die ital. von Paolo Manganaro erfasst.

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unvollendete Schrift handelt, in der Auslassungen, Fehler, Wiederholungen etc. reichlich vorhanden sind –, ohne dass deswegen in der textgetreuen Übersetzung die Lesbarkeit verloren ginge. Man glaubt gemeinhin, dass der polemische Text, den Kant als Erwiderung auf den Angriff von Johann August Eberhard – prominenter Kopf des Wolffia­ nismus am Ende der 1780er Jahre – verfasste, und seine Abhandlung FM eine Einheit bilden. Während jedoch das letztgenannte Werk die theoretische Antwort des Verfassers der KrV beinhaltet, zeigt ersteres – unter dem rätselhaften Titel Über eine Entdeckung, nach der alle neue Kritik der reinen Vernunft durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll55 [ÜE] und besser bekannt unter dem Titel Der Streit mit Johann August Eberhard – die polemische Seite des Streits. Aus diesem Grund vervollständigt die Übersetzung dieses Werkes das Korpus von Schriften, in denen Kant sich mit der Leibniz-Wolff’schen Schulphilosophie auseinandergesetzt hat. Caimis Übersetzung56 ersetzt die über fünfzig Jahre alte Ausgabe von Alfonso Castaño Piñán, der es an dem für ein solches Werk notwendigen editorischen Ausstattung und einem bibliographischen Apparat mangelte.57 Die neue Übersetzung von Kants Antwort an Eberhard basiert auf der Ausgabe Heinrich Maiers im Rahmen der AA und übernimmt terminologisch viel von anderen wichtigen Übersetzungen dieses Werkes, nämlich der von Claudio La Rocca ins Italienische58 und der von Henry E. Allison ins Englische. 59 Schließlich enthält die Ausgabe von Caimis Übersetzung eine gehaltvolle Einleitung von Claudio La Rocca60 und ein zweisprachiges Glossar; sie führt in zahlreichen Fußnoten Übersetzungsalternativen an. 2009 erschien in Buenos Aires die von Mario Caimi angefertigte Übersetzung der Anth mit dem Titel Antropología en sentido pragmático. 61 Eine neue 55

ÜE, AA 08: 185–252; Berlin 1912/1923 [NA 1968/1977]. Kant: La polemica sobre la Crítica de la razón pura (Respuesta a Eberhard). Einleitung von Claudio La Rocca. Hg. und aus dem Dt. übers. von Mario Caimi. Madrid 2002. 57 Kant: Por qué no es inútil una nueva crítica de la razón pura (respuesta a Eberhard). Eingeleitet, übers. und hg. von Alfonso Castaño Piñán. Buenos Aires 1955 [ND 1973). 58 Kant: Contro Eberhard. La polemica sulla Critica della ragion pura. Hg. von Claudio La Rocca. Pisa 1994. 59 Henry E. Allison: The Kant-Eberhard Controversy. An English translation together with supplementary materials and a historical-analytic introduction of Immanuel Kant’s On a Discovery According to which Any New Critique of Pure Reason Has Been Made Superfluous by an Earlier One. Baltimore/London 1973. 60 Claudio La Rocca: Introducción. In: Kant: La polemica sobre la Crítica de la razón pura. Übers. von Mario Prades Vilar. Überarbeitet von Faustino Oncina. Madrid 2002. 9–72. 61 Die Schrift Anth wurde erstmals von José Gaos (Madrid 1935) ins Spanische übersetzt. Diese Übersetzung beruht auf der Ausgabe von Wilhelm Weischedel, vgl. Kant: Werke. Bd. 10. Darmstadt 1964. 395–690, sowie AA 07: 117–335 (hg. von Oswald Külpe). Die Ausgaben von Gaos und Caimi folgen beide dem Text der zweiten Auflage des Jahres 1800. 56

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lateinamerikanische Ausgabe der Anth erschien wenige Jahre später in der Biblioteca del pensamiento kantiano des Fondo de Cultura Económica in Mexiko. Die Übersetzung wurde verantwortet von einem Team um Dulce María Granja Castro, Gustavo Leyva und Peter Storandt. Der spanische Text stützt sich auf eine überarbeitete Übersetzung von José Gaos und beinhaltet ein kurzes Vorwort von Reinhard Brandt; die Anmerkungen zur Übersetzung, Indices und Bibliographie wurden von Dulce María Granja Castro erstellt.62 Die Edition ist zweisprachig, was einen Vergleich zwischen dem kantischen Originaltext und seiner Übersetzung erlaubt. Was den Ausgangstext betrifft, so wurde dieser einerseits auf der Grundlage der AA (Anth, AA 07), andererseits auch – wegen der philologischen Schwierigkeiten, die diese Spätschrift Kants bereitet – auf der Grundlage des in der Bibliothek der Universität Rostock verfügbaren Originalmanuskripts festgelegt. Gemäß dem Verlagskonzept der Biblioteca del pensamiento kantiano wurde ein sprachvergleichendes terminologisches Glossar hinzufügt, das jedoch die Übersetzungen ins Spanische von Caimi und von Rodríguez Aramayo (1990) nicht berücksichtigt. In geringerem Umfang und mit begrenzter Verbreitung hat man folgende kantischen Texte veröffentlicht: Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen (1797) 63 und Recension von Gottlieb Hufeland’s Versuch über den Grundsatz des Naturrechts (1786) 64 . C.  Die Schriften der vorkritischen Periode

Es waren die vorkritischen Texte Kants, bei deren Übersetzung der bereits erwähnte Neuansatz des Übersetzens sich ausprägte, und zwar vor allem dank einem herausragenden Experten der lateinamerikanischen Kant-Forschung, nämlich dem chilenischen, in Puerto Rico ansässigen Forscher Roberto Torretti. 65 Der Originaltext wurde mit der Ausgabe von Karl Vorländer abgeglichen, wobei sowohl die philologischen Anmerkungen der AA als auch die des Kommentars von Reinhard Brandt berücksichtigt wurden. Vgl. Brandt: Kritischer Kommentar zu Kants Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. Hamburg 1998. 62 Kant: Antropología en sentido pragmático. Vorwort von Reinhard Brandt. Übers. und hg. von Dulce María Granja Castro/Gustavo Leyva/Peter Storandt. Anmerkungen, Indices und Bibliographie von Dulce María Granja Castro. Mexiko 2014. 63 Kant: Sobre un presunto derecho a mentir por amor al prójimo. Übers. von Mario Caimi. In: Cuadernos de ética (1987). 9–15. 64 Vgl. Macarena Marey: Sobre las Críticas de Kant a Gottlieb Hufeland, con una Traducción de ›Recensión del ensayo sobre el principio del Derecho Natural‹, de Gottlieb Hufeland. In: Estudios Kantianos 2.1 (2014). 107–124. Hier: 108–113. 65 Roberto Torretti (geb. 1930 in Santiago de Chile) war Professor in Puerto Rico, an der Universidad de Chile und an der Universidad de Concepción; er war Herausgeber der Zeit-

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In der Zeitschrift Diálogos, die Torretti selbst leitete, wurden mehrere Texte der vorkritischen Periode auf Spanisch veröffentlicht. Von ihm selbst übersetzt erschienen La falsa sutileza de las cuatro figuras del silogismo [DfS, 1762], 66 Sobre el fundamento primero de la diferencia entre las regiones del espacio [GUGR, 1768], 67 Sobre la nitidez de los principios de la teología natural y de la moral [UD, 1764], 68 La monadología física [MonPh, 1756] 69 und Nuevo concepto del movimiento y del reposo [NLBR, 1758]70 . Eduardo García Belsunce hat sich mit Kants Forschungen der Jahre 1762–1763 befasst. In diesem Zusammenhang entstanden drei kleinere Übersetzungen: Zum einen erschien der Ensayo para introducir en la filosofia el concepto de magnitudes negativas [NG],71 sodann El único argumento posible para una demonstración de la existencia de Dios [BDG];72 schließlich publizierte García Belsunce auch noch

schrift Diálogos (1971–1995), in der das vorkritische Werk Kants besondere Berücksichtigung fand. Vgl. auch ders.: Manuel Kant. Estudio sobre los fundamentos de la filosofía crítica. Santiago 1967. 66 DfS, AA 02: 47–61. Die Originalpaginierung wird am Rande angegeben. Erschienen in: Diálogos 19 (1970). 7–22. Es ist hervorzuheben, dass Torretti Vernunftschluss mit ›silogismo‹ (und nicht wörtlich) übersetzt und sich dabei auf den Wortgebrauch in Meiers Auszug aus der Vernunftlehre (Halle 1752, Paragraphen 353 ff.) beruft, welchen Kant als Handbuch für seine Vorlesungen konsultierte. Außerdem weist Torretti den Leser darauf hin, dass der Ausdruck ›facultad de juzgar‹ hier auf das Vermögen zu urteilen bezogen ist und nicht auf den späteren kritischen Begriff der Urteilskraft. 67 GUGR, AA 02: 377–383. In: Diálogos 22 (1971). 139–146. In dieser Publikation gibt Torretti bei einigen technischen Ausdrücken die originalsprachlichen Entsprechungen an, z. B. bei ›región‹ (Gegend), ›posiciones‹ (Lagen), ›lugares‹ (Örter) etc. 68 UD, AA 02: 273–301. In: Diálogos 27 (1974). 57–87. In der Ausgabe von Torretti wird die Paginierung der AA in Klammern angegeben. Eine Reihe von Anmerkungen stammen aus der Ausgabe von Paul Menzer (AA 02: 492–495). Auf diese Übersetzung folgte eine spätere von García Belsunce. 69 MonPh, AA 02: 475–487. In: Diálogos 32 (1978). 173–190. Die Paginierung der AA wird in Klammern angegeben. Der Übersetzer hat auch die Edition von Weischedel konsultiert. Die lateinischen Termini, die Kant verwendet, werden kurz erläutert. Einige dieser Ausdrücke erscheinen auch in Klammern in lateinischer Form im Text. 70 NLBR, AA 02: 15–25. In: Diálogos 34 (1979). 143–152. Die Paginierung der AA erscheint in Klammern. Der Übersetzer erläutert dem mit der Physik und ihrer Geschichte weniger vertrauten Leser einige zentrale physikalische Termini Kants. 71 NG. In: Diálogos 29/30 (1977). 137–176. 72 Kant: El único argumento posible para una demonstración de la existencia de Dios. Übers. von Eduardo García Belsunce. Buenos Aires 2004. Diese Edition enthält eine kurze, aber aufschlussreiche Einleitung (Kant. La prueba ontológica de 1763). Sie basiert auf der Ausgabe von Ernst Cassirer, berücksichtigt aber auch die Ausgabe im Rahmen der AA und die Ausgabe von Klaus Reich. Die Anmerkungen des Übersetzers sind nützlich zur Klärung des zeitgenössischen Kontexts, auf den Kant sich in dieser vorkritischen Untersuchung bezieht.

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die Übersetzung Investigación sobre la distinción de los principios de la teología y de la moral [UD].73 In jüngerer Zeit übersetzte Dulce María Granja Castro Kants Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen.74 Diese zweisprachig präsentierte Übersetzung, mit der die Reihe Biblioteca del pensamiento kantiano (Fondo de Cultura Económica) eröffnet wurde, enthält eine einleitende Studie, Anmerkungen, einen Sachindex und ein sprachvergleichendes terminologisches Glossar (Französisch, Englisch, Italienisch und – gemäß der Ausgabe von Luis Jiménez Moreno – Spanisch).75 D.  Texte aus dem Nachlass: Briefwechsel, Reflexionen und Nachschriften von Kants Vorlesungen

Die Texte des Nachlasses sind bislang kaum ins Spanische übersetzt worden, und von den wenigen Übersetzungen ins Spanische sind zudem nur wenige in Lateinamerika entstanden. Es handelt sich bei den Schriften des Nachlasses aber um ein expandierendes Forschungsgebiet von hoher Relevanz für die Kant-Forschung. Im Folgenden werden die erwähnenswerten lateinamerikanischen Publikationen in diesem Bereich aufgeführt: eine Übersetzung der bekannten Briefe an Marcus Herz;76 Übersetzungen weiterer Briefe;77 eine annotierte Übersetzung von Kants

73 Vgl. Eduardo García Belsunce: Cuestiones kantianas. Y un opúsculo de Kant. Buenos Aires 2007; diese Übersetzung von UD figuriert als Anhang zu einer Untersuchung der Schriften Kants in den frühen 1760er Jahren. 74 Kant: Observaciones sobre el sentimiento de lo bello y lo sublime. Übers., eingeleitet, hg. und mit einem Sachindex versehen von Dulce María Granja Castro. Überarbeitet von Peter Storandt. Mexiko 2004. Von dieser Schrift Kants existierte eine frühere spanische Übersetzung von Pablo Oyarzún: Kant: Textos estéticos [Anm. 38]. 75 Tabla de correspondencias de traducción de términos: XCV ff. Der deutsche Text folgt der Erstausgabe des Werkes, 1764 von Jacob Kanter verlegt; abgedruckt wird freilich das Titelblatt d. Aufl. von 1766; Varianten d. Aufl./Ausg. 1766 und Riga, Friedrich Hartnock, 1771, werden verzeichnet. 76 Kant: Dos cartas a Marcus Herz. Übers. und hg. von Jorge E. Dotti. Buenos Aires 1980. Diese Übersetzung wurde später erneut veröffentlicht in: Intentum. Cuadernos de Gnoseología (Sept. 1996), zusammen mit der Übersetzung der Transzendentalen Deduktion (Aufl. A). – Eine andere Übersetzung des Briefes an Marcus Herz vom 21. Februar 1772 (Br, AA 10: 129–132) findet sich in Kant: La deducción trascendental y sus inéditos. 1772–1788. Übers. und hg. von Gonzalo Serrano Escallón [Anm. 15]. 77 Vgl. Jorge Aurelio Díaz (Hg.): Correspondencia Kant, Fichte, Schelling, Hegel. Bogotá 2011. Dort findet sich eine Reihe von wertvollen Briefen – von Kant verfasst bzw. an ihn adressiert –, übersetzt von Hugo Ochoa Disselken und Raúl Gutiérrez (35–89).

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Erklärung in Beziehung auf Fichtes Wissenschaftslehre [La declaración pública de Kant contra Fichte].78 Jüngst wurde auch eine Reihe von Kants Reflexionen herausgegeben, insbesondere diejenigen, die seinen Entwicklungsgang bezüglich des kritischen Systems betreffen. Hier ist Fernando Moledos Übersetzung des Legado de Duisburg [Duisburger Nachlasses] mit seiner aktualisierten Einleitung und dem wissenschaftlichen Apparat, welche die Übersetzung dieser losen Blätter begleiten, anzuführen.79 Eine letzte Werkgruppe bilden die Nachschriften der Vorlesungen, die Kant gehalten hat. Bekanntlich handelt es sich um aktuell intensiv erforschtes Quellenmaterial, welches freilich viele Fragen aufwirft. Es sind nur wenige Versuche aus Lateinamerika bekannt, die Vorlesungsnachschriften zu übersetzen; es lässt sich aber eine zunehmende Kooperation mit Kollegen aus Spanien zu diesem Themenbereich feststellen. In diesem Zusammenhang ist an erster Stelle Mario Caimis Übersetzung der Metaphysik-Dohna anzuführen. 80 Diese Vorlesungsmitschriften fertigte Heinrich Graf zu Dohna-Wundlacken während Kants Vorlesungen zur Metaphysik an der Albertus-Universität in Königsberg an. Bekanntlich folgte Kant in diesen Vorlesungen dem Text der Metaphysica (Halle 1739) von Alexander Gottlieb Baumgarten und erlaubte sich im Lauf der Jahre immer tiefergreifende Korrekturen und Exkurse, ohne deswegen darauf zu verzichten, die dogmatische Metaphysik nach dem in seinen Augen glänzendsten Systematiker darzulegen. Die Vorlesungsskripte datieren wohl aus den Jahren 1792/1793. Dies ist ein wichtiges Datum, denn in diese Periode fällt auch die Abfassung der FM. Diese Schrift stellt deswegen eine zusätzliche Quelle für die Erforschung der kritischen Metaphysik dar, der sich Caimi bereits in seiner Übersetzung der Progresos de la metafísica gewidmet hatte. Für die Übersetzung der Metaphysik-Dohna stützte sich Caimi auf die Edition V-Met/Dohna. AA 28: 614–704. Diese wurde mit der Ausgabe von Arnold Kowalewski abgeglichen, 81 sodass in der Übersetzung häufig Verweise 78

Von Fernando Moledo gibt es eine annotierte Übersetzung von Kants Erklärung in Beziehung auf Fichtes Wissenschaftslehre; vgl. Moledo: Kant: La declaración pública de Kant contra Fichte. In: Ideas y Valores. LVI/133 (2007). 133–149. 79 Fernando Moledo: Los años silenciosos de Kant. Aspectos de la génesis de la deducción transcendental en la década de 1770. Seguido de la traducción del Legado de Duisburg ca. 1775. Vorwort von Mario Caimi. Buenos Aires 2014. 61–115. Zweisprachige Ausgabe. Unter anderem dem Duisburger Nachlass widmete sich der von Gonzalo Serrano Escallón herausgegebene Sammelband La deducción trascendental y sus inéditos [Anm. 15]. 80 Kant: Lecciones de Metafísica. [La llamada Metaphysik Dohna]. Übers. von Mario Caimi. Einleitung und Nachwort von María Jesús Vázquez Lobeiras. Salamanca 2006. 81 Die philosophischen Hauptvorlesungen Immanuel Kants nach den neu aufgefundenen Kollegheften des Grafen Heinrich zu Dohna-Wundlacken. Hg. von Arnold Kowalewski. München 1924 (Hildesheim 1965). 517–631.

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auf Varianten erscheinen, die nur in der Fassung von Kowalewski zu finden sind. Der Übersetzer hat den spanischen Text auch mit der englischen Ausgabe82 und mit einer unveröffentlichten portugiesischen Übersetzung von Juan A. Bonaccini verglichen. Die Eigenheiten der kantischen Lehrtätigkeit werden in einer abschließenden Studie von María Jesús Vázquez Lobeiras analysiert. 83 Die Publikation beinhaltet auch ein vollständiges Namenregister sowie einen zweisprachigen Sachindex. In sein bereits erwähntes Werk hat der Herausgeber Gonzalo Serrano einige wenige Seiten der Metaphysischen Vorlesungen des Herrn Prof. Kant, nachgeschrieben im Jahr 1784 und 85 von Johann Wilhelm Volckmann (V-Met/Volckmann, AA 28: 404–406) aufgenommen. 84 2015 übersetzte Diego Sanhueza Jérez einige Texte, die Kant Anfang der 1790er Jahre geschrieben hatte und die erst dank Wilhelm Dilthey veröffentlicht wurden. 85 2016 erschien die Übersetzung der Einleitung zu Kants Vorlesungen über Naturrecht gelesen im Winterhalben Jahre 1784 (Mitschrift von Gottlieb Feyerabend). Die Übersetzung wurde von der spanischen Philosophin Nuria Sánchez Madrid und der argentinischen Philosophin Macarena Marey angefertigt und in aufschlussreicher Weise eingeleitet. 86 V.  Abschließende Gedanken: Über das Schwanken als Entscheidung (oder Die Kunst des lateinamerikanischen Übersetzers)

In der vorliegenden Arbeit haben wir aus einem genetischen und einem systematischen Blickwinkel die Entstehung einer neuen Zielsetzung in der Übersetzung der kantischen Werke zurückverfolgt, nämlich die einer textgetreuen Wiedergabe des Ausgangstextes als historischer und philosophischer Quelle. Wir haben gesehen, dass die Übersetzer – um dieses Ziel zu erreichen – verschiedene Verfahren entwickelt und dabei mehrere Aspekte berücksichtigt haben: erstens die Sicher82 Kant:

Lectures on Metaphysics. Übers. und hg. von Karl Ameriks/Steve Naragon. Cambridge 1997. 357–391. 83 María Jesús Vazquez Lobeiras: Metafísica y crítica, o, ¿cómo es posible aprender a ­f ilosofar? In: Kant: Lecciones de Metafísica [Anm. 80] 121–161. 84 Vgl. Serrano Escallón: Kant: La deducción trascendental y sus inéditos [Anm. 15]. 85 In: Kant: Ensayos sobre Kästner. Übers. von Diego Sanhueza Jérez. In: Ideas y Valores 64/159 (2015). 259–268. 86 Introducción zu Lecciones sobre Derecho Natural de Kant anotadas por Feyerabend. In: Con-Textos Kantianos 3 (Juni 2016). 391–414. Grundlage der Übertragung ist die neue, von Heinrich P. Delfosse, Norbert Hinske und Gianluca Sadun Bordoni besorgte Ausgabe der Handschrift, vgl. Kant-Index. Bd. 30: Stellenindex und Konkordanz zum Naturrecht Feyerabend. Teilband 1: Einleitung des Naturrechts Feyerabend. Stuttgart 2010. V-NR/Feyerabend (AA 27).

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stellung des Ausgangstextes, zweitens die Erstellung eines entsprechenden Textes auf Spanisch (angemessen nicht nur in Bezug auf das Fachvokabular, sondern auch hinsichtlich des für die kantischen Sätze charakteristischen Stils und der Begriffe, die bei der Übersetzung vom Deutschen ins Spanische gewöhnlich zu Fehlern verleiten), drittens die Angemessenheit der Übersetzung hinsichtlich des aktuellen Standes der Kant-Forschung, die zur sachlichen Klärung im Einzelnen beiträgt (vgl. die einführenden Studien, Epiloge, Anmerkungen, Bibliographien etc.), und viertens die Berücksichtigung der Nützlichkeit und Verwertbarkeit der Übersetzung für weitere Forschungen (vgl. bes. die Sachindices, Originalpaginierungen, zweisprachigen Ausgaben). Man sollte betonen, dass dieses Phänomen in seinen allgemeinen Grundzügen weder nur für Lateinamerika noch nur für die Übersetzungen der kantischen Schriften charakteristisch ist; ähnliche Verfahren finden seit mehreren Jahrzehnten Anwendung, um das Werk der klassischen Philosophen zu bearbeiten. Was hingegen die lateinamerikanischen Übersetzungen auszeichnet, ist der besondere Nachdruck, den die Übersetzer an den Tag gelegt haben, um die zahlreichen Übersetzungsvarianten für den Wortlaut des kantischen Textes zu dokumentieren. Diese Besonderheit lässt sich in den wichtigsten der von uns präsentierten Übersetzungen feststellen. Man könnte dies als Folge einer gewissen Unsicherheit hinsichtlich der spanischen Sprache auffassen – einer charakteristischen Unsicherheit in dem Bewusstsein, eine dialektal geprägte Alltagssprache zu verwenden, die jedoch in ein universal gültiges Register übertragen werden muss. Vor diesem eigentümlichen Hintergrund kann man jene Überlegung als Motto betrachten, die Pablo Oyarzún der Kunst des Übersetzers gewidmet hat: »Die Kunst des Übersetzers besteht darin, aus dem Schwanken eine Entscheidung zu machen.« (»El arte del traductor consiste en hacer de la vacilación una decisión.«) 87 Wenn dem so ist, verleiht die von lateinamerikanischen Übersetzern (in Fußnoten) vorgelegte Dokumentation der charakteristischen Schwankungen des Übersetzens im Falle von Kants Werken den repräsentativsten lateinamerikanischen Übersetzungen unseres Berichtszeitraums ein besonderes Profil. Nicht zuletzt hierin liegt ihr genuiner Beitrag zur Übersetzungsgeschichte von Kants Werk. Aus dem Spanischen übersetzt von Joachim Christl und Diana Lagier de Milani

87

Pablo Oyarzún: Introducción del Traductor. In: Oyarzún: Kant: Crítica de la facultad de juzgar [Anm. 16] 15.

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Kant in Spanien Eine Skizze zu klassischen und neueren Übersetzungen Marcos A. Thisted I.

Dieser Anhang bietet einen kurzen Überblick über die in den – grob gerechnet – letzten vier Jahrzehnten in Spanien entstandenen spanischen Übersetzungen philosophischer Schriften Kants.1 Aus verschiedenen Gründen 2 kann dieser Überblick weder vollständig3 noch detailliert sein. 4 Die im fraglichen Zeitraum entstandenen spanischen Übersetzungen kantischer Texte haben zwei deutlich unterschiedliche Ziele verfolgt: In manchen Fällen suchten sie, die schon vorhandenen spanischen Übersetzungen kantischer Schriften zu aktualisieren (weil Titel zwar vorhanden, aber nicht zugänglich waren, 5 weil die bei ihrer Übersetzung zugrunde gelegten Maßstäbe modernen Standards nicht mehr genügten oder weil die Texte nicht vollständig übersetzt 1 Ich bedanke mich bei den Kant-Spezialisten Ileana Beade, Mario Caimi, Silvia di Sanza, Macarena Marey und Matías Oroño für die Großzügigkeit, mit der sie mir bibliographisches Material aus ihren gut bestückten Bibliotheken zur Verfügung gestellt haben. 2 Die umständebedingten Gründe für das Ungleichgewicht zwischen der Bestandsaufnahme der spanischen und der lateinamerikanischen Situation der Übersetzungen Kants, welche offenkundig zu Lasten der spanischen Übersetzungslage geht, die ihrerseits hier nicht vollständig gewürdigt werden kann, werden im Vorwort der Herausgeberin dargelegt. In meiner Bestandsaufnahme zur lateinamerikanischen Übersetzungslage finden sich ausführlichere Hinweise auf die frühen (vor dem hier im Folgenden zugrunde gelegten Zeitraum liegenden) spanischen Übersetzungen in Spanien. 3 Zur Vervollständigung der in Spanien entstandenen und/bzw. (vor allem) dort zirkulierenden Übersetzungen sei verwiesen auf die Bibliographie von Steve Naragon [http://users. manchester.edu/FacStaff/SSNaragon/Kant/Helps/KantsWritingsTranslationsLinks.htm]. 4 In den Anmerkungen weise ich auf verschiedene Rezensionen der spanischen KantÜbersetzungen hin, die es ermöglichen, die hier gegebenen Informationen zu erweitern. 5 Die einschlägigen Übersetzungen waren in Spanien oft nicht lieferbar. Zwischen Spanien und Lateinamerika funktionierte der Austausch schlecht. Die mangelnde Kommunikation und die unvollständige Zirkulation der spanischen Übersetzungen kantischer Werke haben das Zustandekommen eines gemeinsamen Kriterienkatalogs und die Verfügbarkeit der dies- und jenseits des Atlantischen Ozeans erstellten Kant-Übersetzungen nachhaltig behindert. Die neuen digitalen Ausgaben haben dieses Problem bislang nur zum Teil gelöst.

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worden waren6). In anderen Fällen dienten sie dem Zweck, die Zahl der bislang in spanischer Sprache vorliegenden Texte Kants zu erhöhen; vor weniger als einem halben Jahrhundert existierte noch keine vollständige spanische Übersetzung der MS,7 die vorkritischen Schriften Kants lagen nur zu einem kleineren Teil und in wenig zuverlässigen Ausgaben vor, 8 und von den posthumen Schriften war noch keine einzige übersetzt worden.9 Die allmähliche Etablierung der Philologie und Historiographie der Philosophie als Paradigmen der spanischsprachigen Kant-Forschung10 brachte dann einen Konsens über und eine Fixierung von Kriterien, denen neue spanische Übersetzungen des Kant-Korpus genügen müssen. Tatsächlich kann das Ziel einer Bewahrung der Werke Kants als philosophiegeschichtlicher Bestand nur über den Weg einer strikt originalgetreuen Edition der Texte erreicht werden.11 Die wichtigsten Kriterien dieses neuen übersetzerischen Ethos betreffen den Stil, der es erlaubt, den Originaltext textgetreu zu übersetzen,12 die Schaffung eines spanischen philosophischen Vokabulars für die Wiedergabe der zentralen philosophischen Termini Kants (im Bereich der Theoretischen Philosophie, der Praktischen Philosophie, der Ästhetik und der Rechtsphilosophie etc.) und die Entwicklung  6 Die

unvollendete Übersetzung der KrV von Manuel García Morente (sie bricht in A 460/B 488 ab) stellt diesbezüglich den bekanntesten, aber nicht den einzigen Fall dar. Vgl. Kant: Crítica de la razón pura. Gekürzte Ausgabe, mit einer Einleitung, Anmerkungen und Anhängen von Juan José García Norro/Rogelio Rovira. Übers. von Manuel García Morente. Madrid 2002.  7 Auf diese Lücke hat Juan Miguel Palacios hingewiesen, vgl. ders.: Kant en español. In: Logos. Anales del Seminario de Metafísica 9 (1974). 195–202. Die erste vollständige Übersetzung der MS stammt aus dem Jahre 1989 [zu dieser Ausgabe vgl. unten].  8 Die Übersetzung der GSK von Eduardo Ovejero Mauri (Madrid 1921) erschien z. B. unter dem Titel Principios metafísicos de las ciencias naturales, was zur Verwechslung mit den Metaphysische[n] Anfangsgründe[n] der Naturwissenschaften [MAN] führte, die erst sehr spät übersetzt wurden. Vgl. Dulce María Granja Castro: Kant en español. Elenco bibliográfico. Mexiko 1997. 23.  9 Zu mittlerweile vorliegenden Übersetzungen vgl. unten. 10 Ein Überblick über ihre Entwicklung findet sich bei María Jesús Vázquez Lobeiras: Historiografía y filología: ¿una tradición ajena al kantismo en español? In: Kant en nuestro tiempo. Las realidades que habitamos. Hg. von Rafael V. Orden Jiménez/Juan M. Navarro/ Rogelio Rovira. Madrid 2016. 413–430. Hier: 428. Auch der folgende Artikel derselben Autorin ist hilfreich: ¿Qué es lo que nos interesa saber de Kant? Con un balance somero de la investigación sobre Kant en España entre los años 2000 y 2004. In: Ágora. Papeles de Filosofía 23/1 (2004). 215–254. 11 Vázquez Lobeiras: Historiografía y filología [Anm. 10] 415. 12 Der Leser wird allerdings feststellen können, dass im Rahmen dieses allgemeinen Konsenses über die Notwendigkeit der Werktreue unterschiedliche Ansichten darüber bestehen, was unter diesem Postulat zu verstehen ist (Treue gegenüber dem Wortlaut? Treue gegenüber dem ›Geist‹ des Textes?). Die Forderung nach Werktreue erfordert z. B. auch die Erstellung eines konsistenten spanischen Kant-Wortschatzes.

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der erforderlichen paratextuellen Instrumente zur Sicherstellung der Quellen als solcher (die Erfassung des Originaltextes und seiner Varianten; die Anmerkungen, die den Leser über dem Text inhärente lexikalische Optionen – in der Originalsprache und in der spanischen Übersetzung – informieren; Einleitungen, die das Werk kontextualisieren und den Leser auf seine Lektüre vorbereiten etc.). Im Folgenden werden wir uns zuerst mit der Erneuerung des Erbes von Manuel García Morente beschäftigen; dann kommen wir zu den neuen Übersetzungen anderer Werke Kants, die schon ins Spanische übersetzt worden waren; und wir beschließen unseren Überblick mit den Übersetzungen lange unübersetzter Texte Kants. II.

Die Bedeutung, die den von Manuel García Morente hinterlassenen Übersetzungen der Hauptwerke des Kants der Kritiken zukam – und noch zukommt –, kann man kaum überschätzen. Seine spanischen Übersetzungen der drei Kritiken und der GMS erlaubten einem Großteil der heutigen spanischsprachigen Kantforscher einen ersten Kontakt mit den Werken des Philosophen; und noch heute finden diese Übersetzungen Anerkennung und Bewunderung.13 Angesichts dieser Tatsache haben es einige Verleger und Übersetzer vorgezogen, sich darauf zu beschränken, die Ausgaben von García Morente zu vervollständigen und zu aktualisieren;14 13 Vgl. Roberto Rodríguez Aramayo: Prólogo a la KpV: »Por lo que atañe a Kant en concreto, Manuel García Morente vertió al castellano nada menos que las tres Críticas y la Fun­ damentación de la metafísica de las costumbres, haciéndolo directamente del alemán, cuando la costumbre por aquella época era hacerlo a partir del francés. […] Así pues, entre nosotros, el nombre de Manuel García Morente se halla indisolublemente asociado al del pensador prusiano, dado que somos muchos quienes hemos leído las principales obras kantianas a través de sus traducciones.« (»Was insbesondere Kant betrifft, so hat Manuel García die drei Kritiken und die GMS direkt aus dem Deutschen ins Spanische übersetzt, in einer Zeit, als es noch üblich war, dabei von französischen Übersetzungen auszugehen. […] Der Name Manuel García Morentes ist also bei uns unauflöslich mit demjenigen des preußischen Denkers assoziiert, weil viele von uns die zentralen Werke Kants in seinen Übersetzungen gelesen haben.«) Kant: Crítica de la razón práctica. Hg. von Roberto Rodríguez Aramayo. Madrid 2000 (52007). 38 f. 14 Von den Übersetzungen García Morentes gibt es neue Ausgaben, manche aus jüngster Zeit. Vgl. dazu: Nota sobre la traducción de la Crítica de la razón pura debida a Manuel García Morente y el hallazgo de su manuscrito completo. In: Kant: Crítica de la razón pura. Übers. von Manuel García Morente [Anm. 6] 23 ff. Kant: Crítica de la razón práctica. Hg. von Maximiliano Hernández Marcos. Übers. von Emilio Miñana/Manuel García Morente. Madrid 2017. Kant: Fundamentación de la metafísica de las costumbres. Übers. von Manuel García Morente. Kommentar von Herbert James Paton [übers. von Carmen García Trevijano]. Hg. von Manuel Garrido. Madrid 2005.

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andere – unter denen Pedro Ribas und Roberto Rodríguez Aramayo die bekanntesten sind – waren der Überzeugung, es gebe gute Gründe, neue spanische Übersetzungen dieser Texte vorzulegen.15 Zu diesen Gründen zählt eine neue Vorstellung von der Art, Kants Stil ins Spanische zu übertragen, die sich von der von García Morente angestrebten Wortwörtlichkeit unterscheidet; zweitens, eine Revision der Termini, die das gnoseologische, ethische, juristische usw. Vokabular der kritischen Philosophie bilden, nicht zuletzt wegen der in der spanischen Sprache selbst eingetretenen, z. T. grundlegenden Veränderungen; und schließlich die Ausstattung der Übersetzungen mit einem ausreichenden kritischen Apparat, der es erlaubt, trotz der zeitlichen und sprachlichen Distanz möglichst nahe an den Originaltext heranzukommen (von Spezialisten geschriebene Einleitungen; Inhaltsverzeichnisse; Begriffs- und Namensindices etc.) – all dies Paratexte, die in den älteren Editionen oft fehlten. Im Folgenden werden wir skizzieren, wie sich diese Desiderata in einigen der wichtigsten spanischen Übersetzungen manifestieren, die auf der Grundlage dieser Auffassung entstanden sind. A.  Kritik der reinen Vernunft Die von Pedro Ribas erstellte spanische Übersetzung der KrV 16 wurde im akademischen Milieu der spanischen Philosophie sehr gut aufgenommen. Sie erlaubte es, die Übersetzung von Manuel García Morente zu vervollständigen und diejenige von José Rovira Armengol17 zu aktualisieren. Ribas sagt ausdrücklich, dass er nicht versucht habe, »Kants Stil beizubehalten«; nicht nur, weil die KrV kein »literarisches Modell« sei und auch nicht vorgebe, ein solches zu sein, sondern vor allem, »weil der Leser in einer guten Übersetzung nicht spüren soll, dass er die Version eines Textes liest, der in einer anderen Sprache geschrieben wurde«.18 Wegen der sprachlichen Distanz zwischen dem deutschen und dem spanischen Satz und mehr noch wegen der historischen Distanz von mehr als zwei Jahrhunderten zwischen dem Original und seiner Übersetzung gehe es darum, die Treue zum Text mit der Aktualität des

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Rodríguez Aramayo erkennt die Leistung von García Morente an: »La traducción de la Crítica de la razón práctica realizada por Morente tampoco fue, a decir verdad, la primera, ni tan siquiera la última, pero sí, desde luego, la que ha gozado de mayor estima entre los especialistas.« (»Die von Morente erstellte Übersetzung der KpV war nicht die erste und auch nicht die letzte, aber zugegebenermaßen die von den Kennern am meisten geschätzte.«) Kant: Crítica de la razón práctica [Anm. 13] 40. 16 Kant: Crítica de la razón pura. Einleitung, Übers., Anmerkungen und Indices von Pedro Ribas. Madrid 2005 [²2013]. 17 Kant: Crítica de la razón pura. Einleitung von Claudia Jauregui. Übers. von José de Perojo/José Rovira Armengol. Madrid 2006. 18 Kant: Crítica de la razón pura [Anm. 16] XXVI.

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Spanischen unserer Zeit zu verbinden; das zwinge dazu, in Übereinstimmung mit dem Geist Kants, »stets die Eleganz der Klarheit zu opfern«.19 Laut Ribas ist die Übersetzung des aus dem Griechischen oder Lateinischen stammenden technischen Vokabulars Kants ins Spanische im Vergleich zu seiner Übersetzung in andere Sprachen relativ einfach, und diese Termini klingen sogar ›für romanischsprachige Leser vertrauter als für Deutsche‹ (dabei denkt er selbstverständlich zunächst einmal an Termini wie a priori, a posteriori, trans­ zendent, transzendental, Ästhetik, etc.). 20 Problematischer war die Entscheidung des Übersetzers bei Begriffen wie Urteilskraft und Urteil, für die Ribas auf die schon von García Morente gewählte Lösung zurückgreift (Urteilskraft [›Juicio‹] und Urteil [›juicio‹]), oder in Fällen wie ›fenómeno‹, mit dem er unterschiedslos Phaenomenon, Phänomen und Erscheinung wiedergibt; oder bei ›objeto‹, das bald für Objekt, bald für Gegenstand steht. Am meisten wurde allerdings über seine Übersetzung von Gemüt diskutiert, ein Begriff, für den Ribas ›psiquismo‹ wählte (statt ›espíritu‹, für das sich García Morente bei der Übersetzung der KrV entschieden hatte). 21 Diese Ausgabe der KrV zeichnete sich durch eine sorgsame Behandlung des Textes aus, sie vermerkte am Rand die ursprüngliche Seitenzählung und fügte für Kenner wie Uneingeweihte gleichermaßen nützliche Begriffs- und Namensindices hinzu. Was die Textgrundlage betrifft, so übersetzte Ribas den Text der ersten und der zweiten Auflage der KrV; der Text wurde mit der Akademie-Ausgabe abgeglichen. 22 Für seine Übersetzung hat Ribas nach eigenen Angaben auch itali19 Ebd. Ribas sieht in dieser stilistischen Entscheidung einen deutlichen Unterschied zu dem Ideal García Morentes: »La literalidad de la traducción no es entendida, por tanto, en el sentido de transcribir con palabras castellanas, pero con sintaxis alemana, como le ocurre con frecuencia a la versión de García Morente.« Ebd. XVI. (»Die Wörtlichkeit der Übersetzung wird hier nicht, wie oft in der Übersetzung von García Morente, im Sinne eines Umschreibens mit spanischen Worten, aber in deutscher Syntax verstanden.«) Ribas gibt zu, dem Vorbild der Übersetzung ins Englische von Norman Kemp Smith gefolgt zu sein, um dieses Ziel zu erreichen, denn diese Übersetzung habe ihn davon überzeugt, »dass es möglich und nötig ist, die endlosen Sätze Kants in zwei und manchmal in drei oder vier zu zerschneiden, und dass es angebracht ist, die Personalpronomen (›er‹, ›sie‹, ›es‹) durch die Substantive zu ersetzen, für die sie stehen […].« Ebd. XXIV–XXV. Am Ende der hier zitierten Passage merkt Ribas aber an, dass er Norman Kemp Smith bezüglich dessen »Vorgehen […], von einigen Passagen Kants eigentlich eine regelrechte Interpretation zu liefern«, nicht folgt. 20 Pedro Ribas: ¿Se puede entender a Kant en español? Santander 2008. 15. 21 Vgl. dazu den Beitrag von Àlex Mumbrú: Dificultades en la traducción de la obra de Kant. El término Gemüt y sus variantes en español. In: 1611. Revista de Historia de la traducción. Universidad Autónoma de Barcelona 7 (2013) [http://www.traduccionliteraria.org/1611/ art/mumbru.htm]. 22 In den Fußnoten dokumentiert er auch die Forschungsdiskussion (vor allem im Anschluss an die Ausgaben von Raymund Schmidt [Felix Meiner Verlag] und Ingeborg Heidemann [Reclam]).

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enische (Giovanni Gentile), französische (André Tremesaygues, Bernard Pacaud) und englischsprachige (Norman Kemp Smith) Ausgaben konsultiert. B.  Kritik der praktischen Vernunft und Grundlegung zur Metaphysik der Sitten

Roberto Rodríguez Aramayo ist der derzeit prominenteste Repräsentant der Übersetzung der Philosophie der Aufklärung ins Spanische. Unter den zahlreichen Übersetzungen der Philosophie von Kant, die er vorgelegt hat, kommt denjenigen der KpV (2000) und der GMS (2002) besondere Bedeutung zu. Einer der wichtigsten Gründe, die Rodríguez Aramayo ins Feld führt, um die Notwendigkeit einer Ersetzung – und nicht bloß Aktualisierung – der zuvor von García Morente übersetzten Titel zu rechtfertigen, rührt von einer veränderten Vorstellung von dem her, was Werktreue ist. In Übereinstimmung mit Pedro Ribas vertritt Rodríguez Aramayo nämlich die Ansicht, García Morente habe den Fehler einer »übertriebenen Treue gegenüber dem Original« begangen. 23 Rodríguez Aramayo möchte vermeiden, »den Text deutsch zu lassen und nur die Wörter durch spanische zu ersetzen«; stattdessen versucht er, ihn ins Spanische zu übertragen, indem seine Übersetzung »dasselbe sagt, was dort gesagt wird, aber nach anderen syntaktischen Spielregeln«. 24 Darin auch dem Modell von Norman Kemp Smith folgend, hat es sich der Übersetzer der beiden Hauptwerke des moralphilosophischen Denkens Kants deshalb »erlaubt, einige Abschnitte zu unterteilen, die Zeichensetzung zu modifizieren, wo es angebracht erschien, und, ganz allgemein gesagt, konsequent auf Spanisch zu schreiben«. 25 Was die terminologischen Entscheidungen betrifft, muss man die interessante Rechtfertigung der Motive hervorheben, die den Autor bewogen haben, Optionen zu bevorzugen, die ihm angemessener erscheinen als die von García Morente – oder auch die von Mardomingo: z. B. Vorschrift (abwechselnd mit ›prescripción‹ oder mit ›precepto‹ übersetzt, um sich »Kants Unterscheidung zwischen Vor23 Rodríguez Aramayo vergleicht die beiden Übersetzungen unter Verwendung einer kuriosen Metapher: Während García Morente eine ›Photographie des Kanttextes‹ geliefert habe, nehme er, Roberto Rodríguez Aramayo, sich vor, eine ›Radiographie‹ desselben zu liefern. Der Unterschied bestehe darin, dass, während die Photographie die Lektüre zu sehr erschwere, die Radiographie es erlaube, »das Skelett« des kantischen Textes »sichtbar werden zu lassen, dieses mit spanischem Fleisch zu versehen und die verzwickte Prosa Kants in ein allgemein verständliches Romanisch [in ein möglichst einfaches Spanisch] zu überführen.« Kant: Crítica de la razón práctica [Anm. 13] 43. 24 Ebd. 44. 25 Ebd. »Für den Übersetzer sollte der Text so etwas wie eine musikalische Partitur sein, und seine Interpretation sollte sich darum bemühen, dem Geist des Komponisten gerecht zu werden, auch wenn er nicht vermeiden kann, ihr seinen Stempel aufzudrücken.« Ebd.

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schriften der Vernunft bzw. praecepta und den Empfehlungen und Vorschriften der Klugheit und der Geschicklichkeit zu eigen zu machen«), 26 oder Gesinnung (jetzt mit ›intención‹ übersetzt, anders als bei García Morente, der sich für ›dis­ posición de espíritu‹ entschieden hatte, oder bei Mardomingo, der ›actitud‹ verwendet); vgl. weiterhin Triebfeder (jetzt ›móvil‹ statt ›motor‹, ›resorte‹) und Be­ weg­ursache (jetzt ›motivación‹). Beide Ausgaben enthalten verlässliche Einleitungen, Bibliographien der Forschungsliteratur, eine Chronologie der Veröffentlichungen der wichtigsten philosophischen Schriften Kants sowie einen Namensindex. 27 C.  Kritik der Urteilskraft

Eine spanische Übersetzung der KU wurde von Roberto Rodríguez Aramayo und Salvador Mas28 gemeinsam erstellt und 2003 veröffentlicht;29 eine zweite Auflage dieser Übersetzung, mit einigen in verschiedenen Rezensionen nahegelegten Modifikationen, 30 erschien Jahre später. Als Fortführung des mit der Übersetzung der KpV und dann der GMS begonnenen Projektes, das kantische Erbe García Morentes einer tiefgehenden Revision zu unterziehen, fand diese spanische Version der dritten und letzten Kritik Kants Anerkennung, nicht nur wegen des neuen Zugangs der Übersetzer zum Stil Kants, sondern vor allem wegen der – freilich auch kontrovers diskutierten – terminologischen Neuerungen in der Übersetzung des kantischen Korpus; umstritten ist insbesondere die Überset26 Kant: Fundamentación para una metafísica de las costumbres. Hg. und übers. von Roberto R. Aramayo. Madrid 2002 [2012]. 60. 27 Weitere Informationen findet man in den Rezensionen von Ileana P. Beade: [Rez.] Kant, Immanuel: Crítica de la razón práctica. In: Con-Textos Kantianos (2014/01) 150–152, und Silvia di Sanza: [Rez.] Kant, Immanuel: Crítica del discernimiento. In: Con-Textos Kantianos (2014/01) 153–157. 28 Kant: Crítica del discernimiento. Hg. und übers. von Roberto R. Aramayo/Salvador Mas. Boadilla del Monte (Madrid), Antonio Machado Libros, 2003 [²2017]; [Madrid, Alianza, 2012]. 29 2012 veröffentlichte der Verlag Alianza (Madrid) eine zweite Auflage dieser Übersetzung als Taschenbuch; die Übersetzer nutzten die Gelegenheit, um einige signifikante Änderungen vorzunehmen und die Anregungen von einigen kritischen Rezensionen der Übersetzung aufzugreifen. Diese Korrektur hat einige Fehler sowie einige konfuse Passagen ausgemerzt, »die dem Originaltext angepasst bzw. begrifflich präziser gefasst wurden.« Silvia di Sanza [Rez.]: Kant: Crítica del discernimiento [Anm. 27]. Hervorzuheben sind außerdem die Erstellung einer neuen Einleitung und ein Zusatz zum Titel als Reaktion auf die Kritik, die neben anderen Jacinto Rivera de Rosales an der Ersetzung von ›juicio‹ durch ›discerni­ miento‹ geübt hatte. 30 Vgl. vor allem Jacinto Rivera de Rosales: [Rez.] In: Kant-Studien 100/1 (2009). 119–122, und José Villacañas Berlanga: Seguir con Kant. In: Isegoría 30 (2004). 230 f.

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zung des Terminus Urteilskraft mit ›discernimiento‹; diese Lösung revidiert die von García Morente eingeführte terminologische Unterscheidung von ›juicio‹ für Urteil und ›Juicio‹ für Urteilskraft. 31 D.  Kleinere zu Lebzeiten publizierte Schriften Kants

Rodríguez Aramayo ist der Autor – bzw. häufig auch Koautor – neuer spanischer Übersetzungen etlicher Schriften Kants, von denen die meisten der praktischen Philosophie angehören; diese Ausgaben sind mit gründlichen Einleitungen und Dokumentationen zeitgenössischer Texte, mit Angaben der originalen Seitenzählung, mit Auswahlbibliographien, Chroniken usw. ausgestattet. Hier kann man auf Titel wie die folgenden verweisen: ¿Qué es la Ilustración? [WA] Y otros escritos de ética, política y filosofía de la historia, 32 El conflicto de las Facultades. En tres partes [SF]; Ideas para una historia universal en clave cosmopolita [IaG], 33 Hacia la paz perpetua. Un diseño filosófico [ZeF]34 und jüngst Sobre el mal radical en la naturaleza humana, o de la morada interior del principio moralmente malo junto al bueno [Über das radikale Böse in der menschlichen Natur]35 . Die letztgenannten Übersetzungen, die – wie die vorhergehenden – philologischen Standards genügen, sind digital zugänglich; die Barrieren zwischen dem spanischsprachigen Werk Kants in Spanien einerseits und andererseits in Lateinamerika schwinden allmählich durch die neuen digitalen Publikationsformen. 31 Diese semantische Differenzierung durch Minuskel/Majuskel ist auch in etlichen Übersetzungen in diverse andere Sprachen vorgenommen worden. 32 Kant: Qué es la Ilustración? Y otros escritos de ética, política y filosofía de la historia. Hg. von Roberto R. Aramayo in Zusammenarbeit mit Concha Roldán/Manuel Francisco Pérez López. Madrid 2013. 33 Kant: Ideas para una historia universal en clave cosmopolita y otros escritos sobre filosofía de la historia. Einltg. von Roberto R. Aramayo. Übers. von Concha Roldán Panadero/Roberto R. Aramayo. Madrid 1994 [ 32006]. Die Ausgabe enthält die folgenden Texte Kants: Idea para una historia universal en sentido cosmopolita [IaG], Recensiones sobre la obra de Herder ›Ideas para una filosofía de la historia de la humanidad‹ [RezHerder], Probable inicio de la historia humana [MAM], En torno al tópico: tal vez eso sea correcto en teoría, pero no sirve para la práctica [TP]. Eine Rezension diese Sammlung bietet Ileana P. Beade: [Rez.] Kant, Immanuel: ¿Qué es la Ilustración? […]. In: Con-Textos Kantianos (2014/1). 141– 145. 34 Kant: Hacia la paz perpetua. Un diseño filosófico. Hg., übers., eingeleitet und kommentiert von Roberto R. Aramayo. Madrid 2018. Die Bibliografía (ebd. 43–64) enthält Verweise auf alle früheren spanischen Editionen des Werkes sowie auf die wichtigsten Übersetzungen in andere Sprachen. [https://ctkebooks.net/translatio/hacia-la-paz-perpetua-un-disenofilosofico/] 35 Diese Übersetzung erschien in: Con-Textos Kantianos 10 (Dez. 2019). 204–229. Dem kantischen Text geht ein einleitender Artikel voraus, vgl. ebd. 188–203.

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Wie einleitend erwähnt, treten unter den Titeln der in den letzten vierzig Jahren ins Spanische übertragenen Schriften Kants jene besonders hervor, die in der internationalen Kant-Forschung zunehmend Beachtung gefunden haben, aber bis dato im Rahmen der spanischen Kant-Forschung noch wenig untersucht worden waren. Dazu gehören einige vorkritische Schriften und insbesondere die Texte des Nachlasses (wie etwa die posthumen Schriften, Reflexionen und die von Kant gehaltenen Vorlesungen). E.  Vorkritische Schriften Kants

Die Übersetzung der vorkritischen Schriften Kants im Berichtszeitraum war kein Novum, sondern es gab durchaus einige Vorgängerübersetzungen. Neuere Übersetzungen verdanken sich hervorragenden Kennern der deutschen Sprache und Experten für das vorkritische Werk Kants. Unter diesen qualifizierten Übersetzungen sind insbesondere die folgenden hervorzuheben: Pensamientos sobre la verdadera estimación de las fuerzas vivas [GSK] 36; der kurze Text Ensayo sobre las enfermedades de la cabeza [VKK]37; die Inauguraldissertation Principios formales del mundo sensible y del inteligible [MSI]38 . Andere Veröffentlichungen aus dem besagten Zeitraum haben dazu beigetragen, die Zahl der Übersetzungen vorkritischer Schriften Kants zu erhöhen 39 und den lateinamerikanischen Beitrag von Roberto Torretti und anderen Kollegen zu ergänzen. 36 Kant: Pensamientos sobre la verdadera estimación de las fuerzas vivas. Übers. und Kommentar von Juan Arana Cañedo-Argüelles. Bern/Frankfurt a.M./New York/Paris 1988. Vgl. Mario Caimi: [Rez.] In: Kant-Studien 81 /3 (1990). 371 f. Dieser Text war zuvor schon von Eduardo Ovejero Mauri übersetzt worden (Madrid 1921), aber der Titel Pensamientos metafísicos de las ciencias naturales, unter dem er erschienen war, legt, wie bereits erwähnt, die irrtümliche Vorstellung nahe, es handele sich um eine Übersetzung der Metaphysische[n] Anfangsgründe der Naturwissenschaft [MAN] von 1786 [Anm. 8]. 37 Kant: Ensayo sobre las enfermedades de la cabeza. Einleitung von Agustín Béjar Trancón. Übers. von Jacinto Rivera de Rosales /Alberto Rábano Gutiérrez. Madrid 2001 (2018). Vgl. María Jesús Vázquez Lobeiras: [Rez.] In: Ágora 23/1 (2004). 227–229. 38 Kant: Principios formales del mundo sensible y del inteligible [Disertación de 1770]. Übers. von Ramón Ceñal Lorente. Mit einer einleitenden Studie und Ergänzungen von José Gómez Caffarena. Madrid 1996. Vgl. Mario Caimi: [Rez.] In: Kant-Studien 91/2 (2000). 252–254. 39 Kant: Opúsculos de filosofía natural. Einleitung, Übers. und Anmerkungen von Atilano Domínguez. Madrid 1992 (darin: Sobre el fuego [De igne], Monadología física [MoPh], Del movimiento y del reposo [NLBR], Las magnitudes negativas [NG], Las regiones del espacio [GUGR]). Kant: Sobre el primer fundamento de la diferencia de las regiones del espacio [GUGR]. Übers., eingeleitet und mit Anm. versehen von Maria Luisa Posada Kubissa. In: Er (Sevilla) 9/10 (1989). 243–555. Kant: Sueños de un visionario explicados mediante los ensueños de la metafísica [TG]. Vorwort von Rudolf Malter. Krit. Ausg. des deutschen Textes. Einleitung, Übers. und Anmerkungen von Cinta Canterla. Universidad de Cádiz

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F.  Posthume Schriften

Von den posthumen Schriften Kants lagen vor Beginn der 1980er Jahre noch keine Übersetzungen vor. Doch dann übersetzte Félix Duque 40 Teile und präsentierte sie in einer sorgfältigen Edition unter dem Titel Transición de los prin­ cipios metafísicos de la ciencia natural a la física: Opus Postumum (1983 [1991]). 41 Naturgemäß handelt es sich um eine Akzente setzende Auswahl aus dem Opus postumum Kants. 42 Um mit den posthum erschienenen Texten Kants fortzufahren: Von der Ersten Einleitung zur KU gibt es zwei unterschiedliche Übersetzungen. Die erste stammt von José Luis Zalabardo, die zweite, neuere, von Nuria Sánchez Madrid. Die Version von José Luis Zalabardo43 liefert eine korrekte spanische Übersetzung dieser Schrift Kants, die erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts erstmals publiziert wurde. 44 Die 2011 in Madrid in der Übersetzung von Nuria Sánchez Madrid45 publizierte Ausgabe ist zweisprachig, mit einer ausführlichen Einleitung und einem Anhang mit Kants einschlägiger Korrespondenz versehen.

1989. Eine andere Übersetzung desselben Werks verdankt sich Pedro Chacón und Isidoro Reguera, Madrid 1994. Kant: Aviso sobre la orientación de sus lecciones en el semestre de invierno 1765–1766. Übers., eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Alfonso Freiré. In: Ágora (Santiago de Compostela) 10 (1991). 131–152. Kant: Observaciones acerca del sentimiento de lo bello y de lo sublime [GSE]. Übers. und mit Anmerkungen versehen von Luis Jiménez Moreno. Madrid 1990. Kant: El único fundamento posible de una demostración de la existencia de Dios [BDG]. Übers. von José María Quintana Cabanas. Barcelona 1989. 40 Später hat Félix Duque seine Übersetzung von Kants Fortschritte[n] der Metaphysik [FM] publiziert [Los progresos de la metafísica desde Leibniz y Wolff. Madrid 1987] und ihr unter dem Titel: Historia y Metafísica. El frágil espejo móvil de la razón. Contribución al estudio de la Aetas Kantiana. 1790–1797, einen viel beachteten Essay vorausgeschickt, in dem es auch um text- und überlieferungsgeschichtliche Fragen geht. 41 Kant: Transición de los principios metafísicos de la ciencia natural a la fisica. Opus Postumum. Hg. und übers. von Félix Duque. Madrid 1983 [Barcelona 1991]. 42 Zu den Übersetzungen des Opus postumum ins Französische und ins Rumänische vgl. die Beiträge von Sophie Grapotte und Rodica Croitoru im vorliegenden Band. 43 Kant: Primera Introducción a la Crítica del Juicio. Übers. von José Luis Zalabardo. Madrid 1987. 44 Vgl. einige kritische Anmerkungen in der Rezension dieser Publikation durch Mario Caimi: [Rez.] In: Kant-Studien 80/4 (1989). 485 f. 45 Kant: Primera Introducción de la Crítica del Juicio. Zweisprachige Ausgabe. Eingeleitet, übers. und hg. von Nuria Sánchez Madrid. Madrid 2011.

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G.  Kants Vorlesungen Die internationale Kant-Forschung und -Philologie hat Kants Lehrtätigkeit zunehmend Aufmerksamkeit geschenkt, und dies hat sich auch in übersetzerischen Initiativen niedergeschlagen, häufig als Folge von Forschungsaufenthalten spanischsprachiger Kant-Forscher(innen) in Deutschland. Man kann in diesem Zusammenhang auf die folgenden Veröffentlichungen hinweisen: auf die Lógica, acom­ pañada de una selección de Reflexiones del legado de Kant 46 , übersetzt von María Jesús Vázquez Lobeiras, auf die von Alba Jiménez Rodríguez übersetzten Leccio­ nes de filosofía moral. Mrongovius II, 47 auf die Lecciones de Antropología. Frag­ mentos de estética y antropología, eine Übersetzung von Manuel Sánchez García, 48 sowie auf die Lecciones de Filosofía de la Religión aus der Feder von Alejandro del Río und Enrique Romerales. 49 Dieses wertvolle Material aus dem kantischen Nachlass ergänzt die schon länger vorliegenden Lecciones de Ética in der von Roberto Rodríguez Aramayo und Concha Roldán Panadero gemeinsam vorgelegten Übersetzung 50 sowie die von Rodríguez Aramayo herausgegebene Antropología práctica 51.

46 Kant: Lógica, acompañada de una selección de Reflexiones del legado de Kant. Übers. und mit Anmerkungen versehen von María Jesús Vázquez Lobeiras. Vorwort von Norbert Hinske. Madrid 2000. Vgl. dazu den Beitrag von María Jesús Vázquez Lobeiras im vorliegenden Band. 47 Kant: Lecciones de filosofía moral. Mrongovius II. Übers., eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Alba Jiménez Rodríguez. Salamanca 2017. Jesús Pinto Freyre und Adrián Santamaría Pérez haben [in: Con-Textos Kantianos. International Journal of Philosophy 5 (Juni 2017). 448–451] eine kritische Besprechung dieses Materials aus dem Nachlass publiziert. Für eine weitere Rez. dieser Publikation vgl. Pablo Veraza Tonda: [Rez.] In: Revista de Estudios Kantianos 2/1 (2017). 89 f. 48 Kant: Lecciones de Antropología. Fragmentos de Estética y Antropología. Eingeleitet, hg. und übers. von Manuel Sánchez Rodríguez. Granada 2015; vgl. dazu die Rezension von Fiorella Tommasini: [Rez.] In: Revista de Estudios Kantianos 1/1 (2016). 99 f. 49 Kant: Lecciones sobre la filosofía de la religión. Hg. und übers. von Alejandro del Río/ Enrique Romerales. Anmerkungen von Alejandro del Río. Madrid 2000. 50 Kant: Lecciones de Ética. Einleitung und Anmerkungen von Roberto Rodríguez Aramayo. Übers. von Roberto Rodríguez Aramayo/Concha Roldán Panadero. Barcelona 1988. 51 Kant: Antropología práctica (según el manuscrito inédito de C. C. Mrongovius, fechado en 1785). Hg., mit einer Einleitung und Anmerkungen versehen von Roberto R. Aramayo. Madrid 1990. Was Kants Nachlass betrifft, ist auch die folgende, ebenfalls von R. R. Aramayo herausgegebene Anthologie zu berücksichtigen: Kant: Antología del Nachlass relativo a su filosofía práctica. Hg. von Roberto R. Aramayo. Barcelona 1991.

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H.  Weitere Erstübersetzungen

1989 erschien eine vollständige spanische Übersetzungen der MS, die bis zu diesem Zeitpunkt nur in Teilen übersetzt worden war. Die Übersetzung des Textes und die Anmerkungen stammen von Adela Cortina Orts und Jesús Conill Sancho;52 die Übersetzung basiert auf AA 04 (hg. von Paul Natorp), erweitert aber diese Ausgabe. Die spanische Gesamtübersetzung hat Anerkennung gefunden, 53 zumal damit der spanischsprachigen Kant-Forschung ein grundlegendes Werk zugänglich gemacht wurde, dessen spanische Übersetzung ein evidentes Desiderat markiert hatte. Auch MAN ist 1991 in einer strengen Maßstäben genügenden Ausgabe in der Übersetzung von José Aleu Benítez erschienen, welche eine Bereicherung der Studien zur theoretischen Philosophie Kants darstellt.54 Aus dem Spanischen übersetzt von Jürgen Lang

52

Kant: La Metafísica de las Costumbres. Einleitung von Adela Cortina Orts. Übers. und mit Anmerkungen versehen von Jesús Conill Sancho. Madrid 1989. 53 Vgl. Caimi: [Rez.]. In: Kant-Studien 83/2 (1992). 246 f. 54 Kant: Principios metafísicos de la ciencia de la naturaleza. Eingeleitet und übers. von José Aleu Benítez. Madrid 1991.

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Interview mit Mario Caimi Mario Caimi

Mario Caimi (Buenos Aires) zählt nicht nur zu den international prominenten Kant-Forschern, sondern auch zu den profiliertesten Kant-Übersetzern in der spanischsprachigen Welt. Nicht zuletzt für sein übersetzerisches Engagement erhielt er 2010 den Internationalen Kant-Preis. Zwischen 1984 und 2007 hat er u. a. die Prolegomena, Über eine Entdeckung, nach der alle neue Kritik der reinen Vernunft durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll, Über ein vermeintes Recht, aus Menschenliebe zu lügen, die Preisschrift über die Fortschritte der Metaphysik, die Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, vor allem aber die Kritik der reinen Vernunft ins Spanische übersetzt. Die zuletzt genannte Übersetzung erschien 2007 in Buenos Aires in einer einsprachigen, 2009 dann in Mexiko in einer zweisprachigen, 2018 in einer verbesserten Ausgabe.1 Einschlägig für den Schwerpunkt des vorliegenden Bandes ist zudem der von Mario Caimi und anderen herausgegebene, 2017 erschienene Diccionario de la filosofía crítica kantiana. 2

Frage:

Angesichts Ihrer langjährigen und reichen Erfahrung als Übersetzer von Werken Kants ins Spanische möchten wir zunächst nach den Hintergründen und Motiven Ihrer übersetzerischen Arbeit fragen. Haben Sie diese Arbeit als eine Notwendigkeit empfunden, die sich aus der Unzulänglichkeit der vorliegenden Übersetzungen ergab, oder haben Sie das Übersetzen eher als Möglichkeit der Vertiefung Ihrer inhaltlichen Auseinandersetzung mit Kant wahrgenommen? Erlaubt Ihnen die Diglossie eine Schärfung des hermeneutischen Zugriffs auf die Texte? 1

Kant: Crítica de la razón pura. Zweisprachige deutsch-spanische Ausgabe. Übers., eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Mario Caimi; Sach- und Namensindices von Esteban Amador, Mariela Paolucci und Marcos Thisted; sprachvergleichendes Glossar unterschiedlicher Übersetzungen von Dulce María Granja, María de Jesús Gallardo, Ernesto Aguilar und Oscar Palancares. Mexiko 2009 [²2018]. – Zur übersetzerischen Tätigkeit Mario Caimis vgl. die Beiträge von Marcos Thisted im vorliegenden Band. 2 Diccionario de la filosofía crítica kantiana. Hg. von Mario Caimi/Ileana Beade/José González Ríos/Macarena Marey/Fernando Moledo/Mariela Paolucci/Hernán Pringe/Marcos Thisted. Buenos Aires 2017.

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Mario Caimi

Antwort:

Nicht nur die Unzulänglichkeit der vorliegenden Übersetzungen, sondern vor allem der dringende Wunsch, mir den Text der KrV und der anderen Werken vollständig anzueignen, war der Grund meiner Beschäftigung mit den Übersetzungen. Nach all den Jahren des Kant-Studiums (seit 1972 habe ich mich mit der ersten Kritik intensiv beschäftigt, und zwar ununterbrochen) habe ich mir die Übersetzung der KrV als eine Art von Lebensaufgabe vorgenommen. Von einer ›Schärfung des hermeneutischen Zugriffs auf die Texte‹ kann man durchaus sprechen. Natürlich hat die sprachliche Analyse, die bohrende Beschäftigung mit jedem einzelnen Satz, die Auseinandersetzung mit dessen Bestandteilen, eine Art von intimem Zugang zu den darin enthaltenen Gedanken ermöglicht. Ein gewisser Arbeitsrausch ist dann entstanden. Dreieinhalb Jahre lang konnte ich von der Übersetzungsarbeit nicht lassen. Ich konnte auch während dieser Periode kaum eine andere Tätigkeit ausüben.

Frage:

Welche kantischen Schriften haben Sie erstmals ins Spanische übersetzt, welche von Ihren Übersetzungen sollten ältere Übersetzungen ersetzen, die Ihnen unzulänglich erschienen, und welche Ihrer Neuübersetzungen verdanken sich anderen Motiven?

Antwort:

Die Fortschritte der Metaphysik sind, soweit ich weiß, erstmals in meiner Übersetzung auf Spanisch zugänglich. Ebenso Kants Metaphysik Dohna-Wundlacken. Die polemische Schrift gegen Eberhard lag in einer erbärmlichen spanischen Übersetzung vor; ich habe versucht, sie durch eine bessere zu ersetzen. Von der KrV lagen schon ältere Übersetzungen vor (José del Perojo, Manuel Fernández Núñez), sie entsprachen aber wissenschaftlichen Ansprüchen nicht. Manuel García Morente hat eine zwar vorbildliche, aber unvollständige Übersetzung der KrV geliefert. Fast die ganze zweite Hälfte des Werkes blieb von ihm leider unbearbeitet. Diesen fehlenden Teil haben die Herausgeber durch den entsprechenden Teil einer älteren Übersetzung ersetzt. Später ist die gute Arbeit von Pedro Ribas erschienen, der den Text mit größerer Sorgfalt behandelt hat. Meine eigenen Motive waren nach wie vor, mir die Texte persönlich anzueignen. An der Übersetzungsarbeit als solcher fand ich Vergnügen. Ich sah mich dabei in der glücklichen Lage, etwas zu leisten, das für die Spanisch sprechenden Leser und Universitäten auch nützlich war.

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Frage:

Sind miteinander konkurrierende Übersetzungen in eine Sprache wünschenswert, und welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach der kompetitive Aspekt im dynamischen Prozess des Übersetzens von Kants Werken?

Antwort:

Ich glaube schon, dass konkurrierende Übersetzungen wünschenswert sind. Von möglichen Fehlern abgesehen, denen durch den Vergleich von Übersetzungen vorgebeugt werden kann, werden auch manche legitime unterschiedliche Aspekte des Ausgangstextes durch verschiedene Übersetzer ans Licht gebracht. Außerdem ist Spanisch eine wegen seiner enormen geographischen Verbreitung komplizierte Sprache geworden. Man muss sich bei jedem Schritt vergewissern, ob die gewählten Wörter und Ausdrücke echt Spanisch oder aber dialektale, ortsbedingte Formen sind. Der Vergleich von Übersetzungen und noch mehr die Kenntnis der Belletristik jedes Landes spielen da gewiss eine Rolle.

Frage:

Welches Gewicht haben für Sie einerseits Lesbarkeit, andererseits Texttreue/ Wörtlichkeit als übersetzerische Prinzipien? Haben Sie einem dieser beiden Prinzipien in ihren Übersetzungen den Vorrang eingeräumt? Gibt es Ihrer Erfahrung nach typische Fälle, in denen das eine Prinzip hinter dem anderen zurücktreten muss? In welchem Ausmaß haben auch stilistische Erwägungen und etwa das Streben nach Eleganz eine Rolle in Ihrer übersetzerischen Arbeit gespielt?

Antwort:

Weder Wörtlichkeit noch Eleganz sollten m. E. bei der Übersetzung philosophisch-wissenschaftlicher Texte eine Rolle spielen. Das maßgebliche Prinzip ist in diesem Fall die cartesianische Klarheit und Deutlichkeit bei der Wiedergabe des Gedankens. Nicht den Worten, sondern dem Inhalt soll man treu bleiben. Die Wörtlichkeit erzeugt eigenartige Probleme: Einerseits kann eine wörtliche Übersetzung vom Deutschen ins Spanische wegen des unterschiedlichen Bedeutungsbereichs einzelner Wörter und des ganz anderen Satzbaus geradezu unverständlich werden. Andererseits findet man im Original oft Sätze und Wörter vor, die einem merkwürdig vorkommen. Dann entsteht die Versuchung, sie durch andere, geläufigere zu ersetzen. Davor aber sollte sich der Übersetzer in Acht nehmen, denn es ist sehr wohl möglich, dass der Autor mit diesen scheinbar verfehlten Ausdrücken etwas gemeint hat, das dem Übersetzer aus Unwissenheit (oder aus eigener Beschränktheit) entgeht. Der Übersetzer sollte sich selber verbieten, den ursprünglichen Text in diesem Fall zu ›verbessern‹. In diesem und ähnlichen Fällen ist Wörtlichkeit angezeigt. Zum Glück verfügen wir bei der Übersetzung von wissen­­

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schaftlichen (im Unterschied zu literarischen) Texten über die Möglichkeit, Fußnoten einzuschieben, in denen wir unsere Verlegenheit bzw. die unterschiedlichen Möglichkeiten der Wiedergabe erklären können. Die Eleganz ihrerseits stellt bei der Übersetzung ins Spanische leider ein Pro­ blem dar. Die spanische Sprache selbst kann (durch Klang, durch Rhythmus, eben durch die Neigung zur Eleganz) den Übersetzer oft in die Irre führen. Das kann wenig treue Übersetzungen verursachen, wenn die kantische, oft mit Trockenheit verbundene Präzision dann verloren geht. Kant selber hat sich über diese Frage in einem Brief an Schütz geäußert, in dem er auf Borns lateinische Übersetzung der KrV Bezug nimmt. 3

Frage:

Der Übersetzer stößt im Originaltext häufig auf Zwei- oder Mehrdeutigkeiten, zum einen auf kontextunabhängige Zwei-/Mehrdeutigkeiten von Wörtern der jeweiligen Ausgangssprache, zum anderen auf Ambiguitäten und Mehrdeutigkeiten einzelner Formulierungen im konkreten kantischen Kontext. Selbst wenn das Übersetzen eine Praxis ist, die hermeneutisch reflektierte Entscheidungen verlangt, wird der Übersetzer in manchen Fällen Doppel-/Mehrdeutigkeiten der zweiten Art nicht ausräumen können, sondern versuchen, sie in der Zielsprache beizubehalten. Wie haben Sie in Ihrer übersetzerischen Praxis Schwierigkeiten dieser Art gelöst?

Antwort:

Mehrdeutigkeiten können wohl in der Sprache selbst ihren Ursprung haben; aber sie können auch Schwankungen im Denken des Autors selbst zum Ausdruck bringen. Es ist auch möglich, dass die Stellen, die uns gemeinen Lesern und Übersetzern fehlerhaft bzw. unverständlich erscheinen, gerade die Stellen sind, in denen der Genius des Autors wohnt und seine bahnbrechenden Innovationen enthalten sind. Gegenüber einer solchen überlegenen Intelligenz wie der Kants fühlte ich mich nicht berechtigt, eigenhändige Entscheidungen zu treffen, die dazu hätten dienen können, die Mehrdeutigkeit auszuräumen, denn ich meinte immer, vielleicht stehe ein Gedanke dahinter, den ich wegen meiner eigenen Beschränktheit nicht auffassen bzw. nicht erahnen könne. Deswegen habe ich in Zweifelsfällen immer auf die Möglichkeit zurückgegriffen, Fußnoten zu setzen. In diesen konnte ich das Problem aufzeigen und die unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten darlegen, um dann meine eigene Wahl zu begründen.

Frage:

Zweisprachige Ausgaben haben neben vielen anderen Vorteilen auch denjenigen, solche Ambiguitäten am Originaltext dokumentieren zu können. Ihre Überset3

Kant an Christian Gottfried Schütz, Brief vom 25.06.1787, AA 10: 490.

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Interview mit Mario Caimi

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zung der KrV haben Sie zunächst als einsprachige und anschließend als zweisprachige Ausgabe veröffentlicht. Haben diesbezüglich pragmatische Gründe – etwa das Fehlen einer brauchbaren zweisprachigen Ausgabe der KrV – oder grundsätzliche übersetzungstheoretische Überlegungen den Ausschlag gegeben? Wo sehen Sie die Vorteile zweisprachiger Ausgaben, die ja nicht nur durch die entstehende russische Werkausgabe, sondern auch durch zahlreiche Einzelausgaben kantischer Werke in den romanischen Sprachen und in englischer Übersetzung mittlerweile erheblich an Bedeutung gewonnen haben?

Antwort:

Nicht ich, sondern der mexikanische Verlag kam auf die Idee, die KrV zweisprachig herauszugeben. Das ist natürlich zu begrüßen, zumal der Verlag eine glänzende Leistung erbrachte. Der Text der KrV darf sehr wohl als ein Monument der menschlichen Kultur betrachtet werden. Er hat einen Wert an sich. Der Text der Übersetzung ist eine mehr oder weniger gelungene Kopie. Es ist wünschenswert, die Abbildung mit dem Original vergleichen zu können. Manche nicht theoretisch-wissenschaftlichen, sondern literarisch-stilistischen Eigentümlichkeiten des deutschen Textes lassen sich in der Übersetzung nur schwer oder gar nicht wiedergeben. Wenn der Leser die Möglichkeit hat, den Originaltext heranzuziehen, wird er auf manche unerwarteten Nuancen aufmerksam gemacht. Zum Beispiel ist die lateinische Struktur von einigen deutschen Sätzen auf Spanisch selbstverständlich und bleibt leicht unbemerkt; nur im deutschen Text fällt sie auf. 4

Frage:

In der Praxis der Kant-Übersetzung besteht eines der grundsätzlichen Probleme darin zu unterscheiden, wo überhaupt ein terminus technicus vorliegt, bevor sich dann die Frage der adäquaten Übersetzung dieses Terminus stellt. Wie stellen sich Grundsatzentscheidungen dieser Art vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrung als Übersetzer dar?

Antwort:

Ein Beispiel dieses Problems stellt der Terminus Begriff dar. Er ist bekanntlich ein terminus technicus und gehört als solcher nicht in die Ästhetik, sondern in die Analytik der KrV. Aber in kantischem Deutsch wird er gelegentlich als allgemeine Bezeichnung von Vorstellung eingeführt. Es ist eine heikle Entscheidung zu bestimmen, ob dieser terminus etwa in der »Transscendentale[n] Erörterung des Begriffs vom Raume« (KrV § 3, B 40) in der allgemeinen alltäglichen oder in der spezifischen, technischen Bedeutung aufgefasst werden soll.

4

Vgl. dazu den Beitrag von Mario Caimi im vorliegenden Band.

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Mario Caimi

Ich möchte an dieser Stelle wiederholen, dass der Rückgriff auf die Fußnoten als Erklärungswerkzeuge in diesen Fällen eine entscheidende Hilfe bietet.

Frage:

Oft signalisieren deutsch-lateinische Begriffsdubletten eine terminologische Absicht Kants. Welche Rolle spielt die lateinische Terminologie (unterschiedlicher Provenienz) Ihrer Ansicht nach in Kants Philosophie?

Antwort:

Zu der Zeit, als Kant als Student die Universität besuchte, war Latein die Sprache der Akademie. Nur wenige Versuche wurden damals an den deutschen Universitäten gemacht, Philosophie auf Deutsch vorzutragen. Deswegen kann man vermuten, dass die erste Aneignung der Fachausdrücke auch bei Kant durch das Latein erfolgte. Das gilt nicht nur für die einzelnen termini, sondern auch für Definitionen und Prinzipien. Manchmal bedient sich Kant eines lateinischen Ausdrucks zur Erklärung des deutschen Worts, denn seinen akademischen Lesern war das lateinische Wort geläufiger als das deutsche.

Frage:

Hat die Bornsche Übersetzung kantischer Werke ins Lateinische für Übersetzer in die romanischen Sprachen neben ihrer historischen noch irgendeine aktuelle Bedeutung?

Antwort:

Ich kann nur sagen, dass ich in Borns lateinischer Übersetzung der KrV gelegentlich nachgeschlagen habe. Das habe ich bei der Übersetzung anderer kantischer Werke leider nicht getan. Borns Wortwahl stimmt aber nicht immer mit den Entscheidungen überein, die sich dem Übersetzer ins Spanische als beinahe selbstverständlich anbieten. Born gibt z. B. Anschauung durch ›visio‹ (Spanisch ›visión‹) wieder, wo sich das Wort ›intuición‹ im Spanischen etabliert hat. Im Allgemeinen betrachtet Kant selber die Bornsche Übersetzung eher als einen literarischen denn als einen wissenschaftlichen Versuch. Am 3. November 1786 schreibt Christian Gottfried Schütz an Kant, Borns Übersetzung wird »ächt­ lateinisch, und ebendeshalb auch frey seyn«. Darauf reagiert Kant am 25. Juni 1787 mit der Bitte an Schütz, dieser möge sich bemühen, »den Styl, der vielleicht zu sehr auf die Eleganz angelegt seyn möchte, mehr der scholastischen, wenngleich nicht so altlateinischen Richtigkeit und Bestimmtheit anzupassen.« (AA 10: 490). Das alles zeigt, dass sich einige Vorsicht bei der Benutzung der Bornschen Übersetzung empfiehlt. Es lohnt sich nichtsdestoweniger, bei besonders schwierigen Stellen gelegentlich auch in Borns Text nachzuschlagen.

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Interview mit Mario Caimi

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Frage:

Welche Begriffe haben Sie als Übersetzer vor besonders schwierige Probleme gestellt? In Ihren Aufsätzen haben Sie u. a. die mit den Begriffen Gemüt und Wirklichkeit verbundenen Übersetzungsprobleme thematisiert, Gleiches gilt für den auch im Englischen und Italienischen wie im Spanischen kaum adäquat übersetzbaren Begriff Gegenstand. Welche weiteren Ihrer Erfahrung nach für die Übersetzung ins Spanische besonders problematischen Begriffe wären hier anzuführen?

Antwort:

Manche Begriffe werfen bloß sprachliche Probleme auf, wie im Fall von Gemüt, einem Begriff, den manche Übersetzer ins Spanische aus mir unverständlichen Gründen nicht durch ›mente‹ wiedergeben wollen. Die Übersetzung von Gemüt wurde von Valerio Rohden eigens untersucht.5 Manchmal wendet Kant beim selben Begriff den deutschen und manchmal den lateinischen Terminus an, ohne dass ein Grund für diesen Wechsel ersichtlich ist. Aber sehr oft gibt es doch einen wichtigen Grund dafür, den deutschen von dem lateinischen Ausdruck zu unterscheiden, denn sie ergeben inhaltliche Schwierigkeiten, wie das Paar Realität – Wirklichkeit bzw. das Paar Gegenstand – Objekt. Über Objekt im Unterschied zu Gegenstand hat Henry Allison eine interessante Hypothese vorgelegt, die hier aber nicht besprochen werden kann.6 Jedenfalls verlangen diese Dubletten immer eine eingehende Betrachtung und eine schwierige Entscheidung.7 Ein weiteres Problem präsentieren Begriffe, deren Übersetzung durch die übersetzerische Tradition festgelegt wurde, für die aber vielleicht eine genauere Äquivalenz möglich wäre. Das ist z. B. der Fall bei dem Wort Apperzeption, das in Spanisch vielleicht besser durch ›percatación‹ (das Wissen vom Wissen) wiedergeben werden könnte. In solchen Fällen sind Innovationen aber immer riskant. Ähnlich stellt das Wort Urteilskraft im Spanischen ein Problem dar, denn es gibt auf Spanisch nur ein Wort sowohl für das Urteil als auch für das Vermögen zu urteilen. García Morente löste diese Schwierigkeit, indem er Urteilskraft durch das großgeschriebene ›Juicio‹, Urteil dagegen durch das kleingeschriebene Wort ›juicio‹ wiedergab. Rodríguez Aramayo hat den Terminus Urteilskraft durch ›discernimiento‹ wiedergegeben. Oyarzún, der auch die dritte Kritik übersetzt hat, wählt für Urteilskraft das Syntagma ›facultad de juzgar‹. Ich habe mich gefragt, ob

5 Valerio

Rohden: O sentido do termo Gemüt em Kant. In: Analytica. Bd. 1,1. Rio de Janeiro 1993. 61–75. 6 Henry Allison: Kant’s Transcendental Idealism. An Interpretation and Defense. New Haven/London 1983. 7. Kap. In einer späteren Ausgabe seines Buches (2004) hat Allison diese Hypothese aufgegeben. 7 Vgl. dazu den Beitrag von François Ottmann im vorliegenden Band.

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Mario Caimi

es vielleicht richtig wäre, Urteilskraft als ›potencia judicativa‹ zu übersetzen. Aber ich habe mich nicht getraut, diese Übersetzung zu wählen.

Frage:

Eine selten thematisierte, jedoch weit verbreitete übersetzerische Praxis besteht in der Zwischenschaltung von sogenannten Scharnier- oder Relaisübersetzungen zwischen ausgangs- und zielsprachlichem Text, von indirekten Übersetzungen oder Übersetzungen ›aus zweiter Hand‹. 8 Die Bornsche Übersetzung hat gewiss für etliche frühe Übersetzungen eine solche Rolle gespielt, seit dem 18. Jahrhundert hat das Französische generell häufig eine solche Mittlerfunktion gehabt; in Lateinamerika scheinen auch italienische Kant-Übersetzungen eine gewisse Rolle für portugiesisch-/ spanischsprachige Übersetzungen gespielt zu haben, vermutlich wird zwischen dem Spanischen und dem Portugiesischen Transfers dieser Art eine erhebliche Bedeutung zukommen, und ganz gewiss werden die englischsprachigen Übersetzungen von Kants Schriften im Rahmen der Cambridge Edition aus dem genannten Grunde nicht nur die internationale Übersetzungstätigkeit, sondern auf diesem Wege auch die Kant-Auslegung dauerhaft stark beeinflussen. Sie selbst haben eigener Auskunft zufolge (Nota a la traducción) Übersetzungen in verschiedene Sprachen für Ihre Übersetzung der KrV konsultiert. Lässt sich diese Praxis dahingehend fruchtbar machen, die internationalen Übersetzungen der Schriften Kants zu vernetzen und die übersetzerische Praxis zu operationalisieren und, auf welche Weise auch immer, zu systematisieren?

Antwort:

Ich möchte unterscheiden: Einerseits würde ich indirekte Übersetzungen (wie etwa die spanische Version der KrV von Manuel Fernández Núñez nach der französischen Übersetzung) strikt ablehnen. Sie führen nur zur Weitervererbung von Fehlern und bringen einen abgeschwächten Text hervor, da der Übersetzer nicht in der Lage ist, für seine Entscheidungen Gründe vorzulegen. Andererseits bin ich aber sehr dafür, dass man andere Übersetzungen sowie Übersetzungen in andere Sprachen sorgfältig (und das heißt, Satz für Satz) konsultiert, um die eigene Arbeit zu kontrollieren. Die Fehler, die man selbst begeht, werden dann sofort von den anderen Übersetzungen angezeigt; und andererseits dient der Fehler, den ein anderer Übersetzer womöglich begangen hat, einem als Warnung. Dieses Verfahren dient aber nur zur Kontrolle. Nach meiner Erfahrung ist es gar nicht möglich, sich auf andere Übersetzungen zu stützen, um die eigene zu verfertigen. Selbst verwandte Sprachen wie Italienisch oder Französisch können diese Hilfe nicht leisten. Eine jede Sprache und ein jeder Sprachgebrauch haben ihre eigenen, mit anderen verwandten Sprachen nicht gemeinsamen Überset8

Vgl. dazu den Beitrag von Iris Plack im vorliegenden Band.

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zungsprobleme. Ich habe mich aus Anlass des Falls von Gemüt darauf bezogen. Das kam besonders bei Tagungen ans Licht, in denen sich Übersetzer der KrV in unterschiedliche Sprachen zusammengetan haben,9 um die Probleme der Übersetzung zu besprechen: Was für manche kein Problem darstellte, war für Andere eine beinahe unüberwindliche Schwierigkeit. Das ist auch der Grund, weshalb ich die Meinung nicht teilen kann, dass es eine Vernetzung der Übersetzungen geben wird. Die Zusammenarbeit in diesem Bereich ist m. E. keine Frage der Übersetzung im engeren Sinne, sondern eine Frage der Sprachen überhaupt und der Kulturen, die sich mit den Sprachen und durch die Sprachen ausdrücken. Eine solche Zusammenarbeit steht der Menschheit immer noch als eine wesentliche, äußerst wichtige und auch sehr schwierige Aufgabe bevor. Sie geht aber weit über die Kompetenz der Übersetzer hinaus. Das möchte ich freilich als eine bloße Meinung verstanden wissen, denn ich bin kein Kulturphilosoph.

Frage:

Wie interagieren die spanischen und die spanischsprachigen lateinamerikanischen Übersetzungsaktivitäten? Wo verlaufen die Grenzen?

Antwort:

Wie ich die Sache verstehe, versuchen alle Übersetzer der kantischen Schriften, ob Spanier oder Lateinamerikaner, ein gutes Spanisch zu schreiben. Das ist aber leider nicht selbstverständlich und gar nicht einfach, denn niemand (auch die in Spanien gebürtigen Übersetzer nicht) kann sich völlig vom Lokalkolorit seiner Sprache frei fühlen. Früher galt es, das Spanische der kanonischen Schriftsteller als Maßstab zu nehmen. Das habe ich nach Möglichkeit angestrebt, indem ich ständig normative Nachschlagewerke konsultiert habe.10 Die Real Academia Española de la Lengua leistet leider wenig Hilfe in dieser Hinsicht, denn es scheint, als habe sie jeden Anspruch auf Normativität aufgegeben.

  9 Z. B. Colóquio de Tradutores da Critica da razão pura, Universität Santa Catarina, Brasilien, Mai 2009. Colloquium Problemas de Tradução da Critica da razão pura. Universidade de São Paulo, Brasilien, März 2011. Vgl. Alessandro Pinzani/Valerio Rohden (Hg.): Crítica da razão tradutora. Sobre a dificuldade de traduzir Kant. Florianópolis, Nefiponline, 2010. 10 Insbesondere der große Diccionario Enciclopédico Hispano-Americano de Literatura, Ciencias, Artes, Etc. Redactado por distinguidos profesores y publicistas de España y América. Editores: España: Montaner y Simón. América: Sociedad internacional. Barcelona, Buenos Aires, Santiago, Montevideo, Habana, México, Lima, 1912. Dieses Werk fußt auf der maßgeblichen Arbeit von Rufino Cuervo.

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Mario Caimi

Frage:

Wie stellt sich die lateinamerikanische Übersetzungslage der Schriften Kants mit Blick auf das Verhältnis zwischen dem Brasilianischen und dem Spanischen dar?

Antwort:

Ich fürchte, diese Frage kann ich leider nicht beantworten, denn sie betrifft eher das Verlagswesen und die jeweilige wirtschaftliche Lage der genannten Länder, wovon ich wenig verstehe. Ein verdienstvolles Unternehmen muss jedoch in dieser Hinsicht erwähnt werden, nämlich die Biblioteca Immanuel Kant, ein Projekt der mexikanischen Universitäten Universidad Autónoma de México (UAM) und Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM) in gemeinsamer Arbeit mit dem Verlag Fondo de Cultura Económica. Diese Institutionen nahmen sich vor, Kants gesammelte Werke in zweisprachigen Ausgaben zu veröffentlichen. Die bisher erschienenen Bände sind vortrefflich herausgegeben. Es steht aber leider nicht fest, ob das Projekt weitergeführt wird.

Frage:

Ihr 2017 erschienener, mit einer Reihe von Kollegen und Kolleginnen herausgegebener Diccionario de la filosofía crítica kantiana mit rund 850 Einträgen fügt sich in einen für den vorliegenden Band höchst bedeutsamen Kontext aktueller Kant-Wörterbücher ein. Vermutlich wird Ihr terminologisches Wörterbuch u. a. im ausführlichen spanisch-deutschen Glossar Ihrer Übersetzung der KrV wurzeln, welches sich u. a. auf das von Raymund Schmidt für die Ausgabe der KrV im Felix Meiner Verlag erstellte Glossar zur KrV stützt. Als Quellen Ihres Wörterbuchs nennen Sie das Encyclopädische Wörterbuch der kritischen Philosophie von Georg Samuel Albert Mellin (dt. – lat. – frz.) und Rudolf Eislers Kant-Lexikon, welches ja seinerseits in Französische übersetzt worden ist. Wie entstand Ihr Diccionario, und von welchen Prinzipien haben Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen sich leiten lassen?

Antwort:

Bei der mehr als zehnjährigen Arbeit am Diccionario haben unser Standpunkt und die leitenden Prinzipien sich mehrmals geändert. Am Anfang hatten wir vor, bloß ein Deutsch–Lateinisches Glossar als Instrument für die spanische Übersetzung der kantischen Texte zu erstellen. Dann kamen das Studium des Werkes Mellins und die Zusammenfassung von manchen Einträgen seines Wörterbuchs hinzu. Bald fingen wir an, die Begriffe nicht mit Mellins, sondern mit unseren eigenen Erklärungen zu versehen. Das entfernte uns von anderen KantWörterbüchern wie etwa von Eislers Kant-Lexikon, in denen die Begriffserklärungen aus Kant-Zitaten bestehen. So entstanden in mehrschichtiger Arbeit die kurzen monographischen Artikel, welche die Einträge in unserem Diccionario

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Interview mit Mario Caimi

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ausmachen. Wir hatten die Absicht, durch dieses Verfahren nach Möglichkeit über das bloß Lexikalische hinaus einen Beitrag zum Verständnis der Begriffe zu leisten.

Frage:

Ihr Diccionario de la filosofía crítica kantiana führt nach den spanischen Lemmata die entsprechenden deutschen Termini Kants und sodann lateinische, französische, portugiesische und italienische Begriffe an. Damit erweitert sich das terminologische Spektrum im Vergleich zum einsprachigen aktuellen deutschen Kant-Lexikon (hg. von Marcus Willaschek und Anderen) ganz erheblich in Richtung auf ein polyglottes Glossar zur Sprache Kants, in dem freilich zusätzlich auch die englischen Termini einen prominenten Rang einnehmen müssten; hier könnte das im Erscheinen begriffene Cambridge Kant Lexicon einen substantiellen Beitrag leisten. Wie schätzen Sie die Bedeutung und die Machbarkeit eines solchen polyglotten Kant-Lexikons ein? Dieses ließe sich wohl am ehesten und erfolgreichsten als digitales internationales Projekt realisieren, nicht zuletzt auch, um den Dynamiken der internationalen Übersetzungspraxis Rechnung zu tragen.

Antwort:

Wir haben uns bei unserem Diccionario auf romanische Sprachen beschränkt, denn wir glaubten, dass der Vergleich von mehreren romanischen Sprachen die Wortwahl bei der Übersetzung von Texten Kants bzw. die Kontrolle der getroffenen Entscheidungen erleichtern dürfte. Natürlich kann ein polyglottes Kant-Lexikon einen wertvollen Beitrag in dieser Hinsicht leisten. Diese Leistung würde sich aber auf das Lexikalische beschränken. Die Hauptschwierigkeiten bei der Übersetzungspraxis sind freilich nicht nur lexikalischer, sondern vielmehr hermeneutischer Natur. Außerdem kann ich nicht wissen, inwieweit der Vergleich mit Wörtern aus mir unbekannten Sprachen eine bedeutende Hilfe bei meiner Übersetzungsarbeit leisten kann.

Frage:

In jüngerer Vergangenheit ist Barbara Cassins Vocabulaire européen des philosophies. Dictionnaire des intraduisibles zu einer einschlägigen internationalen Referenz geworden, ein Werk, welches so erfolgreich war, dass es in einer, freilich erheblich modifizierten, viel beachteten englischsprachigen Neubearbeitung in den USA erschienen ist. Dieses vergleichende lexikographische Werk demon­ striert auf der einen Seite die Machbarkeit polyglotter philosophischer Wörterbücher. Andererseits basiert es auf der Annahme, dass Unübersetzbarkeit (nicht in einem diffusen, sondern in semantisch-begriffsgeschichtlich präzisierbarem Sinne) in der Sprache der Philosophie eine erhebliche Rolle spielt.

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Wie stellt sich Ihnen vor dem Hintergrund Ihrer übersetzerischen Erfahrungen das Problem der Unübersetzbarkeit in der Sprache/den Sprachen der Philosophie dar? Würden Sie überhaupt beipflichten, dass es ein solches Problem gibt?

Antwort:

Barbara Cassin bemüht sich in ihrem Vocabulaire nicht nur um die Übersetzung von termini technici (wobei sie sich ausdrücklich nur auf die europäischen philosophischen Sprachen bezieht), sondern sie betrachtet insbesondere auch die Wiedergabe von Begriffen. Das ist zu begrüßen, denn bei der Übersetzung von philosophischen Texten kommt es nicht nur darauf an, die Wörter einer Sprache durch ihre – vielleicht nicht vorhandenen – Äquivalente in der Zielsprache zu ersetzen. Das stellt nur ein verhältnismäßig geringes Problem dar. Die Hauptsache besteht in der Übersetzung bzw. der Wiedergabe von Begriffen. Begriffe können durch Syntagmen wiedergegeben werden, welche ihren Sinn genau ausdrücken. Das entspricht wohl dem Wesen der Philosophie, die einen Anspruch auf Allgemeinheit erhebt und nicht in einem bestimmten Sprachraum eingesperrt bleiben soll (da mag Heidegger anderer Meinung gewesen sein). Wir einzelnen Menschen sind es, die wir über unsere sprachlichen, kulturellen, geschichtlichen und sonstigen Grenzen nur schwer und mühsam (und zwar mit Hilfe der Philosophie) hinauskommen können. Die Sprachen der Philosophie sind Ausdruck dieses Strebens nach Überwindung der Grenzen des Individuellen bzw. des Zufälligen. Descartes veranschaulichte diese Grenzen durch die Figur des betrügerischen Geistes, den es auszuschalten gilt. Die Tätigkeit des Übersetzers von philosophischen Texten kann also als bescheidener Beitrag verstanden werden, schrittweise einer universal gültigen Philosophie näher zu kommen. Das Problem der Unübersetzbarkeit gibt es, es kann aber, wenn auch mit Mühe, gelöst werden. Cassins Vocabulaire dürfte als Bestätigung dafür dienen. Wir danken Ihnen für Ihre freundliche Gesprächsbereitschaft. Das Interview führten Gisela Schlüter und Hansmichael Hohenegger.

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Die katalanischen Übersetzungen von Kants Schriften Josep Clusa I.  Einleitung: Katalanische Übersetzungen

Kants Werke sind bislang nur teilweise ins Katalanische übersetzt worden. Heutzutage verfügen die katalanischsprachigen Leser über lediglich etwas mehr als zehn Ausgaben, in denen eine bzw. mehrere Übersetzungen von Kants Schriften enthalten sind.1 Dies mag zwar als eine geringe Zahl erscheinen, zumindest im Vergleich zur großen Fülle der existierenden spanischsprachigen Ausgaben, die ja, wenn keine entsprechende katalanische Ausgabe vorliegt, jederzeit dem bilingualen Leser zur Verfügung stehen. Die verhältnismäßig geringe Zahl aktuell vorliegender katalanischer Übersetzungen ist jedoch darauf zurückzuführen, dass die Übersetzung von Kants Werken ins Katalanische erst recht spät – in den 1980er Jahren – einsetzte. Die einzige Ausnahme bildet eine frühere Übersetzung der Schrift Zum Ewigen Frieden, die 1932 in Barcelona erschien. Kulturelle, wirtschaftliche sowie nicht zuletzt politische Gründe – die brutale Zäsur des spanischen Bürgerkrieges, die darauf folgende Franco-Diktatur – können freilich erklären, warum es so lange dauerte, genau ein halbes Jahrhundert (1982), bis die zweite Übersetzung in Angriff genommen wurde, nämlich die Erstübersetzung der Prolegomena, eine Pionierleistung. 2 Ab diesem Datum sind nun aber mehr 1 Im Folgenden wird der Ausdruck katalanisch im weiten Sinne verwendet, sodass darunter nicht nur Katalanisch, sondern auch Valencianisch und Balearisch zu verstehen sind. Bekanntlich wird die katalanische Sprache nicht nur in Katalonien benutzt, sondern auch – in ihren verschiedenen Dialekten und Varianten – in der Comunitat Valenciana und auf den Illes Balears sowie im Grenzgebiet mit Aragon und Frankreich. Ebenso wird Katalanisch in Al­g hero (auf der Insel Sardinien) gesprochen. Jedoch gehört diese Variante nicht zur spanischen Konstellation und ist daher nicht Gegenstand dieses Berichtes. (In Okzitanien [Frankreich] und Vall d’Aran [Katalonien] wird auch eine eigene Sprache, Okzitanisch bzw. Aranesisch, gesprochen.) Nur eine der hier besprochenen Übersetzungen entspricht der v­ alencianischen Variante und wurde in Valencia herausgegeben: Kant: Crítica de la raó pura (Pròleg de la segona edició i Introducció) i Què és Il·lustració? Übers. von Joan Baptista Llinares Chover. Hg. von Neus Campillo Iborra/Manuel Ramos Valera. València, Universitat de V., 1991. Alle anderen Übersetzungen stammen aus Barcelona und sind der dortigen Variante der katalanischen Sprache zuzuordnen. 2 Kant: Prolegòmens a tota metafísica futura que pugui presentar-se com a ciència. Übers. von Gerard Vilar. Hg. von Pere Lluís Font. Barcelona 1982. Diese Übersetzung setzte den

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Josep Clusa

und mehr katalanische Übersetzungen zu Stande gekommen, und diese Übersetzungstätigkeit ist erfreulicherweise noch lange nicht abgeschlossen. Im Gegenteil, eine Übersetzung der Kritik der reinen Vernunft ist bereits geplant und wird in nächster Zeit erscheinen. 3 Wir werden in Kürze auf die Frage kommen, welchem Zweck diese neueren Ausgaben dienen und welche Übersetzungskriterien sie befolgen, sowie auf die Frage, ob sie wissenschaftlichen Standards genügen bzw. für die wissenschaftliche Kant-Forschung taugen. Einfachheitshalber legen wir zunächst eine Referenzliste der bisher erschienenen Übersetzungen vor, chronologisch angeordnet: 1932 1982

1984

1991

1991

Eduard Serra (Übers.): Kant: La pau perpètua. Barcelona, Barcino [Zum Ewigen Frieden]. 4 Gerard Vilar (Übers.)/Pere Lluís Font (Hg.): Kant: Prolegòmens a tota metafísica futura que pugui presentar-se com a ciència. Barcelona, Editorial Laia [Nachgedruckt in Barcelona, bei Edicions 62, 1996] [P rolegomena].5 Joan Leita (Übers.)/Pere Lluís Font (Hg.): Kant: Fonamentació de la metafísica dels costums. Barcelona, Editorial Laia [Nachgedruckt in Barcelona, bei Edicions 62, 2009] [Grundlegung].6 Josep Olesti (Übers.): Kant: Del primer fonament de la diferència de les regions en l’espai. In: Josep Olesti: Kant i Leibniz. La incongruència en l’espai. Bellaterra, Publicacions de la Universitat Autònoma de Barcelona [Vom dem ersten Grunde des Unterschiedes der Gegenden im R aume].7 Joan Baptista Llinares (Übers.): Neus Campillo/Manuel Ramos (Hg.): Kant: Crítica de la raó pura (Pròleg de la segona edició i Introducció) i

Standard für alle weiteren katalanischen Fachübersetzungen von Kants Schriften, vor allen diejenigen, die im Verlag Edicions 62 erschienen sind. 3 Die Publikation ist für den Herbst 2020 geplant, das Werk erscheint im Verlag Edicions 62. Die Übersetzung übernimmt Miquel Montserrat, der Herausgeber ist Salvi Turró. Beide sind an der Universität de Barcelona tätig und haben bereits Übersetzungen bzw. Ausgaben von Kants Schriften vorgelegt [vgl. beigefügte Liste]. 4 Kant: La pau perpètua. Übers. von Eduard Serra. Barcelona 1932. 5 Kant: Prolegòmens [Anm. 2]. 6 Kant: Fonamentació de la metafísica dels costums. Hg. von Pere Lluís Font. Übers. von Joan Leita. Barcelona 1984 [Nachdruck Barcelona 2009]. Vgl. auch die in Barcelona erschienene spanische Übersetzung: Kant: Fundamentación de la metafísica de las c­ ostumbres. Zweisprachige Ausgabe. Übers. von José Mardomingo. Barcelona 1996. Vgl. auch die portugiesische Übersetzung: Kant: Fundamentação da Metafísica dos Costumes. Übers. von Paulo Quintela. Lissabon 2007 (Coimbra 1960). 7 Kant: Del primer fonament de la diferència de les regions en l’espai. Übers. von Josep Olesti. In: ders.: Kant i Leibniz. La incongruència en l’espai. Bellaterra [Barcelona] 1991.

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Die katalanischen Übersetzungen von Kants Schriften

1991 1991

2002

2003 2004 2015

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Què és Il·lustració? València, Servei de Publicacions. Universitat de València [Vorwort zur Auflage B und Einleitung der K ritik der reinen Vernunft; Was ist Aufklärung?]. 8 Jaume Tió (Übers.): Kant: Sobre Pedagogia. Vic, Eumo Editorial/Diputació de Barcelona. [Über Pädagogik].9 Gonçal Mayos (Übers. und Hg.): Kant: Sobre el fracàs de tots els intents filosòfics en la teodicea. Barcelona, Editorial El Llamp [Über das M isslingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee].10 Salvi Turró (Übers. und Hg.): Kant: Història i Política. Barcelona, Edicions 62 [Übersetzung von verschiedenen Schriften Kants über Geschichte und Politik]. 11 Miquel Costa (Übers.)/Pere Lluís Font (Hg.): Kant: Crítica de la raó pràctica. Barcelona, Edicions 62 [K ritik der praktischen Vernunft].12 Jèssica Jaques Pi (Übers. und Hg.): Kant: Crítica de la facultat de jutjar. Barcelona, Edicions 62 [K ritik der Urteilskraft].13 Miquel Montserrat (Übers.): Kant: Investigació sobre la distinció dels principis de la teologia natural i de la moral. In: Anuari de la Societat Catalana de Filosofia XXVI (2015) [Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral].14

 8

Kant: Crítica de la raó pura i Què és Il·lustració? [Anm. 1]. Kant: Sobre Pedagogia. Übers. von Jaume Tió. Hg. von Joan-Carles Mèlich i Sangrà. Vic [Barcelona] 1991. 10 Kant: Sobre el fracàs de tots els intents filosòfics en la teodicea. Hg. und übers. von Gonçal Mayos. Barcelona 1991. 11 Kant: Història i Política. Hg. und übers. von Salvi Turró. Barcelona 2002. Fast alle dieser Schriften sind im Bd. 8 der Akademie-Ausgabe enthalten. Turrós Ausgabe beinhaltet folgende Übersetzungen: a) Idea d’una història universal amb intenció cosmopolita [IaG]; b) Resposta a la pregunta: Què és il·lustració? [WA]; c) Recensions de l’obra de Herder ›Idees per a una filosofia de la història de la humanitat‹ [RezHerder]; d) Conjectures sobre el començament de la història humana [MAM]; e) De la relació entre teoria i praxi en el dret polític (contra Hobbes) [Teilübersetzung von TP; Erster Abschnitt]; f) De la relació entre teoria i praxi en el dret de gents, considerada amb intenció filantròpica u ­ niversal, és a dir, cosmopolita (Contra Moses Mendelssohn) [Teilübersetzung von TP; Zweiter Abschnitt]; g) La fi de totes les coses [EAD]; h) La pau perpètua. Un projecte filosòfic [ZeF]. Sie enthält auch eine Teilübersetzung der Schrift Der Streit der Fakultäten, Replantejament de la pregunta: Si el gènere humà es troba en progrés constant vers el millor (Erneuerte Frage: Ob das menschliche Geschlecht im beständigen Fortschreiten zum Besseren sei). 12 Kant: Crítica de la raó pràctica. Hg. von Pere Lluís Font. Übers. von Miquel Costa. Barcelona 2003. 13 Kant: Crítica de la facultat de jutjar. Hg. und übers. von Jèssica Jaques Pi. Barcelona 2004. 14 Kant: Investigació sobre la distinció dels principis de la teologia natural i de la moral.  9

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Josep Clusa

II.  Ziel dieser Ausgaben

Nur zwei der oben gelisteten Ausgaben verfolgen ausschließlich das Ziel der Popularisierung bzw. das Ziel, Kants Texte einem breiten Publikum in dessen Muttersprache zugänglich zu machen. Das ist offenbar der Fall bei [1932, Serra], der schon erwähnten Übersetzung der Schrift ZeF aus dem Jahr 1932. Diese Übersetzung erschien als Nummer 79 der populärwissenschaftlichen Publika­ tionsreihe Col·lecció Popular Barcino. Diese Sammlung – deren Initiator Pompeu Fabra war, der berühmte Philologe und Kodifikator der modernen katalanischen Sprache15 – verfolgte das erklärte Ziel, dem allgemeinen Lesepublikum wichtige Werke der modernen Kultur – seien es Werke der Wissenschaft, der Technik, der Philosophie oder der Literatur – zum ersten Mal auf Katalanisch näherzubringen. Die Popularisierung ist aber auch weitgehend das Anliegen der Übersetzung von Päd [1991, Tió]. Der Zweck dieser Übersetzung liegt primär darin, Kants Reflexionen über Erziehung katalanischen Studenten der Erziehungswissenschaft in ihrer Muttersprache zugänglich zu machen. Dies geschieht in einer Reihe, die ebenfalls der Popularisierung gewidmet ist, in diesem Fall von berühmten Werken moderner Pädagogen (darunter Comenius, Fröbel, Vygotsky u. a. m.). Beide Übersetzungen, die erste noch mehr als die zweite, wenden sich jedenfalls an ein breites Publikum und erheben von vornherein keinen Anspruch, als strenge Fachübersetzungen zu gelten, geschweige denn als solche, die für eine wissenschaftliche Kant-Forschung taugen könnten – was auch daraus ersichtlich wird, dass keine der beiden angibt, welcher Text ihr in welcher Fassung/Ausgabe zu Grunde liegt.16 Bei den übrigen Übersetzungen verhält es sich nun schon anders. Sie beinhalten sowohl Informationen über die Fassung/Ausgabe, die ihnen zu Grunde liegt, als auch darüber hinaus andere wichtige Elemente, die zum besseren Verständnis von Kants Text beitragen: eine gründliche einleitende Studie des Herausgebers oder Übersetzers, bei der oft auch bestimmte Aspekte der Übersetzung selbst thematisiert werden (etwa syntaktische und lexikalische übersetzerische Entscheidungen); zahlreiche Fußnoten, die den übersetzten kantischen Text fortlauIn: Anuari de la Societat Catalana de Filosofia XXVI (2015). Übers. von Miquel Montserrat Capella. Barcelona 2015. 15 Pompeu Fabra (1868–1948) legte die Normen der Orthographie sowie der Grammatik der modernen katalanischen Sprache fest in Werken wie etwa Qüestions de Gramàtica Catalana (1911) oder Diccionari general de la llengua catalana (1932). Selbstverständlich lagen allen Ausgaben der Col·lecció Popular Barcino Fabras Standards zu Grunde, denen auch die erste Übersetzung überhaupt von Kant ins Katalanische folgte. 16 Zugunsten der Ausgabe von Päd sowie der Reihe, in der sie erschien, ist jedoch festzustellen, dass sie um ›niveauvolle Popularisierung‹ bemüht sind (»alta divulgació« [vgl. https:// mon.uvic.cat/lapunt/30-anys-de-textos-pedagogics-alta-cultura-al-servei-de-tothom/].

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Die katalanischen Übersetzungen von Kants Schriften

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fend kommentieren oder punktuell über den kantischen Wortgebrauch aufklären; deutsch-katalanische Äquivalenzregister zu wichtigen Begriffen; Sach-, Begriffsund Namenregister; Chronologien, Bibliographien und dergleichen mehr. Diese Übersetzungen können wiederum in drei Gruppen aufgeteilt werden, je nach der Art des Publikums, für das sie konzipiert sind. In der ersten Gruppe findet man Übersetzungen, die an einer eher schmalen akademischen Leserschaft orientiert sind. Das ist der Fall z. B. bei [1991, Olesti], einer ausgezeichneten Übersetzung von Gegenden [GUGR] die als Anhang einer gelehrten Abhandlung beigefügt wird.17 Es ist der Fall auch bei [2015, Montserrat], einer Übersetzung von Deutlichkeit [UD].18 Eine zweite Gruppe von Übersetzungen zielt auf ein breiter angelegtes Lesepublikum. Dieses schließt den universitären Leser oder selbst den Kant-Forscher ein, aber auch den allgemein gebildeten Leser, der nach einer guten und zuverlässigen Übersetzung von Kants Schriften sucht. Das wäre der Fall bei [1982, Vilar], [2003, Costa] und [2004, Jaques] – also Kants wichtigen Hauptwerken wie Prol, KpV und KU – sowie [2002, Turró], einer Sammlung von kleineren Schriften Kants zur Politik und Geschichte. Es ist gewiss kein Zufall, dass all diese Übersetzungen aktuell im Verlag Edicions 62 erhältlich sind. Denn dieser katalanische Verlag denkt bei seiner Reihe Col·lecció de Textos Filosòfics »[…] nicht nur an Spezialisten, sondern auch an ein relativ breites Publikum, insbesondere das universitäre« (»pensant no solament en els especialistes, sinó també en un públic relativament ampli, especialment l’universitari.«)19 Die dritte, heterogene Gruppe enthält zwei Übersetzungen, die an verschiedene Lesergruppen gerichtet sind. Die erste, [1991, Llinares], eine Übersetzung des B-Prologs der KrV, der Einleitung der KrV sowie der Schrift WA, wendet sich an Gymnasialschüler. Die Absicht dieser Ausgabe ist es, die Schüler mit der philosophischen Tradition vertraut zu machen, und zwar durch den direkten Kontakt und die direkte Konfrontation mit Texten. Die Übersetzung wendet sich dabei »[…] nicht an den künftigen Spezialisten, sondern an den künftigen berufsausübenden Universitätsabsolventen« (»[…] no tenint el propòsit d’adreçarse al futur especialista, sinó al futur professional universitari«). Diese Ausgabe – 17

Vgl. Anm. 7. Vgl. Anm. 14. 19 Es ist auch ein Ziel der Sammlung, einen Beitrag zur ›Normalisierung‹/Standardisierung der katalanischen philosophischen Sprache zu leisten (»contribuir a la normalització del llenguatge filosòfic català«). Damit mag gemeint sein, dass der Verlag das Anliegen hat, die Lektüre von grundlegenden Texten der philosophischen Tradition auf Katalanisch zu ermöglichen, und zwar so, dass der katalanische Leser nicht zu den Übersetzungen ins Spanische greifen muss, sollte er die katalanischen Übersetzungen vorziehen. Wie am Anfang erwähnt, ist das katalanische Lesepublikum ohnehin zweisprachig, sodass ihm die Wahl zwischen katalanischen und spanischen Versionen von Kants Texten prinzipiell freisteht. 18

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obwohl ›Spezialisten‹ (bzw. Kant-Forscher) gerade nicht anvisiert werden – ist dennoch vollständig20 und durchaus geeignet, eine gute Einführung in das kantische Denken zu bieten. – Die zweite Übersetzung [1991, Mayos], eine Übersetzung von Kants Schrift zur Theodizee [MpVT], wendet sich dagegen an ein eher unspezifisches Publikum: an Leser, die an der Debatte zwischen Leibniz und Kant über Theodizee interessiert sein könnten. Diese Übersetzung – als eine Art Jubiläumsausgabe konzipiert, genau 200 Jahre nach der Veröffentlichung von Kants Theodizee (1791) – wird einer Übersetzung von Leibniz’ Théodicée gegenübergestellt. Beide Übersetzungen werden als Teil eines ›intellektuellen Experiments‹ präsentiert, bei dem Kant und Leibniz verglichen werden sollen. Es ist aber aus der Natur der Texte klar, dass das Publikum akademisch gebildet sein muss. III. Übersetzungskriterien

Alle Übersetzer stehen vor der schwierigen Wahl, entweder 1) den Originaltext möglichst getreu wiederzugeben, 2) den Text der Zielsprache so viel wie möglich anzupassen, oder aber 3) einen Kompromiss zwischen beiden Optionen einzugehen. Bei den katalanischen Übersetzungen von Kants Texten wird aber leider nicht immer direkt und explizit erwähnt, ob und ggf. welche dieser drei Kriterien zu Grunde gelegt wurden. Es gibt eine bemerkenswerte Ausnahme davon – die Übersetzung von Josep Olesti [1991, Olesti]. Olesti macht von Anfang an klar, dass für ihn das entscheidende Kriterium der Übersetzung die Nähe zum Original sei (»la traducció pretén ser el més propera possible als textos originals […]«). Das führt ihn im lexikalischen Bereich zu der Entscheidung, die Übersetzung – soweit dies möglich ist – auf strenge Konsistenz zu verpflichten, sodass deutsche Wörter immer mit demselben katalanischen Wort wiedergegeben werden, und zwar selbst dann, wenn dies die Übersetzung gelegentlich ›schrill‹ werden lasse (»això fa fer, de vegades, algun grinyol [schriller Misston; knarren; schnarren, J.C.] a la nostra versió«). Der Übersetzer bittet für diese Misstöne in der Zielsprache um Verständnis, denn ihm sei bei einer solchen Ausgabe – gemeint ist eine Übersetzung im Rahmen einer gelehrten Abhandlung – ›Treue zum Text‹ (›fidelitat al text‹) prioritär gewesen. Andere Ausgaben ([1984, Leita], [2002, Turró], [2003, Costa]) geben nicht so direkt und explizit an wie die von Josep Olesti, welche allgemeinen Kriterien sie 20 Sie enthält eine einleitende Studie, ein Glossar von wichtigen kantischen Termini, eine Bibliographie etc. Die Ausgabe dient somit auch pragmatisch dem Ziel, die Gymnasialschüler auf das valencianische Abitur vorzubereiten, bei dem diese u. a. Textkommentare zu Philosophen schreiben müssen, darunter auch zu übersetzten Texten von Kant.

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für die Übersetzung gewählt haben. Sie machen aber Bemerkungen über gewisse übersetzerische Entscheidungen, die sie im Bereich der Lexik und/oder Syntax getroffen haben. Aus ihnen wird klar, dass die meisten Ausgaben sich ebenfalls für die Nähe zum Originaltext entschieden haben. Es wird zum einen angestrebt, das kantische Vokabular so konsistent wie möglich wiederzugeben. Es wird zum anderen als ein Desideratum der Übersetzung angesehen, die komplizierte kantische hypotaktische Syntax beizubehalten (vgl. exemplarisch die Übersetzung von Turró [2002, Turró]). Allenfalls bei der Übersetzung der KpV [2003, Costa] wird Kants Syntax und sogar Interpunktion an die der Zielsprache angepasst, jedoch nur mit ›Vorsicht‹ (›prudència‹) und mit der Begründung, der Stil der KpV leide unter dem Umstand, dass sie ›schnell redigiert werden musste‹. [2003, Costa, 29] Eine letzte Gruppe von Ausgaben ([1932, Serra], [1982, Vilar], [1991, Llinares], [1991, Tió], [1991, Mayos] und [2015, Montserrat]) sagt nichts über die Wahl der Kriterien für die Übersetzungen. Hier muss der Leser versuchen, diese Kriterien durch die Lektüre selbst zu erraten. Doch abgesehen von ein paar Ausnahmen – der frühen popularisierenden Übersetzung der Schrift ZeF [1932, Serra], die an ein sehr breites Publikum gerichtet war, sowie der Übersetzung des B-Prologs sowie der Einleitung zur KrV und von WA [1991, Llinares], die für Gymnasialschüler konzipiert ist und deshalb Kompromisse wegen der besseren Verständlichkeit des Textes in der Zielsprache eingeht –, 21 ist es von der akademischen Natur dieser Ausgaben her klar, dass die Übersetzer bzw. Herausgeber sich im Zweifelsfall für eine textnahe bzw. textgetreue Übersetzung entschieden haben. Im Großen und Ganzen also kann man feststellen, dass die katalanischen Übersetzer es für vorrangig halten, Kants Originaltexte so akkurat und getreu wie möglich in die Zielsprache zu übertragen. 22 Dass dies keine leichte Aufgabe ist, ist allen Übersetzern bewusst. Dies ist an den Schwierigkeiten ablesbar, mit denen sie im Bereich der kantischen Lexik, Syntax sowie Diktion zu kämpfen haben.

21 Um nur ein Beispiel von vielen im Umfeld der Lexik zu geben: Bei der Übersetzung von WA gibt der Übersetzer, Joan B. Llinares, das deutsche Wort Symbol in Ausdrücken wie ›Symbol der Kirche‹, ›sich auf ein Symbol zu verpflichten‹ usw. mit dem Wort ›credo‹ wieder [1991, Llinares, 65–66]. ›Credo‹ ist ein auf Katalanisch allgemein verständliches Wort. Hätte sich der Übersetzer dagegen für ›símbol‹ entschieden, wie dies Turró in seiner Übersetzung tut [2002, Turró, 83], so wäre dies zwar näher am Text gewesen, jedoch nicht ohne Weiteres für den Gymnasialschüler oder gar den allgemeinen Leser verständlich. Das Wort símbol hat auf Katalanisch nämlich nicht die Bedeutung von christlichem Tauf- oder Glaubensbekenntnis. 22 Auf Anfrage per E-Mail haben einige Übersetzer bestätigt, dass sie eine Kombination der zwei Kriterien anstrebten (Tió, Turró), andere, dass sie sich im Konfliktfall für Textnähe entschieden (Vilar, Olesti).

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IV.  Lexikalische Schwierigkeiten

Die Herausforderung, die Kants Terminologie an den katalanischen Übersetzer stellt, lässt sich an einigen ausgewählten Beispielen vorführen. Die Übersetzung der GMS von Joan Leita [1984, Leita] weist auf ein paar der deutsch-katalanischen terminologischen Äquivalenzen hin, die vom Herausgeber und Übersetzer zusammen festgelegt wurden. 23 Dazu zählt primär die Gleichsetzung von Absicht mit den Wörtern ›designi‹, ›objectiu‹ oder ›propòsit‹; von Gesinnung mit ›intenció‹. Auf den ersten Blick scheint diese Äquivalenz bedenklich. Die naheliegende Übersetzung für das Wort Absicht wäre doch gerade ›intenció‹ gewesen; 24 Gesinnung hätte dann mit ›manera de pensar‹ (Denkungsart), ›actitud‹, ›convicció‹ oder Ähnlichem übersetzt werden können. 25 Doch bei näherem Hinsehen erweisen sich diese Entscheidungen als wohlüberlegt, denn sie werden dem Sinn von allen relevanten Passagen in der Grundlegung gerecht. Z. B. wenn Kant behauptet: Endlich gibt es einen Imperativ, der, ohne irgend eine andere durch ein gewisses Verhalten zu erreichende Absicht als Bedingung zum Grunde zu legen, dieses Verhalten unmittelbar gebietet. Dieser Imperativ ist kategorisch. Er betrifft […] die Form [der Handlung] […] und das Wesentliche = Gute derselben besteht in der Gesinnung, der Erfolg mag sein, welcher er wolle. (GMS, AA 04: 416.7–13). [Kursivierungen J.C.]

Und so lautet die katalanische Übertragung: Finalment, hi ha un imperatiu que, sense posar en el fons com a condició cap altre propòsit assolible mitjançant una conducta determinada, ordena immediatament aquesta conducta. Aquest imperatiu és categòric. Es refereix […] a la forma [de l’acció] […] i allò que hi ha en ella d’essencialment bo rau en la intenció, prescindint de quin sigui el resultat. [1984, Leita, 101] [Kursivierungen J.C.]

Diese Übertragung erscheint gelungen, auch wenn die Äquivalenz von Gesinnung und ›intenció‹ problematisch sein mag.

23

Pere Lluís Font: Einleitung [Anm. 6] 31. Intenció wird vom katalanischen Wörterbuch Diccionari de la llengua catalana de l’Institut d’Estudis Catalans folgendermaßen definiert: »Determinació de la voluntat amb vista a un fi, a obrar en un cert sentit.« (»Bestimmung des Willens im Hinblick auf einen Zweck, auf das Handeln in einem gewissen Sinne.«) Es ist klar, dass für Absicht das Wort ›intenció‹ die stärkste Äquivalenz bietet. ›Er hat gute Absichten‹ etwa wird im Katalanischen am natürlichsten mit dem Ausdruck ›té bones intencions‹ wiedergegeben. 25 Gesinnung erinnert an Max Webers Begriff der Gesinnungsethik. Dieser Begriff ist im Katalanischen mit ›ètica de la convicció‹ übersetzt worden. 24

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Allerdings haben andere von Leita und Font vorgeschlagene Äquivalenzen mögliche Nachteile. Der logische bzw. praktische Begriff von Notwendigkeit wird von ihnen beispielsweise mit dem Wort ›necessitat‹ wiedergegeben, der eher gemeinsprachliche Begriff Bedürfnis mit dem Wort ›fretura‹, und das, obwohl Bedürfnis wieder mit dem Wort ›necessitat‹ hätte übersetzt werden können. Diese Entscheidung wird zu Gunsten maximaler Konsistenz getroffen: Jedem relevanten deutschen Wort soll nur ein katalanisches Wort korrelieren. Doch der Preis ist in diesem konkreten Fall vielleicht zu hoch. Das Wort fretura ist nämlich im Katalanischen ein äußerst selten – wenn überhaupt – verwendetes Wort. Die Leser werden mit hoher Wahrscheinlichkeit dieses Wort erst im katalanischen Wörterbuch nachschlagen müssen, wenn sie seine Bedeutung nicht aus dem Kontext ableiten können. Jèssica Jaques’ Übersetzung der KU enthält einen Index mit terminologischen Äquivalenzen, was darauf schließen lässt, dass diese Übersetzung ebenfalls nach Konsistenz strebt. Ihre Äquivalenzen sind zudem in der Regel treffend, wie z. B., wenn Genuss elegant als ›fruïció‹ übertragen wird (wohingegen Miquel Costa dasselbe Wort mit ›gaudi‹ übersetzt hat), und meistens unkontrovers (beispielsweise die Äquivalenzen Gartenkunst = ›Jardineria‹, Kunst = ›Art‹, Liebe = ›Amor‹ u. dgl. m.). Doch es gibt eine Übersetzung, über die sich streiten lässt: die des Wortes Urteilskraft selbst. Wie verschiedene Beiträge zum vorliegenden Band dokumentieren, ist die Übersetzung dieses zentralen Terminus für fast alle Übersetzer aller hier behandelten Sprachen problematisch gewesen. Urteilskraft wird von Jaques in der Regel mit dem Ausdruck ›facultat de jutjar‹, doch in wenigen anderen Fällen mit dem etwas sperrigeren Ausdruck ›exercici de la facultat de jutjar‹ übersetzt (wörtlich: ›[Aus-]Übung des Vermögens zu urteilen‹). 26 Jaques’ Begründung dieser letzten und gleichsam subsidiären Übersetzung von Urteilskraft ist folgende: Dieses Wort werde von Kant in der KU so verwendet, dass darunter vor allem die reflektierende Urteilskraft zu verstehen sei [2004, Jaques, 16–17]. Solche Urteilskraft bestünde aber in einer Tätigkeit (›exercici‹) (ebd.). 27 In der KU mache zwar der jeweilige Kontext in der Regel klar, dass das Wort Urteilskraft auf eine solche Tätigkeit anspielt (»[…] el context que acompanya el terme Urteilskraft a la KU es fa ressò d’aquesta exercitació de la facultat de jutjar en la recerca de l’universal«). Doch anscheinend gebe es auch Kontexte, wo diese Konnotation nicht vorhanden sei. In diesen selteneren Fällen (»[Q]uan no és així [en comptades ocasions]«) entscheidet sich Jaques dann für die Übersetzung ›exercici de la 26 Ihre eigene Auffassung erklärt Jèssica Jaques Pi in ihrem Artikel: Sobre la traducció del terme Urteilskraft. In: Enrahonar (2004). 127–138. 27 In der Tätigkeit nämlich, für ein Besonderes, das gegeben ist, ein Allgemeines zu finden (vgl. KU, AA 05: 179.24–26).

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facultat de jutjar‹, um so eigens hervorzuheben, dass die Urteilskraft jederzeit ein ›exercici‹, eine Tätigkeit mit sich bringt. Systematisch mag diese Begründung gerechtfertigt sein. Pragmatisch gesehen ist es aber fraglich, ob eine Übersetzung derart präzise verfahren sollte. Präzision zählt zwar, ebenso wie Konsistenz, zu den Desiderata einer guten Übersetzung. Im Fall der Übersetzung von Urteilskraft mit ›exercici de la facultat de jutjar‹ lässt sich aber die Ansicht vertreten, dass a) solche Präzision auf Kosten der allgemeinen Verständlichkeit geht, und b) dass sie in einigen Fällen zu begrifflicher Unklarheit führt. Ersteres geschieht etwa bei der Übersetzung von folgender Behauptung Kants: Sie [die Kritik des Geschmacks als transzendentale Kritik, J.C.] soll das subjektive Prinzip des Geschmacks als ein Prinzip a priori der Urteilskraft entwickeln und rechtfertigen. (KU, AA 05: 286)

Jaques’ Übertragung lautet: S’haurà de desenvolupar i justificar el principi del gust, que és subjectiu, com un principi a priori de l’exercici de la facultat de jutjar. [2004, Jaques, 276]

Hier mag die Übersetzung systematisch präzise sein, das resultierende Syntagma jedoch —»principi a priori de l’exercici de la facultat de jutjar«— scheint recht vertrackt und zumindest bei der ersten Lektüre kaum verständlich. Das ist eine Konsequenz daraus, dass das eine Wort Urteilskraft mit sechs Wörtern übersetzt wird, ›exercici de la facultat de jutjar‹, während es doch auch möglich gewesen wäre, es mit nur drei Wörtern zu übersetzen, ›facultat de jutjar‹ oder, noch einfacher, gemäß der traditionelleren Übersetzung, mit einem einzigen Wort, ›judici‹, nach dem lateinischen iudicium. 28 Das Problem der begrifflichen Unklarheit ist noch gravierender. So wenn Kant behauptet: »Die subjektive Bedingung aller Urteile ist das Vermögen zu urteilen selbst, oder die Urteilskraft.« (KU, AA 05: 287.06 f.) Jaques’ Übersetzung: »La condició subjectiva de tots els judicis és la facultat de jutjar en si mateixa, o, dit d’una altra manera, l’exercici de la facultat de jutjar.« [2004, Jaques, 276] Doch ist es nicht ein Widerspruch, ein Vermögen in einem und demselben Satz zugleich als

28 Die Übersetzung von Urteilskraft als ›judici‹ wird von Jaques als ›stümperhaft‹ (barroera) bezeichnet. Vgl. Jèssica Jaques Pi: Sobre la traducció del terme Urteilskraft [Anm. 26] 128. Dieser Einwand würde aber Kant selbst treffen, da er Urteilskraft mehr als einmal als iudicium übersetzt (vgl. MS, AA 06:438: 03; Anth, AA 07: 199.09). Bei anderer Gelegenheit übersetzt Kant zwar Urteilskraft umständlicher als iudicium discretivum (Anth, AA 07: 220.31; implizit auch in Anth, AA 07: 228.03), doch sogar dieser Ausdruck scheint weniger sperrig als derjenige, den Jaques hier vorschlägt, nämlich ›exercici de la facultat de jutjar‹.

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eine Tätigkeit (›exercici‹) zu definieren? Nimmt man Jaques’ Übersetzung beim Wort, so wäre dies genau das, was Kant behauptet. 29 V. Dubletten

Bekanntlich sind Kants Dubletten – wie etwa Dasein und Existenz – Wortpaare, die für einen und denselben Begriff stehen, die aber in ihrer Konnotation sich leicht unterscheiden können. Meistens ist das eine Wort dieser Dubletten ein ›normales‹ deutsches Wort germanischen Ursprungs, während das andere ein bildungssprachlicher Ausdruck ist, in der Regel lateinischen, aber zuweilen auch griechischen Ursprungs. 30 Da Katalanisch als romanische Sprache aus dem Lateinischen stammt, sind viele kantische Dubletten ohne Redundanz schwer beizubehalten. Die Dublette Gegenstand – Objekt beispielsweise kann auf eine natürliche Weise im Katalanischen nicht wiedergegeben werden. Auf Katalanisch – wie auf Spanisch, Französisch, Rumänisch usw. – gibt es nur ein Wort lateinischen Ursprungs, das die kantische Dublette wiedergeben kann: ›objecte‹. 31 Nur die Ausgaben [1991, Olesti] [2002, Turró] [2003, Costa] und [2015, Mont­ serrat] enthalten Bemerkungen der Übersetzer bzw. Herausgeber, wie sie mit dem Problem der kantischen Dubletten umgegangen sind. Die Bemerkungen in der Übersetzung der KpV [2003, Costa] sind dabei am ausführlichsten. Ein einziges katalanisches Wort übersetzt die jeweilige Dublette: Dieses Wort wird dann mit einem großen Anfangsbuchstaben geschrieben, wenn das übersetzte Wort lateinischen bzw. griechischen Ursprungs ist; ohne großen Anfangsbuchstaben, wenn

29

Die Argumentation Jaques’ beruht auf der m. E. problematischen Annahme, dass die Urteilskraft mehr als ein Vermögen zu urteilen sei (»la facultat de jutjar deixa quasi definitivament de ser una mera facultat de jutjar per esdevenir una Urteilskraft [una facultat de jutjar i alguna cosa més].« [2004, Jaques, 16]). Es ist auch problematisch, wenn sich Jaques auf Reflexionen beruft (vgl. Jaques: Sobre la traducció del terme Urteilskraft [Anm. 26] 129), in denen Kant die Bedeutung von Kraft und Vermögen gegeneinander ausspielt (etwa Refl, AA 17: 72). Das mag seine Richtigkeit haben, aber an der zu übersetzenden Stelle setzt Kant beide Begriffe (Urteilskraft, Vermögen zu urteilen) gerade nicht einander entgegen, sondern definiert vielmehr den einen durch den anderen. 30 Zum Problem der Wortdubletten bei Kant vgl. den Beitrag von François Ottmann im vorliegenden Band. 31 Über die in der Forschung vielfach diskutierte Dublette Gegenstand – Object vgl. u. a. Rodica Croitoru: Comment cette ›langue morte et savante‹ nous a aidé dans la traduction de la Critique de la raison pure en langue roumaine. In: Kant-Studien 108/1 (2017). 134–145. Croitoru bemerkt, dass in der rumänischen Übersetzung der KrV beide Wörter als ›obiect‹ übersetzt worden seien, da sie keinen Unterschied in der Verwendungsweise dieser Wörter bemerkt habe (»En analysant le texte, nous n’avons pas noté de différences dans l’utilisation de l’un ou l’autre terme.« Ebd. 138).

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es eine germanische Wurzel hat. Ein Beispiel: Die kantische Dublette Realität – Wirklichkeit wird anhand der Dublette ›Realitat‹ – ›realitat‹ übersetzt. Diese gewissermaßen typographische Lösung des Problems der Dubletten – eine Lösung, anlässlich derer der Herausgeber anmerkt, dass es Vorgänger bei anderen romanischen Übersetzungen gibt – wird konsequent angewendet. 32 Das ist das Vorgehen selbst bei deutsch-griechischen Dubletten – wie zum Beispiel beim Wortpaar Erscheinung und Phänomen. Hierbei wäre es möglich gewesen, die Dublette anders als typographisch zu unterscheiden, eventuell durch die Prägung einer katalanisch-griechischen Dublette, etwa ›aparença‹ (von lat. apparentia) und ›fenòmen‹ (von grch. φαινόμενον). 33 Costa und Font entschieden sich aber für strenge Konsistenz beim Übersetzen von Dubletten und wandten die oben genannte typographische Lösung an, also übersetzten sie Erscheinung als ›fenòmen‹ und Phänomen als ›Fenòmen‹. Obwohl weniger ausführlich, äußern sich aber doch auch andere Herausgeber zu kantischen Dubletten, die ihnen problematisch bzw. bedeutsam erscheinen. Salvi Turró z. B. kommentiert die Dublette Völkerbund – Föderalität. Seine Lösung (Völkerbund = ›lliga de pobles‹; Föderalität = ›federació‹) folgt offensichtlich keinem typographischen Kriterium, sondern respektiert »den genauen Wortlaut der kantischen terminologischen Dublette« (»respect[a] literalment el doblet terminològic kantià.« [2002, Turró, 36]). Damit, so Turró, folge diese Übersetzung zugleich auch »dem Sprachgebrauch von Kants Zeit« (»l’ús lingüístic de l’època« [2002, Turró, 36]). Damit ist wahrscheinlich gemeint, dass diese Übersetzung einen moderneren Wortgebrauch meidet, der zu der unsinnigen Übersetzung Societat de les Nacions (wie im Englischen League of Nations) für Völkerbund geführt hätte. Eine andere interessante Dublette ist die von Geometrie und Meßkunst. Josep Olesti übersetzt Meßkunst als ›geometria‹, merkt aber an, dass das kantische Original (›l’art de mesurar‹ = die Kunst des Messens) besser den anschauenden Charakter der Urteile der Geometrie zum Ausdruck bringe [1991, Olesti, 91]. Schließlich finden wir noch die bemerkenswerte Dublette Weltweisheit – Philosophie. Miquel Montserrat Capella entscheidet sich hier für eine typographische Lösung (Weltweisheit = ›Filosofia‹; Philosophie = ›filosofia‹) [2015, Montserrat, 60]. Das ist die Alternative zu einer wortwörtlichen Wiedergabe, bei der etwa Welt-

32 Andere

Beispiele: Täuschung – Illusion: ›il·lusió‹ – ›Il·lusió‹; Sittlichkeit – Moralität: ›moral‹ – ›Moral‹; Mensch – Person: ›persona‹ – ›Persona‹; Grundsatz – Prinzip: ›principi‹ – ›Principi‹; Fortschritt – Progressus: ›progrés‹ – ›Progrés‹. 33 Die lateinisch-griechische Dublette Apparentia – Phaenomenon wird von Kant selbst in seiner lateinischen Dissertation MSI gebraucht, etwa in der Passage: »In sensualibus autem et Phaenomenis id, quod antecedit usum intellectus logicum, dicitur Apparentia […].« (MSI, AA 02: 394. 02 f.)

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weisheit als ›saviesa mundana‹ bzw. ›saviesa del món‹ übersetzt worden wäre, nach der scholastischen sapientia mundana bzw. sapientia mundi. VI.  Syntaktische Schwierigkeiten

Kant Stil ist oft – so schon von Schiller – als philosophischer Kanzleistil kritisiert worden. Kant selbst räumte höchst bescheiden ein, im Vergleich mit Autoren wie etwa Hume oder Mendelssohn keinen »so anlockenden« oder »eleganten« Schreibstil zu besitzen (Prol, AA 04: 262.27 f.). Dazu mögen u. a. zwei Eigenschaften von Kants Texten erheblich beigetragen haben: die Länge seiner Sätze und Paragraphen sowie ihre überaus komplizierte hypotaktische Syntax. Übersetzer müssen diesbezüglich eine Entscheidung treffen: Sollte die Länge der Sätze gekürzt und/oder gar deren Syntax vereinfacht werden, um den Text lesbarer zu gestalten? Oder würde das den übersetzten Text noch verwirrender erscheinen lassen – indem die Einheit von Kants Argumentation möglicherweise zerstört würde? Die Pros und Contras müssen in Erwägung gezogen werden. Die katalanischen Übersetzer, die dazu Stellung nehmen, sind sich jedenfalls nicht darüber einig. Salvi Turró entscheidet sich in seiner Übersetzung [2002, Turró], den kantischen Stil bzw. Satz- und Paragraphenbau so weit wie möglich aufrechtzuerhalten. Die Länge der Paragraphen wird respektiert, selbst wenn solche Länge ­ungewöhnlich ist und gelegentlich den Leser verblüffen sollte (»tot i que a vegades [la seva excessiva longitud] pot desconcertar el lector […]« [2002, Turró, 35]). Die Länge der Sätze Kants wird auch fast immer beibehalten – soweit sich dies im Katalanischen einrichten lässt (»en la mesura que ho permet el català« [2002, Turró, 35]). 34 Der Grund, den Turró für diese Entscheidung gibt, scheint recht plausibel. Die Zerstückelung von Kants vielschichtigen subordinierenden Satzperioden in kleinere Teile würde die Einheit von Kants ›Redefluss‹ (›flux discursiu‹) beeinträchtigen [2002, Turró, 35]. Die Folge wäre, dass Kants Texte noch schwieriger zu verstehen wären. Kants eigentümlicher ›Kanzleistil‹ (›estil cancelleresc‹) sei, so Turró, Teil des historischen Kontextes, in dem Kant schrieb, und Kant habe damit »das philosophische Genre in deutscher Sprache inauguriert« (»l’estil […] amb què Kant enceta el gènere filosòfic en llengua alemanya« [2002, Turró, 35]); ein weiterer Grund, diesen Stil beizubehalten. Für eine diametral entgegengesetzte Lösung entscheiden sich der Übersetzer Miquel Costa bzw. der Herausgeber Pere Lluís Font. Einige »überlange Sätze« 34

Auf Anfrage per E-Mail hat Turró darauf hingewiesen, dass die Beibehaltung der langen und komplexen Satzperioden für ihn die größte Schwierigkeit beim Übersetzen gewesen sei.

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(»frases llarguíssimes«) werden geteilt, dies wohl, damit der Text lesbarer wird (»[…] més llegidor« [2003, Costa, 29]). Dies geschieht jedoch mit Augenmaß – das heißt, nur wenn nötig – und eigentlich nur deshalb, weil Kants KpV ein Werk sei, das besondere stilistische Probleme aufwerfe, wegen der ›Eile, in der es geschrieben wurde‹ [2003, Costa, 29]. Ein Beispiel dieser angestrebten Vereinfachung von Kants Syntax wäre Folgendes. Es geht um einen einzigen Satz des Originals, der sich über 12 Zeilen der Akademie-Ausgabe zieht: Dass dieses die wahre Unterordnung unserer Begriffe sei, und Sittlichkeit uns zuerst den Begriff der Freiheit entdecke, mithin praktische Vernunft zuerst der spekulativen das unauflöslichste Problem mit diesem Begriff aufstelle, um sie durch denselben in die größte Verlegenheit zu setzen, *erhellet schon daraus: dass, da aus dem Begriffe der Freiheit in den Erscheinungen nichts erklärt werden kann, sondern hier immer Naturmechanism den Leitfaden ausmachen muss, überdem auch die Antinomie der reinen Vernunft, wenn sie zum Unbedingten in der Reihe der Ursachen aufsteigen will, sich, bei einem so sehr wie bei dem anderen, in Unbegreiflichkeiten verwickelt, *indessen dass doch der letztere (Mechanism) wenigstens Brauchbarkeit in Erklärung der Erscheinungen hat, man niemals zu dem Wagestücke gekommen sein würde, Freiheit in die Wissenschaft einzuführen, wäre nicht das Sittengesetz und mit ihm praktische Vernunft dazu gekommen und hätte uns diesen Begriff nicht aufgedrungen. (KpV, AA 05: 30.09–21)

Diese Satzperiode wird vom Übersetzer in drei verschiedene Sätze zerlegt: [1] Aquest és doncs l’ordre veritable dels conceptes: la moralitat és la primera en descobrir-nos el concepte de llibertat, i amb això la raó pràctica és la que planteja a la raó especulativa en primer lloc el Problema més insoluble amb aquest concepte, tot deixant-la en la més gran perplexitat. [2] Això es veu clarament [*erhellet] pel fet que, si bé a partir del concepte de llibertat no es pot explicar res del món dels fenòmens, sinó que aquí el fil conductor sempre ha de ser el mecanicisme natural, a part del fet que si la raó pura vol remuntar-se més enllà fins a l’indeterminat en la sèrie de les causes, cau en l’antinomia i en incongruències tant amb un concepte com amb l’altre, i si bé el segon (el mecanicisme) té almenys utilitat en l’explicació dels fenòmens. [3] Malgrat tot [*indessen], ningú hauria estat capaç d’introduir la llibertat en la ciència si la llei moral i amb ella la raó pràctica no ens hi haguessin portat, i si no ens hagués obligat a admetre aquest concepte. [2003, Costa, 105]

Dieser Absatz ist tatsächlich gut lesbar. Doch was ist von den Bedenken von Turró zu halten, diese Art von Zerstückelung sei problematisch, weil sie die Einheit von Kants Gedankengängen zerstöre? Die erste Teilung ([2]: »Això es veu clarament […]«) ermöglicht zwar eine Pause, die dem Sinn der Passage nicht zuwi-

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derläuft. Aber die zweite Trennung ist problematisch und verleiht dem Text einen Sinn, den er mit aller Wahrscheinlichkeit nicht hat. Die Ursache dafür liegt m. E. in einer falschen Auslegung der Grundstruktur von Kants Satz. Die wichtigsten Teile dieser Struktur sind diese: »Dass dieses die wahre Unterordnung […] sei, […] erhellet schon daraus: dass […] man niemals zu dem Wagestücke gekommen sein würde, Freiheit in die Wissenschaft einzuführen, wäre nicht das Sittengesetz […]«. Diese einfache Grundstruktur wird wegen der recht komplizierten Struktur der kantischen Hypotaxe nicht auf den ersten Blick erkennbar. 35 Der katalanische Konnektor malgrat tot (wörtlich: trotz allem) verfehlt nun aber diese Grundstruktur und verzerrt damit den Sinn des Satzes; Kant hätte demzufolge im dritten Teilsatz gesagt: »Trotz allem […] würde [man] niemals zu dem Wagestücke gekommen sein, Freiheit in die Wissenschaft einzuführen […]«. Warum aber hier das konzessive trotz allem? Im kantischen Original meint indessen dass doch: während … doch, wohingegen, wobei … doch (adversativ). 36 Allerdings besitzt die katalanische Übersetzung im Vergleich zum deutschen Originaltext den Vorzug, das im heutigen deutschen Sprachgebrauch unübliche und missverständliche ›nicht‹ am Schluss der zitierten Periode (»hätte … [nicht] aufgedrungen«) direkt an den Konditionalsatz anzubinden und daher ein potentielles Missverständnis auszuräumen. Die Bedenken von Turró sind somit, bei Lichte betrachtet, nicht ganz unbegründet. Das bedeutet freilich nicht, dass das Verfahren der Teilung an sich unzulässig wäre. Es ist nur nicht einfach, eine korrekte Teilung vorzunehmen. Andere Übersetzer geben keine Auskunft über ihr Procedere. Wir können aber davon ausgehen, dass generell ein moderat konservatives Kriterium befolgt wurde: die Länge der Paragraphen und Sätze ebenso beizubehalten wie Kants verschachtelte hypotaktische Syntax, es sei denn, dieses Desideratum lässt sich in der Zielsprache schwerlich realisieren. Ein Blick in die Übersetzungen von Kants Hauptwerken [Vilar, Leita und Jaques] scheint diese Annahme zu bestätigen. Beim eigentümlichen Stil von anderen Werken wie etwa Päd, dessen Authentizität teilweise bis heute umstritten ist 37, scheint das Problem nicht aufzutreten. 35 Kants

hypotaktischer Stil besteht eben in einem beständigen Aneinanderreihen von Nebensätzen an Nebensätze, was das logische Gerüst des Satzganzen schwer durchschaubar macht. Vgl. Ludwig Reiners spöttische Formulierung: Kants lange Sätze glichen Pyramiden, in denen »Ziegel um Ziegel aneinandergefügt« würden, »ohne dass der Baumeister einmal von seinem Werk aufblickt«. Ludwig Reiners: Stilkunst. Ein Lehrbuch deutscher Prosa. München 1943. 262. 36 Der Übersetzer mag vom Konnektor indessen verleitet gewesen sein. Indessen kann einen Gegensatz ausdrücken (wie jedoch, aber), muss das aber nicht: es kann auch Gleichzeitigkeit ausdrücken (wie unterdessen, inzwischen). 37 Vgl. Patrick Frierson: Art. Über Pädagogik. In: Kant-Lexikon. Hg. von Marcus Willaschek/Jürgen Stolzenberg/Georg Mohr/Stefano Bacin. Berlin/N. Y. 2015. Bd. 3. 2364.

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VII.  Andere Schwierigkeiten (Wiedergabe von kantischer Ironie und Besonderheiten kantischer Diktion)

Kant bediente sich zu gewissen Zeiten der Ironie, oft in seinen kleineren Schriften, wo er auf eine gewisse Form der Popularität zielen bzw. seine Texte »der Fassungskraft des Publicums« anpassen konnte. (Log, AA 09:47 f.) 38 Ein Text, der teilweise von Ironie gefärbt ist, ist Kants Essay WA. Da es zwei katalanische Ausgaben dieser Schrift gibt – von Joan Baptista Llinares [1991, Llinares] und Salvi Turró [2002, Turró] –, ist es möglich, sie zu vergleichen, um zu sehen, wie die ­katalanischen Übersetzer Kants Ironie in katalanischer Sprache wiedergeben. »Es ist so bequem, unmündig zu sein.« Mit diesem Satz verspottet Kant die Menschen, die für ihre Entscheidungen Vormünder brauchen, weil sie zu faul und zu feige sind, ihren eigenen Verstand zu benutzen. Wie spiegelt sich diese Ironie in den Übersetzungen wider? Llinares überträgt den Satz buchstäblich: »És tan còmode ser menor d’edat.« [1991, Llinares, 63] Hier wird die Ironie nicht markiert. Turró hingegen entscheidet sich dafür, die Ironie mit einem pointierten Ausrufezeichen zu versehen: »Ser menor d’edat és tan còmode!« [2002, Turró, 80] Dieses Hilfsmittel erweist sich m. E. als die passendere Übersetzung, denn sonst bliebe Kants Ironie auf Katalanisch nahezu unbemerkt. Ähnliches geschieht an einer anderen bekannten Stelle von WA. Hier beklagt Kant das Schicksal von jenen aufgeklärten Vormündern, welche das Publikum aufklären wollen, jedoch vom Publikum selbst gezwungen werden, weiter unter dem Joch der Vormundschaft zu bleiben. Kant kommentiert das mit den Worten: »[…] so schädlich ist es, Vorurteile zu pflanzen, weil sie sich zuletzt an denen selbst rächen, die, oder deren Vorgänger, ihre Urheber gewesen sind.« (WA, AA 08: 036.26 f.) Diese Ironie wird von Turró wiederum mit einer Exklamation am Anfang des Satzes (»Tan nociu és sembrar prejudicis!, ja que acaben venjantse d’aquells mateixos que foren els seus autors o capdavanters […]« [2002, Turró, 82]) wiedergegeben, von Llinares hingegen nicht hervorgehoben (»Tan perjudicial és implantar judicis, ja que a l’últim es vengen fins d’aquells que n’han estat – ells mateixos o llurs predecesseros – els autors.« [1991, Llinares, 64]). Hier erweist sich m. E. die Übersetzungslösung von Turró erneut als treffender, denn das Ausrufezeichen verleiht dem Text auf Katalanisch eine Emphase, die Kants Ironie sichtbar werden lässt. Ein anderer Aspekt, der Schwierigkeiten für die Übersetzung bereiten mag, besteht in solchen Wörtern wie überhaupt, überall, die für Kants Diktion charak38

Zur bemerkenswert unterschiedlichen literarisch-stilistischen Gestaltung der zahlreichen vorkritischen und kritischen Schriften Kants vgl. Willi Goetschel: Kant als Schriftsteller. Wien 1990.

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teristisch sind. Überhaupt ist dabei am häufigsten anzutreffen. 39 Kant verwendet dieses Wort, welches, der grammatischen Form nach, ein Adverb ist, meistens adjektivisch, als Ergänzung zu Substantiven in Phrasen wie etwa Anschauung überhaupt, Erfahrung überhaupt oder Dinge überhaupt. Überhaupt verweist dabei jeweils auf die allgemeine Bedeutung des von ihm qualifizierten Begriffs oder Sachverhaltes. Wenn Kant beispielsweise vom »Wollen überhaupt« spricht (GMS, AA 04: 390.27), so meint er nicht dieses oder jenes Wollen – einen konkreten bzw. individuellen Fall eines solchen Wollens, ein Wollen »irgend einer besonderen Art« (GMS, AA 04: 390.24) –, sondern eben ein Wollen in allgemeiner Bedeutung. Wie gehen katalanische Übersetzer mit diesem Ausdruck um? Überhaupt wird fast ohne Ausnahme mit der Redewendung ›en general‹ übersetzt (ein Ausdruck, der seinerseits auf das Lateinische generaliter zurückzuführen ist). Diese Übersetzung ist in allen Fällen unproblematisch und effektiv; so, wenn Kant in den Prolegomena behauptet: »Dieses Urtheilen kann nun zwiefach sein: erstlich […] in einem Bewußtsein meines Zustandes, oder zweitens, […] in einem Bewußtsein überhaupt […].« (Prol, AA 04: 300.7–10). Die Übersetzung von Gerard Vilar lautet korrekt: »[A]quest judici pot ser de dos menes: primer […] en una consciència del meu estat, o bé, segon, […] en una consciència en general.« [1982, Vilar, 119] [Kursivierungen J.C.] Doch überhaupt wird in einigen Fällen zu einer harten Nuss für den katalanischen Übersetzer. Das für Kants Diktion charakteristische Wort wird in diesen Fällen entweder gar nicht übersetzt oder alternativ mit dem Adverb ›simplement‹ (einfach, schlichtweg, schlechterdings) wiedergegeben. Ersteres geschieht bei einer Passage aus der Grundlegung [GMS], in der Kant von der Freundschafts-Pflicht der Redlichkeit spricht als von einer »Pflicht als Pflicht überhaupt […]« (GMS, AA 04: 408.9–11). Joan Leita ignoriert überhaupt in seiner Übersetzung. Statt ›deure en tant que deure en general‹ übersetzt er nur »deure en tant que deure« [1984, Leita, 89]. Der Grund für diese Auslassung ist unklar, zumal dieser Übersetzer sonst überhaupt konsistent – wie alle anderen Übersetzer auch – mit ›en general‹ wiedergibt. Möglicherweise war der Satz, in den der Ausdruck Pflicht überhaupt eingebettet ist (»[…] weil diese Pflicht als Pflicht überhaupt vor aller Erfahrung in der Idee einer den Willen durch Gründe a priori bestimmenden Vernunft liegt«), syntaktisch bereits so komplex, dass überhaupt auszulassen die katalanische Übersetzung entlasten sollte. Überhaupt wird in einem anderen, wenngleich nur in einem einzigen Fall, mit ›simplement‹ (einfach) wiedergegeben. Kant fragt: »Wie ist Metaphysik überhaupt möglich?« (Prol, AA 04: 280.05; 327.03). Vilar übersetzt: »Com és possible la 39

Und zwar so sehr, dass das Wort Eingang in Kant-Lexika gefunden hat, etwa in Eislers Lexikon und das Kant-Lexikon [Anm. 37], vgl. Hans-Ulrich Baumgarten: Art. überhaupt. In: Kant-Lexikon. Bd. 3. 2371 f. Im Folgenden wird auf diesen Artikel Bezug genommen.

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metafísica simplement?« [1982, Vilar, 91, 155] Das ist ungewöhnlich, denn sonst übersetzt Vilar überhaupt konsequent (wie oben angesprochen) mit ›en general‹. Warum wird hier Metaphysik überhaupt mit ›metafísica simplement‹ übersetzt, wohingegen Erfahrung überhaupt mit ›experiència en general‹ übersetzt wurde? Wieso werden diese beiden Ausdrücke unterschiedlich behandelt? Womöglich ist der Grund folgender: Überhaupt wird im Deutschen nicht nur als ein pronominaler Zusatz benutzt, der Substantive verallgemeinern kann, sondern auch als sogenannte Partikel in solchen Fragen wie Ist das überhaupt wahr? Wie ist das überhaupt passiert? usw. (ital. come mai?) Diese Redepartikel – oft in andere Sprachen unübersetzbar, auch ins Katalanische – modifizieren nicht den Sinn von Substantiven, sondern den Sinn eines ganzen Satzgebildes (um ihn jeweils zu verstärken, ihm eine gewisse emotionale Färbung zu geben usw.). In unserem Fall – Wie ist Metaphysik überhaupt möglich? – hätte überhaupt die Funktion, die Frage zu verstärken, ja die Fragwürdigkeit (im engeren Sinne) der Gesamtaussage – ›Metaphysik ist möglich‹ – zu betonen. Mit anderen Worten: Kants Frage hätte, dieser speziellen Übersetzung zufolge, auch folgendermaßen formuliert werden können: Wie ist Metaphysik eigentlich möglich? Die Übersetzung von Vilar versucht meiner Einschätzung nach, dieser syntaktischen Funktion von überhaupt als Partikel semantisch gerecht zu werden. Doch die Wahl von ›simplement‹ als Übersetzung von überhaupt – und a fortiori die Stellung von simplement nach meta­física (›metafísica simplement‹) – ist dabei irreführend: simplement evoziert das lateinische simpliciter, ein Gegenstück zum scholastischen secundum quid. Unklar bleiben mögliche Verwendungsunterschiede zwischen simplement (einfach, schlechterdings) und en general (überhaupt). 40 Überall ist ein anderes häufig von Kant verwendetes Wort, das Schwierigkeiten bereitet. »Ist überall Metaphysik möglich?«, fragt Kant in den Prolegomena (Prol, AA 04: 271.03). Hier ignoriert Vilar überall in seiner Übersetzung: »És possible la metafísica?« [1982, Vilar, 83] Es wäre aber auch möglich gewesen, überall als eine Variation von überhaupt zu interpretieren und, so wie es auch andere Übersetzer tun, dementsprechend in Übereinstimmung mit Kants anderweitigem Gebrauch von überall zu übersetzen. 41 40

Kant benutzt simpliciter als Synonym zu schlechtweg in KU, AA 05: 248.07. Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm gibt als fünfte Wortbedeutung von überall die von im allgemeinen bzw. überhaupt an (»überall«, in: Deutsches Wörterbuch von ­Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache [, abgerufen am 28.08.2019]. Um diese Bedeutung zu illustrieren, führen die Gebrüder Grimm eine Okkurrenz im Kant-Korpus selbst an, nämlich »wenn überall etwas dabei zu denken übrig bleiben soll«, die sich in ZeF, AA 08: 356, findet (die Brüder Grimm zitieren nach Hartensteins Ausgabe: Kant 5, 430). Da diese Stelle dem Essay ZeF korrespondiert, haben wir geprüft, was Turró aus ihr macht: Er lässt die Partikel unübersetzt (»si sota aquest concepte hi ha encara alguna cosa a pensar«. [2002, Turró, 213]). 41 Das

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Überall kommt zudem auch an einer anderen Stelle vor – am berühmten Anfang der GMS, wo Kant dieses Wort in demselben Satz benutzt, in dem er auch überhaupt benutzt. Es lohnt sich zu sehen, wie die katalanische Übersetzung dieses Satzes ausfällt und wie sie mit Übersetzungen in andere romanische Sprachen kontrastiert. Kants Satz lautet im Original: Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille. (GMS, AA 04: 393.5–7) [Kursivierung J.C.]

Der Satz lässt sich folgendermaßen paraphrasieren: Es ist nirgends in der Welt und auch nirgends außerhalb der Welt etwas zu denken möglich, was […] oder (eine ebenso korrekte Lesart): Es ist generell nichts in der Welt und nichts außerhalb derselben zu denken möglich, was […]. Die katalanische Übersetzung lautet: (Üb. Kat.) No és possible de pensar res enlloc en el món, ni tampoc en general fora del món, que pugui ser tingut sense restricció per bo, llevat únicament d’una bona voluntat. [1984, Leita, 67] [Kursivierung J.C.]

Diese Übersetzung gibt zunächst einmal Rätsel auf, denn überall wird mit einem Wort übersetzt – ›enlloc‹ (kein Ort, nirgendwo, nirgends) –, das das genaue Gegenteil bedeutet. Das geschieht wohl deswegen, weil überall nicht als Partikel, sondern als ein Adverb mit lokaler Bedeutung verstanden wird, und zwar mit der Bedeutung ›an allen Stellen, an allen Orten‹. Da überall im deutschen Text mit einem Ver­ neinungswort verbunden wird – ›nichts‹ –, ist es naheliegend zu schließen, dass Kant meint, es gebe ›überall in der Welt nichts‹ (d. h.: nirgendwo auf der Welt etwas), was ohne Einschränkung für gut gehalten werden könnte, außer dem guten Willen. Das ist eine Lesart, die oft in neueren Übersetzungen auftritt. (Üb. Span.) En ningún lugar del mundo, pero tampoco siquiera fuera del mismo, es posible pensar nada que pudiese ser tenido por bueno, a no ser únicamente una buena voluntad. 42 (Übers. von José Mardomingo) [Kursivierung J.C.] (Üb. Eng.) There is nothing it is possible to think of anywhere in the world, or indeed anything at all outside it, that can be held to be good without limitation, excepting only a good will. 43 (Übers. von Allen W. Wood) [Kursivierung J.C.]

42

Mardomingo: Kant: Fundamentación [Anm. 6] 117. Allen W. Wood (Übers.): Kant: Groundwork for the Metaphysics of Morals. New Haven/London 2002. 9. 43

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Diese Lesart ist aber keineswegs die einzig plausible: Überall ist an dieser Stelle von Kant als Partikel benutzt, hingegen wohl eher nicht als Adverb mit lokaler Bedeutung. Als Partikel hat es eine ähnliche Bedeutung bzw. Funktion wie überhaupt – wie wir vorhin gesehen haben. Das ist zumindest die Lesart, die andere neuere Übersetzer bieten, wie etwa folgende, denen man den Vorzug vor der zuerst angeführten Lesart geben mag: (Üb. Ital.) È impossibile pensare nel mondo, e, in genere, anche fuori di esso, una cosa che possa considerarsi come buona senza limitazioni, salvo, unicamente, la volontà buona. (Übers. von Vittorio Mathieu)44 (Üb. Port.) Neste mundo, e até também fora dele, nada é possível pensar que possa ser considerado como bom sem limitação a não ser uma só coisa: uma boa vontade. (Übers. von Paulo Quintela)45

Hier ist die Übersetzung von überall – oder genauer: überall nichts – durch nirgends, nirgendwo etwas (›enlloc‹ [Katalanisch], ›anywhere‹ [Englisch], ›en ningún lugar‹ [Spanisch]) ersetzt. Diese Lesart ist m. E. der vorherigen vorzuziehen, denn überall, verstanden als Adverb mit lokaler Bedeutung, ist nach heutigem ­Sprachgebrauch schwerlich mit der Grammatik des Satzes in Einklang zu bringen. 46 VIII.  Tauglichkeit für die Kant-Forschung: Kriterien

Zusammenfassend können wir feststellen, dass die meisten neueren katalanischen Übersetzungen für eine wissenschaftliche Kant-Forschung geeignet sind. Diese Ausgaben – vor allem diejenigen, die in der wertvollen Reihe von Edicions 62 erschienen sind – beinhalten in der Regel alles, was für den Kant-Forscher erforderlich und wünschenswert ist. Wir finden in ihnen meistens folgende Merkmale:

44

Vittorio Mathieu (Übers.): Kant: Fondazione della Metafisica dei Costumi. Mailand 1994. 55. 45 Quintela: Kant: Fundamentação [Anm. 6] 21. 46 Das Wort nichts ist hier, von der Grammatik her gesehen, ein Indefinitpronomen und bezieht sich auf das Relativpronomen was (es ist überall nichts in der Welt […] zu denken möglich, was […]).

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A.  Angabe der zu Grunde liegenden Textausgabe(n)

Diese Angabe geschieht in einigen Fällen explizit und detailliert, wie in [1982, Vilar], [1984, Leita], [1991, Olesti], [1991, Mayos], [2003, Costa] oder [2004, Jaques]. Hier verweisen die Herausgeber meistens auf den Text der AkademieAusgabe, aber auch auf die anderen bekannten textkritischen Ausgaben. Wenn mehrere Textausgaben zugleich konsultiert wurden, so teilen die Herausgeber und Übersetzer in den Fußnoten mit, für welche Lesart sie sich jeweils entschieden haben. Es wird im Übrigen über die verschiedenen Auflagen – etwa der KpV oder der GMS – zu Kants Lebzeiten informiert. In anderen Fällen wird die Angabe der zu Grunde liegenden Textfassungen von den Herausgebern unterlassen, wie bei [1991, Llinares], [2002, Turró] und [2015, Montserrat]. Im Fall von [1932, Serra], der popularisierenden Übersetzung von ZeF, gibt es überhaupt keinen Verweis, weder explizit noch implizit, auf die zu Grunde gelegte Textfassung. B. Verweise auf die Paginierung der Akademie-Ausgabe oder der Originalausgaben

Bedauerlicherweise enthalten die ersten katalanischsprachigen Ausgaben aus den 1980er Jahren keine Paginierungen nach der Originalausgabe, und das ungeachtet der Tatsache, dass diese Ausgaben – der Prol und der GMS – durchaus ambitioniert waren und für die Kant-Forschung tauglich sind. Doch dieser Mangel ist in den neuesten Ausgaben – [2003, Costa], [2004, Jaques] und [2015, Montserrat], alle erschienen in den 2000er Jahren – inzwischen beseitigt worden. Die Paginierung bezieht sich üblicherweise auf die Paginierung der Akademie-Ausgabe. Eine Ausnahme bildet die Übersetzung der KpV, die die Paginierung der Erstausgabe von 1788 anführt. C.  Äquivalenzregister zu wichtigen Begriffen

Ein solches Register gibt an, welches katalanische Wort welchem kantischen Begriff entspricht. Es hilft damit den Kant-Forschern und Kant-Forscherinnen, einen Überblick über die kantische Terminologie zu bekommen und sich ein Bild davon zu verschaffen, wie der Übersetzer diese Terminologie interpretiert hat. Dieses Register ist allerdings nur in den neuesten Übersetzungen [2003, Costa] und [2004, Jaques] als selbständiger Anhang zu finden. Bemerkungen über Äquivalenzen sind sonst informell in die Einleitungen eingefügt (so wie in [1984, Leita]). In einem seltenen Ausnahmefall ([2002, Turró, 35 f.]) wird die Notwen-

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digkeit eines Äquivalenzregisters in Zweifel gezogen, denn in den übersetzten kleineren Schriften Kants über Politik und Geschichte gebe es nicht so viele Fachausdrücke (»no hi abunden massa els tecnicismes«) wie in den kritischen Werken; wenn einschlägige Termini vorkämen, so gehe der Übersetzer davon aus, dass die terminologischen Äquivalenzen in den romanischen Sprachen »zureichend festgelegt« seien (»estan prou fixades en les llengües romàniques« [2002, Turró, 36]). D.  Ausführliche Sach-, Begriffs- und Namenregister

Alle aktuell in den Edicions 62 erhältlichen Kant-Übersetzungen verfügen über detaillierte Sach-, Begriffs- und Namenregister ([1982, Vilar], [1984, Leita], [2002, Turró], [2003, Costa], [2004, Jaques]). Die Register der zwei neuesten Übersetzungen unter ihnen – die Übersetzungen der KpV und der KU – verweisen auch direkt auf die Paginierung der kantischen Originalausgabe. Das mag vielleicht für den allgemeinen Leser etwas unhandlich sein, wird aber von Kant-Forschern und -Forscherinnen sicherlich erwartet. Will der Kant-Forscher etwa prüfen, welches deutsche Wort für das katalanische ›temor‹ im Original steht, und findet er es nicht im Äquivalenzregister, so kann er es dank diesem Register direkt im deutschen Text nachschlagen. E.  Gründliche Kommentierung

Die Zahl sowie die Qualität der Fußnoten ist in einigen Ausgaben auf die Arbeit des Herausgebers, Pere Lluís Font, 47 zurückzuführen. Dessen Arbeit am Fußnotenapparat der Ausgaben [1982, Vilar], [1984, Leita], [2003, Costa] ist für den Kant-Forscher besonders fruchtbar. Die Fußnoten der Edition der Prol beispielsweise [1982, Vilar] – wie schon erwähnt, setzte diese Ausgabe in vielen Hinsichten Standards für alle nachfolgenden Kant-Übersetzungen – sind höchst reichhaltig. Alle anderen anspruchsvollen Ausgaben folgen diesem Modell ([2002, Turró], [2004, Jaques]), mit dem einzigen Unterschied, dass in ihnen die Rolle des ­Herausgebers und des Übersetzers zusammenfallen.

47

Pere Lluís Font (geb. 1934) ist eine treibende Kraft hinter den katalanischen Übersetzungen von Kants Texten. Nicht nur hat er drei Ausgaben herausgegeben. Andere Ausgaben wurden entweder von ihm lanciert ([1991, Olesti]) oder von ihm auf die eine oder andere Weise mitgefördert ([1991, Tió], [2002, Turró], [2004, Jaques]). Er selbst übersetzte und edierte u. a. auch Werke von Descartes, ebenfalls bei Edicions 62.

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F.  Paratexte: Einleitungen, Übersetzungskommentare, Bibliographien etc.

Den meisten Ausgaben geht eine umfassend konzipierte Studie voran. Zu diesen einleitenden Studien gehören idealerweise – faktisch freilich nicht immer – auch Anmerkungen zu den Übersetzungen. Sie enthalten auch Bibliographien, oft mit Abteilungen zu katalanischsprachigen Übersetzungen sowie Übersetzungen in andere Sprachen, vor allem ins Spanische, aber auch ins Französische. 48 IX. Schlusswort

Wir haben in der Einleitung die Tatsache vermerkt, dass es vor dem Jahr 1932 keine Übersetzung von Kant ins Katalanische gab und dass die übrigen, neueren Übersetzungen, die wir in unserem Artikel kommentiert haben, erst ab den 1980er Jahren erschienen. Viele Gründe können zur Erklärung dieser relativ späten Übersetzungstätigkeit angeführt werden – kulturelle, sprachliche 49, aber auch politische50 . Seit den 1980er Jahren ist jedoch, wie dargelegt, eine beträchtliche Anzahl an Übersetzungen erschienen, und die Publikation einer Übersetzung der KrV ist angekündigt. Der verdiente katalanische Philosoph Joaquim Xirau51 stellte im Jahr 1925 – als es noch keine Übersetzung von Kants ins Katalanische gab – pessimistisch fest, dass Kants Denken kaum einen Einfluss auf die kulturelle Entwicklung in

48 Auf Anfrage per E-Mail bestätigten einige Übersetzer, dass sie es beim Übersetzen schwieriger Stellen hilfreich fanden, spanische und französische Übersetzungen zu Rate zu ziehen (Vilar, Turró, Olesti). Im Fall von französischen Übersetzungen waren es diejenigen, die im Verlag Vrin erschienen sind (Vilar, Olesti). 49 Im 19. Jahrhundert wäre die Übersetzung Kants ins Katalanische beinahe undenkbar gewesen. Die damals führenden katalanischen Philosophen – sowohl der ersten Hälfte des Jahrhunderts (Jaume Balmes) wie der zweiten (Francesc Xavier Llorenç i Barba) – schrieben nämlich ihre Hauptwerke auf Spanisch. Darüber hinaus sollte man beachten, dass die KantRezeption dieser Autoren über Übersetzungen erfolgte. Vgl. auch Jaume Roura: Influència de Kant a Catalunya. Notes. In: Enrahonar (1982). 59 f. 50 Die erste Übersetzung aus dem Jahr 1932 erfolgte während der Zeit der Zweiten Spanischen Republik — vier Jahre also vor dem spanischen Bürgerkrieg (1936–1939). Die zweite Übersetzung erfolgte im Jahr 1982 — vier Jahre nach der Re-Etablierung der Demokratie in Spanien. Mit der Wiedereinführung der Demokratie ging auch die institutionelle Förderung der katalanischen Sprache einher. Die hier besprochenen Ausgaben wurden von der regionalen katalanischen Regierung (Generalitat de Catalunya) unterstützt, mit Ausnahme von [1991, Llinares], die von der valencianischen Regierung (Generalitat Valenciana) gefördert wurde. 51 Joaquim Xirau (1895–1946) war Dekan der Philosophischen Fakultät an der Universitat de Barcelona von 1933 bis 1939. Nach dem Ende des Bürgerkrieges ging er nach Mexiko ins Exil und setzte dort seine philosophische Tätigkeit fort.

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Katalonien gehabt habe.52 Die katalanische Kultur, so sein scharfes Urteil, habe bislang kein substantielles Interesse an Wissenschaft und Philosophie gehabt und sich aus diesem Grund auch kaum mit Kant vertraut gemacht. Er sagte aber zugleich mit Optimismus voraus, dass die katalanische Kultur eines Tages eine ›philosophische Blüte‹ (floració filosòfica) erleben werde, die auch mit einer echten Auseinandersetzung und Bekanntschaft mit Kants Denken einhergehen werde. Wenn er, fast ein Jahrhundert später, die heutigen katalanischen Übersetzungen von Kant betrachten könnte, so würde er sie wohl als Anzeichen einer solchen ›philosophischen Blüte‹ wahrnehmen.

52

Joaquim Xirau: Kant i la cultura catalana. Reflexions de Centenari. In: La Revista 1925. 7–10.

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Zur Übersetzungslage der Schriften Kants in Brasilien Christian Hamm Die Übersetzung philosophischer Texte aus ihrer Originalsprache hat in Brasilien noch keine lange Tradition. Dies gilt nicht nur, aber doch in hohem Maße auch für die klassischen Texte der deutschen Philosophie, und hier ganz besonders für die Werke Kants. – Zwar kamen bereits Ende der 1950er Jahre Übersetzungen der ersten beiden Kritiken und der Prolegomena auf den brasilianischen Markt, die angeblich den deutschen Originaltext zur direkten Grundlage hatten, jedoch aus verschiedenen Gründen reichlich Anlass boten, dies eher in Zweifel zu ziehen. Außer diesen mittlerweile vergriffenen und selbst in Hochschulbibliotheken kaum noch auffindbaren Übersetzungen erschien dann – wohl nicht zuletzt auch infolge der durch die repressive Kulturpolitik jener Tage bedingten generellen Zurückhaltung gegenüber ›kritischer‹ Philosophie insgesamt – lange Zeit nur wenig Neues in Sachen Kant. Das änderte sich erst Ende der siebziger und dann verstärkt Anfang der achtziger Jahre, als im Rahmen einer von der Verlagsgruppe Abril Cultural lancierten, ausschlieblich über den Zeitschriftenhandel vertriebenen Reihe mit dem Titel Os Pensadores auch ein Band mit einigen ausgewählten Kant-Texten erschien, davon drei (Prol, GMS und Erste Einleitung) in vollständiger Fassung, alle übrigen nur in Auszügen (KrV: Transzendentale Analytik bis § 27; KU: Analytik des Schönen, §§ 1–22 und §§ 43–54; RGV: Erstes Stück). Die Heterogenität der in diesem Band veröffentlichten Texte, die sich außer dem bei solchen Publikationsformaten üblichen Termindruck wohl vor allem der Tatsache verdankt, dass zu dieser Zeit einfach noch keine größeren, thematisch weitergespannten Übersetzungsprojekte zu Kant existierten, findet ihre Entsprechung in dem gleichfalls sehr unterschiedlichen Qualitätsniveau der einzelnen Beiträge: Neben den präzisen, auch stilistisch überzeugenden Übersetzungen etwa von Torres Filho und Paulo Quintela und der zwar nicht so ›eleganten‹, aber doch ebenfalls weitgehend korrekten Übersetzung von Valerio Rohden findet sich auch deutlich weniger Geglücktes in dem Band, wie z. B. die von Tania Bernkopf übersetzten Prol, die, obwohl sprachlich eingängig formuliert, in der Sache eine Vielzahl von zum Teil schweren Fehlern enthalten (die bedauerlicherweise auch in späteren Ausgaben nie korrigiert wurden).1 1

Tania Bernkopf: Prolegômenos. In: Kant: Crítica da Razão Pura e outros textos filosóficos. Ausgewählt von Marilena de Souza Chauí Berlinck. São Paulo 1974. 99–193.

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Die eigentliche Wendung oder zumindest ein ganz neues Kapitel in der brasilianischen Kant-Rezeption beginnt jedoch erst mit der Publikation der von Valerio Rohden und Udo Baldur Moosburger besorgten, nun erstmals vollständigen Übersetzung der KrV nach der B-Fassung von 1787. 2 Sie baut zum Teil auf dem bereits erwähnten, ebenfalls schon von Rohden übersetzten ersten Teil der KrV auf, der an verschiedenen Stellen allerdings einige wichtige inhaltliche und stilistische Korrekturen erfährt, was dessen bruchlose Integrierung in den Gesamtkorpus des Textes ermöglichte. Solche Korrekturen können allerdings ebensowenig wie alle weiteren diesbezüglichen Bemühungen im nachfolgenden zweiten Teil verhindern, dass die Übersetzung als Ganzes einen eher zwiespältigen Eindruck hinterlässt. Das liegt weder am Ausgangsmaterial – der Weischedelschen Textfassung (Wiesbaden 1956) und der zum Vergleich herangezogenen Fassungen von Raymund Schmidt (Hamburg 1956) und der Akademie-Textausgabe (Berlin 1968) – noch an den nach Angaben der Verfasser ebenfalls konsultierten diversen Hilfsquellen wie den Übersetzungen von Kemp Smith (1929), Gentile (1909) oder Mathieu (1958), sondern zum ganz wesentlichen Teil an der – im Grunde freilich zu begrüßenden – Entscheidung, den deutschen Text so wortgetreu wie möglich zu übersetzen und den spezifisch kantischen Sprachduktus auch im Portugiesischen weitestgehend zu erhalten, sich also bei der Textübertragung damit grundsätzlich vom Prinzip ›Genauigkeit vor Schönheit‹ leiten zu lassen: eine Entscheidung, die aber, wie gesagt, nicht ohne, auch problematische, Konsequenzen bleibt. Dies gilt selbstverständlich in erster Linie für die Frage der Lesbarkeit des Endprodukts, die für den (nicht nur) brasilianischen Rezipienten natürlich von entscheidender Bedeutung ist. Dass die rigorose Ausrichtung am ›Genauigkeitsprinzip‹ allerdings nicht nur die Minderung des subjektiven Lesevergnügens zur Folge hat, sondern sich letzlich auch objektiv, d. h. auch für die Qualität des Textes selbst, als kontraproduktiv erweisen kann, zeigt sich vor allem dort, wo die vom Bemühen um größtmögliche Werktreue diktierte Lösung eines bestimmten (lexikalischen, syntaktischen, stilistischen) Problems ein Vorgehen impliziert, das in seiner scheinbar notwendigen Subtilität dann so ›künstlich‹ wirkt, dass diese Lösung schließlich selbst zum Problem und damit klärungsbedürftig wird. – Ungeachtet solcher Bedenken und aller seinerzeit auch tatsächlich in diesem Sinne vorgetragenen Kritik lässt sich jedoch insgesamt feststellen, dass die RohdenMoosburgersche Übersetzung der KrV letztlich ein grober Erfolg wurde – übrigens auch in ökonomischer Hinsicht, denn die Nachfrage war so groß, dass es in den Folgejahren zu mehreren, immer wieder schnell vergriffenen Neuauflagen kam, deren äußeres Erscheinungsbild sich allerdings, auch dies sei am Rande vermerkt, laufend verschlechterte und es dem Leser, beispielsweise durch Maß2

Kant: Crítica da Razão Pura. Übers. von Valerio Rohden/Udo Baldur Moosburger. São Paulo 1980.

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nahmen wie die komplette Tilgung der ursprünglich im Text angegebenen Originalpaginierung, dann letztlich immer leichter fallen ließ, sich für eine andere portugiesischsprachige Ausgabe der KrV zu entscheiden. Dies wurde dann spätestens ab 1985 möglich, als die Fundação Calouste Gulbenkian in Lissabon mit der Übersetzung von Manuela Pinto dos Santos und Alexandre Fradique Morujão eine weitere Version der KrV auf den Markt brachte, die dann tatsächlich schon bald nach ihrem Erscheinen auch in Brasilien eine große, schnell wachsende Leserschaft fand. 3 – Obwohl im Laufe der achtziger Jahre in Portugal – wohl auch dort nicht ganz unabhängig von der mit der ›Revolução dos Cravos‹ 1974 eingetretenen allgemeinen Liberalisierung des politischen Klimas – eine ganze Reihe von neuen Kant-Übersetzungen herauskam, die dann auch in Brasilien vertrieben und gelesen wurden, kommt der Gulbenkian-Ausgabe der KrV eine ganz besondere Bedeutung zu; nicht nur, weil der Zuspruch, den sie fand, wie gesagt, auch als Reaktion auf die zunehmend lieblosere Behandlung ihres brasilianischen Vorläufers durch dessen Herausgeber verstanden werden kann, sondern auch und wohl vor allem, weil diese neue Version – durchweg ›lesbarer‹, d. h. in flüssigem, geschliffenem Portugiesisch verfasst, dafür im Detail allerdings auch deutlich weniger präzise als die alte – in gewissem Sinne ein Gegenmodell zum brasilianischen Konzept von Rohden und Moosburger darstellt. Tatsächlich war es dann gerade auch dieser letzte Punkt, der für viele eine wichtige Rolle spielte und an dem sich in der Folge zunehmend die akademischen Geister schieden. Obwohl sich in einer Reihe großenteils wohlwollender Kommentare damals die Meinung durchzusetzen begann, die portugiesische Fassung sei, ›vor allem für Anfänger‹, der brasilianischen vorzuziehen, hielt ein beachtlicher Teil der Kant-Interpreten des Landes bei aller immer wieder formulierten Kritik an Einzelaspekten der letzteren weitgehend die Treue. Und so gab es alles in allem für mehr als drei Jahrzehnte ein friedliches, bisweilen sogar durchaus produktives Nebeneinander beider Konzeptionen. Mehr als ein Jahrzehnt nach seinem ersten großen und erfolgreichen Vorstoß legt Rohden die Übersetzung eines weiteren kritischen Hauptwerks Kants vor, nämlich der KU, und noch einmal sieben Jahre später die der KpV. Die erstere, in Zusammenarbeit mit dem an der Universidade Nova in Lissabon lehrenden António Marques erstellt, erscheint 1993 unter dem Titel Crítica da Faculdade do Juízo im Verlag Forense Universitária in Rio de Janeiro 4 (1990 in der portugiesischen Imprensa Nacional-Casa da Moeda in Lissabon erschienen), die zweite, in alleiniger Autorschaft verfasst, im Jahr 2002 bei Martins Fontes in São 3 Kant: Crítica da Razão Pura. Übers. von Manuela Pinto dos Santos/Alexandre Fradique Morujão. Lissabon 1985. 4 Kant: Crítica da Faculdade do Juízo. Übers. von Valerio Rohden/António Marques. Rio de Janeiro 1993.

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Paulo.5 Die Übersetzung der KU basiert auf dem Text der zweiten Auflage von 1793 (AA 05: 165–485), die der KpV auf dem der ersten Auflage von 1788 (AA 05: 1–164). Bei allen Unterschieden im Einzelnen lässt sich ganz allgemein sagen, dass beide Übersetzungen im Großen und Ganzen mit den gleichen stilistischen Schwächen behaftet sind wie das erste Unternehmen: der oft allzu angestrengten Suche nach größtmöglicher Wörtlichkeit und dem mitunter sehr artifiziell wirkenden Bemühen um die Beibehaltung des kantischen Sprachduktus; aber es sind auch die gleichen Stärken, durch die sie sich auszeichnen: die stets angestrebte (und tatsächlich auch oft erreichte) Präzision im Ausdruck, das konsequente Bemühen um Vermeidung von jeglicher Opazität und Intransparenz, d. h. um die Ausschaltung möglicher semantischer oder syntaktischer Ambiguitäten, insgesamt also: die grundsätzliche Anerkennung der Komplexität der behandelten philosophischen Materie bei gleichzeitiger weitestgehender Vermeidung ihrer zwar wünschbaren, aber letztlich dann doch für unzulässig befundenen sprachlichen Simplifizierung. Von den rein textlichen Aspekten einmal abgesehen gewinnen die zwei neuen Übersetzungen insgesamt deutlich gegenüber den beiden früheren: Anders als im Fall sowohl der brasilianischen als auch der portugiesischen Ausgabe der ersten Kritik vermitteln sie im Ganzen einen wesentlich solideren, seriöseren Eindruck. Das liegt nicht nur an Äußerlichkeiten wie dem sehr viel augenfreundlicheren Schriftsatz und der übersichtlicheren graphischen Strukturierung des Textmaterials, der deutlichen Markierung der Originalpaginierung oder der Beifügung eines Personen- und Sachregisters, sondern vor allem an zusätzlichen Angeboten und Handreichungen wie z. B. der Einführung in die Gesamtthematik, in den Textzusammenhang und die Editionsprinzipien, aber auch der expliziten Erläuterung der für die eigene Übersetzungsarbeit aufgestellten und zu beachtenden Regeln und Kriterien. Von ganz besonderem Interesse ist aber in beiden Fällen die Hinzufügung bzw. Einarbeitung eines klar konzipierten umfangreichen Fußnotenapparats, in dem viele der anfallenden strittigen Fragen, oft auf der Basis bereits früherer Kommentierungen der eigenen Übersetzungsarbeit, aber auch unter Einbeziehung verschiedener ›klassischer‹ Text- und Übersetzungskommentare angesprochen und kritisch erläutert werden: nützliche Orientierungshilfen für den ›Anfänger‹ und zugleich reiches Diskussionsmaterial für den mit der kantischen Philosophie bereits vertrauten Leser. Dass es dann in den Jahren 2012 und 2016 zu einer weiteren – insgesamt sehr positiv aufgenommenen – Neuausgabe der drei Kritiken kommt, verdankt sich daher wohl auch weniger der Tatsache, dass die Rohdenschen Übersetzungen als inzwischen ›überholt‹ oder gar unbrauchbar angesehen wurden, als der, dass sich gerade durch deren breite Präsenz und, wie sich anhand einschlägiger Daten 5

Kant: Crítica da Razão Prática. Übers. von Valerio Rohden. São Paulo 2002.

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deutlich belegen lässt, ihre intensive Benutzung mit der Zeit ein neues kritisches Diskussionsinteresse ausbildete, das sich mehr als früher nicht nur an einem Vergleich zwischen ›besseren‹ und ›schlechteren‹ oder gar an der Kreierung definitiv ›richtiger‹ Lösungen orientierte, sondern – ganz im Sinne des von Rohden selbst mehrfach formulierten Appells, der Leser möge seinen je eigenen Teil dazu beitragen, Kants Philosophie so verständlich wie möglich zu machen – an der Idee, gerade aufgrund der oft erst im Zusammenhang praktischer Übersetzungsarbeit auftretenden äußerst vielschichtigen Sinnproblematik sich über ebendiese auf einer zweiten, sprachlich reflektierteren Stufe dem kantischen Text noch einmal ganz neu zu nähern. Anders als im Falle Rohdens, dessen Arbeitsverständnis bei aller immer wieder auch gezeigten Kooperationsbereitschaft letztlich doch stark individuell geprägt war, gehören die beiden Autoren der drei neuen Übersetzungen, Fernando Costa Mattos und Monique Hulshof, seit vielen Jahren zu einer 2008 von Ricardo Terra an der Universität São Paulo (USP) ins Leben gerufenen ›Kant-Übersetzungsgruppe‹ (›Grupo de Traduções Kantianas‹), die ihrerseits als Teil der an derselben Universität seit 1994 angesiedelten und ebenfalls von Terra betreuten Arbeitsgruppe ›Grupo de Estudos de Filosofia Alemã‹ firmiert. Obwohl die Erstellung der Übersetzungen selbst, wie alle Unternehmungen dieser Art, selbstverständlich im Wesentlichen das Produkt der intellektuellen Anstrengung einer einzigen Person, nämlich des Übersetzers, bleibt, waren die neuen Projekte doch von Anfang auch Gegenstand vielfältiger Diskussionen, die sowohl im Rahmen zahlreicher interner Veranstaltungen und Seminare als auch in öffentlichen Kolloquien, oft unter Teilnahme anderer ausgewiesener Kenner der Materie wie z. B. Paulo Licht und Giorgia Cecchinato (UFSCar, São Carlos) sowie den Verfassern der jüngsten spanischen und italienischen Übersetzungen, Mario Caimi (UFBA, Argentinien) und Costantino Esposito (Universität Bari, Italien), im Jahre 2011 oder 2015 mit João Constâncio (Universidade Nova de Lisboa) geführt wurden und bei denen nicht nur die kritische Erörterung der schon vorhandenen KantÜbersetzungen im Mittelpunkt stand, sondern vor allem die teils bereits ausgearbeiteten, teils noch zu entwickelnden neuen Übersetzungsalternativen thematisiert und auf ihre semantische Adäquanz, ihre stilistische Prägnanz und ihre gesamttextliche Kohärenz überprüft wurden. Die von Costa Mattos vorgelegte neue Übersetzung der KrV basiert auf dem Text der 2. Auflage von 1787 (AA 03), in ihr wurden aber – zum ersten Mal in Brasilien – auch die von Kant nicht in die B-Fassung aufgenommenen Textteile der 1. Auflage von 1781 eingearbeitet (allerdings unter Verzicht auf die technischen Anmerkungen zu den diversen Textunterschieden).6 Neben den portugie-

6

Kant: Crítica da Razão Pura. Übers. von Fernando Costa Mattos. Petrópolis 22015 (2012).

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sischen Versionen von Rohden und Fradique Morujão7 wurden die drei neuesten und bislang wohl präzisesten anderssprachigen Übersetzungen von Paul Guyer und Allen Wood (New York, 1998), Costantino Esposito (Milano, 2007) und Mario Caimi (Ciudad de Mexico, 2009) zum kontinuierlichen Vergleich herangezogen. – Aufs Ganze gesehen stellt die Arbeit von Costa Mattos, trotz einiger auch hier feststellbarer Mängel, so etwas wie den – durchaus geglückten – Versuch einer Kombination aus dem bei Rohden zu findenden Bestreben um weitestgehende Texttreue und dem von diesem nicht immer hinreichend beachteten Gebot größtmöglicher Plausibilität und Verständlichkeit in der Zielsprache dar: In vielen, auch mitunter recht problematischen Fällen werden in der Regel Lösungen angeboten, die deutlich akzeptabler sind als die in den früheren Übersetzungen. Wo solche Lösungen strittig bleiben oder sich schlichtweg keine befriedigende Lösung finden lässt, wird in kurzen Kommentaren entweder die trotz allem zu treffende eigene Entscheidung erläutert und verteidigt oder auf den Originaltext (und dessen teilweise gleichfalls nicht immer lösbare Probleme) sowie die entsprechenden Vorschläge anderer Übersetzer und Kommentatoren verwiesen. Formal bedient sich Costa Mattos dabei der gleichen Mittel wie Rohden in seiner Übersetzung der zweiten und dritten Kritik: Die für notwendig befundenen kritischen oder erklärenden Anmerkungen finden sich jeweils in den Fußnoten am Ende der ihnen zugehörigen Seite. Alle übrigen vom Übersetzer bezüglich der portugiesischen Terminologie getroffenen Entscheidungen erscheinen in einem kurzen Glossar am Ende des Bandes. Hier wären allerdings – dies sicher einer der (wenigen) kritisch anzumerkenden Punkte – einige zusätzliche Erläuterungen zu den Kriterien für die Auswahl der in diesem Glossar zusammengestellten Begriffe als auch zur Frage der möglichen oder notwendigen semantischen Eingrenzung bzw. zur genaueren Spezifizierung einiger dieser Begriffe sehr nützlich gewesen. Die zweite von Costa Mattos vorgelegte Arbeit, die 2016 unter dem Titel Crítica da Faculdade de Julgar erschienene Neuübersetzung von Kants drittem kritischen Hauptwerk, 8 hat ebenso wie die frühere von Valerio Rohden den Text der zweiten Auflage von 1793 (AA 05: 165–485) zur Grundlage und folgt im Großen und Ganzen denselben Prinzipien wie die vier Jahre vorher publizierte Übersetzung der ersten Kritik. Auch hier also eine breit angelegte, sowohl auf die oben erwähnte projektbegleitende Diskussion gestützte als auch auf wichtige zusätzliche nationale und internationale Literaturquellen – in diesem Fall vor allem die französische Übersetzung von Alain Renaut (Paris, 1995) und die amerikanische von 7

Kant: Crítica da Razão Pura. Übers. von Valerio Rohden/Udo Baldur Moosburger [Anm. 2]. São Paulo 1980. Kant: Crítica da Razão Pura. Übers. von Manuela Pinto dos Santos/Alexandre Fradique Morujão [Anm. 3]. 8 Kant: Crítica da Faculdade de Julgar. Übers. von Fernando Costa Mattos. Petrópolis 2016.

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Paul Guyer und Eric Matthews (Cambridge/MA, 2000) – zurückgreifende, methodisch reflektierte und problembewusste (Re-)Konstruktionsarbeit; und auch hier der – wieder weitgehend gelungene – Versuch, ein gewisses Gleichgewicht herzustellen zwischen der prinzipiell zu fordernden Werktreue, d. h. der möglichst genauen Erfassung des Textsinns auf der einen und möglichst umfassender Verständlichkeit, d. h. der Lesbarkeit des Textes auf der anderen (zielsprachlichen) Seite. Bedauerlicherweise verzichtet Costa Mattos hier allerdings fast gänzlich auf die in seiner Übersetzung der KrV geübte und, wie oben schon betont, äußerst sinnvolle Praxis, einzelne der bei der Übertragung des deutschen Textes ins Portugiesische nahezu unvermeidlich auftretenden Probleme in Form von Fußnoten oder anderen textbegleitenden Anmerkungen eigens zu benennen und kritisch zu erörtern. Zu bedauern ist dies um so mehr, als es ja bekanntermaßen gerade die dritte Kritik ist, die sich weit mehr als ihre beiden Vorgänger durch extrem vage, dunkle, ja oft geradezu paradox anmutende Formulierungen auszeichnet, also in übergroßem Maße erklärungsbedürftige oder zumindest diskussionswürdige Elemente enthält. Die dritte, ebenfalls noch im Jahre 2016 erschienene Neuübersetzung ist die der KpV.9 Auch dieser Übersetzung liegt, wie bei Rohden und Costa Mattos, der Text der Akademie-Ausgabe (AA 05: 1–164), also die Fassung der 2. Auflage von 1793, zugrunde. Die Übersetzerin, Monique Hulshof, ebenfalls wie Costa Mattos langjähriges aktives Mitglied der oben erwähnten Kant-Übersetzungsgruppe an der Universität São Paulo, legt hier eine Arbeit vor, die ebenso wie die vorigen von sicherer Textkenntnis und umfassender Sprachkompetenz sowohl im Deutschen wie im Portugiesischen zeugt, sich jedoch zusätzlich dadurch auszeichnet, dass bei ihr noch wesentlich deutlicher und in weit höherem Maße als bei Costa Mattos das Prinzip einer konsequent kritischen Textreflexion in Erscheinung tritt, wie es in den letzten Jahren gerade im Umkreis der genannten USP-Arbeitsgruppe entwickelt und propagiert wurde. Wie dies Prinzip im Einzelnen zur Anwendung kommt, zeigt sich exemplarisch in der von der Autorin selbst beschriebenen und dann auch konsequent umgesetzten Vorgehensstrategie, die wegen ihres paradigmatischen Charakters hier kurz skizziert sei: Auch bei Hulshof wird der kantische Text zunächst einer gründlichen Lektüre im fortlaufenden Vergleich mit anderen verschiedensprachigen Übersetzungen unterzogen – in diesem Fall sind dies vier: die französische von Jean-Pierre Fussler (Paris 2003), die italienische von Francesco Capra (Rom 1997), die englische von Mary Gregor (Cambridge 1997) und die spanische Übersetzung von Manuel García Morente (Salamanca 1998) –, auf deren Basis dann in einem zweiten Schritt eine erste Rohfassung für die eigene Übersetzung erstellt wird, die dann ihrerseits in einem dritten Schritt einer vergleichenden Leküre mit den beiden ebenfalls bereits vorliegenden portu 9

Kant: Crítica da Razão Prática. Übers. von Monique Hulshof. Petrópolis 2016.

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giesischsprachigen Versionen von Valerio Rohden (1993) und Artur Morão (Lissabon, 1997) unterzogen wird. Bereits in der ersten Lektürephase richtet sich die Aufmerksamkeit dabei nicht nur auf die zwischen den einzelnen Übersetzungen bestehenden Divergenzen, sondern vor allem auch auf die von den verschiedenen Autoren oft einhellig diagnostizierten Probleme und Schwierigkeiten bei ihrer Arbeit mit dem Kant-Text sowie auf die zahlreichen von ihnen im Kontext ihrer eigenen Übersetzungen hierzu entwickelten Deutungsvorschläge und Klärungsversuche, die dann ihrerseits wiederum herangezogen und im Detail abgeglichen werden mit den Übersetzungen von Rohden und Morão und den dort zu findenen Anmerkungen und Erläuterungen zu einzelnen Textpassagen und -problemen. Auf diese Weise erhält Hulshof nicht nur ein recht zuverlässiges Bild von dem, was außer in ihren eigenen eben auch in den Augen einer repräsentativen Anzahl von anerkannten Kantkennern klärungsbedürftig erscheint und somit als einigermaßen solide Basis für die erst später, in einem vierten und letzten Schritt zu treffenden eigenen Entscheidungen über die Frage, welche der zur Auswahl stehenden möglichen Übersetzungsoptionen für sie als die nach ihrem eigenen Dafürhalten angemessensten jeweils in Frage kommen können, gelten kann. Resultat eines solchen streng systematischen Vorgehens ist dann ein Text wie die vorliegende Endfassung dieser Übersetzung, die eben aufgrund dieser systematischen Strenge und der dadurch bedingten konsequenten Vermeidung aller interpretativen Beliebigkeit nicht nur ein hohes Maß an semantischer Glaubwürdigkeit für sich beanspruchen kann, sondern die sich bei aller inhaltlichen Schwere der behandelten Materie aufgrund ihrer begrifflichen Klarheit und stilistischen Stimmigkeit zudem auch noch ›gut liest‹, indem sie nämlich den Leser gewissermaßen dazu zwingt, nicht nur den Text selbst, sondern auch die kritischen Überlegungen seiner Autorin mit Interesse zu begleiten. – Neben einer Vielzahl von Fällen, in denen eine, meist gut begründete, Entscheidung zugunsten einer bestimmten Übersetzungsalternative möglich erscheint, bleibt natürlich auch hier, d. h. nach aller Prüfung der in einem gegebenen Fall bestehenden Übersetzungsmöglichkeiten, noch ein großer Rest an kantischen Begriffen und Ausdrucksformen, für die sich nicht ohne Weiteres eine passende portugiesische Entsprechung finden lässt oder für die es zwar eine Entsprechung gibt, die aber nur für einen ganz bestimmten semantischen Kontext gelten würde. Und es gibt auch noch solche Fälle wie etwa jene, in denen Kant, wie z. B. bei den Begriffspaaren Objekt/Gegenstand, Prinzip/Grundsatz oder Existenz/Dasein, neben den aus dem Lateinischen entlehnten Begriffen auch deren germanisierte Form benutzt, die dann allerdings nicht immer dasselbe bedeutet:10 Fälle also, in denen es für den deutschen Begriff kein oder nur ein einziges, nicht differenzierendes portugiesisches Pendant gibt. 10

Zu den Begriffsdubletten vgl. den Beitrag von François Ottmann im vorliegenden Band.

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In all diesen Fällen muss ein Konsens gefunden werden, der bei aller einzuräumenden semantischen Offenheit doch präzise genug die Grenzen zu bestimmen erlaubt, innerhalb derer der fragliche Begriff trotz seiner problematischen Qualitäten unproblematisch gebraucht werden kann. Zu diesem Zweck ist es sinnvoll, entsprechende Glossare zu erstellen, in denen solche Begriffe samt der für sie ›festgelegten‹ Bedeutung (d. h.: ihren besonderen Anwendungsbedingungen) verzeichnet sind und die so dem Übersetzer wie dem Leser der Übersetzung erlauben, die Plausibilität ihrer Textinterpretation zu sichern. Der Hulshofschen Übersetzung sind gleich zwei Glossare beigefügt, die – in Ergänzung zu dem im Fußnotenteil des Textes enthaltenen reichhaltigen und instruktiven Kommentarmaterial – ausdrücklich einer in diesem Sinne verstandenen Leserorientierung dienen sollen. Das erste dieser beiden Glossare enthält vor allem jene im Textteil vorkommenden (deutschen) Begriffe, für die es nach Lage der Dinge und der – durchweg wohlbegründeten – Meinung der Autorin eine mehr oder weniger genaue portugiesische Entsprechung gibt, die m. a. W. also in einer großen Anzahl der vorkommenden Kontexte als ›richtig‹ gelten kann, wobei, was sehr hilfreich ist, diese ›Kontexte‹ hier zu jedem aufgeführten Stichwort unter Bezug auf die entsprechenden Seiten- und Zeilenzahlen im Text der Akademie-Ausgabe ausdrücklich angegeben werden. Das zweite, kürzere Glossar enthält unter dem Titel ›Grupos de termos‹ eine Liste von häufig auftretenden, auch in der KpV präsenten, kantischen Zentralbegriffen, von denen jeder in eine Reihe von mit ihm sinnverwandten anderen Begriffen gestellt, also als einem ganz bestimmten semantischen Feld zugehörig gekennzeichnet ist. Ein solches Glossar ermöglicht es dem Leser nicht nur, vor allem in besonders kritischen Fällen wie den zuletzt erwähnten, einen im Text präsentierten Übersetzungsvorschlag zu ›kontrollieren‹, d. h. auf seine Stringenz und seine semantische Konsistenz hin zu überprüfen, sondern auch, alternativ zu diesem Übersetzungsvorschlag anhand desselben, nur eben anders gewichteten, Ausgangsmaterials einen eigenen, möglicherweise stimmigeren, präziseren oder auch nur gefälligeren Vorschlag zu entwickeln. Beide Glossare verdienen m. E. insofern besondere Beachtung, als sie, gerade im Hinblick auf ihre sich gegenseitig ergänzenden kritischen Funktionen, eine besonders konsequente und in sich schlüssige Form der Realisierung des in Grundzügen bereits von Rohden und Costa Mattos präsentierten Konzepts ermöglichen. Dass die von Hulshof und Costa Mattos vorgelegten Neuübersetzungen der drei Kritiken alle im selben Verlag, nämlich bei Vozes in Rio de Janeiro, erschienen sind, und dazu noch in gleicher – insgesamt recht ansprechender – Ausstattung und einheitlicher graphischer Gestaltung, hatte zunächst bei vielen die Hoffnung genährt, der Verlag habe mit der Publikation dieser drei Hauptwerke Kants den Grundstock für so etwas wie eine, von vielen gewünschte, brasilianische Werk-Ausgabe legen wollen; und dies umso mehr, als im selben Verlag, in glei-

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cher Aufmachung und von Mitgliedern derselben Arbeitsgruppe erstellt, der auch Costa Mattos und Hulshof angehören, 2013 noch die Übersetzung einer weiteren wichtigen Schrift Kants, nämlich der MS erschien11 und der Verlag darüberhinaus im Laufe der letzten Jahre, etwa in seiner Reihe Coleção Pensamento Humano, zahlreiche weitere Übersetzungen auch anderer wichtiger deutscher Philosophen wie z. B. Hegel, Schleiermacher, Heidegger oder Gadamer herausbrachte. Diese Hoffnungen haben sich allerdings bisher nicht bestätigt – leider, muss man sagen, denn eine solche gezielte Ausweitung des Kant-Programms würde nicht nur eine Zusammenführung und bessere Koordinierung bestehender und/oder noch geplanter Übersetzungsaktivitäten ermöglichen, sondern böte einem Verlag, der, wie eben gerade auch Vozes, über das nötige Know-how verfügt, auf die Zusammenarbeit mit einem bereits erprobten Team von kompetenten Kant-Übersetzern setzen kann und dazu auch noch mit seinen Produkten am Markt erfolgreich ist, auch die Chance, auf der Basis des bisher bereits Geleisteten gewisse Qualitätsstandards zu setzen, die dann für alle weiteren einschlägigen Übersetzungsprojekte zu gelten hätten. Zur Zeit kann von der Existenz solcher Standards noch nicht die Rede sein. Zwar gibt es auch außer den hier vorgestellten brasilianischen Versionen der drei Kritiken noch eine ganze Reihe von Übersetzungen, die sicher allen, auch höchsten, Ansprüchen zu genügen vermögen; aber es gibt eben auch nach wie vor solche, die in qualitativer Hinsicht, und das heißt vor allem: im Hinblick auf ihre praktische Brauchbarkeit für ein ernsthaftes Kant-Studium, noch viel zu wünschen übrig lassen. Zur ersten Gruppe gehören ohne Frage die Arbeiten von Guido Antônio de Almeida, der sich bereits vor vielen Jahren mit einer sehr präzisen Übersetzung der Jäsche-Logik einen Namen machte12 und mehr als zwei Jahrzehnte später mit der ausführlich kommentierten, eine längere Werkeinführung sowie ein umfangreiches Glossar enthaltenden Übersetzung der GMS erneut eine Arbeit vorlegte,13 die sofort auf großes Interesse stieß und, wie aus einer Vielzahl neuerer brasilianischer Publikationen zu Kants Moralphilosophie hervorgeht, die frühere in der Reihe Os Pensadores erschienene Übersetzung von Paulo Quintela14 als wichtigsten Referenztext inzwischen weitgehend abgelöst hat. Wie seine erstmals 1992 im Verlag Tempo Brasileiro, Rio de Janeiro, erschienene Lógica – die übri11 Kant: Metafísica dos Costumes. Übers. von Clélia Aparecida Martins/Bruno Nadai/ Diego Kosbiau/Monique Hulshof. Petrópolis 2013. 12 Kant: Lógica. Übers. von Guido Antônio de Almeida. Rio de Janeiro 1992. 13 Kant: Fundamentação da Metafísica dos Costumes. Übers. von Guido Antônio de Almeida. São Paulo 2009. 14 Paulo Quintela: Fundamentação da Metafísica dos Costumes. In: Kant: Crítica da Razão Pura e outros textos filosóficos. Ausgewählt von Marilena de Souza Chauí Berlinck. São Paulo 1974, 195–256.

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gens gleichfalls eine weit größere Leserschaft fand als die später von Fausto Castilho unter dem Titel Manual de Cursos de Lógica Geral (Uberlândia-MG, 1998) publizierte Konkurrenzversion15 – zeichnet sich auch die 2009 von der Editora Barcarolla, São Paulo, herausgebrachte Fundamentação da Metafísica dos Costumes durch ihre hohe Textgenauigkeit aus und, mehr noch als die frühere Arbeit, durch die stets gewahrte Transparenz der immer wieder kritisch hinterfragten, mit stichhaltigen Argumenten untermauerten und in jeder Phase klar konturierten Entscheidungsfindung, zu der neben den ungewöhnlich ausführlichen und über den Gesamttext verteilten Kommentaren nicht zuletzt auch die, ebenfalls eher unübliche, äußerst großzügige graphische Gestaltung des in deutscher und portugiesischer Fassung wiedergegebenen Textes entscheidend beiträgt. Zu den ambitionierteren und großenteils gelungenen neueren Übersetzungsarbeiten gehören aber auch die von Clélia Aparecida Martins besorgte Übersetzung der Anthropologie,16 eine weitere Übersetzung der MS von Edson Bini,17 die schon etwas ältere im Verlag der Universidade Metodista de Piracicaba erschienene und von Francisco Cock Fontanella übersetzte Pädagogik18 sowie eine Reihe von kürzeren Texten wie z. B. die von Rodrigo Naves und Ricardo Terra übersetzte IaG 19 oder Marco Zinganos Übersetzung von ZeF. 20 Auch die beiden vielgelesenen Sammelbände Textos Seletos und Escritos Pré-Críticos wären hier zu nennen: Der erste, bereits 1985 von Vozes verlegte und dann mehrfach neu aufgelegte Titel enthält auf Deutsch und auf Portugiesisch Kants wichtige Arbeiten WDO, WA, VRML, Über die Mißhelligkeit zwischen der Moral und der Politik [ZeF] und EAD;21 der zweite, 2005 von der Universidade Estadual Paulista (São Paulo: UNESP, 2005) publizierte, die fünf vorkritischen Schriften DfS, NG, UD, TG und MSI.22 Auch verschiedene andere kleine Schriften Kants, ebenso 15

Kant: Manual de Cursos de Lógica Geral. Zweisprachige Ausgabe. Übers. von Fausto Castilho. Uberlândia-MG 1998; Campinas-SP 2003. 16 Kant: Antropologia de um Ponto de Vista Pragmático. Übers. von Clélia Aparecida Martins. São Paulo 2006. 17 Kant: A Metafísica dos Costumes. Übers. von Edson Bini. Bauru-SP 2003. 18 Kant: Sobre a Pedagogia. Übers. von Francisco Cock Fontanella. Piracicaba 1996. 19 Kant: Idéia de uma História Universal de um Ponto de Vista Cosmopolita. Übers. von Rodrigo Naves und Ricardo Terra. São Paulo 1986. 20 Kant: À Paz Perpétua. Übers. von Marco A. Zingano. São Paulo 1989. 21 Kant: Textos Seletos (Que significa orientar-se no pensamento?/Resposta à pergunta: Que é Esclarecimento?/Sobre um suposto direito de mentir por amor à humanidade/Sobre a discordância entre a moral e a política, a propósito da paz perpétua/O fim de todas as coisas). Zweisprachige Ausgabe. Portugiesische Übers. von Raimundo Vier/Floriano de Souza Fernandes. Petrópolis-RJ 1985. 22 Kant: Escritos Pré-Críticos (A falsa sutileza das quatro figuras silogísticas/Ensaio para introduzir a noção de grandezas negativas em filosofia/Investigação sobre a evidência dos princípios da teologia natural e da moral/Sonhos de um visionário explicados por sonhos da metafísica/Forma e princípios do mundo sensível e do mundo inteligível). Übers. von

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­ uszüge aus den Briefen und Reflexionen, wurden in Brasilien ins Portugiesische A übersetzt und sind allgemein zugänglich, allerdings nicht in Buchform, sondern in diversen (inzwischen alle auch digitalisierten) Fachzeitschriften wie z. B. den Cadernos de Filosofia Alemã, in Kant-e-Prints oder in den von der Sociedade Kant Brasileira herausgegebenen Studia Kantiana. Nahezu alle der hier genannten Beiträge, sowohl die Buch- als auch die große Mehrheit der Zeitschriften-Veröffentlichungen, zeichnen sich durch solide, problembewusste und methodisch reflektierte Textarbeit aus, die nicht viel anders als in den übrigen oben angeführten Beispielen, in aller Regel auf der sorgfältigen Lektüre des Originaltextes sowie dem systematischen Vergleich mit anderen bereits vorliegenden Werkübersetzungen basiert und so durchweg eine klare, eindeutige Zuordnung des jeweils übersetzten Textes oder der einzelner Text-Teile zum deutschen Ausgangstext erlaubt. Von Fall zu Fall ganz unterschiedlich wird in den Veröffentlichungen allerdings die Frage der textbegleitenden Kommentierung gehandhabt, die sich sowohl im Umfang als auch hinsichtlich der ihr vom Übersetzer zugedachten Funktion stark unterscheidet: Neben sehr knappen, vornehmlich auf den im engeren Sinn rekonstruktiven Aspekt sich beschränkenden Anmerkungen finden sich auch, ähnlich wie bei Hulshof und Almeida, wesentlich weiter ausgreifende Erläuterungen, die nicht nur auf die Lösung einzelner, in einer ganz bestimmten Textkonstellation auftretender ›Sachprobleme‹ zielen, sondern diese in einen breiter gefächerten (linguistischen, semantischen, philosophischen) Kontext stellen und so die Diskussionsperspektive je nach Problemlage entsprechend erweitern. Zu der zweiten Gruppe der ebenfalls durchaus verbreiteten, aber im Ganzen weniger überzeugenden Publikationen gehören, neben vielen oft von in Sachen Kant kaum bewanderten Autoren wohl eher zu didaktischen Zwecken angefertigten und dann ins Netz gestellten Arbeiten, eine ganze Reihe von preislich günstigen, z.T. in Taschenbuchformat angebotenen, allerdings in der Fachliteratur wenig beachteten Übersetzungen sowohl der kritischen Hauptwerke als auch anderer Schriften Kants. Hier wären etwa zu nennen die in der Reihe Coleção Fundamentos do Direito [!] erschienene, von Lucimar Coghi Anselmi und Fulvio Lubisco aus dem Französischen übersetzte erste und dritte Kritik [KrV, KU], Crítica da Razão Pura23 und Crítica da Faculdade de Julgar, 24 und eine 2017 in derselben Reihe herausgekommene zweisprachige Ausgabe der Friedensschrift 25 sowie die Jair Barboza/Joãosinho Beckenkamp/Luciano Codato/Paulo Licht dos Santos/Vinicius de Figueiredo. São Paulo 2005. 23 Kant: Crítica da Razão Pura. Übers. von Lucimar A. Coghi Anselmi/Fulvio Lubisco. São Paulo 2007 (Coleção Fundamentos do Direito). 24 Kant: Crítica da Faculdade de Julgar. Übers. von Daniela Botelho B. Guedes. São Paulo 2009 (Coleção Fundamentos do Direito). 25 Kant: Rumo à Paz Perpétua. Zweisprachige Ausgabe. Ins Portugiesische übers. von Heloisa Sarzana Pugliesi. São Paulo 2017 (Coleção Fundamentos do Direito).

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in einer anderen, von der Editora Escala innerhalb ihrer Coleção Grandes Obras do Pensamento Universal veröffentlichte, von Antonio Carlos Braga übersetzte zweite Kritik [KpV] 26 und die in derselben Reihe erschienene Religionsschrift [RGV] in der Übersetzung von Ciro Moranza. 27 – Was all diese Übersetzungen auszeichnet (und sie gleichzeitig für jedes ernsthafte Kant-Studium problematisch macht), ist nicht nur die Tatsache, dass sie durchweg nicht oder zumindest nicht erkennbar direkt auf dem deutschen Originaltext basieren und damit viele der von den Autoren ausgewählten Übersetzungsoptionen mitunter diffus oder gar unverständlich bleiben, sondern auch, dass in ihnen die in die Originalfassungen aufgenommenen kritischen Kommentare der Herausgeber etwa zu existierenden Textvarianten, möglichen Konjekturen oder notwendigen Emendationen ganz oder fast völlig getilgt sind und, mehr noch, auf alle, für jede einigermaßen seriöse Textarbeit unverzichtbaren, Angaben zur Originalpaginierung der Ausgangstexte generell verzichtet wurde: all dies offenbar Maßnahmen, um einem breiteren, mit der Materie (noch) nicht genügend vertrauten Lesepublikum, dem berühmten ›gebildeten Laien‹, den Zugang zu Kants Werken zu erleichtern, vielleicht aber auch nur, um sich die mit einem aufwendiger gestalteten Schriftsatz notwendigerweise verbundenen höheren Druckkosten zu ersparen. Dass die Rechnung so oder so zumindest für die Verlage bis heute aufging, zeigt die Tatsache, dass fast alle der hier zuletzt erwähnten Titel nach relativ kurzer Zeit in Neuauflagen auf dem Markt waren. Dass auch die zuvor erwähnten, als ›gelungener‹, ›seriöser‹ und für eine ernsthafte Beschäftigung mit Kant ›brauchbarer‹ apostrophierten Übersetzungen auf nicht weniger große Nachfrage gestoßen sind, die sich auch in deren Fall an den entsprechenden Auflagezahlen ablesen lässt, ist eine sowohl für die Autoren als auch für die immer größer werdende brasilianische Kant-Gemeinde sehr erfreuliche Tatsache: für die Autoren, weil sie sich in ihrer oft über Jahre hinziehenden mühevollen und trotz aller erfahrenen Ermunterung und wohlwollend-kritischen Begleitung durch Freunde und Kollegen letztlich doch sehr einsamen Arbeit als anerkannt und zumindest teilweise für ihre Mühen entschädigt sehen können; und für alle ernsthaft an Kant interessierten Leser, weil sie sich mit jedem der neuen Übersetzungsvorschläge motiviert fühlen können, sich aufs Neue mit den kantischen Texten kritisch, und vor allem eben auch sprach-kritisch, auseinanderzusetzen, d. h. sich diesen Texten in einer Weise zu nähern, die neben der Lektüre selbst immer auch den kritischen Lektüre-Vergleich beinhaltet, durch den bestimmte grammatikalische Feinheiten und semantische Nuancen sich oft erst erkennen und klar benennen lassen, und damit eben gerade auch als Leser 26

Kant: Crítica da Razão Prática. Übers. von Antonio Carlos Braga. Araçatuba-SP 2006. Kant: A Religião nos Limites da Simples Razão. Übers. von Ciro Moranza. Araçatuba-SP 2008. 27

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alles zu tun, um in der Auseinandersetzung mit dem Text dem von Kant selbst empfohlenen hermeneutischen Ideal, den Autor am Ende vielleicht sogar »besser zu verstehen, als er sich selbst verstand« (KrV B 370; AA 04: 200), immer näher zu kommen.

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Bericht zum Stand der Kant-Übersetzungen ins Portugiesische (Portugal) Adriana Veríssimo Serrão

Der folgende Bericht über Übersetzungen von Schriften Kants ins Portugiesische1 ist thematisch gegliedert. Er enthält die ab 1980 in erster Auflage erschienenen Titel mit Angabe der Namen der Übersetzer und der Herausgeber. Er umfasst die in Portugal veröffentlichten Übersetzungen und einige andere, die von portugiesischen Übersetzern 2 erstellt, aber in Brasilien veröffentlicht wurden. 3 Stand der Kant-Übersetzungen in Portugal

Die 1980er Jahre brachten im Bereich der Kant-Übersetzungen eine nachhaltige Veränderung, und zwar sowohl aufgrund ihrer steigenden Zahl als auch dank der immer strenger werdenden Ansprüche, denen die Übersetzungen genügen sollen. Kriterien der auf Texthermeneutik und philologischer Arbeit basierenden akademischen Forschung traten an die Stelle der auf Handbüchern und Philosophiegeschichten basierenden und gelegentlich auf französische und in geringerem Ausmaß spanische und italienische Übersetzungen rekurrierenden Forschung, die in den vorhergehenden Jahrzehnten gängige Praxis war. Neue Methoden der

1

Von den vorliegenden Bestandsaufnahmen seien die folgenden angeführt: [Editorial Board]: Livros de e sobre Kant em Português. In: Revista Portuguesa de Filosofia XLIV/4 (1988). 559–566. Irene Borges-Duarte: Bibliographie Kant auf Portugiesisch (1914–1992). In: Kant-Studien 84/2 (1993). 243–254. Kant 1724–1804. Posteridade e actualidade Kant. Mostra bibliográfica. Hg. vom Ministério da Cultura. Lissabon, Biblioteca Nacional, 2004. Renato Epifânio: Bibliografia Kantiana em Portugal. 1914–2004. In: Kant em Portugal. 1974–2004. Hg. von Leonel Ribeiro dos Santos. Lissabon 2007. 487–509. Ders.: Bibliografia kantiana em Portugal e no Brasil. 1914–2004. In: Philosophica 24 (2004). 183–216. 2 Nicht aufgenommen wurden einige Übersetzungen, die ohne Angabe des Übersetzers erschienen und zirkulieren. 3 Vgl. dazu den Beitrag von Christian Hamm im vorliegenden Band. – Die vorliegende Bestandsaufnahme zur Übersetzungssituation in Portugal wird ergänzt durch diejenige von Fernando Silva über portugiesische Übersetzungen der Schriften Kants mit Bezug zur Ästhetik.

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Textkommentierung machten die Lektüre der Originale erforderlich und brachten viele portugiesische Kant-Forscher dazu, die deutsche Sprache zu lernen. So entstanden Sprachkompetenzen, die zur Basis individueller Forschung und Lehre wurden. Dissertationen über deutsche Philosophen verlangten die Kenntnis der Quellen und der Sekundärliteratur in der Originalsprache. Die Praxis des Übersetzens erreichte so auch den Unterricht; um das Fehlen verlässlicher Übersetzungen zu kompensieren, stellten viele Dozenten in ihren Kursen den Studenten von ihnen selbst übersetzte Texte zur Kommentierung und Interpretation zur Verfügung. Diese Praxis ad usum docendi erklärt, warum die Kant-Übersetzungen in Portugal größtenteils von Dozenten und Forschern und nicht von professio­ nellen Übersetzern stammen. Vielen Übersetzungen geht eine Einleitung voraus, und manche sind mit Anmerkungen versehen. Zweisprachige Editionen von Schriften Kants gibt es dagegen – entgegen einem allgemeinen aktuellen Trend zu zweisprachigen Kant-Ausgaben – nach wie vor nur wenige. Unter den vor 1980 entstandenen Übersetzungen sind zwei zu erwähnen, die schon vom kantischen Original ausgehen und die nach wie vor verwendet werden: – Die Fundamentação da Metafísica dos Costumes [GMS] aus der Feder des Germanisten und Dozenten der Universität Coimbra Paulo Quintela (1960). 4 – Die Logik (Log), Einleitung III (Conceito de Filosofia em geral), eine zweisprachige Ausgabe mit Einleitung und Anmerkungen von José Barata-Moura (1972/2007).5 A.  Die drei Kritiken

Übersetzungen der drei Kritiken erschienen der Reihe nach in den 1980er Jahren:6 – die Crítica da Razão Prática [KpV]. Hg. und übers. von Artur Morão (1984).7 – die Crítica da Razão Pura [KrV]. Hg. und übers. von Manuela Pinto dos Santos/ Alexandre Fradique Morujão (1985). 8 – die Crítica da Faculdade do Juízo [KU]. Hg. und übers. von Valerio Rohden (Brasilien)/António Marques (Portugal).9 4

Diese Übersetzung, die auch im Philosophieunterricht in Gymnasien verwendet wird, erlebte verschiedene Neuauflagen, mit Einführungen von Viriato Soromenho-Marques (1995), von Manuel Matos (2011) und von Pedro Galvão (2011). 5 In: José Barata-Moura: Kant e o Conceito de Filosofia. Lissabon 1972. 27–95 [²2007. 31–99]. 6 Man konsultiere zur Vervollständigung auch Steve Naragons Internetseite Kant in the Classroom. Kant’s Writings in Translations. 7 Kant: Crítica da Razão Prática Hg. und übers. von Artur Morão. Lissabon 1984. 8 Kant: Crítica da Razão Pura. Hg. und übers. von Manuela Pinto dos Santos/Alexandre Fradique Morujão. Lissabon 1985. 9 Kant: Crítica da Faculdade do Juízo. Hg. und übers. von Valerio Rohden/António Marques. Lissabon 1990 u.ö.

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Bericht zum Stand der Kant-Übersetzungen ins Portugiesische (Portugal)

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B.  Die Reihe Klassiker der Philosophie

Dem Übersetzer Artur Morão verdankt man eine bemerkenswerte Initiative, dem Fehlen portugiesischer Ausgaben von klassischen Werken der Philosophie abzuhelfen. In einer von ihm herausgegebenen Reihe, den Lissaboner Edições 70, die Dutzende von Texten aus unterschiedlichen Epochen umfasst, ist Kant mit den folgenden Titeln vertreten: – Prolegomenos a toda a Metafísica Futura que queira apresentar-se como ciência [Prol]. Übers. von Artur Morão (1982). – Progressos da Metafísica: acerca da pergunta da Academia Real das Ciências: quais são os verdadeiros progressos que a Metafísica realizou na Alemanha desde os tempos de Leibniz e Wolff? [FM], unter dem Titel Os progressos da metafísica na Alemanha desde Leibniz e Wolff (1985). Übers. von Artur Morão; Paz Perpétua e Outros Opúsculos: eine Anthologie mit Resposta à pergunta: que é o Iluminismo? [WA]; Ideia de uma História Universal com um propósito cosmopolita [IaG]; Que significa orientar-se no pensamento? [WDO]; Sobre a expressão corrente: isto pode ser correcto na teoria, mas de nada vale na prática [TP]; A Paz Perpétua [ZeF]; Sobre um suposto direito de mentir por amor à humanidade [VRML]. Übers. von Artur Morão (1988). – Princípios metafísicos da Ciência da Natureza [MAN]. Übers. von Artur Morão (1990).10 – A Religião nos limites da simples razão [RGV]. Übers. von Artur Morão (1992). – O Conflito das Faculdades [SF]. Übers. von Artur Morão (1993). – Lógica [Log]. Übers. von Artur Morão (2009). – A Metafísica dos Costumes [MS] Teil I: Princípios da Metafísica do Direito [RL]; Teil II: Princípios Metafísicos da Doutrina da Virtude [TL]. Übers. von Artur Morão (2004). Als vielversprechendes Vorzeichen einer Zeit, in der man für ein und dasselbe Werk über mehrere Übersetzungen verfügt, veröffentlichte José Lamego im Jahr darauf eine andere Übersetzung der Metafísica dos Costumes.11 Des Weiteren gibt es eine neuere Übersetzung der Fundamentação da Metafísica dos Costumes [GMS] von Filipa Gottschalk.12

10

2019 erschien in Lissabon eine neue Auflage dieser Übersetzung u.d.T. Primeiros princípios metafísicos da Ciência de Natureza. 11 Kant: A Metafísica dos costumes. Hg. und übers. von José Lamego. Lissabon 2005. 12 Kant: Fundamentação da metafísica dos costumes. Hg. von Marcello Fernandes /Nazaré Barros. Übers. von Filipa Gottschalk. Lissabon 1995 [NA São Paulo 2014].

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C.  Vorkritische Schriften

1983 erschienen die Textos Pré Críticos: Investigação sobre a evidência dos princípios da teologia natural e da moral [UD]; Nova explicação dos primeiros princípios do conhecimento metafísico [PND]; Uso da metafísica unida à geometria em filosofia natural cujo espécimen I contém a monadologia física [MonPh]; Acerca da falsa subtileza das quatro figuras do silogismo [DfS]; Acerca do primeiro fundamento da diferença das zonas no espaço [GUGR]; Acerca da forma e dos princípios do mundo sensível e do mundo inteligível [MSI].13 Weitere übersetzte Titel der vorkritischen Periode: – Dissertação de 1770: De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis [MSI] (1985).14 – O único argumento possível para uma demonstração da existência de Deus [BDG] (2004).15 – Investigação sobre a clareza dos princípios da teologia natural e da moral [UD] [zweisprachige Ausgabe] (2006).16 – Teoria do Céu: História natural e teórica do Céu ou ensaio sobre a constituição e a origem mecânica do universo segundo as leis de Newton [NTH] (2004).17 – Escritos sobre o terramoto de Lisboa (2005).18 Darin: Acerca das causas dos tremores de terra, a propósito da calamidade que, perto do final do ano passado, atingiu a zona ocidental da Europa [VUE]; História e descrição natural dos estranhos fenómenos relacionados com o terramoto que, no final do ano de 1755, abalou uma grande parte da Terra  [GNVE]; Considerações adicionais acerca dos tremores de terra que, de há algum tempo a esta parte, se têm feito sentir [FBZE].

13

Kant: Textos Pré-Críticos. Hg. von R. Magalhães. Übers. von José Andrade/Alberto Reis. Porto 1983. 14 Kant: De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis. Hg. und übers. von Leonel Ribeiro dos Santos. Lissabon 1985. Vgl. auch Dissertação de 1770. Carta a Marcus Herz. Hg. und übers. von António Marques und Leonel Ribeiro dos Santos. Lissabon 2005. 15 Kant: O único argumento possível para uma demonstração da existência de Deus. Hg. und übers. von Carlos Morujão/Inês Bolinhas et al. Lissabon 2004. 16 Kant: Investigação sobre a clareza dos princípios da teologia natural e da moral. Hg. und übers. von Carlos Morujão/Américo Pereira/Mónica Dias. Lissabon 2006. 17 Kant: Teoria do Céu. História natural e teórica do Céu ou ensaio sobre a constituição e a origem mecânica do universo segundo as leis de Newton. Hg. und übers. von Graça Barroso/Joaquim Fernandes. Lissabon 2004. 18 Kant: Escritos sobre o terramoto de Lisboa. Übers. von Benedith Bettencourt. Hg. von João Duarte Fonseca. Coimbra 2005.

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D.  Schriften zur Anthropologie und Philosophie der Geschichte

Das allgemein gestiegene Interesse der Kant-Forschung am anthropologischen Denken Kants machte sich in Portugal ebenfalls bemerkbar, wo es zur Veröffentlichung einiger grundlegender Texte führte, die es erlauben, den systematischen Ort der Anthropologie zwischen empirischer Psychologie und Philosophie der Geschichte in neuem Licht erscheinen zu lassen. Eine von Manuela Ribeiro Sanches und Adriana Veríssimo Serrão zusammengestellte und der deutschen Anthropologie des 18. Jahrhunderts gewidmete Anthologie enthält die folgenden Schriften, die Kants Stellung im Verhältnis zur biologischen und kulturellen Anthropologie verorten: Das diversas raças humanas [VvRM]; Definição do conceito de raça humana; Começo conjectural da história do homem [MAM]; Acerca do uso dos princípios teleológicos na filosofia [ÜGTP]; Prefácio (Vorrede) und O Carácter do género aus Antropologia numa abordagem pragmática [Anth].19 Zu erwähnen ist noch die Übersetzung der Rinkschen Pädagogik. 20 In jüngster Zeit hat Fernando Silva im Rahmen wissenschaftlicher Beiträge mit umfangreichen einleitenden Studien, in denen es um die Wurzeln der pragmatischen An­ thro­pologie und empirischen Psychologie geht, einige Teilstücke aus den Lições de Antropologia veröffentlicht. 21 Eine vollständige Übersetzung der Antropologia em enfoque pragmático [Anth] ist im Centro de Filosofia da Universidade de Lisboa in Arbeit. Die Koordination liegt in den Händen von Leonel Ribeiro dos Santos, die Übersetzung in den Händen von Marina Santos, Fernando Silva und Adriana Veríssimo Serrão.

19

In: Manuela Ribeiro Sanches/Adriana Veríssimo Serrao (Hg.): A invenção do ›Homem‹. Raça, Cultura e História na Alemanha do séc. XVIII. Lissabon 2002. Das diversas raças humanas [VvRM]. 103–115. Definição do conceito de raça humana. 116–130. Começo conjectural da história do homem [MAM]. 315–328. Acerca do uso dos princípios teleológicos na filosofia [ÜGTP]. 353–377. Prefácio (Vorrede) und O Carácter do género aus Antropologia numa abordagem pragmática [Anth]. 49–52 und 380–391. 20 Kant: Sobre a Pedagogia. Übers. von João Tiago Proença. Lissabon 2004. 21 Vgl. die bibliographischen Angaben in Fernando Silvas Bestandsaufnahme portugiesischer Übersetzungen im vorliegenden Band [vgl. Anmerkungen 15–18].

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E. Briefwechsel

Was Kants Briefwechsel betrifft, so existieren die folgenden Übersetzungen: – Kants Brief an Marcus Herz, in der Übersetzung von António Marques (2005). 22 – Briefwechsel zwischen Lambert und Kant (1988). 23 F.  Kleinere Texte

In portugiesischer Übersetzung liegen vor: – Informação acerca dos seus cursos no semestre de Inverno de 1765–1766 [NEV] (1988). 24 – Ensaio sobre as doenças da cabeça de 1764 [VKK] (2012). 25 Aus dem Portugiesischen übersetzt von Jürgen Lang

22

Kant: Dissertação de 1770. Seguida de Carta a Marcus Herz [Anm. 14]. Kant: A Correspondência Lambert/Kant. Mit einer Einleitung und Anmerkungen von Manuel José do Carmo Ferreira. Lissabon 1988. 24 Kant: Ankündigung […]. In Teilen übersetzt und hg. von Leonel Ribeiro dos Santos. In: ders.: A Razão Sensível. Estudos Kantianos. Lissabon 1988. 188–191. 25 Kant: Ensaio sobre as doenças da cabeça de 1764. Übers. von Pedro Miguel Panarra. In: Revista Filosófica de Coimbra 19 (2012). 201–224. 23

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Der lusophone Kant Zum derzeitigen Stand der Übersetzungen kantischer Texte zu Ästhetik, Anthropologie und Geographie ins Portugiesische Fernando M. F. Silva I. Einleitung

Sicherlich wird niemand leugnen, dass ein Autor in einem Land, das nicht seines ist, umso mehr herausragt, je mehr er dort übersetzt und später dank solcher Übersetzungen gelesen und studiert wird. Daher macht die Praxis des Übersetzens eine bedeutsame Leistung aus: Landsleuten die Worte eines Fremden bekannt zu machen ist eine so schwierige Aufgabe wie die, die Stimme eines großen Autors aus einer anderen Zeit und einer anderen Sprache hörbar werden zu lassen, kurz, ein Originalwerk in einer Fremdsprache zu rekonstruieren, ist ein wahrlich schwieriges und respektables Unterfangen. Die Übersetzer sind die Sendboten einer fernen, für Viele unverständlichen Rede, welche sie auf dem schmalen Grat rekonstruieren müssen, der vom Autor zum lesenden Publikum führt. Immanuel Kant ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme und konnte es nicht sein. Auch er wurde als Philosoph des 18. Jahrhunderts bis heute intensiv und häufig in die verschiedensten Sprachen der Welt übersetzt. Kants Werke wurden schon zu Lebzeiten teilweise übersetzt,1 und sie wurden seit Erscheinen der KrV auch bereits lebhaft kommentiert. Übersetzerisch spielten Frankreich, England und Italien schon früh eine wichtige Rolle. Andere Länder und ihre Übersetzer spielten zunächst eine geringere, aber nichtsdestoweniger erwähnenswerte Rolle. Zu diesen Fällen zählt auch der, mit dem wir uns hier beschäftigen wollen, der portugiesische. 2 Die Geschichte der Übersetzungen kantischer Texte ins Portugiesische und deren derzeitiger Stand verdienen unser Interesse. Wir unterteilen unseren knappen Beitrag in drei Teile, um so einer dreifachen Absicht gerecht zu werden. Zunächst werden wir kurz über die Tradition der Übersetzungen der 1

Die frühesten Übersetzungen der einzelnen Schriften Kants in die jeweiligen Sprachen finden sich in Steve Naragons Bibliographie Kant’s Writings in Translations [https://users. manchester.edu/FacStaff/SSNaragon/Kant/Helps/KantsWritingsTranslations.htm]. 2 Es sei vorausgeschickt, dass wir uns im Folgenden ausschließlich auf den Fall Portugals und nicht auf den Brasiliens beziehen. Zur Situation der Kant-Übersetzungen in Brasilien vgl. den Beitrag von Christian Hamm im vorliegenden Band.

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Werke Kants ins Portugiesische berichten [Teil II.]. Danach werden wir uns mit Blick auf die ästhetische Theorie Kants detaillierter mit dieser speziellen Übersetzungstradition und ihrem derzeitigen Stand beschäftigen [Teil III.]. Und zum Schluss werden wir die Perspektiven analysieren und beurteilen, die sich dieser Tradition und Praxis heute und für die Zukunft eröffnen [Teil IV.]. II.  Panorama der Übersetzung kantischer Schriften in Portugal

Wenn man das Panorama der Übersetzung kantischer Schriften in Portugal betrachtet, 3 so tritt einem zunächst eine fragmentarische Landschaft vor Augen, in der das dramatische Fehlen vieler Hauptwerke und Ergänzungswerke zu beklagen ist, aus denen sich heute das Bild des großen Autors zusammensetzt. Und wenn man Kant nicht nur als Philosophen, als Denker der Logik und Metaphysik, sondern auch als jenen Theoretiker der Ästhetik, als Psychologen und Anthropologen betrachtet, der er tatsächlich war, dann erweist sich das Panorama der Übersetzungen Kants ins Portugiesische als umso ärmer, je mehr Facetten dieses so vielgestaltigen und reichen Denkers man entdeckt, weil er mit diesen Facetten in diesen Übersetzungen unterrepräsentiert ist. Trotzdem glauben wir, dass das portugiesische Bild Kants nicht ganz so arm an Übersetzungen ist, als dass man in ihm nicht den großen Autor erkennen könnte. Und dieses Bild unterscheidet sich nicht so sehr von anderen marginaleren Übersetzungskulturen, als dass man nicht zwischen diesem Fall und jenen Fällen Affinitäten entdecken könnte. Wenn man die historische Entwicklung aller Kant-Übersetzungen ins Portugiesische mit der historischen Entwicklung der Kant-Übersetzungen in andere Sprachen vergleicht, so wird man zweifellos feststellen, dass sich diese Entwicklungen in manchem voneinander unterscheiden und in manchem ähneln. Was nun zunächst einmal den portugiesischen Fall von den anderen Fällen wie dem englischen, französischen oder italienischen unterscheidet, ist die unterschiedliche Tradition der Kunst des Übersetzens. Diese Tradition existiert nämlich in diesen Ländern schon lange, während sie in Portugal aus vielen und komplexen sozialen, pädagogischen und sogar wirtschaftlichen Gründen erst spät erblühte. Gründe dafür finden wir nicht nur in der lückenhaften Geschichte der Übersetzungen selbst, sondern auch in komplementären signifikanten Phänomenen. Eines dieser Phänomene ist die lexikographische und/oder enzyklopädische Tradition der anderen europäischen Länder, die natürlich mit der Kunst des Übersetzens aufs Engste zusammenhängt. Diese Tradition setzte in jenen 3 Vgl.

den komplementären Beitrag von Adriana Veríssimo Serrão im vorliegenden

Band.

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Ländern schon früh ein (im 16./17. Jahrhundert), in Portugal dagegen erst spät (im 18. Jahrhundert), 4 und das hatte auch Konsequenzen für die späteren KantÜbersetzungen. Belege für eine gewisse Verspätung der portugiesischen Übersetzungspraxis liefern uns die Spezialbibliographien, die in den letzten Jahrzehnten versucht haben, eine erschöpfende Liste nicht nur der auf Portugiesisch verfassten Literatur über Kant, sondern auch der Übersetzungen von Werken Kants ins Portugiesische zu präsentieren.5 Nach den Titeln dieser sehr nützlichen Beiträge lautet das Thema, wenn von der Übersetzung Kants ins Portugiesische die Rede ist: ›Kant in Portugal im 20. Jahrhundert‹ (seit 1914, oder sogar erst seit der Mitte der 1970er Jahre). Vor 1900 gab es keine vollständigen portugiesischen Übersetzungen von Werken Kants. Und selbst Teilübersetzungen waren so wenig zahlreich, dass sie kaum eine wirkliche Tradition der Übersetzung Kants in Portugal vor 1900 belegen können. Für diese defizitäre Situation gibt es zahlreiche konkrete Beispiele. Nehmen wir zum Beispiel die drei Kritiken: 1838 war die KrV schon vollständig ins Italienische (Mantovani, 1820–1822), ins Französische (Tissot, 1835–1836) und ins Englische (Haywood, 1838) übersetzt worden, während sie erst ca. 150 Jahre später, nämlich 1985, in Portugal erscheinen sollte (Santos, Morujão).6 1909 war die KpV schon in diese drei Sprachen und ins Spanische übersetzt worden (García Moreno, 1876), ins Portugiesische wurde sie erst 1984 übersetzt (Artur Morão)7. 1907 existierten schon französische (Hercule Peyer-Imhoff, 1796 [schwer belegbar]), englische (J. H. Bernard, 1892), italienische (Alfredo Gargiulo, 1907) und spanische Versionen (Alejo García Moreno/Juan Ruvira, 1876) der KU, während die portugiesische noch bis 1990 (António Marques/Valerio Rohden) auf sich warten lassen sollte. 8 Oder nehmen wir als Beispiele andere einschlägige philosophische Schriften Kants wie GMS oder RGV. Man kann hier genau das Gleiche 4 Die

ersten englischen Wörterbücher bzw. Lexika stammen aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, vgl. Elyot (1538) und Salesbury (1547). Die ersten deutschen Wörterbücher stammen schon aus dem 15. und 16. Jahrhundert, vgl. Schueren (1477), Frisius (1541), Maaler (1561). Das erste Wörterbuch der kastilischen Sprache stammt aus dem 17. Jahrhundert, vgl. Covarrubias (1611); das erste maßgebliche italienische Wörterbuch ist das Vocabolario degli Accademici della Crusca von 1612. Dagegen entstand das erste einsprachige Wörterbuch der portugiesischen Sprache erst 1712. Es handelt sich um das Vocabulario Portuguez e Latino von Raphael Bluteau; wir sehen an dieser Stelle ab vom Dictionarium Latino-Lusitanicum von Jerónimo Cardoso (1570). 5 Für eine Zusammenstellung dieser Bibliographien sei verwiesen auf den Beitrag von Adriana Veríssimo Serrão im vorliegenden Band [vgl. dort Anm. 1]. 6 Kant: Crítica da Razão Pura. Übers. von Manuela Pinto dos Santos/Alexandre Fradique Morujão. Lissabon 1985. 1980 Übers. Rohden/Moosburger, São Paulo. 7 Kant: Crítica da Razão Prática. Übers. von Artur Morão. Lissabon 1984. 8 Kant: Crítica da Faculdade do Juízo. Übers. von António Marques/Valerio Rohden. Lissabon 1990. Auszüge aus KU waren bereits 1980 von Rubens Rodrigues Torres Filho ins Brasilianische/Portugiesische übersetzt worden, vgl. Filho, Rubens Rodrigues Torres: Crítica

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beobachten.9 Mit einem Wort: Bei weitem die meisten Texte Kants wurden in Portugal erst viel später übersetzt als in anderen Ländern. Trotz des unbestreitbar von Land zu Land und von Sprache zu Sprache unterschiedlichen Schicksals des kantischen Werkes scheint es doch auch Gemeinsames in seiner Behandlung durch die Übersetzer zu geben. So wird sicherlich niemand leugnen, dass es gewissermaßen verschiedene Kants gibt: einen Philosophen Kant, einen Logiker Kant, aber wie schon gesagt außerdem auch einen Theoretiker der Ästhetik Kant, einen Anthropologen Kant, einen Kosmologen und einen Geographen Kant. Die Leser Kants haben alle diese Dimensionen des kantischen Denkens in unterschiedlichem Maße und in unterschiedlichen Anläufen zur Kenntnis genommen und die einzelnen Werkteile für unterschiedlich wichtig gehalten, was sich in einer größeren oder geringeren, früheren oder späteren Anerkennung der Wichtigkeit von deren Studium und Übersetzung zeigt. Unübersehbar ist, dass die wichtigsten Teile von Kants Philosophie – Kant als Begründer des Kritizismus, aber auch als der über Moral und Politik reflektierende Kant, kurz der Philosoph Kant im engeren disziplinären Sinne – die ersten waren, die seit dem 18. Jahrhundert auf erhebliche Resonanz stießen. Das kosmologisch-anthropologisch-geographische Denken Kants hingegen wurden zunächst vernachlässigt – zumindest maß man ihm im Vergleich zu den zentralen Teilen seines Werkes eine nachgeordnete oder lediglich komplementäre Wichtigkeit bei, und das führte zu einer generell späteren Übersetzung und damit auch Rezeption jener marginaler erscheinenden Werkteile. Betrachten wir also auch diese ursprünglich nachrangige Dimension des kantischen Denkens und erwägen wir dabei auch ihre ästhetischen Implikationen. Die frühe kosmologische Schrift Kants – welche unserer Meinung nach auch ästhetische Implikationen hat –, die NTH, liefert uns ein erstes Beispiel. Es zeigt sich, dass eine durchschlagendere Rezeption dieser Schrift erst mit den 1970er Jahren einsetzt; mit einigen Ausnahmen war diese Schrift Kants erst Ende des 19. Jahrhunderts übersetzt worden, und das auch nur in vier oder fünf Sprachen, zu denen das Portugiesische nicht zählte.10 Wenn man die anthropologischen Schriften Kants und die Vorlesungsnachschriften betrachtet (vor allem AA 25 1. 2) – seine Schriften über die Rasse (1775, do Juízo. In: Kant: Textos selecionados. Hg. von Marilena de Souza Chauí. São Paulo 1980. 209–269.  9 Die Texte ZeF und RGV lagen Mitte des 19. Jahrhunderts schon in Übersetzungen in mehrere europäische Sprachen vor. In Portugal erschien dagegen erst 1941 Kant: A Paz Perpétua. Ensaio filosófico. Übersetzt von A.M.C. Porto 1941; erst 1992 Kant: A Religião nos limites da simples razão. Übers. von Artur Morão. Lissabon 1992; und erst 1960 die Fundamentação da Metafísica dos Costumes. Übers. von Paulo Quintela. Coimbra 1960. – Für die angeführten früheren Übersetzungen in andere Sprachen sei verwiesen auf Naragon [Anm. 1]. 10 Naragon [Anm. 1].

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1785), MAM (1786), Anth (1798) und dann auch die Vorlesungen zur Anthropologie (1772–1796), Schriften, in denen sich einiges von der ästhetischen Theorie Kants abzeichnet –, so wird man etwas Ähnliches feststellen. Diesen zunächst wenig beachteten Schriften wurde nämlich erst im 20. Jahrhundert die gebührende Bedeutung zuerkannt. Sie waren erst seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts überhaupt hier und da übersetzt worden und wurden teilweise im 20. Jahrhundert und im Falle der Vorlesungen sogar erst im 21. Jahrhundert in einige wenige andere Sprachen übersetzt, einige davon auch ins Portugiesische.11 Kants Vorlesungen zur physischen Geographie fanden erst in jüngerer Zeit gebührliche Aufmerksamkeit und wurden mittlerweile in einige Sprachen übersetzt, nicht jedoch ins Portugiesische. Schließlich zeigen die marginaleren und traditionell weniger einschlägigen ästhetisch relevanten Schriften Kants außerhalb der KU und der Schrift GSE – letztere wurden schon immer ausführlich behandelt und zum wiederholten Male übersetzt – ihren marginalen Status dadurch, dass sie – selbstverständlich auch aus naheliegenden editorischen Gründen – nicht vor dem 20. bzw. 21. Jahrhundert in andere Sprachen übersetzt wurden; hierzu zählen etwa der Entwurf zu einer Opponenten-Rede (1777) und die Reflexionen über die Ästhetik im Nachlass zur Logik (AA 16) und in den Reflexionen zur Anthropologie (AA 15). Die Edition einiger der genannten Texte, die philosophische Würdigung der genannten Texte und ihre Übersetzung haben lange auf sich warten lassen; dies gilt für alle Länder und alle Sprachen und eben auch das Portugiesische. Im Folgenden beschränken wir uns mit Blick auf portugiesische Übersetzungen auf einen speziellen Bereich des kantischen Denkens, nämlich die ästhetischen, ästhetisch-anthropologischen und ästhetiktheoretisch relevanten Werke des Autors. III.  Kants Schriften mit Bezug zur Ästhetik und der derzeitige Stand ihrer Übersetzung ins Portugiesische

Betrachten wir zuerst die (wenigen) kantischen Schriften, die im strengen Sinne als ästhetische gelten. Nach der Chronologie ihrer Entstehung sind das GSE und KU. Diese Werke sind ins Portugiesische übersetzt worden; ihre Auflistung be11

Für die kleinen kantischen Texte zur Anthropologie vgl. Manuela Sanches/Adriana Veríssimo Serrão (Hg.): A invenção do homem. Raça, cultura e história na Alemanha do século XVIII. Lissabon 2002. Dieser wertvolle Band enthält, neben Texten anderer Autoren des 18. Jahrhunderts, die folgenden Texte Kants: Definição do Conceito de Raça Humana, Algo mais acerca das Raças Humanas [VvRM]; Acerca do Uso de Princípios Teleológicos na Filosofia [ÜGTP]. Eine Übersetzung der Anth wird derzeit von Adriana Veríssimo Serrão, Paulo Jesus und mir erstellt. Das Projekt wird von Leonel Ribeiro dos Santos koordiniert. Was schließlich die Vorlesungen zur Anthropologie betrifft, sei auf Teil III. des vorliegenden Beitrages verwiesen.

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legt, was weiter oben gesagt wurde: nämlich die geringe Anzahl an Übersetzungen (oder Neu-Übersetzungen) von einschlägigen Texten Kants zur Ästhetik ins Portugiesische.12 Kant hat in verschiedenen verwandten Bereichen seines Werkes die Ästhetik betreffende Fragen behandelt, wie z. B. in denen zur Logik, zur Kosmologie, zur Geographie und vor allem zur Anthropologie. Mit der jüngsten Wiederentdeckung der kantischen Kosmologie, mit der noch aktuelleren Wiederentdeckung – und entsprechenden Würdigung in der Akademie-Ausgabe – der zuvor auf einzelne Werke verstreuten Anthropologie-Vorlesungen Kants und mit der rezenten Eingliederung der Geographie-Vorlesungen in dieses Werk, kurz mit all diesen Erweiterungen des kantischen Werks, die spezifische Arten des Philosophen repräsentieren, den Menschen und die Welt zu sehen, werden auch neue ästhetisch relevante Texte Kants entdeckt und neue Übersetzungen möglich, die auch eine Würdigung ihrer ästhetischen Implikationen gestatten. Wir beziehen uns hier auf Werke wie die Logik Jäsche oder die verschiedenen Logik-Vorlesungen, die Kant mehr als drei Jahrzehnte lang gehalten hat und in denen er sich immer wieder auch ausdrücklich zum Verhältnis von Logik und Ästhetik äußert. Wir verweisen einmal mehr auf die NTH, wo Kant ausdrücklich vom Vergnügen spricht, das man bei der Betrachtung der ganzen, Naturgesetzen gehorchenden Schöpfung verspürt. Und wir beziehen uns darüber hinaus auf mehrere Abschnitte der Anthropologie von 1798 und ganz besonders auf die Vorlesungen zur Anthropologie, speziell auf diejenigen, in denen vom Gedächtnis, der Phantasie, dem Bezeichnungsvermögen, dem Dichtungsvermögen, dem Ingenium oder dem Genie, dem Traum, der Geisteskrankheit und auch vom Witz13 die Rede ist. Schließlich beziehen wir uns auch auf die Geographie-Vorlesungen Kants, wo man in den Einleitungen Ansätze einer Problematisierung des ästhetischen Vergnügens finden kann, eines Vergnügens, das hier mit dem Pragmatismus von Naturerkenntnis in Verbindung gebracht wird. Wir beziehen uns also auf Schriften Kants, die für seine Theorie der Ästhetik relevant sind und erst in jüngerer Zeit ans Licht gebracht wurden; sie eröffnen der Kant-Übersetzung neue Perspektiven. Wenn wir nun, unserem Ansatz einer Rekonstruktion der Ästhetik Kants in marginaleren Schriften Kants folgend, die genannten Werke/Vorlesungen Kants zu seiner Theorie der Ästhetik hinzunehmen, so ergibt sich mit Blick auf die aktuelle portugiesische Übersetzungssituation folgendes Bild: 12

Kant: O Belo e o Sublime. Ensaio de Estética e Moral. Übers. von Alberto Machado Cruz. Porto 1943. Ders.: Crítica da Faculdade do Juízo. Hg. und übers. von António Marques/ Valerio Rohden. Lissabon 1990 [Rio de Janeiro ²2008]; Auszüge aus KU waren, wie gesagt, bereits 1980 von Rubens Rodrigues Torres Filho übersetzt worden, vgl. Kant: Crítica do Juízo [Anm. 8]. Kant: Observações sobre o Sentimento do Belo e do Sublime. Ensaio sobre as doenças mentais. Übers. von Pedro Panarra. Lissabon 2012. 13 Vgl. den Beitrag des Vf.s über Witz im vorliegenden Band.

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– Kant: Teoria do Céu. História natural e teórica do Céu ou ensaio sobre a constituição e a origem mecânica do universo segundo as leis de Newton. Übersetzt von Graça Barroso. Lissabon 2004 – Kant: Lógica. Übersetzt von Artur Morão. 200914 – Kant: Sobre a ilusão poética e a poética da ilusão. Übersetzt von Leonel Ribeiro dos Santos. 201415 – Kant: Do Génio. Übers. und eingeleitet von Fernando M. F. Silva. 201516 – Kant: Do engenho e da faculdade de julgar (Lição de Antropologia de Kant. Anthropologia Mrongovius). Übersetzung und Einleitung von Fernando M. F. Silva. 201517 – Kant: As representações obscuras. Lições de Antropologia de Immanuel Kant. Übersetzung und Einleitung von Fernando M. F. Silva. 201618 – Kant: ›Sinais que substituem os conceitos das coisas, encontramo-los nos poetas‹: Kant sobre a faculdade de designação. Übers. von Fernando M. F. Silva. 201819 Der Rückstand der Übersetzung ästhetisch relevanter Texte Kants ist mit den angeführten Übersetzungen noch nicht überwunden. Es fehlen noch immer portugiesische Übersetzungen mehrerer Logik-Vorlesungen, die in AA 09, AA 24.1 und AA 24.2 enthalten sind, Übersetzungen mehrerer Anthropologie-Vorlesungen, die u. a. auch von der Dichtkunst oder dem Traum oder dem Vermögen der Imagination handeln, und es fehlen die Vorlesungen Kants zur physischen Geographie; unseres Wissens wurde bislang keiner der Texte, die Kant über Geographie geschrieben hat, ins Portugiesische übersetzt – zumindest nicht in Portugal.

14 Lógica

[Excertos da]. Introdução. Übers. von Artur Morão. Covilhã, LuSofia press, 2009. 15 Sobre a ilusão poética e a poética da ilusão. Übers. von Leonel Ribeiro dos Santos. In: Estudos Kantianos 2.2 (2014). 291–313 (Übers. von AA 15.2: 903–935). 16 Kant: Do Génio. Übers. und eingeleitet von Fernando M. F. Silva. In: Estudos Kantianos 3/2 (2015). 211–232 (Übers. von AA, 25.2: 1055–1066). 17 Kant: Do engenho e da faculdade de julgar (Lição de Antropologia de Kant. Anthropologia Mrongovius). Übers. und Einleitung von Fernando M. F. Silva. In: Con-Textos Kantianos 2 (2015). 324–346 (Übersetzung von AA 25.2: 1262–1272). 18 Kant: As representações obscuras. Lições de Antropologia de Immanuel Kant. Übers. und Einleitung von Fernando M. F. Silva. In: Con-Textos Kantianos 4 (2016). 296–304 (Übers. von AA 25.2: 1221–1224 [vollständig], AA, 25.1: 479–482 [teilweise] und AA 25.2: 867–871 [teilweise]). 19 Kant: ›Sinais que substituem os conceitos das coisas, encontramo-los nos poetas‹. Kant sobre a faculdade de designação. Übers. von Fernando M. F. Silva. In: Con-Textos Kantianos 7 (2018). 536–545 (Übers. von AA 25.1: 126 f.; AA 25.1: 338–341, AA 25.1: 536, AA 25.2: 1023–1025, AA 25.2: 1473 f. Vgl. auch Silvas Übers. aus der Anthropologie-Dohna. Ebd. 129–131.

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Fernando M. F. Silva

Die portugiesische Forschung, die sich seit drei Jahrzehnten mit der kantischen Ästhetik, deren angemessenem Verständnis und ihren Spuren in anderen als den im engeren Sinne ästhetischen Schriften Kants beschäftigt, gibt Grund zur Hoffnung. Wir beziehen uns hier einerseits auf portugiesische Autoren und KantforscherInnen wie Leonel Ribeiro dos Santos, Adriana Veríssimo Serrão, Manuel J. do Carmo-Ferreira oder José Barata-Moura als verdienstvolle Beispiele, die dem portugiesischen Publikum jenseits ihrer Übersetzungsarbeit den ›ästhetischen Kant‹ erschlossen haben, indem sie in zahlreichen Artikeln, Monographien und Forschungsprojekten diesem neuen, erweiterten Verständnis der kantischen Ästhetik eine Stimme verliehen haben. Und wir beziehen uns auf eine neue Generation junger portugiesischer KantforscherInnen, die versuchen, durch Übersetzungen und durch Untersuchungen diese Tendenz einer Würdigung der kantischen Ästhetik in ihrer ganzen Breite zu befördern. IV.  Schluss: Hoffnung auf eine Übersetzung des kantischen Gesamtwerks ins Portugiesische

Wenn wir den Blick von dem Feld der Ästhetik abwenden und uns erneut der Gesamtheit der schon ins Portugiesische übersetzten Werke Kants zuwenden, dann bemerken wir, dass, so spät diese Übersetzungen auch entstanden und so begrenzt sie in der Themenwahl auch sein mögen, de facto heute doch schon ein nicht unbeträchtlicher Teil der kantischen Werke ins europäische Portugiesisch übersetzt worden ist. Dies kann durchaus als Grundlage für konstruktive und ambitioniertere Fortsetzungen dienen, vor allem aber auch für das große Projekt, das Werk Kants in seiner Gesamtheit ins Portugiesische zu übersetzen – ein Unterfangen, das wegen seiner Dimensionen, seiner inhärenten Schwierigkeiten, der Menge der benötigten Mitarbeiter und Mittel, der Schwierigkeit, Unterstützung zu erhalten, und des zu erwartenden Zeitaufwandes auf den ersten Blick als schwerlich realisierbar erscheinen mag, obwohl es so offenkundig wünschenswert ist. Wenn erst einmal die technischen oder bürokratischen Probleme gelöst wären, hinge alles nur noch von einer Koordinierung der Aktivitäten von Über­ setzern, Editoren, Verlegern und anderen an der Realisierung eines so ambitionierten Projekts Beteiligten ab. Es wäre nützlich, wenn man für dieses Unternehmen Übersetzer mit einer reichen Erfahrung in der Übersetzung kantischer Texte oder von Texten verwandter Autoren gewinnen könnte. Ein Desiderat wie das einer portugiesischen Ausgabe der Werke Kants kann, bei allen genannten organisatorischen, ökonomischen und institutionellen Schwierigkeiten, auf das große Vorbild der Cambridge Edition mit ihrer wissenschaftlichen Verlässlichkeit und Professionalität und auf eine Reihe von portu-

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Der lusophone Kant

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giesischen Experten für die kantische Philosophie rekurrieren, sodass ein solches Projekt von dieser Seite her als durchaus realisierbar erscheint. Die Übersetzung des Gesamtwerks Kants ins Portugiesische würde einen Meilenstein in der Verbreitung des kantischen Denkens darstellen, einen Meilenstein in der Geschichte der portugiesischen Sprache und der Übersetzungen ins Portugiesische im Allgemeinen. Es gibt in Portugal Beispiele gelungener umfangreicher Übersetzungsprojekte, die Mut machen können, so etwa die vollständige Übersetzung des Aristoteles ins Portugiesische oder die Übersetzung von Texten der großen Meister der Escola Peninsular da Paz sowohl ins Portugiesische als auch ins Englische, beides Projekte des Centro de Filosofia da Universidade de Lisboa. Es bleibt zu hoffen, dass auch die Kant-Übersetzungen in Portugal in eine solche Erfolgsgeschichte einmünden werden. Übersetzung aus dem Portugiesischen von Jürgen Lang

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Kant’s Works in Romanian Translations Over the Last Hundred Years (1918–2019) Historical Outline and Annotated Bibliography Titus Lateş I. Introduction

The translations of Immanuel Kant’s works into Romanian during the last hundred years were preceded by at least another hundred years in which Kant’s philosophy had been promoted in Romanian higher education and Romanian people had become acquainted with his personality, launched by various cultural activities.1 An intellectual elite had completed their studies at universities in France, Germany and Italy, thus spreading in Romania the zeitgeist and particularly the philosophical ideas arising from the reception of Kant in those countries. The Romanian Enlightenment had close ties with German culture. Plurilingualism played therefore an important role in the propagation of Kant’s work in Romania, especially in Transylvania. The opening of a German bookstore in Sibiu, selling works of Goethe, Wolff, Lessing and Kant, is attested for the year 1778. Kritik der reinen Vernunft (Riga 1781) is listed in the Catalogus librorum Bibliothecae Regiae Claudiopolitanae (Cluj) of the year 1797. Kantian influences can also be traced in the poem Tsiganiada, written around 1800, by a Transylvanian, Ion Budai-Deleanu (1760–1820), a central figure of the Romanian En­ lightenment. Gheorghe Lazăr (1779–1823), educated in the same spirit, at Sibiu, Cluj and Vienna, one of the founders of higher education in Romania, taught Kant’s logic and metaphysics at the Saint Sava School in Bucharest between 1818 and 1821, thus replacing the teaching of logic according to Condillac, traditionally imposed until then. Unfortunately, his philosophy lectures have not been preserved, and we cannot know whether they contained translations or just paraphrases. Despite 1

See Titus Lateş: Kant in the Romanian Philosophy. The First 150 Years. In: Revue Roumaine de Philosophie 59/1 (2015). 63–71. See also Paul Schuster-Stein: Kants Philosophie in Rumänien. In: Kant-Studien 86/1 (1995). 70–86; and Alexandru Boboc: Zur Kantrezeption in Rumänien. In: Proceedings of the Eighth International Kant Congress. Ed. by Hoke Robinson. Marquette, Wisconsin 1995. Vol. 1. 1221–1223.

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his admiration for the French culture, Lazăr was convinced that “French philosophy must take its hat off to the German one.”2 He was the one who inserted Kant’s works in Romanian curricula and gave them a place in Romanian culture. During the following years, Kant’s philosophy gained in popularity through the translations of works of Kant’s successor at his Königsberg Chair, Wilhelm Traugott Krug, and through the writings of important Transylvanian thinkers such as Simion Bărnuţiu (1808–1864), Timotei Cipariu (1805–1887) and August Treboniu Laurian (1810–1881). Due to the cultural activities carried out by Timotei Cipariu and August Treboniu Laurian Kant’s works gained greater attention in the regions Vallachia and Moldavia. Bărnuţiu made direct references to Kant in Psicologia empirica şi Logica (‘Empirical psychology and logic’), which was printed in Iaşi in 1871. August Treboniu Laurian took Kant as a benchmark in the opening speech of his courses at St. Sava’s College in Bucharest in 1842. Another professor who taught philosophy, psychology and pedagogy for a long time at St. Sava College, which was to become Bucharest University in 1864, was Ion Zalomit (1820–1885); he had obtained his doctorate in Berlin with his thesis Principes et mérite de la philosophie de Kant (1848). The great Romanian poet Mihai Eminescu (1850–1889) was the first translator of some of Kant’s writings whose translations have been preserved. He translated for his personal use some substantial fragments from KrV during his studies in Vienna and Berlin (1870–1874). The manuscripts that remained after his premature death were kept for a while by his teacher Titu Maiorescu (1840–1917). Maiorescu himself translated some parts of Kant’s works for his course on the history of modern philosophy at the Universities of Iaşi and Bucharest. Some fragments from Eminescu’s manuscripts of Kant translations, donated to the Romanian Academy by Titu Maiorescu in 1902, were published in an article in Convorbiri ­literare (‘Literary Conversations’) in 1910; they were later edited, almost completely but not thoroughly enough, in a volume containing Eminescu’s Opere complecte (‘Complete Works’). 3 At the end of the nineteenth and beginning of the twentieth century, parts of Kant’s works, translated by private scholars, were published. In 1881 a fragment of SF, translated by a medical doctor, was published in a brochure: Immanuel Kant: Despre puterea sentimentului cu care prin simpla voinţă, cineva poate să devie stăpân peste simţirile bolnăvicioase, trans. by David Almogen, Iassy [Iaşi], H. Göldner Typo-lithography, 1881.

2 The remark was recorded by a Lazăr’s student – I. Heliade Rădulescu – in a biographical note, cf. Heliade Rădulescu: Georgie Lazar. In: Curierul romanesc 66 (1839). 3 Fragments taken from this edition were reprinted in: Mihai Eminescu: Proză literară. Bucharest 1943. 423–435.

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In Crestomaţie. Bucăţi alese din autori germani (‘Chrestomathy. Fragments by German Authors’), Romanian translation, Bucharest, J.V. Socecu Establishment, 1901 (386–397), an anthology of German texts, there is a fragment from ZeF. Anhang I (Disensiunea dintre morală şi politică cu privire la pacea eternă) trans. into Romanian; the translator is not indicated. The booklet Filosofia creştinismului (‘The Philosophy of Christianity’), trans. by Adrian Sulfină, Bucharest, Lumen collection, 1912 contains fragments from RGV. 4 Another text by Kant – Über Pädagogik – exists in a full-length translation: Tratat de pedagogie, trans. by C.V. Buţureanu, referring to the French translation by Jules Barni and published in Bucharest, Leon Alcalay Bookstore’s Publishing House in 1912.5 II.  The Interwar Period. In Search of a Kantian Philosophical Terminology

At the beginning of 1918 (the year in which the three Romanian regions Vallachia, Moldavia and Transylvania were to be unified), just before the end of World War I, the first complete Romanian translation of a Kantian work was published: ZeF – Spre pacea eternă. Un proiect filosofic, with a biographical note and an introduction, trans. by Ion Gorun, Bucharest, I. Brănişteanu Publishing House, [1918].6 The translator, Ion Gorun [Alexandru Hodoş], was a Romanian writer and journalist who had also translated Goethe’s Faust (1906). In a presentation of his work, he assured a literate audience, familiar with Kant’s KrV, KpV and KU, that the essay on peace did not lack in intellectual depth and pervasiveness and that it was, most of all, up to date.7 The translator did not indicate the edition on which his translation was based. Probably he used an edition of Reclams UniversalBibliothek, since the translation contains a biographical note and an introduction written by Karl Kehrbach. The year 1924, the Kant bicentenary, witnesses two further Romanian translations of works of Kant. The first one is a collection of texts: Religia în limitele 4

Reprinted in: Kant: Filosofia creştinismului. Bucharest 1993. Reprinted in: Kant: Tratat de pedagogie. Religia în limitele raţiunii. [Translators C.V. Buţureanu/C. Rădulescu-Motru]. Iaşi 1992. 5–75. 6 The work was reprinted several times (this is not mentioned) in the last years, updating only the spelling; cf. Kant: Spre pacea eternă. Un proiect filosofic. With a biographical note and introduction trans. by Ion Gorun. Bucharest, Mondero Publishing House, 2006; Bucharest, Gramar Publishing House, 2009; Bucharest, Mondero–Gramar Publishing House, 2015. 7 Ion Gorun: Kant şi pacea eternă (‘Kant and eternal peace’). In: Lumina 2, 183 (1918). 1. 5

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raţiunii, with a note about Iemm. Kant în lumina gândirei europene (‘I. Kant in the light of European thinking’) by Constantin Rădulescu-Motru, Bucharest, Principele Carol Cultural Foundation’s Printing Press, 1924. 8 The volume contains an abridged version (selections) of RGV. The last section of the volume – Filosofie morală şi religioasă (‘Moral and religious philosophy’) – contains the famous conclusion of KpV, published under the title Ştiinţă şi Morală (‘Science and morality’), and the beginning of the first section of GMS, entitled: Despre valoarea absolută a bunei-voinţi şi despre noţiunea datoriei (‘About the absolute value of the good will and about the notion of duty’). The translator is pro­ bably A.A. Luca [Avram Adolf Axelrad], a poet, journalist and translator, who had already published at that time a popularizing series of several philosophical works, including this one (Biblioteca Lumen series); the translation is probably based on the French edition of this work: La religion dans les limites de la raison par Émmanuel Kant, nouvelle traduction française avec notes et avant-propos par André Tremesaygues, Paris, Librairie Félix Alcan, 1913. Besides, the volume also includes a presentation Despre filosofia religioasă a lui Kant (‘About the religious philosophy of Kant’) by A. Tremesaygues, which is based on the avant-propos of the edition mentioned above. The volume includes an instructive preface signed by Constantin Rădulescu-Motru (1868–1957), Professor at the Faculty of Philoso­ phy and Letters of Bucharest University, who took his PhD in Leipzig with a thesis on Kant.9 The professor with whom he held his exam, Wilhelm Wundt, acknowledged the importance of this work by suggesting him to publish it in Philosophische Studien. As the author of Elemente de metafizică pe baza filosofiei kantiane (‘Elements of metaphysics based on Kantian philosophy’) (first edition 1912, final edition 1928), in which he refers primarily to KrV, Rădulescu-Motru was one of the great advocates of Kant’s philosophy in Romania.10 The second volume published in 1924 is a translation of one of Kant’s most important writings: Prol: Prolegomene la orice metafizică viitoare care se va putea înfăţişa ca ştiinţă, trans. by Mihail Antoniade, Bucharest, Cultura Naţională Publishing House, 1924.11 The translator, Mihail Antoniade (1883–1946), got his degree in law (1904) and philosophy (1906) and became famous thanks to Titu  8

The text has been reprinted in: Kant: Tratat de pedagogie. Religia în limitele raţiunii. Iaşi, Agora Publishing House, 1992. 76–148. Constantin Rădulescu-Motru is indicated as the translator although it turned out that he is not.  9 C. Rădulescu-Motru: Kant’s Theorie der Naturcausalität. Leipzig, Wilhelm Engelmann, 1893. Anastatic edition published in 1998. 10 A fragment of the work was published in French: C. Rădulescu-Motru: La conscience transcendentale critique de la philosophie kantienne. In: Revue de Métaphysique et de Morale XXI/6 (novembre 1913). 752–786. 11 An edition based on this volume: Kant: Prolegomene la orice metafizică viitoare care se va putea înfăţişa ca ştiinţă. Ed. and with an introductory study by Eugeniu Nistor, TârguMureş 1999. The introductory note of the 1924 edition was also reproduced, some archaic

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Maiorescu and Constantin Rădulescu-Motru, who appreciated his work. His translation was made at the insistence of the young academic Nae Ionescu, who worked as an editor for the publishing house Cultura Naţională. Later Antoniade pursued a career in law. His translation is based on the edition of Kant’s Complete Works published by the Academy of Sciences of Berlin (AA: 04, 1911; ed. by Benno Erdmann). A most important translation of Kant’s work was started in 1928 by Traian Brăileanu (1882–1947), at that time professor at the University of Cernăuţi. In his first printed book, Despre condiţiunile conştiinţei şi cunoştinţei (‘About the conditions of consciousness and knowledge’) (1912), Brăileanu had expressed his sympathy for the Kantian language and translated a fragment from Prol, as well as parts of the preface to the second edition of KrV (B) which outlines Kant’s arguments against psychological idealism (KrV B XXXIX–B XLI). The following year, Brăileanu published Intemeierea metafizicei moravurilor, a translation including a biographical sketch and an introduction to moral philosophy by Traian Brăileanu, Bucharest, School House Publisher, 1929 – which is a translation of GMS, based on the edition by Theodor Fritzsch for Reclam Verlag, Leipzig, collated with the French translation by H. Lachelier (6th edition, Paris, Hachette). To Brăileanu, the best translation of the title seemed to be Principiile fundamentale ale metafizicei moravurilor, but he chose Intemeierea metafizicei moravurilor corresponding to the French translation Fondements de la métaphysique des mœurs and to Vidari’s Italian translation Fondazione della metafisica dei costumi. Concerning his translation policy, Brăileanu compares it to the French translation; in his opinion “the French translation seeks first of all to facilitate the understanding of the Kantian text, so it modernizes it, and often comments on it and explains it in translating it.” Brăileanu, however, tried to preserve as much as possible of the structure of the original text. He followed the example of the French translators of KrV, André Tremesaygues and Bernard Pacaud, who thought that the only legitimate ambition was to translate as literally as possible, to preserve the sentences with their particular phrasing and colouring, and to avoid by all means to present “a literary work”.12 He continued the following year with his second translation of Critica raţiunii pure [KrV], a translation including a biographical sketch and a preface by Traian Brăileanu, Bucharest, School House Publisher, 1930.13 This translation was made terms were changed and typographical errors or spelling mistakes of the old edition were corrected. 12 Kant: Intemeierea metafizicei moravurilor. Trans. by Traian Brăileanu. Bucharest 1929. 5–6. 13 The publication of Traian Brăileanu’s translation was also reported in: Revue Internationale de Sociologie XXXIX/7–8 (1931). 435–438, by Gaston Richard, an important figure in the Romanian cultural milieux and a colleague of the translator.

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with reference to the German editions of Karl Kehrbach (Reclams UniversalBibliothek, 2nd ed. 1878) and Albert Görland (Kritik der reinen Vernunft in Immanuel Kants Werke. Ed. by Ernst Cassirer. Vol. III. Berlin 1922), and the corrections were revised according to the new edition realized by Raymund Schmidt (for Reclams Universal-Bibliothek). The translation was then collated with the new French translation by André Tremesaygues and Bernard Pacaud (Paris, Alcan, 1927). In his translation, Brăileanu tried, as in the previous one, to render the Kantian text as accurately as possible. He did, however, not try to make Kant “more spirited [in Romanian: ‘sprinten’] than he is”. “The charm of Kantian style lies precisely in this majestic flow of wide and massive phrases, which corresponds to its deep and hard thinking.”14 In Auflage B, Kant made important changes, therefore Brăileanu followed the example of most of the translators and translated both the first and the second edition. When arranging the texts of the two editions he made the text of the second edition the reference point and indicated the variants of the first edition (Auflage A) at the bottom of the page. In 1932, Traian Brăileanu translated the KpV, but his translation was not published15 because another translation had been published in the meantime C ­ ritica raţiunii practice [KpV], Romanian trans. by Dumitru Cristian Amzăr and Raul Vişan, with two introductory notes intitled Viaţa lui Kant (‘Kant’s life’) by C. Rădu ­lescu-Motru and Asupra raţiunii practice (‘On practical reason’) by Nae Ionescu, Bucharest, The Publishing House of the Romanian Social Institut [1934]. The translation of the text was coordinated by Nae Ionescu who encouraged trans­ lators through his university courses. The translation is based on Vorländer’s text published in Felix Meiner’s Philosophische Bibliothek, which is confronted with Cassirer’s edition (1914) and with the respective volume in the AA realized by Natorp in 1908. The translators also consulted the French translation by François Picavet, Paris, Alcan, 1921. As dictionaries they used George Mellin’s Encyklopä­ disches Wörterbuch der critischen Philosophie, 6 vols. Leipzig 1797–1803, and Rudolf Eisler’s Kant-Lexikon. Using such dictionaries was strictly necessary because there was no Romanian dictionary of philosophical terms, although there had been several attempts to develop such a tool since the first translations of international philosophical source texts had been realized. It was necessary to introduce into the Romanian philosophical terminology neologisms based on evidently corresponding terms in other languages. Moreover, it became obvious that many of Kant’s terms did not have a real equivalent in the Romanian language so that the terms had to be explained and/or defined in order to be understood. 14

Kant: Critica raţiunii pure. Trans. by Traian Brăileanu. Bucharest 1930. XV. This translation has been published posthumously. Cf. Critica raţiunii practice. Romanian trans. preceded by a preface [1932], foreword, biographical sketch and an introduction [1942] by Traian Brăileanu. Bucharest, Paideia Publishing House, 2003. 15

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In the text preceding the translation, D.C. Amzăr gives a short account of the tradition of Romanian translations of Kant’s works, and declares that one could find all of Kant’s most important works in Romanian, unfortunately each one translated by another translator and translated in many different ways. For the future, perhaps it would be the duty of everyone to come to an agreement and to find someone who, for a future edition of Kant’s Complete Works in Romanian, would revise everything that had been translated so far in order to find a common language and to fix a basic Kantian terminology in Romanian language. The Kantian philosophical terminology played an important role in introducing a genuinely Romanian, and modern, philosophical terminology with Kant being the only philosopher whose works were systematically proposed for translation in this period. Up to that time in most cases it had been necessary to recur to Aristotelian or Platonic terminology. D.C. Amzăr discussed the translation of a few terms such as Urwesen, Urgrund, Glückseligkeit, Erscheinung, Gesinnung. The translators had tried to use as many unequivocal Romanian terms as possible, believing that “the attempt to create a Romanian philosophical vocabulary is not only the task of the original thinkers, but is also one of the duties of the translators.” Amzăr refers to the “scholastic tradition of our philosophical terminology (derived from the Latin interpretation of Greek philosophy); the terminology which we, as Romanians, must keep unchanged”, and which must be taken into account all the more as Kant actually “was thinking Latin in German (he often made notes directly in Latin)”.16 The translation caused many different reactions. It was commented by Constantin Noica, who expressed his disagreement with the translation of terms like Erscheinung, das Gute, das Böse or Urwesen.17 Iosif Brucăr, another Romanian philosopher,18 in his review, criticizes the inadequate translation of Erscheinung, rendered by ‘întâmplare’ (‘occurrence’), and of other terms such as erhaben, Willkür, Faktum or gelten. D.C. Amzăr also translated the preface of Kant’s first thesis, written in 1746 and printed in 1749, GSK, and published it under the title Adevărul şi oamenii mari (‘Truth and great people’) [in: Rânduiala II/9–10 (1937). 381–387]. Before the end of the war, and under the aegis of the Romanian Academy, Traian Brăileanu published Critica puterii de judecare [KU], trans. with an introduction by Traian Brăileanu, Bucharest, Naţional Printing House, 1940, which had not yet been completely translated into Romanian. Only a few parts of this 16

Kant: Critica raţiunii practice. Romanian trans. by Dumitru Cristian Amzăr/Raul Vişan. Bucharest [1934]. XL–XLIII. 17 Constantin Noica: O nouă traducere din Kant (‘A new translation of Kant’). In: Revista Fundaţiilor Regale II/7 (1935). 224–229. 18 In: Revista de filosofie. XIX/3 (1934). 319–322.

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work had appeared in Critica puterii de judecată. Analitica frumosului, trans. by Iosif Gherincea, Galaţi, Graphic Art, 1927 (this contains a fragment of Analytik des Schönen) and Tudor Vianu: Istoria esteticei dela Kant până azi în texte alese (‘The history of aesthetics from Kant until today, in selected texts’), preceded by an introductory study and bio-bibliographical notes, Bucharest, Bucovina Institute of Graphic Arts, I.E. Torouţiu, 1934 (parts of Book I: 16; Book II: 23; 45; 46; 49, included in Romanian trans.). Traian Brăileanu’s translation of KU refers to the Kehrbach edition (Leipzig, Ph. Reclam jun.), which renders the text of the first edition, dating from 1790 (A), to which it adds text references to the later editions; he only indicated the changes he considered important. Brăileanu consulted the French translation by Jean Gibelin (Paris, J. Vrin, 1928), as well as the part translated in Romanian by Iosif Gherincea, a translation that had ended at the 22nd paragraph. He assures that “with the present translation of the Critique of the Power of Judgment, the Kantian philosophical system contained in its three Critiques fully enters into the Romanian dominion.”19 In the foreword of his translation he underlines the relevance of translations for the study of philosophy, saying that “they make it easier for those who do not know foreign languages ​​to study more thoroughly the works of philosophers, and they also help to form a philosophical terminology.” Furthermore he emphasizes the great importance of translating texts which are essential readings to ensure that the philosophical works are accessible to the readers: “These works, awakening interest in the problems of philosophy and creating a favorable atmosphere for the development and advancement of philosophical thinking, make translations fruitful.”20 In particular, he refers to Ion Petrovici’s Viaţa şi opera lui Kant (‘Kant’s life and works’), Bucharest, 1936, which contributed to improve the understanding of Kantian philosophy and informed all translators, and which proved to be very fruitful in the field of Romanian philosophy. 21 Petrovici dedicated the book to “Mr. C. Rădulescu-Motru, the first Romanian to build a personal philosophical conception on Kantian idealism” and who, according to Brăileanu, through his writings and his work had managed to elevate philosophy to the high rank it deserves in the spiritual life of a nation. In 1943, Traian Brăileanu managed to publish in another volume the translation of ZeF, along with three other important essays of Kant – IaG; WA; MAM, 19

Kant: Critica puterii de judecare. Trans. with an introduction by Traian Brăileanu. Bucharest 1940. 3. 20 Ib. 3 f. 21 Ion Petrovici is also the author of a reference article on Kant şi cugetarea românească (‘Kant and Romanian Thought’), published in: Revista de filosofie X/1–2 (1924) available in German. Cf. id.: Kant und das rumänische Denken. In: Archiv für Geschichte der Philosophie und Soziologie 38/3–4 (1928). 92–103.

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which had been printed ten years before Kant’s peace project (in 1784 and 1786) and which had clearly outlined Kant’s conceptualization of human history: Ideea unei istorii universale: Ce este luminarea? – Începutul istoriei omenirii – Spre pacea eternă, trans. with an introductory study by Traian Brăileanu, Bucharest, School House Publisher, 1943. 22 Brăileanu used Ion Gorun’s translation, published in 1918, making, however, all the corrections he considered necessary. This time, Brăileanu gave up important principles he had fixed on the occasion of his first translations, trying to be not only Kant’s translator but also his commentator. He also translated Päd hoping to publish it after the war, but in the end it was published posthumously: Despre pedagogie, trans. by Traian Brăileanu, preface by Constantin Stroe, Bucharest, Paideia Publishing House, 2002. 23 From the Translator’s note, dated 15 October 1945, we learn that the translation was made with reference to the German text ed. by G. Hartenstein, 1868; Brăileanu indicates the pagination of this edition at the margins. He also mentions that the translation was actually a translation of a translation published by C.V. Buţureanu (1912). He admits that he has also consulted Barni’s French translation (in the 5th edition, ed. by Raymond Thamin), which, according to Brăileanu, had sometimes departed from the German text. The Romanian translation, even if the translator has consulted the French translation, has delved much deeper into the original German text. 24 Another inter-war translator of Kant was Constantin Noica (1909–1987), who graduated from the Faculty of Philosophy and Letters at Bucharest University with the dissertation Problema lucrului în sine la Kant (‘The problem of thingin-itself in Kant’), published in 1931. He translated Kant’s Inauguraldissertation MSI – Despre forma şi principiile lumii sensibile şi ale celei inteligibile, based on the German text, with an introductory study by Constantin Noica, Bucharest, Bucovina Tipography, 1936. The edition on which he had worked was the AA edition of the Inauguraldissertation by Erich Adickes; he also used the edition of Karl Vorländer published by Felix Meiner Verlag. The translator only indicated the Latin terms at the bottom of the page, but sometimes did not stick to their conventional meaning. In his broad introduction Schiţă pentru o introducere la studiul criticismului (‘Outline for an introduction to the study of criticism’), he underlines to what extent this work anticipates the KrV. 22 The text was translated on the basis of the German edition published by Paul Menzer: Kants populäre Schriften. Berlin 1911. Concerning MAM (not included in Menzer’s edition), the reference is to Kant: Werke. Gesamtausgabe in zehn Bänden. Leipzig 1838. Vol. 4. 339358. 23 Reprinted in another format in 2015. 24 For a more extensive presentation of Brăileanu’s translations and their reception cf. Titus Lateş: Traducerile lui Traian Brăileanu din Kant (‘T. Brăileanu’s Translations of Kant’s Work into Romanian’). In: Revista de filosofie LXII/3 (2015). 320–333.

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Constantin Noica also translated Erste Einleitung in die KU – Întâia introducere a Criticei judecării25 [published in: Constantin Noica: Două Introduceri şi o trecere spre idealism (‘Two Introductions and a transition to Idealism’), Bucharest, Royal Foundation for Literature and Art, 1943 (131–191)]. 26 The translation of the Kantian text was made with reference to Cassirer’s edition. This time Noica suggests a new translation for the title KU – Critica judecării, after Traian Brăileanu had chosen the translation Critica puterii de judecare (1940) and Iosif Gherincea Critica puterii de judecată (1927). 27 In the wake of the Second World War, GMS was re-translated by a nearly unknown author (Isidor Colin, about whom I have not been able to find any bio-bibliographical information): Bazele metafizicei moravurilor, in Romanian trans., with a critical note, a biographical note and index by Isidor Colin, Bucharest, Tiparniţa Publishing House [1945]. 28 The Romanian philosopher Nicolae Bagdasar appreciated this translation which seemed to him ‘incomparably superior’ to that of Brăileanu, although it also contains some errors, the most serious one being the translation of der gute Wille (‘voinţa bună’) by ‘bunăvoinţă’ (‘benevolence’). 29 III.  The Communist Age. Ideological Spectrum and Scientific Accuracy

After 1948 the translations of Kant, and especially those of Traian Brăileanu, were for a while on the blacklist. The name of the translator had to be deleted from the title pages of copies still circulating in certain milieux. Since 1948 Fund S (secret) had been imposed by law in all libraries in the Romanian People’s Republic. Traian Brăileanu was one of the prohibited authors (among other things due to his support of the Legionary movement) and consequently his translations appeared on the blacklist. Although Kant was not on such a list, his work would still be considered for a long time in a reductionist manner as idealistic and reactionary.

25

Slightly modified – under the title: Prima Introducere la Critica facultăţii de judecare – in: Kant: Critica facultăţii de judecare. Bucharest 1981. 393–446 [cf. below]. 26 Reprinted in: Constantin Noica: Două introduceri şi o trecere spre idealism. Cu traducerea primei Introduceri kantiene a Criticei judecării. Bucharest 2018. 27 The translation of Urteilskraft has turned out to be a problem common to all translations of KU into other languages, as several articles in this volume underline. 28 Updated edition: Kant: Bazele metafizicei moravurilor. Bucharest [1994]. 29 Nicolae Bagdasar: Cum am devenit traducător! (‘How I became a translator’). In: Forum XXVIII/6 (1986). 63–65.

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During the period in which Kant’s works were either almost forgotten or highly controversial, almost all of the works written by Hegel, considered precursor of dialectical materialism, were translated (in thirteen volumes), as well as the works of Marx, Engels, and Lenin, the whole history of philosophy being perceived from this perspective. When the circulation of Kant’s works started again, in order to prevent the attempt to reanimate Brăileanu’s translations, the new regime tried to replace them with other translations, providing excuses for that decision. In 1965 Nicolae Bagdasar (1896–1971) was asked to translate KrV and a few years later he would publish the new translation in collaboration with Elena Moisuc: Critica raţiunii pure, trans. by Nicolae Bagdasar, Elena Moisuc, with an introductory study, Kantian glossary and index of proper names by Nicolae Bagdasar, Bucharest, The Scientific Publishing House, 1969. 30 The translators informed the reader at the very beginning that growing interest in the work at hand, fundamental for both Kant’s thinking, and for philosophical thought in general, as well as the circumstances in which it was written and printed initially led to many reprints in the original language and also numerous translations into foreign languages. 31 The translators are, at least formally or partially, in line with the ideological position of the new political regime in Romania. The fact that Bagdasar translates Gemüt by ‘simţire’ (‘feeling’), not by ‘minte’ (‘mind’), as Brăileanu had done, can be interpreted as a manifestation of the new ideology that rejects the notion of a spiritual dimension; the translator even postulates the French translation ‘esprit’ to be wrong. Bagdasar’s adherence to dialectical materialism also makes him feel obliged to emphasize in the glossary [cf. 645] that dialectics has a pejorative connotation in Kant’s terminology. The translators have added few notes or personal comments to Kant’s notes, in order to make the text less difficult to read; we find text variants of the two 30

Kant: Critica raţiunii pure. Trans. by Nicolae Bagdasar/Elena Moisuc, introductory study, Kantian glossary and index of proper names by Nicolae Bagdasar. Bucharest 1969. After 1989, the translation was often reprinted, though without introductory study, Kantian glossary and index of proper names: Critica raţiunii pure. Trans. by Nicolae Bagdasar/Elena Moisuc. Bucharest 1994. It contains a note on the edition and the article published by N. Bagdasar in the review Forum, in which he sketches the history of translations and his attitude towards previous translations of Kant. Cf. Kant: Critica raţiunii pure. Trans. by Nicolae Bagdasar/Elena Moisuc. 3rd edition, directed by Ilie Pârvu. Bucharest 1998 [reprinted by Univers Enciclopedic Gold Publishing House, 2009]. 31 The translators tried to compare the edition by Raymund Schmidt they mainly referred to (Leipzig 1930) to other editions. They state that, unlike Raymund Schmidt, they gave priority to the second edition of 1787 (Auflage B), “in which Kant”, they say, “taking a stand against the idealistic-subjective interpretations made to the first edition (1781), emphasizes the realistic character of its conception.”

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editions on the same page as well as notes. They considered it more appropriate to place the editorial explanations, usually presented in the footnotes, at the end of the volume with an alphabetical glossary. The translators mention some of the difficulties arising from certain German terms or terms to which Kant had ascribed a special meaning. They also had to tackle the “almost unlimited possibility of the German language to create new words by compounding”, which was a word-formation principle sometimes adopted by Kant to coin new terms. As far as the vocabulary is concerned, the translators draw attention to the fact that probably due to time pressure Kant did not always use the terms consistently in all occurrences, even in the case of important philosophical concepts such as transcendental, subjective, objective and so on. The translators say they have cut Kant’s very long sentences only when absolutely necessary, considering the fact that “the long period is the expression of Kant’s force of thought, capable of embracing an unusual number of great ideas at one time, as a whole, and at the same time the expression of his desire to thoroughly explain all aspects of the subject of his exposure.”32 Three years later another translation by Nicolae Bagdasar was published: Întemeierea metafizicii moravurilor. Critica raţiunii practice, trans., introductory study, notes and indexes by Nicolae Bagdasar, afterword by Niculae Bellu, Bucharest, The Scientific Publishing House, 1972. 33 According to the editor, the translation is based on GMS, ed. by Raymund Schmidt, Leipzig 1956, and KpV, by the same editor and the same publisher. In the notes the translator explains the specific meaning of some Kantian terms such as Idee (‘idee’), reine Philosophie (‘filosofie pură’), kategorischer Imperativ (‘imperativ categoric’), Glückseligkeit (‘fericire’), Autonomie (‘autonomie’) and Heteronomie (‘heteronomie’), Verstand (‘intelect’) vs. Vernunft (‘raţiune’) and justifies some of the terminological choices taken by the translators, such as to maintain the difference between the terms Wille and Wollen or between Begehren and Wunsch. Kant himself did not always respect such distinctions as can be seen for instance in his KrV where he does not use the terms transcendent and transcendental consistently. In the afterword of the volume, the Marxist philosopher Niculae Bellu praises Hegel who caricatured the Kantian moral philosophy as formalistic and Bellu gives voice to Marx’s ‘critics of criticism’, offering the image of a controversial Kant whilst acknowledging his merit in outlining ‘the principle of progress in morality’. 32

Kant: Critica raţiunii pure. Trans. by Nicolae Bagdasar/Elena Moisuc. Bucharest 1969. 4 f. Reprinted after 1989. Cf. Kant: Critica raţiunii practice. Întemeierea metafizicii moravurilor. Trans., introductory study, notes and index of proper names by Nicolae Bagdasar. Bucharest 1995/1999; Univers Enciclopedic Gold Publishing House, 2010. In these editions, the order of Kant’s works is reversed and the afterword is not published. 33

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Since its publication, Nicolae Bagdasar’s translation has been the translation most frequently used by Romanian commentators on Kant’s works. In 1975 a scientific edition of Mihai Eminescu’s translation of KrV was published, based on the manuscripts kept at the Library of the Romanian Academy: Lecturi kantiene. Traduceri din Critica raţiunii pure (‘Kantian readings. Translations from Critique of Pure Reason’), ed. by Constantin Noica and Alexandru Surdu, with an appendix containing two fragments trans. by Titu Maiorescu, Bucharest, Univers Publishing House, 1975. 34 According to the editors, Eminescu’s translation is probably based on Kant’s KrV, ed. by J. H. v. Kirchmann, Berlin, Verlag von L. Heimann, 1868. In their edition, the editors strive to reproduce the text of the translation as exactly as possible so that philosophers, linguists and cultural historians can take a glimpse into Eminescu’s ‘laboratory’. The editors also respect Eminescu’s etymological spelling, because, for obvious reasons, it is of major importance from a philological point of view, and in many cases the translators even add the original Latin word in brackets; they also keep the punctuation of Eminescu’s text (which makes us doubt whether the text has really been thoroughly revised). Eminescu’s corrections are indicated and reveal his concern to find the exact equivalents for the German terms. The editors indicate this lexicological work in their notes so that Eminescu’s endeavours to respect the original wording as much as possible become visible; the quotation of the German terms justifies the choice of Romanian words that seem strange at first glance, but which translate, sometimes perfectly, other times suggestively the German words. In their explanation of their translation policy the editors mention some of the terms coined by Eminescu that according to the introduction by Constantin Noica seem appropriate to enter into the Romanian language. Noica covered entire pages commenting on the translation options suggested by Eminescu, discussing in particular the translation of the German term Urteil (‘judecată’, ‘judeţ’, ‘judeçiu’). Comparing Eminescu’s translation with more recent choices, he notes that sometimes there are several options for one term. This is the case for durchgängig, which has no less than eight different variants (‘general’, ‘pertranspectiv’, ‘petraversant’, ‘inesceptant’, ‘în genere’, ‘fără excepţie’, ‘peste tot’, ‘continuu’), unlike the only five translations offered by Brăileanu (‘neîntrerupt’, ‘desăvârşit’, ‘întotdeauna’, ‘integral’, ‘cu desăvârşire’), with Eminescu’s variants being often more expressive. 35 34

Other editions of Eminescu’s translations from Kant’s works, some of them dating from a more recent period, can be found in: Eminescu: Opere. Vol. XIV: Traduceri filozofice, istorice şi ştiinţifice. Introductory study by Al. Oprea. Bucharest 1983. 367–441; id.: Opere. Vol. VII: Traduceri, transcrieri, excerpte. Critical ed., notes and variants by Aurelia Rusu. Bucharest 1984. 35–193; id.: Opere. Vol. VII: Traduceri, transcrieri, note de curs, note de lectură, excerpte. Ed. by D. Vatamaniuc, preface by Eugen Simion. Bucharest 2003. 443–572. 35 Constantin Floru, who helped the editors to compare the different versions, consi-

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In 1981 KU was published in a new translation: Critica facultăţii de judecare, introduction by Mircea Florian, trans. by Vasile Dem. Zamfirescu and Alexandru Surdu, notes and comments, selective bibliography, indexes of authors and concepts by Rodica Croitoru, Bucharest, The Scientific and Enciclopaedic Publishing House, 1981. 36 This translation is based on the Cassirer edition (AA 05) of 1922. 37 Both the Vorrede zur ersten Auflage and Einleitung und Kritik der ästhetischen Urteilskraft were translated by Vasile Dem. Zamfirescu, Kritik der teleologischen Urteilskraft, by Alexandru Surdu. In order to achieve a terminologically and stylistically coherent translation of the three texts, the philosopher Constantin Noica collaborated and supervised the elaboration process. 38 The translators admit that the translation of Kant’s last Critique is necessarily controversial and that they want to document these terminological controversies for the readers, especially where there are terminological differences to previous Romanian translations. They have rendered the terms Urteilskraft, Beurteilung and Urteil by ‘facultate de judecare’, ‘judecare’ (or ‘apreciere’) and ‘judecată’. Thus, the faculty as such, the activity of this faculty and the product of its activity get clearly distinguished. The translators also explain their lexicological choices for terms such as: Beurteilung, Gemütsvermögen, Begehrungsvermögen, Wohlgefallen, Lust, Vergnügen, Genießen, Darstellung, Sache, Ding, Gegenstand, Objekt, sollen and müssen. As far as Kant’s style is concerned, the translators admit their difficulties in rendering it adequately since the Romanian language does not allow the kind of multi-clause sentences we find in Kant: extremely long and complex sentences with numerous dered it an act of reverence to contribute to the restitution of Eminescu’s text. By pointing out the fragments about space and time taken from the KrV and translated by Titu M ­ aiorescu [reprinted in: Titu Maiorescu: Prelegeri de filosofie. Ed., notes, comments and index by Grigore Traian Pop/Alexandru Surdu. Craiova 1980. 20–28], Floru also drew attention to the teachings of Maiorescu. The fragments are part of the appendix and were reconstructed on the basis of notes taken by Floru’s parents, who were both Maiorescu’s pupils between 1886 and 1887. 36 Reprinted, without studies and accompanying notes, in: Kant: Critica facultăţii de judecare. Trans. by Vasile Dem. Zamfirescu/Alexandru Surdu. Bucharest 1995. The volume includes: Prima introducere la Critica facultăţii de judecare. Trans. by Constantin Noica. 37 It refers to the second edition (1793), still published in Kant’s lifetime, the last one that could benefit from the author’s active collaboration in the editing process, according to existing documents. According to the translators, the Cassirer edition takes into account the improvements made by the 1799 edition and those contained in all the other editions that precede it; they have evidently compared the Cassirer edition to other subsequent editions. 38 Due to his intervention one can find a slightly modified version of his translation of Erste Einleitung in die Kritik der Urteilskraft at the end of the book; even the title is modified (‘Prima introducere la Critica facultăţii de judecare’). The volume also includes the translation of the paper Les différentes formes de la compréhension de la beauté chez Kant (‘Diferitele forme de înţelegere a frumosului la Kant’) by Joachim Kopper [originally published in: Revue de Métaphysique et de Morale 1 (1973)].

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embedded secondary clauses; they have splitted up the sentences as often as possible to make the text easier to read for a Romanian reader. In 1981 a thematic anthology of Kant’s work was published: Despre frumos şi bine (‘About the beautiful and the good’), selection, preface and notes by Ion Ianoşi, Bucharest, Minerva Publishing House, 1981, 2 vols. After a broad introduction and a chronological table, it provides a selection of Kant’s texts grouped thematically in the sections Philosophy, Aesthetics, Ethics. These sections had been taken from previous editions; the texts were translated by Nicolae Bagdasar (Critica raţiunii pure, 1969; Întemeierea metafizicii moravurilor. Critica raţiunii practice, 1972), Mihail Antoniade (Prolegomene, 1924), Vasile Dem. Zamfirescu and Al. Surdu (Critica facultăţii de judecare, 1981), C. Noica (Despre forma şi principiile lumii sensibile, 1936). The editors of the 1981 volumes incorporated also texts from the volume Religia în limitele raţiunii [RGV] that had already been published in 1924 (the editor of the anthology considers C. Rădulescu-Motru to be the translator of the volume). The appendix includes translations of selected passages from IaG; WA; MAM and ZeF, following the translation by Traian Brăileanu from 1943. Occasionally, variants taken from the ‘national poet’ Mihai Eminescu (‘revealing as an expression of culture’) are rendered, taken from his Lecturi kantiene (1975) [cf. above]. In order to complete the picture provided by the anthology, the editors decided to include some texts in order to illustrate Kant’s opinions about aesthetics: GSE (‘Observaţii privind sentimentul frumosului şi sublimului’) and the ethics of MS (‘Metafizica moravurilor’), trans. by Janina Ianoşi. 39 In preparing a Mic dicţionar kantian (‘Small Kantian Dictionary’) placed at the end of the anthology, they referred to Eisler’s Kant-Lexikon (the 1930/1961 editions). The explanations have been taken from the Kantian glossary N. Bagdasar had added to his KrV edition, from the body of notes at the end of the KpV, and from the notes written by Rodica Croitoru for the KU edition of 1981. Another Kantian work translated during this period is: Logica generală, trans., introductory study, notes and index by Alexandru Surdu, Bucharest, The Scientific and Enciclopaedic Publishing House, 1985. 40 The translation is based on AA 09 (1920). The translator also used the edition of Karl Rosenkranz (1838), and the separate edition of Walter Kinkel (Kant: Logik – Ein Handbuch zu Vorlesungen, Leipzig 1904), which indicates the pages of the four previous editions (Jäsche, 1800; Hartenstein, 1838; Hartenstein, 1868; 39

Reference editions: Kants Werke. Ed. by Ernst Cassirer. Vol. II: Vorkritische Schriften. Ed. by Artur Buchenau. Berlin 1922. 243–301, respectively vol. VII. Ed. by Benzion Keller­ mann. Berlin 1922. 1–311. 40 Reprint: Kant: Logica generală. Revised ed., trans., introductory study, notes and index by Alexandru Surdu. Bucharest 1996; Kant: Logica generală. Trans., introductory study and notes by Acad. Alexandru Surdu. Epilogue (in English) by Marin Ţurlea and George Lăzăroiu. Bucharest 2004.

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Rosenkranz, 1838). The translator chose the title ‘Logica generală’ (‘General Logic’/‘Allgemeine Logik’) suggested by Kant himself in this work (introduction, chapter I, paragraph 4), the concept being also frequently used in the KrV. Following the example of how the manuscript with Kant’s notes on Meier’s treatise was edited (AA 16 [1914]) and in order to facilitate the comparison of the paragraphs of the General Logic with those in the manuscript, the translator has noted the corresponding title for each chapter of the Introduction, together with the number given by Jäsche. The translation of certain words has raised difficulties, not so much in terms of their interpretation, but in terms of their distribution within the text, i. e. their contextual placement with other synonymous terms, and that is why the options were discussed in order to justify the solutions adopted in the text. To avoid repetitions and too many cross-references within the notes, the most important concepts, either difficult to understand or controversial, were usually explained only once, when they appear for the first time. For the special use of scholars, the translator made numerous references to the KrV and KU in the Romanian translations published in 1969 (by Bagdasar) and 1981 (by Surdu). In 1987, Prol was published in a new translation: Prolegomene la orice metafizică viitoare care se va putea înfăţişa drept ştiinţă, trans. by Mircea Flonta and Thomas Kleininger, introductory study and notes by Mircea Flonta, Bucharest, The Scientific and Enciclopaedic Publishing House, 1987. 41 In this case, the translators gave up the established practice to translate on the basis of the Akademie-Ausgabe (AA); they preferred to follow the Vorländer edition published in 1905. According to them, there are no significant differences between the Vorländer edition, the edition of Benno Erdmann published in 1878 – Benno Erdmann also edited the Prolegomena in AA (1902) – and the edition of Karl Schultz (1888). 42 In their translation of Prol, published about sixty years after Mihail Antoniade’s translation (1924), the translators tried to render as exactly as possible the structure and meaning of the source text in the target text, maintaining even the harshness of the text. They were convinced that in order to reproduce the original text faithfully it was necessary to use the grammatical and stylistic devices inherent to the Romanian language appropriately so that the reader could get an idea of Kant’s writing style. They tried to convey to the Romanian readers the particular stylistic charm of the original, the great beauty 41 The translation was revised and improved after 1989 and appeared in several editions: Prolegomene la orice metafizică viitoare care se va putea înfăţişa drept ştiinţă. Trans. by Mircea Flonta/Thomas Kleininger. Introductory study and notes by Mircea Flonta [revised and improved edition. Bucharest 1996; third edition, revised and improved. Piteşti 2005; fourth edition. Bucharest 2014]. 42 Vorländer had been the first to accept a modification suggested by Hans Vaihinger in 1879. According to Vorländer, by shifting five sections of paragraph 4 at the end of paragraph 2, one can eliminate at least ten ‘mismatches and inconsistencies’ from Kant’s text.

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of the comparisons and metaphors used by Kant, the ironic allusions in the text, more transparent to his contemporaries than to the ‘modern’ reader. They wanted to highlight that mixture of rigour and vigorous briskness of many Kantian expressions that Schopenhauer ingeniously characterized when referring to Kant’s ‘glowing dryness’ (‘glänzende Trockenheit’). IV.  Today: Open Perspectives on Kant’s Complete Works

The first volume of Kant’s works in Romanian translation after the Revolution of 1989 was published by Rodica Croitoru: Scrieri moral-politice (‘Moral-Political Writings’), trans., introductory studies, notes and indexes by Rodica Croitoru, Bucharest, The Scientific Publishing House, 1991. In this edition, two of the most important moral-political writings of Immanuel Kant belonging to the doctrinal period were presented together: Metafizica moravurilor43 [MS] and Spre pacea eternă [ZeF], published respectively in 1797 and 1795. The translator notes that the two works were also published together in several German or French editions (Félix Gross, Claude Joseph Tissot), but that apart from chronological affinity there is also a more intimate one, regarding the philosophical content. Together with these two major works, two shorter essays were published. One of them – Înştiinţare asupra încheierii apropiate a unui tratat în vederea păcii eterne în filosofie [VNAEF] – was chronologically closely related to the first ones and is an application of the idea of eternal peace in philosophy, corresponding to what critical philosophy is. The other one – Încercare asupra unor consideraţii privind optimismul [VBO] – dates back to the period when Kant began to conceive his philosophy; the translator, Rodica Croitoru, says that she is presenting this essay to the readers so that they can see how the idea of the best of all possible worlds changed into the idea of the perfection of the world through human endeavor, a main idea of the works of Kant’s maturity. 44 In her comments on her translation, Rodica Croitoru outlines the tradition of translating Kant in Romania, acknowledging the merits of Nicolae Bagdasar and Mihai Eminescu in particular. She sketches the difficulties encountered in translating each single text. As a first step towards a coherent Kantian terminology in Romanian, the translator considers it necessary to add an index of GermanRomanian concepts to the translations in order to be able to trace the source of 43

Reprint: Kant: Metafizica moravurilor. Trans., introductory study, notes and indexes by Rodica Croitoru. 2nd revised and expanded edition. Bucharest 1999. 44 The German reference editions are Kants Werke. Ed. by Ernst Cassirer; Kants Sämtliche Werke in sechs Bänden. Ed. by Félix Gross. Other editions used are mentioned in Bibliografie selectivă.

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the notions that raise particular problems both in terms of their interpretation and of their translation into Romanian. Rodica Croitoru underlines that Kant has developed a special type of philosophical language, strongly marked by the German way of thinking, with a baroque and ample phrase structure, difficult to unravel and to understand. She assumes that a reader who makes an effort to understand the undoubtedly complex philosophical problems treated by Kant will also be interested in the way they were elaborated in terms of language and style. For this reason, she does not arbitrarily interrupt the flow of Kantian thought, keeping the author’s punctuation and avoiding simplifications. In 2001, Rodica Croitoru provided a new translation of Antropologia din perspectivă pragmatică, trans., introductory study, notes, index of concepts, biblio­ graphy by Rodica Croitoru, Oradea, Antaios Publishing House, 2001. This translation is based upon the standard German edition (AA 07 [1902– 1910; 1968]); the pagination of the AA edition is given on the left and right margin of each page. The translator compares the German and French editions at disposition. According to her, this translation does not raise more problems than other Kantian works, except for the fact that the German language offers a greater terminological variety concerning mental illness than the Romanian language. Another case of terminological intricacy mentioned on this occasion is the distinction between Seele and Gemüt, which cannot be rendered adequately in Romanian; both are translated by ‘suflet’ (‘soul’), although the second term can be translated into Romanian by ‘spirit’ (‘spirit’) or ‘minte’ (‘mind’). The translator has opted for this solution in order to avoid the confusion between ‘spirit’ and another concept appearing in Kant’s work, the concept of the ‘spiritul suprem’/‘Sfântul Duh’ (‘the supreme spirit’/‘The Holy Spirit’; in German: Heiliger Geist). Croitoru continued to translate Kant’s works and another volume was published: Visurile unui vizionar interpretate prin visurile metafizicii. Lui Sömmerring, Despre organul sufletului. Scrisoare profesorului Hufeland. C.-V. Hufeland Despre imperiul sufletului asupra sentimentelor maladive stăpânite prin simpla voinţă, trans., note on the edition, introduction, remarks on the translation, notes, selective bibliography, German-Romanian index of concepts, index rerum by Rodica Croitoru, Bucharest, IRI Publishing House, 2003. The main text of this edition is Visurile unui vizionar interpretate prin visurile metafizicii [TG]. In order to give a more complete account of the development of the relationship between the soul and the body in Kantian transcendental idea­ lism, the translator also included two other texts of the later years. These texts are Lui Sömmerring, Despre organul sufletului (Anhang zu Sömmerring, Über das Organ der Seele, 1796) and Scrisoare profesorului Hufeland, Despre imperiul sufletului asupra sentimentelor maladive stăpânite prin simpla voinţă (Von der Macht des Gemüts durch den bloßen Vorsatz seiner krankhaften Gefühle Meister zu sein. Ein Antwortschreiben an Hrn. Hofr. und Prof. Hufeland, 1787); the second text

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is preceded by a short note of the publisher (C.V. Hufeland) and was included by Kant in a more extended version of the treatise SF (1798), forming its third part: Der Streit der philosophischen Fakultät mit der medizinischen. 45 Rodica Croitoru collated her translation with two French editions 46 and an English edition47. In 2007, Rodica Croitoru started an edition project of Immanuel Kant’s Works, (re)translating them on her own. The first published volume of the series contains the translation of RGV – [Opere]: Religia doar în limitele raţiunii, trans., introduction, remarks on the translation, notes, selective bibliography, GermanRomanian index of concepts by Rodica Croitoru, Bucharest, BIC ALL Publishing House, 2007. In the introduction to the series, Rodica Croitoru declares that this volume marks the beginning of a series of critical editions of Immanuel Kant’s works in Romanian, a fresh start-off in reading and understanding Kant’s thinking and his terminology, thus realizing one of the goals set by the Romanian Kant Society since its foundation in 1990. The series of Works was continued with [Opere]: Critica facultăţii de judecare. Prima introducere la Critica facultăţii de judecare, trans., introduction, remarks on the translation, notes, selective bibliography, German-Romanian index of concepts by Rodica Croitoru, Bucharest, BIC ALL Publishing House, 2007, which includes the translation of KU, together with Erste Einleitung in die Kritik der Urteilskraft; [Opere]: Observaţii asupra sentimentului de frumos şi sublim. Note la Observaţii asupra sentimentului de frumos şi sublim, trans., introduction, remarks on the translation, notes, bibliography, German-Romanian index of concepts by Rodica Croitoru, Bucharest, BIC ALL Publishing House, 2008, which includes the translation of GSE, followed by Bemerkungen zu den Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen. One of the published volumes contains some reedited translations (from the volume published in 1991): [Opere]: Spre pacea eternă – Un proiect filosofic, Înştiinţare asupra încheierii apropiate a unui tratat în vederea păcii eterne în filosofie, Încercare asupra unor consideraţii privind optimismul, trans., introduction, remarks on the translation, notes, selective bibliography, German-Romanian in45

The Kantian texts were translated according to AA. The pagination of the reference edition is indicated on the left and right margins of the pages, except for the text Lui Sömmerring, which has been translated from another source. The translator also collated the text with the editions published by Cassirer, Félix Gross and Vorländer. 46 Kant: Anthropologie, suivie de divers fragments du même auteur relatifs aux rapports du physique et du moral. Ouvrage traduit de l’allemand par C. J. Tissot. Paris 1863; Kant: Le conflit des facultés. En trois sections, 1798. Trad. avec une introduction et des notes par Jean Gibelin. Paris 1953. 47 Kant: Dreams of a Spirit-Seer illustrated by Dreams of Metaphysics. Trans. by Frank Sewall. London 1900.

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dex of notions, index of key concepts by Rodica Croitoru, 2nd edition, revised and extended, Bucureşti, BIC ALL Publishing House, 2008. The series of Works was continued in 2013 by Antet XX Press Publishing House. Former translations were all revised and the following volumes were republished: [Opere]: Metafizica moravurilor, trans., introduction, notes, index of authors, German-Romanian index of concepts, bibliography by Rodica Croitoru, 3rd edition, revised and extended, Bucharest, Antet Publishing House, 2013; [Opere]: Antropologia din perspectivă pragmatică, trans., introduction, notes, index of concepts, bibliography by Rodica Croitoru, 2nd edition, revised and extended, Bucharest, Antet Publishing House, 2013; [Opere]: Visurile unui vizionar interpretate prin visurile metafizicii. Lui Sömmerring, Despre organul sufletului. Scrisoare profesorului Hufeland. C.-W. Hufeland Despre puterea sufletului de a îşi stăpâni sentimentele maladive doar printr-o decizie, trans., note on edition, introduction, remarks on the translation, notes, selective bibliography, GermanRomanian index of concepts, Romanian-German index of concepts by Rodica Croitoru, 2nd edition, revised and extended, Bucharest, Antet Publishing House, 2013. A new volume was added to the previous ones, comprising GMS and KpV in a new translation: [Opere]: Întemeierea metafizicii moravurilor. Critica raţiunii practice, trans., preface, introduction, remarks on the translation, notes, selective bibliography, German-Romanian index of concepts, by Rodica Croitoru, Bucharest, Antet Publishing House, 2013. 48 In her remarks on the translation, Rodica Croitoru mainly refers to two translators of GMS: Nicolae Bagdasar (in Romanian) and Lewis White Beck (in English). As far as the translation of the KpV is concerned, Croitoru discusses the options for translating terms such as: Verbindlichkeit, Fürwahrhalten, bloß, höchstes Gut and oberstes Gut, referring to the previously mentioned translators but also to others (Victor Delbos, Jean-Pierre Fussler, Jean-François Kervegan). A second translator of Kant’s writings who became particularly known after the year 1989 was the professor and academician Alexandru Boboc. He had great expertise in interpreting Kantian philosophy and Kantian tradition within the history of Romanian and universal philosophy. Boboc coordinated the volume: Ideea de critică şi perspectivele filosofiei moderne (‘Kant. The idea of criticism and the perspective of modern philosophy’), trans. by Alexandru Boboc and Liviu Stroia [in: Kant prin el însuşi (‘Kant by himself’), Bucharest, Paideia Publishing House, 2000]. 49 The volume opens a series of publications with selected texts in which basic ideas of particular philosophical conceptions are presented by the 48

A review of these editions was presented by E. Moutsopoulos, in: Kant-Studien 107/H. 4 (2016). 766. 49 Reprinted in another format in 2015.

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philosophers themselves. In this volume Kant’s idea of criticism is demonstrated by the following Kantian writings: Prefaţa (Vorrede) la ediţia întâi [to the first edition] (1781) of KrV, followed by a motto taken from Bacon and added by Kant in his se­cond edition, trans. by Alexandru Boboc; Răspuns la întrebarea: ce este luminarea? [WA], trans. by Alexandru Boboc; Ce înseamnă a se orienta în gândire? [WDO], trans. by Alexandru Boboc and Liviu Stroia; Anunţarea apropiatei în­cheieri a unui tratat de pace eternă în filosofie [VNAEF], trans. by Liviu Stroia.50 The appendix contains a list of Romanian translations of Kantian writings. Two of the texts – Răspuns la întrebarea: ce este luminarea? and Ce înseamnă: a se orienta în gândire – are republished, 51 together with texts by other German authors such as Moses Mendelssohn, Johann Georg Hamann, Christoph Martin Wieland, Andreas Riem, Johann Gottfried Herder, Gotthold Ephraim Lessing, Johann Benjamin Erhard, Friedrich Schiller, in the volume: Ce este luminarea? Teze, definiţii şi semnificaţii (‘What is Enlightenment? Theses, definitions, and meanings’), edition, trans., notes and afterword by Alexandru Boboc, Bucharest, Paideia Publishing House, 2004.52 In the volume Ce este Luminarea? şi alte scrieri (‘What is Enlightenment? and other writings’), edition, trans., notes and annexes, afterword by Alexandru Boboc, Cluj-Napoca, Grinta Publishing House [2009], Alexandru Boboc included two more translations added to the three texts translated and published previously – Prefaţă la ediţia întâi (1781) a Criticii raţiunii pure, Răspuns la întrebarea: ce este luminarea? and Ce înseamnă: a se orienta în gândire. The first one is: Cercetare asupra evidenţei principiilor teologiei naturale şi ale moralei. Răspuns la întrebarea pusă de Academia Regală de Ştiinţe din Berlin în anul 176353 [UD]. The second translation – Ideea unei istorii universale în intenţie cosmopolită – was taken from the volume published by Traian Brăileanu in 1943 and revised by Boboc.54 The same translator published the volume Istoria generală a naturii şi teoria cerului, trans., notes and appendix by Alexandru Boboc, Cluj-Napoca, Grinta Publishing House, 2014, 55 which includes, apart from the translation of the writing that provided the title for the whole collection – Istoria generală a naturii şi teoria cerului sau Încercare despre formarea şi despre originea mecanică a 50

The edition on which the translations are based is not indicated, but seems to be AA/ Bonner Kant Korpus. 51 In this edition, Liviu Stroia does not appear as co-translator of the second work. 52 Reprinted: Ce este luminarea? Teze, definiţii şi semnificaţii. 2 nd revised edition. Trans., notes and afterword by Alexandru Boboc. Bucharest 2018. 53 The translation was previously published in: Revista de filosofie LI, Issues 3/4 (2004). 325–345. The translator refers to AA 02: 273–302 as his reference edition. 54 The revision of the translation refers to Kant: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, in: Kant: Ausgewählte kleine Schriften. Hamburg 1969. 27–44. 55 The second revised and improved edition was published in 2018.

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întregului univers tratată după principii newtoniene56 [NTH] – the translation of two other works: Cercetarea chestiunii dacă Pământul în rotaţia sa în jurul axei, prin care ia naştere alternarea zilei şi a nopţii, a suferit vreo schimbare de la primele timpuri ale originii sale57 [UFE] and Cercetare asupra evidenţei principiilor teo­ logiei naturale şi ale moralei [UD]; the latter is a reprint of a translation that also appeared in the previous volume.58 Alexandru Boboc published several further translations (based on AA) in Revista de filosofie: Despre un ton elevat adoptat recent în filosofie [VT];59 Încercare de a introduce în filosofie conceptul de mărimi negative [NG];60 Falsa subtilitate a celor patru figuri silogistice [DfS];61 Chestiunea, dacă Pământul îmbătrâneşte, con­ siderată fizicalist [FEV];62 O nouă concepţie despre mişcare şi repaus şi consecinţele ce decurg din aceasta în primele principii ale ştiinţei naturii, prin care autorul anunţă totodată prelegerile sale din acest semestru [NLBR].63 In the volume Scrieri precritice (selecţie) (‘Precritical Writings [selections]’), trans., notes and comments, postface by Alexandru Boboc, Cluj-Napoca, Grinta Publishing House, 2019, are included, in addition to some of the works mentioned above 64 , two more: Noi însemnări pentru explicarea teoriei vânturilor, prin care autorul invită totodată la prelegerile sale [TW] and Despre primul fundament al diferenţei regiunilor spaţiului [GUGR]. In 2000 the volume Filosofia practică a lui Kant (‘The practical philosophy of Kant’) was published, ed. by Mircea Flonta and Hans-Klaus Keul, Iaşi, Polirom Publishing House, 2000, which contains fragments of some Kantian writings (15–123) previously trans. and reviewed by the editors of the volume Întemeierea metafizicii moravurilor and Critica raţiunii practice, trans. by N. Bagdasar; Metafizica moravurilor and Spre pacea eternă, trans. by Rodica Croitoru; the volume

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Printed also (in slightly different form) in: Revista de filosofie LX, Issues 5/6 (2013). 575–587 and LXI, Issue 2 (2014). 191–200. 57 A revised edition was published in: Revista de filosofie LXV, Issue 1 (2018).103–107. 58 Both translations are based on AA 01. 59 Revista de filosofie LXIII, Issue 4 (2016). 515–527. 60 Revista de filosofie LXIV, Issue 1 (2017).149–160, and LXIV, Issue 2 (2017). 275–288. 61 Revista de filosofie LXIV, Issue 3 (2017) 413–424; Kantian glossary of terms ib. 424. 62 Revista de filosofie LXV, Issue 2 (2018). 193–205. 63 Revista de filosofie LXVI, Issue 3 (2019). 437–444. 64 Cercetarea chestiunii dacă Pământul în rotaţia sa în jurul axei sale, prin care produce alternarea zilei şi a nopţii, a suferit vreo schimbare de la primele timpuri ale originii sale, Chestiunea, dacă Pământul îmbătrâneşte, considerată fizicalist, Istoria generală a naturii şi teoria cerului. Prefaţă. O nouă concepţie despre mişcare şi repaus şi consecinţele ce decurg din aceasta în primele principii ale ştiinţei naturii, prin care autorul anunţă totodată prelegerile sale din acest semestru, Falsa subtilitate a celor patru figuri silogistice, Încercare de a introduce în filosofie conceptul de mărimi negative, Cercetare asupra evidenţei principiilor teologiei naturale şi ale moralei.

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also includes two other works translated by younger authors: Despre sentinţa: acest lucru poate fi corect în teorie, însă nu funcţionează în practică [TP], trans. by Valentin Cioveie, and Răspuns la întrebarea: ce este luminarea? [WA], trans. by D. Flonta.65 After 2000 the need to clear up certain shortcomings of the previous translations made by Traian Brăileanu, Nicolae Bagdasar and Isidor Colin led to a new translation of GMS, coordinated by Valentin Mureşan from the Faculty of Philo­ sophy of the University of Bucharest. The translation was published in the volume Întemeierea metafizicii moravurilor, trans. by Filotheia Bogoiu, Valentin Mureşan, Miki Ota, Radu Gabriel Pârvu, coordination and notes Valentin Mureşan, foreword by Valentin Mureşan, Bucharest, Humanitas Publishing House, 2007.66 Valentin Mureşan, who was responsible for the final version, underlined the following criteria of a professional philosophical translation: to prioritize meaning over wording, but to aim at literalness all the same and to restrict the translator’s interpretation to the strictly necessary. In line with these general criteria, Mureşan translates die allgemeine Gesetzmäßigkeit der Handlungen überhaupt (Section I, paragraph 17) by ‘conformitatea universală a acţiunii cu legea în genere’ (‘the universal conformity of the action with the law in general’) (ib. 40, note 147) in order to clarify the text. Concerning the expression in der sittlichen Beurteilung (Section II, paragraph 72), he translates Beurteilung by ‘judecare’ to emphasize that this concerns activity and judging as making a choice by discriminating good and bad actions, but also because the usual translation ‘judecată’ (a Romanian polisemic term) causes confusion when the same word is used to render Urteil, this 65 The volume contains introductory studies on Kant’s practical philosophy by Claudiu Baciu, Valentin Mureşan, Reiner Wimmer, Jürgen Habermas, Reinhart Brandt, Mircea Flonta. 66 New edition: Întemeierea metafizicii moravurilor. Trans. by Valentin Mureşan. Bucharest 2014. This edition contains only the text of Immanuel Kant and is the result of a careful text analysis by Ilie Pârvu, Emilian Mihailov, and Valentin Mureşan. The German-English edition of Mary Gregor and Jens Timmermann (Cambridge University Press, 2011) was used as a landmark. – The translation was made on the basis of AA 04. The standard pagination of AA was inserted in parentheses incorporated into the text. The paragraphs were also numbered, although there is no standard numbering. In order to help the reader follow the line of argument more easily, the editor considered it helpful to add subtitles for certain groups of paragraphs in brackets (in the manner of Herbert James Paton), which trace the line of argument outlined in the commentary accompanying the translated text. A first version was created by Miki Ota according to the proposals of Mureşan. A review discussed this edition, consulting other translations in other languages, ​​for example translations by Herbert J. Paton, Mary Gregor, Vittorio Mathieu, Victor Delbos; the review was written by Ilie Pârvu and Mircea Flonta and followed by other commentaries by Filotheia Bogoiu and Radu Gabriel Pârvu. In this context, important suggestions were made by Jens Timmermann, author of a commentary on the work (cf. Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Ed. by Jens Timmermann. Göttingen 2004).

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time with the sense of ‘function of unity’ in our representations (ib. 85, note 169). In the case of terms which may seem interchangeable, such as Allheit and Totalität, he does not choose to render them by the same Romanian word because he thinks this might be “an abusive interpretative intervention into Kant’s text”. (ib. 12) On this occasion, Mureşan hints at many confusing or even misleading translations made by Bagdasar; his observations also refer to translation strategies adopted by foreign translators such as Gregor, Paton, Wood, Delbos and Mathieu. The second part of the volume is a Commentary by Valentin Mureşan, result of a careful and detailed reading of the text; he tries to make the text more transparent by introducing the reader into the internal mechanisms of the construction of the work, into its ambiguities, but also by correcting potential errors and even filling gaps in the line of argument. Under the direction of Valentin Mureşan, another translation from Kant’s works was published: Despre un pretins drept de a minţi din iubire de oameni [VRML], trans. and notes by Andrei Apostol and Valentin Mureşan [in: Legea morală la Kant (‘The moral law in Kant’), ed. by Valentin Mureşan, Bucharest, The University of Bucharest Publishing House, 2009 (103–109)].67 In the notes, the translators discuss some of the options they have for translating terms such as: Menschenliebe, Wohltun, Wohltätigkeit, Wohlwollen, Wahrhaftigkeit; there are numerous illuminating references to MS which had been translated previously. After 2000 appeared a new translation of RGV – Religia în limitele raţiunii pure, trans. from German by Radu Gabriel Pârvu, Bucharest, Humanitas Publishing House, 2004. This translation sparked off a controversy starting from the diverse options to translate the title of Kant’s work. Rodica Croitoru in a book review pointed out that bloße Vernunft has never been translated, by none of the translators of this work, as ‘raţiune pură’ (‘pure reason’) as it was rendered in this new Romanian translation, but always as ‘mere reason’ (Allen W. Wood and George di Giovanni, Cambridge, 1998), ‘semplice ragione’ (Vincenzo Cicero, Milano, 1996) or ‘simple raison’ (Alexis Philonenko, Paris, 1986).68 New translations of WA and WDO were published in the volume: [Manifestul iluminist!] (‘The Enlightenment manifesto’). Răspuns la întrebarea: Ce este ilumi67

This translation was made on the basis of VRML (1797) (AA 08). – The volume that is intended to be a textbook for academic teaching contains translated texts commenting on Kant’s practical philosophy; among the authors of these essays are Herbert James Paton, Richard Norman, Robert B. Louden and Thomas Hill jr.; there is a final paper signed by Valentin Mureşan. 68 Revista de filosofie LIV, Issues 1/2 (2007). 220–223. Rodica Croitoru thinks that other terms such as Begriff, Tat, Hang, Triebfeder, Bestimmungsgrund, Willkür and freie Willkür were not translated correctly into Romanian and that the translator did not work in line with the AA edition; the edition the translator used is the edition of Rudolf Malter (Stuttgart 1974).

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nismul? Ce înseamnă a se orienta în gândire?, trans., notes, introductory study and afterword by Daniel Mazilu, Piteşti, Paralela 45 Publishing House, 2011, a bilingual edition of these works in German and in Romanian. Bilingual editions are indeed very useful and they are getting more and more usual. In a collection of short but comprehensive essays, a small volume was published: Începutul şi sfârşitul (‘The beginning and the end’), trans. by Martin Zick, Bucharest, ALL Publishing House, 2011, which contains translations of MAM and EaD. A selection of Kant’s correspondence was published in the volume Scrisori din anii de tăcere (1770 –1788) (‘Letters from the silent years’), trans. by Lia Baltador, Mihai-Andrei Todoca and Adriana Pop, introductory study and notes by Adriana Pop, Cluj-Napoca, Grinta Publishing House, [2004]. 69 This volume is the result of a common effort of students in the second year at the Faculty of Philosophy – the German study line of Babeş-Bolyai University of Cluj-Napoca – during the summer semester of the academic year 2002/2003. The selection of the letters representing Kant’s famous silent years was made by Vasile Muscă, head of this department.70 A new volume of Kant’s Works was published in 2017, with older, but revised translations: [Opere]: Critica raţiunii pure (trans. by Nicolae Bagdasar and Elena Moisuc), Critica raţiunii practice (trans. by Nicolae Bagdasar), Critica facultăţii de judecare (trans. by Vasile Dem. Zamfirescu and Alexandru Surdu), ed. directed by Ilie Pârvu, Bucharest, Romanian Academy/The National Foundation for Science and Arts/National Museum of the Romanian Literature, 2017. The appendix of this volume includes fragments from KrV, trans. by Mihai Eminescu (trans. taken from Eminescu, Opere, vol. VII, 2003), and the fragments on space and time taken from the same Critique, trans. by Titu Maiorescu in the History of Philosophy Course [cf. above]. In his introduction, Ilie Pârvu71 underlines that the three Kantian Critiques “formulate the general principles of a vast program of theoretical reconstruction of philosophy and science that Kant himself called ‘transcendental research’ and which decisively influenced the entire subsequent development of systematic knowledge and the main areas of modern culture.” 69

One of the letters – Kant: Scrisoare către Marcus Herz (Königsberg, 21 february 1772) – was published in: Revista de filosofie LI, Issues 3/4 (2004). 347–350. Trans. and notes by Adriana Pop. 70 The original German edition which was used for the translation is Kant’s Briefwechsel, vol. I, 1747–1788. Berlin 1900, and includes letters to: Marcus Herz, Johann Heinrich Lambert, Moses Mendelssohn, King Friedrich II, Karl Abraham Baron von Zedlitz, and Karl Leonhard Reinhold. 71 He is the author of Posibilitatea experienţei. O reconstrucţie teoretică a Criticii raţiunii pure (‘The possibility of experience. A theoretical reconstruction of the Critique of Pure Reason’), revised and expanded edition. Bucharest 2016.

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The ‘Critical trilogy’ replaced Aristotle’s Organon as an intellectual reference system, inaugurating a new stage of human thinking and creation in general. ‘Canonic’ works of modern philosophy, Kant’s writings were the main source of the renewal of philosophy in the 20th century, both analytical philosophy and phenomenology or pragmatism (the main thematic and methodological lines that define the very idea of contemporary philosophy), all of them sharing the critical impetus of Kantianism. Research on the foundations of mathematics and the natural sciences either transfers to a new level the epistemological problems of transcendental philosophy, using new instruments, or takes a stand against it. Numerous neo-transcendental research programs or transcendental interpretations or reformulations of influential theories have emerged in other fields of science, from theoretical linguistics to the new science of complexity. All of these contemporary developments prove the lasting sustainability of the theoretical construction style inaugurated by Kant.72

Pârvu suggested corrections concerning Bagdasar’s translation of the Critique of Pure Reason, by rendering Gemüt by ‘minte’ (‘mind’), by marking the distinction between Urteil and Satz, by distinguishing between Prinzip (‘principiu’) and Grund (‘ground’; ‘basis’/‘fundament’; ‘temei’) and by specifying the meaning of Vermögen as a ‘faculty’ or ‘capacity’. Recently a new translation of KrV appeared, the third after those of Traian Brăileanu (1930) and Nicolae Bagdasar (1969): [Opere]: Critica raţiunii pure, trans., introduction, notes, German-Romanian index of concepts, RomanianGerman index of concepts, selective bibliography by Rodica Croitoru, Bucharest, Paideia Publishing House, 2019, belonging to the edition project of Immanuel Kant’s Works started by the translator in 2007.73 V. Conclusion

The great variety of translations and the ongoing process of improving them over the last hundred years, as well as the comments and controversies surrounding them, testify to the fact that the Romanian translations of Kant’s writings are a continuous, perennial process reflecting the ongoing debate and interpretation of Kantian philosophy. As the number of translations is still increasing, the study 72

Kant: Opere. Ed. directed by Ilie Pârvu. Bucharest 2017. V–VI. The translation of KrV B and A, based on AA 04 and 03, was started in 2000 and only recently finished. The translator consulted also the following editions/translations: Félix Gross (1913), Nicolae Bagdasar (1969), Alexandre J.-L. Delamarre/François Marty (1980), Alain Renaut (1997) and Paul Guyer/Allen W. Wood (1998). 73

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and comparative assessment of these translations – not just of those into Romanian but also of those into Romanian in comparison with those into other languages (such as French, English, Italian, Spanish and so on) – have become part of the translation process itself. Translating Kant, once an individual and rather ‘local’ activity, has become a collective, international and global translation project.

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TEIL II Am Schreibtisch des Übersetzers: Ressourcen und Instrumente

Internet Resources for Translating Kant Steve Naragon

Translating a text requires a number of skills and resources. The skills require time and practice, but many of the resources are now available on the internet. This essay briefly considers the following kinds of resources available to translators of Kant’s texts: (1) the source text (early and critical editions), (2) previous translations, along with reviews and discussions of those translations, and (3) dictionaries relevant to 18th century German, and lexicons and glossaries specific to Kant’s texts. The focus is on translation, but translating Kant also involves understanding the philosophical world in which the text was written, and that involves some basic historical research. Therefore much of the following extends beyond the relatively narrow confines of mere translation. Most readers will already be familiar with many of these resources and all will be familiar with some. My intention here is to gather up in one place what most of us already know, along with a few internet resources that may still count as novelties for some. In similar fashion I have tried to gather up in one place the links to many of these basic internet resources on a single page of the website Kant in the Classroom [http://users.manchester.edu/FacStaff/SSNaragon/Kant/]. I’ll refer to pages on this website with truncated addresses in order to reduce the clutter (thus, [Kant/Helps/AcadEd.htm] instead of [http://users.manchester.edu/FacStaff/ SSNaragon/Kant/Helps/AcadEd.htm]),1 and at the close of this essay I’ll offer a brief overview of the website itself.2 Rather than read this essay, you could turn directly to the collection of internet resources available at [http://users.manchester. edu/FacStaff/SSNaragon/Kant/Helps/KantsWritingsTranslationsLinks.htm].

1

The purpose of this website (first available in 2006) was to offer background information regarding the many student lecture notes stemming from Kant’s classroom – thus the title (it was not intended to be a resource for teaching Kant’s texts ‘in the classroom’) – but a significant part of the website has always been devoted to basic information on Kant’s life and writings, and this latter information is accessed more often than the lecture-related material. It is this part of the website that is most relevant to the present article. 2 I wish to apologise for the website’s focus on English-reading audiences; this focus was due in part to my own linguistic limitations and in part to the need to limit the scope of the work involved.

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Steve Naragon

I.  The Source Text

A complete list of Kant’s published writings is available at [Kant/Helps/Kants Writings.htm], arranged chronologically, but there is also an ‘alphabetized name index’ with variant names (in English) for locating a text when the proper title can’t be recalled (e. g., ‘physician’ will locate Kant’s Nachricht an Ärzte), as well as the standard list of abbreviations used by Kant-Studien for citing Kant’s texts in the Academy edition. Clicking on the name of a text will open a window with a standard short title in English, the full title in German, first publication data, a full title in English, and a select number of translations into English, but always including those in the Cambridge Edition of the Works of Immanuel Kant. Most entries conclude with a brief note on the compositional or publication history of the text, and whether that text was reprinted in Tieftrunk’s 1799/1807 collection of Kant’s shorter writings. 3 When available, I include an image of the title page and provide its ‘Warda number’ (viz., the number assigned to that particular edition in Warda’s 1919 bibliography of Kant’s publications). 4 The Academy edition (Akademie-Ausgabe; normally abbreviated ‘AA’ or ‘Ak’) of Kant’s writings – Kants gesammelte Schriften (29 vols., 1900 ff.) 5 – is the default critical edition for Kant’s texts. Wilhelm Dilthey (1833–1911) inaugurated this edition in 1894 and served as its first general editor. The volumes are grouped into four divisions: (1) published writings, vols. 1–9, (2) correspondence, vols. 10–13, (3) literary remains or Nachlaß, vols. 14–23, and (4) student notes from Kant’s lectures, vols. 24–29. The first three divisions have been available online since 2008 as the Bonner Kant-Korpus, supported by the Institut für Kommunikationsforschung und Phonetik at the Universität Bonn [https://korpora.zim.uniduisburg-essen.de/Kant]. The online text is page- and line-true to the printed text and is fully searchable [https://korpora.zim.uni-duisburg-essen.de/Kant/suche. html]. Other features of that site include an online version of the 1969 Personen3

Kant authorized Johann Friedrich Tieftrunk (1760–1837), a professor at Halle, to publish his shorter writings, making this the first authorized edition of Kant’s writings, although in his 13 October 1797 letter to Tieftrunk, Kant asked him to omit everything published before 1770 (‘I agree to your proposal to publish a collection of my minor writings, but I would not want you to start the collection with anything before 1770.’) – a request that Tieftrunk ignored. 4 Arthur Warda: Die Druckschriften Immanuel Kants (bis zum Jahre 1838). Wiesbaden 1919 – and available at [Kant/Helps/Warda1919.html]. 5 Kant’s gesammelte Schriften. 29 vols. Ed. by the Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften (vols. 1–16), Preußische Akademie der Wissenschaften (vols. 17–22), Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin (vols. 23–24), Akademie der Wissenschaften der DDR (vol. 27), Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (vol. 28–29), Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (vols. 25–26). Berlin, Georg Reimer, 1900–1922; Walter de Gruyter, 1923 ff.

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index and online versions of five textbooks that Kant used in his lectures: Gottfried Achenwall’s Juris Naturalis (1763) in the lectures on natural law, Alexander Gottlieb Baumgarten’s Metaphysica (1757) in the lectures on metaphysics, anthropology, and natural theology, Baumgarten’s Initia Philosophiae Practicae (1760) in the moral philosophy lectures, Johann August Eberhard’s Vorbereitung zur natürlichen Theologie (1781) in the natural theology lectures alongside Baumgarten, and Georg Friedrich Meier’s Auszug aus der Vernunftlehre (1752) in the logic lectures. Kant’s copies of Baumgarten’s Metaphysica and Meier’s Auszug are extant; the others were lost or destroyed during World War II, although Kant’s marginalia had already been transcribed and published in the Academy edition; for more on these textbooks cf. [Kant/Lectures/lecturesTextbooks.htm]. A detailed overview of the Academy edition is available at [Kant/Helps/ AcadEd.htm]. While consisting of twenty-nine volumes, there are actually thirtynine bound books, since all of the volumes from division four (the student lecture notes) consist of multiple partial volumes. 6 This fecundity of partial volumes makes an overview especially helpful for quickly locating texts and the various editorial materials (e. g., introductions, explanatory notes, and the philological notes listed as ‘Textänderungen und Lesarten’ – material that anyone translating these texts will want to consult). Kant’s Nachlaß, the third division of the Academy edition, consists of his unpublished notes and reflections, including annotations to his textbooks and loose notes (vols. 14–19), drafts and revisions of published writings, Kant’s notes in his personal copies of Observations on the Feeling of the Beautiful and Sublime (1764) and his Critique of Pure Reason (1781), along with correspondence discovered after vols. 10–13 had been published (vols. 20, 23), and the Opus postumum (vols. 21–22). Erich Adickes edited and saw to completion volumes 14–18, with his assistant Friedrich Berger finishing vol. 19 after Adickes’ death in 1928. The texts in these volumes are especially rich, but also baffling to the uninitiated, so additional explanatory material is offered here in the online overview. It is widely understood that there are problems with the Academy edition. Some texts were placed in the wrong division, some volumes were poorly edited or transcribed (in general, those by Gerhard Lehmann – vols. 20–23 of the Nachlaß, and vols. 24, 27–29 of the student lecture notes). Some texts in other volumes have been made obsolete by newer editions and, in a general sense, the Weischedel edition of Kant’s published writings is more reliably edited, although it omits a number of minor writings.7 Fortunately, locating parallel texts of different edi6 Only the first part of vol. 26 (Lectures on Physical Geography) has been published so far, but it is expected that the remainder will be published as a second additional partial volume. This will complete the edition as it was originally planned. 7 Edited by Wilhelm Weischedel and published in editions of six (Frankfurt a.M., Insel

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tions of Kant’s writings is made significantly easier by the Kant-Seitenkonkordanz prepared by Norbert Hinske and Wilhelm Weischedel. 8 There are also additional letters and Nachlaß discovered since the publication of the Academy volumes, and in particular there are a number of student lecture notes that are either unpublished altogether or else published elsewhere – a list of these can be found at [Kant/Notes/notesListUnpublished.htm]. In addition to the Kant texts available in the Bonner Kant-Korpus, the BerlinBrandenburg Academy of Sciences also offers four online texts at [http://kant. bbaw.de/online-editionen]: (1) TL: a PDF file noting the variations between the 1797 and 1803 editions. (2) OP: while not yet complete, this provides facsimiles of the original manuscripts and metadata linking the transcription to the corresponding text as printed in the Academy edition (vols. 21 and 22). (3) V-PG: this companion website to vol. 26 of the Academy edition offers a wealth of supporting materials, along with the transcriptions of the physical geography lecture notes. (4) The Herder Notes from Immanuel Kant’s Lectures: this website is a first draft of a new transcription of Herder’s notes from Kant’s lectures, primarily the notes on metaphysics, moral philosophy, and physical geography. Locating and acquiring the actual texts of early editions has been greatly aided by the development and continued growth of several book digitization projects, the largest being GoogleBooks, where (at least in theory) books no longer under copyright protection may be freely downloaded as PDF files. Not long ago these PDFs were non-searchable images – the end-user needed to process them, after downloading, with an optical character recognition (OCR) program – and German texts printed in Fraktur-type were typically resistant to these programs. That has since changed, and the downloadable PDFs from GoogleBooks now appear to come with the appropriate metadata to allow for searching (and with lines of texts identified so that they can be marked and highlighted). The word recognition is far from perfect – not finding a term in a search is merely suggestive that the term isn’t there – but this is vastly better than what was available only a few years ago. Verlag, 1956–1964), twelve (Frankfurt a. M., Suhrkamp Verlag, 1968), and ten (Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1968) volumes. All three editions have identical pagination. The first two editions are essentially identical in all details, the Suhrkamp edition being uncorrected from the Insel edition. The ten volume edition, on the other hand, was specially revised and corrected from the Insel six volume edition, with volumes 1, 2, 4, and 6 divided into two volumes each. 8 Norbert Hinske/Wilhelm Weischedel: Kant-Seitenkonkordanz. Darmstadt 1970; xv, 299 p. This reference work includes the original editions of Kant’s writings as well as the location of the text in the following collections: Rosenkranz/Schubert (12 vols., 1838–1842), Harten­ stein (10 vols., 1838–1839), Hartenstein (8 vols., 1867–1868), Kirchmann (12 vols., 1870–1891), the Akademie-Ausgabe (29 vols., 1900 f.), Vorländer (10 vols., 1920–1929), Cassirer (11 vols., 1912–1922), and Weischedel (6, 12, and 10 vols., 1956–1964, 1968). Cf. especially the ‘In­halts­ ver­zeich­n is der verglichenen Ausgaben’ (271–299).

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One note with GoogleBooks: finding a book is not entirely straight-forward, and different routes and search strings should be attempted before concluding that it is unavailable. At fortune’s other end, multiple copies of a book are often available but some will be better than others. Downloading several of these while you have them located is often helpful, since it is not uncommon to discover a blurred or missing page (a result of scanning errors) or that the page of a particular scanned copy is itself illegible. Google Books [https://books.google.com], a commercial – yet currently costand advertising-free – venture of Alphabet Inc., aims to scan ‘everything ever published’ and is clearly the giant in the field, but occasionally a text unavailable there can be found on one of several other academic and non-profit platforms. Gallica [https://gallica.bnf.fr] is the digital library of the Bibliothèque nationale de France, including holdings from over 300 partner libraries. It has been online since 1997 and currently has nearly five million documents available (manuscripts, maps, musical scores, and other print media, images, video, and sound files), and which can be viewed online or downloaded. Biblioteca Digital Hispánica [http://www.bne.es/es/Catalogos/BibliotecaDigitalHispanica/Inicio/index. html], the digital collection of the Biblioteca Nacional de España, has 218 thousand items available online. The Hathi Trust [https://www.hathitrust.org] was founded in 2008 by a group of North American universities and now has 140 institutional members, the majority in North America, with over 60 of these institutions contributing data to the collection, resulting in a total of almost 17 million items, one-half of which are book titles. The interface to the books allows for easy online use of the texts, but individual pages may also be downloaded as PDF files (downloading entire volumes requires the individual to hold an account through a subscribing institution). The majority of the books are in English, although some 400 languages are represented in the collection. The Internet Archive [https://archive.org] is a non-profit library of digitized books, movies, software, music, and websites. Online since 1996 with an original goal of archiving what was then a rather new invention – ‘the internet’ with its many ephemera. Currently 279 billion web pages are archived here – along with books and texts (11 million), audio recordings (4 million), videos (3 million), images (1 million), and software programs (100,000) – all free for downloading. Several German university libraries also have advanced digitization projects. The Münchener DigitalisierungsZentrum (MDZ) [https://www.digitale-samm lungen.de] is the digital library of the Bayerische Staatsbibliothek (BSB) with over 900,000 titles available for download. This database can also be searched through the ZVDD and the DBB. The Zentrales Verzeichnis Digitalisierter Drucke (ZVDD) [http://www.zvdd.de/startseite/] is the portal for all digitized German publications and is coordinated by the AG Sammlung Deutscher Drucke and

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the Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. It currently has about 1.7 million titles available for viewing online or downloading, and that can be located by title, author, publisher, place of publication, publication date, or a range of dates. The Deutsche Digitale Bibliothek (DDB) [https://www.deutschedigitale-bibliothek.de] is a national portal for accessing digitized versions of various kinds of cultural artifacts: books, images, sculptures, music, films, scores – over 24 million objects in all. The materials have all been curated by member institutions (over 4000 and growing), and its fully developed version went online in 2014. Search results occur in a common window, and clicking on a hit will open a page with basic data on the item and with links to the appropriate page of the institution actually holding the item. Finally, the Deutsches Textarchiv (DTA) [http://www.deutschestextarchiv.de] – an initiative of the Berlin-Brandenburg Academy of Sciences – has a growing body of scanned, annotated, and downloadable texts dating from the 17th through the 19th centuries (3848 texts, as of this writing), and is intended to serve as the ‘basis for a reference corpus of the New High German language’. An online resource dedicated to 18th century German philosophical texts has recently been developed by The Kant Research Group at The University of Western Ontario: Digital Archive of 18 th Century German Texts [http://publish.uwo. ca/~cdyck5/UWOKRG/digitalarchive.html]. These texts are alphabetically arranged by author – as of November 2018, they extend from ‘Abbt, Thomas’ to ‘Zwanziger, Johann Christian’ – and listing under each author the relevant publications which are in turn linked to an offsite webpage offering a digital PDF copy. This is quite the time-saver and a good first stop when looking for an online copy of an 18th century German text.9 Periodicals from 18th century Germany are available online at the Retrospektive Digitalisierung wissenschaftlicher Rezensionsorgane und Literaturzeitschriften des 18. und 19. Jahrhunderts aus dem deutschen Sprachraum [http://ds.ub. uni-bielefeld.de/viewer/]. This platform houses a number of collections, including ‘Journals of the German Enlightenment’, which claims to contain ‘complete corpora of review organs and literary magazines of the German Enlightenment’. This is not quite true, but it does contain 196 journals, including Friedrich Nicolai’s Allgemeine deutsche Bibliothek (Berlin/Stettin 1765–1794), Biester and Gedike’s Berlinische Monatsschrift (Berlin 1783–1811), the Briefe, die Neueste Litteratur betreffend, edited by Gotthold Ephraim Lessing, Moses Mendelssohn, and Nicolai (Berlin/Stettin, 1759–1766), the short-lived Der Philosoph für die Welt, edited by 9 Several related projects are also to be found here, and these are equally well-formatted: Kant’s Books (compiling links to digital texts of books listed in the Warda 1922 bibliography or that we otherwise have good reason to believe that Kant owned or had read) and Women Intellectuals of Eighteenth-Century Germany.

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Johann Jakob Engel (Leipzig 1775–1777), and Christoph Martin Wieland’s Der Teutsche Merkur (Weimar 1773–1810) – all important in Kant’s world, and he published nearly all of his essays in the Berlinische Monatsschrift after its founding. One notable omission in the above list of periodicals is the Allgemeine LiteraturZeitung, edited by Christian Gottfried Schütz and Gottlieb Hufeland, first in Jena (1785–1803), then moving to Halle in 1804. This was a daily (except Sunday) fourpage paper filled primarily with book reviews and it offered an important stage for defending and furthering Kant’s critical philosophy. Fortunately this journal (along with a thousand others) is available in digiPress, the portal for digitized periodicals of the Bayerische Staatsbibliothek (BSB) [https://digipress.digitalesammlungen.de]. This platform also includes non-German periodicals and has a quite useful search function, including a ‘calendar view’ that displays the availability of volumes and issues of a particular periodical. A slightly smaller collection of digital periodical literature is sponsored by the Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) as part of their ‘Universal Multimedia Electronic Library’ (UrMEL), which offers digital access to a collection of 1539 periodicals [https://zs.thulb.uni-jena.de/content/main/ journalList.xml]. On this platform, the body of texts can be searched directly and the periodical titles can be browsed alphabetically and filtered by type (Adressbücher, Kalendarien, Parlamentsschriften, Zeitschriften, Zeitungen) and subject matter. They also have the Allgemeine Literatur-Zeitung in their collection, and with what I find to be an easier interface for accessing the texts. II.  Previous Translations

A bibliography of translations is being assembled on the Kant in the Classroom website at [Kant/Helps/KantsWritingsTranslations.htm] and hopes to include the first edition (and significantly revised editions) of each translation of Kant’s published writings, as well as of his Nachlaß, correspondence, and the student lecture notes, and these are listed chronologically by date of the original Kant publication, and then by date of the translation publication. GoogleBooks and related digitization efforts are important sources for acquiring a text, but a previous step is discovering whether a text exists at all and in what library it might be found, and this step is facilitated by catalogs of library holdings. The first large-scale online public access catalog (OPAC) began in 1975 with The Ohio State University collection. Despite some resistance to losing the old card catalogs (many of which formed elegant works of informational art), it is now difficult to imagine a major library whose catalog is not yet online. Long before this, a great many of these catalogs were aggregated into what in print was called a ‘union catalog’, the largest being those well-worn olive-green National

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Union Catalog volumes that aimed to include the holdings of all major US and Canadian libraries – the German counterparts are the blue and orange volumes of the Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums.10 The content of these union catalogs has yet to be entirely replaced by electronic databases, but the universal accessibility and up-to-date entries make the latter much more useful for most of us. The largest of these electronic catalogs is WorldCat [https://www.worldcat.org/advancedsearch] (72,000 libraries; over 434 million records representing 2.6 billion holdings), maintained by the Online Computer Library Center (OCLC) and with the data crowd-sourced by its participating libraries. Other online public access catalogs (OPACs) include The European ­Library [https://www.europeana.eu/en/TEL] (a ‘portal to the 48 national libraries of Europe’; 175 million records – unfortunately this portal was frozen at the end of 2016 with no further updates since then), COPAC [https://copac.jisc. ac.uk] (Consortium of Online Public Access Catalogues, combining the catalogs of over 100 major UK and Irish libraries, including the British Library; 40 million records), GVK [https://gso.gbv.de] (Gemeinsamer Verbundkatalog, joining the catalogs of 400 libraries; 32.7 million records), DNB [https://portal.dnb.de] (Deutsche National Bibliothek; the national repository library for all German and German-language publications after 1913, including translations of these publications; 34.2 million records), BnF [https://catalogue.bnf.fr/] (Bibliothèque nationale de France, the national repository library of France; over 15 million records), BnE [http://www.bne.es/es/Catalogos] (Biblioteca Nacional de España, the national repository library of Spain; 26 million records), PORBASE [http://www. bnportugal.gov.pt] (Base Nacional de Dados Bibliográficos, the online union catalog for Portugal), SBN [https://opac.sbn.it/opacsbn/opac/iccu/avanzata.jsp] (Catalogo del Servizio Bibliotecario Nazionale, the online public access catalog of the Italian Union Catalog; over 17 million records), LoC [https://catalog.loc.gov] (Library of Congress, the national repository library for the United States; 17 million records), and KVK [https://kvk.bibliothek.kit.edu] (Karlsruher Virtueller Katalog; first developed in 1996). This last search-platform (KVK) brings together the catalogs of research libraries in German-speaking lands and offers a record base of over 600 million books, but the search interface also allows the user to select from dozens of catalog systems world-wide, including WorldCat, and even the major catalogs from the book trade like abebooks, Amazon, and ZVAB (Zentrales Verzeichnis antiquarischer Bücher). Finally, the ZDB [https://zdb-katalog.de/ index.xhtml] – the Zeitschriften Datenbank or German Union Catalogue of S ­ erials – is administered by the Deutsche Nationalbibliothek and the Staatsbibliothek zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz. According to its website, it catalogs 10

Literature between 1700 and 1910 (160 vols.) and literature between 1911 and 1965 (150 vols.) published by K. G. Saur Verlag (Munich).

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nearly 17 million holdings from 3700 German and Austrian libraries, including 1.9 million title records, 282 thousand monograph series, 63 thousand newspapers, and 214 thousand e-journals. With the advanced search form in WorldCat, one is able to filter the search by publication year, audience (juvenile/non-juvenile), content (fiction/non-fiction, biography, thesis/dissertation), language (any one of thirty; the default is ‘all’). With a WorldCat account (typically through a library, and most academic libraries in the U.S. seem to subscribe to this) one has access to the normally much more useful ‘First Search’ form, where one has the same 30 languages to choose from as well as ‘all’ and ‘other’ options. If you choose ‘other’ you can then include your language of choice as a ‘language-phrase’ and have hits returned for just that language – as well as being able to employ additional filters, such as format (large print, braille, manuscript, microform, CD audio, and so on). Apart from WorldCat, the European Library (TEL) platform is the most useful in terms of the scope of its records and the filters available for searches, although the future of this platform seems to be up in the air. A few sample searches offer some sense of how these databases compare. For instance, Basque is not one of the standard thirty menu-item languages in WorldCat but a search of books with ‘Kant’ as the author and ‘Basque’ entered as a language-phrase in WorldCat will generate nineteen items (as of November 2018) – all involving texts by Kant translated into Basque. For end-users engaged in bibliographical research (as opposed to someone looking to borrow a book from a particular library), the greatest problem with WorldCat is the duplication of records, leaving the user with a much longer list to sift through. The list of Basque translations is short enough that the duplications cause little bother, but it offers a good indication of the scope of the problem: nineteen hits reduce to just six actual texts. There is also less standardization than desirable and occasional inconsistencies between the duplications. Of course, for the purposes of translators these problems are negligible, since one is generally interested in discovering whether a publication exists at all. In this same search for Basque translations, WorldCat found the most titles (six), with thirteen redundancies. The European Library came in second with four titles (missing the two titles where a work of Kant appeared in a collection with other authors) but also with only three redundancies. The GVK, even with its 400 libraries and 32.7 million titles, did not return a single Basque translation; likewise with the BnF. The DNB offered nine hits (using ‘bask*’ as a keyword), but seven of these were irrelevant, and the KVK platform, while capable of accessing a vast number of records, is not capable of filtering a search by language. A second test searched for editions of Kant’s precritical Versuch den Begriff der negativen Größen in die Weltweisheit einzuführen (1st edition: 1763, 2nd edition: 1797). Here the publicly-available WorldCat gave the most useful results with nine

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hits: the 1763 and 1797 editions, three modern editions, and one hit each for translations in English, French, Slovenian, and Greek. The WorldCat ‘First Search’ (the default search interface with an institutional subscription) gives thirty-seven hits, but those extra hits were all redundant. GVK gave eight hits (the 1763 and 1797 editions, a 1st edition reprint, and the French translation), while the DNB, with its five hits, included the Greek translation (along with two separate editions of the French translation), and the 1763 edition with a modern reprint, but no 1797 edition. COPAC, just three hits, gave the 1763 edition, a modern edition, and the French translation. These are limited spot checks, but they both show that WorldCat is more exhaustive in its scope, as well as suffering from excessive duplication. Once a translation is located, it is worth remembering that useful discussions of translations are often found in the translator’s own prefaces and in book reviews of the translations [Kant/Helps/KantsWritingsTranslations.htm#Rev]. Of the English translations of the KrV, for instance, Max Mueller (1881, xxvii–xxxiii), Wolfgang Schwarz (1982, xiii–xxxi), and Werner Pluhar (1996, xvii–xxiii) all have especially interesting discussions, similarly Jens Timmermann’s preface to his translation of the GMS (2011, ix–xiv) – to name just a few. III.  German dictionaries, Kant lexicons, and glossaries

Nearly anyone working in a second language and who is perpetually online will have a favorite online ‘go to’ dictionary for translation suggestions. LEO [https:// www.dict.leo.org] and Linguee [https://www.linguee.com] are perhaps the two most popular. These, of course, are multi-lingual dictionaries translating from one language into another, and their register is non-technical and popular.11

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At a rather different level are online translators such as GoogleTranslate and DeepL that can translate phrases, sentences, and entire documents. GoogleTranslate is one of Alphabet Inc.’s many ‘free’ products; one should perhaps assume that the parent company is making money with this service, but how this happens is not obvious to me. Thankfully there are no advertisements with either this or DeepL, a translator commercially-affiliated with the Linguee suite of dictionaries, and which offers both a free version as well as DeepL Pro (for a monthly subscription). As of 2018, DeepL translates between English, German, French, Spanish, Portuguese, Dutch, Italian, Polish, and Russian, while GoogleTranslate supports over 100 languages, at varying levels of accuracy. Both programs allow for translating passages of text (that is either typed or copied into the web-browser window) as well as entire documents (uploaded from a file directory in GoogleTranslate or with drag-and-drop in DeepL). The output with document translation is editable with GoogleTranslate but not with the free-version of DeepL (editable translations is one feature of DeepL Pro). My admittedly limited checking of German-to-English translation found that DeepL offers a more natural output than GoogleTranslate.

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Monolingual dictionaries offer a different level of assistance to translators, and two online resources with rather larger datasets and more historical depth than either Leo or Linguee are the Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS) [https://www.dwds.de] and the Deutsches Wörterbuch von Jacob and Wilhelm Grimm (DWB) [http://woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_ py?sigle=DWB]. The Grimm dictionary is part of the Wörterbuchnetz sponsored by the Trier Center for Digital Humanities [http://woerterbuchnetz.de], where one finds a number of other valuable online resources as well, including the Adelung Wörterbuch and the Goethe-Wörterbuch. The DWDS platform already includes the Grimm database in its searches, so in principle the former alone could be used without loss, but I have found the Grimm dictionary interface particularly helpful when puzzling over archaic terms. In general, 18th century dictionaries are quite useful for translators of 18th ­c entury texts, and we are fortunate to have several good editions of dictiona­ ries available from GoogleBooks and elsewhere (links to which are available at [Kant/Helps/KantsWritingsTranslationsLinks.htm#Dictionaries]), in case the books aren’t already sitting on your shelf. Monolingual editions include Joachim Heinrich Campe’s five-volume Wörterbuch der deutschen Sprache (1807–1813), Johann August Eberhard’s Synonymisches Handwörterbuch der deutschen Sprache (1802), Wilhelm Müller’s three-volume Mittelhochdeutsches Wörterbuch (1854– 1863), and two dictionaries focussed on Kant’s Prussian: the Idioticon Prussicum (1759) prepared by Kant’s older colleague Johann Georg Bock, and Georg Hennig’s Preußisches Wörterbuch (1785) – both published in Königsberg.12 We also have available a selection of German-English dictionaries: Johann Anton Fahrenkrüger’s two-volume Nathan Bailey’s Dictionary. Englisch-deutsches und deutsch-englisches Wörterbuch (1807–1813), John Ebers’s three-volume The New and Complete Dictionary of the German and English Languages (1796), and Flügel and Meissner’s two-volume A Complete Dictionary of the English and German and German and English Language (3rd edition: 1856).13 12

Joachim Heinrich Campe: Wörterbuch der deutschen Sprache. 5 vols. Braunschweig 1807–1813 [Reprint: Hildesheim 1969–1970]; Johann August Eberhard: Synonymisches Handwörterbuch der deutschen Sprache für alle, die sich in dieser Sprache richtig ausdrucken wollen. Halle 1802; Wilhelm Müller: Mittelhochdeutsches Wörterbuch; mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke. 3 volumes in 4. Leipzig 1854, 1861, 1863; Johann Georg Bock: Idioticon Prussicum, oder Entwurf eines Preußischen Wörterbuches. Königsberg 1759; Georg Ernst Sigismund Hennig: Preußisches Wörterbuch. Königsberg 1785. 13 Johann Anton Fahrenkrüger: Nathan Bailey’s Dictionary. English-German and German-English. Englisch-deutsches und deutsch-englisches Wörterbuch. Gänzlich umgearbeitet von Johann Anton Fahrenkrüger. 2 vols.10th edition. Leipzig/Jena 1801; John Ebers: The New and Complete Dictionary of the German and English Languages, composed chiefly after the German Dictionaries of Adelung and of Mr. Schwan. 3 vols. Leipzig 1796; Johann Gottfried Flügel/Napoleon N. W. Meissner: A Complete Dictionary of the English and Ger-

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Another 18th century reference tool available online but that you probably don’t want on your shelf – because there are 64 volumes – is Zedler’s Universal-Lexikon (Grosses vollständiges Universal Lexicon aller Wissenschafften und Künste, Leipzig 1731–1754), published by Johann Heinrich Zedler and available as a searchable text at [https://www.zedler-lexikon.de/index.html]. PDF copies of individual pages as well as entire volumes can also be downloaded here. Opening Zedler is like walking straight into the 18th century; it helps contextualize and enliven the world surrounding the texts we translate.14 A smaller encyclopedia but focussed just on the natural world is Johann Sa­ muel Traugott Gehler’s six-volume Physikalisches Wörterbuch (1787–1796).15 Volume five is a supplement to the previous four volumes, and volume six is a set of indices that should be useful for translators, especially the indices of Latin technical terms, French technical terms, and authors and artists. Several German-language Kant dictionaries or lexicons are also available digitally. These are particularly useful to translators wondering whether some term might have a technical meaning for Kant that needs closer attention in the translation, and here we have three from the eighteenth century, the first being Carl Christian Erhard Schmid’s Wörterbuch zum leichtern Gebrauch der Kantischen Schriften (1786), significantly expanded in the 2nd edition (1788; 368 p.) and then nearly doubled in size by the fourth edition (1798; 616 pp). Samuel Heinicke’s Wörterbuch zur Kritik der reinen Vernunft und zu den philosophischen Schriften von Herrn Kant (1788)16 is considerably more concise, at 135 pages, but anyone feeling short-changed by either of these can turn to the multi-volume dictionary prepared by Georg Samuel Albert Mellin, another of Kant’s early promoters: Encyclopädisches Wörterbuch der kritischen Philosophie (1797–1804).17 Consisting of man and German and English Languages, containing all the Words in General Use. Volume One: English and German. Ed. by Johann Gottfried Flügel. Volume Two: German and English. Ed. by Napoleon N. W. Meissner. Third edition. Leipzig 1856. 14 On Zedler’s Universal-Lexicon, cf. Ulrich Johannes Schneider: Die Erfindung des allgemeinen Wissens. Enzyklopädisches Schreiben im Zeitalter der Aufklärung. Berlin 2013. 15 Johann Samuel Traugott Gehler: Physikalisches Wörterbuch, oder Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre, mit kurzen Nachrichten von der Geschichte der Erfindungen und Beschreibungen der Werkzeuge begleitet. 6 vols. Leipzig 1787 [1789, 1790, 1791, 1795, 1796]. 16 It should be noted here that Heinicke’s publication is derivative – and at times badly copied – from Schmid’s dictionary. Adickes describes it as “an almost verbal piracy of Schmid’s Wörterbuch… only here and there occur alterations for the worse by Heinicke.” Erich Adickes: German Kantian Bibliography. Boston 1896. 106. 17 Carl Christian Erhard Schmid: Woerterbuch zum leichtern Gebrauch der Kantischen Schriften. Jena 1786 [new ed. by N. Hinske. Darmstadt 42005]; Samuel Heinicke: Wörterbuch zur Kritik der reinen Vernunft und zu den philosophischen Schriften von Herrn Kant. Pressburg 1788; Georg Samuel Albert Mellin: Encyclopädisches Wörterbuch der kritischen Philosophie, oder Versuch einer fasslichen und vollständigen Erklärung der in Kants kritischen

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six two-part volumes, with the parts of the first five volumes published separately, resulting in a work of eleven books totaling over 5000 pages, this resource has likely been underused simply because of its baffling size; but now that it is conveniently available through GoogleBooks, there is less reason not to take an occasional peek. The second part of volume six consists of a set of seven indices: (1) a list of all the articles (from ‘A posteriori’ to ‘Zwittergrundsatz’), (2) a collection of references allowing the dictionary to serve as a commentary on Kant’s writings, (3) a subject index, (4) Latin terms, (5) French terms, (6) authors, and (7) Greek terms. Translators should find this set of indices especially valuable, and page runs with links to the books are available on the Kant in the Classroom website. Mellin also published a one-volume Kunstsprache der kritischen Philosophie (1798) – also available online – for a quick orientation into Kant’s technical language.18 Rudolf Eisler’s Kant-Lexikon [https://www.textlog.de/rudolf-eisler.html] was published in book form in 193019 and reprinted since then, but now is available online as well as in a French translation by Anne-Dominique Balmès and Pierre Osmo (1994). I suspect the original German version will be consulted rather less often, however, now that a new three-volume German-language Kant-Lexikon (2015) has been published. 20 While not yet available online, I would be remiss not to mention this resource here; its breadth and organization make it indispensible. Apart from the French translation of Eisler’s Lexikon, another resource is Roger Verneaux’s two-volume Le Vocabulaire de Kant, 21 and in Spanish is Mario Caimi’s recently published Diccionario (2017). 22 There are also several English-language lexicons, although also unavailable digitally: Howard Caygill’s A Kant Dictionary (1995) – also translated into Portuguese by Álvaro Cabral (2000), 23 Holzhey and Mudroch’s Historical Dictionary of und dogmatischen Schriften enthaltenen Begriffe und Sätze, mit Nachrichten, Erläuterungen und Vergleichungen aus der Geschichte der Philosophie begleitet, und alphabetisch geordnet. 11 vols. Züllichau/Leipzig 1797–1804 [Reprint Brussels 1968]. 18 Georg Samuel Albert Mellin: Kunstsprache der kritischen Philosophie, oder Sammlung aller Kunstwörter derselben. Jena/Leipzig 1798. 19 Rudolf Eisler: Kant-Lexikon. Nachschlagewerk zu Kants sämtlichen Schriften, Briefen und handschriftlichem Nachlaß. Berlin 1930 [Reprint: Hildesheim 1984]. French translation: Eisler: Kant-Lexikon. Trans. and revised by Anne-Dominique Balmès/Pierre Osmo. 2 vols. Paris 1994. 20 Kant-Lexikon. Ed. by Marcus Willaschek/Jürgen Stolzenberg/Georg Mohr/Stefano Bacin. 3 vols. New York/Berlin 2015; an abridged one-volume student edition has also been ­released (2017). More recent still is a one-volume Kleines Kant-Lexikon. Ed. by Larissa Berger/Elke Elisabeth Schmidt. Paderborn 2018. 21 Roger Verneaux: Le Vocabulaire de Kant. Vol. 1: Doctrines et méthodes. Paris 1967; Vol. 2: Les pouvoirs de l’esprit. Paris 1973. 22 Mario Caimi et al. (eds.): Diccionario de la filosofía crítica kantiana. Buenos Aires 2017. 23 Howard Caygill: A Kant Dictionary. Malden, MA 1995. Trans. into Portuguese by ­Á lvaro Cabral: Dicionário Kant. Ed. rev. by Valerio Rohden. Rio de Janeiro 2000.

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Kant and Kantianism (2005), 24 and Lucas Thorpe’s The Kant Dictionary (2015). 25 The Holzhey/Mudroch volume offers both full articles on key terms as well as a quite long bilingual glossary (357–374), which brings us to the final resource for translators – glossaries. Several Kant glossaries have been available online: G. J. Mattey’s Kant Lexikon (quite brief) and Stephen Palmquist’s Glossary of Kant’s Technical Terms [http://staffweb.hkbu.edu.hk/ppp/ksp1/KSPglos.html] (a bit longer), and we can add to these the useful glossary in Wolfgang Schwarz’s abridged translation of the KrV, Critique of Pure Reason (Scientia 1982, 261–281)26 and the glossary in Holzhey and Mudroch. All of the volumes in The Cambridge Edition of the Works of Immanuel Kant include a bilingual glossary, as do many other translations – apart from Schwarz (1982), cf. especially Pluhar (Critique of Practical Reason 2002, 233–242) and Stephen Palmquist’s Comprehensive Commentary on Kant’s Religion Within the Bounds of Bare Reason (Wiley 2015). Mirella Capozzi’s Italian translation of the Jäsche Logic contains a long bilingual glossary;27 Luc Langlois’s combined French translation of Kant’s reflections on moral philosophy and Baumgarten’s Initia philosophiae practicae primae acroamatice offers French/ Latin and French/German glossaries;28 and Dulce María Granja Castro’s translation into Spanish (as revised by Peter Storandt) of the KpV includes comparative glossaries of German into English (Lewis White Beck, Mary Gregor), Italian (Francesco Capra, Vittorio Mathieu), French (Luc Ferry, Heinz Wismann), Portuguese (Valerio Rohden), and Spanish (García Morente, Roberto Rodriguez, Dulce María Granja Castro). 29 Some of these glossaries are simple word-lists, but others include quite useful discussions. In addition to these lexicons and glossaries, making use of the digital Kant texts at the Bonner Kant-Korpus site allows for systematic word searches, providing a clear sense of whether some rendering of a word can be consistently applied.

24

Helmut Holzhey/Vilem Mudroch: Historical Dictionary of Kant and Kantianism. Lanham, Maryland/Toronto/Oxford 2005. 25 Lucas Thorpe: The Kant Dictionary. New York/London 2015. 26 Kant: Critique of Pure Reason. Concise text in a new, faithful, terminologically improved translation exhibiting the structure of Kant’s argument in thesis and proof. Ed., trans., and with an introduction by Wolfgang Schwarz. Aalen 1982. 27 Kant: Logica. Un manuale per lezioni. Ed. and trans. by Mirella Capozzi. Naples 1990. 181–204. 28 Kant: Réflexions sur la philosophie morale & A. G. Baumgarten: Principes de la philosophie pratique première. Ed. and trans. by Luc Langlois, in collaboration with Mathieu Robitaille, and Émilie Jade-Poliquin. Paris 2014 [2015]. 29 Kant: Crítica de la razón práctica. German/Spanish ed. Trans., preliminary study, notes, and an analytic index by Dulce María Granja Castro; revision of the translation by Peter Storandt. Mexico 2005.

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One final online resource specifically related to Kant is Kants naturtheoretische Begriffe [http://knb.mpiwg-berlin.mpg.de/kant], a set of databases developed by Wolfgang Lefèvre and Falk Wunderlich (2008) and also available in a CD-ROM format. This resource facilitates the study of natural science concepts as they appear in Kant’s pre-critical texts, and in particular with identifying conceptual relationships between the various texts. All of Kant’s pre-critical texts are included: his published writings as well as relevant letters and Nachlaß, and all the student notes that we have from Kant’s physics lectures (Herder from 1763, if these indeed stem from Kant, the Friedländer notes from 1776, and the Mrongovius notes from 1785). If you are working with these early texts, then it may be worth your time to become acquainted with this resource, which consists of several databases linked together: Kant’s texts, contemporary scientific literature with which Kant would have been familiar (about 4000 titles), a list of 280 persons associated with Kant, and about 2200 concepts found in these texts. The person database can be browsed alphabetically or by century, with life dates and a few lines of biography for each individual and a list of the texts that mention them. The literature database is sorted by author, publication date, discipline, and so on. My greatest concern with the website is that it does not appear to be fully functional (for instance, the German special characters don’t display properly and error windows are frequent), and I have to admit to some early difficulties using the website – my test case with Herder’s physics notes resulted in a discouraging ratio between information gained to time invested – but this may simply reflect a steep learning curve, and for some the climb should be worthwhile. IV.  Kant in the Classroom as a Resource for Translating Kant

Translation is big business and there are many translation resources on the internet, although much is aimed at trade and industry rather than texts in the humanities. A few entry points into that larger world are Zanata [http://zanata.org], Translator’s Café [https://www.translatorscafe.com/cafe/], PROZ [https://proz. com], and the official IATE (Interactive Terminology for Europe) that coordinates translation between the twenty-three official European languages [https:// iate.europa.eu]. I have not come across any online resources specifically for translating Kant other than what little I’ve gathered together on my own website [Kant/Helps/ KantsWritingsTranslationsLinks.htm], and I have included there all of the links mentioned in this essay, which I will now conclude with a brief overview of the website itself, offering a few user tips preceded by some background information. The website came about through a collaboration with Werner Stark, who had coached me in reading the 18th century handwritten student notes from Kant’s

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lectures. Long discussions with Stark about the notes and related matters led me to wonder how many Kant scholars understood what they were using when using these notes, and so we decided to co-author a short pamphlet that quickly outgrew pamphlet-size as well as developing features that challenged what books could do well. With the growing presence of web-based hyper-linked information it became clear that a website for our little project was the best solution. So the heart of the Kant in the Classroom website is to serve as a resource for scholars wanting to make a more informed use of the student notes from Kant’s lectures by offering them more complete information about the notes and lectures, as well as a great quantity of contextual information (about the nature of universities, student and professorial life, academic schedules, and so on). There are five main categories of information: Universities, Students, Professors, Kant’s Lectures, and The Student Notes, and each of these has a half-dozen or so sub-categories. Finally the website offers a set of basic resources for Kant studies in general, much of which I had been collecting over the years for my own use. These are the items in the far left column in the website’s common header: Bibliography, Kant’s Writings, Academy Edition, Glossary, Biographies, and Kant’s Life. Of these, the most relevant to translation work is the overview of the Academy edition and the list of Kant’s writings. Translating any of the lecture notes themselves will also benefit from a review of the relevant pages in the sections on Kant’s Lectures [Kant/Lectures/lecturesIntro.htm] and ‘The Student Notes’ [Kant/Notes/notesIntro.htm]. The website also offers lists of notes that have already been published (in the original or in translation) [Kant/Notes/PubNotes.htm] and of notes that have either not yet been published at all or are published, but not in the Academy edition [Kant/Notes/notesListUnpublished.htm]. Finally, there are a great many biographical sketches of Kant’s contemporaries that include all of the Königsberg philosophy faculty from the eighteenth century as well as many others related to Kant [Kant/Bio/BioIntro.html], although rather more breadth and depth is now available in the recently published Dictionary of Eighteenth-Century German Philosophers (2010). 30 As mentioned above, the Kant website includes the beginnings of a bibliography of all the translations of Kant’s writings (much of that shown is drawn from the WorldCat database) [Kant/Helps/KantsWritingsTranslationsLinks.htm]. These translations are listed by the original Kant text and arranged chronologically by publication date (first of the Kant text and then of the translation). I have often been surprised by their number and their nature. Thirty-nine languages are re­ presented to date, and each entry is color-coded and tagged with an abbreviation of the language to facilitate searching. The bibliography aims to include the 30 Heiner

Klemme/Manfred Kuehn (eds.): The Dictionary of Eighteenth-Century German Philosophers. 3 vols. London/New York 2010.

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first edition of each translation, as well as significant revisions. Many translations are stand-alone publications, but most are published as part of small collections [/KantsWritingsTranslations.htm#Collections], and others belong to more comprehensive collected works of Kant in translation [/KantsWritingsTranslations. htm#Works]. Reviews of translations are collected in their own list and grouped by language [/KantsWritingsTranslations.htm#Rev], as well as indicated with the re­ levant translation. Several other working bibliographies are also being compiled on this page: Bibliographies of … bibliographies of translations [/KantsWritingsTranslations. htm#BibKT], … articles on translating Kant [/KantsWritingsTranslations.htm #LitTK], … articles on specific Kant translation projects [/KantsWritingsTrans lations.htm#LitTP], … books and articles on Kant studies, or the reception of Kant, in a particular language or country [/KantsWritingsTranslations.htm#LitKR]. Any printed essay on the current state of some aspect of the internet is doomed to a hasty obsolescence. The internet is constantly growing – or rather ‘expanding’, to avoid any positive connotation – and it is doing this in any number of directions. And so a certain equanimity or foolishness is required to record any claims about the internet on something as stable and unyielding as ink on paper. The present essay is at best a snapshot of some ideas that once seemed useful. Only the internet can keep pace with the internet, so it would be best to stop reading this and instead consult the list of links at [http://users.manchester.edu/FacStaff/ SSNaragon /Kant/Helps/KantsWritingsTranslationsLinks.htm]. 31

31 Work

on this essay and the accompanying web pages has been partially funded by a grant from the DAAD (‘Research Stays for University Academics and Scientists, 2018’). For this, and for the many helpful suggestions and corrections by Professors Schlüter and Hohen­ egger I am most grateful. – The cut-off date for the (electronic) information included in this paper was November 2018.

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Blick nach vorn Kant-Übersetzungen und Textkorpora Riccardo Pozzo I.  Übung Kant-Übersetzung

Stellen wir uns eine Gruppe von Studenten an einer amerikanischen philosophischen Graduate School vor, die vor dem Gedanken, das German Language Exam ablegen zu müssen, Angst haben, das aber eine unausweichliche Bedingung ist, wenn sie eine Doktorarbeit über einen deutschsprachigen Autor schreiben möchten. Das Bild ist gar nicht so ungewöhnlich, wenn man an die große Anzahl herausfordernder deutschsprachiger Philosophen denkt – an Leibniz, Kant, Fichte, Hegel, Schelling, Marx, Nietzsche, Freud, Heidegger und Wittgenstein –, zu deren Werken in Nordamerika viele Dissertationen entstehen. Es geht schließlich darum, eine gewisse Zweisprachigkeit zu erreichen, sich vom Englischen ausgehend das Deutsche zu erschließen, ganz zu schweigen von dem noch höheren Ziel, die Mehrsprachigkeit zu erreichen. Zweisprachige oder mehrsprachige Historiker der Philosophie – insbesondere Sprecher der chinesischen, deutschen, englischen, französischen, italienischen, spanischen sowie alten griechischen und lateinischen Sprache – gibt es heute immer noch viel zu wenige. Das ist schade, denn Zweisprachigkeit und Mehrsprachigkeit sollten im 21. Jahrhundert im Alltag der Bürger eher die Norm als die Ausnahme sein, damit einzelne bzw. Gruppen von Sprachnutzern auf unterschiedliche Weise miteinander in Kontakt kommen und lexikalische Anleihen entstehen.1 Die Forschung hat zwar ein beeindruckendes Wissen über die lexikalische und kognitive Verarbeitung zweisprachiger Personen gesammelt, aber weiß noch immer nicht viel über den Einfluss von sprachlichen und kulturübergreifenden Unterschieden auf Denkprozesse. Denn das Erlernen einer zweiten Sprache führt zur Aneignung neuer Perspektiven und konzeptueller Umstrukturierung. 2

1 Li Wei: Introduction. In: Li Wei (Hg.): Bilingualism and Multilingualism. Critical Concepts in Linguistics. London. 2010. 2–11. Hier: 2 ff. 2 Aneta Pavlenko: Bilingualism and Thought. In: Li Wei (Hg.): Bilingualism and Multilingualism [Anm. 1] 362–391. Hier: 362 ff.

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Die Geschichte der Philosophie steht vor der Herausforderung einer Auseinandersetzung mit deren Mehrsprachigkeit. Heute ist es notwendiger denn je, Texte zwischen verschiedenen Sprachen aufzurufen. Dafür braucht man innovative Ansätze und Methoden für das Studium traditioneller und neuerer Korpora. Es reicht heute nicht aus, dass ein gutes Buch der Geschichte der Philosophie ein gutes Buch der Geschichte der Philosophie ist. Es sollte auch auf soliden lexikalischen und historischen Überlegungen beruhen. Philosophiehistoriker sollten unserer Zeit Rechnung tragen. II.  Rundumübersetzen im Uhrzeigersinn

Kehren wir zu unserem Seminarraum zurück. Stellen wir uns einen Tisch mit zwanzig Stühlen vor. Der Professor sitzt am Kopf. Jeder Student hat eine Fotokopie von § 15 der Transzendentale[n] Deduktion der zweiten Ausgabe der KrV B 134 ff. vor sich. Der/die Professor/Professorin hat seine/ihre annotierte Kopie der Ausgabe in der Philosophischen Bibliothek von Jens Timmermann und Heiner Klemme mitgebracht. Manche Studenten haben die Übersetzungen von Norman Kemp Smith oder Paul Guyer und Allen W. Wood auf den Tisch gelegt. Der Professor beginnt mit der Übersetzung des ersten Satzes als Perikope, d. h. als Textausschnitt betrachtet, d. h. vom Satzanfang zum Satzende. Es handelt sich um einen Satz von fünf Zeilen (KrV, AA 03: 107. 07–11): »Das Mannigfaltige der Vorstellungen kann in einer Anschauung gegeben werden […] wie das Subjekt afficirt wird.« Man geht im Uhrzeigersinn vor, sodass der/die erste Student/in an seiner/ihrer Linken an der Reihe ist, der/die den folgenden Satz übersetzt, zu seinem/ihrem Unglück einen viel längeren (KrV, AA 03: 107.11–25): »Allein die Verbindung (conjunctio) […] ein Actus seiner Selbsttäthigkeit ist.« Der zweite Student auf der linken Seite des Tisches nimmt den dritten Satz auf, diesmal einen kurzen und einfachen (KrV, AA 03: 107. 25–30): »Man wird hier leicht gewahr […] hat gegeben werden können.« Und dann ist der dritte Student an der Reihe und danach die vierte usw. für volle zwei Stunden Übersetzungsarbeitsgruppe. Von Perikope zu Perikope, vom Satzanfang zum Satzende im Uhrzeigersinn. Niemand schreibt. Stattdessen sind da zwanzig Köpfe, die gemeinsam herausfinden, wie man Kants deutschen Sätzen Sinn und Bedeutung auf Englisch verleiht. Der Student, der an der Reihe ist, spricht zuerst, aber jeder kann ihm helfen, falls er nach Wörtern sucht. Wörterbücher werden manchmal angeschaut, aber zwanzig Gehirne finden meistens akzeptable Formulierungen, ohne sie zu konsultieren. Ein englischer Satz wird Stück für Stück konstruiert. Jeder folgt dem Aufbau und merkt sich dessen Verlauf. Manche Teilnehmer sind mit dem eigenen Verständnis zufrieden, obwohl sich niemand darum kümmert, das Ergebnis auf

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Englisch aufzuschreiben. Der Satz bleibt in der Luft des Seminarraums schweben. Die Übersetzungen von Kemp Smith und Guyer/Wood werden schließlich betrachtet, um sicherzustellen, dass die Gruppe einige Anforderungen an Korrektheit erfüllt hat. Ziel der Übung ist es eigentlich nicht, eine neue Übersetzung bereitzustellen, sondern den eigenen Verstand dazu zu bewegen, Kants Deutsch zu verstehen. Das Beispiel aus einer amerikanischen Universität soll allerdings nicht falsch gedeutet werden. Obwohl heute allenthalben Englisch gesprochen wird, heißt das nicht, dass die englische Sprache Vorrang in dieser Hinsicht hat. Das Problem der Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit gilt für alle in jedem Erdteil tätigen Philosophiestudenten. Die Studenten sind sich des generellen Einwands bewusst, dass Ideen nicht ein für alle Mal übersetzbar sind, da diese an die Sprache und an die Kultur gebunden sind, die sich mit ihnen identifizieren. Sie kennen die Bemerkung von HansGeorg Gadamer, wonach die Philosophie aus einer Sprache lebt, die ständig in Bewegung ist. Die Philosophie beabsichtigt demzufolge nicht nur, bestimmte Begriffe historisch zu klären, sondern auch, die Spannung des Denkens zu erneuern, die sich an den Bruchstellen des philosophischen Sprachgebrauchs manifestiert, an denen der Begriff steht. Solche Bruchstellen, an denen das Verhältnis zwischen Begriff und Begriff in Frage gestellt wird und die Alltagswörter künstlich in neue Begriffsausdrücke umgewandelt werden, sind die authentische Legitimation der Begriffsgeschichte als Philosophie. 3 Die Studenten mögen darauf erwidern, dass sich die Philosophie für Experimente in mehrsprachigen semantischen Einordnungen eignet und zwar aufgrund ihres wesentlichen und kaum redundanten Lexikons, das das Ergebnis jahrhundertelanger Kodifikationen ist. Zum Beispiel kann eine Textzeichenfolge im antiken griechischen Alphabet, wie gnōthi seautón (›erkenne dich selbst!‹), heute im römischen Alphabet transliteriert werden und aufgrund der ständigen Entwicklung von Unicode in naher Zukunft neue zuverlässige Transliterationen erzeugen. Schon vor fünfundsiebzig Jahren hatte Bronislaw Malinowski behauptet, dass Kultur, »as the widest context of human behaviour, is as important to the psychologist as to the social student, to the historian as to the linguist. I submit that the linguistics of the future, especially as regards the science of meaning, will become the study of language in the context of culture.« 4 Tullio Gregory hat deutlich gemacht: »In this domain, neologic invention takes up a central role and the same happens to neosemy, namely the meaning shifts of a word, not only in 3

Hans-Georg Gadamer: Begriffsgeschichte als Philosophie. In: Archiv für Begriffsgeschichte 14 (1970). 137–151. Hier: 147 [neu abgedr. in: ders.: Gesammelte Werke. Hg. von Hans-Georg Gadamer. Bd. 2. Tübingen ²1993. 7]). 4 Bronislaw Malinowski: A Scientific Theory of Culture and Other Essays. Mit einem Vorwort von Huntington Cairns. Chapel Hill, N.C. 1944. 5.

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relation to the translated text, but also in relation to the need to transcribe new experiences of thought.«5 III.  Zentralität des Texts

Für die Studenten ist die Zentralität des Texts ein geläufiger Begriff. In unserer imaginären Graduate School besteht das German Language Exam darin, eine halbe Seite einer kantischen Schrift zu übersetzen. Die Studenten, die an der Übersetzungsarbeitsgruppe teilgenommen haben, haben davon profitiert. Sie wurden mit Kants Deutsch konfrontiert, was der Impuls war, den sie brauchten. Auf der anderen Seite ist es aus allgemeiner Sicht leicht zu erkennen, dass das, was sie getan haben, freiwillig geschah. Sie handelten aufgrund ihres Respekts vor dem Text. Es geht um die Entwicklung kultureller Terminologien und interdisziplinärer Ideen, die sich aus der Notwendigkeit ergeben, die Kontinuität einer kulturellen Tradition durch Transkription in neue Kontexte herzustellen, es geht um »transfers from one political and cultural context to another, and from one linguistic context to another«.6 Boethius bereitete das zweisprachige Verständnis von Aristoteles vor, und er tat es im klassischen Latein, wobei er die korrupten Formen des zu seiner Zeit gesprochenen Gebrauchslateins ignorierte. Der Autor oder die Autorengruppe, die die sogenannte Theologia Aristotelis schrieb, taten dies auf Arabisch für Aristoteles. Descartes übersetzte sich selbst vom Französischen ins Lateinische. Leibniz übersetzte sich mehrmals aus dem Lateinischen ins Französische und manchmal auch aus dem Deutschen ins Französische oder Lateinische. Pierre Coste übersetzte Locke ins Französische. Schon früh wurde versucht, Kant in moderne Sprachen zu übersetzen, zuerst schon 1788 ins Französische.7

5

Tullio Gregory: Translatio Studiorum. In: Translatio Studiorum. Ancient, Medieval and Modern Bearers of Intellectual History. Hg. von Marco Sgarbi. Leiden 2012. 3–21. Hier: 4. 6 Ebd. 7 Zu Boethius: Gregory: Translatio Studiorum [Anm. 5] 6 f.; zur Theologia Aristotelis vgl. Cristina D’Ancona: La Teologia neoplatonica di ‘Aristotele’ e gli inizi della filosofia ara­bomusulmana. In: Richard Goulet/Ulrich Rudolph (Hg.): Entre Orient et Occident. La philosophie et la science gréco-romaines dans le monde arabe. Genève 2011. 135–190; zu Descartes vgl. Jean-Robert Armogathe/Jean-Luc Marion: Index des Regulae ad directionem ingenii de René Descartes. Rom 1976; zu Leibniz vgl. A. Lamarra/R. Palaia/P. Pimpinella: Le prime traduzioni della Monadologie di Leibniz (1720–1721). Einleitung, Textsynopse, vergleichende Konkordanzen. Florenz 2001; zu Coste vgl. Davide Poggi: Lost and found in translation? La gnoseologia dell’Essay lockiano nella traduzione francese di Pierre Coste. Florenz 2012; zu Bonnet vgl. Gerhard H. Müller/Riccardo Pozzo: Charles Bonnet: Bonnet critico di Kant. Due Cahiers ginevrini del 1788. In: Rivista di storia della filosofia 43 (1988). 131–164.

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Die philosophische Terminologie, wie sie in einer beträchtlichen Anzahl von Kultursprachen vorkommt, wurde in einer Reihe von verschiedenen Texten festgelegt, die hauptsächlich zwischen 500 und 1000 nach Christus zu datieren sind, und zwar in einem weiten geographischen Gebiet, das sich von Westeuropa bis nach Indien erstreckt – ganz zu schweigen von den noch mehr nach Osten verlaufenden Spuren in China. Dass die Kulturen dieser historischen Epochen und dieses Gebiets direkt oder indirekt miteinander in Kontakt gekommen sind, wurde vor allem durch die Verbreitung der monotheistischen Religionen (vor allem: Judentum, Christentum, Islam) ermöglicht, die bereits viele gemeinsame Grundaspekte vorstellten. 8 Es ist wahr: Das Festhalten an der Zentralität des Texts verlangt höchste philologisch-humanistische Standards.9 Das Originaldokument so weit wie möglich wiederherzustellen, ist eine Pflicht eines Herausgebers, der uns so viel sagt, wie er über die Zusammensetzung und Ausführung des Textes und über die wahrscheinlichen Änderungen, die der Autor, der Herausgeber und die nachfolgenden Herausgeber, einschließlich seiner selbst, vorgenommen haben, weiß, zudem liefert der Herausgeber eine erschöpfende Darstellung der Typographie des Buches selbst, der Bogenzählung, der Schriftgröße, der laufenden Titel, der Druckfehler, der Korrekturen und dergleichen.10 Dies ist der Neuhumanismus von Irving Babbitt, von dem eine Form in China in den 1930er Jahren in der Schule von Wu Mi wiedergeboren wurde.11 Tuan Yifu hat den Begriff der humanistischen Geographie12 als eine Perspektive eingeführt, die die Komplexität und Vielfalt der Beziehungen zwischen Menschen und Orten betrifft.13 Humanisten lehnen die Reduktion von Raum und Platz auf geometrische Konzepte von Oberfläche und Punkt ab; humanistische Raum- und Ortsvorstellungen sind von menschlichem Sinn und Wert geprägt.14

 8

Mauro Zonta: Prefazione. In: Terminologia filosofica tra Oriente e Occidente. Hg. von Mauro Zonta/Pierpaolo Grezzi. Florenz 2018. 9–12.  9 Giorgio Pasquali: Storia della tradizione e critica del testo. Florenz 1988. 10 Joseph M. Levine: Intellectual History as History. In: Journal of the History of Ideas 68 (2005). 189–200. Hier: 195, 197. 11 Allan Megill: Globalization and the History of Ideas. In: Journal of the History of Ideas 68 (2005). 179–187. 12 Tuan Yifu: Humanistic Geography. In: Annals. Association of American Geographers 66 (1976). 266–276. 13 Stephen Daniels: Arguments for Humanistic Geography. In: Derek Gregory/Noel Castree (Hg.): Human Geography. Bd. 2. Los Angeles 2012. 165–178. Hier: 165. 14 J. Nicholas Entrikin: Contemporary Humanism in Geography. In: Annals [Anm. 12] 615–632. Hier: 623.

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IV. Korpora

Kant zu übersetzen ist ein Unterfangen, das in den nächsten Jahren immer mehr mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung ausgeführt werden wird. Der erste Schritt in dieser Richtung wurde von Norbert Hinske mit dem Kant-Index gemacht, der eine Auswahl von Kants Schriften in lemmatisierter Form zur Verfügung gestellt hat.15 Es geht darum, Kants Schriften mit Metadaten zu versehen und einen interoperablen Zugriff zu ermöglichen. Dadurch werden Lernerkorpora mit Suchfunktionen konstituiert. Zum Beispiel stellt die Plattform OPUS eine wachsende Sammlung übersetzter Texte aus dem Web zur Verfügung, auf der man versucht, kostenlose Online-Daten zu konvertieren und auszurichten, sprachliche Anmerkungen hinzuzufügen und der Community ein Parallelkorpus zugänglich zu machen.16 Lernerkorpora heben die Bedeutung des Typs und des Themas des zu übersetzenden Textes sowie der Zielsprache hervor; einige Texttypen, Themen und Zielsprachen werden bei Korpora besser als andere unterstützt. Zu den zuerst heranzuziehenden Lernerkorpora sind die heute zugänglichen Forschungsinfrastrukturen zu zählen, die grundlegende Dienstleistungen für Forscher anbieten, insbesondere für: (a) das Auffinden digitaler Daten und den Zugriff auf digitale Daten; (b) die Suche nach Software zur Verarbeitung digitaler Daten; (c) die benutzerfreundliche Anwendung der Software auf die digitalen Dateien; (d) die Erstellung und Beschreibung neuerer Dateien und Software; (e) die Speicherung neuer Dateien und Software zur langfristigen Aufbewahrung und zur Weiterverarbeitung in künftiger Forschung. Die Forschungsinfrastruktur CLARIN ERIC bietet Zugriff auf digitale Sprachdaten (schriftlich, gesprochen oder multimodal) für Wissenschaftler der Sozial- und Geisteswissenschaften und darüber hinaus. CLARIN bietet auch 15

[https://www.frommann-holzboog.de/reihen/52/523/5233] »Die Akademieausgabe hat das Kant’sche Œuvre auf vier ganz verschiedene Abteilungen – Werke, Briefe, Nachlass und Vorlesungen – verteilt. Das hat zur Folge gehabt, dass bei der Edition der Werke der Nachlass sowie bei der späteren Edition des Nachlasses die Vorlesungsnachschriften allenfalls bruchstückhaft berücksichtigt werden konnten. Die zahllosen gedanklichen Verbindungslinien zwischen den verschiedenen Abteilungen sind daher großenteils bis heute unbemerkt geblieben. Der Trierer Kant-Index macht diese zugänglich, indem er nach Sachgebieten gegliedert ist und so die verschiedenen Äußerungen Kants zu einem und demselben Thema zu einem Ganzen zusammenfasst. Viele Überlegungen Kants erscheinen dadurch in neuem Licht. – Eine Grundvoraussetzung und ein Nebenprodukt dieser Indexarbeit ist die Korrektur philologischer Unzulänglichkeiten vor allem der vierten Abteilung der Akademieausgabe. Die einzelnen Indexbände enthalten oft buchstäblich Hunderte von Textverbesserungen. Schon heute sind die entsprechenden Bände der Akademieausgabe nach dem Urteil der Fachwelt ohne den ständigen Rückgriff auf den Index nicht mehr sachgerecht zu benutzen. Der neue Kant-Index gehört daher in jeder ordentlichen Bibliothek unmittelbar neben die Akademieausgabe.« 16 [http://opus.nlpl.eu].

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erweiterte Tools zum Erkennen, Durchsuchen, Auswerten, Kommentieren, Analysieren oder Kombinieren solcher Datensätze an jedem Ort, an dem sie sich befinden.17 In Bezug auf den in diesem Band behandelten Spezialbereich der Kant-Übersetzungen ist auch DARIAH ERIC eine nützliche Forschungsinfrastruktur. Wie Astronomen ein virtuelles Observatorium benötigen, um die Sterne und andere entfernte Objekte in der Galaxie zu untersuchen, benötigen Forscher in den Geisteswissenschaften eine digitale Infrastruktur, um auf Informationen und Wissen zuzugreifen, die in digitale Inhalte eingebettet sind.18 Während in unserem Seminarraum alle Teilnehmer an der Zentralität des Textes festhalten, fangen manche allerdings an zu überlegen, man könnte über das Papier hinausschauen, man könnte in den Bereich der big data eindringen, und das heißt, man könnte Textkorpora heranziehen. Die Frage ist nun, wann und wieso unsere Studenten sich dazu genötigt sehen werden, von einer näheren zu einer ferneren Lektüre überzuwechseln, um auf Franco Morettis Theorie vom distant reading zurückzugreifen.19 Ein Korpus wird als eine Sammlung von elektronischen Texten definiert, die nach expliziten Gestaltungskriterien zusammengestellt wurden, welche in der Regel darauf abzielen, eine größere Textpopulation darzustellen. Textkorpora gibt es derzeit viele, z. B. Key Concepts in Chinese Thought and Culture, Europeana, European Cultural Heritage Online, Thesaurus Linguae Graecae: A Digital Library of Greek Library, Thesaurus Linguae Latinae Online sowie das Lessico Intellettuale Europeo: Banca dati di testi filosofici dell’età moderna und die World Digital Library. 20 Am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim befasst sich derzeit der Programmbereich Korpuslinguistik mit der Entwicklung und Erprobung von Werkzeugen zur automatischen Analyse von Korpora sowie mit der Konstruktion und Anwendung mathematischer, quantitativer Modelle der explorativen Korpusanalyse. Es werden folgende Fragestellungen zum Thema gemacht: (a) Aufbereitung und Annotation von Korpora; (b) korpusanalytisch basierte Metrisierung von Eigenschaften und Relationen sprachlicher Einheiten; (c) Extraktion, Rekonstruktion bzw. Exploration sprachlichen Wissens aus Korpora von Texten in natürlichen Sprachen; (d) Förderung von Anwendungen im Bereich der Text­ analyse und Texttechnologie; (e) Unterstützung der linguistischen Theoriebildung. 21 17

[www.clarin.eu].

18 [https://de.dariah.eu]. 19

Franco Moretti: Distant Reading. London 2013. Vgl. [https://www.chinesethought.cn], [www.europeana.eu], [https://echo.mpiwg-berlin. mpg.de/website/echo-cultural-heritage-online], [www.stephanus.tlg.uci.edu], [www.thesaurus. badw-muenchen.de], [www.iliesi.cnr.it], [www.wdl.org]. 21 [http://www1.ids-mannheim.de/kl.html]. 20

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Riccardo Pozzo

V.  Neue Kant-Edition, Cambridge Edition und Chinese Kant Society

Die Frage ist, wann man von der Nahlektüre von Texten zur fernen Lektüre von Korpora wird wechseln müssen. Dank der fernen Lektüre durch den Kant-Index wissen wir beispielsweise, dass das, was die Wiener Logik besonders interessant macht, ihre Nähe zur KrV ist. Norbert Hinske hat mehrere wort-wörtliche Zitate aus der ersten Kritik gefunden, insbesondere aus der Transzendentalen Theorie der Methode. So werde beispielsweise in der Wiener Logik der Satz »Es giebt aber noch einen Weltbegriff« (KrV B 866; AA 03: 542) aufgegriffen: »Man hat aber auch eine Philosophie nach einem conceptu cosmico.« (AA 24: 798) Hinske bemerkt, dass das lateinische Adjektiv cosmicus in keinem anderen Text des Logikcorpus vorkomme. Zu den einmalig vorkommenden Lemmata gehörten Abstraktionsbegriff, transzendieren, Rhapsodist. Der Begriff Logik, der in der Liste der am häufigsten verwendeten Lemmata in der Logik Pölitz hochfrequent ist, wird in der Wiener Logik viel weniger verwendet, während der Begriff Vernunft­lehre völlig verschwindet. Auf diese Weise ermöglicht der Kant-Index eine Rekon­ struktion der Entwicklungsgeschichte von Kants Logikcorpus in den entscheidenden Jahren nach der endgültigen Abfassung der KrV.22 Der Wechsel von Editionen zu Korpora ist wesentlich. Korpora werden verwendet, um statistische Analysen durchzuführen, Textvorkommen zu überprüfen oder sprachliche Regeln in einem bestimmten Sprachgebiet zu überprüfen. Ein Korpus kann Texte in einer einzigen Sprache (einsprachiger Korpus) oder Textdaten in mehreren Sprachen (mehrsprachiger Korpus) enthalten. Mehrsprachige Korpora, die speziell für den Vergleich miteinander formatiert wurden, werden als parallele Korpora bezeichnet. Um Korpora für die Übersetzung nützlicher zu machen, so Mona Baker, werden sie einem Annotationsprozess unterzogen. Ein Beispiel für die Annotation eines Korpus ist die Lemmatisierung, bei der Informationen über die Grundform jedes Wortes als Teil der Sprache (Verb, Nomen, Adjektiv usw.) in Form von Tags zum Korpus hinzugefügt werden. Einige Korpora haben weitere strukturierte Analyseebenen. Insbesondere können einige kleinere Korpora vollständig lemmatisiert werden. 23 Die Frage, die sich die Teilnehmer im Seminarraum schließlich stellen könnten, wäre dann, wie man alte und neue Kant-Übersetzungen in Textkorpora einfügen, d. h. mit Bezug auf metadatenreiche und vollständig interoperable Quel22

Norbert Hinske: Kant-Index. Bd. 5: Stellenindex und Konkordanz zur Wiener Logik. Unter Mitwirkung von Terry Boswell. Stuttgart/Bad Cannstatt 1999. Hier: xvi f., xix f. Vgl. auch deren Besprechung durch Riccardo Pozzo. In: Journal of the History of Philosophy 38 (2000). 283–285. 23 Mona Baker: Corpus linguistics and translation studies. Implications and applications. In: Text and Technology. Hg. von Mona Baker/Gill Francis/Elena Tognini-Bonelli. Philadelphia/Amsterdam 1993. 232–252.

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len, Übersetzungen, Bibliographien, Indices, Lexika und Enzyklopädien nutzen könnte. Das Bonner Kant-Korpus wird seit 2008 von Korpora.org geführt. 24 Die Kant Online-Datenbank gibt es noch nicht. Sie wurde vor einigen Jahren angekündigt, aber noch nicht realisiert. 25 Die Nietzsche Online-Datenbank existiert aber, und es ist vielleicht nützlich, sie an dieser Stelle kurz zu beschreiben. Nietzsche Online bietet Zugriff auf die Gesamtausgabe der Werke und Briefe Friedrich Nietzsches durch Giorgio Colli und Mazzino Montinari sowie auf nahezu alle Publikationen, die von De Gruyter zu Nietzsches Werken und Rezeption veröffentlicht wurden. Neben rund siebzig Bänden der Nietzsche-Ausgabe gibt es mehr als achtzig Monographien und Nachschlagewerke wie das NietzscheWörterbuch und alle Jahrgänge der Nietzsche-Studien. Wir sprechen von mehr als 100.000 Buchseiten. Die Forschungsplattform bietet jedoch deutlich mehr als die Summe ihrer gedruckten Inhalte. Tatsächlich haben elektronische Ausgaben selbst eine pyramidenförmige Struktur, deren Scheitelpunkt der rekonstruierte Text ist, der in gewissem Maße willkürlich ist, ebenso wie der Begriff der intentio auctoris willkürlich ist. Unter jedem Text befinden sich Zeugen, die sowohl als Bilder als auch als Transkriptionen dargestellt werden müssen (dies ist besonders für Manuskripte wichtig). Mit der Datenbank Nietzsche Online werden Editionen, Sekundärliteratur und Referenzwerke zu einem der wichtigsten Philosophen für Forschung und Lektüre vollständig verfügbar gemacht. Den Nutzern bietet sich damit eine umfassende Datenbasis zu den Forschungsergebnissen der letzten 50 Jahre. 26 Nietzsche Online ermöglicht den Zugriff auf die aktuellsten Textversionen. Eine zweite Funktion besteht darin, dass die digitale Ausgabe Zugriff auf alle Dokumente bietet, die sich auf einen Text in seinem Kontext beziehen. Entwürfe, Varianten, Kommentare und Anmerkungen sind in den Fußnoten Zeile für Zeile über Popups abrufbar. Zentrale Dokumente, Manuskriptbeschreibungen, die Vorworte von Giorgio Colli aus der Kritischen Studienausgabe und 24

[https://korpora.zim.uni-duisburg-essen.de/kant/aa03/108.html] [www.bbaw.de] »(a) Abteilung_ I: Erstdrucke von Kants Werken (JPG, TIF, PDF-Dateien) sowie die Liste_Erstdrucke (PDF), wo die jeweiligen Erstdrucke/Ausgaben genauer identifiziert sind. Die Liste_ Bibliotheken enthält zudem Links zu den wichtigsten Bibliotheken/Fundorten für Erstdrucke von Kants Werken; (b) Literatur: Sammlung nützlicher Quellen, Forschungsliteratur und Übersichten, die fortlaufend aktualisiert und erweitert werden. Die Literatur ist in entsprechenden Unterordnern thematisch sortiert: z. B. Lit. zu_ Abteilung I, Lit.zur Biographie IK, Lit. zu Koenigsberger Spezifika usw. Über die mit aktiven Links versehene PDF-Datei Links_Lexika_Wörterbücher kann man wichtige Online-Ausgaben aufrufen (u. a. Adelung, Grimm, Jablonski, Zedler, Warda); (c) Regularien Neuedition: Editionsrichtlinien sowie hilfreiche Tabellen, Fallbeispiele und Übersichten für die editorische Arbeit; (d) Technisches: Installationsdateien und Anleitungen zum XML-Editor/KantFrame­work.« 26 [https://www.degruyter.com/view/db/nietzsche]. 25

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andere zentrale Dokumente befinden sich im Kontextmenü im rechten Fenster neben dem jeweiligen Text und erleichtern so die Recherche im gesamten Textkorpus. Während der Navigation im Browser-Menü und mit den verschiedenen Suchkriterien kann man eine engere Suche durchführen, um Verbindungen zwischen bestimmten Passagen oder einzelnen Begriffen und entsprechenden Passagen in anderen Zeugen (falls vorhanden) und gegebenenfalls zu ihrer Anwesenheit innerhalb des rekonstruierten Objekts zu ermitteln; und von Zeugen gelangt man zu Zeugenfamilien mittels des sogenannten stemma codicum. Der Inhalt der Texte in der Datenbank ist vielfach intern verknüpft, sodass die Sekundärliteratur zu der Nietzsche-Passage, die gerade gelesen wird, direkt abgerufen werden kann. Philologische Apparate, die kritische Entscheidungen zwischen Varianten rechtfertigen, und historisch-kritische Erläuterungen, die Informationen über Inhalt und Kontext der Arbeit liefern, verbinden den rekonstruierten Text mit einem textuellen Universum. Definitionen aus dem NietzscheWörterbuch können direkt aus dem Text abgerufen werden. 27 Alles in allem bietet die Nietzsche Online-Datenbank Stoff zum Nachdenken über Vorteile und Nachteile der Einbeziehung von Korpora als Grundlage für ein näheres Verständnis von Texten. Um nun auf Kant zurückzukommen, so ist es durchaus denkbar, dass sich die für das Jubiläumsjahr 2024 geplante Neuedition von Kants Werken nicht nur auf eine wie auch immer gestaltete Kant Online-Datenbank stützen wird, sondern auch auf die Cambridge Edition, und zwar als parallele Lernerkorpora. Die Cambridge Edition ist die erste vollständige englischsprachige Ausgabe der Werke von Kant. Ihr Zweck besteht darin, akkurate Übersetzungen der besten modernen deutschen Ausgaben von Kants Werk in einem einheitlichen Format anzubieten, das sowohl für Kant-Forscher als auch für Studenten geeignet ist. Seit dem Abschluss der Cambridge Edition liegen alle von Kant veröffentlichten Schriften zusammen mit einer Auswahl seiner unveröffentlichten Schriften in englischer Übersetzung vor. Jeder Band ist mit einem umfangreichen redaktionellen ­Apparat (sprachliche und sachliche Notizen, Bibliographien, Glossare) ausgestattet. 28 Die Idee, die der interkulturellen Geschichte der Philosophie zugrunde liegt, soll den Lesern ermöglichen, in mehrsprachige XML-Korpora einzutauchen, die sowohl von Menschen als auch von Maschinen lesbar sind. Denn der Arbeitsplatz des Übersetzers, so hat Federico Zanettin bemerkt, habe sich in den letzten Jah27 Riccardo Pozzo: Nietzsche Online. A Critical Appraisal. In: Lexicon Philosophicum 2 (2014). 337–341. 28 [https://www.cambridge.org/core/series/cambridge-edition-of-the-works-of-immanuelkant/].

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ren verändert, da Personal Computer Informationen einfacher und schneller als je zuvor arbeiten können. 29 Die Geschichte der Philosophie erfordert kritische Ausgaben zusammen mit einer Hermeneutik für die Textinterpretation. »A translation here is always an interpretation, as shown by the connection of terms with the synonymic values interpretari, vertere, and transferre.«30 Man sollte anfangen, sich bewusst zu machen, dass unter Textkorpora bereits eine Zirkularität besteht, von der man zum Zweck der interkulturellen Forschung und Kommunikation profitieren könnte. So hat z. B. das Übersetzungsprojekt des Corpus Iuris Iustinianeum ins Chinesische bisher erhebliche Fortschritte gemacht. Denn nicht nur liegen mittlerweile mehr als ein Dutzend Bände vor, sondern es wurden auch chinesische Ideogramme mit neuen präziseren Bedeutungen geladen. Die Anwendung der Megakorpora-Sprache hat zur Erstellung chinesischer Wörterbücher entweder in Papierform oder in elektronischer Form sowohl für Muttersprachler als auch für Nicht-Muttersprachler und Benutzer beigetragen. Aus diesem Grund gibt es sowohl Zeichenwörterbücher als auch Wortwörterbücher in chinesischer Sprache. Hier hatte die Korpuslinguistik eine große Wirkung, nämlich in der Forschung zu Lernerkorpora. Mit Bezug auf Kant sollte man in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass im Juni 2019 die Chinesische Kant-Gesellschaft gegründet wurde. Dies ist die letzte Phase einer Konfrontation mit Kants Werken, die das gesamte 20. Jahrhundert durchzogen hat, beginnend mit dem Lehrer von Tu Weiming 杜維明, Mou Zongsan 牟宗三, dem Gründer des zeitgenössischen Neo-Konfuzianismus, der nicht nur eine epochale Übersetzung der drei Kritiken lieferte, sondern sich auch Kants Theorie der moralischen Subjektivität aneignete. 31 VI.  Blick nach vorn

Kant-Übersetzungen und Textkorpora werfen Fragen auf, die sich in einen breiteren Zusammenhang einordnen lassen. Mittlerweile kann man einen weiteren Schritt planen, da es durchaus denkbar ist, dass man die neue Kant-Edition mit der Cambridge Edition sowie mit der heute im Entstehen begriffenen chinesischen Kant-Edition als parallele Lernerkorpora aufbauen und benutzen könnte. 32 29

Federico Zanettin: Corpora in Translation. In: Juliane House (Hg.): Translation. A Multidisciplinary Approach. London, Basingstoke 2014. 178–199. 30 Gregory: Translatio Studiorum [Anm. 5] 4. 31 Fabian Heubel: Chinesische Gegenwartsphilosophie. Zur Einführung. Hamburg 2016. 56, 118 f., 139, 172, 187. 32 Die chinesische Übersetzung der ersten Abteilung der Akademieausgabe (Bde. 1–9) liegt nun dank der gigantischen Arbeit von Li Qiuling 李秋零 komplett vor. Sie wurde durch

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Die Interoperabilität eines solchen Unterfangens bietet Vorteile. Denn aus den Lernerkorpora werden nicht nur die Adressaten der Übersetzungen lernen. Man denke sich ein Dreieck, in welchem ein deutschsprachiger Kant-Forscher in enger Verbindung mit einem englischsprachigen und einem chinesischsprachigen steht. Dass die englische Übersetzung als Brücke dienen wird, ist zwar denkbar, aber nicht die einzige Möglichkeit. Denn die chinesische philosophische Gemeinschaft ist so riesig, dass es in absehbarer Zeit dazu kommen wird, dass man aus China kommende Ansätze sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch diskutieren wird. Da diese Voraussetzungen außerhalb der westlichen Welt derzeit noch weniger bekannt sind, sollte es Aufgabe der Forschungsinfrastrukturen sein, Kontakte anzubieten, um einen Wissenstransfer der Methoden durch erfahrene Redakteure und Dolmetscher zu denjenigen einzuleiten, die davon profitieren können. Natürlich wird es Engpässe geben, vor allem mit Blick auf den Kapazitätsaufbau von vielversprechenden mehrsprachigen Philosophiehistorikern; aber auch mit Blick auf den erreichten Mehrwert nach einer Auseinandersetzung mit Lernerkorpora. Die Erfolge des Übersetzungsprojekts des Corpus Iustinianeum auf Chinesisch zeigen sich derzeit bei italienischen und chinesischen Nachwuchswissenschaftlern, die den Aufruf zum Kapazitätsaufbau enthusiastisch aufgenommen haben. 33 Die Grundidee ist jedoch, dass die Untersuchung von Lexika mit ihren Bedeutungsverschiebungen und Hybridisierungen das effektivste Werkzeug für die Kulturgeschichte und für die Geschichte der Sprachen in der Plastizität ihrer Geschichte ist, was beträchtliche Auswirkungen auch auf die Tätigkeit des Übersetzers hat.

Renmin Press 中国人民大学出版社, Beijing, 1991–2019 veröffentlicht. Vgl. Martin Müller: Aspects of the Chinese Reception of Kant. In: Journal of Chinese Philosophy 2006. [https:// doi.org/10.1111/j.1540–6253.2006.00341.x] vgl. auch Joachim Kurtz: Domesticating a Philosophical Fiction. Chinese Translations of Immanuel Kant’s Things in Themselves. In: Concept and Communication 165/7 (2011). 165–202. 33 [http://www.odc.uniroma2.it/]. Vgl. die Liste der über fünfzig Projekteilnehmer in Rom und in Beijing.

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TEIL III Kants Terminologie in Theorie und Praxis und die Praktiken des Übersetzens

Philologie und Übersetzung Technische Ausdrücke in Kants philosophischer Sprache1 Hansmichael Hohenegger I.  Philologie und Übersetzung

Hans Vaihinger hat im Vorwort zu seinem Kommentar zu Kants Kritik der reinen Vernunft einige methodologische Prinzipien der Kant-Philologie dargelegt. 2 Sein zentraler Vorschlag, welchen er von Friedrich Albert Lange übernimmt, 3 ist der, in die Kant-Forschung eine methodologische Strenge einzuführen, welche bis dahin wohl nur auf das Werk des Aristoteles angewandt worden war. Eine nüchterne und ausgewogene philologische Analyse muss Vaihinger zufolge alles Apologetische vermeiden und darf sich nicht von enthusiastischer philosophischer Gefolgschaft gegenüber einer Philosophie leiten lassen, deren Geist sie angeblich jenseits des Wortlauts erfasst. Eine akkurate Untersuchung des Textes muss in jedem Falle der philosophischen Bewertung eines Systems, seiner Argumentationen und Begriffe zum Zwecke der Revision, Überwindung oder Verwerfung des Systems vorangehen. Langes Reaktion auf die von Hermann Cohen in Kants Theorie der Erfahrung (1871) präsentierte Interpretation des Begriffs des Dinges an sich bildet den Kon1

Bei dem vorliegenden Beitrag handelt es sich um eine stark revidierte und gekürzte, aus dem Italienischen übersetzte Fassung des 2011 erschienenen Aufsatzes des Vf.s: Termini tecnici e traduzione. Note sulla traduzione della Critica della facoltà di giudizio di Kant. In: Pina Totaro (Hg.): Tradurre filosofia. Florenz 2011. 59–92. Kants Schriften und Vorlesungsnachschriften werden zitiert nach: Kant’s gesammelte Schriften. Hg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften (und Nachfolgern). Berlin 1900- [von hier an zitiert als AA]. Im Falle der Reflexionen wird die fortlaufende Nummerierung und in Klammern die Datierung (in vereinfachter Form) des Herausgebers Erich Adickes angegeben. 2 Hans Vaihinger: Commentar zu Kants Kritik der reinen Vernunft. 2 Bde. Stuttgart ¹1881– 1892. Zitiert wird nach der zweiten Auflage: Kommentar zu Kants Kritik der reinen Vernunft. Hg. von Raymund Schmidt. 2 Bde. Stuttgart/Berlin/Leipzig 1922. 3 Vaihinger: Kommentar [Anm. 2] Bd. I, VI. Vgl. Friedrich A. Lange: Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart. 1866 [1865]. Hg. von Hermann Cohen. 2 Bde. Leipzig 1902. Bd. 2. 130, Anm. 35. Lange spricht an dieser Stelle allgemein über die Schule Trendelenburgs, während Vaihinger die Referenz präzisiert und den Kommentar zur aristotelischen Metaphysik von Hermann Bonitz sowie die Arbeiten von Theodor Waitz und Eduard Zeller zitiert.

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text, in dem er die Grundlegung der Kant-Philologie vornimmt. Lange erklärt in der zweiten Auflage seiner Geschichte des Materialismus (1873–1875), diesbezüglich seine Meinung geändert zu haben. In der ersten Auflage seines Werkes hatte er behauptet, dieser Begriff ›zerschmettere‹, insofern er einen transzendenten Gebrauch der Kausalitätskategorie verlange, ›den Panzer des Systems‹; acht Jahre später hingegen fasste er in der Linie Cohens den Begriff stärker philologisch als einen Grenzbegriff auf und betrachtete ihn als integralen Bestandteil des Systems der kantischen Philosophie. 4 Lange schreibt dem Einfluss Cohens nicht nur die grundlegende Revision seines eigenen hermeneutischen Ansatzes, sondern sogar die Urheberschaft der Kant-Philologie zu, da »hier [in Kants Theorie der Erfahrung] zum ersten Male die ganze Kraft einer concentrierten Arbeit darauf verwandt wurde, die Terminologie Kants vollständig zu bewältigen und so an der Hand genauester Begriffsbestimmung tiefer in den Sinn des Philosophen einzudringen«.5 Im Gegensatz zu Cohen hielt Lange Kant nicht für gänzlich ›widerspruchsfrei, schwankungslos‹, er konzedierte jedoch, die Kant-Philologie könne und müsse zunächst einmal das »Obiect ihrer Studien als eine widerspruchsfreie Einheit« auffassen.6 Mit dieser Kautel erweist sich Lange als methodologisch raffinierter als Cohen, indem er nämlich die Spannung zwischen dem historisch determinierten, inhomogenen Text und der Annahme einer idealen Sinneinheit heuristisch fruchtbar macht, ohne den einen oder die andere zu hypostasieren. Diese Kant-Philologie trat an die Stelle einer Auffassung, welche den unmittelbaren Zugang zum kantischen System für sich reklamiert und von dessen sprachlicher Gestalt abgesehen hatte. Otto Liebmann, der sich als Erster mit dieser neukantianischen Forderung auseinandersetzte, ging davon aus, dass es den Nachfolgern Kants (Fichte, Schelling und Hegel als so genannten Idealisten, Herbart als so genanntem Realisten, Fries als so genanntem Empiristen und Schopenhauer als so genanntem Transzendentalphilosophen) nicht gelungen war, die Wahrheit der kantischen Lehre in ihrem Kern zu erfassen; aus diesem Grunde hätten sie ihre eigenen spekulativen Systeme allzu überstürzt auf der Basis der Kritik an vermeintlichen Irrtümern der Philosophie Kants oder andererseits auf der Basis von ihnen übernommener tatsächlicher Fehler dieser Philosophie errichtet. Hingegen hätten sie diese Philosophie zunächst objektiv umfassend darlegen und ihre internen Widersprüche aufzeigen müssen und erst dann ihre Verwerfung oder eine Neufassung postulieren können. Zu diesem Zwecke nimmt Liebmann sich als Erstes vor, »den echten Gehalt der Kantischen Lehre von der unreinen Schlacke zu scheiden«.7 4

Lange: Geschichte [Anm. 3] Bd. 2. 48. Ebd. 115. 6 Ebd. 48 f. 7 Otto Liebmann: Kant und die Epigonen (1865). Hg. von Bruno Bauch. Berlin 1912. 20. 5

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Der vielzitierte neukantianische Aufruf »zurück zu Kant« 8 hatte dementsprechend hauptsächlich das Ziel, die labilen historischen Grundlagen der nachkantischen Philosophie zur Diskussion zu stellen, um ein tragfähigeres philosophisches System entstehen zu lassen. Die Vertiefung in die kantische Sprache sei völlig nutzlos, so hieß es, und die Auslegungsfehler der Nachkantianer seien gerade den Eigentümlichkeiten der Sprache der kritischen Philosophie zuzuschreiben: Zunächst war es eine natürliche Folge seiner gründlichen scholastischen Gelehrsamkeit, daß Kant mit einer Menge von unwesentlichem Außenwerke seine reine, echte Wahrheit überkleidete; jenes Uebermaaß von buntscheckigen lateinischen, griechischen und lateinisch-griechischen Terminis, die er mit strengem Fleiß und Ordnungssinn, ja mit steifer Pedanterie anordnet, umkränzen den soliden Bau seiner Gedanken wie Rococcoschnörkel, aus denen man hie und da den gepuderten und bezopften Magister leibhaftig hervorblicken sieht.9

Die Rolle der Philologie war klar nachrangig und sogar überflüssig; der philosophischen Interpretation war es genug, mit einem Hammerschlag die sprachliche Schlacke zu entfernen, um an das reine Edelmetall zu gelangen, die ›reine, echte Wahrheit‹. Der reifere Neukantianismus hingegen wird gerade das Studium der Sprache Kants als unhintergehbaren Ausgangspunkt auffassen und die objektive Einheit der Bedeutung seiner Werke nicht als ›Ding an sich‹, das ohne Weiteres dem Philosophen zugänglich wäre, sondern als regulative Annahme betrachten, welche dazu dient, jede gegebene Interpretation als nur provisorisch auszuweisen. In diesem Sinne muss unentschieden bleiben, ob ein vermeintlicher Widerspruch oder eine Ambiguität dem System inhärent oder eher einer nicht hinlänglich vertieften Interpretation zuzuschreiben sei. Die Annäherung an die objektive Bedeutung wird sich nur als pragmatische Entscheidung präsentieren, und sofern sie methodologisch gerechtfertigt ist, wird sie als interpretatorischer Fortschritt 8

Ebd. Nach dem kritischen Durchgang durch die Philosophie der Epigonen Kants, die nach Liebmann alle nicht über Kant hinausgelangt sind, lanciert er in der Bilanz die nachgerade erfolgreiche Parole: »Also muß auf Kant zurückgegangen werden.« Ebd. 204. 9 Ebd. 10. Liebmann zufolge ist dieser »pedantische Formel- und Wortkram« in den Spottversen Heines über den deutschen Professor sehr treffend ausgedrückt: »Er macht ein verständig [recte verständlich] System daraus;/Mit seinen Nachtmützen und Schlafrockfetzen/Stopft er die Lücken des Weltenbaus.« Heinrich Heine: Buch der Lieder (Heimkehr LVII). In: Ders.: Historisch-kritische Gesamtausgabe der Werke. 16 Bde. Düsseldorf 1973– 1997. Hg. von Manfred Windfuhr. Bd. 1. Düsseldorf 1973. 270. Mit einem anderen Dichter und Philosophen, der zugleich ein sehr scharfsinniger Philologe war, ließe sich antworten: »Wortgrübelei! Wird man sagen. – Wer mit Wortgrübelei sein Nachdenken nicht anfängt, der kommt, wenig gesagt, nie damit zu Ende.« Gotthold Ephraim Lessing: Sämtliche Schriften. Hg. von Karl Lachmann /Friedrich Muncker. 23 Bde. Stuttgart/Leipzig/Berlin 1886–1924 [ND Berlin 1968]. Bd. 16. 295.

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gelten können. Von der Sprache auszugehen bedeutet mithin einzuräumen, dass die Interpretation ihre Grenzen hat, seien es interne (nämlich die Historizität und Kontingenz des eigenen Standpunkts) oder auch externe Grenzen (bezüglich des sprachlichen und buchstäblichen Befundes). Doch auch die Sprachgebundenheit darf nicht verabsolutiert werden, vielmehr impliziert sie die methodologische Verpflichtung, die Sprache als Ausgangspunkt zu betrachten. Man darf nicht darauf verzichten, eine objektive Gesamtinterpretation anzustreben, welche gewiss nur aus einem Pluralismus miteinander konkurrierender Deutungen entspringen kann. So betrachtet, könnte die Kant-Philologie Vaihingers in ihrer Frontstellung gegen diejenige Liebmanns mustergültig für die klassische Kant-Philologie sein. Sein Ausgangspunkt lautet: »Die ungemein reiche Ausbildung und feine Gliederung der technischen Sprache der ›Kritischen Philologie‹ ist ja eine bekannte Thatsache.«10 Die charakteristischen Aspekte seines Ansatzes ergeben sich alle mehr oder weniger unmittelbar aus der grundlegenden Einsicht in die Notwendigkeit, die Terminologie Kants zu untersuchen. Vaihinger hält die »Herbeiziehung der Parallelstellen als der wichtigsten Interpretationsbehelfe«11 für unverzichtbar, um den technischen Gebrauch der als relevant betrachteten Wörter festzustellen. Damit schließt er an einen Aspekt des vielzitierten hermeneutischen Prinzips Kants an (das Besserverstehen), welches die »Vergleichung der Gedanken, welche ein Verfasser über seinen Gegenstand äußert«, vorsieht, um »ihn sogar besser zu verstehen, als er sich selbst verstand«. (KrV B 370/A 314, AA 03: 246/04: 200) [Hervorhebung HH].12 Dementsprechend gilt es zu ermitteln, was als terminus technicus aufgefasst werden kann13 – Fälle zu sichten, in denen ein Wort in ähnlichen Kontexten semantisch kohärent verwendet wird, was sich mittels statistischkomparativer und historisch-genetischer Verfahren feststellen lässt. Sodann ist die Gesamtheit aller Parallelstellen in den Blick zu nehmen,14 um zu einer exakten 10

Vaihinger: Kommentar [Anm. 2] Bd. 1. IX. Ebd. Bd. 1. VIII. 12 Bezüglich Besserverstehen vgl. auch KrV B 862/A 834, AA 03: 540. 13 Vgl. Vaihinger: Kommentar [Anm. 2] Bd. 1. IX. 14 Ebd. Mit diesem Insistieren auf Vollständigkeit scheint Vaihinger den Übergang von der Lexikographie des Wörterbuchs zu einer Lexikographie, die ausschließlich durch elektronische Instrumente ermöglicht wird, vorwegzunehmen. Die computergestützte Lexikographie zu Kants Werken beginnt mit der Pionierarbeit von Gottfried Martin (u. a., Hg.): Allgemeiner Kant-Index zu Kants gesammelten Schriften. Wortindex zu Band 1–9. Bd. 1 (A–K). Bd. 2 (L–Z). Bearb. von Dieter Krallmann. Berlin 1967; später folgte: Personen­ index. Bearb. von Katharina Holger. Berlin 1969. Der auf einer ganz neuen Basis von Norbert ­H inske verantwortete Kant-Index ist als ein weiterer Schritt in dieser Richtung wertvoll, da er vollständige Verzeichnisse von Stellennachweisen, Frequenzen und Konkordanzen lemmatisierter Formen liefert. Die Arbeitsgruppe, die die Arbeit Gottfried Martins in Bonn weiter11

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Auslegung zu gelangen. Nur auf diese Art und Weise kann man der Terminologie in ihrer freilich durchaus dynamischen Systematizität gerecht werden. Vaihinger zufolge ergeben sich die Auslegungsfehler häufig aus dem Umstand, dass man ein einzelnes isoliertes Zitat als Normalstelle annimmt, um ein Auslegungsproblem zu lösen.15 Es ist nun genau dieser Begriff von Philologie, der eine Auseinandersetzung mit der Praxis und Theorie des Übersetzens erlaubt. Für die Übersetzung ist die Sprache ein selbstverständlicher Ausgangspunkt, doch muss sie sich mit einer ausgereiften Konzeption von Philologie verbinden, sonst verkennt sie ihre Funktion, so etwas wie angewandte Philologie zu sein. Die Übersetzung bereichert die Philologie und profitiert ihrerseits in mannigfacher Weise von den Ergebnissen der philologischen Forschung. Es gibt Fälle, in denen die Übersetzung, sofern sie sich dieser engen Verbindung bewusst ist und die Philologie konstruktiv nutzt, ihrerseits Anlass gibt, über die Philologie als solche und näherhin über die Begriffsgeschichte zu reflektieren. Und in der Tat bedient sich ja jeder Übersetzer der Parallelstellen, um sich geführt hat, hat die vermutlich meistgenutzte und bekannteste Internet-Ressource zu Kant entwickelt: das Bonner Kant-Korpus [https://korpora.zim.uni-duisburg-essen.de/kant/]. Zu Grunde liegt die Vorstellung, dass digitale Texte die lexikographische Arbeit teilweise entbehrlich machen: »An die Stelle des Index bzw. der Konkordanz ist der elektronische Text getreten, der über komfortable Text-Recherche-Programme erschlossen werden kann.« Winfried Lenders: Zur elektronischen Edition der Werke Immanuel Kants. In: Hans-Christian Schmitz (Hg.): Bereitstellung und Pflege der Werke Immanuel Kants in elektronischer Form. IKP-Arbeitsbericht NF 03. Universität Bonn 2003. 4. Die Forderung, sich das Vokabular eines Autors anzueignen, ist sehr wichtig für die Übersetzungen, aber naturgemäß ein allgemeines philologisches Desideratum. In der Vorbereitung von Gesamtausgaben galten seit jeher Glossare, lemmatisierte oder dynamische Indices als sehr nützlich. Diesem natürlichen Bedürfnis der Philologie folgend, kann man die traditionellen begriffsgeschichtlichen oder lexikologischen Unternehmen durch die Instrumente der digital humanities ergänzen: Man wird durch kooperative semantische Annotation oder mittels elektronisch unterstützter Terminologie-Extraktion am Korpus von Kants Schriften arbeiten und danach durch die computergestützte Übersetzung diese Terminologie an den vielsprachigen parallelen Korpora testen können. Beispielhaft sei hier das rezenteste lexikographische Unternehmen zur Philosophie Kants angeführt, nämlich das dreibändige Kant-Lexikon als Nachfolger von Eislers Kant-Lexikon: Kant-Lexikon. Hg. von Marcus Willaschek/Jürgen Stolzenberg/Georg Mohr/Stefano Bacin. 3 Bde. Berlin/N. Y. 2015. Um dieses ambitionierte Werk zu realisieren, hat man über 100 Mitarbeiter aus vielen verschiedenen Ländern gewinnen können, die mehr als 2000 Einträge zu allen philosophisch relevanten Termini Kants, den Autoren, auf die er Bezug nimmt, und Kants Werken im Einzelnen verfasst haben. Das neue Kant-Lexikon präsentiert sich zwar in traditioneller Gestalt, wäre aber ohne elektronische Ressourcen bzw. Hilfsmittel nicht möglich gewesen. Von Anfang an war es als Hypertext konzipiert, der sich künftig durch eine Verlinkung mit den Quellentexten und den Rekurs auf andere digitale Quellen erweitern ließe. Zu solchen Internetquellen vgl. den Beitrag von Steve Naragon im vorliegenden Band. 15 Vaihinger: Kommentar [Anm. 2] Bd. 1. X.

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ein Vokabular seines Autors zu erarbeiten. Padre Roberto Busa SJ, der als einer der Gründerväter dessen gilt, was man heute als digital humanities bezeichnet,16 schrieb unmissverständlich, bevor man die Werke eines Autors übersetze, müsse man dessen Vokabular übersetzen; dazu aber müsse man dieses Vokabular erst einmal haben.17 Damit dies bewusst und kontrolliert geschieht, muss man untersuchen, welche allgemeine Vorstellung von philosophischer Terminologie und Sprache der jeweilige Autor hat. Dementsprechend müssen die Übersetzungs16 Sein

Index Thomisticus, Resultat der computergestützten Lemmatisierung der Werke von Thomas von Aquin, setzte 1949 ein und war als gedruckte Version 1980 zugänglich. Um die philologische Qualität der digital humanities dauerhaft zu gewährleisten, wäre es wünschenswert, dass die technischen Lösungen niemals den Bezug zu den spezifischen Bedürfnissen der Philologie tout court verlören. Es ist bezeichnend, dass das Projekt von Busa aus seiner Unzufriedenheit mit den damals vorhandenen thomistischen Konkordanzen entsprang, als er an einer weiteren Untersuchung zu seiner Dissertation über Die thomistische Terminologie der Innerlichkeit arbeitete. – Als besonders zweckdienlich erweisen sich digitale Tools im Falle von Initiativen, die in traditionellen Kontexten entstanden sind und Fragen stellen, die fest in der Tradition verwurzelt sind. Mit Blick auf die zuletzt erschienenen Bände der Werke Kants, herausgegeben durch die Arbeitsgruppe des Marburger Kant-Archivs, lässt sich festhalten, dass sie nicht ihre jetzige Gestalt hätten annehmen können, wenn bei der Erschließung der Quellen keine digitalen Techniken zum Einsatz gekommen wären; hinzu kommt, dass einige nur in digitaler Form publiziert wurden. Was den letzten Band mit den Vorlesungen zur Physische[n] Geographie betrifft, so hat der Herausgeber Werner Stark die enormen Schwierigkeiten der Edition erläutert und erklärt: »Für mich steht fest, dass eine derartige ›Edition‹ nicht allein mit einem herkömmlichen Buch erreicht werden kann. Ohne eine vollständige elektronische Erschließung und Aufbereitung sämtlicher Textzeugen bleiben die Verästelungen der Überlieferung ein undurchdringlicher Dschungel. Eine nach wissenschaftlichen Standards verantwortbare Edition ist ohne elektronische Hilfsmittel und Verfahren zum Scheitern verurteilt.« Werner Stark: Immanuel Kants physische Geographie – eine Herausforderung? Antrittsvorlesung als Honorarprofessor an der Philipps-Universität Marburg. [https://www.online.uni-marburg.de/kant_old/webseitn/ws_lese4.htm (Zugriff am 27.02.2020)]. Die Frage, wie man die digitalen Techniken optimal für die Kant-Forschung fruchtbar machen kann, wird ein zentrales Diskussionsthema bleiben, und die spezifischen Erfordernisse der Übersetzung der Schriften Kants können diesbezüglich als Probe aufs Exempel dienen. 17 Zitiert von Eugenio Garin: Relazione introduttiva. In: I Colloquio internazionale del Lessico Intellettuale Europeo. Hg. von Marta Fattori/Massimo Bianchi. Rom 1976. 4. Garin findet in der präzisen Übersetzung ein Beispiel für eine ausgereifte Philologie, welche postuliert, »dem Denker mit höchster Treue zu seinen Ausdrücken, deren gelegentlichem Variieren, deren Beharren, ihren Schichtungen zu folgen, seinem Insistieren auf Termini, ihren Verknüpfungen, den individuell geänderten Nuancierungen, dem inneren Oszillieren und auch deren versteckte Kadenzen«. Ebd. 6. Garin weist aber auch darauf hin, dass der Begriff der Übersetzung selbst philologisch untersucht werden muss: »Teilweise markieren historisch-hermeneutische Probleme in der Philosophie wichtige Übersetzungsprobleme im weiteren Sinne: Probleme, die sich aus der Gegenüberstellung unterschiedlicher kultureller Kontexte ergeben, Übergänge zwischen Kontexten und Einfügungen eines Kontextes in einen anderen, demzufolge auch Transformation, Variation von Bezugssystemen räumlicher, zeitlicher oder gesamtkontextueller Art.« Ebd. 7.

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schwierigkeiten besonders hervorgehoben werden, darunter die Ausdrücke, in denen sich Idiosynkrasien des Autors abzeichnen, und Bedeutungsschwankungen, die nicht zufällig sind: Sie erlauben es, eine klare Sicht der »Ethik der Terminologie« zu entwickeln, die einem Autor eigentümlich ist.18 Eine Übersetzung ist in der Tat bereits so etwas wie ein Kommentar, insofern sie den Text durchgängig und umfassend analysiert – dies hätte ein solches idealiter vollständiges Wörterbuch zu berücksichtigen. In einer Übersetzung darf keine Frage ausgeblendet werden, die sich sprachlich manifestiert. Wenn, so Vaihinger, jeder Auslegung eine »nüchterne[n] und reservirte[n] Paraphrase«19 vorausgeht, dann könnte man die Übersetzung als eine spezielle Paraphrase auffassen, die den feinsten Verästelungen des Textes nachgeht. Unweigerlich vermischt sich die Interpretation selbst bei Detailfragen mit der Übersetzung, und wenn ein Übersetzer eine falsche Wahl trifft oder ein Problem im Ausgangstext übersieht, so wird dies zwangsläufig in der sprachlichen Wiedergabe offenkundig. Nicht nur bedient sich die Übersetzung philologischer Hilfsmittel, sondern sie selbst ist eines, wenn man sie in ihrer engen Verknüpfung mit den anderen Bereichen der philologischen Arbeit betrachtet. Gewiss mögen die sprachlichen Entscheidungen des Übersetzers als der am wenigsten philosophische Teil der Übersetzungsarbeit erscheinen. Wenn die Interpretation gelungen ist, kann man sich dort, wo die übersetzerische Lösung ungenügend erscheint, immer noch an den Anmerkungen orientieren. Doch ist es nicht nur eine Frage der Eleganz (oder eine Forderung des Verlegers bzw. ein Gebot der Vermarktung), sogar in einer Übersetzung im Rahmen einer Studienausgabe die Zahl der Anmerkungen, in denen übersetzerische Entscheidungen begründet werden und die an die Stelle gelungener übersetzerischer Problemlösungen treten, möglichst gering zu halten. Gerade die Schwierigkeit, das Denken eines Autors in die eigene Sprache zu übersetzen, gebietet eine erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber dem Text. Die Arbeit, das Denken eines bestimmten Autors in eine andere Sprache zu übertragen, darf nicht als simpler Sprachtransfer missverstanden werden, der auf die Interpretation folgt – welche sich ihrerseits vermeintlich in einem (faktisch schwer beschreibbaren) nicht-sprachlichen Raum bewegt. Vielmehr gehört die Übersetzungsarbeit essentiell und nicht nur in zweiter Linie zur Interpretation. Eine vertiefte Einsicht in die sprachlichen Eigentümlichkeiten eines zu übersetzenden Werkes entsteht, wenn der Übersetzer die sprachliche Eigenständigkeit 18 Für

den Ausdruck ethics of terminology und für interessante Bemerkungen über die Bedingungen einer philosophischen Terminologie mit einer deutlich kantischen Färbung sei verwiesen auf Charles S. Peirce: Collected Papers. Hg. von Charles Hartshorne/Peter Weiss/ Arthur W. Burks. 8 Bde. Cambridge Mass. 1931–1958 (21965). Bd. 2. §§ 219–226. 129–133. Charles S. Peirce: Phänomen und Logik der Zeichen. Hg. und übersetzt von Helmut Pape. Frankfurt a. M. 1983. 45–50. 19 Vaihinger: Kommentar [Anm. 2] Bd. 1. XII.

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des Textes so genau wie möglich ins Auge fasst und sich bemüht, ihn so präzise wie möglich, unter Beibehaltung der terminologischen Konstellationen ebenso wie der Variationen und Schwankungen, in die eigene Sprache zu übersetzen. Eben weil eine Übersetzung umso gelungener ist, je weniger sie als Übersetzung wahrgenommen wird, ist ein Vergleich verschiedener Übersetzungen ein nützliches Instrument für den Forscher wie den Philologen. 20 Nicht nur die Unterschiede zwischen den semantischen Systemen zweier Sprachen, sondern auch deren grammatikalische Differenzen verlangen vom Übersetzer philologisch fundierte Entscheidungen. Selbst dort, wo beispielsweise eine Doppeldeutigkeit im Ausgangstext in der Übersetzung in die Zielsprache beibehalten werden könnte, muss der Übersetzer die Entscheidung treffen, ob er die Doppeldeutigkeit beibehalten oder beseitigen will. Dementsprechend ähnelt die mit einer Übersetzung verbundene Interpretation mehr als alle anderen philologischen Tätigkeiten der Arbeit des Autors selbst. 21 Abgesehen vom evidenten 20

In dieser Hinsicht ist folgende Arbeit über Übersetzungen der Leibniz’schen Monadologie von großem Interesse: Antonio Lamarra/Roberto Palaia/Pietro Pimpinella: Le prime traduzioni della Monadologie di Leibniz (1720–1721). Florenz 2001. Materialien über die Website des ILIESI [http://www.iliesi.cnr.it/Leibniz/]. Hier findet sich eines der seltenen Beispiele für vergleichende Konkordanzen. Diese Arbeit enthält zunächst eine übersichtliche Synopse von französischem Original, deutscher und lateinischer Übersetzung, gegliedert in sogenannte Perikopen, d. h. Ausschnitte, die dem Alignment der Paralleltexten (Quellsprache und Zielsprache) dienen. In der Tat verfährt man ja bei der üblichen Übersetzungsarbeit ähnlich, wenn man mehr oder weniger autonome semantische Einheiten auswählt, die man mit einem einzigen Blick bei der Durchsicht des Originaltextes erfassen kann, und dies sind nicht immer Sätze, sondern auch Satzteile oder Paragraphen. Die vergleichenden Konkordanzen folgen in der alphabetischen Ordnung den französischen Termini mit Verweisen auf die Textausschnitte. Neben der evidenten Bedeutung dieses Leibniz’schen Textes für die interkulturelle Vermittlung einer für die moderne Philosophie entscheidenden Terminologie bietet dieses Buch auch pragmatische Vorteile mit Blick auf die hohen philologischen Standards einer so komplexen Aufgabe: »die Bündigkeit und Prägnanz des Textes von Leibniz, seine sehr technische Sprache, die auf klare Definitionen hin angelegt ist, ließen es als realistisch erscheinen, kontrastive Konkordanzen auszuarbeiten, welche die unmittelbare Gegenüberstellung des Leibniz’schen Textes und seiner individuellsten lexikologischen Ausprägungen mit den diversen übersetzerischen Optionen erlauben sollten.« (»La concisione del testo leibniziano, la sua sintetica pregnanza, il suo linguaggio fortemente tecnico e definitorio, rendevano realistica l’elaborazione di concordanze contrastive che ponessero a confronto diretto – attorno al lessico più specifico impiegato dall’autore – il testo leibniziano con la resa offerta dai traduttori.«) Ebd. XIII. Trotz dieser günstigen Voraussetzungen betrachten die Autoren des Bandes es interessanterweise als schwierig, ja praktisch unmöglich, zwischen den unterschiedlichen Sprachen vollautomatische Äquivalenzen herzustellen; dies sei für Leibniz unmöglich »[o]b synonima, ob vocum ambiguitatem […], ob ἕτερογένειαν phrasium in linguis«. Ebd. XV. G.W. Leibniz: De arte combinatoria (1666). In: Gottfried Wilhelm Leibniz: Die philosophischen Schriften. 7 Bde. Hg. von Carl Immanuel Gerhardt. Hildesheim 1978 [ND d. Ausg. Berlin 1875 – 1890]. Bd. 4. 72. 21 Verantwortlichkeit und Freiheit entsprechen einander. Der Philologe, der an der Text-

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Unterschied zwischen dem Denken selbst und seinem Nachvollzug, ähnelt die Verantwortung des Übersetzers der des Autors: Er setzt präzise Entsprechungen, wo dies möglich ist, doch da eine wortwörtliche Übersetzung unmöglich ist, muss er einen neuen Text verfassen, eine vollständige neue sprachliche Gestalt schaffen, in der es gilt, die gesamte sprachliche Ökonomie und Ökologie des Textes im Transfer zu bewahren. 22 Die Übersetzung ist ein genuines Instrument der Textauslegung, und in ihr ist die Frage des Verhältnisses von Denken und Sprache in all ihren nicht nur philologischen Implikationen virulent – eine Tatsache, die verkannt wird, wo die Übersetzung oberflächlich und fälschlich dahingehend missverstanden wird, sie extrahiere aus einem Text ein nicht-sprachliches Denken und kleide dieses dann in eine neue sprachliche Form. Diese Überlegung gilt insbesondere mit Blick auf Kant, dessen Denken durch und durch sprachlich gegliedert ist. 23 Da reformulieren und speziell reformulieren in einer anderen Sprache so viel bedeutet wie gedanklich nachvollziehen, muss die Wiedergabe in einer anderen Sprache als Spezialfall von Textauslegung gelten, als ein andersartiger Zugang zum Denken eines Autors. 24 So kann und muss man im Falle Kants von einem System und auch von einer auf ihre Weise kohärenten Terminologie ausgehen, die, da sie dynamisch und in Einzelfällen auch polysemisch ist, mit Instrumenten zu erforschen ist, welche über die üblichen Wörterbücher hinausgehen müssen. Nicht zufällig hat Vaihinger, der ein geschärftes Bewusstsein von der großen Bedeutung der sprachlichen Gestalt besaß, im Vorwort zu seinem Kommentar mit Blick auf die erforderliche Vollständigkeit auch an die anderen charakteristischen Aufgaben der Kant-Philologie hohe Ansprüche gestellt: die Erforschung des »historischen Untergrunds«, verstanden auch als Quellengeschichte (vgl. X), die Entwicklungsgeschichte, die konstitution arbeitet, hat auf jedem Niveau seiner Arbeit eine Verantwortung und daher einen Ermessensspielraum. Nimmt man die Philologie im weitesten Sinne als Dienst am Text, so mag die von Gianfranco Contini formulierte Maxime als allgemeine Regel gelten: »Die einzige moralische Pflicht des Philologen besteht darin, die Willkür zu züchtigen.« (»L’unica moralità del filologo è castigare l’arbitrio.«) Vgl. Interview von/mit Ludovica Ripa di Meana: Diligenza e voluttà. Mailand 1989. 231. 22 Vgl. Harald Weinrich: Ökonomie und Ökologie in der Sprache. In: Zeitschrift für französische Sprache und Literatur 100 (1990). 213–223. 23 Diesbezüglich sei an dieser Stelle auf zumindest eine der zahlreichen Studien von Mirella Capozzi verwiesen, in denen sie die Interaktion von Denken und Sprache bei Kant untersucht hat: Mirella Capozzi: Pensare, parlare e udire in Kant. In: Pietro Ciaravolo (Hg.): Scienza e coscienza tra parola e silenzio. Atti del Convegno Centro per la Filosofia italiana, Monte Compatri, 2–4 maggio 2002. Rom 2003. 183–211. 24 Zur Bedeutung der Neu-/Reformulierung auch und vor allem in einer von der Ausgangssprache verschiedenen Zielsprache vgl. auch den Beitrag von Emilio Garroni im vorliegenden Band.

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Erforschung der Wirkungsgeschichte und der Anknüpfungspunkte der Epigonen, die Sichtung der Forschungsliteratur – und nicht nur der schon damals uferlosen deutschen –, die Geschichte der ›grossen Controversen‹, und schließlich postulierte er auch, dass die Revision des Textes zu berücksichtigen sei. Es versteht sich von selbst, dass dieses sehr anspruchsvolle Programm an einen einzelnen Forscher gewaltige Ansprüche stellte und dass daher die beiden mehr als tausend Seiten umfassenden Bände seines Kommentars nur bis zur Transzendentalen Ästhetik reichen, also weniger als ein Achtel der KrV betreffen. Während Vaihinger am ersten Band seines Kommentars arbeitete, plante er daher die Gründung der Kant-Studien, in der Überzeugung, damit zur »Förderung und Centralisirung der Kantforschungen« beizutragen. 25 Hätte Vaihinger aktuelle Technologien zur Verfügung gehabt, so hätte er möglicherweise seinen Kommentar zur KrV als kooperativen Hypertext konzipiert. Die Notwendigkeiten, die sich für die Zusammenarbeit an einer differenzierten Bestandsaufnahme der kritischen Philosophie Kants ergeben, gebieten es noch heute, die Kant-Philologie als vollständiges Forschungsprogramm, mithin als Kombination unterschiedlicher Verfahren zu konzipieren, welche von der Textedition bis zur Lexikographie, zum Textkommentar und schließlich bis zur Übersetzung reichen. Vaihinger unterstreicht nicht nur aus Gründen eines starken Vollständigkeitsbedürfnisses, dass in einem Kommentar wie dem seinen auch die Übersetzungen der KrV, die »nicht unwesentliche Dienste« leisten, Berücksichtigung finden müssen. 26 A. ›Phänomen‹

Als Beispiel für die Nützlichkeit des Rekurses auf Parallelstellen zwecks Erstellung eines Glossars, welches technische von nicht-technischen Verwendungsweisen unterscheidet, sei zunächst Folgendes als Kostprobe einer logica utens der kantischen Terminologie angeführt – bevor wir zu einigen Punkten ihrer logica docens übergehen. Phänomen ist einer der technischsten Termini der kantischen Philosophie. An einigen Stellen finden sich aber Verwendungsweisen, die erheblich von den üblichen technischen Bedeutungen abweichen; in einem Kant-Lexikon sollte man diese in einem separaten Teil des Stichworts Phänomen anführen. Wenn man solche Verwendungsweisen nicht berücksichtigen wollte, würde man der Differenziertheit der Sprache Kants nicht gerecht werden. Es gibt wichtige Passagen, die durchaus als Parallelstellen bezeichnet werden können, in denen Kant vom Phänomen als einem außerordentlichen, erstaunli25 26

Vaihinger: Kommentar [Anm. 2] Bd. 1. XV, Anm. 2. Ebd. XIV.

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chen, befremdlichen Faktum spricht, eine damals wie heute auch in der Umgangssprache geläufige Verwendungsweise. 27 Diese Bedeutung ist aber offenkundig nicht diejenige, welche in Kants System dominiert und in jedem Kant-Wörterbuch verzeichnet wird. So ist in der KrV von einem Phänomen die Rede, als Kant in der Antinomie der reinen Vernunft von der »ganz natürlichen Antithetik« als »ein[em] neue[n] Phänomen der menschlichen Vernunft« spricht. (KrV B 433/A 407, AA 03: 282) In Prol wird der Ausdruck »das seltsamste Phänomen der menschlichen Vernunft« bei der Darlegung der kosmologischen Ideen verwendet, und ein paar Seiten später verwendet Kant erneut den Ausdruck Phänomen mit Blick auf die Antinomien, indem er von ihnen als dem »seltsamste[n] Phänomen der menschlichen Vernunft« spricht. 28 Diese Verwendungsweise kann auch das Vermögen des Verstandes betreffen, was eine möglicherweise nicht nur technische, sondern auch systematische Funktion andeutet. In der KrV spricht Kant vom Schein, den die transzendentale Idee der durchgängigen Bestimmung der Dinge überhaupt erzeugt, als von einem »Phänomen des Verstandes«, welches erklärungsbedürftig sei, denn es genüge nicht, »das Verfahren unserer Vernunft und ihre Dialektik zu beschreiben«. (KrV B 609/A 581, AA 03: 391) Da es sich um den Verstand handelt, ist diese Illusion selbstverständlich nicht antinomisch, sondern nur dialektisch, sodass es nur darum geht, den Grund für diese ›natürliche Illusion‹ zu klären. Die Systematik dieser Verwendungsweise von Phänomen bestätigt sich in der KU, wo Kant am Ende des Vorworts schreibt, es müsse ausreichen, wenn das Prinzip der Urteilskraft »richtig angegeben worden, klar genug dargethan« sei, obwohl »die Art das Phänomen der Urteilskraft davon abzuleiten, […] nicht alle Deutlichkeit [habe], die man anderwärts, nämlich von einem Erkenntniß nach 27

Johann Christoph Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der oberdeutschen. Leipzig 1793–1801. 4 Bde. und Supplementband 1818 [erste Aufl. Leipzig 1774 – 1786, 5 Bde.]. Bd. 3. 765. Vgl. [http://woerterbuchnetz.de/Adelung]. 28 Kant: Prol § 50, A 142, AA 04: 338; Prol § 52a, A 144. AA 044: 340. Vgl. auch die Wortverwendung im Kapitel der Geschichte der Verirrungen der menschlichen Vernunft in Kants Entwurf für die Preisschrift über die Fortschritte der Metaphysik: »Allein ein anderes sonderbares Phänomen mußte die auf dem Polster ihres vermeyntlich durch Ideen über alle Grenzen möglicher Erfahrung erweiterten Wissens schlummernde Vernunft endlich aufschrecken, und das ist die Entdeckung, daß zwar die Sätze a priori, die sich auf die letztere einschränken, nicht allein wohl zusammenstimmen, sondern gar ein System der Naturerkenntniß a priori ausmachen, jene dagegen, welche die Erfahrungsgrenze überschreiten, ob sie zwar eines ähnlichen Ursprungs zu seyn scheinen, theils unter sich, theils mit denen, welche auf die Naturerkenntniß gerichtet sind, in Widerstreit kommen und sich unter einander aufzureiben, hiemit aber der Vernunft im theoretischen Felde alles Zutrauen zu rauben, und einen unbegränzten Scepticism einzuführen scheinen.« Kant: Welches sind die wirklichen Fortschritte, die die Metaphysik seit Leibnizens und Wolff’s Zeiten in Deutschland gemacht hat? FM/Beylagen A 168, AA 20: 319 [Hervorhebung HH].

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Begriffen, mit Recht fordern kann«. (KU B X, AA 05: 170) [Hervorhebung HH]29 Das »Befremdende und Abweichende« (KU B XLVI, AA 05: 191) dieses Prinzips liegt nun darin, dass es sich nicht um einen Begriff handelt, dass es sich aber trotzdem als Begriff präsentiert, es liegt also in der spezifischen Antinomik dieses Vermögens. Der rätselhafte Ausdruck wird umso interessanter, wenn man bedenkt, dass im Falle der Urteilskraft die beiden Eigentümlichkeiten der Geschmacksurteile (KU §§ 32, 33) das Procedere ihrer Deduktion bilden (§ 31), aber auch der »Auflösung der Antinomie des Geschmacks« dienen (§ 57). 30 Dieses gewiss sprachlich marginale Beispiel mag für den Übersetzer irrelevant sein, der ganz unbedacht, aber korrekt das zielsprachliche Äquivalent von ›Gegenstände sinnlicher Anschauung‹ wählen wird und die Verantwortung für ein mögliches Missverständnis beim Autor belässt. Eine Analyse der Polysemie von Phänomen in Kants Werken wäre verdienstvoll, sie würde aber erheblich dadurch erschwert, dass Kant in seinen drei Kritiken Deduktion und Antinomien unterschiedlich konzipiert hat, sodass man ihre Veränderungen genau nachverfolgen müsste; es ist besonders die KU, die das Verhältnis von Deduktion und Antinomien radikal zu überdenken verlangt. Ein instruktives Beispiel bieten zwei klassische Übersetzungen der Prolegomena: Piero Martinetti, der erste Übersetzer der Prol ins Italienische, übersetzt die erste Okkurrenz (»das merkwürdigste Phänomen derselben [das Produkt der reinen Vernunft in ihrem transzendenten Gebrauch]« [§ 50]) folgendermaßen: »la più mirabile tra le sue manifestazioni« (›die staunenswerteste unter ihren Manifestationen‹) und die zweite (»das seltsamste Phänomen der menschlichen Vernunft« [§ 52a]): »il più strano caso della ragione umana« (›der sonderbarste Fall der menschlichen Vernunft‹). 31 Er hätte das Wort fenomeno wählen können, 29 Selbstverständlich

geht die Aufmerksamkeit für diese Übersetzung einher mit einer Gesamtinterpretation eines so komplexen Werkes wie der KU, vielleicht auch mit möglichen Weiterentwicklungen durch andere Autoren. Man könnte die Ansicht vertreten, dass Goethe den Ausdruck Urphänomen analog zur KU verwendet hat, als »sonderbare und merkwürdige Erscheinung, die uns die Grenzen des Unerforschlichen« offenbart, welche in der Antinomie der Vorstellungsart seine Wurzel hat, aber auch Bedingung der Möglichkeit der wissenschaftlichen Annäherung an die Wahrheit ist. Vgl. Johann Wolfgang von Goethe: Werke. Hg. von Gustav von Loeper et al. 143 Bde. Weimar 1887–1919. Abt. II. Bd. 11. 160–163; Farbenlehre. A. a. O. Abt. II. Bd. 1. 72; Karl Wilhelm Nose. Abt. II. Bd. 9. 194–195; Brief an Heinrich Wilhelm Ferdinand Wackenroder vom 21. Januar 1832. Abt. IV. Bd. 49. 210–211, sowie passim. 30 Kant: KU B 136–142, AA 05: 281–285; KU B 133–136, AA 05: 280 f.; KU B 234, AA 05: 339. Vgl. Vf.: Kant, filosofo dell’architettonica. Saggio sulla Critica della facoltà di giudizio. Macerata 2004. 175 ff. 31 Kant: Prol A 142, AA 04: 338; Prol A 144, AA 04: 340. Vgl. Prolegomeni ad ogni meta­ fisica futura che vorrà presentarsi come scienza. Hg. und übers. von Piero Martinetti. Mailand/Turin/Rom 1913. 113 und 115 [Hervorhebung HH]. Dass Martinetti das Problem gesehen hat, geht vielleicht daraus hervor, dass er einen Passus aus § 13 übersetzt hat, der dieses vorwegnimmt; dort spricht Kant von »jene[n] merkwürdige[n] Auftritte[n] der Antinomie

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welches im Italienischen dieselbe Doppeldeutigkeit besitzt wie im Deutschen. Martinetti hätte vermutlich in einem Kontext, in dem es auch um Schein und Erscheinung geht, versucht, den Leser nicht mit dem ambivalenten Begriff Phänomen zu verwirren, doch hätte er durch die alternative Übersetzung das dahinterstehende Problem verdeckt: die neutrale ›Manifestation‹ und den unverfänglichen Begriff ›Fall‹. Auch Pantaleo Carabellese bemerkt den ungewöhnlichen kantischen Gebrauch und übersetzt an der ersten Stelle: »il più notevole fenomeno« (›das bemerkenswerteste Phänomen‹), erläutert aber in einer Fußnote: »Phänomen, dice K.; e non è certo da confondersi con l’Erscheinung.« (›Phänomen, sagt K., gewiss nicht zu verwechseln mit Erscheinung.‹) An der zweiten Stelle wählt er die Übersetzung »singolarissimo fenomeno della ragione umana« (›höchst eigenartiges Phänomen der menschlichen Vernunft‹) und setzt in Klammern neben ›fenomeno‹ den deutschen Ausdruck Phänomen. 32 Welche Strategie des Übersetzers auch vorzuziehen sein mag: Es ist einleuchtend, dass eine Interpretation in jedem Fall von einem idealiter vollständigen Vokabular ausgehen sollte, das auch mehr oder weniger regelmäßig auftretende Homonymien erfasst. Nur so lassen sich reflektierte Entscheidungen treffen: entweder stillschweigend die sonderbare, scheinbar abweichende Verwendung des Wortes der flüssigen Lesbarkeit halber hinter einer unauffälligen Wahl zu verstecken oder den Leser stolpern zu lassen und vielleicht das Original in eckigen Klammern hinzuzufügen, vielleicht sogar ergänzt durch eine Anmerkung, die die Doppeldeutigkeit erläutert. 33 der Vernunft« (Prol A 69, AA 04: 292) (»quelle curiose manifestazioni dell’antinomia della ragione«). In dem Ausdruck Auftritt schwingt ein theatralisches, ein sinnlich-erscheinungshaftes Element mit (poetisch in Zachariä, der Morgen als ›himmlischer Auftritt‹. Zit. nach Adelung, Lemma »Auftritt«). »Ehe wir die Auftritte des Zwiespalts und der Zerrüttungen sehen lassen, welche dieser Widerstreit der Gesetze (Antinomie) der reinen Vernunft veranlaßt […]«. (KrV B 424/A 407, AA 03: 282) [Hervorhebung HH]. 32 Kant: Prolegomeni ad ogni futura metafisica che si presenterà come scienza. Hg. und übers. von Pantaleo Carabellese. Rom/Bari 1925, 145 und 148. – Beide Übersetzer zeigen eine gewisse Ratlosigkeit, wenn der Begriff in entlegeneren Kontexten auftaucht. Nachdem Carabellese postuliert hat, Phänomen sei in dieser Bedeutung nicht mit Erscheinung gleichzusetzen, übersetzt er seltsame Erscheinung (eben das Phänomen der Antinomien) (Anm. zu Prol § 52 b, A 146, AA 04: 341) mit ›strano fenomeno‹; so übersetzt aber auch Martinetti entgegen seiner erklärten Absicht, diese Übersetzung auszuschließen. In einem Passus der ersten Abschnitte des Werkes, in dem die Antinomien zwar nicht direkt behandelt werden, betrachtet Kant etwas nah Verwandtes, das Wechselspiel von Dogmatismus und Skeptizismus als Schaum, der sich verdichtet und wieder verflüssigt. Statt sich von diesem zergehenden Schaum täuschen zu lassen, müsste man »in der Tiefe die Ursache dieser Erscheinung« (Prol A 34, AA 03: 273) suchen. Martinetti übersetzt: »cercare nel profondo la causa di questo fenomeno«(Martinetti: Kant: Prolegomeni [Anm. 31] 38), Carabellese hingegen: »cercare nella profondità la causa di questa manifestazione« (Carabellese: Kant: Prolegomeni. a. a. O. 36) [Hervorhebungen HH]. 33 Die Wahl des Tempus und die Flüssigkeit des Textes bzw. seine Sperrigkeit, die den

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II.  Die Sprachauffassung Kants und die Charakteristika seiner Sprache

Wenn es tatsächlich für die Kant-Philologie charakteristisch ist, der Sprache Kants besondere Beachtung zu schenken, so gilt es, über die Charakteristika der philosophischen Sprache Kants zu reflektieren: Wie benutzt Kant die philosophische Sprache (logica utens), welche Vorschriften und Maximen hat er mit Blick auf die philosophische Sprache formuliert (logica docens)? Nachlässige Textauslegungen, die sich auf der Basis von Normalstellen willkürlich auf Teile des terminologischen Gesamtsystems beschränken, zeugen nicht nur von Schwäche. Vielmehr sind sie im Falle der Kant-Forschung ganz und gar verfehlt und verkennen die wesentlichen Intentionen, die in Kants Konzeption der Sprache der Philosophie liegen. Ein instruktives Beispiel dafür bietet Georg Samuel Albert Mellins Wörterbuch der kantischen Terminologie. In der Einleitung erklärt Mellin seine Absicht, Kant gegen den Vorwurf zu verteidigen, er habe zu wenige Definitionen geliefert und sich »hinter einer fremden Kunstsprache versteckt«. 34 In dieser Absicht orientiert Mellin sich am Vorbild der Philosophia definitiva von Baumeister (1734), welcher systematisch die Definitionen des Wolff’schen Systems zusammengetragen hatte. Nun war freilich Baumeisters Anliegen, die Wolff’sche Philosophie in ihrer expliziten Systematik darzulegen, gewiss einfacher als dasjenige Mellins, bildet doch die Definition die rationalistische Keimzelle der Philosophie Wolffs. Indem Mellin in seinem Wörterbuch nach diesem Muster verfährt, gelingt es ihm ohne Weiteres, das System der kritischen Philosophie didaktisch fasslich zu machen und die Fremdheit der Sprache Kants durch Annäherung an die Diktion der Wolff’schen Schulphilosophie zu reduzieren. Doch der Preis, der dafür zu entrichten ist, ist hoch: Die Idee von System, welche Kants Unternehmen charakterisiert, ist ganz und gar entstellt. Kant zufolge zeichnet sich die Philosophie unter anderem gerade durch die nicht-propädeutische Funktion der Definition aus: Philosophieren ist eine diskursive Tätigkeit zur Herstellung von Begriffen, welche sich gerade durch die Funktion der Definition von der Mathematik unterscheidet: »In der Mathematik gehört die Definition ad esse, in der Philosophie ad melius esse.« (KrV B 758/A 730, Fußnote, AA 03: 479)35 Wolff hingegen postuliert eine Annäherung der PhiLeser sporadisch zu Pausen zwingt, sind keineswegs sekundär. Hier ließe sich ein Vergleich mit der Verteilung von Licht und Schatten, vielleicht auch mit der Perspektive in einem Gemälde anbringen: Sie lenken die Aufmerksamkeit und heben bestimmte Aspekte hervor. Eine Übersetzung, der es nicht gelingt, den Stil erkennbar werden zu lassen, ist nicht nur hässlich, sondern in einigen Fällen sogar falsch. 34 Georg Samuel Albert Mellin: Kunstsprache der kritischen Philosophie, oder Sammlung aller Kunstwörter derselben. Jena/Leipzig 1798. Vorwort [ohne Paginierung]. 35 Schon der junge Kant erklärt: »Ich werde so verfahren als einer, der die Definition sucht

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losophie an die demonstrative Methode der Mathematik, »is non utitur terminis nisi accurata definitione explicatis«. 36 In diesem Sinne ist Mellins Entscheidung, das eigene Wörterbuch alphabetisch zu ordnen – dies ist die einzige explizite Abweichung von der Darstellungsmethode Baumeisters –, bedeutsam, denn implizit wird damit konzediert, das kantische System eigne sich nicht wie das Wolff’sche für eine gegliederte Darlegung more geometrico. Mellins Versuch, Rationalismus und kritische Philosophie, einen dogmatischen Systembegriff und dessen Kritik miteinander zu versöhnen, mündet in nichts anderem als einem Kompromiss. Im Übrigen wurde die Spannung zwischen System und alphabetischer Ordnung unter Zeitgenossen lebhaft diskutiert. Moses Mendelssohn etwa hatte in seinen posthum publizierten Vermischten Gedanken geschrieben: Wolffens lateinische Schriften machen zusammen eine kleine philosophische Encyklopädie aus. Nur Schade! daß die Sachen nicht in eine alphabetische Ordnung gestellt sind. Ein Dictionnaire soll unser Jahrhundert verewigen, aber kein philosophisches System. 37

Ein alphabetisch geordnetes Wörterbuch der Wolff’schen Terminologie war 1737 von Meissner veröffentlicht worden. 38 So beklagt Mendelssohn nicht explizit die starke und nicht immer namentlich ausgewiesene Präsenz von Wolffs Werken (selbstverständlich insbesondere den lateinischen) in der Encyclopédie, sondern spielt nur ironisch darauf an. Zugleich deutet er an, dass sich der enorme Erfolg des Werkes von Diderot und D’Alembert ganz wesentlich dessen alphabetischer Ordnung verdankte, mithin die Unmöglichkeit eines système bezeuge. In seiner berühmten Einleitung in die Encyclopédie postuliert D’Alembert, das Wissen sei nur zu kartographieren (als eine »Mappemonde des Sciences & des Arts«39), und sich zuvor von demjenigen versichert, was man mit Gewißheit bejahend oder verneinend von dem Gegenstande der Erklärung sagen kann, ob er gleich noch nicht ausmacht, worin der ausführlich bestimmte Begriff desselben bestehe.« Kant: Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes (1763) (BDG A 2–3, AA 02:71). 36 Christian Wolff: Philosophia prima, sive Ontologia, methodo scientifica pertractata, qua omnis cognitionis humanae principia continentur. Frankfurt/Leipzig 1736 [¹1730]. Prol § 7. In: ders.: Gesammelte Werke. Hg. von Jean École/Hans Werner Arndt. Hildesheim 1962. Bd. 2. 4. 37 Moses Mendelssohn: Vermischte Gedanken. § 5. In: ders.: Kleine philosophische Schriften. Mit einer Skizze seines Lebens und Charakters von Daniel Jenisch. Berlin 1789. 90–91. Wieder abgedruckt in: Mendelssohn: Gesammelte Schriften. Hg. von Alexander Altmann et al.. Bad Cannstatt 1929 ff. Bd. 6.1. 123. 38 Dazu und speziell zu Baumeister und Meissner vgl. Eugenio Canone: I lessici filosofici latini del Seicento. In: Il vocabolario della République des lettres. Terminologia filosofica e storia della filosofia. Problemi di metodo. Atti del Convegno internazionale in memoriam di Paul Dibon (Neapel, 17.–18. Mai 1996). Hg. von Marta Fattori. Florenz 1997. 93–114, hier: 98. 39 D’Alembert spricht von einer »Distribution Généalogique (ou si l’on veut Mappe-

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inspiriert vom esprit systématique, nicht vom esprit de système – mithin bilde es keinesfalls ein rationalistisches System, wo alles auf logische Prinzipien reduzierbar und hierarchisierbar sei. Wenn, so scheint Mendelssohn zu insinuieren, man der Mode äußerlich Tribut gezollt und ein rationalistisches System wie das Wolff’sche in alphabetischer Ordnung präsentiert hätte, dann hätte der esprit de système, versteckt im Schafspelz des esprit systématique, das Jahrhundert geprägt. Mendelssohn schätzt ja mehr als alles andere an Wolff den Systembegriff und dessen Strenge, sodass er sich, im Gegensatz zu seinem Jahrhundert (zumindest zur zweiten Jahrhunderthälfte), in freilich durchaus eigenständiger Weise der demonstrativen Methode verpflichtet fühlt, die auf der Möglichkeit von Definitionen und Demonstrationen in der Philosophie beruht. Daniel Jenisch hat in der biographischen Skizze, die er der Edition der kleineren, posthum erschienenen Schriften Mendelssohns vorangestellt hat, von dessen Aversion gegen jede Art von Polemik berichtet, in der man sich nicht gleich eingangs über die Definitionen oder die Grundbegriffe geeinigt habe: »Er behauptete […], daß der gröste Theil der gelehrten Streitigkeiten, aus Mißverstand der Definizionen entstehe.« 40 Interessanterweise hat Kant das Bedürfnis, sich in genau diesem Punkt von Mendelssohn und ganz allgemein von allen abzugrenzen, die die demonstrative Beweisart in der Philosophie für möglich halten. 41 Kant zufolge können in der monde) des Sciences & des Arts«. Vgl. Encyclopédie, ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers. 1751–1772. Bd. 1, Discours préliminaire des Editeurs, LI, und noch klarer schreibt Denis Diderot im Artikel »Encyclopédie«: »l’ordre encyclopédique général sera comme une mappemonde où l’on ne rencontrera que les grandes régions.« Encyclopédie. Bd. 5. 641. Kant benutzt das Wort mappemonde für die Idee einer pragmatisch-emipirischen Enzyklopädie, vgl. AA 16:189, und man findet es auch in der Jäsche Logik, Log, AA 09: 43. 40 Daniel Jenisch: Skizze von dem Leben und Charakter M. Mendelssohns. Berlin 1789. 61. Wieder abgedruckt in Mendelssohn: Gesammelte Schriften. Bd. 22. Hg. von Michael Albrecht. Bad Cannstatt 1995. 291. 41 Kant: Einige Bemerkungen von Herrn Professor Kant aus L.H. Jakobs Prüfung der Mendelssohnschen Morgenstunden (1786); Jakobs Prüfung, A XLIX, AA 08: 151: »Wenn man die letzte Mendelssohn’sche von ihm selbst herausgegebene Schrift liest und das nicht im mindesten geschwächte Vertrauen dieses versuchten Philosophen auf die demonstrative Beweisart des wichtigsten aller Sätze der reinen Vernunft darin wahrnimmt, so geräth man in Versuchung, die engen Grenzen, welche scrupulöse Kritik diesem Erkenntnisvermögen setzt, wohl für ungegründete Bedenklichkeit zu halten und durch die That alle Einwürfe gegen die Möglichkeit einer solchen Unternehmung für widerlegt anzusehen.« Kant bezieht sich hier auf eine Passage in den Morgenstunden, in denen Mendelssohn erklärt: »Sie wissen wie sehr ich geneigt bin, alle Streitigkeiten der philosophischen Schulen für bloße Wortstreitigkeiten zu erklären, oder doch wenigstens ursprünglich von Wortstreitigkeiten herzuleiten.« Mendelssohn: Morgenstunden oder Vorlesungen über das Daseyn Gottes. Berlin 1786. Kap. XII. 212. In: ders.: Gesammelte Schriften [Anm. 37]. Bd. 2. 1, 104.

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Philosophie mathematische Demonstrationen keine Verwendung finden, und bekanntlich fordert er eine dezidierte Unterscheidung zwischen Beweis und Demonstration: Beweise in der Philosophie müssen als akroamatische Beweise bezeichnet werden, also als Beweise mittels Begriffen, 42 nicht mittels Demonstrationen, denn diese gehen »wie der Ausdruck es schon anzeigt, in der Anschauung des Gegenstandes« fort und gehören mithin zur Mathematik. 43 Das aber hat beträchtliche Folgen für den Argumentationsstil: Nur wenn sie nach der demonstrativen Beweisart verfahren, können die Philosophen in der Diskussion ihren Dissens auflösen, indem sie mit Leibniz schlichtweg fordern: calculemus. 44 Diese rationalistische Variante der ars disputatoria bleibt ausgeschlossen, wenn man auf der wesentlichen Differenz zwischen Mathematik und Philosophie insistiert, welche für die kritische Philosophie charakteristisch ist. Sprache ist etwas anderes als Calculus, und die Sprache der Philosophie kennt keine Demon­ strationen, welche es erlauben würden, einem Begriff mittels einer apriorischen Konstruktion Realität zu verschaffen, wie dies hingegen in der Mathematik geschieht. Philosophieren ist auf Sprache angewiesen und muss von den Problemen ausgehen, die sich im Laufe der Geschichte in der Sprache sedimentiert haben. Man kann sich deshalb nicht auf eine ideale Sprache jenseits der historisch determinierten Sprache beziehen, um philosophische Konflikte zu lösen, als wären diese bloße Wortgefechte. Missverständnisse, die im philosophischen Diskurs auftreten, dürfen aber nicht als ausschließlich akzidentell betrachtet und einfachen Homonymien angelastet werden: Für Kant gibt es in der Sprache ebenso wenige Homonyme wie Synonyme. Der historisch bestimmten Sprache misst Kant eine so große Bedeutung zu, dass man es sich ihm zufolge allzu leicht macht, wenn man philosophische Kontroversen zu bloßen Wortstreitigkeiten erklärt, wie 42

Akroamatisch hat in diesem Kontext nichts mit esoterischen Lehren, sondern nur mit dem Gehör zu tun. Über die Übereinstimmung von Begriff und Wort und die Bedeutung des gehörten Wortes vgl. Mirella Capozzi: Kant e la logica. Bd. 1. Neapel 2002. 503–511. 43 Kant: KrV B 763/A 735, AA 03: 482. Die Unterscheidung von Beweis (probatio) und Demonstration (demonstratio) stammt nicht von Kant. Sie findet sich beispielsweise auch in Wolffs Deutscher Logik, wo freilich nicht von einem Gegensatz zweier Modalitäten, sondern eher von einer Implikation ausgegangen wird; die Demonstration ist dort eine Art des strengen Beweises. Vgl. Christian Wolff: Vernünfftige Gedancken von den Kräfften des menschlichen Verstandes und ihrem richtigen Gebrauch in Erkäntniß der Wahrheit. Halle 1713. In: ders.: Gesammelte Werke. Hg. von Jean École/Joseph Ehrenfried Hofmann / Marcel Thomann/Hans Werner Arndt. Hildesheim 1962 ff. 1. Abt. Bd. 1 (1965). § 21. 71 ff. 44 Der Methode der Mathematik zur Schlichtung philosophischer Kontroversen zu folgen, ist eine Idee, die dem Denken von Leibniz wesensverwandt ist: Die philosophische Sprache sollte in eine eindeutige und wohldefinierte Sprache übersetzt werden, und dank dieser strengen Verbindlichkeit könnte dann kein Disput mehr aufkommen, der mehr wäre als einer ›inter duos Computistas‹. Demzufolge würde es ausreichen, Platz zu nehmen, Tinte und Feder zur Hand zu nehmen und am Rechenbrett (ad abacos) zu sagen: calculemus. Vgl. Leibniz: Die philosophischen Schriften [Anm. 20]. Bd. 7. 200, sowie ebd., 65.

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Mendelssohn das tut, »um dem beschwerlichen Geschäfte der Entscheidung des Streits der reinen Vernunft mit ihr selbst durch vollständige Kritik dieses ihres Vermögens überhoben zu sein«. (Jakobs Prüfung A LI, AA 08: 152). 45 Diese umstandslose Distanzierung von Mendelssohn sollte nicht als Ausdruck eines charakterlichen Unterschieds zwischen Kant und Mendelssohn missverstanden werden, denn auch Kant ließ sich ungern auf Streitigkeiten zwischen Gelehrten ein, und für die Zeit vor der KrV wird man ihm ein versöhnliches Temperament zuschreiben dürfen, welches dem Mendelssohns verwandt war;46 geschweige denn, dass man hier eine taktlose Kritik zur Unzeit annehmen müsste: Mendelssohn war einige Monate zuvor verstorben, und Kant schätzte ihn aufrichtig. Die ungewöhnliche Entschiedenheit dieser Distanzierung erklärt sich vielmehr aus dem Umstand, dass Kant an einer Profilierung der radikalen Neuheit seiner Philosophie in zweierlei Hinsicht gelegen war: der Entdeckung eines inneren Konfliktes der Vernunft mit sich selbst, welche die kritische Untersuchung der Vernunft durch die Vernunft selbst notwendig und möglich macht, sowie, metaphilosophisch betrachtet, der Annahme einer Identität von Vernunft und Sprache als Eckpfeiler der Methodenlehre – philosophische Beweise sind stets akroamatisch und können sich daher nicht unmittelbar auf Anschauungen beziehen, um den eigenen Begriffen Realität zu verschaffen, wie dies in der Mathematik hingegen der Fall ist; sie können sich nur auf sprachliche Begriffe beziehen. Denken ist auf Sprache angewiesen, so Kant, und sprachliche Streitigkeiten, wie sie die Geschichte des Denkens schon immer begleitet ha45 Mit seiner Konzeption ist Mendelssohn einer langen Tradition verpflichtet und hat damit sicherlich die meisten Philosophen auf seiner Seite. Vgl. beispielsweise die Lemmata Logomachia und Wortstreit in: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hg. von Joachim Ritter/Karlfried Gründer/Gottfried Gabriel. 13 Bde. Stuttgart/Basel 1971–2004: Gottfried Gabriel: Art. Logomachia. Bd. 5. 489. Jakob und Klaus Lanz: Art. Wortstreit. Bd. 13. 1050– 1052. Diese Tradition hat auch deutlichen Niederschlag in der Lexikographie gefunden. Im Vorwort zu André Lalande: Vocabulaire technique et critique de la philosophie. Paris 2002 [1961], erhält diese Auffassung geradezu programmatische Funktion und wird durch viele Zitate von Autoren gestützt, denen zufolge viele philosophische Konflikte in der Sprache wurzeln (Descartes, Locke, Leibniz etc.). Die Genese (oder vielleicht eher die Heterogonie der Zwecke) dieses berühmten philosophischen Wörterbuchs besteht gerade in dem Versuch, unter philosophes de profession eine Einigung über den Gebrauch bestimmter philosophischer Termini herbeizuführen – vielleicht nach dem Vorbild der internationalen Chemikerkongresse, die schon Mitte des 19. Jahrhunderts eine eindeutige internationale Terminologie etablierten. Vorausgegangen waren Diskussionen über die semantischen (nicht konstruktiven) Definitionen philosophischer Termini innerhalb einer Gruppe von Philosophen, welche schließlich zur Erstellung eines Wörterbuchs führten, das nur so weit kritisch und historisch sein sollte, dass es eine konsensfähige Terminologie ermöglichte, »condition nécessaire d’une communauté mentale« (ebd. XVII). 46 Vgl. Norbert Hinske: Kants Weg zur Transzendentalphilosophie. Der dreißigjährige Kant. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1970. 133.

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ben, können nicht aus der Welt geschafft werden, indem man willkürlich eine definitorische Standardisierung vornimmt, um Philosophieren zu einer Algebra des Denkens, einer »symbolischen Construction«( KrV B 745/A 717, AA 03: 471), 47 einer Synthesis des Gleichartigen zu machen. Wenn das zutrifft, wird klar, dass die Sprache der Philosophie und die philosophische Terminologie für Kant nicht nachrangig sein können und nicht nur die sprachliche Gestalt des Denkens betreffen. Die Vorteile des esprit de système und von Wolffs Art des Vortrags sind Kant dabei durchaus bewusst, etwa dort, wo es um die Art der Darstellung des Systems zu didaktischen Zwecken geht. Von Wolff übernimmt Kant die Unterscheidung zwischen cognitio ex datis und cognitio ex principiis, allerdings macht er sie ausgerechnet gegen die Wolff’sche Systemkonzeption geltend. Selbst wenn man sich, so gibt Kant zu bedenken, Wolffs philosophisches Gesamtsystem einprägen und ihm Prinzipien, Definitionen und Beweise entlehnen würde, besäße man davon doch nur historische Erkenntnis (ex datis). Wäre das philosophische System nicht nur nach der Methode der Mathematik modelliert, sondern besäße es auch deren apodiktische Gewissheit und Demonstrierbarkeit, so würde hingegen die historische Erkenntnis dieses System zugleich auch mit seiner rationalen Erkenntnis (ex principiis) einhergehen. 48 Die didaktischen Vorteile lägen in diesem Falle auf der Hand. Auf der Basis der metaphilosophischen Prämissen ist diese Koinzidenz von Erkenntnisweisen Kant zufolge in der Philosophie unmöglich, in der Mathematik hingegen offenkundig möglich. Man kann sich das kantische System niemals und nicht einmal im Prinzip aneignen und einprägen in der Hoffnung, auf diese Weise zu rationaler Erkenntnis zu gelangen. Ein jeder philosophischer Text ist nur durch die Beziehung auf eine Idee möglich, es bleibt immer ein Versuch, eine ideale Totalität darzustellen. Die Transzendentalphilosophie bewegt sich stets in der Spannung zwischen einem scholastischen und einem kosmischen Philosophieverständnis, und die »vollkommene systematische Einheit der Vernunft« bleibt eine reine Referenz auf das Noumenale. 49 Neben der Unmöglichkeit, die Philosophie zu lehren, besteht eine weitere Konsequenz aus dem Gesagten darin, dass die Sprache, in der sich die Philosophie ausdrückt, nicht glatt und gefällig sein kann. Kant erklärt ausdrücklich:

47 Wenige Seiten weiter unten spricht Kant von der Algebra als einer »charakteristische[n] Construction« (KrV B 762/A 734, AA 03: 471). Dies kann als Beispiel für ein Oszillieren der Terminologie zwischen herkömmlicher und neuer kritischer Bedeutung gelten, welchem nur in der KU durch eine kritisch elaborierte Theorie der Sprache Stabilität und eine neue Bedeutung zukommt. Der Unterschied zwischen Symbol und Charakter ist ein wichtiges Zeichen für Kants Distanzierung von der Terminologie des Rationalismus, vgl. KU § 59. 48 Kant: KrV B 863 ff./A 835 ff., AA 03: 540 ff. 49 KrV B 868/A 840, AA 03: 543. KrV B 866–867/A 838–839, AA 03: 542.

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Meine Methode ist nicht sehr geschikt dazu, den Leser an sich zu halten und ihm zu gefallen. Man muß seine Beurtheilung vom Ganzen anfangen und auf die Idee des werks samt ihrem Grunde richten. Das übrige gehört zur Ausführung, darin manches kan gefehlt seyn und besser werden. (Refl. 5025 [1778], AA 18: 64)

Als Mellin versuchte, Kants Sprache zu vereinfachen, indem er die Terminologie standardisierte und Definitionen nach Wolff’schem Modell präsentierte, hat er die kritische Philosophie im Ansatz missverstanden. Seine Intention hingegen war nicht ganz ungerechtfertigt, denn die Vorteile einer formalisierten, technischen Sprache sind Kant durchaus bewusst. Kant mag sogar versucht haben, eine solche herzustellen. In einer handschriftlichen Notiz spricht er in diesem Sinne von einem transzendentalen Algorithmus: Es ist von der großten Wichtigkeit, eine Wissenschaft der Vernunft technisch zu machen. Die Logici haben es mit ihrer syllogistik als einer fabrik umsonst versucht. Nur in Ansehung der Größen ist es denen Erfindern des algorithmus gelungen. Solte es nicht in der Critik der reinen Vernunft auch so seyn, nicht zur Erweiterung, sondern Läuterung der Erkentnisse? Durch die technische methode kann man bey der Bezeichnung iedem Begriffe seine Function geben oder vielmehr die functiones selber an sich selbst und gegen einander ausdrücken. Die algebra drükt sich nur gegen einander aus, vielleicht auch so im transscendentalen algorithmus. Die Versehen können dadurch allein verhütet werden und das Uebersehen). (Refl. 4937 [1776], AA 18: 34)

Ein genauerer Blick auf Kants Konzeption der Sprache der Philosophie und der Vor- und Nachteile einer Terminologie mag klären, wie Kant sich über technische Termini geäußert hat. 50 Der Ausdruck kommt nur einmal vor, und zwar in einer der allerersten Reflexionen Kants, wo es heißt, die Logik, die von Gelehrte[n] von Profeßion vorgetragen werde, unterscheide sich dadurch von der von reinen Lieb50

Der Untersuchung des Begriffs des terminus tecnicus bei Kant müsste eine breiter angelegte historische Semantik dieses Begriffs entsprechen, die mindestens von Cicero bis Bartholomäus Keckermann reichen und die Sprachlogik des mittelalterlichen Terminismus berühren müsste, um in die Wiederaufnahme der modi significandi in der humanistischen Logik einzumünden (Philipp Melanchthon, Augustinus Hunnaeus, Nicolaus Hunnius und Johann Heinrich Alsted). Wo Cicero von Wörtern spricht, die nicht zur Umgangssprache gehören und die von den Logikern erfunden oder entlehnt werden müssen (verba dialecticorum nulla sunt publica. Cicero: Academicae Quaestiones. I, 25), da folgt ihm Kant unter Anspielung auf die egestas linguae: »Ein Ausdruck bekommt verschiedene Namen. Wenn er unter allen bekannt ist, so heißt er vulgaris. Wenn er aber nur unter den Gelehrten bekannt ist, dann heißt er receptus sc. ab eruditis. Wenn ein Ausdruck nur unter Personen von gewisser Kunst gebräuchlich ist, so heißt er terminus technicus. Ein terminus technicus ist nur eine Nothhülfe wo der vsus communis nicht zulangt. Sie werden offt zur Ostentation gebraucht. Man muß sie aber nur in der Kunst brauchen ausser ihr gar nicht.« (V-Lo/Philippi, AA 24,1: 485)

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habern vorgetragenen, dass sie »terminos technicos, oder Kunstwörter« benutze (Refl 1571 [1752–1756], AA 16: 10). Letzteres sei von Vorteil, aber Kant hat immer rasch hinzugefügt, dieser logica docens könne eine Logik hinzugefügt werden, die nicht nur für Schulfüchse bestimmt sei, sondern »gemeinnützige Erkenntniß« (Refl 1571 [1752–1756], AA 16: 11) bewirke. Ein übertriebener, nutzloser und einseitiger Gebrauch der Terminologie fügt der Wissenschaft selbst Schaden zu, indem er sie dem Risiko der Pedanterie und künstlichen Subtilität aussetzt und verhindert zu prüfen, ob es sich um echte Wissenschaft handelt. Schon in der vorkritischen Phase bestreitet Kant, dass die Ästhetik eine Wissenschaft sein kann, und behauptet, sie könne nicht einmal eine disciplin, doctrin sein: »Daher muß der schulnahme aesthetic vermieden werden.« (Refl 626 [1764–1777], AA 15: 272) Das einzig mögliche Wissen im Bereich der sogenannten Schönen Wissenschaften ist das der Kritik. Die Prinzipien, nach denen das Schöne geschätzt wird, sind subjektiv, sie basieren auf Erfahrung oder Regeln, die aus Disziplinen wie der Musik oder der Architektur übernommen werden. Die Ästhetik als Wissen vom Schönen ist nicht lehrbar, »man könnte eben so gut die buhlerische Reitze mit einem Kunstwort belegen« (ebd.) [Hervorhebung HH]. Die Möglichkeit und Angemessenheit einer spezifischen Terminologie verbindet sich eng mit der Untersuchung des Status eines gegebenen Wissens: Kritik, Disciplin, Doktrin, Wissenschaft. Als Kant in den Jahren, in denen sich seine kritische Philosophie entwickelte, eine Parallele zwischen Logik und Ästhetik ins Auge fasste, da führte er die Rolle der Terminologie an, um der ästhetischen Reflexion eine Funktion in seinem System zu verschaffen, obwohl er sie zunächst dezidiert daraus ausgeschlossen hatte. Er rückt nicht von seiner Überzeugung ab, dass es keine ästhetische Wissenschaft geben könne, sucht aber nach Formen, die ein Wissen annehmen kann, das sich der Praxis und der Erfahrung verdankt. Der Teil der Logik, der mit der Ästhetik parallelisiert wird, ist die ›disciplin der Gesunden vernunft‹, welche nur Catharcticon, aber niemals Organon sein kann. Die Regeln, die dort gleichwohl gelten, sind immer aus dem konkreten Einzelfall abgeleitet und erzeugen nicht die Wahrheit im Format einer Doctrin; über diese Regeln zu reflektieren, hilft jedoch, den Irrtum zu vermeiden. Die Ästhetik steht beispielhaft für jene Erkenntnis des Universalen im Besonderen, welche aus prinzipiellen Gründen keine Wissenschaft sein kann.51 Bemerkenswerterweise vertritt Kant in dieser Phase seines Denkens die Überzeugung, dass diese Logik des sensus communis einer Terminologie bedarf: »Kunstmäßig alle Handlungen zu benennen, wie in grammatic, aesthetic.« (ebd.) 52 Die ästhetische Terminologie befestigt eine schwache disziplinäre 51

Vgl. Kant: Refl 1579 [1760–1775], AA 16: 19. V-Lo/Philippi, AA 24,1: 317–318: »Zur Kunstcritic gehört demnach [weil es von einem Kenner und nicht von einen Liebhaber, der sich ohne Kunstwörter ausdrückt, ausgeübt 52 Vgl.

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Konstitution und dient der Abgrenzung von Dilettanten und Kennern: »Als Catarcticon ist sie am nützlichsten; als critick (disciplin) der Wissenschaften dient sie wie aesthetic durch terminologien.« (Refl 1579 [1760–1775], AA 16: 22). In dieser Phase experimentierte Kant ganz offensichtlich noch mit Termini wie Kritik oder Organon, und er war noch weit entfernt von der ausgereifteren Begriffsbestimmung der kritischen Epoche. Ausgerechnet die ästhetische Terminologie, die als letzte durch Kritik sanktioniert wurde, diente ihm dazu, das Problem des epistemologischen Status aufzuwerfen – und der Ästhetik zugleich den fälschlichen Anschein zu nehmen, eine Disziplin oder eine Wissenschaft zu sein. Dessen ungeachtet bleibt für Kant eine Terminologie notwendig, allerdings muss sie, um der Untersuchung auf Dauer dienlich zu sein, als provisorisch betrachtet werden, sie kann nicht in einer Weise verbindlich sein, als entsprächen den Begriffen Definitionen: »Sich nicht an Terminologien fesseln und an Formeln.« (Refl 3411 [1776–1789], AA 16: 819) Aus diesem Grunde hat Kant von Anbeginn seiner Lehrtätigkeit an und auch noch während seiner gesamten philosophischen Produktion immer auf eine Dialektik von schulmäßigem und populärem Vortrag abgezielt, von der seine Lehrtätigkeit profitieren sollte und die seinen Schriften zur Popularität verhelfen konnte, freilich immer im Rahmen einer Suche nach einer angemessenen philosophischen Sprache.53 So wie Kant in seinen Logikvorlesungen einen dogmatischen, sprich theoretischen, und einen technischen Teil unterscheidet, welch letzterer die Kunstausdrücke betrifft, die dann in der Kritik Verwendung finden,54 ließe sich auch mit Blick ist] Terminologie, daß man sich künstlich auszudrücken wisse; in der Aesthetick lehrt man ein kunstmässiges Critisiren.« 53 Zu einem so umfassenden Thema sei nur die Jäsche Logik zitiert: »Die Schule hat ihre Vorurtheile so wie der gemeine Verstand. Eines verbessert hier das andre. Es ist daher wichtig, ein Erkenntnis an Menschen zu prüfen, deren Verstand an keiner Schule hängt.« (Log A 66, AA 09: 48) Zentral bleibt die Frage, warum Kant den schulmäßigen Vortrag gewählt hat: »Ich habe die Schulmethode gewählt und sie der freyen Bewegung des Geistes und des Witzes vorgezogen, ob ich zwar, da ich wolte, daß ieder nachdenkende Kopf an dieser Untersuchung theil nehmen solte, fand daß die Trokenheit dieser Methode Leser von der Art, welche gerade zu die Verbindung mit dem praktischen suchen, abschreken würde.« (Refl 5031 [1776–1778], AA 18: 67) Auch stellt sich die nicht einfach zu beantwortende Frage, an welche Art von Prüfung Kant dachte, um zu verhindern, dass die Philosophie in die Nichtigkeit der Projektmacherei oder der Pedanterie verfiel. 54 Vgl. V-Lo/Pölitz, AA 24: 508: »Wir werden die Logik eintheilen in den dogmatischen und technischen Theil. Der erste enthält alle Regeln des Verstandesgebrauchs überhaupt d.i. die Theorie der 2te ist die Vorschrift der Regeln der Schule, nach welchen wir alle logische Unterschiede benennen. Er zeigt also alle Kunstwörter an, die hernach zur Kritik dienen. Dieser Theil ist daher nicht überflüßig, weil wir ohne Terminologie nicht kritisiren können. Der technische Theil der Logik könte seyn, die Logik in so ferne sie die Form eines Systems enthält.« Die Unterscheidung wird auch in einer späteren Logik beibehalten, vgl. V-Lo/Wie-

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auf die Transzendentalphilosophie eine vergleichbare Einteilung denken: auf der einen Seite die fabrik, 55 die sich auf die Vernunft als Vermögen der Syllogismen bezieht, auf der anderen Seite die Architektonik, die auf die Vernunft als Vermögen der Prinzipien verweist. Sollte diese Distinktion auch für die Wahl der Terminologie Gültigkeit besitzen, so gäbe es einen technischen Teil für die Begriffe, die die Ausarbeitung des Systems betreffen, und einen architektonischen Teil, die Ausdrücke betreffend, welche die Idee vom System, seine Begründung bezeichnen. Von der Gesamtanlage her gesehen, ist anzunehmen, dass Kant hinsichtlich der Begrifflichkeit der Architektonik eine ganz andere Sprache vor Augen hat als jene, die im technischen Teil der Philosophie benutzt wird. Ich muß es gestehen: ich habe einen gewissen Aberglauben in Ansehung Verschiedener Ausdrüke, welche großen Köpfen eingefallen seyn. Ich suche hinter ihnen nicht die Bedeutung; aber wenn ein Begrif meinem Nachdenken aufsteigt und mir das Wort auffallt, so, scheint es, fühle ich die Begeisterung oder auch die gantze Empfindung, die derjenige hatte, welcher den Ausdruck mit demselben Begriffe hatte, mit dem ich sympathisiere. (Refl 5017 [1777], AA 18: 62)

Kants Eingeständnis, abergläubisch zu sein, mag überraschen, zumal es offenbar von einem praeiudicium auctoritatis begleitet wird (›große Köpfe‹). Und doch entspricht dies seiner Konzeption von Sprache und von Philosophie: Dort, wo der kreative Prozess, also etwas ausgedrückt werden muss, das nicht Regeln unterworfen ist, muss auf eine Semantik rekurriert werden, deren Prinzipien nicht begrifflich sind.56 In einer anderen handschriftlichen Notiz zieht Kant eine intener, AA 24: 794: »Der dogmatische [Teil der Logik] ist der Canon: der technische ist die Vorschrift der Regeln der Schule.« 55 Zum Begriff fabrik vgl. Refl 3256 [1776–1779], AA 16: 742: »Von der fabric der Vernunftschlüsse. Man sucht jederzeit die Vernunft zuletzt technisch zu machen, damit, indem man sie der Behandlung der Sinne unterwirft, man wegen der Fehler gewiß sey.« Diese technische Funktion des Syllogismus soll vielleicht beim Übergang von der formalen zur transzendentalen Logik die Subreption des Sinnlichen im Bereich der höheren/oberen Vermögen unschädlich machen. Sicher kann man diesbezüglich nur in der Mathematik sein, wo die Konzepte nicht fabriziert, sondern konstruiert werden. Der Begriff der fabrik/fabric der Syllogismen findet sich auch bei Bacon, wo er im Zusammenhang mit der Notwendigkeit auftritt, induktiv die Richtigkeit der in Deduktionen verwendeten Begriffe festzustellen. »Si notiones ipsae […] male et varie rebus abstrahuntur, tota fabrica [W. Risse ergänzt ›der Syllogismen‹] corruit.« Francis Bacon: De augmentis scientiarum. Bd. 5, 2. In: The Works of Francis Bacon. 14 Bde. Hg. von James Spedding/Robert Leslie Ellis/Douglas Denon Heath. London 1857–1874 [ND Stuttgart 1989]. Bd. 1. 621. Zit. nach Wilhelm Risse: Die Logik der Neuzeit. 2 Bde., Stuttgart/Bad Cannstatt 1964–1970. Bd. 1. 491. Kant benutzt den Begriff fabric in einem positiveren und nicht polemischen Sinne, wenn er von Hypothesen und Projekten spricht, vgl. Refl. 2957 [1776–89], AA 16: 586. 56 Es ist zum Verständnis der metaphilosophischen Rolle der symbolischen Sprache wichtig, dass Kant als Beispiel für indirekte Darstellungen nach dem Verfahren der Analogie

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ressante Parallele zwischen Ausarbeitung (technische Terminologie) und Invention (Vorstellung vom Ganzen, Plan des Werkes): Nach einem Leitfaden fortzugehen, gehört nur fleis und Achtsamkeit. Aber den Leitfaden selbst und die abgerissenen Stücke desselben zu finden, wird der Einfall erfodert, der eben dasselbe im Denken ist, was der Glüksfall in Begebenheiten. (Refl 4997 [1776], AA 18: 55 f.) 57

Man mag diese Bemerkungen für marginal und wenig zwingend halten, sind sie doch handschriftlichen Aufzeichnungen entnommen, die nicht zur Publikation bestimmt waren. Jedoch entsprechen sie der Gesamtanlage der Philosophie Kants, und es ist völlig plausibel, dass sie sich vor allem in jenen Schriften finden, die das Laboratorium der kritischen Philosophie darstellen. An einer weiteren Stelle charakterisiert Kant beispielsweise das philosophische Werk entsprechend der Dreiteilung, welche die Lebenspraxis prägt: Wenn von einem Buch (nicht einer Farrago, welche noch Redaction erfordert) als einem opus die Rede ist, so kann es in dreyfacher Hinsicht einen Zwek haben: 1. (Symbole) nur philosophische Wörter anführt, vgl. Kant: KU § 59 B 257, AA 05: 352. Dazu und zu den Konsequenzen für den Begriff des Schematismus im Allgemeinen vgl. Emilio Garroni: Estetica. Uno sguardo-attraverso. Mailand 1992. 113 f., sowie Vf.: Estetica e logica dei termini filosofici. L’esempio di Kant. In: Studi germanici, Jg. XLII, 2 (2004). 291–300. Hans Blumenberg hat seine Metaphorologie im Ausgang von Kants Überlegungen über die Rolle des Symbols im philosophischen Diskurs entwickelt. Vgl. Rüdiger Zill: ›Substrukturen des Denkens‹. Grenzen und Perspektiven einer Metapherngeschichte nach Hans Blumenberg. In: Begriffsgeschichte, Diskursgeschichte, Metapherngeschichte. Hg. von Hans Erich Bödeker. Göttingen 2002. 209–258. Hier: 233. Die Stringenz dieser Methode hängt von der ihr zu Grunde liegenden ›Theorie der Unbegrifflichkeit‹ ab. 57 Reizvoll, sich vorzustellen, Kant hätte als begeisterter Montaigne-Leser jene Passage aus den Essais vor Augen gehabt, an der sich eine Apologie der Fortuna findet. Die epistemische Dimension der Fortuna verbindet sich mit einer besonderen Form des Nichtwissens und einer Teleologie nicht-intentionaler Intentionalität: »Mais la fortune montre bien encores plus evidemment, la part qu’elle a en tous ces ouvrages [Dichtung und Malerei, HH], par les graces et beautez qui s’y treuvent, non seulement sans l’intention, mais sans la cognoissance mesme de l’ouvrier.« Diese Passage ist umso bemerkenswerter, als die so verstandene Fortuna bei Montaigne einer Hermeneutik präludiert, die stark dem kantischen Besserverstehen ähnelt: »Un suffisant lecteur descouvre souvent ès escrits d’autruy, des perfections autres que celles que l’autheur y a mises et apperceues, et y preste des sens et des visages plus riches.« Direkt im Anschluss an die zitierte Passage verbindet Montaigne die künstlerische Inspiration mit den Wechselfällen des Lebens und speziell der militärischen Unternehmungen, um die nicht-begriffliche Natur der Fortuna herauszustellen, welche über die Grenzen de tout discours, über die diskursive Begrifflichkeit als solche, hinaus geht: »la meilleure part de l’entreprinse, ils [die Feldherren] l’abandonnent à la fortune; et sur la fiance qu’ils ont à son secours, passent à tous les coups au delà des bornes de tout discours.« Michel de Montaigne: Les Essais. Hg. von Jean Balsamo/Michel Magnien/Catherine Magnien-Simonin. Paris 2007. Buch 1. Essai XXIII. 132.

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Wodurch der Mensch gescheuter, 2. klüger (geschikter) und 3. weiser wird, d.i. in pragmatischer, technisch-practischer und moralischer Hinsicht. – Die pragmatische Hinsicht ist die, welche die Basis der übrigen ausmacht. (Refl. 457 [1798], AA 15: 189) 58

Auf die Details dieser Dreiteilung muss an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Es steht in jedem Falle fest, dass die Philosophie und ihre Sprache nicht allein von der Seite des technischen Wissens her erfasst werden können. Dort, wo in der philosophischen Arbeit das System als solches thematisch wird und die architektonische Verfasstheit der Philosophie ins Spiel kommt, muss die moralische Teleologie der Philosophie im Weltbegriff Berücksichtigung finden, und ihr ist ein noumenaler Charakter eigen, welcher einen epistemischen Status sui generis – wenn man so will – besitzt. Aus Kants Sicht jedenfalls versteht der Interpret nicht nur deshalb besser, weil er sich einer reichen Tradition versichert, 59 sondern er versteht besser, weil die Idee, die jeder Wissenschaft und speziell der Philosophie zu Grunde liegt, nicht ganz dem Subjekt angehört, da sie dem »Gesichtspunkte eines gewissen allgemeinen Interesses« entspricht. (KrV B 862/A 835, AA 03: 539) Unter einem gewissen Aspekt ist die Arbeit des Philosophen mithin höchst eigenartig, der Tätigkeit der Natur ähnlich und ihm selbst unverständlich, vor allem dort, wo es um das ihr zu Grunde liegende Einheitsprinzip, die Idee, geht. Hingegen darf der Interpret die »Beschreibung, die der Urheber derselben [Wissenschaft] davon gibt«, ignorieren und »nach der Idee, welche man aus der natürlichen Einheit der Teile, die er zusammengebracht hat, in der Vernunft selbst gegründet findet, erklären und bestimmen«. (KrV B 862/A 835, AA 03: 540) Der Interpret hat den Vorteil, über eine vollständigere und unvoreingenommenere Sicht zu verfügen, da er relativ problemlos Relationen zwischen den Systemteilen herstellen und das System mit anderen Systemen vergleichen kann. Kant zufolge ist es einfacher, die Idee kraft der Vernunft zu finden, wenn es um das Urteilen geht, als wenn sie im Schaffensprozess jenseits von Intention und Bewusstsein tätig ist. Die Idee von Wissenschaft, die im Schöpfer eines Systems wirksam ist, ist in der Tat eine unpersönliche Instanz, vergleichbar dem ästhetischen Genie, das den Künstler inspiriert, freilich mit dem Unterschied, dass die Teleologie der Vernunft selbst dem Philosophen das objektive Urbild – wenn-

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Zu Kants Theorie der Praxis und der Entwicklung der drei Ebenen der teleologischen Struktur, auf welcher sie basiert, vgl. Norbert Hinske: Kant als Herausforderung an die Gegenwart. Freiburg/München 1980. 86–120. 59 Kant behauptet, der Überfluss an Bauzeug in seiner Epoche – und sei es auch nur aus »Ruinen eingefallener alter Gebäude« zusammengewürfelt – erleichtere die Konstruktion einer Architektonik des menschlichen Wissens, da alles Wissen untereinander verbunden sei. Vgl. KrV B 863/A 835, AA 03: 540.

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gleich ein ideales – liefert, 60 während im Falle des Genies die Natur der Kunst eine universale – wenngleich nur eine subjektive – Regel vorgibt. 61 Die Idee philosophischen Schreibens ist, wie dargelegt, dynamisch und in ihrer teleologischen Struktur relativ komplex. Die lexikographische Untersuchung von Kants Sprache muss daher den unterschiedlichen Instanzen, denen die Terminologie unterliegt, höchste Aufmerksamkeit schenken. Strikte terminologische Kohärenz lässt sich nicht feststellen, ohne zuvor die starke Kontextabhängigkeit der Bedeutung eines Terminus in einer bestimmten systematischen Begriffsverwendung zu prüfen und die unvermeidliche Mehrdeutigkeit bestimmter Schlüsselbegriffe in Rechnung zu stellen. Eine systematische Mehrdeutigkeit kann als wertvolles Indiz gelten, das der Interpret zur Kenntnis nehmen muss, um der Aufgabe gerecht werden zu können, die Bedeutungseinheit als focal meaning62 finden zu können, das aristotelische pros hen legesthai, welches man hier auch mit Kant als focus imaginarius auf das Noumenale beziehen wird. In diesem Sinne sollte man auch nicht übereilt über den Wert der von Kant benutzten Quellen urteilen. Eine logische Verbindung im engeren Sinne zwischen der traditionellen Terminologie und der kantischen gibt es nicht, ja, Kant hat sich sogar, wie gezeigt wurde, als abergläubisch geoffenbart. Die Zitationspraxis Kants entspricht seiner Zurückweisung der demonstrativen Methode; dies betrifft sowohl das Zitieren anderer Autoren als auch seine Selbstzitate: Ich habe niemand angeführt, durch dessen Lesung ich etwas gelernt habe. Ich habe Gut gefunden, alles fremde wegzulassen und meiner eignen idee zu folgen. Ich habe nicht wieder systeme gestritten etc. etc. Ich habe mich selbst nicht angeführt, sondern alles umgeworfen. Ich billige nicht die Regel, wenn man im gebrauch der reinen Vernunft vorher etwas bewiesen hat, dieses nachher wie einen festen Grundsatz nicht mehr in Zweifel zu ziehen. (Refl 5019 [1778], AA 18: 62) 63 60

KrV B 867/A 839, AA 03: 542. KU § 46, B 181, AA 05: 307. 62 Gwilym Ellis Lane Owen: Logic and Metaphysics in Some Earlier Works of Aristotle. In: Aristotle and Plato in the Mid-Fourth Century. Hg. von Ingemar Duering/G. E. L. Owen. Göteborg 1960. 169. 63 Kant fasst die Prinzipien sicherlich nicht noetisch auf, der Verweis auf eine noesis kann nur negativ sein, wir sind uns ihrer nur wegen der Schwäche der menschlichen Vernunft bewusst. Die Idee der Weisheit ist der menschlichen Vernunft nur zugänglich, weil uns ein Manko vor Augen steht. Kant spricht davon als von einer »(durch [des Menschen] eigene Schuld) ohnmächtige[n] Idee seiner eigenen Vernunft« (Anth B 325, AA 07: 320). Das hat nichts zu tun mit philosophischer Esoterik und darf auch nicht missverstanden werden als Abkürzung, um die begriffliche Arbeit zu umgehen. Die abenteuerliche – fast ist man versucht zu sagen: stürmisch bewegte – Natur der Schifffahrt in den idealen Gewässern der Prinzipien (es sei hier an die kantische Metapher des uferlosen Ozeans erinnert) widerspricht aber klar der Möglichkeit jeden wie auch immer gearteten privilegierten Zugangs zur Sphäre des Idealen, sei er kontemplativ, mystisch oder methodologisch. Die Noesis ist nur dann philo61

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Zitate zu unterlassen bedeutet, auf eine für eine bestimmte Spielart der Aufklärung charakteristische Weise darauf zu verzichten, Argumente ex auctoritate anzubringen; es impliziert aber auch, den mit der mathematischen Methode verbundenen Systembegriff zu kritisieren, wie an dieser Stelle noch einmal hervorzuheben ist.64 Die Tragfähigkeit des philosophischen Beweises setzt eine kritische Prüfung voraus, in der die Urteilskriterien immer wieder aufs Spiel gesetzt werden: Dieses kontinuierliche radikale Überdenken eines Problems, immer wieder von Grund auf neu, markiert zwar vom Standpunkt des Systems her eine Schwäche, ist zugleich jedoch ein entscheidender Vorteil für die philosophische Heuristik. Ziel der Polemik Kants ist ein weiteres Mal Wolff, der in seiner Deutsche[n] Logik die Praxis der Zitation als Rückführung auf schon dargelegte Prinzipien, auf anzuwendende Definitionen lobend hervorhebt, denn auf diese Art wird die Logik des Systems völlig transparent.65 Kants Kritik richtet sich ausschließlich auf sophisch zulässig, wenn sie sich architektonisch durch diskursive Arbeit als kritische Anlage des Systems rechtfertigen lässt. In einem handschriftlichen Entwurf zur KrV schreibt Kant: »Die Idee geht vor dem Begriffe vorher, muß aber auf Begriffe Gebracht werden. Sie verbindet sich auch mit Empfindungen; diese aber sind nicht das Gegenbild der idee, sondern ihre sinnliche correlata und könen gar nicht dienen, die Idee verstandlich zu machen. Daher kommt es, dass manche gute, Verstandige Kopfe der Ideen, aber niemals der Auswikelung derselben fähig seyn und, weil worte nicht die ganze Idee ausdrüken könen, bey Empfindungen stehen bleiben.« (Refl. 785 [1772–1777], AA 15: 343) 64 Was die Selbstzitate betrifft, so sei ein interessanter und kurioser Brief Friedrich Nicolais an Thomas Abbt vom 3. Januar 1763 angeführt, wo er von seiner Kontroverse mit einem leicht identifizierbaren R**S [H. S. Reimarus] spricht. Nicolai erklärt, nachdem er sich entschieden hat, die Kontroverse über die ›determinirten Naturkräfte‹ auf sich beruhen zu lassen: »Ich sehe wohl, mit Leuten, die ihre eigene Logik und Metaphysik citiren können, ist nichts anzufangen, sie müssen Recht haben, und meinetwegen sollen sie es immer behalten.« Thomas Abbt: Freundschaftliche Correspondenz. Berlin/Stettin 1771. 136. Nicolai widerstrebt es, sich selbst als Autorität aufzufassen und in das System von Querverweisen auf bereits Dargelegtes einzubringen, wie es dem mos geometricus entsprach. Reimarus hatte eine Vernunftlehre verfasst und war, wenngleich mit durchaus eigenständigen Akzenten, ein Wolff’scher Philosoph, sodass er seine Texte durch Querverweise zwischen den Paragraphen kompakt gestaltete und damit einem angesehenen Procedere folgte, welches Systematizität suggerierte. – Dieser Anmerkung über ein Charakteristikum der Intertextualität ließen sich noch viele weitere Anmerkungen hinzufügen. Sie verdankt viel den intelligenten Fragestellungen von Irene Vogt, die eine instruktive Studie zum Thema vorgelegt hat. Vgl. Irene Vogt: Fremdes aufnehmen und dabei kennzeichnen? Regeln und Praxis wissenschaftlicher Intertextualität in der deutschsprachigen Wissenschaft des 18. Jahrhunderts. In: Fremdes wahrnehmen, aufnehmen, annehmen. Hg. von Barbara Hans-Bianchi u. a. Frankfurt a.M. 2013. 359–370. 65 Für Wolff ist Philosophie systematisch, weil sie eine polysyllogistische Struktur besitzt, welche sich durch Abhängigkeitsbeziehungen aller Propositionen von übergeordneten Prinzipien auszeichnet. »Derowegen ist es vortreflich in der Mathematick, daß in den Demonstrationen nichts angenommen wird, was nicht vorher ausgemacht worden, und daß man allezeit den Ort citiret, wo es ausgemacht worden. Denn aus der Citation kan ein jeder ohne

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die Konsequenzen des rationalistischen Ansatzes, denn Systematizität als solche hat auch für Kant, vermittelt über Wolff, zentrale Bedeutung. Der rationalistische Ansatz birgt indes gerade hinsichtlich des Systembegriffs interne Schwierigkeiten, insofern er nicht in der Lage ist, das auf Koordination beruhende Modell der empirischen Erkenntnisse mit dem auf Subordination basierenden Modell der Logik zu verbinden. Hatte Kant noch in der Dissertatio versucht, Wolff zu korrigieren, indem er einfach ein (in diesem Falle nicht nur logisches) discrimen zwischen Sinnlichkeit und Verstand in Ansatz brachte, 66 so konnte nach 1770 nicht einmal ein verbessertes Modell des connubium rationis et experientiae dem kritischen Unternehmen Genüge tun; und so blieb kein anderer Weg als der, die Möglichkeit von Metaphysik überhaupt zu untersuchen. In der Folge dieses Neuansatzes sollten die systematischen Erfordernisse der Subordinierung und Koordinierung einem ganz anderen epistemologischen Programm entsprechen, in dem die Begriffe des Zwecks und der Zweckmäßigkeit eine zentrale Bedeutung gewinnen und der kritische Systembegriff durch ein transzendentales Prinzip deduziert werden kann. 67 III. Schluss

Über die Bedingungen einer Übersetzung nachzudenken ähnelt dem Nachdenken über die Bedingungen der Textinterpretation. Weder der Interpret noch der Übersetzer werden Sprache und Denken vollständig voneinander trennen könMühe inne werden, was einem vorhero bekandt seyn müsse, ehe man von der Richtigkeit eines Satzes überführet werden kann.« Christian Wolff: Vernünfftige Gedancken von den Kräfften des menschlichen Verstandes. § 4, 232. 66 Kant: De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis (1770), § 7 (MSI A 2 10, AA 02: 295). Nachdem der Dissens zwischen den Vermögen aufgelöst wurde, hält Kant den realen Gebrauch des Verstandes bei der Erkenntnis der intelligibilia für berechtigt und beschränkt den logischen Gebrauch auf die Gegenstände der Sinnlichkeit. Vgl. MSI §§ 1; 4–6; (A 2 3; A 2 8–9), AA 02: 289 und 291–294. 67 Norbert Hinske schreibt diesbezüglich hinsichtlich des Wolff’schen Systembegriffs: »Das eigentlich Neue des Kantschen Systembegriff […] liegt in dem Begriff des Zwecks, der der ›Idee‹ bzw. dem ›szientifischen Vernunftbegriff‹ des Ganzen zugrunde liegt.« Hins­ke: Die Wissenschaften und ihre Zwecke. Kants Neuformulierung der Systemidee. In: Akten des Siebenten Internationalen Kant Kongresses, Mainz, 1990. Hg. von Gerhard Funke. Bonn 1991. 157–177, hier: 164. Eine Hypothese über die kritische Verarbeitung des Systembegriffs in zwei Stufen: zuerst in der KrV als Ausführung der Vernunftidee im architektonischen Schema der a priori »aus dem Princip des Zwecks bestimmt[n] wesentliche[n] Mannigfaltigkeit« (KrV B 861/A 833, AA 03: 539 [Hervorhebung HH]) und dann endgültig durch die Deduktion des transzendentalen Prinzips der Urteilskraft als Prinzip der formalen Zweckmäßigkeit der Natur in der dritten Kritik (KU AA 5: 181 ff. § V, B XXIX ff.) findet sich in Vf.: Kant, filosofo dell’architettonica [Anm. 30] 124–132, 72 und 159, sowie passim.

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nen. Sie können davon ausgehen, dass unterschiedliche sprachliche Ausdrücke sich auf ein- und denselben Gedanken beziehen, doch bedeutet das nicht, dass es einen direkten, d.i. nicht-sprachlichen Zugang zum Denken eines Autors gibt. Für beide, den Interpreten wie den Übersetzer, ist es unumgänglich, sich die Frage zu stellen, welche semantischen Instrumente es erlauben, die sprachlichen Kompetenzen mit jenem Kontextwissen zu verbinden, das für den betreffenden Text relevant ist, um den Gehalt des Textes so angemessen wir möglich zu erfassen. Wenn mithin der Anspruch Liebmanns, Zugang zum ›echten Gehalt der kantischen Lehre‹ zu haben, als ungerechtfertigt zurückzuweisen ist, denn er ignoriert die Besonderheiten von Kants Sprache und – wichtiger noch – die Relevanz, die sie für Kant haben, so muss man sich doch die Frage stellen, auf welche Art man sich auf diesen Gehalt beziehen kann. Es erscheint als vernünftig, diesen Gehalt regulativ als ideale Sinneinheit zu betrachten, von der her sich die jeweiligen Fortschritte von Interpretation und Übersetzung bemessen lassen. Die Frage, die Umberto Eco angeschnitten hat, 68 ob es so etwas wie ein Ding an sich hinter oder über dem Text oder sogar außerhalb des Textes gibt, welches jede Übersetzung erfassen muss, und ob dieses gar möglicherweise grundsätzlich nicht erfassbar ist, ist wahrscheinlich eine irreführende Frage. Es scheint mehr in Einstimmung mit kantischen Prinzipien zu sein, wenn man, mit Eco, das Übersetzen als ein ›Quasi dasselbe mit anderen Worten‹– Sagen versteht und nach den Bedingungen der Möglichkeit eines solchen Sagens fragt. Kant hat dieses dasselbe, das Denken, das in einem Buch enthalten ist, als opus mysticum bezeichnet. Die Worte, in denen es ausgedrückt wird, hat er opus mechanicum genannt. Autor und Übersetzer befinden sich demzufolge in einer vergleichbaren Lage. In seiner kurzen Schrift über den Büchernachdruck bemerkt Kant, die Übersetzung eines Buches bedürfe, darin einer Paraphrase vergleichbar, nicht einer Autorisierung seitens des Autors, und sie müsse auch nicht rechtlich fixiert und vergütet werden. »Auch kann die Übersetzung in eine andere Sprache nicht für Nachdruck genommen werden; denn sie ist nicht dieselbe Rede des Verfassers, obgleich die Gedanken genau dieselben sein mögen.«69

68

Umberto Eco: Quasi dasselbe mit anderen Worten. Über das Übersetzen. Übers. von Burkhart Kroeber. München 2009 [ 32014]. 9: »Wir brauchen nicht hochfliegend danach zu suchen (um die zentrale Bedeutung des Übersetzungsproblems in vielen philosophischen Diskussio­nen zu unterstreichen), ob es in Werken wie der Ilias oder den Blumen des Bösen ein ›Ding an sich‹ gibt, das hinter und über jeder Sprache, in die sie übersetzt werden, durchscheinen und funkeln müßte – oder das im Gegenteil nie erreicht wird, wie sehr sich die andere Sprache auch anstrengen mag.« 69 Kant: Von der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks. In: Berlinische Monatsschrift. 5. Mai 1785. 403–417 (VUB, AA 07: 87) [Hervorhebung HH].

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Wenn von ›genau denselben Gedanken‹ gesprochen werden darf, so hat dies selbstverständlich nur regulative und asymptotische Funktion, und Kants Diktum setzt nicht voraus, dass sich Sprache und Denken voneinander trennen lassen. Vielmehr hat die Sprache für Kant eine so große Bedeutung, dass die Rede, oder das opus mechanicum, einen Wert im rechtlichen Sinne besitzt und zu den Autorenrechten zählt. Und unter diesem Aspekt ist der Übersetzer dem Autor gleichgestellt. So sonderbar es auch erscheinen mag: Kant zufolge sind die Gedanken Eigentum des gesamten Menschengeschlechts und daher kein möglicher Gegenstand von Autorenrechten. Als opus mysticum unterliegt das Buch nicht den rechtlichen Bestimmungen von mein und dein, vielmehr ist seine Realität noumenaler Natur, nicht gegeben, sondern aufgegeben, wie es für die Vernunftideen in ihrer regulativen Funktion gilt.70

70

KrV B 536/A 508. In dieser noumenalen Bedeutung von opus scheinen die beiden semantischen Ansätze Kants gleichzeitig gegenwärtig zu sein: derjenige, der auf einen Gegenstand abhebt, der allen gemeinsam und für alle gleich ist, und derjenige, der die Bedingung der Möglichkeit eines solchen Bezugs in der öffentlichen Dimension der Erkenntnis sieht. In der KrV hängt die Mitteilbarkeit der Erkenntnis oder die begründete Übereinstimmung in den Urteilen davon ab, dass trotz der Verschiedenheit der Urteilenden auf einen identischen Gegenstand Bezug genommen wird; dieser ist daher gemeinschaftlicher Grund entsprechend der Regel, die auch für Syllogismen gilt: »consentientia uni tertio, consentiunt inter se.« (KrV B 848/A 820) In der KU ist die Situation umgekehrt: »Erkenntnisse und Urtheile müssen sich sammt der Überzeugung, die sie begleitet, allgemein mittheilen lassen; denn sonst käme ihnen keine Übereinstimmung mit dem Object zu.« (KU § 21, B 65, AA 05: 238)

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Terminologisierung im ersten Paragraphen der Transzendentalen Ästhetik von Immanuel Kant Thorsten Roelcke I.  Einleitende Bemerkungen

Der Wortschatz Immanuel Kants ist wiederholt Gegenstand wissenschaftlichen Interesses geworden; dabei stehen insbesondere lexikographische Bemühungen im Vordergrund, die Kants Terminologie einem (vornehmlich akademischen) Publikum erschließen.1 Kaum Beachtung findet demgegenüber die Art und Weise, 1 Bei dem folgenden Beitrag handelt es sich um einen redaktionell angepassten Nachdruck eines ursprünglich 2012 erschienenen Aufsatzes, vgl. Thorsten Roelcke: Terminologisierung im ersten Paragraphen der Transzendentalen Ästhetik von Immanuel Kant. In: Jochen A. Bär/Marcus Müller (Hg.): Geschichte der Sprache – Sprache der Geschichte. Probleme und Perspektiven der historischen Sprachwissenschaft des Deutschen. Oskar Reichmann zum 75. Geburtstag. Berlin 2012. 305–334. Für die Erlaubnis des Nachdrucks sei an dieser Stelle dem Verlag Walter de Gruyter gedankt. Zur philosophischen Lexikographie, insbesondere derjenigen der kritischen Werke Kants, vgl. Roelcke: Die deutschsprachige Fachlexikographie der Philosophie in ihrem europäischen Umfeld. Eine Übersicht. In: Lothar Hoffmann/Hartwig Kalverkämper/Herbert Ernst Wiegand in Verbindung mit Christian Galinski/Werner Hüllen (Hg): Fachsprachen. Languages for Special Purposes. Ein internationales Handbuch zur Fachsprachenforschung und Terminologiewissenschaft. An International Handbook of Special-Language and Terminology Research. Bd. 2. Berlin/New York 1999. 1995–2004. Ders.: Wörterbücher der Philosophie im Spannungsverhältnis zwischen philosophischem Diskurs und lexikographischer Struktur. In: Lexicographica 18 (2002). 65–88. Übersicht zu Theorie und Praxis fachsprachlicher Lexik in der Zeit der deutschen Aufklärung erlauben Bär: Sprachreflexion der deutschen Frühromantik. Konzepte zwischen Universalpoesie und Grammatischem Kosmopolitismus. Mit lexikographischem Anhang. Berlin/New York 1999. Passim. Andreas Gardt: Sprachreflexion in Barock und Frühaufklärung. Entwürfe von Böhme bis Leibniz. Berlin/New York 1994. Passim. Ders.: Geschichte der Sprachwissenschaft in Deutschland. Vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Berlin/New York 1999. 158–229. Ulrich Ricken [in Zusammenarbeit mit Patrice Bergheaud, Lia Formigari, Gerda Haßler, Boris A. Ol’chovikov und Jurij V. Roždestvenskij] (Hg.): Sprachtheorie und Weltanschauung in der europäischen Aufklärung. Zur Geschichte der Sprachtheorien des 18. Jahrhunderts und ihrer europäischen Rezeption nach der Französischen Revolution. Berlin 1990. 210–301. Roelcke: Das Kunstwort in der Zeit der Aufklärung: Wissenschaftliche Konzeption und faktischer Gebrauch. In: Hoffmann u. a. [vgl. oben] 1999. 2420–2430. Ders.: Fachsprachen. 3., neu bearb. Aufl. 2010. 192–203. Eine linguistische Skizze des Fachwortgebrauchs bei Kant liefert ders.: Immanuel Kant. In:

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in der Kant Fachwörter in seinen Texten einführt und damit sukzessive eine eigene philosophische Terminologie entwickelt: Die Untersuchung einer solchen Terminologisierung, also der Konstitution eines (mehrdimensionalen) Fachwortschatzes in einem linear angelegten (eindimensionalen) Text, stellt für die Fachsprachenforschung eine neue Herausforderung dar; dies gilt nicht allein hinsichtlich der Schriften Kants, sondern auch in Bezug auf andere Fachtexte aus Wissenschaft, Technik und Institutionen. 2 Im Folgenden wird die Terminologisierung im ersten Paragraphen der Tran­ szendentale[n] Ästhetik in der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft von Immanuel Kant aus dem Jahr 1787 untersucht; als Grundlage dient hier die Akademie-Textausgabe. 3 Dieser Textabschnitt folgt auf eine »Vorrede« 4 und eine »Einleitung«5 von jeweils mehreren Seiten Länge und bildet den Beginn der Transscendentale[n] Elementarlehre6 , in der Kant sein epistemologisches und damit auch sein terminologisches System entfaltet – auch wenn er bereits auf den vorangehenden Seiten transzendentalphilosophische Überlegungen anstellt und diese in einer entsprechenden Terminologie fasst.

Lexikologie. Lexicology. Ein internationales Handbuch zur Natur und Struktur von Wörtern und Wortschätzen. An International Handbook on the Nature and Structure of Words and Vocabularies. Hg. von David Alan Cruse/Franz Hundsnurscher/Michael Job/Peter Rolf Lutzeier. Bd. 2. Berlin/New York 2005. 1532–1537.. 2 Ganz so neu ist diese Herausforderung indessen aus meiner Warte nicht: Hatte mich doch Oskar Reichmann in der Mitte der 1980er Jahre mit meinem Wunsch, die Entwicklung des erkenntnistheoretischen Fachwortschatzes in Kants KrV zu untersuchen, als Doktoranden angenommen. Diese Untersuchung entwickelte sich jedoch in eine andere Richtung, da dieser Wortschatz zunächst einmal sprachwissenschaftlich aufgearbeitet werden musste. Dabei geriet dessen Mehrmehrdeutigkeit, also die Polysemie und Synonymie einzelner Termini, immer stärker in den Blick, bis sie selbst zum Thema wurde; vgl. Roelcke: Die Terminologie der Erkenntnisvermögen. Wörterbuch und lexikosemantische Untersuchung zu Kants Kritik der reinen Vernunft. Tübingen 1989. Hieran anschließend beispielsweise ders.: Das Eineindeutigkeitspostulat der lexikalischen Fachsprachensemantik. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 19 (1991). 194–208. Ders.: Homonymie und Polysemie in den terminologischen und terminographischen Grundsatznormen des Deutschen Instituts für Normung e. V. (DIN). In: Lexicographica 17 (2001 [2002]). 92–143. Ders.: Stabilität statt Flexibilität? Kritische Anmerkungen zu den semantischen Grundlagen der modernen Terminologielehre. In: Stabilität und Flexibilität in der Semantik. Strukturelle, kognitive, pragmatische und historische Perspektiven. Hg. von Inge Pohl/Klaus-Peter Konerding. Frankfurt a. M. etc. 2004. 137–150. Vor diesem Hintergrund knüpft der vorliegende Aufsatz anlässlich des 75. Geburtstages von Oskar Reichmann an unsere ersten gemeinsamen wissenschaftlichen Gespräche an: Diesen sind seither viele weitere – auch persönliche – gefolgt, wofür ich ihm noch heute von ganzem Herzen danke. 3 KrV, AA 03: 49–51. 4 AA 03: 7–26. 5 AA 03: 27–46. 6 AA 03: 47–461.

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Terminologisierung im ersten Paragraphen der Transzendentalen Ästhetik

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Die transscendentale Ästhetik.

§ 1. Auf welche Art und durch welche Mittel sich auch immer eine Erkenntniß auf Gegenstände beziehen mag, so ist doch diejenige, wodurch sie sich auf dieselbe unmittelbar bezieht, und worauf alles Denken als Mittel abzweckt, die A n s c h a u u n g . Diese findet aber nur statt, sofern uns der Gegenstand gegeben wird; dieses aber ist wiederum uns Menschen wenigstens nur dadurch möglich, daß er das Gemüth auf gewisse Weise afficire. Die Fähigkeit (Receptivität), Vorstellungen durch die Art, wie wir von Gegenständen afficirt werden, zu bekommen, heißt Sinnlichkeit. Vermittelst der Sinnlichkeit also werden uns Gegenstände g e g e b e n , und sie allein liefert uns A n s c h a u u n g e n ; durch den Verstand aber werden sie g e d a c h t , und von ihm entspringen B e g r i f f e . Alles Denken aber muß sich, es sei geradezu (directe), oder im Umschweife (indi­ recte), vermittelst gewisser Merkmale zuletzt auf Anschauungen, mithin bei uns auf Sinnlichkeit beziehen, weil uns auf andere Weise kein Gegenstand gegeben werden kann.   Die Wirkung eines Gegenstandes auf die Vorstellungsfähigkeit, sofern wir von demselben afficirt werden, ist Empfindung. Diejenige Anschauung, welche sich auf den Gegenstand durch Empfindung bezieht, heißt empirisch. Der unbestimmte Gegenstand einer empirischen Anschauung heißt Erscheinung.   In der Erscheinung nenne ich das, was der Empfindung correspondirt, die Materie derselben, dasjenige aber, welches macht, daß das Mannigfaltige der Erscheinung in gewissen Verhältnissen geordnet werden kann, nenne ich die Form der Erscheinung. Da das, worin sich die Empfindungen allein ordnen und in gewisse Form gestellt werden können, nicht selbst wiederum Empfindung sein kann, so ist uns zwar die Materie aller Erscheinung nur a posteriori gegeben, die Form derselben aber muß zu ihnen insgesammt im Gemüthe a priori bereit liegen und daher abgesondert von aller Empfindung können betrachtet werden. Ich nenne alle Vorstellungen r e i n (im transscendentalen Verstande), in denen nichts, was zur Empfindung gehört, angetroffen wird. Demnach wird die reine Form sinnlicher Anschauungen überhaupt im Gemüthe a priori angetroffen werden, worin alles Mannigfaltige der Erscheinungen in gewissen Verhältnissen angeschauet wird. Diese reine Form der Sinnlichkeit wird auch selber r e i n e A n s c h a u u n g heißen. So, wenn ich von der Vorstellung eines Körpers das, was der Verstand davon denkt, als Substanz, Kraft, Theilbarkeit &c., imgleichen was davon zur Empfindung gehört, als Undurchdringlichkeit, Härte, Farbe &c., absondere, so bleibt mir aus dieser empirischen Anschauung noch etwas übrig, nämlich Ausdehnung und Gestalt. Diese gehören zur reinen Anschauung, die a priori, auch ohne einen wirklichen Gegenstand der Sinne oder Empfindung, als eine bloße Form der Sinnlichkeit im Gemüthe stattfindet.

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  Eine Wissenschaft von allen Principien der Sinnlichkeit a priori nenne ich die t r a n s s c e n d e n t a l e Ä s t h e t i k .*) Es muß also eine solche Wissenschaft geben, die den ersten Theil der transscendentalen Elementarlehre ausmacht, im Gegensatz derjenigen, welche die Principien des reinen Denkens enthält und transscendentale Logik genannt wird.   In der transscendentalen Ästhetik also werden wir zuerst die Sinnlichkeit i s o l i r e n , dadurch dass wir alles absondern, was der Verstand durch seine Begriffe dabei denkt, damit nichts als empirische Anschauung übrig bleibe. Zweitens werden wir von dieser noch alles, was zur Empfindung gehört, abtrennen, damit nichts als reine Anschauung und die bloße Form der Erscheinungen übrig bleibe, welches das einzige ist, das die Sinnlichkeit a priori liefern kann. Bei dieser Untersuchung wird sich finden, daß es zwei reine Formen sinnlicher Anschauung als Principien der Erkenntniß a priori gebe, nämlich Raum und Zeit, mit deren Erwägung wir uns jetzt beschäftigen werden. *) Die Deutschen sind die einzigen, welche sich jetzt des Worts Ä s t h e t i k bedienen, um dadurch das zu bezeichnen, was andre Kritik des Geschmacks heißen. Es liegt hier eine verfehlte Hoffnung zum Grunde, die der vortreffliche Analyst B a u m g a r t e n fasste, die kritische Beurteilung des Schönen unter Vernunftprincipien zu bringen und die Regeln derselben zur Wissenschaft zu erheben. Allein diese Bemühung ist vergeblich. Denn gedachte Regeln oder Kriterien sind ihren vornehmsten Quellen nach bloß empirisch und können also niemals zu bestimmten Gesetzen a priori dienen, wornach sich unser Geschmacksurtheil richten müsste; vielmehr macht das letztere den eigentlichen Probirstein der Richtigkeit der ersteren aus. Um deswillen ist es rathsam, diese Benennung entweder wiederum eingehen zu lassen und sie derjenigen Lehre aufzubehalten, die wahre Wissenschaft ist (wodurch man auch der Sprache und dem Sinne der Alten ­näher treten würde, bei denen die Eintheilung der Erkenntniß in αίσϑητα και νοητα sehr berühmt war), oder sich in die Benennung mit der speculativen Philosophie zu theilen und die ­Ä sthetik theils im transscendentalen Sinne, theils in psychologischer Bedeutung zu nehmen.

Die Frage nach der Terminologisierung gliedert sich in mehrere Teilfragen, die im Weiteren wieder aufgegriffen werden: 1. Wie ist das terminologische System, das im ersten Paragraphen der Transzendentale[n] Ästhetik eingeführt wird, aufgebaut (Frage nach der terminologischen Struktur)? [vgl. II.] 2.  In welcher Reihenfolge werden die einzelnen Termini in diesem Text eingeführt (Frage nach der terminologischen Linearisierung)? [vgl. III.] 3.  Auf welche Art und Weise werden die Termini jeweils sprachlich eingeführt (Frage nach den Typen von Definitionen)? [vgl. IV.] 4.  Welche weiteren Angaben werden zu den einzelnen Termini gemacht (Frage nach terminologischen Erläuterungen und Beispielen)? [vgl. V.] 5.  Womit werden im Text systematische Bezüge zwischen den Termini hergestellt (Frage nach der terminologischen Vernetzung)? [vgl. VI.]

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Terminologisierung im ersten Paragraphen der Transzendentalen Ästhetik

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6.  Welche Ausmaße zeigen Vagheit, Polysemie und Synonymie sowie Metaphorik der Termini (Frage nach der terminologischen Exaktheit und Eindeutigkeit)? [vgl. VII.] 7.  Erfahren die einzelnen Termini eine graphische Hervorhebung (Frage nach der visuellen Unterstützung)? [vgl. VIII.] Dieser Fragenkatalog ist indessen noch nicht vollständig bzw. abgeschlossen: Er spiegelt vielmehr den gegenwärtigen Stand der Arbeit an der Entwicklung eines Forschungsdesigns wider, das derzeit an unterschiedlichen Texten erprobt und entsprechend weiterentwickelt wird. II.  Die Struktur des terminologischen Systems

Menschliche Erkenntnis ist dem ersten Paragraphen der Transzendentale[n] Äs­ thetik zufolge ein epistemologisch (nicht psychologisch oder kognitiv) zu charakterisierender Prozess, der mehrere Etappen umfasst – stark vereinfacht: Das Rezeptionsvermögen (Sinnlichkeit) wird durch das Ding an sich (Gegenstand) veranlasst, einen Sinneseindruck (Empfindung bzw. Erscheinung) gemäß bestimmter Erkenntnisprinzipien (Raum und Zeit) zu strukturieren und so einen ersten Typ von Erkenntnis zu gewinnen (Anschauung). Hieran schließt sich das Vermögen zu denken (Verstand) mit dem zweiten Typ von Erkenntnis (Begriff) an, wobei auch hier bestimmte Erkenntnisprinzipien (Kategorien) wirksam sind. Beide Erkenntnistypen weisen also eine substantielle Komponente (empirisch bzw. a posteriori) und eine strukturelle Komponente (rein bzw. a priori) auf. Die Kernidee, die sog. ›kopernikanische Wende‹ der Erkenntnistheorie Kants besteht dabei darin, dass (menschliche) Erkenntnis strukturellen Komponenten folgt, die nicht durch die substantielle Komponente zufällig erworben werden, sondern notwendig vorgegeben sind. Dabei besteht das Ziel von Kants Transzendentalphilosophie darin, diese strukturellen Komponenten bzw. Erkenntnisprinzipien systematisch herauszuarbeiten und auf deren eigenen Beitrag zu menschlicher Erkenntnis hin zu untersuchen; dies erfolgt im Rahmen des ersten Hauptteils der KrV (Transscendentale Elementarlehre), der sich seinerseits in zwei Abschnitte gliedert: zum einen die Transscendentale Ästhetik, die sich der Sinnlichkeit, und die Transscendentale Logik, die sich dem Verstand widmet.7 7 Zur

raschen Orientierung über Kants Transzendentale Ästhetik sei hier verwiesen auf Walter Gölz: Kants Kritik der reinen Vernunft im Klartext. Textbezogene Darstellung des Gedankengangs mit Erklärung und Diskussion. Tübingen 22008. 17–28. Sowie Holm Tetens: Kants Kritik der reinen Vernunft. Ein systematischer Kommentar. Stuttgart 2006. 49–78. Hier finden sich auch weitere Literaturhinweise, die für den transzendentalphilosophisch ambitionierten Linguisten von Nutzen sein können. Für mich persönlich noch immer lesenswert ist Peter Frederick Strawson: The Bounds of Sense. An Essay on Kant’s Critique of Pure Reason.

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Thorsten Roelcke

Die folgende Abb.1 muss nach oben zu (vgl. Hinweis Text)! Ich denke, dass Dashier terminologische System, das Kant Beginn derim Transzendentale[n] Äs­ ich die Positio Abbildungen erst dann vernünftig überprüfen kann,und wenn das Ganze einmal durchgesetzt ist. thetik entwickelt, weist hierarchische, partitive prozedurale Wortschatzrelationen auf [vgl. Abb. 1]: Gegenstand  afficiren

ERKENNTNISS

Empfindung

Sinnlichkeit (Gemüth, Receptivität, Vorstellungsfähigkeit) a posteriori

a priori  geben

Materie

Form Principien der Sinnlichkeit Raum



transscendentale Ästhetik

Zeit

isoliren Erscheinung

empirische

transscendentale Elementarlehre

reine

Anschauung

Verstand  denken Principien des reinen Denkens



transscendentale Logik

Begriff

Abb. 1: Terminologisches System im ersten Paragraphen der Transzendentale[n] Ästhetik

Abb. 1: Terminologisches System im ersten Paragraphen der Transzendentale[n] Ästhetik London 1966 [Reprint 1982]. Zur aktuellen Diskussion vgl. etwa Jürgen Stolzenberg (Hg.): Kant in der Gegenwart. Berlin/New York 2007.

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Terminologisierung im ersten Paragraphen der Transzendentalen Ästhetik

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– Als hierarchisch ist hier etwa die Unterscheidung der Kohyponyme Sinnlich­ keit und Verstand als Termini für Erkenntnisvermögen sowie Anschauung und Begriff als solche für Erkenntnisarten anzusehen. – Als Partonyme haben dagegen Raum und Zeit gegenüber Principien der Sinn­ lichkeit oder transscendentale Ästhetik und transscendentale Logik gegenüber transscendentale Elementarlehre zu gelten. – Prozedurale Aspekte schließlich werden durch die Verben afficiren, geben und denken im Rahmen des epistemischen Fortschritts und isoliren als Ausdruck eines epistemologischen Verfahrens repräsentiert. Kants Termini zeigen kaum Besonderheiten auf der Ausdrucksseite: Es handelt sich hier meist um Simplizia und Derivata, die im philosophischen Diskurs der Zeit eingeführt sind. Allein Principien der Sinnlichkeit und Principien des reinen Denkens sowie transscendentale Ästhetik, transscendentale Elementarlehre und transscendentale Logik fallen als Mehrworttermini mit transzendentalphilosophischer Bezeichnungsmotivation ins Auge. III.  Die Linearisierung des terminologischen Systems

Die knapp dreißig Termini, deren System in Abb. 1 graphisch wiedergegeben wird, werden im ersten Paragraphen der Transzendentale[n] Ästhetik in der hier angeführten Abfolge jeweils zum ersten Mal genannt: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15.

Erkenntniß Gegenstand Denken/denken Anschauung Gemüth

16. 17. 18. 19. 20.

Materie Form a posteriori a priori rein

geben afficiren Receptivität Sinnlichkeit Verstand Begriff Vorstellungs-fähigkeit Empfindung empirisch Erscheinung

21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29.

transscendental Principien der Sinnlichkeit transscendentale Ästhetik transscendentale Elementarlehre Principien des reinen Denkens transscendentale Logik isoliren Raum Zeit

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Diese Reihenfolge spiegelt die komplexe Struktur des terminologischen Systems kaum wider: Die Nennung der Termini beginnt zwar oben links bei Erkenntniß bzw. Gegenstand, verläuft jedoch nicht stringent über (in Auswahl) Empfindung, Sinnlichkeit, Raum, Zeit, Erscheinung und Anschauung bis zu Verstand und Be­ griff sowie daneben über transscendentale Ästhetik und transscendentale Elemen­ tarlehre bis zu transscendentale Logik. – Selbst wenn die Linearisierung des terminologischen Systems also nicht dessen Struktur folgt, sondern zu springen scheint, ist sie indessen nicht willkürlich: Sie zeigt vielmehr drei (mehr oder weniger) deutlich voneinander zu unterscheidende Schritte [vgl. Abb. 2]. – Sie pendelt eingangs auf der linken Seite zwischen Termini im Umfeld von em­ pirischen Anschauungen der Sinnlichkeit einerseits und entsprechenden Begrif­ fen des Verstandes andererseits [hellgrau unterlegt]. Mit Gegenstand, Empfin­ dung oder Erscheinung handelt sich hier also überwiegend um solche Termini, die sich (neben der strukturellen) insbesondere auf die substantielle Komponente menschlicher Erkenntnis beziehen. – Im Anschluss an den Terminus Form und die Unterscheidung zwischen a pos­ teriori und a priori werden im Weiteren solche Termini eingeführt, mit denen nicht die substantielle, sondern ausschließlich die strukturelle Komponente menschlicher Erkenntnis zum Ausdruck gebracht wird [grau unterlegt, hierzu gehören etwa rein, Principien der Sinnlichkeit, Principien des reinen Denkens oder Raum und Zeit]. – Die Einführung dieser genuin transzendentalphilosophisch verwendeten Termini wird gegen Ende des Textabschnitts schließlich durch die Nennung solcher Termini ergänzt, die transzendentalphilosophische Teildisziplinen benennen [dunkelgrau unterlegt]; also transscendentale Ästhetik, transscendentale Elementarlehre und transscendentale Logik. Für diese Vorgehensweise Kants können wiederum mindestens drei Strategien terminologischer Linearisierung verantwortlich gemacht werden: – Strategie wachsender Entfernung: Zunächst werden solche Termini genannt, deren Bedeutungen bei Kant jeweils denjenigen in der Philosophie seiner Zeit vergleichsweise nahestehen. Hierauf folgen genuin transzendentalphilosophisch verwendete Termini, deren Bedeutungen sich von dem allgemeinen, schulphilosophischen Sprachgebrauch in stärkerem Maße unterscheiden. – Strategie assoziativer Verflechtung: Mit Sinnlichkeit und Verstand werden zwei Erkenntnisvermögen, mit Anschauung und Begriff zwei Erkenntnisarten bezeichnet, die zwei analog strukturierte Erkenntnisbereiche repräsentieren: Diese konzeptionelle Analogie wird in einem Parallelismus zum Ausdruck gebracht, der in die Entfaltung des terminologischen Systems im Umfeld von Sinnlichkeit lediglich eingeschoben ist. – Strategie induktiver Disziplinbildung: In dem Textabschnitt werden zunächst epistemische Gegebenheiten konzeptionell entfaltet und terminologisch gefasst; im

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Terminologisierung im ersten Paragraphen der Transzendentalen Ästhetik

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Anschluss daran werden die entsprechenden epistemologischen Disziplinen genannt bzw. benannt. Gegenstand  afficiren

ERKENNTNISS

Empfindung

Sinnlichkeit (Gemüth, Receptivität, Vorstellungsfähigkeit) a posteriori

a priori  geben Form

Materie

Principien der Sinnlichkeit Raum



transscendentale Ästhetik

Zeit

isoliren Erscheinung

empirische

transscendentale Elementarlehre

reine

Anschauung

Verstand  denken Principien des reinen Denkens



transscendentale Logik

Begriff Abb. 2: Schritte der terminologischen Linearisierung (Übersicht)

Abb. 2: Schritte der terminologischen Linearisierung (Übersicht)

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376

Thorsten Roelcke

Die drei Schritte und die drei darin verankerten Strategien der Linearisierung des terminologischen Systems machen deutlich, dass diese Linearisierung nicht der terminologischen Struktur, sondern einer bestimmten Argumentation folgt. Sie entspricht der Assoziativität in Kants Sprache und Denken, die angesichts des philosophischen Interesses an dessen epistemologischer Argumentation und des lexikographischen Interesses an einzelnen Termini und deren Begrifflichkeit in der Forschung bislang nur unzureichend Berücksichtigung gefunden hat. Sie ist vor diesem Hintergrund als diskursiv zu charakterisieren und von solchen Linearisierungen zu unterscheiden, die demgegenüber als systematisch anzusehen sind. Eine solche systematische Linearisierung findet sich zum Beispiel in Texten, in denen eine Terminologie weniger argumentativ entfaltet, sondern mehr didaktisch aufbereitet wird. Ein gutes historisches Beispiel hierfür bildet die Einführung einer im Vergleich stark hierarchisch strukturierten lexikologischen Terminologie in Christian Gueintz’ Deutscher Sprachlehre Entwurf, mit der eine tradierte lateinische Terminologie einem breiteren akademischen Publikum in deutscher Sprache verfügbar gemacht werden soll. In Abb. 3 ist dieses terminologische System wiedergegeben, wobei die Reihenfolge der Nennung einzelner Termini aus deren Nummerierung zu ersehen ist. Im Gegensatz zu dem diskursiven Vorgehen bei Kant geht es hier ausschließlich darum, das terminologische System möglichst sauber linear abzuarbeiten, wobei wiederum drei Prinzipien erkennbar sind: – 1. Prinzip: Von oben nach unten (abstrakte Termini werden vor konkreten genannt), etwa 1 Wortforschung vor 2 eigenschaften und 3 theilung; – 2. Prinzip: Von links nach rechts (jede unmittelbare Ebene der Hierarchie wird komplett besetzt – jedoch nicht jede Ebene als Ganze, vgl. das folgende Prinzip) – zum Beispiel 4 art/6 ankunft und 5 gestalt sowie 11 wandelbar und 12 unwandelbar; – 3. Prinzip: Links komplettierend (nicht ganze Ebenen werden komplett besetzt, sondern jeweils die Verzweigungen nach links) – also beispielsweise einerseits 2 eigenschaften mit 4 art/6 ankunft und 5 gestalt sowie 7 urspringlich, 8 entspringlich, 9 untheilbar und 10 theilbar, daneben andererseits 3 theilung mit 11 wandelbar und 12 unwandelbar sowie 13 eigenschaft und 14 theilung. IV.  Die Definitionen der einzelnen Termini

Von den knapp 30 Termini, die in deren ersten Paragraphen genannt werden, erfahren nur zehn eine Definition; die anderen werden in der Regel entweder in der Vorrede oder der Einleitung bzw. im nachfolgenden Text definiert:

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17 eintzelne 19 eintzig

7 urspringlich

18 mehrere 20 übereintzig

15 zahl

8 entspringlich

4 art 6 ankunft

21 erste

9 untheilbar

2 eigenschaften

10 theilbar

22 andere

16 person

5 gestalt

23 dritte

[...]

27 vornenwort

25 mit zeit

Terminologisierung im ersten Paragraphen der Transzendentalen Ästhetik

28 geschlechtswort

26 nenwort

12 unwandelbar

14 theilung

24 ohne zeit

3 theilung

wörterfügung

13 eigenschaft

11 wandelbar

1 wortforschung

nähere mittel [der sprachlehre]

377

Abb. 3: (Systematische) Linearisierung der lexikologischen Terminologie Abb. 3: (Systematische) Linearisierung der lexikologischen Terminologie in Gueintz (1641. in Gueintz (164 24–27) nach Roelcke 2016, 51. 24–27) nach Roelcke 2016, 51.

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378

1. 2. 3. 4. 5.

Thorsten Roelcke

Anschauung  6. Materie Sinnlichkeit  7. Form Empfindung  8. rein empirisch  9. transscendentale Ästhetik Erscheinung 10. transscendentale Logik

Die Reihenfolge der einzelnen Definitionen entspricht der Linearisierung des terminologischen Systems [vgl. Abb. 4]: Zunächst werden solche Termini definiert, die Teile der substantiellen Komponente menschlicher Erkenntnis zum Ausdruck bringen (Anschauung, Sinnlichkeit, Empfindung, empirisch, Erschei­ nung und Materie); es folgen solche, die dem Ausdruck von Teilen der strukturellen Komponente (Form und rein), und schließlich solche, die demjenigen transzendentalphilosophischer Teildisziplinen dienen (transscendentale Ästhetik und transscendentale Logik). Damit verfolgt Kant auch hier die drei oben genannten Strategien: wachsende Entfernung (von einem allgemeinen philosophischen hin zu einem transzendentalphilosophischen Sprachgebrauch), assoziative Verflechtung (hier allerdings lediglich innerhalb des Umfelds von Sinnlichkeit und nicht zwischen diesem und demjenigen von Verstand) sowie induktive Disziplinbildung (wobei epistemologische Disziplinen erst nach epistemischen Gegebenheiten definiert werden). Kant verwendet in diesem Textabschnitt ausschließlich klassisch-aristotelische Definitionen, also solche, deren Definiens jeweils intensional aus der Angabe einer Gattung (genus proximum) und der die Art unterscheidenden Merkmale (differen­ tia specifica) besteht [vgl. Abb. 5]. Allein die Definitionen von Materie und Form zeigen einen extensionalen Charakter, indem sie sich auf den substantiellen bzw. den strukturellen Bestandteil von Erscheinung beziehen. Andere Definitionsarten wie etwa explikative, exemplarische, operationale oder synonymische Definitionen sind hier nicht zu finden. Dies lässt sich damit erklären, dass Kant zwar ein terminologisches System diskursiv entwickelt (und nicht systematisch darlegt), dieses dabei jedoch semantisch möglichst präzise zu erfassen versucht; daneben ist in diesem Falle sicher auch eine gewisse Tradition des Definierens in der Zeit der Aufklärung anzunehmen.

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Terminologisierung im ersten Paragraphen der Transzendentalen Ästhetik

379

Gegenstand  afficiren

ERKENNTNISS

3 Empfindung

2 Sinnlichkeit (Gemüth, Receptivität, Vorstellungsfähigkeit) a posteriori

a priori  geben

6 Materie

7 Form Principien der Sinnlichkeit



transscendentale Ästhetik 9

Raum Zeit

isoliren 5 Erscheinung

4 empirische

transscendentale Elementarlehre

8 reine

1 Anschauung

Verstand  denken Principien des reinen Denkens



transscendentale Logik 10

Begriff Abb. 4: Definierte Termini im terminologischen System

Abb. 4: Definierte Termini im terminologischen System

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380

Definiendum

Thorsten Roelcke

Definitor

Definiens genus proximum Auf welche Art und durch welche Mittel sich auch immer eine Erkenntniß auf Gegenstände beziehen mag Fähigkeit (Receptivität)

Anschauung

ist

Sinnlichkeit

heißt

Empfindung

ist

Wirkung eines Gegen­ standes

empirisch

heißt

Erscheinung

heißt

Materie

nenne ich

[Anschauung, welche sich] bezieht Gegenstand einer empi­ rischen Anschauung in der Erscheinung das

differentia specifica [diejenige, wodurch sie sich auf dieselbe] unmittelbar [bezieht, und worauf alles Denken als Mittel abzweckt] Vorstellungen durch die Art, wie wir von Gegenständen afficirt werden, zu bekommen auf die Vorstellungsfähigkeit, so­ fern wir von demselben afficirt werden auf den Gegenstand durch Empfindung unbestimmter

was der Empfindung corre­ spondirt Form nenne ich dasjenige [in der Erschei­ welches macht, daß das Man­ nung] nigfaltige der Erscheinung in gewissen Verhältnissen geordnet werden kann rein ich nenne [Vorstellungen (im transs­ nichts, was zur Empfindung cendentalen Verstande), in gehört denen angetroffen wird] transscendentale nenne ich Wissenschaft von allen Principien der Sinn­ Ästhetik lichkeit a priori transscendentale genannt wird diejenige [Wissenschaft] welche die Principien des reinen Logik Denkens enthält Abb. 5: Aristotelische Definitionen der Termini

Kant verwendet im ersten Paragraphen der Transzendentale[n] Ästhetik sowohl Real- als auch Nominaldefinitionen; dies lässt sich aus den diversen Definitoren ablesen: – zwei Realdefinitionen (Anschauung und Empfindung mit dem Definitor ist); – vier allgemein gehaltene (intersubjektive) Nominaldefinitionen (Sinnlichkeit, empirisch und Erscheinung mit dem Definitor heißt sowie transscendentale Lo­ gik mit dem Definitor wird genannt); – vier individuell gekennzeichnete (subjektive) Nominaldefinitionen (Materie, Form, rein und transscendentale Ästhetik mit nenne ich). Auch dieser Befund lässt sich mit einer Strategie wachsender Entfernung erklären: Termini der substantiellen Komponente menschlicher Erkenntnis, deren

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Terminologisierung im ersten Paragraphen der Transzendentalen Ästhetik

381

kantische Bedeutungen denjenigen in der Philosophie seiner Zeit relativ nahestehen, werden überwiegend mit intersubjektiven Nominaldefinitionen oder mit Realdefinitionen festgelegt. Demgegenüber finden sich subjektive Nominaldefinitionen vornehmlich bei solchen Termini, deren Bedeutungen sich im transzendentalphilosophischen Sinne in stärkerem Maße vom zeittypischen philosophischen Gebrauch abheben. Aristotelische Definitionen liegen insbesondere bei der Festlegung hierarchisch angelegter Terminologien nahe: Ein Terminus, der innerhalb der differentia specifica im Definiens eines hyperonymen Terminus erscheint, kann als genus proximum im Definiens eines hyponymen Terminus auftreten (und so fort). Obwohl das terminologische System in diesem Abschnitt kaum hierarchisch angelegt ist, wählt Kant diesen Typ der Definition und stellt sich damit einer definitorischen Herausforderung, da er bei der Formulierung der genera proxima und differentiae specificae nur bedingt auf hierarchisch strukturiertes Wortmaterial zurückgreifen kann: – Die genera proxima zeigen dabei folgende Gestaltungsweisen: Satz (Anschau­ ung), (allgemeinsprachliches) Hyperonym (Sinnlichkeit, transscendentale Äs­ thetik, transscendentale Logik), (allgemeinsprachliche) Nominalgruppe mit attributivem Genitiv (Empfindung, Erscheinung), semantisch vages Verb mit Nominalphrase (empirisch), übergeordnetes Partonym (Materie, Form), Nominalgruppe mit Attributsatz (rein). – Sie fallen semantisch tendenziell vage aus; dies zeigt sich insbesondere an den genera proxima Auf welche Art und durch welche Mittel sich auch immer eine Erkenntniß auf Gegenstände beziehen mag (für Anschauung), Wirkung eines Gegenstandes (für Empfindung) oder dasje­ nige [in der Erscheinung] (für Form). – Entsprechendes gilt für die differentiae specificae. Sie finden sich jeweils in einer der folgenden Formen: Adjektive (Anschauung, Erscheinung), erweiterte Infinitive (Sinnlichkeit), (teils erweiterte) Präpositionalkonstruktionen (Emp­ findung, empirisch, transscendentale Ästhetik), (teils erweiterte) Attributsätze (Materie, Form, transscendentale Logik), Negation in Verbindung mit einem Relativsatz (rein). – Ihre definitorische Vagheit ist etwa zu erkennen an: [dieje­ nige, wodurch sie sich auf dieselbe] unmittelbar [bezieht, und worauf alles Den­ ken als Mittel abzweckt] (für Anschauung), was der Empfindung correspondirt (für Materie) oder nichts, was zur Empfindung gehört (für rein). Der Hinweis auf Vagheit mancher genera proxima und differentiae specificae ist nicht als (gebührliche oder ungebührliche) Kritik an Kants Definitionspraxis misszuverstehen: Vagheit ist vielmehr als eine relative terminologische Eigenschaft anzusehen, die der relativen Exaktheit einzelner Termini entspricht: Definitionssysteme in einer natürlichen Sprache basieren (im Gegensatz zu solchen in einer künstlichen Sprache) letztlich auf allgemeinsprachlicher Lexik (in hierarchisch angelegten Terminologien etwa an der Spitze und am Boden des Sys-

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Thorsten Roelcke

tems). Dies gilt auch für die grundlegende Terminologie, die Kant am Anfang der Transzendentale[n] Ästhetik entfaltet: Sie ist an allgemeinsprachliche (wenn auch im philosophischen Diskurs der Zeit etablierte) Lexik gebunden und erlangt ihre notwendige (und dabei auch hinreichende) Exaktheit insbesondere auch durch die internen Relationen ihrer Struktur. Dieser Beitrag terminologieinterner semantischer Relationen zur Definition einzelner Termini lässt sich am Beispiel von empirisch und rein gut zeigen: Das Adjektiv empirisch wird mit der differentia specifica auf den Gegenstand durch Empfindung definiert, während bei rein hier nichts, was zur Empfindung gehört erscheint. Diese definitorische Angabe zu rein ist nicht als eine echte Verneinung zu lesen (in diesem Falle wäre die Definition fehlerhaft und unbrauchbar), sie erhält ihre Bedeutung vielmehr durch den semantischen Bezug zu den Termini Materie und Form. Während Materie als in der Erscheinung das, was der Emp­ findung correspondirt definiert wird, findet sich Form in diesem Zusammenhang als dasjenige [in der Erscheinung], welches macht, dass das Mannigfaltige der Er­ scheinung in gewissen Verhältnissen geordnet werden kann: Der Ausdruck Materie bezieht sich damit auf die Substanz, der Ausdruck Form dagegen auf die Struktur einer sinnlichen Anschauung. Die Definitionen von Materie und empirisch entsprechen einander hinsichtlich correspondirt bzw. bezieht sowie Empfindung. Vor diesem Hintergrund darf nun auch eine Entsprechung zwischen den Definitionen von Form und rein angenommen werden, sodass geordnet werden der Erscheinung bei Form als strukturelle Komponente neben der fehlenden substantiellen Komponente (nichts, was zur Empfindung gehört) bei rein aufzufassen ist. Im Ganzen zeigt sich, dass Kant im ersten Paragraphen der Transzendentale[n] Ästhetik eine diskursive Definitionspraxis pflegt: Dies zeigt sich sowohl in der Wahl und in der Reihenfolge der einzelnen Definitionen und deren Definitionsarten sowie in der vielfältigen, oft phrasenhaften Gestaltung des Definiens vieler Definitionen. An dieser Stelle liegt ein weiterer Vergleich mit Christian Gueintz’ Deutscher Sprachlehre Entwurf nahe. Bei Gueintz sind im Unterschied zu Kant drei verschiedene Definitionstypen zu finden, die sich über das hierarchische System der Terminologie mehr oder weniger konsequent verteilen: 1. Aristotelische Definitionen, in denen ein hyperonymes Definiens expressis verbis als genus proximum erscheint und um die Angabe von differentiae speci­ ficae ergänzt wird – zum Beispiel: Die Wortforschung ist ein theil der sprachlehre von eines ieglichen wortes natur (Gueintz 1641. 24). 2. Explikative Definitionen, die nicht zwischen genus proximum und differentia specifica unterscheiden, sondern lediglich unsystematisch einige Merkmale angeben oder auf andere Weise erläutern – etwa: Die erste person ist welche da redet (ebd. 27). Diese Definitionen geraten hier bisweilen in die Nähe von synonymischen Definitionen (Die entspringliche art ist/die von einem andern

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herkommet) oder von zirkulären (Die theilbare gestalt ist/nach welcher ein wort in Deutsche theil kann getheilet werden; ebd. 25). 3. Exemplarische Definitionen treten allein als Beispielangaben nach anderen Definitionen auf. – Andere Arten wie etwa genetische oder operationale Definitionen erscheinen in dem Text nicht. Aristotelische Definitionen erscheinen hierbei (mit Ausnahme derjenigen von wandelbar) jeweils auf höheren (abstrakteren) Ebenen, während sich explikative Definitionen jeweils auf der untersten (konkreten) Ebene finden und eine enge Bindung an die Allgemeinsprache zeigen. V.  Beispiele und Erläuterungen zu einzelnen Termini und deren Definitionen

Kant führt in diesem Textabschnitt kaum Beispiele an; zu nennen sind lediglich zwei Fälle, die für die Terminologisierung allenfalls von untergeordneter Bedeutung sind: – Substanz, Kraft und Theilbarkeit als Beispiele für die Begrifflichkeit hinsichtlich eines Körpers sowie Undurchdringlichkeit, Härte und Farbe als solche für dessen Empfindung werden im vierten Absatz anlässlich einer Erläuterung zum Terminus rein angeführt, leisten jedoch kaum einen Beitrag zu dessen näherer semantischen Bestimmung. – Raum und Zeit als Principien der Sinnlichkeit erscheinen im sechsten Absatz weniger als Beispiele, denn als extensionale Angabe zum Schluss, während Form oder Princip der Sinnlichkeit um einiges zuvor eingeführt werden. Im Unterschied hierzu gibt Kant im ersten Paragraphen der Transzendentale[n] Ästhetik wiederholt Erläuterungen, die sich auch für die Einführung seiner Terminologie von Bedeutung erweisen [vgl. Abb. 6]. Dabei finden sich drei Absätze, die jeweils Sätze mit Definitionen und Sätze mit Erläuterungen enthalten (Abs. 1, 3, und 4) sowie zwei Absätze, die ausschließlich Definitionen aufweisen (Abs. 2 und 5), und einen, der nur Erläuterungen umfasst (Abs. 6). Graphische Abbildungen wie Tabellen oder Skizzen, die ebenfalls zur Definition und Erläuterung einzelner oder mehrerer Termini beitragen können, finden sich in diesem Abschnitt der Kritik der reinen Vernunft nicht. Diese Beobachtung gibt Anlass, den Vorschlag zu einem (nicht ganz) neuen textlinguistischen Untersuchungsansatz zu unterbreiten: Die Analyse der qualitativen und quantitativen Verteilung von Information in einzelnen Absätzen, Abschnitten, Paragraphen, Kapiteln usw. verspricht neue Erkenntnisse über die Exteriorisierung (wie auch Interiorisierung) von Wissen (bzw. Kenntnissen und

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Kompetenzen). Dabei wäre eine solche Absatzlinguistik nicht allein im fach-, sondern insbesondere auch im literatursprachlichen Bereich von Interesse. 8 Abs. Satz s. z 1 1

Def. Erl. x

2 3

2

3

x x

4

x

5

x

1

x

2

x

3

x

1

x

2 4

1

3

5

6

Wortschatz

Anschauung

Erkenntniß, Gegenstand, Denken

Anschauung

Gegenstand, geben, Gemüth, afficiren

Sinnlichkeit

Vorstellungsfähigkeit, Receptivität, Gegen­ stand, afficiren Gegenstand, geben, ↑ Anschauung, denken, Begriff denken, Gegenstand, geben

Sinnlichkeit, [Ver­ stand] Sinnlichkeit, Anschauung Empfindung

↑ Anschauung, Gegenstand, ↑ Empfindung

Materie, Form

↑ Erscheinung, ↑ Empfindung,

Materie, Form rein

x x x

rein reine Anschauung

4

x

[reine Anschauung]

5

x

[reine Anschauung]

1

x

2

x

3

x

transscendentale Ästhetik transscendentale Logik transscendentale Ästhetik transscendentale Ästhetik transscendentale Ästhetik

1

x

2

x

Gegenstand, Vorstellungsfähigkeit, afficiren

empirisch

Erscheinung x

2

Terminus

Gegenstand, ↑ empirisch, ↑ Anschauung

↑ Empfindung, Erscheinung, a posteriori, Gemüth, a priori transscendental, ↑ Empfindung,

↑ Form, ↑ Anschauung, Gemüth, a priori, ↑ Erscheinung ↑ Form, ↑ Sinnlichkeit Verstand, denken, ↑ Empfindung, ↑ empirisch, ↑ Anschauung a priori, Gegenstand [der Sinne], ↑ Empfindung, ↑ Form, ↑ Sinnlichkeit, Gemüth Princip der Sinnlichkeit, a priori transscendentale Elementarlehre, Princip des reinen Denkens ↑ Sinnlichkeit, isoliren, Verstand, Begriff, denken, ↑ empirisch, ↑ Anschauung ↑ rein, ↑ Anschauung, ↑ Form, ↑ Erscheinung, ↑ Sinnlichkeit, a priori ↑ rein, ↑ Form, [sinnliche] ↑ Anschauung, Princip, Erkenntniß, a priori, Raum, Zeit

Abb. 6: Definierte (fett) und erläuterte Termini: Definitions- und Erläuterungswortschatz 8 Im sprachdidaktischen Bereich ist ein solches Verfahren tatsächlich bereits ein recht alter Hut: Bei der Erfassung und Untersuchung von Texten werden einzelne Absätze mit knappen inhaltsbezogenen Annotationen versehen, um auf diese Weise den Aufbau des Gesamttextes zu erfassen.

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Im vorliegenden Fall kommt eine solche Analyse zu dem folgenden (stark vereinfachenden) Ergebnis, wobei die definierten bzw. erläuterten Termini jeweils das Thema des betreffenden Absatzes widerspiegeln [vgl. Abb. 7]: Absatz 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Thema Sinnlichkeit – substantiell wie strukturell (Abgrenzung zu Verstand) Substantielle Komponente von Sinnlichkeit Substantielle und strukturelle Komponente von Sinnlichkeit Strukturelle Komponente von Sinnlichkeit transzendentalphilosophische Disziplinen transzendentalphilosophische Untersuchung von Sinnlichkeit

Definitionen und Erläuterungen Definitionen von und Erläuterungen zu Anschauung und Sinnlichkeit Definitionen von Empfindung, empirisch und Erscheinung Definitionen von und Erläuterungen zu Materie und Form Definitionen von und Erläuterungen zu rein bzw. reine Anschauung Definitionen von transscendentale Ästhe­ tik und transscendentale Logik Erläuterungen zu transscendentale Ästhetik

Abb. 7: Absätze: Themen und Termini (Definitionen und Erläuterungen)

Sätze mit Definitionen und solche mit Erläuterungen wechseln in diesem Textabschnitt einander ab. Dabei folgen Erläuterungen zu einzelnen Termini bzw. deren Begrifflichkeit jeweils unmittelbar auf deren Definition (Termini, die nicht definiert werden, werden auch nicht erläutert). Diejenigen Termini, mit denen andere Termini erläutert werden, werden entweder in diesem Abschnitt definiert (und zwar stets oberhalb), oder sie bleiben hier ohne eine Definition (und werden oft an anderem Orte in der KrV – etwa zuvor in der Einleitung – definiert). Im zweiten Falle macht Kant also so etwas wie einen terminologischen Vorbehalt, der im Falle von Definitionen, die anderenorts erfolgen, aufgelöst wird. Die rechte Spalte in [Abb. 6] zeigt anhand der eingefügten Pfeile, dass viele Termini, die jeweils zur Definition oder Erläuterung anderer Termini verwendet werden, wiederholt erscheinen und zuvor selbst definiert werden; hierfür drei Beispiele: – Der Terminus Anschauung wird selbst unter Gebrauch von Erkenntniß, Ge­ genstand und Denken definiert und erscheint seinerseits in Definitionen von empirisch und Erscheinung sowie in Erläuterungen zu Sinnlichkeit, rein bzw. reine Anschauung und transscendentale Ästhetik. – Demgegenüber wird der Terminus Gegenstand in diesem Textabschnitt nicht eigens definiert und tritt dabei jedoch in den Definitionen von Anschauung, Sinnlichkeit, Empfindung, empirisch und Erscheinung sowie in den Erläuterungen zu [reine] Anschauung und Sinnlichkeit auf. – Die wichtigen Termini Raum und Zeit kommen jeweils nur ein einziges Mal vor – am Schluss: Sie weisen selbst keine Definition auf, sondern finden sich im Rahmen einer Erläuterung zu transscendentale Ästhetik.

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VI.  Die Vernetzung der Termini

Die Beobachtung, dass einzelne Termini im Rahmen von Definitionen und Erläuterungen wiederholt erscheinen, überrascht als solche nicht. Sie gibt jedoch Anlass zu zwei weiterführenden Fragen: Inwiefern trägt das wiederholte Erscheinen einzelner Termini, also die lexikalische Rekurrenz, zu Kohäsion und Kohärenz des Textes bei (Frage nach der Herstellung von Textzusammenhang)? Wie werden die systematischen Beziehungen zwischen den Termini durch deren Gebrauch in Definitionen und Erläuterungen hergestellt (Frage nach der Vernetzung des terminologischen Systems)? In der folgenden Tabelle [Abb. 8] sind die definierten Termini in Fettdruck horizontal in der Reihenfolge ihres Erscheinens im Text angeführt; in der Vertikalen finden sich all diejenigen Termini (ebenfalls in der Reihenfolge ihres Texterscheinens), die im Rahmen der Definitionen und Erläuterungen der definierten Termini erscheinen (hier sind die definierten Termini ebenfalls fett gedruckt und deren horizontale Zeile grau unterlegt). Die Kreuze geben jeweils das erste Erscheinen der vertikal aufgeführten Termini an, die nach links, auf die Kreuze weisenden Pfeile deren spätere Nennungen. – Eine Auswertung der Tabelle kommt unter anderem zu den folgenden Befunden: – Einige der definierten Termini stellen vergleichsweise oft eine lexikalische Rekurrenz her und tragen somit wesentlich zur terminologischen Vernetzung bei. Hierzu zählen Anschauung, Empfindung, Erscheinung und empirisch. – Im Gegensatz hierzu leisten einige andere definierte Termini kaum einen Beitrag zur lexikalischen Rekurrenz des Textes und damit auch nur in geringem Maße zur terminologischen Vernetzung. Dies gilt insbesondere für Sinnlich­ keit, Form und rein. Überhaupt keine lexikalische Rekurrenz und damit auch keine terminologische Vernetzung leistet transscendentale Logik (transscen­ dentale Ästhetik dagegen jedoch durch wiederholte Nennung als Explikandum). – Termini, die nicht eigens definiert werden, tragen bisweilen ebenfalls zur lexikalischen Rekurrenz und terminologischen Vernetzung bei. Zu nennen ist hier allen voran Gegenstand; im Weiteren gehören auch Gemüth oder a priori hierzu. – Die stärkste terminologische Vernetzung durch lexikalische Rekurrenz zeigt rein unter den Termini, die sich auf epistemische Gegebenheiten beziehen. Von den beiden Termini, die epistemologischen Disziplinen gelten, ist transscen­ dentale Ästhetik stark, transscendentale Logik dagegen nur schwach lexikalisch rekurrent und terminologisch vernetzt [vgl. hierzu unten]. – Zahlreiche Termini sind unmittelbar rekurrent bzw. vernetzt, indem innerhalb ihrer eigenen Definitionen oder Erläuterungen Termini, die in der Definition zuvor Verwendung finden, wieder aufgegriffen werden. Dies gilt etwa für Sinn­ lichkeit (mit Gegenstand, denken, Anschauung, geben und afficiren).

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Erkenntniß Gegenstand denken Anschauung Gemüth geben afficiren Receptivität Sinnlichkeit Verstand Begriff Vorstellungsfähigkeit Empfindung empirisch Erscheinung Materie Form a posteriori a priori rein transscendental Principien der Sinnlich­ keit transscendentale Ästhetik transscendentale Ele­ mentarlehre Principien des reinen Denkens transscendentale Logik isoliren Raum Zeit

x x x x x x x

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transscendentale Logik

transscenden-tale Ästhetik

rein

Form

Materie

Erscheinung

empirisch

Empfindung

Sinnlichkeit

Terminologisierung im ersten Paragraphen der Transzendentalen Ästhetik

Anschauung



← ← ← ←









← ←

← ← x x x x x



← ← ← ←

← ←

← ← ← ← x

← x

← ← x

← x x x

← ← x ← ←

← ← ←

← ← ←

← ←





← x x

← ← ← x



x x x x x x x

Abb. 8: Terminologische Rückverflechtung in Definitionen und Erläuterungen

– Bisweilen entstehen durch eine Wiederholung unmittelbarer Rekurrenz und Vernetzung echte Rekurrenz- oder Terminologisierungsketten; so etwa bei Empfindung (mit Vorstellungsfähigkeit), empirisch (mit Empfindung), Erschei­ nung (mit empirisch) und Materie (mit Erscheinung). – Dies ist auch insofern

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bemerkenswert, als das terminologische System hier nicht hierarchisch ist und somit keine Reihungen von genus proximum und differentia specifica im Rahmen aristotelischer Definitionen nahelegt. Daher ist im vorliegenden Textabschnitt von einer heterogenen und nicht von einer hierarchischen Rekurrenzbzw. Terminologisierungskette zu sprechen. – Zwei der Termini fallen dadurch ins Auge, dass sie gegen Ende des Textes definiert und erläutert werden und dabei zahlreiche Rekurrenzen bzw. Vernetzungen zeigen – insbesondere auch zu solchen Termini, die zu dessen Beginn eingeführt werden. Es handelt sich hierbei um rein (mit Gegenstand, denken, Anschauung, Gemüth, Sinnlichkeit und Verstand und weiteren) und transscen­ dentale Ästhetik (mit Erkenntniß, denken, Anschauung, Sinnlichkeit, Verstand, Begriff und anderen). – Hierbei drängt sich der Verdacht auf, dass Kant mit der Definition und der Erläuterung des letzten Terminus, der sich auf epistemische Gegebenheiten bezieht, und derjenigen des zentralen Terminus, der sich auf eine epistemologische Disziplin bezieht, noch einmal wichtige Termini vom Beginn des Textabschnitts nennen möchte: Hier ist daher von einer rekapitulierenden lexikalischen Rekurrenz bzw. terminologischen Vernetzung zu sprechen. Diese Befunde machen deutlich, dass die terminologische Vernetzung innerhalb des ersten Paragraphen der Transzendentale[n] Ästhetik ganz durchgeführt ist und dieser Textabschnitt somit eine vollständige lexikalische Rekurrenz zeigt. Offen bleibt hierbei jedoch die Frage nach der Exaktheit und der Eindeutigkeit, welche die Termini in diesem Rahmen jeweils zeigen. VII.  Exaktheit und Eindeutigkeit der Termini

Die Termini im ersten Paragraphen der Transzendentale[n] Ästhetik sind relativ exakt bzw. relativ vage. Für diese Relativität der Exaktheit sind hier mindestens drei Faktoren verantwortlich: 1. Der Gebrauch von lexikalischen Ausdrücken innerhalb von Definitionen, die ihrerseits keine Definition aufweisen: Definitionssysteme natürlicher Sprache bleiben an ihren Rändern (bei hierarchischen Systemen etwa an der Spitze und am Boden) an Ausdrücke gebunden, die nicht eigens definiert sind und somit relative Vagheit in das betreffende System tragen. 2. Der Gebrauch von Termini in Definitionen, die selbst nicht genau in diesem Textabschnitt, sondern anderenorts definiert werden: Mit einem solchen terminologischen (oder auch: definitorischen) Vorbehalt wird die (reale oder potentielle) Exaktheit einzelner Termini nach außen verlagert. Wichtig: Auch dieser terminologische Vorbehalt ist seinerseits relativ, indem er jeweils vom Textschnitt abhängig gemacht wird.

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3. Die Gestaltung von Definitionen, die jeweils vom definitorischen bzw. terminologischen Kontext abhängen: Deren relative Exaktheit bzw. Vagheit hängt hier nicht (allein) von dem Gebrauch nicht oder anderenorts definierter lexikalischer Ausdrücke innerhalb ihrer selbst ab. Sie ist vielmehr bedingt durch diejenige anderer Definitionen im terminologischen Umfeld. Unabhängig vom philosophischen Diskurs zeigt sich an diesem Beispiel einmal mehr, dass Exaktheit und Vagheit relative Eigenschaften von Termini sind. Deren Beurteilung kann allein unter pragmatischen und kognitiven Gesichtspunkten erfolgen. Da der Textschnitt in diesem Falle verhältnismäßig eng gewählt ist (was sich insbesondere in den zahlreichen terminologischen bzw. definitorischen Vorbehalten äußert), erscheint hier eine solche Beurteilung kaum indiziert. Allein hinsichtlich der lexikalischen Rekurrenz bzw. der terminologischen Verflechtung kann der Terminologisierung eingangs der Transzendentale[n] Ästhetik ein verhältnismäßig hoher Grad an Exaktheit attestiert werden. Im Gegensatz zu der von der modernen Terminologielehre in der Folge Wüsters immer wieder postulierten Eineindeutigkeit von Termini stellen deren Polysemie und Synonymie (Mehrmehrdeutigkeit) weniger die Ausnahme als vielmehr deren Regel dar. Dabei ist zwischen einer terminologieimmanenten und einer terminologietranszendenten Mehrmehrdeutigkeit zu unterscheiden. Für den Terminus Sinnlichkeit sind etwa in der KrV mindestens fünf verschiedene Einzelbedeutungen zu belegen: 1. ›Vermögen, Gegenstände, die in der außersubjektiven Wirklichkeit gegeben sind, raumzeitlich wahrzunehmen‹. 2. ›raumzeitliche Wahrnehmung von Gegenständen außersubjektiver Wirklichkeit‹. 3. ›Typ raumzeitlicher Wahrnehmung von Gegenständen außersubjektiver Wirklichkeit‹. 4. ›Begehrungsvermögen‹. 5. ›Neigung‹. Die ersten drei Bedeutungen sind transzendentalphilosophischer Natur und stehen in einem metonymischen Zusammenhang: Während sich die erste Bedeutung auf ein bestimmtes Erkenntnisvermögen (im epistemologischen Sinne) bezieht, sind die zweite und die dritte Bedeutung auf entsprechende Erkenntnis bzw. auf deren strukturelle Komponente bezogen. Die vierte und fünfte Bedeutung sind allgemeinsprachlich, zeigen aber auch eine metonymische Relation zwischen Vermögen und dessen Ausprägung. Im ersten Paragraphen der Transzendentale[n] Ästhetik ist nun ausschließlich die erste der genannten Bedeutungen von Sinnlichkeit zu finden; die weiteren Bedeutungen erscheinen an anderer Stelle der KrV. Dies ist durch den engen Textschnitt bedingt, lässt für diesen Textabschnitt jedoch den Befund zu, dass hier keine terminologieimmanente Polysemie (sei sie nun metonymischen, me-

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taphorischen oder sonstigen Charakters) herrscht. Die anderen Termini dieses Textabschnitts zeigen entsprechende Befunde, sind also terminologieimmanent monosem. Im Unterschied hierzu ist in dem vorliegenden Textabschnitt immerhin eine terminologietranszendente Polysemie zu beobachten: So wird der Terminus Ästhetik hier sowohl unter einer spezifisch transzendentalphilosophischen als auch unter einer anderen philosophischen Bedeutung verwendet. Kant zufolge bezieht sich der Terminus im transzendentalphilosophischen Verständnis (daher hier auch: trans­ scendentale Ästhetik) auf die epistemologische Disziplin, die sich insbesondere mit der strukturellen Komponente von Erfahrung (also sinnlicher Erkenntnis) beschäftigt: Er definiert ihn als Wissenschaft von allen Principien der Sinnlichkeit a priori. Daneben wird der Ausdruck nach Kant im philosophischen Diskurs auch unter einer anderen Bedeutung gebraucht, die an dieser Stelle als Kritik des Geschmacks angegeben und mit dem Philosophen Alexander Gottlieb Baumgarten (und vermutlich dessen Werk Aesthetica) in Verbindung gebracht wird Auch ohne weiterführende philosophische Erläuterung wird deutlich, dass hier konkurrierende Bedeutungen diskutiert werden, die verschiedenen Bereichen eines bestimmten wissenschaftlichen Bereiches zuzuordnen sind: Vor diesem Hintergrund liegt hier eine terminologietranszendente und dabei fachimmanente Polysemie vor. Solche ›semantischen Kämpfe‹ stellen eine bedeutsame Ursache terminologischer Polysemie dar. Der Ausdruck Sinnlichkeit stellt einen (wenn nicht: den) zentralen Terminus des ersten Paragraphen der Transzendentale[n] Ästhetik dar. Und gerade dieser wird hier gemeinsam mit einigen synonymen Termini verwendet: Gemüth, Recepti­ vität und Vorstellungsfähigkeit. Ein Blick auf den Gebrauch der Termini in der KrV als ganzer kommt demgegenüber zu der folgenden Liste an Synonymen: An­schauungsvermögen, Sinn, Sinnlichkeit, Vorstellungsfähigkeit, Vorstellungskraft und Vorstellungsvermögen. Von Sinnlichkeit und Vorstellungsfähigkeit abgesehen, weichen diese beiden Listen voneinander ab. Dieser disparate Befund lässt sich folgendermaßen erklären: – Die synonymen Ausdrücke Anschauungsvermögen, Sinn, Vorstellungskraft und Vorstellungsvermögen, die zwar in der KrV, nicht aber im ersten Paragraphen der Transzendentale[n] Ästhetik erscheinen, werden an anderer Stelle des Werks eingeführt und sind somit für diesen Textabschnitt nicht von Relevanz. – Der Ausdruck Gemüth wird in der KrV in der Regel unter der Bedeutung ›Erkenntnisvermögen‹, der Ausdruck Receptivität unter ›Wahrnehmungsvermögen‹ (einschließlich einer strukturellen Komponente von Erkenntnis, jedoch unspezifisch hinsichtlich der menschlichen Komponenten Raum und Zeit) verwendet. Sie erweisen sich somit als Hyperonyme zu Sinnlichkeit unter der Bedeutung ›raumzeitliches Wahrnehmungsvermögen‹. Die Bedeutungen von Gemüth und Receptivität sind in diesem Kontext jedoch nicht entsprechend

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gegenüber derjenigen von Sinnlichkeit abgegrenzt, sondern stehen als Quasisynonyme unter einem terminologischen bzw. definitorischen Vorbehalt. Polysemie und Synonymie sind in diesem frühen Textabschnitt der KrV Ausdruck einer diskursiven Terminologisierung: Sowohl die Abgrenzung der transzendentalphilosophischen Bedeutung von Ästhetik gegenüber derjenigen in einem anderen philosophischen Verständnis als auch der definitorische Vorbehalt bei der Verwendung der Quasisynonyme zu Sinnlichkeit sind Erscheinungen im Rahmen der Konstitution einer Terminologie, die in diesem Textabschnitt nicht abgeschlossen ist, sondern vielmehr ihren eigentlichen Anfang nimmt. VIII.  Graphische Hervorhebung der Termini

Obwohl eine graphische Hervorhebung von nicht unbeträchtlicher Bedeutung für das Erkennen von Termini und damit auch für die Rezeption von Fachtexten ist, ist sie bislang nicht hinreichend untersucht worden. – In der folgenden Skizze [Abb. 9, vgl. S. 392] sind sämtliche Termini, die in der Akademie-Textausgabe hervorgehoben sind, grau unterlegt. Hier ergeben sich folgende Beobachtungen: – Mit Ausnahme von transscendentale Logik zeigen all diejenigen Termini durch Sperrdruck (bei Sinnlichkeit durch Fettdruck – ggf. als besondere Hervorhebung des zentralen Terminus dieses Abschnitts) eine Hervorhebung, die definiert werden. – Hinzu kommen drei weitere Termini, die als Verben Erkenntnisprozesse (ge­ ben und denken) bzw. Forschungsmethoden (isoliren) bezeichnen. – Im Rahmen der kritischen Diskussion terminologietranszendeter Polysemie werden der Terminus Ästhetik sowie der Name Baumgarten hervorgehoben. Hervorhebungen verweisen hiernach fast ausschließlich auf Termini, die (genau an dieser Stelle) definiert werden, sodass die Akademie-Textausgabe hinsichtlich der Terminologisierung eine recht leserfreundliche typographische Gestaltung zeigt.9

9 Die

Ausgabe der KrV durch Raymund Schmidt (Hamburg 1956) hält an den Hervorhebungen durch Sperrdruck fest, verzichtet jedoch auf den Fettdruck von Sinnlichkeit (hier stattdessen ebenfalls Sperrung [wir haben hier kursiviert, vgl. oben]) und die Hervorhebung von Baumgarten. Kursivsatz dient hier der Kennzeichnung von Varianten erster und zweiter Auflage.

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Gegenstand  afficiren

ERKENNTNISS

3 Empfindung

2 Sinnlichkeit (Gemüth, Receptivität, Vorstellungsfähigkeit) a posteriori

a priori  geben 7 Form

6 Materie

Principien der Sinnlichkeit



transscendentale Ästhetik 9

Raum Zeit

isoliren 5 Erscheinung

4 empirische

transscendentale Elementarlehre

8 reine

1 Anschauung

Verstand  denken Principien des reinen Denkens



transscendentale Logik 10

Begriff Abb. 9: Hervorhebung von Termini im Text

Abb. 9: Hervorhebung von Termini im Text

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IX.  Abschließende Bemerkungen

Um zusammenfassen, sei zunächst von den eingangs aufgestellten Punkten (Fragen) ausgegangen: 1. Der erste Paragraph der Transzendentale[n] Ästhetik in Kants KrV führt in die Unterscheidung einer substantiellen und einer strukturellen Komponente menschlicher Erkenntnis (Anschauung) und deren epistemologischer Untersuchung ein. Das terminologische System dieses Textabschnitts ist nicht strikt hierarchisch aufgebaut, sondern zeigt daneben auch partitive und prozedurale Wortschatzrelationen. 2. Die lineare Einführung der knapp dreißig Termini innerhalb des Textes folgt mindestens drei Strategien: a) Strategie wachsender Entfernung von (in der Philosophie der Zeit) eher geläufigen zu eher ungeläufigen Termini (im Sinne der Transzendentalphilosophie); b) Strategie assoziativer Verflechtung semantisch verwandter, aber nicht unmittelbar benachbarter terminologischer Ausschnitte; c) Strategie induktiver Disziplinbildung, wobei in einem ersten Schritt epistemische und in einem zweiten epistemologische Termini im Text genannt werden. 3. In dem Textabschnitt werden zehn Termini definiert. Die Reihenfolge der Definitionen entspricht dabei den drei genannten Strategien. Deren Definiens folgt jeweils dem klassischen, aristotelischen Muster aus genus proximum und differentia specifica. Die Definitoren von (in der Philosophie der Zeit) eher geläufigen Termini sind tendenziell als Realdefinitionen und diejenigen von eher ungeläufigen Termini (im Sinne der Transzendentalphilosophie) als (intersubjektive oder subjektive) Nominaldefinitionen gestaltet. Die (relativ vage) Gestaltung der genera proxima und differentiae specificae ist vielfältig und trägt dabei oftmals phrastische Züge. Zahlreiche definierende oder explizierende Ausdrücke tragen einen terminologischen bzw. definitorischen Vorbehalt, da sie entweder nicht oder anderenorts definiert werden. 4. Beispiele sind in dem ersten Paragraphen der Transzendentale[n] Ästhetik nur von untergeordneter Bedeutung. Demgegenüber weist der Textabschnitt zahlreiche Erläuterungen auf, die jeweils im Anschluss an die Definitionen der betreffenden Termini erscheinen (dabei ist über die Textabsätze eine Informationsstruktur erkennbar). Zahlreiche Termini, die (definiert oder nicht definiert) in diesen Erläuterungen Verwendung finden, erscheinen mehrfach; dabei werden definierte Termini stets nach ihrer Definition explikativ eingesetzt. 5. Das wiederholte Erscheinen einzelner Termini innerhalb von Definitionen und Explikationen trägt einerseits zur lexikalischen Rekurrenz des Textes und andererseits zur Vernetzung des terminologischen Systems selbst bei. Obwohl das

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terminologische System nicht hierarchisch ist, treten dabei bisweilen Rekurrenz- bzw. Terminologisierungsketten auf (die entsprechend als heterogen zu charakterisieren sind). Gegen Ende des Textes finden sich Termini, die neben ihrer Definition unter Rückgriff auf zahlreiche eingeführte Termini erläutert werden; hier liegt eine rekapitulierende lexikalische Rekurrenz bzw. terminologische Vernetzung vor. 6. Die relative Exaktheit bzw. Vagheit der Termini dieses Textabschnitts ist durch mindestens drei Faktoren bestimmt: a) Gebrauch von nicht definierten Ausdrücken in Definitionen; b) Gebrauch von andernorts definierten Ausdrücken in Definitionen (definitorischer bzw. terminologischer Vorbehalt); c) Abhängigkeit einzelner Definitionen vom definitorischen bzw. terminologischen Kontext. Polysemie und Synonymie spielen in dem kurzen Textausschnitt demgegenüber eine untergeordnete Rolle: Zu finden sind: d) terminologietranszendente Polysemie im Rahmen eines semantischen Kampfes; e) einige Quasisynonyme (unbestimmte Hyperonyme im Rahmen eines definitorischen Vorbehalts). 7. In der Akademie-Textausgabe (und anderen Ausgaben) der KrV werden definierte Termini konsequent graphisch hervorgehoben; daneben erfahren auch weitere Termini eine (wenn auch weniger konsequente) Hervorhebung. Im Ganzen orientiert sich die Terminologisierung innerhalb des ersten Paragraphen der Transzendentale[n] Ästhetik weniger an der Struktur des terminologischen Systems selbst, sondern folgt vielmehr einer verhältnismäßig komplexen diskursiven Strategie Kants, mit der dieser seine Termini argumentativ implementiert. Dieser diskursiven Terminologisierung entsprechen im Einzelnen die folgenden Verfahren: a) wachsende Entfernung (lineare Einführung der Termini, insbesondere auch der definierten Termini, sowie Wechsel von Real- zu intersubjektiven und subjektiven Nominaldefinitionen); b) assoziative Verflechtung (lineare Einführung der Termini, wiederum insbesondere auch der definierten Termini, sowie Vernetzung in Form von heterogenen Rekurrenz- bzw. Terminologisierungsketten); c) induktive Disziplinbildung (lineare Einführung von Termini im Allgemeinen und definierter Termini im Besonderen); d) unmittelbarer Einschub von Erläuterungen nach Definitionen innerhalb oder in der Folge von Absätzen (Wechselstruktur zwischen definierenden und explizierenden Textteilen); e) relative Vagheit bzw. Exaktheit einzelner Termini (durch definitorische bzw. terminologische Vorbehalte und Kontextabhängigkeit von Definitionen) sowie Mehrmehrdeutigkeit (jedoch nur in geringem Umfang). Die in diesem Aufsatz vorgestellten Beobachtungen zum ersten Paragraphen der Transzendentale[n] Ästhetik tragen exemplarischen Charakter. Dies gilt zum ei-

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nen im Hinblick auf den Gesamttext der Transzendentale[n] Ästhetik oder gar der KrV insgesamt. Zum anderen wird derzeit anhand solcher Einzelstudien eine korpusgestützte Analyse der Terminologisierung in weiteren Fachtexten aus Wissenschaft, Technik und Institutionen sowie aus anderen fachkommunikativen Bereichen vorbereitet. Die Einzelstudien haben dabei die Funktion, schrittweise ein Forschungsdesign zu entwickeln, das schließlich als Ganzes auf ein entsprechendes Korpus angewandt werden kann. Eine solche Korpusanalyse von Terminologisierungsstrategien verspricht eine Reihe wissenschaftlicher Impulse für verschiedene linguistische Disziplinen – um hier nur einige kurz zu nennen: – Kognitive Linguistik: Das Verständnis von Terminologisierungsprozessen öffnet (über den Gebrauch von Sprache) Einsichten in das menschliche Denken – insbesondere auch in dessen Assoziativität. – Variations- und Textlinguistik: Terminologisierung geht in verschiedenen Fachbereichen und auf unterschiedlichen kommunikativen Ebenen eigene Wege – dies unter Berücksichtigung diverser Textsorten zu untersuchen (und gegebenenfalls funktional zu interpretieren), ist ein wichtiger Schritt zum besseren Verständnis fachlicher Kommunikation. – Historische Sprachwissenschaft: Die gegenwärtige Variation steht in engem Zusammenhang mit geschichtlichen Entwicklungen und Traditionen (in Barock und Aufklärung etwa zeigt Terminologisierung oft eine systematische Entfaltung, während sie in der Spätaufklärung – wie etwa bei Kant – eher diskursiven Strategien folgt). – Linguistische Pragmatik: Terminologisierung spielt eine entscheidende Rolle beim sog. ›Wissenstransfer‹, also bei der Exteriorisierung und der Interiorisierung von Kenntnissen und Kompetenzen – hier geht es also nicht um die kognitiven, sondern um die praktischen Aspekte fachkommunikativer Vermittlung (dies ist Grundlage für die beiden folgenden Punkte). – Terminologielehre und Terminologienormung: Die terminologische Arbeit an Normungsinstitutionen wie etwa dem Deutschen Institut für Normung (DIN), die in der Regel an ganzen terminologischen Systemen oder an einzelnen Termini ansetzt, kann im Weiteren zur Entwicklung von fachspezifischen Vorgaben zur Einführung von Terminologien beitragen. – Sprachdidaktik: Kenntnisse von Terminologisierungsstrategien ebnen den Weg für entsprechende Bedarfsanalysen und Zielvorgaben, die Entwicklung von Lehr- und Lernmedien sowie Unterrichtsgestaltung im mutter- wie im fremdsprachlichen Unterricht für Kinder, Jugendliche und Erwachsene (den Bereichen Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache kommt hier eine besondere Bedeutung zu). – Interkulturelle Germanistik bzw. Linguistik: Der Verdacht liegt nahe, dass Terminologisierung in anderen Sprachen und Kulturen auf jeweils eigene Weise

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gestaltet wird (so wie dies auch bei der Höflichkeit in und bei der thematischen Organisation von Fachtexten der Fall ist – oder bei writer- bzw. reader-respon­ sibility). Es spricht einiges für die Annahme, dass es inter- oder transkulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede etwa bei der Struktur terminologischer Systeme, bei der Definition von Termini oder bei der Entfaltung von Fachwortschätzen gibt. – Hierüber ist jedoch bislang so gut wie nichts bekannt: Vor diesem Hintergrund sind die bisher gewonnenen Ergebnisse einmal mehr exemplarisch und stellen die Sprachwissenschaft vor weitere Herausforderungen.

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Terminologisierung als translatorisches Problem Überlegungen anlässlich der Übersetzung von Kants philosophischen Werken Thorsten Roelcke

Einleitende Bemerkungen1 Gewinnung und Vermittlung philosophischer Erkenntnisse stehen vor der Herausforderung, weiterführende Erkenntnisse an bereits bestehende Erkenntnisse anzuschließen. Aus sprachlicher Perspektive wird dabei auf bereits bekannte Texte zurückgegriffen, um auf deren Grundlage neue Texte zu entwerfen. Der Wortschatz und die Grammatik, die hier verwendet werden, bleiben davon nicht unberührt, sie werden verändert und erfahren im Sinne de Saussures2 eine Neubewertung. Dies ist im Falle philosophischer Terminologie besonders bedeutsam, da Gewinnung und Vermittlung philosophischer Erkenntnisse in starkem Maße an einen entsprechenden Gebrauch von Wortschatz gebunden sind. Dieser enge Zusammenhang zwischen Erkenntnisgewinnung und -vermittlung einerseits sowie fachlicher Verwendung von Lexik andererseits stellt die Übersetzung philosophischer Werke vor eigene Herausforderungen, insbesondere dann, wenn es sich hierbei um Texte handelt, die zu einer anderen Zeit entstanden sind. Der vorliegende Beitrag stellt zunächst Grundzüge der Konstituierung von fachlicher Lexik vor, die daraufhin am Beispiel des Fachwortgebrauchs bei Immanuel Kant näher betrachtet werden. Vor diesem Hintergrund werden im Weiteren einige spezifische Herausforderungen an die Übersetzung des Fachwortschatzes 1 Der folgende Beitrag ist eng verknüpft mit dem voraufgehenden Beitrag von Thorsten Roelcke: Terminologisierung im ersten Paragraphen der Transzendentalen Ästhetik von Immanuel Kant [im Folgenden: Beitrag Roelcke 1]. Um die unabhängige Lektüre beider in Teilen ähnlichen Beiträge zu erleichtern, werden einige graphische Darstellungen aufgegriffen, die sich auch im vorangegangenen Beitrag finden. Nicht erneut abgedruckt wird § 1 der TÄ, der im vorangehenden Beitrag komplett wiedergegeben wird und auf den auch dieser Beitrag Bezug nimmt. Es werden im folgenden Beitrag nicht alle bibliographischen Angaben wiederholt, die sich im vorangehenden Beitrag finden. Sie werden z.T. verkürzt angeführt und lassen sich im vorangehenden Beitrag [Roelcke 1] sowie in der Bibliographie finden. 2 Ferdinand de Saussure: Cours de linguistique générale. Hg. von Charles Bally/Albert Sechehaye, unter Mitwirkung von Albert Riedlinger. Krit. Ausg. von Tullio de Mauro. Paris 1972.

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in philosophischen Texten vorgestellt, um abschließend einige Anforderungen zu umreißen, denen solche Übersetzungen genügen sollten. I.  Terminologisierung – Konstituierung von Fachwortschatz

Es bestehen im Wesentlichen drei Verfahren zur fachlichen Wortschatzerweiterung bzw. zur Konstituierung von Termini und Terminologie, die mit einer Vielzahl an sprachwissenschaftlichen Methoden qualitativ und quantitativ empirisch untersucht sowie anhand von verschiedenen linguistischen Modellen konzeptionell beurteilt werden können. Die drei wesentlichen Verfahren zur Erweiterung von Fachwortschatz bestehen in der Entlehnung von Wörtern aus anderen Sprachen in die eigene Sprache (im Deutschen beispielsweise aus dem Lateinischen oder Englischen oder Französischen), in der Bildung neuer Wörter anhand von Ausdrücken, die in der eigenen Sprache bereits vorliegen (etwa durch Komposition oder Derivation), sowie in der Änderung von lexikalischen Bedeutungen der eigenen Sprache in Richtung neuer Inhalte (zum Beispiel mittels Metaphorik oder Abstraktion). Echte Neuschöpfungen, Neologismen spielen im alltäglichen wie im fachlichen Sprachgebrauch kaum eine Rolle und können daher vernachlässigt werden. Art und Umfang der fachlichen Wortschatzerweiterung sind nicht beliebig, sondern folgen verschiedenen kommunikativen Faktoren und unterliegen dabei dem Prinzip kommunikativer Effizienz [vgl. Abb. 1]. Relevanz

Quantität

Entlehnung



Bedeutungsänderung



Kommunikative Effizienz



[…]



Wortbildung

Qualität

Modalität

Abb. 1: Faktoren kommunikativer Effizienz: Wortschatzerweiterung. 3

In Anlehnung an Grice’ vier Maximen der Konversation, die ihrerseits auf Kants Kategorientafel zurückgeführt werden, 4 lassen sich vier Faktoren unterscheiden, 3

Vgl. Thorsten Roelcke: Fachsprachen. Berlin 42020 [im Ersch.]. 4 Vgl. H. Paul Grice: Logic and Conversation. In: ders.: Speech acts. Hg. von Peter Cole/ Jerry L. Morgan. New York 1975. 41–58. Dt.: H. Paul Grice: Logik und Konversation. In:

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welche jeweils einer bestimmten Gruppe an Sprachnutzerinnen und Sprachnutzern entsprechen und somit den Einsatz der verschiedenen Verfahren zur Wortschatzerweiterung textspezifisch bestimmen: Die Maxime der Quantität, nach der Äußerungen so sehr informativ wie möglich und nicht mehr informativ als nötig zu sein haben, die Maxime der Qualität, der zufolge Äußerungen wahr zu sein haben oder hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltes zu relativieren sind, die Maxime der Relevanz, die eine thematische Integration und Stringenz der Äußerungen innerhalb eines entsprechenden Kontexts fordert, sowie die Maxime der Modalität, welche Verständlichkeit der Äußerungen für die betreffende Gruppe der Sprachnutzenden fordert. Im Zentrum des Modells steht das Prinzip der sprachlichen Ökonomie bzw. der kommunikativen Effizienz.5 Hiernach besteht im Hinblick auf Art und Umfang des Einsatzes der diversen Verfahren zur Erweiterung von Wortschatz in der Regel ein optimales Verhältnis, das eine möglichst effiziente Kommunikation der Sprachnutzenden gewährleistet. Die Konstitution (alter oder neuer) Terminologie in Texten6 stellt ein wichtiges Problem der Erforschung von Fachsprachen dar. Die zentrale Frage lautet hier, wie komplexe terminologische Systeme, die mehrere Dimensionen umfassen können, in linear angelegten sprachlichen Texten eingeführt und aufgebaut werden. Im Einzelnen lässt sich dies insbesondere in folgende Einzelfragen fassen: Wie ist das betreffende terminologische System selbst beschaffen?7 In welcher Reihenfolge werden einzelne Termini eingeführt, und wie werden sie untereinander vernetzt? Welche Definitionen (oder Konventionen) werden bei der Einführung dieser Fachwörter verwendet, und welche Arten von Definitionen erscheinen hierbei? Herrschen Polysemie und Synonymie unter den Termini, und zeigen sich Bedeutungsübertragungen (Metaphern oder Metonymien)? Welche Ausdrücke sind aus welchen Sprachen entlehnt oder werden aus welchen sprachlichen Bestandteilen neu gebildet? Über diese qualitativen Forschungsfragen hinaus sind auch quantitative denkbar, so etwa diejenigen nach der Anzahl der Termini relativ zum Textwortschatz (terminologische Dichte) oder der Anzahl der Definitionen relativ zu Sätzen des betreffenden Texts (Definitionsdichte). 8 ders.: Handlung, Kommunikation, Bedeutung. Hg. von Georg Meggle. Frankfurt a.M. 1993. 243–265. 5 Vgl. Roelcke: Kommunikative Effizienz. Eine Modellskizze. Heidelberg 2002. 6 Die Erweiterung von Fachwortschatz einerseits und die Konstituierung von Terminologie andererseits sind letztlich nicht miteinander zu verwechseln: Von dem Umstand einmal abgesehen, dass jeder Text eine semantische Neubewertung seiner Lexik bedingt, ist neben der Einführung neuer, unbekannter auch eine Einführung alter, bekannter Terminologie möglich und durchaus üblich – etwa in Lehrtexten oder Kompendien. 7 Der hermeneutische Zirkel, der mit der Beantwortung dieser Frage verbunden ist, lässt sich in diesem Zusammenhang nicht auflösen. 8 Vgl. Roelcke: Definitionen und Termini. Quantitative Studien zur Konstituierung von Fachwortschatz. Berlin/Boston 2013.

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Die Ergebnisse, die eine qualitative oder eine quantitative Analyse der Konstitution fachlicher Lexik hervorbringt, werden im Rahmen von verschiedenen linguistischen Modellen [vgl. Abb. 2] unterschiedlich beurteilt und bewertet.9 So nimmt eine systemlinguistische Betrachtungsweise ausschließlich auf das terminologische System Bezug und beurteilt dieses allein auf der Grundlage seiner strukturellen Eigenschaften (Polysemie von Fachwörtern etwa wird in diesem Falle als defizitär angesehen, da sie Unsicherheit hinsichtlich der Wahl einzelner Bedeutungen evoziere).10 Demgegenüber betrachtet ein pragmalinguistischer Ansatz die Gestaltung sprachlicher Texte selbst (und kommt in Bezug auf terminologische Polysemie zu dem Ergebnis, dass diese zum einen weit verbreitet und zum anderen bei entsprechender Gestaltung des sprachlichen Kotextes und des nichtsprachlichen Kontextes durchaus zu beherrschen sei); hierbei erfährt die Erforschung von Fachsprachen eine interdisziplinäre Öffnung, die zu einer Integration vielfältiger Forschungsansätze führt.11 Betrachtungsweisen schließlich, die als kognitionslinguistisch zu charakterisieren sind, fassen sprachliche Erscheinungen auf System- und Textebene als Ergebnisse (Emanationen) menschlicher Kognition und Emotion auf und laufen letztlich auf eine erneute Fokussierung fachsprachlicher Forschungen hinaus (Polysemie wird in diesem Falle nicht zuletzt als ein wichtiges Verfahren zur assoziativen Erweiterung von Bedeutung verstanden und eben nicht als Hindernis fachlicher Kommunikation).12

 9

Vgl. zuletzt Roelcke: Technical Terminology. In: Languages for Special Purposes. An International Handbook. Hg. von John Humbley/Gerhard Budin/Christer Laurén. Berlin/ Boston 2018. 489–508. 10 Eine solche Betrachtungsweise geht in der modernen Sprachwissenschaft zurück auf die Werke Eugen Wüsters [vgl. Beitrag Roelcke 1]. Vgl. auch Arntz/Picht/Schmitz: Einführung in die Terminologiearbeit [vgl. Beitrag Roelcke 1]. Sie bestimmt damals wie heute die terminologische Normung; vgl. etwa DIN 2330: Begriffe und Benennungen. Allgemeine Grundsätze. Berlin 2013; ISO 704: Terminology Work. Principles and Methods. Genf 2009. 11 Stellvertretend für diesen Bereich sei zum Beispiel genannt Klaus-Dieter Baumann: Integrative Fachtextlinguistik. Tübingen 1992; Hartwig Kalverkämper (Hg): Fachkommunikation im Fokus. Paradigmen, Positionen, Perspektiven. Klaus-Dieter Baumann zum 60. Geburtstag gewidmet. Berlin 2016. 12 Einen guten Überblick über die internationale Fachsprachenforschung bis in die Mitte der 1990er Jahre vermittelt der Band Fachsprachen. Hg. von Lothar Hoffmann/Hartwig Kalverkämper/Herbert Ernst Wiegand [vgl. Beitrag Roelcke 1]. Einen aktuelleren Überblick erlaubt im Weiteren das Handbuch Languages for Special Purposes. An International Handbook [Anm. 9].

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Abb. 2: Vereinfachtes Modell fachsprachlicher Kommunikation unter Berücksichtigung der Interessenschwerpunkte verschiedener Fachsprachenkonzeptionen: Systemlinguistisches Inventarmodell (hell unterlegt), pragmalinguistisches Kontextmodell (mittel unterlegt), kognitionslinguistisches Funktionsmodell (dunkel unterlegt)13

II.  Terminologisierung in Kants Kritik der reinen Vernunft

Die Kritik der reinen Vernunft von Immanuel Kant stellt ein besonders gutes, da komplexes Beispiel für Terminologisierung im Bereich der Philosophie dar. Dies lässt sich teils anhand eines Textausschnitts aus der Transzendentale[n] Ästhetik14 teils anhand des Gesamtwerks gut zeigen, wobei die folgenden Ausführungen einige Antworten auf die oben formulierten Fragen aus sprachwissenschaftlicher Sicht umreißen.15

13

Vgl. Roelcke: Fachsprachen [Anm. 3]. KrV, AA 03: 49 f. (Die transscendentale Ästhetik. § 1). Der Text ist abgedruckt im Beitrag Roelcke 1 im vorliegenden Band. 15 Sie fußen auf eigenen Studien. Über die in Roelcke 1 [Anmerkungen 1 und 2] angeführten Publikationen hinaus sei an dieser Stelle verwiesen auf: Roelcke: Definitionen und Termini. Quantitative Studien zur Konstituierung von Fachwortschatz. Berlin/Boston 2013; ders.: Die Konstitution terminologischer Systeme in Fachsprachen. In: Wortschatz. Theorie, Empirie, Dokumentation. Hg. von Stefan Engelberg/Heidrun Kämper/Petra Storjohann. Berlin/Boston 2018. 171–188. 14

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Thorsten Roelcke Gegenstand  afficiren 3 Empfindung

ERKENNTNIß

2 Sinnlichkeit (Gemüth, Receptivität, Vorstellungsfähigkeit) a posteriori a priori  geben 6 Materie 7 Form Principien der Sinnlichkeit Raum



transscendentale Ästhetik 9

Zeit isoliren

5 Erscheinung 4 empirische

transscendentale Elementarlehre

8 reine

1 Anschauung Verstand  denken Principien des reinen Denkens



transscendentale Logik 10

Begriff

Abb. 3: Terminologisches System in § 1 der Transzendentalen Ästhetik

Das terminologische System, das im ersten Paragraphen der Transzendentale[n] Ästhetik eingeführt wird, weist eine relativ komplexe Struktur auf, die sich von der Anlage terminologischer Systeme in anderen Texten, die zum Beispiel streng hierarchisch oder sternförmig angelegt sind, erheblich unterscheidet [vgl. Abb. 3]. Es umfasst Bezeichnungen für diverse Erkenntnisvermögen wie Sinnlichkeit und Verstand, für ihre Erkenntnisprinzipien wie Raum und Zeit, für Erkenntnisse selbst wie Anschauung oder Begriff sowie für transzendentalphilosophische Teildisziplinen wie transscendentale Ästhetik und transscendentale Logik. Neben hierarchischen Abstraktionsbeziehungen wie transscendentale Ästhetik und transscendentale Logik gegenüber transscendentale Elementarlehre und Teil/ Ganzes-Beziehungen wie Raum und Zeit gegenüber Principien der Sinnlichkeit bringt das System insbesondere einen epistemischen Prozess zum Ausdruck, die 9 Genese von Erkenntnis anhand von Anschauungen und Begriffen. Die Reihenfolge, in der die einzelnen Termini in § 1 der Transscendentale[n] Ästhetik hierbei eingeführt werden [vgl. die Nummern in Abb. 3], wirkt mit Blick

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auf das terminologische System unsystematisch, folgt aber ganz offensichtlich der Argumentationslinie im Text selbst. Diese setzt mit der Einführung von Bezeichnungen für verschiedene Erkenntnisvermögen und deren Erkenntnisarten selbst an [in Abb. 3 hell unterlegt], um dann über die Erwähnung von deren Erkenntnisprinzipien [mittel unterlegt] bis zur Nennung entsprechender transzendentalphilosophischer Teildisziplinen [dunkel unterlegt] vorzudringen. Kant führt somit zunächst Termini ein, die dem allgemeinen philosophischen Sprachgebrauch seiner Zeit entsprechen, und geht dann zu solchen Termini über, die sich auf Transzendentalphilosophie bzw. deren einzelnen Teildisziplinen beziehen. Eine solche, inhaltlich orientierte Linearisierung von Terminologie erscheint charakteristisch für diskursive Texte, in denen (wie hier: philosophische) Erkenntnisse deskriptiv und argumentativ entwickelt werden. In anderen Texten sind durchaus andere Prinzipien der terminologischen Linearisierung zu finden – so etwa in didaktischen Texten, in denen Wissen deskriptiv zusammengestellt wird, eine strukturelle Linearisierung16 oder in normierenden Texten, in denen Wissen präskriptiv zusammengestellt wird, eine alphabetische. Die Definitionen, die Kant in diesem Paragraphen der Transzendentale[n] Ästhetik verwendet, entsprechen in der Regel dem klassisch-aristotelischen Typ, bei dem das Definiens aus der Angabe eines genus proximum und entsprechender differentiae specificae besteht [vgl. Abb. 4].17 Beispiele hierfür sind die Definitionen der Termini Sinnlichkeit oder transscendentale Ästhetik, deren genus proximum Fähigkeit bzw. Wissenschaft und deren differentia specifica Vorstellungen durch die Art, wie wir von Gegenständen afficirt werden, zu bekommen bzw. von allen Principien der Sinnlichkeit a priori lauten. Die Wahl dieses Definitionstyps mag einem Streben nach möglichst großer Genauigkeit und Vernetzung der einzelnen Definitionen geschuldet sein, welche durch operationale, exemplarische oder synonymische Definitionen nicht in demselben Maße erzielt werden können. Mit Blick auf den Definitor sind in diesem Teil der Transzendentale[n] Ästhetik sowohl Real- als auch Nominaldefinitionen zu finden. Dabei lässt sich beobachten, dass Kant bereits eingeführte Termini in bekannter Bedeutung über Realdefinitionen festlegt (vgl. Anschauung und Empfindung), während er die Bedeutung von Termini transzendentalphilosophischer Prägung anhand von Nominaldefinitionen festlegt (Sinnlichkeit, empirisch oder transscendentale Logik),

16

Ein Beispiel hierfür findet sich in Christian Gueintz: Deutscher Sprachlehre Entwurf; vgl. dazu Beitrag Roelcke 1 im vorliegenden Band. Ein weiteres Beispiel aus dem juristischen Bereich, in dem ebenfalls Terminologie systematisch zusammengestellt wird, bilden die Paragraphen 90 bis 103 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Vgl. Roelcke: Definitionen und Linearisierung in §§ 90–103 BGB. In: Marina Wagnerová/Gerald G. Sander (Hg.): Die Rechtssprache in der internationalen Diskussion. Hamburg 2013. 143–162. 17 Vgl. Beitrag Roelcke 1 im vorliegenden Band.

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zum Teil sogar unter individueller Kennzeichnung durch nenne ich (etwa im Falle von Materie, Form oder transscendentale Ästhetik). Definiendum

Definitor

Definiens genus proximum Auf welche Art und durch welche Mittel sich auch immer eine Erkenntniß auf Gegenstände beziehen mag Fähigkeit (Receptivität)

Anschauung

ist

Sinnlichkeit

heißt

Empfindung

ist

Wirkung eines Gegenstandes

empirisch

heißt

Erscheinung

heißt

Materie

nenne ich

[Anschauung, welche sich] bezieht Gegenstand einer empirischen Anschauung in der Erscheinung das

Form

nenne ich

dasjenige [in der Erscheinung]

rein

ich nenne

[Vorstellungen (im transscendentalen Verstande), in denen angetroffen wird] Wissenschaft

transscendentale nenne ich Ästhetik transscendentale genannt Logik wird

diejenige [Wissenschaft]

differentia specifica [diejenige, wodurch sie sich auf dieselbe] unmittelbar [bezieht, und worauf alles Denken als Mittel abzweckt] Vorstellungen durch die Art, wie wir von Gegenständen afficirt werden, zu bekommen auf die Vorstellungsfähigkeit, sofern wir von demselben afficirt werden auf den Gegenstand durch Empfindung unbestimmter was der Empfindung correspondirt welches macht, daß das Mannigfaltige der Erscheinung in gewissen Verhältnissen geordnet werden kann nichts, was zur Empfindung gehört von allen Principien der Sinnlichkeit a priori welche die Principien des reinen Denkens enthält

Abb. 4: Aristotelische Definitionen der Termini im ersten Paragraphen der Transzendentalen Ästhetik

Kants Terminologie ist gekennzeichnet durch ein nicht unerhebliches Maß an Polysemie und Synonymie. So findet sich beispielsweise der Terminus Vernunft in der KrV in über zwanzig Bedeutungen18:   1. ›Vermögen, gegebene Sinnesdaten gemäß apriorischer Prinzipien zu ordnen, Erkenntnisvermögen‹,   2. ›Vermögen, Wahrnehmungen gemäß apriorischer Prinzipien eigenständig zu ordnen, Vermögen zu denken‹,

18

Roelcke: Die Terminologie der Erkenntnisvermögen. Wörterbuch und lexikosemantische Untersuchung zu Kants Kritik der reinen Vernunft. Tübingen 1989. 106 f.

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  3. ›Vermögen, spekulativ zu denken‹,   4. ›Vermögen, syllogistisch zu schließen‹,   5. ›Fähigkeit zu spekulativer Erfahrungserkenntnis‹,   6. ›Vermögen, metaphysisch zu denken‹ (im transzendentalphilosophischen Sinn),   7. ›Vermögen, metaphysisch zu denken‹ (im traditionellen Verständnis),   8. ›Vermögen, moralisch zu denken‹,  9. ›Erinnerungsvermögen‹, 10. ›Vermögen, metaphysisch zu denken‹ (im praktisch-transzendentalphilosophischen Sinn), 11. ›transzendentalphilosophisches Reflexionsvermögen‹, 12. ›Befähigung, Begabung zu denken‹, 13. ›spekulatives Denken‹, 14. ›formale Ordnung spekulativen Denkens‹, 15. ›syllogistisches Schließen‹ 16. ›metaphysisches Denken‹ (im transzendentalphilosophischen Verständnis), 17. ›metaphysisches Denken‹ (im traditionellen Verständnis), 18. ›Denken‹ (im alltäglichen Sinne), 19. ›Objektivität‹ (einer Wissenschaft oder einer Erkenntnis), 20. ›Gotteswesen, Urheber der erkennbaren Weltordnung‹, 21. ›Gotteswesen, moralischer Gesetzgeber‹, 22. ›Idee‹ (im Sinne Platons), 23. ›menschliches Denken‹ (im Sinne Platons). Kant verwendet den Ausdruck Vernunft somit nicht ausschließlich im transzendentalphilosophischen Verständnis, sondern auch im Sinne anderer Philosophen wie etwa solcher der Schulphilosophie (etwa Bedeutung 17) oder Platons (Bedeutung 22 und 23) sowie in Entsprechung zum alltäglichen Sprachgebrauch (Bedeutung 18). Für den Bereich der transzendentalphilosophischen Bedeutungen ist vor allem festzustellen, dass es hier wiederholt Über- und Unterbedeutungen (vgl. die Hyperosemie der Bedeutung 1 bis 4) sowie mehrere Metonymien (Bedeutung 13 bis 15) gibt; darüber hinaus werden sowohl Erkenntnistheorie als auch Moralphilosophie (vgl. etwa Bedeutung 19 und 20) berücksichtigt. Zu diskutieren ist in diesem Zusammenhang, ob die transzendentalphilosophische Verwendung von Termini, die zuvor mit transzendenter Bedeutung gebraucht wurden, als philosophische Metaphorik anzusehen ist. Der Gebrauch eines Terminus unter verschiedenen Bedeutungen erlaubt es dem Autor Kant, voneinander unterschiedene, jedoch miteinander verwandte Bedeutungen assoziativ miteinander zu verknüpfen bzw. neu entwickelte Bedeutungen aus altbekannten Bedeutungen herzuleiten. Somit stellt Polysemie hier ein wesentliches Mittel des schreibenden Erkenntnisgewinns bzw. epistemischen Schreibens dar.

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,Empfindungsvermögen‘ Sinn Vorstellungsfähigkeit

,Apperzeptionsvermögen‘ Einbildungskraft Verbindungsvermögen

,raumzeitliches Wahrnehmungsvermögen‘ Anschauungsvermögen Sinn Sinnlichkeit Vorstellungsfähigkeit Vorstellungskraft Vorstellungsvermögen

,Erkenntnisvermögen‘ Erkenntnißfähigkeit Erkenntnißkraft Erkenntnißquelle Erkenntnißvermögen Fähigkeit Gemüth Gemüthskraft Kraft Organ Quell Vermögen Vernunft Vorstellungskraft

,Wahrnehmungsvermögen‘ Receptivität

,Vermögen zu denken‘ Spontaneität Vernunft Verstand

,Vermögen, begrifflich zu denken‘ Verstand Verstandesvermögen

,Subsumtionsvermögen‘ Urtheilskraft

,Vermögen, spekulativ zu denken‘ Vernunft Vernunftvermögen

Abb. 5: Synonymie der Terminologie der Erkenntnisvermögen in Kants Kritik der reinen Vernunft

Neben Polysemie zeigt sich in der Terminologie Kants wiederholt auch Syn­ onymie [vgl. Abb. 5]:19 So wird der Terminus Vernunft im transzendentalphilosophischen Kontext unter der Bedeutung ›Vermögen zu denken‹ synonym mit den Termini Spontaneität und Verstand verwendet, unter der Bedeutung ‚Vermögen, spekulativ zu denken‹ synonym mit Vernunftvermögen; die meisten Synonyme weist Vernunft hier jedoch unter der Bedeutung ›Erkenntnisvermögen (im allgemeinen)‹ auf: Erkenntnißfähigkeit, Erkenntnißkraft, Erkenntnißquelle, Erkenntnißvermögen, Fähigkeit, Gemüth, Gemüthskraft, Kraft, Organ, Quell, Vermögen und Vorstellungskraft. Wie bei der Polysemie kann auch im Falle der Synonymie dem Denken bzw. Schreiben Kants Assoziativität attestiert werden. Die Verwen-

19

15

Vgl. Roelcke: Die Terminologie der Erkenntnisvermögen [Anm. 18] 164.

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dung verschiedener Ausdrücke unter jeweils ein und derselben Bedeutung erlaubt es dem Autor, unterschiedliche Bedeutungsaspekte hervorzuheben oder Kontextualisierungen vorzunehmen, um die Vermittlung philosophischer Erkenntnis zu unterstützen. Terminologische Entlehnungen aus fremden Sprachen im Sinne von Lehnwörtern oder Lehnübersetzungen sind in Kants Terminologie verhältnismäßig rar. Anders verhält es sich demgegenüber mit Wortbildungen und Mehrworttermini: Im vorliegenden Beispiel wiederholt zu belegen sind Bildungen auf -fähigkeit (Erkenntnißfähigkeit und Vorstellungsfähigkeit), -kraft (Einbildungskraft, Erkenntnißkraft, Gemüthskraft, Urtheilskraft und Vorstellungskraft), -quelle (Erkenntnißquelle) und -vermögen (Anschauungsvermögen, Erkenntnißvermögen, Verbindungsvermögen, Vernunftvermögen, Verstandesvermögen und Vorstellungsvermögen). Die hohe Zahl dieser Bildungen und deren häufiges Vorkommen mögen mit ein Grund dafür sein, dass Kants Erkenntnistheorie oftmals nicht epistemologisch interpretiert, sondern psychologisch missinterpretiert wurde und wird. Für Kant scheint indessen die Notwendigkeit bestanden zu haben, die sog. ›kopernikanische Wende‹ zum Ausdruck zu bringen, der zufolge (menschliche) Erkenntnis strukturellen Komponenten folgt, die nicht erworben werden, sondern notwendig vorgegeben sind. Unter quantitativem Aspekt sind im Rahmen der Konstituierung von Fachwortschatz zum einen die terminologische Dichte, also die Anzahl von Termini relativ zum Textwortschatz, sowie die Definitionsdichte, die Anzahl der Definitionen relativ zu Sätzen des betreffenden Texts, von Interesse. So liegt der Anteil an Termini im ersten Paragraphen der Transzendentale[n] Ästhetik bei 9 %, im zweiten Abschnitt der DIN-Norm 2330 bei 12 %; die Definitionsdichte beträgt im Falle der Transzendentale[n] Ästhetik 38 %, im Falle von DIN 2330 44 %. Damit zeigen die terminologische Dichte und die Definitionsdichte in dem eher diskursiv-argumentierenden Text von Kant einen geringeren Wert als in dem systematisch-präskriptiven Normtext. Die empirische Varianz als die mittlere quadratische Abweichung der Anzahl von Termini einzelner Definitionen von der mittleren Terminuszahl je Definition ist demgegenüber in dem Kant-Text mit 2,8 erheblich größer als in dem DIN-Text mit 0,4. Auch dieser Befund kann mit der diskursiv-argumentierenden bzw. systematisch-präskriptiven Anlage der beiden Texte in Verbindung gebracht werden. IV.  Translatorische Äquivalenz und Übersetzungsklüfte

Die Einführung und der Gebrauch von Termini in Kants KrV im Allgemeinen und in der Transzendentale[n] Ästhetik im Besonderen zeichnen sich zusammengefasst durch die folgenden Charakteristika aus:

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• Das terminologische System weist eine relativ komplexe Struktur auf und bringt insbesondere einen epistemischen Prozess zum Ausdruck, welcher die Genese von Erkenntnis anhand von Anschauungen und Begriffen umfasst. • Die terminologische Linearisierung, die Reihenfolge, in der die einzelnen Termini im Text eingeführt werden, erfolgt nach inhaltlicher Orientierung und ist letztlich charakteristisch für diskursive Texte, in denen Erkenntnisse argumentativ entwickelt werden. • Die Definitionen der Termini entsprechen weitgehend dem klassisch-aristotelischen Typ, um eine möglichst große Genauigkeit und Vernetzung der einzelnen Definitionen zu ermöglichen; bekannte Bedeutungen werden anhand von Real-, unbekannte anhand von Nominaldefinitionen festgelegt. • Polysemie und Synonymie sind verhältnismäßig stark ausgeprägt; sie dienen dazu, verschiedene, aber verwandte Bedeutungen assoziativ zu verknüpfen oder auseinander herzuleiten (Polysemie) bzw. unterschiedliche Bedeutungsaspekte hervorzuheben oder Kontextualisierungen vorzunehmen (Synonymie). • Neben Bedeutungsübertragungen (Metonymien, ggf. auch Metaphern) erscheinen zahlreiche Wortbildungen, welche den transzendentalphilosophischen Aspekt der Erkenntnislehre Kants unterstreichen; Entlehnungen sind demgegenüber selten. • Die terminologische und die Definitionsdichte in Kants diskursiv-argumentativen Texten liegen unterhalb derjenigen eines systematisch-präskriptiven Normtexts; die empirische Varianz zeigt demgegenüber einen höheren Wert. Letztlich können all diese Erscheinungen mit der Gestaltung eines diskursiven, argumentierenden Textes in Verbindung gebracht werden, in welchem philosophische Erkenntnis entwickelt und vermittelt werden soll. Texte, die einen eher systematischen oder deskriptiven Charakter aufweisen, zeigen in den genannten Punkten andere Charakteristika, wobei trotz einer Reihe an bereits vorliegenden Einzelanalysen noch immer eine exhaustiv angelegte Großstudie unter Verwendung eines systematischen Korpus aussteht. Vor dem Hintergrund des komplexen Befundes hinsichtlich der Einführung und des Gebrauchs von Termini im Werk von Immanuel Kant steht deren Übersetzung in eine andere Sprache wie das Englische oder das Chinesische vor einer doppelten Herausforderung: Sie hat zum einen Kants Terminologisierung selbst zu vermitteln und zum anderen diverse sprachliche Klüfte20 zu überwinden. 21 20 Das

Wort Kluft, auch und gerade im Terminus Übersetzungskluft [vgl. Titel dieses Kapitels], erscheint in diesem Zusammenhang zugegebenermaßen sperrig. Andere Bezeich­ nungen wie Abstand, Bruch, Hindernis etc. erscheinen indessen weniger treffend; auf die englische Bezeichnung gap wird bewusst verzichtet. 21 Zu den Grundlagen der Übersetzung fachsprachlicher Texte vgl. Klaus-Dieter Baumann/Hartwig Kalverkämper (Hg.): Theorie und Praxis des Dolmetschens und Übersetzens

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Eine alltags-, literatur- oder auch fachsprachliche Übersetzung steht prinzipiell vor einer grundsätzlichen Entscheidung: Entweder orientiert sich die Übersetzung in den Zieltext stark an den Gegebenheiten im Ausgangstext und richtet sich formal-sprachlich (gegebenenfalls auf Kosten funktional-inhaltlicher Aspekte) am Ausgangstext aus. Oder die Übersetzung aus dem Ausgangstext orientiert sich an den Gegebenheiten des Zieltextes und richtet sich funktional-inhaltlich (gegebenenfalls auf Kosten formal-sprachlicher Aspekte) am Ausgangstext aus. Faktisch sind beide Ansätze jedoch letztlich kaum sinnvoll voneinander zu trennen, da formal-sprachliche und funktional-inhaltliche Aspekte eng miteinander verknüpft sind, wenn nicht einander gar wechselseitig bedingen. Eine stark ausgangssprachliche Orientierung erscheint indessen in Anbetracht mangelnder sprachlicher bzw. funktional-inhaltlicher Äquivalenz im Rahmen der Übersetzung philosophischer Texte nur wenig erfolgversprechend. Dies gilt nicht allein für genealogisch, typologisch oder semantisch nicht oder kaum verwandte Sprachen wie etwa das Deutsche und das Chinesische, sondern auch oder gerade für relativ eng verwandte Sprachen wie das Deutsche und das Englische oder das Niederländische, da deren nahe Verwandtschaft irrige Lesarten eher begünstigt als verhindert. Demgegenüber erweist sich eine stark zielsprachliche Orientierung als ein hehres Ideal, dem nur schwer zu entsprechen ist. Dies liegt insbesondere daran, dass eine zielsprachlich orientierte Übersetzung letztlich einem Nachphilosophieren in einer anderen Sprache entspricht, welches eine Vielzahl an systematischen, pragmatischen und epistemischen Aspekten zu berücksichtigen hat, dabei jedoch den Ausgangstext selbst formal-ausdrucksseitig letztlich nicht ganz aus dem Auge verlieren darf. Angesichts eines solchen Spannungsfelds zwischen ausgangs- und zielsprachlicher Orientierung von Übersetzungen philosophischer Texte bestehen hinsichtlich der Einführung und des Gebrauchs von Termini vielfältige translatorische Probleme, die insbesondere mit Blick auf die Terminologisierung im Werk von Kant die folgenden Herausforderungen zu meistern haben: – Rekonstruktion des terminologischen Systems: Das (in der Regel verhältnismäßig komplexe) terminologische System ist im Zieltext so einzuführen, dass es demjenigen des Ausgangstextes möglichst genau entspricht. Das terminologische System sollte aus dem Zieltext nach Möglichkeit mit demselben Ergebnis erschlossen werden können wie aus dem Ausgangstext. Der oben genannte hermeneutische Zirkel erweist sich hier im vergleichenden Einsatz in fachlichen Kontexten. Berlin 2013; Klaus Schubert: Wissen, Sprache, Medium, Arbeit. Ein integratives Modell der ein- und mehrsprachigen Fachkommunikation. Tübingen 2007; Radegundis Stolze: Fachübersetzen . Ein Lehrbuch für Theorie und Praxis. Berlin 2013; dies.: Übersetzungstheorien. Eine Einführung. Tübingen 2018.

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bei Ausgangs- und Zieltext als ein (mehr oder weniger) valider Test zur erfolgreichen Bewältigung dieser Aufgabe. – Berücksichtigung der terminologischen Linearisierung: Die Reihenfolge, in der einzelne Termini im Ausgangstext eingeführt werden, sollte im Zieltext weitgehend gewahrt bleiben. Auf diese Weise wird deren inhaltlicher (etwa gegenüber einer strukturellen oder alphabetischen) Orientierung im Text entsprochen. Letztlich bleibt mit diesem Gebrauch von Terminologie auch das textuelle Charakteristikum einer argumentativen Entwicklung philosophischer Erkenntnis gewahrt. – Rekonstruktion der Definitionen des Ausgangstextes: Definitionen des Zieltextes sollten denjenigen des Ausgangstextes nicht allein funktional-inhaltlich, sondern auch formal-sprachlich nach Möglichkeit entsprechen. So werden beispielsweise mit der Übernahme von Definitionen des klassisch-aristotelischen Typs deren Genauigkeit und Vernetzung unterstützt, während etwa mit der Unterscheidung von Real- bzw. Nominaldefinitionen die Bekanntheit einzelner Termini gekennzeichnet werden kann. Die sprachliche Gestaltung von Definitor und Definiens im Zieltext ist also von entscheidender Bedeutung für die Übersetzung philosophischer Texte. – Wiedergabe der terminologischen Polysemie und Synonymie: Der Zieltext muss Polysemie und Synonymie der Termini des Ausgangstextes widerspiegeln. Damit können im Falle von Polysemie die assoziative Verknüpfung oder die Herleitung verwandter Bedeutungen sowie im Falle von Synonymie die Hervorhebung von Bedeutungsaspekten und bestimmte Kontextualisierungen ermöglicht werden. In diesem Zusammenhang spielt die angemessene Berücksichtigung von semantischen Indikatoren im Kontext des Zieltextes eine entscheidende Rolle: Hier wird besonders deutlich, dass die Übersetzung von Terminologie ein ganzheitliches Unterfangen darstellt. – Einsatz paralleler Übertragungen, Entlehnungen und Bildungen: Die Übernahme von Übertragungen (Metaphern und Metonymien) aus dem Ausgangstext oder (falls sinnvoll und möglich) die Entwicklung entsprechender Übertragungen innerhalb der Zielsprache leistet einen wichtigen Beitrag dazu, semantische Anschlüsse im Rahmen von Terminologisierung zu gewährleisten. Der Einsatz von Entlehnungen im Zieltext analog zu solchen im Ausgangstext ist im Falle von Europäismen lateinischer oder griechischer Provenienz innerhalb von europäischen Sprachen selbst verhältnismäßig leicht umzusetzen; im Falle von anderen Sprachen (etwa aus Fernost) sind hier translatorische Grenzen gesetzt und einzuhalten. Dies gilt nicht zuletzt auch im Falle von Wortbildungen bzw. Paraphrasierungen, die jeweils den strukturellen Spezifika der Zielsprache zu folgen haben. – Widerspiegelung der terminologischen Dichte und der Definitionsdichte: Letztlich ist davon auszugehen, dass sowohl die Dichte an Termini als auch dieje-

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nige an Definitionen im Zieltext weitgehend denjenigen des Ausgangstextes entsprechen; das Gleiche gilt für deren empirische Varianz. Deren Ermittlung ist unter Umständen ein weiterer Prüfstein für die terminologische Angemessenheit der philosophischen Übersetzung, da sie sich aus der Berücksichtigung von anderen terminologischen Erscheinungen des Ausgangstextes im Rahmen der Gestaltung des Zieltextes mittelbar ergibt. Die genannten Herausforderungen für bzw. Anforderungen an eine angemessene Übersetzung philosophischer Texte hinsichtlich ihrer Terminologisierung lassen eine Reihe an translatorischen Klüften offenkundig werden. Diese Klüfte bestehen in diversen einzelsprachlichen Unterschieden, die es letztlich wie auch immer zu überwinden gilt. Mit Blick auf die Werke von Kant handelt es sich hierbei insbesondere um die folgenden [vgl. Abb. 6]: • Allgemeinsprache/(geisteswissenschaftliche beziehungsweise philosophische) Fachsprache; • Schulphilosophischer Fachsprachgebrauch/transzendentalphilosophischer Fachsprachgebrauch; • Sprache um die Wende des 18. und 19. Jahrhunderts/Sprache um die Wende des 20. und 21. Jahrhunderts; • Deutsch als Ausgangssprache/(erste) Zielsprache/(zweite) Zielsprache (aus erster Zielsprache); • Allgemeiner Sprachgebrauch/theoretische Reflexion. 18. Jh.

19. Jh.

20. Jh.

21. Jh.

Deutsch als Ausgangssprache schulphilosophische Erste Zielsprache

Allgemeinsprache

Fachsprache

transzendentalphilosophische Weitere Zielsprache(n) Sprach- und Übersetzungstheorie Abb. 6: Translatorische Klüfte bei der Übersetzung der Werke von Immanuel Kant

Der vierte der fünf genannten Punkte trägt dem Umstand Rechnung, dass auch und gerade im Falle der Werke Kants einige Übersetzungen zu finden sind, die sich nicht auf die Originaltexte in der deutschen Ausgangssprache beziehen, sondern vielmehr ihrerseits bereits vorliegende Übersetzungen in eine andere Zielsprache zur Grundlage einer nachgeordneten, mittelbaren Übersetzung in eine zweite Zielsprache vornehmen. Die translatorische Kluft zwischen der Aus-

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gangs- und der zweiten Zielsprache dürfte sich hierbei bildhaft gesprochen weniger addieren als eher potenzieren. 22 Sprachreflexion kann mehr oder weniger großen Einfluss auf den Sprachgebrauch haben. So ist die Herausbildung einer überregionalen Literatur- oder Standardsprache im Deutschland des 18. Jahrhunderts von einer intensiven Auseinandersetzung um Sprache im Allgemeinen und einzelne Sprachen im Besonderen gekennzeichnet. 23 Inwieweit Kants eigener Sprachgebrauch durch dessen Sprachdenken geprägt ist, stellt eine wichtige Forschungsfrage dar, 24 die letztlich auch für die Übersetzung seiner Werke von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Schlussbemerkungen

Terminologisierung stellt ein spezifisches Problem für Übersetzungen dar. Anhand der Rekonstruktion terminologischer Systeme, der Berücksichtigung terminologischer Linearisierung, der Rekonstruktion von Definitionen des Ausgangstextes, der Wiedergabe von terminologischer Polysemie und Synonymie, des Einsatzes äquivalenter Übertragungen, Entlehnungen und Bildungen sowie einer Widerspiegelung terminologischer Dichte und Definitionsdichte müssen und können die hiermit verbundenen Klüfte der Translation überwunden werden. Welche Übersetzungsmethoden dabei im Einzelnen zum Einsatz kommen, stellt ein zentrales Thema der empirisch oder gegebenenfalls auch didaktisch orientierten Translationswissenschaft dar. Die Übersetzung der philosophischen Werke Kants kann letztlich weder in einer ausgangssprachlich orientierten Wiedergabe seiner Schriften in der Zielsprache noch in einem freien Nachphilosophieren im Rahmen zielsprachlicher 22

Vgl. dazu den Beitrag von Iris Plack im vorliegenden Band. Sprachreflexion der Aufklärung vgl. Andreas Gardt: Geschichte der Sprachwissenschaft in Deutschland [vgl. Beitrag Roelcke 1]; Gerda Haßler: Sprachtheorien der Aufklärung. Zur Rolle der Sprache im Erkenntnisprozeß. Berlin 1984; dies./Cordula Neis: Lexikon sprachtheoretischer Grundbegriffe des 17. und 18. Jahrhunderts. 2 Bde. Berlin/New York 2009; Ulrich Ricken (u. a., Hg.): Sprachtheorie und Weltanschauung in der europäischen Aufklärung. Zur Geschichte der Sprachtheorien des 18. Jahrhunderts und ihrer europäischen Rezeption nach der Französischen Revolution. Berlin 1990; Roelcke: Das Kunstwort in der Zeit der Aufklärung: wissenschaftliche Konzeption und faktischer Gebrauch [vgl. Beitrag Roelcke 1]; Roelcke: Latein, Griechisch, Hebräisch. Studien und Dokumentationen zur deutschen Sprachreflexion in Barock und Aufklärung. Berlin/Boston 2014; ders.: Französisch in Barock und Aufklärung. Studien zum Sprachdenken im Deutschland des 17. und 18. Jahrhunderts. Frankfurt a.M. 2014. 24 Vgl. hierzu insbesondere auch Hansmichael Hoheneggers Beitrag im vorliegenden Band. 23 Zur

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Gegebenheiten bestehen. 25 Sie hat vielmehr unter Berücksichtigung von strukturell-systematischen Besonderheiten der Ausgangs- und der Zielsprache und der textuell-pragmatischen Gestaltung des Ausgangs- und des Zieltextes die kognitiv-epistemische Anlage von Kants Schriften als einem eigenen Weg der Erkenntnisgewinnung bzw. -vermittlung zu vermitteln. Allein auf diese Weise wird eine philosophische Übersetzung zu einem genuinen Mittel eines letztlich autorenorientierten Nachphilosophierens in einer fremden Sprache.

25

Zu theoretischen Aspekten der Translatologie im Bereich der Philosophie vgl. den Beitrag von Andreas Gipper und Lavinia Heller im vorliegenden Band.

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›Daß es also am Ende eben so wenig wahre Homonyma als Synonyma giebt.‹ Einige Bemerkungen zum ›Dublettenproblem‹ in der Übersetzung kantischer Texte* François Ottmann I. Einleitung

Die Übersetzung kantischer Texte gehört zweifelsohne nicht zu den schwierigsten Aufgaben für die Übersetzer der deutschen Philosophie. Man denke etwa an den leichten Schwindel, der jeden Übersetzer vor manchen Seiten der Hegel’schen Logik oder der Heidegger’schen Philosophie ergreifen muss, um sich davon zu überzeugen. Im Vergleich zu diesen Autoren erscheint Kant noch als klassischer Autor, dessen Sprache sich also noch nicht ganz von der lateinischen Sprache und der scholastischen Tradition emanzipiert hat: Hält er sich nicht in der Kritik der reinen Vernunft regelmäßig an das lateinische Äquivalent mancher Ausdrücke, Termini oder sogar Satzglieder, die er in Klammern hinzufügt?1 Die kantische Sprache fügt sich allem Anschein nach noch in das klassische Gefüge der lateinischen Schulmetaphysik. Dies könnte also erklären, warum man bei der Übersetzung der kantischen Sprache nicht das Befremden verspürt, welches man bei manchen stärker nationalsprachlich gefärbten und zudem individuell bis hin zur Idiosynkrasie markierten Texten der deutschen Philosophie verspürt. Wenn man Kant aus dem Deutschen ins Französische zu übersetzen trachtet, hilft das leichte Durchschimmern der lateinischen Sprache in Kants eigener Diktion. 2 * Für ihre Hilfe bei der Verbesserung meines Beitrags bin ich Gisela Schlüter zu Dank verpflichtet. Zitat im Titel: vgl. AA 08: 152. 1 Man braucht die KrV nur durchzublättern, um dies zu beobachten: In KrV B 19 steht Principium causalitatis nach Satz der Verknüpfung der Wirkung mit ihren Ursachen, in KrV B 21 steht metaphysica naturalis nach Naturanlage, in KrV A 19/B 33 steht directe/indirecte nach geradezu/im Umschweife, in KrV B 38 steht expositio nach Erörterung, in KrV B 72 steht intuitus derivativus/intuitus originarius nach abgeleitet[e Anschauung]/ursprünglich[e Anschauung]. 2 Ein ähnliches Urteil äußert Rodica Croitoru in ihrem Beitrag zur Übersetzung der ersten Kritik ins Rumänische. Vgl. Rodica Croitoru: Comment cette ›langue morte et savante‹ nous a aidé dans la traduction de la Critique de la raison pure en langue roumaine.

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Dieses Durchschimmern verursacht allerdings eine besondere Übersetzungsschwierigkeit, die den Kant-Übersetzern, vor allem in romanische Sprachen, nur allzu bekannt ist und manchmal als Problem der Fremdwörter bezeichnet wird; im Folgenden werden wir es als Dublettenproblem bezeichnen. 3 Dieses Problem, das ein auffallendes Symptom der Schwellenstellung Kants zwischen zwei philosophischen Sprachen ist, ist im Grunde ein terminologisches Problem. In seiner Terminologie benutzt Kant sowohl Fremdwörter als auch deutsche Termini, um einige Kernbegriffe seines Systems zu benennen. So rekurriert er sowohl auf den klassischen Terminus Phaenomenon als auch auf den deutschen Begriff Erscheinung, um das zu beschreiben, was Gegenstand der Erfahrung sein kann. Ähnlich redet Kant wechselweise von Gegenständen und Objecten der Erfahrung, von Realität, Wirklichkeit und Sachheit, verwendet sowohl den Terminus Doktrin als auch den Terminus Lehre, um einen Teil eines philosophischen Systems zu bezeichnen, usw. 4 Betrachten wir nun zur Einführung in das Dublettenproblem zwei Fälle, die sich für den Übersetzer als schwierig erweisen: A.  Zwei Beispiele von Übersetzungsschwierigkeiten

Wie kann man auf Französisch mit solchen Dubletten umgehen? In einer romanischen Sprache würde man sich im Regelfall des lateinisch (oder griechisch) geprägten Terminus bedienen, um den deutschen zu übersetzen: Findet man bei Kant Erscheinung, so übersetzt man auf Französisch mit ›phénomène‹. Wie wird man aber dann Phaenomenon und, noch schwieriger, Phänomen übersetzen? Bisher haben sich in Frankreich die meisten Übersetzer stillschweigend dafür entschieden, beide Termini undifferenziert zu übersetzen, wie man es am Beispiel einer schwierigen Stelle der zweiten Vorrede zur KrV illustrieren kann. Nachdem Kant einige Züge seiner Transzendentalphilosophie präsentiert hat, heißt es: »Denn sonst würde der ungereimte Satz daraus folgen, daß Erscheinung ohne etwas wäre, was da erscheint.« (KrV B XXVII) Jules Barni eskamotiert das ProIn: Kant-Studien 108/1 (2017). 134–145. Den Hinweis auf diesen Beitrag verdanke ich Gisela Schlüter. 3 Peter von Polenz: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Bd. 2: 17. und 18. Jahrhundert. Berlin 1994. 85. Dort wird das Problem als allgemeineres linguistisches Phänomen betrachtet, das also nicht nur die philosophische Fachsprache betrifft. 4 Das Phänomen ist so diffus, dass es besonders schwierig erscheint, eine ausführliche Liste dieser Dubletten zu erstellen. Hier seien bloß einige dieser Dubletten als Beispiele genannt: Erscheinung/Phaenomenon, Noumenon/Ding an sich, Selbsttätigkeit/Spontaneität, Idee/Vernunftbegriff, Kategorie/Verstandesbegriff, Grundsatz/Prinzip, absolut/unbedingt, Allheit/Totalität, Analyse/Zergliederung, Dasein/Existenz, Größe/Quantität, Intuition/Anschauung, Limitation/Einschränkung, Reflexion/Überlegung, Enthusiasmus/Begeisterung, Erklärung/Definition, Gemüt/Seele, ableiten/deduzieren.

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Bemerkungen zum Dublettenproblem in der Übersetzung kantischer Texte

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blem, indem er ein Attribut einführt: »Autrement on arriverait à cette absurde proposition, qu’il y a des phénomènes ou des apparences sans qu’il y ait rien qui apparaisse.«5 Die ›phénomènes‹ (klassische Übersetzung für dt. Erscheinungen) werden als ›apparences‹ (eher dt. Schein) wiedergegeben. Diese Lösung wird von C. Joseph Tissot beibehalten6 wie auch von Paul Archambault in seiner Revision von Barnis Übersetzung,7 offenbar nicht ohne Bedenken, die im Übrigen auch von André Tremesaygues und Bernard Pacaud geteilt werden. 8 Als Alexandre J.-L. Delamarre und François Marty den Text von Tremesaygues und Pacaud selbst überarbeiten, löschen sie schlicht das in den Übersetzungen eingebürgerte Synonym, und damit verschwindet die starke und offenkundige Verknüpfung zwischen dem Substantiv (Erscheinung) und dem Verb (erscheinen). So heißt der Satz bei ihnen schließlich: »Autrement, en effet, il en résulterait cette proposition absurde, qu’il y aurait un phénomène sans rien qui apparaisse.«9 Alain Renaut findet diesen Eingriff in den Text sehr bedenklich und bietet eine elegante Lösung, die allerdings den Nachteil hat, die Parallele zwischen Schein und Erscheinung wieder aufzulösen, obwohl sie offenbar von Kant selbst als wesentlich betrachtet wurde.10 So übersetzt Alain Renaut den Satz: »Car, si tel n’était pas le cas, il s’ensuivrait l’absurde proposition selon laquelle il y aurait un phénomène sans rien qui s’y phénoménalise.«11 Diese Lösung hat den weiteren Nachteil, einen zunächst eher befremdlichen Neologismus in die französische Sprache einzuführen, während das deutsche Verb im Kontext hingegen stark markiert ist; im Übrigen  5

Kant: Critique de la raison pure. Übers. von Jules Barni. Paris 1869. 31 f. Zur Geschichte der Übersetzung der KrV geben allgemein Alain Renauts Anmerkungen Auskunft. Vgl. auch den Beitrag von Sophie Grapotte im vorliegenden Band.  6 Kant: Critique de la raison pure. Bd. 1. Übers. von C. Joseph Tissot, Paris 1864. 18 f.: »Si en effet cette pensée nous était interdite, il s’ensuivrait cette absurdité: qu’il y a des phénomènes, des apparences, et rien cependant qui apparaisse.«  7 Kant: Critique de la raison pure. Übers. von Jules Barni, durchgesehen von Paul Archambault. Paris 1987. 47: »Autrement, on arriverait à cette absurde proposition qu’il y a des phénomènes [ou des apparences] sans qu’il y ait rien qui apparaisse.«  8 Kant: Critique de la raison pure. Übers. von André Tremesaygues/Bernard Pacaud. Pa5 ris 1997 [11944]. 22 f.: »Car autrement on arriverait à cette proposition absurde qu’un phénomène (ou apparence) existerait sans qu’il n’y ait rien qui apparaisse.« (»[…] dass Erscheinung ohne etwas wäre, was da erscheint.«) Seltsamerweise verwendet die lateinische Übersetzung auch diesen Kunstgriff: »Namque alioquin inde sententia cogeretur absurda, esse visum sive phaenomenon posse, neque quidpiam tamen quod videatur.« Opera ad philosophiam criticam Immanuelis Kantii. Latine vertit Fredericus Gottlob Born. Frankfurt a.M. 1969 (Leipzig 1796–1798). Bd.1. XXX.  9 Kant: Critique de la raison pure. Übers. von Alexandre J.-L. Delamarre/François Marty. In: Kant: Œuvres philosophiques. Hg. von Ferdinand Alquié. Bd. 1. Paris 1980. 745 f. 10 Vgl. z. B. die Einleitung zur Transzendentalen Dialektik: KrV B 349 f./A 293 f. 11 Kant: Critique de la raison pure. Übers. von Alain Renaut. Paris 1997. 83. Vgl. dazu Ladmiral: Traduire [Anm. 18] 691.

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wird dadurch die vollständige Synonymie zwischen Phänomen und Erscheinung implizit postuliert. Noch schwieriger wird die Übersetzung der (wenigen) Stellen, an denen beide Glieder der Dublette in unmittelbarer syntaktischer Nachbarschaft zu finden sind, etwa an folgender Stelle der Transzendentalen Ästhetik: b) Der Raum ist nichts anders, als nur die Form aller Erscheinungen äußerer Sinne, d.i. die subjektive Bedingung der Sinnlichkeit, unter der allein uns äußere Anschauung möglich ist. Weil nun die Rezeptivität des Subjekts, von Gegenständen affiziert zu werden, notwendiger Weise vor allen Anschauungen dieser Objekte vorhergeht, so läßt sich verstehen, wie die Form aller Erscheinungen vor allen wirklichen Wahrnehmungen, mithin a priori im Gemüte gegeben sein könne, und wie sie als eine reine Anschauung, in der alle Gegenstände bestimmt werden müssen, Prinzipien der Verhältnisse derselben vor aller Erfahrung enthalten könne. (KrV B 42/A 26) [Hervorhebung F.O.]

In diesem Passus werden beide Begriffe aufeinander bezogen (›diese[r] Objekte‹), sodass man annehmen kann, dass beide Begriffe restlos austauschbar sind. In der Tat entschieden sich alle Übersetzer für eine Übersetzung beider Termini durch das französische ›objets‹. So schon C. Joseph Tissot12 und Jules Barni13 , später auch Archambault in seiner Revision von Jules Barnis Übersetzung.14 André Tremesaygues und Bernard Pacaud entschieden sich hingegen für die Markierung des Unterschieds durch Angabe der deutschen Begriffe in Klammern: Or comme la réceptivité en vertu de laquelle le sujet peut être affecté par des objets précède, d’une manière nécessaire, toutes les intuitions de ces objets (Objecte), on comprend facilement comment la forme de tous les phénomènes peut être donnée dans l’esprit (Gemüthe), antérieurement à toute perception réelle, – par conséquent a priori – et comment, avant toute expérience, elle peut, comme

12

Tissot [Übers.]: Kant: Critique de la raison pure [Anm. 6] 67: »Et comme la capacité d’être affecté des objets précède nécessairement dans le sujet toutes les intuitions de ces objets, on comprend sans peine comment la forme de tous les phénomènes peut être donnée dans l’esprit avant toutes les perceptions réelles, par conséquent a priori; et comment encore, en sa qualité d’intuition pure dans laquelle tous les objets doivent être déterminés, elle peut contenir avant toute expérience les raisons ou principes des rapports de ces objets.« 13 Barni [Übers.]: Kant: Critique de la raison pure [Anm. 5] 81 f.: »Or, comme la réceptivité en vertu de laquelle le sujet peut être affecté par des objets précède nécessairement toutes les intuitions de ces objets, on comprend aisément comment la forme de tous ces phénomènes peut être donnée dans l’esprit antérieurement à toutes les perceptions réelles, par conséquent a priori, et comment, étant une intuition pure où tous les objets doivent être déterminés, elle peut contenir antérieurement à toute expérience les principes de leurs rapports.« 14 Barni/Archambault [Übers.]: Kant: Critique de la raison pure [Anm. 7] 87.

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une intuition pure, dans laquelle tous les objets doivent être déterminés, contenir les principes de leurs relations.15

Diese Unterscheidung wurde allerdings weder von Alexandre Delamarre und François Marty16 noch von Alain Renaut17 beibehalten: Alle entschieden sich wie die ersten Übersetzer für die Gleichsetzung beider Termini in der Übersetzung, sodass die beiden als völlig bedeutungsäquivalent und daher auch als substituierbar erscheinen. Das Problematische an diesen Dubletten im Hinblick auf die Übersetzung besteht darin, dass sie zur Verletzung einer Art Faustregel der üblichen Übersetzungspraxis zwingen, der zufolge jeder Terminus durch einen (einzigen) identischen Terminus übersetzt werden soll, sodass man schließlich eine Art Isomorphie zwischen den übersetzten Termini und den Termini der Übersetzung erhält. Offenbar kann bei Kant wegen solcher Dubletten diese implizite Regel nicht beachtet werden; dies hat Jean-René Ladmiral gerade unter Rekurs auf das Beispiel Kants formuliert: Es kommt vor, dass die Schüler der Regel unterworfen werden, die eine bloße Karikatur des Phänomens der Terminologisierung ist, der zufolge jedem Fremdwort ein spezifisches französisches Wort entsprechen soll: Wenn der Verfasser – so heißt es – z. B. auf Deutsch (Ausgangssprache) zwei verschiedene Wörter verwendet hat, so sollte man auf Französisch (Zielsprache) diesen vom Autor wohl erwogenen lexikalischen Entscheidungen Rechnung tragen. Zwar wäre es einfach, rhetorisch (bzw. literarisch) und dabei unwissenschaftlich und in linguistisch unzulänglicher Weise auszuführen, es gebe im strikten Sinne überhaupt keine Synonyme; es wäre aber deutlich schwieriger, die dt. Dublette ›Objekt‹›Gegenstand‹ durch zwei verschiedene Wörter zu übersetzen. […]. [Hervorhebung F.O.]18

15

Tremesaygues/Pacaud [Übers.]: Kant: Critique de la raison pure [Anm. 8] 58. Delamarre/Marty [Übers.]: Kant: Critique de la raison pure [Anm. 9] 788: »Or comme la réceptivité du sujet, qui consiste à être affecté par des objets, précède nécessairement toutes les intuitions de ces objets, on peut comprendre comment la forme de tous les phénomènes peut être donnée dans l’esprit antérieurement à toutes les perceptions réelles, par conséquent a priori, et comment elle peut, avant toute expérience, comme une intuition pure dans laquelle tous les objets doivent être déterminés, contenir les principes de leurs rapports.« 17 Renaut [Übers.]: Kant: Critique de la raison pure [Anm. 11] 123: »Or, parce que la réceptivité du sujet, telle qu’elle consiste à être affecté par des objets, précède de façon nécessaire toutes les intuitions de ces objets, on peut comprendre comment la forme de tous les phénomènes peut être donnée dans l’esprit avant toutes les perceptions effectives, par conséquent a priori, et comment elle peut, comme intuition pure dans laquelle tous les objets doivent être déterminés, contenir avant toute expérience les principes de leurs rapports.« 18 Jean-René Ladmiral: Traduire. Théorèmes pour la traduction. Paris 1994. 66 [Übersetzung F. O.]. 16

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Er vertritt hier die Position eines pragmatischen Übersetzens und lässt zunächst die Frage offen, ob beide Termini einer Dublette bei Kant tatsächlich Synonyme sind. In dem Falle, in dem es keinen klaren und bestimmten terminologischen Unterschied zwischen den Termini einer Dublette gibt, kann man sie getrost als bloß stilistische Variante behandeln, d. h. als Variante ohne philosophische Relevanz; darin sind sich die meisten französischen Übersetzer stillschweigend einig, und Jean-René Ladmiral macht sich mit den zitierten Sätzen zum Fürsprecher dieser verbreiteten Position. Wie geht er aber selbst mit diesem Problem in seiner Übersetzung der dritten Kritik um? Im Allgemeinen habe ich die beiden deutschen Wörter Objekt und Gegenstand auf gleiche Weise übersetzt. Allgemeiner gesprochen, bilden bei Kant die in der deutschen Sprache existierenden Dubletten, die aus Fremdwörtern französischer (oder lateinischer) Herkunft und den ihnen entsprechenden Wörtern germanischer Herkunft bestehen, keinen terminologischen Gegensatz; es sind bei ihm nur die zwei Glieder einer paraphrastischen Äquivalenz, bzw. bloße stilistische Varianten.19 [Hervorhebung F. O.]

Ladmirals Ansatz bringt die übliche Praxis auf den Punkt und bietet ein begriffliches Instrumentarium, mit dem sich im Folgenden arbeiten lässt. Lässt sich kein klarer terminologischer Gegensatz, d. h. keine explizite Unterscheidung im 19

Kant: Critique de la faculté de juger. Übers. und mit Anmerkungen versehen von JeanRené Ladmiral/Marc B. de Launay/Jean-Marie Vaysse. In: Kant: Œuvres philosophiques. Hg. von Ferdinand Alquié. Bd. 2. Paris 1985 (Bibliothèque de la Pléiade). 1533 (note de JeanRené Ladmiral): »En règle générale j’ai traduit de la même façon les deux mots allemands Objekt et Gegenstand. Plus généralement, les doublets existant en allemand, entre les Fremdwörter d’origine française (ou latine) et les mots correspondants d’origine germanique ne prennent pas chez Kant une valeur d’opposition terminologique; ce ne sont chez lui que les deux termes d’une équivalence paraphrastique, voire de simples variantes stylistiques.«Ähnlich urteilt Ladmiral einige Seiten weiter unten: »Le Fremdwort n’ayant pas de valeur diacritique, là encore Dasein et Existenz ont été traduits de la même façon.« Ebd. 1534. Bei der Übersetzung des Terminus Prinzip bemerkt Ladmiral ferner: »Ici, le français ›principe‹ traduit l’allemand Prinzip; mais c’est aussi et plus fréquemment encore, l’équivalent qui a été choisi pour traduire Grund (comme par exemple, dans le paragraphe précédent). Encore une illustration du fait que le Fremdwort a chez Kant le même sens que son doublet d’origine germanique.« Ebd. 1539. Die These eines bloß stilistischen Unterschieds wird auch von den Übersetzern des Eisler-Lexikons vertreten. Vgl. Rudolf Eisler: Kant-Lexikon. Übers. von Anne-Dominique Balmès/Pierre Osmo. Bd. 2. Paris 2011. 750: »On pourrait s’attendre à ce que Kant (comme le fera par exemple Hegel) différencie conceptuellement Gegenstand et Objekt, qu’il veuille ainsi désigner par ces deux termes des moments ou des degrés distincts dans l’élaboration du corrélat du sujet dans l’expérience, et pour finir, qu’il en fasse un usage circonstancié. En fait, les occurrences des deux notions montrent qu’elles sont interchangeables, signifiant indifféremment, sous une forme (communément) allemande ou (plus savamment, ou plus traditionnellement) latine, le même statut de la chose représentée dans le processus de connaissance.«

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Gebrauch der Termini feststellen, so herrscht zwischen ihnen nur die eher vage Beziehung der Paraphrase, die man tatsächlich als stilistische Variante betrachten darf. Einem solchen stilistischen Unterschied kommt keine philosophische Bedeutung zu, sodass die Übersetzungsschwierigkeit nur oberflächlich erscheint. Zwar wünschte man eine stilistisch getreue Übersetzung, doch wird der wesentliche philosophische Inhalt des Textes durch die Nichtübersetzung der (akzidentellen) Unterscheidung nicht verändert. Bei der Behandlung der Dublette Erscheinung/Phänomen macht Ladmiral jedoch folgende Bemerkung: Erscheinung: Es ist zur Gewohnheit geworden, diesen sehr wichtigen Terminus der philosophischen Sprache Kants durch den Gräzismus ›phénomène‹ wiederzugeben; wir schließen uns dieser Gewohnheit an, da Kant auch – obzwar selten – Phaenomenon als gleichbedeutenden Terminus verwendet; im Französischen ist die Wurzel apparaître [erscheinen, F.O.] nicht mehr spürbar, wie es im Deutschen der Fall ist. 20

Hier steht Jean-René Ladmiral vor einem Dilemma: Soll er der Übersetzungs­ tradition und seiner Theorie der stilistischen Variante folgen oder dem Wortgebrauch Kants genauer Rechnung tragen? Verfügt man als Übersetzer überhaupt über ein eindeutiges Kriterium, um ›stilistische Varianten‹ von den Gliedern einer ›terminologischen Opposition‹ zu unterscheiden? Anders gesagt: Eignet sich diese übersetzungspragmatische Unterscheidung als Probierstein einer (philosophischen) Übersetzung kantischer Texte? B.  Zum Beweisprogramm

Im Folgenden wird diese Frage negativ beantwortet: Eine solche Unterscheidung verkennt die besondere Funktionsweise der kantischen Terminologie, zu der die Dubletten gehören. Wir werden also dieses Phänomen erstens als Symptom der besonderen Stellung der Transzendentalphilosophie zum Problem der Sprache und zweitens als Indiz einer Arbeit der deutschen Sprache in der Philosophie Kants deuten. Die Übersetzung der kritischen Philosophie darf daher nicht zu einem bloß übersetzungspragmatischen Problem heruntergespielt werden, denn ihre Terminologie ist unmittelbarer Ausdruck eines Wandels des Sprachbewusstseins innerhalb der Philosophie, mit dem die Transzendentalphilosophie im Ganzen korreliert. 21 Angesichts der zahlreichen methodologischen Probleme, die eine

20 21

Ladmiral in: Kant: Œuvres philosophiques. Bd. 2 [Anm. 19] 1580 [Übersetzung F. O.]. Diese Korrelation war Gegenstand meiner Dissertation, die im Dezember 2018 an

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angemessene Behandlung des Dublettenproblems aufwirft, werden wir uns mit einigen programmatischen Bemerkungen begnügen müssen. Zunächst wird der Versuch gemacht, Kants terminologische Praxis im Kontext der Verdeutschung von Fachsprachen zu situieren. 22 Diese Kontextualisierung erlaubt nämlich eine präzise Beschreibung der Entstehung und der Funktionsweise der Dubletten, die an verschiedenen Beispielen beobachtet und schließlich als Indiz des besonderen Status der Terminologie im kritischen System gedeutet werden. Auf dieser Grundlage wird dann der systematisch-philosophische Hintergrund der Auflösung dieser übersetzungspragmatischen Unterscheidung innerhalb der kritischen Philosophie kurz umrissen. Es werden drei sprachphilosophische Thesen formuliert, die die den Dubletten inhärente Logik der Nachträglichkeit innerhalb der Terminologie Kants erklären sollen. II.  Kant im Kontext der Verdeutschung der philosophischen Sprache

Die Behandlung des Dublettenproblems setzt voraus, dass man die Entstehung solcher Dubletten untersucht und Kants terminologische Praxis in dem breiteren Kontext der Verdeutschung der Fachsprachen im 18. Jahrhundert situiert. Dies schützt vor allem vor anachronistischen Deutungen der Paare, in denen beispielsweise die Fremdheit der Fremdwörter am Maßstab moderner Terminologie gemessen wird. A. Dubletten als Produkte des Verdeutschungsprozesses der philosophischen Sprache

Zwar spielt Kant bekanntermaßen in der Entstehung einer deutschen philosophischen Terminologie eine Schlüsselrolle, 23 doch kann er selbstverständlich nicht als ihr alleiniger Begründer gelten. Vielmehr erscheint er in vielerlei Hinsicht als bloder Sorbonne verteidigt wurde. Vgl. Vf.: Kants begriffliche Systematik und der Wandel des Sprachbewusstseins um 1800. Das Versprechen der natürlichen Sprache. 22 Dazu besonders hilfreich: Harald Burger: Deutsche Sprachgeschichte und Geschichte der Philosophie. In: Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung. Hg. von Werner Besch/Anne Betten/Oskar Reichmann/Stefan Sonderegger. Bd. 2.1. Berlin/New York 21998. 181–192, und Eric A. Blackall: The Emergence of German as a Literary Language, 1700–1775. Cambridge 1959. 19–48 (II. The language of philosophy). 23 Burger: Deutsche Sprachgeschichte und Geschichte der Philosophie [Anm. 22] 190: »Es ist jedenfalls anzunehmen, daß die Kantsche Terminologie, trotz ihrer Vieldeutigkeit, normierend auf die nachfolgende deutsche (und internationale) philosophische Sprache gewirkt hat.«

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ßer Fortentwickler einer Verdeutschungsarbeit, die innerhalb der Leibniz’schen (Thomasius und Leibniz) und dann Wolff’schen Tradition (vor allem bei Wolff und Gottsched) anfing. In diesem besonderen Kontext sind die kantischen Dubletten entstanden, obwohl Kant sich zu diesen Fragen im Gegensatz zu seinen Vorgängern kaum geäußert hat. Zwar schreibt er neben Wolff, Baumgarten oder Lambert sein Hauptwerk auf Deutsch, doch bleibt diese Sprachwahl bei ihm offenbar unreflektiert, so dass man diesen sprachlichen Kontext bei der Behandlung der kantischen Terminologie aus dem Blick verlieren könnte: Man findet bei Kant kein Sprachmanifest im Sinne von Wolffs Ausführliche[r] Nachricht 24 oder Leibniz’ Unvorgreiffliche[n] Gedancken25 . Obwohl die transzendentale Terminologie von einem deutlichen Wandel in diesem traditionellen Verdeutschungsprogramm der aufklärerischen Tradition zeugt, kann sie nur in Verbindung mit Letzterem verstanden werden. Das Dublettenproblem kann seinerseits in mehrfacher Hinsicht als Ausdruck dieses Wandels betrachtet werden. Solche Dubletten sind Produkte der Verbindung von zwei Verdeutschungsmodi, die im 18. Jahrhundert parallel gelaufen sind. Einerseits wurden einige Fachwörter der Tradition mit leichter Verdeutschung (meist durch einfache Suffigierung) in die deutsche Sprache integriert, wie etwa Phänomen aus Phaenomenon, Reflexion aus dem französischen Réflexion, Objekt aus dem lateinischen objectum, usw. Andererseits bemühten sich viele Philosophen (vor allem der aufklärerischen Wolff’schen Tradition), für diese Wörter einen Ersatz im Sprachschatz der gewöhnlichen Sprache bzw. der Volkssprache zu finden.26 Wolff meidet beispielsweise jede willkürliche Einführung von Neologismen in die Sprache27 24 Christian Wolff: Ausführliche Nachricht von seinen eigenen Schriften, die er in deutscher Sprache herausgegeben. In: ders.: Gesammelte Werke. I.9. Hg. von Hans Werner Arndt. Hildesheim/New York 1973 (11733), besonders § 2, S. 23–52: »Von der Schreibart des Autoris«. 25 Gottfried Wilhelm Leibniz: Unvorgreifliche Gedanken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der deutschen Sprache. Hg. von Uwe Pörksen/Jürgen Schiewe. Stuttgart 1983. Vgl. auch: G.W. Leibniz: L’harmonie des langues. Hg. u. übers. von Marc Crépon. Paris 2000. 26 So beschreibt Paul Piur die Stellung Wolffs zu diesem Verdeutschungsprozess: »Wolff [dagegen] hat gerade das Verdienst, die philosophische deutsche Sprache wieder in Fühlung mit der Volkssprache gebracht zu haben, und so sind seine philosophischen deutschen Termini zum größten Teil deutsch gedacht im Gegensatz zu so vielen gleichzeitigen, wie auch früheren und späteren Versuchen, die sehr oft nur wortgetreue Übersetzungen sind. […] So hat Wolff in der Tat kaum einen deutschen philosophischen Terminus direkt neu geschaffen. Fast jeder Terminus ist schon vorher zu belegen.« Paul Piur: Studien zur sprachlichen Würdigung Christian Wolffs. Hildesheim 21973 [11903]. 48 f. Vgl. auch Ulrich Ricken: Christian Wolffs Einfluß auf die Wissenschaftssprache der deutschen Aufklärung. In: Fachsprachen. Ein internationales Handbuch zur Fachsprachenforschung und Terminologiewissenschaft. Hg. von Lothar Hoffmann/Hartwig Kalverkämper/Herbert Ernst Wiegand. Bd. 2.2. Berlin/ New York 1999. 2430–2441. 27 So beschreibt Blackall diesen Vorgang bei Wolff: »Wolff’s German terminology trans-

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und orientiert sich an der deutschen Sprache wie auch an der philosophischen Tradition, zwei Tendenzen, die man bei Kant wiederfindet, allerdings in einer anderen Gewichtung. An verschiedenen Stellen seines Systems äußert sich Kant eindeutig gegen die Einführung neuer Wörter – darauf wird zurückzukommen sein – und zeigt dadurch, dass die im Rahmen der Verdeutschungsarbeit entstandenen Begriffe von ihm nicht im strengen Sinne als Neologismen betrachtet werden dürfen. Analysiert man Kants Lexik, so fällt ähnlich wie bei Wolff auf, dass man dort keinen einzigen Neologismus im strengen Sinne finden kann und dass die auffälligsten terminologischen Konstrukte als zusammengesetzte Begriffe bzw. als Syntagmen neu und ungewohnt sind, etwa die Termini transzendentale Apperzeption, trans­zendentale Ästhetik usw. Bei solchen Termini wird allerdings ein erster Zug der kantischen Terminologie besonders auffällig. Die transzendentale Apperzeption kombiniert zwei terminologische Importe aus der klassischen Tradition: einerseits den Terminus ›Apperzeption‹, der eine Verdeutschung der apperceptio der Leibniz’schen Tradition ist, andererseits den Terminus ›transzendental‹, der wohl aus der mittelalterlichen Lehre der transcendentalia herrührt. 28 Kant integriert also eine Reihe von leicht verdeutschten klassischen Termini. Sehr dezidiert warnt Kant, wohl im Zusammenhang der Diskussionen über die mangelnde Popularität seiner Schriften davor, »neue Wörter zu schmieden«: Bei dem großen Reichtum unserer Sprache findet sich doch oft der denkende Kopf wegen des Ausdrucks verlegen, der seinem Begriffe genau anpaßt, und in dessen Ermangelung er weder andern, noch so gar sich selbst recht verständlich werden kann. Neue Wörter zu schmieden, ist eine Anmaßung zum Gesetzgeben in Sprachen, die selten gelingt, und ehe man zu diesem verzweifelten Mittel schreitet, ist es ratsam, sich in einer todten und gelehrten Sprache umzusehen, ob sich daselbst nicht dieser Begriff samt seinem angemessenen Ausdrucke vorfinde, und wenn der alte Gebrauch desselben durch Unbehutsamkeit ihrer [AA: seiner] Urheber auch etwas schwankend geworden wäre, so ist es doch besser, die Bedeutung, die ihm vorzüglich eigen war, zu befestigen (sollte es auch unzweifelhaft bleiben, ob man damals genau dieselbe im Sinne gehabt habe), als sein Geschäfte nur dadurch zu verderben, dass man sich unverständlich machte. lates into the natural speech material of his day the meaning of the Latin concepts, or of the new distinctions which he is introducing. Hence his German terminology does not suffer from that obscurity and unnaturalness which Thomasius had deplored in the vocabulary of the Cöthener Logik, and thus was far more readily understood and accepted.« Blackall: The Emergence of German [Anm. 22] 33. 28 Peter Baumanns versucht sogar, diesen Hintergrund systematisch zum Verständnis der transzendentalen Deduktion fruchtbar zu machen. Vgl. Peter Baumanns: Kants Philosophie der Erkenntnis. Durchgehender Kommentar zu den Hauptkapiteln der Kritik der reinen Vernunft. Würzburg 1997. 305–389.

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Um deswillen, wenn sich etwa zu einem gewissen Begriffe nur ein einziges Wort vorfände, das in schon eingeführter Bedeutung diesem Begriffe genau anpasst, dessen Unterscheidung von andern verwandten Begriffen von großer Wichtigkeit ist, so ist es ratsam, damit nicht verschwenderisch umzugehen, oder es bloß zur Abwechselung, synonymisch, statt anderer zu gebrauchen, sondern ihm seine eigentümliche Bedeutung sorgfältig aufzubehalten; weil es sonst leichtlich geschieht, dass, nachdem der Ausdruck die Aufmerksamkeit nicht besonders beschäftigt, sondern sich unter dem Haufen anderer von sehr abweichender Bedeutung verliert, auch der Gedanke verloren gehe, den er allein hätte aufbehalten können. (KrV B 368 f./A 312 f.) 29

In diesem Passus geht es aber zunächst nicht um die Einführung von Wörtern der deutschen Sprache, sondern um die Rehabilitierung von Termini aus einer ­›todten und gelehrten Sprache‹, d. h. vor allem Termini der philosophischen Tradition (Idee, Kategorien, Apperzeption usw.). Er warnt vor der Gefahr der Logodädalie30, die aus der Einführung zahlreicher Synonyme resultieren und zur Schwächung der Sprache und der Gedanken führen würde. Die traditionellen Termini sind laut Kant Wahrer philosophischer Gehalte. Neben den Begriffen der philosophischen Tradition greift Kant zum Aufbau seines Systems auch auf Termini der deutschen Sprache zurück wie Thomasius und Wolff. Dadurch werden Wörter aus ihren jeweiligen Kontexten gelöst, um terminologisch verwendet zu werden. So entstehen deutsche Termini in der Philosophie wie etwa die Termini Gegenstand oder Erscheinung. Diese Termini existierten vor Kant in dieser Bedeutung nicht. Zu Erscheinung findet man beispielsweise noch 1775 in Walchs Wörterbuch: Erscheinungen: Es wird dieses Wort in weitern und engern Verstand genommen: in jenem begreift es auch die Erscheinungen der Sterne, Cometen, und anderer in der Luft entstehenden Wirkungen, die zwar ungewöhnlich; aber doch ihre 29

Ähnlich heißt es in der Vorrede der KpV: »Neue Wörter zu künsteln, wo die Sprache schon so an Ausdrücken für gegebene Begriffe keinen Mangel hat, ist eine kindische Bemühung, sich unter der Menge, wenn nicht durch neue und wahre Gedanken, doch durch einen neuen Lappen auf dem alten Kleide auszuzeichnen.« (Vorrede KpV A 20, AA 05: 10). In einem Beitrag zu Kants Begriffsbildung unterstreicht Manfred Riedel diese Tendenz Kants, sich bei terminologischen Fragen an der Alltagspraxis zu orientieren. Vgl. Manfred Riedel: Historie oder Geschichte? Sprachkritik und Begriffsbildung in Kants Theorie der historischen Erkenntnis. In: Manfred Riedel/Jürgen Mittelstraß (Hg.): Vernünftiges Denken. Studien zur praktischen Philosophie und Wissenschaftstheorie. Berlin 1977 [Reprint 2015]. 251–268. Hier: 256. 30 AA 08: 152 f. Dieser Begriff dient auch als Leitwort des anregenden Buchs von JeanLuc Nancy zur kantischen Sprache und ihrer Rezeption. Vgl. Jean-Luc Nancy: Le discours de la syncope. Bd. 1: Logodaedalus. Paris 1976.

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natürliche Ursachen haben; in diesem bezieht sichs nur auf die Erscheinung der Geister, bei welcher wir auch jetzt bleiben. 31

Weder der ›enge‹ noch der ›weitere Verstand‹ schließen die neue Bedeutung ein, die offenbar mit Kant entsteht, ein Eindruck, der sich auch anhand anderer Quellen bestätigen lässt. 32 Der für uns geläufige philosophische Terminus der Erscheinung muss offenbar viele Verständnisschwierigkeiten bei Kants Zeitgenossen verursacht haben und galt ihnen wohl als Kunstwort, wenn nicht gar als Fremdwort. In anderen Fällen, etwa für die Termini Dasein oder Gegenstand, ist Kant selbst nicht derjenige, der den Begriff als erster einführt; er nimmt Begriffe in seine Terminologie auf, die bereits einige Jahrzehnte zuvor in (fast) ähnlicher Bedeutung von den Wolffianern eingeführt wurden: Wolff für den Terminus Dasein33 und Baumgarten für den Terminus Gegenstand, der im Übrigen Anlass zu lebhaften Diskussionen bei den Gelehrten dieser Zeit gab, bevor er mit Kant kanonisiert wurde. 34 Dies zeigt aber sehr deutlich, wie der Prozess des Terminologisierens funktioniert: Ein Wort wird aus seinem alltäglichen sprachlichen Kontext gelöst 31

Johann Georg Walch: Philosophisches Lexicon. Hildesheim 1968 [41775 Leipzig]. Sp.

1114. 32 Piur: Studien [Anm. 26] 75 : »Begebenheit, das Wolff öfter als das bereits von Luther gebrauchte Erscheinung (s. Eucken) verwendet, tritt seit Wolff an die Stelle von ›eventus‹, wenn ihm auch Erscheinung in manchen Zusammensetzungen wie Luft- oder Himmelserscheinungen nicht ungeläufig ist; doch gebraucht Wolff Erscheinung fast nur für äußerlich wahrnehmbare Vorgänge, und erst sei Baumgarten tritt Erscheinung in dem vollen Umfange wie heute ein.« Vgl. auch Erscheinung. In: Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm (DWG). Bd. 3. Leipzig 1854–1961. Sp. 958: »3) im gegensatz zur zweiten Bedeutung, welche die verwirklichung einer sache oder eines zustandes ausdrückt, und im anschlusz an die erste, die den bloszen teuschenden schein enthalten kann, verwendet der philosophische sprachgebrauch erscheinung von den gegenständen, insofern sie nicht als dinge an sich selbst, sondern als sinnliche anschauungen erfaszt werden. So bei Kant etc.« 33 Piur: Studien [Anm. 26] 83: »Dasein= existentia, nur mit dem Unterschiede, daß dieses, wenn es auch nirgends vor Wolff in der philosophischen Literatur begegnet, doch schon bei Stieler in der Form Darseyn zu belegen ist, was im Dt. Wb. 2, 806 übersehen zu sein scheint, da dort behauptet wird, es sei erst im 18. Jahrh. aufgekommen. Vgl. vielmehr bei Stieler unter Seyn: ›frequentissime nominaliter ursupantur cumque aliis nominibus coniunguntur: das fromme seyn pietas, das arm seyn, paupertas etc.; alias das Seyn exponitur ipsum esse, essentia, existentia, praesentia, quod etiam dicitur das Dar-seyn ut das Ab-Seyn absentia‹. Thomasius hat Seyn oder Existenz, Richter existenz, Gottsched Darseyn. Adelung verzeichnet es 1.= Gegenwart, 2.= Existenz (›den Zweck des Daseyns erfüllen‹), und bemerkt, daß es in dieser zweiten Bedeutung von den neueren Weltweisen gebraucht worden sei.« 34 Dabei ging es um das bereits in der Mystik vorhandene Wort Gegenwurf und die Tatsache, dass der Begriff Gegenstand in Süddeutschland im Sinne von obstaculum, Widerstand geläufig war, womit einige Gelehrte zunächst das lateinische objectum nicht verbinden konnten. So in DWG. Bd. 5. Sp. 2264: »2) gegenstand, obiectum, im vorigen jh. allmählich in gang gekommen, offenbar vom philosophischen Gebrauch von Wolffs schule aus, im anschlusz an den gebrauch 1,f, [scil. oppositum, res adversa, F.O.] der damit seinerseits bezeugt wird; s.

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(und insofern auch ›entidiomatisiert‹)35 und als Äquivalent für einen traditionellen technischen lateinischen Begriff in den philosophischen Diskurs eingeführt. Dies mag Interferenzen ausgelöst haben zwischen den Bedeutungen, die der Terminus vor und nach seiner Einführung in diesen Diskurs hatte, Interferenzen, die aller Wahrscheinlichkeit nach zunächst wenig zur Klarheit des philosophischen Diskurses beigetragen haben. Das Ergebnis dieses doppelten Verdeutschungsprozesses (aus der philosophischen Tradition einerseits und aus der deutschen Sprache andererseits) sind also diese Dubletten, 36 die wie gesagt einen unklaren semantischen Status haben. Diese lexikalischen Bildungen haben gewiss keine geringe Rolle in der berühmten Kontroverse der Erst-Rezeption 37 um die Verständlichkeit der kantischen Sprache gespielt. Wie fremd klang tatsächlich (d. h. über das rein polemische Element der Diskussion hinaus) Kants terminologische Sprache? Obwohl dieses Phänomen der Dubletten offenbar in den ersten Kritiken nicht explizit benannt wurde, mag es zur vermeintlichen Unverständlichkeit von Kants Texten beigetragen haben. Es wird bisweilen das Problem der Kunstwörter 38 pauschal erwähnt, etwa in folgender Rezension, die jedoch eher apologetisch klingt: Diese Dunkelheit rührt nun eines Theils von der Natur des Werkes selbst her, indem eine Menge neuer Vorstellungsarten Hn. Kant auch zu manchen neuen Adelung Bemerkung, auch über den Streit zwischen Dornblüth und Gottsched. Ältere übersetzungen des lat. Schulwortes sind gegenwurf, vorwurf.« 35 Zu diesem Ausdruck vgl. Ladmiral: La terminologie au risque de la traduction. In: Jean-Jacques Briu (Hg.): Terminologie. 02. II, Comparaisons, transferts, (in)traductions. Bern etc. 2012. 11: »Ça, c’est l’idéal méthodologique de la discipline terminologique. Au bout du compte, cela revient à désidiomatiser, à ›délinguisticiser‹ la langue. On a là un travail d’endiguement terminologique des flots de la langue dans sa profusion sémantique et syntaxique, phraséologique et stylistique, pragmatique et diachronique, etc.« Offenbar konnte sich dieser Terminus auch in der deutschen Stilistik durchsetzen. Vgl. Christian Hoffmann: Stil und Text. Eine Einführung. Tübingen 2017. 36 Zur Beschreibung der Dublettenbildung, siehe v. Polenz: Deutsche Sprachgeschichte [Anm. 3] 85: »Weitaus häufiger entstanden jedoch Wortpaare (Dubletten), wenn es im Deutschen vor der Entlehnung semantisch annähernd äquivalente Wörter gab, die neben dem Lehnwort weiterbenutzt wurden. In vielen Fällen sind Wortpaare durch Verdeutschungen entstanden, neben denen die Lehnwörter (oft mit feiner semantischer Differenzierung) weiterbenutzt wurden.« 37 Zur Erst-Rezeption siehe vor allem die vorzügliche Studie von Lutz-Henning Pietsch: Topik der Kritik. Die Auseinandersetzung um die Kantische Philosophie (1781–1788) und ihre Metaphern. Berlin/New York 2010, und die Rezensionensammlung von Albert Landau (Hg.): Rezensionen zur Kantischen Philosophie. Bd. 1. 1781–1787. Bebra 1991. 38 Zu diesen Bezeichnungen vgl. Thorsten Roelcke: Das Kunstwort in der Zeit der Aufklärung. Wissenschaftliche Konzeption und faktischer Gebrauch. In: Fachsprachen. Hg. von Lothar Hoffmann/Hartwig Kalverkämper/Herbert Ernst Wiegand [Anm. 26] Bd. 2.2. Berlin/ New York 1999. 2420–2430.

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philosophischen Kunstwörtern, und zu besserer Bestimmung und Einschränkung vieler sonst schon bekannten genöthigt hat, welche man sich erst geläufig machen muß, ehe man sich seiner Ideen völlig bemächtigen kann. 39

Was verstehen die Rezensenten unter solchen Fremdwörtern? Folgende Bemerkung eines Rezensenten mag uns zumindest implizit darüber belehren: Zu wünschen wäre, dass der V. in lateinischer oder französischer Sprache geschrieben hätte, so sehr man sonst auch verlangen möchte, dass Originalwerke wie das gegenwärtige, in der Muttersprache abgefasst würde[n]. Vielleicht hätte es ihm geglückt im Ausdruck verständlicher zu seyn, und zur Ehre der Deutschen auch Ausländern bekannt zu werden, die es aber, so wie es jetzt ist, nicht lesen werden, weil sie es nicht verstehen können. Ihm, der sich mit seinen Ideen jahrelang familiarisiert, sie auf und nieder, vor und rückwärts genug gedacht hatte, konnte vielleicht vieles verständlich scheinen, das aber ein Anderer bei aller Mühe nicht entziffern kann. 40

Diese Rezension drückt ohne Umschweife die Vorstellung aus, dass Kant in einer Fremdsprache verständlicher hätte schreiben können, auch und gerade für die deutsche Leserschaft. 41 Kants Sprache ist dem deutschen Leser wohl befremdlicher als eine Fremdsprache. Vor allem aber die damals übliche Mischung zwischen verschiedenen Sprachen mag zur Konfusion beigetragen haben. 42 Der Lexikalisierungsprozess, der schon in der frühen Kant-Rezeption anfing, 43 mag eine wesentliche Rolle in der Fixierung bzw. Kanonisierung der Dubletten gespielt haben. Da die Lexika und Wörterbücher dazu dienten, Kants Terminologie zu normieren, fixierten sie auch die Dubletten, ohne sie zu hinterfragen. Die Lexikographen der frühen Kant-Rezeption behandeln die Termini einer Dublette 39

Landau (Hg.): Rezensionen zur Kantischen Philosophie [Anm. 37] 148 f. Ebd. 74 f. 41 Diese Vorstellung führte sogar zur Übersetzung der kantischen Hauptschriften in die lateinische Sprache. Vgl. Born: Kant: Opera ad philosophiam criticam Immanuelis Kantii [Anm. 8]. 42 Eric A. Blackall betont zu Recht diese Wirkung der Schriften von Thomasius. Vgl. Blackall: The Emergence of German [Anm. 22] 22. 43 Unmittelbar nach Erscheinen der KrV erhoben sich vehemente Stimmen gegen die unpopuläre Terminologie Kants. In diesem Kontext erschienen bald mehrere Wörterbücher und Lexika, die sich meistens die Aufgabe stellten, als Hilfsmittel im Studium der kantischen Texte zu fungieren. Zu diesem Phänomen vgl. vor allem Norbert Hinskes Einleitung zum Reprint des Wörterbuchs: Carl Christian Erhard Schmid: Wörterbuch zum leichtern Gebrauch der Kantischen Schriften. Darmstadt 2012 [Jena 11798]. Bd. 1. XXXII. Eine zusammen­ fassende Vorstellung solcher Wörterbücher findet man in: Roelcke: Die Terminologie der Erkenntnisvermögen. Wörterbuch und lexikosemantische Untersuchung zu Kants Kritik der reinen Vernunft. Tübingen 1989. 73–176. Vgl. auch die Beiträge von Thorsten Roelcke im vorliegenden Band. 40

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schlichtweg als bedeutungsäquivalent. Die meisten Lexika machen keinen terminologischen Unterschied zwischen den Begriffen in den meisten Dubletten und lesen sie als bloße Synonyme. Folgenden Eintrag liest man beispielsweise zum Terminus Gegenstand in Mellins Kunstsprache: Gegenstand, Object (objectum), (logisch) alles, was sich denken läßt; (metaphysisch) das, in dessen Begriff das Mannichfaltige einer geschehenen Anschauung vereinigt ist usw. 44

Ähnlich heißt es für die Dublette Erscheinung/Phänomen: Erscheinung, Phänomen (phaenomenon), (empirische Bedeutung), was dem Gegenstande nur zufälliger Weise zukommt, und nur auf eine besondere Stellung oder Organisation dieses oder jenes Sinnes (nicht für jeden menschlichen Sinn überhaupt) gültig ist; (transcendentale Bedeutung) Sinneswesen, der unbestimmte Gegenstand einer empirischen Anschauung). 45

Noch selbstverständlicher erscheint die Äquivalenz Gegenstand/Object in Schmids Wörterbuch, wo beide Termini im Laufe der Definitionen willkürlich ausgetauscht werden; so heißt es am Anfang des Eintrags: »Gegenstand: Object einer Vorstellung ist überhaupt das Eine, worauf man das Mannigfaltige des gegebenen Stoffes einer Vorstellung beziehet […].« 46 In beiden Fällen werden also beide Termini der Dubletten undifferenziert eingetragen und für Synonyme gehalten. Es sieht sogar so aus, als sollten solche Lexika u. a. diese Schwierigkeit der kantischen Lexik aufheben und somit die Terminologie von diesen störenden Uneindeutigkeiten befreien. Allerdings führt diese restlose Identifikation von Termini zu der misslichen Frage, die die Übersetzer mit der Vorstellung von ›stilistischen Varianten‹ zu lösen versuchen: Wie erklären und rechtfertigen sich solche synonymischen Termini in einem philosophischen Gebilde von großer begrifflicher Strenge wie dem kritischen System? In der Lexikographie wird aber nun eine wichtige Paradoxie der Dubletten sichtbar. Fremd ist nicht das Wort, das man erwarten könnte. Fremd-Wörter (bzw. Kunstwörter) sind nicht in erster Linie die lateinischen, sondern die deutschen Termini. Bei den Definitionen der Lexikographen fällt auf, dass das definiendum der deutsche Terminus, das definiens der lateinische ist. D. h. also, dass die deut44 Georg Samuel Albert Mellin: Kunstsprache der kritischen Philosophie, oder Sammlung aller Kunstwörter derselben, mit Kants eigenen Erklärungen, Beyspielen und Erläuterungen, aus allen seinen Schriften gesammelt und alphabetisch geordnet. Brüssel 1970 [Leipzig 11798]. 100 f. 45 Ebd. 86. 46 Schmid: Wörterbuch zum leichtern Gebrauch der Kantischen Schriften [Anm. 43] 259. Ähnlich heißt es zu Erscheinung: »Erscheinung, Phänomen (nicht Scheinding) […]«. Ebd. 229.

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schen Termini damals fremder oder, genauer gesagt, befremdlicher erschienen als die Lehnwörter, selbst die leicht eingedeutschten. Die Deutschen hielten sich (wie Kant in seinen eigenen Schriften) an die lateinischen termini technici, um ihre eigene philosophische Sprache zu verstehen, eine von einigen Wolffianern bemerkte Eigentümlichkeit. Bei der Behandlung des Dublettenphänomens muss dieser seltsame sprachliche Kontext mit bedacht werden: Wörter wie Erscheinung oder Gegenstand verursachten für deutsche Leser mehr Verständnisprobleme als bereits kanonisierte termini technici. B.  Purismus und Konsistenz der Terminologie

Oben konnten wir bereits feststellen, dass die Interessen der beiden Gründerväter der deutschen philosophischen Terminologie (Wolff und Kant) allen Gemeinsamkeiten zum Trotz deutlich auseinandergehen. Kant scheint sich mehr für die Bewahrung traditioneller Termini in der deutschen Sprache zu interessieren (Kategorien, Ideen usw.), während Wolff offenbar nach der Bildung einer konsistenten deutschen Terminologie strebt. Wie wir noch sehen werden, ist dies sprachphilosophisch bedingt: Die beiden Haltungen zum Problem der deutschen philosophischen Sprache gehen auf unterschiedliche Vorstellungen von Terminologie und letztlich Sprache zurück. Der Kristallisierungspunkt dieses Unterschiedes besteht letztendlich in der Auffassung von der Beziehung zwischen mathematischer und philosophischer Methode. Dieser Unterschied lässt sich am besten im Hinblick auf die Frage nach dem Purismus betrachten. Zwar sind beide Autoren einer Meinung, die deutsche Sprache eigne sich bestens zur Philosophie, wie Leibniz es auch prophezeit hatte. 47 Doch teilt Kant die puristischen Tendenzen der Wolff’schen Tradition nicht. 48 47

Dieses Urteil manifestiert sich durch Bemerkungen wie die folgende: »Die deutsche Sprache hat das Glück, die Ausdrücke zu besitzen, welche diese Verschiedenheit nicht übersehen lassen. Für das, was die Lateiner mit einem einzigen Worte bonum benennen, hat sie zwei sehr verschiedene Begriffe und auch eben so verschiedene Ausdrücke: für bonum das Gute und das Wohl, für malum das Böse und das Übel (oder Weh), so daß es zwei ganz verschiedene Beurtheilungen sind, ob wir bei einer Handlung das Gute und Böse derselben, oder unser Wohl und Weh (Übel) in Betrachtung ziehen.« (KpV A 104 f. AA 05: 59 f.) Bei Wolff heißt es noch ausdrücklicher: »Ich habe gefunden, daß unsere Sprache zu Wissenschaften sich viel besser schickt als die lateinische, und daß man in der reinen deutschen Sprache vortragen kan, was im lateinischen sehr barbarisch klingt.« Wolff: Ausführliche Nachricht [Anm. 24] § 2. 27. 48 Einen Ausdruck dieses Purismus findet man sehr deutlich in Wolffs Ausführliche[r] Nachricht. Vgl. ebd. 26: »Ich habe mich nicht allein von ausländischen Wörtern enthalten, die man heute zu Tage in unsere deutsche Sprache häufig mit einzumengen pflegt, sondern

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Wenn die Einführung einer deutschen Terminologie in die Philosophie vorübergehend zu Missverständnissen Anlass geben konnte, so konnte dies für Wolff nicht langfristig der Fall sein. Schließlich sollte Leibniz’ Traum einer deutschen philosophischen Sprache verwirklicht werden, die deutsche Sprache ihre philosophische Würde unter Beweis stellen können, zunächst durch die Bildung einer konsistenten und eindeutigen philosophischen Terminologie, die als eine den Begriffen isomorphe Nomenklatur fungieren sollte. In der lexikographischen und terminologischen Arbeit der Wolffianer konvergieren also ein gewisser Purismus (z. B. bei Gottsched) mit dem Streben nach einer konsistenten Terminologie (dies vor allem bei Wolff selbst), die dazu führten, dass die lateinische Terminologie sehr schnell in den Traktaten an Einfluss verlor, wie Blackall dies in seiner Beschreibung der Entwicklung der philosophischen Sprache im Wolffianismus festgestellt hat. 49 Hinter dieser terminologischen Praxis verbirgt sich also eine bestimmte Vorstellung von Terminologie, die sich stark an der mathematischen Wissenschaft orientiert. 50 Dort werden alle Begriffe vor den Untersuchungen eindeutig definiert, sodass man von Anfang an über klare Termini und Begriffe verfügt. Die Kriterien der Eindeutigkeit und der Konsistenz der Terminologie ­garantieren, dass man in der Abhandlung über eine sichere methodologische Grundlage verfügen wird. Der Terminologe meidet sowohl Homonyme als auch Synonyme. Nun ist aber klar, dass Dubletten im Hinblick auf die Konsistenz der Terminologie nur problematisch sein können. Sie bestehen aus einem unklaren Geflecht von Synonymen und Homonymen. Einerseits sind die verdeutschten Termini Homonyme der lat. oder grch. Begriffe, ohne dass immer klar ist, ob die Termini völlig identisch sind oder nicht (vgl. etwa Kants oben erwähnte Unterscheidung zwischen Phänomen und Phaenomenon). Andererseits sind die deutschen Termini Homonyme von bereits vorhandenen Wörtern der Volkssprache (vgl. Erscheinung oder Gegenstand). Ferner scheinen die Termini einer Dublette bedeutungsäquivalent zu sein, folglich Synonyma. Man kann vermuten, dass solche Dubletten von (mathematisch geschulten) Denkern wie Wolff nur so lange toleriert werden, bis der Übersetzungsprozess und das Terminologisieren in der deutschen Spraauch alle Redensarten vermieden, die unserer deutschen Mundart nicht gemäß, und bloß Übersetzungen von Redensarten sind, die man aus fremden Sprachen entlehnet.« 49 »In all his philosophical works, Wolff proceeds from a set of concepts which he clearly defines, giving to each its German name. Already in the first of these works, the treatise on Logic published in 1712 under the title Vernünfftige Gedancken von den Kräfften des menschlichen Verstandes und ihrem richtigen Gebrauche in Erkänntniß der Wahrheit, the Latin terms have almost entirely disappeared.« Blackall: The Emergence of German [Anm. 22] 3. 50 Vgl. Wolffs Insistieren in der Ausführliche[n] Nachricht auf dem Vorbild der Mathematik. Vgl. Wolff: Ausführliche Nachricht [Anm. 24] 38. Zum sprach- und zeichentheoretischen Hintergrund von Wolffs Theorie der Kunstwörter vgl. den Beitrag von Ricken: Christian Wolffs Einfluß [Anm. 26].

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che abgeschlossen ist. Obzwar Kant eine maßgebliche Rolle in diesem Prozess gespielt zu haben scheint und die philosophische Sprache Deutschlands und Europas gleichsam revolutionierte, geht er seinerseits viel freier mit den Dubletten um als Wolff und seine Schule, die sehr konsequent und offensiv das Verdeutschungsprogramm verwirklichen. Kant scheint nämlich die lateinische Sprache nicht aus seinem Text löschen zu wollen und behält offenbar ohne Bedenken die Dubletten bei, ohne dass man dabei eine klare terminologische Logik nachvollziehen könnte. An der Purismusdebatte seiner Zeit hat Kant sich nicht beteiligt;51 ganz unreflektiert ist allerdings diese Haltung nicht, wie folgende Randbemerkung Kants bezeugt, in der sich sein Pragmatismus in terminologischen Fragen deutlich manifestiert: Übrigens habe ich wegen der lateinischen Ausdrücke, die statt der gleichbedeutenden deutschen wider den Geschmack der guten Schreibart, eingeflossen sind, sowohl bei diesem Abschnitte, als auch in Ansehung des ganzen Werks zur Entschuldigung anzuführen: daß ich lieber etwas der Zierlichkeit der Sprache habe entziehen, als den Schulgebrauch durch die mindeste Unverständlichkeit erschweren wollen. (KrV B 402 f./A 344 f. Anm.) 52

Die Dubletten haben den Vorteil, eine Brücke zwischen der philosophischen Tradition und der kritischen Wende zu schlagen. Dass dabei Missverständnisse entstehen könnten, scheint Kant nicht zu befürchten. Er entschuldigt sich bloß für die Verletzung des guten Geschmacks, und es bleibt für ihn eine Frage der ›Zierlichkeit‹. Ihm zufolge entsteht hingegen dort Unverständlichkeit, wo der Faden der Schultradition abgeschnitten wird. Man sieht also hier deutlich, dass sich Kant eine ganz andere Vorstellung von der philosophischen Terminologie macht als Wolff. Könnte man die lateinische Terminologie isomorph in eine deutsche übersetzen (was Wolffs mathematischem Ideal im Grunde entspricht), so würde man Kant zufolge trotzdem durch den Verzicht auf die Termini der Tradition viel verlieren. Lässt sich dieser terminologische Konservatismus auch philosophisch begründen, oder sollte man nicht vielmehr den damit verbundenen freien 51 Für Kant ist der Purismus eine moralische Haltung. Den einzigen Hinweis auf einen Sprachpurismus im Kant-Korpus findet man in der Reflexion 3430 (ρ-ψ. L 129. Zu L§ 464), wo sich eine gewisse Skepsis kundtut (HN, AA 16: 831): »Was die Methode im Denken ist, das ist der stil in der Bezeichnung des Denkens vor andere. Vor mich selbst brauche ich keinen Stil. (Ob die Reinigkeit und Eleganz in einer todten Sprache so nothwendig in philosophischen Werken sey? purismus.)« 52 So kommentiert Wilhelm Uhl treffend diese Stelle: »Hieraus scheint hervorzugehen, daß Kant sich an die überkommene philosophische Terminologie überall eng angelehnt habe; oder doch wenigstens, daß er dieses a. a. O. von sich behauptet, zunächst für sein wichtigstes Werk, die ›Kritik der reinen Vernunft‹.« Wilhelm Uhl: Wortschatz und Sprachgebrauch bei Kant. In: Zur Erinnerung an Immanuel Kant. Abhandlungen aus Anlass der hundertsten Wiederkehr des Tages seines Todes. Königsberg 1904. 166–181. Hier: 173.

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Umgang Kants mit den Dubletten als Nachlässigkeit, als Unbedachtheit oder als Nonchalance auffassen? Dies würde die französischen Übersetzer dazu berechtigen, die Dubletten als geradezu folkloristische Elemente des kantischen Idiolekts, nämlich als ›stilistische Varianten‹ zu betrachten. Gegen diese Auffassung lässt sich eine Reihe von Einwänden formulieren. Der Kontrast zum terminologischen Purismus der Wolffianer beruht in Wirklichkeit auf einem anderen Sprachbewusstsein und spezifischer auf einem anderen Verständnis der Funktionsweise der philosophischen Sprache (samt Terminologie), das die Etablierung der deutschen philosophischen Sprache erst möglich machte. So zumindest die meisten Terminologen, die Kant allem dilettantischen Anschein zum Trotz eine Schlüsselfunktion in der Entstehung einer deutschen philosophischen Fachsprache zuerkennen. Hören wir z. B., wie sich Rudolf Eucken, der sich bekanntlich große Verdienste in der Geschichte der deutschen philosophischen Terminologie erworben hat, zu Kants Terminologie äußert: Und darin besteht eben der unvergleichliche Werth des hier Vorliegenden [scil. die kantische Terminologie, F.O.], dass in ihm eine durchaus ursprüngliche Bewegung hervorbricht und ganz neue Kräfte dem geistigen Leben zuführt. […] In den Definitionen ist nur A ristoteles K ant gewachsen. Und wenn jener ihn durch unbefangene, ruhige Entwicklung des Inhalts, durch Einfachheit der Form, durch Bestimmung aller Mannigfaltigkeit von einer concreten systematischen Weltbegreifung her übertreffen mag, bei K ant ist das unmittelbar vorliegende weit eingreifender umgewandelt, Aufgabe und Thätigkeit des Denkens gegenüber seinen Objecten unermesslich gesteigert. Es ist hier ein so wesentlich Neues geschaffen, dass alles Frühere in gewissem Sinne als veraltet gelten, alles Folgende an das hier Geleistete anknüpfen muss.53 53

Rudolf Eucken: Geschichte der philosophischen Terminologie im Umriss dargestellt. Hildesheim 1964 [1879]. 141. In Euckens Geschichte der philosophischen Terminologie wird ausführlich auf Kant eingegangen. Vgl. ebd. 138–150. Auch die Brüder Grimm loben als Gründungsväter der deutschen Lexikographie Kant für seinen Beitrag zur deutschen Sprache: »Den Philosophen, welche sich des innigen zusammenhangs der vorstellungen mit den worten bewuszt sind, liegt es nahe sich in das geheimnis der sprache einzusenken; doch wächst ihnen die gewandtheit mehr von innen und haftet zu sehr in der besonderheit ihrer eignen natur, als dasz sie des hergebrachten sprachgebrauchs eingedenk blieben, von dem sie unbedenklich und oft wieder abweichen. Auf ihn unter allen scheint Kant die meiste rücksicht zu nehmen, dessen lebendige ausdrucksweise darum, insofern sie dem gebiet der deutschen sprache anheim fällt, das wörterbuch aufzufassen nicht unterlassen hat.« DWG. Bd. I. XXXI. Sp. 1 f. Dieses Urteil bestätigen moderne Terminologen wie Harald Burger: Deutsche Sprachgeschichte und Geschichte der Philosophie [Anm. 22] 189: »Mit Kants kritischen Schriften ist dann endgültig die dt. Sprache der Philosophie als ein klar faßbarer Funktiolekt des Dt. geschaffen. Alle folgende philosophische Sprache hat sich daran zu orientieren und nimmt sie zum Ausgangspunkt.« So auch Thorsten Roelcke, der vom exemplarischen Charakter der kantischen Terminologie ausgeht. Vgl. Roelcke: Die Terminologie der Erkenntnisvermögen [Anm. 43] 1.

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Eucken erinnert an Kants sprichwörtliche begriffliche Strenge, die man im Vergleich zu Wolffs »Gründlichkeit« (KrV B XXXVI) zugespitzt als Kants ›Pünktlichkeit‹ bezeichnen könnte. Kant geht es nicht darum, von Grund auf die Terminologie zu verdeutschen, sondern jeden Begriff zu erörtern, auf den Punkt zu bringen. Damit wird nicht jegliche terminologische Strenge und Konsequenz verabschiedet, sondern auf genuin philosophische (und nicht mehr mathematischphilosophische) Argumente zurückgeführt. Kant lässt freilich beispielsweise weder den schwungvollen (polemisch: schwärmerischen) Gebrauch der Sprache eines Herder54 noch Mendelssohns Auflösung der Probleme der Metaphysik in bloße Wortstreitereien zu.55 In der Terminologie geht es nicht um bloße Wörter, sondern um das Denken selbst, wie Kant gegen Mendelssohn in einem Passus geltend macht, der uns Einblick in Kants Vorstellung von der terminologischen Denkarbeit verschafft: [Ich] behaupte, daß in Dingen, worüber man, vornehmlich in der Philosophie, eine geraume Zeit hindurch gestritten hat, niemals eine Wortstreitigkeit zum Grunde gelegen habe, sondern immer eine wahrhafte Streitigkeit über Sachen. Denn obgleich in jeder Sprache einige Worte in mehrerer und verschiedener Bedeutung gebraucht werden, so kann es doch gar nicht lange währen, bis die, so sich im Gebrauche desselben anfangs verunreinigt haben, den Mißverstand bemerken und sich an deren Statt anderer bedienen: daß es also am Ende eben so wenig wahre Homonyma als Synonyma giebt. (AA 08: 152)

D. h. also, dass sich die Wörter im Denken nach und nach bestimmen. Zwar können sie nicht von vornherein als eindeutige Nomenklatur konstruiert werden. Eigentliche Terminologie ist daher keine Voretappe des philosophischen Denkens, sondern eher das Produkt des Denkens selbst. Erst im Gebrauch der Wörter als Termini im Denken zeigt sich ihre genaue Bedeutung, sodass scheinbare Synonyme und Homonyme sich zu einem fein ausdifferenzierten System von Begriffen und Termini entwickeln können. Die Logik eines solchen Systems kann man in einem vielleicht neuen Sinne als Termino-logie,56 d. h. als ›Logik‹ der Termini, und nicht mehr als bloße Nomenklatur, bezeichnen. Zu dieser eigenartigen ›LoEs ist ferner bezeichnend, dass Adornos Programm einer ›philosophischen Terminologie‹ sehr stark an Kants Theorie der Definition anknüpft: Theodor W. Adorno: Philosophische Terminologie. Hg. von Henri Lonitz. 2 Bde. Berlin 2016 [11973]. 54 Vgl. Kants zweideutige Beschreibung dieser ›Eigenthümlichkeit‹ Herders in seiner Recension von J.G. Herders Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (RezHerder, AA 08: 45). 55 Vgl. hier den Beitrag von Hansmichael Hohenegger zum vorliegenden Band. 56 Das scheint zumindest Adorno mit seinem Begriff der philosophischen Terminologie im Visier zu haben. Vgl. dazu vor allem seine erste Vorlesung: Adorno: Philosophische Terminologie [Anm. 53] Bd. 1. 9 f.

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gik‹ der terminologischen Pünktlichkeit gehört beispielsweise die »Vorsicht«57 , mit der Kant mit Begriffen umgeht. Offen bleibt aber die Frage, ob die Dublettenglieder am Ende doch ›wahre Homonyma und Synonyma‹ bleiben oder sich vielmehr im Nachhinein, im Prozess des Denkens, selbst weiter bestimmen sollen. Mit dieser Frage macht man einen ersten Schritt in die Untersuchung der kantischen terminologischen Kunst, die durch eine dialektische Logik der Nachträglichkeit gekennzeichnet ist. C.  ›Terminologische Latenz‹ als Indiz einer ›Arbeit der Sprache‹

In seiner Beschreibung der Verdeutschungsarbeit im 18. Jahrhundert weist Peter von Polenz auf ein sprachliches Phänomen hin, das an Dubletten i.A., d. h. nicht nur in der philosophischen Fachsprache, beobachtbar ist: Der grundsätzliche Normalfall ist das Weiterbestehen von synonymischen oder semantisch differenzierten Wortpaaren. Fremdspracheneinfluß wirkt sich vor allem als Zuwachs aus, der als Bereicherung bewertet werden muß, wenn sich daraus Möglichkeiten der Benennung semantisch-pragmatischer Unterschiede ergeben. In vielen Fällen hält man die Wortpaare auf den ersten Blick für Synonyme. Erst die Verteilung auf verschiedene Kontexte, Textsorten oder Stile lässt feine Gebrauchsunterschiede (verschiedene soziopragmatische Konnotationen) deutlich werden.58

Dieser Beschreibung entnehmen wir einige Aspekte, die wir auf das Phänomen der Dubletten in der kantischen Philosophie anwenden werden. Wir möchten die Hypothese aufstellen, dass sich die kantische Philosophie aus latenten und daher auch nachträglichen Übersetzungseffekten innerhalb der Verdeutschungsarbeit nährt. Dies könnte Kants eigenartige Stellung im Verdeutschungsprozess erklären. Von v. Polenz wird der Übersetzungsprozess als Bereicherung betrachtet: Die Dubletten können das Instrumentarium der Philosophie erweitern. Die Mischung, die durch die Verdeutschung entsteht, wird nicht als Mangel der Philosophie im terminologischen Wandel empfunden, sondern als semantischer Bereicherungsprozess. Zweitens betont v. Polenz, dass diese Potentialitäten (die Ermöglichung von »feine[n] Gebrauchsunterschiede[n]«) des Spracheinflusses zunächst nicht bemerkbar sind (»in vielen Fällen hält man die Wortpaare auf 57

KrV B 200/A 160: »Diese Benennungen habe ich mit Vorsicht gewählt, um die Unterschiede in Ansehung der Evidenz und der Ausübung dieser Grundsätze nicht unbemerkt zu lassen.« In meiner Dissertation habe ich versucht, die paradoxe Logik dieser Vorsicht zu beschreiben [Anm. 21]. 58 v. Polenz: Deutsche Sprachgeschichte [Anm. 3] 86.

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den ersten Blick für Synonyme«) und sich erst im Nachhinein, in einer konkreten Sprachpraxis, manifestieren. Diese Feststellung scheint uns die Funktionsweise der Dubletten innerhalb der kantischen Schriften sehr genau zu beschreiben. ›Auf den ersten Blick‹ kann man keinen Unterschied zwischen den Termini einer Dublette feststellen. Kant scheint undifferenziert Object und Gegenstand, Phänomen und Erscheinung usw. zu verwenden, sodass man sehr schnell zum Schluss kommen könnte, es handele sich um bedeutungsäquivalente ›stilistische Varianten‹. Bei näherer Betrachtung allerdings macht sich bei manchen Paaren eine latente Unterscheidungstendenz bemerkbar. Zwar werden zunächst die Termini identifiziert (nur ›Erscheinung‹ kann nämlich als deutsches Äquivalent von Phänomen in die philosophische Terminologie eingeführt werden, doch bezeichnet Erscheinung in der deutschen Normalsprache Kometen, Luft- und Himmelserscheinungen). Doch im Nachhinein erweisen sie sich als nicht vollständig synonymisch. Der implizite Übersetzungsprozess, der durch Einführung des deutschen Terminus in die philosophische Sprache stattfindet, hat Rückwirkungen auf beide Termini, sowohl das Übersetzte als auch das Übersetzende. Es gehört tatsächlich zur Dialektik jeder sprachlichen Übersetzung (innerhalb einer Sprache, die kein bloßer Kode ist), dass die Übersetzung immer zugleich auf den Unterschied zwischen dem übersetzten Ausgangstext und dem Zieltext, d. h. der Übersetzung, hinweist, auf einen Unterschied, der keiner ist bzw. keiner sein soll. Was wäre nämlich der semantische Unterschied zwischen einem Wort und seiner bedeutungsäquivalenten Übersetzung in eine andere Sprache? Mit welchen begrifflichen Mitteln kann man diesen Unterschied beschreiben? Es kann in diesem Rahmen nicht weiter auf dieses Phänomen eingegangen werden. Es sei nur bemerkt, dass die Übersetzung nicht als isomorphe Äquivalenz betrachtet werden kann und dass sie daher Nebenwirkungen hat, die wir oben als Übersetzungseffekte bezeichnet haben. Diese Effekte manifestieren sich dadurch, dass ein Terminus nicht mehr denselben Klang hat, wenn man ihn mit seiner Übersetzung verbindet. Im Übersetzungsprozess wird man nämlich auf Details aufmerksam, die im Nachhinein zum Verständnis beitragen. Das macht den heuristischen Charakter einer philosophischen Übersetzung aus, die nicht nur zur weiteren Verbreitung eines Textes dient und somit zur Kommunikation eines Inhalts an Menschen, die andere Sprachen sprechen, sondern auch (und vielleicht vor allem) zu seinem Verständnis.59 Dadurch, dass man einen Terminus übersetzt, versteht man besser, was er immer schon sagte. Das gilt allerdings auch für die Übersetzung, die im gegenseitigen Prozess auch gleich übersetzt wird: In jeder Übersetzung werden also beide Termini gleich übersetzt, das Übersetzte und das Übersetzende. Man sieht selbst bei dieser schlichten Beschreibung schon, wie dynamisch die Relation der 59

Vgl. in diesem Zusammenhang den Beitrag von Gipper/Heller im vorliegenden Band.

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Übersetzung ist. Es wäre daher verfehlt, sie als statische Isomorphie zu beschreiben. Diese Dynamik der Übersetzung nennen wir terminologisch die Arbeit der Sprache. Wir müssen nun zeigen, dass Kant offenbar für diese Klangänderung ein Ohr hatte und seine Terminologie auf eine solche Arbeit der Sprache stützt. Innerhalb von Kants Lehre lässt sich an den Paaren Phänomen/Erscheinung und Grundsatz/Prinzip das oben genannte Phänomen der nachträglichen Unterscheidung innerhalb einer Dublette beobachten. Im Anhang über Phaenomena und Noumena begegnet ein Satz, der offenbar dazu einlädt, zwischen beiden Termini eine begrifflich fundierte Opposition (also eine terminologische Opposition) zu identifizieren: »Erscheinungen, so fern sie als Gegenstände nach der Einheit der Kategorien gedacht werden, heißen Phaenomena.« (KrV A 249) 60 Dort werden allem Anschein nach die Begriffe Erscheinung und Phaenomenon nicht mehr als Glieder einer Übersetzungsdublette betrachtet, sondern systematisch differenziert. In einem klassischen Beitrag der Kant-Forschung hat Gerold Prauss versucht, diese Unterscheidung als Grundlage einer weitreichenden Rekonstruktion des Begriffs der Erscheinung zu benutzen.61 Es ist hier nicht der Ort, sich mit Prauss’ Beitrag systematisch auseinanderzusetzen. Es reicht festzustellen, dass einige Forscher bereits versucht haben, dieses Paar im Sinne einer klar konstituierten terminologischen Opposition zu lesen. Dies allerdings erfordert einige exegetische Mühe, und der in einem bestimmten Rahmen formulierte Unterschied scheint nicht wirklich als Probierstein der Unterscheidung zwischen Erscheinung und Phänomen fungieren zu können. Es scheint, als habe die Dublette Erscheinung/Phänomen nachträglich den Begriff Phaenomena suggeriert, anhand dessen Kant sich offenbar mit der philosophischen Tradition auseinandersetzt. Wie in v. Polenz’ Beschreibung entstehen nachträglich Nuancen, die allem Anschein nach eine Art Zwischenstatus haben zwischen der terminologischen Opposition und der bloßen Synonymie. Innerhalb der Transzendentale[n] Dialektik findet der Leser eine ähnliche Stelle, wo plötzlich ein möglicher Unterscheidungsgrund der sonst eher undifferenziert verwendeten Termini Grundsatz und Prinzip formuliert wird. Nachdem die Ver60 Die Tatsache, dass diese Definition in der B-Auflage gelöscht wird, erscheint als bedenkenswert. 61 So beschreibt Prauss die Sachlage: »Es besteht nun keinerlei Zweifel, daß in dieser Formel mit ›Erscheinung‹ die empirischen Erscheinungen, und mit ›Phaenomena‹ eine trans­ zendentalphilosophische Kennzeichnung dessen gemeint ist, was die empirische Erkenntnis als empirische Dinge zum Gegenstand hat.« Gerold Prauss: Erscheinung bei Kant. Ein Problem der Kritik der reinen Vernunft. Berlin 1971. 20. Auch interessant in unserem Kontext ist Prauss’ Diskussion der deutschen Übersetzung der (lateinischen) dissertatio Kants durch Klaus Reich: Wie nämlich soll der Terminus Phaenomena ins Deutsche übersetzt werden? Ebd. 19 Anm. 25. Eine ähnliche Unterscheidung auch in Hans-Ulrich Baumgarten: Art. Erscheinung. In: Kant-Lexikon. Hg. von Marcus Willaschek/Jürgen Stolzenberg/Georg Mohr/ Stefano Bacin. Bd. 1. Berlin/New York 2015. 565–568.

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nunft als Vermögen der Prinzipien bezeichnet wurde, heißt es: »Der Ausdruck eines Prinzips ist zweideutig, und bedeutet gemeiniglich nur ein Erkenntnis, das als Prinzip gebraucht werden kann, ob es zwar an sich selbst und seinem eigenen Ursprunge nach kein Principium ist.« (KrV B 356/A 300) Wenn aber eine Erkenntnis als Prinzip gebraucht wird, so wird sie zum Grundsatz. Somit wäre eine Unterscheidung getroffen zwischen dem höchsten Prinzip (im Sinne der Trans­ zendentalen Dialektik) und den relativen Prinzipien, d. h. Grundsätzen. In seiner lateinischen Übersetzung verwendet Born im Übrigen ›decretum‹ für Grundsatz und ›principium‹ für Prinzip. Hier erlaubt die Bildung der Dublette eine feinere Unterscheidung des Begriffs eines Prinzips, ohne dass dies jedoch zu einer eindeutigen terminologischen Festsetzung führte, was gewisse Probleme in der französischen Übersetzung des Textes verursacht hat. 62 Diese Unterscheidung ist ein nachträglicher Effekt der Dubletten. Dass Kant darauf verzichtet, aus diesem Befund mehr als eine Nebenbemerkung zu machen, zeugt offenbar von dem latenten Charakter dieser Entdeckung, die nicht als terminologische Festsetzung zu gelten hat, sondern vielmehr als etwas, das sich aus der Transzendentalphilosophie wie nebenbei und erst nachträglich ergeben hat.63 62

Renaut [Übers.]: Kant: Critique de la raison pure [Anm. 11] 689 f.: »Proposition fondamentale traduit Grundsatz, tandis que principe correspond à Prinzip. Sur cette distinction technique chez Kant, souvent pratiquée (mais non systématiquement) dans la Critique de la raison pure, voir notamment A 300 –301. Prinzip est le terme générique pour toute proposition d’où se dérivent logiquement des conséquences: parmi les principes, les Grundsätze correspondent à des propositions qui sont non pas seulement relativement principes (en tant qu’elles sont plus universelles que leurs conséquences), mais absolument principes. Reste que l’on trouvera de multiples occurrences où Kant ne se conforme pas à cette distinction.« 63 Dieser Nachtrag der Arbeit der Sprache geht offenbar weit über Kant hinaus, und man könnte die Hypothese aufstellen, dass sich der gesamte deutsche Idealismus von diesem Nachtrag speist. Es ist besonders auffällig, dass sich die Nachkantianer an Schlüsselstellen ihrer Systematik oft bewusst auf die systematische Produktivität der kantischen Fachsprache beziehen und sie reflektieren. Vgl. z. B. Fichtes und Novalis’ Rekurs auf den Begriff des Gegenstandes (Johann Gottlieb Fichte: Gesamtausgabe. Hg. von Reinhard Lauth/Hans Jacob. Bd. 2. Stuttgart/Bad Cannstatt 1965. 267 und 393), und Novalis: Schriften. Hg. von Paul Kluckhohn/Richard Samuel. Bd. 2. Darmstadt 1965. 202 [Fragment 284]), und dazu Winfried Menninghaus: Unendliche Verdopplung. Die frühromantische Grundlegung der Kunsttheorie im Begriff absoluter Selbstreflexion. Frankfurt a.M. 1987. 75. Auf die vorrangige Rolle Kants im Verständnis der Dialektik zwischen Objektivität und Subjektivität, u. a. durch die Verwendung des Gegenstandsbegriffs, weist Rudolf Eucken hin. Vgl. Rudolf ­Eucken: Die Grundbegriffe der Gegenwart. Leipzig 21893. 25–58. Diesen letzten Hinweis verdanke ich Hans­m ichael Hohenegger. Ein anderes Beispiel bietet Schellings Rückgriff auf den Terminus der Bedingung in seiner frühen Philosophie (Vom Ich als Prinzip der Philosophie. § 3. In: ders.: Historisch-kritische Ausgabe I, 2. Hg. von Hartmut Buchner/Jörg Jantzen. Stuttgart/ Bad Cannstatt 1980. 89–91). Vgl. dazu Vf.: Le trésor de la langue comme fondement de la métaphysique. Un sens perdu de l’idéalisme schellingien? In: Vincent Blanchet (Hg.): La langue de la métaphysique, Presses Universitaires de Clermont-Ferrand [im Druck.]

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Kant selbst und seine Nachfolger (z. B. Fichte, Schelling) entdecken also die Produktivität der Übersetzung der Metaphysik in die deutsche Sprache und stützen ihre Systematik z.T. auf die nachträglichen Übersetzungseffekte der Dubletten. Tendenziell unterscheiden sich die Begriffe wie von selbst, und diese Unterscheidung birgt ein hohes philosophisches Potenzial. Kant hat offenbar dieses Potenzial geahnt, auch wenn es keine explizite Theorie einer solchen Terminologiepraxis im kritischen System gibt. Ein solches Verständnis für solche Übersetzungseffekte könnte z. B. erklären, warum Kant die Dubletten als solche bewahrt hat und im Gegensatz zu den Wolffianern nie wirklich versucht hat, den einen Terminus auf den anderen zu reduzieren. Somit käme nämlich die Arbeit der Sprache zu ihrem Ende. Dass sich die philosophische Sprache schließlich als vollständiger Funktiolekt gegliedert hat, ist für Kant keine methodologische Voraussetzung der philosophischen Systematik, sondern ihr Horizont und gleichsam ihr Nebenprodukt. Die philosophische Sprache hat sich dadurch konstituiert, dass Kant sie arbeiten lässt, indem er ihr etwas zu denken gibt, nämlich die metaphysischen Begriffe der Tradition. Denn am Ende (was auch immer dieses Ende bedeuten mag: Ideal oder, wie es bei Kant andernorts heißt, Euthanasie der Vernunft) gibt es so ›wenig wahre Homonyma als Synonyma‹. Wenn man der Sprache genug Zeit zum Denken gibt (also: wenn man genug in der deutschen Sprache philosophiert hat), sagt sie von selbst, was die Termini zu bedeuten haben. Dies tut sie allerdings nachträglich, nach einer gewissen Zeit.64 III. Dubletten als Ausdruck der eigenartigen Funktionsweise transzendentaler Terminologie

Dass die Sprache etwas von sich selbst sagt (d. h. sowohl über sich selbst als von sich aus), also auch über vermeintliche Intentionen des Denkers hinaus und vielleicht sogar z.T. gegen seinen eigenen Willen, weist auf dieses neue Sprachbewusstsein hin, das die kopernikanische Revolution Kants offenbar begleitet. Plötzlich scheint die Sprache im philosophischen Prozess auch ihr Wort zu sagen zu haben. Zu dieser Bewusstseinsänderung gehört das Fortbestehen der Dubletten in Kants Sprache gegen die Wolff’sche Tradition quasi-mathematischer termi­ 64 Man könnte in dieser Hinsicht eine parallele Feststellung zu derjenigen formulieren, die Philippe Büttgen über Luthers Deutsch formuliert hat. Dass die deutsche philosophische Sprache in Luthers Schriften geboren sei, bedeutet nicht, dass er sie gleichsam ex nihilo erfunden (d. h. festgesetzt) hätte, sondern dass er eine Gattung, eine besondere Sprachpraxis, für die deutsche Sprache adaptiert hat. Vgl. Martin Luther: De la liberté du chrétien. Préfaces à la Bible. La naissance de l’allemand philosophique. Übers. von Philippe Büttgen. Paris 1996. 11 f. Ähnlich könnte man sagen, dass Kant die Schulmetaphysik als Praxis ins Deutsche ›übersetzt‹.

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nologischer Eindeutigkeit. Die Dubletten dürfen demnach weder als Mangel der philosophischen Terminologie Kants noch als folkloristischer Ausdruck eines Idiolekts betrachtet werden, sondern vielmehr als Wesenszug einer Terminologie, die auf dem systemtragenden Gedanken der Diskursivität des Denkens fußt und die sich langsam als Matrix der philosophischen Fachsprache Deutschlands herausbildet. In Ermangelung einer ausdrücklichen methodologischen Lehre der Terminologie im kantischen System kann man sich zur Beschreibung dieser Art von Terminologie auf zwei Elemente stützen: einige Randbemerkungen zur Frage des Stils und der Popularität der Schreibart einerseits, die Kant hauptsächlich als Antwort auf die nach Veröffentlichung der ersten Kritik zahlreichen Polemiken verfasste, und die paradoxe Definitionslehre der Disziplin der reinen Vernunft im dogmatischen Gebrauche (KrV B 755 f./A 727–732) andererseits. Die Besonderheit der kantischen Kunst der Terminologie manifestiert sich an einigen Randbemerkungen, in denen Kant flüchtig und wie nebenbei seine Praxis reflektiert. Neben Kants oben zitierter eindeutiger Stellungnahme gegen die Einführung neuer Termini (bzw. Neologismen) in die philosophische Sprache findet man in seinen Reflexionen ein seltsames ›Geständnis‹ in Fragen der Terminologie: Ich muß es gestehen: ich habe einen gewissen Aberglauben in Ansehung Verschiedener Ausdrüke, welche großen Köpfe eingefallen seyn. Ich suche hinter ihnen nicht die Bedeutung; aber wenn ein Begriff meinem Nachdenken aufsteigt und mir das Wort auffallt, so, scheint es, fühle ich die Begeisterung oder auch die gantze Empfindung, die derjenige hatte, welcher den Ausdruck mit demselben Begriffe hatte, mit dem ich sympathisiere. (HN, AA 18: 62 [Refl 5017 (­M XXXIV EII 29, v2–3)]).

Diese Sprachbegeisterung Kants mag zwar einer Namensmystik ähneln, die man vom ›Alleszermalmer‹ kaum erwartet hätte, sie entspricht aber genau besehen der terminologischen Praxis, die man in der KrV findet. Dort unterbleibt zwar der lyrische Ton des Geständnisses, Kant formuliert aber auffällig verwandte Gedanken, als es in der Transzendentale[n] Dialektik darum geht, den Terminus Idee einzuführen: Doch, ehe ich diese vorläufige Einleitung bei Seite lege, ersuche ich diejenige, denen Philosophie am Herzen liegt (welches mehr gesagt ist, als man gemeiniglich antrifft), wenn sie sich durch dieses und das nachfolgende überzeugt finden sollten, den Ausdruck Idee seiner ursprünglichen Bedeutung nach in Schutz zu nehmen, damit er nicht fernerhin unter die übrigen Ausdrücke, womit gewöhnlich allerlei Vorstellungsarten in sorgloser Unordnung bezeichnet werden, gerate, und die Wissenschaft dabei einbüße. Fehlt es uns doch nicht an Benennungen, die jeder Vorstellungsart gehörig angemessen sind, ohne

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daß wir nötig haben, in das Eigentum einer anderen einzugreifen. (KrV B 376/ A 319 f.)

Terminologie verlangt offenbar nach Kant sowohl Geschmack als Gefühl, Sympathie als Vorsorge. Dass man gewisse Termini in Schutz nehmen sollte, um sie vor unbedachten (›sorglose[n]‹) Eingriffen zu bewahren, zeugt von einer Wortzärtlichkeit, die man vielleicht nicht von Kant erwartet hätte. Die Ausdrücke und die damit verbundenen Bedeutungen in Schutz zu nehmen, ist jedoch die seltsame Rolle, die Kant der philosophischen Sprache zuschreibt. Sie wird erst dann verständlich, wenn man sie in den Kontext der Entdeckung der Diskursivität einrückt. 65 Diese Wortzärtlichkeit Kants fußt auf der Entdeckung, dass die Wörter nicht als bloße Instrumente behandelt werden können. Sie hängt mit der Überzeugung zusammen, dass es keine nicht-verbalen Gedanken geben kann und dass man Gedanken außerhalb ihrer Formulierung in einer (natürlichen) Sprache nicht betrachten könnte. Der Isomorphie-Gedanke, der Wolffs Begriff einer philosophischen Terminologie zu Grunde liegt, setzt aber im Gegensatz dazu voraus, dass man einen Begriff von seinem Terminus klar trennen kann. Die Diskursivität des Denkens besagt hingegen, dass man den Inhalt eines Gedankens keineswegs von seiner Formulierung trennen kann: Denken heißt wesentlich Reden und nicht Anschauen. Die philosophische Sprache erscheint zwar immer noch als Medium des philosophischen Denkens, aber in einem anderen Sinne, nämlich nicht als Mittel (im Sinne von Instrument des Denkens), sondern als Ort des Denkens. Das (philosophische) Denken ereignet sich in der Sprache selbst und aus ihr eher als mit ihr. Die Diskursivität des Denkens bedeutet folglich den Bruch mit einer instrumentalen Vorstellung der Sprache im Denken. Diese Sprachauffassung aber spiegelt sich auch im Dublettenproblem. Das oben angedeutete Phänomen einer Latenz und einer Nachträglichkeit innerhalb der philosophischen Terminologie ist Ausdruck der Entdeckung der Diskursivität. Wolffs Vorstellung von der Sprache war wesentlich von der Mathematik beeinflusst. Er behandelt die philosophische Sprache als formale Sprache und folglich die philosophische Terminologie als eine festzusetzende Nomenklatur, die eine absolute Isomorphie zwischen (gedachten) Begriffen und (gesprochenen) Termini gewährleisten sollte. Daher gehörte eine konsistente Terminologie zu den Mitteln bzw. Medien des gründlichen Denkens. In dieser von Wolff her gedachten Perspektive sollten allmählich die Dubletten innerhalb der entstehenden deutschen philosophischen Terminologie verschwinden: Bald sollten demzufolge 65

Es versteht sich von selbst, dass die kantische These der Diskursivität in diesem Rahmen nur sehr grob umrissen werden kann. Es geht nur darum, die theoretische Brisanz des Dublettenphänomens gegen die ›stilistische‹ Lesart zu unterstreichen.

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die Begriffe nicht nur isomorph zu der lateinischen Terminologie, sondern auch zu den deutschen benannt werden. Interferenzen zwischen den Sprachen mussten demzufolge gemieden werden, damit keine Synonyme wie die Dubletten entstanden. Dazu mussten die Definitionen im Vorfeld der philosophischen Untersuchung festgesetzt werden, ähnlich wie in Wolffs berühmtem Mathematische[n] Lexikon. Kants Theorie der Diskursivität der Philosophie bricht mit dieser Parallele zur Mathematik, was am klarsten auch in der Disziplin der reinen Vernunft im dogmatischen Gebrauch zum Ausdruck kommt. Die methodologischen Elemente der mathematischen Methode werden systematisch von den philosophischen unterschieden. Die Philosophie ist keine anschauliche Wissenschaft, sondern eine diskursive. Die Begriffe können nicht konstruiert werden, d. h. angeschaut werden, sondern können nur in einer Rede (d. h. diskursiv) erscheinen. Die Termini sind daher keine bloßen Namen für Begriffe, die z.T. kontingent wären, sondern schlechthin das Element der Begrifflichkeit. Ein philosophischer Terminus bezeichnet nicht einen Begriff, er sagt ihn. Dies führt aber zur oben festgestellten dialektischen, latenten Beziehung zwischen den Termini innerhalb einer Du­blette. Da die Wörter nicht als bloße (willkürliche) Bezeichnungen der Begriffe fungieren, kann es im strengen Sinne keine Bedeutungsäquivalenz geben; vielmehr befinden sich die Termini einer Dublette in einer dynamischen und gegenseitigen Beziehung der Übersetzung, die Übersetzungseffekte generiert. Diese latente Auswirkung der Verdeutschung weist auf eine Nachträglichkeit, die in der kantischen Theorie der Definition von philosophischen Begriffen zum Ausdruck kommt. Bekanntlich sind bei Kant die Definitionen eines Begriffs nicht die Prämisse des Systems, sondern ihr letztes Produkt. Der Philosoph muss sich also mit diesem Unbewussten der Sprache abfinden, und solange das System nicht angeschlossen ist, ist die Philosophie, als Diskurs, in einer Art hermeneutischem Zirkel eingeschlossen, der diese Latenz produziert. Nun ist dies aber, wie die Dubletten durch das Phänomen der Fortbestimmung bezeugen, kein bloßer Mangel dieser Wissenschaft, sondern gerade ihr Motor. Dass man sich in der philosophischen Terminologie von den Wörtern und Ausdrücken selbst ›begeistern‹ lassen soll, bedeutet also die Immanenz des Denkens in der Sprache, die man auch als gegenseitiges Bedingen von Denken und Sprache fassen kann und die Kant Diskursivität nennt. Die Sprache, von der man sich ›begeistern‹ lässt, ist offenbar keine formale Sprache, sondern grundsätzlich eine natürliche Sprache. Dass man in der philosophischen Terminologie auf natürliche Sprachen zu rekurrieren hat, entspricht also nicht mehr bloß einem aufklärerischen Programm (wie bei Thomasius) oder einem leicht nationalistisch anmutenden Programm (wie es hier und da bei den Wolffianern klingen kann), sondern einem Wesenszug des Denkens selbst. Wenn Denken Sprechen heißt, dann kann

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man dies nur noch in einer natürlichen Sprache. Denken kann man nicht anders, als wenn man auf die Sprache hört, wenn man überhaupt verstehen möchte, was man (sie?) sagen will. Anhand von drei sprachtheoretischen Thesen kann nun der Rahmen gezeichnet werden, in dem das Phänomen der Dubletten als Ausdruck der Diskursivität des Denkens in der terminologischen Praxis zu erscheinen hat. 1. Erste These: Die Denkkraft einer Sprache ist ihre Idiomatizität.66 Die terminologische Praxis, die Kant sowohl in seinem ›Geständnis‹ als auch in der Transzendentale[n] Dialektik beschrieben hat, besteht wie gesagt darin, auf die Sprache unserer philosophischen Vorfahren zu hören, um besonders geglückte Ausdrücke bewahren, ja sogar in Schutz nehmen zu können. Somit wird aber die klassische oben dargestellte Vorstellung der Terminologie ruiniert, insofern als die Aussagekraft der einzelnen Termini nur auf dem i­diomatischen Charakter der Sprache beruhen kann. Über die rein begriffliche Analyse hinaus geht es darum, den Geist der Sprache in einem Wort (oder Terminus) zu hören. Einen Geist kann aber nur eine Sprache haben, die als Idiom funktioniert, d. h. die immer schon etwas sagt, oder noch anders: eine natürliche Sprache. Nun hat jede Sprache ihren eigenen Geist, sodass Termini fremder Sprachen nicht trivial aufeinander reduzierbar, d. h. ohne Weiteres wechselseitig übersetzbar sind. Es gibt demnach kein isomorphes Verhältnis zwischen Termini verschiedener Sprachen, was den Fortbestand der Dubletten legitimiert. Denkt man die Immanenz des Denkens in der Sprache in ihrer Radikalität, dann müssen Aussage- und Denkkraft jeder einzelnen Sprache koinzidieren. Auf die Sprache hören heißt dann dasjenige zu sagen, was die Sprache wie von selbst sagt, was zunächst nicht im Gedachten mit bedacht wurde und sich erst nachträglich als das zu Denkende (oder noch genauer: als das Hinzu­zudenkende) erweist, als Nachtrag der Sprache. Was die Sprache wie von selbst sagt, dasjenige, was in der Sprache nicht verschwiegen werden kann, gehört gerade zu ihrem idiomatischen Charakter, der folglich nicht mehr bloß

66 Mir ist bewusst, dass ein solcher Begriff definitionsbedürftig ist. Auf eine philosophische Definition möchte ich dennoch in diesem Rahmen verzichten. Ansätze dazu habe ich in meiner Dissertation implizit geliefert, dort wo die Vorgängigkeit der Sprache als Hauptstruktur der natürlichen Sprache beschrieben wurde [Anm. 21]. Man könnte sich fragen, wie die Idio­ma­ti­zi­tät sich zu jener emphatischen Wortwörtlichkeit verhält, die die Romantiker offenbar in einer ursprünglichen Sprache durch Übersetzung suchen. Diese nennt aber Menning­ haus, soweit ich sehe, auch ›Rhetorizität‹ der Sprache. Vgl. Menninghaus: Unendliche Verdopplung [Anm. 63] 81–85.

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negativ als Ausdruck der Arbitrarität der Sprache, sondern auch positiv als Sprachschatz jeder natürlichen Sprache gefasst werden kann. Dies führt aber unmittelbar zu einer zweiten These: 2. Zweite These: Die philosophische Sprache ist weder Fachsprache noch technische Sprache.67 Kant nimmt offenbar eine paradoxe Stelle in der Konstitution der philosophischen Fachsprache ein.68 Trotz seiner vordergründigen Rolle in ihr betrachtet er selbst die philosophische Sprache nicht als eine technische.69 Zwar bemerkt Kant bereits in seiner vor-kritischen Zeit,70 dass es in der kritischen Revolution neuer Termini bedürfen werde, weil die neue Wissenschaft der Kritik ihre eigentümlichen Objekte zu beschreiben habe. Damit ist aber die philosophische Sprache nicht gleich als technische Fachsprache konzipiert. Wie wir in Kants eigenem ›Geständnis‹ gehört haben, werden diese neuen Termini nicht dadurch gewonnen, dass man eine formale Sprache konstruiert, in der Termini und Begriffe in isomorpher Beziehung zueinander stehen würden. Denn diese Konstruktion besteht in nichts Anderem als einem Entidiomatisieren, bei dem ein Wort aus seinem idiomatischen Kontext der natürlichen Sprache gelöst wird, um in aller Eindeutigkeit als bloßes Nennwort für einen Begriff zu fungieren. Die Entidiomatisierung der Sprache in der Terminologie entspricht den Bedürfnissen eines eindeutigen und konsequenten Bezeichnungssystems. Denn bekanntlich löst nicht selten der idiomatische Charakter 67

Dies bedeutet natürlich weder, dass man die philosophische Sprache nicht als eine solche behandeln kann, noch dass man dabei nichts lernen würde. Nur: Der Standpunkt des Philosophen zu seiner Sprache kann nicht derjenige eines Terminologen bzw. eines Lexikographen sein. 68 Dass eine solche Konstitution die linguistischen Realien zu Kants Zeiten bedingt, zeigt Ulrike Haß-Zumkehr: Deutsche Wörterbücher. Brennpunkt von Sprach- und Kulturgeschichte. Berlin/N.Y. 2012. 98: »Mehr noch als die Mundarten galten im 18. Jahrhundert die Fachsprachen als integraler Bestandteil der deutschen Schriftsprache. Dennoch sind auch im Bereich der beruflichen und thematischen Varietäten seit 1712 Wörterbücher nachgewiesen, etwa zur Seemanns-, Kaufmanns- und Bergmannssprache. Erst mit der immer weiter gehenden fachlichen und beruflichen Ausdifferenzierung der Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert werden Fachsprachen zu Sondersprachen, die nicht mehr in ihrer ganzen Breite in allgemeinsprachliche Wörterbücher aufgenommen werden, wie es vor allem Frisch noch tat.« 69 Andere Akzente setzen Hansmichael Hohenegger und Thorsten Roelcke in ihren Beiträgen zu diesem Band. 70 Vgl. Kant an Marcus Herz, Brief vom 24. November 1776: »Um nun den ganzen Umfang desselben, die Abteilungen, die Grenzen, den ganzen Inhalt desselben nach sicheren principien zu verzeichnen und die Marksteine so zu legen, daß man künftig mit Sicherheit wissen könne, ob man auf dem Boden der Vernunft, oder der Vernünfteley sich befinde, dazu gehören: eine Critik, eine Disciplin, ein Canon und eine Architektonik der reinen Vernunft, mithin eine förmliche Wissenschaft, zu der man von denenienigen, die schon vorhanden sind, nichts brauchen kan und die zu ihrer Grundlegung sogar ganz eigener technischer Ausdrücke bedarf.« (Br, AA 10: 199) [Hervorhebung F. O.]

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einer Sprache Missverständnisse aus, indem sich die Wörter einer Sprache z.T. ›unbewusst‹ auf andere Signifikanten beziehen und dadurch dem Ideal einer durchschaubaren (und durchsichtigen) terminologischen Isomorphie zwischen Begriffen und Termini nicht mehr gerecht werden können. Eine technische Sprache funktioniert als eindeutige Nomenklatur von Begriffen, die festgesetzt werden. Technisch ist also die zur bloßen Formalität gezwungene natürliche Sprache. In diesem Sinne kann aber die philosophische Sprache nicht technisch sein,71 und der Fortbestand der Dubletten in der kantischen Philosophie bezeugt dies: Kant möchte von der Sagekraft mehrerer philosophischer Idiome profitieren, anstatt die philosophische Sprache als eindeutiges technisches Bezeichnungssystem betrachten zu müssen. Das kantische Kunstwort ist daher weder ein Wort, das nur für eine besondere Technik (etwa die Philosophie) gilt, noch ein Wort, das selbst technisch, künstlich wäre. Das Kunstwort ist das Wort, das aus der hermeneutischen Kunst entstanden ist, in die Sprache hineinzuhören. Dieses Zuhören, das Kant als peinlichen ›Aberglauben‹ ›gesteht‹, ist nur im Rahmen der Vorstellung möglich, dass das Denken sich nur in der natürlichen Sprache ereignen kann. Diese Vorstellung führt uns aber zu einer zunächst seltsam anmutenden dritten terminologischen These, die uns zugleich auf das Übersetzungsproblem der Dubletten zurückführt. 3. Dritte These: Als diskursiv ist jedes Denken wesentlich mehrsprachig. Ereignet sich das Denken tatsächlich aus einer natürlichen Sprache heraus, so ist das Phänomen möglicher Interferenzen mit Fremdsprachen kein bloßes Akzidens philosophischen Denkens, von dem man die Philosophie bei Festsetzung einer Mathematik-ähnlichen Nomenklatur reinigen könnte. Dass das Denken in und aus der Sprache entsteht, bedeutet zugleich, dass es wesentlich zwischen den Sprachen stattzufinden hat und sogar von dieser Position profitiert. Denn Übersetzungen bereichern sich gegenseitig, dadurch, dass jede Übersetzung sowohl das Übersetzte interpretiert als auch selbst vom Übersetzten interpretiert wird. Die Dubletten sind ein Ausdruck dieser Arbeit der Sprache, da sich ihre Begriffe wechselseitig interpretieren und fortbestimmen. Das Phänomen der Dubletten ist also ein Hinweis darauf, dass sich das Problem der natürlichen Sprache innerhalb der Philosophie ereignet hat. Dies führt uns aber unmittelbar zum eingangs erwähnten Problem der philosophischen Überset71

Diese latente sprachphilosophische These Kants hat aber eine viel berühmtere systematische Kehrseite, die wir kurz nennen können: Die philosophische Sprache ist keine Fachsprache, weil Philosophie kein Fach ist. Das kantische System enthält zahlreiche Indizien dafür, dass man Philosophie keineswegs als Fach betrachtet kann: Man denke nur an den berühmten pädagogischen Ausspruch Kants, man könne Philosophie nicht lernen, sondern nur philosophieren lernen. (NEV, AA 02: 306)

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zung zurück, allerdings aus einer anderen Perspektive, die zunächst im Hinblick auf pragmatische Übersetzungslösungen etwas ernüchternd klingt. Denn aus dem Gesagten folgt zunächst kein Patentrezept zur Übersetzung solcher Dubletten. Die Schwierigkeiten einer adäquaten Übersetzung solcher Dubletten sollten nicht dazu verleiten, sie für eine stilistische Kuriosität zu halten. Abgesehen davon, dass die These von der Diskursivität des Denkens die Idee des Stils (und daher möglicherweise auch von stilistischen Varianten) erheblich verändert, verraten die Dubletten einen Wesenszug der kritischen Philosophie, nämlich ihren Übersetzungscharakter. Wenn die kritische Philosophie wesentlich als ein Übersetzen funktioniert, stellt sich aber als Nächstes die Frage: Kann man dieses Übersetzen überhaupt noch übersetzen? Was heißt also: die kritische Philosophie übersetzen?

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TEIL IV Termini Kants in Übersetzungen

Anfangsgrund / Prinzip, Beweis / Demonstration Zur Übersetzung kantischer wissenschaftlicher Termini Paolo Pecere I.

Die Terminologie Kants in seinen naturphilosophischen Werken lässt sich in zwei Gruppen untergliedern: auf der einen Seite die wissenschaftlichen – mathematischen, physikalischen, chemischen – Termini, mit denen Kant dem zeitgenössischen Wortgebrauch folgt, wobei er seine Terminologie freilich ständig präzise dem aktuellen Stand der jeweiligen zeitgenössischen Forschung anpasst; auf der anderen Seite die logischen Begriffe – wie Erklärung, Prinzip, Axiom, Beweis –, welche Kant eigenständig im Zuge seiner fortlaufenden Eingliederung der zeitgenössischen Wissenschaft in die Philosophie entwickelt.1 Der Begriff Anfangs­ grund kann als mustergültiger Fall der zweiten Gruppe gelten. Ihm kommt eine herausragende Funktion in der Ausarbeitung des Systems des Kritizismus zu, erscheint er doch im Titel der Metaphysische[n] Anfangsgründe der Naturwis­ senschaft (1786) und dann in den Titeln der beiden Teile der Metaphysik der Sitten (1797), den Metaphysische[n] Anfangsgründe[n] der Rechtslehre wie den Metaphysische[n] Anfangsgründe[n] der Tugendlehre. Hingegen wird der Begriff in den Texten der Kritischen Philosophie selbst eher selten verwendet, bezeichnet Kant dort doch die apriorischen Sätze, die dem Wissen zu Grunde liegen, als Grundsätze und als Prinzipien. Die Übersetzung von Anfangsgrund, beschränkt auf den Bereich der Naturwissenschaften, hat demzufolge zumindest zwei Überlegungen Rechnung zu tragen: Die erste Überlegung betrifft Stellenwert und Bedeutung von Kants jeweiliger terminologischer Wahl innerhalb des begrifflichen Bezugsfeldes von Handbüchern und Abhandlungen – solchen Begriffen will Kant 1 Hinsichtlich der wissenschaftlichen Terminologie Kants in ihrem historischen Kontext sind noch immer die Anmerkungen von Erich Adickes in AA 14 maßgeblich. Für die physikalische Terminologie in den kritischen Schriften sei auch verwiesen auf Konstantin Pollok: Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft. Ein kritischer Kommentar. Hamburg 2001. Bezüglich der logischen Terminologie sei verwiesen auf Mirella Capozzi: Kant e la logica. I. Neapel 2002, sowie die einschlägigen Artikel in: Kant-Lexikon. Hg. von Marcus Willaschek/Jürgen Stolzenberg/Georg Mohr/Stefano Bacin. 3 Bde. Berlin/N. Y. 2015. Vgl. auch [http://knb.mpiwg-berlin.mpg.de/kant/home].

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seine eigenen Termini zur Seite stellen, um jene Begriffe in einen neuen systematischen Rahmen einzufügen oder sie zu ersetzen. Die zweite Überlegung betrifft die Bedeutung der Anfangsgründe innerhalb der kantischen Terminologie, dort nämlich, wo sie, in den so betitelten Schriften, philosophisch-wissenschaftliche Sätze mit apriorischer Gültigkeit betrifft. Beide Seiten dieser Frage – die eine betrifft den Kontext des zeitgenössischen Schrifttums, die andere die wissenschaftliche Terminologie – werfen auch die Frage nach dem Verhältnis von mathematischen und philosophischen Termini auf, welche vor allem in der Trans­ zen­den­ta­le[n] Methodenlehre der KrV behandelt wird. Ein Problem, das sich damit verbindet, betrifft die Übersetzung logisch-mathematischer Begriffe in der Begründung von Sätzen, nämlich Beweis und Demons­ tration. Um dieses Problem zu lösen, muss man auch den kantischen Gebrauch verwandter Begriffe wie Erklärung, Lehrsatz, Zusatz im Blick behalten. Diese verweisen auf zwei unterschiedliche Paradigmen: seitens der Metaphysik auf das Wolffianische, wo die mathematischen Begriffe in ein deduktives metaphysisches System eingegliedert sind; seitens der Physik auf das Newtonianische, denn die Philosophiae naturalis principia mathematica waren in die Form des mathematischen Traktats eingekleidet. Kant hatte, als er versuchte, philosophische und geometrische Terminologie miteinander zu verknüpfen, seinen wichtigen Vorläufer Lambert im Auge, erarbeitete jedoch ganz eigenständige Lösungen. 2 Vor diesem Hintergrund wirft das Begriffsfeld Anfangsgrund, Prinzip, Beweis und Demons­ tration innerhalb der naturwissenschaftlichen philosophischen Schriften Übersetzungsfragen auf, die zugleich exegetische Fragen sind: Wie genau lassen sich Kontinuität und Diskontinuität zwischen der Begründungsterminologie Kants und den zeitgenössisch aktuellen metaphysischen und mathematischen Traditionen – von denen her das kantische Programm sich definiert – bestimmen? II.

Anfangsgrund wird, wie gesagt, von Kant nicht zur Bezeichnung einzelner wissenschaftlicher Sätze verwendet, sondern taucht mehrfach im Titel von Schriften auf, die ihrerseits diverse Grundsätze enthalten (das Wort ist hier nicht im strikten kantischen Sinne aufzufassen). In den MAN werden Prinzipien behandelt (MAN, AA 04: 472), 3 es findet sich dort ein Grundsatz der Phoronomie über die 2

Für Kants Auseinandersetzung mit Lambert über die Terminologie der Geometrie sei verwiesen auf Paolo Pecere: Lambert, Kant and solidity. A matter of method. In: Johann Heinrich Lambert (1728–1777) und die Mathematisierung der Aufklärung. Hg. von Enrico Pasini/Udo Roth/Paola Rumore/Gideon Stiening. Berlin [im Druck]. 3 Unter III. wird auf diesen wichtigen Passus zurückzukommen sein.

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Relativität der Bewegung (MAN, AA 04: 15), aber kein Anfangsgrund. Analog dazu finden wir in der MS einen Grundsatz der Pflicht, das praktische Gesetz (MS, AA 06: 225), welches sich auf der Ebene des Rechts als »Allgemeines Prinzip des Rechts« darstellt. (MS, AA 06: 230) Im Vorwort zur KU bezeichnet Kant nicht nur die transzendentalen, in den drei Kritiken behandelten Prinzipien als Prinzipien, vielmehr bezeichnet er auch die in den MAN behandelten Prinzipien als solche. (KU, AA 05: 181) Letztere sind apriorische Sätze, die im Gegensatz zu transzendentalen Sätzen auf einen bestimmten phänomenalen Bereich beschränkt sind und mithin einen empirischen Begriff voraussetzen, im Falle der MAN den der Materie. (MAN, AA 04: 472) Auf der Ebene der Architektonik entsprechen die kantischen Anfangsgründe der metaphysica specialis, wie sie in der ersten Kritik definiert worden war. In der Durchführung seiner Architektonik ist Kant darum bemüht, den reinen Teil der Wissenschaften von ihrem empirischen Teil abzugrenzen; Letzterer ist seinerseits unverzichtbar, enthält aber unendlich viele Fälle, die nicht im Einzelnen dargelegt werden können. Dies, so erklärt er in der Vorrede zur MS, sei der Grund, warum er der Bezeichnung Metaphysische Anfangsgründe den Vorzug gegeben habe: »weil in Rücksicht auf jene Fälle der Anwendung nur Annäherung zum System, nicht dieses selbst erwartet werden kann.” (MS, AA 06: 205) Diese Überlegungen verdeutlichen bereits, dass Kants Begriffsverwendungen originär mit seinem philosophischen Vorgehen verbunden sind. Wenn man dies nicht berücksichtigt, mögen die von Kant gewählten Titel als simpler Reflex des üblichen Wortgebrauchs erscheinen. In der deutschen Naturphilosophie war der Begriff Anfangsgrund in der Tat weit verbreitet. Er tauchte in mathematischen Traktaten oder Traktaten ›angewandter Mathematik‹ auf, wie dem von Kästner4 – den letztgenannten Abhandlungen wollte Kant, seiner Vorrede zu MAN zufolge, seine Metaphysik der Natur zuordnen (vgl. MAN, AA 04: 478); doch nicht nur jenen, sondern auch Werken, die die noch nicht mathematisierten Teile der Physik zu integrieren erlaubten, Werken wie Erxlebens Anfangsgründe der Naturlehre mit dem Anmerkungsapparat Lichtenbergs, welches Kant als Lehrbuch diente.5 Im akademischen Milieu Göttingens, das Kant aufmerksam verfolgte, fand dieselbe Terminologie Aufnahme in Johann Friedrich Blumenbachs Anfangsgründe der Physiologie (1789) und dann auch in Erxlebens Anfangsgründe der Naturge­ schichte (1797).6 Diese Verwendungsweisen des Begriffs Anfangsgrund in Werken vermischten Inhalts – von der Mathematik bis zur Naturgeschichte, welch letz4

Abraham Gotthelf Kästner: Anfangsgründe der angewandten Mathematik. Göttingen 1759. 3 5 Johann Polykarp Erxleben: Anfangsgründe der Naturlehre. Göttingen 1772 [ 1784]. 6 Zu den Handbüchern der Physik und angewandten Mathematik vgl. die vorzügliche Überblicksdarstellung von Günter Lind: Physik im Lehrbuch (1700–1850). Zur Geschichte der Physik und ihrer Didaktik in Deutschland. Berlin/Heidelberg 1992.

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tere für den kritischen Kant keine Wissenschaft im engeren Sinne ist (vgl. MAN, AA 04: 468) – geben Aufschluss über den Ursprung des Begriffs, nicht aber über dessen spezifisch kantische Verwendung. Dies vorausgeschickt, können wir im Folgenden die unterschiedlichen übersetzerischen Optionen genauer betrachten, welche sich in drei Gruppen unterteilen lassen. Zum einen hat man versucht, Kants zusammengesetzten Begriff Anfangs-Grund nachzubilden, und hat sich damit der französischen Übersetzung von Charles Andler und Édouard Chavannes angeschlossen, die den Titel Premiers Principes métaphysiques de la science de la nature trägt.7 Diesem Vorbild folgte die erste Übersetzung ins Italienische von Luigi Galvani, Primi princìpi metafisici della scienza della natura (1959) 8 , und sodann weitere Übersetzungen in romanische Sprachen: De Gandt 1985 mit seiner Übersetzung ins Französische,9 Morão 1990 mit seiner Übersetzung ins Portugiesische,10 die spanische Übersetzung von Nemirovsky (1993)11 wie auch die italienische von Marcucci aus dem Jahre 200412. Die Doppelung erweist sich als geeignet, den oben angesprochenen Hiat zwischen dem Terminus, wie er in den Titeln der Werke figuriert, und der wissenschaftlichen Terminologie im engeren Sinne zu markieren. Dies mag auch andere Titel des zeitgenössischen philosophischen Schrifttums wie die Erste[n] Gründe von Gottsched ins Blickfeld rücken.13 Allerdings birgt diese Option, betrachtet man sie im Lichte der terminologischen Strenge Kants, das Risiko, eine Duplizität von (›ersten‹ und ›zweiten‹) Prinzipien zu insinuieren, welche es bei Kant nicht gibt; auch setzt diese Option Kants Absicht, in seinem Titel auf die Principia Newtons anzuspielen, nicht angemessen um. Dieser letztgenannten Absicht trägt hingegen die Option einer kleineren Gruppe von Übersetzern in romanische Sprachen Rechnung. Diese hat sich entschieden, Anfangsgrund dem lateinischen principium entsprechend zu übersetzen. Schon Jules Vuillemin distanzierte sich in seiner bedeutenden Monographie  7

Kant: Premiers Principes métaphysiques de la science de la nature. Hg. und übersetzt von Charles Andler/Édouard Chavannes. Paris 1891.  8 Kant: Primi princìpi metafisici della scienza della natura. Übersetzt von Luigi Galvani. Einleitung von Ludovico Geymonat. Bologna 1959.  9 Kant: Premiers principes métaphysiques de la science de la nature. Hg. und übers. von François De Gandt. In: Kant: Œuvres philosophiques. Hg. von Ferdinand Alquié. Paris 1985. Bd. II. 363–493. 10 Kant: Primeiros princípios metafísicos da ciência da natureza. Übersetzt von Artur Morão. Lissabon 1990 [São Paulo 2019]. 11 Kant: Primeros principios metafísicos de la ciencia de la naturaleza. Übers. von Samuel Nemirovsky. Mexico City 1993. 12 Kant: Primi principi metafisici della scienza della natura. Hg. und übers. von Silvestro Marcucci. Pisa 2004. 13 Johann Christian Gottsched: Erste Gründe der gesamten Weltweisheit. Leipzig 1755 7 [ 1762].

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über die Physik und Metaphysik Kants von der oben angeführten französischen Übersetzung, indem er seinerseits von Principes métaphysiques de la science de la nature sprach.14 Auf dieser Option basieren folgende Übersetzungen des Werkes: die spanische Übersetzung von Carlos Másmela (Principios metafísicos de la cien­ cia de la naturaleza, 1989)15 und die italienische von Paolo Pecere (Principi me­ tafisici della scienza della natura, 2003)16 . Diese übersetzerische Wahl kann sich, wie angedeutet, auf Kants ausdrücklichen Willen berufen, sein Werk als Gegen­ stück zu mathematischen Traktaten wie dem von Newton zu präsentieren. Kant hat diesen Wunsch in einem in unserem Zusammenhang einschlägigen wichtigen Passus zum Ausdruck gebracht: Ich habe in dieser Abhandlung die mathematische Methode, wenn gleich nicht mit aller Strenge befolgt (wozu mehr Zeit erforderlich gewesen wäre, als ich da­ rauf zu verwenden hätte), dennoch nachgeahmt, nicht, um ihr durch ein Gepräge von Gründlichkeit besseren Eingang zu verschaffen, sondern weil ich glaube, daß ein solches System deren wohl fähig sei und diese Vollkommenheit auch mit der Zeit von geschickterer Hand wohl erlangen könne, wenn, durch diesen Entwurf veranlaßt, mathematische Naturforscher es nicht unwichtig finden sollten, den metaphysischen Theil, dessen sie ohnedem nicht entübrigt sein können, in ihrer allgemeinen Physik als einen besonderen Grundtheil zu behandeln und mit der mathematischen Bewegungslehre in Vereinigung zu bringen. (MAN, AA 04: 478)

Wenn Kant sich hier auf die ›allgemeine Physik‹, d. h. die mathematische Physik bezieht (MAN, AA 04: 478), so wendet er sich damit insbesondere an die Newton­ianer, wie die unmittelbar folgenden Zeilen erkennen lassen, in denen er Newton zitiert und bekräftigt, dass selbst die Mathematik »hier von der Metaphysik nothwendig borgen muß« (AA 04: 479).17 Von hier her legt es sich nahe, dass Kants Titel Metaphysische Anfangsgründe den Titel von Newtons Principia mathematica evoziert. Diese Nähe wird in mehreren Abschnitten des Opus postu­ mum ausdrücklich angesprochen, in denen Kant auf sein systematisches Projekt zurückkommt. Hier behauptet Kant, der Titel von Newtons Traktat sei ein ›Widerspruch‹ und Newton hätte seinen Traktat Scientiae – und nicht Philosophiae – naturalis principia mathematica betiteln und diesen principia mathematica hätten dann scientiae naturalis principia philosophica beigegeben werden müssen.18 14

Jules Vuillemin: Physique et métaphysique kantiennes. Paris 1955. 13. Kant: Principios metafísicos de la ciencia de la naturaleza. Hg. und übers. von Carlos Másmela. Madrid 1989. 16 Kant: Principi metafisici della scienza della natura. Zweisprachige Ausgabe. Hg. und übersetzt von Paolo Pecere. Mailand 2003. 17 Vgl. OP, AA 21: 161. 18 Vgl., neben anderen Passus, OP, AA 21: 190, 230, 510, 512. 15

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Diese Bezugnahme auf die Physik Newtons ist von der Forschung oft unterstrichen worden und hat für die dritte Gruppe von Übersetzungen, die ich hier ansprechen möchte, nämlich die englischsprachigen, eine Rolle gespielt. In den Übersetzungen ins Englische lautet der Titel ausnahmslos: Metaphysical Foun­ dations of Natural Science.19 Es sollte nicht übersehen werden, dass der Begriff Foundations in der neueren Erkenntnistheorie eine gewaltige Resonanz hatte. Man denke an das Modell der Grundlagen der Arithmetik von Frege und an die Grundlagen der Physik von Hilbert, zwei Werke, die die Axiomatik des Neopositivismus beeinflusst haben, welcher seinerseits in den Vereinigten Staaten schulbildend wirkte. Carnap verwendet den Begriff Foundations für seine grundlegenden Arbeiten über Wahrscheinlichkeit, mathematische Logik und Physik, und derselbe Terminus taucht durchgängig in der Encyclopedia of Unified Science auf. Es handelt sich um eine für die zeitgenössische amerikanische Epistemologie entscheidende Vermittlungsstufe, entscheidend auch für den Kant-Forscher und Kant-Übersetzer Michael Friedman, einen bedeutenden Carnap-Forscher, der 1983 die Foundations of Space-Time Theories publiziert hat. Trotz der großen Unterschiede zwischen den angeführten Beispielen – nicht alle von ihnen bezeichnen axiomatische Grundlegungen im eigentlichen Sinne – besteht ihre Gemeinsamkeit in der für die Erkenntnistheorie des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts typischen These, der zufolge die Grundlegung ein System von Sätzen liefert, auf die sich eine gegebene wissenschaftliche Theorie gründet wie etwa die euklidische Geometrie oder die physikalische Relativitätstheorie. Kants Foundations liefern, aus dieser Perspektive betrachtet, metaphysische Sätze, auf die sich die Physik Newtons gründet. So begründet beispielsweise das metaphysische Trägheitsgesetz für Kant eine lex inertiae im eigentlichen Sinne, die er in der mathematischen Physik Newtons reformuliert findet. 20 Cassirer hatte eine vergleichbare Vorstellung des Verhältnisses von kantischen Anfangsgründen und newtonianischer Physik in die Diskussion gebracht. Er hat Kants 1786 erschienenes Werk kritisch beurteilt und die Meinung vertreten, dieses wolle eine »philosophische Begründung« der Voraussetzungen der newtonianischen Naturwissenschaft liefern, habe jedoch faktisch nur eine »philosophische Umschreibung« eben dieser Voraussetzungen geliefert. 21 Damit teilt Cassirer eine in der Kant-Forschung seiner Zeit breit dokumentierte Perspektive, der zufolge es Kant darum gegangen sei, die newtonia19 Die erste Übersetzung wurde von James Ellington besorgt (New York 1970). Der Titel wird in der Übersetzung von Michael Friedman aufgegriffen, welche in zwei etwas unterschiedlichen Fassungen erschienen ist: zunächst innerhalb der Cambridge Edition, vgl. Kant: Theoretical Philosophy after 1781. Hg. von Henry Allison/Peter Heath. Übers. von Gary Hatfield und Michael Friedman. Cambridge 2002. 171–210, dann separat: Kant: Metaphysical Foundations of Natural Science. Übers. von Michael Friedman. Cambridge 2004. 20 Mechanik, Lehrsatz 3. Vgl. MAN, AA 04: 543. 21 Ernst Cassirer: Zur Einsteinschen Relativitätstheorie. Erkenntnistheoretische Betrach-

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nische Physik zu begründen, sodass Kants Theorie angesichts des Aufkommens einer nicht-euklidischen Geometrie und der physikalischen Relativitätstheorie ins Wanken geraten sei. Selbst die Verteidigung des kantischen Apriori etwa durch Hans Reichenbach in Relativität und Erkenntnis a priori (1921) bewegt sich innerhalb dieser Perspektive; Reichenbachs Arbeit zielt darauf ab, Kants Procedere zu verallgemeinern, indem das Apriori als Gesamtheit konstitutiver Prinzipien aufgefasst wurde, welche je und je als Grundlage einer wissenschaftlichen Theorie figurieren können. Eine vergleichbare Interpretationsgrundlage wählt Friedman, indem auch er eine Abhängigkeit Kants von der Physik Newtons voraussetzt, wobei Friedman freilich Kants kritische Revision Newtons genauer entschlüsselt; Friedman hat sogar die Vorstellung von einem »relativierten Apriori« ausgearbeitet und dafür auf das Kuhnsche Konzept des wissenschaftlichen Paradigmas rekurriert. 22 Die wissenschaftliche und philosophische Traditionslinie, in die sich die Übersetzung des Terminus Anfangsgrund mit ›Foundations‹ einschreibt, ist, so zeigt sich hier, nicht in allen Aspekten zielführend. Historisch betrachtet, ist für Kant die ›newtonianische Physik‹ faktisch eben nicht – wie Kuhn dies im Sinne des Neopositivismus gesehen hätte – ein in sich geschlossenes theoretisches Konstrukt, identisch mit den dargelegten Principia mathematica, deren inexplizite metaphysische Bedingungen Kants Metaphysik der Natur schlicht hätte angeben müssen, als handelte es sich um Axiome. Vielmehr ist für Kant die newtonianische Physik ein Ensemble von Erkenntnissen, das philosophisch geordnet werden muss. Im Übrigen wurden im 18. Jahrhundert die Theorien Newtons von ihren herausragenden Exegeten auf begrifflich höchst unterschiedliche Weise dargelegt; man denke nur an s’Gravesande, Wolff, Euler, d’Alembert und Maupertuis. Kants Anfangsgründe beschränken sich in diesem Kontext nicht darauf, die metaphysischen Prämissen der Physik Newtons darzutun und Newtons Theorie selbst unangetastet zu lassen. Vielmehr ändert und verbessert Kant ausdrücklich einige fundamentale Aspekte dieser Theorie, etwa wenn er behauptet, die Schwerkraft sei eine grundlegende Eigenschaft der Materie, oder wenn er bestreitet, dass die Materie sich aus absolut harten Partikeln zusammensetzt. 23 Friedmans Untersuchungen haben die historische Kontextualisierung des kantischen Werkes kontinuierlich vorangetrieben und den wichtigsten zeitgenössischen Beitrag tungen. Berlin 1921. In: ders.: Gesammelte Werke. Hamburger Ausgabe. Hg. von Birgit Recki. Bd.10. Hamburg 2001. 52. 22 Vgl. bspw. Michael Friedman: The Metaphysical Foundations of Newtonian Science. In: Robert E. Butts (Hg.): Kant’s Philosophy of Physical Science. Dordrecht 1986. 25–60, sowie ders.: Kant and the Exact Sciences. Cambridge MA 1992. 136. Zur Theorie des relativierten Apriori vgl. Friedman: Dynamics of Reason. Chicago 2001. 23 Einen einschlägigen Überblick liefert Pecere: Kant’s Newtonianism. A Reappraisal. In: Estudos kantianos 2/2 (2014), 155–182. Hier: 162–171.

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zum Thema geleistet; sie haben die Vielfalt von Kants wissenschaftlichen Bezugnahmen freigelegt, welche sich nicht auf ›Newtons Physik‹ beschränken, sondern ebenso Euler, Lambert, Lavoisier und andere zeitgenössische Wissenschaftler einschließen, die elektrische und chemische Phänomene untersucht haben. Friedman selbst hat denn auch in seiner neuesten Untersuchung klargestellt, dass Kant sich nicht summarisch auf ›die Physik Newtons‹, sondern auf die »largely Newtonian physics of his time« bezogen hat. 24 All dies in Rechnung gestellt, wird man die Übersetzung von Anfangsgrund durch ›Foundations‹ als zwar nicht unrichtig, aber potentiell irreführend qualifizieren. Möglicherweise wäre die Übersetzung ›Metaphysical Principles of Natural Science‹ angemessener. Wenn man nämlich die Parallelität zwischen Kants und Newtons Werk und Kants Intention, Newtons Werk anzupassen und zu ergänzen, im Blick behält, so hätte diese Übersetzung den Vorzug, auf die gängige englische Übersetzung der Principia mathematica anzuspielen. 25 In der Vorrede zu seinem Werk identifiziert Kant ja selbst Prinzip als denjenigen Terminus, der am besten geeignet ist, die Sätze seiner Anfangsgründe im Allgemeinen zu bezeichnen. Das Ziel der neuen ›Metaphysik der körperlichen Natur‹ sei ein doppeltes, so Kant: Einerseits gehe es darum, der allgemeinen Metaphysik in concreto Fälle zu präsentieren, um zu zeigen, dass die Kategorien ›Sinn und Bedeutung‹ besitzen; andererseits gehe es darum darzutun, dass die Anwendung der Mathematik auf die Physik diese Prinzipien voraussetzt: Damit aber die Anwendung der Mathematik auf die Körperlehre, die durch sie allein Naturwissenschaft werden kann, möglich werde, so müssen Principien der Construktion der Begriffe, welche zur Möglichkeit der Materie überhaupt gehören, vorangeschickt werden. (MAN, AA 04: 472) [Hervorhebung P. P.]

Der genaue Status und die methodologische Bedeutung dieser Prinzipien, die jeweils mit einem ›Beweis‹ versehen werden, sollen im Folgenden erörtert werden.

24

Michael Friedman: Kant’s Construction of Nature. A Reading of the Metaphysical Foundations of Natural Science. Cambridge 2013. ix. 25 Zu den Übersetzungen der Principia mathematica (welche alle dementsprechend verfahren: ›Principles‹, ›Prinzipien‹, ›princìpi‹), vgl. Isaac Newton: Philosophiae naturalis principia mathematica. Hg. von Alexandre Koyré/I. Bernhard Cohen. Cambridge Mass. 1972. Anhang IX. Anzumerken ist, dass Kant sich an einer Stelle folgendermaßen auf Newtons Werk, welches er auf Latein las, bezogen hat: »mathem. Grundlehren der Nat-Wiss.« (MAN, AA 04: 478); dieser Wortgebrauch widerspricht nicht der philosophisch-terminologischen Praxis Kants, die ich in diesem Beitrag untersuche.

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III.

Kants Verwendung der Begriffe Lehrsatz und Beweis in ihrer philosophischen Bedeutung erweist sich als übersetzerisches und zugleich exegetisches Problem und muss mit Blick auf die unterschiedlichen Perioden des kantischen Denkens differenziert betrachtet werden. In der Monadologia physica (1756) und in den MAN (1786) treten mehrfach Sätze ähnlichen Inhalts auf wie etwa diejenigen, die die Wirksamkeit einer Zurückstoßungskraft als Grund für den erfüllten Raum postulieren. 26 Die tiefen Unterschiede zwischen den beiden genannten Werken resultieren daraus, dass der Kritizismus die MonPh verworfen hat. 27 Auf terminologischer Ebene ist festzuhalten, dass die Beweisführungen zu den Theoremen der MonPh jeweils keinen Titel tragen, dass Kant sie aber im Text als demonstra­ tiones bezeichnet (vgl. z. B. MonPh, AA 01: 478). In den MAN hingegen benutzt er stets den Begriff Beweis statt Demonstration. In seiner MonPh argumentierte Kant noch im Horizont des Wolffianismus, wo die metaphysischen Sätze auf der Grundlage der Prinzipien des Widerspruchs und des zureichenden Grundes analytisch dargetan werden konnten. In der 1762 redigierten Preisschrift vertritt Kant die metaphysische These, die Undurchdringlichkeit setze die Wirksamkeit einer Zurückstoßungskraft voraus, und argumentiert mit der Evidenz der Zugehörigkeit eines bestimmten Merkmals zum Konzept des Körpers und daher mit dem Ergebnis einer Begriffsanalyse. (UD, AA 02: 286) Seine radikale Wende und Abkehr von dieser methodischen Analogie begründet Kant selbst in der Transzendentale[n] Methodenlehre, und zwar dort, wo es um den Gebrauch mathematischer und philosophischer Sätze geht. Die Philosophie basiert, so Kant, auf Begriffen, die Mathematik hingegen auf der Konstruktion von Begriffen (KrV, AA 03: 469); die Philosophie betrachtet einzelne (nicht empirische) Anschauungen, die Mathematik, sofern sie sich mit Größen beschäftigt, das Besondere im Allgemeinen. (KrV, AA 03: 469) Vor diesem Hintergrund ist die Demonstration ein »apodiktischer Beweis, so fern er intuitiv ist«, daher ist die Demonstration nur in der Mathematik möglich. (KrV, AA 03: 481) Die philosophische Erkenntnis hingegen betrachtet das Allgemeine in abstracto (mittels Begriffen). (KrV, AA 03: 481) Daher zieht Kant es vor, philo­ sophische Begründungen als »akroamatische [discursive] Beweise« zu bezeichnen, »weil sie sich nur durch lauter Worte (den Gegenstand in Gedanken) führen lassen«. (KrV, AA 03: 481) 26 Vgl.

Sectio I, Prop VIII (MonPh, AA 01: 482) bzw. Zweites Hauptstück, Lehrsatz 1 (MAN, AA 04: 497). 27 An dieser Stelle sei der Hinweis erlaubt auf Pecere: Monadology, Materialism and Newtonian Forces. The Turn in Kant’s Theory of Matter. In: Quaestio. Yearbook for the History of Metaphysics 16 (2016). 167–189.

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In beiden Fällen handelt es sich um synthetische Sätze; doch im Falle der Mathematik hängt die Erweiterung der Erkenntnis von der reinen Anschauung ab, im Falle der Philosophie hingegen vom Bezug auf mögliche Erfahrung, und diese impliziert eben eine Gesamtheit von in abstracto betrachteten Bedingungen. 28 Und so unterscheidet Kant synthetische und apodiktische Sätze der Philosophie (dogmata) von solchen der Mathematik (mathemata), insofern erstere auf etwas Kontingentem, möglicher Erfahrung, und nicht auf reiner Anschauung beruhen, und insofern ihnen ohne diese mögliche Erfahrung keine objektive Gültigkeit zukommt. Kant führt beispielhaft den Satz ›alles, was geschieht, hat eine Ursache‹ an und behauptet, dieser lasse sich apodiktisch beweisen, dürfe aber nicht als Lehrsatz, sondern müsse als Grundsatz bezeichnet werden, und zwar wegen seiner Besonderheit, den eigenen Beweisgrund oder die Erfahrung selbst zu ermöglichen. (KrV, AA 03: 483) Die gesamte Argumentation dient dazu, die Anmaßungen eines transzendenten Gebrauchs der spekulativen Vernunft zurückzuweisen, wie er in der Schulmetaphysik im Gefolge Wolffs üblich gewesen war; Kant bilanziert, dass es sich für die Philosophie »gar nicht schike, vornehmlich im Felde der reinen Vernunft, mit einem dogmatischen Gange zu strotzen und sich mit Titeln und Bändern der Mathematik auszuschmücken, in deren Orden sie doch nicht gehört«. (KrV, AA 03: 482) Die Übersetzer haben den kantischen Hinweisen in unterschiedlicher Weise Rechnung getragen. Die demonstratio in der MonPh wird üblicherweise mit äquivalenten Begriffen wiedergegeben: ›dimostrazione‹29 , ›demonstration‹ 30 etc. In seiner Übersetzung der MAN übersetzt Friedman die Beweise metaphysischer Grundsätze mit ›proofs‹. Im Allgemeinen folgte man in den neueren Sprachen der aus dem Lateinischen stammenden Unterscheidung von proba und demonstratio. Die MAN bilden jedoch einen Sonderfall. In diesem Werk nämlich präsentiert Kant Lehrsätze, um seine Prinzipien zu demonstrieren, und lässt ihnen Beweise folgen – dies scheint ein uneindeutiger Fall zu sein. Das ist nicht überraschend, hält man sich vor Augen, dass dieses Werk auf die erhoffte »schwesterliche Vereinigung mit [der Mathematik]« abzielt. (KrV, AA 03: 482) Gleichwohl bleibt die objektive Übersetzungsschwierigkeit bestehen, zumal Kant eine Vereinigung seiner Metaphysik der körperlichen Natur mit den Traktaten zur Mathematik erhofft und viele seiner Beweise mit geometrischen Figuren veranschaulicht, die den Eindruck vermitteln, diese Beweise stützten sich tatsächlich auf Konstruk28 Zu

Demonstrationen und akroamatischen Beweisen vgl. Mirella Capozzi: Kant e la logica [Anm. 1] 2002. 580–585. 29 Kant: Scritti precritici. Hg. und übers. von Rosario Assunto/Rolf Hohenemser. Erweiterte Neuausgabe von Angelo Pupi. Rom/Bari 1982. 61. 30 Kant: Theoretical Philosophy 1755–1770. Hg. und übersetzt von David Walford/Ralf Meerbote. Cambridge 1992. 55.

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tionen. Angesichts dieser Ausgangslage haben die Übersetzer unterschiedliche Lösungen gewählt: Friedman gibt, wie bereits erwähnt, in seinen Übersetzungen ins Englische Beweis mit ›proof‹ wieder. Andere rekurrieren in ihren Übersetzungen auf den mathematischen Terminus: ›démonstration‹ (De Gandt), ›dimos­ trazione‹ (Galvani, Pecere), ›demonstración‹ (Másmela). Beide übersetzerischen Optionen lassen sich rechtfertigen. Die Übersetzung mit ›proof‹, ›prova‹ wird gewiss dem von Kant festgelegten Wortgebrauch am ehesten gerecht. Kants Begründungen beziehen sich tatsächlich ja nicht auf einzelne Anschauungen (bei denen Längen- und Winkelmaße eine Rolle spielen würden), sondern auf die Anschauung der Bewegung im Allgemeinen; betrachtet werden beispielsweise deren Richtung, zum Zwecke der in der mathematischen Physik vorgenommenen konkreten Konstruktionen (wo es um Geschwindigkeitsund Beschleunigungsmessung und andere Variable geht). »Principien der Con­ struktion der Begriffe, welche zur Möglichkeit der Materie überhaupt gehören«, einzuführen, ist eine »Aufgabe der reinen Philosophie«, welche den empirischen Begriff der Materie voraussetzt (z. B. das Merkmal der Undurchdringlichkeit), deren Eigenschaften auf der Basis der Kategorien untersucht (z. B. der Qualität, welche den Begriff des erfüllten Raums erzeugt) und sie »in Beziehung auf die reinen Anschauungen im Raume und der Zeit« analysiert – wie etwa im ersten Lehrsatz der Dynamik, wo die Erfüllung eines Raumes als Widerstand gegen das Eindringen einer Materie dargestellt wird und die in der Phoronomie untersuchte Zusammensetzung von Bewegungen zur Anwendung gelangt. 31 In der Transzendentale[n] Deduktion hatte Kant klargestellt, dass die Bewegung (obwohl es sich um einen empirischen Begriff handelt, der die Anschauung von etwas Beweglichem voraussetzt) sich mittels der Beschreibung in der reinen Anschauung a priori vorstellen lässt – und dementsprechend hatte er schon in der Transzendentale[n] Deduktion postuliert, dass sich die Philosophie auf reine sinnliche Begriffe beziehen kann. 32 In den MAN finden sich mithin philosophische Beweise, nicht Demonstrationen, und sie beziehen sich auf die reine Vorstellung der Bewegung. Diese Überlegungen mag der Übersetzer beiseite lassen und sich dazu entschließen, dem oben (vgl. II.) untersuchten Vorgehen Kants zu folgen und die mathematische Methode zu ›imitieren‹ – was nicht unbedingt bedeutet, ihr zu folgen – und Beweis dementsprechend mit dem mathematischen Begriff ›demons­ tration‹, ›dimostrazione‹ etc. zu übersetzen. Diese Option sollte freilich dem Leser 31

MAN, AA 04: 472. Zum angeführten Beispiel vgl. MAN, AA 04: 497. Zur kantischen Methodologie im Einzelnen vgl. Pecere: La filosofia della natura in Kant. Bari 2009. Teil 2. 32 Zu den reinen sinnlichen Begriffen in der Transzendentale[n] Deduktion vgl. die aktuelle Diskussion um die Thesen von Henry E. Allison: Kant’s Transcendental Deduction. An Analytical-Historical Commentary. Oxford 2015.

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erläutert werden. Er müsste darauf aufmerksam gemacht werden, dass es sich im strengen Sinne um philosophische (akroamatische) Beweise handelt wie bei den transzendentalen Prinzipien, dass sich aber die Wortwahl des Übersetzers am Vorgehen Kants orientiert, die Form eines mathematischen Traktats zu imitieren: Damit werde, so wäre zu erläutern, Kants Wunsch nach einer Vereinigung von Metaphysik und mathematischer Physik bis in die Gestaltung des Textes hinein Genüge getan. Aus dem Italienischen übersetzt von Gisela Schlüter

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Beweisgrund in neueren französischen Kantübersetzungen Robert Theis Doch hab ich […] nicht allzu frei die Buchstaben lassen fahren, sondern mit großer Sorgfalt […] darauf gesehen, so dass, wo es etwa drauf ankam, da hab ich’s nach dem Buchstaben behalten und bin nicht so frei davon abgewichen. (Martin Luther: Sendbrief vom Dolmetschen)

Einleitung

Im vorliegenden Beitrag soll das Lexem Beweisgrund1 in neueren französischen Übersetzungen der Schriften von Kant besprochen werden. Als Terminus a quo der Untersuchung setzen wir die zwischen 1980 und 1986 in der Bibliothèque de la Pléiade erschienene dreibändige Ausgabe von Kants Werken fest. 2 Seit den 1980er Jahren sind indes eine Reihe von Kants Schriften in Einzelausgaben neu übersetzt worden. Sie werden ebenfalls in der folgenden Untersuchung herangezogen und diskutiert. 3 Neuauflagen älterer Übersetzungen werden nur in Ausnahmefällen berücksichtigt. Es erweist sich als sinnvoll, in einem ersten Schritt Kants eigene Erklärungen zum Lexem zu kontextualisieren und zu sichten. In einem zweiten Schritt wird die Verwendung des Lexems in Kants Schriften rekonstruiert, mit deren französischen Übersetzungen verglichen und diskutiert.

1 Unter

dem Lexem Beweisgrund werden alle Flexionsformen des Wortes zusammengefasst. – Vgl. auch den Beitrag von Emilio Garroni über Bestimmungsgrund (›principle of determination‹) in italienischen Übersetzungen im vorliegenden Band. 2 Kant: Œuvres philosophiques. Gesamtherausgeber Ferdinand Alquié. Bde. I–III. Paris 1980–1986 (im Folgenden zitiert mit dem Kürzel ›OP‹ unter Angabe des jeweiligen Bandes in römischen und der Seite in arabischen Ziffern). 3 Berücksichtigt werden indes nur Gesamtübersetzungen einzelner Schriften. – Eine Bestandsaufnahme der im Zeitraum von 1980 bis heute publizierten französischen Übersetzungen kantischer Schriften bietet der Beitrag von Sophie Grapotte im vorliegenden Band.

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I.  Kants Erklärungen zum Lexem Beweisgrund in den Logikvorlesungen

In seinen Vorlesungen über Logik hat Kant von Beginn seiner Lehrtätigkeit im Wintersemester 1755/1756 an bis zum Jahr 1796 Schriften von Georg Friedrich Meier als Kompendien benutzt. Mit Hinweis auf Emil Arnoldt 4 bemerkt Elfriede Conrad, dass Kant im Wintersemester 1755 und im Sommersemester 1756 nach Meiers 1752 erschienener Vernunftlehre gelesen habe und dann ab dem Sommersemester 1757 bis zum Ende seiner Vorlesungstätigkeit durchgängig Meiers ebenfalls 1752 erschienenen Auszug aus der Vernunftlehre benutzt habe.5 1. Um die Bedeutung des Lexems Beweisgrund bei Kant angemessen zu verstehen – und demzufolge auch mögliche Übersetzungen dieses Terminus beurteilen zu können –, soll in einem ersten Schritt auf Ausführungen bei Georg Friedrich Meier eingegangen werden. Eine grundlegende These von Meier ist die folgende: Wenn wir etwas erkennen, so erkennen wir es entweder auf eine deutliche Art aus Gründen, oder nicht. Wenn das erste, so haben wir eine gelehrte oder »vernünftige Erkenntniss« (cognitio rationalis), auch »philosophische Erkenntniss« genannt.6 Zu einer solchen Erkenntniss wird dreierlei erfodert: 1) eine Erkenntniss einer Sache, 2) eine Erkenntniss ihres Grundes, und 3) eine deutliche Erkenntniss des Zusammenhangs der Sache mit ihrem Grunde. (AA 16: 93 [§ 17])

Ist letzteres nicht der Fall, handelt es sich um eine sogenannte »gemeine oder eine historische Erkenntniss« (AA 16: 94 [§ 18]). Die Wahrheit einer Erkenntnis ersieht man an einer Reihe von sogenannten »Kennzeichen der Richtigkeit«; diese sind entweder innerlich oder äußerlich. Erstere besteht in der Nichtwidersprüchlichkeit; letztere, wenn die Erkenntnis »in einem Zusammenhange möglich ist […]. Folglich 1) wenn sie eine Folge richtiger Gründe, und 2) ein Grund richtiger Folgen ist.« (AA 16: 241 [§ 96]) Von der Wahrheit einer Erkenntnis ist die Gewissheit zu unterscheiden. Diese ist das »Bewusstsein der Wahrheit, oder die klare Erkenntniss der Wahrheit« (AA 16: 359 [§ 155]). Unter einem »Beweis« versteht Meier, gemäß der Vernunftlehre, »dasjenige, was den Grund enthält, aus welchem die Wahrheit, welche erwiesen wird, klar erkant werden kan«.7 Im Auszug wird die Definition des Beweises in 4 Vgl. Emil Arnoldt: Möglichst vollständiges Verzeichnis aller von Kant gehaltenen oder auch nur angekündigten Vorlesungen nebst dazu bezüglichen Notizen und Bemerkungen. In: ders.: Gesammelte Schriften. Hg. von Otto Schöndörffer. Bd. V/2. Berlin 1909. 173–344. 5 Vgl. Elfriede Conrad: Kants Logikvorlesungen als neuer Schlüssel zur Architektonik der Kritik der reinen Vernunft. Stuttgart/Bad Cannstatt 1994. 66. 6 Georg Friedrich Meier: Auszug aus der Vernunftlehre. § 21. Zitiert wird nach dem Abdruck des Auszugs in AA 16: 101. 7 Georg Friedrich Meier: Vernunftlehre. Halle 1752 [ND mit einer Einleitung von Ric-

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Beweisgrund in neueren französischen Kantübersetzungen

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einer etwas anderen Weise eingeführt: »Der Beweis (probatio) ist dasjenige, was zu einer Wahrheit hinzugethan wird, damit sie gewiss werde.« (AA 16: 483) 8 Die Vernunftlehre fügt kommentierend hinzu: Durch den Beweis können wir einer Wahrheit gewiss sein, »und es ist ohne fernern Beweis klar, daß alle Beweise zu dem Ende geführt werden, damit wir von der Wahrheit einer Sache überzeuget werden«.9 In der Vernunftlehre taucht in diesem Rahmen der Ausdruck »Beweisthum« auf, der für unser Thema signifikant ist: Der Beweis enthält »die Kennzeichen der Wahrheit«, aus denen diese klar erkannt wird, und diese werden als »Beweisthümer der Wahrheit«10 bezeichnet. Meier unterscheidet demnach beim Beweis zwischen dem Beweisthum einerseits und der Folge aus dem Beweisthum andererseits: »Die Folge des Beweises bestehet in dem Zusammenhange, in welchem die Wahrheit mit dem Beweisthume stehet.«11 Es reicht nicht, wenn ein Beweis lediglich den Beweisthum enthält, »es muss auch in demselben eine Folge angetroffen werden«.12 Im Auszug führt Meier eine terminologische Präzisierung ein, die gerade mit Blick auf Kants Verwendung des Begriffs Beweisgrund von Interesse ist: Der Beweis (probatio) ist dasjenige, was zu einer Wahrheit hinzugethan wird, damit sie gewiss werde. Der Beweisthum (probatio materialiter sumta, ratio probans) ist der Grund, aus welchem die Wahrheit klar erkannt werden kann, und das sind die Kennzeichen der Wahrheit […]. Die Folge des Beweises (probatio formaliter sumta, consequentia) ist der Zusammenhang der Wahrheit mit dem Beweisthum […]. Ein jeder Beweis besteht demnach aus dem Beweisthum und der Folge […]. (AA 16: 483 f. [§ 191])

Beweise werden weiterhin von Meier in zureichende und unzureichende eingeteilt. Ein unzureichender Beweis kennzeichnet sich dadurch, dass er nur eine sogenannte unausführliche oder wahrscheinliche Gewissheit hergibt. Das Unzureichende besteht nicht in einer Fehlerhaftigkeit des Folgerns selber, sondern in der nicht erzielten Gewissheit beim Subjekt. Zureichend hingegen ist ein Beweis, durch den eine »ausführliche Gewißheit der Wahrheit«13 erlangt wird, d. h. außer welchem »nichts weiter mehr erfodert wird, um von einer Wahrheit völlig über-

cardo Pozzo]. In: Christian Wolff: Gesammelte Werke. Hg. von Jean École u. a. III. Abt. Bd. 144. Hildesheim 2015. 318. § 223.  8 Meier: Auszug [Anm. 6] § 191.  9 Meier: Vernunftlehre [Anm. 7] 318. § 223. 10 Ebd. 11 Ebd. 319. 12 Ebd. 13 Ebd. § 223.

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zeuget zu werden«.14 Ein solcher Beweis wird auch als Demonstration bezeichnet. Der Auszug fügt diesbezüglich die lateinischen Termini »probatio sufficiens« und »demonstratio« hinzu. (AA 16: 485 [§ 191]) Als Beispiel einer Demonstration führt Meier in der Vernunftlehre folgendes an: »Wenn ich denke: Ein Ding, das würklich denkt, kan nicht bloß möglich, sondern es muß zugleich würklich seyn; da ich nun würklich denke, so bin ich würklich vorhanden.«15 Von diesem Beweis heißt es, er sei »vollkommen zureichend, um mich von meiner eigenen Würklichkeit völlig zu überzeugen, und […] demnach eine Demonstration«.16 2. Die eben gemachten Darlegungen zeigen, dass sich weder in Meiers Vernunftlehre noch im Auszug der Terminus Beweisgrund findet. Diesen findet man jedoch bei einem anderen Autor, nämlich bei Christian August Crusius, dessen Schriften Kant seit den 1750er Jahren bekannt waren, und dessen Logik er als »fanatische Logik« bezeichnet. (Refl, AA 16: 48)17 In dessen 1747 erschienenem Weg zur Gewißheit und Zuverläßigkeit der menschlichen Erkenntniß taucht der Begriff Beweisgrund im 6. Kapitel auf, das »Von den Beweisen« handelt.18 Crusius, der sich in seinen Ausführungen an die Vernunftlehre seines verehrten Lehrers Adolph Friedrich Hoffmann anlehnt,19 definiert den Beweis als »Verknüpfung eines Satzes mit einem oder etlichen andern als wahr angenommenen Sätzen, um welcher willen er selbst vor wahr gehalten werden soll«. 20 Crusius unterscheidet zwischen der Form und der Materie des Beweises. Ein Beweis erfolgt durch Schlüsse, vermittelst derer »die Sätze verknüpft seyn müssen«. 21 Diese machen die Form des Beweises aus; die Materie des Beweises besteht in den als wahr angenommenen Sätzen, »mit welchen die Conclusion verknüpft seyn, und deswegen als wahr angenommen werden soll«. 22 Diese werden von Crusius als »Beweisgrund (praemissae, principium)« bezeichnet. 23

14 Ebd. 15

Ebd. 320. § 223.

16 Ebd. 17

Reflexion 1629. Der Ausdruck hat wohl den Sinn von: ›sich von der (religiösen) Orthodoxie abgrenzend‹. Zur Wortverwendung von fanatisch bei Kant vgl. auch den Beitrag von Robert R. Clewis über Schwärmerei und Enthusiasmus im vorliegenden Band. 18 Christian August Crusius: Weg zur Gewißheit und Zuverläßigkeit der menschlichen Erkenntniß. Leipzig 1747. 921 ff. [ND in: Crusius: Die philosophischen Hauptwerke. Bd. III. Hg. von Giorgio Tonelli. Hildesheim 1965]. 19 Vgl. Adolph Friedrich Hoffmann: Vernunft-Lehre. Leipzig 1737. II. Theil, 6. Capitel. 982 ff. [NA in: Christian Wolff: Gesammelte Werke. III. Abteilung. Bd. 99.2. Hg. von Jean École u. a. Hildesheim 2010]. 20 Christian August Crusius: Weg zur Gewißheit und Zuverläßigkeit [Anm. 18] 921. § 516. 21 Ebd. 922. § 517. 22 Ebd. 23 Vgl. ebd.

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Beweisgrund in neueren französischen Kantübersetzungen

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Vom Beweisgrund heißt es, er sei »mit der Schlussregel nicht zu verwirren«. 24 Was hiermit gemeint ist, findet sich deutlicher bei A.F. Hoffmann: Der Beweiß-Grund ist das, woraus man erweiset; und bestehet also in einem oder etlichen Säzen, die man vor bekandt annimmt. Er ist daher mit der logicalischen Schluß-Regel nicht zu vermengen, durch die man beweiset; das ist, welche den Zusammenhang zwischen ihm und der Conclusion zeiget. 25

Crusius unterscheidet weiterhin zwischen hypothetischem und absolutem Beweis. 26 Unter hypothetischen Beweisen versteht er solche, in denen klar gemacht wird, welche »Sätze zugegeben werden müssen, wenn gewisse andere als wahr angenommen werden«. 27 Ein absoluter Beweis ist ein solcher, in dem die Wahrheit der Konklusion allererst erkannt wird oder aus einem andern Satze, dessen Wahrheit eher als die Konklusion gewusst ist, hergeleitet wird. Dies führt Crusius dann dazu, in einem absoluten Beweise »drey Stücke« zu unterscheiden: die Wahrheit der Vördersätze; eine gnugsame Verknüpfung der Conclusion mit denselben, und ein solches Verhältniß des Beweisgrundes gegen die Conclusion, vermöge welches man die Wahrheit desselben eher als die Wahrheit der Conclusion wissen, und also diese aus jener erkennen kan. 28

Was unterscheidet bei Crusius einen Beweis von einer Demonstration? Im § 359 erklärt er den »Erkenntnißweg […] der Demonstration« auf folgende Weise: Unter zwey Sätzen, welche einander contradictorie opponiret sind […] ist nothwendig einer wahr […]. Aus eben dem Grunde ist auch unter allen Sätzen, welche einander contrarie, aber adäquat, opponiret sind, nothwendig einer wahr. Wenn sich nun im ersten Falle der widersprechende Gegensatz, oder im andern Falle, alle widrigen Gegensätze bis auf einen, gar nicht dencken lassen, also daß die Begriffe bey versuchter Verbindung oder Trennung einander aufheben, oder sonst verschwinden müßten; so wird der übrig bleibende Satz als wahr erkannt, und dieser Erkenntnißweg heisset der Weg der Demonstration. 29

Auf diese Definition aufbauend, kommt er in § 521 darauf zurück: Eine Demonstration wird als ein solcher Beweis bezeichnet, »da die Conclusion an ihren Beweisgrund dergestalt verknüpft wird, daß sich ihr Gegentheil wenigstens bey den

24 Ebd. 25

Hoffmann: Vernunft-Lehre [Anm. 19] 2. Theil. 6. Cap. § 4. 983. Crusius: Weg zur Gewißheit und Zuverläßigkeit [Anm. 18] 923 f. § 518. 27 Ebd. 923. 28 Ebd. 924. Zur Definition bei Hoffmann vgl. Vernunft-Lehre [Anm. 19] 2. Theil. 6. Cap. § 11. 986. 29 Crusius: Weg zur Gewißheit [Anm. 18] 639 f. § 359. 639 f. 26

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gesetzten Umständen gar nicht weiter dencken läßt«. 30 Diese Art von Demon­ stration, die auf dem Satz vom Widerspruch beruht, wird auch als »geometrische« bezeichnet. 31 Ein letzter Punkt – gleichsam als Parergon – soll in diesem Rahmen noch hervorgehoben werden. Er betrifft die sogenannten »streitenden Beweise«. A.F. Hoffmann hatte dieses Thema in seiner Vernunftlehre behandelt;32 Crusius nimmt es, mit Hinweis auf seinen Lehrer, im Weg zur Gewißheit auf;33 von dort könnte es zu Kant gelangt sein. Unter »streitenden« oder »collidirenden Beweisen« versteht Crusius solche, »deren Conclusionen einander widersprechen, und welche gleichwohl durch richtige Schlüsse aus solchen Gründen hergeleitet werden, welche überhaupt, und ohne gewisse auszunehmende Applicationen betrachtet, Wahrheit lehren, und vor wahr anzunehmen sind, und deren Collision, da, wo sie sich ereignet, aus höhern Gründen entschieden werden muß«. 34 3. In Kants Logikvorlesungen finden sich mehrfach Erklärungen des Lexems Beweisgrund. Die frühesten Belege finden sich in Nachschriften zur Logik aus den 1770er Jahren (Logik Blomberg, Logik Philippi). In der Logik Blomberg (Anfang der 1770er Jahre) lesen wir, mit Bezugnahme auf den Paragrafen 191 bei Meier, in einem Beweis seien drei Stücke anzutreffen: 1. Das Beweisthum oder die Materie. Dies entspricht Meiers ›probatio materialiter sumta‹ bzw. der ›ratio probans‹; 2. Der Beweis oder die Konsequenz, oder die Form. Dem entspricht Meiers ›probatio formaliter sumta‹. Kant fügt nun ein drittes Element hinzu, das bei Meier fehlt, aber bei Crusius anzutreffen ist, »die Conclusion, welche aus dem consequens folget«. (V-Lo/Blomberg, AA 24.1: 231) Kommentierend fügt er hinzu, bei einem Beweis untersuche man eigentlich nicht den zu beweisenden Satz, sondern die rationem probandi. Vom Beweis zu unterscheiden ist die Demonstration. Von einer solchen spricht man, wenn der Beweis so beschaffen ist, »daß er jedermann überzeuget, das ist, der Beweis muß nicht vor mich allein, sondern auch vor andere gelten«. (ebd. 234) In der Demonstration reicht demnach nicht, wie es später heißt, bloße Gewissheit, sondern es muss in ihr Evidenz herrschen, so dass man »unmöglich seinen beyfall bey derselben aufschieben kan«. (ebd.) In der Philosophie sind demzufolge (!) »Demonstrationes […] nur sehr selten anzutreffen«. (ebd.)35 Die Logik Philippi (ebenfalls Anfang der 1770er Jahre) ist, was unser Thema betrifft, etwas ausführlicher. Im Unterschied zur Logik Blomberg beginnt Kant 30

Ebd. 929. § 521. Ebd. 930. 32 Vgl. Hoffmann: Vernunft-Lehre [Anm. 19] 2. Theil. 7. Cap. 1028–1074. 33 Crusius: Weg zur Gewißheit [Anm. 18] 954 ff. § 540 ff. 34 Ebd. § 540. 957. 35 Vgl. auch Logik Bauch: Logik-Vorlesung. Unveröffentlichte Nachschriften I. Logik Bauch. Bearb. von Tillmann Pinder. Hamburg 1998. 150. 31

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damit, den »Beweis« zu definieren: Er ist »diejenige Erkenntniß vermittelst welcher die Wahrheit kann erkannt werden«. (V-Lo/Philippi, AA 24.1: 442) Hier taucht nun der Ausdruck Beweisgrund auf: Die Materie des Beweises ist der Beweißgrund oder die unmittelbar gewisse Erkenntniß. Die Form ist die Art der Consequenz wie nemlich die Wahrheit des Satzes aus dem Beweißgrunde folgt. (ebd.)

Die Materie des Beweistums wird als ratio probandi bezeichnet. In dieser Logikvorlesung unterscheidet Kant weiterhin den Beweis von der Demonstration: Wenn die Form des Beweises nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar erkannt werden kann, handelt es sich um einen Beweis, aber nicht um eine Demonstration. (vgl. ebd.) An späterer Stelle kommt Kant auf die Demonstration zu sprechen. Zu Meiers § 197 des Auszugs heißt es: Zur Demonstration wird erfordert die Evidenz, so daß es unmöglich sey seinen Beyfall aufzuschieben. Nur von dem was in die Sinne fällt kann der Beyfall nicht versagt werden. Es giebt demnach wenige Demonstrationes […]. Der Demon­ strirgeist wird durch die Mathematik excolirt. (V-Lo/Philippi, AA 24.1: 445)

Ansonsten enthält die Logik Philippi die gleiche Aufzählung der Elemente des Beweises wie die Logik Blomberg (Materie, Form, Conclusio). Kant fügt in der Logik Philippi als Beispiel einer Conclusio Folgendes an: »Alles was zufällig ist hat eine fremde Ursache; das beweise ich aus der Zufälligkeit. Also ist die Zufälligkeit die Materie. Wie aber daraus fließt daß alles zufällige eine fremde Ursache habe, das ist die Consequenz, die Form.« (V-Lo/Philippi, AA 24.1: 442) Von den Vorlesungen aus den 1780er Jahren wollen wir, für die frühen 1780er Jahre, die Logik Pölitz, die Wiener Logik und, für die späten 1780er Jahre, die Logik Busolt berücksichtigen. In der Logik Pölitz finden sich im Abschnitt »Von Beweisen und zwar von den apodiktischen« folgende weiterführende Bemerkungen: Beweise werden eingeteilt in sogenannte akroamatische, d. h. solche, die diskursiver Natur sind, und mathematische, die intuitiv sind. Drei Elemente finden sich im Beweis vor: »1.) Die Sache die bewiesen werden soll. 2.) der Beweisgrund und 3.) die Consequenz, wie der Saz aus dem Beweisgrund folgt.« (V-Lo/Pölitz, AA 24.2: 561)36 Des Weiteren vermerkt Kant, man könne den Beweisgrund, also die materia probationis kennen, ohne die Form bzw. die Konsequenz zu kennen. (vgl. ebd.) Kant unterscheidet in dieser Vorlesung weiterhin zwischen mathematischem und philosophischem Beweis: »Ein Beweis der der Grund mathematischer Gewisheit ist, heist 36

Vgl. auch Warschauer Logik (Logik-Vorlesung. Unveröffentlichte Nachschriften II. Logik Hechsel, Warschauer Logik. Bearbeitet von Tillmann Pinder. Hamburg 1998. 599).

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demonstration, und ein Beweis der der Grund philosophischer Gewisheit ist, heist acroamatischer Beweis.« (ebd.) Die Wiener Logik enthält die nämliche Aufzählung der Elemente des Beweises (V-Lo/Wiener, AA 24.2: 892), darüber hinaus aber auch eine terminologisch nicht uninteressante Bemerkung bezüglich des Beweisgrundes: »Der Beweisgrund heißt argument. Bisweilen wird auch der Schluß argument genannt. In der philosophie muß man immer den Beweisgrund untersuchen, ob er bey der Erkenntniß möglich sey.« (ebd.) In der Logik Busolt begegnet der Begriff Beweisgrund im Abschnitt über mathematische Gewißheit. (V-Lo/Busolt, AA 24.2: 649 ff.) Der Beweis wird definiert als »deutliche Erkentniß des richtigen Zusammenhangs eines Sazzes mit hinreichenden Gründen«. (ebd. 650) Wiederum finden wir die Aufzählung der drei Elemente, die von einem Beweis erfordert sind, wenngleich in anderer Anordnung: a. Bewiesene Erkenntnis; b. Zusammenhang der Beweisgründe mit der Erkenntnis; c. Gewissheit, die aus diesem Zusammenhang besteht (vgl. ebd. 649). Ein Beweis, der vollkommene oder apodiktische Gewissheit durch die Vernunft enthält, wird als Demonstration bezeichnet. Kant gibt zu bedenken, dass eine solche nur in der Mathematik möglich sei, insofern diese auf apriorischer Intuition fußt. In der Philosophie Demonstrationen aufzeigen zu wollen, wird als »Demonstrirsucht« bezeichnet, ein Begriff, den Kant bei Meier vorgefunden hat. 37 Im Gegensatz zum Beweis, der zu kompletter Gewissheit führt, heißt es, der Beweisgrund sei ein »unkompleter Beweis«. (V-Lo/Busolt, AA 24.2: 650) Die Logik Jäsche, der einzige Text, der zumindest mit Zustimmung von Kant zur Veröffentlichung bestimmt war, geht kurz auf das Thema ein. Im Rahmen des Abschnitts über die »logische Vollkommenheit des Erkenntnisses der Modalität nach« erwähnt Kant kurz, dass die »wesentlichen Stücke eines jeden Beweises überhaupt«, ob mathematischer oder philosophischer Art, die Materie und die Form sind, »oder der Beweisgrund und die Consequenz«. (Logik Jäsche, AA 09: 71) Im Unterschied zu den Ausführungen in den Vorlesungen werden hier nur zwei der drei Elemente des Beweises angeführt. Die hier vorliegende Erklärung ist näher am Meierschen Basistext (probatio materialiter und formaliter sumta). Wir ersehen aus den unterschiedlichen Vorlesungsnachschriften, dass es einesteils eine konstante Interpretation des Beweist[h]ums bzw. des Beweisgrundes gibt als Materie des Beweises, als dasjenige, das die ratio oder die raison – eben den ›Grund warum bzw. woraus erkannt wird‹ – enthält und vom (formalen) Beweis(verfahren) zu unterscheiden ist. Weiterhin zu beachten ist – insbesondere mit Blick auf Kants Einzig mögliche[n] Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes (1762/63) – die Unterscheidung zwischen Beweis und Demonstration, die sich zuerst in 37

Vgl. Meier: Auszug [Anm. 6] § 200.

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der Logik Philippi findet. In diesem Zusammenhang ist Kants späte Bemerkung betreffend Demonstrationen in der Philosophie hervorzuheben, weil sie im Gegensatz steht zu seinen eigenen Bestrebungen in den 1760er Jahren, es in der Metaphysik zu »höchstmögliche[r] metaphysische[r] Gewißheit« (UD, AA 02: 285) zu bringen. Auffallend sind Schwankungen in der Beschreibung von Beweisgrund, insbesondere die Bemerkung in der Logik Busolt, der Beweisgrund sei ein inkompletter Beweis. Es wird sich zudem in der Verwendung des Lexems bei Kant zeigen [vgl. unten], dass dieses auch dem Sinn nach als Beweis gedeutet werden kann. Dies mahnt – gerade mit Blick auf die Beurteilung der Übersetzungen – zu Vorsicht. II.  Kants Verwendungen des Lexems Beweisgrund und die entsprechenden französischen Übersetzungen A.  Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren (1762)

Gesamthäufigkeit: 1 DfS, AA 02: 4920 In der Diskussion des »oberste[n] Grund[es] aller bejahenden Vernunftschlüsse« (DfS, AA 02: 4917 f.), der darin besteht, dass das, »was von einem Begriff allgemein bejaht wird, […] auch von einem jeden bejaht [wird], der unter ihm enthalten ist« (DfS, AA 02: 4918 ff.), gibt Kant zu bedenken, dass dieser keines Beweises fähig ist und den allgemeinen und letzten Grund aller vernünftigen Schlussart enthält. Der Beweisgrund hievon ist klar. Derjenige Begriff, unter welchem andere enthalten sind, ist allemal als ein Merkmal von diesen abgesondert worden; was nun diesem Begriff zukommt, das ist ein Merkmal eines Merkmals, mithin auch ein Merkmal der Sachen selbst, von denen er ist abgesondert worden, d.i. er kommt den niedrigen zu, die unter ihm enthalten sind. (DfS, AA 02: 4920 ff.)

In diesem Rahmen ist der Beweisgrund im Sinn der ratio probandi zu verstehen. Die französische Übersetzung in den Œuvres philosophiques stammt von Jean Ferrari. Das Lexem übersetzt er mit »démonstration« (OP I 180). Dieser Terminus erscheint uns im vorliegenden Zusammenhang unangemessen, wenn man sich auf die Terminologie beruft, die Kant aus Meiers Auszug geläufig war, bzw. die Bedeutung mitberücksichtigt, die sich in der im gleichen Zeitraum entstandenen Beweisgrundschrift vorfindet. Die Argumentation, die Kant anführt, ist keine Demonstration im Sinn eines ausführlichen Beweises. Der Terminus ›raison probante‹ würde sich hier am ehesten empfehlen.

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B.  Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes (1762/veröffentlicht 1763)

Gesamthäufigkeit: 26: BDG, AA 02: 6302 (Titel); 66 09; 6913; 70 03; 8719; 89 01; 9020; 9103; 9121; 108 09; 10812; 11302; 12405; 13435; 14411; 15502 f.; 15506; 15512; 15523; 15611; 15728; 162 07; 16217; 16220; 16224; 16229. Hinzuziehen sind ebenfalls die Verwendungen von Beweist[h]um (Gesamthäufigkeit: 12): AA 02: 6515; 6703; 10724; 11129; 11624; 118 02; 12331; 13134; 132 05 f.; 144 20; 15918; 16302. Im Titel der Schrift (II 6302 und 6304) werden die Lexeme Beweisgrund und Demonstration voneinander unterschieden. Der Titel enthält genau das Programm: den einzig möglichen ›Beweisgrund‹ zu einer ›Demonstration‹ des Daseins Gottes zu eruieren. In der Schrift finden sich umrisshafte – wenngleich nicht immer ein-eindeutige – Anmerkungen zum Begriff Beweisgrund. In der Vorrede gibt Kant zu bedenken, dass im Rahmen »gemeiner Einsichten« für die gesunde Menschenvernunft »genugsam überführende Beweistümer von dem Dasein und den Eigenschaften« (BDG, AA 02: 6515 f.) Gottes vorhanden sind, wenngleich »der subtile Forscher allerwärts die Demonstration und die Abgemessenheit genau bestimmter Begriffe oder regelmäßig verknüpfter Vernunftschlüsse vermißt« (BDG, AA 02: 6516 ff.). Das Lexem Beweistum lässt sich hier im Sinn von Beweisgründen lesen, die überzeugen. Was er selber in der Schrift liefern wolle, ist, wie es der Titel anzeigt, nicht eine derartige vollständige Demonstration, sondern »nur de[n] Beweisgrund zu einer Demonstration, ein mühsam gesammeltes Baugeräth« (BDG, AA 02: 66 08–09). Dem Kenner obliegt es, aus diesem Material »nach den Regeln der Dauerhaftigkeit und der Wohlgereimtheit das Gebäude zu vollführen« (BDG, AA 02: 6611 f.). Dem entspräche die Demonstration; der Beweisgrund liefert sozusagen die Elemente oder die Argumente. So schreibt Kant an späterer Stelle, er begnüge sich bloß, »den Beweisgrund vollständig zu machen«, seine Absicht sei nicht, »eine förmliche Demonstration darzulegen« (BDG, AA 02: 89 01 f.), sondern die Analyse, »dadurch man sich zur förmlichen Lehrverfassung tüchtig machen kann« (BDG, AA 02: 8911 f.). Werden so Beweisgrund und Demonstration unterschieden, so ist die Abgrenzung von Beweisgrund gegenüber Beweis nicht so eindeutig: Im »Beschluss« der ersten Abteilung der Schrift wird darauf hingewiesen, dass der Beweisgrund lediglich darauf erbaut ist, weil etwas möglich ist (BDG, AA 02: 914 f.). Dies ist im engen Sinn das Argument, auf dem er erbaut ist. Kant folgert, er [der Beweisgrund] sei, »ein Beweis, der vollkommen a priori geführt werden kann« (ebd.). Weiter: Aus diesem Beweisgrund erhellet, dass »alle Wesen anderer Dinge und

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das Reale aller Möglichkeit in diesem einigen Wesen gegründet [sind]« (BDG, AA 02: 9121 ff.). Der Beweisgrund ist demnach mehr als bloße ratio probans. Er ist, in seiner Entfaltung betrachtet, probatio. An anderen Stellen lässt sich das Lexem auch im Sinn von Beweis lesen. (vgl. BDG, AA 02: 12405; AA 02: 14411; 15506; 15523.) An einer weiteren Stelle findet sich ein interessanter zusätzlicher Hinweis, in dem der Beweisgrund hinsichtlich seiner beweisenden Kraft thematisiert wird, nämlich der ihm innewohnenden Notwendigkeit, mit der das Dasein Gottes bewiesen werden kann. Eine solche besteht nicht in der bloßen formalen Richtigkeit des Folgerns, sondern in der inhaltlichen Bestimmung der in ihm gebrauchten Begriffe, kraft welcher die Nichtexistenz Gottes undenkbar ist: Es ist […] gezeigt worden, daß der Beweis aus den Eigenschaften der Dinge der Welt auf das Dasein und die Eigenschaften der Gottheit zu schließen einen tüchtigen und sehr schönen Beweisgrund enthalte, nur daß er nimmermehr der Schärfe einer Demonstration fähig ist. Nun bleibt nichts übrig, als daß entweder gar kein strenger Beweis hievon möglich sei, oder daß er auf demjenigen Beweisgrunde beruhen müsse, den wir oben angezeigt haben. Da von der Möglichkeit eines Beweises schlechthin die Rede ist, so wird niemand das erstere behaupten, und die Folge fällt demjenigen gemäß aus, was wir angezeigt haben. Es ist nur ein Gott und nur ein Beweisgrund, durch welchen es möglich ist, sein Dasein mit der Wahrnehmung derjenigen Nothwendigkeit einzusehen, die schlechterdings alles Gegentheil vernichtigt. (BDG, AA 02: 16214 ff.)

Andererseits scheint Kant das Lexem auch in einem weiteren Sinn von Grund zu verstehen. So z. B. ist der zweite Punkt der 7. Betrachtung der 2. Abteilung überschrieben mit: »Gründe für einen mechanischen Ursprung unserer Planetenwelt überhaupt« (BDG, AA 02: 14119 f.). Im Anschluss an diesen Punkt heißt es dann: »Die eben jetzt angeführte Beweisgründe für einen mechanischen Ursprung sind so wichtig […]« (BDG, AA 02: 14411 f.). Hier scheint mit Beweisgrund eher auf Phänomene angespielt zu werden, die zu Schlüssen Anlass geben, ohne dass speziell auf deren strenge Notwendigkeit gepocht wird. Das Lexem Beweist[h]um wird von Kant in der Beweisgrundschrift, wie aus den Kontexten ersichtlich, einerseits in der Meierschen Bedeutung der ratio probans, andererseits in der Bedeutung von Beweis verwendet: So etwa, wenn Kant davon spricht, er habe »öfters nur Beweisthümer angeführt« (BDG, AA 02: 6703), dann sind wohl damit rationes probandi gemeint (vgl. BDG, AA 02: 10724; 11624; 118 02; 13134; 15918); andererseits aber lässt sich das Lexem auch im Sinn von Beweis lesen, so wenn es heißt, es gebe innerhalb der Schranken gemeiner Einsichten »genugsam überführende Beweistümer von dem Dasein und den Eigenschaften« (BDG, AA 02: 6514 ff.) Gottes. Im Zusammenhang mit Newtons Demonstrationen ist die Rede von seinen »sichere[n] und überzeugende[n] Beweisthümern« (BDG,

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AA 02: 144 20). In den Schlusssätzen der Schrift wird Beweisthum dann auch im Sinn von Beweisgrund verwendet (BDG, AA 02: 16302). Man könnte all dem noch einen allgemeineren Sinn hinzufügen, nämlich den von Beleg für (etwa BDG, AA 02: 132 05 f.). Die französische Übersetzung der Beweisgrundschrift in den Œuvres philosophiques I stammt von Sylvain Zac. 38 Der Titel wird – offenbar in Anlehnung an eine Vorgängerübersetzung – mit L’unique fondement possible d’une démonstration de l’existence de Dieu39 übersetzt. In der Übersetzung von Sylvain Zac lässt sich hinsichtlich des Lexems eine Differenzierungsabsicht erkennen, Beweisgrund nicht anhand eines einzigen Begriffs zu übertragen. Es ergeben sich folgende Konstellationen: – Im Zusammenhang mit Demonstration wird Beweisgrund mit ›fondement’ übersetzt: AA 02: 6302 // OP I 317; AA 02: 66 09 // OP I 318; AA 02: 70 03 // OP I 323; AA 02: 8719 // OP I 345; AA 02: 15502 // OP I 427; AA 02: 16207 // OP I 434. – An einer Stelle wird Beweisgrund unabhängig von Demonstration mit ›fondement‹ übersetzt: AA 02: 9020 // OP I 348. – Weitere Übersetzungen von Beweisgrund sind: ›fondement de la preuve‹, ›fondement de preuve‹; ›fondement d’une preuve‹, ›fondement des preuves‹: AA 02: 89 01 // OP I 346; AA 02: 9103 // OP I 349; AA 02: 9121 // OP I 349; AA 02: 15512 // OP I 427; AA 02: 15523 // OP I 427; AA 02: 15611 // OP I 428; AA 02: 16224 // OP I 434. – Beweisgrund wird lediglich mit ›preuve‹ übersetzt: AA 02: 108 09 // OP I 370; AA 02: 10812/OP I 370; AA 02: 11302 // OP I 376; AA 02: 12405 // OP I 389; AA 02: 13435 // OP I 402; AA 02: 15506 // OP I 427; AA 02: 15728 // OP I 429; AA 02: 16229 // OP I 435. – An einer Stelle übersetzt Zac Beweisgrund mit ›argument‹: AA 02: 14411 // OP I 414. Im Jahr 2001 hat der Verfasser dieses Beitrags eine neue Übersetzung der Beweisgrundschrift unter dem Titel L’unique argument possible pour une démonstration de l’existence de Dieu 40 vorgelegt. Er übersetzt Beweisgrund indifferent mit ›argument‹. In einer Notiz in seiner im Jahr 2013 erschienenen Übersetzung der Fortschritte der Metaphysik 41 schlägt Antoine Grandjean eine neue Übersetzung des Titels

38

Vgl. OP I. 317–435. Diese Übersetzung stammt von Paul Festugière und erschien zusammen mit anderen Texten von Kant in zweiter Auflage im Verlag Joseph Vrin, Paris, im Jahr 1963. 40 Kant: L’unique argument possible pour une démonstration de l’existence de Dieu. Übers., eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Robert Theis. Paris 2001. 41 Kant: Les progrès de la métaphysique. Übers. und hg. von Antoine Grandjean. Paris 2013. 39

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vor: L’unique raison probante possible pour une démonstration de l’existence de Dieu. 42 Auch was die Übertragung des Lexems Beweist[h]um betrifft, finden wir in Sylvain Zacs Übersetzung zwei verschiedene Begriffe: ›preuve‹ (AA 02: 6515 // OP I 317; AA 02: 10724 // OP I 369; AA 02: 11624 // OP I 380; AA 02: 12331 // OP I 389; AA 02: 13134 // OP I 399; AA 02: 132 05 // OP I 399; AA 02: 144 20 // OP I 414; AA 02: 16302 // OP I 435) und ›argument‹ (AA 02: 6703 // OP I 319; AA 02: 11129 // OP I 374; AA 02: 118 02 // OP I 382; AA 02: 15918 // OP I 431). Mit einer Ausnahme (AA 02:15918: hier: ›preuve‹ statt ›argument‹) übersetzt Vf. [Robert Theis] Beweist[h]um so wie Sylvain Zac. Eine erste Bemerkung betrifft Zacs Übersetzung von Beweisgrund mit ›fondement‹. Fondement bedeutet Grundlage, dann auch Prinzip, Grund. Die Übersetzung von Beweisgrund mit ›fondement‹ gibt den Terminus Beweisgrund nur unzureichend wieder; die Nuance der probatio geht dabei verloren. ›Fondement de preuve‹ ist eine Verlegenheitsübersetzung. Diese Bemerkung gilt im Übrigen auch für weitere Vorkommen des Lexems in anderen Übersetzungen anderer Schriften. Zacs Differenzierungen in der Übersetzung von Beweisgrund sind im Prinzip nachvollziehbar. Zu überprüfen wären jene Stellen, in denen das Lexem mit ›preuve‹ übersetzt wird. An zwei Stellen (AA 02: 15611 und 15728 bzw. 16224 und 16229) kommt es indes zu inkonsequenter Übertragung, die vielleicht stilistisch bedingt war. Was die Übersetzung des Vf. [Robert Theis] betrifft, so ist zunächst zu bemerken, dass sie sich im Titel genauer an den Duktus der kantischen Formulierung hält: Unique argument possible pour une démonstration de l’existence de Dieu. Der Entschluss, Beweisgrund mit ›argument‹ zu übersetzen, ist ­einerseits hergeleitet auf der – allerdings textlich schmalen – Grundlage in AA 02: 15919 , einer Bemerkung aus der späteren Wiener Logik 43 sowie auf der Grundlage des Gedankengangs in der Kritik der Urteilskraft 44 , andererseits aufgrund der lateinischen Übersetzung der Schrift von Friedrich Gottlob Born unter dem Titel Argumentum quo, deum esse, uno potest evinci. 45 Mit Argument wird das diskursive Potenzial angezeigt, wodurch die ratio probans dargelegt wird (vgl. AA 02: 15919). Als »retractatio« im augustinischen Sinn, »velut censoris stilo«, 46 ist zur Übersetzung des Verfassers zu sagen, dass es in einigen Fällen ratsam gewesen wäre, 42

an.

Ebd. 262. Grandjean führt lediglich diesen Titel in der Auflistung der Werke von Kant

43

Vgl. V-Lo/Wiener, AA. 24.2: 892. KU, AA 05: 476 34–37. 45 Erschienen in Immanuelis Kantii Opera ad Philosophiam Criticam. Bd. IV. Leipzig 1798. 428 ff. 46 Aurelius Augustinus: Retractationes libri duo. Prologus 1. 44

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das Lexem in Klammern im französischen Text anzuführen und u.U. einen anderen französischen Terminus zu wählen. Die von Grandjean vorgeschlagene Übersetzung des Titels der Beweisgrundschrift entspricht am ehesten der Idee von Beweisgrund, so wie sie in den Logikvorlesungen erkennbar ist. Freilich handelt es sich im vorliegenden Fall lediglich um die Übersetzung des Titels der Schrift. C.  Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral (1763/veröffentlicht 1764)

Gesamthäufigkeit: 2 UD, AA 02: 28827; 29534 f. Die Fragestellung der vorliegenden Schrift betrifft die »höchstmögliche Gewißheit« in der Metaphysik. Die zweite Betrachtung, in der sich das Lexem zum ersten Mal vorfindet, handelt von der »einzige[n] Methode, zur höchstmöglichen Gewißheit in der Metaphysik zu gelangen« (UD, AA 02: 28311 f.). In diesem Rahmen führt Kant ein Beispiel an, an dem das Fehlerhafte der Argumente der traditionellen Metaphysik aufgewiesen werden soll. Dieses betrifft das Problem der Anziehung der Körper in der Entfernung, die bei Newton und bei den Newtonianern behauptet wird. Dagegen lauten die »Beweisgründe der Metaphysiker« (UD, AA 02: 28827) wie folgt: »Zuvörderst erscheint die Definition: Die unmittelbare gegenseitige Gegenwart zweier Körper ist die Berührung. Hieraus folgt: wenn zwei Körper ineinander unmittelbar wirken, so berühren sie einander. Dinge, die sich berühren, sind nicht entfernt. Mithin wirken zwei Körper niemals in der Entfernung unmittelbar in einander u.s.w.« (UD, AA 02: 28827 ff.) Dazu heißt es lapidar: »Die Definition ist erschlichen.« (UD, AA 02: 28832 f.) Das zweite Auftreten des Lexems findet sich in der dritten Betrachtung, die »Von der Natur der metaphysischen Gewißheit« (UD, AA 02: 29028) handelt. In diesem Rahmen diskutiert Kant die These von Crusius, gemäß der die »oberste Regel aller Gewißheit« (UD, AA 02: 29524) darin besteht, dass das, was ich nicht anders als wahr denken kann, auch wahr ist. Kant gibt zu bedenken, dass auf diese Art Gewissheit ein Gefühl der Überzeugung angesichts unerweislicher Erkenntnisse ist und demnach eher einem Geständnis entspricht, »aber nicht ein Beweisgrund davon [ist], daß sie wahr sind« (UD, AA 02: 29534 f.). In der ersten Verwendung des Lexems wird hier ein formgerechter Beweis als Beweisgrund angeführt. Die französische Übersetzung in den Œuvres philosophiques I stammt von Jean Ferrari. Die Stelle AA 02: 28827 übersetzt dieser mit ›arguments‹ (OP I 232); die zweite Stelle (AA 02: 29534) mit ›raison probante‹ (OP I 242). Hervor­ hebenswert ist, dass Ferrari den terminus technicus ›raison probante‹ kennt, der

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genauestens dem entspricht, was Kant mit Beweisgrund meint. Er hätte ohne Schwierigkeiten an beiden Stellen verwendet werden können. D.  Kritik der reinen Vernunft (Auflage B)

Gesamthäufigkeit: 32 KrV B XXXIII = AA 03: 2028 ; B XXXVII = AA 03: 2229 ; B XLII = AA 03: 2510 ; B 72 = AA 03: 7303; B 144 = AA 03: 11531 ; B 246 = AA 03: 174 27 ; B 409 = AA 03: 26832 ; B 426 = AA 03: 27729; B 467 = AA 03: 30504; B 487 = AA 03: 31720; B 529 = AA 03: 34435 f.; B 611 = AA 03: 39212; B 615 = AA 03: 39433; B 633 = AA 03: 40508; B 634 = AA 03: 406 01; B 648 = AA 03: 41331; B 652 = AA 03: 41536; B 653 = AA 03: 41619; B 655 = AA 03: 41727; B 657 = AA 03: 41829; B 666 = AA 03: 42416; B 762 = AA 03: 48118; B 765 = AA 03: 48316; B 769 = AA 03: 48534; B 777 = AA 03: 49012 f.; B 782 = AA 03: 49317 f.; B 804 = AA 03: 506 02 und 50614 f.; B 815 = AA 03: 51232; B 816 = AA 03: 51305 und 51313; B 822 = AA 03: 51618. Das Lexem wird in der Kritik der reinen Vernunft vornehmlich in der engen Bedeutung von ratio probans verwendet: In B XXXVII spricht Kant davon, dass er in den Sätzen und ihren Beweisgründen für die zweite Auflage des Werks nichts geändert hat. Vgl. auch B XLII; B 409 (»eine Folge aus dem nämlichen Beweisgrunde«); B 487 (»Es zeigt sich […] in dieser Antinomie ein seltsamer Contrast: daß nämlich aus eben demselben Beweisgrunde, woraus in der Thesis das Dasein eines Urwesens geschlossen wurde, in der Antithesis das Nichtsein desselben […] geschlossen wird«); B 611; B 633; B 634 (»der empirische Beweisgrund«); B 648; B 652; B 655; B 657; B 762 (»empirische Beweisgründe«); B 765; B 769; B 777; B 782; B 804. In B 144 findet sich eine interessante Formulierung: Kant spricht hier vom Beweisgrund, der »auf der vorgestellten Einheit der Anschauung« beruht. Es wird hier die Grundlage des Beweisgrundes selber hervorgehoben. Ähnlich B 246: »Der Beweisgrund dieses Satzes […] beruht […] auf folgenden Momenten […]«. B 815 unterscheidet klar Beweisgrund von Beweis: »Der Beweisgrund kann nur ein einziger sein […], der Beweis [ist] also nichts weiter als die Bestimmung eines Gegenstandes überhaupt nach diesem Begriffe […].« Ebenso in B 822: »Ein jeder muß seine Sache vermittelst eines durch transscendentale Deduction der Beweisgründe geführten rechtlichen Beweises, d. i. direct, führen.« In B 653 spricht Kant allerdings vom ontologischen Beweis – in Anlehnung an den Titel der Beweisgrundschrift als dem »einzig möglichen Beweisgrund«. Die Formulierung – allerdings nicht mit Bezug auf den ontologischen Beweis – findet sich in B 816 wieder. Die Übersetzung der KrV in den Œuvres philosophiques I stammt von Alexandre J.-L. Delamarre und François Marty. Der erste Teil (bis B 349) ist eine Neu-

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übersetzung von F. Marty; der zweite Teil ist auf der Grundlage der Vorlage von Jules Barni (1869) übertragen worden. Das Übersetzungsspektrum von Beweisgrund erstreckt sich in der Übersetzung Marty/Delamarre über ›preuve‹ (B XXXIII; B XXXVII; B XLII; B 72; 144; 246; 467; 611; 666), ›fondement de preuve‹ (B 634; 648; 653; 655; 657; 762; 765) bis zu ›argument‹ (B 409; 426; 487; 529; 615; 633; 652; 769; 777; 782; 804; 815; 816; 822). 1997 (22001) hat Alain Renaut eine neue Übersetzung der KrV vorgelegt. 47 In dieser finden sich zudem ›argumentation‹ (B XXXVII), ›argument probant‹ (B 648), ›principe de preuve‹ (B 653; 655; 657) sowie ›démonstration‹ (B XLII; 633). Auffallend ist, angesichts des eruierten Sachverhalts im Originaltext, die inkonsequente Übertragung des Lexems in beiden Übersetzungen. In den meisten Fällen ist das Wort ›preuve‹ zu stark, da es dem Beweis entspricht, nicht hingegen dem/den Beweisgrund/-gründen; ›argument‹ hingegen lässt sich rechtfertigen, wenngleich nicht immer klar ist, ob hier nicht mit ›argument‹ die Bedeutung von ›preuve‹ gemeint ist – Renaut übersetzt in B 633 Beweisgrund gar mit ›démon­ stration‹, was fehl am Platz ist (genauso wie übrigens in B XLII). Inkonsequent übersetzt wird bei Marty/Delamarre Beweisgrund einmal mit ›fondement empirique de la preuve‹ (empirischer Beweisgrund) (B 634) und dann später B 652 mit ›arguments purement empiriques‹ sowie B 657 ›arguments qui s’appuient sur des fondements de preuve empiriques‹ (siehe auch B 762). Inkonsequent ist Re­ naut, der in B 652 von ›arguments empiriques‹ (ebenso in B 762) spricht, in B 657 dann von ›principes de preuve empiriques‹. Hervorhebenswert, da dem Sinn von Beweisgrund nahekommend, ist allerdings Renauts Übersetzung in B 648 mit ›argument probant‹. Diskutierenswert ist B 611: »Von den Beweisgründen der speculativen Vernunft, auf das Dasein eines höchsten Wesens zu schließen.« Beide Übersetzungen übertragen Beweisgrund hier mit ›preuves‹. Dies scheint uns unangemessen! In der Tat handelt Kant hier zunächst von Gründen der Gottesbeweise, nicht von Beweisen. Gegen Ende dieser einleitenden Textpassage in die Problematik der Kritik der Gottesbeweise spricht er abschließend davon, dass, ausgehend von diesen Beweisgründen, nur »drei Beweisarten vom Dasein Gottes aus speculativer Vernunft möglich« (B 618) sind, was in der Übersetzung Marty/Delamarre mit ›manières de prouver‹, in derjenigen von Renaut mit ›types de preuves‹ wiedergegeben wird. Hier ist ungenügend differenziert.

47

Kant: Critique de la raison pure. Übers. und hg. von Alain Renaut. Paris 2001.

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Beweisgrund in neueren französischen Kantübersetzungen

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E.  Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können (1783)

Gesamthäufigkeit: 3 Prol, AA 04: 30818; 35620; 376 09 In Prol, AA 04: 30818 f. ist die Rede davon, dass man auf den Beweisgrund achten muss, der die Möglichkeit einer Erkenntnis a priori entdeckt. In Prol, AA 04: 35620 diskutiert Kant Humes Kritik am Deismus und am Theismus: Erstere trifft wohl die Beweisthümer, d. h. die Beweisgründe, aber nie »den Satz der deistischen Behauptung selbst« (Prol, AA 04: 356 08 f.). Was nun Humes Angriffe auf den Theismus betrifft, so sind seine Angriffe gefährlicher. Während er vorher nur die »Beweisgründe des Deismus gestürmt hatte« (Prol, AA 04: 35620), betrifft die Kritik am Theismus den Anthropomorphismus. In Prol, AA 04: 376 09 f. spricht Kant im Rahmen seiner Stellungnahme zur Rezension der KrV in den Göttingische[n] Gelehrte[n] Anzeigen von 1782 davon, dass der Rezensent eine Menge von Sätzen aus »dem Zusammenhange mit ihren Beweisgründen und Erläuterungen gerissen« habe. In den drei Fällen ist das Lexem Beweisgrund im Sinn von ratio probans zu deuten, nicht hingegen von Beweis. In der französischen Übersetzung von Jacques Rivelaygue in den Œuvres philosophiques II finden sich gleich drei verschiedene Varianten für das Lexem: AA 04: 30818 (OP II 82) wird mit ›argument‹; AA 04: 35620 (OP II 141) mit ›preuves du déisme‹; AA 04: 376 09 (OP II 164) gar mit ›démonstrations‹ übersetzt. Lässt sich ›argument‹ rechtfertigen, so überdehnt die Übersetzung des Lexems mit ›preuve‹ bzw. mit ›démonstration‹ die Bedeutung, die Beweisgrund bei Kant hat. F.  Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaften (1786)

Gesamthäufigkeit: 2 MAN, AA 04: 48415; 52626 Das erste Auftreten des Lexems findet sich im Rahmen der Diskussion der Bewegung eines Dinges. In einer Anmerkung (Anm. 3) behandelt Kant die Frage nach der Richtung der Kreisbewegung. Der Unterschied, so seine These, lässt sich zwar in der Anschauung geben, kann aber nicht auf Begriffe gebracht werden. Insofern gibt er »einen guten bestätigenden Beweisgrund zu dem Satze […]: daß der Raum überhaupt nicht zu den Eigenschaften oder Verhältnissen der Dinge an sich selbst, […], sondern blos zu der subjectiven Form unserer sinnlichen Anschauung von Dingen oder Verhältnissen […] gehöre.« (MAN, AA 04: 48414 ff.) Das zweite Auftreten des Lexems findet sich im Kontext der Behandlung der Dynamik. In der »Allgemeine[n] Anmerkung zur Dynamik« (MAN, AA 04:

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523 ff.) bespricht Kant das Problem der »Anziehung, so fern sie blos als in der Berührung wirksam gedacht wird« (MAN, AA 04: 52612 f.). Diese heißt »Zusammenhang« (ebd.). Darunter ist eine allgemeine Eigenschaft der Materie zu verstehen; diese Allgemeinheit muss aber disjunktiv verstanden werden. Die Anziehung ist nicht durchdringend, sondern flächenhaft, »wie es verschiedene Beweisgründe darthun können« (MAN, AA 04: 52625 f.). Die französische Übersetzung in den Œuvres philosophiques II stammt von François de Gandt. Die erste Verwendung des Lexems übersetzt de Gandt mit ›une bonne preuve à l’appui de la thèse‹ (OP II 383); die zweite wird mit ›arguments‹ übersetzt (OP II 442). Im ersten Fall ist ›preuve‹ zu stark; Kant spricht von einem »bestätigenden Beweisgrund zu dem Satz« [Kursivierung R.T.], nicht hingegen vom Beweis des Satzes. Die zweite Übersetzung ist angemessen. 2017 erschien eine neue Übersetzung der Metaphysische[n] Anfangsgründe von Arnaud Pelletier. 48 Pelletier übersetzt – konsequent – an beiden Stellen das Lexem mit ›argument‹ (87 und 166), das dem Sinn von Beweisgrund nahekommt. G.  Kritik der praktischen Vernunft (1788)

Gesamthäufigkeit: 1 KpV, AA 05: 4707 Das Lexem findet sich im Zusammenhang der Diskussion um die Möglichkeit einer Deduktion der objektiven Gültigkeit des obersten Grundsatzes der praktischen Vernunft. Hier kann nicht, im Gegensatz zum theoretischen Gebrauch der Vernunft, auf Erfahrung rekurriert werden. »Denn was den Beweisgrund seiner Wirklichkeit von der Erfahrung herzuholen bedarf, muß den Gründen seiner Möglichkeit nach von Erfahrungsprincipien abhängig sein, für dergleichen aber reine und doch praktische Vernunft schon ihres Begriffs wegen unmöglich gehalten werden kann.« (KpV, AA 05: 4707 f.) Die französische Übersetzung von Luc Ferry und Heinz Wismann in den Œuvres philosophiques II verwendet diesbezüglich den Terminus ›preuve‹ (OP II 664), setzt also Beweisgrund mit Beweis gleich. Dies ist, außer der bereits erwähnten Überdehnung, auch inkonsistent, da Kant einige Zeilen vorher (KpV, AA 05: 4706) von Beweisen spricht und offensichtlich Beweis von Beweisgrund unterscheidet. Jean-Pierre Fussler49 übersetzt Beweisgrund traditionell mit ›fondement de la preuve‹ (148). 48

Kant: Principes métaphysiques de la science de la nature. Übers. und hg. von Arnaud Pelletier. Paris 2017. 49 Kant: Critique de la raison pratique. Übers. und hg. von Jean-Pierre Fussler. Paris 2003.

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Beweisgrund in neueren französischen Kantübersetzungen

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H.  Kritik der Urteilskraft (1790)

Gesamthäufigkeit des Lexems: 31 KU, AA 05: 28120; 28403; 28417; 284 22; 28435; 28532; 28535; 30430; 33818; 399 01; 43811; 43823; 44436; 44717; 458 06; 46119; 46315; 46320; 46526; 466 06; 47419; 476 37; 47728; 47730; 47736; 478 06; 47813; 47826; 47922; 480 01; 48211 f.. In der Kritik der Urteilskraft findet sich bei den meisten Verwendungen des Lexems die Bedeutung von materia probationis oder ratio probandi: AA 05: 28120; 28403; 28417 (»hinreichender Beweisgrund«); 284 22; 28435; 28532; 28535 (»Kraft der Beweisgründe«); 30430; 33818; 39835 ff. (»Die Naturdinge, die wir nur als Zwecke möglich finden, [machen] den vornehmsten Beweis für die Zufälligkeit des Weltganzen aus und sind der einzige für den gemeinen Verstand eben sowohl als den Philosophen geltende Beweisgrund der Abhängigkeit und des Ursprungs dessel­ ben« von einem außerweltlichen verständigen Wesen«); 43823 (»den Mangel dessen, was Beweisgründe leisten, durch willkürliche Zusätze [zu] ergänzen«); auch 44436; 44717 (die physische Teleologie gibt einen hinreichenden Beweisgrund an die Hand, »das Dasein einer verständigen Weltursache anzunehmen«); 458 06 (der moralische Beweis ist nur ein neu erörterter Beweisgrund); 46119; 46315; 46526 (»Beweisgründe, von denen wir ausgehen«); 466 06; 47419; 476 37 (Das aus der physischen Teleologie genommene »Argument« [476 34] ist verehrungswürdig. Reimarus hat »diesen Beweisgrund mit der ihm eigenen Gründlichkeit und Klarheit weitläuftig aus[ge]führt«); 47728; 47729 ff. (»[…] es mischt sich unvermerkt der jedem Menschen beiwohnende und ihn so innigst bewegende moralische Beweisgrund in den Schluß mit ein«); 47736; 478 04 ff. (»[…] die moralische Beziehung auf Zwecke und die Idee eines eben solchen Gesetzgebers und Welturhebers, als theologischer Begriff, ob er zwar reine Zugabe ist, [scheint] sich dennoch aus jenem Beweisgrunde von selbst zu entwickeln«); 47922 f.; (»Wenn der physisch-teleologische Beweisgrund zu dem gesuchten Beweise zureichte […]«); AA 05: 480 01; 48211 f.. Eine interessante Differenzierung findet sich in KU, AA 05: 47813: Der moralische Beweisgrund ergänzt nicht bloß den physisch-teleologischen, sondern ist ein »besonderer Beweis«. Eine weitere – als Parergon – hervorhebenswerte Formulierung findet sich in KU, AA 05: 43811, wo Kant von »widerstreitenden Beweisgründen« spricht. Vielleicht ist dies eine Anspielung auf Crusius’ Lehre von den collidierenden Beweisen? Die französische Übersetzung der KU in den Œuvres philosophiques II stammt von Jean-René Ladmiral, Marc B. de Launay und Jean-Marie Vaysse. Das Übersetzungsspektrum des Lexems ist sehr breit: ›raison probante‹ (AA 05: 28120 // OP II 1057), ›argument(s) probant(s)‹ (AA 05: 284; 28532; 30430 // OP II 1060; 1061; 1086); ›unique argument de fond valable‹ (AA 05: 399 01 // OP II 1195) ›argument physico-téléologique‹ (AA 05: 44436 // OP II 1250). Häufiger tritt ›fondement(s) de preuve‹ auf: AA 05: 33818 // OP II 1126; AA 05: 43811 // OP II

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1242; AA 05: 44717 // OP II 1253; AA 05: 458 06 // OP II 1266; AA 05: 46119 // OP II 1270; AA 05: 46319 // OP II 1272; AA 05: 46526 // OP II 1275; AA 05: 466 06 // OP II 1275; AA 05: 47419 // OP II 1285; usw.; ›fonder des preuves‹ (AA 05: 43823 // OP II 1242); AA 05: 47813 (der moralische Beweisgrund ergänzt »nicht etwa bloß den physisch-teleologischen«) wird im Sinn von ›preuve‹ interpretiert (OP II 1290). Die Übertragung ist möglicherweise von den Übersetzern nicht auf Einheitlichkeit hin abgestimmt worden. Ab KU, AA 05: 447 findet sich ausschließlich ›fondement de preuve‹, ›unique argument de fond‹ (AA 05: 399 01 // OP II 1195) ist ein Übersetzungs-hapax. 1993 erschien eine neue Übersetzung der KU von Alexis Philonenko.50 Auch in dieser findet sich ein breites Übersetzungsspektrum des Lexems: ›raisons probantes‹ (AA 05: 28120 // 169); ›raisons démonstratives‹ (AA 05: 284 // 173 und 174; AA 05: 30430 // 201; AA 05: 33818 // 244); ›argument‹ (AA 05: 285 // 175; AA 05: 43811 // 388; AA 05: 458 06 // 416; AA 05: 46119 // 420; AA 05: 463 // 424 und 425; AA 05: 466 06 // 427; AA 05: 47922 und 480 01 // 447); ›preuve‹ (AA 05: 399 01 // 333); AA 05: 43823 // 389; AA 05: 44436 // 398; AA 05: 44717 // 401; AA 05: 46526 // 427; AA 05: 47419 // 439; AA 05: 476 37 // 443; AA 05: 477 // 444; AA 05: 478 // 445; AA 05: 48211 f. // 450). Es ist zu dieser Übersetzung zu bemerken, dass in vielen Fällen nicht genügend zwischen Beweisgrund und Beweis unterschieden wird. Inkonsequent ist die Übersetzung in KU, AA 05: 44717 // 401, wo im Titel des § 87 vom moralischen Beweise des Daseins Gottes die Rede ist (›preuve morale‹), zwei Zeilen weiter von der physischen Teleologie, die einen hinreichenden Beweisgrund für die reflektierende Urteilskraft abgibt, was Philonenko dann ebenfalls mit ›preuve suffisante‹ (401) übersetzt. In der Übersetzung von Alain Renaut 51 wird Beweisgrund häufig (27 Mal) mit ›argument‹ wiedergegeben. Renaut ergänzt ›argument(s)‹ dann aber auch mit ›démonstratif(s)‹ und fügt damit dem Lexem eine Bedeutungserweiterung zu, die sich nicht aufdrängt (AA 05: 28120 // 265; AA 05: 284 // 268 und 269; AA 05: 285 // 271; AA 05: 46119 // 461). Die Stellen AA 05: 30430 // 290 und AA 05: 33818 // 326 werden mit ›raisons démonstratives‹ übersetzt; hier drängt sich das ›démonstratif‹ nicht auf. Eine Stelle (AA 05: 399 01 // 393) wird mit ›raison probante‹ übersetzt, wobei man sich fragt, warum der Übersetzer diese ihm offensichtlich bekannte Formel nicht generell benutzt.

50 Kant: Critique de la faculté de juger. Übers. und eingeleitet von Alexis Philonenko. Paris 1993 (22000). 51 Kant: Critique de la faculté de juger. Übers. und hg. von Alain Renaut. Aktualisierte Bibliographie (2015) und Chronologie von Alain Renaut. Paris 2015 [11995].

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Beweisgrund in neueren französischen Kantübersetzungen

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Erstaunlich und nicht nachvollziehbar ist die Übersetzung in AA 05: 47419 // 475 durch ›élément de preuve […]‹. Inkonsequent sind AA 05: 284 22 // 268, wo empirischer Beweisgrund mit ›argument démonstratif empirique‹, und AA 05: 466 06, wo es mit ›argument purement empirique‹ übersetzt wird. I.  Über eine Entdeckung, nach der alle Kritik der reinen Vernunft durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll (1790)

Gesamthäufigkeit: 2 ÜE, AA 08: 19025; 23719 Gegen Johann August Eberhards These, es sei unnötig, sich in der Metaphysik auf die Frage der objektiven Realität der Begriffe einzulassen, wie dies ja auch in der Mathematik nicht der Fall ist, gibt Kant ironisch zu verstehen, man solle sich »ja nicht auf Beweisgründe aus Wissenschaften, die man nicht versteht […] berufen« (ÜE, AA 08: 19025 f.). Das zweite Vorkommen des Lexems tritt im Rahmen der Diskussion über synthetisch apriorische Sätze in der Metaphysik auf. Als metaphysisches von Eberhard angeführtes Beispiel steht der Satz »›Alle endliche Dinge sind veränderlich, und: das unendliche Ding ist unveränderlich.‹« (ÜE, AA 08: 23537 f.), und zwar mit dem Zusatz: »wenn die Metaphysik einen solchen Satz bewiese« (ÜE, AA 08: 23536). Es ist genau dieser Zusatz, auf den Kant anspielt, wenn er schreibt, er habe »den Beweisgrund […] sofort mit angezeigt« (ÜE, AA 08: 23729 f.), um das darin Täuschende aufzuzeigen. Die Übersetzung in den Œuvres philosophiques II stammt von Alexandre J.-L. Delamarre. Die Übertragung von Beweisgrund mit ›fondement(s) de preuve‹ (OP II 1313; 1372) respektiert wohl die Nuance des Lexems und ist auf jeden Fall dem einfachen ›fondement‹ vorzuziehen. Jocelyn Benoist hat 1999 eine neue Übersetzung der Schrift herausgegeben: Réponse à Eberhard.52 Die beiden Verwendungen des Lexems werden mit ›fondement(s) de preuve‹ (92 und 138) wiedergegeben. Bei der Übersetzung von AA 08: 23719 // 138 fügt der Übersetzer – dies sei ausdrücklich hervorgehoben – das Lexem Beweisgrund in Klammern hinzu. Unklar ist, warum er dies nicht ebenso beim ersten Auftreten des Lexems getan hat.

52

Kant: Réponse à Eberhard. Übers., eingeleitet und hg. von Jocelyn Benoist. Paris 1999.

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J.  Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft (1793)

Gesamthäufigkeit: 2 RGV, AA 06: 16414 f.; 18720 f. Im Rahmen der Diskussion über die christliche Religion als gelehrte Religion (RGV, AA 06: 16308 ff.) im vierten Stück der Schrift stellt Kant die These auf, der christliche Glaube als gelehrter Glaube stütze sich auf Geschichte und sei insofern »nicht ein an sich freier und von Einsicht hinlänglicher theoretischer Beweisgründe abgeleiteter Glaube« (RGV, AA 06: 16414 f.). Das zweite Vorkommen begegnet ebenfalls im vierten Stück: Die Frage ist die, ob Geistliche auf der Grundlage eines positiven Offenbarungsgesetzes den Gläubigen eine an sich erlaubte Handlung als Glaubensartikel auferlegen dürfen. Kant sieht dies als Nötigung, »[d]a die Überzeugung keine andere als historische Beweisgründe für sich hat […]«. (RGV, AA 06: 18720 f.) In den Œuvres philosophiques III stammt die französische Übersetzung von Alexis Philonenko. Dieser übersetzt die Stelle RGV, AA 06: 16414 f. mit ›preuves théoriques suffisantes‹ (OP III 196); das zweite Vorkommen wird mit ›fondements historiques‹ (OP III 225) wiedergegeben. Ist erstere Übersetzung von Beweisgrund zu stark – es handelt sich um hinlängliche theoretische Beweisgründe, aus denen der Glaube abgeleitet wird –, so letztere zu schwach, da hier das BeweisElement verloren geht. Von der Religionsschrift gibt es zwei neuere Übersetzungen: Die erste stammt von Laurent Gallois.53 Die erste Stelle übersetzt Gallois, genauso wie Philonenko, mit ›preuves théoriques suffisantes‹ (168); die zweite mit ›arguments historiques‹ (191). Zur ersten Übersetzung ist die gleiche Bemerkung zu machen wie vorhin; die zweite hingegen erscheint uns angemessen. Eine von Alain Renaut stammende Übersetzung der Religionsschrift erschien 2016.54 Renaut übersetzt die Stelle in RGV, AA 06: 164 mit ›arguments théoriques suffisants‹ (224). Das zweite Vorkommen in AA 06: 18720 f. wird mit ›preuves historiques‹ übersetzt (254). Ist erstere Übertragung nachvollziehbar, so letztere nicht: Die Überzeugung hat nur historische Beweisgründe für sich, nicht historische Beweise. Hier hätte u. E. durchaus auch ›argument‹ nahegelegen, wie Gallois übersetzt.

53 Kant: La religion dans les limites de la simple raison. Übers. und hg. von Laurent Gallois. Paris 2015. 54 Kant: La religion dans les limites de la seule raison. Übers. und hg. von Alain Renaut. Paris 2016.

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Beweisgrund in neueren französischen Kantübersetzungen

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K.  Metaphysik der Sitten (1797)

Gesamthäufigkeit: 2 MS, AA 06: 304 23 (Rechtslehre); 42523 f. (Tugendlehre) In dem Abschnitt der Rechtslehre, wo das Lexem auftaucht (MS, AA 06: 303 ff.), geht es um die Frage der Eidesablegung: Für die Rechtsprechung ist es unentbehrlich, dass der Schwörende sich zu einer unsichtbaren Macht bekennt. Ein Gesetz, das hiezu verbindet, ist also offenbar nur zum Behuf der richtenden Gewalt gegeben. Aber nun ist die Frage: worauf gründet man die Verbindlichkeit, die jemand vor Gericht haben soll, eines Anderen Eid als zu Recht gültigen Beweisgrund der Wahrheit seines Vorgebens anzunehmen […]? (MS, AA 06: 30419 ff.)

Kant vertritt die Meinung, letzten Endes handle die gesetzgebende Gewalt unrecht, weil ein Zwang zu Eidesleistungen der menschlichen Freiheit zuwider ist. Joëlle Masson und Olivier Masson übersetzen in den Œuvres philosophiques III das Lexem in diesem Zusammenhang mit ›preuve valable en droit‹ (OP III 570). In der 2011 erschienenen neuen Übersetzung der Rechtslehre von Alexis Philonenko55 findet sich ebenfalls die Formulierung ›preuve valable en droit‹ (257). 1994 hat Alain Renaut eine neue Übersetzung der zwei Teile der MS vorgelegt.56 Er übersetzt AA 06: 304 23 mit ›preuve juridiquement valide‹ (II 115). Die Übersetzung mit ›preuve‹ berücksichtigt in beiden Übersetzungen nicht die formale Nuance, die das Lexem Beweis beinhaltet. In der Tugendlehre begegnet das Lexem im Rahmen der Diskussion der Unzulässigkeit der Selbstschändung. Ein Vernunftbeweis für diese Verletzung der Pflicht gegen sich selbst ist aber »nicht so leicht geführt«. »Der Beweisgrund liegt freilich darin, daß der Mensch seine Persönlichkeit dadurch (wegwerfend) aufgiebt, indem er sich blos zum Mittel der Befriedigung thierischer Triebe braucht.« (MS, AA 06: 42523 ff.) Diese Stelle übersetzen Masson/Masson mit ›fondement de la preuve‹. Renaut seinerseits übersetzt diese Stelle mit ›principe de la preuve‹ (II 279). Behelfsmäßig kommen diese Übersetzungen der ratio probans wohl noch am nächsten.

55

Kant: Métaphysique des mœurs. Doctrine du droit. Übers. und eingeleitet von Alexis Philonenko. Paris 2011. 56 Kant: Métaphysique des mœurs. 2 Bde. Übers und hg. von Alain Renaut. Mit einer Bibliographie und Chronologie von Alain Renaut. Paris 1994. Bd. I enthält die GMS sowie die Einleitung in die MS. Bd. II enthält die Rechtslehre und die Tugendlehre. Die uns hier interessierenden Übersetzungen finden sich in Bd. II.

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Robert Theis

L.  Der Streit der Fakultäten (1798)

Gesamthäufigkeit: 3 SF, AA 07: 09 02; 4016 f.; 6910 Das erste Vorkommen des Lexems findet sich in der Vorrede in Kants Antwortschreiben an König Friedrich Wilhelm II. (aus dem Jahr 1794). Im nämlichen Sinn wie in der Religionsschrift (RGV, AA 06: 18720 f.) ist hier die Rede von »historischen Beweisgründen«, auf die sich der Glaube bezieht, die aber als zufällige Glaubenslehren außerwesentlich, wenngleich nicht unnötig und überflüssig sind. In eine ähnliche Richtung geht auch die Bemerkung in SF, AA 07: 6910 f.: Die Zeugnisse der Schrift sollen nicht die Wahrheit der moralischen Lehren bestätigende »historische Beweisgründe sein«, sondern bloß Beispiele der Anwendung der praktischen Prinzipien. In SF, AA 07: 4016 f. diskutiert Kant die Frage nach dem möglichen Sinn der paulinischen Predigt von der Auferstehung bzw. des künftigen Lebens. Der diesbezügliche allgemeine moralische Glaube bewog den Apostel zum »historischen Glauben an eine öffentliche Sache […], die er treuherzig für wahr annahm und sie zum Beweisgrunde eines moralischen Glaubens des künftigen Lebens brauchte«. (SF, AA 07: 4015 ff.). Die Übersetzung in den Œuvres philosophiques III stammt von Alain Renaut. Das erste Auftreten (OP III 810) wird mit ›arguments historiques‹ übertragen; AA 07: 6910 hingegen übersetzt Renaut mit ›preuves historiques‹ (OP III 879). Die Stelle in AA 07: 4016 mit ›preuve d’une croyance morale‹ (OP III 842). ›Arguments historiques‹ lässt sich rechtfertigen; die Übersetzung von SF, AA 07: 4016 mit ›preuve‹ ist in einer umgangssprachlichen Deutung des Lexems zulässig; SF, AA 07: 6910 hingegen mit ›preuves historiques‹ zu übersetzen, konnotiert das Lexem zu stark in Richtung der Form des Beweises. In der 2015 erschienenen Übersetzung von Christian Ferrié57 finden sich drei unterschiedliche Formeln für Beweisgrund: AA 07: 09 02 wird mit ›fondements de preuves historiques‹ (48) übertragen; AA 07: 4016 f. einfach mit ›fondements‹ (81); AA 07: 6910 schließlich mit ›preuves historiques‹ (108). Lässt sich Ersteres als Behelf rechtfertigen, so ist nicht einzusehen, warum in den beiden anderen Fällen nicht auch auf diesen Terminus rekurriert wird. Betreffend ›preuves historiques‹ gilt auch hier der vorhin gemachte Einwand.

57

Kant: Le Conflit des Facultés et autres textes sur la révolution. Übers., mit Anmerkungen und einem Nachwort versehen von Christian Ferrié. Paris 2015.

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Beweisgrund in neueren französischen Kantübersetzungen

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M.  Logik Jäsche (1800)

Gesamthäufigkeit: 3 Logik Jäsche, AA 09: 7137.; 13313; 13520 Die Logik Jäsche, auf die bereits im ersten Teil eingegangen wurde, hält in AA 09: 7135 ff. fest, dass die »wesentlichen Stücke eines jeden Beweises überhaupt […] die Materie und die Form desselben [sind], oder der Beweisgrund und die Consequenz«. Die Verwendung in AA 09: 13313 kommt im Kontext der Unterscheidung zwischen Induktion und Analogie vor. Als Beispiel eines Schlusses nach der Analogie schreibt Kant: »So ist z. B. der Beweisgrund für die Unsterblichkeit aus der völligen Entwickelung der Naturanalagen eines jeden Geschöpfs ein Schluß nach der Analogie.« (Logik Jäsche, AA 09: 13313 ff.) Die dritte Verwendung in AA 09: 13520 findet sich im Paragraphen über die petitio principii. Unter einer solchen »versteht man die Annehmung eines Satzes zum Beweisgrunde als eines unmittelbar gewissen Satzes, obgleich er noch eines Beweises bedarf«. (Logik Jäsche, AA 09: 13519 f.) Von der Logik Jäsche gibt es aktuell nur die im Jahr 1966 erschienene Übersetzung von Louis Guillermit. Ein Neudruck stammt aus dem Jahr 2007.58 Die erste Verwendung (AA 09: 7137) übersetzt Guillermit mit ›argument‹ und fügt in Klammern Beweisgrund hinzu (80). Auch in AA 09: 13313 wird das Lexem mit ›argument‹ übertragen (144). AA 09: 13520 hingegen findet sich ›principe de preuve‹ (147). Diese Übersetzung lässt sich in diesem speziellen Fall rechtfertigen, da das Thema die petitio principii ist. N.  Welches sind die wirklichen Fortschritte, die die Metaphysik seit Leibnitzens und Wolffs Zeiten in Deutschland gemacht hat? (1804)

Gesamthäufigkeit: 1 FM, AA 20: 29824 f. Im Rahmen von Überlegungen über den Glauben in moralisch-praktischer Hinsicht gibt Kant zu bedenken, dass ein derartiges »credo« als freies Fürwahrhalten keinen »Imperativ verstattet« und »der Beweisgrund dieser seiner Richtigkeit […] kein Beweis von der Wahrheit dieser Sätze, als theoretischer betrachtet, [ist]«. (FM, AA 20: 298 24ff) Der Beweisgrund ist hier im Sinn der materia probationis zu verstehen und ist von der probatio zu unterscheiden.

58

Kant: Logique. Übers. von Louis Guillermit. Paris 2007. – Zur Übersetzung von Logik Jäsche vgl. auch den Beitrag von María Jesús Vázquez Lobeiras im vorliegenden Band.

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Robert Theis

Jacques Rivelaygue übersetzt in den Œuvres philosophiques III das Lexem mit ›raison démonstrative‹ (OP III 1251). Trifft ›raison‹ den Grund, so ›démonstrative‹ nicht den Beweis in Beweisgrund. Antoine Grandjean übersetzt in seiner 2013 erschienenen neuen Übertragung der FM konsequent Beweisgrund mit ›raison probante‹ (133).59 Diese Übersetzung des Lexems entspricht, wie bereits an früherer Stelle angemerkt, der ratio probans, die Kant aus Meier bzw. aus Crusius kennt. O.  Handschriftlicher Nachlass

– Reflexionen zur Metaphysik Gesamthäufigkeit: 10 Refl, AA 17: 410 01 (Reflexion 4086); 63407 (Reflexion 4670) AA 18: 4108 (Reflexion 4957); 199 01 (Reflexion 5495); 209 07 (Reflexion 5528); 29129 (Reflexion 5645); 30814 (Reflexion 5653); 52415 (Reflexion 6245); 54124 (Reflexion 6275); 67725 (Reflexion 6351). Die Reflexionen zur Metaphysik sind nur auszugsweise ins Französische übertragen worden. 2011 erschien unter dem Titel Réflexions métaphysiques 1780–1789 eine Übersetzung der Reflexionen 5636–6205 (Refl, AA 18: 267–488) von Sophie Grapotte. 60 Es sind in dieser Übersetzung zwei Verwendungen des Lexems zu berücksichtigen: Reflexion 5645 (AA 18: 29129) und Reflexion 5653 (AA 18: 30814). In dem uns interessierenden Kontext der Reflexion 5645 (AA 18: 29120 ff.) handelt Kant vom Vernunftglauben. Als Beispiel führt er den Glauben an, dass die Planeten vernünftige Bewohner haben, denn »so viel Beweisgründe davon, als man vernünftiger Weise nach unserer Entfernung von ihnen nur erwarten kann, geben eine große Analogie zwischen ihnen und der Erde, als zu dieser Folgerung nöthig ist, an die Hand«. In dieser Argumentation ist das Lexem im Sinn von ratio probans zu verstehen, das Grundlage für eine Folgerung ist. Thema der Reflexion 5653 ist die Kritik am »(materialen) Idealism« (AA 18: 306 03.). Ein kurzer Kommentar am Rande der Seite zu seinen Ausführungen lautet: »Daß dieses der eintzige Mogliche Beweisgrund sey« (AA 18: 30814). Aus dem Kontext der Argumentation geht hervor, dass Kant hier sehr wohl rationes probandi gegen den Idealismus anführt (»Wieder dieses Argument ist hinreichend nur das anzuführen […]« [Refl, AA 18: 30611]]), gleichzeitig aber auch einen Beweis führt (vgl. etwa das wiederholte ›also‹). 59

Kant: Les progrès de la métaphysique. Übers. von Antoine Grandjean. [Anm. 41]. Réflexions métaphysiques 1780–1789. Übers., eingeleitet und hg. von Sophie Grapotte. Paris 2011. Vgl. dazu auch den Beitrag von Sophie Grapotte zum vorliegenden Band. 60 Kant:

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Beweisgrund in neueren französischen Kantübersetzungen

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Sophie Grapotte übersetzt das erste Auftreten des Lexems mit ›preuves‹ (77). Eigentlich kann es sich aber, dem Kontext nach zu schließen, hier nicht um ›preuves‹ handeln, sondern um das, was zur Folgerung nötig ist. Das sind die ›raisons probantes‹. Das zweite Auftreten übersetzt Grapotte – wohl in Anlehnung an die traditionelle Übersetzung der Beweisgrundschrift – mit ›fondement de preuve‹ (92); hier ließe sich [vgl. oben] auch ›preuve‹ rechtfertigen. –  Opus postumum Gesamthäufigkeit: 8 OP, AA 21: 6111; 7625; 22104; 22205; 36317; 549 03 AA 22: 11304; 26019 Auszüge aus dem Opus postumum wurden von François Marty übersetzt.61 Zu berücksichtigen sind AA 21: 22104 f. und AA 21: 222 05. An beiden Stellen handelt Kant von der Existenz eines besonderen, alle Körper durchdringenden Weltstoffs: »Der Beweisgrund« hiervon ist »subjectiv, von den Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung hergenommen« (OP, AA 21: 22105 ff. // 22205 ff.). Marty übersetzt beide Stellen mit ›fondement de la preuve‹ (58 f.). Mit dieser Formulierung hält er sich an gebräuchliche Übersetzungen des Lexems. P. Vorlesungen über Philosophische Religionslehre (nach Pölitz) (1. Hälfte der 1780er Jahre)

Gesamthäufigkeit: 6 V-Phil-Th/Pölitz, AA 28.2.2: 1009 31; 102332; 102928; 103407; 1049 38; 1050 02 Die sog. Vorlesungen über Philosophische Religionslehre sind 1817 von K.H.L. Pölitz herausgegeben worden. Es handelt sich, im Gegensatz zu den vorhin vorgestellten Schriften, bei diesem Text nicht um eine von Kant selber verfasste Schrift. Das Lexem wird uneinheitlich verwendet. In V-Phil-Th/Pölitz, AA 28.2.2. 1009 31 spricht Kant vom kosmologischen Beweis des Daseins Gottes als einem solchen, in dem nicht bloß die Bewegungen in der Körperwelt, sondern auch die »Veränderungen und Zufälligkeiten der Gedanken zum Beweisgrunde« genommen werden. Im Gegensatz zum kosmologischen Beweis gebraucht der physikotheologische »Beobachtungen der besondern Beschaffenheit […] unserer Sinnenwelt zu Beweisgründen« (V-Phil-Th/Pölitz, AA 28.2.2: 102927 ff.). In beiden Fällen ist die materia probationis gemeint. 61

Kant: Opus postumum. Passage des principes métaphysiques de la science de la nature à la physique. Übers. und hg. von François Marty. Paris 1986.

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Ähnliches lässt sich von V-Phil-Th/Pölitz, AA 28.2.2: 1049 38 und 1050 02 sagen: Hier geht es um Gottes Erkenntnisvermögen. Der Beweisgrund hierfür ist aus der Beschaffenheit eines entis realissimi hergenommen. Die daraus entlehnten Beweisgründe »haben allemal weit mehr Stärke, als Beweise aus dem bloßen Begriffe eines entis realissimi« (ebd. 1050 02 ff.). In V-Phil-Th/Pölitz, AA 28.2.2: 102332 hingegen ist die Rede vom ontologischen Beweisgrund für das Dasein Gottes, womit der Beweis aus reinen Begriffen gemeint ist. Seinen eigenen einzigen möglichen Beweisgrund seiner Demonstration vom Dasein Gottes, der »in einer vor mehreren Jahren von mir herausgegebenen Schrift ausführlicher auseinander gesetzet worden ist«, versteht er als Beweis: Unter allen möglichen Beweisen gewährt dieser die meiste Befriedigung (ebd. 103407 ff.). Die Vorlesungen über Philosophische Religionslehre wurden 1993 von William Fink übersetzt.62 In dieser Übersetzung wird das Lexem unterschiedlich wiedergegeben: In AA 28. 2.2: 1009 31 und 102928 findet sich kohärent ›fondement‹ (71 und 95); in 1049 38 und 1050 02 hingegen verwendet Fink den (zu starken) Begriff ›démonstration‹ (118). Erstaunlich ist diese Verwendung, weil er natürlich ›démonstration‹ in 103407 im Zusammenhang mit dem Titel der Beweisgrundschrift für Demonstration gebraucht. Im Titel dieser Schrift wird das Lexem mit ›base de la preuve‹ übersetzt (»la seule base de la preuve de ma démonstration«, 100) – ein hapax –, was sich rechtfertigen lässt, insofern Kant selber gleich im Anschluss diesbezüglich von einem Beweis redet. * Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass sich in den untersuchten Übersetzungen des Lexems Beweisgrund eine ziemlich große Uneinheitlichkeit findet. Dies ist nicht nur diachron feststellbar, d. h. hinsichtlich der Vielzahl der Übersetzer, sondern auch synchron, also innerhalb einer Übersetzung eines Übersetzers. Die uneinheitlichen Übersetzungen mögen auf die nicht immer ein-eindeutige Verwendung des Lexems bei Kant selber zurückzuführen sein (vgl. z. B. Beweisgrund als inkompletter Beweis; als Beweis), sind aber oft nicht nachvollziehbar oder schlicht inkonsistent und auch weder sachlich noch stilistisch zu begründen. In umgekehrter Richtung lässt sich sozusagen kontrafaktisch aufgrund der Uneinheitlichkeit der Übersetzungen verifizieren, inwiefern sich in den Originaltexten nicht ein-eindeutige Verwendungen des Lexems vorfinden. Generell ist zu vermerken, dass neuere Übersetzungen (z. B. Renaut, Fussler, Gallois) in ihren umfangreichen Anmerkungsteilen auch bestimmte Übersetzungsfragen bzw. -vorschläge diskutieren. Zum Lexem Beweisgrund haben wir 62

Kant: Leçons sur la théorie philosophique de la religion. Übersetzung der Vorlesungen über Philosophische Religionslehre von William Fink. Paris 1993.

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Beweisgrund in neueren französischen Kantübersetzungen

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allerdings keine Anmerkung gefunden. Guillermit (vgl. Logique) fügt in Zweifelsfällen die deutschen Termini in Klammern hinzu. Dies ist sicherlich ein begrüßenswertes Procedere und erscheint uns generell bei künftigen Übersetzungen von Kants Schriften empfehlenswert.

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Kant and the Bestimmungsgrund / ‘Principle of Determination’ of the Aesthetic Judgement (1989) Emilio Garroni

The well-known and obvious, yet crucial purpose of translations, even of the ‘classics’, is to circulate translated texts among ‘alloglots’, or non-native speakers. Also known, albeit much less so, is the function of translated texts in the field of specialized studies. Here, translations provide an on-going and important point of reference, at least as a form of interpretive filter, even in the case of a perfect philological competency, which is rather uncommon under strict linguistic parameters. This happens, first and foremost, because a text in a foreign language (an alloglot text) – in order to really be read, understood, and interpreted in its proper original linguistic form – needs to be integrated in the broad and linguistic culture of the reader, even if the reader is a specialist; existing translations represent in and of themselves this effort of integration, which, at the same time, they facilitate. However, there is a possible risk: that translated texts tend to present themselves as equivalent to the original text. A risk that meets sometimes that kind of inertia which is difficult to escape from when one tries to integrate and comprehend the original text, even when one is working directly with it. The phenomenon is, by all means, universal, both for intrinsic linguistic reasons, and because of what I would call ‘philosophical’ reasons in general, and is independent from the degree of the scholar’s competence. For the same reasons, translations that are absolutely equivalent to the source-language texts as well as translations that are completely free of ‘inaccuracies’ and amendable ‘errors’ do not exist – they cannot exist, both de jure and de facto. It is therefore clear that the readings and interpretations of texts in a foreign language have twice the risk of possible deformations: first, because, as interpretations in general, they always require reformulation, even for native speakers (endolinguistic reformulation); and, second, because, as interpretations by non-native speakers, they require a different sort of reformulation (interlinguistic reformulation). The latter could be an actual translation (already existing) or merely a potential one (oscillating between implicit and explicit interpretation). Both represent a linguistic barrier and a mediation at the same time that cannot be completely abolished, even if the scholar is bilingual in the strictest sense. Hence the double necessity to continually return

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to the original text, even if we have this very text in front of us, and not one of its translations. Under these conditions, every interpretation is also a translation or a new translation of the text, or else a revision of the most authoritative translation(s), even when the scholar has not used pre-existing translations. At first glance this may seem to be only an inconvenience and a source of unfortunate distortions. There is, however, a positive aspect as well. In fact, the existence of the text in a foreign language (alloglossy) intensifies the very need for a reformulation of it, which is essential to any interpretation, forcing the scholar who speaks and thinks in the same language as the text in question to continually return, through another language, to that which may seem obvious, even too obvious at times. The requirement to translate helps us to not take anything for granted, not even the most common expressions. In this way, the alloglossy offers an important stimulus for the interpretive process – provided it does not settle for the easy path to integration, in the sense of reductive deformation. In this essay I would like to focus on translation in the narrowest sense. Now, as far as the Kritik der Urteilskraft is concerned, fortunately the excellent Laterza translation (also referred to as Gargiulo/Verra) is available to us, especially since Valerio Verra in 1960 revised the already good 1906 translation by Alfredo Gargiulo: good, but not without errors, at times serious ones.1 Obviously, not even the current available translation is perfect, since – as already stated – ‘perfect translations’ (the expression is almost an oxymoron) do not exist. The work of translation – the actual one done by professional translators as well as that by alloglot interpreters, oscillating between an implicit prelingustic understanding and an explicit linguistic formulation – is by definition a never-ending task, as is well known among those who truly know what a translation is and what it truly means to translate. I will focus in particular on the translation of a Kantian term, undoubtedly of remarkable interpretive significance. Indeed, it sometimes happens that an expression, frequently used in the original text and therefore certainly technical, is translated with a series of equivalent terms that are inherently more discursive; as such, they inevitably weaken the technical aspect and, in my view, also the original centrality of the term. Such an expression is Bestimmungsgrund, which I believe could be translated rather faithfully – with respect to the literal sense as well as the context – as ‘principio di determinazione’. (Unless I am mistaken, this is indeed the expression that the Gargiulo/Verra translation never uses). 2 This 1 Kant: Critica del Giudizio. Trans. by Alfredo Gargiulo. Bari 1907 [1906]. Revised by Valerio Verra. 41960. Rome/Bari 61967; from now on: G/V. 2 In order to render more literally the choice made by Garroni, we would translate Bestimmungsgrund in English as ‘principle of determination’, rather than ‘determining ground’

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Kant and the Bestimmungsgrund / ›Principle of Determination‹

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choice (of not using this term in translation) may not only fail to highlight for the non-specialist reader a notable problem, or maybe even the problem of the Critique of Judgement with its due relevance, but can also at least partially explain the persistent use of certain interpretive commonplace terms even among specialists. In fact, Bestimmungsgrund has been rendered in the Gargiulo/Verra translation in the following ways: ‘fondamento della determinazione’ (‘foundation of the determination’) (KU § 12, B 37; AA 05: 222; G/V 65; G/M 107); ‘causa determinante’ (‘determining cause’) (KU §§ 11, 13, 14, 15, 17, B 35, 38, 39, 47, 53; AA 05: 221, 223, 224, 228, 231; G/V 65, 66, 67, 72, 76; G/M 106, 108, 111, 116); ‘motivo’ (‘motive’) (KU § 41, B 162; AA 05: 296; G/V 153; G/M 176); ‘fondamento’ (‘foundation’) (KU § 46, B 181; AA 05: 307; G/V 153, G/M 186), ‘fondamento determinante’ (‘determining foundation’) (KU § 56, B 233; AA 05: 338; G/M 214, G/V 202), ‘principio determinante’ (‘determining principle’) (KU § 57, B 236; AA 05: 340, G/M 216, G/V 204 f.); ‘ragione determinante’ (‘determining reason’) (KU § 57, B 238; AA 05: 341; G/M 217; G/V 205). To be clear: each of these translations (excluding perhaps ‘motivo’ [‘motive’], which is clearly too weak) would be more or less acceptable, on the condition, however, that only one be chosen and then used consistently. Kant is referring to the ‘same thing’ in a technical manner, and it is necessary for the reader of the translation to receive sufficient signals in this direction, in the same way as is offered to the reader of the original text. More precisely: in the different places in which the term Bestimmungsgrund is recurring – such as throughout Part one: the Critique of Aesthetic Judgement –, Kant is addressing issues with a single underlying problem, whose unity or connection nevertheless is or could be problematic. Even more so, then, is it necessary to preserve a single and equally technical expression in the translated text. As stated above, we are talking about: Analytic of the Beautiful (First section, Book 1), and, more precisely, the Third Moment; § 41 (Book 2) around the paragraphs on Deduction; paragraphs from the same Book dedicated to the concept of beautiful art and the notion of genius; and, finally, the Dialectic of Aesthetic Judgement (Second section). As is well known, the aim of the Analytic of the Beautiful is indeed only the analysis of the requirements for aesthetic judgement, assuming that such judgement is possible. (The legitimacy of its possibility is more precisely the objective of the Deduction, even though, for certain reasons, there are large intersections between the Analytic of the Beautiful and the Deduction of Pure Aesthetic Judgeas it is consistently translated in the Cambridge Edition of the KU. Cf. Kant: Critique of the Power of Judgment. Trans. by Paul Guyer/Eric Matthews. Cambridge University Press 2000. From now on G/M. For the same reason we keep the traditional English translation of the title of the third Critique, Critique of Judgement, because at the time of this essay, Garroni had not yet proposed to translate Urteilskraft with ‘faculty of judgement’. For the rest, we mostly follow the translation of the Cambridge Edition. [note of the editors]

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ments – we should thus also examine § 41 of Book 2 along with the paragraphs of Book 1.) Now, the Analytic of the Beautiful is divided, as is well known, in four Moments, in which the judgement of taste is examined step by step according to the titles of the four parts of the Kantian Table of Judgements. The Analytic is constructed in such a way that, in its development, one gets progressively closer to the central question of aesthetic judgement: i. e., the problem of what is the status of the principle that it must presuppose – if such a judgement is possible. In short: the problem of its Bestimmungsgrund. In the First Moment, dedicated to the consideration of aesthetic judgement from the point of view of ‘quality’, there is no discussion yet of principle, precisely because of the difficulty in rendering it explicit: judgement is merely shown not to depend on principles that are tied to an interest. In this sense, it is neither an affirmative judgement, nor a negative one, but rather an infinite judgement. In other words, according to an infinite mode, i. e. by exclusion, Kant points out the place where it is possible to look for the principle of the judgement of taste. To say that ‘something is beautiful’ does not mean to assign to it the predicate of ‘beautiful’, as if we were referring to one of its objective qualities; nor does it mean to simply negate, in the judgement, the presence of other possible pleasures (sensible or practical) determined by principles (physiological or rational) tied to an ‘interest in the existence of the object’. The infinite character of the pure aesthetic judgement simply signifies this: that its own principle, its Bestimmungsgrund, must be a principle of another kind, a disinterested one, which is the opposite of the principles that determine the sensible pleasure or the purely practical one. Therefore the beautiful, far from being that which ‘is not pleasurable’, must be found in its Bestimmungsgrund, in that pleasure that ‘remains’ (KU § 8, B 26; AA 05: 216 “ihm noch übrig bleibt”), as Kant says, beyond the pleasure of the agreeable and the good, and is complementary to these other pleasures in the logical universe of possible pleasures (KU § 2, B 7; AA 05: 205; G/M 101). Subsequently, in the Second Moment – in which the judgement of taste is examined from the point of view of ‘quantity’ – it immediately follows that, even though always ‘singular’ in its logical form, this judgement must be ‘subjectively universal’, meaning that it requires the ‘agreement of all’ (KU § 8, B 23; AA 05: 214; G/M 100). And the principle that justifies such universality is indeed just barely better determined as a simple exigency, a ‘universal voice’, an ‘idea’ (KU § 8, B 26; AA 05: 216; G/M 101), for which Kant does not yet want a true justification and cannot yet search for it (“what it rests on” – he writes explicitly – “will not yet be investigated here“. [KU § 8, B 26; AA 05: 216; G/M 101]). Very simply, we have transitioned from the purely ‘infinite’ exigency of the First Moment to an exigency that is positive, yet nevertheless still merely an exigency. The problem with such a ‘principle of determination’ emerges more clearly, and not by chance, in the Third Moment, according to the ‘relation’, where in fact

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Kant and the Bestimmungsgrund / ›Principle of Determination‹

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what is in question is the relationship between the judgement and the purpose or the concept of the thing that is judged as beautiful. What matters most to Kant is to show the non-intellectual status of the principle of determination of aesthetic judgements, and in fact, of the very faculty of judgement in general. We already know from the Introduction that the principle of such a faculty is the ‘principle of purposiveness’, which guarantees, a priori – while not imposing anything on the objects of nature – the possibility of some kind of experience and empirical knowledge; in other words, the conformity of particular phenomena to certain laws as if they were designed precisely in view of such a conformity. Of course, no one can assert that this is the way things are, neither a priori nor a posteriori, as will be evident in the Second part of the work: The Critique of Teleological Judgement. The ‘principle of purposiveness’ is purely subjective, and in fact, the very idea of the ‘purpose of nature’ is something obscure and not fully explicitable. In this sense, the ‘principle of purposiveness’ is not an intellectual principle, even though we necessarily use it when referring to the understanding of objects. In its transcendental status it is instead an aesthetic principle. Thus, as is clearly stated in the three final paragraphs of the Introduction – which is chronologically the part of the work that Kant wrote last –, it is precisely in the Critique of Aesthetic Judgement that we must search for its analysis and critical legitimacy. And it is indeed in the Third Moment of the Analytic of the Beautiful, where the relationship between purposiveness on one side and the aim and concept on the other is at stake, that a particularly favourable opportunity for clarification presents itself. In the idea of perfection – the traditional idea, and in particular, the Baumgartian one – the very concept of ‘that which the thing must be’ has an essential role, and it could not be otherwise. The fact that we like something because it perfectly corresponds, in its form, to its own concept does not constitute a pure judgement of taste, but only a ‘judgement of applied taste’; this depends also on the aesthetic principle, yet without this being considered as its Bestimmungsgrund (KU § 16, B 52; AA 05: 232). As far as the latter is concerned, this judgement will be determined by a concept and, therefore, by an intellectual principle, while instead the judgement of taste “is called aesthetic precisely because its Bestimmungsgrund is not a concept but [a] feeling” (KU § 15, B 47; AA 05: 228; G/M 113). And, once again, this does not mean that perfection does not have a role in the concrete judgement of taste, as Kant says unequivocally, but it means only that its Bestimmungsgrund, as a transcendental condition, has nothing to do with perfection. Finally, and again not by chance, only and specifically in the Fourth Moment – according to the ‘modality’ of the judgement of taste, which is indeed necessary, even though it cannot be a logical apodictic judgement – the question of Bestimmungsgrund will reach its analytic accomplishment in the notion of ‘common sense’ or ‘common feeling’, inasmuch as it is in fact a principle. And we find there basically an anticipation of the legitimacy of the claim of the necessity of the

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judgement of taste (§ 21), which will be fully explained in the actual Deduction (§ 30 –), not referring only to the principle presupposed exclusively by the judgement of taste as such – which only refers to it insofar as it is its Bestimmungsgrund – but as the principle that is required for empirical knowledge in general. This knowledge, however, follows other principles of determination, which are logical and not aesthetic. Again, it is its so-called ‘specificity’ as principle of determination of the judgement of taste that is brought to light, which, by the way, is unjustifiable if it is not considered within the framework of a reflection on the possibility of empirical knowledge in general. The judgement of taste, in other words, is the locus where it is revealed as a ‘constitutive principle’ or Bestimmungsgrund, a principle that must be assumed, as ‘regulative principle’, in any knowledge or experience (KU § IX, B LVI; AA 05: 197; KU § 22, B 67; AA 05: 240). These, along with the already cited § 41 of Book 2, are the passages that examine, on the one hand, the famous ‘disinterestedness’ and, on the other, the equally famous ‘non-conceptuality’ of the judgement of taste, also referred to as aesthetic experience. Such notions are often interpreted in a material sense, that is, as an actual lack of interest and of intellectual content in the concrete aesthetic experience: this happens precisely because we have not understood that in that case, the actual judgement of taste is not in any way in question. What is in question instead is its very Bestimmungsgrund, the ‘principle of determination’ that allows us to conceive it as possible. It is possible that attenuating such a technical expression during translation favoured this type of interpretation. By re-establishing the expression in all of its strength, and in accordance with the entire text of the Critique of Judgement, it becomes clear instead that Kant sees the aesthetic experience as ‘contemplative’ within its transcendental and constitutive conditions. These imply a disinterest and a non-intellectuality at their appropriate level, yet the aesthetic experience does not at all appear concretely as a pure ‘contemplation’. The notions of ‘contemplative’ or ‘disinterested’ are therefore equivalent to ‘distinct from the principles of sensible or practical pleasure’: precisely such a ‘distinction’ is, at the level of principles, the proper object for a transcendental reflection, whose goal is, as far as it is possible, to go back to the ‘the conditions of possibility of something’ and not to empirically describe something, be it a judgement of taste or something else. When we think of Kant’s aesthetics as, shall we say, an ‘aesthetics of the arabesque’, 3 first we misunderstand the issue of ‘perfection’ as well as the distinction between ‘free beauty’ and ‘dependent beauty’, which is reduced to an empirical classification of purely beautiful things (the ‘flower’ or the ‘arabesque’) versus beautiful things merely in relation to their concept (the ‘horse’ or the ‘church’). But above all, we lose sight of the main problem of the Critique of

3

Cf. Luciano Anceschi: Autonomia ed eteronomia dell’arte. Florence 1936. 27 f.

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Aesthetic Judgement, which is not the concrete judgement of taste, but its possibility and its ‘principle of determination’ or Bestimmungsgrund. From the point of view of the concrete – or actual judgement of taste – things are very different, as Kant repeatedly and explicitly states. Every aesthetic judgement is also characterized, and cannot not be characterized, by sensuous and practical interests (e. g., the pleasure of the ‘charms’ and the ‘emotions’), and by rich and inner intellectual determinations. “Hence, a judgement of taste” – writes Kant in § 14 – “is pure only insofar as no merely empirical satisfaction is mixed into its Bestimmungsgrund” (KU § 14, B 39; AA 05: 224. G/M 108). And he adds a sentence, which can possibly be interpreted in this very sense: “Yet this always happens if charm and emotion play a role in the judgement through which something is to be declared as beautiful.” (ib.) Perhaps here he is saying that charm and emotion can be part of the judgements of taste, as long as they are not their Bestimmungsgrund. In any case, a few lines later he writes that there are those who would frame charm “not just as a necessary ingredient of beauty, but even in and of itself sufficient to be called beautiful”. Ingredient, yes indeed, and not ‘principle of determination’. In § 41 of Book 2 the idea is reiterated: “That the judgement of taste [. . .] must have no interest for its principle of determination [zum Bestimmungsgrunde] has been adequately demonstrated above.” (KU § 41 B 161; AA 05: 296; G/M 176). 4 And he goes on: “But from that it does not follow that after it has been given as a pure aesthetic judgement no interest can be combined with it.” (KU § 41 B 162; AA 05: 296; G/M 176). This is undoubtedly a correct translation.5 Still, there is an excessive accentuation of the temporal relationship, drawing once again the reader’s attention to the concrete judgement and not to its possibility, that is, to its Bestimmungsgrund. I would propose a slightly different translation, which is as faithful and perhaps even more so: “Ma da ciò non segue che, essendo stato dato come un puro giudizio di gusto, non possa essere ad esso connesso un interesse.” (“But from this it does not follow that, having been given as a pure aesthetic judgement, an interest cannot be connected to it.”) In other words: pure aesthetic judgement is possible or conceivable as such, insofar as its Bestimmungsgrund is not the interest – which would result in another kind of pleasure – but rather the aesthetic principle as ‘feeling’, even though it realizes itself as a concrete judgement that also contains an interest.

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Bestimmungsgrund is underlined in the text, and in the Italian version is translated as ‘motivo’ (‘motive’). 5 In the Italian translation the temporal element is maybe stronger than in the English one because: “als reines ästhetisches Urteil gegeben worden” is rendered as “pronunziato [pronounced, uttered] questo giudizio come un giudizio estetico puro, nessun interesse vi si possa poi congiungere”.

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In terms of the intellectual content of the aesthetic judgement, suffice to think about the issue of ‘aesthetic ideas’, “that occasions much thinking” (KU § 49, B 192 f.; AA 05: 314; G/M 192). This issue is not introduced merely to illustrate the difficult status of artistic beauty, which, as opposed to natural beauty, is the product of an intentional activity and, as such, therefore only conceivable in relation to a concept or purpose, or to that ‘perfection’ “which is not even a question in the judging of a natural beauty (as such)” (KU § 48 B 188; AA 05: 311; G/M 190). All of this addresses the product of beautiful art insofar as it is a product of art in general. But ‘perfection’ and, thus, ‘aesthetic ideas’ do not constitute a treatment ad hoc of a thorny and almost contradictory problem (the possibility of a pure aesthetic judgement, materially non-conceptual, of beautiful artistic objects, which instead also require the consideration of their conceptual possibility). Nor is artistic beauty addressed exclusively here, whereas in the Analytic of the Beautiful only natural beauty would be the topic. Even this idea is the result of severely underestimating the central problem of the Bestimmungsgrund. It is true instead that, when Kant talks about ‘aesthetic ideas’ – and therefore about ‘much thinking’ (viel zu denken) – he is referring to both artistic beauty and natural beauty (§ 51). Some kind of perfection, therefore, must be present even in the consideration of natural beauty (we cannot fail to know in some way, wrong or right, obscurely or clearly, what the natural object we judge to be beautiful ‘must be’, even when we are talking about a flower). From such consideration we draw, from what concerns the pure aesthetic judgement, ‘much thinking’; but natural beauty, just as with artistic beauty, is beautiful only insofar as it is not judged on the basis of perfection or concept, which clearly is not its Bestimmungsgrund. Consequently, I do not think that Kant intends, with the paragraphs dedicated to beautiful art and genius, to dissolve free beauty into dependent beauty. The distinction between one kind of judgement and the other, as far as the attitude of the judging subject is concerned, remains firm: it is one thing, for example, to say that a church is beautiful precisely because it is a church, according to the concept of what a church ought to be. It is another to say that it is beautiful tout court, even knowing that it is a church and that models exist for the design of churches that necessarily inform its construction in this or that way, conforming or not to those models. Once again it is the Bestimmungsgrund of the judgement that is at play, not the contents of the judgement itself in its concrete realisation. If it is true that every art (beautiful or not) “presupposes rules that first lay the foundation by means of which a product that is to be called artistic is first represented as possible” (KU § 46 B 181; AA 05: 307; G/M 186), then it is also true – in the case of so-called ‘beautiful art’ –, that its concept “does not allow the judgement concerning the beauty of its product to be derived from any sort of rule that has a concept for its principle of determination [Bestimmungsgrund] precisely” – in this passage the Italian translation leaves out the word entirely –, “and thus has as

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its ground a concept of how [inasmuch as it is a beautiful product] it is possible.” (ib.) Yet this is not a contradiction between the notion of ‘art’ and its predicate ‘beautiful’. The Bestimmungsgrund of the judgement on the work of beautiful art is nevertheless an aesthetic principle, not an intellectual one, from the perspective of possibility, even though a concrete judgement always contains other things. In particular, a concrete aesthetic judgement contains the consideration (which is indispensable to Kant) that beautiful art truly is a product of art and not simply a natural object. There is in fact – but it is a ‘fact’ that concerns the inner character of transcendental philosophy as going back from the conditioned to the condition – in every effective pure aesthetic judgement, insofar as it is determined by a pure aesthetic principle, also a cognition, whether true or false; there are also interests, attractions (even ‘repulsions’, such as in the ‘sublime’), and emotions; and there is also (for even more internal theoretical reasons, for which a longer discussion would be necessary) an intensification of intellectual activity, an activation of rational and ethical needs. (And what else could not be involved in a concrete aesthetic experience?) The purity of aesthetic judgement is not its separateness from the rest of the experience, but consists exclusively of organizing all the different varieties of experiences under a Bestimmungsgrund, as a condition for the possibility or conceivability of that very judgement. Therefore: there is no guilty ‘aesthetic differentiation’ in Kant.6 The return of the question of Bestimmungsgrund within the Dialectic creates even more radical problems, which, in conclusion, we will mention only briefly. The result of the examination of the antinomy of the principle of taste is well known: its judgement is founded on concepts, yes, but concepts that are indeterminate and indeterminable (concepts or ideas of reason), not determinable or determined (concepts of the intellect). The return of the ‘rational concept of the supersensible’ may appear surprising within the Critique dedicated to the faculty of judgement, at least from our interpretive perspective. Especially since, speaking of the ‘validity for everyone’ of the judgement of taste, Kant adds that “its Bestimmungsgrund may lie [vielleicht … liegt] in the concept of that which can be regarded as the supersensible substratum of humanity” (KU § 57 B 236 f.; AA 05: 340; G/M 216). Is it perhaps a reversal, and almost a disavowal, of that which until now Kant has described in terms of aesthetic principle of the faculty of judgement? Throughout Kant’s entire critical itinerary, the question of some kind of ‘principle of purposiveness’ has undoubtedly been proposed again and again in dif6 Here Garroni is polemically referring to Hans-Georg Gadamer’s notion of ästhetische Unterscheidung. Cf. Hans-Georg Gadamer: Truth and Method. Trans. by William GlenDoepel. Revised by Joel Weinsheimer/Donald G. Marshall. London/New York 2004. 74. Cf. Subject Index. [note by Hohenegger/Velotti]

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ferent ways, given the difficulty of understanding a concept that does not really have (within a ‘schematic presentation [Darstellung]’) an ‘objective reality’ (KU § 59 B 255; AA 05: 352; G/M 225) outside of “human art or […] morality” – neither a priori nor a posteriori (Introduction, KU § IV, B XXVIII; AA 05: 181; G/M 68). And, because of its almost unintelligible character, at the same time necessary and elusive, Kant sees purposiveness (before the third Critique) as a typical concept or principle of reason, which is only regulative and in no way constitutive and, furthermore, to which nothing corresponds in any possible experience. More precisely: first as a concept of pure theoretical reason (Critique of Pure Reason), and then, right before the Third Critique (1790), as a concept to be connected to pure practical reason (On the Use of Teleological Principles in Philosophy, 1788). However, in the Critique of Judgement, the faculty of judgement is established as a real faculty, insofar as it necessarily requires a transcendental principle, precisely that of purposiveness. Why then, does he return to the ‘rational concept of the supersensible’, as Bestimmungsgrund (‘perhaps’, vielleicht) of the judgement of taste, where instead purposiveness is constitutive? Is it merely a ‘return’, a difficulty not yet overcome, or an unresolved oscillation? Something along these lines may appear here and there, for example, in the final, and problematic, considerations of the Analytic of the Beautiful itself. But it is inconceivable that Kant would have written a Critique only to produce such speculative, metaphysical, merely hypothetical, and dubious conclusions, delegitimizing the very faculty that is the central topic of the work. That vielleicht [‘perhaps’] should be understood, therefore, in a strong sense, as a vielleicht that does establish a kind of link between Judgement and reason, between experience and the supersensible, without however disavowing the role of the faculty of judgement itself nor of its principle – a principle already legitimized without any vielleicht. It is a vielleicht that, in my opinion, is like an ‘as if’. (And the Kantian als ob is also not a possible hypothesis, but unfortunately not provable, at the basis of a certain proof: rather, it is a problematic outcome, an extension by analogy of a proof that is certain.) As much as this interpretation may seem paradoxical, Kant is essentially claiming that the principle of determination, the Bestimmungsgrund, of the judgement of taste is not the ‘rational concept of the supersensible’. It would be, if we could handle it as a constitutive principle. But this is not the case. And it is no more than that ‘universal voice’, that ‘idea’ of the Second Moment that will be further elaborated, in the Fourth, in the very principle of ‘common sense’, which, precisely through this, can somehow be understood as a universal voice or an idea. Kant is quite explicit on this point: the judgement of taste cannot be transformed into a ‘concealed judgement of reason’ (KU Remark II B 245; AA 05: 346; G/M 220). In terms of critical requirements, this would be a non-legitimate transformation: from aesthetic judgement on the beautiful, which we can actually experience in some way, to teleological judgement “about the perfection that

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is revealed in a thing and the relation of the manifold in it to an end.” (ib.) And this is exactly what we cannot do, since, strictly speaking, we know nothing about what lies beyond the limits of any possible experience. According to Kant this would not resolve the dialectical antinomy, which would simply not even be posed, despite the fact that it is peculiarly necessary. In short, we would have provided a dogmatic solution from the very beginning, which is unacceptable for the problem. (The other way of not posing the antinomy would be to purely and simply negate the possibility of the judgement of taste, such that it requires the approval of everyone – and even this would be in contrast with the conclusions, considered certain, of the Third Critique.) On the other hand, in the Introduction – which, again, is the chronologically conclusive part of the work, in which Kant provides essential clarifications to the previously written text – he states, with respect to the ‘purposiveness of nature’, that this is ‘a special a priori concept’ (‘special’ [besonderer] in many different senses, because it is not a concept of the intellect, nor of reason, nor is it even an actual concept, since it is rather based on feeling), which “has its origin solely in the reflecting Judgement”, and is therefore “also entirely distinct from practical purposiveness (of human art as well as of morals), although it is certainly conceived of in terms of an analogy with that” (KU § IV B XXVIII; AA 05: 181; G/M 68). The expression (‘has its origin solely’ [lediglich seinen Ursprung hat]) is very strong and leaves no space for doubts about illegitimate slipping of the faculty of judgement onto reason itself and on the supersensible. An analogy is rather at play (with human art and morality), which makes it possible to provide a conceptual appearance to that which is properly a feeling. Yet this same analogy would only be possible as a product of the ‘symbolizing activity’ (§ 59) of the imagination (KU § 35, B 146; AA 05: 287; G/M 167 f.), which schematizes freely according to the aesthetic principle of the unity of the manifold. The ‘rational concept of the supersensible’ is conditioned by that principle and is its possible analogical outcome (in this sense it is vielleicht the Bestimmungsgrund of the judgement of taste). However, we know that that principle is not properly exponible (inexponible Vorstellung, KU Remark II, B 242; AA 05: 343; G/M 218), and in fact is not an intellectual principle; it can only be exemplarily presented in the judgement of taste, and in this case, indeed, in this effective judgement of taste. Only here can we grasp that principle as ‘common sense’, or ‘free play of imagination and intellect’, or ‘universal communicability’. As a result, it is through the judgement of taste and the symbolizing activity at the base of both the judgement and the beautiful art that it becomes possible to speak about that which, strictly (scientifically) speaking, we cannot speak, and therefore it becomes possible to also speak of the supersensible. Perhaps, above and beyond what Kant states, we should express ourselves in the following rather semi-equivalent manner: that the possibility of speaking and signifying, which is established thanks to the ‘common sense’, precedes the

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scientific discourse itself, i. e. we would not be able to know, if we did not signify first, or rather, if we were not already immersed in sense. Yet, the notion that the principle of aesthetic judgement is a condition for establishing sense as well as a condition for signification means precisely that, although constitutive of that type of judgement, the principle of aesthetic judgement is the foundation of the faculty of judgement in general, as Kant explicitly states in § VII of the Introduction and elsewhere. More than that, far from being a specific principle, it allows us to comprehend something that we must comprehend and without which an empirical experience, no matter which, would be unthinkable, but can nevertheless not be experienced in itself. This is what Kant, for example, calls “cognition (of given objects) in general” (KU § 21, B 66; AA 05: 238; G/M 123), i. e., the non-experienceable horizon of experience, by virtue of which an effective and determined experience is determined and effective. Thus the ‘rational concept of the supersensible’ – which is vielleicht (analogically) the ‘principle of determination’ of the judgement of taste – is not necessarily the supersensible of traditional metaphysics, of theology (especially of the ‘physico-theology’), of religion, or of mythological pseudo-knowledge. (For all of this, symbolic signification – which is proper to language itself – is possible: the poet, and not only the poet, ‘ventures’ [wagt] – says Kant – and rather, can venture to make sensible the world of the afterlife (KU § 49, B 194; AA 05: 314; G/M 192). The supersensible is, instead, above all, the very horizon of experience. And this – according to the interpretive view I have attempted to trace, starting from a narrow terminological question – is the fundamental significance of Kant’s aesthetic thought: this ‘already-being originally within the sense’, this potential ‘having-experience’, not already conceptual and nevertheless open to concepts and knowledge, this communal horizon of experience, in short, which we do not experience directly and which in the aesthetic experience we grasp only exemplarily. Translated from Italian by Cosette Bruhns and Silvia Guslandi

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Kant and the Bestimmungsgrund / ‘Principle of Determination’ of the Aesthetic Judgement (1989) Emilio Garroni   Hansmichael Hohenegger / Stefano Velotti:    Presentation of the text

Emilio Garroni (1925–2005) was an Italian philosopher and professor of Aesthetics at the University of Rome La Sapienza. In his life as a scholar he studied a wide variety of topics: the crisis of the arts, linguistics, semiotics, the status of philosophy, the nature of the image. However, if one wanted to identify a deep common thread in his work, one would find two apparently opposite approaches: the attention and respect in the observation of the object of study, taking at the same time the freedom to inquire and subject it to radical questioning. Thus, for Garroni, before questioning the foundations of semiotics, linguistics, and the modern system of the arts, one had to first master their underlying structure, terminology, and scope. In the same way, when it came to interpreting philosophical thought, he considered it an indispensable premise to pay careful attention to the texts and have the capacity to reformulate them. But for Garroni philology was never an end in itself. Such attention and philological care were always at the service of a rigorous rethinking of the texts. He read as a philosopher, yet without this being a license for arbitrary readings. He was, in this sense, eminently a critical thinker: the more the relationship with the object is unprejudiced (that is, when the reader is conscious of the partiality of his or her point of view and questions it), the better the reader is capable to judge freely and objectively. Although Garroni used to read many philosophers in this way, it is not by chance that his author of reference was the critical thinker par excellence, Immanuel Kant. He dedicated to Kant’s philosophy many interpretive essays as well as a monograph.1 Kant is also central in his major books. 2 Even Garroni’s last and

1

Emilio Garroni: Estetica ed epistemologia. Riflessioni sulla Critica del Giudizio. Rome 1976 [Milan 21998]. 2 Cf. at least Garroni: Senso e paradosso. L’estetica, filosofia non speciale. Rome/Bari 1986; German translation: Id.: Sinn und Paradox. Frankfurt a.M./Bern 1991. Id.: Estetica. Uno sguardo-attraverso. Milan 1992. A bibliography of Garroni can be found at: [https:// www.cieg.info/bibliografia-di-emilio-garroni/]

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most theoretical volume – he wrote it without notes or bibliographic references, renouncing, in the spirit of Enlightenment, the protection provided by the authority of the classics, and finally fulfilling a longstanding wish of his – is presented as a reflection on a theme, the ‘inner image’, which, however, he elaborated “especially through the assiduous rethinking of the so-called Kantian ‘schematism’.”3 Garroni did not shy away from the effort, not always rewarding, of translating a much demanding work such as the KU (translation published in 1999), perhaps to make good on what he had talked about in the theoretical essay presented here. Possibly he also saw himself as part of a tradition of Kantian studies in the lineage of Pantaleo Carabellese and Luigi Scaravelli, both very attentive to philology and translation, while surely remaining true philosophers. The translated text presented here 4 is, for its brevity and a certain dryness, a good illustration of this conception of the relationship between philology and philosophy. A very circumscribed question – what possible interpretive consequences can derive from the lack of recognition of the technicality of a Kantian expression of the third Critique (Bestimmungsgrund) – offers Garroni the opportunity to develop important considerations on diglossy (speaking and thinking in another language) and translation in the development of a conscious and critically controlled (responsible) hermeneutics. In Garroni’s opinion, translation, or the comparison with another language, seems to be an ideal tool to avoid mental laziness, since it forces “the scholar who speaks and thinks in the same language of the text in question to continually return, through another language, to that which may seem obvious, even too obvious at times.”5 Garroni refers here to what may be obvious on a linguistic level, but translating and reformulating offer more far-reaching benefits in the sense of deeper understanding and insights. Overall, staying in the safe realm of the obvious prevents us from applying criticism. Thus, stepping beyond it in philology and translation opens a crucial door to philosophical questioning and interpretation. More than that, without such philosophical questioning there can be no interpretation. Philological diligence is based on the idea that research never stops, because there is no truth that is not fallible. Diligence, however, is not yet philosophical rethinking, which, in turn, implies the more radical and paradoxical task of taking on the responsibility of a new text (translated or reformulated) that is of the same kind as the author’s. The philological point made by Garroni in this essay imposes the necessity of a new interpretation of the entire KU. But it also raises a more general question, 3

Garroni: Immagine Linguaggio Figura. Osservazioni e ipotesi. Rome/Bari 2005. IX. Emilo Garroni: Kant e il ‘principio di determinazione’ del giudizio estetico. In: Paradigmi, VII, 19 (1989). 7–19. 5 Ib., 8. 4

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only hinted at here at the end of the essay, on meaning and sense, on the immanence and at the same time transcendence of the horizon of experience, a question we can only express symbolically. For Garroni, ‘sense’, as the horizon of experience in which we are immersed, is a key notion, and we should spend some words on it in order to avoid possible misunderstandings. The way Garroni uses this term is grounded in his reading of Kantian critical texts: whilst in the Critique of Pure Reason Kant’s focus is on ‘meaning’ (Bedeutung), conceived as transcendental schema6 , in the third Critique it is on ‘sense’ (Sinn, conceived as ‘common sense’, Gemeinsinn, as in § 21 and § 40). Of the latter we are conscious only aesthetically, that is, through a feeling;7 sense can be conceived as a ‘free schematism’. According to Garroni, between meaning and sense there is a strict complementarity: no determinate meaning would be possible without its inscription in an indeterminate horizon of sense, and no sense could be felt or grasped if not through determinate meanings. This is the case for perception as well: It is self-evident that although we do not perceive in a completely determined way we cannot perceive in a completely undetermined way either. Determined and undetermined are complementary. Where there is some kind of determination, some kind of correlative indetermination must also be present, and vice versa.8

This is not the place to go into Garroni’s elaborate question of sense, its implication with non-sense, and its ethical dimension (the task or duty of making sense).

6 Cf., e. g.: “Also sind die Kategorien ohne Schemate nur Functionen des Verstandes zu Begriffen, stellen aber keinen Gegenstand vor. Diese Bedeutung kommt ihnen von der Sinnlichkeit, die den Verstand realisirt, indem sie ihn zugleich restringirt.” KrV B 187/A 147; AA 03: 134. 7 Cf., e. g., KU § 9, B 31; AA 05: 219. The fortunate ambiguity of ‘sense’ has been remarked by many post-Kantian authors: “‘Sense’ is this wonderful word which is used in two opposite meanings. On the one hand, it means the organ of immediate apprehension, but on the other hand, we mean by it the sense, the significance, the thought, the universal sense or meaning of the thing.” Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Aesthetics. Trans. by Thomas Malcolm Knox. Oxford 1988. I. 128 f. Or, yet again, in Benedetto Croce: “‘sense’ had two linked and yet distinct meanings, designating, on the one hand, what within our cognition is not logical and ratiocinative but sensible and intuitive, and, on the other, what in practice is not moral or dutiful in itself, but simply willed because loved, desired, useful, and pleasant.” Benedetto Croce: Le due scienze mondane: l’estetica e l’economica. In: La Critica. Rivista di Letteratura, Storia e Filosofia (1931). 401–412. 8 Garroni: Immagine Linguaggio Figura [note 3] 33 (ch. 6). “Va da sé che, se non percepiamo in modo completamente determinato, non possiamo neppure percepire in modo completamente indeterminato. Determinato e indeterminato sono complementari. Là dove c’è una qualche determinazione deve esserci anche una qualche correlativa indeterminazione, e viceversa.”

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We could only add that his very view of artistic experience is based on a peculiar relation between determinate meanings and indeterminate sense: The representation of a recognizable object is always an opportunity-condition for a perception, even in the case of an intentionally totalizing imagination. Perception, insofar as it is not exclusively sensory, nor therefore one of our senses, can even focus negatively on the undetermined in particular, without however cancelling out entirely that opportunity-condition. And this has been said to happen in an exemplary way in the artistic experience, which is totalizing and even reaches towards the supersensible or – we could say (to avoid misunderstandings that can hide within the term ‘supersensible’) – the non-sensory, towards the undetermined idea of totality. Artistic experience however is also always de facto occasioned by particular sensory and meaningful representations.9

It remains to be seen – according to Garroni – whether contemporary artworks still have the capacity to be exemplary. But this discussion would go way beyond the scope of this short note. Editors’ notes on the text

In the translation of this essay, we chose to keep some terms from the standard translation of Alfredo Gargiulo, which Garroni in the years to come would have translated differently. For example, for KU, we followed Gargiulo’s rule who, in turn, chose to follow the French practice of capitalizing the word ‘Judgement’/‘Giudizio’ when it refers to judgement as a faculty. However, Gargiulo used this rule within the whole book, while we applied it only to the title. In 1999, Garroni chose the extended term ‘facoltà di giudizio’ (faculty of judgement) not only within the text but also for the title. But even earlier, in the 1989 text presented here, Garroni already speaks of ‘faculty of judgement’ and not of ‘Judgement’. For the rest, we follow the standard translation of the Cambridge Edition even when it translates Zweckmäßigkeit with ‘purposiveness’ instead of sticking to the traditional ‘finality’ (James Creed Meredith or Alfredo Gargiulo’s ‘finalità’) and chose not to use what Garroni would have preferred later, in 1999 (‘conformity to purposes’). Until 1989 Garroni had translated solely short texts for himself or for the students (during the academic year 1982/83 he gave to his students his own translation of the Introduction to MAN). Only towards the end of his life did he tackle the task of translating the KU (with Hansmichael Hohenegger: Critica della facoltà di giudizio. Torino 1999). Therefore, we decided not to use Garroni’s 9

Ib. 35 (ch. 6).

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1999 terminology, first to respect the historicity of the text, and second because the text is focused on the very specific terminological question of Bestimmungsgrund. The few misprints have been corrected and some bibliographical references have been added in the notes, which may be useful to a non-Italian reader who is not very familiar with the aesthetic literature of the time. However, we have not integrated philological observations extraneous to Garroni’s scientific temperament, which was alien to micrology, such as marginal considerations on the origin of the great variety of translations of Bestimmungsgrund in the edition reviewed by Valerio Verra. A few of these are the result of terminological adjustments by the reviewer (Bestimmungsgrund in § 12 is translated by Gargiulo with ‘causa determinante’ – the most frequent translation – and has been changed into ‘fondamento della determinazione’ by Verra).10 However, Garroni was very open to the use of any philological instruments. For example, in 1992 he thought that the lexicometric confirmation of the technicity of Bestimmungsgrund was not at all useless. The term, in fact, appears in the first two volumes of AA only in its Latin form (ratio determinans), nine times in volumes 3 and 4, and 210 times in volume 5 – a clear sign that the term assumes increasing importance and technicity only in the last two critical works.11 This latter discussion is added only to illustrate that there are many levels of philology and that they ought to be measured each against its own purpose (e. g. assessing revisions and determining their usefulness): they never have absolute value. Given the complicated nature of the text we are presenting – an English translation of a dense scientific article in Italian that deals with problems of translation from (Kantian) German into Italian –, the task of the translators was not an easy one. As editors, we want to thank Cosette Bruhns and Silvia Guslandi for having accepted this difficult task and we assume responsibility for our interventions on the final version. Yet, without the generous and competent help of Beatrice Hohenegger we would not have been able to complete our work. Needless to say, we bear sole  responsibility for the remaining errors. 10

Kant: Critica del Giudizio. Trans. by Alfredo Gargiulo. Bari 1907 [1906]. Revised by Valerio Verra. 41960. Rome/Bari 61967. Cf. Gargiulo 1907. 62; Verra 1960. 65. In the unrevised translation of Gargiulo (1907), Bestimmungsgrund is translated in at least eight different ways (in the first part of the KU): ‘fondamento’ (30, 41, 56, 97, 192 [2]); ‘causa determinante’ (42, 49, 61 [3], 62, 64 [3], 67, 69 [2], 73); ‘principio’ (60, 133); ‘principio di determinazione’ (122); ‘principio determinante’ (175, 194); ‘motivo’ (130, 145); ‘ragione determinante’ (194); ‘la conferma’ (133); at page 158, it is not translated, or perhaps rendered in the verb ‘determina’. 11 Cf. Garroni: Estetica. Uno sguardo-attraverso [note 2] 119. Cf. Gottfried Martin (et al.): Allgemeiner Kant-Index zu Kants gesammelten Schriften. Vols. 16/17. Berlin 1967.

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Exemplarische Probleme der Kant-Übersetzung ins Portugiesische Adriana Veríssimo Serrão I.  Zweckmäßigkeit

Schon bevor direkte Übersetzungen aus dem Deutschen ins Portugiesische entstanden und als die Bekanntschaft mit Kant noch mehrheitlich über französische, seltener über spanische und italienische Übersetzungen lief, bildeten sich Konventionen heraus, die sich sowohl im Unterricht als auch in den Veröffentlichungen eingebürgert haben. Die Wiedergabe des Begriffs Zweckmäßigkeit mit ›finalidade‹ steht paradigmatisch für die generelle und unhinterfragte Verwendung einer Übersetzung des französischen ›finalité‹ und greift nicht direkt auf das deutsche Original zurück. Während Zweck keine besonderen Probleme aufwirft, widmet schon die Übersetzung der KU von Rohden/Marques den Bestandteilen -mäßig und -mäßigkeit, die durch ›conforme‹ und ›conformidade‹ wiedergegeben werden, besondere Aufmerksamkeit. Die Wiedergabe von Zweckmäßigkeit durch ›conformidade a fins‹ versucht, das deutsche Wort grammatisch korrekt nachzubilden, indem sie ein einfaches Wort in eine Mehrwortbezeichnung überführt. In der Nachfolge dieser Übersetzung der KU wurde diese Lösung immer üblicher, was allerdings die Satzkonstruktionen überfrachtete und die ohnehin syntaktisch komplizierte Sprache Kants noch weiter verdichtete. Leonel Ribeiro dos Santos, der die Beziehungen zwischen dem Denken und der Sprache Kants aufmerksam analysiert hat, machte einen anderen Vorschlag. Dem Vorschlag Kants folgend, die klassischen Sprachen für die Prägung und Übersetzung neuer philosophischer Begriffe heranzuziehen, greift er für Zweck auf griech. telos und für -mäßig und -mäßigkeit auf -forme und -formidade zurück, was für zweckmäßig ›teleoforme‹ und für Zweckmäßigkeit ›teleoformidade‹ ergibt. Ribeiro dos Santos zufolge bringt diese Lösung nicht nur durch die Verdichtung zu einem einzigen Wort Klarheit, sondern sie vermeidet auch die Umschreibung mit ›conformidade a um fim‹. Außerdem erlaubt sie es, ein in finalidade enthaltenes Missverständnis auszuräumen, denn dieser Begriff gilt insofern als inadäquat, als er fälschlicherweise die objektive Ausrichtung auf ein vorher­ bestimmtes Ziel suggeriert und nicht die angemessene innere Anpassung des

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Urteilsvermögens – als subjektive Modellierung – zum Ausdruck bringt, die die übrigen Fähigkeiten des Gemüts in Bewegung setzt und in Einklang bringt.1 Ein Beispiel: Schönheit ist Form der Zweckmäβigkeit eines Gegenstandes, sofern sie ohne Vorstellung eines Zwecks an ihm wahrgenommen ist. (KU, AA 05: 236) [Kursivierung hier und in den folgenden Zitaten: A.V.S.] Rohden/Marques: Beleza é forma da conformidade a fins de um objecto, na medida em que ela é percebida nele sem representação de um fim. 2 Ribeiro dos Santos: A beleza é a forma da teleoformidade de um objecto, na medida em que ela é percepcionada sem a representação de um fim. 3

Ein weiteres Beispiel: Das Bewußtsein der bloß formalen Zweckmäβigkeit im Spiele der Erkenntnißkräfte des Subjects bei einer Vorstellung, wodurch ein Gegenstand gegeben wird, ist die Lust selbst, weil es einen Bestimmungsgrund der Thätigkeit des Subjects in Ansehung der Belebung der Erkenntnißkräfte desselben, also eine innere Causalität (welche zweckmäßig ist) […], mithin eine bloße Form der subjectiven Zweckmäßigkeit einer Vorstellung, in einem ästhetischen Urtheile enthält. (KU, AA 05: 222) Rohden/Marques: A consciência da conformidade a fins meramente formal no jogo das faculdades de conhecimento do sujeito numa representação, pela qual um objecto é dado, é o próprio prazer, porque ela contém um fundamento determinante da actividade do sujeito com vista à vivificação das faculdades de conhecimento do mesmo, logo uma causalidade interna (que é conforme a fins) […] por conseguinte, uma simples forma da conformidade a fins subjectiva de uma representação num juízo estético. 4 Ribeiro dos Santos: A consciência da teleoformidade meramente formal no jogo das faculdades do conhecimento do sujeito, por ocasião de uma representação, mediante a qual um objecto nos é dado, é o próprio prazer, porque ela contém um princípio determinante da actividade do sujeito com vista à dinamização das faculdades do conhecimento do mesmo, por conseguinte, uma causalidade in1

Leonel Ribeiro dos Santos: Regresso a Kant. Ética, Estética, Filosofia Política. Lissabon 2012. 313 f. 2 Kant: Crítica da Faculdade do Juízo. Hg. und übers. von Valerio Rohden/António Marques. Lissabon 1992 [1990]. 127. 3 Ribeiro dos Santos: Regresso a Kant [Anm. 1] 314. 4 Rohden/Marques: Kant: Crítica da Faculdade do Juízo [Anm. 2] 12.

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terna (que é teleoforme) […], uma simples forma da teleoformidade subjectiva de uma representação num juízo estético.5

II.  Urteilskraft

Mit Urteilskraft passierte etwas Ähnliches. Als Übertragung von frz. ›faculté de juger‹ wurde ›faculdade de julgar‹ ein Teil des allgemeinen Wortschatzes, der nach wie vor häufig verwendet wird; dieser Ausdruck ist nicht zweideutig und reflektiert die Dynamik des Urteilens als einer Handlung. Rohden/Marques führten ihrerseits die Bezeichnung ›faculdade do juízo‹ ein (Crítica da Faculdade do Juízo). In der interpretativen Linie der italienischen Tradition von Alfredo Gargiulo/ Valerio Verra (Critica del Giudizio) und der spanischen Crítica del Juicio von Manuel García Morente verwendet Leonel Ribeiro dos Santos, indem er die Entsprechung zu lat. Iudicium wiederherstellt, ›Juízo‹, das er großschreibt, um es von ›juízo‹ (Urteil) zu unterscheiden. Die Schwierigkeiten nehmen zu, wenn es gilt, zwischen Urteilskraft, Beurteilung und Beurteilungsvermögen zu unterscheiden. Für diese Begriffe verwendet Santos ›poder de apreciar‹ und ›faculdade de julgamento‹, während Rohden/ Marques von ›julgamento‹ und ›faculdade de julgamento‹ sprechen. Ein Beispiel: Da aber der Geschmack im Grunde ein Beurtheilungsvermögen der Versinnlichung sittlicher Ideen […] ist […]. (KU, AA 05:356) Rohden/Marques: Mas visto que o gosto é, no fundo, uma faculdade de julgamento da sensificação das ideias morais […]. 6 Ribeiro dos Santos: O gosto é no fundo um poder de apreciar o modo de tornar sensíveis as ideias morais […].7

Ein weiteres Beispiel: […] ein[es] Beurteilungsvermögen[s] […], welches in seiner Reflexion auf die Vorstellungsart jedes andern in Gedanken (a priori) Rücksicht nimmt […]. (KU, AA 05: 294) Rohden/Marques: uma faculdade de julgamento que, na sua reflexão, considera em pensamento (a priori) o modo de representação de todo o outro […]. 8

5

Ribeiro dos Santos: Regresso a Kant [Anm. 1] 316. Kant: Crítica da Faculdade do Juízo [Anm. 2] 266. 7 Ribeiro dos Santos: Regresso a Kant [Anm. 1] 341. 8 Rohden/Marques: Kant: Crítica da Faculdade do Juízo [Anm. 2] 196. 6 Rohden/Marques:

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Ribeiro dos Santos: a capacidade de ajuizamento que, na sua reflexão, considera em pensamento (a priori) o modo de representação de qualquer outro […].9

Manche lexikalischen Übersetzungsschwierigkeiten stellen sich innerhalb unterschiedlicher romanischer Sprachen ähnlich dar. Historisch betrachtet, manifestierten sich durch die Einschaltung von Scharnierübersetzungen bei Übersetzungen ins Portugiesische, also durch die Berücksichtigung von lexikalischen übersetzerischen Entscheidungen in anderen romanischen Sprachen, evident vergleichbare lexikalische Übersetzungsprobleme, für die es teils gemeinsame, teils aber nur einzelsprachliche Lösungen zu geben schien und scheint. Aus dem Portugiesischen übersetzt von Jürgen Lang

9

Ribeiro dos Santos: Regresso a Kant [Anm. 1] 332.

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Wahrscheinlichkeit and Scheinbarkeit A Key Issue in Kant’s Logic and Philosophy Mirella Capozzi

There can be no doubt that Kant intends to keep the notions of Wahrscheinlichkeit (sometimes Probabilität) and Scheinbarkeit apart.1 To clarify his intention he resorts to Latin: “[…] unterscheiden wir die Wahrscheinlichkeit (probabilitas) von der bloßen Scheinbarkeit (verisimilitudo).” (Log, AA 09: 81) Thus, the first question to ask is: are probabilitas and verisimilitudo different notions and, if so, how do they differ? I.  Probabilitas and Verisimilitudo

Interpreters disagree about the question whether ancient authors, in particular Cicero, intended verisimile and probabile as different at all. Their disagreement is interestingly centred on their different assessment of the Greek terms Cicero is supposed to translate with these Latin terms. Thus Woldemar Görler maintains that Cicero uses ‘probare’, ‘adprobare’, ‘probatio’ to translate pithanon (‘persuasive’, ‘adoptable’) and uses verisimilis as a (weaker) synonym of probabilis. 2 In1 English translations I have used for the following works: – KrV. Critique of Pure Reason. Trans. by Paul Guyer and Allen W. Wood. Cambridge 1998. – NG. In: Natural Science. Trans. by Olaf Reinhardt. Cambridge 2012. 182–308. – Prol. In: Theoretical philosophy after 1781. Trans. by Gary Hatfield. Cambridge 2002. 29–169. – V-Lo/Blomberg. V-Lo/Wiener. V-Lo/Dohna. Log. In: Lectures on Logic. Trans. by J. Michael Young. Cambridge 1992. – VNAEF. In: Theoretical philosophy after 1781. Trans. by Peter Heath. Cambridge 2002. 451–460. The above-mentioned translations indicate the page number of the AA edition. The remaining translations are mine, and I give the original texts. For Probabilität, cf. Refl 2698, AA 16: 475 (1764–1775); V-Lo/Dohna, AA 24: 742; V-Lo/ Wiener, AA 24: 883. 2 Woldemar Görler: Ein sprachlicher Zufall und seine Folgen. ‘Wahrscheinliches’ bei Karneades und bei Cicero. In: Zum Umgang mit fremden Sprachen in der griechisch-römischen Antike. Ed. by Carl Werner Müller/Kurt Sier/Jürgen Werner. Stuttgart 1992. 159–171.

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stead, John Glucker, though acknowledging Cicero’s occasional use of these terms as synonyms, maintains that they differ because they translate different Greek terms: ‘probabilis’ translates pithanon, while ‘veri simile’ translates eikos (‘truthlike’), term that has “a love-hate relation with Alethes”. 3 If Cicero’s usage of probabile and verisimile as synonyms is the object of different interpretation, no question of interpretation arises concerning the different usage of these terms by Baumgarten and Meier, two particularly relevant authors to consider when interpreting Kant, since he adopted their books for his lectures on metaphysics and logic. 4 For, Baumgarten considers probabile and verisimile not to be synonyms, while Meier does.5 Baumgarten, in explaining what he means by verisimile, connects it to the key term eikos. He defines “εἰκός et verisimile” as: that of which spectators or listeners, while they see or listen, have some anticipation in their soul, what for the most part takes place, what usually happens, what is located in common opinion, what has some resemblance to these things, be it false (in a logical and very broad sense), be it true (in a logical and very narrow sense), that which is not easily adverse to our senses. 6

3 John Glucker: Probabile, Veri Simile, and Related Terms. In: Jonathan G. F. Powell (ed.): Cicero The Philosopher. Oxford 1995. 115–143. Here: 120. Cf. Victoria Wohl: Eikos in Ancient Greek Thought. In: Victoria Wohl (ed.): Probabilities, Hypotheticals, and Counterfactuals in Ancient Greek Thought. Cambridge 2014. 1: eikos (εἰκός, τὸ εἰκός) is derived from the verb eoika (‘to be like’, ‘look like’, ‘seem’) and “encompasses both the seemly (as opposed to the improper) and the merely seeming (as opposed to the real).” 4 Cf. Alexander Gottlieb Baumgarten: Metaphysica. IVth ed. Halle 1757. Reprinted in AA 15: 5–54 and AA 17: 5–226; Georg Friedrich Meier: Auszug aus der Vernunftlehre. Halle 1752. Reprinted in AA 16. 5 As to the question whether medieval scholastics used verisimilis as a synonym for probabilis, Rudolf Schuessler (Probability in Medieval and Renaissance Philosophy. In: Edward N. Zalta (ed.): The Stanford Encyclopedia of Philosophy [https://plato.stanford.edu/archives/ win2016/entries/probability-medieval-renaissance/]) explains that, while some scholars did use them as synonyms, other scholars saw only a mutual implication between them. However, he remarks that there are good reasons to assume that these two terms were not synonymous, possibly because they reflected “established differences in ancient Greek terminology, tying ‘probabilis’ to pithanon (‘persuasive’, ‘adoptable’) and ‘verisimilis’ to eikos  (‘truth-like’).” 6 Baumgarten: Aesthetica. Traiecti cis Viadrum [Frankfurt a.d.Oder] 1750–1758. Reprint Hildesheim 1986. Vol. I (1750). § 484 (“Cuius habent spectatores auditoresve intra animum, quum vident audiuntve quasdam anticipationes, quod plerumque sit, quod fieri solet, quod in opinione positum est, quod habet ad haec in se quandam similitudinem, sive id falsum [logice, et latissime], sive verum sit [logice et strictissime] quod non sit facile a nostris sensibus abhorrens: hoc illud est εἰκός et verisimile, quod Aristotele et Cicerone assentiente, sectatur aestheticus.”)

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Since eikos, as he maintains, is the name the ancients gave to beautiful truth,7 Baumgarten assigns the name verisimilitudo to aesthetic truth, 8 and takes care to explain how verisimilitudo differs from probabilitas. Verisimilitudo is the “degree of truth that, although not elevated to complete certainty, nevertheless contains nothing of observable falsehood.”9 Therefore, verisimilia are things “of which we are not completely certain and in which however we do not perceive some falsity”.10 Probabilia are things to which we give assent because “there is more reason than not to give it”.11 The difference between probabilia and verisimilia is crucial when Baumgarten focuses on probability in his Acroasis logica (1761). He concedes that what is proba­ bile (in German “wahrscheinlich, oder zuverlässig”)12 is not certain. However, since we know more requirements for its truth than for the truth of the opposite,13 probabile is not the same as dubious and need not surrender to scepticism,14 provided – he adds – that “probability is not confused with whatever verisimilitude”.15 For, “the mother πρωτο ψευδος itself concerning the certainty of so many uncertain men is the confusion of whatever verisimilitude with an even minimum degree of probability and certainty in the broadest sense of the word.”16  7 Cf.

Baumgarten: Kollegium über Ästhetik. In: Bernhard Poppe: Alexander Gottlieb Baumgarten. Seine Bedeutung und Stellung in der Leibniz-Wolffischen Philosophie und seine Beziehungen zu Kant. Nebst Veröffentlichung einer bisher unbekannten Handschrift der Ästhetik Baumgartens. Borna/Leipzig 1907. § 484: “Die Alten hießen die schöne Wahrheit eikos.”  8 Baumgarten: Aesthetica [note 6] § 483: “veritas aesthetica […] a potiori dicta verisimilitudo.”  9 Ib. (“ille veritatis gradus qui, etiamsi non evectus sit ad completam certitudinem, tamen nihil contineat falsitatis observabilis.”) 10 Ib. (“de quibus non complete quidem certi sumus neque tamen falsitatem aliquam in iisdem appercipimus.”) 11 Ib. § 485 (“ad dandum assensum plus rationis est, quam ad renegandum.”) 12 Baumgarten: Acroasis logica in Christianum L. B. de Wolff dictabat. Halae [Halle] 1761. § 350 footnote. 13 Baumgarten: Acroasis logica [note 12] § 350: “ad quorum veritatem non quidem omnia, tamen plura requisita clare novimus, quam ad veritatem oppositi.” 14 Already Christian Thomasius and Andreas Rüdiger tried to avoid scepticism by working on the notion of probability. Cf. Luigi Cataldi Madonna: La filosofia della probabilità nel pensiero moderno. Dalla Logique di Port-Royal a Kant. Rome 1988. 90 ff. 15 Baumgarten: Acroasis logica [note 12] § 352 (“modo probabilitas non confundatur cum quacumque verisimilitudine.”) 16 Ib. § 424 (“Mater πρωτο ψευδος ipsa de certitudine tam incertorum hominum est confusio cuiuscunque verisimilitudinis cum gradu vel minimo probabilitatis et certitudinis latius dictae.”) Baumgarten constitutes a counter-example to the claim of Rüdiger Campe (Improbable Probability. On Evidence in the Eighteenth Century. In: The Germanic Review. Literature, Culture, Theory. 76/2 [2001]. 143–161. Here: 157) according to whom the two meanings of Wahrscheinlichkeit, probability in a restricted sense (as in probability theory) and verisimilitude, in a broader sense (in argumentation or literary discourse), “were not yet strictly

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Meier, who writes in German, discusses aesthetic Wahrheit in a work printed before Baumgarten’s Aesthetica but depending on Baumgarten’s teachings. He too associates aesthetic truth to verisimilitudo aesthetica and eikos, but employs Wahrscheinlichkeit as the German term corresponding to verisimilitudo.17 What is more, in his logic handbook, Meier intends verosimilis and probabilis to be synonymous terms, both corresponding to the German wahrscheinlich.18 We can conclude that Kant’s decision to use probabilitas and verisimilitudo to corroborate the difference between ‘Wahrscheinlichkeit’ and ‘Scheinbarkeit’ does not conform to some commonly held opinion but is the very significant result of his choice to follow Baumgarten rather than Meier. II.  The pre-critical Kant on Wahrscheinlichkeit, Scheinbarkeit, and on a logica probabilium as a desideratum

To my knowledge, the first instance of a difference between Scheinbarkeit and Wahrscheinlichkeit occurs in Kant’s Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels (1755). In this essay he considers Wahrscheinlichkeit to be so well grounded as to require our assent, and attributes it to propositions that contribute to the growth of our cognition, something that does not apply to Scheinbarkeit, which pertains to the free digressions of wit (“freie Ausschweifungen des Witzes” [NTH, AA 01: 351]). In this way, Kant endorses Baumgarten’s difference between probabilitas (to which he implicitly associates ‘Wahrscheinlichkeit’) and verisimilitude – veritas aesthetica (to which he implicitly associates ‘Scheinbarkeit’). Accordingly, and in my opinion correctly, a recent Italian translation of separated from each other during the eighteenth century”. On this aspect of Baumgarten’s thought, cf. Mirella Capozzi: Kant e la logica. Vol. I. Naples 2002. Reprinted 2013. 692–701. 17 Cf. Meier: Anfangsgründe aller schönen Wissenschaften. 3 vols. Halle 1748–1750. Vol. I (1748). 202. § 95: “Diejenigen Wahrheiten, die nicht mit einer vollkommenen Gewis­ heit erkant werden oder werden können, deren Unrichtigkeit wir aber auch nicht klar erkennen, heißen wahrscheinliche Wahrheiten […] So wird die aesthetische Wahrheit überhaupt, eine aesthetische Wahrscheinlichkeit genent (verisimilitudo aesthetica, eikos).” Shuku Funaki: Kants Suche nach einem Maßstab für die Scheinbarkeit. In: Volker Gerhardt/Rolf Peter Horstmann/Ralph Schumacher (eds.): Kant und die Berliner Aufklärung. Akten des IX. Internationalen Kant-Kongresses. Vol 5. Berlin/New York 2001. 13–21. Here: 17 footnote, quotes this passage, as well as the above quoted passage from Baumgarten’s Aesthetica [note 6] (§ 483), but in both cases omits the Greek term eikos by substituting it with three points in square brackets. Cf. also Shuku Funaki: Kants Unterscheidung zwischen Scheinbarkeit und Wahrscheinlichkeit. Ihre historischen Vorlagen und ihre allmähliche Entwicklung. Frankfurt a.M. etc. 2002. 102 and 110. Funaki’s work (ib. 125–164) is to be recommended for the analysis of verisimile and probabile in Crusius. 18 Cf. Meier: Auszug aus der Vernunftlehre [note 4] § 171. AA 16: 427: “ist unsere Erkenntniß wahrscheinlich (cognitio probabilis, verosimilis).”

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the NTH translates Wahrscheinlichkeit with ‘probabilità’ and Scheinbarkeit with ‘verosimiglianza’.19 This brings us to the question of how these terms are usually translated. 20 Although ‘probabilità’ and ‘verosimiglianza’, through the mediation of the Latin probabilitas and verisimilitudo, are the natural and often accepted Italian translations of Wahrscheinlichkeit and Scheinbarkeit, 21 some Italian translations of Kant’s works, especially in the past, have considered these terms to be synonymous. In English Wahrscheinlichkeit is usually (not always)22 translated as ‘probability’, thus in what follows I will adopt this translation. However, translations of Scheinbarkeit vary. By moving to the logical context, where Scheinbarkeit (verisimilitudo) and Wahrscheinlichkeit (probabilitas) undergo a closer comparison as regards their certainty, we will have more elements to understand which translation of Scheinbarkeit can be considered most appropriate. A. Wahrscheinlichkeit

The Logik Blomberg (ca. 1770) explains that we hold something to be probable if we have only insufficient grounds for its truth but can determine the relationship between these insufficient grounds and the grounds that would be sufficient for certainty. This makes it possible to liken probability to “a fraction, where the sufficient ground of truth is the denominator, the insufficient grounds that I have for taking-to-be-true are the numerator.” (V-Lo/Blomberg, AA 24: 196) By representing probability as a fraction, Kant supports the shift, widely accepted at that time, from the mathematical ratio of favourable cases to the total19

Kant: Storia universale della natura e teoria del cielo ovvero Saggio sulla costituzione e sull’origine meccanica dell’intero universo secondo princìpi newtoniani. Trans. and ed. by Giacomo Scarpelli and Stefano Velotti. Rome 2009. 169. Cf. Capozzi: La sfera infinita dell’universo nella Naturgeschichte di Kant. In: Pina Totaro/Luisa Valente (eds.): Sphaera. Forma immagine e metafora tra medioevo ed età moderna. Florence 2012. 363–410. Here: 403–405. 20 The way Wahrscheinlichkeit and Scheinbarkeit are actually translated in languages other than Italian and English vary. The way they should be translated is correctly reported in Mario Caimi et al.: Diccionario de la filosofía crítica kantiana. Buenos Aires 2017. 388, where to Wahrscheinlichkeit and probabilitas is associated the Spanish ‘Probabilidad’, the French ‘Probabilité’, and the Portuguese ‘Probabilidade’; 494, where to Scheinbarkeit and verisimilitudo is associated the Spanish ‘Verosimilitud’, the French ‘Vraisemblance’, and the Portuguese ‘Verossimilhança’. 21 Cf. the translation of the passage quoted above of Log, AA 09: 81, in: Kant: Logica. Un manuale per lezioni. Trans. with an introduction and notes by Mirella Capozzi. Naples 1990 (this translation gives the original AA pagination): “noi distinguiamo la probabilità (probabilitas) dalla mera verosimiglianza (verisimilitudo).” 22 Cf. the English translation of VNAEF, AA 08: 420, where “Wahrscheinlichkeit (probabilitas)” is translated as “likelihood of truth (probabilitas)”.

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ity of possible cases of an event to the logical relationship between the favourable grounds and the totality of the grounds that would be sufficient for the truth and certainty of a proposition. Christian Wolff had promoted this shift by correlating probability to certainty. He maintained that to know a proposition with certainty means to know the sufficient reason for attributing the predicate to the subject, 23 while to know that a proposition is probabilis is to know that a predicate is attributed to the subject “ob rationem insufficientem”. 24 His next step was to equate the ratio sufficiens, supporting the certainty of a proposition, to the totality of requisita ad veritatem (in the plural) sufficient to support it. In this way, he made it also possible to equate, by analogy, the ratio insufficiens, supporting a probable proposition, to some, but not all, the requisita ad veritatem that would justify the attribution of the predicate to the subject. 25 Consequently, he made it possible to consider probability as a partial truth, and to represent the relationship between the insufficient requirements to this partial truth and the totality of the requirements sufficient to truth as a mathematical fraction. 26 Within this theoretical framework, Kant makes it clear that the fraction of probability must meet two conditions. I) The numerator, which stands for the insufficient grounds (in Latin: rationes), must not express the grounds available to some individual, but must be objective, i. e. grounds that concern the object and are valid for anyone. II) The denominator must stand for all the objective grounds that would be sufficient for certainty: “If we had no cognition of the sufficient ground of certainty, we would not be able to make any judgment whatsoever concerning the probability or improbability of a thing. All of these arise, namely, from the relation of our grounds of cognition to certainty.” (V-Lo/Blomberg, AA 24: 145) In other words, “one must not compare the grounds one with the other, but with the sufficient grounds” (V-Lo/Philippi, AA 24: 433 [“Man muß die Gründe nicht untereinander, sondern mit den zureichenden Gründen vergleichen.”]) because, in determining the probability of something, “certainty and the sufficient ground are the measuring stick.” (V-Lo/Blomberg, AA 24: 145) Kant maintains that both these conditions are met by the calculus of probability applied not only to lotteries and gambling games, but also to the statistical evalu23

Christian Wolff: Philosophia rationalis sive logica. In: Id.: Gesammelte Werke, Part 1. Vols. 1.2. Ed. by Jean École. Hildesheim/Zurich/New York 1983. § 575: “singula requisita ad veritatem sunt rationes partiales, cur praedicatum subjecto conveniat, et omnia simul sumpta constituunt rationem sufficientem.” 24 Ib. § 578 (“si praedicatum subjecto tribuitur ob rationem insufficientem, propositio dicitur probabilis.”) 25 Ib. (“Patet adeo in probabili propositione praedicatum subjecto tribui ob quaedam requisita ad veritatem.”). 26 Cf. Arno Seifert: Cognitio historica. Die Geschichte als Namengeberin der frühneuzeitlichen Empirie. Berlin 1976. 170.

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ation of empirical matters, 27 such as mortality rates: “One can actually calculate mathematically the degree of probability or the degree of improbability of one or another empirical thing. Thus, e. g., in all games, lotteries, in the death of human beings according to their years, and many other augmentative phenomena, as changes in the world.” (V-Lo/Blomberg, AA 24: 196)28 B. Scheinbarkeit

Scheinbarkeit does not meet the two conditions Kant imposes on probability. I) Scheinbarkeit is not based on objective, but on subjective grounds and is not valid for everyone: “the objective grounds of holding to be true, since they are in the object, are valid for all. The Scheinbarkeit is valid only for singular subjects.” (­ V-Lo/ Philippi, AA 24: 436 [“Objektive Gründe des Vorwahrhaltens, da sie im Objekt sind gelten für alle. Die Scheinbarkeit gilt nur für einzelne Subjekte.”])29 II) Scheinbarkeit is not based on insufficient grounds that stay in a definite relationship with the reasons that would be sufficient to certainty. 30 The Refl 2591 highlights how these features make Scheinbarkeit differ from probability: “In probability one must not compare the grounds, which one knows in favour of the thing, with the grounds 27 Cf. Johann Heinrich Lambert: Neues Organon. Leipzig 1764. In: Id.: Philosophische Schriften. Vols. I–II. Ed. by H. W. Arndt. Hildesheim 1965. Vol. II. Phaenomenologie. § 153: “Die Glücksspiele haben das besonders, daß man aus ihrer Einrichtung die möglichen Fälle abzählen, und den Grad der Möglichkeit von jeden bestimmen kann. Auf diese Art wird die Wahrscheinlichkeit jeder Fälle a priori berechnet […] Man hat aus diesem Grunde angefangen die Lehre der Wahrscheinlichkeit auch in andern Fällen zu gebrauchen. Denn da die Natur nicht nur bei Glücksspielen, sondern in unzähligen andern Dingen, nach sehr zusammengesetzten Gesetzen wirkt, so daß man aus der Erfahrung nur das Produkt von allen erkennen kann, so hat man diese Producte abgezählt, um dadurch den Grad eines jeden Gesetzes, und die Probabilität der Fälle, da es die Oberhand hat, zu finden.” 28 At this time Kant had read the research on demography and population statistics – illustrated with life tables and based on a divine design – of Johann Peter Süßmilch: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts, aus der Geburt, Tod, und Fortpflantzung desselben erwiesen. Berlin 1741 [with a Preface by Wolff]; second edition with the title: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts, aus der Geburt, dem Tode, und der Fortpflantzung desselben. 2 vols. Berlin 1761–1762. Kant, who had the second edition in his library [cf. Arthur Warda: Immanuel Kants Bücher. Berlin 1922. 44], discusses Süßmilch, in: BDG, AA 02: 111 and 122. For the correctness of Kant’s references to Süßmilch, cf. Paul Menzer, editor of Kant’s BDG, AA 02: 472. Kant’s respect for Süßmilch can be argued from the fact that he accompanied a letter to Moses Mendelssohn (7 February 1766, AA 10: 67–68) with copies of his TG to be distributed to a number of scholars that included Süßmilch. 29 Cf. Refl 2452, AA 16: 375 (1764–1770). 30 Cf. V-Lo/Blomberg, AA 24: 145: with Scheinbarkeit there is “no relation of the grounds of cognition to certainty.”

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of the opposite, but with the sufficient grounds of certainty. The first constitutes only the Scheinbarkeit, verisimilitudinem.” (AA 16: 432 [1764–1773/1775 [“Man muß bey der Warscheinlichkeit nicht die Gründe, die man vor die Sache kennt, mit den Gründen des Gegentheils, sondern mit dem zureichenden Grunde der Gewisheit vergleichen. Jenes macht nur die Scheinbarkeit, verisimilitudinem, aus.”]) As I have already remarked, the English translations of Scheinbarkeit vary. Sometimes it is translated as ‘likelihood’ (cf. e. g. FM, AA 20: 299), and more often as ‘plausibility’, in particular in Young’s very good translation of some of Kant’s lectures on logic, which I have adopted here. However, ‘plausibility’ does not account for the double character of the Latin verisimilitudo chosen by Kant to explain what he means by Scheinbarkeit. Verisimilitudo, as resemblance to truth (apart from its use in the field of aesthetic) has the positive meaning of plausibility when we cannot assess the truth or the probability of something and, by resorting to a consciously subjective evaluation of grounds pro et contra that something, we express a plausible judgment. Nevertheless, verisimilitudo can also be the semblance of truth that can deceive us to the point that we are brought to take falsehoods for truths or, worse, to be persuaded through captious arguments to take false or dubitable propositions for true. In this pejorative meaning, verisimilitudo is sometimes connected by Kant not only to Scheinbarkeit, but also to Wahrheitsschein (VNAEF, AA 08: 420), 31 to Warheitsanschein (Refl 1531, AA 15: 959 (1797) [“Warheitsanschein (verisimilitudo) und Warscheinlichkeit (probabilitas). Jene für die Sinne, diese für den Verstand.”]) and even directly to Schein (Refl 2209, AA 16: 272 [1773–1778]: “Probabilitas ist vom Schein, verisimilitudo, unterschieden.”), 32 all terms that cannot be said to correspond to ‘plausibility’. Therefore, ‘verisimilitude’, which is the term chosen by Hartman and Schwarz in their translation of the Logik Jäsche, 33 seems the appropriate candidate for a translation of Scheinbarkeit that captures the dual nature of the Latin verisimilitudo and of its Greek ancestor eikos. In what follows, I will use it. C. The logica probabilium as a desirable undertaking

We have seen that Kant marks the difference between probability and verisimilitude by resorting to the example of probability calculi. Therefore, it is not surprising that he acknowledges the merits of Jakob Bernoulli, whose Ars con31

In the English translation “Wahrheitsschein (verisimilitudo)” is translated as ‘semblance of truth’. 32 Cf. Refl 2247, AA 16: 285 (1773–1775): “species (veritatis), der Schein. (Scheinbar.) probabilitas: Wahrscheinlichkeit.” 33 Cf. Kant: Logic. Trans. and introduction by Robert S. Hartman and Wolfgang Schwarz. Indianapolis/New York 1974. 89 ff.

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jectandi was in his personal library. 34 Nonetheless, the Logik Blomberg, following Meier’s presentation of the division of logic, 35 maintains that “logic deals with the rules either of certain, or of probable, learned cognition [;] the latter is called logica probabilium.” (V-Lo/Blomberg, AA 24: 38) This text, however, remarks that a logica probabilium “would be very useful” because “Bernoulli wrote one, to be sure, but it is nothing but a mathematics that is applied to cases of chance. He shows, e. g., how to throw 8 times according to the rules of probability”, and even the contributions of probability to the emerging actuarial science that applied mathematical and statistical methods to assess risk in insurance, e. g. in the constitution of ‘funeral funds’ (Sterbe-Cassen) are “merely examples”. (ib.) These statements comply with the point of view of those who, often referring to Leibniz, 36 argued that, in logic, the theory of deduction should be complemented by a theory teaching how to deal with all sorts of uncertain circumstances, e. g. when deliberating about political, military, medical, and juridical matters. 37 This point of view was well represented by Ludovic Martin Kahle, a scholar whose work Kant knew. 38 Kahle, who praised Bernoulli’s ground-breaking advancements in probability, maintained that Bernoulli’s work – just as the works of Huygens, de Montmort, de Moivre and Rizzetti – contained only “examples of conjectures in games” (almost the same words of the Logik Blomberg), but lacked special principles for applying probability to “human actions”. 39 Meier too admit34

Warda: Immanuel Kants Bücher [note 28] 38. Cf. Meier: Auszug aus der Vernunftlehre [note 4] AA 16: 72. 36 For Leibniz’s interest in a logica probabilium or logocritica contingentium, cf. Campe: Improbable Probability [note 16] 159. On Leibniz’s search of a new kind of logic, cf. James Cussens: Probability and Statistics. In: Maria Rosa Antognazza (ed.): The Oxford Handbook of Leibniz. Oxford 2018. 259–271. Here: 260–262. Cf. also Maria Rosa Antognazza: Leibniz. A Very Short Introduction. Oxford 2016. Chap. 2. 37 Cf. for example Hans Blumenberg: Paradigms for a Metaphorology. Trans. by Robert Salvage. Ithaca, NY 2010. 92, who discusses at length the importance attributed by Moses Mendelssohn to probability calculations in games of chance, wagers, insurance, lotteries, legal matters, and also historical credibility. Blumenberg also highlights Mendelssohn’s mention of Leibniz’s wish of a rational art of the probable, as well as Mendelssohn’s stress on the need – to fulfill this wish – of particular rules in addition to those given by the mathematicians of probability. 38 Cf. Ludovic Martin Kahle: Elementa logicae probabilium methodo mathematica in usum scientiarum et vitae adornata. Halae 1735. Kant had this book in his personal library, cf. Warda: Immanuel Kants Bücher [note 28] 51. 39 Kahle: Elementa logicae probabilium [note 38] Praefatio. V: “Solus fere hac in re ingenii vires expertus fuit Iacobus Bernoulli, cuius ars conjectandi specimina tantum continet coniecturarum in ludis, & artem combinatoriam, quae pertexenda auctorem diu occupavit; adeo ut casus & exempla ad actiones humanas adplicari nequeant, ob defectum principiorum, quae in elementis Logicae probabilium contineri debent, generalium.” 35

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ted: “one would willingly know the rules for finding grounds for and against a truth and for weighing one with the other, in order to know rationally on which side the stronger grounds are met.”40 However, while Kahle claimed that a logica probabilium (particularly his own) was already under construction, 41 Meier observed that a much needed Vernunftlehre des Wahrscheinlichen was “still to be discovered”. 42 Kant agrees with Meier. For the Logik Blomberg remarks that the logica probabilium “we are talking about here […] is not available” because “just as it is easier to make a circle than an ellipse, and easier to give the rules for virtue than those for inconstancy, so can one more easily find the rules for certain cognition than those for probable cognition.” (V-Lo/Blomberg, AA 24: 38) Yet, the precritical Kant believes that a logica probabilium, which “ought to extend to the experience of all men”, is a possible and desirable undertaking, a belief that makes us wonder if he went so far as to consider such a logic – if it were achieved – capable of blurring somehow his own distinction between the fields of probability and verisimilitude. III.  The critical Kant on numerieren, ponderieren, and the impossibility of a logica probabilium

At the time of the first Critique and after, Kant does not recede from his precritical view that the grounds of probability must be I) objective and II) related to all the grounds that would be sufficient to certainty, so as to allow a calculus. For he continues to declare: “all probability can be expressed as a fraction, the denominator is the number of all possible cases, the numerator is the number of actual cases.” (V-Lo/Pölitz, AA 24: 554 [“Alle Wahrscheinlichkeit kann man bruchweise ausdrücken, der Nenner ist die Zahl aller möglichen Fälle, der Zehler die Zahl der würklichen Fälle.”]) He also continues to exemplify the fraction of probability with games of chance and lotteries “if someone is to roll 8 with 2 dice, he has 6 winners and 36 possible cases. The fraction is 6/36, then, of which the opponent has 30 cases and he has 6.” (V-Lo/Wiener, AA 24: 880) What characterizes Kantian logical texts of the critical period is their stress on a property that the grounds of probability must have. The numerator and the denominator of the fraction of probability must consist of grounds that can

40

Meier: Vernunftlehre. Halle 1752. § 12. Cf. also § 207. On Kahle, cf. Rüdiger Campe: The Game of Probability. Literature and Calculation from Pascal to Kleist. Trans. by Ellwood H. Wiggins jr. Stanford 2013. 344–347. 42 Meier: Vernunftlehre [note 40] § 12 (“diese nützliche und nöthige Wissenschaft sey noch nicht erfunden worden”). 41

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be enumerated and, in order to be enumerated, must be homogeneous because “quantities contain nothing but what is homogeneous.” (ib.) This has a bearing on the way Kant now differentiates verisimilitude from probability. He does repeat that the grounds of verisimilitudo are subjective and lack a relation to the grounds that would be sufficient for certainty. 43 However, just as he now claims that the grounds of probability must be homogeneous and enumerable, thus he underscores that the grounds of verisimilitude are heterogeneous and can only be pondered: “If the grounds of holding-to-be-true are homogeneous, then the degree of holding-to-be-true depends on their number, or they must be enumerated; if they are heterogeneous, they must be pondered.” (V-Lo/ Pölitz, AA 24: 555 [“Wenn die Gründe des Fürwahrhaltens homogen sind: so kommt der Grad des Fürwahrhaltens auf die Zahl derselben an, oder sie müßen denn numerirt werden; sind sie heterogen: so müßen sie ponderirt werden.”]) Briefly, the critical Kant ascribes the true reason for the subjective nature of verisimilitude to the heterogeneity of the grounds: the weight that a ground has with respect to a heterogeneous antagonistic ground depends on who is balancing the weights. The Logik Dohna-Wundlacken (1792) exemplifies the numerieren of the grounds of probability and the ponderieren of the grounds of verisimilitude with, 43 Cf. Refl 2601, AA 16: 435–436 (1776–1789): “Verisimilitudo: the relation of the grounds in favour of the thesis to those of the opposite, without having the standard of certainty.” (“Verisimilitudo: das Verhaltnis der Gründe vor die Behauptung zu denen des Gegentheils, ohne den Maasstab der Gewisheit zu haben”); Refl 2603, AA 16: 436 (1776–1778 or 1780s): “the subjective ground of holding-to be-true, which is greater than that of the opposite, is the verisimilitude (verisimilitudo), the objective ground is probabilitas. One can only know this [i. e. probabilitas] if one cognizes the relation of the grounds to the sufficient ground.” (“Der subiective Grund des Vorwarhaltens, der größer ist als der des Gegentheils, ist die Scheinbarkeit (verisimilitudo), der obiective ist probabilitas. Dieses kan man nur wissen, wenn man das Verhältnis der Gründe zum Zureichenden erkennt.”); Log, AA 09: 82: “With probability there must always exist a standard in accordance with which I can estimate it. This standard is certainty. For since I am supposed to compare the insufficient grounds with the sufficient ones, I must know how much pertains to certainty. Such a standard is lacking, however, with mere plausibility, since here I do not compare the insufficient grounds with the sufficient ones, but only with the grounds of the opposite.” V-Lo/Pölitz, AA 24: 555: “Verisimilitude is the validity of a cognition on the basis of insufficient grounds, so far as they are greater than the grounds of the opposite. Here, therefore, I do not compare it with the sufficient grounds, but only with the grounds of the opposite, so I do not know how much belongs to certainty, as in probable cognition.” (“Scheinbarkeit ist die Gültigkeit einer Erkenntniß aus unzureichenden Gründen, so fern sie größer sind als die Gründe des Gegenteils. Hier vergleiche ich sie also nicht mit den zureichenden Gründen, sondern nur mit den Gründen des Gegenteils, ich weis also nicht wieviel zur Gewisheit wie beim wahrscheinlichen Erkenntniß gehört.”); V-Lo/Dohna, AA 24: 742: “The relation of the grounds for the truth to grounds of the opposite (verisimilitudo). But the relation of the grounds for the truth to the sufficient grounds is probability.”

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respectively, a game of dice and the evaluation of testimonies in a court of justice. This text somehow concedes the use of the word probability in both cases, but adds that, in the second case, probability is simply subjective: All probability is found numerando [,] by counting up [,] or ponderando. The first way requires homogeneity, e. g., throw of the dice, just as easily 3 sixes as 3 eights. I am to throw 8 with 2 dice. Here 5 cases are possible. The probability can be counted up, is = 5/36 of certainty. But when something [is] to be figured out by guesswork, e. g., testimony, then the grounds have to be pondered, e. g., a man of good upbringing, etc. Where the grounds are enumerated, I can say that it is probable, but where they are pondered, only that it is probable to me. (V-Lo/ Dohna, AA 24: 742)

A marginal text (1794) of the Logik Bauch offers a similar but more detailed example of ponderieren: that man stole –1) because he spends more than he earns; 2) because he is in a society of thieves and so on. As contrary grounds especially the English bring forward the alibi, that is, he has not been in the place where this should have happened. – Where the grounds have more weight, now as contrary grounds now vice versa, it is not probability. I cannot say that it is probable, but that it is probable for me. 44

Of course, what is probable ‘for me’ is not probable in the proper sense of the word because probability is valid for anyone. From the homogeneity of grounds required for probability, a number of consequences follow. As concerns cognition, “my cognition of a probable object can be certain and correct.” (V-Lo/Pölitz, AA 24: 554 [“Mein Erkenntniß von einem wahrscheinlichen Object kann gewis und richtig seyn, nur halte ich durch daßelbe so das Object für wahrscheinlich.”])45 Whoever holds something to be probable 44 Cf.

Logik Bauch. In: Kant: Logik-Vorlesung: unveröffentlichte Nachschriften I. Ed. by Tillmann Pinder. Hamburg 1998. Rand-Text 99. 250 (ms. 87) (“z.B. der hat gestohlen –1) weil er mehr Geld ausgibt als er einnimmt; 2) weil er in einer Stehlgesellschaft ist cetera Als Gegengründe bringen besonders die Engländer das Alibi d. h. er ist nicht an dem Ort gewesen, wo das geschehn seyn soll, vor. – Wo die Gründe bald als Gegengründe bald Vice Versa mehr Gewicht haben ist nicht Wahrscheinlichkeit. Ich kan nicht sagen, das ist wahrscheinlich, sondern die Sache ist mir wahrscheinlich.”) 45 Cf. also Warschauer Logik. In: Kant: Logik-Vorlesung: Unveröffentlichte Nachschriften II. Ed. by Tillmann Pinder. Hamburg 1998. 590 (ms. 90v); Refl 2214, AA 16: 273 (1776– 1780s): “Probability really only concerns things, but not cognitions. Cognition of the probable must be true.” (“Warscheinlichkeit betrift eigentlich nur Sachen, aber nicht Erkentnisse. Die Erkentnis des warscheinlichen muß wahr seyn.”); Refl 2599, AA 16: 435 (1776–1780s): “The object is probable; but our cognition, as much as we know about the object, is true.” (“Das Obiect ist warscheinlich; aber unsere Erkenntnis, so viel wir vom Obiect wissen, ist wahr.”)

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has a certainty comparable to that of one who knows. For, whoever knows can say ‘I am certain’ that ‘the thing is certain’; whoever holds something to be probable can say ‘I am certain’ that ‘the thing is probable in a determined measure’. Accordingly, in the Prolegomena Kant declares that the calculus probabilium of arithmetic contains not probable but completely certain judgments about the degree of possibility of certain cases under given homogeneous conditions, which, in the sum total of all possible cases, must be found to conform to the rule with complete infallibility, even though this rule is not sufficiently determinate with respect to any single case. (Prol, AA 04: 369)

As concerns the probability of the object, the clause that the insufficient grounds supporting it must be homogeneous and enumerable makes it possible to say that the number of these grounds can increase to the point of becoming sufficient. Therefore, probability can be seen as “a partial truth […] and the probable belongs to truth just like the insufficient belongs to the sufficient. For if more grounds are added to probability, it becomes true.” (V-Lo/Pölitz, AA 24: 507 [“Wahr­ scheinlichkeit ist eine partiale Wahrheit […] Wahrscheinlich ist ein Urtheil über die Wahrheit aus gewißen aber unzureichenden Gründen und das Wahrscheinliche gehört eben so zur Wahrheit wie das Unzureichende zum Zureichenden. Denn wenn zum Wahrscheinlichen noch mehr Gründe hinzukommen, so wird es wahr.”]) 46 Kant insists that we can progressively achieve truth “through the mere complement of what is missing” (Refl 6442, AA 18: 717 [1790–1795] [“alles warscheinliche muß auf dem Wege zur Gewisheit liegen, so fern dieses durch die bloße Ergänzung des Mangelnden im Fortschritt erreicht”], and what is missing “is only a complementum” of “homogeneous grounds”. (V-Lo/Dohna, AA 24: 742–743) Conversely, “if the grounds of holding-to-be-true are not objective at all, then thereby no step at all closer to the object takes place; therefore here one cannot establish probability.” (Refl 2621, AA 16: 441 [1790s or 1776–1778] [“Wenn die Gründe des Vorwahrhaltens gar nicht obiectiv sind, so geschieht dadurch gar kein Schritt naher zum Obiect; daher kan man da auch nicht Warscheinlichkeit setzen.”]) Clearly Kant has decided to narrow the scope of the probable to what is calculable, drawing the consequence that “a logic of probability is an impossible undertaking”, unless “one understands thereby the part of logic where the concepts of the probable, the doubtful, etc., are made understandable.” (V-Lo/Wiener, AA 24: 883) The Logik Jäsche explains: “there has been much talk of a logic of probability (logica probabilium). But this is not possible; for if the relation of the insufficient grounds to the sufficient ground cannot be weighed mathematically, 46

Cf. also Warschauer Logik [note 45] 513 (ms. 9r).

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then rules do not help at all.” (Log, AA 09: 82) With these words Kant tacitly disowns his precritical hope of a new logic capable of providing a balance to rely on in all kinds of deliberations with the same precision obtained when assessing the probability of games of chance. This does not depend on the difficulty of the enterprise, as the Logik Blomberg suggested. It depends on Kant’s now matured conviction that a universal balance, envisaged by Leibniz to deal with cases in which the grounds are not to be enumerated but are to be pondered, simply does not exist. 47 Better, every judging person has a personal balance with which to weigh heterogeneous grounds, so that the outcome of the weighing procedure may well make this person consider something verisimilis, but does not allow this person to consider it probabilis. Kant warns against the deceiving effects of mistaking verisimilitude for probability. However, once these two notions are carefully distinguished, and a logic of probability dealing with both is declared impossible, he shows appreciation for the positive aspect of verisimilitude we mentioned in Sect. II. B. For, if verisimilitude is the result of careful weighing heterogeneous grounds pro et contra, Kant acknowledges its role not only in the ponderations of a judge but also in our provisional judgments: “verisimilitudo gives the ground for a provisional judgment.” (Refl 2595, AA 16: 434 [1769–1775] [“verisimilitudo giebt den Grund eines vorläufigen Urtheils.”]) A provisional judgment is a judgment in which I represent that, while there are more grounds for the truth of a thing than against it, these grounds still do not suffice for a determining or definitive judgment, through which I simply decide for the truth. Provisional judging is thus merely problematic judging with consciousness. (Log, AA 09: 74)

Provisional judgments, as long as we consider them only problematic, orientate our behaviour and our investigations. These judgments are quite necessary, indeed, indispensable, for the use of the understanding in all meditation and investigation. For they serve to guide the understanding in its inquiries and to provide it with various means thereto […] when we go after inventions or discoveries, we must always make a provisional plan, otherwise our thoughts go on at random. (Log, AA 09: 75) 48 47

For Leibniz’s concepts of statera juris, trutina rationis and judex controversiarum, cf. Maurizio Ferriani: Leibniz, Bernoulli, il possibile e il probabile. In: Dino Buzzetti/Maurizio Ferriani (eds.): La grammatica del pensiero. Logica, linguaggio e conoscenza nell’età dell’Illuminismo. Bologna 1982. 151–182. Here: 154 f. 48 Cf. Capozzi: Kant on Heuristics as a Desirable Addition to Logic. In: Carlo Cellucci/ Paolo Pecere (eds.): Demonstrative and Non-Demonstrative Reasoning in Mathematics and Natural Science. Cassino 2006. 123–181.

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Since provisional judgments in particular facilitate the search of promising hypotheses in our practice of problem solving, 49 verisimilitude, which gives these judgments a ground, acquires a far greater significance than just serving to clarify Kant’s notion of probability.50 A.  Probability and dialectic

Kant’s concept of probability has an important role in his criticism of the division of logic in analytic and dialectic that went back to the Aristotelian tradition. Aristotle defined the dialectical syllogism as having premises founded on endoxa, where “those [things] are acceptable [endoxa] […] which seem so to everyone, or to most people, or to the wise – to all of them, or to most, or to the most famous and esteemed.”51 The connection of the dialectical syllogism with probability, which was established when Boethius translated endoxos as ‘probabile’, 52 was handed down well into the eighteenth century by handbooks of the history of philosophy, such as Brucker’s Historia critica philosophiae, which described Aristotle’s logic as having two aims, namely: “probable and certain truth. To the first aims dialectic, which discusses of truth with probable reasons, to the latter aims analytic, which rests on certain demonstrations.”53

49

Capozzi: Le ipotesi secondo Kant. Requisiti, giustificazione, status epistemico e euristica. In: Syzetesis VI/1 (2019). 153–189. Here: 183 f. 50 It is appropriate to at least mention here that the ‘mathematical’ concept of probabi­ lity, modelled on the a priori probability of games of chance, makes it difficult for Kant to justify the probability of hypotheses, as well as that of empirical matters, such as the demographic and statistical investigations he is interested in. On these problems, and on the way Kant tries to solve them, cf. Capozzi: Kant e la logica [note 16] 657–668; Capozzi: Le inferenze del Giudizio riflettente nella logica di Kant. L’induzione e l’analogia. In: Studi Kantiani 24 (2011). 11–48. Here: 31–38; Capozzi: Le ipotesi secondo Kant [cf. note 49] 170–174. 51 Cf. Aristotle: Topics Books I & VIII: With excerpts from related texts. Trans. with a Commentary by Robin Smith. Oxford 1997. Top. I, 1, 100b 21–23. 52 Cf. Anicii Manlii Severini Boethii: De differentiis topicis libri quatuor. In: Patrologia Latina. Ed. by Jacques-Paul Migne. Vol. LXIV. Paris 1860, 1180C–D: “Probabile […] est quod videtur vel omnibus, vel pluribus, vel sapientibus, et his vel omnibus, vel pluribus, vel maxime notis atque praecipuis, vel quod unicuique artifici secundum propria facultatem […], id prae­terea quod videtur ei cum quo sermo conseritur.” Cf. Alfonso Maierù: Terminologia logica della tarda scolastica. Rome 1972. 398 ff. 53 Johann Jakob Brucker: Historia critica philosophiae a mundi incunabulis ad nostram usque aetatem deducta. 5 vols. Lipsiae 1742–1744. Vol. I. 805 (“veritas probabilis et certa. Ad illam tendit dialectica, quae probabilibus rationibus de veritate disserit; ad hanc analytica, quae certis demostrationibus nititur.”)

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An echo of these doctrines is in Meier’s division of logic to which we have referred before, 54 for he says that logic is divided in the “rational doctrine of the entirely certain learned cognition (analytica)”, and the “rational doctrine of the probable learned cognition (dialectica, logica probabilium)”. 55 Actually, Meier does no more than inform his readers of the age-old association of probability with dialectic. For we have seen him auspicating a new Vernunftlehre des Wahrscheinlichen, whose proponents either criticized Aristotle for having grounded probability on endoxa, 56 or blamed Boethius’ translation of endoxa as ‘probabilia’.57 As concerns the precritical Kant, we have shown that he agreed with Meier on the need of a logica probabilium, which certainly did not coincide with the old Aristotelian one and should exceed Bernoulli’s calculi, but we have no evidence that he dwelled much on the association of probability with dialectic.58 This association becomes a matter of primary importance at the time of the first Critique because Kant firmly rejects it, just as he rejects the division of logic into analytic and dialectic by appealing to his critical conception of logic and probability. The critical Kant conceives logic as “the science of the rules of the understanding in general”, indeed of “the necessary rules of thought.” (KrV, A 52/B 76, AA 03: 75) [“die Wissenschaft der Verstandesregeln überhaupt”, “die schlechthin nothwendigen Regeln des Denkens”]) These rules pertain “only the logical form” (KrV, A 55/B 79, AA 03: 77 [“nur die logische Form”]), and have no bearing on the “difference in the objects to which the understanding may be directed.” (KrV, A 52/B 76, AA 03: 75 [“Verschiedenheit der Gegenstände, auf welche er [scilicet der Verstand] gerichtet sein mag”]) Therefore, logical rules constitute a formal canon of truth, which is neither an art of practical utility nor an instrumental organon of truth. Since, in order to determine its formal principles, the science 54

Cf. Sect. II. C. Meier: Auszug aus der Vernunftlehre [note 4] AA 16: 72. 56 Cf. Kahle: Elementa logicae probabilium [note 38] § 36, who blamed Aristotle for having “adorned with the name of probability the prejudice of authority [qui praeiudicium auctoritatis, nomine probabilitatis ornavit]”, i. e. the prejudice according to which “probable are the things that seem to a few or to many [probabilia esse quae nonnullis aut multis videntur]”. Cf. also Gottfried Wilhelm Leibniz: Nouveaux Essais sur l’entendement humain. In: Id.: Die philosophischen Schriften. Ed. by Carl Immanuel Gerhardt. 7 vols. Berlin 1875–1890. Vol. V. Book IV. Ch. XVI. § 5. 57 Cf. Karl Heinrich Frömmichen: Über die Lehre des Wahrscheinlichen und den politischen Gebrauch derselben, wobey zugleich eine Theorie des Wahrscheinlichen angezeigt wird. Braunschweig/Hildesheim 1773. 7 ff. On Frömmichen, cf. Giorgio Tonelli: Kant und die antiken Skeptiker. In: Studien zu Kants philosophischer Entwicklung. Ed. by Heinz Heim­ soeth/Dieter Henrich/Giorgio Tonelli. Hildesheim 1967. 93–123. 58 A sketchy reference to the probability-dialectic connection is in the V-Lo/Herder, AA 24: 5 (1762–1763): “Probability dialectica is more difficult, because probability.” (“Wahr­ schein­l ich­keit dialectica ist schwerer, weil Wahrscheinlichkeit.”) 55

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of logic engages in the resolution of “the whole formal procedure of the understanding and reason into its elements” (KrV, A 60/B 84, AA 03: 80 [“das ganze formale Geschäfte des Verstandes und der Vernunft in seine Elemente”]), it is called ‘analytic’.59 As to the critical concept of probability, we know that Kant abandons his precritical views. By insisting on the clause of the homogeneity of the grounds, which makes probability different from verisimilitude, he restricts it to the probability that can be subjected to a calculus and is, therefore, a measurable part of truth that, if complemented by additional homogeneous grounds, can become truth. As such, probability belongs to the logic of truth, that is, to analytic. Now, if logic coincides with analytic, and if probability belongs to analytic, then the division of logic in analytic and dialectic, justified by the association of the latter with probability, is no longer acceptable, not even at a terminological level.60 Consequently, in the first page of the Transcendental Dialectic of the Critique of pure reason, Kant maintains: Above we have called dialectic in general a logic of illusion. That does not mean that it is a doctrine of probability; for that is truth, but cognized through insufficient grounds, so that the cognition of it is defective, but not therefore deceptive, and so it need not be separated from the analytical part of logic. (KrV, A 293/B 350, AA 03: 234 [Wir haben oben die Dialektik überhaupt eine Logik des Scheins genannt. Das bedeutet nicht, sie sei eine Lehre der Wahrscheinlichkeit; denn diese ist Wahrheit, aber durch unzureichende Gründe erkannt, deren Erkenntniß also zwar mangelhaft, aber darum doch nicht trüglich ist und mithin von dem analytischen Theile der Logik nicht getrennt werden muß.]) 61

59 Cf. V-Lo/Wiener, AA 24: 793: the analytic “through the analysis of our understanding, presents the universal rules of the form of our understanding, hence the necessary rules of all truth.” 60 On this account, Kant criticizes Meier, cf. V-Lo/Wiener, AA 24: 794: “Our Author believes that dialectic is the logic of probability.” In addition to Meier, Kant also refers to other scholars. Cf. V-Lo/Pölitz, AA 24: 507: “The Author and others opine that dialectic is the logic of probability.” (“Der Autor und andre meinen Dialektik sey die Logik der Wahrscheinlichkeit.”) Among these “other” scholars is Joachim Georg Darjes who – in Introductio in artem inveniendi seu logicam theoretico-practicam: qua analytica atque dialectica in usum et jussu auditorum suorum. Jenae [Jena] 1742. Part II. § 1 – calls dialectic or logica probabilium the science for finding truth in a probable way. Cf. also Baumgarten who, in Acroasis Logica [note 12], on the one hand uses dialectica as one of the names of logic and, on the other hand (cf. the title of the 7th Chapter of the book), calls dialectica the part of logic dealing with scientia, fides and opinio, and includes in that part of logic the treatment of probability I mentioned in Sect. I. 61 Kant had called dialectic a “Logik des Scheins” in KrV, A 61/B 86, AA 03: 81.

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The Logik Busolt explains why the division of logic of the Aristotelians reported by Meier is wrong and which the appropriate one is: By the Aristotelians, logic was divided into analytic and dialectic, that is, according to the Author’s definition, in logic 1. of certain cognition and 2. of probable cognition. However, in this way one cannot distinguish them perfectly enough: for both are of such a form as to have truth as their object and differ only with respect to certainty, since one presents the first one through insufficient grounds, the second one through sufficient grounds. The appropriate definition of analytic and dialectic should be this: analytic is the logic of truth, dialectic is the logic of semblance, so what is now logic according to this definition, is it analytic or dialectic? Viewed as a canon, it is an analytic, and as an organon, a dialectic. (V-Lo/ Busolt, AA 24: 612) 62

Having secured probability a place within analytic, and having put an end to the association of dialectic with probability, Kant limits the meaning of dialectic to that of an ars disputatoria to which he denies any place in logic as he conceives it.63 He takes care to distinguish the ars disputatoria from the praiseworthy ancient sceptical method of examining questions from two opposite sides because – he explains – “to engage in controversies for the sake of truth” is very different from “to dispute for the sake of being right, i. e. of predominating in the contest.” (Refl 3473, AA 16: 857 [1760–1772] [“controvertiren um der Warheit willen; disputiren um der Rechthaberey, d. i. der Obermacht im streit.”]) For this very reason, he regrets that already in ancient times dialecticians began following the example of sophists who mastered “the art of speaking about any object pro et contra” (VLo/Dohna, AA 24: 695), a bad example that led dialectic to become “a sophistical art for giving to its ignorance, indeed even to its intentional tricks, the air of truth.” (KrV, A 61/B 86, AA 03: 81 [“eine sophistische Kunst, seiner Unwis62

V-Lo/Busolt, AA 24: 612 (“Bei den Aristotelicern wurde die Logic in Analytik und Dialektik d.i. nach des Autors Erklärung in die Logic 1. des gewissen und 2. des wahrscheinlichen Erkenntnißes unterschieden. Allein so kann man sie nicht vollkommen genug unterscheiden: denn beides hat solcher Gestalt Wahrheit zum Objekt und es differirt nur in Ansehung der Gewißheit, indem man das eine durch unzulängliche, das andere durch zulängliche Grunde darstellt. Die gehörige Erklärung, der Analytic und Dialectic soll diese seyn: Die Analytic ist die Logic der Wahrheit Dialectic ist die Logic des Scheins so was ist nun nach dieser Erklärung die Logic ist sie Analytik oder Dialectic? Als Kanon betrachtet ist sie eine Analytik, und als Organon eine Dialectic.”) Cf. Logik Hechsel. In: Kant: Logik-Vorlesung: Unveröffentlichte Nachschriften II [note 45] 284 (ms. 14). 63 In fact, however, it was the logic of the Humanists, rather than the logic of the Aristotelians, that considered dialectic an ars disserendi. This art’s aim was to persuade listeners with arguments capable of making probable both sides of an undecided issue, or of making one of them seem more probable than the other one, cf. E. Jennifer Ashworth: Introduction. In: Robert Sanderson: Logicae Artis Compendium (1618). Bologna 1985. xix.

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senheit, ja auch seinen vorsetzlichen Blendwerken den Anstrich der Wahrheit zu geben.”]) The deplorable use of dialectical tricks, however, is not the main target of Kant’s criticism. It is rather the betrayal performed by the dialecticians of the essential task of logic of establishing the formal canon of truth. The “ars sophi­ stica, disputatoria” called dialectic is said by the Logik Jäsche to arise “out of a mere misuse of analytic, insofar as the illusion of a true cognition, the marks of which have to be derived from agreement with objects and thus from content, is fabricated according to mere logical form.” (Log, AA 09: 16) What Kant vigor­ously denounces as intolerable is that dialectic fabricated the Schein of truth “by imitating the method of thoroughness, which logic prescribes in general.” (KrV, A 61/B 86, AA 03: 81 [“dass man die Methode der Gründlichkeit, welche die Logik überhaupt vorschreibt, nachahmte.”]) For already the ancient dialecticians: assumed false propositions, accommodated everything according to the formal laws of the understanding, and consequently provided themselves with a great illusion of truth. It is possible to speak in logical form of a thing of which one understands nothing, namely, by heaping inference upon inference, etc. – and the listener is thereby deceived. Thus logic is misused as an art, and it becomes an organon, but not of truth. (V-Lo/Wiener, AA 24: 793)

This is why dialectic is a logic of “Schein”, and this is why “a critique of this illusion must be introduced.” (Log, AA 09: 17) B.  The bearing of the distinction of probability and verisimilitude on philosophy

The exclusion of dialectic from logic is important for philosophy. We read in the Logik Jäsche that a good philosopher must make a free use of his reason “but not a dialectical use, i. e., not one that aims only at giving cognitions the illusion of truth and wisdom. This is the business of the mere sophist, thoroughly incompatible with the dignity of the philosopher.” (Log, AA 09: 26) For that matters, detrimental consequences for philosophy were inevitable when dialectic “was expounded in logic under the name of the art of disputation, and as long as it was, all of logic and philosophy were the cultivation of certain garrulous souls for fabricating any illusion.” (Log, AA 09: 17) Kant’s idea of a good philosopher is of someone who – like the ancient sceptics – addresses philosophical problems by investigating both the grounds supporting and the grounds opposing their possible solutions. He warns, however, that in philosophy the grounds pro et contra – especially where metaphysics is concerned

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– are heterogeneous. It is easy to see that, had he allowed a logic of probability for pondering heterogeneous grounds pro et contra a philosophical issue, any practitioner of the ars disputatoria could claim that his dialectical arguments are ‘logically more probable’ than those of his opponent. Kant’s critical concept of probability excludes this possibility. In philosophy “probability cannot be estimated, on account of the heterogeneity of the grounds; here the weights are not all stamped, so to speak.” (Log, AA 09: 82) 64 For, since the grounds are heterogeneous, both contenders in a philosophical dispute can try to make their arguments look ‘more probable’. Moreover – Kant objects – they do so without success, and indeed giving way to endless quarrels, in which they seem only to practice their powers “in mock combats” (KrV, B xv, AA 03: 11 [“im Spielgefechte”]). To support his objection, Kant needs only invoke his distinction between probability and verisimilitude: if the moments of probability are homogeneous, they are enumerated (in mathematics); if they are heterogeneous, as in philosophy, they are pondered, i. e. estimated according to the effects, but these are estimated according to the overcoming of the obstacles in the mind; however the latter give no relation to certainty, but only of one verisimilitude to the other. (Refl 2598, AA 16: 435 [1776–1780s]) 65

Therefore, for topics like the immortality of the soul, or in general “with regard to the supersensible, there is no probability; we are not on the path of knowledge at all.” (Refl 2623, AA 16: 441 [1790s]) 66 By taking this stance, Kant does not facilitate the work of philosophers. For what concerns his own philosophical work, he addresses the topics of God and a future life with a complex argument based on his concept of rational moral faith, and he engages in the task of restoring on a new basis the possibility of meta­ 64 Cf. V-Lo/Wiener, AA 24: 880: “Here mathematics can provide a certain measure whereby it compares quantities, because quantities contain nothing but what is homogeneous. But in philosophy this does not work, because here the grounds of the possible winning cases are all non-homogeneous.” The V-Lo/Wiener, AA 24: 883, concedes that “in philosophy […] you can give examples, of course, in order to exercise your faculty of judgment. But you will never be able to give rules as to how far something is probable or not.” 65 Cf. Refl 2598, AA 16: 435 (1776–1780s) (“Wenn die Momente der Warscheinlichkeit gleichartig sind, so werden sie numerirt [in Mathematik]; sind sie ungleichartig, wie in Philosophie, so werden sie ponderirt, d.i. nach den Wirkungen geschätzt, diese aber nach der Überwaltigung der Hindernisse im Gemüth; letztere geben aber kein Verhaltnis zur Gewisheit, sondern nur einer Scheinbarkeit zur andern.”) 66 Refl 2623, AA 16: 441 (1790s) (“In Ansehung des Übersinnlichen giebt es keine Warscheinlichkeit; wir sind gar nicht auf dem Wege des Wissens.”) Cf. Refl 2672, AA 16: 461 (1790s): “there is no probability in judgments of pure reason about ideas and their reality.” (“Es giebt keine Warscheinlichkeit in Urtheilen der reinen Vernunft über Ideen und deren realitaet.”)

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physics by giving what he says are direct and apodictic proofs. In a comment written on his copy of the Critique of pure reason, Kant asks “if, when there is no demonstration of the existence of God, there is not at least a great probability.” He gives a negative answer: “This [i. e. probability] is not worthy of the object, in this way it is not even possible at all. Probability in the absolutely necessary is contradictory.” (Refl CLXXXI, AA 23: 43, relative to KrV A 642/B 670, AA 03: 426 f. [“Ob, wenn es keine Demonstration vom Daseyn Gottes giebt, nicht wenigstens eine große Probabilität gebe. Diese ist des Objects gar nicht würdig, auch auf diesem Wege gar nicht möglich. Probabilität im absolut Nothwendigen ist widersprechend.”]) To conclude. No part of this argument could be interpreted correctly – just as no adequate assessment of the exclusion of dialectic from the logic of truth could be given – without knowledge of Kant’s lifelong reflection, and of his change of opinion, on the notions of Wahrscheinlichkeit and Scheinbarkeit, which are also so important in his epistemology. These notions, as well as their translations, deserve our utmost attention.

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Die Jäsche-Logik, ein Unikum unter den kantischen Schriften Probleme der Textkonstitution und der Übersetzung ins Spanische María Jesús Vázquez Lobeiras I.  Ein Sondertext mit Schwierigkeiten besonderer Art

Die sogenannte Jäsche-Logik wurde im Jahr 1800 von Kants ehemaligem Studenten Gottlob Benjamin Jäsche1 im Verlag Nicolovius in Königsberg herausgegeben, und zwar mit folgendem Titel: Immanuel Kants Logik. Ein Handbuch zu Vorlesungen. Sie gehört, zusammen mit der von Rink2 herausgegebenen Physische[n] Geographie, der Pädagogik und der Preisschrift über die Fortschritte der Metaphysik, zu jenen Schriften, die von Kant zum Druck bestimmt, jedoch nicht von ihm selber redigiert worden sind. 3 Jäsche und Rink sind von Werner Stark als »die designierten Nachlassbewahrer« 4 bezeichnet worden, insofern sie direkt und persönlich von Kant mit der Ausgabe einiger wichtiger Texte beauftragt worden 1 Zu Gottlob Benjamin Jäsche (1762–1842): »J. studierte 1783–86 in Halle. […] In der darauffolgenden Hauslehrerzeit beschäftigte er sich mit der Kantschen Philosophie, ging 1791 nach Königsberg und 1795 nach Kurland. Er promovierte in Halle, habilitierte sich 1799 in Königsberg und hielt dort als Privatdozent Vorlesungen auf der Grundlage der Kantschen Philosophie. In diese Zeit fällt sein freundschaftlicher Umgang mit J. Schultz, Ch. J. Kraus, F. T. Rink und I. Kant, in dessen Auftrag er 1800 Immanuel Kant’s Logik … mit einer eigenen Vorrede herausgab.« Hans Jürgen Engfer: Jäsche, Gottlob Benjamin. In: Neue Deutsche Biographie. Bd. 10. Berlin 1974. 288 f. Hier: 288. Zum Verhältnis Jäsches zu Kants Nachlass vgl. Werner Stark: Nachforschungen zu Briefen und Handschriften Immanuel Kants. Berlin 1993. 27 ff. 2 Zum Verhältnis von Friedrich Theodor Rink (1770–1811) zu Kant und seinem Nachlass vgl. Stark: Nachforschungen [Anm. 1] 23 ff. 3 Ebd. 61 ff. Gemeint sind: Immanuel Kant’s Physische Geographie. Auf Verlangen des Verfassers, aus seiner Handschrift hg. und zum Theil bearb. von D. Friedrich Theodor Rink. 2 Bde. Königsberg, Göbbels & Unzer, 1802; Immanuel Kant über Pädagogik, hg. von D. Friedrich Theodor Rink. Königsberg, Friedrich Nicolovius, 1803; Über die von der königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin für das Jahr 1791 ausgesetzte Preisfrage: Welches sind die wirklichen Fortschritte, die die Metaphysik seit Leibnitzens und Wolff’s Zeiten in Deutschland gemacht hat? Hg. von D. Friedrich Theodor Rink. Königsberg, Göbbels & Unzer, 1804. 4 Stark: Nachforschungen [Anm. 1] 61; vgl. auch ebd. 23.

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sind.5 Diese Funktion ist nicht mit der Aufgabe des Testamentsvollstreckers und zugleich Erben seiner Bibliothek zu verwechseln, die Johann Friedrich Gensichen zufiel.6 Werner Stark hält fest, »daß Kant vor dem November 1801 an zwei Personen – Rink und Jäsche – einen Großteil seiner vorhandenen literarischen Papiere, einschließlich der ›gelehrten Korrespondenz‹, ausgehändigt hat«.7 Es scheint so zu sein, dass es sich, im Unterschied zum testamentarischen Nachlass, 8 hier um ›druckbare‹ oder sogar ›zum Druck bestimmte‹ Schriften handelt, die der alte Kant einige Jahren vor seinem Tode seinen ehemaligen Studenten und Freunden, und zwar ausdrücklich zum Zweck der Veröffentlichung, ausgehändigt hat. Dies stimmt mit folgender Erklärung Rinks überein: Schließlich darf ich den Freunden und Verehrern der critischen Philosophie, die ihnen wahrscheinlich nicht uninteressante Nachricht ertheilen, dass Herr M. Jähsche [sic] und ich, durch die Güte des Herrn Prof. Kant, unsers verehrten Lehrers, in den Stand gesetzt sind, die allmählige Erscheinung seiner Metaphysik, – […] – seiner Logik, natürlichen Theologie, physischen Geographie, und andrer interessanter Schriften, mit Gewissheit zu versprechen.9

Rink und Jäsche haben die Texte der Logik, der Physische[n] Geographie und der Pädagogik noch zu Lebzeiten Kants herausgegeben. Rink gab ferner im Jahr 1804 kurz nach dem Tode Kants die FM heraus. Jäsche plante, ausweislich des Schlusses seiner Vorrede zur Jäsche-Logik, die Ausgabe eines der Logik ähnlichen Metaphysikhandbuchs:10 »Schließlich will ich hier noch bemerken: dass ich die Kantische Metaphysik, wozu ich die Handschrift auch bereits in den Händen habe, so bald es die Muße mir verstattet, nach derselben Manier bearbeiten und herausgeben werde.«11 Diese Ausgabe kam aber nie zustande. Kants Tod, die überwiegend negative Reaktion auf die zuvor genannten Veröffentlichungen und nicht zuletzt die Lebensläufe Rinks und Jäsches, mit neuen beruflichen Verpflichtungen und mit der dadurch bedingten geographischen Entfernung von Königsberg und zugleich voneinander, dürften nach Starks Ansicht die Gründe für das Aufgeben der ursprünglich weiterführenden herausgeberischen Projekte gewesen sein.12 Die Hauptfrage allerdings, warum Kant die Ausgabe dieser Texte  5

Vgl. ebd. 22. Ebd. 40.  7 Ebd. 22.  8 Werner Stark bemüht sich um eine Klärung des Begriffs Nachlass. Vgl. ebd. 38 ff.  9 Rink: Mancherley zur Geschichte der metacritischen Invasion. Vorrede. Königsberg 1800. XIX f. Zit. nach Stark: Nachforschungen [Anm. 1] 22. 10 Es scheint so, als habe Jäsche nicht nur Kants durchschossenes Exemplar des Logikhandbuchs, d. h. von Meiers Auszug aus der Vernunftlehre, sondern auch Kants Exemplar des Baumgartenschen Metaphysikhandbuchs erhalten. Vgl. H. J. Engfer: Jäsche [Anm. 1] 283. 11 Logik, AA 09: 10.02–06. 12 Stark: Nachforschungen [Anm. 1] 62.  6

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Die Jäsche-Logik, ein Unikum unter den kantischen Schriften

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beschlossen hatte, ist Stark zufolge nicht zu beantworten: »Sie [Jäsche und Rink] haben aus unbekannten Gründen die Bearbeitung Kantischer Papiere mit dem Zweck der Publikation übernommen.«13 Die unkontrollierte Verbreitung von Handbüchern ›unter kantischen Prinzipien‹14 und auch das Problem des Plagiats und der Authentizität dürften dabei wohl eine Rolle gespielt haben. Dass Probleme dieser Art tatsächlich vorgekommen sind, lässt sich aus folgender öffentlicher Erklärung Kants vom 22. Mai 1801 erschließen: Der Buchhändler Vollmer hat in letzter Messe unter meinem Namen eine physische Geographie, wie er selbst sagt, aus Collegienheften, herausgegeben, die ich weder nach Materie, noch nach Form, für die meinige anerkenne. Die rechtmäßige Herausgabe meiner physischen Geographie, habe ich Hn. Dr. und Prof. Rinck übertragen. Zugleich insinuirt gedachter Vollmer, als sey die von Hn. M. Iähsche [sic] herausgegebene Logik, nicht die meinige, und ohne meine Bewilligung erschienen; dem ich hiemit geradezu widerspreche. Dagegen aber kann ich weder die Logik noch die Moral, noch irgend eine andere Schrift, mit deren Herausgabe gedachter Vollmer drohet, für die meinige anerkennen, indem selbige bereits von mir Hn. M. Iähsche [sic] und Dr. Rinck übergeben sind.15

Sowohl Jäsche als auch Rink bezeugen, dass sie über bestimmte, allem Anschein nach auf Kant selber zurückgehende Handschriften verfügt haben. So Rink bezüglich seiner Ausgabe der PG: Kant hatte öffentlich gesagt, seine Hefte der physischen Geographie seien verloren gegangen. Dasselbe hatte er ehede [sic] gegen mich und Andere seiner Freunde geäußert. Vor etwa zwei Jahren aber übertrug er Hrn. Dr. Jäsche und mir die Revision und Anordnung seiner beträchtlich angewachsenen Papiere und Handschriften. Bei dieser Arbeit fanden sich nun, gegen Kants eigne Vermuthung, fast dreifache, zu verschiedenen Zeiten von ihm ausgearbeitete Hefte dieser physischen Geographie vor, aus denen diese Ausgabe hervorgegangen ist.16

Jäsche vermittelte seinerseits in seiner Vorrede zur Logik wichtige Informationen sowohl über den Ursprung der ihm vorliegenden Materialien als auch über den Zweck der Drucklegung: 13 Ebd. 14

Vgl. dazu María Jesús Vázquez Lobeiras: Die Logik und ihr Spiegelbild. Das Verhältnis von formaler und transzendentaler Logik in Kants philosophischer Entwicklung. Frankfurt a.M./Berlin/New York. 1996. 14 ff. 15 Kant: Nachricht an das Publikum, die bey Vollmer erschienene unrechtmäßige Ausgabe der physischen Geographie von Im. Kant betreffend. AA 12: 372.06–17. 16 Rink: Vorrede. In: PG, AA 09: 155.13–19.

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Es sind bereits anderthalb Jahre, seit mir Kant den Auftrag ertheilte, seine Logik, so wie er sie in öffentlichen Vorlesungen seinen Zuhörern vorgetragen, für den Druck zu bearbeiten, und dieselbe in der Gestalt eines compendiösen Handbuches dem Publicum zu übergeben.17

Im Falle Jäsches steht also fest, dass die von ihm verwendete Handschrift eine direkte Verbindung zu der Vorlesung Kants hatte, und eben auch, dass die Veröffentlichung darauf zielte, ein Handbuch, d. h. ein für den Unterricht gedachtes Kompendium, zur Verfügung zu stellen. Dies entspricht übrigens dem Titel des Werkes: Immanuel Kants Logik, ein Handbuch zu Vorlesungen. Da Kants Auftrag an Jäsche und Rink derselbe war, lässt sich aus Jäsches Erklärung mit Blick auf die von Rink verwendeten Handschriften schließen, dass auch sie direkt mit der Vorlesungstätigkeit zu tun hatten und ihre Veröffentlichung ebenfalls zu Vorlesungszwecken dienen sollte.18 Die Bestimmung dieser Schriften als Handbücher und die Tatsache, dass Kant selbst ihre Veröffentlichung angeregt hat, machen deutlich, warum die Akademie-Ausgabe sie in die erste, den Druckschriften gewidmete Abteilung aufgenommen hat. Es versteht sich aber auch von selbst, dass diese Handbücher nicht mit den von Kant tatsächlich im Ganzen verfassten und als eigene Werke herausgegebenen Schriften gleichzusetzen sind. Bei Jäsches Logik und Rinks Physischer Geographie, Pädagogik und Preisschrift über die Fortschritte der Metaphysik handelt es sich jedoch auch nicht um Werke, die Kant selbst redigiert hat, sondern um Versuche seiner Schüler, aus den ihnen übergebenen Manuskripten Werke zu gewinnen. […] Die Berliner AdW stand mit der Abgrenzung der vier Abteilungen ihrer Ausgabe vor dem Problem, wie mit diesen Drucken zu verfahren sei. In ihrem Vorgehen liegt eine Inkonsequenz, denn sie ordnete nur die ersten drei dieser Bücher den ›Werken‹ zu. Die von Dilthey zur Abgrenzung der ›Werke‹ formulierte Bestimmung ›alle wissenschaftlichen Arbeiten Kants, welche von ihm selbst oder in seinem ausdrücklichen Auftrag veröffentlicht sind‹, gilt auch für die Preisschrift. […] Auch mit einigem Wohlwollen ist kein Kriterium auszumachen, das erlaubte, die vier von Jäsche und Rink erarbeiteten Drucke den Abteilungen, hier ›Werke‹, da ›Handschriftlicher Nachlass‹, zuzuordnen […] Ihrem Inhalt nach wären die vier Drucke folgendermaßen einzuordnen: 1) Vorlesungen: Logik, Physische Geographie und Pädagogik. 2) Werke: Preisschrift.19 17

Logik, AA 09: 3.01–04. Die Texte, auf deren Grundlage Rink gearbeitet hat, sind verloren gegangen. Vgl. Stark: Nachforschungen [Anm. 1] 62. 19 Ebd. 61 f. 18

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Die Jäsche-Logik, ein Unikum unter den kantischen Schriften

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Die Ambivalenz bezüglich des Textstatus der drei Handbücher ist wohl nicht ganz auszuräumen, denn als Vorlesungen können sie angesichts des Textursprungs betrachtet werden, als Handbücher dagegen, wenn man in erster Linie ihre Wirkungsgeschichte vor Augen hat. Sie sind Vorlesungen, insofern sie direkt oder indirekt (als Mitschriften oder als Nachschriften oder als Kombination von beidem und noch anderer Textgattungen)20 in Kants Hörsaal, und zwar als Niederschrift seiner Lehre, ihren Ursprung haben. Als Handbücher sind sie hingegen zu betrachten, insofern sie in erster Instanz als solche rezipiert worden sind. Nicht nur die AA hat dazu beigetragen, sondern auch die frühe Verbreitung der Erstausgaben. 21 Die Jäsche-Logik erweist noch eine ganz eigene Besonderheit, die sie als ein Unikum unter diesen philologisch schwierigen Quellen erscheinen lässt. Wie schon erwähnt, verfügte Jäsche für seine editorische Arbeit über Kants Handexemplar des Auszug[s] aus der Vernunftlehre von Meier. 22 Kant hielt die Logikvorlesung in der Albertina von 1755 bis zum Schluss seiner Lehrtätigkeit im Sommersemester 1796. Anhand der Vorschriften des preußischen Ministers Zedlitz sollte er, wie alle andere Dozenten preußischer Universitäten, den Unterricht anhand eines frei gewählten, jedoch allgemein anerkannten Handbuchs halten: »Das schlechteste Compendium […] ist gewiss besser, als keines, und die Professores mögen, wenn sie so viel Weisheit besitzen, ihren Autorem verbessern, so viel sie können, aber das Lesen über Dictata muss schlechterdings abgeschafft werden.«23

20

Zu dieser Terminologie vgl. Stark: Quaestiones in terminis. Überlegungen und Fakten zum Nachschreibewesen im universitären Lehrbetrieb des 18. Jahrhunderts. Aus den Präliminarien einer Untersuchung zu Kants Vorlesungen. In: Martin Stern (Hg.): Text­kon­ stitution bei mündlicher und bei schriftlicher Überlieferung. Tübingen 1991. 90–99. 21 Vgl. Vázquez Lobeiras: Die Logik und ihr Spiegelbild [Anm. 14]. 22 Dieses wird in der Vorrede beschrieben: »Das Exemplar des gedachten Compendiums, dessen er sich bei seinen Vorlesungen bediente, ist, wie alle die übrigen Lehrbücher, die er zu gleichem Zwecke brauchte, mit Papier durchschossen; seine allgemeinen Anmerkungen und Erläuterungen so wohl als die speciellern, die sich zunächst auf den Text des Compendiums in den einzelnen §§ beziehen, finden sich teils auf dem durchschossenen Papiere, teils auf dem leeren Rande des Lehrbuches selbst. Und dieses hier und da in zerstreuten Anmerkungen und Erläuterungen schriftlich Aufgezeichnete macht nun zusammen das MaterialienMagazin aus, das Kant hier für seine Vorlesungen anlegte, und das er von Zeit zu Zeit theils durch neue Ideen erweiterte, theils in Ansehung verschiedener einzelner Materien immer wieder von neuem revidirte und verbesserte. Es enthält also wenigstens das Wesentliche von alle dem, was der berühmte Commentator des Meier’schen Lehrbuches in seinen nach einer freien Manier gehaltenen Vorlesungen seinen Zuhörern über die Logik mitzutheilen pflegte, und das er des Aufzeichnens werth geachtet hatte.« Logik, AA 09: 3.25–27–4.01–14. 23 Zitiert bei Erich Adickes: Einleitung. AA 14: XXI.

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Mit Ausnahme des ersten Jahres hat Kant für die Logik den von Jäsche beschriebenen Auszug aus der Vernunftlehre verwendet. 24 Das durchschossene Exemplar war am Ende seiner akademischen Lehrtätigkeit voller Notizen, nicht nur auf dem ungedruckten Zwischenblatt, sondern auch am Rande und sogar in den Zwischenzeilen der gedruckten Blätter. Lose Blätter ließen sich auch in dem Kompendium finden. Diese eng geschriebenen und wuchernden Notizen wurden von Adickes im Band XVI der AA herausgegeben. Im Hinblick auf die Jäsche-Logik ist nachgewiesen worden, 25 dass viele von diesen Reflexionen in den Haupttext eingeflossen sind; Jäsche hat bei der Bearbeitung des Logiktextes eine ganze Reihe von Reflexionen verwendet, obwohl der Basistext ein Vorlesungsexemplar gewesen ist. Angesichts der skizzierten komplizierten Text- und Editionslage kann man ohne Weiteres behaupten, dass dieser Text ein Unikum unter den kantischen Schriften ausmacht. Dies hat allerdings auch die gravierende Folge, dass er die philologischen Schwierigkeiten sowohl der Vorlesungsnachschriften als auch der Reflexionen aufweist. Die Frage nach der Authentizität, d. h. der Zuschreibung der Aussagen an Kant selbst oder an den Verfasser des Kompendiums, betrifft die Vorlesungen. Die Frage nach der Datierung auf die jeweiligen (akademischen) Jahre betrifft sowohl die Vorlesungen als auch die Reflexionen. 26 Die Jäsche-Logik, die aus einer Hybridisierung beider Textgattungen entstanden ist, weist alle philologischen Schwierigkeiten der genannten Art auf. Es sind diese Besonderheiten des Textes, die viele Kant-Forscher am Wert der Jäsche-Logik haben zweifeln lassen. 27 Man hat sich aber auch von Anfang an ­darum bemüht, Strategien zu entwickeln, um diese Probleme abzustellen, wie etwa durch den Vergleich von verschiedenen Quellentypen. Aus einer entwicklungsgeschichtlichen Perspektive betrachtet, lohnt die Beschäftigung mit solchen Texten allemal, denn man erhält Einblick in die Werkstatt des kantischen ­Denkens. 28

24

Vgl. Emil Arnoldt: Charakteristik von Kants Vorlesungen über Metaphysik und möglichst vollständiges Verzeichnis aller von Kant gehaltenen oder nur angekündigten Vorlesungen. In: Otto Schöndörffer (Hg.): Gesammelte Schriften. Bd. 5. Berlin 1909. 177, 179 ff. 25 Terry Boswell: Quellenkritische Untersuchungen zum Kantischen Logikhandbuch. Bern/New York/Paris 1991. 26 Zu diesen Fragen und zu den Kriterien für einen philologisch sorgfältigen Umgang mit diesen Texten vgl. Vázquez Lobeiras: Die Logik und ihr Spiegelbild [Anm. 14] 70 ff. 27 Vgl. Gerhard Lehmann: Bericht über die Edition von Kants Vorlesungen. In: KantStudien 56 (1965/1966). 545–554. Vgl. auch Norbert Hinske: Die Jäsche-Logik und ihr besonderes Schicksal im Rahmen der Akademie-Ausgabe. In: Kant-Studien 91 (Sonderheft 2000). 85–93. 28 In meiner Trierer Dissertation habe ich mich mit der Entwicklung von Vergleichskriterien beschäftigt. Vgl. Vázquez Lobeiras: Die Logik und ihr Spiegelbild [Anm. 14] 76.

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II.  Eine spanische Ausgabe der Jäsche-Logik unter Einbeziehung der Reflexionen und ihre spanische Übersetzung im Vergleich zu anderen Übersetzungen

Im Jahr 2000, genau 200 Jahre nach der Veröffentlichung der Jäsche-Logik, erschien im Verlag Akal (Madrid) eine von Norbert Hinske angeregte, von mir erstellte spanische Übersetzung der Jäsche-Logik, 29 die dem Stand des von Hinske in Trier geleiteten Kant-Index angemessen sein und den skizzierten Problemen der Textkonstitution Rechnung tragen sollte. 30 Die Geschichte der Rezeption der Jäsche-Logik in spanischer Sprache lässt sich wie folgt skizzieren:31 Im Jahr 1875 erschien die erste spanische Fassung, die allerdings indirekt aus der französischen Übersetzung von Tissot (1849) entstanden ist. 32 Im Jahr 1943 wurde die lange Einleitung allein, d. h. getrennt von der eigentlichen Logik-Abhandlung, von Julián Marías im Verlag Adán unter dem Titel Sobre el saber filosófico herausgegeben. 33 Der Übersetzer und renommierte 29

Kant: Lógica. Un manual de lecciones (Edición original de G. B. Jäsche). Acompañada de una selección de Reflexiones del legado de Kant. Hg. und übers. von María Jesús Vázquez Lobeiras. Madrid 2000. Im Hinblick auf das Logikcorpus und im Bereich der spanischen Sprache seien folgende Arbeiten genannt: Kant: Reflexiones sobre lógica. In: Kant: Antología. Hg. und übers. von Roberto Rodríguez Aramayo. Barcelona 1991; Kant: Enciclopedia filosófica: o un breve compendio de todas las ciencias filosóficas a partir de las lecciones del señor profesor Immanuel Kant, seguido de una selección de reflexiones de lógica y metafísica del legado manuscrito de Kant. Hg. und übers. von José M. García Gómez del Valle. Girona 2012. 30 Es wurden insgesamt 86 Reflexionen ausgewählt, die den Text der Jäsche-Logik inhaltlich ergänzen und von daher für übersetzungswürdig gehalten wurden. 31 Vgl. insbesondere Steve Naragons Bibliographie [https://users.manchester.edu/FacStaff/ SSNaragon/Kant/Helps/KantsWritingsTranslations.htm], den Beitrag von Marcos Thisted zu den Übersetzungen von Kants Schriften ins Spanische im vorliegenden Band sowie Dulce María Granja Castro: Kant en español. Mexiko 1997. 40. 32 Kant: Lógica. Übers. von Alejo García Moreno/Juan Ruvira. Madrid 1875. Die Übersetzung enthält nicht die Vorrede Jäsches und muss allgemein als sehr defizitär bewertet werden, wie folgende Beispiele zeigen: Deutlichkeit wird als ›lucidez‹, Begriff wird als ›noción‹, Vorstellung als ›idea‹ übersetzt (vgl. z. B. ebd. 31, 85). Abgesehen davon, gibt es bejahende Sätze, die als verneinend übersetzt werden (vgl. z. B. ebd. 86: »no proceden del entendimiento« für »lediglich aus dem Verstande entspringen«), und viele andere gravierende Fehler. Die Übersetzung wurde trotzdem mehrfach herausgegeben, hier wird nach der Ausgabe zitiert, die 1935 in Madrid erschienen ist. Unter dem Titel Tratado de Lógica wurde der Text auch 1938 in Buenos Aires im Verlag Araújo publiziert, später im Verlag Tor unter dem Titel Tissot: Lógica de Kant. Buenos Aires 1941. Es gibt auch Neuausgaben in Mexiko mit dem Titel: Tratado de lógica. Introducción al estudio de la filosofía. Mexiko 1972. Granja Castro irrt, wenn sie García Morente als Übersetzer dieser Ausgabe nennt, vgl. dies.: Kant en español [Anm. 31] 40. 33 Kant: Sobre el saber filosófico. Übers. und Vorrede von Julián Marías. Madrid 1943. In dieser Zeit war selbstverständlich die franquistische Zensur tätig. Zu der Auswirkung der-

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spanische Denker erklärt in seiner Vorrede, dass er ursprünglich den Text unter Jäsches Titel Einleitung 34 herausgeben wollte; angesichts des Charakters des Textes, der viel mehr als nur die Logik behandelt, habe er allerdings beschlossen, den Titel zu ändern: Die Einleitung in die Jäsche-Logik bietet nach Julián Marías eine allgemeinere Betrachtung Kants über Sinn und Bedeutung der Philosophie, der der Titel ›Kant über das philosophische Wissen‹ angemessener wäre. 35 Marías würdigt somit den besonderen Rang dieses Textes. 36 Diese Akzentsetzung von Julián Marías hatte einen sehr frühen Vorläufer in englischer Sprache37 und auch einen Nachfolger im Portugiesischen, Letzteres allerdings nur bezüglich eines geringen Textteils. 38 Unabhängig von meiner 2000 in Madrid erschienenen Edition und spanischen Übersetzung wurde im Jahr 2010 eine neue Übersetzung in Buenos Aires publiziert. 39 selben auf die Kant-Rezeption in Spanien und allgemein zu den Schwierigkeiten der KantRezeption und der Übersetzung Kants ins Spanische vgl. den interessanten Aufsatz von Ibon Uribarri: Estudio preliminar sobre traducción, filosofía y censura. El caso de Immanuel Kant. In: Raquel Merino Álvarez (Hg.): Traducción y censura en España (1939–1985): Estudios sobre corpus TRACE. Cine, narrativa, teatro. Bilbao 2007. 153–194. 34 Eine weitere Besonderheit der Jäsche-Logik besteht darin, dass der Text zwei klar voneinander getrennte Teile enthält, zum einen die lange Einleitung und zum anderen die Abhandlung der Logik selbst. Diese Teilung, die übrigens in den anderen Logikvorlesungsnachschriften nicht vorkommt, ist kein Zufall, denn damit folgt Jäsche einem Hinweis von Kant, was unter dessen Begriff der formalen Logik fallen kann und was nicht; Letzteres betrifft alles, was mit der psychologischen, erkenntnistheoretischen, anthropologischen und sogar ästhetischen Orientierung der Logik des Wolffianers Meier zu tun hat. Vgl. Vázquez Lobeiras: Die Logik und ihr Spiegelbild [Anm. 14] 86 ff. 35 »No he conservado el título que a primera vista parecería más fiel – Introducción a la lógica –, porque en rigor encierra un equívoco: la Introducción de la Lógica kantiana no es propiamente una introducción a la lógica, sino más bien a la filosofía, una meditación sobre el sentido, el alcance y los fundamentos del saber filosófico.« Marías: Vorrede. In: Kant: Sobre el saber filosófico [Anm. 33] 8. 36 »Este breve escrito kantiano – redactado y elaborado por Jäsche sobre los cuadernos de apuntes y anotaciones de los cursos públicos de su maestro – es tal vez la más expresiva y atrayente de las obras de Kant. En sus páginas aborda del modo más directo y sencillo las cuestiones máximas que dominan la filosofía kantiana: sobre todo, el problema del conocimiento. Pero no se trata aquí, como en la Crítica de la razón pura, de una investigación trascendental acerca de la posibilidad y los límites del conocimiento, sino de una mostración del saber mismo en su realidad y un estudio de su valor, su sentido y su necesidad para el hombre.« Ebd. 37 Kant’s Introduction to logic: and his Essay on the Mistaken Subtlety of the Four Figures. Übers. von Thomas K. Abbot. London 1885. 38 José Barata Moura: Kant e o conceito de filosofia. Com un texto em apresentaçao bilingüe extraído da Lógica. Lissabon 1972. Die Ausgabe enthält den zweisprachigen und von Barata Moura ausführlich kommentierten Text, allerdings nur den dritten Abschnitt der langen Einleitung zur Jäsche-Logik. Vgl. AA 09: 21–26. 39 Kant: Lógica. Einleitung und Übers. von Carlos Correa. Buenos Aires 2010. In der Ein-

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Die sprachlichen Schwierigkeiten der Übersetzung der Jäsche-Logik sind geringer als diejenigen in anderen Themenbereichen der kantischen Philosophie. Kants Orientierung an der in Königsberg noch lebendigen aristotelischen Tradition – zur Abgrenzung gegen den Wolffianismus – 40 implizierte den Rekurs auf den dieser Tradition entstammenden Wortschatz, der sich über Jahrhunderte in der lateinischen Version konsolidiert und in den verschiedenen Sprachen – romanischen und anderen – allmählich vereinheitlicht hatte. Insofern bietet die Jäsche-Logik, trotz der oben skizzierten erheblichen philologischen Pro­ bleme, die sich mit ihr verbinden, vergleichsweise eher geringe übersetzerische Probleme. Die brasilianische Übersetzung der Jäsche-Logik von Guido Antônio de Almeida 41 enthält eine Aufzählung und Erklärung der Hauptschwierigkeiten, die sich auf Grund der sprachlichen Verwandtschaft mit denen im Spanischen und anderen romanischen Sprachen überschneiden. Wörter und Wortfamilien wie Merkmal, Grund, Erkenntnisgrund, Bestimmungsgrund, Kennen/Erkennen, Fürwahrhalten, Erörterung/Darstellung/Vortrag stellen die Hauptschwierigkeiten dar. 42 Im Folgenden wird exemplarisch der Ausdruck Fürwahrhalten durch einen Vergleich der Lösungen in verschiedenen Übersetzungen in mehreren Sprachen näher untersucht. Der Vergleich schon vorhandener Übersetzungen in verschiedenen Sprachen erweist sich als wichtiges Hilfsmittel der Übersetzung. Der Gebrauch von Synonymwörterbüchern und thematischen Glossaren vor allem in der Zielsprache der Übersetzung erweist sich, neben den üblichen lexikographischen Quellen, als sehr nützlich. 43

leitung des Übersetzers werden nur die oben erwähnten Übersetzungen von García Moreno/ Juan Ruvira sowie deren Neuauflagen erwähnt. Ebd. 30. 40 Vgl. Marco Sgarbi: La Kritik der reinen Vernunft nel contesto della tradizione logica aristotelica. Hildesheim 2010. Ders.: Kant and Aristotle. Epistemology, Logic and Method. New York 2016. 41 Kant: Lógica. Übers. von Guido Antônio de Almeida. Rio de Janeiro 1992. 42 Ebd. 181 f. Ich habe Merkmal als ›nota‹ übersetzt. Vgl. Kant: Lógica [Anm. 29] 118, 145; Grund entweder als ›fundamento‹ (vgl. ebd., z. B. 100, 103) oder als ›causa‹ (vgl. ebd., z. B. 103, 112) oder als ›razón‹ (vgl. ebd., z. B. 107, 112, 144); Erkenntnisgrund als ›fundamento cog­ noscitivo‹ (vgl. ebd., z. B. 118); Bestimmungsgrund als ›fundamento de la determinación‹ (vgl. ebd., z. B. 130); Kennen/Erkennen als ›conocer‹/›reconocer‹ und habe dazu eine Erklärung im Fußnotenapparat hinzugefügt (vgl. ebd. Anm. 42. 118); Erörterung als ›exposición‹ (vgl. z. B. ebd. 176), Darstellung manchmal auch als ›exposición‹ (vgl. z. B. ebd. 148, 176) und manchmal als ›presentación‹ (vgl. z. B. ebd. 176); Vortrag immer als ›exposición‹ (vgl. z. B. ebd. 84, 87, 116, 180). 43 Zu den elektronisch verfügbaren Hilfsmitteln für die Übersetzung kantischer Texte vgl. den Beitrag von Steve Naragon im vorliegenden Band.

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III.  Wie übersetzt man den deutschen Ausdruck Fürwahrhalten?

Wegen seiner ungewöhnlichen Begriffsgeschichte erweist sich dieser Terminus als besonders interessant. In den üblichen Wörterbüchern wie Wahrig, Duden oder dem Spanisch-Deutschen Wörterbuch von Slaby-Grossmann findet man diesen Ausdruck nicht;44 das gilt auch für das Grimmsche Wörterbuch. 45 Allein das DWDS (Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache) enthält das entsprechende Lemma und liefert eine Erklärung des in der theologischen, philosophischen, soziologischen und journalistischen Sprache geläufigen Ausdrucks. 46 Das Historische Wörterbuch der Philosophie verdeutlicht freilich, dass der Terminus im Deutschen auch zu Kants Zeiten noch nicht geläufig war, sondern gerade in dieser Zeit erstmals in die deutsche Sprache aufgenommen wurde, und zwar durch die philosophische Sprache von Christian Wolff: Fürwahrhalten. Der Terminus ‹F.› gehört zu den substantivierten Infinitiven, die im ausgehenden 18. Jh. – zum Teil im Umkreis des Wolffschen Philosophierens, wie etwa ‹Bewußt-Sein› – Eingang in die ›höhere‹, d. h. zugleich philosophische Literatur finden. Bedeutungsmäßig gehört ‹F.› zu einem Begriffsfeld, das sich auf die Geltung und Gewißheit der Erkenntnis und insofern auf Wahrheit bezieht; dieses Feld ist im allgemeinen durch die Trilogie ›Glauben, Meinen, Wissen‹ abgegrenzt. So heißt es etwa bei Wolff in einer Übersetzung eines Cicero-Zitates (›pro vero habere‹): ›Wenn ich es vor wahr halte, das ist, wenn ich dencke, es sey geschehen; so glaube ich es.‹ [1] Der Terminus begegnet gelegentlich auch in G. F. Meiers Vernunftlehre [2], ohne daß ihm hier eine besondere Bedeutung zukommt. Erst Kant behandelt dann den Begriff in seiner heutigen Form ausführlich: In der Logik ist das F. das subjektive Korrelat zur Wahrheit: ›Wahrheit ist objective Eigenschaft der Erkenntniß, das Urtheil, wodurch etwas als wahr vorgestellt wird; die Beziehung auf einen Verstand und also auf ein besonderes Subject ist subjectiv das F.‹ An ihm werden dann drei ›Arten oder Modi‹ unterschieden: ›Das Meinen ist ein problematisches, das Glauben ein assertorisches und das Wissen ein apodiktisches Urtheilen.‹ [sc. F.]47 44

Das Adverb fürwahr bedeutet wahrlich und ist daher für die Übersetzung von Fürwahrhalten nicht einschlägig. 45 Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854–1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971. [http://woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_py?sigle=DWB&mode=Vernetzung &lemid=GF13388#XGF13388] [abgerufen am 30.10.2019)] 46 Lemma Fürwahrhalten. In: Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache [https://www. dwds.de/wb/Fürwahrhalten] [abgerufen am 04.11.2019]. 47 Alwin Diemer: Art. Fürwahrhalten. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hg. von Joachim Ritter/Karlfried Gründer/Gottfried Gabriel [https://www.schwabeonline.ch] [abgerufen am 04.11.2019].

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Mit Fürwahrhalten bezeichnet Kant einen Bewusstseinszustand, der eintritt, wenn die Erkenntnis vom Subjekt, unabhängig von ihrem Verhältnis zum Objekt, d. h. unabhängig von ihrer objektiven Wahrheit, entweder als ein bloßes Meinen oder als Wissen oder als Glauben erfahren wird. Kant entwickelt diese Lehre in der Abteilung IX der Einleitung der Jäsche-Logik, mit dem Titel »Logische Vollkommenheiten des Erkenntnisses der Modalität nach«. 48 Man findet sie auch in der Methodenlehre der KrV, 49 wobei in diesem Falle der Text der Jäsche-Logik einen eindeutig ausführlicheren und besseren Text als das Hauptwerk Kants bietet. Ein ähnlicher (Fach-)Ausdruck existiert in der spanischen Sprache nicht. Für die Übersetzung gibt es zwei Möglichkeiten: erstens, durch eine wörtliche Übersetzung einen Neologismus ins Spanische einzuführen: Fürwahrhalten wird dann durch den Ausdruck ›tener por verdadero‹ übersetzt; zweitens, spanische Wörter zu suchen, die sich ihrer Bedeutung nach mindestens teilweise mit dem deutschen Ausdruck decken. Ein weiteres Problem ergibt sich in der Jäsche-Logik in derselben Abteilung, wo andere semantisch verwandte Ausdrücke vorkommen, die die Wahl des spanischen Ausdrucks erschweren: wie soll bspw. der Ausdruck Fürwahrhalten in Kombination mit anderen Wörtern wie Beifall und beipflichten übersetzt werden? Folgende Tabellen sollen dazu dienen, einen Überblick zu gewinnen: 1) Übersetzung von Fürwahrhalten in den gängigsten Ausgaben der KrV KrV (A 820/B 848) Fürwahrhalten

Crp, Pedro Ribas (Übers.)50 El tener algo por verdadero

Crp, Mario Caimi (Übers.)51 El asenso

2) Fürwahrhalten, Beifall und beipflichten in den spanischen Übersetzungen der Jäsche-Logik Jäsche-Logik52

Fürwahrhalten

Alejo García Moreno/Juan Rovira (Übers.) Creencia (S. 63)

Julián Marías (Übers.)

Vázquez Lobeiras (Übers.)

Carlos Correa (Übers.)

Tener por verda­ dero (S. 130)

Tener por verda­ dero (S. 124)

Tener por verda­ dero (S. 99)

48

Logik, AA 09: 65.26–27. KrV A 820/B 848 ff. 50 Kant: Crítica de la razón pura. Übers. von Pedro Ribas. Madrid 1978. 51 Kant: Crítica de la razón pura. Übers. von Mario Caimi. Buenos Aires 2007. 52 Begriff des Fürwahrhaltens überhaupt (Logik, AA 09: 65.28). »Es gibt einen Bestimmungsgrund zum Beifall, der aus objectiven und subjectiven Gründen zusammengesetzt ist.« (Logik, AA 09: 73.14–15). »Man pflegt sich oft der Ausdrücke zu bedienen: Seinem Urtheile beipflichten, sein Urtheil zurückhalten, aufschieben oder aufgeben.« (Logik, AA 09: 73.27– 28). 49

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Beifall

Adhesión (S. 69)

beipflichten

Adherirse (S. 69)

Asentimiento (S. 146) Asentir (S. 147)

Asentimiento (S. 130) Adherirse (S. 130)

Asentimiento (S. 107) Adherirse (S. 108)

3) Fürwahrhalten, Beifall und beipflichten in den gängigen französischen, portugiesischen, italienischen und englischen Übersetzungen der Jäsche-Logik Jäsche-Logik Fürwahrhalten Beifall beipflichten

Guillermit (Übers.)53 Assentiment (S. 73) Adhésion (S. 82) Porter un

Almeida (Übers.)54 Assentimento (S. 83) Aplauso (S. 90) Louvar-se em

Amoroso (Übers.)55

Young (Übers.)56

Tener-Per-Vero (S. 59) Assenso (S. 66) Concordare col

Holding-to-be-true (S. 57) Approval (S. 577) To agree with

jugement (S. 82)

seu juizo (S. 91)

proprio giudizio (S. 67)

someone’s judgement (S. 577)

IV. Schluss

Es gibt keine festen Regeln für die Übersetzung, die Sprachen sind reich an Ausdrücken und zugleich lebendig und lassen insofern einen gewissen Spielraum für den Übersetzer, sowohl für seine Kreativität als auch für das mehr oder weniger intuitive Erkennen von Bedeutungszusammenhängen im Sprachgebrauch eines Autors. Das Übersetzen wird gewiss erfolgreicher, je größer die Vertrautheit des Übersetzers oder der Übersetzerin mit dem Gesamtwerk des Autors ist, aber selbstverständlich auch, je größer und nuancierter seine/ihre sprachlichen – lexikalischen, syntaktischen – Kompetenzen in der Ausgangs- und in der Zielsprache sind. Wichtige Anhaltspunkte bieten, wie angedeutet, Vergleiche mit anderen und speziell auch anderssprachigen Übersetzungen.

53

Kant: Logique. Übers. von Louis Guillermit. Paris 1966. Lógica. Übers. von Guido Antônio de Almeida nach der Originalausgabe von Gottlob Benjamin Jäsche [Anm. 41]. Es gibt eine spätere, zweisprachige Übersetzung der Jäsche-Logik ins Portugiesische: Kant: Manual dos cursos de lógica geral. Übers. und hg. von Fausto Castilho. Zweisprachige Ausgabe. Uberlandia 1998. 55 Kant: Logica. Hg. und übers. von Leonardo Amoroso. Rom/Bari 1984. 56 Kant’s Logic. A Manual for Lectures. Edited by Gottlob Benjamin Jäsche. Übers. von J. Michael Young. Cambridge 1992. 54 Kant:

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Die Kritik der reinen Vernunft ins Italienische übersetzen Erscheinungen, Grenzen, Schranken & weitere Entdeckungen Costantino Esposito I.  Übersetzen als eine Erkenntnisart

De nobis ipsis silemus: De re autem, quae agitur, petimus – über uns selbst sollten wir besser schweigen; was uns interessiert, ist die Sache selbst.1 Dieses berühmte Motto aus der Instauratio magna von Francis Bacon, mit welchem Kant seine erste Kritik eröffnet, erlaubt mir einen unmittelbaren Einstieg in die Frage nach der Notwendigkeit oder Nützlichkeit, einen klassischen Text zu übersetzen – oder besser, erneut zu übersetzen –, der mit Fug und Recht bislang als vollständig er­ fasst gelten konnte, und das nicht nur als Originaltext, sondern auch in seiner italienischen Übersetzung (bzw. in seinen italienischen Übersetzungen). Trifft es tatsächlich zu, dass man letztendlich übersetzt, um ein Werk verstehen zu können? Das Textverständnis wäre in diesem Falle nicht nur eine evidente Voraussetzung für die Arbeit des Übersetzens, sondern zudem auch ein ganz eigentümlicher Ef­ fekt dieser Arbeit als solcher. Und wenn dies meiner Ansicht nach als hermeneu­ tisches Prinzip gelten kann, das alle teilen, die philosophische Texte übersetzen, 2 so erweist sich, wie ich zeigen möchte, im Falle Kants die Übersetzung als eine keineswegs nachrangige, sondern, so ließe sich sagen, sogar in einigen Fällen notwendige Art, die Intention des Autors zu verstehen. Meine Tätigkeit als Übersetzer kam in der Tat, vor allem für mich selbst, ei­ ner regelrechten Entdeckung von Kants Werk gleich. Ich möchte freilich gleich klarstellen, dass ich den Ausdruck ›Entdeckung‹ nicht im naiven und ahistori­ schen Sinne eines ursprünglichen, vermeintlich unverstellten Zugangs zum Text verwende. Vielmehr spreche ich von ›Entdeckung‹, um den Entschluss hervorzu­ 1 Der Beitrag führt frühere Überlegungen fort und erweitert sie. Vgl. Costantino Espo­ sito: Un pensiero al lavoro. Tradurre (in italiano) la Critica della ragion pura di Kant. In: Alessandro Pinzani/Valerio Rohden (Hg.): Crítica da razão tradutora. Sobre a dificuldade de traduzir Kant. Florianópolis, Nefiponline, 2010. 35–51. 2 Zu diesem Problem vgl. die Diskussion einiger exemplarischer Fälle in: Pina Totaro (Hg.): Tradurre filosofia. Esperienze di traduzione di testi filosofici del Seicento e del Sette­ cento. Florenz 2011 (Lessico Intellettuale Europeo, Bd. 109); Kant und speziell der dritten Kritik widmet sich eine Studie von Hansmichael Hohenegger, vgl. ebd. 65–98.

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Costantino Esposito

heben, die Kritik der reinen Vernunft nicht innerhalb eines feststehenden historio­ graphischen Paradigmas zu lesen und dementsprechend nicht so zu verfahren, als ob der Text nicht mehr als ein Vorwand für eine bestimmte hermeneutische Vorgehensweise wäre; mit seiner ›Entdeckung‹ ist auch keine – wenig plausible – Aktualisierung des Textes gemeint, kein Versuch, ihn durch die Brille unserer Gegenwart zu lesen. Vielmehr ging es mir darum, ›die Sache selbst‹ zum Sprechen zu bringen und in unmittelbaren, geradezu körperlichen Kontakt mit der Schreib­ weise Kants zu treten. Diese setzt auf der Ebene von Grammatik und Syntax et­ was Eigentümliches in Gang, welches in seinem konkreten Vollzug die Semantik des transzendentalen Denkens bestimmt. Gegenstand der ›Entdeckung‹ ist nun aber genau dies, und genau dies erweist sich somit als kontinuierlicher dynami­ scher Prozess bei der Erschließung des Textes. Von einer ›permanenten Entdeckung‹ zu sprechen, mag als Oxymoron erschei­ nen, doch möchte ich betonen, dass dieser Ausdruck exakt verdeutlicht, dass sich ein Text wie die KrV um einige strukturelle ›Probleme‹ herum gruppiert und entfaltet und dass die im Text formulierten Thesen als Versuche der Problemlö­ sung aufzufassen sind. Mit anderen Worten, diese Probleme markieren nicht nur die Voraussetzung, an der sich die kritische Philosophie abarbeitet, vielmehr bil­ den sie die Grundstruktur oder das framework der Theoriebildung. Aus diesem Grunde gilt: Die erste Kritik als Übersetzer zu entdecken bedeutet, das Fragen als charakteristisches Verfahren des kantischen Denkens ernst zu nehmen. Eine Neuübersetzung verbindet sich mit der Hoffnung, die Rezeption der kan­ tischen Philosophie in Italien zu überdenken, und so mag sie vielleicht zunächst einmal Anlass geben, genau dort, wo man alles verstanden zu haben glaubte, etwas zu entdecken oder wiederzuentdecken. Einen Text zu verstehen bedeutet ja tatsächlich immer, sich in gewissem Sinne in die Denkerfahrung zu versetzen, aus der er hervorgegangen ist, und darüber hinaus vor allem auch, den Text als Leser an sich selbst zu erfahren. In dieser Hinsicht stellt die Übersetzung eine Text-›Erfahrung‹ im engeren Sinne dar. Daher mag es nicht nur subjektiv für den Übersetzer, sondern auch für die Leserschaft interessant sein zu erzählen bzw. zu erfahren, was bei der Übersetzung der KrV im Einzelnen geschehen ist. 3 Kants Denken ist selbst ein tätiges Denken, und diese charakteristische Arbeit des Denkens stellt den Kant-Übersetzer in seiner eigenen Arbeit vor besondere Herausforderungen. Die KrV, die gemeinhin als kanonischer Text der neuzeitli­ chen Philosophiegeschichte gilt, umfasst das lexikalische Archiv einer ganzen be­ grifflichen Tradition und zugleich ein neu entwickeltes Vokabular, das noch heute 3 Kant: Critica della ragion pura/Kritik der reinen Vernunft (A 1781, B 1787). Einleitung, italienische Übersetzung, Anmerkungen und kritischer Apparat von Costantino Esposito. Zweisprachige Ausgabe [dt. Ausg. von Wilhelm Weischedel]. Mailand 2004 (2., verb. Aufl. 2007). Besonders sei verwiesen auf das Glossar: Lessico della ragion pura. Ebd. 1335–1437.

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Die Kritik der reinen Vernunft ins Italienische übersetzen



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für unsere philosophische Arbeit maßgeblich ist; maßgeblich gerade insofern, als es in seinen unterschiedlichen semantischen Bereichen stets aufs Neue erworben und überdacht werden muss. Hier mag der Hinweis auf die Begriffe Phänomen, gegeben, Wahrnehmung, Kategorie, Raum und den mehrdeutigen Begriff transzendental genügen. Die ständig erforderliche und anzupassende Bedeutungsklä­ rung gilt freilich nicht nur für die Betrachtung der Wirkungsgeschichte Kants, sondern in erster Linie für die Betrachtung der Formierung und des historischen Hervortretens seines Denkens. An der sprachlichen Arbeit, die mit Kants Werk verbunden war – wie gesagt, nicht nur hinsichtlich des semantischen Horizonts, sondern auch der gramma­ tikalischen und syntaktischen Struktur –, lässt sich anschaulich eine langwie­ rige Entdeckung nachvollziehen, und genau dies weckt lebhaftes Interesse. Kant kündigt 1772 in einem Brief an Marcus Herz sein Projekt einer Kritik der reinen Vernunft mit den Worten an, dass er »[den ersten Teil der KrV], der die Quellen der Metaphysic, ihre Methode u. Grentzen enthält […] binnen etwa 3 Monathen herausgeben werde«. 4 Es ist gewiss kein Zufall, dass trotzdem bekanntlich neun Jahre nach diesem Brief und elf nach der Inauguraldissertation MSI vergehen sollten, bis die KrV schließlich erschien – elf Jahre des Schweigens, die dazu ge­ führt haben, dass man zu Recht vom »schweigenden Kant«5 gesprochen hat. Was ist in den Jahren zwischen 1770 und 1781, als die Kritik schließlich erschien, ge­ schehen? Es waren dies die Jahre eines unmittelbaren, geradezu körperlichen Ringens Kants mit seinem Problem, einem klassischen Problem jeder Transzen­ dentalphilosophie, das er in einer anderen berühmten Passage desselben Briefs an Marcus Herz bündig formuliert hat: »Ich frug mich nemlich selbst: auf welchem Grunde beruhet die Beziehung desienigen, was man in uns Vorstellung nennt, auf den Gegenstand?« 6 Die Kritik liefert nicht nur die mustergültige Lösung des Pro­ blems und gilt daher zu Recht als ›Klassiker‹, sondern an ihr lässt sich in gewisser Weise die theoretische Arbeit nachvollziehen, die Kant geleistet hat, um zu jener Lösung zu gelangen. Für den aufmerksamen Leser tritt die Theoriebildung eben gerade in Kants Art zu schreiben zutage, sie lässt sich bis in die Verästelungen seiner Sprache hinein verfolgen. Wir möchten das Gesagte an zwei Beispielen belegen, an denen deutlich wird, dass Kants begriffliche Arbeit in einer Übersetzung in eine andere Sprache, in diesem Falle ins Italienische, so präzise wie möglich wiedergegeben werden muss. Das erste Beispiel betrifft die Termini Erscheinung/Phänomen, das zweite die Termini Grenze/Schranke. 4

Br, AA 10: 132 (Brief an M. Herz vom 21. Februar 1772). Wolfgang Carl: Der schweigende Kant. Die Entwürfe zu einer Deduktion der Katego­ rien von 1781. Göttingen 1989. 6 Br, AA 10: 130. 5

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Costantino Esposito

II.  Auf der Suche nach dem, was erscheint

Das erste Beispiel liefert das notorische Begriffspaar Phänomen/Erscheinung. Es geht hier um Wesen und Reichweite des Erscheinens. In meiner Übersetzung habe ich zuweilen nicht nur den ersten Terminus (der weniger häufig auftritt), sondern auch den viel häufiger verwendeten zweiten Terminus mit ›fenomeno‹ übersetzt. Die Doppelung des Terminus aber – der Umstand, dass Kant selbst Phänomen (oder phaenomenon) mit ›Erscheinung‹ übersetzt – hält dazu an, sich nicht mit der Feststellung einer bloßen Synonymie zu begnügen, sondern das Ver­ hältnis zwischen den beiden Wörtern und den Wechsel vom einen zum anderen genau zu bestimmen. Das heißt, die kantische Übersetzung aus dem Griechischen ins Deutsche ins Italienische zu übersetzen. In den meisten Fällen habe ich in meiner Übersetzung der KrV Erscheinung nicht einfach mit ›fenomeno‹ übersetzt, sondern mit dem Ausdruck ›ciò che appare‹ (wörtlich: was erscheint), wobei ich mir durchaus darüber im Klaren war, dass die Verwendung des Demonstrativpronomens ›was‹– ›ciò‹ oder ›quello che‹ – zweideutig ist. Diese übersetzerische Lösung könnte an ein Etwas (›un qualcosa‹) denken lassen, an etwas Gegebenes oder ein Seiendes, das sich, insofern es an sich selbst existiert, zeigt, eben erscheint (›appare‹). Das ist aber nicht genau das, was Kant meint. Zwar ist die Vorstellung von einem Ding an sich, welches, obwohl es »von uns unerkannt« ist, »dagegen zwar als für sich wirklich« gelten muss (KrV B XX; AA 03: 13), genuin kantisch. Doch ist diese seine Wirklichkeit für sich uns nicht ›gegeben‹, denn was uns gegeben ist, sind ausschließlich die Phänomene/ Erscheinungen, es ist also ausschließlich das, was erscheint und sich dabei nach unseren Vorstellungen richtet, und näherhin das, was Gegenstand einer Sinnes­ empfindung ist. Die Wirklichkeit des Dinges an sich ist nur denkbar.7 Und doch – 7

Das Verhältnis zwischen der ›Wirklichkeit‹ eines an sich selbst betrachteten Dinges und der ›objektiven‹ Realität des transzendentalen Objekts markiert eines der Probleme, an de­ nen man recht klar Kants Bruch mit der und Kontinuität zur Schultradition erkennen kann. Hier zeigt sich das Ende und Ergebnis eines langen semantischen Prozesses, dessen Beginn wir konkret spätestens mit den Disputationes metaphysicae des jesuitischen Theologen Fran­ cisco Suárez (1597) datieren können – ein Referenztext hinsichtlich der Problemstellungen und des Lexikons der neuzeitlichen Ontologie, der buchstäblich ›Schule‹ im katholischen und reformierten Europa des 17. und 18. Jahrhunderts gemacht und einen großen Teil des Voka­ bulars der Kompendien der rationalistischen Schulphilosophie geprägt hat, welche Kant stu­ diert und später in seinen Vorlesungen als Handbücher benutzt hat. Suárez, der seinerseits an eine Interpretationslinie anknüpft, die sich bis zu Duns Scotus zurückverfolgen lässt, fasst die realitas sowohl in Beziehung zu dem ens (participium) auf, als das, was wirklich existiert dank einem actus essendi, als auch – und vornehmlich – in Beziehung zu dem ens als einer essentia, die sein kann, also als dasjenige, dem wesentlich eine aptitudo ad existendum zukommt dank dem einfachen Widerspruchsprinzip (vgl. Disputazioni metafisiche/Disputationes metaphy­ sicae I–III. Zweisprachige Ausgabe lat./ital. Hg. von Costantino Esposito. Mailand 2007. Vgl. bes. II.4.6–7). Diese zweite Bedeutung von realitas, die man als ›noetisch‹ bezeich­nen könnte,

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so fügt Kant hinzu – muss dieses Ding notwendigerweise gedacht werden: »Denn sonst würde der ungereimte Satz daraus folgen, daß Erscheinung ohne etwas wäre, was da erscheint.« (KrV B XXVI f.; AA 03:17) Demzufolge scheint sich das, was da erscheint (›ciò che appare‹), direkt auf das Ding an sich zu beziehen, welches sozusagen hinter dem Erscheinen der Erschei­ nung oder an dessen Grunde läge; obwohl also jenes Ding niemals zu erkennen wäre, müsste es stets mitgedacht werden als ›die bloß intelligibele Ursache der Er­ scheinungen überhaupt‹, als ein transzendentaler Gegenstand, der nicht erkannt werden kann, als »das transscendentale Object […], bloß damit wir etwas haben, was der Sinnlichkeit als einer Receptivität korrespondirt«. (KrV B 522; AA 03: 340 f.) Hingegen fällt der erkannte Gegenstand, der Gegenstand der Erfahrung, einfach mit seiner Erscheinung zusammen. In diesem zweiten Falle handelt es sich mithin nicht um ein Ding an sich, welches erschiene, vielmehr ist das Ding hier die Erscheinung selbst, und sie ist als solche ein echtes ›Objekt‹. Warum habe ich darauf insistiert, Erscheinung mit ›ciò che appare‹ wiederzu­ geben? Birgt dies nicht das Risiko, fälschlich zwei Termini miteinander gleich­ zusetzen, nämlich den Gegenstand und das Ding an sich? Schauen wir, wie sich die Bedeutung des Terminus entfaltet. Einer der wichtigsten Begriffsbelege findet sich zu Beginn der Transzendentale[n] Ästhetik, wo die Erscheinung folgender­ maßen definiert wird: Die Wirkung eines Gegenstandes auf die Vorstellungsfähigkeit, sofern wir von demselben afficirt werden, ist Empfindung. Diejenige Anschauung, welche sich auf den Gegenstand durch

L’effetto di un oggetto sulla capacità rappresentativa, in quanto noi ve­ niamo affetti da quest’oggetto stesso, è la sensazione. L’intuizione che si ri­ ferisce all’oggetto mediante una sen­

wird sich von Suárez an als maßgeblich in der Terminologie der neuzeitlichen Metaphysik durchsetzen: das schlichtweg Mögliche im Vergleich zum reinen Nichts, nicht so sehr ein Ge­ gebenes, das sich a posteriori bezeugt, im Sein entstanden und daher tatsächlich existent (im Deutschen würde realitas hier eher als Wirklichkeit denn als Realität bezeichnet werden) als vielmehr ein a priori Denkbares als primäre Bedeutung des Seienden. Dies kann offenkun­ dig nicht nur bis zu dem Gebrauch zurückverfolgt werden, den Kant vom Konzept der Rea­ lität als einer rein logischen Bestimmung oder als prädikativer Begriffskonstruktion macht, sondern noch bis dort, wo er seinen eigenen Begriff von objektiver Realität der Erfahrung entwickelt: die Realität, in der die noetische Form zur apriorischen Grundlage des empirisch Gegebenen wird, nun freilich nicht mehr in der Begrifflichkeit des Wider­spruchs­prinzips, sondern in der Möglichkeit der Synthesis des Gegenstandes. Diesbezüglich sei verwiesen auf Costantino Esposito: Kant and the Problem of Modern Ontology. In: Akten des XI. Inter­ natio­nalen Kant-Kongresses 2010: Kant und die Philosophie in weltbürgerlicher Absicht. Hg. von Stefano Bacin/Alfredo Ferrarin/Claudio La Rocca/Margit Ruffing. Berlin/Boston 2013. Bd. 5. 441–454. Ders.: The Hidden Influence of Suárez on Kant’s Transcendental Concep­ tion of ›Being‹, ›Essence‹ and ›Existence‹. In: Lukáš Novák (Hg.): Suarez’s Metaphysics in Its Historical and Systematic Context. Berlin/Boston 2014. 117–134.

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Empfindung bezieht, heißt empirisch. Der unbestimmte Gegenstand einer empirischen Anschauung, heißt Er­ scheinung. (KrV B 34; AA 03:50)

sazione, si chiama intuizione empirica. L’oggetto indeterminato di un’intui­ zione empirica si chiama fenomeno [ciò che appare]. (ital. Übers. 113)

Schon in der Vorrede zur zweiten Auflage war vorweggenommen worden: […] folglich wir von keinem Gegen­ stande als Dinge an sich selbst, sondern nur so fern es Object der sinnlichen Anschauung ist, d. i. als Erscheinung, Erkenntnis haben können […]. (KrV B XXVI; AA 03: 16) [Kursivierung C.E.]

[…] di conseguenza non possiamo avere conoscenza di alcun oggetto come cosa in se stessa, bensì soltanto in quanto è oggetto di intuizione sen­ sibile, e cioè così come ci appare. (ital. Übers. 45) [Kursivierung C.E.]

Bekanntlich heißt nun aber für Kant dasjenige in der Erscheinung – also ›in ciò che appare‹–, was der Empfindung korrespondiert, Materie, dasjenige hingegen, was es erlaubt, das Mannigfaltige der Erscheinung (›il molteplice che appare‹) in gewissen Verhältnisse[n] zu ordnen, Form der Erscheinung (›forma di ciò che appare‹). Wenn nun aber die Materie nur a posteriori gegeben ist, so muss »die Form derselben aber […] zu ihnen insgesamt im Gemüthe a priori bereit liegen, und daher abgesondert von aller Empfindung […] betrachtet werden [können]«. (KrV B 34; AA 03: 50) Mit anderen Worten: Die Empfindung allein macht noch keine Erscheinung, vielmehr bedarf es auch und sogar in erster Linie der Sinnlichkeit. So kommt es dazu, dass der unbestimmte Gegenstand einer Empfindung oder richtiger: einer empirischen Anschauung (unbestimmt, weil wir ihn nicht in sei­ nem An-sich-Sein erkennen können) als sinnlich-empirischer Gegenstand be­ stimmt wird; die Erscheinungen also sind ›Gegenstände unserer Sinne‹. Auf diese Gegenstände in der Erscheinung beziehen sich die Verstandesbe­ griffe in ihrem rein empirischen Gebrauch, und in diesem Sinne sind die Er­ scheinungen Gegenstände einer möglichen Erfahrung. Hingegen gilt für den rein transzendentalen Verstandesgebrauch, dass »eine Erscheinung« eine »Vor­ stellung [ist], deren transscendentaler Gegenstand unbekannt ist«. (KrV B 236; AA 03: 168 f.) Wann immer er von Erscheinungen spricht, kann Kant also nicht umhin, ein Vokabular der Differenzierung und Kontrastierung zu verwenden. 8 Mit anderen Worten: Was erscheint, muss immer in enger Verbindung mit dem behandelt wer­ 8

Dies zieht sich durch die gesamte erste Kritik hindurch, angefangen mit der Textstelle, an der von der ›kopernikanischen Revolution‹ die Rede ist und wo es heißt, dass »unser[e] Vernunfterkenntnis a priori […] nur auf Erscheinungen [geht]«, »die Sache an sich selbst da­

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den, was nicht erscheint, freilich nicht in dem Sinne, dass es eine oberflächliche Ebene der Erscheinung als eines bloßen Scheins gäbe, welche eine tiefere und daher verborgene Ebene überdecken würde. Kant hebt ausdrücklich hervor, dass das Erscheinen sich klar vom bloßen Schein unterscheidet; in den Allgemeine[n] Anmerkungen zur Transzendentalen Ästhetik heißt es: Denn in der Erscheinung werden je­ derzeit die Objecte, ja selbst die Be­ schaffenheiten, die wir ihnen beilegen, als etwas wirklich Gegebenes angese­ hen, nur daß, so fern diese Beschaf­ fenheit nur von der Anschauungsart des Subjects in der Relation des gege­ benen Gegenstandes zu ihm abhängt, dieser Gegenstand als Erscheinung von ihm selber als Object an sich un­ terschieden wird. So sage ich nicht, die Körper scheinen bloß außer mir zu sein, oder meine Seele scheint nur in meinem Selbstbewußtsein gege­ ben zu sein, wenn ich behaupte, daß die Qualität des Raums und der Zeit, welcher als Bedingung ihres Daseins gemäß ich beide setze, in meiner An­ schauungsart und nicht in diesen Ob­ jecten an sich liege. Es wäre meine ei­ gene Schuld, wenn ich aus dem, was ich zur Erscheinung zählen sollte, blo­ ßen Schein machte. (KrV B 69 f.; AA 03: 71) [Kursivierung C.E.]

In quello che ci appare, infatti, gli og­ getti e le proprietà stesse che noi vi at­ tribuiamo vengono sempre considerati come qualcosa di effettivamente dato: solo che, dipendendo questo loro ca­ rattere unicamente dal modo di intu­ ire del soggetto – nella relazione che intercorre tra esso e l’oggetto dato – quest’oggetto, come ciò che appare, viene distinto dallo stesso oggetto com’è in sé. Così, io non dico che i corpi paiono semplicemente essere fuori di me, o che la mia anima pare soltanto che mi sia data nell’autoco­ scienza, quando affermo che la qua­ lità dello spazio e del tempo, e cioè la condizione dell’esistenza dei corpi e dell’anima – condizione secondo la quale io pongo questi ultimi – si tro­ vano nel mio modo di intuire, e non in questi oggetti in sé. Sarebbe colpa mia, allora, se ciò che appare – vale a dire ciò che dovrei attribuire al fenomeno – io lo trasformassi in una semplice par­ venza. (ital. Übers. 159–161) [Kursivie­ rung C.E.]

Die Entgegensetzung ist klar: Die Erscheinung ist eine Weise des tatsächlichen Gegebenseins des Gegenstandes und nie auf einen bloßen Schein subjektiver Art (›semplice parvenza‹) zu reduzieren.9 Und doch erinnert Kant jedes Mal, und so­ gegen zwar als für sich wirklich, aber von uns unerkannt, liegen [läßt].« (KrV B XX; AA 03: 13) (ital. Übers. 39) 9 Im Lichte dieser Überlegungen ist festzuhalten, dass der alternative Übersetzungsvor­ schlag von Giorgio Colli nicht überzeugen kann: Er übersetzt Erscheinung mit ›apparenza‹,

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gar in komplexen Satzperioden wie der eben zitierten, daran, dass das Gegebene (es handelt sich hier um ein substantiviertes Partizip) sich auf Anschauung grün­ det, also auf eine Vorstellungsart des Gemüts, zugleich aber auch daran, dass die Anschauung in dem Maße strukturell mit dem gegebenen Gegenstand (hier han­ delt es sich um ein Partizip in adjektivischer Funktion) verbunden ist, in dem sie Bedingung seines Gegebenseins ist. Konzentrieren wir uns noch einmal auf zwei Teile des letzten Zitats, um zu er­ kennen, wie Kant in seinen Ausführungen über die Erscheinungen diese beiden Elemente durchgängig miteinander verknüpft: a) etwas erscheint uns in sinnlicher Anschauung und dank ihrer, b) unsere Anschauung ist jedoch ihrerseits immer schon eine Synthesis von Vorstellungen eines raum-zeitlich gegebenen Gegen­ standes. Die notwendige Entgegensetzung von Erscheinen und Schein verbindet sich stets mit der unvermeidlichen Verklammerung von Anschauung und Objekt/ Gegenstand. Schauen wir uns die Entgegensetzung noch einmal an: Denn in der Erscheinung werden je­ derzeit die Objecte, ja selbst die Be­ schaffenheiten, die wir ihnen beilegen, als etwas wirklich Gegebenes angese­ hen, nur daß […] dieser Gegenstand als Erscheinung von ihm selber als Ob­ ject an sich unterschieden wird. (KrV B 69; AA 03:71)

in quello che ci appare, infatti, gli og­ getti e le proprietà stesse che noi vi at­ tribuiamo vengono sempre considerati come qualcosa di effettivamente dato: solo che […] quest’oggetto, come ciò che appare, viene distinto dallo stesso oggetto com’è in sé. (ital. Übers. 159– 161)

Betrachten wir nun die Verklammerung: […] nur daß, so fern diese Beschaf­ fenheit nur von der Anschauungsart des Subjects in der Relation des gege­ benen Gegenstandes zu ihm abhängt […]. (KrV B 69; AA 03: 71)

[…] solo che, dipendendo questo loro carattere unicamente dal modo di in­ tuire del soggetto – nella relazione che intercorre tra esso e l’oggetto dato […]. (ital. Übers. 161)

ein Ausdruck, der im Italienischen von seiner Bedeutung her allzu nah verwandt mit ›parvenza‹ ist, was hingegen die italienische Übersetzung von Schein ist, und das bedeutet trügerischer Schein, mit welchem Kant sich in der Transzendentale[n] Dialektik auseinandersetzt: »eine Logik des Scheins« (KrV B 86, B 170; AA 03: 81, 130). Im Italienischen bezeichnet apparenza tatsächlich meistens etwas, das anders erscheint, als es in Wirklichkeit, als solches, ist. Das ist aber Kants Begriffsverwendung diametral entgegengesetzt, denn wir können ihm zufolge niemals erkennen, sprich: anschauen, wie die Dinge an sich sind. Die »Logik der Wahrheit« (KrV B 170; AA 03: 130) betrifft nur den Bereich der Erscheinungen. Die von Giorgio Colli vorgelegte und herausgegebene Übersetzung: Kant: Critica della ragione pura. Übers. von Giorgio Colli. Turin 1957 (Mailand 1995).

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Kehren wir zurück zu den Übersetzungsproblemen. Weil die Bedeutung von Erscheinung gleichzusetzen ist mit der des Ausdrucks wirklich gegebenes Objekt, haben wir uns dafür entschieden, den Terminus im Italienischen mit ›quello che ci appare‹ wiederzugeben, denn es erscheint uns eben ein gegenständliches Etwas. Gleichzeitig muss, da dieses Gegebene nicht als Ding an sich betrachtet werden darf, dieses Etwas immer als ein Konstrukt oder als ein Produkt10 unseres Geis­ tes verstanden werden. Aus diesem Grunde soll sich unsere Übersetzung von Erscheinung mit ›ciò che appare‹ oder ›quello che appare‹ (›was erscheint‹) nicht auf das Gegebene beziehen, welches erscheint, sondern auf das Gegebensein des Erscheinens selbst (hier als Genitivus subiectivus aufzufassen: das Gegebensein, welches Erscheinen ist): das, was das Erscheinen ist (›ciò che è l’apparire‹, ›quello che è l’apparire‹). Es gibt weitere Differenzierungen in der Entgegensetzung von Erscheinung und Ding an sich. Wie wir gesehen haben, ist Letzteres grundsätzlich unerkenn­ bar, da das Ding an sich niemals Gegenstand einer sinnlichen Anschauung sein kann. Auch haben wir bereits darauf hingewiesen, dass die Anschauung nie als bloßer subjektiver Schein gedacht werden darf, denn sie bezieht sich im Gegen­ satz dazu stets auf einen gegebenen Gegenstand, ja sie ›setzt‹ diesen Gegenstand. Zugleich haben wir in den voraufgegangenen Zitaten aber auch gesehen, dass das Ding an sich als unbekannte Voraussetzung dessen, was erkannt werden kann, ge­ dacht werden muss. Diese Betrachtung wird in dem Kapitel Von dem Grunde der Unterscheidung aller Gegenstände überhaupt in Phaenomena und Noumena fort­ geführt. Hier wird die Bedeutung von Erscheinung genauer unter Bezugnahme auf die Tätigkeit des Verstandes definiert: Alle unsere Vorstellungen werden in der That durch den Verstand auf ir­ gend ein Object bezogen, und da Erscheinungen nichts als Vorstellungen sind, so bezieht sie der Verstand auf ein Etwas, als den Gegenstand der sinnlichen Anschauung: aber dieses Etwas ist in so fern nur das transcen­ dentale Object. Dieses bedeutet aber ein Etwas = x, wovon wir gar nichts wissen, noch überhaupt (nach der jet­

Tutte le nostre rappresentazioni ven­ gono di fatto riferite a un qualche oggetto mediante l’intelletto, e poi­ ché i fenomeni non sono che rappre­ sentazioni, l’intelletto le riferirà a un qualcosa, in quanto oggetto dell’intui­ zione sensibile: ma questo qualcosa in quanto tale non è altro che l’oggetto trascendentale. Questo però significa che un qualcosa = x di cui non sap­ piamo nulla, né possiamo saperne in

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Produkt in genau dem Sinne, in dem Kant den Begriff im ersten Abschnitt der Ein­ leitung in die erste Auflage der KrV (Idee der Transzendental-Philosophie) verwendet hatte: »Erfahrung ist ohne Zweifel das erste Produkt, welches unser Verstand hervorbringt, indem er den rohen Stoff sinnlicher Empfindungen bearbeitet.« (KrV A 1, Anm.; AA 04: 17)

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zigen Einrichtung unseres Verstan­ des) wissen können, sondern welches nur als ein Correlatum der Einheit der Apperception zur Einheit des Man­ nigfaltigen in der sinnlichen Anschau­ ung dienen kann, vermittelst deren der Verstand dasselbe in den Begriff eines Gegenstandes vereinigt. Dieses transcendentale Object läßt sich gar nicht von den sinnlichen datis abson­ dern, weil alsdann nichts übrig bleibt, wodurch es gedacht würde. (KrV A 250 f.; AA 04: 163 f.) [Kursivierung C.E.]

generale (secondo l’attuale disposi­ zione del nostro intelletto), può servire soltanto come un correlatum dell’unità dell’appercezione rispetto all’unità del molteplice nell’intuizione sensibile, tramite la quale l’intelletto unifica il medesimo molteplice nel concetto di un oggetto. Quest’oggetto trascenden­ tale non si può assolutamente separare dai dati sensibili, poiché diversamente non rimarrebbe nulla con cui poterlo pensare. (ital. Übers. 469) [Kursivie­ rung C.E.]

Das transzendentale Objekt, von dem Kant hier spricht, ist ein Korrelat der Vor­ stellungen, welche die Erscheinung konstituieren, doch ist dieses Korrelat nicht etwas der Erscheinung Fremdes, sondern es ist in einem fundamentalen Sinne in ihr angelegt, immanent. Wenn Kant zuvor postuliert hatte [vgl. Zitat oben], ein Ding an sich müsse gedacht werden, weil man sonst zu dem ›ungereimten Satz‹ ge­ langen würde, ›daß Erscheinung ohne etwas wäre, was da erscheint‹, so behauptet er nun hingegen, das transzendentale Objekt müsse stets mit sinnlich Gegebenem verknüpft werden, weil dieses Objekt andernfalls nicht einmal gedacht werden könnte (und mithin in diesem Falle die empirische Erkenntnis der objektiven Synthesis der Vorstellungen unmöglich wäre). Insofern: Entgegensetzung und Verklammerung, Exklusion und zugleich Inklusion. In der zweiten Auflage hält Kant, in Übereinstimmung mit der soeben zitier­ ten Passage aus der ersten Auflage und wiederum mit Bezug auf den Grund der Unterscheidung aller Gegenstände überhaupt in Phaenomena und Noumena, fol­ gendes Verhältnis zwischen Phänomen und Erscheinung fest: […] wenn wir gewisse Gegenstände, als Erscheinungen, Sinnenwesen (Phaenomena) nennen, indem wir die Art, wie wir sie anschauen, von ihrer Beschaf­ fenheit an sich selbst unterscheiden […].« (KrV B 306; AA 03: 209) [Kursi­ vierung C.E.]

[…] se denominiamo certi oggetti, in quanto ci appaiono, enti sensibili (phaenomena), distinguendo il modo in cui li intuiamo dalla loro natura in se stessa […]. (ital. Übers. 473) [Kursi­ vierung C.E.]

Der Terminus Phaenomenon hat im Vergleich zu Erscheinungen die Besonder­ heit, deren Bezug zur Sinnlichkeit im Gegensatz zu den Verstandeswesen oder

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Intelligibilia zu verdeutlichen. Kant zufolge ›liegt […] doch schon‹ im Begriff der Phaenomena oder Sinnenwesen eine doppelte ›Gegenüberstellung‹: a) auf der ei­ nen Seite ›unterscheiden‹ wir sie von den Gegenständen, ›nach dieser letzteren Beschaffenheit‹ betrachtet, welche von uns aber grundsätzlich nie geschaut wer­ den kann; b) auf der anderen Seite unterscheiden wir sie von anderen ›möglichen Dingen‹, die niemals Objekte unserer Sinne sein werden, sondern vielmehr ›Ge­ genstände bloß durch den Verstand gedacht‹ sind und daher als Verstandeswesen oder Noumena bezeichnet werden (vgl. KrV B 306; AA 03: 209). Was diesbezüglich besonders interessant ist, ist die Unterscheidung zwischen einer ›positiven‹ Bedeutung des Terminus Noumenon, der zufolge das Noumenon das Objekt einer nichtsinnlichen Anschauung meint, dessen Möglichkeit wir nicht einmal begreifen können, und einer ›negativen‹ Bedeutung, der zufolge das Noumenon einen Gegenstand bezeichnet, der nicht Objekt unserer sinnlichen An­ schauung ist, eine negative Begriffsverwendung, mit der wir einfach von unserer Anschauungsart abstrahieren (KrV B 307; AA 03: 209 f.). Wenn nun das Noumenon in positiver Bedeutung außerhalb der Reichweite der empirischen Erkenntnis liegt und dem Phaenomenon schlicht entgegengesetzt ist, so gehört es hingegen in negativer Bedeutung (›im negativen Verstande‹) essentiell zu einer ›Lehre von der Sinnlichkeit‹ (KrV B 307; AA 03: 210). Aus dieser Perspektive betrachtet, ist bekanntlich das Noumenon für Kant nur ein »Grenzbegriff, um die Anmaßung der Sinnlichkeit einzuschränken« (KrV B 310 f.; AA 03: 211), und mithin »ein die Sinnlichkeit in Schranken setzender Begriff« (KrV B 311; AA 03: 212). Die Ent­ gegensetzung positiv/negativ erlaubt es also nicht nur, das Noumenon als das Ge­ genteil des Phaenomenon zu denken, also als Ding an sich, welches aus dem Feld der Erfahrung ausgeschlossen wird. Sondern sie erlaubt es auch, das Phänomen als dasjenige zu begreifen, welches eben nicht Noumenon ist, und Letzteres doch – wenngleich nur negative – in die Bestimmung des Phänomens einzubeziehen. Erscheinung eröffnet folglich ein semantisches Feld, das in seiner ganzen Breite ständig im Blick zu behalten ist: In der Tat ist es geprägt durch ein permanentes Oszillieren zwischen dem a priori bestimmten empirischen Gegenstand und dem transzendentalen Objekt, welches ein leerer Begriff bleibt, jedoch für unsere Vor­ stellung von Erfahrung unverzichtbar ist. Letztendlich ist das Phänomen nicht nur dasjenige, worauf sich unsere Erkenntnis beschränkt, das geschlossene und unüberschreitbare Gebiet des Empirischen, sondern es markiert auch ganz klar einen transzendentalen Horizont, der immer bedacht werden muss nicht nur mit Blick auf das, was das Phänomen ist, sondern auch auf das, was es eben nicht ist. Aus den dargelegten Gründen habe ich, indem ich Erscheinung mit ›fenomeno‹ oder ›ciò che appare‹ übersetzt habe, dem Leser einen Eindruck von so etwas wie einem ›semantischen Zittern‹, ein Gespür für jenes ›Nichts‹ vermitteln wollen, welches hinter dem Gegenstand und an seinem Grunde liegt – ein Nichts, welches weniger das Gegenteil des phänomenal Gegebenen als vielmehr die (negative)

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Bedingung der Vorstellung der Erscheinung ist. In der zweiten Analogie der Erfahrung hat Kant bekräftigt, die Erscheinung sei eine »Vorstellung, deren trans­ zendentaler Gegenstand unbekannt ist«: Letzterer sei »nichts an sich selbst« (»non è nulla in sé stesso«), sondern vielmehr nur ein »Inbegriff dieser Vorstellungen […], als der Gegenstand derselben betrachtet, mit welchem mein Begriff […] zu­ sammenstimmen soll«. (KrV B 236; AA 03: 169) Man wird sich daran erinnern, dass Kant sich auf einen transzendentalen Idea­ lismus als ›Schlüssel zur Auflösung der kosmologischen Dialektik‹ und damit auf die These beruft, dass »die Gegenstände der Erfahrung niemals an sich selbst, sondern nur in der Erfahrung gegeben [sind] und […] außer derselben gar nicht [existiren]«. (KrV B 521; AA 03: 339f.) Es verhält sich so wie mit den vermeintli­ chen Bewohnern des Mondes: Ihre Existenz einzuräumen bedeutet, dass man »in dem möglichen Fortschritt der Erfahrung auf sie treffen könnte[n]«, nicht aber, dass sie wirklich sind, denn sie werden eben nicht wahrgenommen. Und selbst wenn sie wahrgenommen würden, wären sie nicht als solche wirklich, sondern nur deshalb, weil sie »mit meinem wirklichen Bewußtsein in einem empirischen Zusammenhange« stünden. Daher gilt: Uns ist wirklich nichts gegeben, als die Wahrnehmung und der empirische Fortschritt von dieser zu andern mög­ lichen Wahrnehmungen. Denn an sich selbst sind die Erscheinungen als bloße Vorstellungen nur in der Wahrneh­ mung wirklich, die in der That nichts andres ist, als die Wirklichkeit einer empirischen Vorstellung, d. i. Erscheinung. Vor der Wahrnehmung eine Er­ scheinung ein wirkliches Ding nennen, bedeutet entweder, daß wir im Fort­ gange der Erfahrung auf eine solche Wahrnehmung treffen müssen, oder es hat gar keine Bedeutung. (KrV B 521; AA 03: 340) [Kursivierung C.E.]

Nulla ci è dato realmente, se non la percezione e il progresso empirico da questa ad altre percezioni possibili. In­ fatti, in sé stessi i fenomeni, come sem­ plici rappresentazioni, sono reali solo nella percezione, e questa di fatto non è altro che la realtà di una rappresen­ tazione empirica, vale a dire ciò che ci appare. Il fatto di chiamare un feno­ meno, prima della percezione, cosa re­ ale, o significa che nel progresso dell’e­ sperienza dovremo imbatterci in una tale percezione, oppure non significa nulla. (ital. Übers. 737) [Kursivierung C.E.]

Der Leser muss also sensibilisiert werden für jene Tiefendimension der kanti­ schen Erscheinung, welche wir als ›nihilistisch‹ bezeichnen möchten – ›nihilis­ tisch‹ nicht in einem metaphysischen, sondern in einem rein transzendentalphi­ losophischen Sinne. Der Schatten des Nichts, ein ›Schaudern‹ vor dem Nichts gehörten ganz wesentlich zum Verständnis des empirischen Gegenstandes dazu,

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genauer gesagt: dies bezieht sich nicht nur auf das, was nicht wahrgenommen wer­ den kann, sondern auch auf das Wesen dessen, was wahrgenommen und verge­ genständlicht werden kann. Im Übrigen hatte Kant schon in seiner All­ge­mei­ne[n] Anmerkung zur transzendentalen Ästhetik bemerkt: so daß […] so bald wir unsre subjec­ tive Beschaffenheit wegnehmen, das vorgestellte Objekt mit den Eigen­ schaften, die ihm die sinnliche An­ schauung beilegte, überall nirgend an­ zutreffen ist, noch angetroffen werden kann, indem eben diese subjective Be­ schaffenheit die Form desselben als Erscheinung bestimmt. (KrV A 45, B 62; AA 04: 44; AA 03: 66 f.)

[…] non appena mettiamo da parte la nostra natura soggettiva, l’oggetto rappresentato – assieme alle proprietà attribuitegli dall’intuizione sensibile – non lo si trova più da nessuna parte, né mai può essere trovato, in quanto è proprio questa natura soggettiva che ne determina la forma come feno­ meno. (ital. Übers. 151)

Es ist das reine Erscheinen, welches Kant interessiert, das reine Erscheinen, bei dem nichts erscheint. Daher ist die Übersetzung von Erscheinung mit ›ciò che appare‹ oder ›quello che appare‹ (›was erscheint‹) aufzufassen im Sinne von ›ciò che è l’apparire‹, ›quello che è l’apparire‹ (›das, was das Erscheinen ist‹). Das Er­ scheinen ist zugleich das Erscheinen des Nichts als Bedingung der Erscheinung. III. Die Grenzen und die Schranken der Vernunft

Das Phänomen muss Kant zufolge stets mit einem transzendentalen Korrelat (dem Ding an sich) und einem rein intelligiblen Gegenstand (dem Noumenon) zusammen gedacht werden, und daher muss die Wirklichkeit des empirischen Gegenstandes in der Erscheinung immer als mit dem Nichts des nicht erscheinen­ den Dinges verbunden gedacht werden. Dies hat mich veranlasst, den gängigen Befund zu überdenken, demzufolge das kritische Denken Kants (zumindest in der Form, in der es sich in der KrV artikuliert) als eine ›Philosophie der Grenzen der Vernunft‹ aufzufassen ist. Was soll dieser Befund bedeuten? Unter Grenzen kann man Unterschiedliches verstehen: a) Sie markieren die rationale Selbstkontrolle als Abgrenzung gegen die überzogenen Ansprüche des metaphysischen Dogmatismus auf der einen und des antimetaphysischen Skep­ tizismus auf der anderen Seite, mithin gegen zwei unrechtmäßige, weil nicht kri­ tisch geprüfte Paradigmen; b) oder sie lassen sich auffassen als Manifestation eines nüchternen Denkens, welches die eigenen Erkenntnisse nicht verabsolutiert, sondern seine Qualitäten im Abstecken von Zuständigkeitsbereichen (dem der theoretischen und dem der praktischen Philosophie) und in der Verteilung von

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Kompetenzen (Sinnlichkeit, Verstand, Vernunft) unter Beweis stellt; c) schließ­ lich mag man die Grenzen im Sinne einer Art Disponibilität der kritischen Ver­ nunft verstehen: ihrer Bereitschaft, einen Freiraum zu lassen für das, was ihre Grenzen übersteigt und was in seinem Anderssein dank dem unhintergehbaren Charakter der kritischen Selbstbegrenzung zu bewahren ist. Höchst interessant für den Leser und insbesondere auch für den Übersetzer Kants ist die Doppelung oder, wenn man so will, erneute Verdoppelung der Vor­ stellung von Begrenzung in zwei Termini, die in die Wirkungsgeschichte der kan­ tischen Philosophie eingegangen sind: Schranke und Grenze. Schauen wir uns das Problem, vom Italienischen ausgehend, genauer an. Im Italienischen wird Schranke üblicherweise mit ›confine‹ und Grenze mit ›limite‹ wiedergegeben. Nach meinem Dafürhalten müsste in einigen Fällen – die durchaus zu den wich­ tigsten Belegstellen im Werk Kants zählen – die Übersetzung der beiden Termini genau umgekehrt werden, und dies nicht nur, um der ursprünglichen Bedeutung der beiden Wörter und den Kontexten, in denen sie verwendet werden, sondern vor allem auch, um dem kritischen System Kants besser gerecht zu werden. Wie stellt sich nun aber das Problem des spezifischen Bezuges zwischen Schranke und Grenze im Denken Kants dar? Das Problem ist ungelöst, und von ihm hängt die konkrete Bedeutung einiger wichtiger Passagen in Kants Werk ab, ja sogar das, was wir die ›Stimmung‹ seines Werkes nennen könnten. Allgemein lässt sich feststellen, dass Kant nicht selten beide Wörter synonym verwendet; hier und da setzt er entsprechend dem jeweiligen Verwendungskontext unterschied­ liche Bedeutungsakzente. In vielen Fällen jedoch und im Verlaufe der Entwick­ lung, Differenzierung und Präzisierung der kritischen Philosophie gewinnen die beiden Begriffe unterschiedliche Profile, um schließlich in eine Bedeutungsdiffe­ renzierung von Grenze und Schranke einzumünden. Eine klare Aufspaltung hat diese Bedeutungsdifferenzierung freilich nicht zur Folge, vielmehr verbleibt sie stets innerhalb einer Vorstellung von Rationalität als gemeinsamem Horizont.11 Es sei daran erinnert, dass im deutschen Sprachgebrauch die durch Schranke bezeichnete Limitation eine Barriere meint, die einen Inhalt beschränkt und ein Überhandnehmen unterbindet (man denke etwa an den Ausdruck ›etwas in Schranken halten‹), oder eine Sicherheitsschranke (hier ist an den Ausdruck ›be­ schrankter Bahnübergang‹ zu denken). Grenze enthält die Bedeutung einer zu­ nächst nicht ohne Weiteres überschreitbaren Grenzlinie, und dementsprechend 11

Zu diesem Problem des Übergangs sei verwiesen auf Esposito: I limiti del mondo e i confini della ragione. La teologia morale di Kant. In: Luca Fonnesu (Hg.): Etica e mondo in Kant. Bologna 2008. 237–269; dt. Übers u.d.T. Die Schranken der Erfahrung und die Gren­ zen der Vernunft. Kants Moraltheologie. In: Aufklärung. Interdisziplinäres Jahrbuch zur Erforschung des 18. Jahrhunderts und seiner Wirkungsgeschichte. Bd. 21: Themenschwer­ punkt: Religion. Hg. von Robert Theis. Hamburg 2009. 117–145. Einige Argumentationen des vorliegenden Beitrags greifen Überlegungen aus der angeführten Publikation auf.

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spricht man vom Grenzer oder Grenzwächter und vom Grenzübergang. Um den Bedeutungsunterschied der beiden Wörter hervorzuheben, mag man den unter­ schiedlichen Gebrauch des Partizips des Verbs beschränken mit dem des Verbs begrenzen vergleichen, und zwar dort – und das ist interessant –, wo es um ein positives oder negatives Urteil über den geistigen Horizont einer Person geht. So wird man beispielsweise in dem einen Falle urteilen: ›Er ist beschränkt!‹, um eine unüberwindbare, absolute Beschränktheit aufzuzeigen, die sich eben nicht steigern lässt (›Man kann nicht beschränkter sein als er‹); in einem anderen Falle wird man das andere Wort, Grenze, verwenden, um einen nur relativen und vor­ übergehenden Defekt oder Mangel in Bezug auf etwas aufzuzeigen, wie wenn man beispielsweise über jemanden sagt: ›Er hat ein begrenztes Auffassungsver­ mögen‹ – damit nimmt man indirekt auch Bezug auf ein Jenseits dieser Begrenzt­ heit oder die Möglichkeit ihrer Überwindung. Wie gesagt, können die beiden Ausdrücke in bestimmten Kontexten bei Kant dasselbe bedeuten, doch in den meisten Fällen transportieren sie unterschiedliche Bedeutungen, die einander nicht notwendigerweise entgegengesetzt sind und einander oft passgenau ergänzen. Halten wir uns weiterhin an die KrV. Hier sei an die Vorrede zur zweiten Auflage des Werks (1787) erinnert, wo Kant, unmittelbar nachdem er die Analogie zwischen seinem Unternehmen und dem des Kopernikus aufgestellt hat, von den zwei Teilen spricht, aus denen sich die Metaphysik zusammensetzt. Der erste beschäftigt sich »mit Begriffen a priori […] davon die korrespondierenden Gegenstände in der Erfahrung jenen ange­ messen gegeben werden können«: und das ist wiederum möglich dadurch, dass wir »von den Dingen nur das a priori erkennen, was wir selbst in sie legen« (KrV B XVIII; AA 03: 13). Allein in diesem Sinne kann die Metaphysik in den »siche­ ren Gang einer Wissenschaft« (KrV B XIX) gebracht werden. Damit eröffnet sich ein Weg, der nicht nur in Hinblick auf die empirischen Bedingungen der Erkenntnis gangbar ist, sondern der auch zu dem Problem führen kann, das jene Bedingungen überwindet. Einerseits ist der Ausgang dieses ersten Teils in Bezug auf das ›allgemeine Ziel‹ der Metaphysik bloß negativ, insofern hier definitiv festgestellt wird, dass wir mit unserem Erkenntnisvermögen »nie über die Grenze möglicher Erfah­ rung hinauskommen können« (ebd.) (»non possiamo mai oltrepassare il confine di un’esperienza possibile«), was die Schulmetaphysik hingegen fälschlich ange­ nommen hatte. Aber dieser Ausgang impliziert andererseits etwas Überraschen­ des, ›ein befremdliches Resultat‹ in Bezug auf das, was über die Grenze (›oltre il confine‹) unserer Erkenntnis hinaus geht und womit sich der zweite Teil der Metaphysik beschäftigt. Würden wir nämlich das, was bloß ein empirischer Ge­ genstand ist, mit dem Ding an sich identifizieren, wären wir genötigt, das Unbe­ dingte nicht mehr zuzulassen, da dies Letztere im Widerspruch zu den sinnlichen und verstandesmäßigen Bedingungen, welche die Erfahrung bestimmen, stünde.

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Wenn wir dagegen deutlich die Vorstellung eines Gegenstandes vom Ding an sich unterscheiden, dann kann der leere Raum jenseits des Phänomens (›leer‹ im Sinne der empirischen Bestimmung) zu einem ›Freiraum‹ werden, das Unbedingte ohne Widerspruch zu denken. Dies eröffnet die Möglichkeit, dass die Metaphysik in ihrem zweiten Teil – den man für schlechthin unmöglich hätte halten können –, wenngleich sie ihre Data nicht in einer reinen Verstandeserkenntnis im Bereich der spekulativen Vernunft wird finden können, sie hingegen in einer praktischen »Erkenntnis der Vernunft« wird finden können, um, »dem Wunsche der Metaphysik gemäß, über die Grenze [›al di là del confine‹] aller möglichen Erfahrung hinaus« zu gelangen. (KrV B XXI; AA 03: 14) Es ist interessant, in diesem Zusammenhang an das zu erin­ nern, was Kant einige Zeilen zuvor bemerkt hatte: das, was uns notwendig dazu »treibt«, über »die Grenze der Erfahrung und aller Erscheinungen hinaus« zu gehen (»oltrepassare il confine dell’esperienza e di tutto ciò che ci appare«), ist das Unbedingte selbst; aber dieses wird seinerseits lediglich als etwas verstanden, das die Vernunft selbst »in den Dingen an sich selbst notwendig und mit allem Recht zu allem Bedingten, und dadurch die Reihe der Bedingungen als vollen­ det verlangt« (KrV B XX; AA 03: 13), damit sie die Reihe der Bedingungen be­ schließen kann, die sie selbst im Übrigen bereits a priori für die Erscheinungen festgelegt hatte. Die Grenze der Erkenntnis hatte sich als ›absolut‹ dargestellt, sodass jenseits ihrer die Erfahrung nicht an etwas Anderes oder an irgendein anderes Gebiet, das außerhalb läge, angrenzen kann. Die Grenze grenzt nur an einen leeren Raum, der ständig offen für ein Jenseits ist, weil die spekulative Vernunft dies verlangt, freilich im Sinne einer offenen, gewissermaßen leeren Forderung: Der Raum jen­ seits der Grenze ist kein Raum jenseits der Vernunft, sondern innerhalb ihrer und nur durch sie möglich: Und bei einem solchen Verfahren hat uns die speculative Vernunft zu solcher Erweiterung immer doch wenigstens Platz verschafft, wenn sie ihn gleich leer lassen mußte, und es bleibt uns also noch unbenommen, ja wir sind gar dazu durch sie aufgefordert, ihn durch praktische Data derselben, wenn wir können, auszufüllen. (KrV B XXI f.; AA 03: 14)

Der empirische Gegenstand wird in spekulativer Hinsicht von der Vernunft be­ stimmt, als ein Produkt des Verstandes. Das Ding an sich ist als Unbedingtes et­ was, das gefordert wird. Ihm kann, ja muss von der Vernunft stets nachgegangen werden, jedoch in einem anderen Sinne, dem einzig möglichen, der das Gegebene mit dem Gewollten, das Sein mit dem Sollen zusammenführen kann. Die praktischen Data dieser Grenzüberschreitung können – im Kontext der KrV – im Begriff einer moralischen Welt oder einer schlichtweg intelligiblen Welt vorgestellt werden. In der Transzendentale[n] Methodenlehre betont Kant noch

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einmal, der größte und vielleicht einzige Nutzen der gesamten Philosophie der reinen Vernunft sei ein negativer: Sie sei kein Organon zur Erweiterung der Er­ kenntnis, sondern nur eine Disziplin ›zur Grenzbestimmung‹ (›per determinare i confini‹) und zur Verhinderung von Irrtümern. Doch muss irgendwo eine Quelle sein, genauer gesagt: ein Grund für die positiven Vernunfterkenntnisse – träfe das nicht zu, so bliebe unsere »nicht zu dämpfende Begierde, durchaus über die Grenze der Erfahrung hinaus irgendwo festen Fuß zu fassen« (KrV B 824, A 796; AA 03: 517), schlichtweg unerklärlich und absurd. Über die Grenzen hinaus zu gehen (›andare oltre i confini‹) bedeutet daher nicht weniger als den Endzweck des reinen Gebrauchs unserer Vernunft zu erfüllen. Schon bei der Verhandlung der psychologischen Paralogismen beispielsweise (genauer gesagt, im Rahmen der Zurückweisung von Moses Mendelssohns Be­ hauptung von der Beharrlichkeit der Seele nach dem Tod auf Grund ihrer ein­ fachen Natur) hatte Kant davon gesprochen, dass die Vernunft »als praktisches Vermögen an sich selbst, ohne auf die Bedingungen der letzteren [der Ordnung der Natur, C.E.] eingeschränkt zu sein, die erstere [die Ordnung der Zwecke, C. E.] und mit ihr unsere eigene Existenz über die Grenzen der Erfahrung und des Lebens hinaus zu erweitern berechtigt ist«. (KrV B 425; AA 03: 277) Somit enthüllt sich der Endzweck des Menschen oder besser der Endzweck all dessen, was sich allein im Menschen finden lässt, dann, wenn dieser sich dazu be­ rufen fühlt, dank seines rechten Verhaltens in dieser Welt – d. h. dank seinen mit dem moralischen Gesetz übereinstimmenden Absichten – ein guter Bürger einer besseren Welt zu werden. Ein solches Ergebnis ist weit mehr als bloße Überein­ stimmung eines Lebewesens mit seiner individuellen Bestimmung, da der Mensch ja überhaupt erst durch den Gebrauch seiner Freiheit zur Übereinstimmung mit dem Gesetz und mithin über die bloße Naturordnung hinausgelangt. Die bessere Welt, deren Bürger er werden kann, ist diejenige, die er in seiner eigenen Vorstel­ lung hat. Worin genau aber besteht diese Idee der Welt? Diese moralische Welt ist eine praktische Idee der Vernunft, eine Idee also, »die wirklich ihren Einfluß auf die Sinnenwelt haben kann und soll, um sie dieser Idee so viel als möglich gemäß zu machen« (KrV B 836; AA 03: 525), damit die Sinnenwelt in Übereinstimmung mit dieser Idee gebracht werden kann. Eine der­ artige Idee der moralischen Welt muss folglich ihre eigene objektive Realität be­ sitzen, gewiss nicht deshalb, so stellt Kant unverzüglich klar, weil sie Gegenstand einer intelligiblen Anschauung sein könnte, ist eine solche doch grundsätzlich un­ möglich, sondern vielmehr insofern, als sie sich auf die sinnliche Erfahrung dieser Welt bezieht und diese nicht mehr nur als Erkenntnisgegenstand (Erscheinung), sondern als ›Gegenstand der reinen Vernunft in ihrem praktischen Gebrauche‹ betrachtet. In diesem Sinne wird die Sinnenwelt als corpus mysticum gedacht (ebd.), als ›durchgängige systematische Einheit‹ – als eine Einheit, die sich in jedem vernünftigen Wesen findet, in dem sich die Übereinstimmung von Sin­

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nenwelt und intelligibler Welt im Übergang von der Natur zur Freiheit vollzieht, zugleich aber auch die Übereinstimmung dieses vernünftigen als eines freien We­ sens mit der Freiheit aller anderen vernünftigen Wesen. In dieser Idee einer moralischen Welt gabelt sich eine Demarkationslinie, die die gesamte Vernunfterkenntnis durchquert, und zwar dort, wo die Schranken der Sinnenwelt (›i limiti del mondo sensibile‹) und die Grenzen der intelligiblen Welt (›i confini del mondo intelligibile‹) einander berühren und überlagern. Die Existenz dessen, was die Erfahrung übersteigt, kann niemals eine Vorausset­ zung, muss aber auf der Basis einer Pflicht eine Überzeugung sein; obwohl sie die Schranken der spekulativen Vernunft und näherhin das Verstandesvermögen überschreitet, entfernt sie sich nie von der Vernunft, sondern bleibt strikt inner­ halb ihrer Grenzen. Wir kehren zurück zu unseren Übersetzungsproblemen. Im Lichte dieser Überschreitung der (und in der) Vernunft, des Übergangs von der theoretischen zur praktischen Philosophie müssen die Termini Grenzen und Schranken jeweils so verstanden und übersetzt werden, dass damit der ganzen Dynamik und Ge­ spanntheit der Kritik als eines fortwährenden Prozesses der Selbstbegrenzung Rechnung getragen wird. Innerhalb der kritischen Philosophie sind Begrenzun­ gen nicht nur Strukturen, die etwas ab- und einschließen, sondern auch Indika­ toren dynamischer Übergänge; in ihnen zeigt sich eine erweiterte Toponomastik der reinen Vernunft. In seinen berühmten Erläuterungen dieser Termini in den Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können (1783) und dort namentlich im Abschluß (Von der Grenzbestimmung der reinen Vernunft, AA 04: 350) hat Kant uns Übersetzungskriterien geliefert. Dieser Titel wurde in der bekanntesten und als kanonisch geltenden italienischen Übersetzung von Pantaleo Carabellese aus dem Jahre 1925 folgendermaßen wiedergegeben: »Determinazione dei limiti della ragion pura«.12 Die aktuellere und meines Erachtens korrektere Übersetzung von Renato Pettoello lautet hingegen: »Determinazione dei confini della ragion pura«.13 Es wäre, so schreibt Kant im Abschluß, eine ›Ungereimtheit‹ zu hoffen, dass man auch andere Gegenstände als nur die Gegenstände der Erfahrung erken­ nen könne; denn in diesem Falle bliebe das Problem ungelöst, wie man diese nicht-empirischen Gegenstände bestimmen könnte außerhalb der Bedingungen 12

Kant: Prolegomeni ad ogni futura metafisica che si presenterà come scienza. Übers. und hg. von Pantaleo Carabellese. Überarbeitet von Rosario Assunto. Rom/Bari 1982. 118. 13 Kant: Prolegomeni ad ogni futura metafisica che possa presentarsi come scienza. Übers. und hg. von Renato Pettoello. Brescia 2016. 225. Am Schluss seiner Einleitung (33) über­ nimmt Pettoello explizit meinen Vorschlag, Grenze mit ›confine‹ und Schranke mit ›limite‹ zu übersetzen. Diesbezüglich sei auch verwiesen auf Renato Pettoello/Nadia Moro (Hg.): Dizionarietto di tedesco per filosofi. Brescia 2014. 108 f. (Grenze) und 156 (Schranke).

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von Erfahrung überhaupt, sprich jenseits der raum-zeitlichen Anschauung und der Verstandesbegriffe. Andererseits jedoch käme es einer noch größeren Unge­ reimtheit gleich, Dinge an sich in der Annahme, ›die einzig mögliche Erkenntnis­ art der Dinge‹ sei die Erfahrung, kategorisch auszuschließen: Unsere Principien, welche den Ge­ brauch der Vernunft blos auf mögliche Erfahrung einschränken, könnten demnach selbst transscendent werden, und die Schranken unsrer Vernunft für Schranken der Möglichkeit der Dinge selbst ausgeben, wie davon Humes Di­ alogen zum Beispiel dienen können, wenn nicht eine sorgfältige Kritik die Grenzen unserer Vernunft auch in An­ sehung ihres empirischen Gebrauchs bewachte und ihren Anmaßungen ihr Ziel setzte. (Prol, AA 04: 351) [Kursi­ vierung C.E.]

I nostri principi, che limitano l’uso della ragione semplicemente all’espe­ rienza possibile, potrebbero quindi di­ ventare essi stessi trascendenti e spac­ ciare i limiti della nostra ragione per limiti della possibilità delle cose stesse – i Dialoghi di Hume offrono un buon esempio in proposito –, se un’attenta critica dei confini della nostra ragione non vegliasse anche in vista del suo uso empirico, e non ponesse fine alle sue pretese.« (ital. Übers. von Pettoello [Anm. 13] 226) [Kursivierung C.E.]

Hier hingegen die Übersetzung von Carabellese: I nostri principi che confinano l’uso della ragione soltanto all’esperienza possi­ bile, potrebbero adunque divenire trascendenti e spacciare i confini della nostra ragione per confini della possibilità delle cose stesse (e possono servire d’esempio i dialoghi di Hume), quando una accurata critica non stia a guardia dei limiti della nostra ragione anche riguardo al suo uso empirico e non scopra la mira delle sue pretese. (ital. Übers. von Carabellese [Anm. 12] 118 f.) [Kursivierung C.E.]

Wir können nicht davon ausgehen, dass die Prinzipien der empirischen Erkennt­ nis der inneren Verfasstheit der Gegenstände angemessen sind. Zugleich ist es uns versagt, die Bedingungen der Gegenstände der Erfahrung als allgemeingül­ tig und mithin auch als Bedingungen der Dinge an sich anzunehmen und die Prinzipien unseres diskursiven Verstandes für Prinzipien jedes möglichen Ver­ standes zu halten. Das Verbot, die Grenzen zu überschreiten, wird zur Möglich­ keit, ja Notwendigkeit, sie zu überschreiten. Die Kritik nimmt also eine Funk­ tion wahr, die der der Grenzwächter analog ist: Ihre Aufgabe ist es nicht nur, die Erkenntnis innerhalb der Grenzen der Erfahrung zu halten, sondern auch, die Erwartungen der Vernunft nicht innerhalb dieser Grenzen einzuschließen und ihre Erfüllung zu begünstigen, indem ihnen Zugang zu angrenzenden Bereichen gewährt wird. Das bedeutet aber auch, dass die Vernunft nicht nur weiß, was sich innerhalb dieser Schranken befindet, sondern ganz gewiss auch weiß, was

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jenseits der Grenzen liegt. Diese Grenzen liegen mithin wie gesagt innerhalb der Vernunft: Grenzen (bei ausgedehnten Wesen) setzen immer einen Raum voraus, der außerhalb einem gewissen bestimm­ ten Platze angetroffen wird, und ihn einschließt; Schranken bedürfen der­ gleichen nicht, sondern sind bloße Verneinungen, die eine Größe af­ fizieren, so fern sie nicht absolute Vollständigkeit hat. (Prol, AA 04: 352) [Kursivierung C.E.]

I confini (in un essere esteso) presup­ pongono sempre uno spazio che si trova al di fuori di un certo posto e lo racchiude; i limiti non ne hanno biso­ gno, in quanto sono semplici negazioni che affezionano una grandezza, nella misura in cui non ha completezza asso­ luta. (ital. Übers. von Pettoello [Anm. 13] 229) [Kursivierung C.E.]

Carabelleses Übersetzung hingegen lautet folgendermaßen: I limiti (in un essere esteso) presuppongono sempre uno spazio, che si trova fuori di un certo determinato luogo e lo racchiude; i confini non han bisogno di ciò, ma son semplici negazioni che affettano una grandezza, in quanto non ha comple­ tezza assoluta. (ital. Übers. von Carabellese [Anm. 12] 120) [Kursivierung C.E.]

Hier wird auf die Besonderheit der Metaphysik im Verhältnis zu den anderen Wissenschaften angespielt: Erstere ist als eine Transzendentalwissenschaft im engeren Sinne zu verstehen, d. h. als Wissenschaft von den Bedingungen der Er­ kenntnis und damit zugleich als Wissenschaft vom Unbedingten. Die anderen Wissenschaften hingegen – wie etwa die Mathematik und die Physik – untersu­ chen einen ›gleichartigen‹ Gebrauch der rationalen Erkenntnis und kennen aus diesem Grunde nicht Grenzen (›confini‹), sondern nur Schranken (›limiti‹). Gewiss gibt es jenseits dieser letztgenannten Wissenschaften immer auch etwas Anderes, wohin sie nie durchdringen können, doch dadurch werden ihre jeweiligen Erklä­ rungen nicht beeinträchtigt, welche innerhalb ihres eigenen Gebiets erfolgreich fortschreiten können, ja müssen, indem sie von Mal zu Mal ihre Schranken ver­ schieben, ohne dass aber je eine Schranke zur Grenze werden könnte, zu einer Kontaktstelle mit dem, was den eigenen Bereich überschreitet und einen Über­ gang zu einem anderen Gebrauch der Vernunft in Bezug auf denselben Gegen­ stand ermöglicht. Im Falle der Metaphysik stellt sich dies ganz anders dar: Allein Metaphysik führt uns in den di­ alektischen Versuchen der reinen Ver­ nunft (die nicht willkürlich, oder mut­ williger Weise angefangen werden, sondern dazu die Natur der Vernunft

Sennonché la metafisica, nei tentativi dialettici della ragione pura (che non sono intrapresi arbitrariamente o per capriccio, perché è la natura stessa della ragione che ci spinge verso di

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selbst treibt) auf Grenzen; und die transscendentale Ideen, eben dadurch daß man ihrer nicht Umgang haben kann, daß sie sich gleichwohl niemals wollen realisieren lassen, dienen dazu, nicht allein uns wirklich die Grenzen des reinen Vernunftgebrauchs zu zei­ gen, sondern auch die Art, solche zu bestimmen […]. (Prol, AA 04: 352) [Kursivierung C.E.]

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essi), ci conduce ai confini e le idee tra­ scendentali – appunto per il fatto che non se ne può fare a meno, senza che per questo sia mai possibile realizzarle – servono non soltanto a mostrarci ve­ ramente i confini dell’uso puro della ragione, bensì anche il modo di de­ terminarli. (ital. Übers. von Pettoello [Anm. 13] 230) [Kursivierung C.E.]

Carabellese hingegen übersetzt folgendermaßen: Ma la metafisica, nei cimenti dialettici della ragion pura (che non sono intra­ presi di proprio arbitrio o di proposito, ma sono tali che ad essi incita la natura stessa della ragione), ci porta ai limiti; e le idee trascendentali, appunto perché da una parte non se ne può fare a meno, e dall’altra non si lascian mai realiz­ zare, servono non solo a mostrarci realmente i limiti dell’uso puro della ragione, ma anche il modo di determinarli. (ital. Übers. von Carabellese [Anm. 12] 121) [Kursivierung C.E.]

Grenzen festzulegen heißt, den Raum (oder die Welt) sowohl innerhalb als auch außerhalb dieser Grenzen zu denken. Die Grenzen der Metaphysik verkehren sich zu einer Metaphysik der Grenzen. Kant umreißt ihre Aufgaben folgender­ maßen: […] haben wir Schranken der Ver­ nunft in Ansehung aller Erkenntnis bloßer Gedankenwesen angezeigt; jetzt […] können wir auch die Grenzen der reinen Vernunft bestimmen; denn in allen Grenzen ist auch etwas Posi­ tives (z. B. Fläche ist die Grenze des körperlichen Raumes, indessen doch selbst ein Raum, Linie ein Raum, der die Grenze der Fläche ist, Punkt die Grenze der Linie, aber doch noch im­ mer ein Ort im Raume), dahingegen Schranken bloße Negationen enthal­ ten. (Prol, AA 04: 354) [Kursivierung C.E.]

[…] abbiamo indicato i limiti della ra­ gione, in vista di ogni conoscenza di semplici enti del pensiero; ora, […] possiamo determinare anche i confini della ragione pura; ché in tutti i confini è sempre contenuto qualcosa di positivo (ad esempio la superficie è il confine dello spazio corporeo, essendo essa stessa uno spazio; la linea uno spazio che è il confine della superficie; il punto il confine della linea, e tuttavia pur sempre un luogo nello spazio); i limiti invece contengono semplici nega­ zioni. (ital. Übers. von Pettoello [Anm. 13] 231–232) [Kursivierung C.E.]

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Hier hingegen Carabelleses Übersetzung: […] abbiam indicato i confini della ragione riguardo ad ogni conoscenza di es­ seri soltanto pensati; […] possiamo adesso anche determinare i limiti della ragion pura; giacché in tutti i limiti vi è anche qualcosa di positivo (p. es. la superficie è il limite dello spazio corporeo, e frattanto anch’essa è uno spazio; la linea è uno spazio che è il limite della superficie; il punto il limite della linea, ma pur sempre ancora un luogo nello spazio), all’opposto i confini contengono semplici nega­ zioni. (ital. Übers. von Carabellese [Anm. 12] 122) [Kursivierung C.E.]

Zu beachten ist, dass hier in der ersten Bedeutung die ›Positivität‹ der Grenze mit der eigentlichen Demarkationslinie gleichgesetzt wird, die nicht nur auf das, was begrenzt wird, zurückführbar und zu beziehen ist, sondern die als solche bereits etwas bezeugt, das das, was innerhalb der Begrenzung enthalten ist, überschrei­ tet. Allerdings liegt auch diese Demarkationslinie im Raum: im Raum der reinen Vernunft, nicht im Raum jenseits der Vernunft. Die Metaphysik ist die Demarka­ tionslinie, die zugleich Übergangslinie wird. Als Kritik führt die Metaphysik an die Grenze, setzt sich dort fest und bestimmt zugleich das Erkennbare und das Denkbare, gerade so, als würde eine Barriere auch als Kontaktstelle, Verbindung oder Scharnier fungieren. Und hier können wir tatsächlich auf die Vernunftkritik als solche Bezug nehmen, besitzt sie doch die Eigenschaft, Grenzbegriff zu sein (was, wie wir gesehen haben, Kant konkret für das Noumenon vorsah, insofern es »ein die Sinnlichkeit in Schranken setzender Begriff« [KrV B 310 f.; AA 03: 212] ist). Wenn wir diesen Terminus hier benutzen, so in einem starken etymo­ logischen Sinne, nicht im Sinne eines begrenzenden Begriffs, sondern eines Be­ griffs der kritischen Grenze, welche das gesamte Gebiet der menschlichen Ver­ nunft durchzieht. Kant fragt sich, wie unsere Vernunft sich bei der Verknüpfung von Erkanntem und Unbekanntem verhält, genauer gesagt: wie sie diese Verknüpfung ihrerseits bestimmen kann, wie sich die Tatsache erklärt, dass »wir uns denn also ein im­ materielles Wesen, eine Verstandeswelt, und ein höchstes aller Wesen (lauter Noumena) denken [sollen]« (Prol, AA 04: 354), ohne diese je an sich erkennen zu können, wobei wir sie aber gleichwohl notwendigerweise erkennen müssen, denn anderenfalls würde der der Vernunft inhärenten Neigung zur Erfüllung oder Be­ friedigung nicht Genüge getan. Die Verknüpfung kann wohl nicht empirischer oder psychologischer Art sein, sondern sie muss strikt a priori erfolgen. So können wir das Verbot transzendenter Urteile mit dem Gebot verbinden, uns zu Begriffen, die den empirischen Gebrauch übersteigen, zu erheben: […] so werden wir inne, daß beide zu­ sammen bestehen können, aber nur gerade auf der Grenze alles erlaubten

[…] ci rendiamo conto che essi pos­ sono sussistere insieme, ma soltanto appunto sul confine di ogni uso razio­

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Vernunftgebrauchs; denn diese gehört eben so wohl zum Felde der Erfah­ rung, als dem der Gedankenwesen […]. Wir halten uns aber auf dieser Grenze, wenn wir unser Urtheil blos auf das Verhältnis einschränken, wel­ ches die Welt zu einem Wesen haben mag, dessen Begriff selbst außer al­ ler Erkenntnis liegt, deren wir inner­ halb der Welt fähig sind. (Prol, AA 04: 356 f.) [Kursivierung C.E.]

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nale consentito; infatti questo appar­ tiene tanto al campo dell’esperienza, quanto a quello degli enti del pensiero […]. Noi ci manteniamo però su questo confine, quando limitiamo il nostro giudizio entro il rapporto che il mondo può avere con un essere, il cui concetto stesso si trova al di fuori di ogni cono­ scenza della quale siamo capaci all’in­ terno del mondo. (ital. Übers. von Pettoello [Anm. 13] 236–237) [Kursi­ vierung C.E.]

Bei Carabellese hingegen lesen wir: […] ci accorgiamo che possono star entrambi insieme, ma proprio soltanto sul limite di ogni uso lecito della ragione: giacché questo limite appartiene sia al campo dell’esperienza, sia a quello dell’essere di pensiero […]. Ma noi ci teniamo su questo limite quando confiniamo il nostro giudizio soltanto al rapporto che il mondo può avere con un Essere, il cui concetto stesso è fuori di tutta la cono­ scenza, di cui siam capaci entro il mondo. (ital. Übers. von Carabellese [Anm. 12] 125)14 [Kursivierung C.E.]

Aus diesem Grunde bekräftigt Kant einige Seiten weiter, dass der Verstand »eben darum, weil er die Gegenstände der Erfahrung vor bloße Erscheinungen erkennt«, auch die Dinge an sich als Noumena anerkennen muss. Daher sind »in unserer Vernunft […] beide zusammen befaßt« (Prol, AA 04: 360), die Erfahrung und das, was sie von außen begrenzt, der Raum mit dem sinnlich Gegebenen und der leere Raum der anschauungslosen reinen Verstandeswesen. Das Verhältnis zwischen diesen beiden Seiten ist freilich kein Wechselverhältnis zwischen Er­ kennen und Nicht-Erkennen. Denn auch die Begrenzung ist ja eine Erkenntnis, bei der die Vernunft die Form der intelligiblen Gegenstände denkt (wohlgemerkt

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Dieser Topos des genuin moralischen Überschreitens der Grenzen der theoretischen Erkenntnis wird von Kant in einer Vorlesung zur Religionsphilosophie aus den Jahren 1783/84 (also gleichzeitig mit den Prolegomena) ausgeführt; dort kommentiert er zwei Texte der theologia naturalis von Eberhard und Baumgarten und ›modelliert‹ gewissermaßen das Lexikon der dogmatischen Schulmetaphysik nach den sprachlichen Erfordernissen der theo­ retischen und praktischen transzendentalen Kritik. Vgl. Kant: Vorlesungen über die philo­ sophische Religionslehre (posthum hg. von K.H.L. Pölitz, Leipzig 1817). In: AA 28. 2,2: 989–1126; ital. Übersetzung mit Einleitung von Costantino Esposito: Lezioni di filosofia della religione. Neapel 1988.

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nie die Dinge an sich) und dabei auch zur Erkenntnis jenes Verhältnisses als sol­ chen gelangt. Die Problematik des semantischen Feldes des Begriffspaares Schranke/Grenze mag demnach den Schlüssel zum Verständnis des Bedeutungshorizonts des Ter­ minus Erscheinung liefern. Bekanntlich hat Kant in den Prolegomena vorge­ schlagen, das Verhältnis zwischen dem Bereich der Phaenomena und dem der Noumena als ein ›analogisches‹ oder ›symbolisches‹ zu denken. Vielleicht ergibt sich aus dieser Anregung eine leicht zu übersehende und doch höchst anspruchs­ volle Aufgabe für den Übersetzer: die durchgängige analogische Dimension der kantischen Begrifflichkeit der reinen Vernunft aufzuspüren und in eine andere Sprache zu übertragen, um die Wörter und ihre syntaktische Struktur zum Leben zu erwecken. Wenn wir die Analogie gewissermaßen verdoppeln, führt uns das zurück zu unserer anfänglichen Betrachtung, dass das Übersetzen eines philosophischen Textes eine besondere Art ist, ihn zu erkennen. Denn nur wenn die Sprache eines Autors in dem erkannt wird, was ihr in meiner Sprache entspricht, eröffnet sich dem Autor eine neue Möglichkeit, er selbst und von mir unterschieden zu sein: […] wie sich verhält eine Uhr, ein Schiff, ein Regiment, zum Künst­ ler, Baumeister, Befehlshaber, so die Sinnenwelt (oder alles das, was die Grundlage dieses Inbegriffs von Er­ scheinungen ausmacht) zu dem Unbe­ kannten, das ich also hiedurch zwar nicht nach dem, was es an sich selbst ist, aber doch nach dem, was es für mich ist, nämlich in Ansehung der Welt, davon ich ein Theil bin, erkenne. (Prol, AA 04: 357).

[…] così come un orologio, una nave, un reggimento si rapportano rispet­ tivamente all’artista, al costruttore e al comandante, allo stesso modo il mondo sensibile (ossia tutto ciò che costituisce il fondamento di questo insieme di fenomeni) si rapporta ad un’incognita, che non per questo io potrò conoscere in ciò che essa è in se stessa, ma che conoscerò in ciò che essa è davanti a me, vale a dire in re­ lazione al mondo di cui io sono parte. (Übers. C.E.)

Aus dem Italienischen übersetzt von Gisela Schlüter

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An Analysis of Kant’s Use of the Terms Objekt and Gegenstand Stephen R. Palmquist I.  Past Translations of Kant’s Two Terms for ‘Object’

The well-known perplexities that arise out of Kant’s theory of the object are compounded by the fact that he uses two distinct terms that are both normally translated into English as ‘object’: Objekt and Gegenstand.1 Because the vast majority of English translations2 do not tell readers which German word occurs in any given passage, most English-speaking Kant scholars assume all occurrences of ‘object’ are synonymous. Brandon Love, Guy Lown, and I have recently challenged this deeply ingrained bias, arguing in PLL [cf. note 1] that, even though Kant himself never explicitly distinguished between their respective meanings, a careful analysis of his actual usage of the words Objekt and Gegenstand reveals that they are far from being merely synonymous ways of referring to objects. The possibility of making such a distinction has been discussed only occasionally in English Kant-literature, largely because of the aforementioned convention followed by English translations. 3 PLL 5–7 traces this brief history, focus1 In

referring to these two words, I shall follow the convention adopted in Stephen R. Palmquist/Guy Lown/Brandon Love: How Does Transcendental Idealism Overcome the Scandal of Philosophy? Perspectives on Kant’s Objekt/Gegenstand Distinction. In: Stephen R. Palmquist (ed.): Kant on Intuition. Western and Asian Perspectives on Transcendental Idealism. New York 2019. 3–22 [hereafter abbreviated PLL]. PLL 19–20n states: “Kant uses both ‘Object’ and ‘Objekt’ in various works. For consistency, and to avoid possible confusion with the English, ‘object’, we always use ‘Objekt’. Moreover, […] we adopt the following convention: when ‘object’ or ‘objects’ appears in a quote, we simply replace it with the German term (adjusting the English article, ‘a/an’, if needed); whenever it is singular, we use either ‘Objekt’ or ‘Gegenstand’; whenever it is plural, we use ‘Objekte’ or ‘Gegenstände’.” To clarify that I am changing the translation, I place Kant’s German in square brackets whenever it replaces the English word in the published translation. 2 My references to English translations in this chapter refer primarily to the 129 translations published since 1970 [cf. my preceding chapter in this volume]. However, I have also consulted translations of Kant’s publications that appeared before 1970, as well as recent translations of Kant’s unpublished writings, whenever the translator’s notes include relevant comments on the issues discussed in the present chapter. 3 For statistics on the extent to which the volume glossaries of the Cambridge Edition of

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ing mainly on the valiant attempt made in 1983 by Henry Allison4 to define an Objekt/Gegenstand distinction, followed by his rejection of his own position in the second (2004) edition of the same work, having been convinced by Béatrice Longuenesse’s argument in 1998 5 that the distinction is unsustainable. Meanwhile, however, Howard Caygill6 had defended a rather different version of the distinction – one closer to the position defended below. As PLL did not examine the way translators have treated the distinction, an overview of that history is in order here. The first translator to express opposition to the convention of synonymy was Wolfgang Schwarz,7 whose Glossary asserts that Kant’s two terms have distinct meanings; his translation highlights the difference by adding a superscript ‘o’ (objecto) whenever Kant’s term is Objekt. Schwarz describes the distinction as “subtle”8 , which might explain why his Glossary entry on “object” remains rather vague and only hints at how he interprets Kant’s intended meanings for these two terms: a Gegenstand is “the opposite ‘other’ which is the aim of all determining functions of the understanding” – e. g., “nature in all its manifoldness of appearances” – while an Objekt is “the aforesaid other than the subject grasped under the unity of apperception. The conceptualized Gegenstand (object) is an Objekt (objecto).” Though lacking in detail, this way of making the distinction is broadly compatible with the various features I will identify in this chapter. Werner Pluhar ignores the Objekt/Gegenstand distinction in his 1987 translation of the third Critique, but his three subsequent translations often provide a footnote where Kant uses both terms in close proximity. In a note at Avii of his translation of the first Critique [hereafter CPR], Pluhar mentions Schwarz’s

the Works of Immanuel Kant [hereafter CE] include these words, cf. note 14, below. In some special contexts, translators have used a different English word to translate one or the other term. A good example can be found in several CE volumes, where Gegenstände is translated with such diverse words as ‘topics’ (CE 5:281n, at AA 08:278n; cf. also CE 9:574), ‘items’ (CE 7:594), and ‘the facts’ (CE 9:127, at AA 10:122); elsewhere, such departures from the standard use of ‘object’ to translate both terms often go unnoted. For example, Pluhar sometimes translates Gegenstand as ‘subject matter’ (cf. Aviii [4:7.24] and elsewhere) – a translation that fits some contexts very well. 4 Henry Edward Allison: Kant’s Transcendental Idealism. An Interpretation and Defense. New Haven 1983. 135 [second (2004) edition. 44]. 5 Béatrice Longuenesse: Kant and the Capacity to Judge: Sensibility and Discursivity in the Transcendental Analytic of the Critique of Pure Reason. Trans. by Charles T. Wolfe. Princeton 1998. 111n. 6 Howard Caygill: A Kant Dictionary. Oxford 1995. 305. 7 Cf. Kant: Critique of Pure Reason. Concise Text in a New, Faithful, Terminologically Improved Translation Exhibiting the Structure of Kant’s Argument in Thesis and Proof. Trans. by Wolfgang Schwarz. Aalen 1982. 268. 8 Ib. xxxviii.

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position but disagrees, responding simply: “I remain unconvinced.”9 Then, as if to dare readers to discover a distinction, he adds short notes to highlight 43 passages where Kant uses the two terms in close proximity.10 His translation of the second Critique [hereafter CPrR] has four notes indicating where Kant uses both terms in close proximity.11 Finally, his translation of Religion adds a footnote to the only passage where the two terms occur together in that book (i. e., at 6:178), confidently asserting (perhaps because nobody had previously taken up his challenge to prove otherwise) that “the two terms are synonymous.”12 The CE translators of CPR, Allen Wood and Paul Guyer, rigorously inform the reader of Kant’s usage by inserting a footnote when they use ‘object’ to translate Objekt; where no footnote occurs on ‘object’, readers are to assume that Kant’s word is Gegenstand.13 Somewhat surprisingly, given that Guyer and Wood also served as the general editors for the whole CE series, most other CE translators do not follow suit.14 Indeed, among the various CE translators, only Wood’s Lectures  9

Kant: Critique of Pure Reason. Trans. by Werner Schrutka Pluhar. Indianapolis 1996. 6n. Each of these 43 notes identifies which uses of ‘object’ translate Objekt and which translate Gegenstand. Two notes add further comments: at A494/B522 Pluhar adds: “In this entire paragraph, as elsewhere, Kant uses the two terms interchangeably.” At A508/B536, Pluhar adds a similar explanation; on 16 other occasions, he adds a footnote merely to indicate that the word being translated is Gegenstand. 11 Kant: Critique of Practical Reason. Trans. by Werner S. Pluhar. Indianapolis 2002. The notes occur at 5:12 [19n], 21 [32n], 57 [77n], and 135 [171n]. 12 Kant: Religion within the Bounds of Bare Reason. Trans. by Werner S. Pluhar. Indianapolis 2009. 198 n. 13 While their use of this method is nearly always accurate, Guyer and Wood do make several erroneous reports. For example, B42 (AA 03:55.13) and B166n (128.35) have no footnote, yet both should have one because Kant uses a form of the word Objekt in both cases; and the two occurrences of ‘object’ at Bxvi (12.05 and 12.07) have footnotes indicating that Kant’s term is Objekte, yet he actually uses Gegenstände. Also, Guyer and Wood sometimes use ‘object’ (without a footnote) even though the word Gegenstand is (at best) only implied in the German text: cf., e. g., Bxii (9.33), A16/B30 (46.17), A46/B63 (67.23), and A155/B194 (144.16). At B70n (71.33) and B166n (128.31), the implied referent of ‘object’ is actually the word Objekt, yet the English text has no note indicating this. Quotes from Kant’s writings cite the AA volume number, followed by a colon and the page number; for any quote from or citation to a passage that includes a form of the words Objekt or Gegenstand, the line number on which that term appears is also specified, following a period. References for successive quotes from the same volume in the same paragraph omit the volume number. For all quotes from CPR, I also provide the conventional A/B pagination, as above. References to material found in both editions cite only AA 03 page and line numbers; references to AA 04 cite material unique to the first (1781) edition. 14 Guyer informed me that he and Wood did not ask other CE volume editors to distinguish between Objekt and Gegenstand, because the only significant discussion of a possible distinction in the Kant literature had related the distinction solely to CPR. Perhaps as a result, the CE glossaries are inconsistent in this regard: six volumes omit ‘object’ as well as the words Gegenstand and Objekt, from the Glossaries; six others (including CPR) list both 10

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on the Philosophical Doctrine of Religion (in CE 4) rigorously follows the abovementioned CPR translators’ procedure. CE 16 comes close to imitating Wood’s model. In their “Translators’ Remarks” (xxxiii), Rauscher and Westphal explain: “In many of Kant’s works the terms Object and Gegenstand overlap as ‘object’ but with the latter term connoting a physical object and the former the more abstract sense of the term; we have generally footnoted these terms for clarity.” They footnote both terms in many passages where they occur in close proximity (cf. especially 23:217, 222, 262), but they also leave many uses of ‘object’ without any footnote. By contrast, although he discusses the concept of Gegenstand überhaupt at length in his “Introduction” to CE 3 (pp. xxx–xxxii), Eckart Förster reports that he and Michael Rosen “found no evidence in the Opus postumum that Kant there distinguishes between the terms Objekt and Gegenstand.” (xlvii) Förster continues: “Rather, in this text, he seems to be using both terms interchangeably; we therefore translated both terms as ‘object’, without distinction.”15 Nevertheless, on one occasion (at 21:20) they do insert the German, when both terms occur in close proximity. CE 2 (at 24:147) also inserts such a footnote just once, while CE 11 (at 4:338, 349) and 12 (at 17:441 and 18:668) each add two such footnotes and CE 15 has three footnotes highlighting proximity (at 25:581, 1230, 1242). CE 1, 4 (excluding Wood’s above-mentioned translation), 9, and 13 all ignore the distinction, except for a few footnotes each that include forms of the words Gegenstand or Objekt, usually as part of longer German phrases. Likewise, CE 5 (p. 281n) and 7 (p. 594n) each mention Gegenstände just once, as part of a book title. CE 6, 10, and 14 completely ignore the issue in the main text [but cf. note 15]. Guyer and Wood make no effort to explain why Kant uses Objekt in some contexts and Gegenstand in others. In their “Introduction to the Critique of Pure Reason”, they cite this as one of several cases where “Kant uses both a germanic and a latinate word that would be translated into English by the same word”, adding that they highlight Kant’s usage because “it may be a matter of interpretation Gegenstand and Objekt (or Object) as translations for “object” and list “object” as a translation for “Gegenstand, Objekt”; two follow the latter model except that one adds “Sache” as a third term that can translate “object”, while the other adds “thing, fact” as two other terms that can translate “Objekt” and lists the English entry as “object, thing, fact”; and the remaining two volumes translate Gegenstand as “object”, omit all reference to Objekt, and translate “object” as “Gegenstand”, to which one of these adds “Vorwurf”. 15 Similarly, in his “Editor’s Introduction” to CE 10, Guyer explicitly states (xlviii) that he will not distinguish between Kant’s use of these two terms, as he and Wood had done in their translation of CPR, because “no one has ever argued that there is a significant philosophical difference between them [i. e., between the terms Objekt and Gegenstand] in this work.” Although I will not deal with the third Critique here, the various ways of distinguishing between these terms, as outlined below and in PLL, do carry over into Kant’s other writings. Still, working out the precise nature of the distinction in the third Critique would admittedly be quite complex.

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whether Kant means precisely the same thing or not” (CE 8:73). Aside from the brief comment quoted above from Rauscher and Westphal, no CE volume has taken a stand on what (if anything) this distinction signifies. This makes Wolfgang Schwarz [cf. note 7, above] the only translator who has offered anything close to a rigorous explanation. In what follows, I shall aim to fill in this lacuna in the literature. II. Background: Objekt and Gegenstand in the first Critique

As we have seen, the fact that Kant often uses the words Objekt and Gegenstand in close proximity16 has led Pluhar and many other Kant scholars to infer that the two terms are synonyms.17 They apparently assume that Kant varies his use of terms for the same reason an author might alternate between words such as ‘but’ and ‘however’ in the same passage – i. e., simply to avoid the stylistic awkwardness of repeating the same word too often. Yet this inference suffers from at least two problems. First, although admittedly Kant never explicitly states that the two terms have different meanings, he also never states or even hints that he views them as synonyms. By contrast, secondly, Kant frequently weaves the two terms together in ways that would render his statements either self-contradictory or tautological, unless they have different meanings. A good example comes in Anthropology Friedländer (25:581), which states: “We can think of two [Gegenstände] of inclination which are completely general, where the inclinations have no [Objekt], but aim for means to satisfy the inclinations. These are freedom and resources [Vermögen].” If the two terms are synonyms here, then Kant’s claim is paradoxical at best: we can think of two Xs where there is no X. But no contra16 [Cf. note 10]. Pluhar apparently highlighted these passages because he took them as evidence for his repeated assertion that Kant uses the two words synonymously. That Pluhar did not highlight all instances of proximity is suggested by the statistics presented in the third paragraph of this section. 17 Significantly, German Kant scholars often take for granted that Kant’s usage implies a distinction of some sort. Thus, for example, the new Kant-Lexikon. Ed. by Marcus Willa­ schek/Jürgen Stolzenberg/Georg Mohr/Stefano Bacin. 3 vols. Berlin 2015, has nine separate entries for the former term – “Gegenstand” (702–705), “Gegenstand, äußerer/innerer” (705 f.), “Gegenstand, intelligibler” (706 f.), “Gegenstand, transzendentaler” (707 ff.), “Gegenstand der Anschauung” (709 f.), “Gegenstand der Erfahrung” (710–713), “Gegenstand der reinen praktischen Vernunft” (714), “Gegenstand der Sinne” (714 f.), and “Gegenstand überhaupt” (715 f.) – and just one entry for “Objekt” (1695 ff.). For an older but still excellent discussion of the tendency of object-terms and subject-terms to blend into each other in philosophical discussions, cf. Rudolf Eucken: The Fundamental Concepts of Modern Philosophic Thought, Critically and Historically Considered. Trans. by Moses Stuart Phelps. New York 1880, especially Chapter 1.

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diction arises if the terms have different meanings: people generally want to have freedom and capabilities, even though such desires focus on no external object in the world. This section explores several other key passages of this type. Of the many passages in CPR where forms of the words Objekt and Gegenstand appear in close proximity, perhaps the one where Kant comes closest to stating an explicit Objekt/Gegenstand distinction is B69. First he clarifies: to affirm that “in space and time intuition represents both outer [Objekte] as well as the self-intuition of the mind as each affects our senses […] is not to say that these [Gegenstände] would be a mere illusion” (3:71.04, 06); here Objekte must be things external to the Subjekt’s mind and Gegenstände must be appearances of those things in space (or of our own mind, to ourselves, in time). He then adds: “For in the appearance […] the [Objekte] […] are always regarded as something really given” (71.07), except that, insofar as this givenness “depends only on the kind of intuition of the subject in the relation of the given [Gegenstand] to it [,] then this [Gegenstand] as appearance is to be distinguished from itself as [Objekt] in itself” (71.10,11). Here Kant is not changing words merely to avoid repetition; he is directly mapping Gegenstände onto the world of appearance that exists within us and Objekte onto the world as it exists independently of Subjekte.18 In the research that prepared the way for PLL, the authors conducted a thorough analysis and classification of every use Kant makes of the words Objekt and Gegenstand in (approximately) the first one-third of CPR.19 In this part of the Critique alone we located 41 passages where both words appear at least once each in close proximity (i. e., in the same sentence or adjoining sentences): the word Objekt comes first in 15 passages while Gegenstand comes first in 26. These numbers suggest that Pluhar [cf. note 10, above] probably missed some cases of proximity – though some of his 43 footnotes cover rather lengthy passages and do not always identify precisely which use of ‘object’ represents which of Kant’s terms. Indeed, in conducting a thorough analysis of Kant’s usage in the first one-third of CPR, the authors of PLL noted several consistent patterns characterizing Kant’s actual usage of the two terms. In place of Pluhar’s (and most other translators’) assumption that the two terms are synonyms, we collected a substantial amount of evidence that, at least in CPR and CPrR (though in quite different ways; cf. PLL 13–19), Kant understands a Gegenstand to function as part of our mental machinery’s input, while an Objekt functions as its fully conceptualized output. 18 Two

other key examples are quoted below, later in § II (cf. A26/B42) and in § III (cf. 6:178). 19 We constructed a table classifying every occurrence up to A166/B208, in the Anticipations of Perception. The table cites the AA pagination and covers 146 of the 546 pages of AA 03 and 99 of the 236 pages of AA 04. This amounts to 31.3% (245/782) of the pages in both editions, taken together.

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Our joint study of this topic has so far been limited mostly to Kant’s usage in the three Critiques – especially the first. In §III I shall supplement our findings by testing the extent to which our discovery of various tendencies relating to Kant’s usage of these two terms in CPR also fits his usage in Religion. First, however, I shall summarize four of the numerous differences that the authors of PLL found in our (so far, partial) analysis of Kant’s usage in CPR. First, we found that Kant normally contrasts Subjekt with Objekt – a straightforward pairing that occurs 31 times in the first one-third of the Critique, as when Kant says that “in a priori cognition nothing can be ascribed to the [Objekte] except what the thinking [Subjekt] takes out of itself” (Bxxiii [3:15.13]). Admittedly, in 17 passages Gegenstand also appears in proximity to Subjekt; but in such cases, the two terms are not directly opposed but stand (at best) only in an indirect relation – usually in the context of the subject being affected by a Gegenstand, a process that (once the categories come into play) produces the Objekt as an item of fully determined cognition. Thus, for example, Kant says at CPR A26/B42 (55.12): Now since the receptivity of the [Subjekt] to be affected by [Gegenstände] necessarily precedes all intuitions of these [Objekte], it can be understood how the form of all appearances can be given in the mind prior to all actual perceptions, thus a priori, and how as a pure intuition, in which all [Gegenstände] must be determined, it can contain principles of their relations prior to all experience.

In other words, if we analyze what happens when the Subjekt experiences an Objekt by intuiting it, we find that the Subjekt applies formal conditions that enable a Gegenstand to arise within the mind; the Gegenstand of intuition is formed by the conditions of space and time, while that of conception is formed by the cate­ gories – a twofold movement of cognition that enables the Subjekt to determine the Gegenstand to be an Objekt. Kant sees an Objekt as a thing that we human beings regard as independent of us; but in order for a Subjekt to experience it, it must become a Gegenstand – i. e., a product of the mental activity that arises when the subject–object gap is bridged by an epistemic event. Second, Kant consistently portrays Gegenstände as given, while Objekte are never said to be directly given as such, but only as Gegenstände. Here the statistics are even more starkly one-sided than in the first difference: 60 of the 69 passages where we found Kant referring to the givenness of objects in the first one-third of CPR use the word Gegenstand; on most of the remaining nine occasions, his use of the word Objekt is either counterfactual (i. e., in four passages [3:71.07, 72.25, 82.02, 118.28] he refers to an Objekt that is not or cannot be given, since for us humans only Gegenstände can be given) or else he is referring to special, non-human types of givenness, such as intellectual intuition (73.01) or non-sensible intuition (118.19). The two apparently anomalous occurrences (116.23 and 122.11) can both

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be readily explained, if one knows what to look for. 20 Every passage where Kant refers to the conditions through which “objects are given to us” (e. g., B29–30 [46.10, 12, and 16]) or to “object(s) of intuition” (e. g., B71 [72.11–12], A79/B105 [92.27]) uses Gegenstand; in passages that refer to Objekte in the context of intuition or givenness, Kant’s point is that external or independently existing things correspond (or might correspond) to given intuitions (cf., e. g., Bxli n [24.30, which the CE translators wrongly identify as Gegenstand; cf. note 13, above]). This is significant because it suggests, in agreement with the first point, above, that to call something an Objekt is to think of it as being separate and distinct from a Subjekt, whereas to examine the conditions under which such an Objekt can be known is to assume it manifests itself (or is given) as a Gegenstand. A closely related point is that the mechanism whereby a Gegenstand is given is (for us, sensible) intuition, but the mechanism whereby we come to acknowledge a thing to be an object independent of us (i. e., an Objekt) is categorial conception. Here the statistics of Kant’s usage show a tendency to support our hypothesis, but not complete uniformity; further discussion of the exceptional cases21 would therefore be needed in order to identify whether Kant has a particular reason to use Objekt in the exceptional cases. A third distinction we observed is that Kant sometimes uses the word Objekt in contexts where it could be translated as ‘goal’, as when he refers to “the diversity of [Objekte]” (3:8.04) that characterizes different types of metaphysical theories, such as “idealism, skepticism, etc.” (Bviii). This connotation comes to 20 In the first, Kant says “the categories […] are only rules for an understanding whose entire capacity consists of thinking, i. e., in the action of bringing the synthesis of the manifold that is given to it in intuition from elsewhere to the unity of apperception, which therefore cognizes nothing at all by itself, but only combines and orders the material for cognition, the intuition, which must be given to it through the [Objekt]” (B145). Here what is ‘given’ to the understanding ‘from elsewhere’ is the Gegenstand, just as Kant normally claims; as the last phrase of this passage explains, what is given by the unity of apperception, through its construction of the ordered (i. e., fully determined) Objekt by the knowing Subjekt, is the combining and ordering of the manifold. Similarly, in the second, where Kant ponders “how […] I can say that I as intelligence and thinking [Subjekt] cognize myself as an [Objekt] that is thought, insofar as I am also given to myself in intuition” (B155), Kant’s whole point is that the ‘I’ as given in intuition is a Gegenstand, not an Objekt; so the (Cartesian) impression, that the thought ‘I’ has the status of an Objekt, is only apparent. 21 When Kant talks about an object being exhibited in (or as corresponding in some other way to) intuition, we found him using variants of the word Gegenstand 45 times and of Objekt only 14 times (four of which are counterfactual). Similarly, when he refers either to an object of intuition or to intuition of an object, variants of Gegenstand appear 38 times and of Objekt just 13 times (twice as part of a counterfactual claim). A careful study of each of these usages would be needed to determine whether the context requires us to assume that his word choice is intentional rather than just haphazard (i. e., whether he might sometimes be treating the terms as synonyms).

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the fore in CPrR, where Kant frequently refers to the highest good as an Objekt of practical reason, in the sense that it is an external target that we must aim to accomplish. Admittedly, the word Gegenstand also sometimes carries a similar connotation, but always only as an internal goal, such as a desire or other end/ purpose (Zweck). By contrast, the word Gegenstand can be translated as ‘subjectmatter’ or ‘topic’ in at least 15 passages, whereas we found only a few passages where such a translation of Objekt might make sense. 22 Indeed, in surveying other translations of Kant’s writings, I have found several places where other translators actually translate Gegenstand as ‘subject’, in contexts where it means ‘topic’, not ‘bearer of knowledge’ [e. g., cf. note 3, above]. A fourth and final sense in which Kant uses these two German terms in noticeably different ways is that Kant’s standard term for a pure or supersensible object is Gegenstand, whereas his standard term for the highest good, as mentioned above, is Objekt. Concerning the former, Kant refers to a Gegenstand as being pure at least 14 times in the first one-third of CPR, while the only time he uses ‘pure’ in connection with the word Objekt (B155n), it is part of a counterfactual claim: “Motion of an [Objekt] in space does not belong in a pure science” (3:121.33). 23 Likewise, Kant twice refers to a supersensible Gegenstand (cf. 82.15 and 130.32) but never (in CPR) refers to a supersensible Objekt. In general, we found that Gegenstände are objects of either sensibility or reason, whereas Objekte are objects of understanding; on the rare occasions when Kant departs from this standard usage, he is normally referring to one of the various illegitimate positions that he attempts to refute. Thus, for example, the Dialectic argues that objects of reason are one and all Gegenstände and as such they can have no more than a negatively noumenal function in relation to phenomenal objects, but that those who fail to recognize this feature of our cognitive capacities will tend (mistakenly) to view such objects of reason as Objekte. Despite this statistically significant usage, Kant claims at B166n (128.35) that practical reason can legitimately think an Objekt without any input from intuition; this directly contradicts his usage elsewhere, unless he is alluding to the highest good. That this use of the 22 Cf. 4:07.24, 8.29, 12.25, 75.05, 93.09, 93.22; and 3:41.23, 44.13, 67.17, 75.31, 75.33, 76.03, 76.23, 76.34, 141.22. One might argue that in 3:8.04 (quoted above) the word Objekt might carry a similar meaning; but idealism and scepticism do not seem to have different topics. At A55/B79 (77.22), Kant’s statement that “General logic abstracts […] from any relation of [cognition] to the [Objekt]” could be saying that logic says nothing about the subject-matter that happens to be under discussion in a given text that is being scrutinized for its logical coherence. But if so, Kant might have used the word Objekt because the subject-matter is external to the (logical) cognition under consideration. 23 We found two other passages where ‘pure’ occurs in the same context as the word Objekt, but without explicitly modifying it. In the former, Kant says that in the “pure part” of metaphysics, “reason determines its [Objekt] wholly a priori” (3:8.33 [Bx]) – probably alluding to the highest good. Cf. also 92.25 (A79/B105).

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word Objekt is not just an anomaly (or even worse, evidence that the highest good is illegitimate for theoretical reason) is confirmed by two facts. First, no passage in CPR contradicts this usage at B166n; to my knowledge, Kant never explicitly calls the highest good an object (of any type) anywhere in CPR. Second, the role of the highest good as the true object (or goal) of practical reason plays a crucial role in CPrR, where Kant consistently uses the word Objekt in passages that refer to this feature of the highest good. The authors of PLL also found, in addition to the above four statistically significant differences in Kant’s usage of these two terms, various other tendencies that are worth mentioning. For example, the word Gegenstand appears in close connection with the related terms, Ding and Sache, far more often than Objekt does (namely, 22 times and 3 times, respectively). Likewise, nearly all references to the transcendental object in the first one-third of CPR use the word Gegenstand (six, as opposed to just one use of Objekt); we also noticed that Gegenstände and Objekte are both frequently said to be determined, but that (almost without exception) Gegenstände are determined by space and time (or in/by sensibility), while Objekte are determined by the categories (or in/by the understanding). In most such cases, the statistics showed a tendency to use these terms in the ways suggested here, but the presence of one or several exceptions prevented us from affirming a sharp distinction. In order to defend a sharp distinction on such issues, one would need to explain away the small (but not insignificant) number of cases that appear to go against Kant’s ‘standard’ uses. To cite yet another example: when Kant refers to an object as being exhibited in intuition, or to something as being an object of intuition or to intuition as representing an object, he normally uses Gegenstand; Objekt occurs only occasionally, but frequently enough so that we could not rule out the possibility that in such contexts the two terms are interchangeable. To establish a sharp distinction, one would need to defend the hypothesis that objects in or of intuition are always Gegenstände and that, therefore, whenever Kant refers indirectly to an Objekt as being in or of intuition (cf. e. g., B42 [quoted above] and A48/B65 [3:69.02]), he has in mind something quite distinct from a Gegenstand of/in intuition. Such a defense would be possible, but working out the details is too complex for me to attempt here: it would require a complete analysis of Kant’s usage throughout the entire Critique. PLL presented and defended the authors’ understanding of the Objekt/Gegenstand distinction by focusing on the basic conceptual differences as illustrated by several important sample texts, but without presenting the above (or other, similar) statistical results. At that point we hoped to finish going through the entire text of CPR in the not too distant future. However, while I still hold out the hope that we might someday publish a book length study on this topic, complete with a statistical analysis of all of the (nearly 1500) occurrences of these two terms in

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CPR, 24 the project is so complex that it may not be completed for many years to come. Basing such controversial conclusions on only part of one of Kant’s key texts has the drawback of being so tentative and incomplete that it remains open to numerous potential objections – especially in cases where apparent discrepancies may arise in CPR after the point where our textual analysis paused [cf. note 19, above]. To counteract that weakness, the next section provides an exhaustive analysis of Kant’s use of these terms in one of his shorter main works. III.  An Analysis of Kant’s Use of Objekt and Gegenstand in Religion

Having tentatively sketched some differences that typically hold between Kant’s use of two German terms for ‘object’ in CPR, despite the fact that translators over the past 50 years have nearly always treated these terms as synonyms, I shall now turn to the work of Kant’s that I know best, his highly influential Religion within the Bounds of Bare Reason. 25 Whereas Kant uses the words Objekt and Gegenstand so often in CPR [cf. note 24, above] that a thorough analysis would require a book length work, he uses the two terms only 60 times in Religion. This number is small enough to enable me to devote this section to a thorough hermeneutical overview of his usage in Religion. 26 The words Gegenstand and Objekt occur 46 and 14 times, respectively, in Religion – a relative frequency (77% to 23%) that closely matches his usage in CPR [cf. note 24, above]. In most cases (5/6 of all occurrences), the term is a singular noun: 24 Cf. Palmquist: Complete Index of Kemp Smith’s Translation of Kant’s Critique of Pure Reason (1987), which lists 1487 occurrences of “object(s)” (889 singular, 598 plural). I have counted 345 footnotes in the CE translation of CPR indicating that Kant used a form of the word Objekt; as the main text has “object(s)” roughly 1600 times, this indicates that Kant used the word Gegenstand almost four times more often than Objekt (roughly 78% vs. 22%). The CE word count is more than that of Kemp Smith’s translation, because the CE duplicates several long passages that Kant thoroughly revised but did not completely rewrite for the B edition, whereas in such cases Kemp Smith presents one version with footnotes detailing Kant’s changes. 25 All quotes from Religion use the translation given in Palmquist: Comprehensive Commentary on Kant’s Religion within the Bounds of Bare Reason. Chichester 2016, which offers new renderings for some of Kant’s main religious terms. Cf. § IV of my first chapter in this volume for a list of the new translations used in the present chapter. Note that I translate Kant’s label for the four main section divisions, Stück, literally as ‘Piece’ – on the assumption that he is alluding to the fact that each part was originally intended to be published as an article (‘piece’) in the Berlin Monthly. I adopt these new translations throughout this section, inserting the German original in brackets after the first occurrence of the English word in a quote. 26 In so doing, I follow similar procedures and standards to those used in Palmquist: What is Kantian Gesinnung? On the Priority of Volition over Metaphysics and Psychology in Kant’s Religion. In: Kantian Review 20.2 (July 2015). 235–264.

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the plural form, Objekte, occurs only twice, while Gegenstände occurs six times; also, -gegenstand is twice prefixed by ent- and translated as ‘against’ (6:47.35 and 59.33), making a total of 10 occurrences that depart from the 50 standard uses of the two terms as singular nouns. A quick review of the eight plural uses of the two terms does not reveal any significant difference from the singular uses. Kant refers to “[Objekte] of volition [der Willkür]” (31.25) and to “the cognition of supersensible [Objekte]” (71.32): the first corresponds to a typical use of the singular term, Objekt, functioning as a synonym of ‘goal’ in the context of legitimate acts of willing; the second refers to the illegitimate inference that takes cognition of the supersensible to be something objective, arising in response to something known to be external to the subject (i. e., to an Objekt rather than a Gegenstand – Kant’s normal term for a supersensible object). As we shall see, his six uses of the plural, Gegenstände, are all typical: “sensible objects” (6.34); “objects of sensibility” (46.31); “the possibility or reality of the objects of [supersensible] ideas” (52.25); “objects of experience” as the correct realm for applying “the concept of cause and effect” (53.17); “earthly and corporeal objects” as being useless to higher, spiritual beings (79.01); and our “lack of insight into supernatural objects of [a given] confession” of religious faith (153.34). The 12 singular uses of Objekt can be classified into four types. First, it refers twice to maxims that serve as the basis for evil (6:21.10 and 30.01). Second, two occurrences refer, like the first of the two plural uses quoted above, to an Objekt of desire or volition that serves as the matter of actions (29.32 and 31.25). The third type, where the term Objekt refers to the output of a process of cognitive determination, occurs five times; each can be quoted briefly. In these passages (which occur six times, including the second above-quoted plural use), the Objekte in question are determined through ‘schematism’ (65.21), qualified as being ‘supersensible’ (71.32, 174.11), ‘boundless’ (89.13), ‘actual’ (119.21), and ‘in itself’ (142.16). Each of these uses is fully consistent with one or more of the four key features that were found to distinguish an Objekt from a Gegenstand in the partial analysis of CPR presented in § II. The same is true of the fourth type, which includes the most significant occurrences of the word Objekt in Religion. Five times the term Objekt occurs in direct association, either explicitly or implicitly, with the highest good. A quick look at each occurrence of this fourth type provides a good overview of some of the key features of this crucial Kantian theory. Before Kant actually mentions the highest good in Religion, his first use of Objekt, near the beginning of the first Preface, describes the highest good as “an idea of an [Objekt] that contains within itself, together [and] unified, the formal condition of all purposes as we ought to have them (duty)” (6:5.7) – i. e., desiring happiness ought to be conditioned on being virtuous. In the Third Piece Kant says “the sacred history” of any church faith that wants to promote authentic religion exists not in order to provide information about “the adoption of moral maxims,

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but […] only for the living exhibition of its true [Objekt] (virtue striving toward holiness)” (132.24). Like each of the occurrences cited in this paragraph, this is an obvious allusion to the highest good as the proper goal of religion. Rather surprisingly, Kant’s next allusion to the highest good affirms that freedom, “when it is applied to the ultimate [Objekt] of practical reason, [namely] the realization of the idea of the moral final purpose, leads us inevitably to holy mysteries” (138.22) – mysteries that Kant argues must be interpreted morally in order to function properly as aids in our attempt to bring about the highest good. In the Fourth Piece Kant adds that Jesus’ teachings about “reward in the world to come” portray it as “not an incentive of actions, but only […] an [Objekt] of the purest veneration, and of the greatest moral satisfaction [Wohlgefallens], for a reason [that] judges the human being’s predetermination [Bestimmung] as a whole” (162.11); here it is crucial to read Kant as referring to a rational goal, not a sensible object, as he might be, had he used the word Gegenstand. And later in the Fourth Piece he argues that a person can rationally hope that religious “formalities” can serve to bring about a “complement of his incapacity by a supernatural assistance” (i. e., by divine grace) only if such observances “serve as means to the furtherance of that moral conviction [Gesinnung] – to make himself merely receptive to the achievement of the [Objekt] of his good, moral wishes” (178.11). In all of these passages, readers who are aware that Kant is using Objekt, not Gegenstand, will be far more likely to recognize that Kant is referring to the highest good, for Kant consistently refers to it with the term Objekt, using Gegenstand only in rare cases (and never in Religion), to make points about how we understand the highest good, not about our duty to pursue it. What about Kant’s usage of the term Gegenstand, which occurs in Religion more than three times as often as the term Objekt? The 44 uses of Gegenstand (38 singular and 6 plural) in Religion are quite varied and therefore comparatively more difficult to classify; nevertheless, some general similarities and tendencies can be noted. For convenience (and in hopes of imitating Kant’s own conviction that clear thinking must be categorial, and that categorial analysis is always grounded in fourfold [2x2] distinctions27), I will again classify each occurrence into one of four types, depending in this case on whether the features of the Gegenstände relate to: (1) our sensible (or ‘possible’) experience; (2) our supersensible ideas of reason, including presumed awareness of God; (3) human moral experience; or (4) God’s judgment of human beings. The first two classifications relate to types of usage that are very common in CPR, where Kant’s standard use of the word Gegenstand refers to either a sensible 27 Cf.

Palmquist: Kant’s System of Perspectives. An Architectonic Interpretation of the Critical Philosophy. Lanham, MD 1993, especially Chapter III, for a thorough defense and explanation of this claim.

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object or a supersensible object. The nine occurrences of the former in Religion convey no surprises. In the first Preface Kant reminds us that the distinctive feature of human nature is that we are “rational beings” whose happiness “is dependent on sensible [Gegenstände]” (6:6.34) – a claim he repeats almost verbatim toward the end of the first Piece (46.31): “Happiness is for us, by our nature as beings dependent on [Gegenstände] of sensibility, what we desire first and […] unconditionally.” Due to our “higher” nature (as spiritual beings), however, we inevitably find that on their own “earthly and corporeal [Gegenstände] can afford [us] […] no enjoyment” (79.01). Our moral nature arises as a result of “the human being’s natural property of having to think, for all actions, not only the [moral] law but also a purpose” – a property that “makes him a [Gegenstand] of experience” (7.36). That is, we are embodied beings, who must depend on our sensible experiences in order to set ends (or purposes) for ourselves. In order for such end-setting to be reliable, as Kant argued in CPR, “our use of the concept of cause and effect cannot be expanded beyond [Gegenstände] of experience [and] hence beyond nature” (53.17) – i. e., to supersensible Gegenstände (the topic of the second classification). A moral or religious idea, including Kant’s own idea of “the invisible church” as “[a]n ethical community under divine moral legislation”, is therefore “not a [Gegenstand] of possible experience” (101.08) in the sense required by CPR’s analysis of the conditions that make empirical cognition possible. Understanding a concept is impossible, as Kant had argued in CPR, if we have “no either subjectively or objectively determined [Gegenstand]” corresponding to it (6:4.22). Indeed, in order to “understand quite readily what [a given] expression means” (144.26), we must “have an empirical concept of the [Gegenstand], [together] with consciousness that there is no contradiction in it.” What makes it possible for us to understand supersensible ideas, as well as ordinary (sensible) concepts, is that analogy can do for the supersensible what schematism does for the sensible: “we necessarily require a schema for a concept to make the concept understandable to ourselves (to evince it with an example)”; whereas analogy can perform this function for supersensible ideas, in the sensible realm “this schema must necessarily also belong to the [Gegenstand] itself as a predicate thereof” (65.31). This distinction leads us directly to the second classification, which is crucial to the proper understanding of authentic religion. Kant uses either the singular or plural form of the term Gegenstand 14 times to refer or allude to supersensible objects in Religion. He says in the first Preface (6:6.24), for example, that accepting the existence of a moral lawgiver implies “more than the bare [bloße] possibility of such a [Gegenstand].”28 Thus, he refers 28

Kant’s point here is that, as I have argued in various other publications (cf. especially Palmquist: Kant’s Critical Religion. Volume Two of Kant’s System of Perspectives. Aldershot 2000, and id.: Comprehensive Commentary [note 25]), religion requires an actual God, not

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to God at one point as “the one unique [Gegenstand]” (147.01), whom the religious person invokes “in the name of the [Gegenstand] venerated and beloved by himself above all else” (147.02); or, to put it more simply, “at the level of religion, [ethics] presents the highest cause that carries out [its] laws” as “a [Gegenstand] of worship” (7.01). In order for the religious person to think clearly about God, he or she must invoke not only the idea of a necessary being, whose existence was shown in CPR to be at least possible, but must also (due to our weakness, as embodied beings) appeal to some empirical manifestation, as conveyed through what Kant calls an ‘historical faith’. The difference between authentic and inauthentic religion, for Kant, rests on how the believer prioritizes these two aspects of the God-Gegenstand – i. e., the pure, supersensible idea and its empirical manifestation in a given religious tradition. When he discusses prayer, for instance, Kant directly contrasts these two aspects of the God-Gegenstand (195.11): In the first sense, a prayer can take place with complete sincerity, even if the human being does not presume to be able to affirm even the existence of God as completely certain. In the prayer’s second form, as an address, he assumes this highest [Gegenstand] to be personally present, or at least so poses (even inwardly), as if he were convicted by its presence, in the opinion that, even if it were not so, this action could at least do no harm but could rather gain him favor; hence in the latter (literal) prayer, sincerity cannot be found in as perfect a form as in the former (the bare spirit thereof).

Note that both types of religious posturing relate to the Gegenstand (or, what might here be translated as the believer’s ‘mental imaging’) of God, not to the God-object as such; had he intended to refer to the latter, Kant would most likely have used the word Objekt. This key feature of Kant’s Objekt/Gegenstand distinction is aptly illustrated by his usage throughout Religion. Thus, Kant’s response to religious ideas that do not directly support or motivate our moral nature is not (contrary to a common way of reading Religion) to deny their validity, but merely to point out their philosophical irrelevance (52.25): authentic religion “does not dispute the possibility or reality of the [Gegenstände] of these ideas; it just cannot take them up into its maxims of thought and of action.” Had Kant referred to Objekte here, he would have been claiming that the external reality of God and the (non-moral) teachings of empirical religion are irrelevant; but once we recognize that he uses the term Gegenstände instead, we can see that his focus is on the religious person’s way of interpreting such ideas. As such, his conclusion again merely the idea of a possible God established by the arguments of CPR; significantly, Kant elsewhere associates Gegenstände with possibility and necessity, while Objekte confer actuality (e. g., A234/B286; cf. PLL 12).

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makes a hermeneutic29 point (196.14): “Therefore we cannot regard any prayer that has a nonmoral [Gegenstand] as one that will be heard, i. e., we cannot pray for anything like this in faith.” In keeping with the restrictions on supersensible knowledge established in CPR, Kant affirms that, “as far as theoretical cognition and confession [of faith] are concerned, no assertoric knowledge is required” for an authentic religion; because we entirely lack any “insight into supernatural [Gegenstände] of this confession” (6:153.34), any allegedly assertoric knowledge based on such confessions “could already be hypocritical”, whereas “a practical, hence free assertoric faith” is “the [Gegenstand] toward which our morally commanding reason instructs us to work” (154.10), and the latter does not require us “to be able to secure objective reality for it through theoretical cognition.” What makes religion authentic rather than inauthentic in its view of the “holy”, then, is that it grounds such concepts in “a moral [Gegenstand], hence a [Gegenstand] of reason” that can “be sufficiently cognized inwardly for practical use” (137.07), yet remains mysterious due to our theoretical ignorance of it. A few pages later Kant points out that a religious person typically “harbors no qualms about expecting apprentices of religion to believe mysteries, on the ground that […] our not being able to comprehend the possibility of the [Gegenstand] thereof […] [cannot] entitle us to refuse to accept them” (144.21). Without a grounding in practical reason, “historical faith (which is based on revelation as experience) has only particulate validity […], and, like all experiential cognition, it contains within itself the consciousness not that the [Gegenstand] believed in must be so and not otherwise, but only that it is so” (115.11); like all empirical cognition (i. e., all Gegenstände of experience, as identified in the first classification, above), nonmoral revelation “contains at the same time the consciousness of its [i. e., the Gegenstand’s] contingency.” This is why Kant insists in the Fourth Piece that we can neither “be aware of a supersensible [Gegenstand] in the experience of any effects [of grace]”, nor “still less have influence on it to draw it down to us” (174.11); while he admits that “in the mind there sometimes occur movements working toward what is moral, movements that we cannot figure out and about which we are compelled to admit our ignorance”, he warns that to interpret these inward effects as justification for claiming to know the difference between “effects of grace” and “those of nature (of virtue) […] is delirium [Schwärmerei]”, because “the supernatural […] is not, according to laws of reason, a [Gegenstand] either of theoretical or of practical use” (194.11). 29 For a detailed account of the hermeneutical focus of Kant’s theory of prayer, cf. Palmquist: Kant’s Critical Hermeneutic of Prayer. In: The Journal of Religion 77.4 (October 1997). 584–604 (revised and reprinted as Appendix VIII of id.: Kant’s Critical Religion [note 28]).

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The third classification of Kant’s use of Gegenstand in Religion is quite straightforward: nine times the term refers to some type of mental state that has a moral character. The most common example is that in four places Kant uses “a [Gegenstand] of respect” (twice modifying ‘respect’ with ‘greatest’ and once with ‘deep’) to describe “the holiness of its law [i. e., the law of ethics]” (6:6.12), “the law (which commands practically)” (6.29), “duty” (7.12), and “Scripture […] as revelation to contemporaries and their [progeny]” (107.03). Similarly, he says “bravery is a [Gegenstand] of admiration and a basis for […] preferential respect” (33.29). And in three places he applies this usage negatively: some religious people are lured into yearning so much “for a good for which one does or can do nothing” that their “bare wish […] is often […] transformed into hope, as if the [Gegenstand] of the wish […] would come on its own” (117.05); without our natural predisposition to “sincerity […], the breed of humans would have to be in its own eyes a [Gegenstand] of contempt” (190.26); and, for a religious person who is under “the delusion” of being a “supposed favorite of heaven” and who therefore “deliriously imagin[es] felt special effects of grace […], then even virtue eventually disgusts him and becomes for him a [Gegenstand] of contempt” (201.24). In each of these eight passages, the Gegenstand is obviously not an external object, but a mental state that has an impact (for better or worse) on one’s moral character. The remaining example – one of the first occurrences in Religion – is more neutral, and plays an important role in Kant’s definition of “purpose” as being “always the [Gegenstand] of an attachment, that is, an unmediated desire for the possession of a thing by means of one’s action” (6.27). Like the other occurrences in this classification, the word Gegenstand in this context refers more to an internal component of the mind’s working (e. g., to a topic or a subject-matter of thought) than to an external object, in the normal (English) sense of that word: the Gegenstand is itself the thought desire to possess a thing; it is not the thing so desired. Fourth and finally, twelve occurrences of Gegenstand in Religion relate, either directly or indirectly, to God’s (presumed, or hypothetical) way of judging human beings. The first occurrence does not refer explicitly to God, but implies the existence of a being who is capable of judging the merits of our actions: Kant says that sense-based happiness “is not [even] remotely first” (6:46.35), when it comes to the proper priorities for a being “endowed with reason and freedom, […] nor [is it] yet unconditionally a [Gegenstand] of our maxims; this [Gegenstand] is, rather, the worthiness to be happy, i. e., the conformity of all our maxims with the moral law.” Our own happiness cannot qualify as a mental object (i. e., a subject-matter) that deserves to be prioritized unconditionally; rather, such unconditional priority belongs to the moral law, obedience to which makes us deserve happiness, if we regard ourselves hypothetically as the Gegenstand of divine judgment. Kant makes the same point about the prioritization of morality and happiness more explicitly at 60.09: “That which alone can make a world the [Gegenstand] of divine decree

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and the purpose of creation is humanity (the rational world being generally) in its complete moral perfection; in the will of the highest being, the immediate consequence of this perfection of humanity, as supreme condition, is happiness.” Two pages later, probably alluding to Jesus as the Christian version of the “archetype” of human perfection, he explains how ordinary human beings might actually satisfy God’s requirements, by instantiating such a final purpose (62.10): he who is conscious of a moral conviction such that he can believe […] [that] under similar temptations and sufferings […] he would unshakably continue to adhere to humanity’s archetype and to imitate its example in loyal emulation, such a human being – and, indeed, he alone – is entitled to regard himself as the One who is a [Gegenstand] not unworthy of divine satisfaction.

Kant makes similar references to a person being “a [Gegenstand] of divine satisfaction” (73.08) when he discusses the problem of whether “the effect of God’s dissatisfaction with the subject” who initially had an evil conviction can be transferred to a person with an “amended conviction”. Likewise, Kant regards “superstitious delusion” as being “reprehensible only contingently”, insofar as the religious person thereby regards “what can merely be a means” – such as non-moral religious practices that might nevertheless have a legitimate role in religion because they “counteract the obstacles to a conviction satisfactory to God” (175.12) – as if such ceremonies were “a [Gegenstand] immediately satisfactory to God.” What actually makes a human being “the [Gegenstand] of divine satisfaction immediately” (178.05) is “the active conviction of a good lifestyle [Lebenswandel]”; only in this way can a person “make himself worthy of the complement of his incapacity by a supernatural assistance”; the “formalities” of traditional religion can do no more than “make himself merely receptive to the achievement of the [Objekt] of his good, moral wishes” (178.11). Significantly, this is the only sentence in Religion that uses both Gegenstand and Objekt. By switching from Gegenstand to Objekt, Kant is emphasizing that a wish to become good through supernatural assistance (i. e., by an act of God, regarded as a being wholly outside oneself) makes sense only if it is predicated on a moral change that is already internal to oneself. Or, in other words, God’s Gegenstand in judging us to be worthy of happiness must at the same time be a Gegenstand of our own moral improvement (cf. the third classification, above) in order for the realization of the highest good – “the [Objekt] of [our] […] moral wishes” – to make us worthy of salvation. Toward the end of Religion, Kant emphasizes this point by distinguishing between the ‘doctrine of virtue’ and the ‘doctrine of godliness’. When he expresses support for the notion that “the human being makes a God for himself” (6:168), he goes on to explain that our concept of God ought to include not only “moral concepts” (cf. virtue), but also “the infinitely great properties that belong to the

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capacity to exhibit to the world a [Gegenstand] appropriate to these [moral] concepts” (168.38) – i. e., we must conceive of God’s judgment of the world as being so in line with what is moral that this God is worthy of our worship (cf. godliness). Along these lines, Kant declares (183.11) that “the doctrine of virtue exists through itself (even without the concept of God), [but] the doctrine of godliness contains the concept of a [Gegenstand] which we envision, in reference to our morality, as a cause complementing our incapacity in regard to the moral final purpose.” The object Kant has in mind here is one that we can rightly regard as being in God’s mind, even though (if we view it properly) it must first and foremost be a Gegenstand in our own mind; that is, it is not an external Objekt that we could (by cognizing it) manipulate in the way we manipulate empirical Objekte that we cognize through the categories. Neglecting this important requirement is an error leading to inauthentic religion (185.05): If the veneration of God is the first thing, to which one therefore subordinates virtue, then this [Gegenstand] is an idol, i. e., it is thought as a being whom we should hope to please not through good moral behavior in the world but through worship and ingratiation; but religion is then idolatry.

By using the word Gegenstand here, in a way that could also be classified as an example of the second type (i. e., by treating God’s judgment as itself a supersensible Gegenstand), Kant is emphasizing that idolatry is essentially a way of thinking, not a case of incorrectly identifying a particular Objekt, external to the human being. Such improper prioritization of virtue and godliness is idolatrous because it implicitly assumes that God’s Gegenstand towards human beings is one of wanting mindless devotion, rather than wanting virtue; the idolater’s worship is motivated by an incorrect understanding of God’s Gegenstand in judging humanity, whereby the believer treats it not as a partnership but as an Objekt external to the believing Subjekt. The last three occurrences in this fourth classification, all appearing in the General Comment to the Fourth Piece, aptly illustrate how the status of authentic religion as a partnership is enhanced when we view the idea of God (and any religious belief) as a Gegenstand rather than an Objekt. Is this Gegenstand produced in the mind of God or of human beings? Again, authentic religion requires us to regard it as both: resolve for the good lifestyle, […] linked with the consciousness of our frailty, contains a wish to be a worthy member in the kingdom of God; hence it contains not actually a request for something that God in his wisdom might quite well also refuse us, but rather a wish that, if it is earnest (active) itself produces its [Gegenstand] (becoming a human being satisfactory to God). (6:195.34)

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Kant’s philosophy of prayer aptly illustrates how this works (196.04): A prayer […] which is made in a moral conviction (a conviction animated only through the idea of God), because it, as the moral spirit of prayer, itself produces its [Gegenstand] (being satisfactory to God), can alone be made in faith, which latter means the same as keeping assured that the prayer will be heard; nothing, however, can be of this kind except the morality in us.

Kant’s final use of the word Gegenstand in Religion clarifies that the partnership between God and human beings, as sharing the same object, is even more crucial to his argument than the moral character of the object (196.15): even if the [Gegenstand] were likewise moral, yet possible only through supernatural influence (or if at least we merely expected it from there because we do not ourselves want to take the trouble to bring it about […]), it is nonetheless so utterly uncertain whether God will find it in accordance with his wisdom to complement our (self-inflicted) deficiency in a supernatural way, that one rather has cause to expect the opposite.

In each of the three above-quoted passages, the word Gegenstand refers directly to a situation wherein a person is or might be judged ‘satisfactory to God’. Clearly, Kant is not referring to an object, in any ordinary sense of the English word, but to a mental state found in human beings and/or God. When using the word Objekt, by contrast, we have seen that he more often means either something physical or a moral goal that transcends individual Subjekte. IV.  The Path Ahead: Translating Kant’s Objekt and Gegenstand

The foregoing overview of the 58 places where forms of the nouns Objekt or Gegenstand appear in Kant’s Religion offers strong corroboration of the claim made in PLL, that Kant employs these two terms in distinct ways. Admittedly, the terms may sometimes have overlapping meanings, as both terms can sometimes refer to a goal or a purpose; but Kant’s usage in Religion confirms what our initial overview of his usage in CPR had suggested: such a Gegenstand is always an internally focused purpose, while an Objekt is an externally focused goal, such as the highest good – a goal that requires the postulation of a higher being outside of us (cf. 6:6.08–11), if we are to conceive of its realization. How we interpret our belief in such a being is, however, a Gegenstand not an Objekt. This and the various other differences explained above give rise to a concluding question: should these two German words actually be translated with different English words, given their significantly distinct contextual connotations? The three authors of PLL repeatedly reflected on this question during the course of

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our textual analysis; indeed, we considered numerous alternatives for translating the word Gegenstand (including, for example, ‘engagement’, ‘gizmo’, and ‘mental construct’, as well as the more standard alternatives [mentioned in note 3, above]) but were unable to come up with an option that satisfies all three of us. This sets a significant challenge for future Kant scholarship: how can we express clearly and precisely in English what required two distinct terms for Kant to express in German?

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Lateinische Strukturen in Kants Stil Mit besonderer Berücksichtigung der Erklärung des Begriffes vom Gegenstand in KrV A 104 Mario Caimi I.  Einleitung. Die doppelte Verneinung

Dass sich die lateinische Sprache im deutschen Universitätsleben des 18. Jahrhunderts eines intensiven und tief eingewurzelten Gebrauchs erfreute, braucht wohl kaum eigens unter Beweis gestellt zu werden. Wir wollen hier nur kurz einige Tatsachen in Erinnerung rufen, um für das Argument des vorliegenden Beitrags den Boden zu ebnen.1 Bis Ende des 17. Jahrhunderts fand der Unterricht an den deutschen Hochschulen auf Latein statt. Als einer der Ersten unterrichtete Christian Thomasius, Professor für Jura in Leipzig, seit 1687 auf Deutsch. In Preußen durften zudem auf Grund einer Regierungsverfügung die Vorlesungen nicht in freiem Vortrag gehalten werden;2 der Lehrer hatte seinem Vortrag ein bewährtes und zugelassenes Handbuch zu Grunde zu legen. Die Sprache solcher Handbücher war meistens Latein. Zu Kants Zeit wurden dann zwar schon etliche Universitätsveranstaltungen auf Deutsch abgehalten, als die Sprache der Hochschule galt jedoch nach wie vor Latein. 3 So verfasste Kant selbst bekanntlich seine Magisterarbeit über das Feuer, 1

Der vorliegende Beitrag stellt eine leicht überarbeitete Fassung eines unter demselben Titel 2010 erschienenen Artikels dar. Vgl. Mario Caimi: Lateinische Strukturen in Kants Stil. Mit besonderer Berücksichtigung der Erklärung des Begriffes vom Gegenstand in KrV A 104. In: Alessandro Pinzani/Valerio Rohden (Hg.): Crítica da Razão Tradutora. Sobre a dificuldade de traduzir Kant. Florianópolis, Nefiponline, 2010. 109–122. Elektronische Version: [http://www.nefipo.ufsc.br/files/2011/12/critica_razao_kant.pdf]. 2 Nach einem Erlass des Ministers Zedlitz vom 16. Oktober 1778. 3 Zur deutschen Universitätsgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts und ihrer Lateinischsprachigkeit vgl. u. a. Helmut Holzhey/Wilhelm Schmidt-Biggemann (Hg.): Grundriß der Geschichte der Philosophie. Begründet von Friedrich Ueberweg. Abteilung [3]: Die Philosophie des 17. Jahrhunderts. Bd. 4: Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, Nord- und Ostmitteleuropa. 2 Halbbände. Völlig neu bearbeitete Ausgabe von Helmut Holzhey und Wilhelm Schmidt-Biggemann. Basel 2001, sowie Abteilung [4]: Die Philosophie des 18. Jahr-

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seine Inauguraldissertation, seine Habilitationsschrift und noch manche andere Schriften auf Latein. Und als es galt, der Kritik der reinen Vernunft zu einer breiteren Wirkung zu verhelfen, wurde sie zuallererst ins Lateinische übersetzt. 4 Es ist wohl möglich, dass Kant diese Arbeit persönlich überwachte; schon frühzeitig erklärt er, dass es sich um eine freie Übersetzung handeln werde;5 er spricht seine Besorgnis darüber aus, dass der Stil zu literarisch ausschlage, und bemüht sich, dem Text die Strenge des trockenen akademischen Lateins zu sichern. 6 Man darf also sagen, dass das Lateinische im deutschen akademischen Leben des 18. Jahrhunderts und insbesondere bei Kant noch sehr lebendig ist. Unsere Erfahrung beim Übersetzen von kantischen Texten lässt uns aber über diese allgemeine Feststellung noch hinausgehen und – etwas pointiert – behaupten, dass Kant auf Latein denkt. Nicht, dass er das immer tut, wohl aber, dass dies bei entscheidenden Passagen seiner Werke der Fall ist.7 Darauf macht er uns selber aufmerksam, in einer Fußnote, in der er zugibt, dass ihm die lateinische Formulierung manchmal präziser vorgekommen sei als die deutsche, auch wenn beide Redeweisen gleichbedeutend oder gar äquivalent waren. Er schreibt: Übrigens habe ich wegen der lateinischen Ausdrücke, die statt der gleichbedeutenden deutschen, wider den Geschmack der guten Schreibart, eingeflossen sind, sowohl bei diesem Abschnitte, als auch in Ansehung des ganzen Werks zur Entschuldigung anzuführen: daß ich lieber etwas der Zierlichkeit der Sprache habe entziehen, als den Schulgebrauch durch die mindeste Unverständlichkeit erschweren wollen. (KrV B 403, Anmerkung) hunderts. Bd. 5,2: Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation, Schweiz, Nord- und Osteuropa. Hg. von Helmut Holzhey und Vilem Mudroch. Basel 2014. Erster Teil, Erstes Kapitel: Die institutionellen Bedingungen der Philosophie und die Formen ihrer Vermittlung. Bes. § 4: Ulrich Gaier: Sprachen, Übersetzungen, literarische Formen. Teil 1: Latein und Deutsch. 41–43. 4 Immanvelis Kantii Critica rationis pvrae. Latine vertit Fredericvs Gottlob Born. Lipsiae MDCCLXXXXVI; wir zitieren nach Immanvelis Kantii Opera ad philosophiam criticam. Latine vertit Fredericvs Gottlob Born. 4 Bde. Lipsiae [Leipzig] 1796–1798. Unveränderter Nachdruck Frankfurt a.M. 1969. 5 Kant: Brief an Christian Gottfried Schütz vom 3. November 1786, AA 10: 469, 32. 6 Kant: Brief an Schütz vom 25. Juni 1787, AA 10: 490 (»Mein Verleger hat die Uebersetzung der zweiten Edition meiner Kritik ins Lateinische, bei Hrn. Prof. Born in Leipzig bestellt. Sie waren so gütig, sich dazu zu offeriren, die von ihm verfertigte Uebersetzung, wenn sie Ihnen heftweise zugeschickt würde, durchzusehen, um den Styl, der vielleicht zu sehr auf die Eleganz angelegt seyn möchte, mehr der scholastischen, wenngleich nicht so altlateinischen Richtigkeit und Bestimmtheit anzupassen.«) 7 Soweit wir wissen, ist Ernst Bloch unter den vielen deutschen Forschern zu Kants Stil einer der ersten, die auf Kants ›lateinisches Deutsch‹ hinweisen. Er tut das aber nur in der Absicht, die Klarheit von Kants literarischem Stil hervorzuheben. Ernst Bloch: Neuzeitliche Philosophie II: Deutscher Idealismus. Frankfurt a.M. 1985. Zit. nach Willi Goetschel: Kant als Schriftsteller. Wien 1990. 158.

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Das Lateinische bot einerseits die Vorteile einer eindeutigen philosophischen Sprache, während die entsprechenden, zum Teil noch schwankenden deutschen Ausdrücke vielleicht Anlass zu ›Unverständlichkeit‹ geben mochten. 8 Andererseits können wir aber auch in manchen Fällen (nämlich da, wo es sich um ›gleichbedeutende‹ Ausdrücke handelt, und ganz besonders da, wo syntaktische Strukturen im Spiel sind) annehmen, dass Kant gelegentlich das Lateinische ganz subjektiv dem Deutschen vorgezogen hat. Diese Hypothese gibt, wie wir zeigen werden, Aufschluss über einige Merkwürdigkeiten des Textes der KrV. Sie erlaubt uns auch – was ergiebiger ist –, gewisse Unklarheiten bei der Abfassung des Textes zu erklären, die man meist der Unachtsamkeit des Autors zuzuschreiben pflegt, sofern man sie nicht einfach ignoriert. Wir wollen uns zunächst mit einer syntaktischen Struktur befassen, die häufig vorkommt, nämlich der der doppelten Verneinung. Wie immer man sie vom Standpunkt der Grammatik aus erklären mag, vom logischen Standpunkt her gesehen hat die doppelte Verneinung wenig Sinn. Die Logik verlangt, dass die zweite Verneinung die erste Verneinung aufhebt (ähnlich wie es in der Mathematik der Fall ist). Diese Regel gilt normalerweise auch in der deutschen Grammatik. Bei Kant aber finden wir mitunter Sätze wie diesen: »[ich habe] dadurch verhindern wollen, daß man nicht, wie sonst unvermeidlich geschieht (durch transcendentale Subreption), einer Idee, welche bloß zur Regel dient, objective Realität beimesse.« (KrV A 509/B 537) Hier haben wir ein Verb (›verhindern‹), dessen Bedeutung eine negative ist, das sich aber auf einen negativen Satz bezieht, sodass eine Art doppelter Verneinung vorliegt. Aus dem so gebauten Satz scheint sich gerade die Behauptung des in negativer Form erscheinenden Nebensatzes zu ergeben (als ob Kant hätte verhindern wollen, dass man unterließe, der Idee objektive Realität beizumessen). Diese Behauptung ist offensichtlich widersinnig, die doppelte Verneinung legt sie aber nahe. Woher kommt dieses ›nicht‹ der doppelten Verneinung? Dieser für den aufmerksamen Leser verwirrende Satz lässt sich erklären, wenn wir davon ausgehen, dass Kant beim Schreiben die lateinische Struktur der doppelten Verneinung vorschwebte. Auf Latein können jene Verben, die eine negative Absicht ausdrücken (Verben wie ›verhindern‹, ›sich wünschen, dass etwas nicht geschieht‹, ›fürchten‹, ›verbieten‹), eine Objektergänzung nach sich ziehen, die ihrerseits negativ ausgedrückt wird (wohl um der negativen Absicht zusätzliche Kraft zu verleihen).9 Wir wollen diese Struktur – nach einem ihrer Sonderfälle – als die Struktur impedire quominus bezeichnen. Diese syntaktische Struktur liegt dem oben angeführten Satz Kants zu Grunde, wie es schon Born aufgefallen ist, als er den Satz übersetzte: »volui […] eaque re impedire, quo minus, vti alias necessario accidit (ex sub8 9

Vgl. den Beitrag von François Ottmann zum vorliegenden Band. Dies spiegelt sich bis heute in den romanischen Sprachen.

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reptione transcendentali), ideae cuidam, quae solum instar regulae est, realitas obiectiua tribuatur.«10 Betrachten wir noch ein Beispiel der gleichen Satzbildung bei Kant: »wodurch allein es verhütet werden kann, daß es nicht selbst dem Gesetze der Zufälligkeit und Abhängigkeit aller Erscheinungen unterworfen werde.« (KrV A 561/B 589) Das zweite ›es‹ steht für das notwendige Wesen, um das es hier geht. Will man den Satz richtig verstehen, so muss man in Gedanken das ›nicht‹ streichen. Natürlich muss ein Übersetzer sich die Sache lange überlegen, bevor er gerade ein ›nicht‹ in einem Satz weglässt. Für Born aber stellt das kein Problem dar, denn er kann die doppelte Verneinung beibehalten; er übersetzt: »quo quidem solo poterit euitari, vt ne ipsa lege fortuiti dependentiaeque phaenomenorum omnium subiiciatur.«11 Born deutet also den kantischen Satz als einen Fall der lateinischen doppelten Verneinung, die durch das Verb ›verhüten‹, ›euitari‹ (›evitari‹), ausgelöst wird, welches das verneinende Wort ›nicht‹ (lat. ›ne‹) verlangt oder zumindest gestattet. Auch hier hat Kant demnach bei der deutschen Satzbildung eine lateinische syntaktische Struktur bemüht. II.  Die Erklärung von Gegenstand in KrV A 104

Die dargestellte Verwendung lateinischer Strukturen der doppelten Verneinung in deutschen Sätzen wäre nichts weiter als ein Kuriosum des kantischen Sprachgebrauchs, hätte sie nicht zumindest in einem Fall eine bedeutende Interpretationsschwierigkeit verursacht, die einen wichtigen Punkt der Theorie betrifft. Diesem Fall wollen wir uns nun zuwenden. An der bekannten Stelle der KrV A 104, an der Kant den Begriff eines Gegenstandes erklärt, heißt es: »[…] da nämlich dieser [d. h. der Gegenstand] als dasjenige angesehen wird, was dawider ist, daß unsere Erkenntnisse nicht aufs Geratewohl, oder beliebig, sondern a priori auf gewisse Weise bestimmt sein [AA: sind] […]« (KrV A 104). Eine Reformulierung dieser Textstelle in modernem Deutsch würde lauten: »[…] da nämlich dieser [d. h. der Gegenstand] als dasjenige angesehen wird, was verhindert, dass unsere Erkenntnisse aufs Geratewohl oder beliebig […] sind«; der Anschluss des Syntagmas »sondern a priori auf gewisse Weise« muss gleichfalls reformuliert werden: »[…] und [als dasjenige], was ermöglicht, dass unsere Erkenntnisse a priori auf gewisse Weise bestimmt sind.« Kants undurchsichtige Formulierung hat, so sei im Folgenden an einigen Beispielen gezeigt, sowohl Übersetzungs- als auch Deutungsprobleme aufgeworfen und erhebliche Missverständnisse hervorgerufen: 10 11

Born: Immanvelis Kantii Opera [Anm. 4] Bd. 1. 357. Ebd. 390.

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In ihrer französischen Fassung übersetzen Tremesaygues und Pacaud mühsam: »attendu […] que cet objet est considéré comme ce qui est posé devant la connaissance, et que nos connaissances ne sont pas déterminées au hasard ou arbitrairement«.12 Die portugiesischen Übersetzer verfahren in ähnlicher Weise: »pois este objecto é considerado como aquilo a que se faz face; os nossos conhecimentos não se determinam ao acaso ou arbitrariamente, mas a priori […]«.13 Leider verfügen wir über keine Version dieser Stelle bei Born, denn er übersetzt die KrV nach der späteren dritten Auflage. Die Übersetzer wählen dieses Verfahren, weil sie nicht glauben, in einem deutschen Satz eine doppelte Negation annehmen zu können. Sie lassen demnach eine der beiden Verneinungen fallen, und zwar die erste, die ja als Verneinung weniger auffällt. Das ›dawider ist‹ wird also in eine Behauptung verwandelt – als ob Kant geschrieben hätte: ›was da gegenüber steht‹. Dieses Problem stellt sich aber nicht nur den Übersetzern, sondern auch – und ganz besonders – den Interpreten. Manche von ihnen behaupten, dass das Objekt sich gewissermaßen der Erkenntnis gegenüber aufhält und ihr (der Erkenntnis) somit nicht angehört. Aus seiner Selbstständigkeit bestimmt das Objekt die Erkenntnis und leiht dieser ihre Regelmäßigkeit. So aber wird das Objekt als etwas angenommen, das von der Erkenntnis unabhängig ist. Wir befinden uns damit am Gegenpol der ›Kopernikanischen Wende‹. Denn im Grunde wird so nichts Anderes als der naive Realismus des Objekts behauptet. Die Spannung zwischen der in Frage stehenden missverständlichen Stelle und den Prinzipien der kantischen Lehre ist Riehl schon 1876 aufgefallen, wenn er auch nicht auf die sprachliche Ursache dieser Spannung gekommen ist. Riehl schreibt: Die Beziehung der Wahrnehmungen auf ein Objekt bringt in ihre Verbindung Notwendigkeit und Bestimmtheit hinein. Und zwar ist es der Gegenstand, welcher diese Vereinigung zu einer notwendigen macht. Der Gegenstand wird als 12 Kant: Critique de la raison pure. Übersetzung und Anmerkungen von André Tremesaygues und Bernard Pacaud. Paris 1950. 117. Auch die Übersetzung von Alexandre J.-L. Delamarre und François Marty reproduziert dieses Missverständnis: »[…] puisque cet objet est considéré comme ce à quoi on fait face; nos connaissances ne sont pas déterminées au hasard ou arbitrairement, mais a priori d’une certaine manière.« Auch ist ›d’une certaine manière‹ für ›auf gewisse Weise‹ fehlerhaft. Vgl. Kant: La Critique de la raison pure. Übersetzung und Anmerkungen von Alexandre J.-L. Delamarre und Francois Marty. In: Kant: Œuvres philosophiques. Hg. von Ferdinand Alquié. Bd. 1: Des premiers écrits à la Critique de la raison pure. Paris 1980 (Bibliothèque de la Pléiade). 1410 (Critique de la raison pure, Appendice, variantes de A). 13 Kant: Crítica da razão pura. Übers. von Manuela Pinto Dos Santos und Alexandre Fradique Morujão. Lissabon 1997. 144.

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dasjenige angesehen, ›was dawider ist, dass unsere Erkenntnisse nicht aufs Geratewohl, oder beliebig, sondern a priori auf gewisse Weise bestimmt sein‹. Die dem Denken gegebene Verbindung von Eigenschaften und Vorgängen ist der objektive Grund einer bestimmten Bewußtseinsvereinigung in bezug auf diese Eigenschaften und Vorgänge.

Dann aber macht Riehl vor der Unhaltbarkeit der Konsequenz kehrt; denn was er eben geschrieben hat, bedeutet, dass das Denken sich vom Gegenstande leiten lässt (also gerade das Gegenteil dessen, was die ›Kopernikanische Wende‹ bedeutet). Sollte der Ursprung der Einheit in einem dem Subjekte fremden Gegenstand liegen, so würde diese Einheit nur a posteriori erkannt. Sie wäre alsdann nur zufällig und nicht notwendig. Ganz in diesem Sinn fährt Riehl denn auch fort: »Nun kann diejenige Einheit, die der Gegenstand notwendig macht, nichts anderes sein als die formale Einheit in der Verknüpfung des Mannigfaltigen der Vorstellungen.«14 1902 besprach Vaihinger dieselbe Stelle, aber nur in der Absicht, sie einer früheren Schicht der Textgestaltung der A-Deduktion zuzuschreiben. Eben diese Absicht enthob ihn der Aufgabe, den unbequemen Satzbau zu rechtfertigen.15 Einige Jahre später stieß Birven bei seinem Kommentar zur A-Deduktion auf dasselbe Problem. Birven fiel immerhin die Unregelmäßigkeit im Satzbau auf; seine Lösung des Problems bestand darin, dass er die zweite Verneinung als Fehler deutete und als solchen ausklammerte. Er schreibt: »›was dawider ist, daß unsere Erkenntnisse {nicht} aufs Geratewohl, oder beliebig, sondern a priori […]«.16 Dies stellt allerdings einen etwas gewagten Eingriff in den Text dar. Als Rechtfertigung dafür gibt Birven bloß an, der Satz hätte nicht so gebildet werden dürfen, wie er von Kant tatsächlich gebildet wurde. Der einzig mögliche Weg, den hier vermeintlich vorliegenden Realismus des Objekts mit der gesamten Lehre der Transzendentalphilosophie (insbesondere mit der Kopernikanischen »Umänderung der Denkart« [KrV B XXII Anm.]) in Einklang zu bringen, würde darin bestehen, das Objekt für ein Ding an sich selbst zu nehmen. So geht es aus den Erläuterungen De Vleeschauwers hervor, der aber diese Lösung des Problems zurückweist. Gerade De Vleeschauwers Besprechung der uns interessierenden Textpassage lässt die eigentümlichen Schwierigkeiten, die dem Text anhaften, deutlich erkennen. De Vleeschauwer räumt zunächst die Gegenüberstellung des Objekts ein (was im Effekt nichts Anderes ist, als den 14 Alois

Riehl: Der philosophische Kritizismus. Geschichte und System. Leipzig 31924.

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15 Hans Vaihinger: Die transzendentale Deduktion der Kategorien in der 1. Auflage der Kritik der reinen Vernunft. Halle 1902. 29. 16 Henri Clemens Birven: Immanuel Kants Transzendentale Deduktion. Berlin 1913. 23. Die geschweiften Klammern stammen von Birven.

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Ausdruck ›was dawider ist‹ im Sinne von ›was gegenüber steht‹ zu deuten): »Le rapport que Kant envisage ici est le rapport de la représentation avec un objet réel ou intentionnel, distinct, dans les deux cas, de la conscience.«17 Er behauptet sodann, dass es zwei mögliche Deutungen dieser Stelle gibt. Die eine besagt, die Stelle beziehe sich auf das Ding an sich; wir bildeten unsere Vorstellungen nur deswegen nicht beliebig, weil sie eine Notwendigkeit bei sich führten, die auf dem Ding an sich gründe. Die andere mögliche Deutung besagt ihm zufolge, die Stelle beziehe sich nur auf die Notwendigkeit unserer Vorstellungen; diese Notwendigkeit sei es bloß, was wir unter ›Objekt‹ verstehen. Schließlich spricht sich der Interpret für diese zweite Deutung aus: »nous ne voyons pas comment la chose en soi les déterminerait [d. i. die Vorstellungen, M.C.] d’une manière a priori.«18 Wäre der Gegenstand etwas, was ›gegenüber steht‹, so würde die Zusammensetzung der Vorstellungen alsdann nur a posteriori geschehen. Das aber schließt die Notwendigkeit der Synthesis aus. Überhaupt sollte man den Ausdruck ›dawider‹ nicht so auslegen, als ob er sich auf etwas beziehen sollte, was ›gegenüber steht‹ und somit ein dem Subjekt Fremdes ist. Der Ausdruck ›dawider‹ besagt nicht bloß Gegenübersein. ›Was dawider ist, dass‹ bedeutet in diesem Zusammenhang: ›was verhindert, dass‹. Es handelt sich um ein sprachliches Missverständnis, das zu einem philosophischen Missverständnis geführt hat. Der Gegenstand steht dem Subjekt nicht selbstständig bzw. von ihm unabhängig gegenüber. Vielmehr erhält er vom Denken des Subjekts seine Objektivität. III. Ergebnis. Die Lösung der Schwierigkeit unter Anwendung der Hypothese

Wenden wir nun hier unsere Hypothese an, nach der Kant, auch wenn er auf Deutsch schreibt, sich gelegentlich nach den Regeln der lateinischen Syntax richtet, so können wir die Funktion des Ausdrucks ›dawider ist‹ in Analogie zu derjenigen setzen, die im Lateinischen einem Satzteil zukommt, der eine negative Absicht bzw. eine negative Erwartung zum Ausdruck bringt. Der Ausdruck ›dawider ist‹ sollte insofern als gleichbedeutend mit dem lateinischen Verb ›prohibet‹ angesehen werden. Er verlangt eine verneinende Ergänzung oder lässt sie zumindest zu. Diese Verneinung hängt bloß von der lateini17 Herman

Jan De Vleeschauwer: La déduction transcendantale dans l’œuvre de Kant. Antwerpen/Paris 1937. Wir zitieren nach der Ausgabe von Lewis White Beck, New York/ London 1976. Bd. 2. 272. Auch Wolfgang Carl scheint in seinem vortrefflichen Kommentar zur Deduktion dieser Meinung zu sein. Vgl. Wolfgang Carl: Die Transzendentale Deduktion der Kategorien in der ersten Auflage der Kritik der reinen Vernunft. Ein Kommentar. Frankfurt a.M. 1992. 170. 18 De Vleeschauwer: La déduction transcendantale [Anm. 17].

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schen Struktur ab und braucht weiter nicht wörtlich genommen zu werden. Wir deuten den Satz mit seiner doppelten Verneinung also als einen Fall der Struktur impedire quominus, wodurch sein Sinn klar hervortritt: »da nämlich dieser [d. h. der Gegenstand] als dasjenige angesehen wird, was verhindert [›prohibet‹, ›dawider ist‹, M.C.], dass unsere Erkenntnisse aufs Geratewohl, oder beliebig, bestimmt sind, und macht, dass unsere Erkenntnisse a priori auf gewisse Weise bestimmt sind.« Letzteres (nämlich die Erkenntnisse a priori zu bestimmen) könnte kein gegenüberstehendes Objekt leisten, und sollte es auch ein Ding an sich sein. Der Gegenstand steht ja gar nicht der Erkenntnis gegenüber. Er besteht vielmehr in dieser notwendigen apriorischen Einheit des Mannigfaltigen der Erkenntnis; in der Struktur nämlich, durch die das Mannigfaltige nach dem Gesetz der Apperzeption bestimmt wird. Bei dieser Auslegung, auf die wir durch die Anleitung der lateinischen Struktur hingewiesen wurden, wird das Objekt durch seine Funktion gekennzeichnet und bestimmt. Hier wird nichts über das gesagt, was außerhalb der Erkenntnis liegt. Das Objekt wird einer inneren Notwendigkeit der Erkenntnis gleichgesetzt; durch diese innere Notwendigkeit gestaltet sich die Mannigfaltigkeit der Erkenntnis eben nicht aufs Geratewohl und beliebig, sondern regelmäßig und a priori notwendig. Wir haben also keinen transzendentalen Realismus, sondern den trans­zendentalen Idealismus, wie es in der KrV zu erwarten war. Da wir es nur mit Vorstellungen zu tun haben, ist das Objekt nichts Anderes als eine Funktion der Regelmäßigkeit und der Notwendigkeit in der Synthesis solcher Vorstellungen. Das lehrt der Text von A 104: dass wir nämlich »außer unserer Erkenntnis doch nichts haben, welches wir dieser Erkenntnis als korrespondierend gegen über setzen könnten«. Auf diese Weise ist es – ohne jedes Paradoxon und ohne Widerspruch – klar, »daß, da wir es nur mit dem Mannigfaltigen unserer Vorstellungen zu tun haben, und jenes X, was ihnen korrespondiert (der Gegenstand), weil er etwas von allen unsern Vorstellungen Unterschiedenes sein soll, vor uns nichts ist, die Einheit, welche der Gegenstand notwendig macht, nichts anders sein könne, als die formale Einheit des Bewußtseins in der Synthesis des Mannigfaltigen der Vorstellungen.« (KrV A 105) Die Hypothese, nach der in Kants Satz eine lateinische Struktur waltet, hat uns zu diesem Resultat geführt, ohne dass wir uns (wie Birven) genötigt sahen, einen Fehler im Text anzunehmen; ebenso wenig mussten wir (wie De Vleeschauwer) die unzulässige Deutung einräumen, mit ›Gegenstand‹ seien die Dinge an sich gemeint; doch brauchten wir auch nicht (wie Riehl) beim ungelösten Paradox des Textes haltzumachen.19 19 Im

Zusammenhang mit seinem Kommentar zur transzendentalen Deduktion deutet Wolfgang Carl die angeführte Stelle (KrV A 104) in dem Sinne, dass der Satz ›was dawider ist, dass […]‹ ein konsekutives ›dass‹ enthält. Wenn es sich so verhält, könne man den Satz

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IV.  Weitere Anwendungen der Hypothese

Wie immer man angesichts der soeben angeführten alternativen Deutungen von KrV A 104 unseren Lösungsvorschlag der doppelten Verneinung beurteilen mag, erweist sich unsere Hypothese, dass nämlich Kant zuweilen ›auf Latein denkt‹, nicht nur in diesem wichtigen Fall als fruchtbar. Durch dieselbe Hypothese lassen sich auch andere vermeintliche Missgriffe des kantischen Satzbaus erklären. So z. B. in KrV A 660/B 688, wo Kant von dem neutralen Substantiv ›das Gesetz‹ spricht: Er bezieht sich auf dieses Substantiv unrichtigerweise durch ein weibliches Pronomen. 20 Die Akademie-Ausgabe verbessert den Fehler und setzt ein sächliches Pronomen anstatt des unrichtigen weiblichen. Vermittelst unserer Hypothese können wir diesen Fall klären, indem wir darauf hinweisen, dass das Gesetz auf Latein ein weibliches Substantiv ist: lex. Deswegen hat Kant, indem er sich auf das (Neutrum) Gesetz bezog, ein weibliches Pronomen benutzt. Ein vergleichbarer Fall findet sich in KrV B 67/68: »die Art, wie das Gemüt durch eigene Tätigkeit, nämlich dieses Setzen ihrer [!] Vorstellung, mithin durch sich verstehen, ohne das lateinische Vorbild der doppelten Verneinung zu bemühen. Diese Auffassung des ›dass‹ als konsekutiv zwingt uns aber, den Ausdruck ›was dawider ist‹ als Existenzaussage, nämlich als Aussage über etwas zu verstehen, ›was da gegenüber ist‹. Der Satz lautete also: »Gegenstand ist, was uns gegenübersteht, so dass unsere Erkenntnisse nicht aufs Geratewohl oder beliebig, sondern a priori auf bestimmte Weise bestimmt sind.« Insofern wäre das, was uns gegenübersteht, der Grund dafür, dass die Synthesis unserer Erkenntnisse a priori und notwendig ist. Die angeführte Deutung durch Wolfgang Carl unterbreitete dieser dem Vf. in einem persönlichen Gespräch. Ihm sei an dieser Stelle für die eingehende Diskussion des vorliegenden Beitrages gedankt. – Paulo Licht dos Santos teilt die formale Auffassung des transzendentalen Objekts als notwendige synthetische Einheit der Vorstellungen, die ihre Begründung von der Einheit der Apperzeption erhält. Vgl. Paulo Licht dos Santos: A teoria do Objeto Transcendental. In: O que nos faz pensar 19. Rio de Janeiro 2006. 109–148. Er deutet aber zugleich die angeführte Stelle A 104 derart, als ob das Objekt uns ›gegenüber‹ stünde, vgl. ebd. 130. Dadurch entstehe eine Schwierigkeit im Text der KrV selbst. Denn einerseits werde das selbstständige Dasein des transzendentalen Objekts behauptet, andererseits werde die Objektivität formal-synthetisch aufgefasst. Beide Auffassungen seien jedoch vereinbar, sofern man sie als unumgängliche Momente einer komplexen Reflexion über das Objekt nehme: Das Objekt müsse als etwas genommen werden, das sich vom Bewusstsein unterscheide und dem Subjekt gegenüberstehe, damit die endgültige Auffassung vom Objekt (d.i. diejenige Auffassung, die das Objekt als notwendige formale Einheit der Vor­stellungen darstellt) die Beziehung auf etwas bewahre und dadurch Erkenntniswert erreiche. Das trans­ zendentale Objekt wird somit als Bezugsziel der Vorstellung aufgefasst. Vgl. ebd. 146. 20 »Das erste Gesetz also verhütet die Ausschweifung in die Mannigfaltigkeit verschiedener ursprünglichen Gattungen und empfiehlt die Gleichartigkeit; das zweite schränkt dagegen diese Neigung zur Einhelligkeit wiederum ein, und gebietet Unterscheidung der Unterarten, bevor man sich mit seinem allgemeinen Begriffe zu den Individuen wende. Das dritte vereinigt jene beide, indem sie [!] bei der höchsten Mannigfaltigkeit dennoch die Gleichartigkeit durch den stufenartigen Übergang von einer Species zur anderen vorschreibt […].« (KrV B 688)

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selbst affiziert wird […]«. Die AA (03: 70) korrigiert: »seiner Vorstellung«. Kant denkt wohl an mens, was im Lateinischen ein weibliches Substantiv ist. Ähnliches finden wir in KrV A 758/B 786. 21 Dort verwendet Kant das weibliche Pronomen, um sich auf das Substantiv Bewusstsein, das im Neutrum verwendet wird, zu beziehen; in diesem Falle ist die Lage insofern schwieriger, als ein weiteres weibliches Substantiv im selben Satz steht. Die AA verbessert und setzt als Pronomen das Neutrum statt des Femininums (AA 03: 495). Kants Wortwahl erklärt sich, wenn man, unserer Hypothese zufolge, beachtet, dass dem Neutrum Bewusstsein im Lateinischen das weibliche Substantiv conscientia entspricht (so auch Born). Diese Beispiele, die wir hier angeführt haben, sind nur ein Muster aus einer umfangreichen Sammlung von ähnlichen Fällen. Ich glaube, dass die Hypothese stichhaltig ist und dass ihre Fruchtbarkeit bei der Auslegung von kantischen Texten ihre Richtigkeit bestätigt. Anmerkung: Der Vf. dankt Frau Professor Gisela Schlüter (Erlangen) für ihre sorgfältige Bearbeitung des Textes und für ihre trefflichen Anregungen zur Textgestaltung. Von ihr stammen manche Ergänzungen in den Fußnoten. Ihr gehört auch die Reformulierung der Stelle KrV A 104 in modernem Deutsch.

21

»Das Bewußtsein meiner Unwissenheit (wenn diese nicht zugleich als nothwendig erkannt wird), statt daß sie [!] meine Untersuchungen endigen sollte, ist vielmehr die eigentliche Ursache, sie zu erwecken.« (KrV A 758/B 786).

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De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis Zum Streit um die richtige Übersetzung des Titels von Kants Dissertation des Jahres 1770 Norbert Hinske I.  Kants Buchtitel

Eine der großen Begabungen Kants, die nicht unwesentlich zu seinem schriftstellerischen Erfolg beigetragen hat, war sein Gespür für suggestive, fast schon reißerische Buchtitel. Sie zeigt sich ansatzweise bereits in seiner vorkritischen Periode: Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes, 1763, Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik, 1766 – das waren Titel, die den potentiellen Leser damals neugierig machen konnten. Diese Begabung bleibt Kant bis ins hohe Alter erhalten: Zum ewigen Frieden, 1795, Der Streit der Fakultäten, 1798 – das klang für die Zeitgenossen wie ein Paukenschlag. Bemerkenswert ist dabei nicht zuletzt der Gegensatz, der zwischen diesen lapidaren Formulierungen und den uferlos langen, barocken Buchtiteln seiner Vorgänger besteht. In den Schoß gefallen sind Kant seine Buchtitel nicht. Aus der Entstehungsgeschichte der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten beispielsweise wissen wir, wie lange Kant manchmal nach dem richtigen Titel gesucht hat.1 Das beste Beispiel für die Prägnanz seiner Buchtitel sind natürlich Kants drei Kritiken. Kritik der reinen Vernunft mussten die Zeitgenossen fast unwillkürlich als Kampfschrift gegen Wolff verstehen. Denn Wolff hatte dem Begriff der ratio pura seine maßgebende Prägung gegeben: »Ratio pura est, si in ratiocinando non admittimus nisi definitiones et propositiones a priori cognitas.«2 (»Um reine Vernunft handelt es sich, wenn wir beim Schlussfolgern nur Definitionen und a priori erkannte Sätze verwenden.«) Zwar hat schon Hans Vaihinger in seinem volumi1

Vgl. Heinrich P. Delfosse: Kant-Index. Bd. 15: Stellenindex und Konkordanz zur Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Stuttgart/Bad Cannstatt 2000. LXI ff.: zur Entstehungsgeschichte und zur Fragestellung der Grundlegung. 2 Christian Wolff: Psychologia empirica, methodo scientifica pertractata, qua ea, quae de anima humana indubia experientiae fide constant, continentur et ad solidam universae philosophiae practicae ac theologiae naturalis tractationem via sternitur (1732). Frankfurt/ Leipzig ²1738. 378 (§ 495).

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nösen Kommentar zur KrV darauf hingewiesen, dass der Titel Kritik der reinen Vernunft in Wahrheit außerordentlich vielschichtig ist und die verschiedensten Bedeutungen annehmen kann. 3 Aber Vaihingers Kommentar war das Resultat von hundert Jahren Kantforschung. Für die Zeitgenossen sah die Sache ganz anders aus. Reine Vernunft, das hieß Wolff und seine Schule. Kant ist bei der Suche nach suggestiven Buchtiteln nicht zimperlich gewesen. Er hat dabei vielmehr bewusst oder unbewusst mancherlei Ungenauigkeiten in Kauf genommen. Auch hier liefern die drei Kritiken das beste Beispiel. Der Titel der ersten Kritik müsste genau genommen heißen: Kritik der reinen ›theoretischen‹ Vernunft, der zweiten: Kritik der ›reinen‹ praktischen Vernunft. Kants dritte Kritik, die Kritik der Urteilskraft, gibt dem Begriff dann wieder eine neue Wendung. Spätestens da wusste Kant, dass der Begriff Kritik zu einem Schlagwort geworden war. Der uferlose Missbrauch des Adjektivs kritisch, der für die Gegenwart kennzeichnend ist, hat bei Kant selber seine Wurzeln. Ein nachdenklicher Zeitgenosse wird den Begriff heute nur noch ironisch gebrauchen. II.  Der Titel der Dissertation des Jahres 1770 A.  Der lateinische Text

Bei Kants dissertatio pro loco sind die Probleme, die der Buchtitel mit sich bringt, noch sehr viel gravierender. Das hängt mit dem wohl nicht zufällig vorgezogenen Genitiv zusammen. Kant schreibt nicht: De forma et principiis mundi sensibilis atque intelligibilis, sondern: De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis. Das war nicht etwa eine Frage der stilistischen Eleganz, sondern der Ausdruck eines ernsten sachlichen Problems. Um dieses Problem in seiner Tragweite zu verstehen, muss man weit aus­ holen. Der Grundgedanke von Kants dissertatio pro loco ist nämlich von höchster anthro­po­logischer Sprengkraft, ein Signal, das der Übernahme einer philosophischen Professur ihr volles Gewicht gab. Die These, die es den Studenten zu vermitteln galt, lautet: Der Mensch lebt in zwei verschiedenen Welten. Er bewegt sich in zwei grundverschiedenen Ordnungen. Er hat daher in seinem Leben Spannungen auszuhalten, die man nicht verkleistern darf, sondern durchzustehen hat. Die alte Formel vom ›Bürger zweier Welten‹ (die allem Anschein nach nicht von Kant selbst stammt) bringt das sehr gut zum Ausdruck. Die eine Welt, der mundus sensibilis bzw. der mundus phaenomenon (AA 02: 402. 13), ist die Erfahrungswelt des Menschen, in der er alles, was ihm begegnet, 3

Hans Vaihinger: Kommentar zu Kants Kritik der reinen Vernunft. Bd. 1 (1881). Stuttgart/ Berlin/Leipzig ²1922 [ND Aalen 1970]. 456.

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mit Hilfe der ihm eigenen sinnlichen Anschauungsformen von Zeit und Raum (sowie des logischen Verstandesgebrauchs, dem aber nur eine Dienstfunktion zukommt) miteinander verknüpft, und das heißt: in eine alles umfassende ›Form‹ bringt. Diese Welt ist demgemäß eine vom Menschen selbst gemachte Welt, der mit seinem sinnlichen Erkenntnisvermögen das principium formae mundi sensibilis – und in diesem Sinne der letzte, unhinterfragbare Grund der Welt – ist. Der Mensch ist die letzte Instanz, die allem seine Form verleiht. Es liegt auf der Hand, dass es in einer solchen vom Menschen selber errichteten Welt für kategorische Imperative keinen Platz geben kann. Das Unbedingte kommt in ihr nicht vor, es gibt keinen Orientierungspunkt außerhalb des Menschen. In ihr kann es nur so etwas wie Regeln der Geschicklichkeit oder Ratschläge der Klugheit geben. Die andere Welt dagegen, der mundus intelligibilis, ist keine vom Menschen gemachte oder ausgedachte Welt, sondern eine Welt, in der Gott zugleich Schöpfer und Architekt ist, ›Schöpfer‹ in Rücksicht auf die einzelnen Weltsubstanzen, ›Architekt‹ in Rücksicht auf deren Verknüpfung bzw. ›Form‹: »nonnisi causa universorum unica est causa universitatis, neque est mundi architectus, qui non sit simul creator.« (AA 02: 408) [Hervorhebung N.H.] (»nur eine einzige Ursache von allem ist die Ursache des Alls, und es gibt keinen Architekten der Welt, der nicht zugleich auch ihr Schöpfer wäre.«) Richtet man sein Augenmerk auf die spezifische Fragestellung der Dissertation, so kommt dem Begriff des ›Architekten‹ ein besonderes Gewicht zu. Der mundus intelligibilis ist eine von Gott eingerichtete Welt, und der Mensch hat sich an diese Einrichtung (bzw. ›Form‹) zu halten, ähnlich wie sich jeder Hotelgast an die Regeln des Hauses zu halten hat. Der Paragraph 13 hat im Ganzen der Dissertation eine Art Leitfadenfunktion. So, als wäre sich Kant der möglichen Missverständnisse bewusst gewesen, bereitet der Paragraph die Überlegungen der Sectiones III und IV vor und gebraucht dabei bezeichnenderweise die Formulierung principium formae universi. Principium ist hier also – ebenso wie im Titel der Schrift – nicht etwa auf mundus bzw. universum, sondern eindeutig auf forma zu beziehen: »Forma mundi intelligibilis agnoscit principium obiectivum, h.e. causam aliquam, per quam exsistentium in se est colligatio. Mundus autem, quatenus spectatur ut phaenomenon, h.e. respective ad sensualitatem mentis humanae, non agnoscit aliud principium formae nisi subiectivum […].« (AA 02: 398) [Hervorhebung N.H.] (»Die Form der Verstandeswelt kennt einen objektiven Grund, d. i. irgendeine Ursache, durch die eine Verbindung des an sich Daseienden [d. h. der Dinge an sich] zustande kommt. Sofern man die Welt dagegen als Phaenomenon [d. h. als Welt der Erscheinungen] betrachtet, d. i. in Bezug auf die Sinnlichkeit des menschlichen Erkenntnisvermögens, kennt sie keinen anderen Grund der Form als nur einen subjektiven […].«) Kant hat an dieser Zweiteilung zeitlebens festgehalten. Zwar trennt er sich 1772 von der Annahme, mit Hilfe der apriorischen Begriffe auf theoretischem Wege

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den mundus intelligibilis erkennen zu können. In seinem berühmten Brief an Marcus Herz vom 21. Februar 1772 schreibt er: »wie mein Verstand gäntzlich a priori sich selbst Begriffe von Dingen bilden soll, mit denen nothwendig die Sachen einstimmen sollen, […] die Frage hinterläßt immer eine Dunckelheit in Ansehung unsres Verstandesvermögens« (AA 10: 131). Seine schließliche Antwort lautet: Auch die auf dem Wege einer ursprünglichen Erwerbung (acquisitio originaria) gewonnenen Begriffe, die später so genannten Kategorien, dienen nur der Er­ richtung der Erfahrungswelt: Aber an die Stelle des mundus intelligibilis tritt für Kant jetzt der mundus moralis, das Reich der Zwecke. Jede dieser beiden Welten hat ihre eigene unverwechselbare ›Form‹. Der letzte Grund der Form des mundus sensibilis bzw. des mundus phaenomenon ist der Mensch mit seiner Sinnlichkeit (als Erkenntnisvermögen verstanden), der letzte Grund des mundus moralis dagegen ist und bleibt Gott als architectus mundi. Eben dieser spannungsgeladene doppelte Weltbezug kennzeichnet für Kant nach wie vor die anthropologische Grundsituation des Menschen. Wer sich dieser Spannung nach der einen oder der anderen Seite hin zu entziehen versucht, missversteht die Lage des Menschen. B. Die Übersetzungen des Titels und die neue Ausgabe der Dissertazioni latine von Igor Agostini4

Alle diese Überlegungen hat man im Blick zu behalten, wenn man nach einer angemessenen Übersetzung des Titels der Dissertation von 1770 sucht. Es geht dabei um spezifische Übersetzungsprobleme, wie sie bei dem Übergang von der einen Sprache in eine andere ja nicht selten vorkommen. Im lateinischen Original treten die Probleme aufgrund des von Kant vielleicht ganz bewusst vorgezogenen Genitivs nicht auf. Hier kann man den Ablativ ›principiis‹ grammatisch genauso gut auf ›mundi‹ wie auf ›forma‹ beziehen. In den Übersetzungen dagegen hat sich seit dem unerlaubten Nachdruck von 1797/1798 5 die Übersetzung eingebürgert: Von der Form und den Prinzipien der Sinnen- und Verstandeswelt. Die nachfolgenden Übersetzungen, die Agostini gewissenhaft auflistet, sind dieser vermeintlich plausiblen Lösung gefolgt. Es ist eine lange Liste, und sie enthält große Namen. Am Anfang dieser langen Traditionslinie aber steht pikanterweise nicht etwa ein heiliger Text, sondern einer jener Raubdrucke, die Kant so verhasst gewesen sind.6 Da ging es nicht um die Sache, sondern um das rasche Geld. Diese Über4

Kant: Dissertazioni latine. Zweisprachige Ausgabe [Lat./Ital.]. Einleitung, Übersetzung und Edition von Igor Agostini. Kritischer Apparat von Igor Agostini/Gualtiero Lorini. Mailand 2014. 5 Vgl. Arthur Warda: Die Druckschriften Immanuel Kants (bis zum Jahre 1838). Wiesbaden 1919. 58 (Nr. 235); Agostini: Dissertazioni latine [Anm. 4] 352, Anm. 1. 6 Vgl. Kant: Von der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks (1785) (AA 08: 77–87).

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setzung bringt es mit sich, dass man ›Prinzipien‹ automatisch auf ›Sinnen- und Verstandeswelt‹ beziehen muss. Der Bezug auf ›Form‹ dagegen ist grammatisch unmöglich. Die Übersetzung zerstört damit geradezu die Pointe der Dissertation. Eben deshalb – und nicht aus dem Wunsch nach Originalität, der im Felde der Kantforschung oft ohnehin mehr Schaden als Nutzen stiftet – hatte ich im Einverständnis mit Wilhelm Weischedel die Übersetzung gewählt: Von der Form der Sinnen- und Verstandeswelt und ihren Gründen. Diese neue Übersetzung hat gleich zwei Vorteile: Sie legt den Ton auf ›Form‹, das zentrale Thema der Dissertation, und sie lässt den syntaktischen Bezug von ›Gründen‹ zumindest offen. Man kann ›Gründe[n]‹ sowohl auf ›Form‹ als auch auf ›Welt‹ beziehen. Raffaele Ciafardone ist diesem Vorschlag gefolgt und übersetzt: La forma del mondo sensibile e del mondo intelligibile e i suoi principi.7 Igor Agostini dagegen kehrt in seiner Ausgabe der Dissertazioni latine, ohne sich mit den Argumenten Ciafardones auseinanderzusetzen, zu der alten Übersetzung zurück. 8 Begründet wird dies leider nur damit, es handele sich hier um die ›kanonische Übersetzung‹ (›traduzione canonica‹). C. Schlussbemerkung

Die vorangegangenen Überlegungen betreffen nur einige, wenn auch nicht ganz unwichtige Aspekte der neuen Ausgabe der Dissertazioni latine. Sie sollten jedoch auf keinen Fall den Blick dafür verstellen, dass die Ausgabe von Igor Agostini eine Ausgabe von Rang ist, an der die Kantforschung keineswegs wird vorbeigehen dürfen. Sie befindet sich in beeindruckender Weise auf dem Stand der Forschung und bestätigt einmal mehr die Spitzenstellung, die Italien im Felde der Kantforschung heute einnimmt. Schon allein die sorgfältige Verarbeitung der kantischen Vorlesungsnachschriften macht die Ausgabe für die Kantforschung unentbehrlich. Sie sollte in keiner einschlägigen deutschen Bibliothek fehlen. 7

Kant: De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis. Zweisprachige Ausgabe. Übers. von Raffaele Ciafardone. Rom 2002. 8 Leider zitiert Igor Agostini meine Übersetzung nach der (zwölfbändigen) Ausgabe des Suhrkamp Verlages und nicht nach der (zehnbändigen) Ausgabe der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft. Das ist alles andere als eine bibliographische Finesse. Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, dass ich die Kant-Ausgabe der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft mehrfach von Grund auf revidiert habe, um die Druckfehler der ersten Auflage zu beseitigen, während der Suhrkamp Verlag die Durchführung dieser Korrekturen wegen der damit verbundenen Druckkosten abgelehnt hat. Auf diese Weise entgehen Agostini auch die von mir 1975 an meiner Übersetzung vorgenommenen Korrekturen, die sich nur in der Ausgabe der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft finden.

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Über die Fusion semantischer Felder Das Beispiel compreender (einsehen – verstehen – begreifen)1 Christian Hamm I.

Einer der vielen Gründe für die beachtliche Zunahme der Forschungsarbeiten zu Kant in Brasilien während der letzten zwei, drei Jahrzehnte besteht ohne Zweifel in der Tatsache, dass ein Großteil seiner wichtigsten Werke inzwischen in brauchbaren und leicht zugänglichen portugiesischsprachigen Übersetzungen vorliegt. Die Tatsache, nicht mehr auf bisweilen recht willkürlich und wenig fachkundig zusammengestellte Kompilationen ›wichtiger Abschnitte‹ zurückgreifen oder sich allein an fremdsprachigen (spanischen, französischen oder englischen) Textversionen orientieren zu müssen, sondern jetzt auch mit vollständigen ›eigenen‹ und dazu noch auf den deutschen Originaltexten basierenden Übersetzungen arbeiten zu können, führte unter anderem dazu, dass Kants Philosophie nun auch zunehmend unter einem (komparativ-) linguistischen Aspekt rezipiert und kommentiert wurde, was seinerseits eine Vielzahl fruchtbarer kritisch-hermeneutischer Analysen zur Folge hatte und wohl auch in nicht geringem Maße dazu beitrug, dass sie für ein breiteres Lesepublikum viel von ihrem ›hermetischen‹ oder ›dunklen‹ Charakter zu verlieren begann. Die Entscheidung, bei der Textauslegung nicht mehr nur auf schon Vorhandenes zurückzugreifen, d. h. im Wesentlichen den Lösungen anderer, sei es auch anerkannter, Vorgänger zu vertrauen, sondern einen eigenen tragfähigen und in sich konsistenten Übersetzungsvorschlag zu erarbeiten, konfrontiert den Übersetzer allerdings mit einer Reihe von Problemen, die sich eben gerade aus einer solchen Konsistenzforderung ergeben, nämlich: dem Leser nicht nur eine möglichst zuverlässige Version des Originaltextes, sondern gleichzeitig auch ein les-

1

Dieser Beitrag basiert auf Christian Hamm: A fusão de campos semânticos. O exemplo de einsehen – verstehen – begreifen. In: Crítica da Razão Tradutora. Sobre a dificuldade de traduzir Kant. Hg. von Alessandro Pinzani/Valerio Rohden. Florianópolis, Nefiponline, 2010. 53–74. Den Herausgebern dieses Bandes und dem Verlag sind wir zu Dank für die Erlaubnis zur Publikation der Übersetzung einer überarbeiteten Fassung des Beitrages verpflichtet.

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bares, konsequent nach den syntaktisch-semantischen Regeln der portugiesischen Sprache verfasstes Endprodukt vorzulegen. Eines dieser Probleme, vor das sich jeder Übersetzer gestellt sieht, das sich aber gerade im Falle Kants als besonders dramatisch darstellt, bestand und besteht auch heute noch in dem notwendigen Versuch einer Adaptation oder besser: einer Harmonisierung der deutschen Konstruktionsweise von Sätzen mit den ihnen entsprechenden Konstruktionsformen in der jeweiligen Zielsprache, hier also: im Portugiesischen. – Die kantischen Texte besitzen bekanntlich im Allgemeinen eine ziemlich komplexe Struktur aus oft extrem langen, verschachtelten Satzperioden mit umfangreichen Appositionen, komplizierten adverbialen Ausdrücken und häufigen Partizipialkonstruktionen: eine Struktur, die, um für einen Leser portugiesischer Sprache verständlich zu bleiben, in aller Regel einer Zergliederungsoperation und einer Reorganisation seiner Teile unterzogen werden muss; wobei klar ist, dass das Ergebnis einer solchen Operation – das natürlich je nach Übersetzer ganz verschieden ausfallen kann – großen Einfluss nicht nur auf die stilistische Form des portugiesischen Textes, sondern auch auf die semantische Qualität, d. h. auf den Grad der Präzision bei der Erfassung des wörtlichen Sinns des deutschen Originaltextes hat. Ein anderes nicht weniger schwieriges und ebenfalls im Falle Kants zentrales Problem ist nicht nur das der syntaktischen Komplexität der Satz-Konstruktion (und Re-Konstruktion), sondern auch das der von Kant in sein Werk eingeführten und von ihm benutzten Begriffe und ihrer adäquaten Übersetzung ins Portugiesische. Was diesen wichtigen Punkt betrifft, sei zunächst daran erinnert, dass der Gebrauch philosophischer Begriffe bei Kant – und zwar sowohl solcher, die der Alltagssprache seiner Zeit entnommen sind, als auch der des einschlägigen theoretischen Fachvokabulars – mit äußerster Sorgfalt erfolgte und im allgemeinen auch einen hohen Grad an Homogenität aufweist. Das heißt, dass wir nur selten sehen, dass ein einmal von Kant in seinen philosophischen Diskurs aufgenommener Begriff seine Bedeutung wechselt oder je nach Kontext durch einen anderen möglicherweise besseren, präziseren oder eleganteren ersetzt wird. Aber das bedeutet natürlich auch, dass wir uns bei vielen Gelegenheiten mit einer Fülle von Definitionen und minutiösen Erklärungen der benutzten Begriffe und Ausdrücke konfrontiert sehen und, mehr noch, mit der Notwendigkeit, in Momenten, in denen ein bestimmter schon einmal eingeführter Begriff in ›neuen‹ Kontexten gebraucht wird, uns seine wesentlichen vorher bereits explizierten semantischen Komponenten wieder in Erinnerung zu bringen, was vom Leser nicht nur eine sehr sorgfältige und behutsame Lektüre erfordert, sondern ihn auch zwingt, ständig die innere Kohärenz dieser seiner Lektüre im Auge zu behalten. Für den Übersetzer bedeutet dies, dass auch er neben der Aufgabe, in seiner eigenen Sprache die jeweiligen dem Deutschen entsprechenden, ›passenden‹ Begriffe zu finden, sich in erster Linie um Kohärenz und – vor allem terminologische –

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Homogenität seiner (Nach-) Schöpfung zu bemühen hat: eine Forderung, der im Falle der vorliegenden Kant-Übersetzungen ins Portugiesische allerdings keineswegs immer entsprochen wurde. 2 Ein weiterer wichtiger Aspekt des Problems der von Kant verwendeten Begriffe und zugleich eine Quelle zahlreicher Fehler, Zweideutigkeiten und Konfusionen in den Übersetzungen seiner Werke ins Portugiesische besteht in der bekannten historischen Tatsache, dass der wissenschaftlich-philosophische Diskurs sich zu Kants Zeiten vom Lateinischen, bis dahin ›Lingua franca‹ der europäischen Gelehrtenschaft, zu emanzipieren begann und sich damals, gerade was die deutsche Entwicklung betrifft, weitgehend noch in seiner Aufbauphase befand. Die unmittelbaren Vorgänger, wie z. B. Wolff oder Baumgarten, hatten ebenso wie noch ein Großteil von Kants Zeitgenossen ihre Werke auf Latein publiziert, und auch die sog. ›vor-kritischen‹ Schriften von Kant selbst sind ja teilweise noch in lateinischer Sprache verfasst. Eine der wesentlichen Aufgaben, die damals jeder Autor, der sich nicht mit der Rezeption und Diskussion seiner Lehren allein innerhalb geschlossener universitärer Fachzirkel begnügen, sondern sich – auf Deutsch – an eine breitere akademische Hörer- und Leserschaft wenden wollte, zu lösen hatte, bestand also naheliegenderweise in der vorsichtigen, d. h. einer möglichst wenig ›gewaltsamen‹ Adaptation des bis dahin üblichen philosophischen Vokabulars an den neuen Sprachstandard; eine Unternehmung, die ihrerseits sowohl eine möglichst angemessene Übersetzung bereits vorhandener und im Kontext anderer philosophischer Doktrinen bereits eingeführter Zentralbegriffe verlangte als auch, im Falle der Inkompatibilität oder nur partiellen Kompatibilität der traditionellen lateinischen Terminologie mit dem ›neuen‹ Denken und der mit ihm notwendig werdenden eigenen Ausdrucksform, die Kreierung ganz neuer Begriffe

2

Zur Verdeutlichung dieses Problems sei hier nur ein Beispiel angeführt: In seiner Religionsschrift [RGV] führt Kant die fundamentale Unterscheidung zwischen Anlage (›disposição‹) und Hang (›propensão‹) des Menschen ein, um auf dieser Basis seine berühmte These vom radikal Bösen zu entwickeln, nach welcher der Mensch, als vernünftiges und damit ›natürlicherweise‹ zur Selbstbestimmung durch das Moralgesetz fähiges Wesen, auch ständig, und ebenfalls ›von Natur aus‹, versucht ist, gegen dieses Gesetz zu verstoßen und gegen seine eigenen moralischen Maximen, d. h. ›böse‹ zu handeln. Da ein Großteil der diesbezüglichen Argumentation Kants ihre Plausibilität allein aus dieser besonderen Konstellation gewinnt, ist es unbedingt notwendig, nicht nur die fundamentale Bedeutung dieser terminologischen Unterscheidung wahrzunehmen, sondern auch ihre uneingeschränkte Gültigkeit für alles, was an Erläuterung und systematischer Fundierung dieses Lehrstücks nachfolgt, zu beachten. Es darf also nicht vorkommen – kommt aber vor (z. B. in der Übersetzung von Artur Morão: A religião nos limites da simples razão. Lissabon 1992) –, dass ›disposição‹ und ›propensão‹ bisweilen miteinander verwechselt oder quasi als Synonyme behandelt werden oder dass der Begriff propensão an verschiedenen späteren Stellen einmal durch ›inclinação‹ (Neigung), ein andermal durch ›intenção‹ (Absicht) ersetzt wird: beides Begriffe, die Kant in anderen Zusammenhängen bekanntlich in ganz unterschiedlichem Sinne verwendet.

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– wie dies auch im Falle Kants stattfand. 3 Was eine solche mehr oder weniger kreative Ersetzung von lateinischen durch ihnen entsprechende deutsche Begriffe erschwert, ist allerdings die Tatsache, dass eine solche Ersetzung im Deutschen oft auf zwei ganz verschiedene Weisen erfolgen kann, nämlich entweder durch die bloße Eindeutschung des lateinischen Begriffs (z. B. obiectum durch ›Objekt‹, realitas durch ›Realität‹, intuitio durch ›Intuition‹, sensibilitas durch ›Sensibilität‹, apperceptio durch ›Apperzeption‹) oder durch ein entsprechendes Wort germanischer Herkunft (im Fall der eben genannten Beispiele also objectum durch ›Gegenstand‹, realitas durch ›Wirklichkeit‹, intuitio durch ›Anschauung‹, sensibilitas durch ›Sinnlichkeit‹ und apperceptio durch ›Selbstbewusstsein‹); und dies mit der problematischen Folge, dass mitunter in ein und demselben Text durchaus beide Varianten auftauchen können, aber eben in der Weise, dass sie sich, in Abhängigkeit von ihrem jeweiligen Kontext, einmal als bloße Synonyme lesen lassen, ein andermal dagegen ganz Unterschiedliches bedeuten können. – Natürlich können solche Schwierigkeiten, mit denen sich bereits Kant konfrontiert sah, im Fall der Übersetzung seiner Schriften in andere Sprachen noch zunehmen, namentlich bei der Übersetzung ins Portugiesische, das als romanische Sprache mit lateinischen Wurzeln oftmals nicht über ein Vokabular verfügt, das eine ähnliche Form der semantischen Transformation, Erweiterung oder auch Aufspaltung der lateinischen Termini erlaubt wie das Deutsche als germanische Sprache, die das nicht nur in diesem Falle, sondern auch außerhalb des rein philosophischen Sprachgebrauchs ohne Probleme ermöglicht. Wenn es auch sicherlich übertrieben wäre zu behaupten, die hier angeführten Probleme könnten alle Bemühungen um die Schaffung zuverlässiger Übersetzungen der Schriften Kants zunichte machen, so lässt sich doch kaum bestreiten, dass es für die seriöse Durchführung einer solchen Arbeit völlig unerlässlich ist, sich diese Probleme bewusst zu machen und bestimmte Regeln zu ihrer Lösung zu suchen und auch zu befolgen. Ohne Zweifel gehört zur Vorbereitung und zur Ausführung einer solchen Arbeit, neben dem eingehenden Studium der entsprechenden Originalquellen und ihrer kritischen Kommentierung durch Autor und Herausgeber, ganz wesentlich auch die systematische Untersuchung der Genealogie und der Geschichte der wichtigsten vom Autor eingeführten und benutzten Begriffe sowie eine darauf basierende kritische Abwägung der dann möglicherweise in Frage kommenden, sei es bereits existierenden oder noch zu entwickelnden Übersetzungsalternativen. 3

Ein gutes Beispiel für diese Vorgehensweise ist bereits der Schlüsselbegriff der kantischen Philosophie, der Terminus transzendental. Mit ihm greift Kant bewusst einen wesentlichen semantischen Aspekt des lateinischen Begriffs transcendentalis auf, ohne ihn jedoch dabei in genau diesem Sinne zu benutzen: Anstatt seine traditionelle Bedeutung beizubehalten, formt er ihn ›kreativ‹ um, wodurch der ursprünglich ontologisch-metaphysische zu einem gnoseologischen Begriff wird.

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In vielen Fällen wird eine solche Form kritischer Textarbeit, auch für den Leser durchaus sichtbar, in Brasilien bereits praktiziert; so etwa in verschiedenen von Valerio Rohden, Guido de Almeida, Fernando Mattos oder Monique Hulshof4 übersetzten Texten, die sich entweder für den Einschluss einer Reihe von Fußnoten oder die Anfügung eines Glossars entschieden, in denen bestimmte problematische Begriffe zusammengestellt und kritisch erläutert werden. Da solche Kommentare, einschließlich der jeweils von den Übersetzern vorgeschlagenenen ›Lösungen‹, sich allerdings in aller Regel vornehmlich auf den speziellen Gebrauch innerhalb eines ganz bestimmten Kontextes beziehen und damit, aufs Ganze gesehen, ziemlich heterogen bleiben, ist deren Generalisierung, d. h. der verallgemeinernde Schluss von einem oder einigen wenigen Fällen, in denen ein bestimmter Übersetzungsvorschlag ›passt‹, auf alle weiteren, tatsächlich oder vermeintlich ähnlich gelagerten Fälle oft eher problematisch als hilfreich. II.

Um dieses spezielle Problem ein wenig näher zu beleuchten, möchte ich im Folgenden als konkretes Beispiel den von Valerio Rohden in der von ihm besorgten portugiesischen Fassung der Kritik der praktischen Vernunft gemachten Vorschlag zur Übersetzung des deutschen Begriffs Einsicht (bzw. einsehen) kommentieren.5 – Die von Rohden übersetzte Textpassage lautet auf Deutsch folgendermaßen: Freiheit ist aber auch die einzige unter allen Ideen der speculativen Vernunft, wovon wir die Möglichkeit a priori wissen, ohne sie doch einzusehen, weil sie die Bedingung des moralischen Gesetzes ist, welches wir wissen. (KpV A 5; AA 05: 04 A5) [2. Kursivierung C.H.]

4

Kant: Crítica da faculdade do juízo. Übers. von Valerio Rohden/António Marques. Rio de Janeiro ²2008; Crítica da razão práctica. Übers. von Valerio Rohden. São Paulo 2002; Fundamentação da metafísica dos costumes. Übers., eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Guido Antônio de Almeida. São Paulo 2009; Crítica da razão pura. Übers. und mit Anmerkungen versehen von Fernando Costa Mattos. Petrópolis-RJ 2012; Crítica da razão prática. Übers. von Monique Hulshof. Petrópolis-RJ 2016. 5 Die Wahl dieses Beispiels ist nicht nur dessen besonders symptomatischem Charakter geschuldet, sondern vor allem der Tatsache, dass der Begriff Einsehen an dieser Stelle vom Übersetzer selbst in einer langen Fußnote ausführlich erläutert wird, in der dieser – ein weiterer Grund für die Wahl des Beispiels – seiner »Hoffnung« Ausdruck gibt, »der Leser möge seinen eigenen Beitrag zur Lösung« dieses Problems leisten. Ich beschränke mich hier auf die Kommentierung nur dieser einen Anmerkung, die eine frühere, im Rahmen von Rohdens Übersetzung der dritten Kritik vorgenommene und im Gehalt nahezu gleiche, jedoch in einigen Punkten noch detailliertere Erläuterung dieses Begriffs wieder aufnimmt (vgl. die hierzu in Rohdens Fußnote enthaltene Literaturangabe).

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Und dies ist Rohdens portugiesische Übersetzung des Textes: Mas a liberdade é também a única entre todas as idéias da razão especulativa de cuja possibilidade sabemos a priori, sem, contudo, ter perspiciência dela, porque ela é a condição da lei moral, que conhecemos . (Übersetzung Rohden [Anm. 4] 5) [Kursivierung C.H.]

In einer Fußnote 6 kommentiert Rohden die Übersetzung des Verbs einsehen durch ›ter perspicência‹ wie folgt: 6

Im Folgenden der portugiesische Originaltext der Fußnote: »No original: ohne sie doch einzusehen. Reelaboro aqui o que já observara sobre o termo Einsicht e seu correspondente latino perspicientia em KANT, I., Crítica da faculdade do juízo. 2ª ed. Trad. Valerio Rohden e António Marques. Rio de Janeiro: Forense Universitária, 1995, pp. 65–7. – 1) O termo perspicientia foi empregado filosoficamente por Cícero no sentido de um conhecimento completo de algo. Cf. CÍCERO, De officiis I, 15 (trad. bras. Dos deveres, Martins Fontes, São Paulo, 1999.) Cf. também GEORGES, K.E., Ausführliches LateinischDeutsches Handwörterbuch. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1988, v. 2, p. 1644. Segundo Georges, no domínio literário o verbo perspicere foi usado por PLAUTO, Curc. 144 G. Perspicuitas, no sentido de clareza, foi usado por PLÍNIO 37,79. – 2) Kant empregou o termo predominantemente no sentido de Cícero – que o vinculara praticamente a prudência e sabedoria – ao distinguir, na Reflexão 426, entre perceptio, cognitio, scientia, intellectio, perspicientia e compreensio. Ao termo perspicientia Kant acrescentou: Einsehen (durch Vernunft) [perspiciência (pela razão)]. Na reflexão 437 distinguiu entre os princípios do Einsehen e do Verstehen (compreender), observando: »A faculdade de julgar a priori (concluir) é a razão. Einsehen.« (Cf. KANT’s Gesammelte Schriften. Berlin: Walter de Gruyter, 1923, v. XV, pp. 170 e 180, respectivamente; cf. também KANT, I., Lógica. Trad. de Guido de Almeida. RJ: Tempo Brasileiro, 1992, p. 82, Ak 65; ou: Manual dos cursos de lógica geral. Trad. Fausto Castilho. Campinas/Uberlândia: IFCH-UNICAMP/EDUFU, 1998, p. 111). Num esboço de carta do verão de 1792 ao príncipe A. von Beloselsky, Kant observou: »A esfera da perspicacité é a da perspiciência sistemática da interconexão da razão dos conceitos em um sistema« (cf. KANT´s Gesammelte Schriften, v. XI: Briefwechsel v. II, p. 346. Cf. a respeito também KANT, I., Opus postumum. Tradução, apresentação e notas de François Marty. Paris: PUF, 1986, p. 234). 3) A língua alemã usa como equivalente de perspicientia/Einsicht o termo Durchschauung/ durchschauen = ver através de, ter uma visão perspicaz, penetrante, interna, portanto desveladora, p.ex., daquilo que normalmente se oculta, ou esclarecer-se sobre algo, ter clareza. Para durchschauen possui ainda os equivalentes durchsehen, durchblicken, durchlesen. – 4) Correspondentemente, talvez pudéssemos adotar em português, para Einsicht/einsehen, ver com perspicácia, ter uma visão penetrante ou perspicaz, evidência. Mas por outro lado, talvez pudéssemos incorporar ›perspiciência’ como um termo técnico para expressar uma forma de conhecimento racional. Contaríamos com o antecedente do tradutor latino de Kant, Born, que, na tradução da Crítica da razão prática, empregou para Einsicht o termo latino perspicientia e, para einsehen, perspicere, p.ex., na seguinte passagem: Nun est [sic!] aber alle menschliche Einsicht zu Ende (KpV A 81): Atque omnis humana perspicientia haeret (cf. IMMANUELIS KANTII. Critica rationis practicae. Trad. lat. Fredericus Gottlob Born. Lipsiae: Engelhard Benjamin Schwickerti, MDCCLXXXXVII, p. 39. Confesso alguma hesitação na adesão de um termo alheio ao uso comum, feita, no entanto, na esperança de que

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Im Original: ohne sie doch einzusehen. Ich führe hier ein weiteres Mal aus, was ich über den Begriff Einsicht und sein lateinisches Pendant perspicientia bereits in: KANT, I., Crítica da faculdade do juízo. Trad. Valerio Rohden e António Marques. Rio de Janeiro: Forense Universitária, ²1995, S. 65–67, angemerkt habe. 1) Der Begriff perspicientia wurde von Cicero philosophisch verwendet im Sinne einer vollständigen Erkenntnis von etwas. Vgl. CICERO, De officiis I, 15 (bras. Übers.: Dos deveres, Martins Fontes, São Paulo, 1999.). Vgl. auch: GEORGES, K.E., Ausführliches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1988, Bd. 2, S. 1644. Nach Georges benutzte PLAUTUS (Curc. 144 G) das Verb perspicere im wörtlichen Sinne. Perspicuitas wurde im Sinne von Klarheit gebraucht von PLINIUS, 37,79. 2) Kant benutzte den Begriff vornehmlich im Sinne Ciceros (der ihn praktisch mit Klugheit und Weisheit verknüpfte), wobei er in Reflexion 426 zwischen perceptio, cognitio, scientia, intellectio, perspicientia und compreensio unterscheidet. Dem Terminus perspicientia fügt Kant hinzu: Einsehen (durch Vernunft). In Reflexion 437 unterscheidet er die Prinzipien von Einsehen und Verstehen: ›Das Vermögen a priori zu urtheilen (schließen), ist Vernunft. Einsehen‹ (vgl. KANT’s Gesammelte Schriften. Berlin: Walter de Gruyter, 1923, Bd. XV, S.170 bzw. S.180; vgl. ebenfalls KANT, I., Logik, Bd. IX, S. 65). In einem Briefentwurf vom Sommer 1792 an den Fürsten A. von Beloselsky bemerkt Kant: ›Die Sphäre der perspicacité ist die der systematischen Einsicht des Zusammenhanges der Vernunft der Begriffe in einem System.‹ (vgl. KANT’s Gesammelte Schriften, Bd. XI: Briefwechsel, II, S. 346); vgl. hierzu auch KANT, I., Opus postumum. Übersetzung, Einleitung und Anmerkungen von François Marty. Paris: PUF, 1986, S. 234). 3) Die deutsche Sprache benutzt als Äquivalent für perspicientia/Einsicht den Begriff Durchschauung/durchschauen = ›sehen durch‹, ›eine deutliche, durchdringende, also enthüllende Sicht haben, z. B. auf etwas, das normalerweise verdeckt ist‹; oder ›sich eine Sache klarmachen‹, ›Klarheit haben‹. Für durchschauen gibt es auch die Äquivalente durchsehen, durchblicken, durchlesen. 4) Dementsprechend könnten wir vielleicht im Portugiesischen Einsicht/einsehen mit ›ver com perspicácia‹ (›mit Scharfblick sehen‹), ›ter uma visão penetrante ou perspicaz‹ (›einen durchdringenden oder scharfen Blick haben‹) oder mit ›evidência‹ (›Evidenz‹) wiedergeben. Vielleicht könnte man ›perspiciência‹ o leitor vir a oferecer sua própria contribuição a respeito. Para tanto convém ler a resposta de Kant, neste Prefácio, à crítica de que ele pretendesse introduzir ›uma nova linguagem‹ na Moral (cf. KpV A 19 s.).“

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aber auch als terminus technicus einführen, um damit eine Form von rationaler Erkenntnis auszudrücken. Wir könnten uns auf den Vorschlag von Kants lateinischem Übersetzer, Born, berufen, der in seiner Übersetzung der Kritik der praktischen Vernunft für Einsicht den lateinischen Ausdruck ›perspicientia‹ und für einsehen das Verb ›perspicere‹ benutzte, wie z. B. in folgender Passage: Nun est [sic!] aber alle menschliche Einsicht zu Ende (KpV A 81; [KpV, AA 05: 46]): Atque omnis humana perspicientia haeret [vgl. IMMANUELIS KANTII. Critica rationis practicae. Trad. lat. Fredericus Gottlob Born. Lipsiae: Engelhard Benjamin Schwickerti, MDCCLXXXXVII, S. 39]). Ich habe zugegebenermaßen einige Bedenken hinsichtlich der Aufnahme fremder Termini in den allgemeinen Sprachgebrauch, es geschieht jedoch in der Hoffnung, den Leser zu bewegen, zu diesem Punkt seinen eigenen Beitrag zu leisten. Hierzu sei auf Kants in diesem Vorwort formulierte eigene Antwort auf die Kritik verwiesen, er beabsichtige, eine ›neue Sprache‹ in die Moral einzuführen (vgl. KpV, A 19 f.; AA 05: 10–11). Im Folgenden nun mein eigener Kommentar zu den in dieser Fußnote enthaltenen Anmerkungen des Übersetzers: 1. Der erste Abschnitt handelt nicht von Kants Gebrauch des Begriffs einsehen, sondern nur von zwei Bedeutungen der lateinischen Substantive per­ spicientia (›conhecimento completo‹/›vollständige Erkenntnis‹) und perspicuitas (›clareza‹/›Klarheit‹). Das (bei Plautus verortete) Verb perspicere, die einzige Form, die im kantischen Text grammatisch dem Verb einsehen entspricht, wird nur erwähnt, bleibt aber unübersetzt, einfach weil es im Portugiesischen, anders als im Deutschen, ein ihm genau entsprechendes Verb nicht gibt (was ja gerade der Anlass für Rohdens Fußnote ist). Aber auch die Übersetzungen von perspicientia und perspicuitas durch ›conhecimento completo‹ bzw. ›clareza‹ tragen nicht viel zur Klärung des Problems bei, da die dem deutschen Begriff Einsicht entsprechenden portugiesischen Begriffe entweder, als nomen rei actae (›conhecimento completo‹), das Resultat eines Erkenntnisaktes oder, als nomen qualitatis (›clareza‹), eine bestimmte Qualität des Erkenntnissubjekts oder -objekts bezeichnen; im Unterschied dazu ist das deutsche Nomen Einsicht sowohl nomen rei actae als auch nomen actionis, d. h. es kann sowohl das Resultat als auch den Prozess von Erkenntnis bezeichnen. 2. Im zweiten Abschnitt dasselbe Problem: Ungeachtet der zahlreichen von Kant selbst angegebenen möglichen Äquivalenzen zwischen Einsicht und den entsprechenden lateinischen Begriffen wird auch hier den fundamentalen semantischen Unterschieden zwischen diesen (sowie ihren jeweils verschiedenen grammatischen Funktionen) von Rohden keine Beachtung geschenkt: Sowohl prudência (›Klugheit‹) und sabedoria (›Weisheit‹) als auch scientia und perspicientia beziehen sich als nomina qualitatis auf eine Qualität des Agenten einer Handlung und nicht auf eine Form der Handlung selbst, während perceptio, cognitio,

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intellectio und comprehensio als nomina actionis genau dies tun. Da der deutsche Begriff Einsicht (ebenso wie das substantivierte Verb Einsehen) sowohl den resultativen als auch den prozessualen Aspekt in sich vereint, lässt sich seine konkrete Bedeutung, d. h. sein adäquater Gebrauch in einem bestimmten Kontext, nur mit Bezug auf eben diesen speziellen Kontext definieren. Man kann deshalb sagen, dass letztlich alle der von Kant selbst in Erwägung gezogenen und hier zitierten Übersetzungsoptionen im Prinzip möglich sind – allerdings eben nur innerhalb des ihnen jeweils zugehörigen semantischen Kontexts. 3. Zu den Ausführungen im dritten Abschnitt ist zunächst vor allem anzumerken, dass zwischen Einsicht und Durchschauung, anders als behauptet, keine Äquivalenz besteht; erstens, weil, im Unterschied zum Verb durchschauen, das Substantiv Durchschauung sich zwar morphologisch bilden lässt, jedoch als solches im Grunde gar nicht existiert oder im Deutschen zumindest völlig ungebräuchlich ist;7 und zweitens, weil, selbst wenn eine solche Äquivalenz bestünde, nicht klar wäre, welche Bedeutung von durchschauen, oder besser: welche Gebrauchsweise dieses Verbs genau als Grundlage für die Bildung des Substantivs Durchschauung zu gelten und, mehr noch, auf welche seiner verschiedenen semantischen Komponenten der Begriff Einsicht sich letztlich genau zu beziehen hätte. Als besonders problematisch erweist sich die Frage der Äquivalenz darüberhinaus aber auch hinsichtlich der Tatsache, dass es sich im Fall von durchschauen nicht nur um ein, sondern um zwei grammatisch unterschiedliche Verben mit ganz verschiedenen Bedeutungen handelt, nämlich einmal um ›durchschauen‹ (mit den konjugierten Formen ›ich schaue durch‹, ›du schaust durch‹ usw.) und ein andermal um ›durchschauen‹ (mit den konjugierten Formen ›ich durchschaue‹, ›du durchschaust‹ usw.). Wenn es also auch nicht falsch ist zu sagen, dass es ›im Deutschen […] noch die Äquivalente durchsehen, durchblicken, durchlesen gibt‹, so gibt es diese Äquivalente doch nur für durchschauen im Sinn von ›durchschauen‹, aber nicht von ›durchschauen‹. Denn in jenem ersten Sinn hat durchschauen (ebenso wie ›durchsehen‹, ›durchblicken‹ und ›durchlesen‹) überhaupt nichts mit den übrigen im ersten Teil des Abschnitts angegebenen Äquivalenzen zu tun (›ver através de‹ [›sehen durch‹], ›ter uma visão perspicaz, penetrante‹ [›eine deutliche, durchdringende Sicht haben‹] usw.), sondern bedeutet etwas völlig Anderes, nämlich ›lesen‹, ›sehen‹, ›durchsehen‹ oder ›überprüfen‹ (z. B. einen Text, ein Dokument, eine Bilanz oder Ähnliches). Zwar gibt es zugegebenermaßen einige ganz wenige 7

Es trifft zwar zu, dass dieser Begriff – wie auch von Rohden in einem früheren Kommentar zum Thema ausdrücklich erwähnt – im o. g. Lateinisch-deutschen Wörterbuch von K.E. Georges (Bd. 2: 1644) erscheint, und zwar als wörtliche Übersetzung des lateinischen perspicientia; doch zeigt die Tatsache, dass diesem Begriff noch eigens eine Erklärung seiner Bedeutung (»die in etwas erlangte vollständige Einsicht«) hinzugefügt werden musste, dass auch für diesen Autor Durchschauung wohl kaum dem allgemeinsprachlichen deutschen Wortschatz zugerechnet werden kann.

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Fälle, in denen tatsächlich auch der Begriff einsehen im Sinne von ›sehen‹, ›lesen‹ oder ›prüfen‹ gebraucht werden kann (z. B. ›eine Arbeit einsehen‹ [›ler um trabalho‹] oder ›Akten einsehen‹ [›examinar atas‹]), aber ganz offensichtlich ist es nicht dieser Typ von Handlung, den Kant im Sinn hat, wenn er das Verb einsehen verwendet. 4. Und auch im vierten Abschnitt der Rohdenschen Erläuterungen ist es wieder die konsequente Nichtbeachtung der semantischen Mehrdeutigkeit von Einsicht/ einsehen, weshalb die dort vorgeschlagenen Lösungen nicht überzeugen können: Einsehen durch ›ver com perspicácia‹ (›mit Scharfblick sehen‹) oder ›ter uma visão penetrante ou perspicaz‹ (›einen durchdringenden oder scharfen Blick haben‹) zu übersetzen, würde ein weiteres Mal bedeuten, sich lediglich auf einen semantischen Aspekt des Begriffs zu beschränken, und zwar ausgerechnet auf den, der, zumindest was die hier in Frage stehende Textpassage betrifft, gerade nicht der von Kant intendierten Bedeutung entspricht, nach welcher Einsehen, wie gesagt, als Ausdruck einer Handlung und nicht als Resultat einer Handlung oder als eine bestimmte Qualität des Handelnden verstanden werden muss. 8 – Auch was den abschließenden Kommentar zu der lateinischen Übersetzung von Friedrich Born betrifft, lässt sich noch Folgendes kritisch anmerken: Da Born, wie bekannt, mit seiner Übersetzung der Texte Kants vor allem die Absicht verfolgte, auch dem mit der deutschen Sprache nicht vertrauten Publikum einen Zugang zur kantischen Philosophie zu ermöglichen (ohne sich dabei im Einzelnen um die Klärung semantischer Feinheiten zu bemühen oder seine eigenen Übersetzungsprinzipien kritisch zu hinterfragen), bediente er sich schlicht und einfach jener Form des klassisch-scholastischen Lateins, wie sie innerhalb der Gelehrtenschaft seiner Zeit üblich und zur Norm geworden war; was konkret heißt, dass er bei seinen Übersetzungen des Deutschen ins Lateinische durchweg auf ein traditionell vorgegebenes (Latein-) Vokabular zurückgriff, dessen Verankerung in festgeschriebenen semantischen Konventionen grundsätzlich nicht in Frage stand. – Was die hier diskutierte spezielle Frage einer vollständigen Äquivalenz zwischen den lateinischen Begriffen perspicientia und perspicere und den deutschen Einsicht und einsehen anbelangt, so ist natürlich unstrittig, was bereits oben im Hinblick 8

Auch wenn zugestanden werden kann, dass die erste der vorgeschlagenen Varianten – ›ver com perspicácia‹ (›mit Scharfblick sehen‹) – der Bedeutung des deutschen Verbs einsehen semantisch näherkommt als ›ter uma visão perspicaz‹ (›einen scharfen Blick haben‹), bleibt auch diese recht problematisch, da sie ja letztlich eher eine Umschreibung dessen darstellt, was der deutsche Ausdruck bedeuten soll, als dessen begriffliches portugiesisches Pendant. (Durch eine ›Ersetzungsprobe‹ lässt sich leicht belegen, dass eine derartige Form der ›Aufnahme des Begriffs ins Portugiesische‹ in der Praxis kaum funktioniert, wie das folgende Beispiel zeigt: ›Die Wirklichkeit des Moralgesetzes können wir nicht erkennen, aber doch einsehen.‹: ›A realidade da lei moral não podemos conhecer, mas apenas ver com perspicácia.‹ (›Die Wirklichkeit des Moralgesetzes können wir nicht erkennen, aber doch ›mit Scharfblick sehen.‹)

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auf Kants eigene (von Rohden im zweiten Abschnitt seiner Fußnote erwähnte) sprachlich-semantische Anmerkungen gesagt wurde, dass nämlich die von Born vorgeschlagenen Übersetzungen trotz allem durchaus als angemessen gelten können – aber eben, wie schon betont, nur wenn sie strikt kohärent zu ihrem je besonderen semantischen Kontext gebraucht werden. Die Frage ist natürlich, ob ein solch kohärenter Gebrauch tatsächlich immer möglich ist oder ob wir unter Umständen auch damit rechnen müssen, dass es bestimmte semantische Kontexte gibt, die sich gegen den Gebrauch eines bestimmten Begriffs sperren oder ihn schlichtweg nicht zulassen. In diesem Fall käme man offensichtlich wohl nicht umhin, die semantische Perpektive Borns und sogar die von Kant in irgendeiner Form zu erweitern und – noch vor jeder Diskussion über mögliche Äquivalenzen zwischen dem Deutschen und dem Portugiesischen – zu fragen, ob nicht, über den unbestreitbaren Einfluss der lateinischen Tradition auf die semantische Genese der Philosophiesprache Deutsch hinaus, auch noch andere historische und/oder linguistische Faktoren in Betracht zu ziehen sind, die zur Konstituierung und Konsolidiering der spezifischen Bedeutung seiner Begriffe beigetragen haben. Gerade im speziellen Fall von Einsicht und einsehen scheint es gute Gründe zu geben, sich eben nicht nur auf die Rekonstruktion der klassischen Tradition zu beschränken, sondern auch die Literatur späterer Epochen und, wichtiger noch, Kants eigene Begriffskreationen in die Untersuchung der Quellen einzubeziehen.9 In diesem Sinne kann es auch nicht verwundern, dass sich in vielen Standardwörterbüchern des Deutschen unter dem Stichwort Einsicht/einsehen nicht nur Hinweise auf die Geschichte des Gebrauchs dieser Begriffe finden, sondern dass darin auch ausdrücklich die Rolle des ›Sprachschöpfers‹ Kant und seine herausragende Rolle für die Entwicklung der deutschen Sprache speziell in den damaligen ›Humaniora‹ hervorgehoben wird.10 Es muss nicht nochmals betont werden, dass eine solche – historische und systematische – Erweiterung der semantischen Perspektive die Forschungsergebnisse zum Einfluss der klassischen  9 Unter

›Kreationen‹ verstehe ich nicht nur bestimmte, durchaus auch im kantischen Werk anzutreffende Neologismen oder neue Fachausdrücke, sondern vor allem jene Explikationen und Spezifizierungen von Begriffen, sogar von Begriffen der Tradition, durch die ihr veränderter (erweiterter oder reduzierter) Gebrauch im Rahmen des –›neuen‹ – kritischtranszendentalen Denkmodells erklärt und verständlich gemacht werden soll und die zum großen Teil ohne Zweifel wesentlich mehr darstellen als bloße ›Übertragungen‹ oder ›Präzisierungen‹ bestimmter vorgegebener Termini. 10 Vgl. z. B. Hermann Paul: Deutsches Wörterbuch (Halle/Saale 1961), der den Begriff einsehen folgendermaßen erläutert: »Ursprünglich im Sinne religiösen Erkennens (so schon bei den Mystikern des 14. Jahrhunderts), dann durch die Pietisten, Kant und Goethe eingebürgert (vgl. H. Sperber, Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 8, 506).« Und zum Begriff Einsicht heißt es: »[…] seit den Anfängen des 18. Jahrhunderts nachweisbar, zunächst pietistisch ›Erkenntnis religiöser Wahrheiten‹, dann seit Kant und Goethe in der heutigen Bedeutung.«

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Autoren auf die kantische Terminologie nicht überflüssig macht; doch scheint es eben nicht weniger wichtig, diese Terminologie auch im Licht jener anderen Tradi­tionslinien zu betrachten, die, auch wenn sie keinen direkten Einfluss auf Kants Denken selbst gehabt haben müssen, doch wohl ihre Spuren im Prozess der Suche und Findung einer möglichst angemessenen Form, diesem Denken Ausdruck zu verleihen, hinterlassen haben. III.

Um aber nochmals auf die Frage der Übersetzung der Begriffe einsehen und Einsicht ins Portugiesische zurückzukommen, sei noch bemerkt, dass die verschiedenen in der hier kommentierten Anmerkung von Valerio Rohden diskutierten Übersetzungsoptionen bei weitem nicht die einzigen Alternativen darstellen. So finden sich in den verschiedenen brasilianischen und portugiesischen Übersetzungen von Kants Werken unter anderem auch die folgenden Varianten: ›compreender‹/›compreensão‹ (bei Artur Morão, Tania Bernkopf und Manuela dos Santos/Alexandre Morujão), ›discernir‹/›discernimento‹ (bei Santos/Morujão), ›ver‹ und ›aperceber‹ (bei Paulo Quintela), ›intelecção‹ (bei José Heck) oder ›descortinar‹ und ›entrever‹/›introvisão‹ (in anderen Publikationen von Rohden selbst) – aber welche dieser Übersetzungen können nun als angemessen gelten, welche sind problematisch und welche einfach falsch? Nach allem bisher Gesagten lässt sich zunächst summarisch noch einmal festhalten, dass einsehen (a) als verbum actionis immer eine Handlung, häufig (und manchmal gleich­ zeitig) auch das Resultat einer Handlung, niemals aber irgendeine Qualität, weder des Subjekts noch des Objekts dieser Handlung, ausdrückt; (b) sowohl im wörtlichen (konkreten) als auch in einem figurativen (abstrakten) Sinne verstanden werden kann; (c) in den Texten Kants ausschließlich im abstrakten Sinne verwendet wird, und zwar um eine bestimmte Form der Urteilsaktivität (des Erkenntnissubjekts, der Vernunft etc.) auszudrücken, womit ihm eine strikt kognitive Funktion zukommt. Da Kant aber, wie es scheint, zumindest in einigen Fällen offenbar tatsächlich Gründe hatte, das Verb einsehen von anderen, ebenfalls bestimmte Formen des kognitiven Zugangs bezeichnenden Verben (wie z. B. verstehen, begreifen, erkennen) zu unterscheiden, scheint es sinnvoll, zunächst einen Blick auf das semantische Feld11 dieses Verbs zu werfen, um die genaue Position, die es innerhalb 11

Unter ›semantischem Feld‹ verstehe ich in der Tradition von Jost Trier (Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes. Heidelberg 1973) und anderen Vertretern der neueren Linguistik (Ullmann, Coseriu, Geckeler) die Menge von Beziehungen zwischen lingu-

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dieses Feldes einnimmt, sowie seine Beziehung und seine möglichen Überschneidungen mit anderen sinnverwandten Ausdrücken näher bestimmen zu können. Nach dem Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm lässt sich das Bedeutungsspektrum von einsehen in die folgenden vier Aspekte oder Segmente unterteilen: 1. hineinsehen (inspicere) 2. einblicken (introspicere) 3. verstehen, begreifen (perspicere, intellegere) 4. Fehler wahrnehmen (animadvertere, attendere) Was den Gebrauch dieses Begriffes bei Kant betrifft, so ist es, wie man sieht, vor allem der dritte Aspekt, dem hier besondere Bedeutung zukommt, der erste und zweite dagegen nur, wenn man von seiner ›originären‹, d. h. konkreten Bedeutung (›ins Innere einer Sache sehen‹) abstrahiert, was dann allerdings zu einer partiellen Fusion mit verstehen oder begreifen führen würde; der vierte Aspekt kann hier unbeachtet bleiben. Wenn wir dieses Schema noch vervollständigen und und hierzu die in verschiedenen anderen Wörterbüchern12 angegebenen Hauptvarianten mitberücksichtigen wollen, ergibt sich das folgende erweiterte Feld: EINSEHEN: 1. hineinschauen in, überblicken olhar para dentro, abranger com avista 2. lesen, zur Kenntnis nehmen, einblicken ler, tomar conhecimento, examinar

istischen Einheiten, die sich sowohl auf syntagmatischer Ebene (d. h. als lineare Beziehung zwischen Morphemen, Morphemgruppen und syntaktischen Elementen innerhalb eines Satzes) als auch auf paradigmatischer Ebene (d. h. als strukturell variable Beziehung zwischen diesen syntagmatisch geordneten Elementen und anderen linguistischen Äußerungen zugehörigen Elementen) finden lässt und deren Analyse und genaue Klassifizierung im Prinzip die systematische Bestimmung der unterschiedlichen Formen und Erscheinungsweisen morphosyntaktischer Beziehungen zwischen allen Elementen einer Sprache und damit auch eine genaue Bestimmung ihrer möglichen semantischen Funktionen erlauben. 12 Es wurden unter anderen folgende Wörterbücher konsultiert: Sprach-Brockhaus (Wiesbaden 1979), DUDEN: Das Herkunftswörterbuch (Mannheim 2006); Wahrig: Deutsches Wörterbuch ([o. O.] 1980); Paul: Deutsches Wörterbuch (Halle 1961); Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache (Berlin/New York 2002); Langenscheidt: Taschenwörterbuch Portugiesisch: Portugiesisch-Deutsch/Deutsch-Portugiesisch (Berlin 2001); EDITORA Dicionários: Dicionário de Português-Alemão/Wörterbuch Portugiesisch-Deutsch (Porto 2006); PONS Standardwörterbuch Portugiesisch: Portugiesisch-Deutsch/Deutsch-Portugiesisch (Stuttgart 1982).

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3. begreifen   verstehen    sich klar werden    ein Einsehen haben   merken   sehen    sich bewusst werden    sich gesagt sein lassen    sich zu Herzen nehmen    Verständnis aufbringen

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compreender, entender entender, compreender, perceber, [saber] compreender reconhecer notar, perceber, sentir ver ter a consciência de ficar sabendo afligir-se com compreender

Wie im vorigen Schema sind es auch in diesem nur die in der dritten Gruppe angeführten Bedeutungen, die unter unserem Gesichtspunkt einer möglichen Äquivalenz zwischen den verschiedenen Begriffen wichtig sind. – Was bei dieser Gruppe unmittelbar auffällt, ist nicht nur die große Anzahl möglicher Synonyme (soll heißen: möglicher Kontexte, in denen diese Begriffe als Äquivalente zu einsehen gebraucht werden können), sondern auch, dass diese ›Synonyme‹ zumindest in einigen Fällen (wie z. B. bei begreifen und verstehen) exakt das bedeuten können, wovon einsehen sich unterscheiden sollte – was sich ganz ähnlich auch für das Verhältnis zwischen den portugiesischen Begriffen zeigen lässt, von denen ebenfalls einige mit ihren jeweiligen Alternativbegriffen verschmelzen können. Da allerdings die semantischen Felder von Begriffen (Wörtern, Ausdrücken etc.) in jeder Sprache generell nicht nur einen spezifischen Umfang, sondern auch eine ganz spezifische Strukturierung und Segmentierung aufweisen, ist eine solche Korrespondenz niemals – auch nicht in diesem Fall – völlig kongruent, sondern immer disproportional und fragmentarisch, d. h. immer nur partiell. Das zeigt sich am deutlichsten am Beispiel von compreender, das infolge seiner semantischen Affinität vor allem zu entender, aber auch zu perceber, ohne Probleme einen Großteil der konstitutiven Elemente des semantischen Feldes von einsehen abdecken kann, während auf der andern Seite nicht alle übrigen hier angeführten deutschen Begriffe, trotz ihrer unbestreitbaren Äquivalenz zum Begriff einsehen, gleichfalls der Gesamtheit der Segmente des semantischen Feldes von compreender entsprechen müssen, was sie tatsächlich auch nicht tun. Oder konkreter: In allen Kontexten, die den Gebrauch der Verben einsehen, begreifen, verstehen, sich klarwerden oder Verständnis aufbringen erlauben, ist es möglich, sie in ihrem jeweiligen portugiesischen Kontext durch das Verb ›compreender‹ zu ersetzen, während zum Beispiel das Verb merken, das ein anderes Segment des semantischen Feldes von einsehen abdeckt, sich eben nicht ohne Probleme in jedem portugiesischen Kontext durch das Verb ›compreender‹ ersetzen lässt, dafür aber durch andere, wie z. B. die Verben ›notar‹ oder ›sentir‹.

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In einer genaueren Analyse ließe sich zeigen, wie die partiellen Beziehungen und Korrespondenzen zwischen den verschiedenen potenziell äquivalenten Elementen auf dem gesamten semantischen Feld, dem sie angehören, verteilt sind. Davon ausgehend wäre es möglich, eine Liste mit allen relevanten (deutschen und portugiesischen) Begriffen nach ihren jeweiligen semantischen Überschneidungen, d. h. nach dem jeweiligen Grad der Übereinstimmung der von ihnen jeweils besetzten semantischen Segmente, zusammenzustellen; was dann schließlich sowohl die genaue Bestimmung ihrer Eignung, d. h. die mögliche Anwendbarkeit jedes einzelnen Begriffs in der Gesamtheit seiner möglichen Kontexte erlauben würde, so wie auch umgekehrt eine genauere Markierung derjenigen Kontexte, in denen die Verwendung eines bestimmten Begriffs ›sinnvoll‹ wäre, das heißt, in denen dieser sich auf die adäquateste Weise mit den übrigen innerhalb eines gegebenen Textes verwendeten Begriffen verbinden ließe. Im Falle des Begriffs einsehen würde eine solche Analyse – die aus Platzgründen hier nicht durchgeführt werden kann – mit Sicherheit bestätigen, was im Grunde schon aus dem obigen Schema deutlich hervorgeht: dass nämlich ein Großteil seines (deutschen) semantischen Feldes durch die portugiesischen Begriffe ›compreender‹, ›entender‹ und ›perceber‹ abgedeckt ist, oder in anderen Worten, dass in vielen deutschen Kontexten, in denen der Begriff einsehen gebraucht wird (der seinerseits zum Teil mit begreifen und verstehen verschmilzt), die portugiesischen Begriffe ›compreender‹, ›entender‹ und ›perceber‹ als semantisch äquivalent angesehen und somit als legitime Übersetzungsoptionen gelten können. Dies wird auch durch die Tatsache bestätigt, dass es sowohl in dem semantischen Feld von begreifen: 1. (be)greifen, betasten, befühlen 2. ergreifen 3. umfassen, in sich enthalten = einbegreifen 4. »mit dem Verstande umfassen«: verstehen als auch in dem von verstehen: 1. »sinnlich« (richtig) erfassen 2. »geistig« erfassen 3. sich auf etwas verstehen 4. sich mit jmd. verstehen

agarrar, pegar, apalpar apanhar, agarrar, pegar, prender conter, incluir compreender, perceber, entender

perceber (corretamente) pelos sentidos perceber (intelectualmente): entender, compreender entender de alguma coisa dar-se bem com alg., entender-se com alg.

genau diese drei portugiesischen Begriffe (›compreender‹, ›entender‹ und ›perceber‹) sind, welche die – einzig möglichen! – Äquivalente zu den deutschen Be-

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griffen begreifen und verstehen darstellen (die, noch einmal, ihrerseits wesentliche Segmente des semantischen Felds von einsehen besetzen). Es kann deshalb auch nicht überraschen, dass auch im umgekehrten Fall, nämlich der vom Portugiesischen ausgehenden Suche nach den entsprechenden Äquivalenzbegriffen im Deutschen, die semantische Konstellation zwischen diesen gleich bleibt: COMPREENDER: enthalten, (um)fassen, einsehen, verstehen ENTENDER: verstehen, erkennen, einsehen, glauben, meinen, begreifen PERCEBER: wahrnehmen, bemerken, hören, verstehen, erkennen IV.

Aber was bedeutet das alles für das Problem der Übersetzung des Begriffs einsehen bei Kant und die hierzu angeführten historisch-philologischen Anmerkungen? Lässt sich das Problem durch die bloße Lokalisierung und die mehr oder weniger genaue Abgrenzung der verschiedenen Segmente des semantischen Feldes eines Begriffs lösen? – Nun, zum Teil durchaus, und zwar aus folgenden Gründen: In der großen Mehrheit der Fälle, in denen Kant sich des Verbs einsehen bedient, handelt es sich offensichtlich nicht um einen ›problematischen‹ Gebrauch desselben, da dieser Begriff dort in der Regel in sprachlich und semantisch eher ›trivialen‹ Kontexten angesiedelt ist, die ohne Weiteres auch die Wahl alternativer Begriffe, das heißt: die Ersetzung von einsehen durch begreifen, verstehen oder eine der anderen dem einschlägigen semantischen Kontext zugehörigen Varianten erlauben würden. In diesen Fällen benutzt Kant den deutschen Wortschatz sozusagen als gewöhnliches Mitglied der (deutschen) Sprachgemeinschaft seiner Zeit und weniger in seiner besonderen Eigenschaft als Transzendentalphilosoph. Es handelt sich dabei also eher um ein rhetorisch-stilistisches als um ein genuin philosophisches Problem. Für die Übersetzung würde dies analog bedeuten, dass man sich auch bei der Übertragung eines Kant-Textes, z. B. ins Portugiesische, zunächst und zuallererst um die sprachlich-stilistische Kohärenz des übersetzten Textes zu kümmern hätte und nicht so sehr um eine breite lexikalische Analyse dessen, was ein bestimmter Begriff ›überhaupt‹ bedeutet oder in anderen – möglicherweise ›nicht-trivialen‹ – Kontexten vielleicht bedeuten könnte. Nicht-trivial sind nach meinem Verständnis vor allem diejenigen Kontexte, in denen Kant aus philosophisch-systematischen Gründen die Unterscheidung eines bestimmten Begriffs von anderen semantisch affinen Begriffen für angebracht oder sogar für notwendig hält, um diesem Begriff innerhalb des durch sein eigenes semantisches Feld begrenzten Bedeutungsspektrums eine neue, alternative Bedeutung zu geben, die auf ein bestimmtes, ebenfalls neues, gedankliches Ele-

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ment (eine Operation, eine Denkfigur, eine systematische Konstellation) referiert, deren spezifische Qualität sich nicht (oder nur partiell) an einer der übrigen das vorgegebene semantische Feld konstituierenden Komponenten festmachen lässt. Im Fall von einsehen heißt dies, dass dessen Kontext in all denjenigen Fällen zu einem ›nicht-trivialen‹ wird, in denen Kant es für notwendig hält, den spezifischen Charakter eines Urteils- bzw. Rezeptionstyps hervorzuheben, der sich qualitativ sowohl von jeglicher Form einer ›bloß sinnlichen Verortung‹ von etwas als auch von dessen im strengen Sinne ›rein intellektueller Verarbeitung‹ unterscheidet – ohne sich dabei allerdings vollständig von jenen beiden konstitutiven Momenten einer solchen Bewusstseinsaktivität zu entfernen, die sich semantisch sowohl in dem Begriff einsehen bzw. hinein-sehen (›inspicere‹) als auch in dem Begriff begreifen (›intellegere‹) widerspiegeln. Das zentrale philosophische Problem bei allen Versuchen, den Begriff einsehen in einem solch ›nicht-trivialen‹ Sinn möglichst angemessen zu beschreiben und zu bestimmen, besteht, wie nicht zuletzt auch Kants eigene, in der Anmerkung von Rohden zitierte Beispiele zeigen, in der durch den strikt apriorischen Charakter der transzendentalen Erkenntnisbegründung bedingten systematischen Notwendigkeit, die Vorherrschaft der Vernunft als ›reine Selbsttätigkeit‹ gegenüber den anderen Erkenntniskräften deutlich zu machen und zu verteidigen: eine Vorherrschaft, die, weil sie sich nicht objektiv in der Sphäre der sinnlichen Erfahrung manifestiert, auch nicht durch den Verstand erkannt werden kann, die aber nichtsdestoweniger doch als etwas gedacht werden muss, das in gewisser Weise ›existiert‹, das heißt als Gegenstand eines notwendigen ›Wissens‹, das, auch wenn es nicht das Resultat von ›Erkenntnis‹ im strengen (d. h. eingeschränkten) Sinne sein kann, doch von der Vernunft selbst muss eingesehen oder verstanden werden können. Dieser philosophisch komplexe Horizont einer systematischen Erörterung der Vernunft, »so wie [sie] an sich selbst beschaffen sein mag« und wie sie verfährt bei der Markierung ihrer »Gebiete« und »Grenzen«13 , bringt es mit sich, dass auch die Form dieser Erörterung problematisch werden kann; und in unserem Fall, wie man sieht, so problematisch, dass sogar die Diskussion eines einzigen Begriffs letztlich offen bleiben muss – offen zumindest in dem Sinne, dass für einsehen einen einzigen äquivalenten Begriff, d. h. einen in jedem beliebigen Kontext äquivalenten Begriff zu finden, auch weiterhin unmöglich bleiben wird.

13

Vgl. zu diesen Begriffen u. a. GMS, AA 04: 452; KU, AA 05: 174 f.

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What’s in a Word? ‘Right’ or ‘Justice’ in Kant’s Rechtslehre Jeffrey Edwards

This chapter considers the conceptual basis of the two complete English versions of Kant’s Rechtslehre that are now generally available in print: Metaphysical First Principles of the Doctrine of Right, as translated by Mary Gregor for Cambridge University Press; and Metaphysical Elements of Justice, as translated by John Ladd for Hackett Publishing Company.1 The striking differences between the titles that Gregor and Ladd respectively assign to Kant’s Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre are not merely cosmetic. For those differences forcibly call attention to a significant and perplexing issue, especially for the Anglophone interpreter of Kant’s moral philosophy: Should the Rechtslehre be regarded primarily as providing a foundational theory of justice? Or is it a metaphysical doctrine that ought to be distinguished from such a theory, even if it incorporates the key elements of a comprehensive account of justice? Obviously, these are substantive questions that go far beyond any issue of stylistic choice on the part of the Gregor and Ladd – or indeed of any other translator. 2 Nonetheless, they indicate the type of issue that I shall address in the 1

Gregor’s version of the Rechtslehre (first published in 1993) is included in her translation of Kant’s Metaphysik der Sitten for the Cambridge Edition of Kant’s Works in English; cf. Metaphysics of Morals. In: Kant: Practical Philosophy. Trans. and ed. by Mary J. Gregor. Cambridge 1996. 353 f. (A more recent single-volume edition of Gregor’s translation is also currently available: Kant: The Metaphysics of Morals. Ed. by Lara Denis and trans. by Mary Gregor. Cambridge 2017.) The bibliographic data for Ladd’s translation are as follows: Kant: Metaphysical Elements of Justice, Part I of the Metaphysics of Morals. Second ed. Trans., with introduction and notes by John Ladd. Indianapolis/Cambridge 1999. 2 In addition to Gregor’s and Ladd’s versions of the RL, there have been two other complete English translations of the text: (1) the anonymous translation (by John Richardson) that features in Kant: The Metaphysics of Morals, divided into Metaphysical Elements of Law and of Ethics. Vol. 1. London 1799; and (2) Kant: The Philosophy of Law, an Exposition of the Fundamental Principles of Jurisprudence as the Science of Right. Trans. by William Hastie. Edinburgh 1887. As these early editions reflect Anglophone Kant scholarship still in its state of infancy, I will not comment on them specifically in the course of this chapter. [For readers with special antiquarian interests, however, both editions may be accessed online using the following links: https://books.google.com/books?id=gKgCEaLU0p4C&pg=PR42 &dq; https://oll.libertyfund.org/titles/kant-the-philosophy-of-law.]

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course of this chapter by pursuing a key problem of translation that pertains to Kant’s concept of Recht. Even if no philosophically substantive issue can be dealt with in this way alone, we should ultimately be in a position to ensure that no problem of translation linked to Kant’s concept presents an obstacle to determining whether the RL furnishes a theory of justice, or not. I.

Important developments in political philosophy since the 1970s tend to buttress the view that Kant’s metaphysical project in the RL can be understood, without all that much further ado, in terms of a theory of justice. For various aspects of Kant’s accounts of private and public right (or alternatively: public and private justice3) correlate nicely with central concerns of John Rawls’ major work, A Theory of Justice. And given Rawls’ own stated affinity with Kantian moral philosophy, it may seem to be a foregone conclusion that the Anglophone reader should approach the RL from the theoretical perspective offered by the different versions of this work, or by related works in the same contemporary vein. 4 This type of interpretive approach, however, raises a variety of highly problematic linguistic and conceptual issues. First, even if we accept that what Kant offers in the first main part of the MS should be characterized as an account of the elements of a theory of justice, it seems that any strict interpretation of the RL from this point of view should be able to rely on some ground-level identity of the concepts of right (Recht) and justice. Yet if such an identity actually obtained, we would immediately be faced with some very odd consequences as soon as the towering work of classic Anglophone legal and political philosophy is brought into Nor will I consider here the partial English translations of the RL that can be found in various collections of Kant’s writings; cf., e. g., Kant’s Political Writings. Ed. by Hans Reiss and trans. by H. B. Nisbet. Cambridge 1991. 131–175. Kant: Toward Perpetual Peace and Other Writings on Politics, Peace, and History. Ed. by Pauline Kleingeld and trans. by David L. Colclasure. New Haven/London 2006. 110 f. 3 Cf. Ladd’s introduction to Kant: Metaphysical Elements of Justice [note 1] xx–xxiii. 4 Cf. (1) John Rawls: A Theory of Justice. Cambridge, MA 1971. 11 f., 251–257; (2) John Rawls: Kantian Constructivism in Moral Theory. In: id.: Collected Papers. Ed. by Samuel Freeman. Cambridge, MA 1999. 303–358; and (3) John Rawls: Justice as Fairness. A Restatement. Cambridge, MA 2001. 81 f. To my knowledge, the most thorough and highly nuanced discussion of the relationship between Rawls’ Theory of justice and Kant’s RL is provided by Paul Guyer; cf. his Principles of Justice, Primary Goods and Categories of Right, Rawls and Kant. In: Kantian Review 23 (2018). 581–613. For criticism of Rawlsian constructivism in the theory of justice, cf. Gerald A. Cohen: Rescuing Justice and Equality. Cambridge, MA 2008. 274–343; and id.: The Currency of Egalitarian Justice and Other Essays in Political Philosophy. Princeton 2011. 236–254.

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What’s in a Word?

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the picture. For we would have to be able to interpret Thomas Hobbes’ “naturall Right of every man to every thing”5 as something like ‘natural justice for everyone in all things’. Obviously, no one with the least familiarity with Hobbes’ account of natural law or natural right would be inclined to make this sort of mistake. Still, the mere fact that the meanings of right and justice can diverge so radically serves to indicate that one should pay very close attention to the conceptual issues raised by the English linguistic option of rendering Recht with ‘justice’ when dealing with Kant. Second, this option gives rise to further complications when the demands of English translation are linked to the general jurisprudential backdrop to Kant’s RL. It is important to note that ‘right’ (as distinguished from ‘a right’ or ‘rights’) is not, generally speaking, a pivotal term in the legal and moral vocabulary of the English-speaking world when it is employed as a substantive word, and not adjectivally (as in ‘right action’, for example). This circumstance differs quite markedly from what has occurred in the corresponding vocabularies that have been deve­ loped for bodies of jurisprudence centrally informed by the categories of Roman law, i. e., Ius Romanum. In German and French, for instance, das Recht or le droit can typically be employed in exactly the same ways as the Latin ius. In English, however, we are usually constrained to translate the words just mentioned either as ‘justice’ or as ‘law’ if we are to conform to standard legal usage as well as common parlance. To be sure, it is nowadays established practice – above all for translations of Rousseau, Kant, and Hegel – to render those non-English words as ‘right’.6 Yet this is to employ the latter as essentially a term of art. Moreover, we are often not clear – at least not to begin with – about what ‘right’ actually means when we come across this term in translations, even when we know that it cannot, in a given instance, designate the same thing as either ‘justice’ or ‘law’.7 5

Thomas Hobbes: Leviathan. 3 vols. Ed. by Noel Malcolm. Oxford 2012. CE, 02: 198.29. [Citation of Hobbes’ Leviathan is keyed to the volume, page, and line numbers of this threevolume work, as published in the Clarendon Edition (= CE) of Hobbes’ works.] 6 Cf., e. g., Jean-Jacques Rousseau: On the Social Contract, or Principles of Political Right. In: The Collected Writings of Rousseau. Volume 4. Ed. by Roger D. Masters/Christopher Kelly. Trans. by Judith R. Bush/Roger D. Masters/Christopher Kelly. Hanover, NH 1994. 127 f.; Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Hegel’s Philosophy of Right. Trans. by T. M. Knox. Oxford 1942; Hegel: Elements of the Philosophy of Right. Ed. by Allen Wood and trans. by Hugh B. Nisbet. Cambridge 1991. 7 The following passage from Max Radin’s account of the basic concepts of Roman law is of some interest in this frame of reference: “To the Roman, the idea of ius was of something that belonged to him. Ius was perhaps a manner of acting rather than a concrete thing, but he spoke of it very concretely. It was something he could get, something he was inclined to take. In an unfortunate moment he gathered up the sum of his iura, his rightful ways of acting, and called the total ius also, and so bequeathed to the modern Civil law, the distressing and confusing terminology that has compelled a discrimination between subjective and objective Recht, droit, diritto, and occasioned a literally interminable controversy on the validity of the

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It is worth noting in this connection that Anglophone interpreters of texts incorporating key categories of Roman law (or more technically, using the relevant term of art: Roman right) have been in very good historical company, inasmuch as the semantic situation just described was quite comparable for scholars working in Greek. In classical as well as post-classical Greek there is plenty of room for dealing directly with justice (δικαιοσύνη) and with law (νόμος). Yet there is no single word that can be used in the same way, or ways, as ius is employed in Latin. Accordingly, the Greek commentators on the major codifying compilation of Roman-law texts – the Justinian Corpus iuris civilis – faced a range of linguistic and conceptual difficulties similar to what we face when coming to grips with works composed in the particular national traditions of philosophy of law (i. e., Rechts­ philosophie, la philosophie du droit, filosofia del diritto, etc.) seminally influenced by Roman-law principles. The following passages from William Whewell’s 1862 lectures on the history of moral philosophy provide an exceptionally lucid, and remarkably useful, account of the shared difficulties just mentioned. The relevant lines merit extended quotation, especially because they were composed well before the aforementioned employment of ‘right’ as a term of art came to be generally acceptable for translating purposes: The mark of the difference of the Grecian and the Roman habit of thought on such [legal] matters, is the word Jus in the Latin language, to which we have no corresponding word in Greek. The Greeks, for instance, could express the jus gentium only as νόμος κοινός, or in some similar way; but a Latin writer would never have said lex gentium in such a sense. […] And a little attention will soon enable us to see what is the relation of these two notions. Jus is the foundation of Lex: right is the foundation of law; and especially to those Roman habits of thought of which I have spoken, which repudiated the belief that law was something accidental and arbitrary. […] In Latin, German and French, the same word which expresses the Rights, the Attributes of Persons, expresses also the body of true Doctrines which relate to those rights. Thus the body of rules of natural justice which embrace all mankind, which is called Jus Gentium in Latin, we cannot in English call the Right of Nations; we are compelled to call it the Law of Na­ discrimination. We may be sure the Roman intended no such portentuous result, but simply meant to make clear that for him ius in the broadest sense was a means of helping him to his iura. The most primitive means of doing so was to help himself. But it is likely that the generalized sense of ius did not arise until an aggrieved party was induced or required to accept the help of some communal authority.” Max Radin: Fundamental Concepts of Roman Law. In: California Law Review 12 (1924). 393–410. 401. Whatever may have been the historical origin of ius in its broadest sense, the terminological distinction here thematized is likely to be distressing only to those who remain obstinately unwilling to entertain the thought that ‘right’ can be used to signify something more than merely a means of helping a concretely thinking gatherer of rights to help himself to his iura.

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tions; and thus, to leave it doubtful whether or not we speak of such Law as only arbitrary and conventional. And in like manner we are destitute of a term for the Doctrine of Rights in general, although we shall find it vain to attempt to frame a coherent system of morals, without drawing an accurate distinction between the doctrine of Rights and the doctrine of Moral Rectitude [italics mine (J. E.)]. Some English writers have used the term Jurisprudence as equivalent with the Latin Jus, the German Recht, the French Droit: while others have spoken of this province as Legislation. The latter writers have gone back to that resource to which the Greeks were driven by the deficiency in their language. For the Roman Jurists are, in the Greek of Justinian, called νομοθετήσαντες. And Theophilus, one of the framers of the Pandects, cannot describe the objects of Doctrinal Jus any other wise than by calling them that on which νομοθεσία is employed. The defect of this nomenclature has already been stated. It leaves room to the assumption, utterly fatal to the cultivation of the Doctrine of Rights [italics mine (J. E.)], that the legislation of which we speak may depend only upon the will of the legislator, or the arbitrary conventions of those whom the laws affect. 8

One may, of course, wish to challenge this estimation of the normative defectiveness of the Greek language, which according to Whewell stems chiefly from the fact that it is limited to the use of nomothetic terms when treating the range of specifically juridical concepts available to the Latin speaker. But that is not the primary item of interest for our purposes. Instead, we should take special note of the following components of Whewell’s presentation: He explicitly excludes the permissibility of using ‘right of’ when rendering an expression like ius gen­ tium with reference to a doctrinal body or set of rules. Accordingly, while fully recognizing what is at issue in the employment of ius, Whewell himself insists on using ‘Doctrine of Rights’ (note well the plural) when referring to ‘the objects of Doctrinal Jus’, i. e., when referring to the normative basis of law and lawgiving. Now the fact that Whewell, writing as late as the 1860s, clearly resisted the use of expressions like ‘right of nations’ and, indeed, ‘doctrine of right’ leads to an obvious question: How did this semantically curious situation – i. e., the situation in which modern English is placed in the same corner of (purported) juridical-linguistic deficiency as classical and Byzantine Greek – come about? Having posed this historiographic question, however, I shall have to set it aside in order to concentrate on what I take to be the crucial issue that has to be addressed when

8

William Whewell: Additional Lectures on the History of Moral Philosophy. Cambridge 1862. 64–66. Reprinted in: id.: Lectures on the History of Moral Philosophy in England and Additional Lectures on the History of Moral Philosophy. Bristol 1990.

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seeking to determine whether or not Kant’s RL should be interpreted as furnishing a foundational doctrine of justice.9 II.

To bring this conceptual issue into sharper focus, let us consider the primary definition of justice that informs the Corpus iuris civilis already mentioned. I refer here to the Ulpianic definition given in the first sentence of the first book of Justinian’s Institutiones/Institutes: Iustitia est constans et perpetua voluntas ius suum cuique tribuens (I.I).10

Two things are especially noteworthy when this formulation is regarded from the point of view afforded by the thematic concerns of this chapter. First, the formal definition of justice here at issue would be essentially uninformative (even if, perhaps, not quite a tautology) if the concept of justice were to have the same features as the concept of right.11 Second, English translations of the Institutiones published during the past several centuries have typically not captured a – and arguably the – crucial aspect of the Justinian definition, namely, the Ulpianic notion that justice is to be understood in terms of the will’s assignment, allocation, bestowal or giving of right.12 In other words, the idea of a (or the) right-giving will  9

The historiographic question here posed calls mainly for the explanation of why the key categories of the Corpus iuris never came to have the signal import for Common Law court practices and jurisprudence that they had on the European continent or in Scotland. For relevant discussion, cf. John Hamilton Barker: An Introduction to English Legal History. 4th edition. Oxford 2002. 12–29; Raoul Charles van Caenegem: The Birth of English Common Law. Cambridge 1988. 85–110; René David et al.: Les grands systèmes de droit contemporains. 12th edition. Paris 2016. 247–256; S. F. C. [Francis Charles] Milsom: Historical Foundations of Common Law. 2nd edition. London 2014. 1–5, 37–44, 119–124, 149–151, 262–265; Peter Stein: Roman Law in European History. Cambridge 1999. 71–103; Ralph V. Turner: Roman Law in England Before the Time of Bracton. In: Journal of British Studies 15 (1975). 1–25. 10 Justinian’s Institutes, With the Latin Text of Paul Krueger. Trans. by Peter Birks/Grant McCleod. London 1987. I. This formulation has its primary legal source in Ulpian’s “Iustitia est perpetua et constans voluntas ius suum cuique tribuendi” (preserved in Digesta 1.1.10 pr.). 11 I here side-step the question of whether the definition in fact does amount to an empty formula in this regard, or at least that it does not offer a specification of what justice is beyond the classic ‘rendering to each his due’ [cf., e. g., the references to Plato’s Politeia (Rep.) given below in note 16]. For discussion, cf. Giuseppe Falcone: Ius suum cuique tribuere. In: Studi in onore di Remo Martini. Vol. 1. Università di Siena 2008. 971–1061. 971–976. Wolfgang Waldstein: Ist das suum cuique eine Leerformel? In: Studia et documenta historiae et iuris 61 (1995). 179–215. 12 This understanding implicitly raises the question of how the Ulpianic definition of justice relates to the emergence of the idea of the will in western philosophic thought (especially

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has been papered over in translations which define justice as, e. g., “the wish to render everyone his due”13 [italics mine (J. E.)] or “the determination to acknowledge all men’s rights”14 . Translations like these have thus obscured the essential point of the foundational characterization of justice as the unremitting volitional source, capacity, power, faculty or function by which right is given to each. And by obscuring this point, such renderings have tended to deflect our attention away from a further crucial question: Assuming that the Ulpianic or Justinian definition of justice is (or can be made to be) informative,15 what exactly is the ‘right’ (ius) that is given by the constant and perpetual will in terms of which justice is to be understood?16 An adequate response to this last query, needless to say, would have to take full account of an exceedingly complex story in which specifications of ‘right’ offered during the past millennium and a half have tended to diverge proportionally to the number of schools of legal and philosophical commentary on the relevant source texts.17 As this goes well beyond what can be accomplished in an articlein relation to Augustine). While this is the topic of a different kind of investigation than the present one, I should at least point out in passing that the major account of this developmental context published in recent years (cf. Michael Frede’s excellent monograph: A Free Will, Origins of the Notion in Ancient Thought. Berkeley/Los Angeles/London 2011) makes no mention the concept of will employed in the Ulpianic definition. 13 The Institutes of Justinian. Ed. and trans. by Thomas Collett Sanders. Philadelphia 1912. 5. Cf., e. g., The Institutes of Justinian. Trans. by John Thomas Abdy/Bryan Walker. Cambridge 1876. 1. 14 Justinian’s Institutes. Translated by Birks and McCleod. 37 [note 10]. Cf., e. g., The Institutes of Justinian. Trans. by John Baron Moyle. 2nd ed. Oxford 1889. 3. 15 Cf. note 11. 16 The account of justice in terms of a wish or disposition to give each their proper due may lend itself quite nicely to integration with interpretations of justice drawn from classical Greek virtue ethics (cf., e. g., Plato: Rep. 331e–332c, 432a–d, 441c–e, 442d–443b; Aristotle: EN 1130a–1131a; Chrysippus: Stoicorum veterum fragmenta. Vol. 3. Ed. by Hans von Arnim. Stuttgart 1903. 65; Cicero: De inventione II.160; De officiis I.15, I.20–21; Cicero: De republica III.24; Cicero: De legibus I.18; Marcus Aurelius: Meditationes IV.10). Yet one may also want to ask whether any specifically juridical theory (i. e., any theory of ‘right’) determinatively influenced by Roman law has been centrally concerned with this sort of interpretation since the Romans first willed to apply the laws of Rome in their characteristically expansive manner – that is, ever since they came to have the will to give right to anybody, and indeed to everybody, who happened to stand or lie down in their path. For brief considerations that bear upon this question, cf. Herbert F. Jolowicz/Barry Nicholas: Historical Introduction to the Study of Roman Law. 3rd ed.. Cambridge 1972. 102–107. 17 For an exceptionally thorough treatment of the classic source texts underlying this development, cf. Falcone: Ius suum cuique tribuere [cf. note 11]. For a treatment of sources fundamental to the modern understanding of right and rights, cf. Hugo Grotius: De jure belli ac pacis, libri tres (1631 [2nd ed.]). I.III.3–14 [cited by book, chapter, and section numbers]. A modern edition of the 1738 English translation of this work (Hugo Grotius: The Rights of War and Peace. Ed. by Richard Tuck. Indianapolis 2005) can be accessed online [https://

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length set of remarks concerned with problems of translation that apply to particular modern languages, it will be necessary to frame the issue in very general terms, on the one hand, but also specifically in view of the definition of ‘right’ that informs Kant’s RL, on the other. It is in view of this practical task that I will make the following assumptions, which I take to be historically supportable, even if not fully supported in the present context: (1) In the tradition of juridical-philosophic thought most directly relevant to our understanding of the RL, the will’s right-giving function should be understood primarily with reference to the requirement to bring about and maintain a condition in which each is given what is properly one’s own.18 (2) The establishment of such a condition can be conceptualized in terms of the unitary will to constitute a civil condition in which human actions can conform to the laws governing ownership relations and, more generally, contractually incurred relations of obligation between persons, whatever the particular status (i. e., the value, worth or dignity) of any given person may be with respect to human freedom and servitude (i. e., with respect to the legally specified forms and degrees of bondage or slavery).19 oll.libertyfund.org/titles/grotius-the-rights-of-war-and-peace-2005-ed-3-vols]. Tuck’s edition includes Jean Barbeyrac’s extraordinarily valuable annotations and commentary on Grotius and, more generally, on theories of natural law and natural right. 18 As Hobbes writes in the dedicatory letter of De cive: “[…] cùm cogitationes meas ad inquisitionem iustitiae naturalis conuertissem, admonitus sum ab ipsa iustitiae appellatione, qua constans voluntas unicuique Ius suum tribuendi significatur, quaerendum prius esse, unde esset quod quis rem aliquam suam potius quam alienam esse diceret; quod cum non à natura, sed à consensu hominum profectum constaret (Nam quae natura in medium protulit, homines postea distribuerunt) ducebar inde ad quaestionem aliam, nimirum cui bono, & qua necessitati coacti, cùm omnia essent omnium, voluerint potius sua cuique esse propria.” (Thomas Hobbes: De Cive, The Latin Version. Ed. by Howard Warrender. Oxford 1983. 75) It is well worth noting here that the historically most impactful English translation of De cive (i. e., Charles Cotton’s 1651 version) obscures the Ulpianic source of Hobbes’s question concerning the concept of natural justice: “[…] when I applyed my Thoughts to the Investigation of Naturall Justice, I was presently advertised from the very word Justice, (which signifies a steady Will of giving every one his Owne) that my first enquiry was to be, from whence it proceeded, that any man should call any thing rather his Owne then another mans.” (Hobbes: De Cive, The English Version. Ed. by Howard Warrender. Oxford 1983. 26 f.) 19 Cf., e. g., Iustiniani Institutiones I.III; Grotius: De jure belli et pacis. I.I.3–9; Hobbes: Leviathan. CE 2: 198.1–218.12, 2: 244.1–322.5. Samuel von Pufendorf: De jure naturae et gentium in libri octo (1684 [2nd ed.]). I.VII.6–12, III.II.8, VII.I–III, VIII.IV. [cited by book, chapter, and – where relevant – section numbers]. While modern (17 th and 18th century) theorists of natural right often expressed significant qualms about the rectitude of slavery, this was hardly something new. For the tension between the practice of human enslavement and meaning of ius was recognized by the Roman jurists and made a codified feature of ius per­ sonarum (cf. Iustiniani Institutiones I.III.1–2). Regarding this particular feature, Buckland writes: “The Institutes tell us that all men are either slaves or free, and both liberty and slavery are defined by Justinian in terms borrowed from Florentinus. ‘Libertas’, he tells us, ‘est

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Kant’s account of private and public law (Privatrecht/öffentliches Recht) generally accords with this conception of established (or establishable) right, as is implicit in his basic definition of Recht as the sum of the conditions (Bedingungen) under which the power of choice of one can be united with the power of choice of another in accordance with a universal law of freedom (RL, AA 06: 230.24–26). The crucial difference between Kant’s view of right (i. e., ius20) and the corresponding views of most all of his major modern predecessors is its essential connection with the idea of universal law as a law of freedom. 21 This is, of course, the idea of ‘law’ that Kant has above all from Rousseau’s juridical account of moral and political autonomy. 22 It is thus the idea which precludes that any person subject to law – i. e., any agent with the nature-given capacity to act on maxims that can qualify for universal lawgiving – can be unfree. 23 And it is in keeping with his basic definitional account of right and his conception of universal law qua law of freedom that Kant develops a systematic theory of juridical laws and duties in which various concepts of justice (protective, commutative, distributive, and penal) play significant roles, above all when Kant lays out the terms of the transition between the conditions (Zustände) of private and public right. 24 naturalis facultas eius quod cuique facere libri nisi si quid vi aut iure prohibetur.’ No one has defined liberty well: of this definition, which, literally understood, would make everyone free, the only thing to be said at present for our purpose is that it assumes a state of liberty to be ‘natural.’ […]‘Servitus’, he says, ‘est constitutio iuris gentium qua quis dominio alieno contra naturam subicitur.’ […] Slavery is the only case in which, in the extant sources of Roman law, a conflict is declared to exist between the Ius Gentium and the Ius Naturale. It is of course inconsistent with that universal equality of man which Roman speculations on the Law of Nature assume, and we are repeatedly told that it is a part of the Ius Gentium, since it originates in war.” William Warwick Buckland: Roman Law of Slavery. The Condition of the Slave in Private Law from Augustus to Justinian. Cambridge 1908. 1. 20 Cf. RL, AA 06: 228.5 f., AA 06: 388.32–389.6. For treatments of Kant’s doctrine of right in relation to modern theories of natural right, cf. B. Sharon Byrd/Joachim Hruschka: Kant’s Doctrine of Right. A Commentary. Cambridge 2010. 1 f.; Gerald Hartung: Die Naturrechtsdebatte. Geschichte der Obligatio vom 17. bis 20. Jahrhundert. Freiburg/München 1999. 11–205. 21 For Hobbes, of course, the idea of a law of freedom amounts to a contradiction in terms [on which, cf. below]. And while Locke holds that the end of law “is not to abolish or restrain, but to preserve and enlarge Freedom” (John Locke: Two Treatises of Government. Ed. by Peter Laslett. Cambridge 1967. 306), this is not the same as holding that a universal law is a law of freedom. 22 Cf. Jean-Jacques Rousseau: Œuvres complètes. Vol. 3. Ed. by Bernard Gagnebin/Marcel Raymond. Paris 1964. 360, 378 f.; cf. Kant: Bemerkungen zu den Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen. Ed. by Marie Rischmüller. Hamburg 1991. 29, 68, 70 f., 109, 119 f. 23 Cf. MS, AA 06: 213.37–214.22; Rousseau: O.c.3 [note 22] 3. 248 (cf. Kant: GMS, AA 04: 400.34–37, AA 04: 434.01–10). 24 Cf. RL, AA 06: 305.34–306.08. More on this point below.

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That said, however, our initial question remains as yet essentially unaddressed: Is it strictly speaking permissible to characterize the first main part of Kant’s account of the foundations of his doctrine of morals as a theory of justice? III.

Up to this juncture, I have mainly been concerned to sketch at least the outlines of a historically framed portrayal of the fundamental conceptual issues with which English translations of Kant’s RL are unavoidably confronted. I have used the problem of ‘theory of justice’ vs. ‘theory of right’ as our underlying point of reference, and I will continue to do this in the remaining sections of this chapter. But our focus must now shift away from constructing the general framework for dealing with those issues toward taking up the difficulties themselves as they emerge from Kant’s text. To get to this point, however, a bit more stage-setting work will still be useful. Thus, before turning to Kant, I will examine several passages selected from two classic texts of legal and political philosophy in order to illustrate the particular linguistic pitfalls as well as the conceptual traps involved in translating ius and related terms into English. First of all, let us consider several passages, taken from the concluding paragraphs of Cicero’s discussion of the principles of universal right (ius) and law in the first book of his De legibus, together with the corresponding translations provided by two widely available versions of this dialogue. The Latin lines quoted are taken from Clinton W. Keyes’ combined bilingual edition of Cicero’s De republica and De legibus, as published in the Loeb Classical Library (1928). The first English translation quoted (a) is that of Keyes. 25 The second (b) is taken from James Zetzel’s English edition of the Ciceronian dialogues just mentioned, which was published by Cambridge University Press in 1999. 26 I have inserted the squarebracketed Latin terms into the translations in order to facilitate comparison with Cicero’s text. […] et ius et omne honestum sua sponte esse expetendum; et enim omnes viri boni ipsam aequitatem et ius ipsum amant, […]; per se igitur ius est expetendum et colendum; quodsi ius, etiam iustitia; sin ea, reliquae quoque virtutes per se colendae sunt. […] ergo item iustitia nihil expetit praemii, nihil pretii; per se igitur expetitur. […] quodsi amicitia per se colenda est, societas quoque hominum et aequalitas et iustitia per se expectenda; quod ni ita est, omnino iustitia nulla 25 Cicero: De re publica/De legibus. With an English trans. by Clinton Walker Keyes. Cambridge, MA 1928. 26 Cicero: On the Commonwealth and On the Laws. Ed. and trans. by James G. Zetzel. Cambridge 1999.

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est; id enim iniustissimum ipsum est, iustitiae mercedem quaerere. (De legibus I.48–49; Keyes: 350, 352) a) Justice [ius] and all things honourable are to be sought for their own sake. And indeed all good men love fairness [aequitas] in itself and Justice [ius] in itself […]. Therefore Justice [ius] must be sought and cultivated for her own sake; and if this is true of Justice [ius], it is also true of equity [iustitia]; and if this is the case with equity, then all other virtues are also to be cherished for their own sake. […] Therefore equity [iustitia] also demands no reward or price; consequently it is sought for its own sake. […] If […] friendship is to be sought for its own sake, then the society of our fellow-men, fairness [aequalitas], and Justice [iustitia], are to be sought for their own sake. If this is not the case then there is no such thing as Justice [iustitia] at all, for the very height of injustice is to seek pay for Justice [iustitia]. (Keyes: 351, 353) b) […] justice [ius], like every honorable thing, is desirable on its own account. In fact all good men love equity [aequitas] and just behavior [ius] for themselves, […] and therefore what is just [ius] is to be sought and loved for itself. And if this is true of what is just [ius], then it is true of justice [iustitia]; and if justice, then all the other virtues are to be cultivated for themselves. […] And if friendship is to be cultivated for itself, then the fellowship of men, equality [aequalitas], and justice [ius] are desirable in themselves. And if that is not so, then there is no such thing as justice [ius] at all. For that is the most unjust thing of all, to seek a reward for justice [iustitia]. (Zetzel: 122 f.)

Regarding translation (a), one notes that the initial decision taken to render ius as ‘justice’ (line 1) is what leads to the conflation of ‘equity’ with iustitia (lines 3 and 4 f.), which in turn evidently licenses playing fast and loose with Cicero’s employment of aequitas, iustitia, and aequalitas – thus ultimately obscuring whatever senses may be attributed in English to the different notions of justice, equity, fair­ ness, and equality. 27 Translation (a) therefore makes a veritable dog’s breakfast of the line of argument that Cicero wants to pursue between, on the one hand, the 27

The notion of equity is, of course, a notoriously difficult one to pin down precisely because of the essential indeterminacy of what is equitable with respect to law and the fundamental principles of right or justice (cf., e. g., Aristotle: EN 1137b10–34). This is why Kant excludes it from his account of strict right and treats it under the heading of ius aequivocum (see RL, AA 06: 233.33–235.11).

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intrinsic value and choiceworthiness of ius (lines 1–2) and, on the other hand, justice as a virtue intimately linked to human sociability (societas) and equality (lines 6–7). In this latter respect, translation (b) is clearly far better than the venerable (and still highly influential) Keyes version. Nonetheless, Zetzel’s initial translation of ius as ‘justice’ goes hand in hand with its rather awkward subsequent renderings as ‘just behavior’ and as ‘what is just’ in lines 2–3, which in turn is required in order to deal with the distinction between ius and iustitia at issue in the second half of line 3. 28 To be sure, all this may seem to work well enough for practical purposes. But it does so only as long as we are willing to ignore the crucial philosophical task with which Cicero is concerned, i. e., his concern to follow an inferential line running from the intrinsic choiceworthiness of ius to the understanding of justice as an aretaic feature of the human being: Despite its superiority to the earlier Keyes version, Zetzel’s text also obscures the terminological and conceptual framework needed to make proper sense of this line of argument. 29 The second text that I will here draw upon is Hobbes’ Leviathan, in particular the following brief passage from the twenty-sixth chapter of this work, which I quote along with Hobbes’ own Latin translation: I find the word Lex Civilis and Jus Civile, that is to say, Law and Right Civil, promiscuously used for the same thing, even in the most learned authors, which nevertheless ought not to be so. For Right is Liberty, namely that liberty which the Civil Law leaves us. But Civil Law is an Obligation; and takes away from us the Liberty which the Law of Nature gave us. (CE, 02: 450.1–5) Invenio voces Legem Civilem, & Ius Civile à Scriptoribus promiscuè usurpatas esse; quod fieri non debet. Ius enim Libertas est, id est à legibus Civilibus exemptio. Contrà, Lex Civilis obligatio est, Libertatem à Natura datam tollens aut re­ stringens. (CE, 02: 451.1–4)

We should note well the striking mark of contrast between the Latin version’s general determination of liberty as freedom given by nature (libertas a natura data) and the English version’s additional specification that liberty is something given by “the Law of Nature” [italics mine, J. E.]. The implication, of course, is 28 As

a matter of translating policy, the expression ‘what is just’ is in any event best reserved for iustum. Such a policy, of course, presupposes that one can provide a coherent rendering of what ius is in English. And as we will see, this is best accomplished by the use of ‘right’, as distinguished from ‘justice’, when coming to grips with most all occurrences of ius (or Recht). 29 More generally, both versions tend to deflect from Cicero’s major thematic concern in the first book of De legibus, i. e., his endeavor to clarify the relationship between universal right (ius), law (lex), and right reason as a way of laying bare the normative basis for the account of justice as a human virtue (cf. De legibus I.17–19, 23, 25, 33, 42–44).

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that Hobbes’ English portrayal of the relationship between freedom and natural law sits very uneasily with the non-promiscuous interpretation of the relationship between law and right that is brought to bear in the first sentence of both the original passage and its corresponding Latin translation. For that portrayal seems entirely incompatible with Hobbes’ own basic understanding of right as the liberty to do or forbear, and law as that which binds us to the performance or omission of certain actions. 30 How, then, can any law give us the liberty, and thus the right, to do or to refrain from doing if law as such is what “determineth, and bindeth to one of them: so that Law, and Right differ as much, as Obligation, and Liberty; which in one and the same matter are inconsistent.”31 Of all major thinkers to have written in the English language, Thomas Hobbes is arguably the most exacting in his employment of juridical-philosophic terms that cut across the requirements of English usage, on the one hand, and the application of categories and principles deriving from Roman law, on the other. Clearly, though, the practice of rendering ius as ‘law’ (not to mention ‘justice’) had long been so deeply ingrained in standard English legal usage that even Hobbes was willing to bow to custom for the purposes of his “Politiques, in English”. 32 Yet as can be gathered from the Latin version of Leviathan, what could pass muster for an Anglophone reading public was evidently not admissible in a work prepared for a wider European republic of letters. IV.

As we will soon see, the task of making proper Anglophonic sense of Kant’s pro­ ject in the RL is in effect the reverse of the type of task facing Hobbes: Beginning with a work widely accessible to an international readership in virtue of terms and concepts deriving from a common jurisprudential tradition, the translator of Kant needs to make a central concept of this (non-shared or, at best, tangentially shared) tradition accessible to a linguistically narrower reading public. Moreover, this has to be accomplished by focusing on what has been, until quite recently, the historically inadmissible use of that tradition’s key juridical term. We can thus turn to the text of Kant’s RL with these tasks in view, bearing in mind as well that the philosophical problems of translation with which we will be dealing are neither unique to Kant nor, indeed, necessarily specific to modern moral philosophy. 30

Cf. Hobbes: Leviathan. CE, 02: 198.14–22, 199.9–15; cf. De cive II.1. Hobbes: Leviathan. CE, 02: 198.20–22. 32 The quoted phrase, which is the earliest known reference to Hobbes’s Leviathan, is taken from John Payne’s letter to Gilbert Sheldon, dated 13 [/23] May 1650. The relevant passage is quoted at the outset of the introductory volume to Noel Malcolm’s edition of the work (cf. Hobbes: Leviathan. CE, 1: 1 f.). 31

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For obvious reasons, it will not be feasible to provide here33 a comprehensively detailed comparative assessment of the Gregor and Ladd translations mentioned at the beginning of this chapter. Thus, it will be necessary to select a number of exemplary lines and passages that present us with translational issues like those we have encountered when discussing Cicero and Hobbes. The method of assessment, then, will be similar to the procedure already followed when examining the passages from De legibus and Leviathan. 34 And the ultimate goal will be to use the results of the comparative assessment to respond – definitively, if possible – to the underlying question guiding the flow of this chapter: Is it really proper to characterize Kant’s juridical-philosophic project in the RL as a theory of justice, given the prevalent understanding of such a theory in the context of contemporary political philosophy? Let us turn first of all to the opening sentence of Kant’s introduction to the RL: Der Inbegriff der Gesetze, für welche eine äußere Gesetzgebung möglich ist, heißt die Rechtslehre (Ius). (RL, AA 06: 229.05 f.) Gregor: The sum of those laws for which an external lawgiving is possible is called the Doctrine of Right (Ius). (Gregor: 386) Ladd: The essence of those laws for which an external legislation is possible is called justice (Ius). (Ladd: 28)

In stark contrast to Gregor, Ladd’s version of this pivotal sentence represents, in effect, a full-fledged attempt to discount whatever historically and conceptually relevant distinctions might be drawn between ius and iustitia. It should be noted that this interpretive effort is made possible by Ladd’s rendering of Inbegriff as ‘essence’. Unlike Gregor, who understands Inbegriff as signifying the aggregation or collection of particular laws of duty that can be thought to constitute a doctrinal body, Ladd construes Kant as defining justice itself in terms of the complex of essential properties that feature in its concept. As far as I can see, however, there is no justification whatsoever for the latter kind of construal. For Kant’s employment of Inbegriff in the sentence under consideration is entirely in keep33

Or elsewhere, for that matter: one’s time would be far better spent working out a completely new translation of Kant’s text, which in any event would take far less time to complete. 34 Translating philosophical texts is, both mentally and physically, back-breaking labor. And more often than not, even the fleeting inner satisfaction one may derive from contemplating the results of one’s efforts is apt to be an indication that there is a great deal more work to be done. Thus, I have very serious qualms about criticizing anyone’s published translations apart from my own. This is especially true of the fault-finding exercise I am about to engage in, especially since Ladd and Gregor are no longer here to defend their work. But there is nothing to do about that if this chapter is to be written.

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ing with the usual occurrences of this term that we encounter in many other published works and unpublished materials, including the manuscripts of Kant’s late philosophy composed in the same general time frame as the MS. 35 According to that standard employment, Inbegriff signifies a unifiable collection, or sum-total, whose principle of unification is furnished by some ground or condition of possibility – in the present instance (RL, AA 06: 229.05 f.) by the condition of possible external lawgiving. The next textual segment to consider is also taken from the introduction to the Rechtslehre. It contains Kant’s formulation of the universal principle of right: “Eine jede Handlung ist Recht, die oder nach deren Maxime die Freiheit der Willkür eines jeden mit jedermanns Freiheit nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann.” Wenn also meine Handlung, oder überhaupt mein Zustand mit der Freiheit von jedermann nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann, so thut der mir Unrecht, der mich daran hindert; […]. (RL, AA 06: 230.29–34) Gregor: “Any action is right if it can coexist with everyone’s freedom in accordance with a universal law, or if on its maxim the freedom of choice of each can coexist with everyone’s freedom in accordance with a universal law.” If then my action or my condition generally can coexist with the freedom of everyone in accordance with a universal law, whoever hinders me in it does me wrong; […]. (Gregor: 387) Ladd: “Every action is just [right 36] that in itself or in its maxim is such that the freedom of the will 37 of each can coexist together with the freedom of everyone in accordance with a universal law.” If, therefore, my action or my condition in general can coexist with the freedom of everyone in accordance with a universal 35

Cf., e. g. MSI, AA 02: 390.13–20, 408.27–32; Refl 5303, AA 18: 148.15–19; KrV A571/B 599–573/B 601; VAVT, AA 23: 400.15; RL, AA 06: 230.24–26; OP, AA 21: 78.23–27, 109.12– 17, 124.03–08; OP, AA 22: 396.24–397.03. Seung-Kee Lee: Art. Inbegriff. In: Kant-Lexikon. Ed. by Marcus Willaschek et altr. 3 vols. Vol.2. Berlin/Boston 2015. 1160 f. Cf. Baumgarten: Metaphysica §§40, 55. 36 Words and expressions in brackets in this quotation and the others in this section are provided by Ladd. 37 Ladd distinguishes between Willkür and Wille by using an upper-case ‘W’ when rendering the latter term. Gregor translates Willkür as ‘choice’. Both of these solutions can obscure the fact that a volitional power or faculty of selection on the basis of maxims (cf. MS, AA 06: 213.14–17, 226.04 f.), and thus not merely the act or activity of choosing, is built into Kant’s definition of juridically right action. As stylistically awkward as it sometimes may be, ‘power of choice’ is arguably almost always the appropriate choice when translating Willkür into English. For a frank confession concerning the consequences of not paying proper attention to this sort of issue, cf. Rawls: Justice as Fairness [note 4] 82.

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law, then anyone who hinders me in performing the action or in maintaining the condition does me an injustice […]. (Ladd: 30)

For our purposes, there are two points to underscore regarding this passage and its translations: (1) Ladd implicitly acknowledges that Kant’s definition of juridically right action cannot be rendered as ‘just’ action without further ado when he places ‘right’ in brackets as the appropriate alternative translation. He has good reason to offer this alternative since it may well not be initially obvious to the Anglophone reader why an action should be considered a just one simply because it satisfies the purely formal consistency condition that applies to the relationship between the freedom of everyone (i. e., universal freedom) and the freedom of the power of choice of each. 38 (2) Unrecht can generally be rendered either as ‘wrong’ or as ‘unjust’; and to do someone wrong (Gregor) is, non-technically speaking, to do someone an ‘injustice’ (Ladd). But in both the narrower systematic context of Kant’s juridical doctrine as well as the broader architectonic framework of his metaphysics of morals, ‘unjust’ and ‘injustice’ are arguably best reserved for the technical translation of occurrences of ungerecht and Ungerechtigkeit. 39 Moreover, ‘right’ vs. ‘wrong’ is the standard way of referring to the normative contrast that Kant has in mind when he uses recht to characterize any action that satisfies the volitional consistency condition in question and Unrecht (tun) to characterize the type of doing that fails to satisfy it. Why, then, should a translator make things more complicated than they need to be? The third passage selected for consideration is taken from Kant’s account of ambiguous right (ius aequivocum) in the appendix to the introduction of the RL: Der Sinnspruch (dictum) der Billigkeit ist nun zwar: „Das strengste Recht ist das größte Unrecht“ (summum ius summa iniuria); aber diesem Übel ist auf dem Wege Rechtens nicht abzuhelfen, ob es gleich eine Rechtsforderung betrifft, weil diese für das Gewissensgericht (forum poli) allein gehört, dagegen jede Frage Rechtens vor das bürgerliche Recht (forum soli) gezogen werden muß. (RL, AA 06: 235.06–11) Gregor: The motto (dictum) of equity is “The strictest right is the greatest wrong” (summum ius summa injuria). But this ill cannot be remedied by way of what is 38

In particular, this may not be obvious to the reader whose views on right action are informed, directly or indirectly, by two influential source texts of contemporary ethical theory: George Edward Moore: Principia Ethica. Ed. by Thomas Baldwin. Cambridge 1993. 33 f., 69–71, 195–200; William David Ross: The Right and the Good. Ed. by Philip Stratton-Lake. Oxford 2002. 1–47, 155–173. 39 Cf., e. g., MS, AA 06: 224.7–8; RL, AA 06: 312.23, 349.15; 454.11; TL, AA 06: 423.22, 454.11.

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laid down as right, even though it concerns a claim to a right; for this claim belongs only to the court of conscience (forum poli) whereas every question of what is laid down as right must be brought before civil right (forum soli). (Gregor: 391) Ladd: Indeed, the motto (dictum) of equity is: “The strictest right is the greatest injustice” (summum ius summa iniuria); but for this evil there is no remedy in the proceedings of justice and right, even though a claim of justice is involved. For the claim belongs only to the court of conscience (forum poli), while every question of actual Law must be taken before a civil court (forum soli). (Ladd: 35)

Comparing Gregor and Ladd, one notices how straightforward the task of translating is when ‘right’ is employed for the technical rendering of Recht, Rechtsfor­ derung, and rechtens. Equally, one can take note of several rather puzzling issues that arise when this policy is not followed: How is it possible to claim that the strictest right is the greatest injustice if, in the systematic context of a theory of strict right (cf. RL, AA 06: 232.11–33), a claim of justice is involved in the proceedings of ‘justice and right’ (Ladd, lines 2–3)? And how do these proceedings relate to questions of ‘actual Law’ that must be brought before the forum of civil right (Ladd, lines 3–4)? The following exemplifying passage reproduces the final paragraph of the introduction to the RL, as found immediately after Kant’s division of his theory of morals as a system of duties in general. Die oberste Eintheilung des Naturrechts kann nicht (wie bisweilen geschieht) die in das natürliche und gesellschaftliche, sondern muß die ins natürliche und bür­ gerliche Recht sein: deren das erstere das Privatrecht, das zweite das ö ­ ffentliche Recht genannt wird. Denn dem Naturzustande ist nicht der gesellschaftliche, sondern der bürgerliche entgegengesetzt: weil es in jenem zwar gar wohl Gesellschaft geben kann, aber nur keine bürgerliche (durch öffentliche Gesetze das Mein und Dein sichernde), daher das Recht in dem ersteren das Privatrecht heißt. (RL, AA 06: 242.12–19) Gregor: The highest division of natural right cannot be the division (sometimes made) into natural and social right; it must instead be the division into natural and civil right, the former of which is called private right and the latter public right. For a state of nature is not opposed to a social but to a civil condition, since there can certainly be society in a state of nature, but no civil society (which secures what is mine or yours by public laws). This is why right in a state of nature is called private right. (Gregor: 242)

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Ladd: The supreme division of Natural Justice [or Law] cannot be into natural and social justice [or Law] (as it is sometimes thought to be), but must be into Natural Justice [Law] and civil Justice [Law]. The first of these is called private Justice [Law]; and the second, public Justice [Law]. For the condition of the state of nature is not opposed and contrasted with the social condition but with the civil condition. For within a state of nature there can indeed be society, but not a civil society (that guarantees Mine and Yours through public Law). Therefore justice [or Law] in the state of nature is called private Justice [or Law].

Once again, we see how efficient (not to mention elegant) the use of ‘right’ is when compared with the corresponding use of ‘justice’. Indeed, the fact that Ladd appeals to ‘Law’ after each occurrence of ‘Justice’ comes close to being a self-explanatory indication of why one should not attempt to gloss the concept of natural right in terms of natural justice. Moreover, it is worth noting that ‘private justice’ (cf. Ladd, lines 3 and 6) is typically used in ordinary English when referring to acts of personal vengeance or, at best, the kind of justice meted out in a ‘kangaroo court’. Thus, given this linguistic background, the non-specialized reader may at first be somewhat bewildered by the idea that what is secured as mine and yours 40 through ‘public Law’ (Ladd, lines 6–7) is the same as what only civil society guarantees if there can also be an opposed and contrasting social condition that represents a state of nature in which justice (or, equivalently, law) is private. To be sure, all this becomes clear enough upon reflection. But Kant’s thinking is already clear to begin with if we follow Gregor in applying ‘right’ to all instances of Recht (or -recht) Our final representative text is taken from the opening paragraph of RL § 41, where Kant undertakes to work out the transition from his theory of private right (Privatrecht) to his theory of public right (öffentliches Recht): (H) Der rechtliche Zustand ist dasjenige Verhältniß der Menschen unter einander, welches die Bedingungen enthält, unter denen allein jeder seines Rechts theilhaftig werden kann, und das formale Princip der Möglichkeit desselben, nach der Idee eines allgemein gesetzgebenden Willens betrachtet, heißt die öffentliche Gerechtigkeit, welche in Beziehung entweder auf die Möglichkeit, oder Wirklichkeit, oder Nothwendigkeit des Besitzes der Gegenstände (als der Materie der Willkür) nach Gesetzen in die beschützende (iustitia tutatrix), die wechsel­ seitig erwerbende (iustitia commutativa) und die austheilende Gerechtigkeit (iusti­ tia distributiva) eingetheilt werden kann. (RL, AA 06: 305.34–306.8)

40 Or

perhaps better (as a technical expression with a long history of association with meum et tuum): ‘mine and thine’.

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Gregor: A rightful condition is that relation of human beings among one another that contains the conditions under which alone everyone is able to enjoy his rights, and the formal condition under which this is possible in accordance with the idea of a will giving laws for everyone is called public justice. With reference to either the possibility or the actuality or the necessity of possession of objects (the matter of choice) in accordance with laws, public justice can be divided into protective justice (iustitia tutatrix), justice in acquiring from one another (iustitia commutativa), and distributive justice (iustitia distributiva). (Gregor: 450) Ladd: A juridical state of affairs is a relationship among human beings that involves the conditions under which alone everyone is able to enjoy his right. The formal principle of the possibility of this state of affairs, regarded as the Idea of a general legislative Will, is called public legal justice. Public legal justice can be divided into three parts as it relates to the possibility, actuality, and necessity of the possession of objects in accordance with laws. (These objects are the content [matter] of the will.) These three parts are protective, reciprocally acquisitive, and distributive legal justice, respectively (iustitia tutatrix, iustitia commutativa, iustitia distributiva). (Ladd: 113)

In view of our discussion thus far, it is striking how the terminological difficulties that beset the attempt to interpret the RL as a whole on the basis of a general concept of justice (cf. again RL, AA 06: 229.05–06 and Ladd’s corresponding translation) are difficulties that largely disappear when Kant actually comes to lay out the key components of a theory of justice in the second half of the passage. But before turning to these components, a comment on the concept of public justice treated in the first half is here in order: It is certainly not the case (as Ladd in effect maintains: lines 2–3) that the formal principle of the juridical condition41 is called ‘public justice’ insofar as it is regarded as the idea of a general legislative will. Nor is it even the case (as Gregor explicitly maintains: lines 2–3) that public justice is the formal condition under which a rightful condition is possible in accordance with the idea of a will giving laws for everyone. Instead, according to Kant, what is called public justice is just the formal principle of the possibility of the juridical condition, 42 i. e., the formal principle of juridical possibility that is 41 While both ‘rightful condition’ (Gregor, line 1) and ‘juridical state of affairs’ are quite acceptable renderings of Kant’s rechtlicher Zustand, ‘juridical condition’ might be thought preferable to either in view of Kant’s employment of status iuridicus in related writings from the 1790s (cf. RGV, AA 06: 97.29; ZeF, AA 08: 383.13; TP, AA 08: 292.33). I will therefore use the English expression just mentioned when commenting on Kant’s conception of the ‘condition’ (Zustand) that contains the ‘conditions’ (Bedingungen) under which alone each (jeder) ‘can come to share in’ (theilhaftig werden kann) his ‘right’ (Recht). 42 That is, the formal principle of the possibility of the rightful state of affairs involving

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thought to accord with the idea of a universally lawgiving will. In other words, Kant holds that public justice is itself the formal principle of possibility that applies to the state of affairs involving the conditions under which each can share in, or partake of, one’s right in accordance with the idea of such a will. 43 Needless to say, this basic account of public justice may well give rise to a variety of interpretive options (not to mention disputes concerning its intelligibility as it stands). But it is hardly the translator’s role to eliminate such options by means of a textual interpretation that circumvents a sentence’s crucial point. And in the present case, it seems that this point must be the following one if we are to take Kant according to his own words: What is called public justice – that is, justice as it is thought to accord with the idea of a universally lawgiving will – is a formal principle of possibility pertaining to the juridical condition. As can be gathered from the second half of the passage quoted, this formal principle suffices for the specification of the forms of public justice (protective, commutative, and distributive) in view of the modalities of lawful possession. And as Kant shows in the (unquoted) ensuing lines of RL § 41 (cf. RL, AA 06: 306.08–35), this specification furnishes the systematic platform for understanding the ‘civil condition’ (status civilis) as ‘the state of society subject to distributive jus­ tice’ (RL, AA 06: 306.20–22). It is with reference to this idea of the civil condition that Kant goes on, in the first paragraph of RL § 42, to formulate his ‘postulate of public right’ (RL, AA 06: 307.8 f.) in terms of the prescription to enter into a universal condition of distributive justice – a prescription that in turn derives analytically from the exeundum requirement of juridical-practical reason contained in the concept of right as it applies to external relations between persons. 44

the conditions under which each can participate in his right. 43 Regarding the notion of ‘participation in right’ involved in Kant’s description of the juridical condition, my implicit divergence from both Gregor (line 2) and Ladd (line 2) stems from the following consideration: One may well be able to enjoy the particular right or rights that one can have in such a condition. But coming to be able to enjoy a right or rights is not the same thing as coming to be able to share in, or partake of, the will-given right (ius) that one can come to have in accordance with the idea of a universally lawgiving will. (On the idea of will-given right here at issue, cf. the respective passages in this chapter.) Obviously, Gregor and Ladd use ‘enjoy’ loosely in this connection. Nonetheless, loose formulations can sink philosophical ships of state if one isn’t careful. 44 “Aus dem Privatrecht im natürlichen Zustande geht nun das Postulat des öffentlichen Rechts hervor: du sollst im Verhältnisse eines unvermeidlichen Nebeneinanderseins mit allen anderen aus jenem heraus in einen rechtlichen Zustand, d. i. den einer austheilenden Gerechtigkeit übergehen. – Der Grund davon läßt sich analytisch aus dem Begriffe des Rechts im äußeren Verhältniß im Gegensatz der Gewalt (violentia) entwickeln.” (RL, AA 06: 307.08–13; cf. RGV, AA 06: 97.25–38).

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V.

So where exactly do these last considerations leave us with respect to the guidepost question of our inquiry: Should we, or should we not, affirm that Kant’s RL furnishes a theory of justice? As we have just seen, Kant’s theory of public right is built on the supposition that the civil condition is the state of society subject to distributive justice. Thus, insofar as his account of public right itself builds on the a priori laws of duty established in the systematic context of private right, there is a clear sense in which the RL as a whole can be characterized as furnishing a theory of justice. Indeed, it can be, and should be, characterized as furnishing a foundational theory of distributive justice. 45 That said, however, the specific meaning of this kind of characterization of the RL must be completely obscured if the concept of right that actually lies at the basis of Kant’s juridical doctrine is conflated with that of justice. The metaphysical first principles established in this doctrine provide for an account of a society subject to distributive justice based on a universal prescription of practical reason that derives analytically from the concept of right. Kant’s account of those first principles also incorporates concepts that furnish elements of a comprehensive theory of justice, namely, a theory that would explicate in adequate systematic detail the principles of protective, commutative, distributive, and penal justice. Yet Kant’s foundational juridical doctrine does not provide the elements for such a theory of justice based on the specification of a self-grounding (or else ungrounded) concept of justice. It would never have occurred to Kant to attempt this, any more than Ulpian would have thought it informative to define justice in terms of will-given justice. So much, then, for the main problem addressed by our guiding question. But I have also posed this question in view of how theories of justice are typically understood in the context of contemporary political philosophy. Thus, we must ask what conditions must be satisfied if a contemporary theory of justice is to merit 45

Kant holds that the basic laws of private right are precepts of practical reason that ought to be obeyed by everyone in accordance with the rational idea of a state of nature, which is why ‘right in a state of nature is called private right’ (RL, AA 06: 242.19). Because the laws of private right (i. e., the laws governing this juridical state of nature) are universally prescriptive even when considered apart from the civil condition whose institutional structure is determined by the laws of public right, Kant holds that the systematic account of the latter condition contains ‘no further or other duties among human beings than can be conceived in the former state’ (RL, AA 06: 306.31 f.). Thus, maintaining that this ‘matter’ (or content) of private right is the same in both states or conditions, he infers that the laws of public right concern ‘only the juridical form’ of human ‘association (constitution)’ (RL, AA 06: 306.32–36). It is specifically in view of this conception of the systematic relationship between matter and juridical form that I acknowledge that Kant’s doctrine of right as a whole furnishes a foundational theory of justice.

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the designation ‘Kantian’. Assuming that the considerations presented in the preceding paragraph are acceptable, at least one fundamental requirement must be fulfilled if this designation is to amount to something more than an arm-waving epithet: A Kantian theory of justice must break through the key limitation historically imposed by a long tradition of English jurisprudential usage. Specifically, one must build on the supposition that a Kantian theory of justice is necessarily grounded in a concept of will-given right. This is not a matter to be determined by convention or tacit consent in a linguistic state of nature. Nor is it something that could be countermanded by legislative fiat or referendum: There is no ‘Brexeundum’ requirement of rightly reasoned translation that can credibly be made to apply to Kant’s Rechtslehre. 46

46

Nor a corresponding ‘Amexeundum’ prescription, for that matter.

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Schwärmerei and Enthusiasmus in Recent English Translations of Kant’s Lectures and Writings on Anthropology Robert R. Clewis

Years after his days in Königsberg, Johann Gottfried Herder wrote: “Ich habe das Glück genoßen, einen Philosophen zu kennen, der mein Lehrer war. […] die Gedankenreichste Rede floß von seinen Lippen; Scherz und Witz und Laune standen ihm zu Gebot, und sein lehrender Vortrag war der unterhaltendste Umgang. […] Dieser Mann, den ich […] nenne, ist Immanuel Kant.” (“I have had the good fortune of knowing a philosopher who was my teacher. […] Talk rich in ideas issued from his lips, joking, humor and wit were at his disposal, and his teaching lectures were the most amusing entertainment. […] This man whom I name […] is Immanuel Kant.”)1 Kant’s university lectures – as recorded by students such as Herder – are an indispensable source for understanding the development of Kant’s philosophy, the meaning of claims found in his published writings, and his relation to authors of the textbooks he used in his courses. Transcripts of his university lectures have been translated into English and other languages; his lectures on political philosophy, religion, metaphysics, logic, ethics, and anthropology make up a substantial part of The Cambridge Edition of the Works of Immanuel Kant in English Trans­ lation. 2 In the following, I will focus on the import of the anthropology lectures, with particular reference to the proper understanding of fanaticism and enthusiasm (Schwärmerei and Enthusiasmus). The Cambridge Edition often (though not always) glosses Schwärmerei as ‘en­ thusiasm’, adding ‘enthusiasm’ as the translation for Schwärmerei in the glossary of the (only) volume that the general editors Paul Guyer and Allen Wood co1 Johann G. Herder: Briefe zur Beförderung der Humanität [Letters on the Advancement of Humanity] [1795]. Sechste Sammlung. In: Herder: Sämtliche Werke. Ed. by Bernhard ­Suphan. 33 vols. Berlin 1877–1913. Reprint Hildesheim 1967. Vol. 17. 404 [my translation]. Herder attended Kant’s courses between 1762 and 1764 and recorded direct transcriptions of the lectures. 2 The Cambridge Edition of the Works of Immanuel Kant. Cambridge, Cambridge University Press, 1992–. General editors: Paul Guyer and Allen Wood [hereinafter referred to as: Guyer/Wood].

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translated. 3 The choice attempts to convey the term’s link to seventeenth- and eighteenth-century debates about religious enthusiasm. While this attempt is understandable, this choice has serious drawbacks. First, the appeal to the word’s archaic meaning risks confusing readers and students today, for whom enthusiasm means something like enjoyable excitement or approval. 4 Not creating confusion is clearly a negative condition of any acceptable translation. Second, it hides a crucial distinction between Enthusiasmus and Schwärmerei that Kant makes over the course of decades of writing and lecturing. As Peter Fenves put it: “Kant, like other German writers of the eighteenth century, never tired of trying to distinguish a thoroughly repugnant Schwärmerei from an Enthusiasmus without which ‘nothing great in the world could take place’.”5 Kant’s key distinction between enthusiasm and fanaticism is extremely difficult to make if Schwärmerei is rendered as ‘enthusiasm’. Thankfully, there is an obvious and suitable alternative that is (as we will see) historically grounded: ‘fanati­ cism’. In fact, Kant himself sometimes uses variations of fanaticism (Fanaticismus,

3 One exception exists: KrV A 819/B 847. Cf. Guyer/Wood translation 684, schwärme­ risch is translated as ‘fanatically’. The glossary entry for Schwärmerei is found at Guyer/Wood 763. 4 I do not know of a place where the Cambridge Edition’s general editors specifically justify the choice of ‘enthusiasm’ for Schwärmerei, but I have corresponded with students of Allen Wood about it. The former student (now a professor) gathered that Allen Wood’s thought was to use ‘enthusiasm’ in order to match up with Locke’s well-known comments in English about enthusiasm. In additional informal conversations with others, it was likewise suggested to me that Wood was aiming to make this connection to Locke and other modern writers. In any case, it is fair to assume that this was the aim. In the glossaries in the Cambridge Edition volumes, the term Schwärmerei always lists at least ‘enthusiasm’ (though sometimes alongside other words). As the general editors’ statement at the beginning of each volume of the Cambridge Edition makes clear, the series aims for terminological consistency. However, in the actual process of translating the Mrongovius lecture in Lectures on Anthropology, translators (including me and Felicitas Munzel) were thankfully given freedom to choose ‘fanaticism’. Sometimes even Robert Louden, a translator in that volume who generally prefers ‘enthusiasm’, opted for ‘fanaticism’; that is, he did so when the passage essentially demanded it. Unlike the one in Critique of Pure Reason, the glossary entry for Schwärmerei in Lectures on Anthropology was accordingly expanded to include more than just ‘enthusiasm’. 5 Kant: Raising the Tone of Philosophy. Trans. and ed. by Peter Fenves. Baltimore 1993. xi. See also Rachel Zuckert: Kant’s Account of Practical Fanaticism. In: Kant’s Moral Metaphysics. God, Freedom, and Immortality. Ed. by Benjamin J. Bruxvoort Lipscomb/James Krueger. Berlin 2010. 291–317. Kant had written in 1764: “und es ist niemals ohne denselben in der Welt etwas Großes ausgerichtet worden” (VKK, AA 02: 267). Compare with 1790: “man gemeiniglich vorgiebt: ohne ihn könne nichts Großes ausgerichtet werden” (KU, AA 05:272). But then Kant goes on to question the statement, suggesting an apparent shift in his view with respect to the one defended decades earlier in Versuch über die Krankheiten des Kopfes.

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Schwärmerei and Enthusiasmus

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Fanaticism) to explain Schwärmerei, which strongly suggests that ‘fanaticism’ is the most appropriate default translation of the latter.6 Third, the archaic translation has sometimes misled or confused otherwise capable scholars.7 In my scholarly writings and in a 2012 translation of the 1784/85 Mrongovius lecture on anthropology for the Cambridge Edition, 8 therefore, I consistently used ‘enthusiasm’ for Enthusiasmus and ‘fanaticism’ for Schwärmerei. Although the term Schwärmerei occurs in other places such as the KrV, in the following I will largely focus on the use of the term in Kant’s anthropological texts and writings, and will discuss recent translations in English. The reference to anthropology is broadly construed to include Kant’s handwritten Reflexionen (‘notes’) such as the Bemerkungen (‘remarks’) written in the GSE (Observations on the Feeling of the Beautiful and Sublime [c. 1764–1766]), published works such as the Observations and VKK (Essay on the Maladies of the Head [1764]), student transcriptions of Kant’s lectures on anthropology, and Anth (Anthropology from a Pragmatic Point of View [1798]). The question of how best to translate Schwär­ merei has contemporary relevance, too.9 According to the apt description of a 2019 conference on (what the conference calls) fanaticism, the concept of fanati­ cism was historically “discussed under the labels of enthusiasm (Locke, Hume, Shaftesbury) and Schwärmerei (Kant)”.10 This connection seems exactly right. In the first section, I give a brief overview of Kant’s anthropology, mentioning the discipline’s topic, method, and background. In section two, I sketch the intellectual-historical context in which Kant formed his conception of Schwär­ merei, citing writings by Locke, Hume, Shaftesbury, as well as by Mendelssohn, Wieland, and Garve. In the third section, I briefly survey Kant’s critical view of Schwärmerei in his major published writings, even if they are largely on topics other than anthropology. This examination of Kant’s major publications is needed to provide context for the discussion of Kant’s writings and lectures on anthropology. In the fourth section, I discuss Kant’s discussion of Schwärmerei found  6

Cf., e. g., VKK, AA 02:267/Wilson translation, 73; GSE 2:250, 2:251, 2:251n/Guyer translation 57, 58; and KpV, AA 05:136/Gregor translation 249.  7 For examples, cf. Robert R. Clewis (ed.): The Sublime Reader. London 2019. 5 n.10. A more recent example of such confusion can be found in Robert Doran: The Theory of the Sublime from Longinus to Kant. Cambridge 2015. 199–200 and 267.  8 Kant: Lectures on Anthropology. Ed. by Robert Louden/Allen W. Wood, translated by Robert Clewis/Robert Louden/Felicitas Munzel/Allen Wood. Cambridge 2012. The Mron­ govius Anthropology Lecture, Winter 1784–1785 is found on 339–510.  9 Two conferences can be mentioned: Confronting Fanaticism. Theoretical and Applied Perspectives. International Conference at the University of Vienna, Austria, the Department of Philosophy (November 2019). Filosofia e Follia. Da Kant a Hegel e oltre, at Università degli Studi Roma Tre, Department of Philosophy, Communication, and Media Studies (May 2019). 10 Cf. the description of the aforementioned Vienna conference, 2.

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in precritical publications on anthropological themes, such as VKK (Essay on the Maladies of the Mind) and GSE (Observations). In section five, I briefly examine Schwärmerei in the Notes (Reflexionen) such as Kant’s Remarks in the Observa­ tions. I examine Schwärmerei in the lectures on anthropology (section six) and in Anth (section seven). I.  Kant’s Anthropology. A Brief Overview

Kant lectured for 23 years on anthropology, from winter semester 1772/1773 until his retirement in 1796. His lectures on anthropology were his most popular academic offering in terms of attendance, interest, and accessibility. After logic, metaphysics, geography, and moral philosophy, it was one of his most frequently taught courses: he offered it 24 times.11 The anthropology transcriptions were copied widely, a fact that reveals the course’s popularity. Of all of his courses, the anthropology course has given rise to the highest number of manuscripts produced (47 total) as well as to the most transcripts that today are still available online or in archives (36); physical geography and logic, respectively, come second and third.12 From these many transcriptions of the anthropology course, seven lectures were published in 1997 as volume 25 of the Akademie-Ausgabe:13 Collins (1772/1773); Parow (1772/1773); Friedländer (1775/1776); Pillau (1777/1778); Menschenkunde (1781/1782); Mrongovius (1784/1785); and Busolt (1788/1789). (The dates refer to the year of the source lecture, not to the date of composition.) In general, the student lecture notes on anthropology – whether residing in archives, digitalized online, or published in the Akademie-Ausgabe – are an important resource for understanding the development of Kant’s philosophy, for clarifying arguments from his published works, and for revealing his views on topics unexplored in his published writings. The interest in examining minor texts, lecture notes, and literary remains, which goes back to the earliest days of Kant scholarship, continues to this day. Paul Guyer, for instance, concentrates on the significance of the anthropology lectures as a source for charting Kant’s views in aesthetics, and maintains that some of the essential elements of Kant’s mature aesthetic theory (e. g., the claims about a free play between imagination and un11

Cf. Steve Naragon’s useful website: Kant in the Classroom [https://users.manchester.edu/Facstaff/SSNaragon/Kant/Lectures/lecturesIntro.htm] [accessed February 26, 2019]. Cf. also Robert R. Clewis: Editor’s Introduction. In: Reading Kant’s Lectures. Ed. by Robert R. Clewis. Berlin 2015. 8. 12 Naragon: Kant in the Classroom [note 11]. Cf. also Clewis: Reading Kant’s Lectures [note 11] 16. 13 Kant: Gesammelte Schriften, currently edited by Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Berlin (1900–). Akademie-Ausgabe [AA].

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derstanding) were already present in early versions of the lectures.14 Since Kant never published works on aesthetics between 1764 and 1790, the anthropology (and logic) lecture notes and fragments are a key resource for understanding the development of his aesthetics, and therefore for helping us have a more nuanced interpretation of the views articulated in the third Critique. For instance, since the Busolt anthropology lecture (1788/1789) derives from the period when Kant was composing the third Critique, i. e., in 1789, it is an ideal text to mine in order to understand Kant’s thinking at that crucial time. Finally, Kant’s conception of the sublime, widely recognized as being among the most relevant and important in the history of the sublime,15 can also be found in his lectures and notes.16 These passages are an important source for our learning of the development of his ideas about the sublime. But here we are interested in the anthropology material for what it reveals about Kant’s views of Schwärmerei and enthusiasm. The object of study in Kant’s anthropology, naturally enough, is the human being. Kant puts it succinctly in a metaphysics lecture dating from circa 1790/1791: “What is man? Anthropology teaches that.” (V-Met-L2/Pölitz, AA 28: 534; my translation) Kant conceives of the field as an empirical discipline. His anthropo­ logy makes use of an observational method – that is, one observes other human beings and even oneself – and it draws on literary sources from diverse authors such as Shakespeare, Montaigne, and Rabelais, from literary periodicals and journals such as The Spectator, and from stories and descriptions that Kant had heard or read – about kings and queens, savants, and entire Völker (the ‘Chinese’, ‘French’, ‘Germans’, ‘Russians’). This empirical discipline, however limited its content and method may strike us today, gave Kant a chance to examine the h ­ uman being in various aspects that were not covered by critical-transcendental philosophy: its social and cultural, biological and animal, and historical dimensions. The title of the lectures collected and published in 1798, Anthropologie in prag­ matischer Hinsicht (Anthropology from a Pragmatic Point of View), indicates that in the course Kant adopted a ‘pragmatic’ perspective. The anthropology reveals a richer view of humanity, going beyond a transcendental critique of human faculties for cognition and the rational capacity to set moral ends, and instead emphasizing humanity’s social, cultural, historical, and practical but not yet strictly moral dimensions. Not only does such anthropology adopt a pragmatic perspec-

14

Paul Guyer: Play and Society in the Lectures on Anthropology. In: Robert R. Clewis (ed.): Reading Kant’s Lectures [note 11] 223–241. 223. In a similar vein, cf. Clewis: Beauty and Utility in Kant’s Aesthetics. The Origins of Adherent Beauty. In: Journal of the History of Philosophy 56/2 (2018). 305–336. 15 For representative texts from that history, cf. Clewis (ed.): The Sublime Reader [note 7]. 16 E. g., V-Anth/Collins, AA 25:187–198; V-Anth/Parow, AA: 25:388–91; R 1928, 5727, and 5729.

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tive, but it also has morally oriented aims. In short, Kant wishes to shape his students into globally minded, cultivated students of the world. If the notes and lectures in general provide a valuable resource for obtaining a richer understanding of Kant’s views and their development, then the lectures and notes (on anthropology) are an important source for understanding the distinction between Enthusiasmus and Schwärmerei in particular. Kant distinguishes these two terms not only in his published works but also in his notes and lectures. To see the origins of Kant’s conception of Schwärmerei, let us turn to the historical-intellectual contexts surrounding his appropriation of the concept. II.  Schwärmerei: The Historical Debate

Grimm claims that the word Schwärmerei is etymologically connected to the ‘swarming’ of bees, noting that it was used by Martin Luther in religious contexts.17 Schwärmerei denotes not just an intense passion or zeal but, as its etymology suggests, also its collective character, as if fanatics see themselves as part of a movement or group. In England, participants in the seventeenth- and eighteenthcentury religious debates employed the word enthusiasm to describe a similar phenomenon. The term was used to describe those who made a false claim to inspiration and, with that, unwarranted independence from such anchors of faith as Scripture or the Church. It functioned as a general aspersion of Puritanism or sectarianism, even if the precise sense was applicable only to a small number of more radical Protestants.18 In An Essay Concerning Human Understanding (1689), Locke condemns en­ thusiasm in a sense close to what Kant would call Schwärmerei: This I take to be properly enthusiasm, which, though founded neither on reason nor divine revelation, but rising from the conceits of a warmed or overweening brain, works yet, where it once gets footing, more powerfully on the persuasions and actions of men than either of those two, or both together.19 17

Grimm 1854–1961. Zuckert also mentions this etymology. Zuckert: Kant’s Account of Practical Fanaticism [note 5] 294. In addition, she usefully defends translating Schwärmerei with ‘fanaticism’. Ib. 295–297. 18 Cf. Lawrence E. Klein: Editor’s Introduction. In: Anthony Ashley Cooper Shaftesbury: Characteristics of Men, Manners, Opinions, Times. Ed. by Lawrence E. Klein. Cambridge University Press, 1999. xxx. Cf. also Klein’s remark at 4 n. On the enthusiasm controversies, cf. Michael Heyd: ‘Be Sober and Reasonable’. The Critique of Enthusiasm in the Seventeenth and Early Eighteenth Centuries. Leiden 1995. 19 For this and the following two quotes, cf. John Locke: An Essay Concerning Human Understanding. Ed. by Peter H. Nidditch. Oxford 1975. 697–706 (book/chapter/section: IV.xix.7).

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According to Locke, enthusiasm replaces both reason and revelation with ungrounded fancies. “Whereby in effect it [enthusiasm] takes away both reason and revelation, and substitutes in the room of them the ungrounded fancies of a man’s own brain, and assumes them for a foundation both of opinion and conduct.” Locke uses the metaphors of sight (and feeling) to explain the enthusiast’s presumed knowledge. “But to examine a little soberly this internal light, and this feeling on which they build so much. These men have, they say, clear light, and they see; they have awakened sense, and they feel.” In the Essay, Locke never uses fanatic or its etymological relatives, but only enthusiasm. Shaftesbury and Hume, in contrast, use both terms, and they seem to use the terms interchangeably. In A Letter concerning Enthusiasm (1708), also published in Characteristics of Men, Manners, Opinions, Times (1711), Shaftesbury characterizes enthusiasm. Unlike Locke, Shaftesbury appears to use enthusiasm in two distinct senses, one more negative than the other. In the negative sense, the term refers the claim to be immediately inspired by God or the gods. It is used to describe delusional claims and intense religious emotionality. In its more positive sense, Shaftesbury’s enthusiasm refers to “whatever was sublime in human passions”. 20 “Something there will be of extravagance and fury when the ideas or images received are too big for the narrow human vessel to contain. So that ‘inspiration’ may be justly called ‘divine enthusiasm’.”21 Shaftesbury follows this by referring to the Platonic enthusiasm found in Plato’s Phaedrus (241 E), Meno (99 D), and Apology (22 B). At the end of Shaftesbury’s Letter, we again find the positive sense. Looking back on what he had written, Shaftesbury claims that he “justified enthusiasm and owned the word”. In a moment of playfulness, he concludes the piece by referring to himself as enthusiastic. 22 Unlike Locke, Shaftesbury employs the word fanaticism (and its relatives) in his discussions of this theme. He uses enthusiasm and fanatical in the same sentence, in what appear to be synonyms (i. e., they both refer to the same phenomenon). “The Roman historian [Livy], speaking of a most horrible enthusiasm which broke out in Rome long before his days, describes this spirit of prophecy: Men, as if possessed, would prophesy with fanatical convulsions of the body.”23 In the following paragraph, Shaftesbury uses the two terms again as apparent synonyms. The end of the passage gives a clear indication of the meaning of fanaticism. 20 Shaftesbury:

A Letter concerning Enthusiasm. In: Characteristics [note 18] 4–28. 27. In the Bemerkungen Kant, like Shaftesbury, claims that enthusiasm is the passion of the sublime; Bemerkungen, AA 20:43. 21 Shaftesbury: A Letter [note 20] 27. 22 Ib. 28. 23 Ib. 24. Cf. also 27. Likewise, Shaftesbury uses the two words in the same paragraph in The Moralists, a Philosophical Rhapsody. In: Characteristics [note 18] 288.

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For inspiration is a real feeling of the Divine Presence and enthusiasm a false one. But the passion they raise is much alike. For when the mind is taken up in vision and fixes its view either on any real object or mere spectre of divinity, when it sees, or thinks it sees, anything prodigious and more than human, its horror, delight, confusion, fear, admiration or whatever passion belongs to it or is uppermost on this occasion, will have something vast, ‘immane’ [sic] and (as painters say) beyond life. And this is what gave occasion to the name of fanaticism, as it was used by the ancients in its original sense, for an apparition transporting the mind. [italics added by R. C.]24

Since Shaftesbury is using fanaticism and enthusiasm as synonyms, then it would seem that Schwärmerei can be suitably translated as ‘fanaticism’ – even if the translator aims to be sensitive to the historical and intellectual contexts associated with enthusiasm. 25 Fanaticism is part of that history. David Hume’s work confirms this. Hume’s essay Of Superstition and Enthu­ siasm criticizes what he considers ‘two species of false religion’: superstition and enthusiasm. Whereas superstition has its source in weakness, fear, melancholy, and ignorance, the “true sources of enthusiasm” are “hope, pride, presumption, a warm imagination, together with ignorance.”26 Hume claims that in enthusiasm the imagination is stretched. 27 “In such a state of mind [enthusiasm], the imagination swells with great, but confused conceptions, to which no sublunary [i. e., earthly] beauties or enjoyments can correspond.”28 Hume applies the term enthu­ siast to the German Anabaptists, French Calvinists, English anti-Cromwellian Levellers, and the Scottish Covenanters.

24

Shaftesbury: A Letter [note 20] 27. Three additional passages suggest a synonymous use of the two words by Shaftesbury. “But happily the zeal of this kind is now left as proper only to those despised and ignorant modern enthusiasts we have described. The Roman Church itself is so recovered from this primitive fanaticism that their great men [have encouraged the liberal arts and sciences].” [italics added by R.C.] In: Shaftesbury: Miscellany V. In: Characteristics [note 18] 440. Second, cf. Miscellany V. 438: “It belongs to mere enthusiasts and fanatics to plead the sufficiency of a reiterate translated text […].” [italics added] Finally, cf. Miscellany II. 366. 26 David Hume: Essays: Moral, Political, and Literary. Ed. by Eugene F. Miller. Indianapolis 1987. Of Superstition and Enthusiasm. 73–79. 74. 27 Even if Kant would not agree with Hume that enthusiasm is a species of ‘false religion’, Kant will agree that it is a ‘state of mind’ in which the imagination is unbridled (zügellos) and unbounded: “unbegränzte[n] Einbildungskraft” (KU, AA 05: 274). “Die Idee des Guten mit Affect heißt der Enthusiasm. Dieser Gemüthszustand scheint erhaben zu sein, dermaßen daß man gemeiniglich vorgiebt: ohne ihn könne nichts Großes ausgerichtet werden” (KU, AA 05: 271–272). “Im Enthusiasm als Affect ist die Einbildungskraft zügellos; in der Schwärmerei als eingewurzelter brütender Leidenschaft regellos.” (KU, AA 05: 275) 28 Hume: Of Superstition [note 26] 74. 25

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Hume appears to use enthusiast and fanatic (and relatives) as synonyms. Here are three representative passages. In a little time, the inspired person comes to regard himself as a distinguished favourite of the Divinity; and when this frenzy once takes place, which is the summit of enthusiasm, every whimsy is consecrated: Human reason, and even morality are rejected as fallacious guides: And the fanatic madman delivers himself over, blindly, and without reserve, to the supposed illapses [i. e., sudden attacks] of the spirit, and to inspiration from above. [italics added by R. C.]29

A second passage reads: “When the first fire of enthusiasm is spent, men naturally, in all fanatical sects, sink into the greatest remissness [i. e., carelessness] and coolness in sacred matters.”30 And finally: Enthusiasm being founded on strong spirits, and a presumptuous boldness of character, it naturally begets the most extreme resolutions; especially after it rises to that height as to inspire the deluded fanatic with the opinion of divine illuminations, and with a contempt of the common rules of reason, morality, and prudence. [italics added by R.C.]31

From this brief survey of the history of enthusiasm, we can conclude that at least two of the most prominent Anglophone writers on the topic, Shaftesbury and Hume, appear to use enthusiasm and fanaticism interchangeably. When we turn to the German Enlightenment and to Moses Mendelssohn in particular, we see that there is evidence for arriving at a similar conclusion. Mendelssohn appears to use Fanatismus and Enthusiasmus as synonyms. When, in Je­ rusalem (1783), Mendelssohn criticizes a ‘fanaticism’ (Fanatismus) of godlessness or ideological secularism (Ohngötterei), he uses the word Enthusiasmus. Auch die Ohngötterei hat, wie eine leidige Erfahrung lehrt, ihren Fanatismus. Zwar hat dieser vielleicht nie ohne eine Vermischung von innerer Ohngötterei wütend werden können. Daß aber auch äußerer, offenbarer Atheismus fanatisch werden könne, ist so unleugbar als schwer zu begreifen. So sehr der Atheist, wenn er bündig sein will, alles aus Eigennutz tun muß, und so wenig es diesem gemäß zu sein scheint, wenn der Atheist Partei zu machen, und das Geheimnis nicht für sich zu behalten sucht; so hat man ihn doch seine Lehren mit dem hitzigsten Enthusiasmus predigen, und wütend werden, ja verfolgen gesehen, wenn seine Predigt nicht Eingang finden wollte. [italics added by R.C.]32 29

Ib. Ib. 77. 31 Ib. 77. 32 Moses Mendelssohn: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum. Berlin 1783. 235–236 n. 30

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As if drawing from the etymological roots of Schwärmerei, Mendelssohn touches on the communal, shared nature of fanaticism: the secular fanatics desire to share their view with others (“das Geheimnis nicht für sich zu behalten sucht”). Finally, in order to help support my case that translators should convey clearly Kant’s distinction between Enthusiasmus and Schwärmerei, two more authors, among the many who contributed to this intellectual debate, can be mentioned: Wieland and Garve. 33 In a short treatise Schwärmerei und Enthusiasmus published in Teutscher Merkur in 1775, Christoph Martin Wieland aims to save Enthusiasmus from being a term of derision (Schimpfwort). 34 Schwärmerei is a feverish disease of the soul (Krankheit der Seele), 35 he says, and the potentially much more positive En­ thusiasmus should be rescued from association with it. Admonishing scholars to stop using the terms as synonyms, Wieland distinguishes Schwärmerei from the true Enthusiasmus of artistic creativity, which, he says, citing Plato, was inspired by God (“Gott in uns”). 36 For our purposes, it should be noted that Wieland explicitly claims that there is a ‘rather close’ connection between Fanatismus and Schwärmerei. “Dem Worte Schwärmerei, in dieser Bedeutung genommen, entspricht das Wort Fanatismus ziemlich genau; wiewol dies leztere durch den Gebrauch einer besondern Gattung von Schwärmerei, nämlich der religiösen, zugeeignet worden ist.”37 (“The word ‘fanaticism’ corresponds rather closely to the word Schwärmerei taken in this sense, although ‘fanaticism’ is fitting for the practice of a particular kind of Schwärmerei, namely, the religious.”) It was, of course, also primarily the ‘religious’ kind that Hume and other British writers had on their minds – which is why they too were able to use the word fanaticism to describe the phenomenon. About fifteen years later, in an essay written “at the time of the French Revolution”38 , the Popularphilosoph Christian Garve continued in a similar vein. Garve distinguished between Schwärmerei and Enthusiasmus, the former being a kind of self-delusion and mistaking fiction for reality, and the latter a kind of creative inspiration (Begeisterung) and exaltation, a description that continued to reflect the concept’s Platonic origins. 33 On

Schwärmerei from Luther through the German Late Enlightenment, cf. Anthony La Vopa: The Philosopher and the ‘Schwärmer’. On the Career of a German Epithet from Luther to Kant. In: Huntington Library Quarterly. Vol. 60. No. 1/2 (1997). 85–115. 34 Christoph Martin Wieland: Schwärmerei und Enthusiasmus. In: Wielands Werke. Berlin 1879. Vol. 32. 369–371. 371. Originally from Teutscher Merkur, 1775, IV. 151–155. Thanks to Javier Burdman for the references to Wieland and Garve. 35 Wieland: Schwärmerei [note 34] 370. 36 Ib. 37 Ib.369. Wieland emphasizes the word religiosen. 38 Christian Garve: Über die Schwärmerey. In: id.: Gesammelte Werke. 1. Abteilung: Die Aufsatzsammlungen. Vol. 3. Hildesheim 1985. 373 n.

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Zwischen Begeisterung (Enthusiasmus) und Schwärmerey ist ein wesentlicher Unterschied. Jene exaltirt nur die Begierden. […] Diese aber schafft neue Gegenstände; sie giebt dem ein Daseyn und eine Gestalt, was nirgend ist. Die Begeisterung schränkt sich auf Empfindungen und Begierden ein; die Schwärmerey schiebt uns Erdichtungen als wirkliche Kenntnisse unter. 39

Garve distinguishes between ‘speculative’ and ‘practical’ forms of Schwär­ merey. Under the practical, he further identifies a subspecies he calls “fanatische Schwärmerey”. 40 Fanatical Schwärmerey is at once religious and politically active. It is the force behind religious revolution (Religionsrevolutionen), and helps set up a system that unites the political and the religious under one authority. 41 III.  Kant’s Critical Publications: Overview of Schwärmerei

Kant discusses Schwärmerei in his precritical works, in lectures and notes, and in Critical writings on metaphysics, theology, and ethics. To provide context for the discussion of Kant’s writings and lectures on anthropology, it is necessary to survey the handling of Schwärmerei in recent translations of Kant’s major (critical) publications. In the volumes in the Cambridge Edition, Schwärmerei is typically rendered as either ‘enthusiasm’ or ‘fanaticism’. Yet as can be seen from the glossary in the KrV, the general editors (Guyer and Wood) prefer ‘enthusiasm’ and use only ‘en­ thusiasm’ to translate Schwärmerei (with a single exception, noted above). There is some inconsistency across the Cambridge Edition volumes taken together, however, with ‘enthusiasm’ and ‘fanaticism’ being frequently chosen as translations of Schwärmerei, alongside some exceptions such as ‘visionary rapture’ (KU, AA 05: 275). The Anthropology, History, Education volume lists both ‘enthusiasm’ and ‘fanaticism’ in the glossary, and the Lectures on Anthropology volume lists ‘en­ thusiasm’, ‘fanaticism’, ‘raptures’ 42 even if translators in Lectures on Anthropology nearly always opted for the first two of these (‘enthusiasm’, ‘fanaticism’). A Cambridge Edition glossary, therefore, always lists (at least) ‘enthusiasm’ for the term Schwärmerei, even if sometimes other words are listed too, as concessions to the actual translational practice in the particular volume. Throughout the volumes of the series, the original German (Schwärmerei, Enthusiasm) is occasionally added 39

Garve: Über die Schwärmerey [note 38] 342. Original spelling has been retained. Ib. 348. 41 Ib. 368. On page 371, he writes: “so muß daraus der wahre Fanatismus entstehen. Und diese Schwärmerey ist […].” 42 Kant: Lectures on Anthropology [note 8] 583. 40

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using linguistic footnotes in order to clarify a difficult passage. (The Cambridge Edition aims to “rigorously segregate[e]” three kinds of notes in the text. 43 According to this layout, footnotes placed by Kant are marked by asterisks. Second, purely linguistic editorial footnotes are lettered alphabetically to distinguish them from the former; they specify the German original of words and phrases in Kant’s text, as noted. Finally, numbered editorial endnotes provide factual information and explanations.) In short, there is a perhaps unavoidable tension between the intention of consistency (e. g., in principle always opting for ‘enthusiasm’, as Wood appears to have preferred) and the adaptation to a particular context or passage, which may suggest as a solution ‘fanaticism’ or even ‘visionary rapture’ (and their variants). In KrV (1781/1787), Kant writes: “Through criticism alone can we sever the very root of materialism, fatalism, atheism, of freethinking unbelief, of enthusi­ asm [Schwärmerei] and superstition, which can become generally injurious […].” (KrV B xxxiv; Guyer/Wood translation 119 [translators’ italics]). In what surely would have struck Locke as an unfortunate irony, Kant accuses Locke’s empiricist epistemology of opening up the door to Schwärmerei. Locke “opened the gates wide to enthusiasm [Schwärmerei], since reason, once it has authority on its side, will not be kept within limits by indeterminate recommendations of moderation.” (KrV A 95/B 128; Guyer/Wood translation 226) In contrast to Guyer/Wood, Werner Pluhar translates both of these instances of Schwärmerei with ‘fanaticism’. 44 In the 1786 essay, WDO (What Does It Mean to Orient Oneself in Thinking?), Kant extensively discusses Schwärmerei (e. g., WDO, AA 08:145–146). Here the translator, again Wood, consistently translates the term as ‘enthusiasm’. According to the second Critique (1788), there can be Schwärmerei in the practical sphere, i. e., consisting in overstepping the bounds set by pure practical reason. Consistent with the Cambridge Edition’s preferred rendering, Mary Gregor translates this as moral ‘enthusiasm’. In contrast, Pluhar opts for moral ‘fanati­ cism’. If enthusiasm [Schwärmerei] in the most general sense is an overstepping of the bounds of human reason undertaken on principles, then moral enthusiasm is such an overstepping of the bounds that practical pure reason sets to humanity. (KpV, AA 05: 85–86/Gregor translation 209) If fanaticism [Schwärmerei] in the most general meaning is an overstepping of the bounds of human reason undertaken according to principles, then moral fa­ 43 Cf. the preface written by the series general editors (Guyer and Wood). In: Kant: Critique of Pure Reason. Trans. by Paul Guyer and Allen Wood. Cambridge 1998. viii. 44 Kant: Critique of Pure Reason. Trans. by Werner Pluhar. Indianapolis 1996. 34 and 149.

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naticism is such an overstepping of the bounds that practical pure reason sets for humanity. (KpV, AA 05: 85–86/Pluhar translation 109)45

The Cambridge Edition translation of the third Critique (1790), carried out by Paul Guyer and Eric Matthews, 46 at one point renders Schwärmerei as ‘visionary rapture’. One reason they (rightly) do not opt for ‘enthusiasm’ is that in a key passage in the third Critique (as elsewhere), Kant distinguishes Enthusiasmus from Schwärmerei. The imagination is unruled (regellos) in Schwärmerei, but in Enthu­ siasmus it is merely unbridled (zügellos) (KU, AA 05: 275). This distinction forces the translator to find another word for Schwärmerei. This pure, elevating, merely negative presentation of morality, by contrast, carries with it no risk of visionary rapture [Schwärmerei], which is a delusion of being able to see something beyond all bounds of sensibility. (KU, AA 05: 275; Guyer/ Matthews 156 [translators’ italics])

A comparison with the most recent English translation before the Guyer/Matthews, carried out by Pluhar, is instructive: This pure, elevating, and merely negative exhibition of morality involves no danger of fanaticism [Schwärmerei], which is the delusion of wanting to SEE some­ thing beyond all bounds of sensibility (KU, AA 05:275; Pluhar 135 [translator’s emphasis])47

In this section, Kant claims that if Enthusiasmus can be compared with Wahnsinn (Guyer/Matthews: ‘delusion of sense’; Pluhar: ‘madness’), then Schwärmerei can be compared with Wahnwitz (Guyer/Matthews: ‘delusion of mind’; Pluhar: ‘ma­ nia’) (KU, AA 05: 275). In a short, largely overlooked piece, Kant critically examines Schwärmerei. Although the translator Arnulf Zweig treats it as a letter, 48 the short piece is in fact an essay solicited by Borowski and then published in his Cagliostro in 1790. 49

45

Kant: Critique of Practical Reason. Trans. by Werner Pluhar. Indianapolis 2002. Kant: Critique of the Power of Judgment. Trans. by Paul Guyer/Eric Matthews. Cambridge 2000. 47 Kant: Critique of Judgment. Trans. by Werner Pluhar. Indianapolis 1987. 48 Kant: On the Propensity to Fanaticism and the Means to Oppose It. In: id: Correspondence. Ed. and trans. by Arnulf Zweig. Cambridge 1999. 337–339. The piece is found in Correspondence since Zweig treats this as one of Kant’s letters (To Ludwig Ernst Borowski, March 6–22, 1790), and thus without a title. The title is mentioned mentioned by Naragon [https://users.manchester.edu/facstaff/ssnaragon/Kant/Helps/KantsWritingsTranslations Links.htm]. 49 Borowski: Cagliostro, einer der merkwürdigsten Abentheurer unsres Jahrhunderts […]. Königsberg 1790. 160–162. For some background, cf. Naragon: Kant in Translation [note 48]. 46

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Zweig translates Schwärmerei as ‘mysticism’. In a volume that is not part of the Cambridge Edition, Peter Fenves translates it as ‘exaltation’.50 According to RGV (Religion within the Boundaries of Mere Reason [1793]), Schwärmerei (Guyer/Matthews: ‘enthusiasm’) involves experiencing “alleged (merely passive) inner illuminations” (RGV, AA 06: 83/di Giovanni translation51 122). The belief that we can produce the effects of grace in us is Schwärmerei (‘en­ thusiasm’) (RGV, AA 06: 174/di Giovanni translation 193). Religious Schwärmerei (‘enthusiasm’) is the delusion of desiring to bring about justification before God by striving for contact with the divine. A delusion is ‘enthusiastic’ when the (imagined) supersensible means exceed human powers. ‘Enthusiastic’ religious delusion is “the moral death” of reason because it is not founded on rational (moral) principles (RGV, AA 06:174/di Giovanni translation 193 f.).52 IV.  Kant’s Precritical Publications in Anthropology

I now turn to the translations of Kant’s pre-1781 writings that discuss anthropological themes, beginning with the GSE (Observations). For decades, John Goldthwait’s 1960 translation of the Observations was the only English translation cited by the literature.53 Paul Guyer undertook a translation for the Anthropology, History, and Education volume (2007) in The Cambridge Edition.54 Kant uses Fanaticismus and Schwärmerei on the same page – seemingly interchangeably – and then in a key footnote on that page gives a fundamental distinction between the two terms (GSE, AA 02: 251). I put the three relevant terms in italics. Guyer and Goldthwait agree in all three cases: Die Schwärmerei [Guyer, Goldthwait: ‘fanaticism’] ist so zu sagen eine andächtige Vermessenheit und wird durch einen gewissen Stolz und ein gar zu 50 Kant:

On Exaltation and the Remedy for It. In: Raising the Tone of Philosophy. Late Essays by Immanuel Kant. Transformative Critique by Jacques Derrida. Trans. and ed. by Peter Fenves. Baltimore 1993. 107–108. 51 Kant: Religion within the Boundaries of Mere Reason. Trans. by George di Giovanni. In: Kant: Religion and Rational Theology. Cambridge 1996. 39–217. 52 Cf. also Kant: Philosophische Religionslehre nach Pölitz (Lectures on the Philosophical Doctrine of Religion). V-Phil-Th/Pölitz. AA 28: 1109. 53 Kant: Observations on the Feeling of the Beautiful and Sublime. Trans. by John T. Goldthwait. Berkeley 1960. Goldthwait summarizes the history of translations of the Obser­ vations, cf. 39 f.. 54 Kant: Observations on the Feeling of the Beautiful and Sublime. Trans. by Paul Guyer. In: Kant: Anthropology, History, and Education. Ed. by Robert B. Louden/Günter Zöller. Cambridge 2007. 23–62. The translation was reprinted in Kant: Observations on the Feeling of the Beautiful and Sublime and Other Writings. Ed. by Patrick Frierson/Paul Guyer. Cambridge 2011.

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großes Zutrauen zu sich selbst veranlaßt, um den himmlischen Naturen näher zu treten und sich durch einen erstaunlichen Flug über die gewöhnliche und vorgeschriebene Ordnung zu erheben. Der Schwärmer [Guyer, Goldthwait: ‘The fanatic’] redet nur von unmittelbarer Eingebung und vom beschaulichen Leben […]. Selbst die Ausschweifungen führen […] Zeichen des Nationalgefühls bei sich, und so ist der Fanaticismus* [Guyer, Goldthwait: ‘fanaticism’] wenigstens in den vorigen Zeiten am meisten in Deutschland und England anzutreffen gewesen. (GSE, AA 02: 251/Guyer 58; Goldthwait 108 [italics added])

Guyer and Goldthwait justifiably translate both Schwärmerei and Fanaticismus with ‘fanaticism’.55 The fact that Kant uses the cognate (Fanaticismus) just as he characterizes Schwärmerei provides extremely strong support for translating the term with ‘fanaticism’. The asterisk attached to the last instance of Fanaticismus marks what is, given our purposes, an important footnote. It is a significant note because it is found in one of Kant’s published works and contains a distinction between Enthusias­ mus and Schwärmerei, which he repeats in various ways over the decades. After discussing Schwärmerei in the passage cited above, he describes his view of Fa­ naticism. *) Der Fanaticism [Guyer, Goldthwait: ‘Fanaticism’] muß vom Enthusiasmus [Guyer, Goldthwait: ‘enthusiasm’] jederzeit unterschieden werden. Jener glaubt eine unmittelbare und außerordentliche Gemeinschaft mit einer höheren Natur zu fühlen, dieser bedeutet den Zustand des Gemüths, da dasselbe durch irgend einen Grundsatz über den geziemenden Grad erhitzt worden, es sei nun durch die Maxime der patriotischen Tugend, oder der Freundschaft, oder der Religion, ohne daß hiebei die Einbildung einer übernatürlichen Gemeinschaft etwas zu schaffen hat. (GSE, AA 02: 251n [italics added])

Goldthwait and Guyer both translate Fanaticism and Enthusiasmus with their cognates, which are the obvious choices. What is more significant is the fact that on this same page (GSE, AA 02: 251) Kant uses Fanaticism and Schwärmerei as synonyms. This synonymous use is confirmed in the following passage, which concerns the different kinds of religious excesses:

55 Guyer’s choice of ‘fanaticism’ (in the translation he carried out by himself) would seem to imply that it was Wood, after all, who preferred ‘enthusiasm’ when they worked together. This is also confirmed by Wood’s preference, in translations he conducted by himself, for ‘enthusiasm’.

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Ich bringe diese Ausschweifungen unter folgende Hauptbegriffe: Leichtgläu­ bigkeit (Credulität), Aberglaube (Superstition), Schwärmerei (Fanaticism), und Gleichgültigkeit (Indifferentism). (GSE, AA 02: 250 [italics added to German words; italics of the Latinate words in the original])

Both Guyer and Goldthwait translate the latter German words with the English cognates deriving from Latin: ‘credulity’, ‘superstition’, ‘fanaticism’, and ‘indiffer­ entism’ (Guyer translation 57; Goldthwait 107). As Guyer comments in an endnote to this passage, Kant here provides both a Germanic and a Latinate word, both of which can be translated by the same (Latinate) word in English.56 Thus, Goldthwait and Guyer both opt for the obvious choices (the cognates). The fact that Kant writes “Schwärmerei (Fanaticism)” [sic] very strongly suggests – once again – that ‘fanaticism’ is the most appropriate translation for Schwärmerei. In my view, in fact, this passage is dispositive of the matter. Let us look at one more passage, since it contains both Schwärmerei and En­ thusiasmus. It is found a few pages earlier in the book. In der Ausartung dieses Charakters neigt sich die Ernsthaftigkeit zur Schwermuth, die Andacht zur Schwärmerei [Goldthwait: ‘fanaticism’; Guyer: ‘zealotry’], der Freiheitseifer zum Enthusiasmus. (GSE, AA 02: 221–222)

Guyer’s choice of ‘zealotry’ (35), while understandable, is inconsistent with the other instances in the Observations (that is, within a translation by the same translator) as well as with the translations of Schwärmerei throughout the volumes of the Cambridge Edition (which usually opt for either ‘enthusiasm’ or ‘fanaticism’). Unlike Guyer, Goldthwait here uses ‘fanaticism’ for Schwärmerei (66). This seems to be the better choice since it both coheres with the other translated terms and reflects Kant’s synonymous use of Fanaticism and Schwärmerei. (Both Goldthwait and Guyer choose ‘enthusiasm’ for Enthusiasmus.) Let us now turn to VKK (Essay on the Maladies of the Mind), a short work in which Kant treats medical-anthropological themes; it is included in the Cambridge Edition volume titled Anthropology, History, and Education.57 It was recently translated into English at least three times, if one includes extracts: in 1963, 1969, and in (2007) Anthropology, History, and Education.58 In Maladies, Kant gives us a picture of fanaticism similar to the one observed thus far. The fanatic (Fanatiker) or visionary (Visionär), he writes, is a deranged 56

Guyer in: Kant: Anthropology, History, and Education [note 54] 495, n. 41. Essay on the Maladies of the Mind. Trans. by Holly Wilson. In: Kant: Anthro­ pology, History, and Education [note 54] 65–77. 58 Cf. Kant, ed. by Gabriele Rabel. Oxford 1963, 60 (short extracts). Cf. Extract from the Essay On the Diseases of the Mind of 1764, by Kant. In: id.: Dreams of a Spirit Seer, and other Related Writings. Trans. by John Manolesco. New York 1969. 162–168. 57 Kant:

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Schwärmerei and Enthusiasmus

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person who presumes to have immediate inspiration and familiarity with heavenly powers. This two-sided appearance of fantasy in moral sensations that are in themselves good is enthusiasm [Enthusiasmus], and nothing great has ever been accomplished in the world without it […]. Things stand quite differently with the fa­ natic (visionary, raver) [Fanatiker (Visionär, Schwärmer)]. The latter is properly a deranged person with presumed immediate inspiration and a great familiarity with the powers of the heavens. (VKK, AA 02: 267; Wilson translation 73 [translator’s emphasis])

Note that Kant refers to “the latter” (singular), suggesting that “Fanatiker (Vi­ sionär, Schwärmer)” has one referent (namely, the fanatic). If these words are referring to the same thing, then Schwärmer appears to be used as a synonym of Fanatiker. Moreover, since in this passage Kant (again) distinguishes Enthu­ siasmus from what is felt by the Fanatiker (“things stand quite differently”), this passage gives support to reserving ‘enthusiasm’ for Enthusiasmus and translating Schwärmerei as ‘fanaticism’. Another short work touching on similar themes is On the Philosopher’s Use of the Body. Gregor translated it in Anthropology, History, and Education from the Latin.59 Gregor translates Fanaticos with the cognate ‘fanatics’: [S]till others [i. e., insane people] produce captivating semblances that fly about through the void, which lead those we call fanatics [Fanaticos] to rave with a certain show of reason, or torment cruelly the mind of those we call melancholics [Melancoliae] or hypochondriacs [hypochondriae]. (Refl, AA 15: 947; Gregor translation 188)

In short, from this survey we can see that the Cambridge Edition frequently translates Schwärmerei with ‘enthusiasm’ or ‘fanaticism’, though sometimes a translator opts for other choices. Outside of the Cambridge Edition, ‘fanaticism’ is a frequent choice. V.  Kant’s Notes and Marginalia

Working in conjunction with the lectures, the Reflexionen (Notes) are an important source for understanding the development of Kant’s philosophy. The notes on anthropology have not been translated into English in a stand-alone volume.

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Kant: On the Philosopher’s Use of the Body. Trans. by Mary Gregor. In: Kant: Anthropology, History, and Education [note 54] 184–191.

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However, the Cambridge Edition volume (2005) Notes and Fragments60 contains a significant number of notes on anthropology. Notes and Fragments typically translates Schwärmerei with ‘enthusiasm’ (or its relatives).61 In a note titled On Philosophical Enthusiasm (from either 1780s or 1776–1779), Guyer/Rauscher use ‘enthusiasm’ for Schwärmerey. Will man den Weg der Critik nicht einschlagen, so muß man die Schwarmerey ihren Gang gehen lassen und mit Schaftsbury [sic] darüber lachen. If one will not tread the path of critique, then one must let enthusiasm run its course and laugh at it along with Shaftesbury (Refl 6050, AA 18: 436; Guyer/ Rauscher 328).

Given Kant’s invocation of Shaftesbury, this choice of ‘enthusiasm’ is somewhat understandable; however, it should be recalled that Shaftesbury sometimes discussed fanaticism in precisely the same contexts in which he discussed enthusiasm [cf. above, section two]. In another note (from circa 1776–1778), Kant refers to Lavater as a genius who is also “an enthusiast [schwärmt] who goes far beyond the circle of experiential cognition” (Refl 921, AA 15: 406–407/Guyer/Rauscher 619 n. 113). In the same note, Kant refers to Rousseau as “an enthusiast who is worthy of respect” [Ach­ tungswürdiger Schwärmer] (AA 15: 406/Guyer/Rauscher translation 619 n. 113). But the most interesting part of the note – Kant’s distinction between schwär­ merischer and enthusiastischer genius – was not translated in Notes and Frag­ ments: “Das schwärmerische Genie übertreibts in Ideen, das Enthusiastische in Handlungen nach an sich wahren Ideen oder in der praktischen Anwendung der letzteren.” (Refl 921, AA 15: 406). (“The fanatical genius goes off into ideas, the enthusiastic into actions, toward ideas that are in themselves true, or in the practical application of them.”) This suggests that while Schwärmerei has a primarily theoretical dimension, Enthusiasmus has a largely practical one. Finally, let us turn to the Remarks that Kant wrote in his personal copy of the Observations in the mid 1760s. The Bemerkungen have been fully translated into English at least twice, namely, by the present author (2003) and later by Guyer and Frierson (2011).62 60 Kant: Notes and Fragments. Ed. by Paul Guyer and trans. by Curtis Bowman/Paul Guyer/Frederick Rauscher. Cambridge 2005. 61 In Notes and Fragments [note 60], cf. Refl 4284, AA 17: 495 (125); Refl 4452, 17: 557 (135); Refl 4851, 18: 8 (194); Refl 5962, 18: 403 (315); Refl 6378; 18: 546 (351); Refl 6611; 19: 109 (424); and Refl 933; 15: 414 (514). The page number in Notes and Fragments is here placed in parenthesis. 62 Clewis: Aesthetic and Moral Judgment: The Kantian Sublime in the Observations, the Remarks (translated), and the Critique of Judgment. PhD Dissertation. Boston College 2003

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The Guyer/Frierson translation renders schwärmerische as ‘enthusiastic’. “Philosophical eyes are microscopic. Their vision is exact but limited […]. The sensual vision is bold and supports enthusiastic dissipation [schwärmerische Aus­ schweifung], which is stirring, yet only to be encountered in the imagination.” (Bemerkungen, AA 20: 19; Guyer/Frierson translation 78) In these notes, Kant employs the term Enthusiasmus (or relatives) several times. When Kant simply uses the term Enthusiasm, Guyer and Frierson opt for the obvious translation, ‘enthusiasm’. There are three examples of this. Clearly taking up Shaftesbury’s claim that the sublime in human passions is enthusiasm, Kant writes: “Moral beauty, simplicity, sublimity. Justice; righteousness is simplicity. The passion of the sublime is enthusiasm [Enthusiasm].” (Bemerkungen, AA 20: 43; Guyer/Frierson translation 95) The second instance reads: “In the case of this soul at peace, friendship is no enthusiasm, sympathy [is] no soft-heartedness, gentleness not ceremony.” (Bemerkungen, AA 20: 154; Guyer/Frierson translation 171 [translators’ emphasis]) In the third passage, Kant shows that he also uses Enthusiasm in the sense in which – following Longinus – rhetorical style can be called inspired. “Young people indeed have much sentiment, but little taste; the enthusiastic or excited63 style [der enthusiastische oder begeisterte 64 Stil] ruins taste.” (Bemerkungen, AA 20: 7; Guyer/Frierson translation 70) In short, in Notes and Fragments and in Observations on the Feeling of the Beautiful and Sublime and Other Writings, Guyer/Rauscher and Guyer/Frierson tend to translate both Schwärmerei and Enthusiasm as ‘enthusiasm’. VI. Kant’s Lectures on Anthropology

As mentioned previously, there are student transcriptions based on Kant’s courses not only on anthropology, but also on logic, metaphysics, mathematics, physics, moral philosophy, natural law, pedagogy, mechanics, physical geography, 65 and even mineralogy (namely, winter semester 1770/1771). The number of pages of (part 3 of the dissertation), 356–548. Kant: Observations on the Feeling of the Beautiful and Sublime and Other Writings. Ed. by Paul Guyer/Patrick Frierson. Cambridge 2011. 63–202. While not part of the Cambridge Edition, it was published by Cambridge University Press. The translation team consulted Clewis’s independent translation; cf. ‘Note on the Texts’. xliii. 63 Taking up the Longinian inspiration underlying Kant’s claim, the Clewis 2003 translation here states ‘exalted’ rather than ‘excited’. 64 The AA states: begeisteret [sic]. 65 So far only one of the planned Akademie-Ausgabe volumes on geography has been published (2009), containing the Holstein lecture. Although more geography lecture transcriptions are scheduled to be published, it will still only make up a fraction of the many pages of handwritten manuscripts on geography. Cf. my article about translating Kant’s Physische Geographie in this volume.

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student lecture notes on all areas of Kant’s teaching notes veers into the thousands, and much of it still in hard-to-read manuscripts in archives around the globe. The Vorlesungen über Anthropologie (1997), volume 25 in the Akademie Ausgabe, contains seven representative student lecture notes on Kant’s course on anthropology – coming to no fewer than 1,691 pages. While this two-tome volume contains finely edited versions of seven course transcriptions, of these seven, only two were translated in full in the Cambridge Edition’s (2012) Lectures on Anthro­ pology. Friedländer and Mrongovius were translated in their entirety, while the other five lecture notes were excerpted in portions of varying lengths. Before we turn to anthropology, let us examine two examples of how the lecture notes on ethics (i. e., moral philosophy) can help us understand Kant’s distinction between Enthusiasmus and Schwärmerei. Herder’s practical philosophy transcription (from winter semester 1763/1764 and/or the start of winter semester 1764/1765) contains Kant’s distinction between the Enthusiast and the Fanatiker. It puts the “Schwärmer, Fantasten, Phanaticer” together in one group, suggesting a synonymous use of Schwärmer and Fantasten: “Enthusiast, und Fanatiker – Viele halten oft Phantastereien und eigne Urteile vor Empfindungen einer göttlichen Einwirkung, und heißen alsdenn Schwärmer, Fantasten, Phanaticer.” (V-PP/Herder, AA 27.1: 21; not translated in Lectures on Ethics [“Enthusiast, and Fanatic – Many often take fantasies and their own judgments to be sensations of a divine influence, and then are called fanatics, fantasts, Phanaticer.”]) The transcription claims that, unlike the Enthusiast, the Fanatiker can become schwärmerisch: “Ein Enthusiast darf also nicht unmittelbare göttliche Einwirkung glauben; Fanatiker aber wird blos daher schwärmerisch.” (“An enthusiast thus should not believe in an immediately divine influence; but the fanatic becomes simply fanatical from it.”) Kant then accuses the author, Alexander Baumgarten, 66 of missing this very distinction. “Der Autor verwechselt beide, und hält sie blos im Grad unterschieden.“ (V-PP/Herder, AA 27.1: 21; not translated in Lectures on Ethics; [“The author confuses the two and takes them to differ merely in degree.”]) If the Fanatiker/Enthusiast distinction is so important to Kant that he makes this remark in a lecture, it seems obvious that translators should convey that distinction as well. In the Powalski lecture notes on practical philosophy, written about two decades later (1782/1783) (V-PP/Powalski, AA 27.1: 175–177; not translated in Lec­ 66

Alexander Baumgarten’s Introduction to First Practical Philosophy and the Philosophi­ cal Ethics were both used in Kant’s moral philosophy course, which Herder took between 1762 and 1764. The two Baumgarten texts are: Alexander Gottlieb Baumgarten: Initia philosophiae practicae primae acroamatice. Halle 1760; and Alexander Gottlieb Baumgarten: Ethica philosophica. Halle 1740 [2nd ed. 1751; 3rd ed. 1763]. Cf. Steve Naragon: Kant’s Lectures by Discipline. In: Kant in the Classroom [note 11].

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tures on Ethics), we find a distinction between Enthusiasm and Fanatismus according to which enthusiasm is opposed to moderation in religious conviction, and fanaticism opposed to reason. “Der Enthusiasmus ist opponirt der Müßigkeit in Ansehung der Gesinnungen der Religion. Der Fanatismus ist der Vernunft opponiret” (V-PP/Powalski, AA 27.1: 175 [“Enthusiasm is opposed to moderation with regard to religious convictions. Fanaticism is opposed to reason.”]) Likewise, a section (sec. 11) called “Fanatismus” is devoted not to the topic of the Enthu­ siast and Enthusiasmus, but to the Schwärmer and Schwärmerey (V-PP/Powalski, AA 27.1: 176). Finally, we find a distinction between Enthusiasmus and Schwär­ merey according to which Schwärmerey is a kind of derangement, but Enthusias­ mus is not: “Der Enthusiasmus ist eine Art von Verrückung. Er ist es zwar noch nicht; er ist es aber auf dem Wege, und dieses ist auch die Schwärmerey.“ (V-PP/ Powalski, AA 27.1: 177 [“Enthusiasm is a form of derangement. While not yet derangement, it is nevertheless is on the way to it, and the latter is also fanaticism.”]) As indicated, the terms Enthusiasmus and Schwärmerei were not translated uniformly across the several translations in Lectures on Anthropology. (As mentioned, there is also inconsistency with other Cambridge Edition volumes. For instance, Schwärmerei is translated as ‘visionary rapture’ in the third Critique [KU, AA 05: 275], but in other translations in the Cambridge Edition it is typically rendered as ‘enthusiasm’ or ‘fanaticism’). Here are just a few among many examples of the inconsistencies within Lec­ tures on Anthropology. In the lectures on anthropology, Kant offers several descriptions of fanaticism. The Friedländer lecture (1775/1776) states: Der Phantast bildet sich ein, Gegenstände dieser Welt zu sehen, der Schwärmer aber glaubt Gegenstände der Geisterwelt zu sehen. (V-Anth/Fried, AA 25: 528)

This is rendered thus by the translator (Felicitas Munzel): The fantast fancies he sees objects of this world, but the enthusiast believes he sees objects of the spirit world. (Munzel translation 94)

Thus, Munzel uses ‘fantast’ to translate Phantast and ‘enthusiast’ for Schwärmer. But this strategy shows its weakness when in the very same lecture we read: So nobel der Enthusiast ist, so niedrig ist der Schwärmer. Der Enthusiast hat doch ein wahres Urbild zum Gegenstande, dieser aber folgt Undingen und Hirngespinsten […]. Alle Schwärmer haben keine richtige Philosophie, wohl aber die Enthusiasten, nur sie folgen ihren richtigen Begriffen mit vollem Affect. (V-Anth/Fried, AA 25.1: 531)

Munzel translates it thus:

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As noble as is the enthusiast [Enthusiast], so base is the fanatic [Schwärmer]. The enthusiast [Enthusiast] has after all a true archetype as his object, but the fanatic [dieser] follows absurdities and figments of the mind. […] All fanatics [Schwärmer] have no correct philosophy, but the enthusiasts [Enthusiasten] indeed do, only they follow their correct concepts with complete affect.” (Munzel translation 95)

This situation strongly suggests that the ‘fanatic’ (not the ‘enthusiast’) is the better choice for Schwärmer, since it leaves ‘enthusiast’ for Enthusiast. Indeed, in this case Munzel opts for ‘fanatic’. In the 1784/1785 anthropology lecture, Kant criticizes Alexander Baumgarten, whose Metaphysica he used as the textbook for the course (cf. V-PP/Herder, AA 27.1: 21, above). “Der Autor vermischt den Enthusiasmus mit den Schwärmern oder Visionären.” (V-Anth/Mron, AA 25.2: 1287 [“The author [Baumgarten] conflates enthusiasm with fanatics [Schwärmern] or visionaries.” Clewis translation 404]) Once again, it would be unfortunate if the translation of Schwärmerei into English further contributed to confusing Enthusiasmus with Schwärmerei. The Mrongovius anthropology transcription contains a claim that is nearly identical to a claim found in third Critique. “Beim Enthusiasten ist die EinbildungsKraft wohl zügellos d i ohne Schranken aber nicht regellos Beim Träumer ist die EinbildungsKraft regellos.” (V-Anth/Mron, AA 25.2: 1262 [“With enthusiasts [Enthusiasten], the power of imagination is no doubt unreined, that is, without limits, but not unruled. With the dreamer, the power of imagination is unruled.” [Clewis translation 387]) Later in the same lecture, this characterization of the Enthusiast re-emerges: “Hat der Melancholiker viel Verstand so wird er ein Enthusiast hat er wenig Verstand so wird er ein Phantast oder Schwärmer beim Enthusiasten ist die EinbildungsKraft zügellos beim Phantasten regellos. Das erstere kann ich noch zähmen denn es ist bloße Uebertreibung der Regeln das letztere aber nicht denn es ist ohne alle Regeln” (V-Anth/Mron, AA 25.2: 1373 [“If the melancholic has a great deal of understanding, he becomes an enthusiast [Enthusiast]; if he has little understanding, he becomes a fantast [Phantast] or fanatic [Schwärmer]. With the enthusiast [Enthusiasten], the power of imagination is unreined; with the fantast, it is unruled. I can still tame the former, for it is mere exaggeration of the rules, but not the latter, for it is without all rules.” [Clewis translation 470]). This passage reveals again the strong advantages of translating Enthusiast with ‘enthusiast’ and Schwärmer with ‘fanatic’. Indeed, elsewhere the Mrongovius transcription makes Schwärmerei and Fa­ natismus appear to be synonyms pure and simple. “Die Schwärmerei oder der Fanatismus komen auch aus dieser Quelle her” (V-Anth/Mron, AA 25: 1219; cf. Clewis translation 351). This, too, seems to settle the matter.

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Schwärmerei and Enthusiasmus

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One final phrase from the Mrongovius transcription, “Schwaermereyen der Fanatiker”, suggests a very close association between Schwärmerei and fanaticism: Ein Mensch wird oft, wenn er tief meditirt so in Unordnung gerathen, daß ihm Gedancken durch den Kopf laufen, die er sich gar nicht erklären kann, wie sie hergekommen sind. Weil sie nun keine Ursache davon in sich entdeken können; so suchen sies in andern Dingen. Aus dieser Täuschung sind alle die Schwärmereyen der Fanatiker von innern Empfindungen eines göttlichen Lichts ZE der Schuster Böhme. (V-Anth/Mron, AA 25.1: 1257) A human being, when he meditates deeply, often gets into such disorder that thoughts run through his head whose origin he cannot explain to himself. Now because they can discover no cause within themselves, they look for it in other things. All the fanaticisms of the fanatics [Schwärmereyen der Fanatiker] of inner sensations of a divine light, for example, the cobbler Böhme, come from this delusion. (Clewis translation 382, modified)

The expression Schwärmereyen der Fanatiker was rendered as ‘fanaticisms of the fanatics’. This admittedly awkward expression is far from a perfect rendering, but I settled on it for the sake of consistency. Stephen Palmquist questions this rendering. 67 He claims that if Schwärmerey and Fanaticism “were synonyms”, this phrase “would be redundant (‘fanaticisms of the fanatic’ [sic]).”68 But this strikes me as not being completely correct. To see this, replace the term not just with a synonym, but (making Palmquist’s case even stronger) replace it with a different form of the same word, such as ‘the dogmatism of the dogmatists’. This is not totally redundant. Rather, the phrase picks out what the dogmatists have which makes them dogmatists (namely, dogmatism). Similarly, we can say that it is the Schwärmereyen that make the Fanatiker fanatics. The repetition in the English version is admittedly not ideal (partly because of the -ism). But it is neither completely redundant nor nonsensical and without meaning. The -ism in fanaticisms makes this rendering awkward in English, since -ism makes one think of a position or doctrine, i. e. what Locke and Hume had in mind, whereas Schwärmereyen here captures something more like a mental, trancelike state involving private inspirations or illuminations. The phrase ‘fanaticisms of the fanatics’ is thus far from perfect; perhaps something like ‘inspirations of the 67

Stephen Palmquist: Comprehensive Commentary on Kant’s Religion within the Bounds of Bare Reason. Chichester 2016. 520 f. Palmquist suggests translating Schwärmerei as ‘de­ lirium’. 68 Palmquist: Comprehensive Commentary [note 67] 521. Thanks to Steve for comments and discussion on this point.

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fanatics’ would be better. For the plural form Schwärmereyen suggests something like whims, illuminations, or fantasies. Moreover, the English -ism does not fully capture the idea that we are dealing with the product of the fanatic’s activity, the inspired ravings. This active connotation of Schwärmereyen (which is also present in the verb schwärmen, to swarm, and in the noun Schwarm, swarm) will be absent in any -ism word. In any case, ‘fanaticisms’ was chosen here for the sake of consistency. The phrase Schwärmereyen der Fanatiker appears in a lecture (and only there), so this one-time concession did not seem too onerous. VII.  Anthropology from a Pragmatic Point of View

Kant oversaw the publication of Anth (Anthropology from a Pragmatic Point of View [1798]), and it was based on Kant’s own set of lecture notes. Thus, the publication deserves to be seen as more authoritative than the lectures on logic (1800, edited by Jäsche), lectures on physical geography (1802, edited by Rink), and lectures on pedagogy (1803, also edited by Rink). At the same time, it is important to bear in mind that the material still derives from a university course and that the manuscript is in the end still based on a set of lecture notes (referred to as H, or also the Rostock manuscript), even if they are Kant’s own. Anthropology has been completely translated three times in English in recent decades, by Dowdell, Gregor, and Louden.69 For the sake of space, I discuss primarily the most recent of these, the one carried out by Louden for the Cambridge Edition. As with Munzel above, we see Louden generally prefers to gloss Schwär­ merei as ‘enthusiasm’ but struggles to make the Enthusiasmus/Schwärmerei distinction without rendering Schwärmerei as ‘fanaticism’. Consider this passage in which Kant characterizes the Phantast and the Enthusiast. “Wer bei seinen Einbildungen die Vergleichung mit den Gesetzen der Erfahrung habituell unterläßt (wachend träumt), ist Phantast (Grillenfänger); ist er es mit Affect, so heißt er Enthusiast.“ (Anth, AA 07: 202 [“Whoever habitually neglects to compare his imaginings with laws of experience (who dreams while awake) is a visionary [Phantast] (a melancholic [Grillenfänger]); if he does so with affect, he is called an enthusiast [Enthusiast].” [Louden translation 309]). Here, ‘enthusiast’ for Enthusiast is the obvious choice. But, a few lines later we find a revealing passage:

69 Kant: Anthropology from a Pragmatic Point of View. Trans. by Mary J. Gregor. The Hague 1974. Anthropology from a Pragmatic Point of View. Trans. by Victor Lyle Dowdell. London 1978. Finally, Anthropology from a Pragmatic Point of View. Trans. by Robert Louden. In: Anthropology, History, and Education [note 54] 231–429.

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Wahnsinn mit Affect ist Tollheit, welche oft original, dabei aber unwillkürlich anwandelnd sein kann und alsdann, wie die dichterische Begeisterung (furor poeticus) an das Genie gränzt; ein solcher Anfall aber der leichteren, aber ungeregelten Zuströmung von Ideen, wenn er die Vernunft trifft, heißt Schwärmerei. Das Hinbrüten über einer und derselben Idee, die doch keinen möglichen Zweck hat, z. B. über den Verlust eines Gatten, der doch ins Leben nicht zurückzurufen ist, um in dem Schmerz selbst Beruhigung zu suchen, ist stumme Verrücktheit. – Der Aberglaube ist mehr mit dem Wahnsinn, die Schwärmerei mit dem Wahnwitz zu vergleichen. (Anth, AA 07: 202–203) [italics added] Dementia accompanied by affect is madness, whose fits, though involuntary, can often be original and which then, like poetic rapture (furor poeticus), border on genius. But an attack like this of a gentle but unregulated flow of ideas, if it strikes reason, is called enthusiasm70 [Schwärmerei]. Brooding over one and the same idea when there is no possible point to it, e. g., over the loss of a spouse who cannot be called back to life, in order to seek peace in the pain itself, is dumb mad­ ness. – Superstition is more comparable with dementia, fanaticism [Schwärmerei] with insania. (Louden translation 309 f.)

To translate the second instance of Schwärmerei, Louden switches to ‘fanaticism’. Schwärmerei is not even consistently translated in the same paragraph.71 Surely this is a sign that something has gone wrong. Interestingly, in this passage Kant claims that Aberglaube – not Enthusiasmus – is comparable to Wahnsinn (“Der Aberglaube ist mehr mit dem Wahnsinn […] zu vergleichen.“). Thus, the passage differs in an important respect from another one that is otherwise very similar. According to the following third Critique passage (1790), it is Enthusiasm, not Aberglaube, that is comparable to Wahnsinn. Wenn der Enthusiasm mit dem Wahnsinn, so ist die Schwärmerei mit dem Wahnwitz zu vergleichen. (KU, AA 05: 275) If enthusiasm can be compared with the delusion of sense [Wahnsinn], then visionary rapture is to be compared with the delusion of mind [Wahnwitz]. (Guyer/ Matthews translation 157)

70

Gregor: Kant: Anthropology [note 69]: ‘fanaticism’ (74). In translating Menschenkunde in Lectures on Anthropology, Louden (cf. AA 25:1161; Louden 299) creates a revealing linguistic footnote: “fanatisme. Menschenkunde reads: He is enthusiastic in religion, in friendship, and in patriotism, out of which ultimately fanaticism springs.” (“Er ist enthusiastisch in der Religion, in der Freundschaft, in der Vaterlandsliebe, woraus zuletzt Fanatismus entspringt.”) 71

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There is no mention of Enthusiasm in the 1798 passage found in the Anthropol­ ogy. Perhaps in 1798 Kant considered enthusiasm to be even less reproachable than he thought it was in 1790. Indeed, in other places in Anthropology, we find a more positive view of En­ thusiasm, to counterbalance the otherwise negative remarks72 that Kant makes about Enthusiasm. After claiming that since affects lack the guidance of reason it would be wrong to foster them on purpose, Kant offers a surprisingly positive characterization. As in KU (AA 05: 275), Kant uses the term Enthusiasm (cf. also Anth, AA 07: 269): Nevertheless, reason, in representing the morally good by connecting its ideas with intuitions (examples) that have been imputed to them, can produce an enlivening of the will (in spiritual or political speeches to the people, or even in solitary speeches to oneself). Reason is thus enlivening the soul not as effect but rather as cause of an affect in respect to the good, and reason still always handles the reins, causing an enthusiasm [Enthusiasm] of good resolution – an enthusiasm which, however, must be attributed to the faculty of desire and not to affect, as to a stronger sensible feeling. (Anth, AA 07: 253–254; Louden translation 356)73

The end of this passage is admittedly puzzling (since Kant refers to an “affect in respect to the good” and then denies that enthusiasm counts as an affect), but this need not detain us here. It is as if Kant, having witnessed the establishment of a republic in Europe, the First French Republic – even while recognizing the Revolution’s violence, regicide, and its bloody aftermath in the Reign of Terror – gives a more positive view of enthusiasm as issuing from, and guided by, reason. Indeed, in Conflict of the Faculties (also from 1798) Kant interprets enthusiasm in response to the Republic as 1) morally based and directed to the morally ideal 72

For his negative remarks, cf. KU, AA 05: 273; Anth, AA 07: 202; Anth, AA 07: 314; and MS, AA 06: 408 f. 73 “Gleichwohl kann die Vernunft in Vorstellung des Moralisch-Guten durch Verknüpfung ihrer Ideen mit Anschauungen (Beispielen), die ihnen unterlegt werden, eine Belebung des Willens hervorbringen (in geistlichen oder auch politischen Reden ans Volk, oder auch einsam an sich selbst) und also nicht als Wirkung, sondern als Ursache eines Affects in Ansehung des Guten seelenbelebend sein, wobei diese Vernunft doch immer noch den Zügel führt, und ein Enthusiasm des guten Vorsatzes bewirkt wird, der aber eigentlich zum Begehrungsvermögen und nicht zum Affect, als einem stärkeren sinnlichen Gefühl, gerechnet werden muß.” (Anth, AA 07: 253 f.) – Louden (Anth, AA 07: 132; Louden translation 243) adds a footnote commenting on rendering Schwärmerei as ‘enthusiasm’, as if admitting that the latter is not the most suitable translation. He writes: “‘Enthusiasm’ is the traditional rendering for Schwärmerei. However, throughout the Enlightenment, ‘enthusiasm’ often was meant in a sense closer to our ‘fanaticism’.” A similar note by Louden is found at page 295 of his translation (on Anth, AA 07: 187).

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(the idea of right), and 2) as a morally significant indication of human progress in history. He characterizes it thus: “Genuine enthusiasm always moves only toward what is ideal and, indeed, to what is purely moral, such as the concept of right, and it cannot be grafted onto self-interest.” (SF, AA 07: 86; Gregor/Anchor ­translation 303)74 VIII. Conclusion

The foregoing survey and discussion of passages reveals the clear advantages of translating Enthusiasmus with ‘enthusiasm’ and Schwärmerei with ‘fanaticism’. While translators who opt for ‘enthusiasm’ may put forward historical reasons for doing so, this does not settle the matter, since even Hume, Shaftesbury, and Mendelssohn discuss fanaticism and enthusiasm together in the same sentences or paragraphs. Moreover, Shaftesbury uses enthusiasm in two very different senses, one more positive, the other negative. While Schwärmerei may come close to capturing the more negative sense of enthusiasm, it would seem that Schwärmerei differs clearly from enthusiasm in Shaftesbury’s positive sense, where enthusiasm refers to what is sublime in the human passions. I conclude with a conjecture. Kant could have chosen the then popular term Fanatismus instead of Schwärmerei. Why did he not generally opt for Fanatismus? Perhaps he was reacting to the fact that Fanatismus (French: fanatisme) was at the time a key word for political campaigning (a politischer Kampfbegriff), as Garve’s comments on fanaticism reveal. Perhaps Kant did not want his philosophical use of the term to be associated with those political debates. While Schwärmerei could also eventually be connected to controversial political notions and even revolutionary ideas, perhaps he thought that the term was less directly associated with them. It is also possible that Schwärmerei, moreover, had some anti-pietistic connotations that Kant was willing to embrace as he was laying out his critique of certain forms of mysticism.75

74

“[…] daß wahrer Enthusiasm nur immer aufs Idealische und zwar rein Moralische geht, dergleichen der Rechtsbegriff ist, und nicht auf den Eigennutz gepfropft werden kann.” (SF, AA 07: 86) For an interpretation of this enthusiasm, cf. Clewis: The Kantian Sublime and the Revelation of Freedom. Cambridge 2009. 75 I am grateful to Gisela Schlüter for this suggestion. Thanks to Gisela Schlüter and Hansmichael Hohenegger for their comments on this chapter.

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Der Witz-Begriff bei Kant und das Problem seiner Übersetzung ins Portugiesische Fernando M. F. Silva I.  Witz bei Kant

Die Wort- und Begriffsgeschichte von Witz ist gründlich erforscht worden, und das Wortfeld um dt. Witz, frz. esprit, engl. wit etc., das im Zeitalter der Aufklärung erheblich differenziert und als Ganzes transformiert wurde, ist von der Historischen Semantik gründlich ausgeleuchtet worden.1 Auch Kants Verwendung der Begriffe Witz und ingenium sowie seine Wortbildungen im Wortfeld des Witzes sind mehrfach Gegenstand der Forschung gewesen. 2 Das Thema wurde im KantLexikon 2015 von Robert Nehring noch einmal zusammenfassend dargestellt. 3 Im Folgenden sollen zunächst einige Bestimmungsstücke des kantischen WitzBegriffes in Erinnerung gerufen werden, bevor die Frage nach der Übersetzung des Witz-Begriffs ins Portugiesische gestellt wird. Die wichtigsten Quellen für Kants Ausführungen zum Witz mit Bezug auf die Vermögen der Urteilskraft und der Einbildungskraft sind seine Anth (1798) und seine Vorlesungen zur Anthropologie (1772–1796; AA 25. 1, 2) sowie entsprechende handschriftliche Quellen. Im Folgenden muss von der schwierigen Frage abgesehen werden, wie sich das Konzept des Witzes in Kants Schriften entwickelt hat, und ebenso von quellentypologischen Differenzierungen zwischen publizierten Texten, Nachschriften und handschriftlichen Aufzeichnungen. Vielmehr geht es darum, den Begriff in Umrissen so weit zu rekonstruieren, dass sich die Frage nach seiner Übersetzbarkeit semantisch präzise stellen lässt. 1 Vgl.

u. a. Thomas Hecken: Witz als Metapher. Der Witz-Begriff in der Poetik und Literatur-Kritik des 18. Jahrhunderts. Tübingen 2005. 2 Wolfgang Ritzel: Kant über den Witz und Kants Witz. In: Kant-Studien 82 (1991). 102– 109. Gottfried Gabriel: Der ›Witz‹ der reflektierenden Urteilskraft. In: Frithjof Rodi (Hg.): ­Urteilskraft und Heuristik in den Wissenschaften. Beiträge zur Entstehung des Neuen. Weilerswist 2003. 197–210. Manuel Sánchez Rodríguez: Witz und reflektierende Urteilskraft in Kants Philosophie. In: Stefano Bacin u. a. (Hg.): Kant und die Philosophie in weltbürgerlicher Absicht. Akten des XI. Internationalen Kant-Kongresses 2010, 5 Bde. Berlin/N.Y. 2013. 487–496. 3 Robert Nehring: Art. Witz. In: Kant-Lexikon. Hg. von Marcus Willaschek/Jürgen Stolzenberg/Georg Mohr/Stefano Bacin. Berlin/N.Y. 2015. Bd. 3. 2675–2677.

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Grundlegend ist das Verhältnis von Witz und Urteilskraft. Hier sei zunächst an den Passus in der Analytik der Grundsätze (KrV A 133/B 172) erinnert, in dem die Urteilskraft als Mutterwitz figuriert (›dessen Mangel keine Schule ersetzen kann‹), sodann an die KU, wo determinierende und reflektierende Urteilskraft voneinander abgegrenzt werden und von wo her der Witz als eine Form der reflektierenden Urteilskraft verstanden werden kann. In der Scharfsinnigkeit ist der Witz mit der Urteilskraft verbunden, und es ist die Urteilskraft, die aus dem nur spielenden einen ›schöpferischen Witz‹ macht. 4 Die Phantasie, so Kant, »ist einer rastlosen Tätigkeit gleich, sie ist gleichsam ein Strom von Bildern, der unaufhörlich dahin fließt. Dieser Bilder sind wir uns zuweilen bewusst, zuweilen auch nicht, hier macht ein Bild das andre rege, und das geht ohne Ende so fort.« (AA 25.1: 314). In diesem Strom von Bildern, die »im Kopfe« aneinander »angränzen« (AA 25.1: 311), erzeugt der Witz Strudel, Wirbel: Er erzeugt Vergleiche, sei es zwischen vom Verstand akzeptierten Bildern, sei es zwischen anderen, deren Verbindung rational betrachtet obskur oder gar absurd ist. Nun wählt der Witz im ›Getön‹ dieses Strudels nicht nur rationale oder nur der Phantasie entsprungene Bilder aus, er spielt nicht nur, scheinbar ziellos, »mit den Äußerlichkeiten der Dinge« (AA 25.1: 317). Im Gegenteil, der Witz spielt wirklich, aber nach Kant spielt er, indem er dem Verstand, einer anderen Seite seiner selbst, gehorcht, er spielt nach gewissen Regeln des Verstandes, indem er eine wirkliche, sich nicht auf willkürliche Anzeichen stützende Ähnlichkeit zwischen den Dingen ausfindig macht (ebd. 318).5 Mit Hilfe des Witzes tauchen im Geist Inspirationen, Vorstellungen auf, die, so könnte man sagen, gleichzeitig etwas Offensichtliches und etwas Seltsames an sich haben, die singulär sind und doch in einer gewissen intellektuellen Verbindung mit dem erwähnten Wissensbestand stehen. D. h., der Witz schafft Bilder, die gleichzeitig wahr und nicht wahr, gleichzeitig real und nicht real sind; er täuscht uns also und verbindet uns gleichwohl mittels einer Empfindung und einer Rationalität, die sich von der allgemeinen Empfindung und der Rationalität unterscheiden, auf eine andere Art mit der ­Realität. Und dies ist für Kant das Ergebnis des Gleichgewichts zwischen der Phantasie und dem Verstand gehorchenden Kräften, das im Witz sein Zentrum hat. Daraus ergeben sich spezifische Reaktionen der Urteilskraft und des Verstandes. Die Urteilskraft begleitet nämlich diesen Prozess als unverzichtbare Gegenkraft, im Interesse der Wahrung einer normalen Disposition des Geistes. Indem sie aber im Witz nicht nur Sonderbares, sondern auch eine Verbindung zur Wahrheit, nicht nur Imagination, sondern auch Verstand am Werke sieht, kurz, 4

Vgl. Nehring: Art. Witz [Anm. 3] 2676 f. (unter Rekurs auf Refl 471, AA 15: 194). »Wenn man durch eine Aehnlichkeit eine Sache reproduciren will, so muß es eine wahre Aehnlichkeit in den Sachen, nicht aber in willkührlichen Zeichen seyn.« (AA 25.1: 318) 5

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Der Witz-Begriff bei Kant und das Problem seiner Übersetzung ins Portugiesische 679

mit dieser so einzigartigen Hybridität des Witzes konfrontiert wird, sieht sich die Urteilskraft außer Stande, diese Bilder gänzlich zu ignorieren. 6 In diesem Augenblick, so Kant, reduziert der Verstand seine Wachsamkeit. Er verliert sozusagen für wenige für ihn selbst und den menschlichen Geist nicht wahrnehmbare Augenblicke den Halt und fällt auf den witzigen Effekt des Witzes herein. Jetzt triumphiert also der Witz über den Verstand, wenn auch nur momentan und scheinbar. Wieso diese Einschränkung? Weil der Verstand, wenn der Sturm der Bilder erst einmal vorüber ist und er wieder Tritt gefasst hat, zwar wirklich überrascht, aber nicht besiegt ist. Denn obwohl die Bilder des Witzes etwas scheinbar Illusorisches an sich haben, bergen sie doch bei aller Illusion auch so etwas wie ein Analogon zur Wahrheit (AA 25.1: 323), einer Wahrheit, die, weil sie in reicherem und exotischerem Gewande als zu erwarten auftritt, so außerordentlich scheint, dass die Urteilskraft sie nicht verwerfen kann. Wenn der Verstand also wieder bei sich ist, erkennt er, dass die Bilder des Witzes weder ganz absurd noch ihm, dem Verstand, so entgegengesetzt sind, wie es zunächst schien. Im Gegenteil: Sie sind, wie gesagt, Teil eines Spiels der phantasievollen Belebung von durch den Witz in Bewegung gebrachten Bildern unter der Regie des Verstandes selbst. Eines Spiels also, das nicht schädlich sein kann, sondern unerwarteten Gewinn bringt. Weil er das sieht, begreift der Verstand, dass er immer die Kontrolle über sich und die ganze Situation innehatte; und indem er wieder zu seiner normalen Funktion zurückkehrt, entdeckt er, dass die Episode des Witzes ihm nicht nur nicht geschadet und ihn nicht nur nicht ärmer gemacht hat, sondern ihn vielmehr mit neuen lebendigeren Bildern der Dinge bereichert hat, die er entweder in üblicheren Gestalten schon kannte oder überhaupt noch nicht kannte. Und so sehen sich Verstand und Erkenntnis dank einem unerwarteten Fortschritt bereichert. Kant hat dem Witz eine begrenzte, aber eminent kreative Rolle zuerkannt; eine zwischen anderen niedereren Geistesvermögen wie dem Genie, der produktiven Imagination, dem Geschmack vermittelnde Rolle, aber nicht nur hinsichtlich dessen, was an diesen Vermögen imaginativ ist, sondern auch hinsichtlich dessen, was in ihnen einer intellektuellen Erkenntnis zugänglich ist – also die Rolle eines Wegbereiters von Neuem, Schöpferischem und Unerhörtem, aber von einem Neuen, Schöpferischen und Unerhörten, das den Zwecken des Verstandes und der Vernunft dient und dem also ein Zweck innewohnt. Der Effekt des Witzes ist für Kant dem Effekt der poetischen Illusion vergleichbar, der Witz ist also von Natur aus po(i)etisch. Witz und Poesie ist eigentümlich, dass sie dem Geist geläufige Gegenstände in anderem, sinnlicherem, nie 6 »Der Witz öffnet ein Feld zu Aussichten, er paart die Dinge, er giebt einem Einfall die Krafft eine Menge von andern in Bewegung zu setzen und schafft neue Ideen; die UrtheilsKrafft soll die unbedachtsamen Ausschweifungen des Witzes hemmen und in Ordnung bringen.« (AA 25.1: 135)

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zuvor gesehenem Gewande vorstellen und sie so für ihn erneuern und wiederbeleben. Wie die Poesie, scheint der Witz etwas Unaussprechliches auszudrücken und allgemein mitteilbar zu machen. Er universalisiert, was ephemer, individuell und einmalig zu sein scheint.7 Der Witz ist also keine Frucht des Zufalls und verharrt nicht in seiner Singularität, vielmehr strebt er nach Übereinstimmung, Harmonie des Ganzen und dem Vergnügen, das damit einhergeht. Wie die Poesie, verschreibt sich auch der Witz letztlich einem übergeordneten Plan, er ist Teil der Vernunft und immer auf dem Weg zu ihr. Der Witz ist etwas Einmaliges. In seinem Wechselspiel mit anderen Vermögen etabliert er eine neue Beziehung zwischen Verstand und Imagination, die ein neues sinnlicheres und wahreres Bild des Gegenstandes liefert, das sich auf nicht-arbiträre Züge stützt. Kant greift ein witziges Bild Swifts auf, wenn er von dem treffsicheren Nagen der Würmer an den Nerven spricht, welche den Witz generieren. 8 II.  Der Fall des Portugiesischen: der kantische Witz

Die Übersetzung des Begriffes Witz ins Portugiesische verlangt nach einem kurzen Kommentar. Jeder Leser, egal welcher Muttersprache, der bei Kant oder bei den deutschen Idealisten und Romantikern, die in seiner Nachfolge einen so wichtigen Gebrauch vom Begriff des Witzes gemacht haben, auf diesen Begriff stößt, wird bemerken, dass seine Übertragung in andere Sprachen Schwierigkeiten bereitet. Der nahe liegende Begriff ingenium ist gleichursprünglich mit Genie, und obwohl er immer eine Begabung oder eine besonders herausragende Eigenschaft meint, handelt es sich doch nicht immer um dieselbe Eigenschaft. Der Witz partizipiert vielmehr an weiten Teilen des Spektrums der menschlichen Erkenntnisvermögen – Verstand, Einbildungskraft, Urteilskraft. Der Witz bezeichnet ein Vermögen, das bald im Einklang mit, bald in momentaner Opposition zu anderen niedereren oder höheren Vermögen mit diesen interagiert.9 7 Man

vergleiche dazu die Ausführungen Kants in der KU: »so besteht das Genie eigentlich in dem glücklichen Verhältnisse, welches keine Wissenschaft lehren und kein Fleiß erlernen kann, zu einem gegebenen Begriffe Ideen aufzufinden und andrerseits zu diesen den Ausdruck zu treffen, durch den die dadurch bewirkte subjective Gemüthsstimmung, als Begleitung eines Begriffs, anderen mitgetheilt werden kann.« (KU, AA 05: 317) 8 »Es kommt also bey diesem Vermögen würklich etwas auf die physische Beschaffenheit unsers Gehirns an, und es ist nicht unrichtig wenn Swift in seinen physikalischen Betrachtungen von der Dichtkunst sagt: daß das Gehirn der Poeten mit Würmern angefüllet sey, die durch das verschiedene Nagen der Nerven, verschiedene Einfälle zu wege bringen.« (V-Anth/ Parow, AA 25.1: 311). 9 Vgl. Vf.: ›Ein Spiel der Sinnlichkeit, durch den Verstand geordnet‹. Kant’s Concept of

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Der Witz-Begriff bei Kant und das Problem seiner Übersetzung ins Portugiesische 681

Angesichts eines so spezifischen und schwer zu entschlüsselnden kantischen Terminus entstehen naturgemäß für den Übersetzer Schwierigkeiten. Nicht einmal das englische ›wit‹ (vgl. das althochdeutsche wizzi) kann den Begriff Witz adäquat wiedergeben. Spanische Übersetzer sind dem Begriff ingenium, den Kant verschiedentlich als Synonym von Witz anführt, gefolgt und haben den Begriff ›ingenio‹ gewählt.10 Noch komplizierter liegt der Fall im Französischen. Wenn Kant über französische Synonyme von Genie nachdenkt, schließt er ›esprit‹ aus, denn: »Die Franzosen können das Wort Geist nicht gebrauchen, weil bei ihnen Esprit so viel als Witz bedeutet; der Witz aber ist beim Genie nicht das Vorzüglichste.« (AA 25.2: 1056) Im Falle des Portugiesischen ergibt sich nun aber, verglichen mit dem Spanischen, eine Schwierigkeit. Wenn man dem spanischen Weg folgen und an den ingenium-Begriff anknüpfen wollte, dann müsste man das im Portugiesischen geläufige, etymologisch in ingenium wurzelnde Wort ›engenho‹ als Übersetzung von Witz wählen. Portugiesisch engenho hat aber ein breites Bedeutungsspektrum (breiter als ingenio im Spanischen), das zwar durchaus auch Einfallsreichtum und Witz bezeichnet, aber bis hin zu technischen Inventionen reicht. Da Witz (ingenium) bei Kant ein terminus technicus ist, ist ›engenho‹ als Übersetzung problematisch. Dieses Problem könnte mit einem künstlich etymologisierenden Terminus gelöst werden. Das könnte der Terminus *ingénio sein, der mit dem spanischen ingenio verwandt wäre und auch das Genie und den dem Genie eigenen Witz umfassen würde. Nun verfügt aber das Portugiesische im Gegensatz zum Spanischen nicht über dieses Wort, und es als gelehrte etymologisierende Wortneubildung einzuführen, würde bedeuten, die Hindernisse, die Langsamkeit und die Unsicherheiten in Kauf zu nehmen, die die Einführung eines Neologismus immer mit sich bringt. Neben der Option, den Terminus gar nicht zu übersetzen und stattdessen einfach Witz zu übernehmen, verbliebe, wenn man die zuletzt genannte Option verwirft, die wie gesagt nicht unproblematische, aber doch nächstliegende Option, auf port. ›engenho‹ zurückzugreifen, die Wurzel geniu- des Wortes beizubehalten und den Begriff an das altehrwürdige (schon bei Camões vorkom-

Poetry and the Anthropological Revolution of Human Imagination. In: Gualtiero Lorini/ Robert B. Louden (Hg.): Knowledge, Morals and Practice in Kant’s Anthropology. Basingstoke, Hampshire/N.Y. 2018. 117–132. 10 Das span. ›ingenio‹, das sich trotz der gemeinsamen Wurzel von span. genio unterscheidet, gibt den Terminus ganz offensichtlich korrekt wieder. Und so wird der Terminus z. B. von Manuel Sánchez Rodríguez, dem Übersetzer der kantischen Vorlesungen zur Anthropologie, wiedergegeben. Vgl. Kant: Lecciones de Antropología. Fragmentos de Estética y Antropologia. Übers. von Manuel Sánchez Rodríguez. Granada 2015. Passim. – Zu den Übersetzungsmöglichkeiten von Witz in den romanischen Sprachen vgl. auch den Beitrag von Iris Plack im vorliegenden Band.

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mende) engenho (das Geistreiche) anzuschließen, um so den kreativ-po(i)etischen Effekt des Witzes in Gang zu setzen. Genau dafür haben sich – vernünftigerweise – alle die (wenigen) Kant-Übersetzer in ihren Übersetzungen entschieden, die den Begriff Witz ins Portugiesische übersetzen mussten.11 Wenn der umsichtige Übersetzer das deutsche Wort Witz in eckigen Klammern zu ›engenho‹ hinzufügt und seine Entscheidung eventuell noch in einer Fußnote rechtfertigt bzw. einen entsprechenden Eintrag in einem zweisprachigen Glossar vornimmt, scheint das Problem der Übersetzung des deutschen Wortes Witz ins Portugiesische und das noch größere, es in der Bedeutung zu übersetzen, die es bei Kant hat, auf die bestmögliche Weise gelöst zu sein. Interessant wäre es zu eruieren, wie in den portugiesischen Übersetzungen die mit dt. -witz zusammengesetzten Wörter übersetzt werden: Mutterwitz,12 dem französischen bon sens entsprechend, ein Gegenbegriff zu Dummheit,13 dann auch Aberwitz, Wahnwitz – die beiden letztgenannten Wörter sind semantisch von Witz weit entfernt – und Witzwörter, von Kant gewählt als deutsche Entsprechung zu frz. bons mots (vgl. AA 07: 221). Aus dem Portugiesischen übersetzt von Jürgen Lang

11

Das gilt für: Kant: O Belo e o Sublime. Ensaio de Estética e Moral. Übers. von Alberto Machado Cruz. Porto 1943; ders.: Crítica da Faculdade do Juízo. Übers. von António Marques/Valerio Rohden. Lissabon 1990; ders.: Observações sobre o Sentimento do Belo e do Sublime. Ensaio sobre as doenças mentais. Übers. von Pedro Panarra. Lissabon 2012; ders.: Crítica da Razão Pura. Übers. von Manuela Pinto dos Santos/Alexandre Fradique Morujão. Lissabon 1985. Auch der Vf. hat sich in den Texten Kants, die er übersetzt hat – vgl. Silva: Kant: Do Génio. In: Estudos Kantianos 3.2 (2015). 211–232, hier: 215, und Silva: Kant: Do engenho e da faculdade de julgar‹ (Lição de Antropologia de Kant, Anthropologie Mrongovius). In: Con-Textos Kantianos 2 (2015). 324–346 – durchgängig dafür entschieden, Witz mit dem portugiesischen Wort ›engenho‹ zu übersetzen. 12 Vgl. Rolf Löchel: Art. Mutterwitz. In: Kant-Lexikon [Anm. 3] Bd. 2. 1624. 13 Vgl. in diesem Zusammenhang Hansmichael Hohenegger/Riccardo Pozzo: Kant et la secunda Petri. In: Kant et l’éducation. Hg. von Jean-François Goubet. Arras 2016. 71–80.

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The Transition to Physics. Conceptual Structure of Opus Postumum Problems of Translation into Romanian Language Rodica Croitoru I.  Opus postumum in Translation

The problems arising for the translator of Kant’s Opus postumum are enormous, compared to other Kantian works, due most of all to the provisional, fragmentary character of this work which was not ready for printing. Generally speaking, the problems that arise concern questions of selection and arrangement of the fragments – problems that the German editor of the text shares with the translator –, but also of orthography, syntax, punctuation and style. Even a German native speaker will find it difficult to read and understand Opus postumum, and these difficulties affect the translator all the more. […] the text that we have is often repetitious, reflecting Kant’s seemingly ceaseless attempts to find ever better formulations for his thoughts. Moreover, his emendations of, or additions to, what he had previously written sometimes resulted in truly monstrous sentences. One sentence in the Xth fascicle, for instance, contains no fewer than 225 words but only one comma – obviously unproblematic for Kant, a genuine test of the interpretive skills of the reader, a nightmare for the translator.1

This is how Eckart Förster who has edited and translated (with Michael Rosen) Opus postumum published in the Cambridge Edition, gets to the heart of what may discourage many translators. The numerous serious philological problems notoriously associated with Opus postumum2 have been analyzed by Kant scholars thoroughly. In her con1

Eckart Förster: Introduction. In: Kant: Opus postumum. Ed., with an introduction and notes, by Eckart Förster. Trans. by Eckart Förster/Michael Rosen. Cambridge 1993 (The Cambridge Edition of the Works of Immanuel Kant). XXV. 2 In our context concerning the translations of the work, the relevant philosophical research on Opus postumum (OP, AA 21/22. Ed. by Gerhard Lehmann) must be largely left aside. Some references to relevant and often cited studies should be given all the same: Erich

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tribution to this volume, Sophie Grapotte summarizes the current state of research on chronological and structural, philological, and editorial problems of OP so that the reference to her informative remarks may be sufficient at this point. 3 Despite the considerable difficulties to translate the Opus postu­ mum into another language and to present it to the foreign-language reader in an adequate and readable text form, it has been translated into several languages: Kant: Opus postumum. Ed. and trans. by Jean Gibelin. Paris 1950. Kant: Opus postumum. Passaggio dai principi metafisici della scienza della natura alla fisica. Ed. and trans. by Vittorio Mathieu. Bologna 1963. Kant: Transición de los principios metafísicos de la ciencia natural a la fisica. Opus postumum. Ed. and trans. by Félix Duque. Madrid 1983. Kant: Opus postumum. Passage des principes métaphysiques de la science de la nature à la physique. Ed. and trans. by François Marty. Paris 1986. Kant: Opus postumum. Ed., with an introduction and notes, by Eckart Förster. Trans. by Eckart Förster/Michael Rosen. Cambridge 1993 (The Cambridge Edition of the Works of Immanuel Kant). In the following we will report on some translation problems and decisions we are confronted with when translating the work into Romanian. In our translation, we are not working on all the manuscript fascicles, we made a choice among them, guided by the aspect of the respective prominence of the transition topics. As the focus of this volume is on translation problems in a stricter sense, we will not enter into questions of selection and edition policy and we will not set out in detail here the criteria of our choice and arrangement of the text. As this volume treats problems of translation, we should underline right at the beginning that our paper is situated in a trilateral linguistic context and moves between the Ger-

Adickes: Kants Opus postumum dargestellt und beurteilt. In: Kant-Studien Ergänzungsheft No. 50. Berlin 1910 [Reprint Vaduz 1978]. Vittorio Mathieu: La filosofia trascendentale e l’Opus postumum di Kant. Turin 1958. Id.: Kants Opus Postumum. Frankfurt a.M. 1989. ­Burkhard Tuschling: Metaphysische und transzendentale Dynamik in Kants Opus pos­ tumum. Berlin 1971. Übergang: Untersuchungen zum Spätwerk Immanuel Kants. Ed. by Siegfried Blasche. Forum für Philosophie Bad Homburg. Frankfurt a.M. 1991; cf. Reinhard Brandt: Kants Vorarbeiten zum ›Übergang von der Metaphysik der Natur zur Physik‹. Probleme der Edition. Ib. 1–27. Michael Friedman: Kant and the Exact Sciences. Cambridge/ Mass. 1992. Dina Emundts: Kants Übergangskonzeption im Opus Postumum. Zur Rolle des Nachlasswerkes für die Grundlegung der empirischen Physik. Berlin 2004. Giovanni Pietro Basile: Kants Opus postumum und seine Rezeption. Berlin 2013. 3 Cf. in the present volume: Sophie Grapotte: Zur Geschichte und zum Stand der aktuellen Kant-Übersetzungen ins Französische.

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man source text, the Romanian target text and our English metatext. That makes things even more difficult. 4 II.  Linguistic and formal aspects

Kant’s Opus postumum presents many formal peculiarities (in spelling, punctuation, abbreviations, symbols, classification markers) the translater finds himself/herself confronted with. The solution we opted for, in the Romanian edition we are working on, was not to intervene in the text and to render these elements, in general, in their original form, as we did before in other critical Kantian editions we published in Romanian translations, mainly in the Notes on the Observations on the Feeling of the Beautiful and Sublime (Bemerkungen zu den Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und des Erhabenen).5 This work, like any other work left in manuscript, shows style and punctuation peculiarities similar to those of the work in question. Thus, the reader needs particular assistance in order to understand the text, both to understand it literally and to understand its context. He can benefit from the explanations given by the translator in his notes as well, because the author’s punctuation – you will rarely find a comma in Opus postumum – and spelling may sometimes be misleading. As translators, we can achieve terminological equivalence only after placing the main concepts of Opus postumum in this linguistically atypical frame of Kantian discourse. Comparing the text form of Opus postumum with the Notes on the Observa­ tions on the Feeling of the Beautiful and Sublime, we note: 1) there are characteristics that we find both there and in the published works, such as: absence of full stop at the end of a phrase, frequent absence of comma even when needed within a sentence, enumerations without comma, replacement of semicolon with colon, lower-case letters at the beginning of a phrase, titles written in lower-case letters and without quotation marks, words without diacritics, occasionally a hybrid German-Latin spelling of some words, and 2) there are peculiarities of OP, a not always consistent way of using conventional signs, letters and symbols to mark certain paragraphs and structure the arguments; a technique which helps 4 Unfortunately, the English-German/German-English glossary of the cited Cambridge Edition of OP is not detailed enough to answer all trilateral conceptual questions arising. 5 Kant: Opere. Observaţii asupra sentimentului de frumos şi sublime. Note la Observaţii asupra sentimentului de frumos şi sublime. Traduceri, Studii introductive, Studii asupra traducerii, Bibliografie selectivă, Note, Index de concepte german-român, index de termeni de Rodica Croitoru. Bucureşti 2008 (Trans., introductions, report on translations, selective bibliography, annotations, German-Romanian glossary, terminological index by Rodica Croitoru. Bucharest 2008).

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him, at the same time, to spare time and writing space, avoiding long words and using many abbreviations. Within the range of formal respectively typographical irregularities, some have to be gently normalized. There can be found diverse types of enumeration (1, 2 or 1. 2., 1mo [OP, AA 22: 278. 280], 2do, 4to, order systems such as A, B, C accompanied by an inverted bracket, as A,  B,  C, inverted ˘ ˘ ˘ quotations marks, etc. Variable spelling of German words with Latin roots or the integration of Latin expressions or quotations within German expressions or sentences are frequent (omnipraesentißimum, cf. OP, AA 21: 92). Capital letters and lower case letters are often used in a way contrary to modern standards and inconsistently, sometimes perhaps to underline or accentuate something inexpectedly prominent. Kantian style is famous for its complicated syntax and long sentence periods. However, in the case of OP, not all sentence periods are excessively ample like the one hinted at by Eckhart Förster [cf. our quote at the beginning]. Scholars have underlined that Kant’s deteriorating forces have left traces in OP even into the language and syntax. A general problem in translating from the German language is the syntactical arrangement, the German language placing the verb at the end of a phrase. The translator into one of the Romance languages will often have to rearrange the sentence syntactically. Another peculiarity of the Kantian phrase is the relatively frequent use of the indefinite participle, which in Romanian language should be translated in the supine; such an example is: “în însuși subiectul de reprezentat.”6 We did the same in other translations from the Kantian work, mainly in the Meta­ physics of Morals, where its frequency is higher than in other works. The necessity to express maximum maximorum leads Kant to the frequent use of the adverbial form absolut and schlechthin preceding or following adjectives; for instance, they are used in a context of the gravitation of heavenly bodies, where an absolutely imponderable matter is impossible: “atunci nu poate exista nicio materie absolut pur și simplu (simpliciter) imponderabilă.”7 Another example of this kind is the combination of Inbegriff with alle in order to characterize transcendental philosophy, which we could only render in our translation by a tautology: “Filosofia Transc: este totalitatea tuturor formelor […].”8 He uses the same approach to characterize possible experience: “Experiența este totalitatea tuturor percepțiilor posibile în unitatea absolută a totalității diversului lor.”9 We have to mention that, as far as our Kantian terminological expertise goes, the 6

OP, AA 22:12: “im vorstellenden Subject selbst“. OP, AA 22: 210: “so kann es keine absolut schlechthin (simpliciter) imponderabele Materie geben.” 8 OP, AA 21: 08: “Die Transc: Philosophie ist der Inbegriff aller Formen […].” 9 OP, AA 22: 08: “Erfahrung ist der Inbegrif der aller möglichen Warnehmungen in der absoluten Einheit des Inbegriffs ihres Manigfaltigen […].” 7

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term Vermannigfaltigung10 (‘diversitate’; more precisely: the making of or rising of diversity) is used here for the first time; usually Kant uses either Mannigfaltigkeit or Verschiedenheit. III.  Übergang/‘Transition’

In order to appreciate the specific terminology of OP, we have to take into account the intention of its author to achieve, by this work, the transition from the fundamental11 metaphysical principles of natural science to physics. The advancement is made according to the critical direction by redefining and fortifying the subjective principle, which is placed a priori as a ground for the investigation of nature (scrutatio naturae). What has to be explored first is how and in which direction nature should be investigated and, not to a lesser extent, which concepts allow to open the way from the metaphysics of nature to systematic physics, in order to progress to the latter (“um zum stetigen Übergange [transitus] [der kein Sprung ist] zu dienen und so der Physik und gesammten Naturwissenschaft endlich die Form eines Systems zu geben.” [OP, AA 21: 164]) Dieses alles soll blos dazu dienen um zu beweisen daß es in der Naturwissenschaft bisher noch an einem besonderen Titel gefehlt habe der zwischen den metaph. Anf. Gr. und der Physik seinen Platz zu haben verdient nämlich dem des Überganges von dem einen Territorium zu dem anderen nichts als unmittelbar aneinander Grenzenden Besitzthümer durch einen Schritt noch weniger einen Sprung der für ein System gefährlich ist sondern als vermittelst einer Brücke welche eine Kluft bespannt und worauf man weilen muß um mit Ordnung und nach einem sicheren Princip ins Territorium der Physik hinüber zu schreiten. (OP, AA 21: 163)

The term ‘tranziție’, Übergang (E. transition)12 is clearly prominent, and it is clearly meant to be a new terminus technicus.13 It is closely related to and occa10

OP, AA 21: 214. This is the term English translators usually choose to render Anfangsgründe (founda­ tions/fundamental). 12 See Piero Giordanetti: Art. Übergang. In: Kant-Lexikon. Ed. by Marcus Willaschek et al. Berlin/N.Y. 2015. Vol. 3. 2367–2371. 13 Förster, in his Introduction already cited [note 1], emphasizes the translation problems connected to Kant’s terminology: “For he [Kant] is, notoriously, one of those philosophers who introduce into their work a great deal of novel terminology that has no familiar role (either in English or in German) outside its original context. The problem for the translator, however, is to determine how far Kant’s terminology is intended in this technical way (in which case the proper procedure must be to find a single equivalent) and how far it admits of flexibility in its sense.” Förster: Introduction [note 1] XLVI f. 11

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sionally substituted by another word belonging to the same family, which is ‘tre­ cere’, Überschritt (E. passing), placed in opposition to ‘salt’, Sprung (E. jump). As opposed to ‘tranziție’ (Übergang, Ubergang) which is the precise term, ‘tre­ cere’ (Überschritt) has, as a rule, a more general meaning. Nevertheless, Kant, in the term Übergang, sometimes combines the broader and a narrower sense of the word on the basis of the affinity of the elements which both Übergang and Überschritt have to unify, but also because both come from Latin transitus, and these German words clearly correspond to the two Romanian words, deriving from Latin (‘tranziție’ and ‘trecere’). We can see the association of the general meaning of Überschritt with the specific one of Übergang in one of the most significant passages of Opus, where its three main terms, which are ‘tranziție’, ‘tre­ cere’, and ‘salt’, as well as the relationship between them are defined: “Tranziția de la un sistem la Altul dacă nu este făcută prin nicio înrudire nu este o trecere (transitus) ci un salt (saltus) care răstoarnă la modul general sistematicul prin urmare științificul într-o doctrină în genere și care nu poate fi tolerat într-o astfel de filosofie după cum trebuie să fie totuși fizica pentru că tratarea fragmentară a acestor obiecte nu antrenează nicio legătură între concepte și nu constituie un întreg nici chiar pentru memorie.”14 All these cases refer to ‘trecerea’ (E. passing) to physics, which, like ‘tranziția’ (E. transition), refer to the main problem of Opus. It consists of a subjective principle, which is placed a priori as a ground of the investigation of nature (scrutatio naturae). The fact that the two terms, namely Übergang and Überschritt, have a common root, has an impact on the systematic and, at the same time, scientific level at which it operates upon natural science. In fact, philosophia naturalis tends to hold together, on the one hand, the fundamental metaphysical principles of this science, which are a priori and are represented in a system. And on the other hand, the same science contains the general principles of its application to objects of the outer senses which are grounded in experience and therefore are empirical. This is the kind of physics towards which Kant intended to make the ‘tranziții’ and ‘treceri’ in question. The task is not a simple one, considering the different types of principles and, at the same time, the necessity to formulate the principles of progressing to this science. One cannot hope to jump immediately from the first field to the other one, but between them a neutral field or a linking, a connecting bridge is needed, allowing the transition. If this is not possible, Sci14

“Der Übergang von einem System zum Andern wenn er durch keine Verwandschaft eingeleitet wird ist nicht Überschritt (transitus) sondern ein Sprung (saltus) der das Systematische mithin das Wissenschaftliche in einer Lehre überhaupt umstürtzt und kann in einer Philosophie dergleichen doch die Physik sein soll nicht gelitten werden weil fragmentarische Behandlung ihrer Gegenstände keinen Verband der Begriffe bey sich führt und nicht einmal für das Gedächtnis ein Ganzes ausmacht.” (OP, AA 21: 407) The same overlapping of the senses of the two terms can be found in: OP, AA 22: 358, 359, 480, 516, 518.

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ence as a system is also unfeasable. This link should be regarded as a particular element of the doctrine of nature, which neither belongs entirely to the former, nor entirely to the latter, and which only serves as a transition from the former to the latter. The Sprung (‘salt’) could mislead us inasmuch as it does not merge the elements according to their degree of affinity. As we already underlined, this reduces the scientific and systematical character of any doctrine by invalidating the links between the concepts and by ruling out the kind of philosophy aimed at where physics is integrated into the system of transcendental philosophy.15 (At least) in one case in the first volume, Kant uses Überkommen as a synonym of Überschritt: “Nu se poate spera deci nemijlocit să se treacă printr-un salt de la primul teritoriu la celălalt […] și pregătit pentru a face trecerea ce trebuie privită ca un element deosebit al doctrinei naturii care nu aparține nici cu totul primului nici cu totul celui de-al doilea și care nu servește decât ca tranziție de la acela la acesta.”16 Since Kant conceived the concept of ‘tranziție’ (E. transition) as an accumulation of transitions with diverse functions, he used two forms of this concept, a principal one and a secondary one, because the stages of transition are of unequal importance. Firstly, the transition from the fundamental metaphysical principles of natural science to physics, achieved through the metaphysics of nature, which is the philosophy of nature in the proper sense of the term. Secondly, the transition from physics to transcendental philosophy through physiology, as a natural science of every particular species of beings of nature known by means of experience. Thirdly: The culmination of these two stages is the transition from transcendental philosophy to the system where physics should enter, thus integrating the laws of experience of all corporeal things into a system. These are the three steps of the knowledge of nature, where the second one regards the transition from the metaphysics of nature to transcendental philosophy. It does not indicate the object of knowledge connecting the two disciplines, but rather the connection and its necessity to achieve a system, and has as its object the subjective of the principle of dealing with secure knowledge in conformity with the programme of investigation of nature established from the outset. Another side of this programme, targeting the transition from the general doctrine of nature to physics, proves to be ‘formalul’, das Formale, förmlich[e] (E. the formal) of the investigation of nature according to the concepts of the composition of empirical representations, in order to achieve the compound put forward in 15

Cf. OP, AA 21: 407. “Man kann also nicht durch einen Sprung unmittelbar von dem ersteren Territorium zum anderen hinüber zu kommen hoffen sondern es muß ein gleichsam neutrales Territorium (eine Brücke) abgesteckt und zum Überkommen bereitet werden welches als ein besonderes Stück der Naturlehre angesehen werden muß das weder ganz zum ersteren noch ganz zum zweyten gehört und nur zum Ubergange von jenem zu diesem diene.” (OP, AA 21: 360) 16

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experience. It should be pointed out that the fundamental metaphysical principles of natural science and the principle of the transition to physics move towards a system of ideas, where the subject is grounded a priori and, at the same time, they move towards the formal of a whole as an object which, as an absolute unity, is transcendental philosophy, aiming at the unity of experience. Transcendental philosophy is this transition achieved through ideas. As a counterpart of the formal side of the whole, the ‘materia’, die Materie (E. the matter) of perception is presented to the metaphysical principles of empirical representations in order to enter into a system of experience preceding physics. If the term ‘formal’/‘form’ can be translated easily, as the Romanian language offers no other option to translate the German variants, Materie/das Materiale presents more problems to the translator. The Kantian words for E. matter are Materie but also Stoff, both indicate the basic substance of what is existent. Likewise, the adjective derived from Materie, namely the term material (E. material), corresponds to the noun das Materiale synonymous with Stoff. To mark the difference made by Kant, we have rendered Materie by ‘materia’ and Stoff by ‘materialul’ (E. the material). However, the possibility of intermingling the two German words becomes evident when we take into consideration the different matters philosophia naturalis operates with. In German, both of the words can enter into compounds, Stoff being more frequent, as in: ‘caloric’, Wärmestoff (E. caloric), ‘materie cosmică’, Weltstoff (E. cos­ mic matter), ‘materie a experienței’, Erfahrungsstoff (E. matter of experience), ‘ma­ terie elementară’, Elementarstoff (E. elementary matter), ‘materie fundamentală’, Grundstoff (E. fundamental matter), ‘materie luminoasă’, Lichtstoff, and less by using Materie, as in: ‘materie organică’, organische Materie (E. organic matter), ‘materie anorganică’, ‘materie originară’, Urstoff[e], ‘materia căldurii’, Wärmema­ terie; the Romanian language uses ‘materie’ for all of them.17 Besides ‘materie’, Materie, Stoff (E. matter), ‘formă’, Form (E. form), ‘material’, das Materiale, Stoffliche (E. the material), other concepts have to be thoroughly reflected on by the translator: ‘fenomen’, Erscheinung, Phänomen, phaenomenon (phenomenon), ‘aparență’, Schein (E. appearance), ‘lucru’, Sache, Ding, ‘obiect’, Gegenstand, Object, Obiect (E. object), ‘natură’, Natur (E. nature), ‘știința natu­ rii’, Naturwissenschaft (E. natural science), ‘științele naturii’, Naturkunde, ‘fizică’, Physik. Phänomen/Erscheinung: As a subjective form of intuition, corresponding to what is to be thought of within a concept, ‘fenomenul’ (Phänomen) is different 17

In his translation of OP into Spanish, Félix Duque suggests another translation of Stoff: “He traducido Stoff por estofa, recuperando así una vieja expresión, ya que Kant advierte explícitamente en varios pasajes que Stoff no significa ni materia ni elemento. El sentido más cercano es el del griego stoicheion: elemento simple cualitativo.” Kant: Transición de los principios metafísicos de la ciencia natural a la fisica. Opus postumum. Selected, ed. and trans. by Félix Duque. Madrid 1991 [11983]. 23 f.

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from mere ‘aparență’, Schein (E. appearance), identified by Kant with ‘iluzia’ (illusion).18 Erscheinung derived from the verb scheinen corresponds to ‘a străluci’, ‘a apărea ca și’ (E. to shine, to appear as if). We followed the German source text by separating Erscheinung and Schein and rendering the former by ‘fenomen’, from the Greek φαινόμενον with the meaning of ‘apariție’, ‘manifestare’ (E. ap­ parition, manifestation), the latter by ‘aparență’ (E. appearance), deriving from Latin apparentia, corresponding to the verb appareo, ere = ‘a se arăta’, ‘a fi vizibil’ (E. to appear, to be visible). In OP, Kants makes important distinctions leading to terminological innovations regarding the concept of phenomenon, arising from the distinction of Erscheinung of things in space and time, firstly concerning the objects we ourselves place a priori in space, which is metaphysical, and secondly concerning those given to us empirically, a posteriori, which is physical. The latter is the direct phenomenon, whereas the former is indirect, Erscheinung der Erscheinung (OP, AA 22: 339). ‘fenomen al fenomenului’, Erscheinung der Erscheinung (E. appearance of an appearance)19 expresses the way the subject affects himself, creating by himself the objects of his thinking. The purpose of this undertaking as a whole is to progress from the subjective principles of the phenomenon to the objective principles of experience. 20 To this end, empirical representations are organized and classified as perceptions of sensible objects in the corporeal subject; they make available to us a transition from the metaphysics of nature to physics, as a whole outside the subject, which is a phenomenon; and as appearance of an appearance, it is presented a priori in a system of empirical knowledge called experience; it offers the first transition from the metaphysics of natural science to physics, in an elementary system of motive forces of matter in a subject, as his own body, according to the functions of the fragmentary aggregations of the diverse in the phenomenon, under the form of an object of experience. Kant uses different words for the object of experience, either German or Latin (resp. Greek) ones. In German, Sache has a more complex origin than the other synonym terms: Ding, Gegenstand and Object. 21 The first, deriving from Alt­ hochdeutsch sahha (having a possible origin in the Gotic sakan), used to have a mainly juridical meaning, then Mittelhochdeutsch and modern German Sache (becoming a synonym of Ding) appears in compound words like Ursache, Streit­ sache, Gerichtssache. Its philosophical meaning is posterior to the juridical one. It is assimilated to the Greek term πράγμα and to the Latin res as an expression 18

OP, AA 22: 343. This is how Förster and Rosen translate in their collaborative translation, cf. Förster: Introduction [note 1] XLI. 20 OP, AA 22: 240. 21 Concerning the semantic problems related to the terms Sache, Ding, Gegenstand, Ob­ jekt and their translation into English, cf. Förster: Introduction [note 1] XLVII. Cf. also Félix Duque for the Spanish translation [note 17] 24. 19

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of thingness, independent from the investigating subject. Ding appeared later, alongside Sache, but also alongside Gegenstand and Object in the terminology of Medieval Latin, both being close to Sache. Sache indicates or implies thingness as such, Gegenstand and Object indicate what has to be investigated in relationship to the self as the investigating subject. The Romance languages, among which Romanian, maintained the Greek-Latin line, therefore for the first doublet Sa­ che – Ding they have, in general, only one term (in Romanian ‘lucru’ [E. thing]), and for the second doublet of concepts, Gegenstand – Object, they also have only one term (in Romanian language ‘obiect’ [E. object] from the Latin obiectum). Kant makes use of the close relationship and, at the same time, the slight semantical differences between Ding and Sache. In the context of practical philosophy, as in KpV, KU, RGV, MS, he attributed to Ding the meaning of object as well. This tendency can be found again in the present work as ‘non-obiect’, Unding (E. non- object). As a rule, Kant, by Ding, denotes abstractions, philosophical cases (‘lucru al naturii’, Naturding, or ‘lucru transcendental’, transcendentales Ding), the metaphysical wholes, and by Sache, as a rule, he denotes concrete cases and corporeality. We can already see examples of the first case in the first fascicle, the title indicating what there is besides God, the world and the soul of man. 22 Ding is also used in this philosophical sense in the same fascicle, on the next page where it says: “Ceea ce constituie cu necesitate (originar existența lucrurilor aparține filosofiei transcendentale.”23 Ding is less frequently used to indicate corporeality. 24 Sache, on the other hand, rarely has a strictly philosophical meaning. And, on the contrary, an explicit philosophical meaning is rarely attributed to Sache: “Dar fenomenul indirect adică fenomenul fenomenului în cunoașterea empirică a aprehensiunii forțelor motrice este la rândul său în experiență lucrul însuși.”25 “Numai sistemul este lucrul însuși.”26 “Forța motrice este lucrul însuși.”27 An exceptional case arises when two Gegenstände are opposed to each other, one of them being beyond perception – as is God –, the other one being sensible and part of the world. In this case, Kant chooses Ding for the first Gegenstand and, for the second, Sache. Sache being closer to sensible nature, and Ding as op22 OP, AA 21: 5: “Von Gott, der Welt, der Seele des Menschen und allen Dingen überhaupt.” 23 OP, AA 21: 7: “Was nothwendig (ursprünglich) das Daseyn der Dinge ausmacht gehört zur Transcendental Philos.” The same abstract sense can be found in OP, AA 21: 11, 17, 19, 22, 24, 27, 29, 33, 36, 92, 94, 95, 96, 146, 150, 153, 210, 219, 253, 256, and in OP, AA 22: 4, 11, 15, 16, 17, 24, 44, 46, 47, 51, 55, 60, 205, 340, 341, 344, 361, 475, 549, 552. 24 OP, AA 21: 361 (“aller körperlichen Dinge”). 25 OP, AA 22: 339: “Aber indirecte Erscheinung d.i. Erscheinung der Erscheinung im empirischen Erkenntnis der Auffassung der bewegenden Kräfte ist wiederum in der Erfahrung die Sache selbst.” 26 OP, AA 22: 343: “Nur das System ist die Sache selbst.” 27 OP, AA 22: 471: “Die bewegende Kraft ist die Sache selbst.”

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posed to Sache implying a certain malleability and tendency towards objectualness, the latter may appear more appropriate to denote a special object such as God and his uniqueness, deriving from his personality and free will. Supposing that a species of such beings exists, not all of them possess such qualities, without which they “nu ar fi Dumnezei ci idoli idola adică lucruri.”28 A somehow similar concept invoking objectualness as this one included in the concept of God we find in another case, where Kant has to choose among three terms and the Romanian translator has only two so that we could not avoid a tautology: “Der erste Gegenstand erhebt sich über Dinge als Sachen […]”, and in Romanian: “Primul obiect se ridică deasupra lucrului ca lucru.”29 And it is above it, firstly, thanks to the personality he disposes of, from which follows “calitatea sublimă a libertății”, 30 the sublime quality of freedom. God and the world, considered as the object of his volition, represent the totality of things: ens summum, summa intelligentia, sum­ mum bonum. 31 There are two relationships “ce determină totalitatea lucrurilor într-un întreg eterogen și anume Unul ca principiu intelectual al intelectului pur” (“which determine the totality of things in a heterogeneous whole namely the One as a principle of pure understanding”). 32 Later on, this supersensible object is designated by X, the intelligible affecting the subject, distinct from the sense objects and qualified as ens rationis; it expresses ‘raportul temeiului real (dabile)’33 (‘the relationship of the real ground’ [da­ bile]). It is conceived as an ‘obiect al gândirii’, object of thinking; referring to the objectualness of Ding – as Kant himself uses Object in order to explain Ding – 34 , we decided to translate by ‘obiect al gândirii’; thus: “Conceptul unei astfel de ființe nu este cel al unei substanțe adică al unui lucru care ar exista independent de gândirea mea ci ideea (autocreatură) de obiect al gândirii ens rationis al unei rațiuni care se constituie ea însăși ca obiect al gândirii […].”35 Nevertheless, the same term, respectively ‘obiect al gândirii’, is occasionally compounded with 28

OP, AA 21: 9: “[…] ohne welche Qvalität sie nicht Götter sondern Götzen idola d.i. Sachen seyn würden.” 29 OP, AA 21: 20. 30 Ib. 31 OP, AA 21: 11, 17, 22, 153. 32 OP, AA 22: 51, 60. 33 OP, AA 22: 4: “Das X als das Intelligibele was das Subject afficirt ist nicht ein für sich existirendes gegebenes Ding oder Sinnengegenstand sondern das im Verstande liegende ens rationis was blos das Verhaltnis des Realen Grundes (dabile) ist.” 34 OP, AA 21: 95: “Ideen können Beziehungen auf Dinge (Objecte) […] gehen”; cf. also OP, AA 22: 23. 35 OP, AA 21: 27: “Der Begriff von einem solchen Wesen ist nicht der von einer Substanz d.i. von einem Dinge das unabhängig von meinem Denken existire sondern die Idee (Selbstgeschöpf) Gedankending ens rationis einer sich selbst zu einem Gedankendinge constituirenden Vernunft […].”

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Object as well, as in Objecte des Denkens36 . Another terminological choice for the supersensible object designated by X is ‘obiect în sine’, Gegenstand an sich37 or Obiect an sich38 . The difference between this object in itself as opposed to the object in phaenomenon does not refer to something real within the sensible object, but points out to what is designated by X as a non-empirical principle, containing the determining ground of the possibility of experience, the negative of the phenomenon. 39 As ens per se it acquires the corresponding particle of ‘în sine’ (E. in itself) and appears as ‘lucru în sine’, Ding an sich 40 and Sache an sich 41, constituting an object of reason. Analyzing the second terminological pair of objectualness, respectively Ge­ genstand – Object, there seems to be no difference in using either of the words. 42 Object is used both to designate sensibility, in single and compound terms (‘obiect al simțurilor’, Sinnen/Object or Sinnenobject), as well as intelligibility (‘obiect ­inteligibil’, Verstandesobject). 43 This is paralleled by Gegenstand (Sinnengegen­ stand), respectively ’ ‘obiect sensibil’, empfindbarer Gegenstand. 44 Their undifferentiatedness places them side by side on the same page and occasionally they replace each other: “Filosofia transcendentală face abstracție de toate obiectele ca obiecte ale percepției posibile […]”;45 there are also compound terms such as ‘obiect transcendental’ (transcendentales Object) and ‘obiect în sine’ (Gegenstand an sich).

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OP, AA 21: 94. OP, AA 22: 24. 38 OP, AA 22: 339. 39 OP, AA 22: 24: “Die Unterscheidung des so genannten Gegenstandes an sich im Gegensatz mit dem in der Erscheinung (phaenomenon adversus noumenon) bedeutet nicht ein wirkliches Ding was dem Sinnengegenstande gegenüber steht sondern als = x nur das Princip daß es nichts Empirisches sey was den Bestimmungsgrund der Möglichkeit der Erfahrung enthält.” 40 OP, AA 21: 11, 221; AA 22: 24, 25, 26, 39, 40, 42, 43, 45, 46, 47, 335. 41 OP, AA 21: 26; AA 22: 22. 42 Stephen Palmquist, on the other hand, analyzes different usages of Objekt and Gegen­ stand in his contribution to this volume (regarding Religion). 43 OP, AA 21: 4 f., 8, 11, 14, 18, 21–25, 28, 29, 34–37, 87–103, 145, 147, 150, 153, 206, 209, 215–220, 225, 361, 408; OP, AA 22: 4, 5, 8–27, 39, 40, 42–48, 52, 58, 241, 335, 337, 339, 343– 345, 357, 359, 468, 470–472, 475, 478, 480, 514, 515, 517, 518, 543, 549, 551, 553–555. 44 OP, AA 21: 7, 11, 13, 17, 20–24, 27, 28, 30, 34, 87, 91, 92, 96, 99–102, 141, 143–153, 207, 218, 219, 223, 224, 225, 356, 358, 361, 407; OP, AA 22: 4, 5, 8–26, 39, 40–49, 52–54, 58, 59, 207, 335, 336, 339, 340–345, 357, 360, 468–481, 514, 515, 517, 518, 519, 522, 523, 544, 546, 549–555. 45 OP, AA 21: 88: “Die Tr. Phil. abstrahirt von allen Objecten als Gegenständen möglicher Wahrnehmung […].”Cf. also ib. 92. 37

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The Transition to Physics. Conceptual Structure of Opus Postumum

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IV.  Physics

Let us conclude by briefly asking ourselves which role Kant assigned to the discipline which challenged his metaphysical endeavours and led to the Transition Project. In his notations he proves to be both a traditionalist and an advocate of the advancement of physics towards its autonomy achieved already in the time of Newton, with whom Kant entered into a dialogue. Kant is a traditionalist, inasmuch as ‘fizica’ (E. physics), (φυσική) = ‘cele naturale’ (E. the natural ones) from φύσις = ‘natură’ (E. nature) is implied right from the beginning in the metaphysical fundamental principles of natural science (Naturwissenschaft). Kant underlines that “filosofia naturii este fizică”, 46 as far as it is grounded in empirical principles. This means that physics will be found in every stage of transition, achieved in different degrees. Even the first step of transition, starting from the metaphysics of nature, identifies itself with the philosophy of nature “in the proper sense of the term”, 47 therefore with physics. This is, in fact, the progress (progreßus) from metaphysical principles to physics: from the permeation of philosophy with physics to the autonomization of the latter, based on empirical principles and aiming at the understanding of the possibility of experience as the form of the object. We rendered the two terms used by Kant to conceptualize the progress towards physics, respectively Naturwissenschaft and Naturkunde, by the only term the Romanian language disposes of, namely ‘știință a naturii’ (E. science of nature). We differentiated the term by putting the first term into singular as Kant did and by accentuating it by its Latin equivalence (scientia naturalis) and furthermore, by pluralizing the second term (Naturkunde) ‘științele naturii’ (E. sciences of nature) in the only occurrence of the term, 48 where it has as its Latin equivalent philosophia naturalis. 49 Kant implicitly identifies Naturkunde and Naturphi­ losophie, i. e. Physik (as we have mentioned before). By this choice, we try to express the generality of Naturkunde (because in German Naturkunde has as synonyms Naturlehre and Naturgeschichte) by translating it as ‘științele naturii’ (because there are many such sciences, besides physics, biology and chemistry). Kant intended to express the generality of the same Naturkunde by connecting Naturphilosophie and Physik, thus extending the sphere of the latter. As a matter of fact, Kant himself points out the difficulty to draw firm lines between the German terms Naturphilosophie, ‘filosofia naturii’, and Naturkunde, ‘știința naturii’ (E. natural science), and the corresponding Latin terms. Thus, by defining physics 46

OP, AA 21: 139: “Die Naturphilosophie ist Physik.” OP, AA 21: 361. “Die Metaphysik der Natur (die Naturphilosophie in der eigentlichen Bedeutung des Wortes).” 48 OP, AA 22: 511. 49 However philosophia naturalis is occasionally used as an equivalent for Naturwissen­ schaft, cf. OP, AA 21: 407. 47

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Rodica Croitoru

as a doctrinal system of the moving forces of matter, as far as it can be presented (exhiberi) in experience, he uses a safety margin, stating that he cannot expose the system of moving forces objectively, but only subjectively, dealing with “doctrina forțelor motrice (systema doctrinale) ale științei naturii, – unde denumirea științei naturii prin Scientia sau chiar philosophia naturalis este supusă unei oarecare ambiguități pentru că prin ea s-ar putea înțelege și opoziția cu supranaturalul.”50 Besides his dialogue with contemporary physics, Kant also goes back to the ancient concept of physics as a science of nature close to the philosophy of nature. It is also this close relatedness to a more traditional concept that allows physics to be integrated into transcendental philosophy. Even if it is ambiguous, the concept of natural science can lay down a future universal system of nature, according to the a priori grounded principles of attraction and repulsion of bodies and matter, as well as for a doctrinal philosophic system including the principles prescribed by mathematics to the laws of motion. For this reason, Kant says, Newton rightly considered himself a natural philosopher and was entitled to establish the fundamental mathematical principles of natural science as philosophy; Kant refers to Newton as an important philosophical predecessor. Where Newton was mistaken in Philosophiae naturalis principia mathematica, there should be, according to Kant, the starting point to gain “un concept superior al științei naturii și anume cel de scientiae naturalis, care apoi poate fi sau mathe­ matica, sau philosophica” (a better concept of the science of nature namely the one of scientiae naturalis, which after that can be either mathematica or philosophica).51 The terminological ambiguity of the concepts outlining the prospective status of physics is due to the particular character of these concepts. As Kant underlines, they are different from the conceptus dati, gegebene[n] Begriffe[n], the concepts given by reason or experience, being rather conceptus factitii, gemachte Begriffe (concepts that are made).52 Their objective reality is problematic; it depends on the possibility of objects of experience corresponding to them, and if they do not, these concepts turn out to be only products of thought. However, they should be placed a priori as a ground for the investigation of nature, because in order to get to a physics in general empirically, they are needed as propaedeutic principles of investigation; an investigation which has to face the difficulty of reconciling the system of the fundamental metaphysical principles of natural science, covering a specific domain, delimited by a priori principles, with the natural science system (scientia naturalis), covering another domain specific to physics. 50

OP, AA 22: 511 f.: “[…] die Lehre von den bewegenden Kräften (systema doctrinale) der Naturwissenschaft zu thun, – wobey dann die Benennung der Naturwissenschaft durch Scientia oder gar philosophia naturalis einiger Zweydeutigkeit unterworfen wird indem sie auch im Gegensatz mit der übernatürlichen verstanden werden könnte.” 51 OP, AA 22: 19. 52 OP, AA 21: 358.

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Die naturwissenschaftlichen Schriften Kants Einige charakteristische Übersetzungsschwierigkeiten mit Blick auf den Artikel über das Erdbeben von Lissabon vom Januar 1756 Mai Lequan Kants Schriften zum Erdbeben von Lissabon und ihre Übersetzungen

Kants physische Geographie und sein naturwissenschaftliches Werk im Allgemeinen abseits seiner im engeren Sinne philosophischen Schriften erleben derzeit eine deutliche Renaissance in der Forschung, an der seit einigen Jahren Forscher wie Werner Stark und Reinhard Brandt, die zusammen die Vorlesungen über physische Geographie in der Akademie-Ausgabe ediert haben,1 und auch Eduardo Mendieta und Stuart Elden – sie zeichnen gemeinsam für den Sammelband Reading Kant’s Geography verantwortlich – 2 beteiligt sind. Der von Jürgen Zehbe 1985 herausgegebene Band Geographische und andere naturwissenschaftliche Schriften enthält die wesentlichen wissenschaftlichen Arbeiten Kants im Bereich der physischen Geographie aus dem Zeitraum 1754 bis 1794. 3 Diese naturwissenschaftlichen Schriften werfen Übersetzungsprobleme auf, die sich – wenngleich nicht ausschließlich – 4 daraus ergeben, dass Kant ein des­ kriptives und explikatives Vokabular benutzt, das sich aus dem Fachvokabular 1 Kant’s gesammelte Schriften. Hg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (AA). Hier: AA 26 (2009) [Abtlg. 4. Bd. 3,1]. 2 Reading Kant’s Geography. Hg. von Eduardo Mendieta/Stuart Elden. Albany 2011. 3 Geographische und andere naturwissenschaftliche Schriften. Hg. von Jürgen Zehbe. Hamburg 1985. Außer den drei Artikeln über das Erdbeben zählen zu Kants naturwissenschaftlichen Schriften u. a. folgende Titel: Untersuchung der Frage, ob die Erde in ihrer Umdrehung […] einige Veränderung […] erlitten habe (1754); Die Frage, ob die Erde veralte, physikalisch erwogen (1754); Neue Anmerkungen zur Erläuterung der Theorie der Winde (1756); Entwurf und Ankündigung […] der physischen Geographie […] (1757); Neuer Lehrbegriff der Bewegung und Ruhe […] (1758); Rezension von Silberschlags Schrift: Theorie der […] Feuerkugel (1764); Rezension von Moscatis Schrift: Von dem körperlichen wesentlichen Unterschiede zwischen der Struktur der Tiere und Menschen (1771); Nachricht an Ärzte (1782); Über die Vulkane im Monde (1785); Etwas über den Einfluss des Mondes auf die Witterung (1794). 4 Übersetzungsschwierigkeiten allgemeiner Art betreffen z. B. die Komplexität der kantischen Syntax.

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der damaligen Naturwissenschaften und zugleich aus der oft bildhaften zeitgenössischen Umgangssprache speist.5 Heute die naturwissenschaftlichen Schriften Kants zu übersetzen oder erneut zu übersetzen, verlangt zum einen, die charakteristische Syntax Kants für einen frankophonen Leser flüssig lesbar zu machen, indem man bspw. die langen Satzperioden in kürzere Sätze auflöst; zum anderen verlangt es, das geläufige naturwissenschaftliche Fachvokabular des 18. Jahrhunderts zu restituieren, indem man als Übersetzer auf die Quellen Kants zurückgreift, etwa auf wissenschaftliche Kompendien, populäre Darstellungen, auf Rezensionen, Berichte, Denkschriften der Akademien oder die Encyclopédie. Im Folgenden sollen einige Schwierigkeiten, die sich mit der Übersetzung naturwissenschaftlicher Schriften Kants ins Französische verbinden, im Ausgang vom im Januar 1756 erschienenen ersten seiner drei Artikel zur physischen Geographie anlässlich des Erdbebens von Lissabon (und allgemeiner zu den physikalischen und chemischen Ursachen von Erdbeben i.A.) veranschaulicht werden – geschrieben also aus Anlass jener Naturkatastrophe, die damals auch als humanitäres Drama in aller Munde war: Von den Ursachen der Erderschütterungen, ein kurzer Artikel, der sich mit Erdbeben im Allgemeinen beschäftigt und sich an ein breites aufgeklärtes Publikum und in zweiter Linie indirekt auch an zeitgenössische und künftige Forscher richtet. Kant wird die beiden folgenden Artikel über dasselbe Thema hinzufügen: im Februar 1756 Geschichte und Naturbeschreibung der merkwürdigsten Vorfälle des Erdbebens, welches an dem Ende des 1755sten Jahres einen großen Theil der Erde erschüttert hat und im April 1756 die Fortgesetzte Betrachtung der seit einiger Zeit wahrgenommenen Erderschütterungen. Warum soll es angesichts der zahlreichen naturwissenschaftlichen Schriften Kants im Folgenden ausgerechnet um seine Artikel über das Erdbeben von Lissabon gehen? Dieses Erdbeben hat in den vergangenen Jahren in Frankreich erneut viel Resonanz gefunden, und nachdem sich das Ereignis 2005 zum 250. Male gejährt hatte, sind zahlreiche einschlägige Veröffentlichungen erschienen, in denen geschichtliche, politische, geographische, wissenschaftliche, literarische und philosophische Aspekte geltend gemacht und miteinander verbunden wurden. So publizierte etwa der Physiker Jean-Paul Poirier 2005 sein Buch Le tremblement de terre de Lisbonne.6 Andere Publikationen folgten.7 Das in Frankreich neu er5 Vgl.

Kants naturtheoretische Begriffe. Hg. von Wolfgang Lefèvre/Falk Wunderlich. online-Datenbank und Glossar [http://knb.mpiwg-berlin.mpg.de/kant/intro/begriffe.html]. 6 Jean-Paul Poirier: Le tremblement de terre de Lisbonne. Paris 2005. 7 Achim Kopf: Le tremblement de terre de Lisbonne. In: Pour la science 51 (April–Juni 2006): Éléments en furie; Jean-Marc Rohrbasser: Le tremblement de terre de Lisbonne. Un mal ou un bien? In: Annales de démographie historique 120/2 (2010). 199–216; Lisbonne 1755. Un tremblement de terre et de ciel. In: Lumières 6/2 (2005) [Pessac. CIBEL]; Jean-Paul Poirier: Réactions à un cataclysme. Le séisme de Lisbonne en 1755. In: Actes du 16me Colloque de la Villa Kerylos à Beaulieu-sur-mer, 14./15. 10. 2005. In: Publications de l’Académie

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wachte Interesse an dem historischen Erdbeben von 1755/1756 hat sich als dauerhaft erwiesen. So hat etwa die Zeitschrift Atlante 2014 ein sechshundertseitiges Dossier mit dem Titel Le tremblement de terre de Lisbonne de 1755. Perceptions d’un événement veröffentlicht. 8 Diese französischen Publikationen über das portugiesische Erdbeben haben auch die Philosophen ins Blickfeld gerückt, die das Ereignis als Zeitgenossen erlebt haben, unter ihnen vor allem Kant, der dem französischen Leser einen Blick von außerhalb eröffnet. Der heutige französische Leser interessiert sich für das Erdbeben von Lissabon und dafür, wie dieses von der betroffenen Bevölkerung erlebt wurde, für das Zeugnis der zeitgenössischen Philosophen, Wissenschaftler, Historiker, Politiker und Geistlichen, besonders aber auch für die Erklärungen Kants – nicht so sehr in seiner Rolle als deutscher Philosoph der Aufklärung, sondern als Gelehrter, Naturwissenschaftler oder zumindest als aufgeklärter Philosoph mit ausgeprägtem Interesse am naturwissenschaftlichen Wissen seiner Zeit. Dieses neu erwachte Interesse an Kant als Naturforscher legt es nahe, die drei Schriften des Jahres 1756 neu zu übersetzen. Das Hauptanliegen Kants in seinen Artikeln über das Erdbeben besteht nun in der Tat weniger darin, das Ereignis als Philosoph wie im 18. Jahrhundert üblich unter dem Blickwinkel der Verbindungen zwischen Naturkatastrophen und Zweckursächlichkeit, Providenz und Theodizee zu betrachten (diese Debatte wurde in Frankreich zwischen Rousseau und Voltaire ausgetragen),9 sondern Kant argumentiert als Naturwissenschaftler, als physischer Geograph oder doch zumindest als aufgeklärter honnête homme, der das Erdbeben von 1755 verstehen möchte. Die Aktualität des Erdbebens, das im November 1755 stattgefunden hatte, veranlasst Kant dazu, im Januar 1756 einen ersten kurzen Artikel im Umfang von sechs Seiten in den Königsbergische[n] wöchentliche[n] Frag- und AnzeigungsNachrichten, einem lokalen Nachrichtenmagazin zu Wirtschaft, Verwaltung und ausnahmsweise auch Wissenschaften, zu publizieren: Von den Ursachen der Erderschütterungen.

des Inscriptions et Belles Lettres 17 (2006). 19–32; Luis Manuel Bernardo: La nouvelle du tremblement de terre de Lisbonne est arrivée à Königsberg. Les écrits de Kant sur l’événement. In: Revue de métaphysique et de morale 78/2 (2013). 185–213. 8 Le tremblement de terre de Lisbonne de 1755. Perceptions d’un événement. In: Atlante. Revue d’Études Romanes du Centre d’Études en Civilisations, Langues et Littératures Étrangères de l’Université de Lille 1 (automne 2014). 9 Vgl. Cyril Morana: Querelle sur le mal et la Providence. Lisbonne 1755. Rousseau et Voltaire. Paris 2011. Über Kants Position in den philosophischen Debatten über Zweckmäßigkeit in der Natur, an welchen u. a. Leibniz, Bayle, Voltaire, D’Holbach, Rousseau und Mitarbeiter der Encyclopédie teilnahmen, vgl. Colas Duflo: La finalité dans la nature de Descartes à Kant. Paris 1996. 64–84: Le tremblement de terre de Lisbonne et la fin des théodicées.

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Im Februar 1756 veröffentlicht er dann eine ausführlichere Abhandlung u. d. T. Geschichte und Naturbeschreibung der merkwürdigsten Vorfälle des Erdbebens, welches an dem Ende des 1755sten Jahres einen großen Teil der Erde erschüttert hat im Königsberger Verlag von Johann Heinrich Hartung.10 Diese Abhandlung, die länger, präziser und detailreicher ist als die vorangegangene und die folgende, wendet sich an eine breite gebildete Leserschaft in der Königsberger Region und weniger an ein gelehrtes europäisches Publikum. Sie legt die Faktenlage ausgiebig dar und prüft die wahrscheinlichsten Hypothesen, Annahmen und Vermutungen zu deren wissenschaftlicher Erklärung, soweit diese für einen aufgeklärten Bürger, der freilich kein gelehrter Geograph ist, nachvollziehbar sind. Der Erfolg dieser beiden ersten Schriften bringt Kant dazu, im April seine Überlegungen über das Erdbeben mit einem dritten und letzten, fünf Seiten umfassenden Teil abzuschließen, der in den Königsbergische[n] Nachrichten erscheint: Fortgesetzte Betrachtung der Erderschütterungen. Im Folgenden soll die erste der drei Schriften untersucht werden, die einem breiten gebildeten Publikum anlässlich des aktuellen Erdbebens weniger eine philosophische Reflexion im engeren Sinne denn vielmehr eine wissenschaftliche Reflexion über die physikalischen und chemischen Ursachen von Erdbeben i. A. und des aktuellen Erdbebens im Besonderen unterbreiten soll. Wie der dritte, so versteht sich auch der erste Artikel als populärwissenschaftlich, in diesem Falle im Bereich der physischen Geographie: Er soll zwischen dem naturwissenschaftlichen Diskurs im engeren Sinne (auf einschlägige Expertise hat Kant keinen Anspruch erhoben) und dem Kenntnisstand des nicht einschlägig vorgebildeten Bürgers vermitteln, so wie die GMS (1785) die Möglichkeiten einer echten Popularisierung der Philosophie und speziell der Moral erörtert.11 Alle drei genannten Schriften des Jahres 1756 sind bereits vor nicht allzu langer Zeit ins Französische übersetzt worden.12 Warum also sollte man sie heute nochmals übersetzen? Der Grund liegt darin, die lange unterschätzten wissenschaft10 Im

Folgenden zit. nach Zehbe: Geographische und andere naturwissenschaftliche Schriften [Anm. 3]. Vgl. AA 01 (1910). 11 Kant wirft dort den zeitgenössischen deutschen ›Populärphilosophen‹ (Sulzer, Garve, Feder, Abbt) vor, sie seien unfähig, eine tragfähige Moralphilosophie zu popularisieren, denn sie vermischen Kant zufolge Gefühl und Tugend und verfälschen dadurch sowohl die Moral (die einer rein rationalen Grundlegung bedürfe) als auch die Philosophie (die Anspruch darauf erhebe, eine präzise und strikte Wissenschaft zu sein und unterschiedliche Bereiche zu differenzieren). 12 In der Übersetzung von Élise Lanoë erschien: Sur les causes des tremblements de terre, à l’occasion du désastre qui a frappé les contrées occidentales de l’Europe. In: Atlante (Herbst 2014) [Le tremblement de terre de Lisbonne de 1755. Perceptions d’un événement. Hg. von André Bélo/ Ofida Kleinmann /Philippe Rousseau]. 313–323, sowie Considérations additionnelles sur les tremblements de terre ressentis depuis quelque temps. Ebd. 324–333. Jean-Paul Poirier übersetzte Kants Schrift u.d.T. Histoire et description des plus remar-

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lichen Arbeiten Kants nachdrücklich zu würdigen, die nicht mit seiner Philosophie der Wissenschaften gleichzusetzen sind.13 Diese Schriften erlauben es, die von Erich Adickes zu Unrecht kritisierte Gestalt »Kant[s] als Naturforscher[s]«,14 des mit den Naturwissenschaften vertrauten Kant, von Kant als Naturkundigem, Physiker, zumindest aber Wissenschaftspopularisierer, zu rehabilitieren. Diese Texte erneut zu übersetzen und ihren im engeren Sinne wissenschaftlichen Gehalt herauszuarbeiten, kann dazu beitragen, in Frankreich, wo Kant noch immer vor allem als Philosoph betrachtet wird, auch den Wissenschaftler und physischen Geographen Kant hervortreten zu lassen, welcher über geologische, hydrologische, physikalisch-mechanische und chemische Kenntnisse verfügte. Die drei Schriften über das Erdbeben vom 1. November 1755 und die nachfolgenden Beben zu Beginn des Jahres 1756 zielen darauf ab, die seismischen Phänomene (Erderschütterungen, Auslaufen von Seen und Versickern von Quellen, Hochwasser, Tsunamis, Schlammlawinen) von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus zu erklären. Rationale Hypothesen und historisch-deskriptive Beschreibung waren dafür miteinander zu verbinden, denn über eine ausgereifte experimentelle Wissenschaft der Erdbeben, die es erlaubt hätte, Hypothesen auf ihre physikalische, chemische und geologische Tragfähigkeit zu überprüfen, verfügte man noch nicht. In dieser Hinsicht kündigt sich in den drei Schriften von 1756 bereits die künftige kritische Erkenntnistheorie der reifen Jahre und jene Mischung von Verstand und Erfahrung an, welche das zweite Vorwort zur KrV 1787 postuliert, um die Naturphänomene zu analysieren und die Gesetze der Natur zu ermitteln. Kants Perspektive in diesen Texten ist die der Wissenschaftsvulgarisierung und nur in zweiter Linie diejenige einer philosophischen Erörterung der Naturkatastrophen und der Zweckmäßigkeit in der Natur. Eine französische Neuübersetzung dieser Schriften muss deren wissenschaftlichen Gehalt unterstreichen, ohne freilich den philosophischen Kontext der Debatten über die Zweckursachen auszublenden. Erinnern wir also zunächst an den philosophischen Rahmen von Kants Erörterung des Erdbebens. Kant verwirft alle abergläubischen Interpretationen der Erdbeben. Diesbezüglich widerspricht er dem Göttinger Geographen Anton Friedrich Büsching,15 der in der Katastrophe von Lissabon eine Bestrafung der menschlichen Sündhaftigkeit durch die göttliche Vorsehung erkennen will. Gleichwohl verwirft Kant nicht jede teleologische Auslegung des Verhängnisses. Am Schluss der Schrift, die im Februar erscheint, vertritt er sogar eine teleologische und optimistische Interpretation, quables événements relatifs au tremblement de terre qui a secoué une grande partie de la terre à la fin de l’année 1755. In: Cahiers philosophiques 78 (März 1999). 85–111. 13 Vgl. Paolo Grillenzoni: Kant e la scienza. Teil 1: 1755–1760. Canterano 2016. 14 Vgl. Erich Adickes: Kant als Naturforscher. 2 Bde. Berlin 1924/1925. 15 Kant kennt im Übrigen Büschings Neue Erdbeschreibung in der Erstausgabe von 1754.

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zwar nicht des Erdbebens als solchen, wohl aber gewisser natürlicher Mechanismen, die in den seismischen und vulkanischen Phänomenen wirksam und für das Menschengeschlecht nützlich und vorteilhaft sind. Wie Pierre Bayle, der, an Calvin anschließend, die abergläubische Astrologie in seinen Pensées diverses sur la comète (1683) und im Artikel ›Manichéen‹ seines Dictionnaire historique et critique (1697) kritisiert hatte, so weigert sich auch Kant, in den Natur­kata­ strophen und näherhin im Erdbeben von Lissabon Anzeichen eines Weltenendes oder göttliche Sanktionen gegen bestimmte Städte zu sehen. Kant wird in Das Ende aller Dinge (1794) jegliche moralisierende Deutung der Naturkatastrophen zurückweisen und den Glauben in Abrede stellen, alle Beben, Vulkanausbrüche, Kometen und Meteoriten seien, als unvorhergesehene Erschütterungen der normalen Naturvorgänge, ›Wunder‹ oder ›Vorzeichen des letzten Tages‹. Er wird dort den sinnlosen Schrecken verurteilen, den solche »ungewöhnlichen Naturveränderungen [wie] Erdbeben, Stürme, Überschwemmungen, oder Kometen und Luftzeichen« (EAD, AA 08: 332) hervorrufen, und er wird wie schon 1756 in ihnen zugleich natürliche Phänomene sehen, die man durch Gesetzmäßigkeiten erklären muss, wie auch einen Appell, einen Ruf der Natur, welche ihren gewöhnlichen Lauf durch eine Abweichung unterbricht, die ihren eigenen Zweck haben mag. Ein Erdbeben ist ein Naturphänomen, doch kann man in ihm auch, wie Kant im Beweisgrund (1762–1763) darlegt, ein übernatürliches Phänomen sehen: nicht im materialen Sinne (denn es wäre keine causa efficiens anzunehmen), wohl aber im formalen Sinne mit Bezug auf den Menschen (denn das Erdbeben ließe sich auch in einem nexus finalis darstellen). Der Beweisgrund wird dieselben Beispiele für Ereignisse anführen, die man einerseits als strikt natürlich, andererseits formal als übernatürlich ansehen kann: »Erdbeben, Sturmwinde, Meersbewegungen, Kometen etc.« (BDG, AA 02: 104 f.), welche Städte, Regionen, Länder, ja das gesamte Menschengeschlecht auslöschen können. Die Missethaten einer Stadt haben keinen Einfluß auf das verborgene Feuer der Erde, und die Üppigkeiten der ersten Welt gehörten nicht zu den wirkenden Ursachen, welche die Kometen in ihren Bahnen zu sich herab ziehen konnten. Und wenn ein solcher Fall sich ereignet, man mißt ihn aber einem natürlichen Gesetze bei, so will man damit sagen, daß es ein Unglück, nicht aber daß es eine Strafe sei, indem das moralische Verhalten der Menschen kein Grund der Erdbeben nach einem natürlichen Gesetze sein kann, weil hier keine Verknüpfung von Ursachen und Wirkungen statt findet. Z.E. Wenn das Erdbeben die Stadt Port Royal in Jamaica umkehrt, so wird derjenige, der dieses eine natürliche Begebenheit nennt, darunter verstehen: daß, ob zwar die Lasterthaten der Einwohner nach dem Zeugnis ihres Predigers eine solche Verwüstung wohl als ein Strafgericht verdient hätten, dennoch dieser Fall als einer von vielen anzusehen sei, der sich bisweilen nach einem allgemeinern Gesetze der Natur zuträgt, da Gegenden

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der Erde und unter diesen bisweilen Städte und unter diesen dann und wann auch sehr lasterhafte Städte erschüttert werden. Soll es dagegen als eine Strafe betrachtet werden, so müssen diese Kräfte der Natur, da sie nach einem natürlichen Gesetze den Zusammenhang mit der Führung der Menschen nicht haben können, auf jeden solchen einzelnen Fall durch das höchste Wesen besonders gerichtet sein; alsdann aber ist die Begebenheit im formalen Verstande übernatürlich, obgleich die Mittelursache eine Kraft der Natur war. (BDG, AA 02: 104 f.)

Kant wird auf die Arbeiten des englischen Geographen und Naturhistorikers John Ray über Ursprung und Ende der Welt (Works on the Creation, 1692) verweisen, welche er, wohl in Kenntnis der deutschen Übersetzung von 1698, schon 1756 im Zusammenhang der Erdbeben zitiert hatte (vgl. AA 01: 444). Wenn das Erdbeben von Lissabon auch unbestreitbar eine Naturkatastrophe und eine der größten humanitären Tragödien des Zeitalters darstellte, so ließ es sich doch darauf nicht reduzieren. Vor allem war es in Kants Augen ein Naturphänomen, vom Naturforscher durch physikalische und chemische Gesetze zu erklären, sei es in Form von Hypothesen oder unter Rekurs auf feststehende Naturgesetze. Im Übrigen waren Erdbeben zwar vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet verheerend, betrachtete man sie aber unter der Perspektive ihrer Zweckmäßigkeit, so waren sie erdgeschichtlich nützlich, ja notwendig. Sie erinnerten auch daran, dass alles, was der Mensch produziert, naturgemäß vergänglich ist. Moralisch neutral betrachtet, manifestierten sich in ihnen Entstehen und Vergehen, wie sie der langen Erdgeschichte – die Kant im Ausgang von Buffons Histoire naturelle rekonstruiert – zu eigen waren.16 Die Beiträge des Jahres 1756 schreiben den Erderschütterungen und Vulkanen Nützlichkeit zu, denn sie reinigen die Luft und die Atmosphäre, sie führen zur Erneuerung bestimmter Arten und stimulieren die Klugheit der Vernunft, welche durch neue Direktiven den Städtebau zu erdbebenfesten Verfahren anregt.17 Die Verwissenschaftlichung des Phänomens in den Beiträgen des Jahres 1756 klammert mithin nicht jede teleologische Betrachtung aus. In späteren Schriften wird Kant – wie auch andere Protagonisten der Teleologie-Debatten des 18. Jahrhunderts – das Beispiel der 16

Zum Vergleich zwischen Naturkatastrophen wie Erdbeben, Vulkanen, Überschwemmungen und sozio-politischen Revolutionen bei Kant, aber auch bei Wieland, Herder, Görres, Forster oder Fichte, vgl. Domenico Losurdo: Autocensure et compromis dans la pensée politique de Kant. Lille 1993. 119–124: Inondations, tremblements de terre et révolutions. 17 Über positive Wirkungen von Erdbeben, in denen sich die weisen Vorkehrungen der Natur zu Gunsten der Erde und ihrer Bewohner dokumentieren, vgl. Kant: Vorlesungen über die philosophische Religionslehre. Hg. von Karl H. L. Pölitz. 1817 [NA 1830. Reprint Darmstadt 1982]. Leçons sur la théorie philosophique de la religion. Ins Französische übers. von William Fink. Einführung und Kommentar von William Fink/Gérard Nicolas. Paris 1993. Vgl. hier AA 28: 2,2. 73 f.

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Erdbeben im Rahmen der Gottesbeweise aufgreifen. Er konfrontiert den physikotheologischen Gottesbeweis mit den Naturkatastrophen und Erdbeben als widerstreitenden Zwecken, sind diese Ereignisse doch einerseits verheerend für die Bevölkerung bestimmter Länder und dabei zugleich andererseits auch indirekt nützlich für die gesamte Menschheit. Wenn nun aber die Debatte über die Zweckmäßigkeit von Naturkatastrophen den Hintergrund der Schriften von 1756 bildet, so ist sie eben nicht deren zentraler Gegenstand. Vor allem interessiert sich Kant für die wissenschaftlichen Fragen, die das Erdbeben für den Naturforscher aufwirft, selbst wenn er selbstverständlich die menschlichen Verluste und materiellen Verwüstungen in Folge des Erdbebens beklagt.18 Da die drei Artikel des Jahres 1756 eine naturwissenschaftliche und naturgeschichtliche Herangehensweise wählen, resultieren grundsätzliche Übersetzungsprobleme daraus, dass diese Herangehensweise sich mit der von Kant angestrebten Popularisierung plausibler Hypothesen zur wissenschaftlichen Erklärung des Erdbebens für nicht fachkundige Leser verbindet. Die Populärwissenschaft, die wissenschaftliche Vulgarisierung bildet eine Mischgattung, denn sie soll zugleich den Fachgelehrten und einem breiten gebildeten Publikum gerecht werden. Die Schwierigkeit des Übersetzens in das heutige Französisch besteht darin, den naturwissenschaftlich-physikalischen Duktus dieser Schriften angemessen wiederzugeben und die von Kant vorgenommene naturwissenschaftliche Betrachtung des Erdbebens als eines vor allem – wenngleich nicht ausschließlich – durch Wirk­ ursachen, durch deterministische Naturgesetze und natürliche Kräfte zu erklärenden Phänomens herauszuarbeiten. Wenn die Frage der Erdbeben im 17. und 18. Jahrhundert untrennbar mit den philosophisch-literarischen Teleologie-Debatten verbunden ist, welche durch die dramatischen Ereignisse von Lissabon ganz oben auf die Tagesordnung rückten, so akzentuieren die Schriften des Jahres 1756, im Gegensatz zu den meisten zeitgenössischen Reaktionen auf das Drama, die wissenschaftliche, zugleich empirisch-deskriptive und hypothetisch-explikative Dimension der Analyse des Erdbebens. Die Schriften bilden auch einen Hintergrund des künftigen systematischen Denkens Kants, denn die KrV19 wird erneut die Erdbeben auf materielle Wirkursachen und deterministische Naturgesetze zurückführen, selbst wenn die Vernunft das Bedürfnis hat, sie nach einer Zweckordnung zu denken. Kant do18

Zur humanitären und natürlichen Katastrophe des Erdbebens von Lissabon vgl. Engelhard Weigl: ›Complètement saisi d’effroi‹ (Kant). Comment survivre à la catastrophe. In: Lisbonne 1755 [Anm. 7]. 107–115; Mai Lequan: La triple place de l’humain dans les trois articles de 1756 sur le séisme de Lisbonne. Réflexions sur le rôle de l’homme dans la recherche kantienne en géographie physique. In: Kant et l’humain. Géographie, psychologie et anthropologie. Hg. von Paulo Jesus/Diogo Sardinha/Élisabeth Lefort/Mai Lequan. Paris 2019. 25–41. 19 Vgl. KRV, B 715, Anm., AA 03: 453.

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kumentiert die populärwissenschaftliche Ausrichtung seiner drei Beiträge, indem er eine seiner Quellen zitiert, nämlich den Bericht über das Erdbeben im Hamburgische[n] Correspondent[en] (Nr. 199). 20 Man kann zwei Arten von charakteristischen Schwierigkeiten unterscheiden, die sich bei der Übersetzung der drei Artikel ins Französische ergeben: 1) sprachliche Schwierigkeiten, die sich mit Vokabular, Terminologie, Semantik der damaligen deutschen Sprache – sowohl der Umgangs- als auch der Wissenschaftssprache – verbinden; 2) hermeneutische Schwierigkeiten in Verbindung mit den hypothetischen wissenschaftlichen Erklärungen des Erdbebens und seiner Begleiterscheinungen durch Kant selbst oder andere Wissenschaftler. Die exegetischen Schwierigkeiten sollen im Folgenden unberücksichtigt bleiben, denn sie lassen sich durch Verweise auf die wissenschaftliche Hypothesenbildung Kants in seinen naturwissenschaftlichen Schriften insgesamt 21 lösen. Der Fokus richtet sich vielmehr auf die semantischen Schwierigkeiten; sie lassen sich zumindest teilweise lösen, indem man deutsche und französische Werke, Berichte, Handbücher über physische Geographie konsultiert, die Kant zugänglich waren, wie z. B. Buffons Histoire naturelle (1744–1749), deren deutsche Übersetzung Kant bekannt war und die ihrerseits einer Übersetzung reiches Material liefern kann. Die Übersetzung muss die Art des von Kant angesprochenen Publikums und die popularisierende Absicht der Artikel in Rechnung stellen. Vom ersten Paragraphen von Von den Ursachen an spricht Kant seine Leserschaft als Publicum an, und seit WA (1784) versteht er darunter nicht die breite Masse, sondern das aufgeklärte Publicum, kultiviert, gebildet oder zumindest ansatzweise gebildet, welches von seiner Vernunft öffentlichen Gebrauch macht und Bücher liest und schreibt (heutzutage würde man von ›Intellektuellen‹ sprechen). Das Publicum hebt sich ab vom Volk, vulgus, der plebs, der ungebildeten Masse. Ohne die Leser des breiten gebildeten Publikums und die Fachgelehrten einfach gleichzusetzen, geht Kant doch von einem kontinuierlichen Übergang zwischen beiden Gruppen aus und strebt deren wechselseitige Verständigung an. Die Beiträge vom Januar und April 1756 wollen in diesem Sinne einen Dialog zwischen der breiten, gebildeten oder bildungshungrigen Leserschaft der Königsbergische[n] 20

VUE, § 12, Anmerkung, AA 01: 426–427. 42. So modifiziert, ja verwirft Kant im April 1756 die Katastrophenthese von Whiston in Bezug auf die Funktion der Sterne hinsichtlich von Erdbeben. Vgl. Fortgesetzte Betrachtung, § 1 (AA 01: 465. 81). Kant zufolge ist es wenig wahrscheinlich, dass sich Erdbeben durch eine Fernwirkung von Planeten oder Kometen erklären lassen, wohingegen seine Theorie des Himmels (1755) punktuell auf Whistons durch Heyn aufgegriffene Theorie rekurrierte, welche den Kometen die Verantwortung für gewisse Katastrophen auf der Erde zuschrieb. Heyn konterte Knutzen im Streit über die Kometen, der von den Leipziger gelehrte[n] Anzeigen (1743–1745) ausgegangen war. Knutzen war Kants akademischer Lehrer an der Universität von Königsberg und hatte seine einschlägigen Thesen seit 1737 in der Königsbergischen Gazette dargelegt. 21

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wöchentliche[n] Frag- und Anzeigungs-Nachrichten – ohne seismologische Kenntnisse, aber zumindest voller Neubegierde hinsichtlich des Erdbebens von Lissabon – und andererseits der scientific community der Naturforscher und dem engeren Kreis der professionellen Geographen und Seismologen in Gang setzen. Das Erdbeben von Lissabon bietet Kant die Gelegenheit, eine breitere und eine gelehrte Öffentlichkeit einander in einem gemeinsamen Ideal von aufklärerischer Wirksamkeit anzunähern: »In solchem Falle soll die Verbindlichkeit gegen das Publicum den Naturforscher vermögen, von den Einsichten Rechenschaft zu thun, die ihm Beobachtung und Untersuchung gewähren können.« (VUE, § 1, AA 01: 419) Jürgen Zehbe hat nach dem Vorbild von Erich Adickes Kant vorgeworfen, kein genuiner Wissenschaftler, sondern ein Dilettant und Kompilator von Wissen aus zweiter Hand, eher ein Journalist denn ein Gelehrter und in keiner der naturwissenschaftlichen Disziplinen, mit denen er sich befasste, zu Hause gewesen zu sein. 22 Doch sollte man Kant zumindest nicht absprechen, ein seriöser, informierter und informativer Wissenschaftsvulgarisator gewesen zu sein. Kant liefert einen Beitrag zu der durchaus schwierigen Mischgattung der Populärwissenschaft, die weder nach Kriterien strikter Wissenschaftlichkeit zu beurteilen noch ausschließlich an den Erwartungen und Informationsbedürfnissen eines breiten Publikums zu bemessen ist. Die Gattung der Wissenschaftsvulgarisierung – weniger im Sinne einer Wissensvermittlung denn im Sinne der Vermittlung wissenschaftlicher Hypothesen – stellt hohe Anforderungen an einen Autor, denn er steht in einer doppelten Pflicht: einerseits gegenüber einem breiten aufgeklärten Publikum, das angeleitet werden soll, zu verstehen, zu beobachten, selbst nachzuforschen und darüber hinaus selbst zu denken (gemäß dem Wahlspruch der Aufklärung), und andererseits gegenüber den Naturforschern, die in Kants Artikeln keine Berichterstattung suchen, denn sie verfügen über präzise Quellen, sondern mehr oder weniger originelle erklärende Hypothesen. Kant versteht sich nicht als bloßer Kompilator wissenschaftlicher Doktrinen, sondern als ›Intellektueller‹ (man verzeihe uns den Anachronismus), der diese berichtend zusammenfasst und hier und da eigene Einsichten einstreut. Dementsprechend präsentiert er sich nicht als zünftiger Naturforscher, sondern als Wissensvermittler, aufgeklärter Pädagoge, dessen Beschreibungen und Erklärungen dem breiten Publikum wie den Wissenschaftlern nützlich sein können. Er beschreibt seine Rolle als Wissenschaftsvulgarisator folgendermaßen: »Ich begebe mich der Ehre, dieser Pflicht in ihrem ganzen Umfange ein Gnüge zu leisten und überlasse sie demjenigen, wenn ein solcher aufstehen wird, der von sich rühmen kann, das Inwendige der Erde genau durchschaut zu haben.« (VUE, § 1, AA 01: 419) 22

Vgl. dazu Zehbe: Geographische und andere naturwissenschaftliche Schriften [Anm. 3] 33. – Hier gilt es freilich zu differenzieren, denn Kant hat auch eigenständige Hypothesen beispielsweise zur Meteorologie oder Akustik entwickelt.

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Indem er die Kenntnisse, die ein gebildeter honnête homme seiner Zeit von sich aus erwerben konnte, zusammenträgt, beschränkt Kant sich bescheiden darauf, eine Skizze dessen zu liefern, was spätere experimentelle Forschungen und avanciertere mathematische Messungen genauer ausführen werden. Meine Betrachtung wird nur ein Entwurf sein. Er wird, um mich frei zu erklären, fast alles enthalten, was man mit Wahrscheinlichkeit bis jetzt davon sagen kann, allein, freilich nicht genug, um diejenige strenge Beurtheilung zu stellen, die alles an dem Probirstein der mathematischen Gewißheit prüft. (VUE, § 1, AA 01: 419)

Im § 5 bekräftigt er seine Absicht: »[…] und meine Absicht nur ist physische Gründe zur Vermuthung anzuführen.« (VUE, § 5, AA 01: 422) Die Artikel vom Januar und vom April kombinieren also: 1) eine empirisch-deskriptive Methode, die zu einem – von Buffons Naturgeschichte inspirierten – Tatsachenbericht führt, welcher weniger detailliert ist als der im Artikel vom Februar desselben Jahres; 2) zwar keine Theorie, wohl aber ein Bündel von Hypothesen zur Erklärung der wahrscheinlichen Ursachen der in Lissabon und in entfernteren Regionen beobachteten Erscheinungen. Die sprachlichen Schwierigkeiten, die sich mit der einerseits empirisch-deskriptiven und andererseits wissenschaftlichen Terminologie Kants verbinden, sollen im Folgenden an sechs Wortfeldern aufgezeigt werden: A.) das (Erd-)Beben, B.) Bewegung des Wassers, C.) das außerordentliche Ereignis, D.) die unterirdischen Höhlen, E.) das unterirdische Feuer und seine Verbreitung, F.) die Vulkane. A.  Das Wortfeld Erdbeben23

Die erste Schwierigkeit für den Übersetzer ins Französische betrifft das Wortfeld des (Erd-)Bebens und der entsprechenden Ableitungen (die jeweils unterschiedliche phänomenologische Aspekte betreffen). Die drei Titel des Jahres 1756 verwenden einerseits Erderschütterung (Artikel Januar und April), andererseits Erdbeben (Artikel Februar). Beide Wörter kann man mit entsprechenden französischen Wörtern wiedergeben: Erderschütterung als ›ébranlement de la terre‹ (zwischen Umgangssprache und Fachvokabular angesiedelt), Erdbeben als ›tremblement de terre‹, ein einschlägiges bildhaftes Wort der französischen Umgangssprache, welches das Phänomen beschreibt, ohne zu versuchen, es zu erklären. Man kann beide Begriffe gleichsetzen, indem man ein einziges französisches Wort für die Übersetzung wählt, nämlich das allgemeine und neutrale 23 Vgl.

Kants naturtheoretische Begriffe [Anm. 5] Erdbeben = Erderschütterung = Erschütterung = Bebung.

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Wort ›séisme‹, welches eher zum Fachvokabular gehört, denn ein professioneller Geologe wird von un séisme sprechen. Drittens kann der Übersetzer aber auch die (minimale) Differenz zwischen Erdbeben und Erderschütterung außer Acht lassen und beide Wörter mit dem allgemeinen und neutralen Wort ›tremblement de terre‹ übersetzen, das in der französischen Umgangssprache geläufig ist; diese Lösung erscheint als die beste. Ein Journalist, der für die Tagespresse arbeitet und sich an ein breites Publikum wendet, wird diesen geläufigen, nicht-technischen Ausdruck verwenden, der die Erfahrung beschreibt, dass die Erde unter unseren Füßen bebt oder erschüttert wird. Kant verwendet meist die geläufigen deskriptiven Begriffe Erschütterung und erschüttern, die bei deutschen Reisenden und Augenzeugen von Erdbeben üblich sind. Seine Schrift Von den Ursachen zitiert den französischen Expeditionsforscher Le Gentil mit seinem Voyage autour du monde (den auch Buffon in seiner Histoire naturelle zitiert) im Zusammenhang mit der Ausbreitungsrichtung der Beben und ihren Konsequenzen für das Ausmaß der Zerstörung der Gebäude: Wenn eine Stadt entlang der Verlaufsrichtung der Berge, Flüsse und unterirdischen Höhlen angelegt, also an der Verlaufsrichtung der Stoßwellen ausgerichtet ist, so werden die Erschütterungen heftiger und die Zerstörungen massiver sein. »Gentil bezeuget, dass, wenn eine Stadt ihrer größten Länge nach durch ein Erdbeben, welches dieselbe Richtung hat, erschüttert wird, alle Häuser umgeworfen werden.« (VUE, § 4, AA 01: 421.1 ff.) Kant benutzt die Wörter Erderschütterung und Erdbeben hier meist synonym, und man wird sie beide durch das geläufige französische Wort ›tremblement de terre‹ wiedergeben können. § 5 beispielsweise beschreibt die grundsätzliche Ausrichtung der Erdbeben, welche der Ausrichtung der Gebirgszüge entspricht, sodass die am häufigsten durch Erdbeben erschütterten Landstriche und Länder zwischen zwei Gebirgsketten gelegen sind. Hier verwendet Kant Erderschütterung, wenn er sich auf das Beispiel der häufigen und starken Erdbeben in den gebirgigen Regionen von Peru und Chile bezieht, und andererseits Erdbeben, um die Ereignisse des Dezembers 1755 in Portugal, der Schweiz und Schwaben zu bezeichnen. Als Wissenschaftsvulgarisator, der sich an eine breite und an eine gelehrte Leserschaft wendet, bewegt Kant sich zwischen den beiden Registern der deutschen Umgangssprache (Erdbeben) und dem gelehrteren Ausdruck (Erderschütterung). Es ist Zeit, etwas von der Ursache der Erderschütterungen anzuführen. Es ist einem Naturforscher etwas Leichtes, ihre Erscheinungen nachzuahmen. Man nimmt 25 Pfund Eisenfeilig, eben so viel Schwefel und vermengt es mit gemeinem Wasser, vergräbt diesen Teig einen oder anderthalb Fuß tief in der Erde und stößt dieselbe darüber fest zusammen. (VUE, § 6, AA 01: 422 f.)

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Kant betrachtet sich selbst hier nicht als Naturforscher, denn ein solcher muss in der Lage sein, seismische Bewegungen annähernd zu simulieren und deren quantitative Dimension mathematisch zu erfassen, indem er beispielsweise eine Mischung entflammbarer Mineralstoffe unter Verschluss bringt und wirken lässt (Kant spricht hier von Gährung, vgl. unten). Wenn nun Erdbeben und Erderschütterung auch oft synonym verwendet werden, so macht Kant doch einen leichten Unterschied zwischen den beiden Wörtern: Erdbeben ist ein umgangssprachlicher Ausdruck, wohingegen Erderschütterung zwar auch bildhaft, jedoch wissenschaftlich brauchbarer ist, lässt eine Erschütterung doch eine mathematische Messung zu. »Da[ss] die Erdbeben sich bis unter dem Meeresgrunde erstrecken […] ist eine gemeine Erfahrung.« (VUE, § 8, AA 01: 423. 29 ff.) Erdbeben (›tremblement de terre‹) ist ein geläufiges Wort für eine nicht seltene Erfahrung. Der geringfügige Unterschied zwischen Erdbeben und Erderschütterung spielt erneut eine Rolle, als Kant die Fernwirkung des Bebens auf Gewässer zu erläutern sucht, indem er zwei Arten von Bewegung differenziert, die eine flüssige Masse durch eine lokale Ursache affizieren können: 1) die oszillierende oder vibrierende Bewegung, ein mit dem bloßen Auge erkennbares klassisches Phänomen der Mechanik, das einer Wellenbewegung entspricht, 2) die mit dem bloßen Auge nicht zu erkennende Bewegung innerhalb einer größeren Flüssigkeitsmenge, die, ausgelöst durch eine plötzliche Druckänderung, an einem bestimmten Punkt eine Erschütterung auslöst, eine Bewegung, die der Übersetzer durch das gewähltere französische Wort ›commotion‹ wiedergeben kann: Das Meereswasser, das auf diese Weise bewegt wird, verhält sich, als ob es ein fester Körper wäre. Kant zufolge ist das erste Modell (Welle) untauglich, um die Bewegung von Wassermassen, die vom Epizentrum weit entfernt sind, zu erklären. Daher rekurriert er auf das zweite Modell (das der ›commotion‹, um das französische Wort aufzugreifen, welches eine Gesamtbewegung bezeichnet, die alle Teile der Masse des Körpers affiziert). Noch inexplizit skizziert Kant hier bereits Grundzüge einer Wellenphysik, der zu Folge sich der Impuls der ersten Welle durch unterschiedliche, sowohl feste als auch flüssige Materie fortsetzt. Um das zweite Modell zu untermauern (›commotion‹ des Meeres als Folge des ursprünglichen seismischen Impulses, ausgehend vom Epizentrum), beruft Kant sich auf Experimente des französischen Physikers Louis Carré, über die in den Traités physiques der Académie royale des Sciences de Paris berichtet worden war. Carrés Experiment simuliert durch einen ballistischen Impuls, dem ein Behälter mit Wasser ausgesetzt wird, eine seismische Erschütterung. In beiden Fällen – dem ein Beben auf Mikro-Ebene simulierenden Experiment und dem großen natürlichen Beben von Lissabon – setzt sich die Erschütterung zunächst durch feste, dann flüssige Materie fort – von den Wänden des Wasserbehälters in das dort enthaltene Wasser, vom Meeresgrund ins Meer und von dort in fernere Regionen und schließlich in die dort situierten, weit entfernten Gewässer.

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Kant vergleicht auch die sich fortsetzende Erschütterung durch Bewegungsübertragungen innerhalb benachbarter Bereiche (resonanzbedingt), den Stoß (druckbedingt oder in Folge von Druckänderung) und die Verbreitung der Druckwelle mit dem von einigen Wissenschaftlern durchgeführten Experiment einer explodierenden Pulvermine, welche mit einer Geschwindigkeit von 30 Fuß pro Sekunde nahe gelegene Körper um 15 Fuß in die Höhe katapultieren kann. Seiner Hypothese zufolge, welche den klassischen mechanischen Druckgesetzen entspricht, aber schon die künftige Wellenphysik anzukündigen scheint, hat sich im Falle Lissabons der erste seismische Stoß ausgehend vom Epizentrum auf das Meer (ohne freilich hohe Wellen oder einen Tsunami auszulösen) und dann durch Druckwellen (Kant verwendet diesen Begriff noch nicht) über Land und Meer bis hin zu den entferntesten Gewässern übertragen, sodass es zu verschiedenen Bewegungsschüben in weit vom portugiesischen Epizentrum entfernten Gewässern kam. Kant interpretiert dieses Phänomen in der Sprache der klassischen Mechanik (vgl. VUE, § 8, AA 01: 424) und spricht von Drückungen der Gewässer, einer plötzlichen Rüttelung etc. Das Meereswasser reagiert wie ein fester Körper, der anscheinend nicht in Bewegung gerät, wenn ein Stoß eine bestimmte Stelle trifft. Es nimmt die Stoßwelle auf und leitet sie kreiselnd in alle Richtungen weiter. Kant verwendet zwar noch keinen Terminus der späteren Seismologie – Epizentrum, Stoßwelle, Schockwelle, elastische Erdbebenwelle, diese Begriffe werden erst im 19. Jahrhundert geprägt –, doch beschreibt er schon sehr genau das, was bald danach als konzentrische Verbreitung einer Stoßwelle, ausgehend von einem Epizentrum, beschrieben wird; diese Stoßwelle verliert, so bemerkt er, in dem Maße, in dem sie sich vom Epizentrum entfernt, an Intensität. »Nun muß man aber die Fortsetzung der Wasserbewegung rund um sich als in einen Cirkel ausgebreitet gedenken, dessen Erweiterung mit der Entfernung vom Mittelpunkte der Erschütterung zunimmt.« (VUE, § 8, AA 01: 425) Obwohl Kant noch nicht über den Fachbegriff Epizentrum verfügt, bezeichnet die Umschreibung ›Mittelpunkt der Erschütterung‹ genau das Epizentrum eines Bebens, nämlich dessen zentralen Ausgangspunkt. Das Wortfeld des Erdbebens – der geläufigere Ausdruck – oder der Erschütterung bzw. Erderschütterung – ein etwas technischerer Begriff – reichert sich durch die Wörter Rüttelung und Stoß an, womit der erste Stoß im Epizentrum, hier in der Meerestiefe an der portugiesischen Küste, gemeint ist, von dem aus sich die seismische Welle in fester und flüssiger Materie verbreitet. Kant benutzt die beiden letztgenannten Ausdrücke, um den Grund für das Brodeln des Wassers zu bezeichnen. Er empfiehlt, »dieses Aufwallen der Gewässer aus einer fortgesetzten Rüttelung, die das Meer an den portugiesischen Küsten durch den unmittelbaren Stoß des Erdbebens bekommen hat, herzuleiten«. (VUE, § 8, AA 01: 424) Und schließlich benutzt er drei synonyme Ausdrücke, um den Stoß selbst zu beschreiben: Drückung, Eindruck, Pressung; alle drei kann

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man mit ein und demselben französischen Wort bezeichnen, nämlich ›(com-) pression‹. B.  Das Vokabular der Bewegung des Wassers

Die neutralen Ausdrücke, die Kant verwendet, um die Bewegung des Wassers oder der Gewässer zu bezeichnen, welche das Erdbeben von Lissabon begleitet hat und auf es gefolgt ist und die in Portugal, aber auch in anderen, sogar in weiter entfernten Ländern zu spüren war, sind Wasserbewegung (VUE, § 8, AA 01: 423) oder Bewegung der Gewässer. Dieses Phänomen ist für Kant ›der seltsamste Gegenstand‹, welcher Bewunderung hervorruft und zu weiterer Nachforschung seitens des Wissenschaftlers und des aufgeklärten Lesers anregt, der die Naturphänomene eigenständig verstehen möchte. Ein anderer Ausdruck, den Kant verwendet, um die Bewegung der Gewässer zu beschreiben, die durch das Erdbeben ausgelöst wurde, aber auch in entfernteren Länder spürbar war, ohne dass sie von einem Erdstoß begleitet wurde: das Aufwallen der Gewässer, buchstäblich verstanden die Wasserstrudel, wie sie auch bei plötzlichem Hochwasser auftreten (»Allein so war in den Gegenden, da das Wasser in Aufwallung gerieth, keine Spur von einigem Erdbeben.« [VUE, § 8, AA 01: 423]) Das getrennte Auftreten von seismischer Erschütterung und Wasserbewegung erscheint als merkwürdiges und erläuterungsbedürftiges Phänomen. C.  Das Vokabular des außerordentlichen, exzeptionellen und schrecklichen Ereignisses

Zwar ist das Erdbeben von Lissabon ein durch kausale Naturgesetze erklärbares Phänomen, doch bleibt es zugleich ein seltenes, außerordentliches, exzeptionelles, schreckliches, dramatisches Ereignis. Hier wählt Kant unterschiedliche, aber untereinander verwandte Ausdrücke, die jeweils unterschiedliche Aspekte des Phänomens hervortreten lassen. § 1 beginnt mit einer allgemeinen Bemerkung über »[g]roße Begebenheiten, die das Schicksal aller Menschen betreffen« (VUE, § 1, AA 01: 419). Das neutrale Wort Begebenheit bezeichnet ein tatsächlich eingetretenes natürliches oder historisches Ereignis und entspricht dem französischen Wort ›événement‹ als Bezeichnung für etwas, das geschehen ist und beobachtet, beschrieben und erklärt werden kann. Lissabon aber war Schauplatz eines außerordentlichen Ereignisses, eines Phänomens, das auf Grund seines Ausmaßes und der dadurch ausgelösten Zerstörungen aus der normalen Ordnung der Natur ausscherte; Kant erwähnt die Verheerung, die daraus folgte.

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In ihrem weiteren Verlauf buchstabiert die Schrift das ganze Vokabular der Katastrophe, des Dramas, des unheilvollen Verhängnisses durch: Schreckliche Zufälle begleiten das Beben, das Unglück von Lissabon (VUE, § 4, AA 01: 421), welches durch die geographische Lage der Stadt an den Ufern des Tejo verschlimmert wurde, einer Achse folgend, die den vulkanischen unterirdischen Hohlgängen entsprach. Kant erwähnt Aberglauben und unbegründete Ängste, die solche Unglücksfälle in der ungebildeten Bevölkerung auslösen (ebd.). § 5 verwendet dasselbe Wort, Unglücksfall, als Kant die Frage aufwirft, ob die Bewohner Preußens oder des Reichs Grund haben, ihrerseits solche Katastrophen zu befürchten. Das Ereignis ist nun aber nicht nur auf Grund seines Ausmaßes außergewöhnlich, schrecklich, entsetzlich wegen seiner Gewalt und seiner verheerenden Folgen, denn es kostete viele Menschen das Leben und führte zu gewaltigen Zerstörungen. Das Erdbeben von Lissabon wurde begleitet von Phänomenen, die für die Naturforscher wie für die breite Öffentlichkeit unverständlich waren und die Kant als sonderbar und seltsam qualifiziert. § 9 spricht das Phänomen der Fortsetzung der seismischen Welle bis hin zu vom Epizentrum weit entfernten Gewässern an: »Bei dieser Pressung der Wässer ist das Allersonderbarste, dass sie sogar in Landseen, die gar keinen sichtbaren Zusammenhang mit dem Meere haben, bei Templin und in Norvegen, gespürt werden.« (VUE, § 4, AA 01: 425) Hier zögert Kant, die Folgerungen aus seiner innovativen Hypothese zu ziehen, welche seiner Zeit voraus ist und eine Wellenphysik vorwegnimmt. Er zieht es vor, eine traditionelle mechanische Erklärung für die Bewegung der Gewässer, der Seen zu geben, indem er von einem unbekannten unterirdischen hydrologischen Netz ausgeht; bald sollte man die einfachere und ökonomischere Hypothese aufstellen, dass die seismische Welle sich kontinuierlich auf die Meere, das Festland und die Seen überträgt (mit je nach Materie unterschiedlichen Eigenschaften), ohne dass man unterirdische Gänge annehmen musste, über die Meer und Seen durchgängig miteinander in Verbindung standen. Dass sich die Bewegung der Gewässer durch feste und flüssige Materie hindurch über Distanzen hinweg fortsetzt, wird gleichermaßen als »seltsam[e] Begebenheit« (VUE, § 10, AA 01: 426) bezeichnet. Über die mechanische Hypothese einer Fortpflanzung des Stoßes via hydrologischer Gänge hinaus formuliert Kant eine weitere mechanische Hypothese: das unterirdische Feuer (Glut oder Brennen von Schwefelstoffen) dringe durch Spalten in die Erdrinde und breite sich von dort aus bis hin zu Seen und Gewässern. Beide Hypothesen erscheinen Kant als plausibel und komplementär, denn die Natur habe dem Menschen noch nicht alle Verbindungswege zwischen unterirdischen Hohlgängen (vulkanischen oder hydrologischen) offenbart. Der Naturforscher kommt nur langsam voran bei der Erkenntnis der unteren Erdschichten, die zu Kants Zeiten weitgehend unbekannt sind. Kant rät dem Naturforscher und a fortiori dem breiten Publikum zu Geduld in Erwartung der geologischen Erkenntnisse hinsichtlich unterirdischer Spalten

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und Gänge (welche die Fortsetzung der Bewegung des Wassers eines seismischen Epizentrums am Meeresboden hin zu den Gewässern weit entfernter Seen betreffen): »Die Natur entdeckt sich nur nach und nach. Man soll nicht durch Ungeduld das, was sie vor uns verbirgt, ihr durch Erdichtung abzurathen suchen, sondern abwarten, bis sie ihre Geheimnisse in deutlichen Wirkungen ungezweifelt offenbart.« (ebd.) D.  Das Vokabular der unterirdischen Höhlen

Der Artikel, der im Januar 1756 erschien, beginnt mit der Feststellung, dass der Boden, auf dem wir uns bewegen, hohl ist und die unterirdischen Gänge fast durchgängig miteinander verbunden sind, sich über weite Entfernungen und Regionen erstrecken, auch unterhalb des Meeresbodens (»dass der Boden, über dem wir uns finden, hohl ist und seine Wölbungen fast in einem Zusammenhange durch weitgestreckte Gegenden sogar unterm Boden des Meeres fortlaufen.« [VUE, § 1, AA 01: 419. 33]) Die Phänomene, die man am Rande des Erdbebens von Lissabon registriert hat – einen schrecklichen Lärm, der dem Ausbruch eines unterirdischen Orkans gleichzukommen schien, eine noch am selben Tage in weit entfernten Ländern wie Island spürbare Erschütterung –, haben »den Zusammenhang dieser unterirdischen Wölbungen« (VUE, § 2, AA 01: 420) bestätigt. Man wird Wölbung hier mit ›galerie‹ übersetzen, selbst wenn man damit riskiert, das Bild des Gewölbes24 oder der Wölbung der unterirdischen Tunnels aufzugeben; der neutrale Begriff galerie bezeichnet einen unterirdischen Tunnel/ Hohlgang welcher Form auch immer. § 2 reichert das Wortfeld der ›galeries‹ an und erwähnt Höhlen, Grotten unterhalb der Erdoberfläche; damit wird bestätigt, dass unterhalb der Erde Hohlräume liegen. Kant merkt an, »dass die Richtung dieser Höhlen den Gebirgen und durch einen natürlichen Zusammenhang auch den großen Flüssen parallel ist«. (VUE, § 2, AA 01: 420) In § 5 wird mehrfach das Wort Höhlen (VUE, § 5, AA 01: 422. 36) verwendet, um unterirdische Gänge oder Grotten zu bezeichnen, beispielsweise unterhalb des Rheins und unter Bergen. In diesem Wortfeld unterirdischer Hohlgänge und Höhlen finden sich auch die Ausdrücke Spalten und Risse im Gestein; Spalten und Risse begünstigen das Eindringen von Regenwasser in unterirdische glühende Gänge, und dadurch werden das Aufflammen und Ausbrechen von Feuer begünstigt und demzufolge auch die Erdbeben. Auch hier verwendet Kant zwei synonyme Wörter, die der französische Übersetzer durch zwei entsprechende französische Begriffe wiedergeben wird: Spalten (›failles‹) und Felsenritzen (›fissures dans la roche‹). Der im April 24

Élise Lanoë hat das Bild in ihrer Übersetzung [Anm. 12] beibehalten, vgl. ebd. 314.

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erschienene Beitrag führt ein weiteres Wort an: unterirdische Grüfte (›fosses souterraines‹) (FBZE, § 1, AA 01: 465. 81). E.  Das Vokabular des unterirdischen Feuers, der Entzündung und Verbrennung und ihrer Ausbreitung25

Von den Ursachen verwendet ein Vokabular, das der Alltagssprache und der wissenschaftlichen Fachsprache gemeinsam ist, um die Ausbreitung des unterirdischen Feuers, Ursache seismischer Erschütterungen, zu beschreiben. »Die Erd­ erschütterungen« »breiten sich aus« in einer Linie mit den Flussläufen und den Gebirgsachsen, die den unterirdischen Gängen entsprechen (VUE, § 3, AA 01: 420). ›Erdbeben haben sich erstreckt‹ bedeutet: Sie haben eine gewisse Bahn durchlaufen. Kant beschreibt dieses unterirdische Feuer hier als Verbrennung oder Entzündung, die nicht notwendigerweise dazu führt, dass mineralische Stoffe in Flammen stehen (vgl. VUE, § 5, AA 01: 422); er beschreibt es als Gährung, ähnlich derjenigen, die die Fäulniss sich zersetzender lebender organischer Stoffe erzeugt. Das Wasser, das in unterirdische Spalten eindringt, kann mineralische Stoffe wie Eisen und Schwefel in Gährung bringen (vgl. VUE, AA 01: 423). Auch in seinen Reflexionen zu Physik und Chemie bringt Kant organisches Fermentieren und mineralische Verbrennung in einen Zusammenhang miteinander. In der Reflexion 45 werden Gährung und Ferment(ierung)26 , die Erstere auslöst, ebenso wie Verbrennung in die Klasse der Phänomene der Ansteckung oder Fortpflanzung eingeordnet, einem kleinteiligen Diffusionsvorgang innerhalb der Materie. Fermentierung bezeichnet für Kant eine Klasse von Phänomenen chemischer Auflösung einer Materie, die mit Luft oder Wärme in Berührung kommt, und diese Phänomene werden manchmal von Aufbrausen und Wärmeübertragung begleitet (vgl. Reflexion 45 a, AA 14: 409). Die Gärung betrifft sowohl die mineralische Materie (Beben, Vulkane) als auch die lebende organische Materie (Verdauung, Atmung der Menschen und Tiere, Fäulnis der Pflanzen). Die Gärung im Rahmen der Verdauung etwa setzt sich kleinteilig fort und ähnelt einer Kontaminierung. Im Falle des Erdbebens wie dem des Gärens oder Fermentierens entzünden sich Stoffe aneinander. Wie Buffon beschreibt Kant unterirdische Verbrennung in seismischen Prozessen als organische Gärung. So wie die Gärung in Verdauungsprozessen die Nahrung zersetzt und in Fleisch, Blut, Knochen umwandelt, so verändert und kontaminiert das unterirdische Feuer sukzessiv die Minera-

25

Vgl. Kants naturtheoretische Begriffe [Anm. 5] Feuer = Flamme, ignis, flamma. Gährung = Fermentation.

26 Ebd.

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lien. Trotz aller Unterschiede teilt die Gärung mit der Fäulnis bestimmte Eigenschaften. 27 Um diese Verbrennung/Gärung zu illustrieren, führt Kant in Von den Ursachen ein Experiment an, das der Naturforscher im Labor durchführt, indem er Vitriolöl, Wasser und Eisenfeil in bestimmten Mengen miteinander mischt. Es ergeben sich daraus »ein heftiges Aufbrausen und Dämpfe, die sich von selber entzünden« (VUE, § 6, AA 01: 423). Dementsprechend bricht bei einem Erdbeben »unfehlbar der erhitzte Dunst, welcher auf dem Punkte ist, sich zu entzünden, durch das obere Gewölbe der Erde« (VUE, § 11, AA 01: 426). Nebenbei bemerkt, verwendet Kant die Wörter Dampf und Dunst synonym. Diesen ganzen Komplex (Verbrennung, Entzündung 28 , Gärung, Aufbrausen29 vulkanischen Gesteins), der sich unterirdisch meist flammenlos verbreitet, bezeichnet Kant mit dem neutralen Begriff Erhitzung. Der französische Übersetzer kann in diesem Sinne folgende lexikalische Entsprechungen wählen: Verbrennung als ›combustion‹; Gä[h]rung als ›fermentation‹; Fäulnis[s] als ›putréfaction‹; ­Erhitzung als ›échauffement‹; Aufbrausen als ›effervescence‹. Bei Vulkanausbrüchen produziert das heute so genannte Magma »Dämpfe, die sich auszubreiten trachten, den Boden erschüttern und bei den Öffnungen feuerspeiender Berge in Flammen ausbrechen« (VUE, § 8, AA 01: 423). Die Prozesse des Glühens, Verbrennens, Entzündens, Gärens wirken in unterirdischen mineralischen Stoffen wie Schwefel, Pyrit und Markasit. In seinen Vorlesungen über physische Geographie zählt Kant die brennbaren mineralischen Substanzen unter der Erdoberfläche auf, die unter Wärmeeinwirkung zu glühen beginnen: Kohlenwasserstoff wie Naphta, ›welches Flammen anzieht‹, 30 Petroleum, welches ›keine Flammen anzieht‹, Bergteer oder Teufelsdreck, ›dem Petroleum sehr ähnlich‹, jedoch dickflüssiger, Bernstein, eine Art erstarrtes fossiles Harz, Bitumen, eine Art von erstarrtem Petroleum, Erdpech, eine Art verfestigter Teer, Steinkohle, ›mit Petroleum imprägnierter Schiefer‹, Markasit und vor allem Schwefel, ›eine Vermischung von vierzehn Theilen von vitriolischer Säure und einem Theile brennbaren Wesens‹. 31 Kant setzt Schwefel mit Brennbarkeit gleich, ein Relikt der Chemie des Paracelsus.

27 Vgl. PG, I, 1, § 24, Anmerkung. 1 (AA 09: 204). Kant: Géographie physique. Übers. von Max Marcuzzi/Michèle Cohen-Halimi/Valérie Séroussi. Paris 1999. 113. 28 Vgl. Kants naturtheoretische Begriffe [Anm. 5]. 29 Ebd. Aufbrausen = Efferveszenz = Aufbrausung = Brausen. 30 PG, II, 4 »Das Mineralreich«, § »Brennbare Mineralien und andere flüssige brennbare gegrabene Dinge« (AA 09: 368 f.; 275 f.). 31 Alle Zitate ebd. Vgl. Kants naturtheoretische Begriffe [Anm. 5] Naphta; Harz; Erdpech, Bernstein; Steinkohle; Schiefer; Markasit; Schwefel (Sulphur).

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Mai Lequan

F.  Das Vokabular der Vulkane32

Zur Bezeichnung eines Vulkans verwendet Kant nicht nur den aus dem Lateinischen stammenden Terminus Vulkan, sondern auch die volkstümliche Metapher des feuerspeiende[n] Berg[es] (vgl. VUE, AA 01: 423). Wie Buffon, erscheinen auch Kant Vulkane und Erdbeben als miteinander verwandt, da sie ihnen zufolge wahrscheinlich eine gemeinsame Ursache haben: das unterirdische Glühen. Aller­dings können Vulkanausbrüche und Erdbeben unabhängig voneinander eintreten. In § 7 findet sich beispielsweise der Hinweis, die Inaktivität des Vesuvs kündige umso heftigere Erdbeben im Golf von Neapel an, denn das unterirdische Glühen müsse sich entweder vulkanisch oder seismisch entladen. Kant folgert daraus, dass das Risiko von Erdbeben in Portugal vermindert würde, wenn es in den portugiesischen Gebirgsmassiven einen Vulkan gäbe. Die angeführten Beispiele semantischer Konstellationen illustrieren die Funktion, die Kant seinen Schriften des Jahres 1756 über das Erdbeben von Lissabon, speziell der ersten, zuweist: die Funktion der Wissenschaftsvulgarisierung, eine Textgattung, die sich gleichzeitig an zwei Leserschaften richtet: eine breite Öffentlichkeit und die Wissenschaftler, und die Brücken zwischen beiden schlagen soll. Der Wissenschaftler muss sich beim breiten Publikum Gehör verschaffen, und das breite Publikum muss sich bilden, indem es die hypothetischen Erklärungen der professionellen Naturforscher zur Kenntnis nimmt. Die einen wie die anderen müssen aneinander wachsen, und der Philosoph spielt als Wissenschaftsvulgarisator, aber auch als Kind seiner Zeit und teilnehmender Beobachter der Dramen seiner Zeit eine aktive Rolle als Vermittler. Und so mischt sich in Kants drei Schriften über das Erdbeben von Lissabon, jenseits seiner Konzeption von Wissenschaft und hier von physischer Geographie und jenseits seiner Theorien zur Erklärung des Erdbebens, bis in den Wortlaut hinein seine Vision von Aufklärung als umfassendes und gehaltvolles Projekt einer Verbreitung von Wissen. Volk und Gelehrte sollen sich einander mehr und mehr annähern auf dem Wege des aufgeklärten Publicums, in dem Kant seinen ganz eigenen Rang eingenommen hat. Aus dem Französischen übersetzt von Gisela Schlüter

32 Ebd.

Vulkan = feuerspeiender Berg.

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The Importance of Translating Kant’s Physical Geography Lectures Robert R. Clewis

Kant began teaching physical geography in his second semester of teaching, in the summer of 1756. It was one of his most frequently taught courses (offered 49 times), second only to the two fields in which he held a chair, logic (56 times) and metaphysics (53 times). He thus taught it even more than moral philosophy (about 28 times).1 Of all of his courses, physical geography has given rise to the second highest number of lecture transcription manuscripts produced (36 total) as well as to the second most transcriptions that are still available online or in archives (32 available), second only to anthropology (47 total, 36 available). 2 These facts alone would seem to grant importance to the physical geography course, at least for understanding Kant’s teaching and academic career, and possibly for even more. Indeed, perhaps connections can be made to the critical philosophy itself. Generally, scholarly discussions typically go in one of two opposite directions: the influence (or lack thereof) of Kant’s critical philosophy on the physical geography, 3 or the influence of the physical geography on the critical philosophy. Understandably, the latter is more prevalent, with scholars tending to focus on the field’s import for critical philosophy. Robert Clewis, Stuart Elden, Robert Louden, and Cinzia Ferrini (in distinct ways) discuss the relevance of geography to formulating and expressing Kant’s critical philosophy, which sometimes em­ ploys geographical metaphors. 4 Specifically, I argued that geography is a source 1 Cf. Robert R. Clewis (ed.): Reading Kant’s Lectures. Berlin 2015. 8, as well as Steve Na­ ragon’s website Kant in the Classroom. Introduction: Kant’s Lectures [http://www.manchester. edu/kant/Lectures/lecturesIntro.htm (accessed 2 September 2019)]. Naragon’s numbers in turn stem from a work by Arnoldt. Cf. Emil Arnoldt: Kritische Ex­ kurse im Gebiete der Kant-Forschung. 2 parts. Reprinted as vol. 4 (1908) and vol. 5 (1909). In: Emil Arnoldt: Gesammelte Schriften. Ed. by Otto Schöndörffer. 10 vols. Berlin 1906–1911. 2 Cf. Clewis: Reading Kant’s Lectures [note 1] 16. Naragon: Introduction: The Student Notes [note 1]. 3 For the possible influence of the critical philosophy (e. g. regarding teleology) on geogra­ phy, cf. Clewis: Kant’s Natural Teleology? The Case of Physical Geography. In: Kant-Studien 107/2 (2016). 314–342. 4 Cf. Clewis: Kant’s Physical Geography and the Critical Philosophy. In: Epoché. A

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Robert R. Clewis

of some of the empirical claims Kant discusses or analyses in his philosophical arguments, and showed how geography contains some of the germs of the critical philosophy. In a similar vein, Elden, Louden, and Ferrini hold that geography can help us better understand Kant’s philosophy and maintain that Kant’s geo­ graphy was used to articulate the philosophy. While there is perhaps a danger of exaggerating Kant’s use of geography and its import for philosophy, there is certainly an element of truth to this point. It is one of the four compelling rea­ sons why, according to Louden, we should take Kant’s physical geography more seriously. A clear parallel runs between anthropology and physical geography, and it is no surprise that the two courses were popular. Both disciplines have elements that are at once empirical and practically oriented. Kant calls physical geography and anthropology ‘cognitions of the world’ (Welterkenntnisse) (PG, AA 09: 157) or ‘worldly knowledge’ (Weltkenntniß) (Anth, AA 07: 122 n, VvRM, AA: 02: 443). “Die Erfahrungen der Natur und des Menschen machen zusammen die Welter­ kenntnisse aus.” (PG, AA 09: 157 [“The experiences of nature and of the human being together constitute the cognitions of the world.”]) While it might seem that anthropology, but not geography, concerns human be­ ings, in fact both disciplines examine the environment in which humans live and act, though they do so from different perspectives. As Allen Wood has observed, geography concerns the outer, natural environment in which humans find them­ selves and with which humans interact (even if in mutual influence with nature), whereas anthropology deals with the constitution of the human mind and the social and historical environment in which humans, both individually and col­ lectively, shape their own nature as rational creatures.5 Where does this leave Kant scholarship? Eduardo Mendieta, co-editor of a volume published in 2011, devoted entirely to Kant’s physical geography, con­ cluded his own contribution with a striking question: Why has it taken so long for scholars in the English speaking world […] to en­ gage what is surely one of Kant’s longest, richest, most diverse contributions: his teaching on geography and anthropology? Why, beyond the obvious absence of

J­ ournal for the History of Philosophy 22/2 (2018). 411–427. Stuart Elden: Reassessing Kant’s Geography. In: Journal of Historical Geography 35/1 (2009). 3–25. Cinzia Ferrini: Illusions of Imagination and Adventures of Reason in Kant’s First Critique. In: Philosophie nach Kant. Neue Wege zum Verständnis von Kants Transzendental- und Moralphilosophie. Ed. by Ma­ rio Egger. Berlin 2014. 141–188, esp. 159–160. Robert B. Louden: The Last Frontier. Explor­ ing Kant’s Geography. In: Society and Space 32/3 (2014). 450–465. 5 Allen W. Wood: Editor’s Introduction. In: Kant: Lectures on Anthropology. Ed. by Robert B. Louden/Allen W. Wood. Trans. by Robert Clewis/Robert Louden/Felicitas Munzel/Allen Wood. Cambridge 2012. 1.

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reliable translations, has it taken this long for us to engage this witty, chatty, en­ gaging, committed, but also prejudiced and provincial Kant?6

Indeed, attention to this aspect of Kant’s work has been minimal, even among studies of Kant’s scientific contributions. But Mendieta’s reference to an “absence of reliable translations” is, thankfully, no longer entirely true today. The Cam­ bridge Edition’s Natural Science volume (2012) contains a complete translation of Rink’s Physical Geography,7 which is found in volume 9 of the Akademie-Aus­ gabe. The Natural Science translation of the Rink edition will surely supersede previous (partial) translations of Rink carried out by Bolin and May. 8 So it will be interesting to see if anglophone scholarship takes more interest in Kant’s ge­ ography now that we have a dependable translation of Friedrich Theodor Rink’s Physical Geography. (Perhaps it is too early to tell, but it does not yet seem to be the case.) Nevertheless, the state of scholarship can be further improved. For even if the translation in Natural Science is reliable and complete, it remains a translation of a defective version of Kant’s physical geography, one poorly edited by Rink. The edition contains errors and alterations introduced by Rink, as Werner Stark has demonstrated in his comments on and introductions to Kant’s physical geography. In light of these defects, Stark edited the physical geography lecture Holstein, and it was published in the Academy Edition in 2009 (AA 26.1). Furthermore, ad­ ditional physical geography lectures are scheduled for publication in AA, again under Stark’s supervision. This forthcoming publication of several student transcriptions of Kant’s lec­ tures on physical geography will showcase the development of the course, and will unquestionably improve the state of scholarship on this area of Kant’s work – perhaps in a way that is similar to what occurred in the case of anthropology following the publication of AA volume 25 in 1997. The publication and eventual translation of the physical geography lectures should be of potential interest to Kant scholarship and beyond, as Mendieta implies. Though physical geography is hitherto relatively neglected within Kant studies, it is after all an area that pre­ 6

Eduardo Mendieta. In: Reading Kant’s Geography. Ed. by Stuart Elden/Eduardo Men­ dieta. Albany 2011. 364. 7 Immanuel Kant’s Physical Geography. Trans. by Olaf Reinhardt. In: Natural Science. Ed. by Eric Watkins. Cambridge 2012. 441–679. 8 Joseph A. May includes an English translation of (only) the Introduction to Kant’s Physical Geography. Joseph A. May: Kant’s Concept of Geography and its Relation to Re­ cent Geographical Thought. Toronto 1970. 255–264. Ronald Bolin completed a translation of (only) Part I (AA 09: 153–308) as part of his MA thesis for Indiana University, Blooming­ ton. Ronald L. Bolin [translator]: Immanuel Kant’s Physical Geography. MA thesis. Indiana University 1968.

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occupied Kant in his teaching career and was the topic of his first publications, appearing in the 1750s. It should also be of interest to historians and philosophers of science as well as to geographers interested in the history of their discipline. So far, the Holstein lecture remains untranslated in English. We may hope that translations of it and the other geography lectures will soon appear, just as they did in the case of Kant’s lectures on anthropology. In my view, translations of student transcriptions of the physical geography course could find a comfort­ able home in the Cambridge Edition of the Works of Immanuel Kant, perhaps if accompanied by selections from Kant’s lectures on physics and natural science.9 With the publication of student transcriptions of the physical geography lec­ tures, and subsequent translations into English and other languages, we can only hope that new perspectives for scholarship on Kant’s geography will soon be opened up – in a way that runs parallel to the increased interest in Kant’s anthro­ pology subsequent to 1997.

9

In: Clewis: Reading Kant’s Lectures [note 1], for instance, two pages from the Danziger Physik manuscript (AA 29: 116–118) were translated into English by Robert Clewis. Ib., 459 f.

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TEIL V Philosophie in Übersetzung

Philosophie und Übersetzung Andreas Gipper / Lavinia Heller I.  Vom Translationsraum zum translational turn1

Die Geschichte der westlichen Philosophie ist über weite Strecken die Geschichte eines Paradoxes. Die Philosophie konstituiert sich mehr als jede andere Diszi­ plin (mit Ausnahme der Theologie) als kontinuierlicher Übersetzungsprozess von der Antike bis heute und hat doch diesen Umstand bis ins 20. Jahrhundert in ei­ ner Weise verleugnet und verdrängt, der fast zu tiefenpsychologischen Betrach­ tungen einladen könnte. Es ist insofern ebenso absurd wie folgerichtig, dass das Historische Wörterbuch der Philosophie, das vielleicht ›erfolgreichste Großpro­ jekt der deutschen akademischen Philosophie‹ nach dem Zweiten Weltkrieg, das den sich über 2000 Jahre erstreckenden Wandlungsprozessen der europäischen Begrifflichkeit der Philosophie gewidmet ist, ohne das Stichwort Übersetzung auskommt. Gerade jener Bereich der epistemischen Ordnung des Westens, der sich als am tiefsten und grundsätzlichsten von den spezifischen Strukturen seines sprachlichen Materials und damit gleichzeitig seiner jeweiligen übersetzerischen Tradierung abhängig erweist, hat sich als Disziplin über mehr als zwei Jahrtau­ sende hinweg als das Streben nach einer von allen Trägermedien unabhängigen, übersprachlichen, bzw. sprachunabhängigen Erkenntnis konstituiert. Ganz grob kann man sagen, dass erst im 20. Jahrhundert in Auseinandersetzung mit der Sprachphilosophie der deutschen Romantik die Problematik des Übersetzens mit Autoren wie Benjamin, Heidegger, Quine und Derrida zu einem Zentralproblem der philosophischen Reflexion wird. Das heißt natürlich nicht, dass das Problem der sprachlichen Gestalt von Erkenntnis in der Geschichte der Philosophie nie­ mals zum Thema geworden wäre. Man wird jedoch da, wo ein solches Interesse existierte, von der klaren Dominanz eines Denkansatzes sprechen dürfen, der da­ nach strebte (und beispielhaft sei hier auf Grammatik und Logik von Port-Royal

1

Dem Beitrag liegt eine bibliographische Dokumentation des Forschungsstandes zu Fra­ gen der Übersetzung philosophischer Texte zugrunde. Aus Gründen der Vereinheitlichung innerhalb des Bandes, in dem keine separaten Bibliographien zu den Einzelbeiträgen vorge­ sehen sind, sind die von den Verfassern des vorliegenden Beitrags ermittelten einschlägigen Titel, sofern sie nicht ohnehin im Fußnotenapparat des Beitrages angeführt werden, in die Gesamtbibliographie am Ende des Bandes eingegangen. [Anm. der Herausgeberin]

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verwiesen) Erkenntnis- und Sprachtheorie in Logik und damit die Untersuchung sprachunabhängiger Strukturen aufzulösen. Diese Paradoxie soll im Folgenden und im Sinne einer historischen Rückbesin­ nung anhand einiger wichtiger historischer Kristallisationspunkte nachgezeich­ net werden. Dass diese Skizze hochselektiv und holzschnittartig sein wird, liegt in der Natur des Vorhabens. Ziel ist es, an einigen Stationen den Weg von der praktischen Erfahrung eines gemeinsamen Übersetzungsraums der europäischen Philosophie hin zur Einsicht in den unhintergehbar translatorischen Charakter des westlichen Projekts der Philosophie vorzuführen. In einem zweiten Schritt soll anschließend auf die Besonderheiten philosophischen Übersetzens einge­ gangen werden. Die Ausbildung eines als protoeuropäisch zu bezeichnenden Kulturraums (die alten Griechen betrachteten sich, wie man weiß, selbst nicht als Europäer) ist in wichtigen Teilen das Produkt der systematischen Aneignung der griechischen Kultur durch die Römer. Im Prozess dieses Kulturtransfers spielt die Philoso­ phie, die Philosophen wie Plato oder Aristoteles als Schlussstein des gesamten Bildungsgebäudes betrachteten, eine besondere Rolle. Die Aneignung der grie­ chischen Philosophie durch die römische Kultur erstreckt sich über mehrere Jahr­ hunderte und reicht von Cicero über Plotin bis zu den spätantiken Kirchenleh­ rern. Die Frage, inwieweit bereits die griechische Philosophie selbst das Produkt eines Kulturtransfers aus dem asiatischen Raum gewesen sein mag, ist in den letzten Jahren viel diskutiert worden, 2 kann an dieser Stelle aber vernachlässigt werden. Zwar kann daran erinnert werden, dass die Annahme orientalischer Ein­ flüsse bereits in der antiken Literatur etwa im Zusammenhang mit Pythagoras und Platon weit verbreitet war, übersetzerische Aneignungen im engeren Sinne sind aber nicht nachweisbar. Bekanntlich war das Bildungssystem der römischen Oberschicht ab der späten Republik von einer griechisch-römischen Diglossiesituation geprägt. Die kano­ nischen Texte der griechischen Philosophie halten also ihren Einzug in Rom im Original. Die Vermittlung der griechischen Philosophie via Übersetzung bleibt von diesem Umstand natürlich nicht unberührt, insofern die Übersetzung grie­ chischer Texte vor dem Hintergrund eines bereits existierenden philosophischen Vorverständnisses erfolgt. Die römische Philosophie entsteht also in wichtigen Teilen direkt oder indirekt auf der Basis von Übersetzungen aus dem Griechi­ schen. So gut wie das gesamte philosophische Vokabular der Römer entsteht als Übersetzung griechischer Termini. Dabei fällt auf, dass die altrömische Reflexion auf das Übersetzen – von einer veritablen Übersetzungstheorie wird man sicherlich noch nicht sprechen kön­ nen – sich so gut wie ausschließlich auf den Bereich von Literatur und Rhetorik 2

Vgl. Walter Burkert: Die Griechen und der Orient. München 2004.

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bezieht. Das ist in unserem Zusammenhang schon deshalb von Bedeutung, als die Ciceronischen Überlegungen zum Übersetzen und insbesondere sein berühmtes Plädoyer für die ›non-verbum-pro-verbo‹-Übersetzung zwar einen hochinteres­ santen Einblick in die Prinzipien seiner (vermutlichen) Demosthenes- und Äschi­ nes-Übersetzungen liefern, sich auf seine philosophischen Übersetzungen jedoch nicht ohne weiteres übertragen lassen. Das hat maßgeblich damit zu tun, dass das Übersetzen in Rom unterschiedlichen praktischen Interessen im Bildungssystem entspricht und insofern unterschiedlichen institutionellen Orten zugehört. Wäh­ rend das Übersetzen im Grammatikunterricht im Wesentlichen eine explikative Funktion hat, dient es im Rhetorikunterricht der Aemulatio. 3 Entsprechend steht im einen Fall eine gewisse Ausgangstextorientierung im Vordergrund, während im anderen Fall die Übersetzungspraxis klar zieltextorientiert ist. Dieser Hinter­ grund prägt auch Ciceros Übersetzungspraxis und -reflexion. Ist Ciceros Schrift De optimo genere oratorum primär Teil einer rhetorischen Praxis und steht sie in­ sofern traditionell für eine gewisse Zielsprachenorientierung, so schwanken seine philosophischen Schriften und Übersetzungen zwischen einer eher illustrativen und einer eher explikativen Funktion. In letzterem Fall sind sie von einem durch­ aus bemerkenswerten Respekt vor dem Ausgangstext geprägt. Entsprechend gibt es in Ciceros Schrift De finibus (45 v. Chr.) etwa in den Kapiteln 3.15 und 3.16 ausführliche Diskussionen zur Bedeutung griechischer philosophischer Termini und auch eine Reihe von Bemerkungen zu ihrer möglichen Latinisierung. 4 Der bereits angesprochene Umstand, dass der allergrößte Teil des philosophischen Vokabulars der römischen Philosophie Produkt von Übersetzungen aus dem Griechischen ist, lässt sich auch an einer Reihe von folgenreichen Neuschöpfun­ gen Ciceros belegen (indifferentia, qualitas, beatitudo, moralis, evidentia etc.) Diesem Prozess, dem lange Zeit lediglich unter philologischer Perspektive ei­ niges Interesse zuteil wurde, kommt aus heutiger Perspektive grundlegende philo­ sophische Bedeutung zu. So hat Martin Heidegger im 20. Jahrhundert das, was er als die ›Seinsvergessenheit des Abendlandes‹ bezeichnete, in wichtigen Teilen als das Produkt eines gescheiterten Übersetzungsprozesses gedeutet. In Bezug auf die Übertragung griechischer philosophischer Termini ins Lateinische schreibt Heidegger: »Der Vorgang dieser Übersetzung des Griechischen ins Römische ist nichts Beliebiges und Harmloses, sondern der erste Abschnitt des Verlaufs der Abriegelung und Entfremdung des ursprünglichen Wesens der griechischen Philosophie.«5 Darauf wird weiter unten zurückzukommen sein. 3

Vgl. Rita Copeland: Rhetoric, Hermeneutics, Translation. Cambridge 1995. Jonathan G. F. Powell: Translation and Culture in Ancient Rome. Cicero’s Theory and Practice of Translation. In: Übersetzung – Translation – Traduction (Handbücher zur Sprachund Kommunikationswissenschaft). Bd. 2. Berlin 2007. 1132–1136. 5 Martin Heidegger: Einführung in die Metaphysik. Hg. von Petra Jaeger. Tübingen 1983. 10. 4

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Entsteht die römische Philosophie in einem diglossischen Kontext, so ist die Philosophie des Mittelalters zunächst durch einen lange andauernden Monolin­ gualismus geprägt. Das Lateinische etabliert sich als die alleinige Bildungsspra­ che und die Kenntnis der weiterhin als kanonisch geltenden Originaltexte der griechischen Philosophie geht weitestgehend verloren. Dieser Monolingualismus geht so weit, dass die wichtigste Übersetzung des christlichen Zeitalters, nämlich die Vulgata, im Laufe der Zeit geradezu an die Stelle des Originals tritt. Im Jahre 1546 erklärt das Konzil von Trient die Vulgata zum autoritativen Text in allen Glaubensfragen. Die Übersetzung wird selbst zum heiligen Text. Zwar gibt es das ganze Mittelalter über vereinzelte Gelehrte, die versuchen sich den wenigen erhaltenen griechischen Texten zuzuwenden – das vielleicht be­ rühmteste und auch folgenreichste Beispiel sind die Aristoteles-Übersetzungen des Wilhelm von Moerbeke im späten 13. Jahrhundert –, diese Versuche bleiben aufs Ganze gesehen aber Randerscheinungen. Wichtig sind sie philosophiege­ schichtlich vor allem deshalb, weil sie das Bewusstsein für die Unverfügbarkeit des philosophischen Erbes und seiner kanonischen Texte wachhalten. Kultur- und übersetzungsgeschichtlich von allergrößter Bedeutung sind hin­ gegen die Übersetzungen aus dem Arabischen. 6 Bekanntlich zirkulierten viele Texte der griechischen Philosophie und insbesondere eine ganze Reihe der zen­ tralen aristotelischen Werke über Jahrhunderte hauptsächlich in lateinischen Re­ laisübersetzungen aus dem Arabischen. Ist diese Vermittlungsleistung der arabi­ schen Kultur eigentlich immer anerkannt worden, so haben die entsprechenden Texte selbst – schon wegen ihres Charakters der Relaisübersetzung – in der Neu­ zeit kaum noch ein Interesse gefunden. Sobald im Anschluss an die Renaissance die griechischen Originale und die entsprechenden Griechisch-Kenntnisse bei den Gelehrten wieder vorhanden waren, erschienen die Übersetzungen aus dem Arabischen wie eine Leiter, die man wegwirft, wenn man über sie aufgestiegen ist. Während im Bereich der Wissenschaften und vor allem der Mathematik der arabische Einfluss auf die europäische Kultur des Mittelalters stets in seiner be­ fruchtenden Leistung anerkannt wurde, wird man für die griechisch-arabischen Relaisübersetzungen im Bereich der Philosophie kulturell von einer sehr viel ambivalenteren Wahrnehmung und Bewertung ausgehen müssen. Zwar wurden diese Übersetzungen als Tradierungsleistung stets gewürdigt, als produktiver ei­ gener Beitrag, der dem philosophischen Diskurs neue Wege eröffnet hätte, wur­ den sie jedoch kaum wahrgenommen. Als Relaisübersetzung schienen sie den Zu­ gang zur kanonischen Quelle im Nachhinein eher zu verstellen als zu eröffnen.7 6 Charles Burnett: Translation from Arabic into Latin in the Middle Ages. In: Überset­ zung – Translation – Traduction [Anm. 4] 1231–1237. 7 Das geringe Prestige, das Relaisübersetzungen insbesondere in der westlichen Philoso­ phie und Literatur anhaftet – vgl. dazu exemplarisch Walter Benjamins translationsphiloso­

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Die Philosophie der Neuzeit entsteht aus dieser Perspektive in dem Moment, wo diese Übersetzungen überflüssig und ihre Erbschaften überwunden werden. Erst in jüngster Zeit gibt es eine Reihe von Versuchen, sich den Effekten des griechisch-arabisch-lateinischen Philosophietransfers mit einem neuen Blick zu­ zuwenden. So haben Balibar, Cassin und de Libera in ihrem Artikel zum Stich­ wort Sujet im Dictionnaire des intraduisibles zu zeigen versucht, welche Rolle ›Fehlübersetzungen‹ aus dem Arabischen für jene historische Transformation gehabt haben, in deren Verlauf das hypokeimenon des Aristoteles (im Sinne ei­ nes Substrats, bzw. einer individuellen Substanz in einer gegebenen Form) zum subjectum (im Sinne von Ich, Ichheit, Subjekt der Metaphysik) wird. In einer de­ taillierten Analyse der lateinischen Übersetzung des De Anima – Kommentars von Averroes versuchen sie zu zeigen, dass die These, die Philosophie habe ihren Sitz im Subjekt, an einer entscheidenden Stelle im Kommentar auf ein überset­ zerisches Missverständnis zwischen den arabischen Termini mawdu (›Subjekt‹ oder ›Substrat‹ im Sinne von Hypokeimenon) und mawdi (›Ort‹) zurückgeht. An der Entstehung des modernen Subjektbegriffs wäre an entscheidender Stelle ein Übersetzungsfehler beteiligt. Oft wird der Einzug der Übersetzung in die Geschichte der Philosophie als praxisbezogene Problematisierung mit dem Siegeszug der Vernakularsprachen in Zusammenhang gebracht. 8 Damit endet der Monolingualismus des Mittelalters und wird der europäische Philosophiediskurs polyphon. Als besonders markan­ tes Datum gilt in diesem Zusammenhang die Veröffentlichung von Descartes’ Discours de la méthode im Jahre 1637. Dabei wird freilich oftmals übersehen, dass übersetzungshistorisch betrachtet der entscheidende Wandel mit der Wiederent­ deckung griechischer Texte und ihrer Übersetzung ins Lateinische im Zeitalter des Humanismus einsetzt. Da sich der philosophische Diskurs des Mittelalters über weite Strecken in einer Art Monolingualismus bewegte, innerhalb dessen das Lateinische das einzige legitime Medium bildete, waren Übersetzungspro­ zesse stets durch einen vertikalen Vektor charakterisiert. Da, wo Übersetzung überhaupt stattfand, man denke etwa an die vulgärsprachlichen Versionen popu­ lärer Texte wie Boethius’ Consolatio philosophiae, die in ganz Europa immer wie­ der in die unterschiedlichen Volkssprachen übertragen wurde, da waren die ent­ sprechenden Translate durch ein eindeutiges Dignitäts- und Legitimitätsgefälle phische Auseinandersetzung mit seiner Baudelaire-Übersetzung von 1923 unter dem Titel Die Aufgabe des Übersetzers (1963) –, ist wohl auch der Grund für das mangelnde transla­ tionswissenschaftliche Interesse für diesen Gegenstand. Vgl. James St. André: Relay. In: Mona Baker/Gabriela Saldanha (Hg.): Routledge Encyclopedia of Translation Studies. Lon­ don/N.Y. 2009. 230–232. Zu Relaisübersetzungen bzw. ›Übersetzungen aus zweiter Hand‹ vgl. den Beitrag von Iris Plack im vorliegenden Band. 8 Vgl. Robert J. C. Young: Philosophy in Translation. In: Sandra Berman/Catherine Por­ ter (Hg.): A Companion to Translation Studies. Chichester 2014. 41–53. Hier: 43.

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charakterisiert. Das Mittelalter hat für diesen spezifischen Typus von Überset­ zungen in die Volkssprachen einen eigenen Terminus geprägt, der sich bis heute samt dem von ihm implizierten Dignitätsdefizit erhalten hat, die Vulgarisierung. Aufgrund des spezifischen Gefälles zwischen Ausgangssprache und Zielspra­ che und der entsprechenden Bewegungsrichtung von oben nach unten hat sich für diesen Übersetzungstyp der Terminus vertikale Übersetzung durchgesetzt.9 Was Humanismus und Renaissance demgegenüber auszeichnet, ist das Entste­ hen eines alternativen Übersetzungsmodells vom Griechischen ins Lateinische, das man aufgrund der vergleichbaren Dignität von Ausgangs- und Zielsprache als horizontalen Übersetzungstyp bezeichnen kann. Diesem Prozess kommt aus unterschiedlichen Gründen große Bedeutung zu. Nicht zuletzt führt er zu einer signifikanten Nobilitierung der Übersetzer und ihrer Tätigkeit. Diese Aufwer­ tung artikuliert sich auch darin, dass das Übersetzen zum ersten Mal zum Gegen­ stand systematischer Reflexion wird. Besondere Bedeutung hat hier Leonardo Brunis Traktat De interpretatione recta (1424), der nicht zufällig als polemische humanistische Abrechnung mit den ungelenken Aristoteles-Übersetzungen des Mittelalters entstanden ist. Zum ersten Mal kommt damit das Problem des Über­ setzens nicht nur als technisches, sondern als fundamental kulturelles Problem in den Blick. Das gilt in einer doppelten Hinsicht. Es gilt zunächst in dem Sinne, dass die Übertragung griechischer Texte, insbesondere griechischer philosophischer Texte, im Humanismus den Status einer zentralen ›kulturpolitischen‹ Aufgabe ge­ winnt. Das vielleicht prägnanteste Symbol für diesen Prozess ist die systematische lateinische Übersetzung der bis zu diesem Zeitpunkt bekannten platonischen Schriften durch Marsilio Ficino. Seinen paradigmatischen Wert erhält dieses Übersetzungsprojekt nicht zuletzt durch seinen Charakter als großzügig finan­ ziertes kulturpolitisches Leuchtturmprojekt der Medici-Herrschaft. Ähnlich be­ deutsam ist freilich die Tatsache, dass sich in diesem Prozess auch ein Bewusstsein davon herausbildet, dass mit der Vermittlungsgestalt der kanonischen Texte auch ihr Erkenntnis- und Wahrheitsanspruch tangiert ist. Dieses Bewusstsein wird im Zeitalter der Renaissance freilich von einem fundamentalen Übersetzungsopti­ mismus entschärft, der bis ins Zeitalter der Aufklärung tradiert wird. Gerade in dem Maße wie den antiken Modellen in der Renaissance unbedingte und uni­ versale Vorbildhaftigkeit zugemessen wurde, mussten grundsätzliche Zweifel an der Übertragbarkeit philosophischer Diskurse als schiere Denkunmöglichkeit erscheinen. Dennoch kann man sagen, dass zum ersten Mal Fragen des Stils auch im Bereich philosophischer Texte in den Mittelpunkt des Interesses rückten. In­ dem Bruni nicht zuletzt auch auf den literarisch-ästhetischen Qualitäten der von ihm übersetzten griechischen Texte insistiert, trägt er nicht unwesentlich zu einer Öffnung der Philosophie für ein Publikum gebildeter Laien bei. 9

Gianfranco Folena: Volgarizzare e tradurre. Turin 1991.

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Dieser Prozess erreicht nun in der Tat eine neue Qualität mit der Veröffentlichung von René Descartes’ Discours de la méthode im Jahre 1637, der ursprüng­ lich eine Art methodologische Einführung zu Descartes’ wissenschaftlichen Essays (Dioptrique, Les météores, La géométrie) bildete. Das ist insofern von Be­ deutung, als Descartes offenbar davon ausging, dass die wissenschaftlichen Texte bei einem breiteren Publikum Interesse finden würden als die im engeren Sinne philosophische Produktion, die er auf Latein publizierte. Zwar erschien im Jahre 1656 eine von Descartes autorisierte lateinische Fassung des Discours, es bleibt dabei aber bemerkenswert, dass das berühmte ›Cogito, ergo sum‹ als Überset­ zung aus dem Französischen entsteht, und nicht umgekehrt. Es ist daher zu Recht gesagt worden, dass die moderne Philosophie exakt in dem Moment entsteht, wo ihre Sprache aufhört universal zu sein. Das bedeutet faktisch auch, sie entsteht gleichursprünglich als Gegenstand übersetzerischen Handelns. Dass das Übersetzen dennoch über das ganze 17. und frühe 18. Jahrhundert hinweg kaum als ernsthafte philosophische Problematik in den Blick kam, hat maßgeblich mit der Vorherrschaft jenes sprachlichen Repräsentationsmodells zu tun, das paradigmatisch von Grammatik (1660) und Logik (1662) von PortRoyal verkörpert wird. In dem Maße wie das sprachliche Zeichen unmittelbar als Repräsentant einer außersprachlichen Idee konzeptualisiert wird, erscheint die sprachliche Form des Diskurses lediglich als das äußere Gewand eines außer­ sprachlichen Gehalts. Auf diese Weise begründet sich ein fundamentaler Über­ setzungsoptimismus, der gerade in Bezug auf wissenschaftliche und philosophi­ sche Texte aufgrund ihrer rationalen Struktur besonders virulent ist. In engem Zusammenspiel mit der Theorie des ›ordre naturel des mots‹ erscheint das Fran­ zösische darüber hinaus als Sprache der wissenschaftlichen und gedanklichen Klarheit schlechthin und insofern als das prädestinierte Instrument übersetzeri­ scher Vermittlung. Entsprechend heißt es bei Diderot: »Das Französische ist da­ für bestimmt zu unterrichten, aufzuklären und zu überzeugen; das Griechische, Lateinische, Italienische und Englische hingegen dafür zu überreden, zu bewe­ gen und zu täuschen. Sprecht zum Volk auf Griechisch, Latein, Italienisch, doch sprecht mit dem Weisen auf Französisch.« (»Le français est fait pour instruire, éclairer et convaincre; le grec, le latin, l’italien, l’anglais pour persuader, émouvoir et tromper; parlez grec, latin, italien au peuple, mais parlez français au sage.«)10 Da, wo in dieser Zeit die Verschiedenheit des jeweiligen ›génie des langues‹ theo­retisiert wird, geschieht dies in der Regel in Bezug auf poetische Produktionen, deren expressive Kraft sich gerade aus der Abweichung vom ›ordre naturel‹ speist. (Man vergleiche hierzu auch den Artikel zum Stichwort Traduction in Diderots

10

Denis Diderot: Lettre sur les sourds et les muets. In: ders.: Œuvres complètes. Hg. von Jean Assézat/Maurice Tourneux. Bd. 1 (1875). 371 f.

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Encyclopédie.) Der philosophische Text erscheint insofern als der übersetzbare Text par excellence. Dennoch ist offenbar, dass mit der Vernakularisierung der modernen Philoso­ phie der Frage nach ihrem sprachlichen Material neue Dringlichkeit zukommt. Ein paar Worte zur Genese der philosophischen Sprache in den unterschied­ lichen europäischen Ländern mögen insofern sinnvoll sein. Rein sprachlich ge­ sehen unterscheidet sich die Entstehung einer französischen Philosophiesprache wie im Übrigen auch die Entstehung der Sprache der Philosophie in Großbri­ tannien (maßgeblich geprägt durch Locke) nicht unerheblich von der Situation in Deutschland. Das hat zunächst natürlich mit den lateinischen Wurzeln des Französischen zu tun, das auf diese Weise in seinem Erbgut über einen Kern an Termini verfügt, die aus der lateinischen Philosophie stammen. Hinzu kommt freilich, dass das Französische seit der Zeit des Humanismus eine Unzahl von La­ tinismen und Gräzismen in sich aufgenommen hat. So entstand im Französischen ein System zahlreicher Dubletten, in dem neben einem französischen Erbwort ein Lehnwort späterer Zeit steht. Neben der raison steht die rationalité, neben vrai steht vérité, neben loi steht legalité, neben der langue die linguistique, neben der sûreté die sécurité, neben der étendue die extension etc. Man versteht leicht, dass die Latinität des Französischen den Anschluss an die lateinisch-philosophische Tradition zunächst erleichtert hat, aber auch durch das Gefälle zwischen Erb- und Lehnwortschatz, zwischen Alltags- und Gelehrtensprache, zwischen Konkretion und Abstraktion eine Quelle ganz eigener Probleme war. Wie im Englischen, wo oft ein englisches Wort neben einem anglonormannischen oder einem lateini­ schen Lehnwort steht (law/legality; time/temporality; truth/verification etc.), ist der Philosophiediskurs damit von Anfang an als Bildungsdiskurs markiert. Diese vor allem für die romanischen Sprachen (und z.T. auch fürs Englische) charakteristi­ sche Situation birgt ihrerseits bei Übersetzungen etwa ins Deutsche zahlreiche Schwierigkeiten. Ganz anders ist die Situation des philosophischen Vokabulars im Deutschen. Das philosophische Vokabular der klassischen deutschen Philosophie entsteht im 18. Jahrhundert in seinem Kern auf der Basis eines Alltagsvokabulars. Ter­ mini wie Erkenntnis, Vernunft, Verstand, Vorstellung, Grund, Begriff, Bewusstsein, Bildung, Weltanschauung, Verhältnis, Wesen, Aufhebung, Wahrnehmung, an und für sich etc. sind nicht primär philosophisch konnotiert, selbst wenn sie, wie etwa der Terminus Bewusstsein, als Lehnübersetzung zum Lateinischen (conscientia) entstanden. Das Werk Martin Heideggers mit seiner systematischen Orientierung an ei­ ner ursprünglichen Alltagssprache stellt insofern im 20. Jahrhundert zwar einen Extremfall dar, schließt aber dennoch an eine Grundtendenz der philosophi­ schen Tradition in Deutschland an. Das gibt dem philosophischen Diskurs im Deutschen eine Dimension der Konkretion, der dadurch kaum in latinisierende

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Wissen­schafts­sprachen zu übertragen ist.11 (Eine Problematik, die wir im Übrigen auch in anderen Bereichen, wie etwa bei der Übersetzung der psychoanalytischen Terminologie ins Französische oder Englische, wiederfinden.)12 Unübersehbar ist, dass die Vernakularisierung der Philosophie – und Descartes und Locke sind hier nur die markantesten Beispiele – immer auch an den Versuch geknüpft ist, einen erneuerten Zugang zur Erkenntnis überhaupt zu erschließen. Paradoxer­ weise ist dabei der Versuch, die Volkssprache als neuen Zugang zur Wahrheit und innovatives Ausdrucksmedium zu nutzen, stets mit der Notwendigkeit verbunden, das neue Medium auch zum Ausdruck philosophischer Traditionsbestände zu befähigen. Philosophische Innovation und übersetzerische Transformation gehen insofern Hand in Hand. Das gilt auch für das Werk Immanuel Kants, dem im vorliegenden Zusammen­ hang natürlich besondere Aufmerksamkeit zukommt. Interessant ist Kant hier zum einen, weil er in nicht unerheblichem Maße die philosophische Begrifflich­ keit im deutschsprachigen Raum geprägt hat, und zum anderen, weil mit Kant jene Transzendentalproblematik in die Philosophie eintritt, die diese bis heute nicht mehr losgelassen hat und die am Ende auch der Übersetzungsproblematik zu Grunde liegt. Von Anfang an ist die Auseinandersetzung um Kant auch eine Auseinandersetzung um seine Terminologie. In ihr vermischen sich Elemente der lateinischen Schulphilosophie mit der Terminologie der deutschen Aufklärungs­ philosophie in einer hochkomplexen Weise, welche die übernommenen Begriffe in sehr vielen Fällen einem signifikanten Bedeutungswandel unterzieht. Diese Hybridität äußert sich in der Kritik der reinen Vernunft an vielen Stellen durch in Klammern hinzugefügte lateinische Termini, mit denen der Anschluss an die lateinische (bzw. griechische) Schulphilosophie sichergestellt werden soll.13 Kant selbst ist sich dieser Problematik sehr bewusst gewesen, was sich auch in den Vorreden zur KrV artikuliert. Freilich glaubt er, dass diese Schwierigkeiten vor­ übergehend sein werden. In einem Brief an Garve vom 07. 08. 1783 heißt es: »Die erste Betäubung, die eine Menge ganz ungewohnter Begriffe und einer noch un­ gewöhnlichern, obzwar dazu nothwendig gehorigen neuen Sprache, hervorbrin­ 11

Der konkrete Charakter der Heideggerschen Sprache gewinnt ein besonderes Profil dadurch, dass er vermeintliche Synonyme unterschiedlicher Abstammung kontrastiv verwen­ det, um begriffliche Unterscheidungen zu markieren, so etwa bei der Gegenüberstellung von determinieren vs. bestimmen, zeitlich vs. temporal, interpretieren vs. auslegen, Geschichte vs. Historie. Dass solche etymologisch markierten begrifflichen Unterscheidungen eine trans­ latorische Herausforderung darstellen, muss nicht eigens betont werden. Einen besonders kreativen Umgang mit diesen Schwierigkeiten finden wir in den Arbeiten des italienischen Heidegger-Übersetzers Alfredo Marini. 12 Vgl. Jean Arthur Goldschmidt: Quand Freud voit la mer. Paris 2006. 13 Zur Frage der Dubletten (vor allem von Synonymen) bei Kant vgl. im vorliegenden Band den Beitrag von François Ottmann.

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gen mußte, wird sich verlieren.«14 Entsprechend breiten Raum nahmen unter den ersten Kant-Deutungen die Begriffserklärungen der Kant-Lexika ein.15 Freilich sind die Probleme der sprachlichen Form für Kant letztlich didaktischer Natur. In eine sprachphilosophische Reflexion münden sie nicht ein. Dennoch ist es sicher kein Zufall, dass die kantische Transzendentalphilo­ sophie mit ihrer Reflexion auf die Bedingungen der Möglichkeit von Erkennt­ nis auch zum Ausgangspunkt der modernen Sprachphilosophie bei Herder und Hamann wird.16 Zentralen Stellenwert hat hier die in Hamanns Metakritik for­ mulierte These von der »genealogische[n] Priorität der Sprache vor den sieben heiligen Functionen logischer Sätze«17. Wenn aber die Sprache – wie es auch grundlegenden Einsichten Herders, Schlegels und Humboldts entspricht – we­ sentliche Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnis ist, dann wird die Sprach­ philosophie zur eigentlichen Erbin der Transzendentalphilosophie. Diese Ein­ sicht bildet den Kern dessen, was man in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als den linguistic turn bezeichnet hat. Weiten Teilen der Philosophie des 20. Jahr­ hunderts ist insofern die Annahme gemeinsam, dass uns eine sprachunabhängige Welt ob ihrer Strukturlosigkeit letztlich unzugänglich ist. Erst die Sprache gibt mit ihrer logisch-propositionalen Struktur der Erkenntnis ihre Form. Man kann daher von einer Art linguistischem Idealismus oder Konstruktivismus sprechen, der so unterschiedliche Ansätze wie die an den späten Wittgenstein anschlie­ ßende analytische Philosophie, die Fundamentalontologie eines Heidegger, die Hermeneutik Gadamers, die französischen Strukturalisten und bei allen Unter­ schieden selbst noch die Vertreter des Poststrukturalismus eint. So wie es kein Zufall ist, dass die moderne Sprachphilosophie ihren Ausgang von einer Metakritik der KrV nimmt, so ist es ebenfalls kein Zufall, dass auch die moderne Hermeneutik und mit ihr die moderne Übersetzungstheorie im Fahr­ wasser der kantischen Erkenntnistheorie entsteht. Die sprachhermeneutische 14

Kant: Brief an Garve vom 07. 08. 1783 (Br; AA 10: 338). Vgl. dazu u. a. Laura Balbiani: ›deutlich, fasslich und überzeugend‹: Eigenschaften und Aufgaben der frühen Kant-Lexikographie (1786–1804). In: Jochen Bär/Marcus Müller (Hg.): Geschichte der Sprache – Sprache der Geschichte. Probleme und Perspektiven der histo­ rischen Sprachwissenschaft des Deutschen. Oskar Reichmann zum 75. Geburtstag. Berlin 2012. 335–364; Thorsten Roelcke: Die deutschsprachige Fachlexikographie der Philosophie in ihrem europäischen Umfeld: eine Übersicht. In: Fachsprachen. Languages for Special Pur­ poses. Ein internationales Handbuch zur Fachsprachenforschung und Terminologie­w issen­ schaft […]. Hg. von Lothar Hoffmann/Hartwig Kalverkämper/Herbert Ernst Wiegand/Wer­ ner Hüllen. Bd. 2. Berlin/N.Y. 1999. 1995–2004. 16 Dass die philosophiehistorische Forschung in den letzten Jahrzehnten die Anfänge der Einsicht in die unhintergehbar sprachliche Verfasstheit aller Wahrheitsansprüche oftmals mit der Sophistik in Verbindung bringt, mag hier vernachlässigt werden. 17 Johann Georg Hamann: Metakritik. In: ders.: Sämtliche Werke. Hg. von Josef Nadler. Wien 1949–1957. Bd. 3. 286. 15

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Transformation der Transzendental­philosophie, wie sie im 20. Jahrhundert sich etwa bei Heidegger und in völlig anderer Form später bei Karl Otto Apel mani­ festiert, bringt unmittelbar auch eine Reflexion auf die Formen interlingualer Kommunikation hervor, und diese findet ihre paradigmatische Formulierung in Schleiermachers Akademierede Ueber die verschiedenen Methoden des Ueberse­ zens [im Folgenden AKR] aus dem Jahre 1813.18 Nicht umsonst ist in diesem Ver­ such immer wieder die Wasserscheide gesehen worden, mit der sich die Moderne von den klassischen Übersetzungstheorien verabschiedet. Für Schleiermacher ist aufgrund der genuinen Inkommensurabilität von Sprachen und Ausdrucksfor­ men und der unauflöslichen Einheit von Ausdruck und Gedanke klar, dass nicht nur jede Übersetzung eine Interpretation, sondern umgekehrt auch jedes Verste­ hen ein Übersetzen ist. Schleiermacher zieht damit auch die theoretischen Kon­ sequenzen aus seiner eigenen Arbeit als Plato-Übersetzer. Jeder hermeneutische Umgang mit Fremdheitserfahrung impliziert insofern einen Translationsprozess. Ohne an dieser Stelle auf die Details des Schleiermacherschen Modells und seine zentrale und bis heute hundertfach immer wieder variierte Unterscheidung zwi­ schen einbürgerndem und verfremdendem Übersetzen einzugehen, sollen hier drei zentrale Aspekte seines Ansatzes herausgehoben werden. (Wir werden im zwei­ ten Teil dieses Beitrages noch einmal auf diese Unterscheidung zurückkommen.) 1. Gerade weil der Sinn eines Werkes für Schleiermacher (wie das Ding an sich für Kant) nicht gegeben, sondern das Produkt eines unabschließbaren Deutungspro­ zesses ist, kommt der mit diesem Werk verbundenen Fremdheitserfahrung prinzi­ pielle Bedeutung zu. Die Fremdheitserfahrung muss daher grundsätzlich bewahrt werden, weil nur so der hermeneutische Prozess offen bleibt. 2. So wie der Prozess des Verstehens unabschließbar ist, so ist es auch der Prozess des Übersetzens. Aus der Fremdheitserfahrung, die aus der Inkommensurabilität der Sprachen folgt, resultiert daher nicht etwa ein Übersetzungspessimismus, sondern die Forderung nach einem wahrhaft umfassenden Übersetzungsprogramm, mit dem die deut­ sche Sprache danach streben soll, gleichsam die ganze Welt in sich aufzunehmen. 3. Schleiermachers Grundunterscheidung zwischen Übersetzen und Dolmetschen ist eine Unterscheidung zwischen der Wiedergabe weitgehend sprachunabhängi­ ger propositionaler Gehalte (etwa bei der Übertragung von Geschäftskorrespon­ denz) und der Übertragung von literarischen oder philosophischen Werken, die in die Gestalt der Sprache selbst kreativ eingreifen. »[N]ur die [Rede] kann und darf länger bleiben, welche einen neuen Moment im Leben der Sprache selbst bildet.« (AKR: 3) Das bedeutet, dass das Übersetzen, in dem Sinne, wie es Schleierma­ cher interessiert, immer ein Übersetzen ist, das nicht nur die Plastizität der Spra­ che voraussetzt, sondern an dieser stets teilhat und teilhaben soll. Schleiermacher 18

Friedrich Schleiermacher: Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersezens. In: Hans-Joachim Störig (Hg.): Das Problem des Übersetzens. Darmstadt 1963. 38–70.

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weist damit gleich in der Geburtsstunde der modernen Übersetzungstheorie auf einen ganz zentralen Aspekt philosophischer Übersetzungen hin. Philosophie ist immer und überall Arbeit an Begriffen, die beim Versuch sie für den Ausdruck neuer Gedanken zu befähigen notwendig semantischen Verschiebungen unter­ liegen. In solchen Verschiebungen, die im Translationsdiskurs in der Regel als unvermeidbare translatorische Begleiterscheinung bedauert werden, liegt aber gerade das dynamisierende Moment philosophischer Übersetzung. Gerade das, worauf die technische Übersetzung seit Jahrzehnten ihr Hauptaugenmerk und ihre ganze Hoffnung für die Zukunft setzt, sprich immer umfangreichere und komplexere Terminologiedatenbanken, die auf sprachlich mehr oder weniger nor­ mierten Äquivalenzbeziehungen beruhen, gerade das erweist sich beim Überset­ zen philosophischer Texte nicht nur als grundsätzlich unzulänglich, sondern auch als philosophisch unproduktiv. Die Unzulänglichkeit zeigt sich bereits darin, dass die Plastizität der Sprache, die im historischen Prozess durch Translation selbst potenziert wird, stets erneute übersetzerische Bemühung notwendig macht. Es ist insofern nur scheinbar paradox, dass die an der Schwelle zum 19. Jahr­ hundert sich durchsetzende Idee einer globalen Zirkulation kultureller Güter (Goethe, de Staёl) gerade von der Einsicht in deren sprachliche Inkommensura­ bilität profitiert. Besonderen Wert hat auf diesem Markt stets das Neue, Origi­ nelle und damit tendenziell Fremde. Weltliteratur ist globalisierte übersetzerische Auseinandersetzung mit dem Fremden. Dieser Suche nach Differenz entspricht insbesondere im philosophischen Feld die Präferenz einer Übersetzungsmethode, die das Übersetzte als Fremdes erkennbar auf Abstand hält und nicht im Eigenen auflösen will. Was daher für den aktuellen Boom der Translation Studies und den biswei­ len postulierten translational turn in vielen Disziplinen gilt, dass er nämlich das Produkt einer globalisierten Differenzerfahrung ist, das gilt bereits für seine Ge­ burtsstunde im Umfeld der deutschen Romantik. Das vielleicht wichtigste Doku­ ment dieser zunehmenden Konvergenz philosophischer und translationswissen­ schaftlicher Forschung in der Gegenwart ist insofern vielleicht Barbara Cassins Dictionnaire des intraduisibles aus dem Jahre 2004, in dem man in mancher Hin­ sicht das methodische Gegenstück zum eingangs erwähnten Historischen Wörter­ buch der Philosophie sehen kann. II.  Philosophische Übersetzungskultur

Haben wir im ersten Teil dieses Beitrages versucht, einen Bogen zu schlagen von der Konstitution der westlichen Philosophie als Produkt eines gemeinsamen Translationsraums hin zur Entfaltung der Translationsproblematik als zentrale Frage der Philosophie selbst, so wollen wir uns im Folgenden der philosophi­

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schen Übersetzung als philosophischer Praxis in translations­w issenschaftlicher Perspektive zuwenden. Das Übersetzen soll damit nicht nur als philosophische Frage par excellence, sondern auch selbst als eminente Praxis des Philosophie­ rens betrachtet werden. Der praktische Übersetzungsdiskurs wird seit jeher von der Frage darüber begleitet, ob auf eine Weise übersetzt werden soll, dass der Text seinen Transla­ tionscharakter oder gar seinen Ausgangstext, seinen Autor oder die Ausgangs­ sprache offenbart, oder vielmehr so, dass er seine Genese und Herkunft vergessen lässt, indem er sich maximal an den Ausdruckskonventionen oder den Lese- bzw. Hörgewohnheiten des Zielpublikums orientiert. Diese Frage ist bereits in den frühesten dokumentierten Translationsreflexionen von Cicero, Horaz, Quintilian und Hieronymus überliefert und wird häufig mit Schleiermachers Unterscheidung zweier Methoden des Übersetzens zusammengefasst: »Entweder der Uebersezer läßt den Schriftsteller möglichst in Ruhe, und bewegt den Leser ihm entgegen; oder er läßt den Leser möglichst in Ruhe und bewegt den Schriftsteller ihm ent­ gegen.« (AKR: 47) Entsprechend dieser perennierenden Frage nach der geeigneten translatori­ schen Vorgehensweise wird die Übersetzungsgeschichte häufig als ein Oszillieren zwischen zwei Extremen beschrieben. In der Tat lassen sich Epochen ausma­ chen, in denen entweder die einbürgernde Übersetzungsnorm (man denke etwa an die Zeit der belles infidèles im Frankreich des 17. Jahrhunderts) oder die ver­ fremdende Übersetzungsnorm (etwa in der deutschen Romantik) vorherrschend sind.19 Solche allgemeinen Periodisierungen verstellen jedoch leicht den Blick darauf, dass Translationsmaximen in der Regel mit Bezug auf bestimmte Text­ sorten bzw. -funktionen formuliert worden sind. So bezieht sich Cicero mit seinem Plädoyer für eine sinnbezogene Übersetzung, wie bereits weiter oben besprochen wurde, speziell auf eine Form rhetorischen Übersetzens (Aemulatio) und dies be­ trifft nicht das Übersetzen philosophischer Texte. Hieronymus hingegen nimmt 19

Diese Beobachtung hat in der Translationswissenschaft in den 1970er Jahren zur Ent­ wicklung eines normtheoretisch fundierten Ansatzes für die translationshistorische For­ schung geführt (Gideon Toury: In Search of a Theory of Translation. Tel Aviv 1980); wo Regelmäßigkeiten im translatorischen Handeln beobachtbar werden und wo die translatori­ schen Entscheidungen nicht über sprachstrukturelle Zwänge erklärt werden können, werden sozio-kulturell verankerte intersubjektive Handlungsmotive vermutet (Toury: Translated Li­ terature. System, Norm, Performance. Toward a TT-Oriented Approach to Literary Transla­ tion. Ebd. 50). Diese intersubjektiven Handlungsmotive werden im translationswissenschaft­ lichen Diskurs als Normen bzw. translational norms bezeichnet. Sie werden im allgemein soziologischen Sinne als »performance instructions« (ebd. 51) verstanden. Deren Verbind­ lichkeit ist graduell und bewegt sich zwischen den beiden extremen Polen, dem objektiven, absoluten Zwang einerseits und den subjektiven, idiosynkratischen Vorlieben andererseits (vgl. ebd.). Der Raum, in dem Normen mit je unterschiedlicher Kraft wirken, liegt zwischen der Ebene (theoretischer) Ausdrucksmöglichkeiten und der der translatorischen Performanz.

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den Heiligen Text explizit aus der Forderung sinnbezogenen Übersetzens aus und Schleiermachers Plädoyer für eine die Zielsprache verfremdende Übersetzungs­ methode bezieht sich schließlich auf den Umgang mit bestimmten, vornehmlich literarischen und philosophischen Texten. Interessant ist in unserem Zusammen­ hang, dass aus einer textsortenbezogenen Perspektive auf die Geschichte der Translationsnormen dem philosophischen Text in den verschiedenen ›Epochen‹ nicht nur stets eine Sonderstellung vorbehalten ist, sondern dass bezogen auf diese Textsorte die Konventionen recht stabil sind. Vor dem Hintergrund dieser ›Auffälligkeiten‹ verwundert es, dass die Translationswissenschaft, die sehr früh textsortenspezifische Analyse- bzw. Beurteilungskriterien entwickelt hat, 20 das Problem der Übersetzung philosophischer Texte bis heute marginalisiert. 21 Dies ist umso erstaunlicher als ausgerechnet ein Philosoph, nämlich Friedrich Schlei­ ermacher, als Gründungsvater des Fachs stilisiert wird. Darüber hinaus liest sich seine Akademierede Ueber die verschiedenen Methoden des Ueberse[t]zens, die zu den meist zitierten Texten im translationswissenschaftlichen Diskurs zählt, 22 eigentlich viel interessanter, wenn sie als systematische Auseinandersetzung mit 20 Vgl. Katharina Reiss: Möglichkeiten und Grenzen der Übersetzungskritik. Kategorien und Kriterien für eine sachgerechte Beurteilung von Übersetzungen. München 1971. 21 Erst in den letzten Jahren wird dieses Forschungsfeld translationswissenschaftlich bear­ beitet, vgl. etwa Duncan Large: On the Work of Philosopher-Translators. In: Literary Transla­ tion. Redrawing the Boundaries. Hg. von Jean Boase-Beier/Antoinette Fawcett/Philip Wil­ son. Basingstoke 2014. 182–204. Lisa Foran: Translation and Philosophy. Oxford [u. a.] 2012; Andreas Gipper: L’ordre naturel, la traduction et la découverte du génie de la langue. In: YenMai Gervat (Hg.): Traduire en français à l’âge classique. Paris 2013. 15–27. Lavinia Heller: Begriffsübersetzung und Übersetzungsbegriff. Translatorische Überlegungen zu Heidegger. In: Übersetzen als Verhandlung. Hg. von Daniela Pirazzini/Francesca Santulli/Tommaso Detti. Frankfurt a.M. 2012. 95–112. Dies.: Philosophen übersetzen – Schleiermachers Pla­ ton und Marinis Heidegger. Zur Genese von Methoden philosophischer Übersetzung. In: Gabriele Münnix (Hg.): Über-Setzen. Sprachendiversität und interkulturelle Hermeneutik. Freiburg i. Br. 2017. 253–275. Dies.: Where does philosophy take place in translation? Reflec­ tions on the relevance of microstructural translation units within philosophical discourse. In: Chronotopos 2019. 148–172. Theo Hermans: Schleiermacher and Plato, Hermeneutics and Translation. In: Larisa Cercel/Adriana Șerban (Hg.): Friedrich Schleiermacher and the Question of Translation. Berlin/Boston 2015. 77–106. Piers Rawling/Philip Wilson (Hg.): The Routledge Handbook of Translation and Philosophy. London/N.Y. 2019. 22 Dieser Text hatte für Schleiermacher selbst erstaunlich wenig Bedeutung, jedenfalls kommt er bei keiner anderen Gelegenheit auf ihn zurück (vgl. Hermans: Schleiermacher and Plato [Anm. 21] 78). Auch Zeitgenossen, die seiner Übersetzungstätigkeit lebhafte Aufmerk­ samkeit entgegenbrachten, scheinen wenig Interesse für diesen ausschließlich translationsbe­ zogenen Text gehabt zu haben, jedenfalls liegen keine Rezensionen zu ihm vor, obgleich er bereits 1816 in den Druck ging. Vgl. Martin Rössler: Einleitung des Bandherausgebers. In: Friedrich Schleiermacher: Kritische Gesamtausgabe. 1. Abt.: Schriften und Entwürfe. Bd. 11: Akademievorträge. Hg. von Martin Rössler unter Mitwirkung von Lars Emersleben. Berlin [u. a.] 2002. XI–LXXXI. Hier: XXXIIII. Selbst die heutige philosophische SchleiermacherForschung scheint der Akademierede wenig Bedeutung beizumessen, überraschenderweise

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den Besonderheiten philosophischer Übersetzung betrachtet wird statt als Ab­ handlung über das Übersetzen im Allgemeinen. In diesem zweiten Teil unseres Beitrages soll daher ausgehend von Schleiermacher rekonstruiert werden, wo­ durch der philosophische Text in der translatorischen Situation eine Sonderrolle einnimmt und was eine Übersetzung tatsächlich zu einer philosophischen Über­ setzung macht. Dass wir hier nicht alle diesbezüglichen Besonderheiten behan­ deln können, versteht sich von selbst. Wir werden die Diskussion vielmehr auf ein Charakteristikum engführen, und zwar auf die Sichtbarkeit philosophischer Übersetzungen. Dem hier verfolgten Interesse entsprechend wird sehr selektiv auf die AKR zurückgegriffen, eine erschöpfende Exegese dieses sehr dichten und facettenreichen Textes ist explizit nicht angestrebt. A.  Die Sonderrolle des philosophischen Textes

Schleiermacher hatte, wie bereits weiter oben erwähnt, in seiner AKR eine für unseren heutigen Translationsdiskurs ungewöhnliche Differenzierung zwischen dem Dolmetschen und dem Übersetzen getroffen. Während heute die spezifische Materialität des Textes (Mündlichkeit vs. Schriftlichkeit) als das ausschlagge­ bende Unterscheidungskriterium gilt, war für Schleiermacher das mehr oder we­ niger nachhaltige Wirkungspotential des Textes bzw. des Autors auf die Sprache ausschlaggebend. Für übersetzungswürdig hielt Schleiermacher demnach einen Autor nur dann, wenn dieser »in dem bildsamen Stoff der Sprache neue Formen hervorbringt, […] von denen […] bald mehr bald minder in der Sprache zurück­ bleibt und von andern aufgenommen weiter // bildend um sich greift« (AKR: 43 f.). Wenn der Hermeneutiker den philosophischen Text neben dem literarischen als exemplarischen Übersetzungsfall anführt, dann weil solche sprachbildenden Mo­ mente am wahrscheinlichsten im Bereich der Literatur und der Philosophie anzu­ treffen sind, und nicht schon, weil ein Philosoph den Text verfasst hat. Was einen Text im Sinne Schleiermachers also überhaupt erst zu einem philosophischen Text macht, ist weder das Thema noch der Autor oder das Medium, sondern erst das sprachkreative Moment, das folglich auch übersetzungspflichtig wird und zwar so, dass der Rezipient es auch als solches »anschauen« (ebd. 45) und unterschei­ den kann von der »Gewalt der Sprache«, die den Autor »ergriffen hat« (ebd. 44). Es leuchtet ein, dass sich eine solch schwierige Aufgabe nicht in einem einbür­ gernden Verfahren bewältigen lässt. Um neben dem propositionalen Gehalt des Textes einerseits die für die Muttersprache des Autors typischen Ausdrucksmög­ lichkeiten und andererseits »den Einfluß, den ein Mann auf seine Sprache ausge­ auch dort, wo Schleiermachers Platon-Übersetzung im Zentrum der Diskussion steht; vgl. Hermans: Schleiermacher and Plato [Anm. 21] 79.

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übt hat« (ebd. 59), translatorisch zu veranschaulichen, kann der Übersetzer wie­ derum nicht umhin seine eigene Muttersprache zu verfremden. 23 Dies stellt, wie Schleiermacher aus eigener Erfahrung weiß, zunächst einmal eine narzisstische Herausforderung dar. Während nämlich derjenige Translator, der sich ganz der ästhetischen Arbeit am Text widmet, leicht Beifall für seine sprachliche Kunstfer­ tigkeit erntet (ebd. 59), riskiert der sich ganz der Eigentümlichkeit der Ausgangs­ sprache und zugleich des sprachkreativen Autors verpflichtende Übersetzer stets, den Spott und Unmut der »größten Kenner[n] und Meister[n]« auf sich zu ziehen: Wer wird sich gern gefallen lassen, daß er für unbeholfen gehalten werde, in­ dem er sich befleißiget der fremden Sprache so nahe zu bleiben als die eigene es nur erlaubt, und daß man ihn, wie Eltern, die ihre Kinder den Kunstspringern übergeben, tadelt, daß er seine Muttersprache, anstatt sie in ihrer heimischen Turnkunst gewandt zu üben, an ausländische und unnatürliche Verrenkungen gewöhne! (ebd. 55)

Schleiermacher hatte sich bei seiner Platon-Übersetzung in seiner muttersprach­ lichen Kunstfertigkeit entsprechend zurückgenommen: Statt auf ein gängiges Vo­ kabular und eine geschmeidige Syntax zurückzugreifen, hatte er zum einen den für das Griechische typischen Satzbau nachgeahmt und zum anderen Neologis­ men gebildet. Auf diese Weise sollten, wie Hermans in seiner aufschlussreichen Übersetzungsanalyse des Phaidros zeigt, Platons Bemühungen, die philosophie­ sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten des Griechischen zu entwickeln, darge­ stellt werden. 24 In diesem Sinne betont Schleiermacher auch in seiner Einleitung zum Parmenides, dass er den Leser zurückführen wolle ganz in die Einfalt und wenn man sagen soll Unbeholfenheit der entstehenden philosophischen Sprache […], wodurch auch allein verhindert werden kann, daß nicht auf der einen Seite dem Schriftsteller fremdes geliehen auf der andern sein Verdienst durch alle ihre Verwirrungen das Wahre gesehen und sie selbst vor­ züglich ausgebildet zu haben, geschmälert werde. 25

23

Allein von verfremdender Übersetzung für diese erste Methode zu sprechen, wie es heute üblich ist, ist in gewisser Weise irreführend, denn Schleiermacher zielt nicht auf die Verfremdung des Textes ab, sondern auf die Verfremdung der Muttersprache. Die Begriffe einbürgernde vs. verfremdende Übersetzung bilden, bezogen auf Schleiermachers zwei Metho­ den, keine symmetrische Relation. Denn bei der ersten Methode bezieht sich das Attribut verfremdend auf die Zielsprache. Demgegenüber bezieht sich das Attribut einbürgernd bei der zweiten Methode auf den zu übersetzenden Text. 24 Hermans: Schleiermacher and Plato [Anm. 21] 84 ff. 25 Schleiermacher: Über die Philosophie Platons. Geschichte der Philosophie. Vorlesun­ gen über Sokrates und Platon (zwischen 1819–1823). Die Einleitung zur Übersetzung des Platon (1804–1828). Hg. von Peter M. Steiner. Hamburg 1996. 146.

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Im Gegensatz zu anderen Platon-Übersetzern hat Schleiermacher entsprechend davon abgesehen, den »umständlich wirkenden Text Platons stilistisch – und in­ haltlich – zu verbessern«, sondern ist »dem Philosophen in eine scheinbare Ver­ worrenheit« gefolgt. 26 Eine auf diese Weise die Ausdrucksgewohnheiten irritie­ rende translatorische Vorgehensweise verunsichert freilich auch die in den meisten Kommunikationskontexten übliche Erwartung an die Übersetzung, nämlich selbst unsichtbar zu bleiben. In der Tat gehörte die Sichtbarkeit der Übersetzung von Anfang an zu den Topoi sowohl der positiven als auch der negativen Kritik an Schleiermacher. Dabei stellt die translatorische Sichtbarkeit für ihn nicht etwa ei­ nen in Kauf zu nehmenden ›Kollateralschaden‹ der verfremdenden Methode dar, sondern ist ihr primäres Ziel. Es geht ihm nämlich nicht nur darum, die zweifa­ che sprachliche Fremdheit des Originals zu vermitteln, d. h. die sprachstrukturel­ len Besonderheiten der Ausgangssprache und die sprachkreativen Eigentümlich­ keiten des Autors. Der Leser soll nicht irgendeine Differenzerfahrung machen. Er soll den Ursprung des Textes erkennen können, und zwar so wie er sich aus der Perspektive seiner Muttersprache darstellt. Diese Perspektivierung der Dif­ ferenzerfahrung soll der Translator leisten, indem er seine Erfahrung und seine »Mühe« in die Übersetzung einschreibt (AKR: 45). 27 Nicht aber um dem Leser seine Interpretation nahezulegen, sondern um ihm diese muttersprachliche Per­ spektivierung zu ermöglichen, auf dass er erkenne, welche Möglichkeiten seine eigene Sprache hat, sich auf die fremde Sprache bzw. auf den fremden Autor zu beziehen. Diese die Relationalität der (Philosophie-)Sprachen sichtbar machende Übersetzungsmethode erfordert »ein eignes Sprachgebiet«, auf dem »manches erlaubt sein muß, was sich anderwärts nicht darf blikken lassen« (ebd. 70), und auf dem die »Biegsamkeit« (ebd. 58) der eigenen Sprache strapaziert werden darf, um sie zu einer »fremden Aehnlichkeit« zu beugen (ebd. 55, vgl. auch 66). In dieser translatorischen ›Einsichtgabe‹ in die eigenen (philosophie-)sprachlichen Möglichkeiten und Grenzen des Ausdrucks und in die (philosophie-)sprachlichen Möglichkeiten der Bezugnahme auf das Fremde gründet das heuristische und philosophische Moment dieser Übersetzungsmethode. Zwar ist Schleiermacher 26

Peter M. Steiner: Zur Kontroverse um Schleiermachers Platon. In: Schleiermacher: Über die Philosophie Platons [Anm. 25] XXV. Anderen Einschätzungen zufolge entspricht Schleiermachers Platon-Übersetzung nicht der Radikalität der in seiner Akademierede prä­ sentierten Maximen; vgl. etwa Large: On the Work of Philosopher-Translator [Anm. 21] 182– 204, sowie Rainer Kohlmayer: ›Das Ohr vernimmts gleich und hasst den hinkenden Boten‹. (Herder). Kritische Anmerkungen zu Schleiermachers Übersetzungstheorie und -praxis. In: Cercel/Șerban (Hg.): Friedrich Schleiermacher [Anm. 21] 106–126. Hier: 110. 27 Schleiermachers radikale Abqualifizierung des zweisprachigen Übersetzers, der zwi­ schen zwei Muttersprachen übersetzt, hat mitunter damit zu tun, dass dieser die ›Irrationali­ tät‹ der Sprachen, d. h. ihre Inkommensurabilität, nicht erfährt und also auch nicht vermitteln kann.

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grundsätzlich von der Sprachgebundenheit des Gedankens überzeugt, doch ist bei ihm der Mensch der Sprache nicht ausgeliefert, wie Kohlmayer befürchtet. 28 Er wird vielmehr zur Spracharbeit aufgefordert, um sich von der ›Gewalt der Spra­ che‹, ihren Denkzwängen (Ludwik Fleck) zu befreien. Das Übersetzen sieht er ebenso wie die Rezeption von Übersetzungen als einen Weg, die von der Sprache ausgehenden Formatierungen des Denkens systematisch abzubauen. In diesem Sinne sieht auch Heidegger später die Produktivität der Übersetzung darin, dass sie die Geläufigkeit unserer Weltauslegung unterbricht. Bezeichnenderweise pro­ fitiert in den Augen Schleiermachers nicht derjenige am meisten von der Über­ setzung, der aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse keinen Zugang zum Origi­ naltext hat. In den Augen Schleiermachers profitiert vor allem der Mehrsprachige von der Übersetzung. Denn nur er bringt die Voraussetzungen mit, die transla­ torischen »Mühen« nachvollziehen zu können. (AKR: 51) Diesem Rezipienten gibt die Übersetzung Einblick in die sprachlichen Ermöglichungsbedingungen einer philosophischen Praxis. Der sprachunkundige und ›übersetzungsunerfah­ rene‹ Leser wird bloß die »Unvollkommenheit« (ebd. 58) der Übersetzungsspra­ che, nicht aber die philosophiesprachliche Performanz erkennen, auf die sich der Übersetzer mit seinen ›unnatürlichen Verrenkungen‹ bezieht. Dieses Unvermö­ gen kann »durch vielfältiges Hineinverpflanzen fremder Gewächse« (ebd. 69) kompensiert werden, die das sprachdifferenzielle »Gehör« der nicht mehrspra­ chigen Leser schulen (ebd. 57). Mutet die von Schleiermacher erstmals ausführlich und vor allen Dingen posi­ tiv diskutierte und philosophisch gerechtfertigte Sichtbarkeitsmaxime zunächst einmal radikal an, so zeigt der Blick in die Geschichte der Translationspraxis, dass translatorische Sichtbarkeit ein lang und bis heute tradiertes Charakteristi­ kum der Übersetzung philosophischer Texte ist, auch wenn sie nur selten wie von Schleiermacher explizit als philosophische Übersetzungsmethode stilisiert wird. Selbst zu Zeiten, in denen die Erwartung der Anpassung an den zielsystemischen goût, d. h. die Erwartung an translatorische Unsichtbarkeit besonders groß ist, wie etwa im 17. Jahrhundert in Frankreich, widerstehen philosophische Texte ein Stück weit dem herrschenden sozialen Druck zur einbürgernden Appropriation. Ein interessantes Beispiel mit europaweiter Relevanz bildet die Übersetzung von John Lockes Essay concerning human understanding durch Pierre Coste aus dem Jahre 1700. Der Blick auf diese Übersetzung ist gleich in mehrerlei Hinsicht auf­ schlussreich. Er ist interessant, weil Coste seine Übersetzung in enger Koopera­ tion mit dem Autor selbst anfertigt und ihn an verschiedenen Stellen veranlasst, seine Gedanken zu präzisieren und sprachlichen Fragen größere Aufmerksam­ keit zu widmen. Darüber hinaus thematisiert Coste in einem Vorwort und in einer Reihe von Fußnoten einige der zentralen Probleme seiner Übersetzung in 28

Kohlmayer: ›Das Ohr vernimmts gleich […]‹ [Anm. 26] 109.

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philosophisch folgenreicher Weise. Das betrifft insbesondere die Begriffe con­ sciousness und self, die sich als besonders schwer übersetzbar erwiesen und die über Coste (z. B. als frz. ›conscience‹) Eingang in die europäische Philosophie­ sprache fanden. 29 Aufschlussreich ist dieser Fall aber vor allem aus einem anderen Grund. Und zwar deshalb, weil sich Costes ›widerständige‹ Übersetzungspraxis genau vor jenem Hintergrund eines Übersetzungsoptimismus entwickelt, der im Anschluss an Port-Royal nicht nur philosophische Gedanken für besonders pro­ blemlos übersetzbar hält, sondern mit dem Französischen und seiner vermeint­ lichen Orientierung an einem ›ordre naturel des mots‹ auch über genau das Me­ dium zu verfügen scheint, das unter allen Sprachen eine besondere Affinität zur vernünftigen Entfaltung des Gedankens aufweist. Freilich wird man sich vor zu weitgehenden Verallgemeinerungen hüten müssen. Da, wo philosophische Klas­ siker wie etwa die Platonischen Dialoge im 17. Jahrhundert für ein mondänes Publikum übersetzt werden, folgen sie ähnlichen Übersetzungsnormen von Ele­ ganz, goût und bienséance wie literarische Texte auch und erlauben sich oftmals ähnlich großzügige Eingriffe. Dennoch ist die relative textsortenspezifische ›Stabilität‹ im philosophischen Feld aus einer translationstheoretischen Perspektive bemerkenswert. Denn sie irritiert ein seit den 1970er Jahren tradiertes Theorem der historischen Trans­ lationsforschung, nach dem »[t]ranslated texts are textual-linguistic facts of one textual tradition only: the target’s«. 30 Gemäß der zielsystemischen funktiona­ listischen Translationstheorie sind Translationsnormen gerade nicht allgemein textsortenspezifisch zu bestimmen, sondern müssen im jeweiligen Zielsystem des Translats immer wieder neu eruiert werden. In der Tat lässt sich in Bezug auf andere Textsorten, wie etwa die juristischen, erkennen, dass die translationsrele­ vanten Normen in unterschiedlichen Sprach- und Kulturräumen stark variieren. Vor dem Hintergrund der relativen Stabilität der Übersetzungsnorm der sprach­ kreativen ›Freizügigkeit‹ und der damit zusammenhängenden Sichtbarkeit ließe sich daher, unter Vorbehalt, da für eine abschließende Beurteilung nicht genug empirische Studien vorliegen, von einer für das philosophische Feld spezifischen Translationskultur sprechen, die mitunter in den unterschiedlichen Zielsystemen den in anderen Kommunikationsbereichen geltenden Translationsnormen diame­ tral entgegensteht.

29

Es ist im Übrigen außerordentlich bemerkenswert, dass bereits Coste in seinem Avertis­ sement du traducteur ein klares Bewusstsein dafür zeigt, dass die Cicerosche Polemik gegen die wörtliche Übersetzung einem rhetorischen Argumentationskontext entstammt und auf philosophische Texte so keine Anwendung finden kann. 30 Toury: In Search of a Theory [Anm. 19] 28 [Hervorhebung im Original].

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B.  Formen der Sichtbarkeit philosophischer Übersetzung

Auf der mikrostrukturellen Ebene manifestiert sich translatorische Sichtbarkeit häufig in Form von Neologismen oder in Form von »soluzioni ibride«31, d. h. un­ übersetzten Termini, die in Kursiv- oder Sperrschrift bzw. eingeklammert die Übersetzung gleichsam unterbrechen. Diese Unterbrechungen sind vor allem aus den Übersetzungen notorischer Sprachexzentriker des deutschen Idealismus und vor allem aus Heidegger-Übersetzungen bekannt. Diese Sprach­exzentriker stel­ len zwar ohne Frage eine große translatorische Herausforderung dar. Ihre Extra­ vaganz eröffnet dem Übersetzer allerdings kreative Freiräume, d. h. genau jenes ›eigne Sprachgebiet‹, auf dem ›manches erlaubt sein muß, was sich anderwärts nicht darf blikken lassen‹. Je mehr allerdings aus dem Werk eines Philosophen übersetzt wurde bzw. je etablierter ein Philosoph in verschiedenen Sprachräumen ist, desto stärker wird diese, das Übersetzen mehr oder minder ›erleichternde‹ sprachkreative Freiheit eingeschränkt. Denn mit der Zeit verfestigen sich »tra­ dierte Äquivalente«32 , die spätere Übersetzer nicht mehr ignorieren können und gegen die sie mit großem (paratextuellen) Aufwand anarbeiten müssen, möchten sie ›ein eignes Sprachgebiet‹ zurückerobern. Vor diesem Hintergrund stellt die terminologische Etablierung eines Philosophen in der Übersetzungssprache pa­ radoxerweise nicht unbedingt nur eine Erleichterung dar, sondern in gewissem Sinne auch einen translatorischen Widerstand. Ein exemplarischer Fall für diesen Mechanismus ist die italienische Neuüber­ setzung von Sein und Zeit, die Alfredo Marini 2006 vorgelegt hat. Marini hatte die philosophische und terminologische Nachhaltigkeit der Übersetzung seines Vorgängers Pietro Chiodi (1953) als Akzeptanzproblem seiner eigenen Arbeit, die der Extravaganz Heideggers um nichts nachsteht, antizipiert. Daher hatte er bereits sechs Jahre vor der Veröffentlichung seines Essere e tempo (2006) be­ gonnen, die scientific community über verschiedene Aufsätze mit seiner Über­ setzungsmethode und einzelnen Übersetzungslösungen vertraut zu machen. 33 Kennzeichnend für die Antizipation der Schwierigkeiten, die terminologische und interpretatorische Konsolidierung des Heidegger-Diskurses in Italien zu pas­ 31

Riccardo Lazzari: Prassi linguistica di Heidegger e traduzione di Essere e tempo. In: Magazzino di Filosofia 2 (2000). 118–129. Hier: 122. 32 Jörn Albrecht/Iris Plack: ›Tradierte Äquivalenz‹. Gibt es ›feste Wechselkurse‹ zwi­ schen den Wortschätzen von Kultursprachen? In: ›Es geht sich aus…‹ zwischen Philologie und Translationswissenschaft. Translation als Interdisziplin. Festschrift für Wolfgang Pöckl. Hg. von Peter Holzer/Cornelia Feyrer/Vanessa Gampert. Frankfurt a.M. 2012. 13–25. 33 Vgl. Alfredo Marini: La nuova traduzione di ET. In: Magazzino di Filosofia 2 (2000). 17–26. Ders.: Martin Heidegger. Traduzione impropria, essenziale, storica ed … etnica. Ebd. 107–117. Ders.: Il traduttore lamentoso. È impossibile tradurre Essere e tempo? (Existenz – Dasein – Vorhandenheit). In: Enrahonar 34 (2002). 59–71. Ders.: La nouvelle traduction ita­ lienne d’Être et temps. In: Studia Phaenomenologica V (2005). 137–151.

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sieren, ist auch, dass Marinis Translat von einem sehr umfangreichen paratextuel­ len Apparat gerahmt wird. Neben einem umfassenden Glossar, 34 in dem er seine terminologischen Entscheidungen immer wieder auch Lösungen anderer, nicht nur italienischer Übersetzer gegenüberstellt, liefert Marini auch einen detaillier­ ten ›Rechenschaftsbericht‹. 35 In diesem macht er seine translatorische Vorgehens­ weise für das Publikum auf sehr überzeugende Weise und z. T. unter Bezug auf problematische Übersetzungslösungen seines Vorgängers transparent. Um das Vertrauen des Lesers zu gewinnen, erscheint die neue Übersetzung schließlich in einer zweisprachigen Version, in der sich auf der linken und der rechten Seite der italienische und der deutsche Text gegenüberstehen. Sichtbarer kann eine Übersetzung sich wohl kaum präsentieren. Translatorische Sichtbarkeit manifestiert sich also nicht erst auf der mikro­ strukturellen Ebene, sondern bereits auf der makrostrukturellen in Form para­ textueller Elemente (Fuß- und Endnoten, Vor- und Nachworte des Übersetzers, Glossare, originale Texte in zweisprachigen Ausgaben), die stets daran erinnern, dass es sich nicht um das Original handelt, und die in philosophischen Überset­ zungen einen erstaunlich großen Umfang annehmen und Autonomie gewinnen können. 36 Diese Paratexte geben TranslatorInnen nicht nur die Möglichkeit zur Rechtfertigung und Erklärung ihrer terminologischen Entscheidungen, sondern schaffen auch einen Raum für hermeneutische Lenkung. 37 Das Interesse an paratextuellen Phänomenen im philosophischen und wis­ senschaftlichen Bereich ist in der Translationsforschung ungleich verhaltener als im literarischen Feld. Darin manifestiert sich in gewisser Weise eine Nor­ malität: Paratextuelle Elemente werden im akademischen Kontext grundsätzlich eher erwartet als im literarischen. Besonders vor dem Hintergrund des im phi­ losophischen Bereich tradierten Misstrauens gegenüber der Übersetzung sind disambiguierende Elemente, wie in Klammern gesetzte oder kursiv markierte 34

Marini: Lessico di Essere e tempo. In: Martin Heidegger: Essere e tempo. Übers. von Alfredo Marini. Mailand 2006. 1403–1498. 35 Ders.: Postfazione. Tradurre Sein und Zeit. In: Heidegger: Essere e tempo [Anm. 34] 1251–1402. 36 Als besonderer Fall einer solchen translatorisch paratextuellen Autonomie können Schleiermachers Einleitungen zu seiner Platon-Übersetzung angeführt werden, die zusam­ mengenommen über 300 Seiten umfassen. Neben einer allgemeinen Einführung hatte er je­ den der Dialoge mit einer individuellen Einleitung versehen. Diese werden heute gesondert vom Meiner Verlag herausgegeben (Schleiermacher 1996 [Anm. 25]). Bald schon kam diesen Paratexten ein eigener philosophischer Wert zu, da Schleiermacher dort bekanntlich diejeni­ gen Prinzipien erörtert, nach denen er die chronologische Neuordnung der Dialoge vornimmt und die er der Beurteilung der Echtheit der Dialoge zugrundelegt. Bezeichnend für das große philosophische Interesse an diesen Paratexten ist, dass sie bereits 1836 gesondert ins Eng­ lische übertragen wurden. 37 Heller: Where does philosophy take place [Anm. 21].

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Originalausdrücke, Fuß- und Endnoten oder Glossare geradezu willkommen. Der philosophische Text bleibt sicher eine der größten translatorischen Heraus­ forderungen. 38 Entsprechend häufig artikulieren Translatoren ihre Schwierigkei­ ten in Vor- und Nachworten oder auch im Nachhinein in gesonderten Texten. Die konventionalisierte Ausweichmöglichkeit in den Paratext stellt allerdings neben der sprachkreativen Freizügigkeit natürlich auch eine Form von Erleichterung dar. Wird nämlich auf der einen Seite vom Übersetzer philosophischer Texte in der Regel eine maximale Ausgangstextorientierung gefordert, lässt auf der anderen Seite wohl keine andere Textsorte dem Translator so viel Raum für die Problematisierung, Rechtfertigung oder Erklärung seiner Entscheidungen wie der philosophische Text. Unter allen Paratexten scheinen das Glossar und der Index, die viele der großen (un-)übersetzten philosophischen Werke begleiten, in der Translationsforschung am wenigsten Aufmerksamkeit zu finden. 39 Dies mag auch daran liegen, dass durchaus in Frage gestellt werden kann, ob Glossare und Indices überhaupt als in­ tegraler Bestandteil des übersetzten Textes zu betrachten sind, und unter welchen Umständen sie ein translationswissenschaftlich interessanter Gegenstand sein könnten. Da Glossare und Indices – zumindest auf den ersten Blick – ›nur‹ Re­ chercheinstrumente sind, um sich über terminologische oder begriffliche Fragen zum Haupttext zu vergewissern oder um dort bestimmte Textstellen aufzufinden, werden normalerweise weder Glossare noch Indices im engeren Sinne übersetzt. Sie werden in der Regel neu zusammengestellt, und zwar auf der Grundlage des übersetzten Haupttextes, auf den sie sich ja beziehen sollen. Die Normalität die­ ser Praxis zeigt sich darin, dass der Leser des Zieltextes über diesen translato­ rischen ›Eingriff‹ nicht informiert wird, wie in anderen Fällen translatorischer Kürzungen oder Zusätze. Es scheint ein stillschweigendes Einvernehmen darüber zu geben, dass diese Texte eigentlich nicht als integrales Element des Originals 38

Jonathan Rée: The Translation of Philosophy. In: New Literary History 32/2 (2001). 223–257, hier: 226, sowie Large: On the Work of the Philosopher-Translator [Anm. 21]. 39 Für eine translationswissenschaftliche Diskussion von Paratexten im wissenschaftlichen bzw. philosophischen Kontext vgl. Lieve Jooken/Guy Rooryck: Le péritexte des traductions anglaises du Discours sur les Sciences et les Arts de Jean-Jacques Rousseau. La voix énarrative du traducteur. In: Meta 58/3 (2013). 589–606; Dolores Sánchez: Translating Science. Contexts and Contests. On the Translation of a Misogynist Scientific Treatise in Early Twentieth-Cen­ tury Spain. In: The Translator 17/2 (2011). 325–348; Marie-Ann Kühne: ›Auch in Deutschland herrschet dieser Irrthum noch an vielen Orten.‹ Zum Einsatz von Paratext in französischdeutschen Fachübersetzungen des 18. Jahrhunderts. In: Alberto Gil/Robert Kirstein (Hg.): Wissenstransfer und Translation. Zur Breite und Tiefe des Übersetzungsbegriffs. St. Ing­bert 2015. 237–260. Rafael Y. Schögler: Peritexts, Positioning and the Circulation of Academic Thought. In: Rafael Y. Schögler (Hg.): Circulation of Academic Thought: Rethinking Trans­ lation in the Academic Field. Frankfurt a.M. etc. 2019. 95–124. Kathryn Batchelor: Transla­ tion and Paratexts. London/N.Y. 2018. Heller: Where does philosophy take place [Anm. 21].

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und damit als nicht zur Übersetzungseinheit gehörig betrachtet werden. Deshalb wird hier wohl auch translatorische Autonomie eher toleriert. 40 Gerade diese kon­ ventionalisierte Möglichkeit translatorischer Autonomie macht das Glossar und den Index zu einem sowohl philosophisch wie auch translationstheoretisch inter­ essanten Gegenstand. Zwar stehen diese Texte in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Haupttext, ihr selektiver Charakter übt aber einen nicht zu unterschätzenden hermeneutischen Einfluss auf die Lektüre des Hauptwerks aus. 41 III. Konklusion: Die Übersetzung als Zu-sich-selbst-Kommen der Philosophie

Die vorausgehende Skizze hat versucht zu zeigen, dass die Auseinandersetzung mit dem Übersetzen, selbst da, wo sie in der Vergangenheit philosophiegeschicht­ lich relevant wurde, fast immer dazu neigte, das Übersetzen als eine Art defizitä­ ren Modus zu denken. Die produktiven Effekte von Übersetzungen liefen damit immer Gefahr im Deutungshorizont von Übersetzungsfehlern interpretiert zu werden, wie dies Heideggers Interpretation der römischen Philosophie explizit tut, aber stellenweise selbst noch Cassins Dictionnaire des intraduisibles sugge­ rieren könnte. Zweifellos hat dieser tiefsitzende und seinerseits in tiefverwurzelten Traditio­ nen gründende Argwohn gegenüber dem Übersetzen nicht zuletzt etwas mit dem 40 Ohne sich für das Glossar im Besonderen zu interessieren hat Michael Schreiber be­ reits in den 1990er Jahren das Problem der Zugehörigkeit paratextueller Elemente (Vor- und Nachworte, Fuß- und Endnoten) zur Übersetzung angesprochen und auf die Schwierigkeit hingewiesen, Parameter für diese Zuordnung zu definieren. Michael Schreiber: Übersetzung und Bearbeitung. Zur Differenzierung und Abgrenzung des Übersetzungsbegriffs. Tübingen 1993. 233–236. 41 Ein in diesem Zusammenhang besonders interessanter Fall ist der von Hildegard Feick 1961 erstmals herausgegebene Index zu Heideggers Sein und Zeit. Denn hier werden die von Feick ausgewählten »Leitworte« (Hildegard Feick [Hg.]: Index zu Heideggers Sein und Zeit. Tübingen 1980. V) durch ebenfalls von ihr ausgewählte exemplarische »Leitsätze« (ebd.) aus dem Werk Heideggers selbst erklärt. Die Konvention, Glossare nicht zu übersetzen, son­ dern gegebenenfalls auf der Grundlage des übersetzten Haupttextes zu erstellen, räumt dem Translator grundsätzlich die Möglichkeit ein, durch die neue Auswahl seinerseits Termini zu ›Leitwörtern‹ zu machen, philosophische Kernaussagen im Werk neu zu verorten oder neue Verweisungszusammenhänge zwischen Begriffen hervorzuheben. Ein weiteres translations­ historisch interessantes Glossar ist das Franco Volpis zu seiner Übersetzung von Heideg­ gers Wegmarken (1987), das nach der Einschätzung Curcios schulbildend gewirkt hat und die Heidegger-Übersetzung (und damit natürlich auch die Heidegger-Interpretation) in Italien insgesamt stark beeinflusst hat, vgl. Nicola Curcio: ›Dasselbe ist niemals das Gleiche‹. Hei­ degger auf Italienisch und die Debatte im letzten Jahrzehnt (1995–2005). In: Studia Phaeno­ menologica 5 (2005). 317–326. Hier: 318 f.

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Mythos des Originals zu tun, der seinerseits unauflöslich in die Grundfesten der abendländischen Ontologie eingeschrieben scheint. 42 Tatsächlich hat kaum ein Begriff so erfolgreich allen Dekonstruktionen widerstanden wie der Begriff des Originals, der Ursprünglichkeit, der Eigentlichkeit, samt der mit ihm einherge­ henden Geringschätzung der Kopie, der Nachbildung, des Duplikats, der Replik, der Imitation, der Übersetzung. Der Kult des Originals und der Originalität ist so tief in die symbolischen, kulturellen, sozialen und nicht zuletzt ökonomischen Ordnungen unserer Welt eingeschrieben, dass ein Infragestellen seiner Legitimi­ tät an die Grundlagen unseres symbolischen Kosmos zu rühren scheint. Selbst die im philosophischen Feld überlieferte Maxime der Ausgangstextori­ entierung mit ihren verfremdenden Effekten auf die Zielsprache gründet noch in diesem lange tradierten Primat des Originals. Sogar Schleiermacher bleibt diesem Primat trotz seines Plädoyers für die philosophische Produktivität der Überset­ zung verhaftet. Tatsächlich impliziert ja gerade die Sichtbarkeitsmaxime, dass der translatorische Zugriff auf das Original erkennbar bleiben soll. Die Sichtbarkeits­ maxime dient in dieser Perspektive dem Ziel, das Original vor einer vollständigen Überschreibung zu schützen. Die Übersetzung soll kein Ersatz sein, ihr Wert besteht vielmehr darin, eine kritische Perspektive auf das Original zu eröffnen. Umgekehrt kann man sagen, dass gerade das (nicht nur) im philosophischen Bereich gepflegte Misstrauen in die Übersetzung in der Einsicht gründet, dass die Übersetzung gerade nicht als das Ergebnis eines Dekodierungs-RekodierungsVerfahrens begriffen werden kann, sondern zwangsläufig als etwas Neues und Anderes aus einem hermeneutischen Prozess hervorgeht. Gerade deshalb soll dieser hermeneutische Prozess als solcher sichtbar bleiben und den originalen Gedanken nicht überschreiben, indem er mit ihm verschmilzt und unbemerkt den ›ursprünglichen‹ Gedanken deformiert, ihn entstellt oder gar zerstört – so etwa die drastische Formulierung des translationspessimistischen Philosophen Ulrich Johannes Schneider. 43 Gegenüber solch perennierendem Argwohn der Philosophen gegenüber al­ len translatorisch-hermeneutischen Bemühungen hat eine wirklich grundlegende philosophische Auseinandersetzung mit dem Übersetzen, d. h. eine Auseinan­ dersetzung, die das Denken selbst als Übersetzungsprozess und die Philosophie als dessen historisch verfestigte Institution begreift, sich entschlossen von der Verhaftung in Verlustrechnungen und Überschreibungsängsten zu verabschieden

42

Für eine grundsätzliche antiessentialistische Kritik des in der abendländischen Geistes­ geschichte verwurzelten Translationsbegriffs siehe Dilek Dizdar: Translation. Um- und Irr­ wege. Berlin 2006. 43 Ulrich Johannes Schneider: Zur Geschichte und zur Kritik philosophischer Überset­ zungen. In: Günter Abel (Hg.): Das Problem der Übersetzung – Le problème de la traduction. Berlin 1999. 127–149. Hier: 143–147.

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und übersetzerische Transformationsprozesse als Triebfeder des Denkens selbst zu begreifen. In diesem Sinne hat Remi Brague in einer höchst bedenkenswerten Studie 44 die Spezifität der westlichen Philosophietradition (im Vergleich mit anderen Kulturräumen, vor allem der arabischen und der byzantinischen Welt) gerade darin gesehen, dass sie sich als unabschließbarer Übersetzungsraum konstituiert. Brague sieht in einer aufwändigen philosophie- und religionshistorischen Rekon­ struktion die Ursachen hierfür darin begründet, dass die Quellen der westlichen Kultur, das Christentum und die griechische Philosophie, in geographischer wie in kultureller Hinsicht einen exzentrischen außereuropäischen und daher in ge­ wissem Sinne unverfügbaren Ursprung hatten. Die römische Welt, die die Keim­ zelle der europäisch-westlichen Kultur wird, zeichnet sich für Brague durch ein grundsätzliches Sekundaritätsverhältnis gegenüber seinen kulturellen Quellen aus. »Europa unterhält ein einzigartiges Verhältnis zu seiner eigenen Identität: sein Eigenes ist eine Aneignung dessen, was ihm fremd ist.« (»L’Europe entretient avec sa propre identité un rapport singulier: son propre est une appropriation de ce qui lui est étranger.«)45 Dieser stets aufs Neue reiterierte Appropriations­ prozess ist es, der nach Brague das entscheidende Spezifikum der westlichen Philosophietradition ausmacht. Während im arabischen Raum nach der großen Blüte der Übersetzungen aus dem Griechischen die Auseinandersetzung mit den originalen Texten zum Erliegen kam und sie im byzantinischen Raum per se als unproblematisch erschien, bestand in der lateinischen Welt ein hartnäckiges Be­ dürfnis nach einer stets erneuerten Appropriation dessen, was sich nie ohne Rest und ohne Bruch assimilieren ließ. In den Kategorien Schleiermachers könnte man daher sagen, dass die westliche Kultur nicht nur auf einem gemeinsamen Trans­ lationsraum beruht, sondern auch auf einem Translationsmodus, der das Fremde nie restlos zum Eigenen werden lässt. Der Modus, in dem sich Philosophie in der westlichen Tradition reproduziert und in dem sie ihr Verhältnis zur Erkenntnis immer aufs Neue definiert, ist insofern stets die Translation. Das, was man gegen­ wärtig als den translational turn bezeichnet und was sich aktuell in der Begegnung von Philosophie und Translationswissenschaft manifestiert, ist in diesem Sinne ein Zu-sich-selbst-Kommen der westlichen Philosophie.

44 45

Remi Brague: Europe, la voie romaine. Paris 1999. Brague: Europe [Anm. 44] 36.

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Kants Philosophie in indirekten Übersetzungen Die historische Bedeutung der Übersetzungen ›aus zweiter Hand‹ für die Kant-Rezeption in den romanischen Ländern Iris Plack I.  Einführung

Für die Fortune von Kants Schriften spielten insbesondere in den südromanischen Ländern mittelbare Rezeptionsvorgänge eine bedeutende Rolle; sie haben das Verständnis seines Theoriegebäudes in entscheidendem Maße beeinflusst und so das dortige Kant-Bild vorgeprägt. In erster Linie ist dabei die Mittlerfunktion Frankreichs zu betonen, zumal es in der Südromania gängige Praxis war, sowohl theoretische Werke als auch Kants Schriften direkt auf Französisch zu konsultieren. Für deren Übersetzung in die jeweilige Landessprache standen dann nicht selten verschiedene französische Zwischenstufen Pate. Eine ähnliche Funktion erfüllte die lateinische Übersetzung Friedrich Gottlob Borns (1796–1798), exzeptionell hat sogar eine italienische Fassung den französischen Übersetzern als Vorlage gedient. Dieses Phänomen der ›Übersetzung von Übersetzungen‹, im Französischen und Englischen unter der Bezeichnung ›traduction indirecte‹/›indirect translation‹ bekannt, soll in der Tradition des Göttinger Sonderforschungsbereichs als ›Übersetzung aus zweiter Hand‹ gefasst werden. Missverständliche Termini wie ›Scharnier-‹ oder ›Relaisübersetzung‹, die die jeweilige ›Zwischenstufe‹ benennen, bleiben hingegen ausgeklammert. Die uneinheitliche Terminologie zeigt, dass es sich um eine nicht gut bekannte Praxis handelt; insbesondere bei der Rezeption der deutschen idealistischen Philosophie in der Romania spielte sie aber eine mehr als nur marginale Rolle. Dabei treten überwiegend Mischformen auf, denen sowohl das Original als auch eine oder mehrere bereits vorliegende Fassungen in einer dritten Sprache zugrunde liegen und die hier ›Kontaminationen‹ heißen sollen, in Abgrenzung zur Reinform, die als ›Aneignung‹ bezeichnet wird.1 Mittelbare Übersetzungen, die nicht ausdrück1 Für die Bezeichnungen hat die von v. Stackelberg und Graeber/Roche verwendete Terminologie Pate gestanden. Vgl. Jürgen von Stackelberg: Übersetzungen aus zweiter Hand. Rezeptionsvorgänge in der europäischen Literatur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert. Berlin/ New York 1984. VII; Wilhelm Graeber/Geneviève Roche: Englische Literatur des 17. und

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lich als solche ausgewiesen sind, sollen als ›opake‹, eingestandene Formen hingegen als ›transparente‹ ›Kontaminationen‹ gelten. 2 II.  Der Einfluss Frankreichs auf die europäische Kant-Rezeption

Seine Neuartigkeit in sprachlicher und inhaltlicher Hinsicht, die als ›dunkel‹ empfundene Terminologie ebenso wie die neue Denkweise, die seinen Theorien zugrunde lag, brachten Kant außerhalb Deutschlands das Etikett eines »Nationalphilosophen« ein. 3 Die Übersetzung seiner Schriften war ohne genaue Kenntnis des ideengeschichtlichen Kontextes, in den sie eingebettet waren, nicht zu bewältigen. Dieser Herausforderung stellten sich besonders Frankreichs Übersetzer; dort war man im 19. Jahrhundert so aufnahmebereit für die aufstrebende deutsche Philosophie, dass Espagne gar von einem »Siècle allemand« spricht, in dem aus der Begegnung französischen und deutschen Denkens etwas Neues entstanden sei. 4 Der stilbildende Einfluss Kants auf Frankreichs Geistesleben, befördert durch Mittlerfiguren wie Victor Cousin, Charles de Villers, Madame de Staël und später Charles Renouvier, 5 war mit verschiedenen Uminterpretationen seines Theoriegebäudes erkauft. So vertrat der Jakobiner Louis-Ferdinand Huber, der 1796 erstmals eine Zusammenfassung von Kants Schrift Zum ewigen Frieden publizierte,6 eine aufklärerische Lesart, Villers sah Kant als Vertreter eines restaurativen Idealismus, und die französischen Idéologues vereinnahmten ihn als strengen Rationalisten für sich.7 Cousin war gar offen der Auffassung, Kants Philosophie müsse aktualisiert und an die französischen Gegebenheiten angepasst 18. Jahrhunderts in französischer Übersetzung und deutscher Weiterübersetzung. Eine kommentierte Bibliographie. Tübingen 1988. 9. 2 Vgl. Iris Plack: Indirekte Übersetzungen. Frankreich als Vermittler deutscher Literatur in Italien. Tübingen 2015. 120 ff. 3 Vgl. ebd. 310. 4 Vgl. Michel Espagne: En deçà du Rhin. L’Allemagne des philosophes français au XIXe siècle. Paris 2004. 12. 5 1801 legte Villers in Metz seine umstrittene, aber europaweit erfolgreiche Mono­g raphie Philosophie de Kant, ou principes fondamentaux de la philosophie transcendantale vor. Vgl. Gisela Schlüter: Die Anfänge der italienischen Kant-Rezeption. Forschungsbilanz mit einem Exkurs zu Vincenzo Mantovanis Kant-Übersetzung (1820–1822). In: Peter Ihring/Friedrich Wolfzettel (Hg.): Deutschland und Italien. 300 Jahre kultureller Beziehungen. Frankfurt a.M./Berlin 2004. 64–93. 68. Ein gutes Jahrzehnt später zeichnete Madame de Staël in ihrem Buch De l’Allemagne (London 1813/Paris 1814) ein von Villers’ spiritualistischer Lesart beeinflusstes Bild Kants. 6 Louis-Ferdinand Huber: Projet de paix perpétuelle, par Kant. In: Le Moniteur universel. 3 janvier 1796. Vgl. François Azouvi/Dominique Bourel: De Königsberg à Paris. La réception de Kant en France (1785–1804). Paris 1991. 71. 7 Vgl. Michel Espagne/Michael Werner: Deutsch-französischer Kulturtransfer im

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werden;8 zu seinen Protegés gehörten zeitweise Kant-Übersetzer wie Claude Joseph Tissot und Jules Barni. So fand die Vereinnahmung der kantischen Thesen für unterschiedliche Denkrichtungen zweifellos auch in den Übersetzungen ihren Niederschlag. Die Übersetzer der Südromania, insbesondere aus Italien und Spanien [zur Situation in Portugal vgl. unten, Abschnitt III], zogen bedingt durch die kulturelle Hegemonie Frankreichs im 19. Jahrhundert häufig die Fassungen ihrer französischen Kollegen zu Rate, sodass auch sie nicht unbeeinflusst blieben von deren Vorprägung durch diverse Lesarten, wie den Eklektizismus Cousins oder die Denkschule der Saint-Simonisten. Sowohl in sprachlicher als auch in terminologischer und inhaltlicher Hinsicht nahmen sie Anleihen bei den französischen Versionen, die ihnen als eine Art ›Halbfertigprodukt‹ dienten: Dank der ›Familienähnlichkeit‹ zwischen den romanischen Sprachen waren darin einige der typologischen Hürden des Deutschen bereits genommen. Zudem waren die französischen Übersetzer des 19. Jahrhunderts meist darauf bedacht, den mitunter als ebenso tiefsinnig wie unverständlich empfundenen kantischen Schriften die nötige clarté zu verleihen. Dies erleichterte den südromanischen Übersetzern deren Exegese und das Verständnis der verwendeten Terminologie.9 Insbesondere die zwischen 1829 und 1848 vorgelegten französischen Erstübersetzungen der drei Kritiken wurden als Mittlerfassungen herangezogen. III.  Der Stellenwert der Übersetzung aus zweiter Hand für die Rezeption von Kants ›Nationalphilosophie‹ in der Romania

Die im weiteren Sinne ›mittelbare‹ Rezeption ist ein Wesensmerkmal der Fortune Kants in den meisten romanischen Ländern. Als Wegbereiter Kants in Frankreich sind dabei namentlich Mittlerfiguren aus der französischsprachigen Schweiz in Erscheinung getreten, wie z. B. der Genfer Charles Bonnet (1720–1793), der bereits 1788 – gut drei Jahrzehnte vor Erscheinen der ersten vollständigen Fassung aus der Feder des Italieners Vincenzo Mantovani – erstmals Auszüge aus der KrV in französischer Übersetzung vorlegte,10 oder die Intellektuellen Philipp Albert Stapfer (1766–1840) und Benjamin Constant (1767–1830). In der Ostromania war die Rezeption durch die enge Bindung an Österreich vermittelt. So wurde Kant in Rumänien direkt auf Deutsch rezipiert; auch der erste rumänische Kantianer, der 18. und 19. Jahrhundert. Zu einem neuen interdisziplinären Forschungsprogramm des C. N. R. S. In: Francia 13 (1985). 502–510. Hier: 505.  8 Vgl. Espagne: En deçà du Rhin [Anm. 4] 42, 44.  9 Vgl. Plack: Indirekte Übersetzungen [Anm. 2] 305. 10 Vgl. Riccardo Pozzo: La ricezione di Kant in Svizzera dal 1788 al 1904. In: Giuseppe Micheli (Hg.): Momenti della ricezione di Kant nell’Ottocento (Rivista di storia della filosofia 61, Suppl. 4 [2006]). 23–32. Hier: 24.

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Siebenbürger Gheorghe Lazar (1779–1823), war durch sein Studium in Wien auf den Königsberger Philosophen aufmerksam geworden.11 In Portugal verlief die Rezeption bis ins letzte Viertel des 19. Jahrhunderts spärlich und lückenhaft und wurde erst durch französische und kastilische Übersetzungen einiger Schriften Kants angestoßen, die aufgrund der Nähe der Sprach- und Kulturräume direkt rezipiert wurden.12 Noch in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts waren Portugals Intellektuelle auf die Vermittlung solcher Übersetzungen und der Werke überwiegend französischer Kant-Exegeten angewiesen. Die Verfügbarkeit derartiger Quellen mag zugleich einer der Gründe dafür gewesen sein, dass erst gegen Ende der 1960er Jahre ein Bedarf an portugiesischen Übersetzungen entstand.13 Die Übersetzung aus zweiter Hand i.e.S. spielte hingegen in Spanien und Italien eine entscheidende Rolle. Im Spanien des 19. Jahrhunderts war die indirekte Übersetzung über das Französische gar die vorherrschende Norm. Von einer allgemeinen Verbreitung der direkten Übertragung konnte dort erst seit 1915 die Rede sein, bevor die Übersetzungstätigkeit mit Beginn des Spanischen Bürgerkriegs und der Franco-Diktatur 1936 ganz zum Erliegen kam.14 Der produktivste spanische Übersetzer ›aus zweiter Hand‹, Antonio Zozaya (1859–1943), verlegte seine Kant-Übersetzungen in der von ihm selbst ins Leben gerufenen Biblioteca Económica Filosófica (1880–1936), der ersten umfassenden Sammlung moderner Philosophie in Spanien;15 seine Crítica de la razón práctica (1886) wurde 11

Vgl. Madalina Diaconu/Marin Diaconu: Die Kant-Rezeption in Rumänien (1818– 1989). In: Violetta Waibel (Hg.): Umwege. Annäherungen an Immanuel Kant in Wien, in Österreich und in Osteuropa. Göttingen 2015. 223–230. Hier: 224. Vgl. auch den Beitrag von Titus Lates zur rumänischen Wirkungsgeschichte Kants im vorliegenden Band sowie die dort angeführte Forschungsliteratur. 12 Schäfer-Prieß et al. weisen auch auf die Bedeutung italienischer Übersetzungen für die portugiesische Kant-Rezeption hin. Barbara Schäfer-Prieß/Annette Endruschat/Roger Schöntag: Übersetzen und Sprachgeschichte. Übersetzungen ins Portugiesische. In: Gerhard Ernst et al. (Hg.): Romanische Sprachgeschichte. Ein internationales Handbuch zur Geschichte der romanischen Sprachen. Bd. 2. Berlin/New York 2003. 1416–1428. Hier: 1425. 13 Vgl. Ministério da Cultura (Hg.): Kant, 1724–1804. Posteridade e actualidade. Mostra bibliográfica, 25 de Novembro de 2004 – 12 de Fevereiro de 2005. Lissabon 2004. 10 ff. – Vgl. die Beiträge von Adriana Veríssimo Serrão und Fernando Silva zur portugiesischen Übersetzungsgeschichte sowie von Christian Hamm zur brasilianischen Übersetzungslage im vorliegenden Band. 14 Vgl. Ibon Uribarri: Translations of German Philosophy and Censorship. A New Line of Research within the TRACE [TRAnslation CEnsored] Project. In: Teresa Seruya/Maria Lin Monis (Hg.): Translation and Censorship in Different Times and Landscapes. Newcastle 2008. 103–118. Hier: 106. 15 Sie enthielt neben Texten von Machiavelli, Descartes, Condillac und Voltaire auch über französische Mittlerfassungen übertragene Schriften von Leibniz, Spinoza, Hume und Schopenhauer. Vgl. Translation and Censorship [Anm. 14]. Vgl. Ibon Uribarri Zenekorta: Philosophical collections, translation and censorship. The role of collections in the reception of modern philosophy in 19th and 20th century Spain. In: Alexandra Assis Rosa et al. (Hg.):

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noch 2003 neu aufgelegt.16 Die ersten indirekten Übersetzungen ins Spanische erschienen in den 1870er Jahren, mithin zu einem Zeitpunkt, da Kants Werke in England,17 Frankreich und Italien bereits zu einem Großteil übersetzt vorlagen.18 1873 übertrug Gonzalo Lizárraga den ersten Teil der MS (Principios metafísicos del derecho); 1875 legten Alejo García Moreno und Juan Ruvira eine eingestandene Übersetzung aus zweiter Hand von Kants Logik vor, für die Tissots Logique de Kant Pate gestanden hatte. Es folgten indirekte Übertragungen der KU und der GSE (1876), der GMS und der KpV (1876) sowie eine ebenfalls über Tissots Version angefertigte Fassung von Pölitz’ Vorlesungen über die Metaphysik (1877).19 Von den zehn Übersetzungen, die Uribarri für den Zeitraum von 1873 bis 1907 verzeichnet, 20 wurde lediglich eine aus dem deutschen Original angefertigt, der erste Teil der KrV (1883) aus der Feder des kubanischen Neukantianers José Perojo y Figueras. Eine Teilübersetzung der KrV findet sich aber bereits 1865, und deren französische und englische Quellenangaben weisen darauf hin, dass der Übersetzer José Rey y Heredia das Werk indirekt übertragen hat. 21 Auch die frühe theoretische Auseinandersetzung mit der deutschen Philosophie vollzog sich in Spanien über die französische Vermittlung: Die wichtigste historisch-philosophische Referenz waren Cousin und seine Schüler, und über Tissots Fassung von 1836 rezipierte der spanische Philosoph Jaime Balmes (1810– 1848) als erster die KrV. 22 Italien bot ein komplexeres Bild; dort wurde Kant eiTranslation in Anthologies and Collections (19th and 20th Centuries). Amsterdam/Philadelphia 2013. 247–258. Hier: 253. 16 Vgl. Ibon Uribarri: Filosofia, traducción y censura. In: Represura 6 (2009). unpagin. [www.represura.es/represura_6_marzo_2009_articulo2.html] [letzter Zugriff am 20.10.2018]. 17 Zur frühen Übersetzungs- und Wirkungsgeschichte Kants in England vgl. Giuseppe Micheli/René Wellek: The Early Reception of Kant’s Thought in England 1785–1805, und Immanuel Kant in England 1793–1838. London 1993 [NA N.Y. 2005]. Giuseppe Micheli: The First English Translations of Kant. In:  Ideengeschichte und Wissenschaftsphilosophie. Festschrift für Lutz Geldsetzer. Hg. von Richard Dodel/Esther Seidel/Larry Steindler. Köln 1997. 77–106. 18 Vgl. Ibon Uribarri: German Philosophy in Nineteenth-Century Spain. Reception, Translation, and Censorship in the case of Immanuel Kant. In: Denise Merkle et al. (Hg.): The Power of the Pen. Translation & Censorship in Nineteenth-Century Europe. Wien 2010. 77–96. Hier: 87. 19 Zur frühen Kant-Übersetzung in Spanien vgl. Uribarri: German Philosophy in Nineteenth-Century Spain [Anm. 18] sowie Matteo D’Alfonso et al.: Rezeptionen des Deutschen Idealismus in Europa. In: Hans Jörg Sandkühler (Hg.): Handbuch deutscher Idealismus. Stuttgart/Weimar 2005. 355–389. Hier: 373 f. 20 Vgl. Uribarri: Translations of German Philosophy and Censorship [Anm. 14] 108. 21 Die Übersetzung erschien im Anhang zu Rey y Heredias Buch über theoretische Mathematik, Teoría transcendental de las cantidades imaginarias. Vgl. Uribarri: Translations of German Philosophy and Censorship [Anm. 14] 107. 22 Vgl. D’Alfonso et al.: Rezeptionen des Deutschen Idealismus in Europa [Anm. 19] 373.

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nerseits durch die kulturelle Nähe zu Frankreich der Weg bereitet, andererseits entwickelte sich auch eine starke eigenständige Rezeptionstradition. Der Übersetzung über französische Zwischenstufen ging die direkte Konsultation französischer Quellen voraus. Als um die Wende zum 19. Jahrhundert die Auseinandersetzung italienischer Denker mit Kant einsetzte, war Frankreich in mehrfacher Hinsicht prägend: Joseph Marie Degérando und Antoine Destutt de Tracy trugen die erkenntnistheoretische Sicht der französischen Idéologues nach Italien; zugleich fand die spiritualistisch-restaurative Lesart von Villers’ Philosophie de Kant (1801) ihre Fortsetzung in den ersten italienischen Kant-Monographien von Francesco Soave (1803) und Pietro Tamburini (1803). 23 Als die ersten Übersetzungen ins Französische vorlagen, wurden diese von Kant-Spezialisten vorwiegend direkt rezipiert, sodass Kants Schriften oft erst Jahrzehnte später auf Italienisch verfügbar waren. In der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts entstanden eine Reihe von italienischen Fassungen aus zweiter Hand über das Französische, darunter auch die Critica del giudizio (1907) und die Critica della ragion pratica (1909), auf die noch zurückzukommen sein wird. Zunächst soll aber die Rede von der einzigen direkt auf Italienisch publizierten Kritik Kants sein, Vincenzo Mantovanis Critica della ragione pura. IV.  Fallbeispiele A.  Die Sonderstellung der KrV

Die KrV nimmt hinsichtlich ihres Rezeptionsweges in der Romania eine Sonderstellung ein. Die erste vollständige Übersetzung des Werkes in eine europäische Sprache wurde 1820–1822 in Italien publiziert, knapp 15 Jahre vor Erscheinen der ersten französischen Version. 24 Ihr Verfasser, der Militärarzt Vincenzo Mantovani (1773–1832), zog freilich neben der lateinischen Übersetzung von Friedrich Gottlob Born (1796) auch französische Kant-Exegeten wie Villers und Degérando zu Rate. 25 Aller Wahrscheinlichkeit nach hatten aber die späteren franzö23

Vgl. Schlüter: Die Anfänge der italienischen Kant-Rezeption [Anm. 5] 68 f. Manuele [Immanuel] Kant: Critica della ragion pura. Übers. aus dem Dt. [von Vincenzo Mantovani]. 8 Bde. Pavia 1820–1822. Vgl. Giuseppe Landolfi Petrone: Das Gesicht des Götzen. Die italienischen Übersetzungen Kants im 19. Jahrhundert. In: Kant-Studien. 95. Jg. (2004). 470–504. Hier: 475. Dieser Übersetzung bedienten sich u. a. italienische KantExperten wie Alfonso Testa, Pasquale Galluppi und Antonio Rosmini. Vgl. Marco Duichin: Tra frenologia e criticismo. Vincenzo Mantovani e la prima traduzione europea della Critica della ragion pura (1820–1822). In: Studi Kantiani 20 (2007). 117–130. Hier: 123. 25 Außerdem konsultierte er auch eine französische Version von Johann Gottlieb Buhles Lehrbuch der Geschichte der Philosophie. Vgl. V[incenzo] M[antovani]: Proemio alla traduzione. In: Kant: Critica della ragione pura. Übers. Mantovani [Anm. 24] Bd. 1. 1820. 5–14. 24

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sischen Übersetzer Tissot und Barni nicht nur Borns, sondern auch Mantovanis Fassung bei der Anfertigung ihrer Übertragung vorliegen. 26 Ein entsprechender Hinweis findet sich in der Préface du traducteur zur dritten Auflage von ClaudeJoseph Tissots erstmals 1835/1836 verlegter Version. Dort äußert dieser sich nicht ohne gewisse Vorbehalte über seinen italienischen Vorgänger: Als Mantovani versuchte, die Kritik der reinen Vernunft in die Sprache seines Heimatlandes zu übersetzen, lag bereits seit 24 Jahren Gottlob Borns Übersetzung vor, der es unternommen hatte, den Kritizismus all jenen zugänglich zu machen, die des Lateinischen mächtig sind. Seither haben weder die italienischen Theologen noch die italienischen Philosophen den Kritizismus vergessen, wenngleich sie ihn nicht immer verstanden haben. 27

Dass Tissot Mantovanis Übersetzung nicht nur kannte, sondern sich in philologisch-kritischer Manier mit ihr auseinandergesetzt und sie zur Begriffsklärung herangezogen hat, geht aus einigen Fußnoten zur zweiten Auflage von 1845 hervor. Im folgenden Textbeispiel geht es um die Abgrenzung der Erscheinung (substantia phaenomenon) von dem Gegenstand des reinen Verstandes (substantia noumenon): Dagegen sind die inneren Bestimmungen einer substantia phaenomenon im Raume nichts als Verhältnisse und sie selbst ganz und gar ein Inbegriff von lauter Relationen. (KrV, AA 04: 172) Au contraire, les déterminations internes d’une substantia phaenomenon dans l’espace ne sont que des rapports, et la substantia phaenomenon (1) elle-même n’est qu’un ensemble de pures relations. (1) Gott. Born et Mantovani entendent le texte comme si c’étaient les rapports et non la substance phénoménale, qui ne fussent qu’un ensemble de pures relations. Le sens nous a semblé exiger une autre interprétation. 28 Hier: 8 f.; Landolfi Petrone: Das Gesicht des Götzen [Anm. 24] 490; Schlüter: Die Anfänge der italienischen Kant-Rezeption [Anm. 5] 79–82 zur Übersetzung der KrV durch Mantovani. 26 Zu den Übersetzungen von Barni und Tissot vgl. Espagne: En deçà du Rhin [Anm. 4] 263 sowie den Beitrag von Sophie Grapotte im vorliegenden Band. 27 Claude Joseph Tissot: Préface du traducteur. In: Critique de la raison pure par Em­ manuel Kant. Dritte Auflage in französischer Sprache. Übers. von C. J. Tissot. Bd. 1. Paris 3 1864. V–XXXI. Hier: VIII. (»Depuis vingt-quatre ans déjà Gottlob Born avait entrepris de mettre le Criticisme à la portée de tous ceux qui connaissent le latin, lorsque Mantovani essaya de rendre la Critique de la raison pure dans la langue de son pays. Depuis lors le Criticisme n’a été oublié ni des théologiens ni des philosophes de l’Italie, sauf à n’en être pas toujours compris.«) 28 Kant: Critique de la raison pure par Emmanuel Kant. Zweite Aufl. in französischer

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Tissot überprüft also Mantovanis Lesart der Textstelle anhand des Originals und korrigiert den logischen Bezug in seiner eigenen Auslegung: Es seien die Erscheinungen selbst und nicht etwa die Verhältnisse, die Kant als Inbegriff von lauter Relationen bezeichne. Bei dem italienischstämmigen Barni erscheint es naheliegend, dass er für seine Critique de la raison pure seinen italienischen Vorgänger konsultiert hat. Inwieweit Mantovanis Version ihm bereits in rein sprachtypologischer Hinsicht Hilfestellung leistete, zeigt der folgende, der Einleitung zur KrV entnommene Passus:29 Daß alle unsere Erkenntniß mit der Erfahrung anfange, daran ist gar kein Zwei­ fel; […] Wenn aber gleich alle unsere Erkenntniß mit der Erfahrung anhebt, so entspringt sie darum doch nicht eben alle aus der Erfahrung. (KrV, AA 03: 27) Non vi è neppur dubbio che ogni nostro sapere incominci colla sperienza. […] Ciò non di meno, e quantunque sorga ed incominci ogni nostra cognizione colla sperienza, non perciò ne viene che tutta sorga e nasca precisamente dalla sperienza. 30 Il n’est pas douteux que toutes nos connaissances ne commencent avec l’expérience ; […] Mais, si toutes nos connaissances commencent avec l’expérience, il n’en résulte pas qu’elles dérivent toutes de l’expérience. 31

Barni nimmt z. B. mit ›il n’en résulte pas que‹ Mantovanis syntaktische Hilfskonstruktion ›non perciò ne viene che‹ auf, die die Argumentation nach dem konzessiven Nebensatz stützt. 32 Erkennbar ist seine generell klärende Übersetzungshaltung: Während Mantovani den kantischen Terminus Erkenntniss erst mit ›sapere‹, dann mit ›cognizione‹ wiedergibt und auch in der Wahl der Verben nach der Devise variatio delectat verfährt (vgl. die Paarformeln ›sorga ed incominci‹ und ›sorga e nasca‹), bleibt Barni konsequent bei der Entsprechung ›connaissances‹ und den schlichten Verben ›commencer‹/›dériver‹. Eine Sonderstellung unter Kants Schriften nimmt die KrV aber nicht nur hinsichtlich der Rezeptionsrichtung ein. An diesem Schlüsselwerk entzündeten sich in Europa auch die terminologischen Debatten der Kant-Exegeten. Mantovanis Sprache. Nach der deutschen Erstausgabe neu übers. von C. J. Tissot. Bd. 1. Paris 21845. 293. 29 Kursivierungen hier und im Folgenden: I. P. 30 Mantovani: Kant: Critica della ragione pura. 203 f. 31 Kant: Critique de la raison pure. Aus dem Dt. übers. von Jules Barni. Bd. 1. Paris 1869. 45. 32 Tissot folgt Mantovanis Vorbild nur in der Erstausgabe seiner Übersetzung: »[…] ce n’est point à dire qu’elles en procèdent toutes.« Kant: Critique de la raison pure. Nach der 7. Aufl. aus dem Dt. übers. von C. J. Tissot. Bd. 1. Paris 1835. 35. Vgl. Tissot: Kant: Critique de la raison pure. 21845 [Anm. 28] 357.

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Pionierleistung besteht dabei darin, nicht nur die terminologischen Schwierigkeiten benannt, sondern auch seinen eigenen Umgang und den seiner Vorgänger mit ihnen problematisiert zu haben. 33 Bereits in seinem Proemio alla traduzione beobachtete er Kants uneinheitliche Verwendung philosophischer Termini, die Tissot ein Jahrzehnt später in der Formel »unité de signe pour diversité d’idées«34 fassen sollte: Unter den gängigen Ausdrücken sind nun einige, die in diesem Werk in einer Bedeutung verwendet werden, die einmal von der allgemein üblichen, dann wieder von derjenigen Bedeutung mehr oder weniger abweicht, in der sie Kant selbst wohl an anderer Stelle aufgefasst hat. 35

Kant schöpfe nicht nur seine Begriffe aus der Alltagssprache, sondern verwende auch ein und denselben Terminus mit jeweils verschiedener Bedeutung, was dem Übersetzer das Verständnis seiner philosophischen Konzepte erschwere. Dem wolle er, Mantovani, durch Zusätze in Klammern und in Fußnoten begegnen, die er wiederum seinen französischen Quellen entnahm. 36 In der Umsetzung ist er allerdings wenig konsequent: Die Wiedergabe von Termini wie Anschauung oder Erscheinung variiert je nach ihrer Verwendungsweise bei Kant, die jeweils in ausführlichen Fußnoten erläutert wird. 37 Für Kants terminologische Opposition Verstand/Vernunft gebraucht er hingegen undifferenziert ›intelletto‹. 38 Dennoch weisen die terminologischen Entscheidungen Tissots zumindest im Einzelfall gewisse Parallelen zu den von Mantovani in seiner Vorrede gegebenen Empfehlungen auf. Eine von ihnen betrifft die Verwendung von Kanon und Organon bei Kant (wobei Mantovani wohl irrtümlich die Entsprechungen vertauscht): Zu ihnen [diesen Ausdrücken] gehören unter anderem […] Organum und Kanon, die als termini technici verwendet werden und die in etwa dem entsprechen, was im Italienischen als regolamento (für ersteren Ausdruck) und istrumento (für letzteren) bezeichnet wird […]. 39 33

Die lateinische Übersetzung Borns war Mantovani dabei nach eigenem Bekunden wenig hilfreich: Born neige zum Paraphrasieren und gebe die philosophischen Fachtermini uneinheitlich und vage wieder. Vgl. Mantovani: Proemio alla traduzione [Anm. 24, 25] 13; Laura Balbiani: La sfida della traduzione e la Critica della ragion pura in Italia. In: Rivista di Filosofia Neo-Scolastica 99/2 (2007). 233–260. Hier: 244. 34 Tissot: Avertissement du traducteur. In: Kant: Principes métaphysiques de la morale. Übers. von C. J. Tissot. Paris 1830. I–V. Hier: IV. 35 Mantovani: Proemio alla traduzione [Anm. 25] 7 (»Fra le ordinarie poi sono alcune voci, usate in quest’opera in significazione più o meno differente, ora dalla comunemente ricevuta, ora da quella in che pare le ricevesse altre volte lo stesso Kant.«) 36 Vgl. ebd. 8. 37 Vgl. Landolfi Petrone: Das Gesicht des Götzen [Anm. 24] 491 f. 38 Vgl. z. B. Mantovani: Kant: Critica della ragione pura [Anm. 24] 218. 39 Mantovani: Proemio alla traduzione [Anm. 25] 8 (»Tali, fra le altre, […] organo, e ca-

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Tissots Übersetzungshaltung illustriert folgender Passus aus der Einleitung zum zweiten Teil des ersten Buchs (Die transscendentale Logik): […] daß jene allgemeine Logik, die bloß ein Kanon zur Beurtheilung ist, gleichsam wie ein Organon zur wirklichen Hervorbringung, wenigstens zum Blendwerk von objectiven Behauptungen gebraucht und mithin in der That dadurch gemißbraucht worden. Die allgemeine Logik nun, als vermeintes Organon, heißt Dialektik. (KrV, AA 03:80–88) […] que la Logique générale, qui n’est qu’une simple règle pour juger, sert en quelque sorte comme d’instrument (organon) pour obtenir réellement, du moins en apparence, des assertions objectives, et par conséquent à être vraiment employée d’une manière abusive. Or, cette Logique générale, comme prétendu organe, s’appelle Dialectique. 40

Natürlich liegen die Entsprechungen ›règle‹ und ›instrument‹ in etymologischer Hinsicht nahe, und Tissot behält sie auch nicht konsequent bei; er setzt sie aber gerade dort ein, wo die Hervorhebung im Original sie als Fachtermini kenntlich macht.41 Tissots Version hat möglicherweise auch für die 1865 verlegte spanische Teilübersetzung Pate gestanden. Die Monopolstellung des Französischen als ›Relaissprache‹ bei der Kant-Übersetzung blieb aber zumindest nicht unangefochten. B.  Die KpV und die KU

Insbesondere in Spanien und Italien verlief die frühe Rezeption der KpV und der KU über die französische Vermittlung, die sich zum großen Teil in offen deklarier­ ten Übersetzungen aus zweiter Hand niederschlug. Etwa drei Jahrzehnte nachdem Jules Barni die beiden Schriften 1846 und 1848 erstmals ins Französische übertragen hatte, erschienen die ersten spanischen Fassungen; die italienischen ließen noch bis zur ersten Dekade des 20. Jahrhunderts auf sich warten. Von der KpV wurden in Madrid im Abstand von zehn Jahren gleich zwei Übersetzungen aus zweiter Hand vorgelegt, die sich auf Barnis Fassung stützten, die eine 1876 aus der Feder von Alejo García Moreno, die andere 1886 von dem oben bereits erwähnten Antonio Zozaya. Für Francesco Capras erste italienische Übersetzung des Werks (1909) stand hingegen François Picavets 1888 publizierte Version none, termini usati come tecnici corrispondentemente a un di presso a quanto per noi si direbbe regolamento il primo ed istrumento il secondo […].«) 40 Tissot: Kant: Critique de la raison pure. ¹1835 [Anm. 32] 120. 41 Bei Barni findet man hingegen eine einheitliche Wiedergabe durch die lateinischen Ent­ sprechungen canon und organum. Vgl. Barni: Kant: Critique de la raison pure [Anm. 31] 120.

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Pate. Dessen 1902 neu aufgelegte ›nuova eccellente traduzione francese‹ erwähnt Capra in seiner Prefazione del traduttore und betont, er habe deren Fußnoten z. T. übernommen. Die Konsultation unterschiedlicher französischer Mittlerfassungen beeinflusst auch jenseits der reinen Aneignung die Beschaffenheit der südromanischen Folgeversionen. So spricht Kant, um ein Detail herauszugreifen, in seiner Vorrede von dem gesetzlichen Bedürfnis (im Gegensatz zum hypothetischen), »ohne welches nicht geschehen kann, was man sich zur Absicht seines Thuns und Lassens unnachlaßlich setzen soll« (KpV, AA 05: 5) [Kursivierung im Original]. Barni gibt das Syntagma mit ›besoin légitime‹ wieder und verkennt damit, dass es Kant hier um den Aspekt der Gesetzmäßigkeit und nicht etwa der Legitimität des Bedürfnisses geht. 42 Seinem Nachfolger François Picavet, der Barni für seine Fassung zu Rate zieht, ist dies nicht entgangen; er übersetzt nicht nur mit »un besoin, ayant force de loi«, 43 sondern gibt seiner Übersetzung auch die folgende erläuternde Fußnote bei: Barni übersetzt mit légitime. Aber das Wort légitime und das Wort légal, das das deutsche Wort noch genauer wiedergeben würde, haben im Französischen eine ganz andere Bedeutung als diejenige, die Kant dem Wort gesetzliches verleiht, dem Adjektiv zu Gesetz; folglich werden wir in unserer Übersetzung keines der beiden Wörter verwenden. Im Übrigen gebraucht Kant das Wort Legalität (Kap. III), welches er von Gesetzlichkeit unterscheidet. [F.P.]44

Weitgehend ihrem jeweiligen französischen Vorbild folgend, lösen die beiden romanischen Übersetzer das Problem auf jeweils unterschiedliche Weise. Zozaya übernimmt mit ›deseo legítimo‹ Barnis irrige Interpretation;45 Capra hingegen wählt mit ›bisogno di legge‹ eine an Picavets Lesart angelehnte Lösung und gibt seiner Übersetzung eine Fußnote bei, in der er die Alternativen ›legale‹ und ›legittimo‹ ausdrücklich verwirft. 46 42

Kant: Critique de la raison pratique, précédée des Fondements de la métaphysique des mœurs. Übers. von Jules Barni. Paris 1848. 132. 43 Kant: Critique de la raison pratique. Frz. Neuübersetzung mit einem Vorwort zu Kants Philosophie in Frankreich von 1773 bis 1814 sowie mit philologischen und philosophischen Anmerkungen von François Picavet. Paris 1888. 4. Kennzeichnend für Picavets explikative Übersetzungsstrategie ist auch der in Klammern auf Deutsch angeführte kantische Terminus gesetzliches. 44 Ebd. (»Barni traduit par légitime. Mais le mot légitime et le mot légal, qui traduirait plus exactement encore le mot allemand, ont en français un sens tout différent de celui que Kant donne à gesetzliches, l’adjectif de Gesetz; aussi ne traduirons-nous jamais ni par l’un ni par l’autre de ces mots. Kant emploie d’ailleurs le mot Legalität (ch. III), qu’il distingue de Gesetzlichkeit.« [F.P].) 45 Kant: Crítica de la razón práctica. Übers. von Antonio Zozaya. Madrid 1886 [Reprint 2001]. 19. 46 Kant: Critica della ragion pratica. Übers. und hg. von Francesco Capra. Bari 1909. 3.

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Die KU wurde wie die KpV erstmals 1876 ins Spanische übertragen; der von Alejo García Moreno und Juan Ruvira besorgten transparenten Aneignung von Barnis Version war sogar der Prólogo del traductor francés beigegeben. Auf Barnis Übersetzung fußt auch Alfredo Gargiulos 1907 bei Laterza verlegte italienische Fassung, eine transparente Kontamination. Dass die mittelbare Übersetzung der KU nicht ohne Auswirkungen auf die Rezeption von Kants Terminologie in der Romania blieb, soll exemplarisch anhand der kantischen Trias Geist/Seele/Gemüt aufgezeigt werden. 47 In § 49 des Zweiten Buchs, »Von den Vermögen des Gemüts, welche das Genie ausmachen«, definiert Kant den Begriff Geist: Geist in ästhetischer Bedeutung heißt das belebende Princip im Gemüthe. Dasjenige aber, wodurch dieses Princip die Seele belebt, der Stoff, den es dazu anwendet, ist das, was die Gemüthskräfte zweckmäßig in Schwung versetzt, d. i. in ein solches Spiel, welches sich von selbst erhält und selbst die Kräfte dazu stärkt. (KU, AA 05: 313) [Kursivierung I.P.]

Barni verengt den kantischen Dreiklang auf die cartesische Dichotomie âme/ esprit, jedoch ohne dabei die tradierte Äquivalenz Geist = ›esprit‹ fortzuführen: L’âme dans le sens esthétique est le principe vivifiant de l’esprit. Mais ce qui sert à ce principe pour animer l’esprit, la matière qu’il emploie dans ce but, c’est ce qui donne un heureux essor aux facultés de l’esprit, c’est-à-dire ce qui le met en jeu, de telle sorte que ce jeu s’entretienne de lui-même et fortifie même les facultés qui y sont en exercice. [Des facultés de l’esprit qui constituent le génie]48

Zur Erläuterung der semantischen Abweichung gegenüber dem gemeinsprachlichen Gebrauch versieht er den Terminus ›âme‹ im vorangehenden Absatz mit einer Fußnote: Geist. Unser Wort âme (Seele) erhält so, wie ich es in diesem Satz und den folgenden verwende, eine Bedeutung, die sich der Vorstellung annähert, die Kant mit dem Wort Geist verbindet. Die Bedeutung, die ihm hier beigelegt wird, wird im Übrigen exakt durch die Erklärung festgelegt, die Kant uns im Folgenden eigens gibt. [J.B.]49 [Kursivierung im Original] 47

Vgl. Ibon Uribarri Zenekorta: De la traducción de la filosofía a la filosofía de la traducción. In: Pensar la traducción. La filosofía de camino entre las lenguas. Actas del Congreso (Talleres de comunicaciones). Madrid, September 2012. Madrid 2014. 83–94. Hier: 84. 48 Kant: Critique du jugement. Suivie des Observations sur le sentiment du beau et du sublime. Übers. von Jules Barni. Bd.1. Paris 1846. 264. 49 Ebd. 263 (»Geist. Notre mot âme, employé comme je le fais dans cette phrase et dans les suivantes, prend un sens qui se rapproche de l’idée que Kant veut exprimer par le mot Geist. Le sens dans lequel il faut l’entendre ici est d’ailleurs parfaitement déterminé par l’explication que Kant a soin de nous donner dans ce qui suit. J. B.«).

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Kant folgt auch hier der Maxime ›unité de signe pour diversité d’idées‹, indem er den gemeinsprachlichen Bezeichnungen eine neue Bedeutung verleiht. Entsprechend verwendet Barni ›âme‹ (für Geist) und ›esprit‹ (undifferenziert für Seele und Gemüt) in einer vom alltäglichen Sprachgebrauch abweichenden, ja ihm beinahe diametral entgegengesetzten Bedeutung. Die beiden südromanischen Übersetzer orientieren sich erwartungsgemäß an Barnis Vorbild, wenn auch auf unterschiedliche Art: El alma en el sentido estético es el principio vivificante del espíritu. Mas lo que sirve a este principio para animar el espíritu, la materia que emplea en su fin, es lo que da un feliz vuelo a las facultades del espíritu, es decir, lo que las pone en juego, de tal suerte que este juego se entretiene en sí y fortifica aun las facultades que en él se ejercitan. [De las facultades del espíritu que constituyen el genio]50 [Kursivierung I.P.] Anima nel significato estetico è il principio vivificante dell’animo. Ma ciò con cui questo principio vivifica l’anima, la materia di cui si serve, è ciò che dà uno slancio armonico alle facoltà dell’animo, e le pone in un giuoco che si alimenta da sé e fortifica le facoltà stesse da cui risulta. [Delle facoltà dell’animo, che costituiscono il genio]51 [Kursivierung I.P.]

Es nimmt nicht wunder, dass Moreno und Ruvira in ihrer transparenten Aneignung Barnis Dichotomie mit ›alma‹/›espíritu‹ genau nachbilden, einschließlich der explikativen Fußnote. Gargiulo, der sich weniger eng an die Mittlerfassung anlehnt,52 wählt als zweiten Terminus nicht das naheliegende ›spirito‹, sondern das etymologisch verwandte ›animo‹. Damit greift er das antike Gegensatzpaar anima/ animus auf, 53 für das Tommaseo die folgende gemeinsprachliche Definition gibt: Anima, das, was dem Körper Leben verleiht und alle Vermögen eines empfindenden und urteilenden Wesens enthält. Animo betrifft unmittelbarer das Vermögen des Wollens oder dasjenige, sich einer Sache ganz zu verschreiben, welches seinerseits auch ein Willensakt ist.54 50

Kant: Critica del juicio, seguida de las observaciones sobre el asentimiento de lo bello y lo sublime. Aus dem Frz. übers. von Alejo García Moreno/Juan Ruvira. Mit einer Einleitung des französischen Übersetzers Barni. Bd. 1. Madrid 1876 [online-Version: Biblioteca Virtual Miguel de Cervantes. Alicante. 1999. unpagin.]. 51 Kant: Critica del Giudizio. Hg. und übers. von Alfredo Gargiulo. Bari 1906. 165. 52 In der Fußnote führt er lediglich Kants Originalterminus Geist an. 53 In der Antike war auch die Vorstellung von einer Trias verbreitet. So findet sich bei Diogenes Laertius der Hinweis: »i Pitagorici distinguevano nell’anima tre parti, cioè il senso, l’animo, e la mente.« Diogenes Laertius, Buch VIII. Zit. nach Romualdo Bobba: Storia della filosofia rispetto alla conoscenza di Dio. Bd. 1. Lecce 1873. 159. 54 Niccolò Tommaseo: Nuovo dizionario dei sinonimi della lingua italiana. Florenz 1838.

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Der Bedeutungsumfang der beiden Wörter deckt sich also in der Gemeinsprache nicht ganz mit dem der französischen Entsprechungen âme und esprit: anima ist umfassender als âme, animo enthält gegenüber esprit den zusätzlichen Aspekt des Wollens. C. Die GMS

Die Schlüsselrolle, die der Beschaffenheit der französischen Mittlerversion(en) für das Verständnis der kantischen Schriften zukommt, zeigt exemplarisch die Fortune der GMS in der Südromania, insbesondere in Italien, Spanien und Portugal. Kant legt darin den Grundstein zu seiner Moralphilosophie. Die frühen französischen Übersetzer Barni und Tissot, die 1848 und 1854 ihre Fassung der GMS vorlegten, waren noch stark dem Ideal der clarté verpflichtet. Dagegen legte Victor Delbos, wohl einer der größten Kant-Experten seiner Zeit,55 in seiner reich mit gelehrten Anmerkungen versehenen, mehrfach neu aufgelegten Neuübersetzung von 1907 eine dezidiert historisch-kritische Übersetzungshaltung an den Tag. Durch die französischen Lesarten vorgeprägt, wurde die Schrift in Spanien und Italien rezipiert. So fußen die ersten spanischen Übersetzungen von Alejo García Moreno (Madrid 1876) und Antonio Zozaya (Madrid 1881) erkennbar auf Barnis Version. Komplexer ist die Lage bei den etwa drei Jahrzehnte später publizierten italienischen Fassungen von Nicola Palanga (Rom 1910) und Giovanni Vidari (Pavia 1910), zwei opaken Kontaminationen, die beide als ›Erstübersetzung‹ beworben wurden. Palanga konsultierte für seine Fassung offenbar Barni und Tissot, Vidari in erster Linie Delbos’ Version. Wie sich derartige Präferenzen auf die Qualität der Wiedergabe ausgewirkt haben, zeigt bereits die Übersetzung des Titels. In Frankreich hat sich Barnis Titel Fondements de la Métaphysique des mœurs durchgesetzt, der entsprechend von den frühen spanischen Übersetzern adaptiert wird: Fundamentos de la [una] Metafísica de las Costumbres. Erst Delbos stellt im Avant-propos zu seiner Fassung die herrschende Konvention in Frage: Wir haben die bei uns inzwischen übliche Übersetzung des Werktitels beibehalten, auch wenn die Formulierung Fondements de la Métaphysique des mœurs nicht die Handlung des Grund-Legens wiedergibt, die in Grundlegung zur Metaphysik der Sitten enthalten ist, und noch nicht einmal hinreichend den vorbereitenden Charakter des Buches, der darin zum Ausdruck kommt. Alle anderen 41 (vgl. Anima, animo). (»Anima, quella che dà vita al corpo, e comprende tutte le facoltà dell’ente che sente e ragiona. Animo riguarda più direttamente la facoltà del volere, o dell’attendere, ch’è anch’esso un esercizio del volere.«) 55 Vgl. Espagne: En deçà du Rhin [Anm. 4] 47.

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Übersetzungen, die infrage gekommen wären, erschienen uns unvereinbar mit unserer sprachlichen Norm, oder sie hätten womöglich zu noch gravierenderen Abweichungen geführt.56

Wenn er auch selbst aus ›sprachpuristischen‹ Gründen bei dem eingeführten Titel blieb, regte sein Vorbild doch romanische Übersetzer dazu an, neue Wege zu beschreiten. So wagt Vidari – im Gegensatz zu seinem Konkurrenten Palanga, der sich mit ›il fondamento‹ an Tissot anlehnt – die eher unübliche italienische Kollokation Fondazione della metafisica dei costumi, die sich im weiteren Verlauf durchsetzen sollte. Eine ähnliche Titellösung wählen der Spanier Manuel G. Morente (Fundamentación de la metafísica de las costumbres, Madrid 1921) und der Verfasser der ersten portugiesischen Übersetzung Paulo Quintela (Fundamentação da metafísica dos costumes, Coimbra 1960) und begründen damit ebenfalls eine Tradition. Quintela gibt an, für seine Übersetzung u. a. Delbos’ Fassung in der Ausgabe von 1934 eingesehen zu haben.57 Aber auch im Text selbst erweist sich der Wert von Delbos’ wissenschaftlich fundierter Übertragung und seiner zahlreichen erläuternden Fußnoten für die Arbeit der romanischen Übersetzer. Ihren Nutzen für das Erfassen der kantischen Konzepte soll ein kurzer Passus aus dem ersten Abschnitt der GMS illustrieren.58 Kant benennt darin »Verstand, Witz, Urtheilskraft und wie die Talente des Geistes sonst heißen mögen« (GMS, AA 04: 393) als Naturgaben, die kraft eines guten Willens als gut und zweckmäßig gelten können. Zwei der genannten Talente gibt der um wissenschaftliche Präzision bemühte Delbos paraphrasierend wieder; in der beigegebenen Fußnote entschuldigt er sich zugleich dafür, indem er auf seine Quellen verweist: Verstand […], die Gabe, die Ähnlichkeiten zwischen den Dingen zu erfassen, das Vermögen, das Besondere zu erkennen, um es zu beurteilen,* und die anderen Talente des Geistes, wie auch immer man sie nennen möge. 56

Victor Delbos: Avant-propos. In: Kant: Fondements de la Métaphysique des mœurs. Neuübersetzung mit Einleitung und Anmerkungen von Victor Delbos. Paris 1907. 1–2. Hier: 1. (»Nous avons conservé la traduction, devenue usuelle chez nous, du titre de l’ouvrage, bien que les mots Fondements de la Métaphysique des mœurs ne rendent de Grundlegung zur Meta­ physik der Sitten ni l’action de fonder, ni même suffisamment le caractère préliminaire du livre qui y sont exprimés. A l’épreuve, toute autre traduction nous a paru incompatible avec les habitudes de notre langue, ou présenter des infidélités peut-être plus graves.«) 57 Bei schwierigen Passus habe er das Verfahren der Kollation verschiedener Übersetzungen angewandt. Vgl. Paulo Quintela: Nota prévia do tradutor. In: Kant: Fundamentação da metafísica dos costumes. Aus dem Dt. übers. von Paulo Quintela. Coimbra 1960 [Lissabon 2007]. 11. 58 Vgl. Plack: Indirekte Übersetzungen [Anm. 2] 344 f. sowie Jörn Albrecht/Iris Plack: Europäische Übersetzungsgeschichte. Tübingen 2018. 404 f.

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*Indem wir Witz mit ›le don de saisir les ressemblances des choses‹ übersetzen und Urtheilskraft mit ›la faculté de discerner le particulier pour en juger‹, verwenden wir Paraphrasen, ohne die aber Kants Denken nicht klar hervortreten würde […].59

Betrachtet man nun die beiden italienischen Wiedergaben dieser Textstelle, so fällt sogleich der qualitative Unterschied zwischen ihnen ins Auge: »Intelligenza, vivacità, giudizio e le altre doti dell’ingegno […]«;60 »Intelligenza, acutezza di mente, forza di raziocinio e le altre doti dello spirito, con qualunque nome siano designate«.61 Palangas vermeintlich naheliegende, gemeinsprachliche Entsprechungen ›vivacità‹ und ›giudizio‹ bezeichnen eher Charakterzüge; mit ›vivacità‹ verfehlt er völlig das kantische Konzept Witz, dessen Bedeutung ›Geist‹ oder ›Klugheit‹ heute noch in Mutterwitz erhalten ist.62 Davon heben sich Vidaris Übersetzungslösungen ›acutezza di mente‹ und ›forza di raziocinio‹ deutlich ab. In seinen Substantivkomposita kondensiert er den semantischen Gehalt von Delbos’ Paraphrasen und profitiert so von dessen Lösung, ohne sie einfach zu ›kopieren‹. Man vergleiche die drei Jahrzehnte zuvor erschienene spanische Fassung von Zozaya und Quintelas portugiesische Version von 1960: »La inteligencia, la cortesía, el juicio y todos los talentos del espíritu […]«;63 »Discernimento (1), argúcia de espírito (2), capacidade de julgar (3) e como quer que possam chamar-se os demais talentos do espírito […]«.64

59 Delbos: Avant-propos. In: Kant: Fondements de la métaphysique des mœurs [Anm. 56] Fußnote 29 (»L’intelligence […], le don de saisir les ressemblances des choses, la faculté de discerner le particulier pour en juger*, et les autres talents de l’esprit, de quelque nom qu’on les désigne. *En traduisant Witz par ›le don de saisir les ressemblances des choses‹, et Ur­ theils­kraft par ›la faculté de discerner le particulier pour en juger‹, on use de paraphrases, mais sans lesquelles la pensée de Kant n’apparaîtrait pas clairement.«) 60 Kant: Il fondamento della metafisica dei costumi. Erste italienische Übersetzung von Nicola Palanga. Vorwort von Bernardino Varisco. Rom 1910. 15. 61 Kant: Fondazione della metafisica dei costumi. Erste italienische Fassung mit einer Einführung von Giovanni Vidari. Pavia 1910. 11. Beide Versionen wurden als Erstübersetzung deklariert [vgl. oben IV C]. 62 Mit ›finesse‹ und ›jugement‹ (Barni) bzw. ›esprit‹ und ›jugement‹ (Tissot) verfehlen Palangas französische Vorbilder Kants Konzepte auf ähnliche Weise. Vgl. Barni: Kant: Critique de la raison pratique, précédée des Fondements de la métaphysique des mœurs [Anm. 42] 13; Tissot: Kant: Principes métaphysiques de la morale. Dritte frz. Aufl., mit einer Einleitung und Anmerkungen von Tissot. Paris 31854. 11. – Zu Witz bei Kant vgl. den Beitrag von Fernando Silva im vorliegenden Band. 63 Kant: Fundamentos de una Metafísica de las Costumbres. Übers. von Antonio Zozaya. Madrid 1881. 13. 64 Quintela: Kant: Fundamentação da metafísica dos costumes [Anm. 57] 21 f.

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Zozaya ist mit ›cortesía‹ und ›juicio‹, angelehnt an Barnis ›finesse‹65 und ›juge­ ment‹, ähnlich weit von Kants philosophischen Konzepten entfernt wie später Palanga. Quintela hingegen gelingt, wie schon Vidari, eine präzisere Annäherung an Kants Terminologie. In den Anmerkungen zu seiner historisch-kritischen Übersetzung, für die er mehrere Versionen seiner Vorgänger eingesehen hat, beruft er sich u. a. auf Delbos’ Übersetzungslösungen.66 Es erweist sich erneut, dass die Qualität der herangezogenen Mittlerfassung(en) ausschlaggebend für die Beschaffenheit der südromanischen Übersetzungen sein kann. V.  Schlussbemerkung

Entscheidend für den Prozess der Aneignung eines philosophischen Textes in all seinen Bedeutungsaspekten ist für Lacoste die beständige Auseinandersetzung mit diesem in der Übersetzung, […] in dem Maße, in dem der Originaltext stets einen Überschuss an Bedeutung enthält, der es rechtfertigt, immer wieder auf ihn zurückzukommen und immer aufs Neue zu versuchen, ihn zu übersetzen, und in dem Maße, in dem zugleich die Übersetzung ein entscheidender Prüfstein ist.67

Auf die hinsichtlich Terminologie und Denkungsart schwer zu entschlüsselnden kantischen Schriften trifft dies in besonderem Maße zu. In den Ländern der Romania ist die Auseinandersetzung mit ihnen durch die Übersetzung aus zweiter Hand teils erst angestoßen, teils in die eine oder andere Richtung gelenkt worden. Ebenso rezeptionsfördernd wie rezeptionslenkend wirkten insbesondere die durch diverse Lesarten vorgeprägten, stilistisch ›bereinigten‹ französischen Übersetzungen: In Spanien und Italien haben sie für Fassungen aus zweiter Hand verschiedener Ausprägung Pate gestanden, wenn sie nicht, wie dies in Portugal im großen Stil der Fall war, direkt ›en français dans le texte‹ gelesen wurden. In jedem Fall kommt der mittelbaren Rezeption eine Art ›Katalysatorfunktion‹ zu, 65 Die Bedeutung des weiter gefassten französischen finesse verengt er dabei auf den Aspekt der Höflichkeit. 66 Dort rechtfertigt er auch seine Präferenz der spezifischeren Entsprechung ›discernimento‹ für Verstand gegenüber dem näher liegenden ›entendimento‹. Zudem findet sich dort der Hinweis, dass Kants Terminus Witz von Morente (Aufl. von 1942) gar im modernen Sinn als Scherz (gracejo) missverstanden wurde. Vgl. Quintela: Kant: Fundamentação da meta­ física dos costumes [Anm. 57] 21. 67 Jean Lacoste: Philosophes. In: Histoire des Traductions en langue française. XIXe siècle (1815–1914). Hg. von Yves Chevrel/Lieven D’Hulst/Christine Lombez. Lagrasse 2012. 1009–1148. Hier: 1010 (»[…] dans la mesure où le texte original contient toujours un excédent de sens qui justifie qu’on y revienne sans cesse, que sans cesse on tente de le retraduire, et où, en même temps, l’épreuve de la traduction est décisive.«)

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denn sie bereitete der direkten Beschäftigung mit dem Original den Boden. Die Beispiele dürften gezeigt haben, dass dabei die Beschaffenheit der jeweiligen Mittlerversion eine Schlüsselrolle spielte. So sind die Verdienste der historischkritischen französischen Übersetzung durch Victor Delbos um die Rezeption der GMS in Italien und später auch in Portugal nicht von der Hand zu weisen. Aber auch in umgekehrter Richtung hat sich die Übersetzung aus zweiter Hand als fruchtbar erwiesen. Mit seiner italienischen Übertragung der KrV leistete Vincenzo Mantovani nicht nur Pionierarbeit, sondern sensibilisierte auch seine französischen Nachfolger für die kantische Terminologie. Schließlich ist die Bedeutung von Borns früher lateinischer Übertragung der kritischen Schriften zu würdigen; trotz ihrer offensichtlichen Schwächen leistete sie als Mittlerfassung zahlreichen romanischen Übersetzern Hilfestellung bei der Kant-Exegese. Noch 1986 gab einer der Übersetzer im Rahmen der Kant-Werkausgabe in der Bibliothèque de la Pléiade, Alexis Philonenko, an, sich zum besseren Verständnis der scholastischen Termini bei seiner Übertragung der RGV an Borns Version orientiert zu haben.68 Festzuhalten bleibt, dass die Praxis der Übersetzung aus zweiter Hand nicht nur die frühe Aufnahme Kants in der Romania erleichtert, sondern durch die damit einhergehende allmähliche Flexibilisierung der Wissenschaftssprache auch die spätere übersetzerische Rezeption seiner Schriften befördert hat.69

68

Vgl. ebd. 1038. Vgl. Jörn Albrecht: Übersetzen und Sprachgeschichte. Übersetzungen ins Französische und Okzitanische. In: Gerhard Ernst et al. (Hg.): Romanische Sprachgeschichte. Ein internationales Handbuch zur Geschichte der romanischen Sprachen. Bd. 2 (HSK 23,2). Berlin/N.Y. 2006. 1386–1403. Hier: 1398. 69

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BIBLIOGR APHIE

Primärliteratur Aufgeführt werden hier nur die im Band erwähnten Übersetzungen. Auf Grund der unterschiedlichen Ausführlichkeit der Bestandsaufnahmen zu den Übersetzungen in die einzelnen Sprachen kann der jeweilige Umfang der hier aufgeführten Übersetzungen in die einzelnen Sprachen nicht als repräsentativ für die Übersetzungslage in den einzelnen Sprachen gelten. Für eine tendenziell vollständige Bibliographie der Übersetzungen kantischer Schriften, speziell auch ins Englische und in die romanischen Sprachen, vgl. Steve Naragon: [https://users.manchester.edu/FacStaff/SSNaragon/Kant/Helps/KantsWritingsTrans lationsLinks.htm]. Vgl. auch die Bibliographie der Übersetzungen, Kant-Forschungsstelle Mainz. Bearbeitet von Margit Ruffing. Diese Bibliographie wird fortlaufend in den Kant-Studien weitergeführt und ist online zugänglich. Bis 1898 zurückreichende Kant-Bibliographie. Begründet von Rudolf Malter: Kant-Bibliographie 1898–1944. Hg. von Margit Ruffing. Frankfurt a.M., Klostermann, 2007. Kant-Bibliographie 1945–1990. Hg. von Margit Ruffing. Frankfurt a.M., Klostermann, 1998. Eine weitere bibliographische Ressource zur Ermittlung von Kant-Übersetzungen (Quellen ab 1997): International Philosophical Bibliography. Peeters Online Bibliographies. Vgl. auch Kant im Kontext III [Komplettausgabe 2017]. Im Anhang: Aktuelle Werkund Einzelwerkausgaben. Eine internationale Kant-Bibliographie entsteht auch im Centro de Documentación Kantiana. México, Universidad Autónoma Metropolitana, Unidad Iztapalapa. Dirección/Gesamtherausgeberin Dulce María Granja Castro. Für einzelne Sprachen stehen zahlreiche speziellere Internetressourcen zur Verfügung. Die bibliographischen Angaben erfolgen hier – im Gegensatz zu den Angaben in den Beiträgen – in den jeweiligen Sprachen (mit Ausnahme des Rumänischen, denn hier ist der bibliographische Zugriff, vor allem auf die älteren Übersetzungen, erschwert; in diesem Falle erfolgen die Angaben in englischer Sprache). Die bibliographischen Angaben zu den Übersetzungen enthalten Verlagsangaben, nur in Ausnahmefällen auch Reihentitel. Aus Gründen editorischer Konformität mit der Schriftenreihe wird auf die Angabe von Internet-Links so weit wie möglich verzichtet.

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768 Bibliographie

A.  Kant-Primärliteratur und Übersetzungen Deutsch – Zitierte Ausgaben Werkausgaben Akademie-Ausgabe (AA): Kant’s gesammelte Schriften. Hg. von der KöniglichPreußischen Akademie der Wissenschaften (Bde. 1–16), der Preußischen Aka­ demie der Wissenschaften (Bd. 17–22), der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin und/oder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Bde. 23–25 und 27–29) und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (Bd. 26). Berlin, Reimer, nach 1922: De Gruyter, 1900 ff. [elektronische Zugriffsmöglichkeiten vgl. unten: Internetlinks]. Immanuel Kant’s sämmtliche Werke. Hg. von Karl Rosenkranz/Friedrich Wilhelm Schubert. 12 Bde. Leipzig, Voss, 1838–1842. Immanuel Kants Werke. Hg. von Ernst Cassirer. 12 Bde. Berlin, Bruno Cassirer, 1912–1922. Immanuel Kant: Werke. Hg. von Wilhelm Weischedel. 6 Bde. Frankfurt a. M., Insel Verlag, 1956–1964; 12 Bde. Frankfurt a.M., Suhrkamp Verlag, 1968; 10 Bde. Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1968, 32016 [revidierte und korrigierte Fassung].

Ausgaben von Einzelwerken (chronologisch) Immanuel Kant’s Menschenkunde oder philosophische Anthropologie. Nach handschriftlichen Vorlesungen hg. von Fr. Ch. Starke [d.i. Johann Adam Bergk]. Leipzig 1831 [ND Hildesheim, Olms, 1976]. Reflexionen Kants zur kritischen Philosophie. Aus Kants handschriftlichen Aufzeichnungen. Hg. von Benno Erdmann. 2 Bde. Leipzig, Fues‘s Verlag, 1882/1884. Lose Blätter aus Kants Nachlass. Hg. von Rudolf Reicke. 3 Bde. Königsberg, Beyer, 1889/1895/1898. Kritik der reinen Vernunft. Nach der ersten und zweiten Original-Ausgabe neu hg. von Raymund Schmidt. Hamburg, Felix Meiner Verlag, 1976. Geographische und andere naturwissenschaftliche Schriften. Hg. von Jürgen Zehbe. Hamburg, Felix Meiner Verlag, 1985. Briefwechsel. Auswahl und Anmerkungen von Otto Schöndörffer. Bearbeitet von Rudolf Malter. Hamburg, Felix Meiner Verlag, 1986. Bemerkungen zu den Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen. Hg. von Marie Rischmüller. Hamburg, Felix Meiner Verlag, 1991.

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Bibliographie 769

Logik-Vorlesung. Unveröffentlichte Nachschriften I. Logik Bauch. Bearbeitet von Tillmann Pinder. Hamburg, Felix MeinerVerlag, 1998. Logik-Vorlesung. Unveröffentlichte Nachschriften II. Logik Hechsel, Warschauer Logik. Bearbeitet von Tillmann Pinder. Hamburg, Felix Meiner Verlag, 1998. Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. Hg. von Reinhard Brandt. Hamburg, Felix Meiner Verlag, 2000. Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Hg. von Jens Timmermann. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht, 2004. Vorlesung zur Moralphilosophie. Hg. von Werner Stark. Mit einer Einleitung von Manfred Kühn. Berlin, De Gruyter, 2004. Latein Immanuelis Kantii Opera ad philosophiam criticam. Latine vertit Fredericvs Gott­ lob Born. 4 Bde. Lipsiae 1796–1798 [unveränderter Nachdruck Frankfurt a.M., Minerva, 1969]. [https://reader.digitale-sammlungen.de/en/fs1/object/display/ bsb10046199_00664.html] Englisch – Zitierte Ausgaben Werkausgabe

The Cambridge Edition of the Works of Immanuel Kant. Ed. by Paul Guyer and Allen W. Wood. Cambridge, Cambridge University Press, 1992 ff. [keine Bandzählung; auch online zugänglich] (1) Theoretical Philosophy 1755–1770. Trans. David Walford, Ralf Meerbote (1992); (2) Lectures on Logic. Trans. J. Michael Young (1992); (3) Opus Postumum. Ed. Eckart Förster. Trans. Eckart Förster/Michael Rosen (1993); (4) Religion and Rational Theology. Trans. Allen W. Wood/George di Giovanni (1996); (5) Practical Philosophy. Trans. Mary J. Gregor (1996); (6) Lectures on Ethics. Ed. Peter Heath/J.B. Schneewind. Transl. Peter Heath (1997); (7) Lectures on Metaphysics. Trans. Karl Ameriks/Steve Naragon (1997); (8) Critique of Pure Reason. Transl. Paul Guyer/Allen W. Wood (1998); (9) Correspondence. Transl. Arnulf Zweig (1999); (10) Critique of the Power of Judgment. Ed. Paul Guyer, trans. Paul Guyer/Eric Matthews (2000); (11) Theoretical Philosophy after 1781. Ed. Henry Allison/Peter Heath, trans. Gary Hatfield/Michael Friedman (2002); (12) Notes and Fragments. Ed. Paul Guyer, trans. Curtis Bowman et al. (2005); (13) Anthropology, History, and Education. Ed. Günter Zöller/Robert B. Louden, trans.

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770 Bibliographie

Mary Gregor et al. (2007); (14) Natural Science. Ed. Eric Watkins, trans. Lewis White Beck et al. (2012). (15) Lectures on Anthropology. Ed. and trans. Robert B. Louden/Allen W. Wood. Trans. Robert R. Clewis/G. Felicitas Munzel (2012); (16) Lectures and Drafts on Political Philosophy. Trans. Kenneth R. Westphal/Frederick Rauscher (2016). Vgl. Kenneth R. Westphal: [https://www. academia.edu/9492783/Cambridge_Kant_Translations_Tables_of_Contents_ Indexes] Übersetzungen außerhalb der Werkausgabe Kritiken KrV Critique of Pure Reason. Trans. by F. Max Müller. Introd. by Ludwig Noiré. 2 vols. London, Mac Millan, 1881 [21896]. Critique of Pure Reason. Concise text in a new, faithful, terminologically improved translation exhibiting the structure of Kant’s argument in thesis and proof, edited and trans. and with an introduction by Wolfgang Schwarz. Aalen, Scientia, 1982. Critique of Pure Reason. Trans. by Werner Pluhar. Indianapolis, Hackett Publishing, 1996. KpV Critique of Practical Reason. Trans. by Heinrich Walter Cassirer. Milwaukee, Marquette University Press, 1998. Critique of Practical Reason. Trans. by Werner S. Pluhar. Indianapolis, Hackett, 2002. KU Critique of Judgement. Ed. by Nicholas Walker. Trans. by James Creed Meredith. Oxford, Oxford University Press, 1978 [2007/08]. Critique of Judgment. Trans. by Werner Pluhar. Indianapolis, Hackett, 1987. Sonstige Übersetzungen (chronologisch) Perpetual Peace [anonymous translator]. London, Vernor & Hood, 1796.

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Bibliographie 771

Essays and Treatises on Moral, Political, Religious and Various Philosophical Subjects. [Trans. by John Richardson]. 2 vols. London, William Richardson, 1798/1799. The Metaphysics of Morals, divided into Metaphysical Elements of Law and of Ethics. Anonymous translation [by John Richardson]. Vol. 1. London [­ Hamburg], William Richardson, 1798/1799. [https://books.google.com/books?id=gKgCEa LU0p4C&pg=PR42&dq] [https://oll.libertyfund.org/titles/kant-the-philosophyof-law] Kant’s Introduction to Logic: and his Essay on the Mistaken Subtilty of the Four Figures. Trans. by Thomas K. Abbot. London, Longmans, Green & Co., 1885. The Philosophy of Law, an Exposition of the Fundamental Principles of Jurisprudence as the Science of Right. Trans. by William Hastie. Edinburgh, T. & T. Clark, 1887. Dreams of a Spirit-Seer illustrated by Dreams of Metaphysics. Trans. by Frank Sewall. London, Swan Sonnenschein & Co., 1900. Observations on the Feeling of the Beautiful and Sublime. Trans. by John T. Goldthwait. Berkeley, University of California Press, 1960. Immanuel Kant’s Physical Geography. Trans. by Ronald L. Bolin. MA thesis. Indiana University, 1968. Dreams of a Spirit Seer, and other Related Writings. Trans. by John Manolesco. New York, Vantage, 1969. The Foundation of Morality. Translated (with interspersed commentary) by Brendan Edwin Alexander Liddell. In: Id.: Kant on the Foundation of Morality. A Modern Version of the Grundlegung. Bloomington, Indiana University Press, 1970. 17–259. Metaphysical Foundations of Natural Science. Trans. by James Ellington. New York, Bobbs-Merrill, 1970. [Reprinted in: id.: Kant’s Philosophy of Material Nature. Indianapolis, Hackett Pub., 1985. Book II. 3–134]. Toward Perpetual Peace. Trans. by Hans Reiss. In: id. (ed.): Kant’s Political Writings. Cambridge, Cambridge University Press, 1970 [²1991]. 93–130. On a Discovery […]. Trans. by Henry E. Allison. In: id.: The Kant – Eberhard Controversy. Baltimore, John Hopkins University Press, 1973. 107–160. Kant on History and Religion, with a translation of Kant’s On the failure of all attempted philosophical theodicies. Trans. by Michel Despland. Montreal, McGillQueen’s University Press, 1973. 283–297. Logic. Trans. and introduction by Robert S. Hartman/Wolfgang Schwarz. Indianapolis/New York, Bobbs-Merrill, 1974. On the Old Saw: That May be Right in Theory But It Won’t Work in Practice. Trans. by Ernst Basch Ashton. Philadelphia, University of Pennsylvania Press, 1974. Anthropology from a Pragmatic Point of View. Trans. by Mary J. Gregor. The Hague, Martinus Nijhoff, 1974.

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Prolegomena to Any Future Metaphysics. Trans. by James Ellington. Indianapolis, Hackett Pub., 1977 [revision of Paul Carus’ 1902 translation. Reprinted in: Ellington: Kant’s Philosophy of Material Nature. Indianapolis 1985. Book I. 1– 122]. Anthropology from a Pragmatic Point of View. Trans. by Victor Lyle Dowdell/ Hans Heinrich Rudnick. Ed. by Hans Heinrich Rudnick. Carbondale, Southern Illinois University Press, 1978 [London, Feffer and Simons, 1978]. The Only Possible Argument for the Demonstration of the Existence of God. Trans. by Gordon Treash. New York, Abaris Books, 1979. The Conflict of the Faculties. Trans. by Mary J. Gregor/Robert E. Anchor. New York, Abaris, 1979. Universal Natural History and Theory of the Heavens. Trans. by Stanley Ladislas Jaki. Edinburgh, Scottish Academic Press, 1981. Toward Perpetual Peace. Trans. by Ted B. Humphrey. In: Kant: Perpetual Peace and Other Essays. Indianapolis, Hackett Pub., 1983. 107–143. End of All Things. Trans. by Ted B. Humphrey. In Kant: Perpetual Peace and Other Essays. Indianapolis, Hackett Pub., 1983. 93–105. Toward Perpetual Peace. Trans. by Wolfgang Schwarz. In: Id.: Principles of Lawful Politics. Aalen, Scientia, 1988. 41–135. Kant’s Political Writings. Ed. by Hans Reiss and trans. by Hugh B. Nisbet. Cambridge, Cambridge University Press, ²1991. Raising the Tone of Philosophy. Late Essays by Immanuel Kant. Transformative Critique by Jacques Derrida. Ed. and trans. by Peter Fenves. Baltimore /London, The John Hopkins University Press, 1993. 51–83. Grounding for the Metaphysics of Morals. Trans. by James Ellington. Indianapolis, Hackett Pub., 1993. Four Neglected Essays by Immanuel Kant. Ed. and trans. by Stephen R. Palmquist. Hong Kong, Philopsychy Press, 1994. Universal Natural History and Theory of the Heavens, Or, an Essay on the Constitution and the Mechanical Origin of the Entire Structure of the Universe Based on Newtonian Principles. Trans. by Ian Johnston. Arlington, VA, Richer Resources, 1998 [²2008]. Metaphysical Elements of Justice, Part I of the Metaphysics of Morals. Second edition. Trans., with introduction and notes, by John Ladd. Indianapolis, Hackett Pub. Co., ²1999. Groundwork for the Metaphysics of Morals. Ed. and trans. by Allen W. Wood. New Haven/London, Yale University Press, 2002 [²2018]. Groundwork for the Metaphysics of Morals. Ed. by Arnulf Zweig/Thomas Edward Hill. Trans. by Arnulf Zweig. Oxford/N.Y., Oxford University Press, 2002. Kant on Swedenborg. Dreams of a Spirit-Seer and Other Writings. Ed. and trans. by Gregory Johnson. Pennsylvania, Swedenborg Foundation, 2002.

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Metaphysical Foundations of Natural Science. Ed. and trans. by Michael Friedman. Cambridge, Cambridge University Press, 2004. Prolegomena to Any Future Metaphysics That Will Be Able to Present Itself as Science. Trans. by Günter Zöller. Oxford, Oxford University Press, 2004 [revision of Peter G. Lucas’ 1953 translation]. ›Introduction‹ to Critique of Judgment. Trans. by Angelica Nuzzo. In: ead.: Kant and the Unity of Reason. West Lafayette, Purdue University Press, 2005. 100–113. Toward Perpetual Peace and Other Writings on Politics, Peace, and History. Ed. by Pauline Kleingeld and trans. by David L. Colclasure. New Haven/London, Yale University Press, 2006. Metaphysical Foundations of Natural Science. Trans. by Jonathan Bennett. Cambridge, Cambridge University Press, 2007. On Perpetual Peace. A Philosophical Sketch. Trans. by Ian Johnston. Arlington, VA, Richer Resources, 2008 [Republication and ed. by Brian Orend. Indianapolis ²2015]. Religion within the Bounds of Bare Reason. Trans. by Werner S. Pluhar. Indianapolis, Hackett, 2009. Observations on the Feeling of the Beautiful and Sublime and Other Writings. Ed. by Patrick Frierson/Paul Guyer. Cambridge, Cambridge University Press, 2011 [Reprint from: Anthropology, History, and Education. Ed. Günter Zöller, Robert B. Louden, transl. Mary Gregor et al. (Cambridge Edition, 2007)]. Concept of a Human Race. Trans. by Jon Mark Mikkelsen. In: Mikkelsen, Jon Mark (ed.): Kant and the Concept of Race. Late Eighteenth-Century Writings. Albany, NY, State University of New York Press, 2013. 128–141. Religion within the Bounds of Bare Reason. In: Stephen R. Palmquist: Comprehensive Commentary on Kant’s Religion within the Bounds of Bare Reason. Chi­ chester, John Riley & Sons, 2016 [complete translation in short passages, interspersed throughout the commentary]. The Metaphysics of Morals. Ed. by Lara Denis. Trans. by Mary Gregor. Cambridge, Cambridge University Press, 2017. Französisch – Zitierte Ausgaben Werkausgabe Œuvres philosophiques. Éd. publiée sous la direction de Ferdinand Alquié. 3 vols. Paris, Gallimard (Éd. de la Pléiade), 1980–1986 [Einzelübersetzungen vgl. Bei­ trag Sophie Grapotte] t. 1: Des premiers écrits à la Critique de la raison pure (1980) [u. a. Critique de la raison pure. Texte traduit et annoté par Alexandre J.-L. Delamarre/François Marty]

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774 Bibliographie

t. 2: Des Prolégomènes aux écrits de 1791 (1985) [u. a. Critique de la raison pratique. Texte traduit et annoté par Luc Ferry/Heinz Wismann. Critique de la faculté de juger. Texte traduit et annoté par Jean-René Ladmiral/Marc B. de Launay/ Jean-Marie Vaysse; Premiers principes métaphysiques de la science de la nature. Texte présenté, traduit et annoté par François De Gandt] t. 3: Les derniers écrits (1986) [u. a. La métaphysique des mœurs. Texte traduit et annoté par Joëlle Masson/Olivier Masson] Übersetzungen außerhalb der Werkausgabe  Kritiken KrV Critique de la raison pure […]. Trad. sur la 7e éd. par Claude Joseph Tissot. 2 vols. Paris, Ladrange, 1835–1836. Critique de la raison pure. Seconde édition en français, retraduite sur la première édition allemande; contenant tous les changements faits par l’auteur dans la seconde édition, des notes et une biographie de Kant par C. Joseph Tissot. 2 vols. Paris, Ladrange, ²1845 [31864]. Critique de la raison pure. Trad. par Jules Barni. 2 vols. Paris, Éd. G. Baillière, 1869. Critique de la raison pure. Trad. nouvelle avec introduction et notes de Jules Barni. Rev. et corr. par Paul Archambault. 2 vols. Paris, Flammarion, 1912 [Reprint: Critique de la raison pure. Trad. par Jules Barni/Paul Archambaut. Préface de Roger Verneaux. Paris, Aubier-Montaigne, 1973]. Critique de la raison pure. Nouvelle traduction, avec notes, par André Tremesaygues/Bernard Pacaud. Paris, Alcan, 1927 [Traduction française avec notes par André Tremesaygues/Bernard Pacaud. Paris, PUF, 1944 (1950, 51997)]. Critique de la raison pure. Trad. de Jules Barni. Revue par Paul Archambault. Chronologie, présentation et bibliographie par Bernard Rousset. Paris, Flammarion, 1976 [Préface de Luc Ferry. Paris, Flammarion, 1987]. Critique de la raison pure. Traduction et présentation par Alain Renaut. Paris, Aubier, 1997 [Traduction, présentation, notes et chronologie par Alain Renaut – Index analytique par Patrick Savidan. Paris, Garnier Flammarion, 2001; éd. revue et corrigée, Paris, Garnier Flammarion, 32006]. KpV Critique de la raison pratique, précédée des Fondements de la métaphysique des mœurs. Trad. de l’allemand par Jules Barni. Paris, Ladrange, 1848.

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Bibliographie 775

Critique de la raison pratique. Nouvelle traduction française, avec un avant-propos sur la philosophie de Kant en France, de 1773 à 1814, des notes philologiques et philosophiques, par François Picavet. Paris, Alcan, 1888 [Traduction française par François Picavet et introduction de Ferdinand Alquié. Paris, PUF, 2016]. Critique de la raison pratique. Traduction, présentation et notes par Jean-Pierre Fussler. Paris, Garnier Flammarion, 2003. KU Critique du jugement, suivie des Observations sur le sentiment du beau et du sublime […]. Trad. de l’allemand par Jules Barni. 2 vols. Paris, Ladrange, 1846. Critique du jugement. Traduit de l’allemand par Jean Gibelin. Paris, J. Vrin, 1928. Critique de la faculté de juger. Traduit et introduit par Alexis Philonenko. Paris, Vrin, 1993 [22002]. Critique de la faculté de juger. Traduction, présentation, bibliographie et chronologie par Alain Renaut. Paris, Garnier Flammarion, 1995 [2015]. Analytique du beau. Introduction et commentaire par Ole Hansen-Løve. Traduction de Jules Barni, revue par Ole Hansen-Løve. Paris, Hatier, 1983 [Analytique du beau. Texte intégral. Paris, PUF, 2012]. Sonstige Übersetzungen (chronologisch) Projet de paix perpétuelle. Trad. par Jean-David Secrétan. Berne 1795. Projet de paix perpétuelle. Éd./traduction par Louis-Ferdinand Huber. In: Le Moniteur universel. 3 janvier 1796. Projet de paix perpétuelle, essai philosophique. Paris, Jansen et Perroneau, an IV [1796]. Projet de paix perpétuelle. Königsberg, Nicolovius, 1796 [trad. revue par Heinz Wismann. Ds: Kant: Œuvres philosophiques. T. 3 (1986). 333–383]. Observations sur le sentiment du beau et du sublime. Trad. par Hercule PeyerImhoff. Paris 1796. Comment le sens commun juge-t-il en matière de morale? [Teil 1 von GMS]. Trad. par [Georg Friedrich von] Griesinger. Ds: Magasin encyclopédique III (1798). 65–72. Idée de ce que pourrait être une histoire universelle dans les vues d’un citoyen du monde. Par M. Kant. Traduction par Charles de Villers. 1798. Idée de ce que pourrait être une histoire universelle dans les vues d’un citoyen du monde […]. In: Le Spectateur du Nord VI (1798). 1–39 [Ds: Le Conservateur de François de Neufchâteau II/an VIII (1800). 57 ff.]. Le philosophisme démasqué, et la philosophie vengée [kurze Auszüge aus Kants Schriften]. Éd./trad. par Jean-David Secrétan. Lausanne 1798.

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776 Bibliographie

Philosophie transcendantale, ou Système d’Emmanuel Kant. Éd. et trad. par L. F. Schön. Paris, Abel Ledouc, 1831 [Auszüge aus den drei Kritiken]. Logique de Kant. Traduite par Claude Joseph Tissot. Paris, Ladrange, 1840. Leçons de métaphysique […] publiées par M. Poelitz, précédées d’une introduction où l’éditeur expose brièvement les principaux changements survenus dans la métaphysique depuis Kant, traduit de l’allemand, par C. Joseph Tissot. Paris, Ladrange, 1843. Éléments métaphysiques de la doctrine du droit (Première partie de la Métaphysique des mœurs). Suivis d’un Essai philosophique sur la paix perpétuelle et d’autres petits écrits relatifs au droit naturel. Traduit de l’allemand par Jules Barni. Paris, A. Durand, 1853. Principes métaphysiques de la morale. 3me éd. en français, avec une introduction et des notes par C. Joseph Tissot. Paris, Ladrange, 1854. Éléments métaphysiques de la doctrine de la vertu (Seconde partie de la Métaphysique des mœurs), suivis d’un Traité de pédagogie et de divers opuscules relatifs à la morale. Traduit de l’allemand par Jules Barni. Paris, A. Durand, 1855. Mélanges de logique. Traduction par C. Joseph Tissot. Paris, Ladrange, 1862. Anthropologie, suivie de divers fragments du même auteur relatifs aux rapports du physique et du moral et au commerce des esprits d’un monde à l’autre. Ouvrage traduit de l’allemand par Joseph Tissot. Paris, Librairie Philosophique de Ladrange, 1863. Prolégomènes à toute métaphysique qui aura le droit de se présenter comme science, suivis de deux autres fragments du même auteur, relatifs à la Critique de la raison pure. Ouvrage traduit de l’allemand d’Emmanuel Kant, par C. J. Tissot. Paris, Ladrange, 1865. Charles Wolf: Les hypothèses cosmogoniques. Examen des théories scientifiques modernes sur l’origine des mondes, suivi de la traduction de la Théorie du ciel de Kant. Paris, Gauthier-Villars, 1886. Traité de pédagogie. Trad. par Jules Barni. Avec une préface, des sommaires analytiques et un lexique par Raymond Thamin. Paris, Felix Alcan, 1886. Premiers principes métaphysiques de la science de la nature. Traduits pour la première fois en français, et accompagnée d’une introduction sur la philosophie de la nature dans Kant, par Charles Andler/Édouard Chavannes. Paris, Alcan, 1891. Fondements de la Métaphysique des mœurs. Traduction nouvelle avec introduction et notes de Victor Delbos. Paris, Hachette, 1907 [1912; 1957; 1993 u.ö.]. La Religion dans les limites de la raison. Nouv. trad. française, avec notes et avant-propos, par André Tremesaygues. Paris, Alcan, 1913 [u.ö.]. Opus postumum. Textes choisis et traduits par Jean Gibelin. Paris, Vrin, 1950. Observations sur le sentiment du beau et du sublime. Traduction, introduction et notes par Roger Kempf. Paris, Vrin, 1953.

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Bibliographie 777

Le conflit des facultés. En trois sections, 1798. Traduction avec une introduction et des notes par Jean Gibelin. Paris, Vrin, 1953. Considérations sur l’optimisme (1759); L’unique fondement possible d’une démon­ stration de l’existence de Dieu (1763); Sur l’insuccès de tous les essais de théodicée (1791); La fin de toutes choses (1794); Pensées successives sur la théodicée et la religion. Trad. et introduction par Paul Festugière. Paris, Vrin, 1963 (41972). Logique. Trad. par Louis Guillermit. Paris, Vrin, 1966 [²1970, 2007]. Quelques opuscules précritiques. Trad. par Sylvain Zac. Paris,Vrin, 1970. Fondements de la métaphysique des mœurs. Trad. par Victor Delbos, revue par Alexis Philonenko. Paris, Vrin, 1980 [1989]. Traité de pédagogie. Trad. par Jules Barni. Revue et actualisée, introduction et notes par Pierre-José About. Paris, Hachette, 1981. Histoire générale de la nature et théorie du ciel. Trad., introduction et notes par Pierre Kerszberg/Anne-Marie Roviello/Jean Seidengart. Paris, Vrin, 1984. Opus postumum. Passage des principes métaphysiques de la science de la nature à la physique. Trad., introduction et notes par François Marty. Paris, PUF, 1986. Du sens interne. Un texte inédit d’Immanuel Kant. Éd., trad., notes par Reinhard Brandt/Georg Mohr/Alain Perrinjaquet/Gerhard Seel/Werner Stark. Ds: Revue de théologie et de philosophie (1988). 421–452. Manuscrit de Duisbourg (1774–1775). Choix de réflexions des années 1772–1777. Trad., présentation et notes par François-Xavier Chenet. Paris, Vrin, 1988. Projet de paix perpétuelle. Trad. par Jules Barni, revue par Alain Lagarde. Paris, Hatier, 1988. Correspondance par Immanuel Kant. Éd. et trad. par Nicolas Aumonier/Marie-Christine Challiol/Marc B. de Launay/Michèle Halimi/Max Marcuzzi/Valérie Séroussi. Paris, Gallimard, 1991. Fondements de la métaphysique des mœurs. Trad. de Victor Delbos. Introduction par Monique Castillo. Paris, Le Livre de poche, 1993. Leçons de métaphysique. Prés., trad. et notes par Monique Castillo. Préface de Michel Mayer. Paris, Le Livre de poche, 1993. Leçons sur la théorie philosophique de la religion. Trad. française par William Fink. Présentation et lecture commentée par William Fink/Gérard Nicolas. Paris, Le Livre de poche, Paris 1993. Métaphysique des mœurs. Trad., présentation, bibliographie et chronologie par Alain Renaut. 2 vols. Paris, Flammarion, 1994. Remarques touchant les Observations sur le sentiment du beau et du sublime. Trad., introduites et annotées par Brigitte Geonget. Paris, Vrin, 1994. Leçons d’éthique. Présentation, trad. et notes par Luc Langlois. Paris, Le Livre de poche, 1997. Réponse à Eberhard. Introduit, trad. et annoté par Jocelyn Benoist. Paris, Vrin, 1999.

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778 Bibliographie

Esquisse sommaire de quelques méditations sur le feu (1755) [De igne]. Trad. par Mathieu Goldgewicht. Ds: Philosophie 63 (1999). 13–30. Géographie physique. Trad. par Michèle Cohen-Halimi/Max Marcuzzi/Valérie Séroussi. Paris, Éd. Aubier, 1999. Histoire et description des plus remarquables événements relatifs au tremblement de terre qui a secoué une grande partie de la terre à la fin de l’année 1755. Trad. française par Jean-Paul Poirier. Ds: Cahiers philosophiques 78 (mars 1999). L’unique argument possible pour une démonstration de l’existence de Dieu. Introduit, trad. et annoté par Robert Theis. Paris, Vrin, 2001. Anthropologie du point de vue pragmatique: Précédé de: Michel Foucault: Introduction à l’Anthropologie. Éd. par François Ewald, Frédéric Gros et Daniel Defert. Paris, Vrin, 2008 [22017]. Abrégé de philosophie ou leçons sur l’encyclopédie philosophique. Introduction, trad. et notes par Arnaud Pelletier. Paris, Vrin, 2009. Réflexions métaphysiques (1780–1789). Introduction, trad. et notes par Sophie Grapotte. Paris, Vrin, 2011. De la question de savoir si la Terre vieillit, considérée d’un point de vue physique. Trad. par Hicham-Stéphane Afeissa. Ds:  Philosophie (Paris) 110 (2011). 3–30. Métaphysique des mœurs. Première Partie: Doctrine du droit. Trad. et introduction par Alexis Philonenko. Paris, Vrin, 2011. Les progrès de la métaphysique. Trad., présentation, notes, chronologie et bibliographie par Antoine Grandjean. Paris, Garnier-Flammarion, 2013. Réflexions en vue de l’anthropologie. Trad. par Gilles Blanc-Brude. Ds: Philosophie 17/2 (2013). 11–37. Sur les causes des tremblements de terre, à l’occasion du désastre qui a frappé les contrées occidentales de l’Europe. Traduction française par Élise Lanoë. Ds: Atlante (automne 2014) [Le tremblement de terre de Lisbonne de 1755. Perceptions d’un événement. Éd. par André Bélo/Ofida Kleinmann/Philippe Rousseau]. 313–323. Considérations additionnelles sur les tremblements de terre ressentis depuis quel­ que temps. Traduction française par Élise Lanoë. Ds: Atlante (automne 2014). 324–333. Réflexions sur la philosophie morale. Précédé de Alexander Gott­lieb Baum­garten: Principes de la philosophie pratique première. Introduction et trad. par Luc Langlois, en collaboration, pour la trad., avec Mathieu Robitaille/Émilie Jade-Poliquin. Paris, Vrin, 2014 [2015]. La religion dans les limites de la simple raison. Éd. de Laurent Gallois. Paris, Classiques Garnier, 2015. Le Conflit des Facultés et autres textes sur la révolution. Trad., notes et postface de Christian Ferrié. Paris, Payot, 2015. La religion dans les limites de la seule raison. Trad. par Alain Renaut. Paris, PUF, 2016.

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Bibliographie 779

Principes métaphysiques de la science de la nature, suivis des Premiers articles sur la physique de la terre et du ciel. Trad., introduction et notes par Arnaud Pelletier. Paris, Vrin, 2017. Italienisch – Zitierte Ausgaben [Werkausgabe; ausgewählte Schriften] A cura di Giovanni Gentile ed al. Bari, Laterza, 1906 ff. [zahlreiche Überarbeitungen; vgl. unten]. Übersetzungen inner- und außerhalb der Werkausgabe Kritiken KrV Critica della ragione pura di Manuele Kant. Trad. dal tedesco [Vincenzo Mantovani]. 8 vol. Pavia, Presso i Collettori coi tipi di Pietro Bizzoni, 1820–1822. Critica della ragion pura. Tradotta da Giovanni Gentile/Giuseppe Lombardo Radice. 2 vol. Bari, Laterza, 1909–1910 [rivista da Vittorio Mathieu. Bari, Laterza, 71958]. Critica della ragione pura. Introduzione, trad. e note di Giorgio Colli. Torino, Einaudi, 1957 [nuova ed. riveduta. Milano, Adelphi, 1976, 1995]. Critica della ragion pura. A cura di Pietro Chiodi. Torino, UTET, 1967. Critica della ragione pura. A cura di Anna Maria Marietti. 2 vol. Milano, Rizzoli, 1998. Critica della ragion pura. Testo tedesco a fronte. Introduzione, trad., note e apparati di Costantino Esposito. Milano, Bompiani, 2004 [nuova edizione riveduta e corretta, 2007]. Riflessioni sulla Critica della ragion pura. Da annotazioni manoscritte. A cura di Benno Erdmann. Trad. di Raffaele Ciafardone. Napoli/Salerno, Orthotes, 2017. KpV Critica della ragion pratica. Trad. a cura di Francesco Capra. Bari, Laterza, 1909 [settima stampa, rivista da Eugenio Garin. Bari, Laterza, 1955]. Critica della ragion pratica e altri scritti morali. A cura di Pietro Chiodi. Torino, UTET, 1970 [In: Scritti morali. A cura di Pietro Chiodi. 127–315]. Critica della ragion pratica. Testo tedesco a fronte. A cura di Vittorio Mathieu. Milano, Bompiani, 2000.

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780 Bibliographie

Critica della ragione pratica. A cura di Francesco Maria Bianchi. Urbino, Quattroventi, 2003. KU Critica del Giudizio. Trad. e introduzione di Alfredo Gargiulo. Bari, Laterza, 1906 [trad. rev. di Valerio Verra. Bari, Laterza, 1960, 61967]. Critica del giudizio. A cura di Alberto Bosi. Torino, UTET, 1993. Critica della capacità di giudizio. A cura di Leonardo Amoroso. 2 vol. Milano, Rizzoli, 1995. Critica della facoltà di giudizio. A cura di Emilio Garroni/Hansmichael Hohenegger. Torino, Einaudi, 1999 [2011]. Critica del giudizio. Trad. italiana a cura di Massimo Marassi. Milano, Bompiani, 2004. Sonstige Übersetzungen (chronologisch) Fondazione della metafisica dei costumi. Prima versione italiana con introduzione di Giovanni Vidari. Pavia, Mattei Speroni, 1910. Il fondamento della metafisica dei costumi. Prima trad. italiana di Nicola Palanga. Prefazione di Bernardino Varisco. Roma, Libreria editrice romana, 1910. Prolegomeni ad ogni metafisica futura che vorrà presentarsi come scienza. Trad., introduzione e commento di Piero Martinetti. Milano/Torino/Roma, Bocca, 1913. Antropologia pragmatica. Introduzione e trad. di Giovanni Vidari. Torino, Einaudi, 1921 [trad. riv. di Augusto Guerra, Roma/Bari, Laterza, 1969, 1971, 1985]. Scritti precritici. A cura di Pantaleo Carabellese [1923]. Ed. rivista da Rosario Assunto e Rolf Hohenemser. Bari, Laterza, 1953 [nuova ed. a cura di Angelo Pupi. Bari, Laterza, 1982]. Scritti minori. Trad. di Pantaleo Carabellese. Bari, Laterza, 1923. Prolegomeni ad ogni futura metafisica che si presenterà come scienza. Trad. italiana a cura di Pantaleo Carabellese, riveduta da Rosario Assunto. Roma/Bari, Laterza, 1982 [1925] [ed. riveduta da Hansmichael Hohenegger, 1996]. La religione entro i limiti della sola ragione. Trad. e cura di Alfredo Poggi. Modena, Guanda, 1941 [1967]; trad. di A. Poggi, a cura di Marco M. Olivetti. Roma/Bari, Laterza, 1980 [21985]. La religione nei limiti della semplice ragione. A cura di Gaetano Durante. Torino 1945 [Neudruck in: Kant: Scritti di filosofia della religione. A cura di Giuseppe Riconda. Milano, Mursia, 1989]. Scritti politici e di filosofia della storia e del diritto. Con un saggio di Christian Garve. A cura di Norberto Bobbio/Luigi Firpo/Vittorio Mathieu. Trad. di Gioele Solari/Giovanni Vidari. Torino, UTET, 1956 [31995].

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Bibliographie 781

Primi princìpi metafisici della scienza della natura. Trad. italiana di Luigi Galvani. Introduzione di Ludovico Geymonat. Bologna, Cappelli, 1959. Opus postumum. Passaggio dai principi metafisici della scienza della natura alla fisica. A cura di Vittorio Mathieu. Bologna, Zanichelli, 1963. Scritti morali. A cura di Pietro Chiodi. Torino, UTET, 1970. Fondazione della metafisica dei costumi. Trad. di Pietro Chiodi. In: Scritti morali. A cura di Pietro Chiodi (1970). 39–125. La religione nei limiti della semplice ragione. Trad. di Pietro Chiodi. In: Scritti morali. A cura di Pietro Chiodi (1970). 317–534. La pedagogia. Trad. di F. Rubitschek. Firenze, La Nuova Italia. 1971. Lezioni di etica. A cura di Augusto Guerra. Bari, Laterza, 1971. Logica. Ed. italiana a cura di Leonardo Amoroso. Roma/Bari, Laterza, 1984. Scritti sui terremoti. A cura di P Manganaro. Presentazione di A. Placanica. Salerno, 10/17, 1984. Per la pace perpetua. Un progetto filosofico e altri scritti. Introduzione di Norberto Bobbio, a cura di Nicolao Merker. Roma, Editori Riuniti, 1985. Lezioni di psicologia. Introduzione di Luciano Mecacci. Trad. italiana di Gian Antonio De Toni. Roma/Bari, Laterza, 1986. Fondazione della metafisica dei costumi. Introduzione, trad., note e apparati di Vittorio Mathieu. Milano, Rusconi, 1988. Lezioni di filosofia della religione. Trad., introduzione e note di Costantino Esposito. Napoli, Bibliopolis, 1988. Scritti di filosofia della religione. A cura di Giuseppe Riconda. Milano, Mursia, 1989. Ragione e ipocondria. A cura di Paolo Manganaro. Salerno, 10/17, 1989. Epistolario filosofico 1761–1800. A cura di Oscar Meo. Genova, Il Nuovo Melangolo, 1990. Questioni di confine. Saggi polemici 1786–1800. A cura di Fabrizio Desideri. Genova, Marietti, 1990. Logica. Un manuale per lezioni. Trad., introduzione e note di Mirella Capozzi. Napoli, Bibliopolis, 1990. Scritti sul criticismo. A cura di Giuseppe De Flaviis. Roma/Bari, Laterza, 1991. Saggio sulle malattie della mente. Trad. di Alfredo Marini. Prefazione di Fulvio Papi. Como/Pavia, Ibis, 1992 [21994, 32008]. Fondazione della Metafisica dei Costumi. A cura di Vittorio Mathieu. Testo tedesco a fronte. Milano, Rusconi, 1994. Contro Eberhard. La polemica sulla Critica della ragion pura. A cura di Claudio La Rocca. Pisa, Giardini, 1994. Scritti di storia, politica e diritto. A cura di Filippo Gonnelli. Roma/Bari, Laterza, 1995 [2003]. Fondazione della metafisica dei costumi. Trad. di Anna Maria Marietti. Introduzione di Amalia De Maria. Milano, Rizzoli, 1995 [22002].

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782 Bibliographie

Antropologia dal punto di vista pragmatico. Trad. di Pietro Chiodi, introduzione di Alberto Bosi. Milano, TEA, 1995. Per la pace perpetua. Prefazione di Salvatore Veca. Trad. di R. Bordiga. Con un saggio di Alberto Burgio. Milano, Mondadori, 31995. Prolegomeni ad ogni futura metafiscia che vorrà presentarsi come scienza. A cura di Piero Martinetti. Milano, Rusconi, 1995. Che cosa significa orientarsi nel pensiero. A cura di Franco Volpi. Trad. di Petra Dal Santo. Milano, Adelphi, 1996. Fondazione della metafisica dei costumi (l’esperienza, la volontà, la libertà). [Trad. anonima]. Treviso, Canova Edizioni Scuola, 1996. Fondazione della metafisica dei costumi. Trad. e introduzione di Filippo Gonnelli. Roma/Bari, Laterza, 1997. Realtà ed esistenza. Lezioni di metafisica. Introduzione e Ontologia. A cura di Armando Rigobello. Cinisello Balsamo, San Paolo Edizioni, 1998. Kant/Johann Gottlieb Kreutzfeld: Inganno e illusione. Trad. di Maria Teresa Catena. Napoli, Guida, 1998. La metafisica dei costumi. A cura di Giovanni Vidari. Roma/Bari, Laterza, 1999. Logica di Vienna. A cura di Bruno Bianco. Milano, Franco Angeli, 2000. Kantiana minora vel rariora. A cura di Oscar Meo. Genova, Il Melangolo, 2000. Note per un diario filosofico. A cura di Katrin Tenenbaum. Roma, Meltemi, 2001. La religione entro i limiti della semplice ragione. Traduzione di Vincenzo Cicero. A cura di Massimo Roncoroni. Milano, Bompiani, 2001. Saggio sulle malattie della mente. Introduzione e cura di Luciano Dottarelli. Traduzione di Luisa D’Ortenzi. Bolsena, Massari, 2001. De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis. Testo latino con trad. italiana a fronte. Trad. e cura di Raffaele Ciaffardone. Roma, Edizioni di storia e letteratura, 2002. Lezioni di enciclopedia filosofica. A cura e con un’introduzione di Gianluca Garelli. Udine, Campanotto, 2002. Annotazioni alle Osservazioni sul sentimento del bello e del sublime. Cura e trad. di Maria Teresa Catena. Napoli, Guida, 2002. Enciclopedia filosofica. Con un’appendice sull’attività didattica di Kant. Saggio introduttivo e apparati di Giuseppe Landolfi Petrone. Introduzione al testo e trad. di Laura Balbiani. Milano, Bompiani, 2003. Principi metafisici della scienza della natura. Trad. italiana con testo tedesco a fronte di Paolo Pecere. Milano, Bompiani, 2003. Per la pace perpetua. Un progetto filosofico di Immanuel Kant. Trad. di Marina Montanari e Laura Tundo Ferente. Milano, Rizzoli, 2003. Scritti di etica. A cura di Piero Giordanetti. Firenze, La Nuova Italia, 2004. Primi principi metafisici della scienza della natura. A cura di Silvestro Marcucci. Trad. Silvestro Marcucci. Pisa, Giardini editori e stampatori, 2004.

Bibliographie 783

Primi principi metafisici della dottrina del diritto. A cura di Filippo Gonnelli. Roma/Bari, Laterza, 2005. Metafisica dei costumi. Testo tedesco a fronte. Saggio introduttivo, trad., note e apparati di Giuseppe Landolfi Petrone. Saggio integrativo di Roberto Mordacci. Milano, Bompiani, 2006. De medicina corporis. A cura di Vincenzo Bochicchio. Napoli, Guida, 2007. Storia universale della natura e teoria del cielo ovvero Saggio sulla costituzione e sull’origine meccanica dell’intero universo secondo princìpi newtoniani. A cura di Giacomo Scarpelli. Trad. di Stefano Velotti. Roma, Bulzoni, 2009. Antropologia dal punto di vista pragmatico. Trad. di Mauro Bertani e Gianluca Garelli. Torino, Einaudi, 2010. Antropologia dal punto di vista pragmatico. Introduzione e note di Michel Foucault. Trad. di Mauro Bertani e Gianluca Garelli. Torino, Einaudi, 2010. Dissertazioni latine. Testo latino a fronte. Trad. di Igor Agostini. Note introduttive ai testi e annotazione critica a cura di Igor Agostini e Gualtiero Lorini. Milano, Bompiani, 2014. Prolegomeni ad ogni futura metafisica che possa presentarsi come scienza. Trad. italiana a cura di Renato Pettoello. Brescia, La Scuola, 2016. Lezioni sul diritto naturale [Naturrecht Feyerabend]. Testo tedesco a fronte, a cura di Norbert Hinske/Gianluca Sadun Bordoni. Milano, Bompiani, 2016. Riflessioni sulla Critica della ragion pura, da annotazioni manoscritte. A cura di Benno Erdmann. Trad. di Raffaele Ciafardone. Nocera Inferiore, Orthotes, 2017. Che cosa significa orientarsi nel pensare? A cura di Andrea Gentile. Roma, Il Veltro, 2017. Pensieri sulla vera valutazione delle forze vive e critica delle dimostrazioni delle quali il signor Leibniz ed altri studiosi di Meccanica si sono avvalsi in questa controversia, insieme ad alcune considerazioni preliminari riguardanti la forza dei corpi in generale. Testo tedesco a fronte. A cura di Stefano Veneroni. 4 vol. Milano/Udine, Mimesis, 2019. Spanisch (in Spanien und Lateinamerika) – Zitierte Ausgaben Werkausgabe [im Entstehen] Herausgeber: Dulce María Granja Castro/Gustavo Leyva et al. Biblioteca Immanuel Kant. Fondo de Cultura Económica (FCE). UNAM. Observaciones sobre el sentimiento de lo bello y lo sublime. Edición bilingüe. Trad., estud. introd., notas e índ. analítico de Dulce María Granja Castro. Rev. téc. de Peter Storandt. México, FCE, UAM, UNAM, 2004.

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784 Bibliographie

Crítica de la razón práctica. Ed. bilingüe. Trad., estudio preliminar, notas e índice analítico de Dulce María Granja Castro. Rev. Peter Storandt. México, UNAM, 2005. Los progresos de la metafísica. Edición bilingüe alemán-español. Trad., estudio preliminar, notas e índices por Mario Caimi. Tablas de correspondencias de traducción de términos por Dulce María Granja/Óscar Palancares. México, Fondo de Cultura Económica/ Universidad Autónoma Metropolitana/Universidad Nacional Autónoma de México, 2008 [1ra. reimpresión 2011]. Crítica de la razón pura. Edición bilingüe alemán-español. Trad., estudio preliminar y notas de Mario Caimi; índices temático y onomástico de Esteban Amador/Mariela Paolucci/Marcos Thisted. Buenos Aires, Colihue Clásica, 2007 [con tabla de correspondencias de traducción de términos de Dulce María Granja/ María de Jesús Gallardo/Ernesto Aguilar/Oscar Palancares. México, FCE, UAM, UNAM, 2009]. Antropología en sentido pragmático. Prólogo de Reinhard Brandt. Trad. de Dulce María Granja Castro/Gustavo Leyva/Peter Storandt. Notas, tabla de correspondencias y bibliografía de Dulce María Granja Castro. México, Fondo de Cultura Económica, 2014. Übersetzungen inner- und außerhalb der Werkausgabe Kritiken KrV Crítica de la razón pura de Immanuel Kant. En la trad. de José García del Perojo. 2 vol. Madrid, Victoriano Suárez, 1883. Crítica de la razón pura. Trad. directa del alemán de Manuel Kant de Manuel García Morente [y de Manuel Fernández Núñez]. 2 vol. Madrid, Victoriano Suárez, 1928. Crítica de la razón pura. Seguida de Prolegómenos a toda metafísica futura. Trad. por Manuel Fernandez Nuñez. 2 vol. Madrid, Bergua, 1934. Crítica de la razón pura. Prolegómenos a toda metafísica futura. Trad. Manuel Fernández Núñez/José López y López. Buenos Aires, El Ateneo, 1950. Crítica de la razón pura. Trad. de Pedro Ribas. Madrid, Editorial Alfaguara, 1978. Crítica de la razón pura. Ed. abreviada, introducción, notas y anexos de Juan José García Norro/Rogelio Rovira. Trad. de Manuel García Morente. Madrid, Tecnos, 2002. Crítica de la razón pura. Prólogo, trad., notas e índices de Pedro Ribas. Madrid, Taurus, 2005 (²2013).

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Bibliographie 785

Crítica de la razón pura. Introducción de Claudia Jauregui. Trad. de José de Perojo/ José Rovira Armengol. Madrid, Losada, 2006. Crítica de la razón pura. Trad., estudio preliminar y notas de Mario Caimi; índices temático y onomástico de Esteban Amador/Mariela Paolucci/Marcos Thisted. Buenos Aires, Colihue Clásica, 2007 [Edición bilingüe alemán-español con tabla de correspondencias de traducción de términos de Dulce María Granja/María de Jesús Gallardo/Ernesto Aguilar/Oscar Palancares. México, FCE, UAM, UNAM, 2009, 22018]. KpV Crítica de la razón práctica. Trad. por Alejo García Moreno. 2 vol. Madrid, Iravedra, 1876. Crítica de la razón práctica. Trad. por Antonio Zozaya. Madrid, Biblioteca Económica Filosofica, 1886 [Reprint 2001]. Crítica de la razón practica. Trad. por Emilio Miñana y Villagrasa/Manuel García Morente. Madrid, Victoriano Suárez, 1913. Crítica de la razón pratica. Trad. por V. E. Lollini. Buenos Aires, Editorial Perlado, 1939. Crítica de la razón práctica. Trad. por José Rovira Armengol. Buenos Aires, Editorial Losada, 1961. Crítica de la razón prática. Trad. directa del alemán por Emilio Miñana y Villagrasa/Manuel García Morente. Salamanca, Ediciones Sigueme, 1994. Crítica de la razón práctica. Ed., traducción y estudio preliminar por Roberto Rodríguez Aramayo. Madrid, Alianza editorial, 2000 [2007, 2013]. Crítica de la razón práctica. Ed. bilingüe. Trad., estudio preliminar, notas e índice analítico de Dulce María Granja Castro. Rev. Peter Storandt. Mexico, UNAM, 2005. Crítica de la razón práctica. Ed. a cargo de Maximiliano Hernández Marcos y trad. de Emilio Miñana y Villagrasa/Manuel García Morente, revisada por M. Hernández Marcos. Madrid, Tecnos, 2017. KU Crítica del Juicio, seguida de las Observaciones Sobre el Asentimiento de lo Bello y lo Sublime. Trad. [dal francés] por Alejo García Moreno/Juan Ruvira. Con una introducción del traductor francés J. Barni. 2 vol. Madrid, Librería de Iravedra, 1876. Crítica del Juicio. Trad. directa del alemán por Manuel García Morente. Madrid, Victoriano Suárez, 1914. Crítica del juicio. Trad. por José Rovira Armengol. Edición por Ansgar Klein. Buenos Aires, Losada, 1961.

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Crítica de la facultad de juzgar. Prólogo y trad. de Pablo Oyarzún. Caracas, Monte Ávila Editores, 1992. Crítica del discernimiento. Ed. y trad. por Roberto R. Aramayo/Salvador Mas. Boadilla del Monte (Madrid), Mínimo Tránsito y Antonio Machado Libros, 2003 [²2017]; Madrid, Alianza, 2012. Sonstige Übersetzungen (chronologisch) Lógica. Trad. al francés por Joseph Tissot. Trad. por Alejo García Moreno/Juan Ruvira. Madrid, Librerías de Francisco Iravedra y Antonio Novo, 1875 [Tratado de Lógica. Buenos Aires, Araújo, 1938; Tissot [trad.]: Lógica de Kant. Buenos Aires, Ed. sudamericana, 1941]. Fundamentos de una Metafísica de las Costumbres. Trad. de Antonio Zozaya. Madrid, Biblioteca Ecónomico-Filosófica, 1881. Prolegómenos a toda metafísica del porvenir que haya de poder presentarse como una ciencia, Introducción y trad. por Julián Besteiro. Epílogo de Ernst Cassirer. Madrid, Daniel Jorró, 1912. Fundamento de una filosofia de las costumbres. Filosofia moral. Trad. de Manuel García Morente. Madrid, Calpe, 1921. Principios metafísicos de las ciencias naturales. Trad. y prólogo de Eduardo Ovejero Mauri. Madrid, Editorial Reus, 1921. Antropología en sentido pragmatico. Trad. de José Gaos. Madrid, Revista de Occidente, 1935. Metafísica Futura. Trad. por Natal Rufino. Buenos Aires, Editorial Tor, 1939. Sobre el saber filosófico. Trad. de Julián Marías. Madrid, Ed. Adán, 1943. Crítica de la razón pura. Prolegómenos a toda metafísica futura. Trad. Manuel Fernández Núñez/José López y López. Buenos Aires, El Ateneo, 1950. Por qué no es inútil una nueva crítica de la razón pura (Respuesta a Eberhard). Trad. del alemán, prólogo y notas de Alfonso Castaño Piñán. Buenos Aires, Aguilar, 1955 [Reprint 1973]. Transición de los principios metafísicos de la ciencia natural a la fisica (Opus postumum). Ed. preparada por Félix Duque. Madrid, Edición Nacional, 1983 [Barcelona, Anthropos, 1991]. Textos estéticos de Kant. Trad. por Pablo Oyarzún. Santiago de Chile, Andrés Bello, 1983. Prolegómenos a toda metafísica futura que pueda presentarse como ciencia. Trad. y notas de Mario Caimi. Buenos Aires, Charcas, 1984. Los progresos de la metafísica desde Leibniz y Wolff. Trad. por Félix Duque. Madrid, Tecnos, 1987. Sobre el tema del Concurso para el año de 1791 propuesto por la Academia Real

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de Ciencias de Berlín: ¿Cuáles son los efectivos progresos que la Metafísica ha hecho en Alemania desde los tiempos de Leibniz y Wolff? Estudio preliminar y trad. por Félix Duque. Madrid, Tecnos, 1987. Sobre un presunto derecho a mentir por amor al prójimo. Trad. de Mario Caimi. En: Cuadernos de ética (1987). 9–15. Primera Introducción a la Crítica del Juicio. Trad. de José Luis Zalabardo. Madrid, Visor, 1987. Lecciones de Ética. Introducción y notas de Roberto Rodríguez Aramayo. Trad. castellana de Roberto Rodríguez Aramayo/Concha Roldán Panadero. Barcelona, Editorial Crítica, 1988. Pensamientos sobre la verdadera estimación de las fuerzas vivas. Trad. y comentario de Juan Arana Cañedo-Argüelles. Bern/Frankfurt a.M./New York/Paris: Peter Lang, 1988. Los progresos de la metafísica desde la época de Leibniz y de Wolff. Trad., edición y notas de Mario Caimi. Buenos Aires, Eudeba, 1989. La Metafísica de las Costumbres. Estudio preliminar de Adela Cortina Orts. Trad. y notas de Jesús Conill Sancho. Madrid, Tecnos, 1989. Sobre el primer fundamento de la diferencia de las regiones del espacio. Presentación, trad. y notas de María Luisa Posada Kubissa. In: Er (Sevilla) 9.10 (1989), 243–255. Principios metafísicos de la ciencia de la naturaleza. Ed. y trad. de Carlos Másmela. Madrid, Alianza, 1989. El único fundamento posible de una demostración de la existencia de Dios. Trad. de José María Quintana Cabanas. Barcelona, Editorial Zeus, 1989.  Sueños de un visionario explicados mediante los ensueños de la metafísica. Prólogo de Rudolf Malter. Edición y trad. de Cinta Canterla. Universidad de Cádiz, Servicio de Publicaciones, 1989. Antropología práctica (según el manuscrito inédito de C. C. Mrongovius, fechado en 1785). Edición, estudio preliminar y notas de Roberto Rodríguez Aramayo. Madrid, Tecnos, 1990. Observaciones acerca del sentimiento de lo bello y de lo sublime. Trad. y notas de Luis Jiménez Moreno. Madrid, Alianza, 1990. Aviso sobre la orientación de sus lecciones en el semestre de invierno 1765–1766. Trad., introducción y notas de Alfonso Freiré. En: Ágora (Santiago de Compostela) 10 (1991). 131–152. Antología del Nachlass relativo a su filosofía práctica. Ed. de Roberto R. Aramayo. Barcelona, Península, 1991. Principios metafísicos de la ciencia de la naturaleza. Estudio preliminar y trad. de José Aleu Benítez. Madrid, Tecnos, 1991. Antología. Ed. por Roberto Rodríguez Aramayo. Barcelona, Península, 1991. Opúsculos de filosofía natural. Ed. y trad. de Atilano Dominguez. Madrid, Alianza, 1992.

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Lecciones de Metafísica [La llamada Metaphysik Dohna]. Trad. de Mario Caimi sobre el original alemán. Presentación por María Jesús Vázquez Lobeiras. Salamanca, Ediciones Sígueme, 2006. Metafísica Dohna. Trad. de Mario Caimi. Introducción y estudio conclusivo de María Jesús Vázquez Lobeiras. Salamanca, Ediciones Sígueme, 2007. La declaración pública de Kant contra Fichte. Trad. por Fernando Moledo. En: Ideas y Valores. LVI/133 (2007). 133–149. Investigación sobre la distinción de los principios de la teología y de la moral. Trad. de Eduardo García Belsunce. En: id.: Cuestiones kantianas. Y un opúsculo de Kant. Buenos Aires, Prometeo, 2007. Lógica. Trad., prólogo y notas de Carlos Correa. Buenos Aires, Corregidor, 2010. Correspondencia Kant, Fichte, Schelling, Hegel. Ed. por Jorge Aurelio Díaz. Bogotá, Universidad Nacional de Colombia, Colección General Biblioteca Abierta, 2011. Primera Introducción de la Crítica del Juicio. Edición bilingüe. Introducción, edición crítica y trad. de Nuria Sánchez Madrid. Madrid, Escolar y Mayo, 2011. Fundamentación de la metafísica de las costumbres. Trad. de Manuel García Morente. Ed. crítica y prólogo de Silvia Schwarzböck. Buenos Aires, Las Cuarenta, 2012. Enciclopedia filosófica: o un breve compendio de todas las ciencias filosóficas a partir de las lecciones del señor profesor Immanuel Kant, seguido de una selección de reflexiones de lógica y metafísica del legado manuscrito de Kant. Trad. del alemán, introducción y notas de José M. García Gómez del Valle. Girona, Palamedes Editorial, 2012. ¿Qué es la Ilustración? Y otros escritos de ética, política y filosofía de la historia. Ed., trad. y estudio preliminar por Roberto R. Aramayo in collaboración con Concha Roldán/Manuel Francisco Pérez López. Madrid, Alianza editorial, 2013. Antropología en sentido pragmático. Prólogo de Reinhard Brandt. Trad. de Dulce María Granja Castro/Gustavo Leyva/Peter Storandt. Notas, tabla de correspondencias y bibliografía de Dulce María Granja Castro. México, Fondo de Cultura Económica, 2014. La Deducción trascendental y sus inéditos. 1772–1788. Trad. y ed. de Gonzalo Serrano Escallón. Bogotá, UNC, 2014. [Fernando Moledo] Los años silenciosos de Kant. Aspectos de la génesis de la deducción transcendental en la década de 1770. Seguido de la traducción del Legado de Duisburg ca. 1775. Buenos Aires, Prometeo, 2014. Lecciones de Antropología. Fragmentos de Estética y Antropología. Ed. y trad. de Manuel Sánchez Rodríguez. Granada, Editorial Comares, 2015. Ensayos sobre Kästner. Trad. de Diego Sanhueza Jérez. In: Ideas y Valores 64/159 (2015). 259–268.

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Introducción zu Lecciones sobre Derecho Natural de Kant anotadas por Feyerabend. Trad. de Nuria Sánchez Madrid/Macarena Marey. En: Con-Textos Kantianos 3 (junio 2016). 391–414. Lecciones de filosofía moral. Mrongovius II. Trad., introducción, notas al testo y estudio conclusivo de Alba Jiménez Rodríguez. Salamanca, Ediciones Sigueme, 2017. Hacia la paz perpetua. Un diseño filosófico. Ed. y trad. por Roberto R. Aramayo. Madrid, Ediciones Alamanda (CTK E-Books), 2018. Sobre el mal radical en la naturaleza humana, o de la morada interior del principio moralmente malo junto al bueno. Trad. de Roberto R. Aramayo. In: Con-Textos Kantianos 10 (dic. 2019). 204–229. Übersetzungen von Roberto Torretti erschienen in: Diálogos: DfS, AA 02: 47–61 in: Diálogos 19 (1970). 7–22; GUGR, AA 02: 377–383. In: Diálogos 22 (1971). 139–146.; UD, AA 02: 273–301. In: Diálogos 27 (1974). 57–87. MoPh, AA 02: 475–487. In: Diálogos 32 (1978). 173–190. NLBR, AA 02: 15–25. In: Diálogos 34 (1979). NG. In: Diálogos 29/30 (1977). 137–176. Katalanisch – Zitierte Ausgaben Kritiken KpV Crítica de la raó pràctica. Tr. per Miquel Costa. Ed. per Pere Lluís Font. Barcelona, Edicions 62, 2003. KU Crítica de la facultat de jutjar. Tr./ed. per Jèssica Jaques Pi. Barcelona, Edicions 62, 2004. Sonstige Übersetzungen (chronologisch) La pau perpètua. Tr. per Eduard Serra. Barcelona, Barcino, 1932. Prolegòmens a tota metafísica futura que pugui presentar-se com a ciència. Tr. per Gerard Vilar. Ed. per Pere Lluís Font. Barcelona, Edicions 62, 1982. Fonamentació de la metafísica dels costums. Tr. per Joan Leita. Ed. per Pere Lluís Font. Barcelona, Editorial Laia, 1984 [Reprint Barcelona, Edicions 62, 2009].

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Del primer fonament de la diferència de les regions en l’espai. Tr. per Josep Olesti. En: Josep Olesti: Kant i Leibniz. La incongruència en l’espai. Bellaterra [Barcelona], Publicacions de la Universitat de Barcelona. 1991. Sobre Pedagogia. Tr. per Jaume Tió. Ed. per Joan-Carles Mèlich i Sangrà. Barcelona, Eumo Editorial/Diputació de Barcelona, 1991. Sobre el fracàs de tots els intents filosòfics en la teodicea. Tr. per Gonçal Mayos. Barcelona, Editorial El Llamp, 1991. Història i Política. Tr./ed. per Salvi Turró. Barcelona, Edicions 62, 2002. Investigació sobre la distinció dels principis de la teologia natural i de la moral. Tr. per Miquel Montserrat Capella. En: Anuari de la Societat Catalana de Filosofia XXVI (2015). Valencianisch Crítica de la raó pura [Pròleg de la segona edició i Introducció] i Què és Il·lustració? Tr. Joan Baptista Llinares Chover. Ed. p. Neus Campillo Iborra i Manuel Ramos Valera. València, Universitat de València, 1991 [KrV, Vorrede und Einleitung B; WA]. Portugiesisch/Brasilianisch – Zitierte Ausgaben Kritiken KrV Crítica da Razão Pura e outros textos filosóficos. Seleção de Marilena de Souza Chauí Berlinck. São Paulo, Abril Cultural, 1974. Crítica da Razão Pura. Tradução de Valerio Rohden/Udo Baldur Moosburger. São Paulo, Abril Cultural, 1980. Crítica da Razão Pura. Tradução de Manuela Pinto dos Santos/Alexandre Fradique Morujão. Lisboa, Fundação Calouste Gulbenkian, 1985 [1997]. Crítica da Razão Pura. Tradução de Lucimar A. Coghi Anselmi/Fulvio Lubisco. São Paulo, Ícone, 2007. Crítica da Razão Pura. Tradução de Fernando Costa Mattos. Petrópolis-RJ, Editora Vozes, 2012 [2015]. KpV Crítica da Razão Prática. Tradução de Artur Morão. Lisboa, Edições 70, 1984.

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Crítica da Razão Prática. Tradução de Valerio Rohden. São Paulo, Martins Fontes, 2002. Crítica da Razão Prática. Tradução de Antonio Carlos Braga. Araçatuba-SP, Escala, 2006. Crítica da Razão Prática. Tradução de Monique Hulshof. Petrópolis-RJ, Editora Vozes, 2016. KU Crítica do Juízo. Tradução de Rubens Rodrigues Torres Filho. Em: Kant: Textos selecionados. Ed. Marilena de Souza Chauí. São Paulo, Abril Cultural, 1980. 209–269 [Teilübers.]. Crítica da Faculdade do Juízo. Tradução de Valerio Rohden/António Marques. Lisboa, Imprensa Nacional-Casa da Moeda, 1990 [Rio de Janeiro, Editora Forense Universitária, 1993, ²2008]. Crítica da Faculdade de Julgar. Tradução de Daniela Botelho B. Guedes. São Paulo, Ícone, 2009. Crítica da Faculdade de Julgar. Tradução de Fernando Costa Mattos. Petrópolis-RJ, Editora Vozes, 2016. Sonstige Übersetzungen (chronologisch) A Paz Perpétua. Ensaio filosófico. Trad. A. M. C. Porto, Livr. Educação Nacional, 1941. O Belo e o Sublime. Ensaio de Estética e Moral. Tradução de Alberto Machado Cruz. Porto, Livraria Educação Nacional, 1943. Fundamentação da Metafísica dos Costumes. Tradução de Paulo Quintela. Coimbra, Atlântida, 1960 [Lisboa, Edições 70, 2007, 2015]. Lógica. Tradução de José Barata-Moura. Em: id.: Kant e o Conceito de Filosofia. Lisboa, Sampedro, 1972. 27–95 [²2007. 31–99]. Prolegômenos a toda a Metafísica Futura que queira apresentar-se como ciência. Tradução de Artur Morão. Lisboa, Edições 70, 1982. Textos pré-críticos. Selecção e introdução de R. Magalhães. Tradução de José Andrade/Alberto Reis. Porto, Rés, 1983. Textos Seletos [Que significa orientar-se no pensamento?/Resposta à pergunta: Que é Esclarecimento?/Sobre um suposto direito de mentir por amor à humanidade/Sobre a discordância entre a moral e a política, a propósito da paz perpétua/O fim de todas as coisas]. Edição bilíngue. Tradução de Raimundo Vier/Floriano de Souza Fernandes. Petrópolis-RJ, Editora Vozes, 1985.

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Bibliographie 793

De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis. Apresentacão, tradução e notas de Leonel Ribeiro dos Santos/António Marques. Lisboa, Imprensa Nacional/ Casa da Moeda, 1985. Idéia de uma História Universal de um Ponto de Vista Cosmopolita. Tradução de Rodrigo Naves/Ricardo Terra. São Paulo, Brasiliense, 1986. A Correspondência Lambert/Kant. Introdução, tradução e notas de Manuel J. Carmo Ferreira. Lisboa, Ed. Presenca, 1988. A paz perpétua e outros opúsculos. Tradução de Artur Morão. Lisboa, Edições 70, 1988. À Paz Perpétua. Tradução de Marco A. Zingano. São Paulo, L&PM Editores, 1989. Primeiros princípios metafísicos da ciência da natureza. Tradução de Artur Morão. Lisboa, Edições 70, 1990 [São Paulo, Perspectiva, 1995, 2019]. A religião nos limites da simples razão. Tradução de Artur Morão. Lisboa, Edições 70, 1992. Lógica. Tradução de Guido Antônio de Almeida. Rio de Janeiro, Tempo Brasileiro, 1992. O conflito das faculdades. Tradução de Artur Morão. Lisboa, Edições 70, 1993. Fundamentação da metafísica dos costumes. Tradução de Filipa Gottschalk. Introd. e análise de Marcello Fernandes/Nazaré Barros. Lisboa, Lisboa Editore, 1995 [São Paulo 2014]. Sobre a Pedagogia. Tradução de Francisco Cock Fontanella. Piracicaba, UNIMEP, 1996. Manual de Cursos de Lógica Geral. Edição bilíngüe. Tradução e apresentação de Fausto Castilho. Uberlândia-MG, EDUFU, 1998 [Campinas-SP, Editora Unicamp, 2003]. Das diversas raças humanas [VvRM]. Definição do conceito de raça humana. Começo conjectural da história do homem (MAM). Acerca do uso dos princípios teleológicos na filosofia [ÜGTP]. Prefácio (Vorrede), O Carácter do género aus Antropologia numa abordagem pragmática [Anth]. Em: A invenção do ›Homem‹. Raça, Cultura e História na Alemanha do séc. XVIII. Ed. Manuela Ribeiro Sanches/Adriana Veríssimo Serrão. Lisboa, Centro de Filosofia da Universidade de Lisboa, 2002. A Metafísica dos Costumes. Tradução de Edson Bini. Bauru-SP, Edipro, 2003. A Metafísica dos Costumes. Tradução de Artur Morão. Lisboa, Edições 70, 2004. Sobre a Pedagogia. Tradução de João Tiago Proença. Lisboa, Alexandria, 2004. Teoria do Céu. História natural e teórica do Céu ou ensaio sobre a constituição e a origem mecânica do universo segundo as leis de Newton. Ed./tradução de Graça Barroso e Joaquim Fernandes. Lisboa, Ésquilo, 2004. O único argumento possível para uma demonstração da existência de Deus. Tradução de Carlos Morujão/Inês Bolinhas/Inês Ribeiro Ferreira/Joana Quaresma Luís. Lisboa, Imp. Nacional-Casa da Moeda, 2004.

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794 Bibliographie

A Metafísica dos costumes. Tradução de José Lamego. Lisboa, Fundação Calouste Gulbenkian, 2005. Escritos Pré-Críticos. Tradução de Jair Barboza/Joãosinho Beckenkamp/Luciano Codato/Paulo Licht dos Santos/Vinicius de Figueiredo. São Paulo, Editora UNESP, 2005. Dissertação de 1770. Seguida de Carta a Marcus Herz. Tradução de António Marques/Leonel Ribeiro dos Santos. Lisboa, INCM–Imprensa Nacional Casa da Moeda, 2005. Escritos sobre o terramoto de Lisboa. Tradução de Benedith Bettencourt, posf. João Duarte Fonseca. Coimbra, Almedina, 2005. Antropologia de um Ponto de Vista Pragmático. Tradução de Clélia Aparecida Martins. São Paulo, Iluminuras, 2006. Investigação sobre a clareza dos princípios da teologia natural e da moral. Tradução, introd., notas e glossário Carlos Morujão/Américo Pereira/Mónica Dias. Lisboa, INCM, Centro de Estudos de Filosofia da Faculdade de Ciências Humanas, 2006. A Religião nos Limites da Simples Razão. Tradução de Ciro Moranza. Araçatuba-SP, Escala, 2008. Lógica [Excertos da] Introdução. Tradução de Artur Morão. Covilhã, LuSofia press, 2009. Fundamentação da metafísica dos costumes. Tradução nova com introdução e notas por Guido Antônio de Almeida. São Paulo, Discurso Editorial e Barcarolla, 2009. Lógica. Tradução de Guido Antônio de Almeida. Rio de Janeiro, Tempo Brasileiro, 2011. Observações sobre o Sentimento do Belo e do Sublime. Ensaio sobre as doenças mentais. Tradução de Pedro Panarra. Lisboa, Edições 70, 2012. Ensaio sobre as doenças da cabeça de 1764. Tradução de Pedro Miguel Panarra. Em: Revista Filosófica de Coimbra 19 (2012). 201–224. Metafísica dos Costumes. Tradução de Clélia Aparecida Martins/Bruno Nadai/ Diego Kosbiau/Monique Hulshof. Petrópolis-RJ, Editora Vozes, 2013. Sobre a ilusão poética e a poética da ilusão. Tradução de Leonel Ribeiro dos Santos. In: Estudos Kantianos 2.2 (2014). 291–313. Do Génio. Tradução e intr. de Fernando M. F. Silva. In: Estudos Kantianos 3.2 (2015). 211–232. Do engenho e da faculdade de julgar (Lição de Antropologia de Kant. Anthropologia Mrongovius). Tradução e intr. de Fernando M. F. Silva. In: Con-Textos Kantianos 2 (2015). 324–346. As representações obscuras. Lições de Antropologia de Immanuel Kant. Tradução e intr. de Fernando M. F. Silva. In: Con-Textos Kantianos 4 (2016). 296–304. Rumo à Paz Perpétua. Tradução de Heloisa Sarzana Pugliesi. São Paulo, Ícone, 2017.

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Bibliographie 795

›Sinais que substituem os conceitos das coisas, encontramo-los nos poetas‹. Kant sobre a faculdade de designação. Tradução de Fernando M. F. Silva. In: Con-Textos Kantianos 7 (2018). 536–545. Lições de ética. Tradução de Bruno Leonardo/Cunha Charles Feldhaus. São Paulo, Editora Unesp, 2018. Rumänisch – Zitierte Ausgaben Werkausgaben [im Entstehen] I Opere. Editions/translations by Rodica Croitoru [Opere]: Critica facultăţii de judecare. Prima introducere la Critica facultăţii de judecare. Translation, introduction, remarks on the translation, notes, selective bibliography, German-Romanian index of concepts by Rodica Croitoru. Bucharest, BIC ALL Publishing House, 2007 [KU]. [Opere]: Religia doar în limitele raţiunii. Trans., introduction, remarks on the translation, notes, selective bibliography, German-Romanian index of concepts by Rodica Croitoru. Bucharest, BIC ALL Publishing House, 2007 [RGV]. [Opere]: Observaţii asupra sentimentului de frumos şi sublim. Note la Observaţii asupra sentimentului de frumos şi sublime. Trans., introduction, remarks on the translation, notes, bibliography, German-Romanian index of concepts by Ro­ dica Croitoru. Bucharest, BIC ALL Publishing House, 2008 [GSE, Bemerkungen]. [Opere]: Spre pacea eternă – Un proiect filosofic, Înştiinţare asupra încheierii apropiate a unui tratat în vederea păcii eterne în filosofie; Încercare asupra unor consideraţii privind optimismul. Trans., introduction, remarks on the translation, notes, selective bibliography, German-Romanian index of notions, index of key concepts by Rodica Croitoru [2nd edition, revised and extended. Bucureşti, BIC ALL Publishing House, 2008] [ZeF, VNAEF, VBO]. [Opere]: Metafizica moravurilor. Translation, introduction, remarks on the trans., notes, index of authors, German-Romanian index of concepts, bibliography by Rodica Croitoru. [3rd edition, revised and extended. Bucharest, Antet Publishing House, 2013] [MS]. [Opere]: Întemeierea metafizicii moravurilor. Critica raţiunii practice. Trans., pre­ face, introduction, remarks on the trans., notes, selective bibliography, GermanRomanian index of concepts, by Rodica Croitoru. Bucharest, Antet Publishing House, 2013 [GMS, KpV].

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796 Bibliographie

[Opere]: Antropologia din perspectivă pragmatică. Trans., introduction, notes, index of concepts, bibliography by Rodica Croitoru [2nd edition, revised and extended. Bucharest, Antet Publishing House, 2013] [Anth]. [Opere]: Visurile unui vizionar interpretate prin visurile metafizicii. Lui Sömme­ ring, Despre organul sufletului. Scrisoare profesorului Hufeland. C.-V. Hufeland Despre imperiul sufletului asupra sentimentelor maladive stăpânite prin simpla voinţă. Trans., note on the edition, introduction, remarks on the trans., notes, selective bibliography, German-Romanian index of concepts, RomanianGerman index of concepts, index rerum by Rodica Croitoru. Bucharest [2nd edition, revised and extended. Bucharest, Antet Publishing House, 22013] [TG, SF (third part), etc.] [Opere]: Critica raţiunii pure. Trans., introductory study, study on translation, notes, selective bibliography, German-Romanian index of concepts, Romanian-German index of concepts by Rodica Croitoru. Bucharest, Paideia Publishing House, 2019 [KrV]. II Opere. Edition by Romanian Academy (Ilie Pârvu) Edition directed by Ilie Pârvu. Bucharest, Romanian Academy/The National Foundation for Science and Arts/National Museum of the Romanian Literature, 2017 [KrV, KpV, KU]. [Opere]: Critica raţiunii pure. Trans. by Nicolae Bagdasar/Elena Moisuc [Annex: translations of M. Eminescu from Critique of Pure Reason and the fragments about space and time translated by T. Maiorescu from Critique of Pure Reason. 1471–1622] Bucharest 2017. [Opere]: Critica raţiunii practice. Întemeierea metafizicii moravurilor. Trans. by Nicolae Bagdasar. Bucharest 2017 [1995]. [Opere]: Critica facultăţii de judecare. Trans. by Vasile Dem. Zamfirescu and ­A lexandru Surdu. Bucharest 2017. Übersetzungen außerhalb der Werkausgaben Kritiken KrV Critica raţiunii pure. A trans. including a biographical sketch and a preface by Traian Brăileanu. Bucharest, School House Publisher, 1930. Critica raţiunii pure. Trans. by Nicolae Bagdasar/Elena Moisuc, with an introduc-

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Bibliographie 797

tory study, Kantian glossary and index of proper names by Nicolae Bagdasar. Bucharest, The Scientific Publishing House, 1969 [reprint: IRI Publishing House, 1994. 3rd edition, directed by Ilie Pârvu. Bucharest, IRI Publishing House, 1998. Univers Enciclopedic Gold Publishing House, 2009]. Lecturi kantiene. Traduceri din Critica raţiunii pure. Trans. of KrV by Mihail Eminescu. Edited by Constantin Noica/Alexandru Surdu. With an appendix containing two fragments fragments about space and time translated by Titu Maiorescu from KrV. Bucharest, Univers Publishing House, 1975. KpV Critica raţiunii practice. Romanian trans. preceded by a biographical sketch and an introduction [1932] by Traian Brăileanu. Bucharest, Paideia Publishing House, 2003. Critica raţiunii practice. Romanian trans. by Dumitru Cristian Amzăr/Raul Vişan, with two introductory notes intitled Viaţa lui Kant by C. Rădulescu-Motru and Asupra raţiunii practice by Nae Ionescu. Bucharest, The Publishing House of the Romanian Social Institut [1934]. KU Critica puterii de judecată. Analitica frumosului. Trans. by Iosif Gherincea, Galaţi, Graphic Art, 1927 [selection from KU]. Istoria esteticei dela Kant până azi în texte alese. Selection from KU, preceded by an introductory study and bio-bibliographical notes by Tudor Vianu. Bucharest, Bucovina Institute of Graphic Arts, I.E. Torouţiu, 1934. Critica puterii de judecare. Trans. with an introduction by Traian Brăileanu. Bucharest, Naţional Printing House, 1940. Două Introduceri şi o trecere spre idealism. Translation by Constantin Noica. Bucharest, Royal Foundation for Literature and Art, 1943 [Reprinted in: Constantin Noica: Două introduceri şi o trecere spre idealism. Cu traducerea primei Introduceri kantiene a Criticei judecării. Bucharest, Humanitas Publishing House, 2018] [KU, first Introductions]. Critica facultăţii de judecare. Introduction by Mircea Florian, trans. by Vasile Dem. Zamfirescu/Alexandru Surdu, notes and comments, selective bibliography, indexes of authors and concepts by Rodica Croitoru. Bucharest, The Scientific and Enciclopaedic Publishing House, 1981 [reprinted without introduction etc., Trei Publishing House, 1995]. Prima Introducere a la Critica facultăţii de judecare. Trans. by Constantin Noica. Bucharest, The Scientific and Enciclopaedic Publishing House, 1981. 393–446 [KU, First Introduction].

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798 Bibliographie

Sonstige Übersetzungen (chronologisch) Despre puterea sentimentului cu care prin simpla voinţă, cineva poate să devie stăpân peste simţirile bolnăvicioase. Trans. by David Almogen. Iassy [Iaşi], H. Göldner Typo-lithography, 1881 [SF, third part]. Crestomaţie. Bucăţi alese din autori germani. Romanian trans. [no translator indicated]. Bucharest, J. V. Socecu Establishment, 1901: Disensiunea dintre morală şi politică cu privire la pacea eternă. 386–397 [selection from ZeF]. Tratat de pedagogie. Trans. by C.V. Buţureanu. Bucharest, Leon Alcalay Bookstore’s Publishing House, 1912 [reprinted in: Tratat de pedagogie. Religia în limitele raţiunii. Trans. by C. Rădulescu. Iaşi, Agora Publishing House, 1992] 5–75 [Päd]. Filosofia creştinismului. Trans. by Adrian Sulfină. Bucharest, Lumen collection, 1912 [reprinted in: Kant: Filosofia creştinismului. Bucharest, Perena Publishing House, 1993] [selections from RGV]. Spre pacea eternă. Un proiect filosofic. With a biographical note and an introduction, translation by Ion Gorun. Bucharest, I. Brănişteanu Publishing House, [1918] [reprints: Spre pacea eternă. Un proiect filosofic. With a biographical note and introduction trans. by Ion Gorun. Bucharest, Mondero Publishing House, 2006; Bucharest, Gramar Publishing House, 2009; Bucharest, Mondero/Gramar Publishing House, 2015] [ZeF]. Prolegomene la orice metafizică viitoare care se va putea înfăţişa ca ştiinţă. Trans. by Mihail Antoniade. Bucharest, Cultura Naţională Publishing House, 1924 [edi­ ted and with an introductory study by Eugeniu Nistor, Târgu-Mureş, Ardealul Publishing House, 1999] [Prol]. Religia în limitele raţiunii, with a note about Iemm. Kant în lumina gândirei europene by Constantin Rădulescu-Motru. Bucharest, Principele Carol Cultural Foundation’s Printing Press, 1924 [reprinted in: Kant: Tratat de pedagogie. Reli­ gia în limitele raţiunii. Iaşi, Agora Publishing House, 1992. 76–148 (C. Rădulescu-Motru is indicated as the translator although it turned out that he is not)] [selection from RGV, KpV, GMS]. Intemeierea metafizicei moravurilor. A trans. including a biographical sketch and an introduction to moral philosophy by Traian Brăileanu. Bucharest, School House Publisher, 1929 [GMS]. Despre forma şi principiile lumii sensibile şi ale celei inteligibile. Trans. based on the German text, with an introductory study by Constantin Noica. Bucharest, Bucovina Tipography, 1936 [MSI]. Adevărul şi oamenii mari. Translated by D.C. Amzăr. In: Rânduiala II/9–10 (1937). 381–387 [selection from GSK]. Ideea unei istorii universale: Ce este luminarea? – Începutul istoriei omenirii – Spre pacea eternă. Trans. with an introductory study by Traian Brăileanu. Bucharest,

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Bibliographie 799

School House Publisher, 1943 [IaG, WA, MAM, ZeF]. Bazele metafizicei moravurilor. Romanian trans., with a critical note, a biographical note and index by Isidor Colin. Bucharest, Tiparniţa Publishing House, [1945] [updated edition: Bazele metafizicei moravurilor. Bucharest, Antet Publishing House, 1994] [GMS]. Întemeierea metafizicii moravurilor. Critica raţiunii practice. Translation, introductory study, notes and indexes by Nicolae Bagdasar, afterword by Niculae Bellu. Bucharest, The Scientific Publishing House, 1972 [reprint Bucharest, IRI Publishing House, 1995/1999; Univers Enciclopedic Gold Publishing House, 2010] [GMS, KpV] Despre frumos şi bine. Selection, preface and notes by Ion Ianoşi. 2 vols. Bucharest, Minerva Publishing House, 1981 [Nicolae Bagdasar (tr.): Critica raţiunii pure. 1969; Întemeierea metafizicii moravurilor. Critica raţiunii practice, 1972; Mihail Antoniade (tr.): Prolegomene, 1924; Vasile Dem. Zamfirescu and Al. Surdu (tr.): Critica facultăţii de judecare, 1981); C. Noica (tr.): Despre forma şi principiile lumii sensibile, 1936; selections from GSE and MS, translated by Janina Ianoşi; with Kant Dictionary: Mic dicţionar kantian]. Logica generală. Trans., introductory study, notes and index by Alexandru Surdu. Bucharest, The Scientific and Enciclopaedic Publishing House, 1985 [revised editions: Bucharest, Trei Publishing House, 1996; Bucharest, Cartea Universitară Publishing House, 2004] [Log]. Prolegomene la orice metafizică viitoare care se va putea înfăţişa drept ştiinţă. Trans. by Mircea Flonta/Thomas Kleininger, introductory study and notes by Mircea Flonta. Bucharest, The Scientific and Enciclopaedic Publishing House, 1987 [revised and improved edition: Bucharest, ALL Publishing House, 1996; third edition, revised and improved: Piteşti, Paralela 45 Publishing House, 2005; fourth edition: Bucharest, Humanitas Publishing House, 2014] [Prol]. Scrieri moral-politice. Trans., introductory studies, notes and indexes by Rodica Croitoru. Bucharest, The Scientific Publishing House, 1991 [MS, ZeF, VNAEF, VBO] [reprint: Metafizica moravurilor. Trans., introductory study, notes and indexes by Rodica Croitoru. 2nd revised and expanded edition: Bucharest, Antaios Publishing House, 1999] [MS]. Filosofia practică a lui Kant. Edited by Mircea Flonta and Hans-Klaus Keul. Iaşi, Polirom Publishing House, 2000 [selection from previous translations: GMS, KpV, MS, ZeF; new translations: TP (trans. by Valentin Cioveie), WA (translated by D. Flonta)]. Ideea de critică şi perspectivele filosofiei moderne. Trans. by Alexandru Boboc and Liviu Stroia. In: Kant prin el însuşi. Bucharest, Paideia Publishing House, 2000 [reprint 2015] [anthology: KrV (preface to the first edition), WA, WDO, VNAEF; the appendix contains a list of Romanian translations of Kantian writings].

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800 Bibliographie

Antropologia din perspectivă pragmatică. Trans., introductory study, notes, index of concepts, bibliography by Rodica Croitoru. Oradea, Antaios Publishing House, 2001 [Anth]. Despre pedagogie. Trans. by Traian Brăileanu, preface by Constantin Stroe. Bucharest, Paideia Publishing House, 2002 [reprint 2015] [Päd]. Religia în limitele raţiunii pure. Trans. from German by Radu Gabriel Pârvu. Bucharest, Humanitas Publishing House, 2004 [RGV]. Scrisori din anii de tăcere (1770–1788). Trans. by Lia Baltador/Mihai-Andrei Todoca/Adriana Pop, introductory study and notes by Adriana Pop. Cluj-Napoca, Grinta Publishing House, [2004] [Br]. Scrisoare către Marcus Herz (Königsberg, 21 february 1772). Trans. by Adriana Pop. In: Revista de filosofie LI, 3/4 (2004). 347–350. Ce este luminarea? Teze, definiţii şi semnificaţii. Ed., trans., notes and afterword by Alexandru Boboc. Bucharest, Paideia Publishing House, 2004 [2nd revised edition, Bucharest, Paideia Publishing House, 2018] [anthology, WA, WDO, VNAEF]. Întemeierea metafizicii moravurilor. Trans. by Filotheia Bogoiu/Valentin M ­ ureşan/ Miki Ota/Radu Gabriel Pârvu. Coordination and notes, foreword by Valentin Mureşan. Bucharest, Humanitas Publishing House, 2007 [new edition: trans. by Valentin Mureşan. Bucharest, All Publishing House, 2014] [GMS]. Despre un pretins drept de a minţi din iubire de oameni. Trans. and notes by Andrei Apostol/Valentin Mureşan. In: Legea morală la Kant. Edited by Valentin Mureşan. Bucharest, The University of Bucharest Publishing House, 2009.103–109 [VRML]. Ce este Luminarea? şi alte scrieri. Ed., trans., notes, annexes, and epilogue by Alexandru Boboc. Cluj-Napoca, Grinta Publishing House [2009] [WA, WDO, UD, IaG]. Manifestul iluminist! Răspuns la întrebarea: Ce este iluminismul? Ce înseamnă a se orienta în gândire. Bilingual edition. Trans., notes, introductory study and epilogue by Daniel Mazilu. Piteşti, Paralela 45 Publishing House, 2011 [WA, WDO]. Începutul şi sfârşitul. Trans. by Martin Zick. Bucharest, ALL Publishing House, 2011 [MAM, EaD]. Istoria generală a naturii şi teoria cerului. Trans., notes and appendix by Alexandru Boboc. Cluj-Napoca, Grinta Publishing House, 2014 [second revised and improved edition 2018] [NTH, UFE, UD]. Despre un ton elevat adoptat recent în filosofie. Trans. by Alexandru Boboc. In: Revista de filosofie LXIII, Issue 4 (2016). 515–527 [VT]. Scrieri precritice (selecţie). Trans., notes and comments, epilogue by Alexandru Boboc. Cluj-Napoca, Grinta Publishing House, 2019 [selection of pre-critical writings: UFE, FEV, NTH (pref.), TW, NLBR, GUGR, DfS, NG, UD]. [translations of writings of Kant by Mihail Eminescu: see Eminescu: Opere. Vol. XIV: Traduceri filozofice, istorice şi ştiinţifice. Introductory study by Al. Oprea.

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Bibliographie 801

Bucha­rest, The Publishing House of the Academy of the Socialist Republic of Ro­ma­n ia, 1983. 367–441; id.: Opere. Vol. VII: Traduceri, transcrieri, excerpte. Critical edition, notes and variants by Aurelia Rusu. Bucharest, Minerva Publishing House, 1984. 35–193; id.: Opere. Vol. VII: Traduceri, transcrieri, note de curs, note de lectură, excerpte. Edited by D. Vatamaniuc, preface by Eugen Simion. Bucharest, The Publishing House of the Romanian Academy/Univers Enciclopedic Publishing House, 2003. 443–572]. [the translations of Titu Maiorescu are included in the volume: Titu Maiorescu: Prelegeri de filosofie. Edition directed, notes, comments and index by Grigore Traian Pop and Alexandru Surdu. Foreword by Grigore Traian Pop. Craiova, Scrisul Românesc, 1980. 20–28] B.  Sonstige Primärliteratur Aristoteles: Topics Books I & VIII. With excerpts from related texts. Trans. with a Commentary by Robin Smith. Oxford, Clarendon Press, 1997. Arnoldt, Emil: Gesammelte Schriften. Hg. von Otto Schöndörffer. 10 Bde. Berlin, Bruno Cassirer, 1906–1911. Baumgarten, Alexander Gottlieb: Ethica philosophica. Halle, Carl Hermann Hemmerde, 1740 [²1751; 31763]. Baumgarten, Alexander Gottlieb: Metaphysica. Halle 41757. ND in Kant: AA 15: 5–54; AA 17: 5–226. Baumgarten, Alexander Gottlieb: Aesthetica. 2 Bde. Frankfurt a.d.Oder, Kleybs, 1750 – 1758 [Reprint Hildesheim, Olms, 1986]. Baumgarten, Alexander Gottlieb: Ästhetik [1750/1758]. Lateinisch-deutsch. Übers., mit einer Einführung, Anmerkungen und Registern hg. von Dagmar Mirbach. Teil 1 und 2. Hamburg, Felix Meiner Verlag, 2007. Baumgarten, Alexander Gottlieb: Initia philosophiae practicae primae acroamatice. Halle, Carl Hermann Hemmerde, 1760. Baumgarten, Alexander Gottlieb: Acroasis logica in Christianum L. B. de Wolff dictabat. Halle 1761. Boethius: Anicii Manlii Severini Boethii De differentiis topicis libri quatuor. In: Patrologia Latina. Ed. by Jacques-Paul Migne. Vol. LXIV. Paris, Garnier, 1860. Borowski, Ludwig Ernst von: Cagliostro, einer der merkwürdigsten Abentheurer unsres Jahrhunderts […]. Königsberg, Gottlieb Lebrecht Hartung, 1790. Brucker, Johann Jakob: Historia critica philosophiae a mundi incunabulis ad nostram usque aetatem deducta. 5 vols. Lipsiae, Breitkopf, 1742–1744. Bruni, Leonardo: De interpretatione recta. In: ders.: Humanistisch-philosophische Schriften. Hg. von Hans Baron. Leipzig/Berlin, Teubner, 1928. 81–94.

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802 Bibliographie

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BEGRIFFSVER ZEICHNIS

Aufgeführt werden nur im Buch (in erster Linie translatologisch) problematisierte deutsche Termini. Seitenangaben in gerader Schrift beziehen sich auf den Fließtext und gegebenenfalls auf Fußnoten, kursivierte nur auf Fußnoten.

Absicht  228, 611 Anfangsgrund / Prinzip  49 f., 300, 449–456, 477 f., 687 Anlage / Hang / Neigung  21, 148, 298, 415, 611 Anschauung  20, 214, 237, 369 ff., 415, 416, 418, 551 ff., 612, 757 – Anschauungsart  553 ff. – Anschauungsvermögen  390, 407 Apperzeption  215, 424 f., 612

Bewusstsein  185, 602, 730 Beziehung / Verhältnis / Relation   49, 730 [bloß / rein]  22, 48, 286, 294, 298, 369, 371 ff., 497, 510, 513, 553, 558, 566 f., 584 – bloße / reine Vernunft  298

Bedürfnis / Notwendigkeit  229, 759 Begehren / Wunsch  286 – Begehrungsvermögen  148, 288, 389 Begreifen  620 ff. Begriff / Terminus / Kunstwort  213, 298, 356, 357 f. [zu Kunst­wort], 427 ff. [zu Kunstwort], 444, 541 – Conceptus dati / conceptus factitii   696 – Grenzbegriff  17, 21, 338, 568 – Inbegriff  21, 22, 570, 640 f., 686, 755 f. Beschaffenheit  47 f., 553, 556, 559 Bestimmung  21, 47, 48, 170, 563, 583, 755 – Bestimmungsgrund  170, 298, 491 ff., 507, 510, 543 – Zweckbestimmung  169 – Bestimmung des Menschen  170 Beurteilung / Urteil  129, 146 ff., 186 f., 201, 204, 215, 287 f., 297, 300, 511 Beweis / Demonstration  353, 449 f., 457 ff., 465 ff., 472, 476 ff. – Beweisgrund  461–489 – Beweist[h]um  463 ff., 471, 473

Darstellung  40, 288, 500, 543 Dasein / Existenz  231, 252, 416, 420, 426, 553 Demonstration (vgl. Beweis) Ding / Gegenstand / Objekt / Sache   20, 28, 49 f., 201, 215, 231, 252, 288, 371, 416, 418 ff., 426, 429 ff., 510, 528, 551 ff., 556–558, 565, 571–591, 596 ff., 600, 612, 690 ff. – Ding an sich  416, 551 f., 694 – Gegenstand an sich, Sache an sich, Objekt an sich  694 – Unding  19, 22, 669 f., 692 [durchgängig]  287

Conceptus dati / conceptus factitii (vgl. Begriff)

Einbildungskraft  153, 670 Einsicht / Einsehen / einsehen  21, 28, 613–625 Enthusiasm[us] / Schwärmerei / Fana­ ti[ci]smus  48 f., 416, 586, 649–675 Erkenntnis / erkennen / Erkenntnis­ vermögen / Erkenntnisgrund   47 ff., 148, 371 ff., 543, 596 f., 616, 718, 730, 756

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844

Begriffsverzeichnis

Erscheinung (Phänomen, Schein)  19 f., 128, 149, 168, 170, 184, 201, 232, 234, 281 f., 346 ff. [bes. Phäno­men], 368 ff., 416 f., 421, 423, 425 f., 429, 431, 436 f., 5­ 50–559, 570, 690 ff., 755 ff. Existenz (vgl. Dasein)

Grundlegung  83, 222, 762 f., 763 Grundsatz / Prinzip [Princip]  49 f., 153, 223, 232, 252, 300, 416, 437 f., 449 ff., 473, 458 Gut – Höchstes Gut  294 – Oberstes Gut  294

Fabrik [fabric]  356, 359, 531 Faktum [Factum] der Vernunft  23, 185, 281 Fanatismus [Fanaticism(us)] (vgl. ­Enthusiasmus) Fortschritt / Progressus  232, 558 Fürwahrhalten  170, 294, 523, 543 ff.

Hang (vgl. Anlage)

Gegenstand (vgl. Ding) Geist / Gemüt / Seele  21, 168, 183, 185, 201, 215, 217, 285, 292, 300, 369, 372 ff., 384, 386, 388, 390, 406, 416, 418, 510, 532, 601 f., 663, 760 f. – Gemütskräfte  406 f., 760 – Gemütsvermögen  288 Gelten  281 Gemüt (vgl. Geist) Genuss  229 [Un-]Gerechtigkeit ([Un-]Recht, Rechts­lehre, rechtens, das Rechte; Gesetz[mäßigkeit], Gesetz­[lich­ keit])  168, 297, 601, 6­ 27–648, 759 Gesetz (vgl. Gerechtigkeit, Recht) Gesinnung  21, 46, 48 f., 203, 228, 281, 581, 583 Glückseligkeit  281, 286 Grenze / Schranke  22, 49 f., 154, ­559–570 Grenzbegriff (vgl. Begriff) Grund – Anfangsgrund  198, 205, 449–460, 477 f., 687 – Bestimmungsgrund  170, ­491–507, 510, 543 – Beweisgrund (vgl. auch Beweis­t[h]um)  461–489 – Urgrund  281

Mannigfaltigkeit / Vermannigfaltigung   687 Materie / Stoff  378 ff., 466 ff., 485, 552, 686, 690 Moralität / Sittlichkeit  232, 234

Illusion / Täuschung  144, 232, 529, 531, 671, 691 Inbegriff (vgl. Begriff) Kunstwort (vgl. Begriff)

Neigung (vgl. Anlage) Notwendigkeit (vgl. Bedürfnis) Objekt [Object] (vgl. Ding, Gegen­ stand) Phänomen (vgl. Erscheinung) Prinzip [Princip] (vgl. Anfangsgrund, vgl. Grundsatz) Progressus (vgl. Fortschritt) Realität / Wirklichkeit / Sachheit   184, 215, 232, 416, 550 f., 612 [Un-]Recht (vgl. Gerechtigkeit, Gesetz) rein / bloß (vgl. bloß / rein) Sache (vgl. Ding) Sachheit (vgl. Realität) Schein (vgl. Erscheinung) Scheinbarkeit / Wa[h]rscheinlichkeit   513–533 Schranke (vgl. Grenze) Schwärmerei (vgl. Enthusiasmus)

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Begriffsverzeichnis

Seele (vgl. Geist) Sittlichkeit (vgl. Moralität) Sprung (vgl. Übergang) Stoff (vgl. Materie) Täuschung (vgl. Illusion) Terminus, terminus technicus (vgl. ­Begriff, Kunstwort) Triebfeder  170, 203, 298 Übergang / Überschritt / Sprung   22, 687 ff. [überall]  22, 236, 238 ff., 559 [überhaupt]  22, 23, 236–240, 297, 529, 531, 641 Überschritt (vgl. Übergang) Unding (vgl. Ding) Urgrund (vgl. Grund) Urteil (vgl. Beurteilung) Urteilskraft  21, 48, 129, 146 ff., 153, 170, 184, 186, 191, 201, 204, 215 f., 229 ff., 284, 288, 293, 493, 506, 511 f. Urwesen  281

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Verbindlichkeit  294 Verhältnis (vgl. Beziehung) Vermannigfaltigung (vgl. Mannig­ faltigkeit) Vernunft / Verstand  47, 50, 149, 286, 298, 404 ff., 416, 529, 555, 565  f f., 730, 757, 763 f., 765 Verstehen  614, 620 ff. Vorstellung(svermögen, -fähigkeit)   21, 40, 49, 58, 213, 369 ff., 407, 501, 510 f., 541,  551, 555, 558, 730 Wahnsinn / Wahnwitz  661, 673, 682 Wa[h]rscheinlichkeit (vgl. Scheinbarkeit) Wille  239, 284, 286, 641, 674 Willkür  48, 281, 298, 582, 641, 644 f. Wirklichkeit (vgl. Realität) Witz  516, 680–682, 764, 765 Wunsch (vgl. Begehren) Zweckmäßig(keit)  21, 49, 169, 506, 509 f. Zweckbestimmung (vgl. Bestimmung)

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PER SONENVER ZEICHNIS

Abbot, Thomas K.  542 Abbt, Thomas  310, 363, 700 Abdy, John Thomas  633 Abel, Günter  746 About, Pierre-José  81 Achenwall, Gottfried  70, 71, 95, 307 Adelung, Johann C.  315, 331, 347, 349, 426, 427 Adickes, Erich  89, 95, 97, 98, 99, 104, 106, 111, 112, 283, 307, 316, 337, 449, 539, 540, 684, 701, 706 Adorno, Theodor W.  434 Afeissa, Hicham-Stéphane  91 Agostini, Igor  606, 607 Aguilar, Ernesto  183, 209 Albrecht, Jörn  742, 763, 766 Albrecht, Michael  352 Alembert, Jean le Rond d’  351, 455 Aleu Benítez, José 208 Allison, Henry E.  45, 56, 69, 72, 189, 215, 454, 459, 572 Almeida, Guido A. de 254, 256, 543, 546, 613, 614 Almogen, David  276 Alquié, Ferdinand  15, 75, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 101, 130, 417, 420, 452, 461, 597 Alsted, Johann H.  356 Altman, Arturo  186 Altmann, Alexander  351 Álvarez, Mariano  177 Álvarez, Raquel Merino  542 Amador, Esteban  175, 183, 209 Ameriks, Karl  54, 69, 71, 194 Amoroso, Leonardo  130, 147, 168, 169, 546 Amzăr, Dumitru C.  280, 281 Anceschi, Luciano  496 Anchor, Robert E.  45, 675 Andler, Charles  76, 452 Andrade, José  262

Anselmi, Lucimar A. Coghi  256 Antognazza, Maria Rosa  521 Antoniade, Mihail  278, 279, 289, 290 Apel, Karl Otto  733 Apostol, Andrei  298 Aramayo, Roberto Rodríguez  177, 184, 185, 186, 190, 199, 200, 202, 203, 204, 207, 215, 541 Arana Cañedo-Argüelles, Juan  205 Araujo Figueiredo, Virginia de  17 Archambault, Paul  80, 81, 417, 418 Aristoteles  273, 326, 337, 433, 724, 726, 727, 728 Armogathe, Jean-Robert  326 Arndt, Hans Werner  351, 353, 423, 519 Arnim, Hans von  633 Arnoldt, Emil  193, 462, 540, 717 Arntz, Reiner  400 Ashton, Ernst Basch  43 Ashworth, Earline Jennifer  530 Assézat, Jean  729 Assis Rosa, Alexandra  752 Assunto, Rosario  138, 458, 564 Augustinus, Aurelius  473 Aumonier, Nicolas  94 Aurelius, Marcus  633 Averroes  727 Axelrad, Avram Adolf [A. A. Luca]   278 Azouvi, François  74, 75, 750 Babbitt, Irving  327 Bacin, Stefano  21, 26, 121, 317, 341, 437, 449, 551, 575, 677 Baciu, Claudiu  297 Bacon, Francis  295, 359, 547 Bagdasar, Nicolae  284, 285, 286, 287, 289, 290, 291, 294, 296, 297, 298, 299, 300 Bailey, Nathan  315 Baker, Mona  330, 727

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Personenverzeichnis

Balbiani, Laura  25, 128, 129, 159, 160, 164, 170, 732, 757 Baldwin, Thomas  642 Balibar, Étienne  727 Bally, Charles  397 Balmès, Anne-Dominique  26, 317, 420 Balmes, Jaime [Jaume]  243, 753 Balsamo, Jean  360 Baltador, Lia  299 Bär, Jochen A.  367, 732 Barale, Massimo  125 Barata-Moura, José  260, 272 Barbeyrac, Jean  634 Barboza, Jair  256 Barker, John Hamilton  632 Barni, Jules  78, 79, 80, 81, 82, 87, 184, 186, 277, 283, 416, 417, 418, 476, 751, 755, 756, 758, 759, 760, 761, 762, 764, 765 Bărnuţiu, Simion  276 Barros, Nazaré  261 Barroso, Graça  262, 271 Basedow, Johann Bernard  78, 115 Basile, Giovanni Pietro  684 Bast, Rainer A.   19 Batchelor, Kathryn  744 Bauch, Bruno  338, 466, 524 Baumann, Klaus-Dieter  400, 408 Baumanns, Peter  30, 424 Baumeister, Friedrich Christian   350, 351 Baumgarten, Alexander Gottlieb  58, 95, 97, 98, 99, 100, 101, 116, 147, 193, 307, 318, 390, 391, 423, 426, 514, 515, 516, 529, 536, 569, 611, 641, 668, 670 Baumgarten, Hans-Ulrich  237n, 437n Bayle, Pierre  699, 702 Beade, Ileana Paola  26, 184, 185, 197, 203, 204, 210 Beck, Jacob Sigismund  40 Beck, Lewis White  58, 67, 294, 318, 599 Beckenkamp, Joãosinho  256 Bellu, Niculae  286 Bélo, André  700

Beloselsky, Alexander v.  614, 615 Benecke, Georg F.  315 Benjamin, Walter  723, 726 Bennett, Jonathan  44, 54, 56 Benoist, Jocelyn  481 Berger, Friedrich  95, 307 Berger, Larissa  317 Bergheaud, Patrice  367 Bergk, Johann Adam  11 Berman, Sandra  727 Bernard, J. H.  267 Bernardo, Luis Manuel  699 Bernasconi, Robert  44, 45 Bernkopf, Tania  245, 620 Bernoulli, Jakob  520, 521, 526, 528 Bertani, Mauro  143 Besch, Werner  422 Besteiro, Julián  187 Betten, Anne  422 Bettencourt, Benedith  262 Bianchi, Massimo  342 Bianco, Franco  121 Biester, Johann Erich  310 Bini, Edson  255 Bird, Graham  54 Birks, Peter  632, 633 Birven, Henri Clemens  598, 600 Blackall, Eric A.  422, 423, 424, 428, 431 Blanc-Brude, Gilles  103 Blanchet, Vincent  438 Blasche, Siegfried  684 Bloch, Ernst  594 Blomberg, Hermann Ulrich von  466, 467, 513, 517, 518, 519, 521, 522, 526 Blumenbach, Johann Friedrich  451 Blumenberg, Hans  360, 521 Bluteau, Raphael  267 Boase-Beier, Jean  736 Bobba, Romualdo  761 Bobbio, Norberto  124, 125, 137, 138 Boboc, Alexandru  275, 294, 295, 296 Bochicchio, Vincenzo  144 Bock, Johann G.  315 Bödeker, Hans E.  360 Boerhaave, Hermann  92

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Personenverzeichnis

Boethius, Anicius Manlius Severinus   326, 527, 528, 727 Bogoiu, Filotheia  297 Bolin, Ronald Lee  719 Bolinhas, Inês  262 Bonaccini, Juan A.  194 Bonitz, Hermann  337 Bonnet, Charles  326, 751 Bordiga, Roberto  137 Borges-Duarte, Irene  259 Born, Friedrich Gottlob  13, 14, 212, 214, 216, 417, 428, 438 473, 594, 595, 596, 597, 602, 614, 616, 618, 619, 749, 754, 755, 757, 766 Borowski, Ludwig Ernst  661 Bosi, Alberto  137, 143, 146, 147, 163, 165, 169 Boswell, Terry  113, 330, 540 Bourel, Dominique  74, 75, 750 Bourgeois, Bernard  101 Bowman, Curtis  70, 666 Braga, Antonio C.  257 Brague, Remi  747 Brăileanu, Traian  279, 280, 281, 282, 283, 284, 285, 287, 289, 295, 297, 300 Brandt, Reinhard  103, 142, 190, 297, 684, 697 Brauer, Theodor Friedrich  115 Briu, Jean-Jacques  427 Brucăr, Iosif  281 Bruch, Jean-Louis  118 Brucker, Johann Jakob  527 Bruni, Leonardo  728 Bruxvoort Lipscomb, Benjamin J.  650 Buchenau, Artur  96, 103, 289 Buchner, Hartmut  438 Buckland, William Warwick  634, 635 Budai-Deleanu, Ion  275 Budin, Gerhard  400 Buek, Otto  188 Buffon, Georges-Louis Leclerc, comte de  703, 705, 707, 708, 714, 716 Buhle, Johann G.  754 Burdman, Javier  658 Burger, Harald  422

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Burkert, Walter  724 Burks, Arthur W.  343 Burnett, Charles  726 Busa SJ, Roberto  342 Büsching, Anton Friedrich  701 Bush, Judith R.  629 Busolt, Gotthilf Christoph Wilhelm   467, 468, 469, 530, 652, 653 Büttgen, Philippe  439 Butts, Robert E.  455 Buţureanu, Constantin V.  277, 283 Buzzetti, Dino  526 Bykova, Marina  11 Byrd, Sharon  635 Cabral, Álvaro  317 Caimi, Mario  14, 26, 175, 176, 177, 179, 180, 183, 184, 187, 188, 189, 190, 193, 197, 205, 206, 208, 209, 249, 250, 317, 517, 545, 593 Cairns, Huntington  325 Calvin, Johannes  702 Calzoni, Raul  160 Camões, Luís de  681 Campe, Joachim Heinrich  315 Campe, Rüdiger  515, 521, 522 Campillo Iborra, Neus  221, 222, 223 Canone, Eugenio  351 Canterla, Cinta  205 Capozzi, Mirella  135, 136, 318, 345, 353, 449, 458, 513, 516, 517, 526, 527 Capra, Francesco  126, 127, 251, 318, 758, 759 Carabellese, Pantaleo  138, 144, 187, 349, 504, 564, 565, 566, 567, 568, 569 Cardoso, Jerónimo  267 Carl, Wolfgang  97, 549, 599, 600, 601 Carmo-Ferreira, Manuel J. do  264, 272 Carnap, Rudolf  454 Carré, Louis  709 Carus, Paul  43 Cassin, Barbara  21, 25, 65, 168, 219, 220, 727, 734, 745 Cassirer, Ernst  101, 187, 191, 280, 284, 288, 289, 291, 293, 308, 454

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Personenverzeichnis

Cassirer, Heinrich Walter  44 Castaño Piñán, Alfonso  189 Castilho, Fausto  255, 546, 614 Castillo, Monique  82, 103, 113, 114 Castree, Noel  327 Cataldi Madonna, Luigi  515 Catena, Maria Teresa  135, 144 Caygill, Howard  317, 572 Cecchinato, Giorgia  17, 249 Cellucci, Carlo  526 Ceñal Lorente, Ramón  205 Chacón, Pedro  206 Challiol, Marie-Christine  94 Chauí Berlinck, Marilena de Souza   245, 254, 268 Chavannes, Édouard  76, 452 Chenet, François-Xavier  96, 97 Chevrel, Yves  765 Chiodi, Pietro  128, 137, 142, 143, 146, 165, 742 Chrysippos  633 Ciafardone, Raffaele  135, 163, 607 Ciaravolo, Pietro  345 Cicero, Marcus Tullius  356, 513, 514, 544, 614, 615, 633, 636, 637, 638, 640, 724, 725, 735, 741 Cicero, Vincenzo  142, 298 Cioveie, Valentin  297 Cipariu, Timotei  276 Clewis, Robert R.  49, 71, 464, 649, 651, 652, 653, 666, 667, 670, 671, 675, 717, 718, 720 Codato, Luciano  256 Cohen, Gerald Allan  628 Cohen, Hermann  337, 338 Cohen, I. Bernhard  456 Cohen-Halimi, Michèle  111, 715 Colclasure, David L.  43, 628 Cole, Peter  398 Colin, Isidor  284, 297 Collet Sanders, Thomas  633 Colli, Giorgio  128, 140, 149, 150, 153, 165, 331, 553, 554 Collins, Georg Ludwig  652, 653 Collins, James  118

Comenius, Johann Amos  224 Condillac, Étienne Bonnot de  275, 752 Conill Sancho, Jesús  208 Conrad, Elfriede  462 Constâncio, João  249 Constant, Benjamin  751 Contini, Gianfranco   345 Copeland, Rita  725 Correa, Carlos  542, 545 Cortina Orts, Adela  208 Coseriu, Eugenio  620 Costa, Miquel  223, 225, 226, 227, 229, 231, 232, 233, 234, 241, 242 Costa Mattos, Fernando  249, 250, 251, 253, 254 Coste, Pierre  326, 740, 741 Cousin, Victor  750, 751, 753 Covarrubias y Orozco, Sebastián de   267 Crépon, Marc  423 Croce, Benedetto  127, 128, 129, 130, 505 Croitoru, Rodica  206, 231, 288, 289, 291, 292, 293, 294, 296, 298, 300, 415, 683, 685 Cruse, Alan D.  368 Crusius, Christian A.  114, 145, 464, 465, 466, 474, 479, 486, 516 Cruz, Alberto Machado  270, 682 Cuervo, Rufino  217 Curcio, Nicola  745 Cussens, James  521 D’Alfonso, Matteo  753 D’Ancona, Cristina  326 Dal Santo, Petra  139, 140 Daniels, Stephen  327 Darjes, Joachim Georg  529 David, René  632 Defert, Daniel  139 De Flaviis, Giuseppe  124, 139, 162 De Gandt, François  452, 459, 478 Degérando, Joseph-Marie  754 Delamarre, Alexandre J.-L.  81, 88, 300, 417, 419, 475, 476, 481, 597

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Personenverzeichnis

Delbos, Victor  82, 83, 101, 118, 294, 297, 298, 762, 763, 764, 765, 766 Delfosse, Heinrich P.  150, 194, 603 De Mauro, Tullio  397 Denis, Lara  627 Derrida, Jacques  40, 662, 723 Descartes, René  13, 143, 220, 242, 326, 354, 699, 727, 729, 731, 752 Desideri, Fabrizio  124, 139, 140, 170 Despland, Michel  45 Destutt de Tracy, Antoine  754 De Toni, Gian Antonio  142, 162 Detti, Tommaso  736 D’hulst, Lieven  765 Di Giovanni, George  54, 69, 71, 298, 662 Di Giovanni, Piero  126 Di Sanza, Silvia  197, 203 Diaconu, Madalina  752 Diaconu, Marin  752 Dias, Mónica  262 Díaz, Jorge A.  192 Dibon, Paul  351 Diderot, Denis  351, 352, 729 Diemer, Alwin  544 Dilthey, Wilhelm  194, 306, 538 Diogenes Laertius  761 Dodel, Richard  753 Dohna-Wundlacken, Heinrich L. A. zu   193, 210, 523 Domínguez, Atilano  205 Doran, Robert  651 Dornblüth, Augustin  427 D’Ortenzi, Luisa  144 Dottarelli, Luciano  144 Dotti, Jorge Eugenio  177, 192 Dowdell, Victor Lyle  44, 672 Du Châtelet, Émilie  91 Duering, Ingemar  362 Duflo, Colas  699 Duichin, Marco  754 Duque, Félix  109, 188, 206, 684, 690, 691 Durante, Gaetano   142

851

Eberhard, Johann August  45, 70, 77, 95, 98, 189, 210, 307, 315, 481, 569 Ebers, John  315 Eco, Umberto  145, 159, 161, 162, 365 École, Jean  351, 353, 463, 464, 518 Edwards, Jeffrey  27, 70, 627 Egger, Mario  718 Eisler, Rudolf  26, 218, 237, 280, 289, 317, 341, 420 Elden, Stuart  697, 717, 718, 719 Ellington, James  42, 43, 45, 46, 454 Ellis, Robert L.  359 Elyot, Thomas  267 Emersleben, Lars  736 Eminescu, Mihai  276, 287, 288, 289, 291, 299 Emundts, Dina  684 Endruschat, Annette  752 Engel, Johann Jakob  311 Engelberg, Stefan  401 Engels, Friedrich  285 Engfer, Hans Jürgen  535, 536 Entrikin, J. Nicholas  327 Epifânio, Renato   259 Erdmann, Benno  96, 99, 114, 135, 163, 187, 279, 290 Erhard, Johann Benjamin  295 Ernst, Gerhard  752, 766 Erxleben, Johann P.  451 Espagne, Michel  750, 751, 755, 762 Esposito, Costantino  50, 130, 141, 142, 152, 153, 154, 165, 167, 169, 249, 250, 547, 548, 550, 551, 560, 569 Eucken, Rudolf  18, 19, 22, 426, 433, 434, 438, 475 Euler, Leonhard  455, 456 Ewald, François  139 Fabra, Pompeu  224 Fahrenkrüger, Johann A.  315 Falcone, Giuseppe  632, 633 Fattori, Marta  342, 351 Fawcett, Antoinette  736 Feder, Johann G.  99, 111, 117, 700 Fedi, Laurent  78

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852

Personenverzeichnis

Feick, Hildegard  745 Fenves, Peter  40, 45, 650, 662 Fernandes, Floriano de Souza  255 Fernandes, Joaquim  262 Fernandes, Marcello  261 Fernández Núñez, Manuel  183, 210, 216 Ferrari, Jean  74, 87, 103, 469, 474 Ferrarin, Alfredo  121, 551 Ferraris, Maurizio  124 Ferriani, Maurizio  526 Ferrié, Christian  484 Ferrini, Cinzia  717, 718 Ferry, Luc  81, 318, 478 Festugière, Paul  472 Feyerabend, Gottlieb  55, 71, 118, 119, 132, 150, 151, 194 Feyrer, Cornelia  742 Fichte, Johann Gottlieb  57, 95, 127, 192, 193, 323, 338, 438, 439, 703 Ficino, Marsilio  728 Figueiredo, Vinicius de  256 Filho, Torres  245, 267, 270 Fink, William  117, 488, 703 Firpo, Luigi   124, 138 Fleck, Ludwik  740 Flonta, D.  297 Flonta, Mircea  290, 296 Flórez, Cirilo  177 Florian, Mircea  288 Floru, Constantin  287, 288 Flügel, Johann G.  315, 316 Folena, Gianfranco  728 Fonnesu, Luca  560 Fonseca, João Duarte  262 Font, Pere Lluís  221, 222, 223, 228, 229, 232, 233, 242 Fontanella, Francisco Cock  255 Foran, Lisa  172, 736 Forgione, Luca  145 Formigari, Lia  367 Förster, Eckart  29, 68, 71, 574, 683, 684, 686, 687n, 691 Fornet, Raúl  177 Forster, Georg  703

Foucault, Michel  82, 139, 143, 144 Francis, Gill  330 Frede, Michael  633 Freeman, Samuel  628 Freiré, Alfonso  206 Freud, Sigmund  323 Friedländer, David Joachim  110, 319, 575, 652, 668, 669 Friedman, Michael  69, 70, 454, 455, 456, 458, 459, 684 Friedrich Wilhelm II., König von ­P reußen   484 Frierson, Patrick  235, 662, 666, 667 Fries, Jakob F.  338 Frisius, Johannes  267 Fritzsch, Theodor  279 Fröbel, Friedrich  224 Frömmichen, Karl Heinrich  528 Funaki, Shuku  516 Funke, Gerhard  23, 364 Fussler, Jean-Pierre  251, 294, 478, 488 Gadamer, Hans-Georg  254, 325, 499, 732 Gagnebin, Bernard  635 Gaier, Ulrich  594 Galinski, Christian  367 Gallardo, María de Jesús  183, 209 Gallois, Laurent  482, 488 Galluppi, Pasquale  754 Galvani, Luigi  452, 459 Galvão, Pedro  260 Gampert, Vanessa  742 Gandt, François de  452, 459, 478 Gaos, José  189, 190 García Belsunce, Eduardo  191, 192 García del Perojo, José  178, 179, 183 García Gómez del Valle, José M.  541 García Moreno, Alejo  81, 184, 186, 267, 541, 543, 545, 753, 758, 760, 761, 762 García Morente, Manuel  176, 178, 179, 183, 184, 185, 186, 198, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 210, 215, 251, 318, 511, 541

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Personenverzeichnis

García Trevijano, Carmen  199 Gardt, Andreas  367, 412 Garelli, Gianluca  143, 163, 168, 170, 171 Gargiulo, Alfredo  267, 492, 493, 506, 507, 511, 760, 761 Garin, Eugenio  125, 128, 342 Garrido, Manuel  199 Garroni, Emilio  121, 148, 153, 154, 166, 167, 170, 345n, 360, 491, 492, 493, 499, 503–507 Garve, Christian  23, 99, 104, 117, 138, 651, 658, 659, 675, 700, 731, 732 Geckeler, Horst  620 Gedike, Friedrich  310 Gehler, Johann Samuel Traugott  316 Gensichen, Johann Friedrich  536 Gentile, Andrea  139, 140 Gentile, Giovanni  124, 126, 127, 128, 130, 158, 159, 165, 202, 246 Geonget, Brigitte  101, 102, 103 George, Rolf  49 Georges, Karl Ernst  614, 615, 617 Gerhardt, Carl Immanuel  344, 528 Gerhardt, Volker  516 Gervat, Yen-Mai  736 Geymonat, Ludovico  452 Gherincea, Iosif  282, 284 Gibelin, Jean  104, 107, 108, 186, 187, 282, 293, 684 Gil, Alberto  744 Giordanetti, Piero  136, 140, 687 Giorgioantonio, Michele  138 Giovanni, George di  54, 69, 71, 662 Giovanni, Piero di  126 Gipper, Andreas  723, 736 Glen-Doepel, William  499 Glucker, John  514 Goethe, Johann Wolfgang von  101, 275, 277, 348, 619, 734 Goetschel, Willi  17, 21, 236, 594 Goldgewicht, Mathieu  92 Goldschmidt, Jean Arthur  731 Goldthwait, John T.  662, 663, 664 Gölz, Walter  371

853

Gómez Caffarena, José  205 Gonnelli, Filippo  124, 130, 134, 137, 138, 162, 168, 169 González Ríos, José  26, 209 Görland, Albert  280 Görler, Woldemar  513 Görres, Joseph  703 Gorun, Ion [Hodoş, Alexandru]  277 Gottschalk, Filipa  261 Gottsched, Johann C.  423, 426, 427, 431, 452 Goulet, Richard  326 Graeber, Wilhelm  749 Gram, Moltke S.  49 Grandjean, Antoine  472, 473, 474, 486 Granja Castro, Dulce María  11, 26, 177, 178, 181, 183, 185, 190, 192, 198, 209, 318, 541 Grapotte, Sophie  73, 97, 98, 99, 486, 487, 684 s’Gravesande, Willem Jacob  455 Gregor, Mary J.  42, 44, 45, 54, 56, 57, 58, 60, 66, 69, 71, 251, 297, 298, 318, 627, 640–646, 651, 660, 665, 672, 673, 675 Gregory, Tullio  13, 325, 326, 333 Grezzi, Pierpaolo  327 Grice, Herbert Paul  398 Griesinger, Georg Friedrich von  76 Grillenzoni, Paolo  139, 701 Grimm, Jacob Ludwig Karl  238, 315, 331, 426, 433, 544, 621 Grimm, Wilhelm Carl  238, 315, 331, 426, 433, 544, 621 Gros, Frédéric  139 Gross, Félix  291, 293, 300 Grotius, Hugo  633, 634 Gründer, Karlfried  354, 544 Guedes, Daniela Botelho B.  256 Gueintz, Christian  376, 377, 382, 403 Guerra, Augusto  143 Guillermit, Louis  112, 188, 485, 489, 546 Gutiérrez, Raúl  192

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854

Personenverzeichnis

Guyer, Paul  14, 49, 51, 53, 54, 56, 57, 66, 67, 68, 69, 70, 72, 130, 250, 251, 300, 324, 325, 493, 513, 573, 574, 628, 649, 650, 651, 652, 653, 659, 660, 661, 662, 663, 664, 666, 667, 673 Habermas, Jürgen  297 Haller, Albrecht von  95 Hamann, Johann Georg  95, 295, 732 Hamm, Christian  245, 609 Hans-Bianchi, Barbara  363 Hansen-Løve, Ole  81 Häring, Theodor  97, 98 Hartenstein, Gustav  111, 188, 238, 283, 289, 308 Hartman, Robert S.  45, 520 Hartshorne, Charles  343 Hartung, Gerald  635 Hartung, Johann Heinrich  700 Haßler, Gerda  367, 412 Haß-Zumkehr, Ulrike  444 Hastie, William  627 Hatfield, Gary  69, 454, 513 Haywood, Francis  267 Heath, Douglas D.  359 Heath, Peter  57, 69, 70, 71, 72, 454, 513 Hechsel, Johann Friedrich  467, 530 Heck, José  620 Hecken, Thomas  677 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich  20, 21, 126–129, 145, 177, 192, 254, 285, 286, 323, 338, 415, 420, 505, 629, 651 Heidegger, Martin  28, 140, 220, 254, 323, 415, 723, 725, 730–734, 736, 740, 742, 743, 745 Heidemann, Ingeborg  201 Heimsoeth, Heinz  528 Heine, Heinrich  339 Heliade Rădulescu, Ion  276 Heller, Lavinia  723, 734, 736 Hennig, Georg Ernst Sigismund  315 Henrich, Dieter  54, 528 Herder, Johann Gottfried  44, 204, 223, 295, 308, 319, 434, 649, 668, 703, 732, 739

Hermans, Theo  736, 737, 738 Hernández Marcos, Maximiliano  199 Herschel, William  90 Herz, Marcus  192, 262, 264, 299, 444, 549, 606 Heubel, Fabian  333 Heyd, Michael  654 Heyn, Johann  705 Hieronymus, Sophronius Eusebius  735 Hilbert, David  454 Hill, Thomas E.  42, 298 Hinske, Norbert  18, 22, 30, 150, 151, 187, 194, 207, 308, 316, 328, 330, 340, 354, 361, 364, 428, 540, 541, 603 Hobbes, Thomas  223, 629, 634, 635, 638–640 Hoffmann, Adolph F.  464–466 Hoffmann, Christian  427 Hoffmann, Lothar  367, 400, 423, 427, 732 Hofmann, Joseph Ehrenfried  353 Hohenegger, Hansmichael  12, 18, 19, 22, 30, 148, 153, 154, 167, 170, 337, 438, 503, 506, 547, 675, 682 Hohenemser, Rolf  138, 458 Holbach, Paul Henri Thiery baron d’   699 Holger, Katharina  340 Holz, Harald  177 Holzer, Peter  742 Holzhey, Helmut  317, 318, 593, 594 Honecker, Martin  177 Horaz  735 Horstmann, Rolf Peter  516 House, Juliane  333 Hruschka, Joachim   635 Huber, Louis-Ferdinand  750 Hufeland, Christoph Wilhelm  292–294 Hufeland, Gottlieb  190, 311 Hulshof, Monique  249, 251, 252–254, 256, 613 Humboldt, Friedrich Wilhelm von   732 Hume, David  58, 233, 477, 565, 651, 655, 656, 657, 658, 671, 675, 752

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Personenverzeichnis

Humphrey, Ted B.  42–45 Hundsnurscher, Franz  368 Hunnaeus, Augustinus  356 Hunnius, Nicolaus  356 Huygens, Christiaan  91, 521 Hyppolite, Jean   143 Ianoşi, Ianina   289 Ianoşi, Ion  289 Ihring, Peter  750 Ionescu, Nae  279, 280 Jacob, Hans  438 Jacobi, Friedrich Heinrich  136 Jade-Poliquin, Émilie  99, 100, 318 Jaeger, Petra  725 Jaki, Stanley L.  43 Jakob, Ludwig Heinrich  78, 352, 354 Jantzen, Jörg  438 Jaques Pi, Jèssica  223, 225, 229, 230, 231, 235, 241, 242 Jäsche, Gottlob Benjamin  88, 112, 113, 135, 254, 270, 289, 290, 318, 352, 358, 468, 485, 520, 525, 531, 535–546, 672 Jáuregui, Claudia  176 Jenisch, Daniel  351, 352 Jesus, Paulo  269, 704 Jiménez Moreno, Luis  192, 206 Jiménez Rodríguez, Alba  207 Job, Michael  368 Johnson, Gregory  44 Johnston, Ian  43 Jolowicz, Herbert F.  633 Jooken, Lieve  744 Kahle, Ludovic Martin  521, 522, 528 Kalverkämper, Hartwig  367, 400, 408, 423, 427, 732 Kämper, Heidrun  401 Kästner, Abraham G.  194, 451 Kaukark-Leite, Patricia  17 Kaufmann, Matthias  23 Keckermann, Bartholomäus  356 Kehrbach, Karl  277, 280, 282

855

Keil, Anton  75 Kellermann, Benzion  289 Kelly, Christopher  629 Kemp Smith, Norman  54, 58, 201, 202, 246, 324, 325, 581 Kempf, Roger  101 Kerferd, George Briscoe  56 Kerszberg, Pierre  93, 94 Kervegan, Jean-François  294 Keul, Hans-Klaus  296 Keyes, Clinton Walker  636–638 Kinkel, Walter  289 Kirchmann, Julius H. von  287, 308 Kirstein, Robert  744 Klein, Ansgar  186 Klein, Lawrence Eliot  654 Kleingeld, Pauline  43, 628 Kleininger, Thomas  290 Kleinmann, Ofida  700 Klemme, Heiner  320, 324 Kluckhohn, Paul  438 Knox, Thomas Malcolm  505, 629 Knutzen, Martin  93, 705 Kohlmayer, Rainer  739, 740 Konerding, Klaus-Peter  368 Kopf, Achim  698 Kopper, Joachim  288 Kosbiau, Diego Trevisan  17, 23, 254 Kowalewski, Arnold  193, 194 Koyré, Alexandre  456 Krallmann, Dieter  340 Kraus, Christian Jakob  535 Krause, Albert  103 Kreutzfeld, Johann Gottlieb  144 Kroeber, Burkhart  159, 365 Krop, Matthias  28 Krueger, James  650 Krueger, Paul  632 Krug, Wilhelm Traugott  276 Kuehn, Manfred  320 Kuhn, Thomas S.  455 Kühne, Marie-Ann  744 Külpe, Oswald  189 Kurtz, Joachim  334 Kutzner, Gottlieb  115

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856

Personenverzeichnis

La Rocca, Claudio  121, 189, 551 La Vopa, Anthony  658 Lachelier, Henri  279 Lachmann, Karl  339 Lacoste, Jean  101, 765 Ladd, John  627, 628, 640, 641–646 Ladmiral, Jean-René  419, 420, 421, 427, 479 Lagarde, Alain  81 Lalande, André  354 Lamacchia, Ada  125, 141 Lamarra, Antonio  326, 344 Lambert, Johann Heinrich   77, 94, 145, 264, 299, 423, 450, 456, 519 Lamego, José  261 Landau, Albert  427, 428 Landolfi Petrone, Giuseppe  121, 159, 168, 169, 754, 755, 757 Lange, Friedrich Albert  337, 338 Langlois, Luc  99, 100, 115, 116, 318 Lanoë, Élise  700, 713 Large, Duncan  736, 739, 744 Laslett, Peter  635 Launay, Marc B. de  94, 420, 479 Laurén, Christer  400 Laurian, August Treboniu  276 Lauth, Reinhard  438 Lavater, Johann Caspar  95, 142, 666 Lavoisier, Antoine L. de  456 Lazăr, Gheorghe  275, 276, 752 Lăzăroiu, George  289 Lazzari, Riccardo  742 Lefèvre, Wolfgang  319, 698 Lefort, Élisabeth   704 Lehmann, Gerhard  96, 103, 105, 110, 114, 188, 307, 540, 683 Leibniz, Gottfried Wilhelm  58, 70, 149, 188, 189, 206, 222, 226, 261, 323, 326, 344, 353, 354, 423, 424, 430, 431, 485, 515, 521, 526, 528, 699, 752 Leita, Joan  222, 226, 228, 229, 235, 237, 239, 241, 242 Lenin, Wladimir Iljitsch  285 Lequan, Mai  697, 704

Lessing, Gotthold Ephraim  275, 295, 310, 339 Levine, Joseph M.  327 Leyva, Gustavo  175, 181, 190 Lezai-Marnézia, Adrien  76 Li, Qiuling  333 Li, Wie  323 Libera, Alain de 727 Liddell, Brendan E. A.  42 Liebmann, Otto  338, 339 Lind, Günter  451 Lizárraga, Gonzalo  753 Llinares Chover, Joan Baptista  221, 222, 225, 227, 236, 241, 243 Llorenc i Barba, Francesc Xavier  243 Locke, John  13, 58, 326, 354, 635, 650, 651, 654, 655, 660, 671, 730, 731, 740 Loeper, Gustav von  348 Lollini, V. E.  184 Lombardo Radice, Giuseppe  126, 127, 128, 158, 165 Lombez, Christine  765 Longuenesse, Béatrice  572 Lonitz, Henri  434 López y López, José  187 Lorini, Gualtiero  606, 681 Losacco, Michele   127 Losurdo, Domenico  703 Lott, Tommy L.  44 Louden, Robert B.  57, 70–72, 298, 650, 651, 662, 672–674, 681, 717, 718 Love, Brandon  42, 571 Lown, Guy  571 Lubisco, Fulvio  256 Lucas, Peter G.  43 Ludwig, Bernd  57 Luther, Martin  426, 439, 461, 654, 658 Lutoslawski, Wincenty 177 Lutzeier, Peter R.  368 Maaler, Josua  267 Machiavelli, Niccolò  752 Magalhães, Rui  262 Magee, Glen A.  44 Magnien, Michel  360

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Personenverzeichnis

Magnien-Simonin, Catherine  360 Maier, Heinrich  189 Maierù, Alfonso  527 Maiorescu, Titu  276, 279, 287, 288, 299 Malcolm, Noel  505, 629 Malinowski, Bronislaw  325 Malter, Rudolf  95, 205, 298 Manfredi, Eustachio  92 Manganaro, Paolo  144, 188 Manolesco, John  664 Mantovani, Vincenzo  13, 126, 267, 750, 751, 754–757, 766 Marassi, Massimo  148, 149, 165, 169 Marcucci, Silvestro  121, 124, 452 Marcuzzi, Max  94, 111, 112, 715 Mardomingo, José  202, 203, 222, 239 Marey, Macarena  26, 190, 194, 197, 209 Marías, Julián  541, 542, 545 Marietti, Anna Maria  130, 151, 164, 165, 168, 170, 171, 172 Marini, Alfredo  144, 731, 736, 742, 743 Marion, Jean-Luc  326 Marques, António  247, 260, 262, 264, 267, 270, 509–511, 613–615, 682 Marshall, Donald G.  499 Martin, Gottfried  340, 507 Martinetti, Piero  151, 165, 348, 349 Martins, Clélia Aparecida  254, 255 Marty, François  81, 93, 104–109, 300, 417, 419, 475, 476, 487, 597, 614, 615, 684 Marx, Karl  285, 286, 323 Mas, Salvador  203 Másmela, Carlos  453, 459 Masson, Joëlle  483 Masson, Olivier  483 Masters, Roger Davis  629 Mathieu, Vittorio  104, 107–109, 124, 128, 131, 138, 165, 169, 170, 240, 246, 297, 298, 318, 684 Matos, Manuel  260 Mattey, George J.  318 Matthews, Eric  57, 69, 72, 251, 493, 661, 662, 673

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Mattos, Fernando Costa  249–251, 253, 254, 613 Maupertuis, Pierre-Louis Moreau de   455 May, Joseph A.   719 Mayos, Gonçal  223, 226, 227, 241 Mazilu, Daniel  299 McCleod, Grant  632, 633 Mecacci, Luciano   142 Meerbote, Ralf  67, 68, 71, 458 Meggle, Georg  399 Megill, Allan  327 Meier, Georg Friedrich  88, 95, 112, 191, 290, 307, 462–464, 466–469, 471, 486, 514, 516, 521, 522, 528–530, 539, 542, 544 Meissner, Napoleon N.W.  315, 316, 351 Melanchthon, Philipp  356 Mèlich i Sangrà, Joan-Carles  223 Mellin, Georg Samuel Albert  77, 82, 150, 218, 280, 316, 317, 350, 351, 356, 429 Mendelssohn, Moses  78, 95, 145, 223, 233, 295, 299, 310, 351, 352, 354, 434, 519, 521, 563, 651, 657, 658, 675 Mendieta, Eduardo  697, 718, 719 Menninghaus, Winfried  438, 443 Menzer, Paul  115, 191, 283, 519 Meo, Oscar  135, 144, 145, 163, 165, 167, 168 Meredith, James Creed  186, 506 Merino Álvarez, Raquel  542 Merker, Nicolao  137 Merkle, Denise  753 Meyer, Michel  113 Micheli, Giuseppe  751, 753 Mielcke, Christian Gottlieb  42 Migne, Jacques-Paul  527 Mihailov, Emilian  297 Mikkelsen, Jon M.  44, 45 Miller, Eugene F.  656 Milsom, Stroud Francis Charles  632 Miñana y Villagrasa, Emilio  178, 179, 199 Mittelstraß, Jürgen  425

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Personenverzeichnis

Möller, Susann  23 Mohr, Georg  21, 26, 103, 235, 317, 341, 437, 449, 575, 677 Moisuc, Elena   285, 286, 299 Moivre, Abraham de  521 Moledo, Fernando  26, 176, 193, 209 Molinuevo, José Luís  177 Monis, Maria Lin  752 Montaigne, Michel de  360, 653 Montinari, Mazzino  331 Montmort, Pierre Rémond de  521 Montserrat, Miquel Capella  222–225, 227, 231, 232, 241 Moore, Georges Edward  642 Moore, Terence  68 Moosburger, Udo B.  246, 247, 250 Morana, Cyril  699 Moranza, Ciro  257 Morão, Artur  252, 260, 261, 267, 268, 271, 452, 611, 620 Moreno, Alejo García  81, 184, 186, 267, 541, 543, 545, 753, 758, 760–762 Moreno, Luis Jiménez  192, 206 Moretti, Franco  329 Morgan, Jerry L.  398 Moro, Nadia  564 Morujão, Alexandre Fradique. 247, 250, 260, 267, 597, 620, 682 Morujão, Carlos  262 Moscati, San Giuseppe  697 Mou, Zongsan  333 Moutsopoulos, Evanghelos  294 Moyle, John Baron  633 Mrongovius, Christoph Cölestin  14, 89, 115, 116, 207, 271, 319, 650–652, 668, 670, 671, 682 Mudroch, Vilem  317, 318, 594 Müller, Carl Werner  513 Mueller, F. Max  314 Müller, Gerhard H.  326 Müller, Marcus  367, 732 Müller, Martin  334 Müller, Wilhelm  315 Muguerza, Javier  177 Mumbrú, Àlex  201

Muncker, Friedrich  339 Münnix, Gabriele  736 Munzel, G. Felicitas  71, 650, 651, 669–672, 718 Mureşan, Valentin  297, 298 Nadai, Bruno  254 Nadler, Josef  732 Nancy, Jean-Luc  425 Naragon, Steve  26, 27, 69, 71, 93, 95, 177, 194, 197, 265, 268, 305, 341, 652, 661, 717 Natal, Rufino  187 Natorp, Paul  185, 208, 280 Navarro Cordón, Juan Manuel  198 Naves, Rodrigo  255 Nehring, Robert  677, 678 Neis, Cordula  412 Nemirovsky, Samuel  452 Newton, Isaac  91, 101, 262, 271, 450, 452–456, 471, 474, 695, 696 Nicholas, Barry  633 Nicolai, Friedrich  310, 363 Nicolas, Gérard  117, 703 Nieto Serrano, Matías  178 Nietzsche, Friedrich  139, 323, 331, 332 Nisbet, Hugh Barr  42–45, 628, 629 Nistor, Eugeniu  278 Noica, Constantin  281, 283, 284 Nord, Christiane  167 Norman, Richard  298 Norro, Juan José García  198 Novák, Lukáš  551 Novalis [Georg Philipp Friedrich von Hardenberg]  438 Novati, Laura   138 Núñez, Manuel Fernández  183, 210, 216 Núñez Sesse, Toribio   178 Nuzzo, Angelica  44 Ochoa Disselken, Hugo  192 Ol’chovikov, Boris A.  367 Olesti, Josep  222, 225–227, 231, 232, 241, 242, 243

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Personenverzeichnis

Oncina, Faustino  189 Orden Jiménez, Rafael Valerio  198 Orend, Brian  43 Oroño, Matías  197 Ortega y Gasset, José  173, 178 Osmo, Pierre  26, 317, 420 Ota, Miki  297 Ottmann, François  415 ff. Ovejero Mauri, Eduardo  198, 205 Owen, Gwilym Ellis Lane  362 Oyarzún, Pablo  180, 186, 187, 192, 195, 215 Pacaud, Bernard  202, 279, 280, 417, 418, 419, 597 Palacios, Juan Miguel  177, 183, 198 Palaia, Roberto  326, 344 Palancares, Óscar  183, 209 Palanga, Nicola  762–765 Palmquist, Stephen R.  39, 40, 44–46, 318, 571, 581, 583, 584, 586, 671 Paltrinieri, Gian Luigi  145 Panarra, Pedro  264, 270, 682 Paolucci, Mariela  26, 175, 183, 209 Pape, Helmut  343 Papi, Fulvio   144 Pârvu, Ilie  285, 297, 299, 300 Pârvu, Radu Gabriel  297, 298 Pasini, Enrico  450 Pasquali, Giorgio  327 Paton, Herbert James  54, 58, 66, 199, 297, 298 Paul, Hermann  619 Pavlenko, Aneta  323 Payne, John  639 Pecere, Paolo  169, 449, 450, 453, 455, 457, 459, 526 Peirce, Charles Sanders  61, 343 Pelletier, Arnaud  89–93, 109, 110, 478 Pereira, Américo  262 Pérez López, Manuel Francisco   204 Perojo y Figueras, José del  178, 179, 183, 200, 210, 753 Perrinjaquet, Alain  103 Petrovici, Ion  282

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Pettoello, Renato  564–567, 569 Peyer-Imhoff, Hercule  75, 276 Phelps, M. Stuart  575 Philippi, Wilhelm Albert Ferdinand   356, 357, 466, 467, 469, 518, 519 Philonenko, Alexis  83, 186, 298, 480, 482, 483, 766 Picavet, François  74, 82, 280, 758, 759 Picht, Heribert  400 Pietsch, Lutz-Henning  427 Pimpinella, Pietro  326, 344 Pinder, Tilllman  466, 467, 524 Pinto Freyre, Jesús  207 Pinzani, Alessandro  24, 217, 547, 593, 609 Pirazzini, Daniela  736 Piur, Paul  423, 426 Plack, Iris  742, 749, 750, 763 Platon  724, 728, 736–739, 741, 743 Plautus  615, 616 Plinius  615 Plotin  724 Pluhar, Werner S.  43–46, 49, 314, 318, 572, 573, 575, 576, 660, 661 Poggi, Alfredo  141, 142 Poggi, Davide   326 Pohl, Inge  368 Poirier, Jean-Paul  698, 700 Polenz, Peter von  416, 427, 435, 437 Pölitz, Karl Heinrich Ludwig  77, 78, 98, 113, 114, 117, 142, 330, 358, 467, 487, 488, 522–525, 529, 569, 653, 662, 703, 753 Pollok, Konstantin  449 Pop, Adriana  299 Pop, Grigore Traian  288 Poppe, Bernhard  515 Pörksen, Uwe  423 Porter, Catherine   727 Posada Kubissa, Luisa  205 Powalski, Gottlieb  668, 669 Powell, Jonathan G. F.  514, 725 Prades Vilar, Mario  189 Prauss, Gerold  437 Pringe, Hernán  26, 176, 209

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Personenverzeichnis

Proença, João Tiago  263 Puder, Martin  18 Pufendorf, Samuel von  634 Pugliesi, Heloisa Sarzana  256 Pupi, Angelo  458 Quine, Willard Van Orman  54, 65, 723 Quintana Canabs, José María  206, 788 Quintela, Paulo  222, 240, 245, 254, 260, 268, 620, 763–765 Quintilian  735 Rábano Gutiérrez, Alberto  205 Rabel, Gabriele  664 Rabelais, François  653 Radermacher, Hans  177 Radin, Max  629, 630 Rădulescu-Motru, Constantin   277–280, 282, 289 Rădulescu, Heliade   276 Ramharter, Esther   28 Ramos, Manuel  221, 222 Rauscher, Frederick  54, 70–72, 574, 575, 666, 667 Rawling, Piers  736 Rawls, John  54, 56, 628, 641 Ray, John  703 Raymond, Marcel  635 Reale, Giovanni  132, 160 Recki, Birgit   455 Rée, Jonathan  163, 166, 744 Reguera, Isidoro  206 Rehl, Beatrice  68 Reich, Klaus  191, 437 Reichenbach, Hans  455 Reichmann, Oskar  367, 368, 422, 732 Reicke, Rudolf  22, 96, 97, 103 Reimarus, Albert Heinrich  78 Reimarus, Hermann S.  363 Reiners, Ludwig  235 Reinhardt, Olaf  57, 70, 513, 719 Reinhold, Karl Leonhard  299 Reis, Alberto  262 Reiss, Hans  42–45, 628

Reiss, Katharina  736 Renaut, Alain  250, 300, 417, 419, 438, 476, 480, 482–484, 488 Renouvier, Charles  750 Rey y Heredia, José  178, 753 Ribas, Pedro  183, 200–202, 210, 545 Richard, Gaston  279 Richardson, John  39, 40, 627 Ricken, Ulrich  367, 412, 423, 431 Riconda, Giuseppe   124, 142 Riedel, Manfred  425 Riedlinger, Albert   397 Riehl, Alois  597, 598, 600 Riem, Andreas  295 Rigobello, Armando   135 Rink, Friedrich Theodor  70, 81, 88, 111, 112, 117, 263, 535–538, 672, 719 Río, Alejandro del  207 Río, Julián Sanz del  178 Ripa di Meana, Ludovica  345 Rischmüller, Marie  635 Risse, Wilhelm  359 Ritter, Joachim  354, 544 Ritzel, Wolfgang  677 Rivelaygue, Jacques  95, 477, 486 Rivera de Rosales, Jacinto  185, 203, 205 Rizzetti, Giovanni  521 Robinson, Hoke  67, 275 Robitaille, Mathieu  99, 100, 318 Roche, Geneviève  749 Rodi, Frithjof  677 Rodríguez Aramayo, Roberto   177, 184, 185, 186, 190, 199, 200, 202–204, 207, 215, 318, 541 Roelcke, Thorsten  169, 170, 367, 368, 397, 398–401, 403, 404, 412, 427, 428, 433, 732 Rohden, Valerio  24, 183, 215, 217, 245–253, 260, 267, 270, 317, 318, 509–511, 547, 593, 609, 613–619, 620, 625, 682 Rohrbasser, Jean-Marc  698 Roldán Panadero, Concha  204, 207 Romerales, Enrique  207

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Personenverzeichnis

Roncoroni, Massimo   142 Rooryck, Guy  744 Rosen, Michael  29, 68, 71, 574, 683, 684, 691 Rosenkranz, Karl  96, 289, 290, 308 Ross, William David  642 Rosmini, Antonio  754 Rössler, Martin  736 Roth, Udo  450 Rothblack, Sheldon  176 Roura, Jaume   243 Rousseau, Jean-Jacques  101, 629, 635, 666, 699, 744 Rousseau, Philippe  700 Rousset, Bernard  81 Roviello, Anne-Marie  93 Rovira Armengol, José  184, 186, 200, 545 Rovira, Rogelio  198 Roždestvenskij, Juij V.  367 Rüdiger, Andreas  515 Rudnick, Hans H.  44 Rudolph, Ulrich  326 Ruffing, Margit  17, 121, 551 Rumore, Paola  450 Rusu, Aurelia  287 Ruvira, Juan  81, 186, 267, 541, 543, 753, 760, 761 Sadun Bordoni, Gianluca  150, 151, 194 Sagra, Ramón de   178 Saldanha, Gabriela   727 Salesbury, William  267 Salvage, Robert  521 Samuel, Richard  438 Sanches, Manuela Ribeiro  263, 269 Sánchez, Dolores  744 Sánchez García, Manuel   207 Sánchez Madrid, Nuria  194 Sánchez Rodríguez, Manuel  207, 677, 681 Sander, Gerald G.  403 Sanderson, Robert  530 Sandkühler, Hans Jörg  753 Sanhueza Jérez, Diego  194

861

Santamaría Pérez, Adrián  207 Santinello, Giovanni  125 Santos, Leonel Ribeiro dos   259, 262–264, 269, 271, 272, 509–512 Santos, Manuela Pinto dos  247, 250, 260, 263, 267, 597, 620, 682 Santos, Marina  263 Santos, Paulo Licht dos  256, 601 Santulli, Francesca  736 Sanz del Río, Julián  178 Sanza, Silvia di   203 Sardinha, Diogo   704 Saussure, Ferdinand de  397 Scaravelli, Luigi  504 Scarpelli, Giacomo  517 Scarpitti, Michael A.  23 Schäfer-Prieß, Barbara  752 Schaper, Eva  56, 57, 66, 69 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph   127, 192, 323, 338, 438, 439 Schiewe, Jürgen  423 Schiller, Friedrich  95, 233, 295 Schirokauer Hartmann, Robert  45 Schlegel, Karl Wilhelm Friedrich  732 Schleiermacher, Friedrich  28, 65, 254, 733, 735, 736, 737, 738, 739, 740, 743, 746, 747 Schmid, Carl Christian Erhard  316, 428, 429 Schmidt, Elke E.  317 Schmidt, Raymund  183, 201, 218, 246, 280, 285, 286, 337, 391 Schmidt-Biggemann, Wilhelm  593 Schmitz, Hans-Christian  341 Schmitz, Klaus-Dirk  400 Schneewind, Jerome B.  57, 69, 71 Schneider, Ulrich Johannes  316, 746 Schnepf, Robert  23 Schögler, Rafael Y.   744 Schöndörffer, Otto  22, 462, 540, 717 Schönecker, Dieter  22, 23 Schöntag, Roger  752 Schopenhauer, Arthur  128, 148–150, 291, 338, 752 Schreiber, Michael  745

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Personenverzeichnis

Schubert, Friedrich Wilhelm  96, 308 Schubert, Klaus  409 Schueren, Gert van der  267 Schuessler, Rudolf  514 Schultz, Johann  105, 535 Schultz, Karl  290 Schumacher, Ralph  516 Schuster-Stein, Paul  275 Schütz, Christian Gottfried  212, 214, 311, 594 Schwan, Chrétien F.  315 Schwarz, Wolfgang  43, 45, 314, 318, 520, 572, 575 Schwarzböck, Silvia  178 Sechehaye, Albert  397 Secrétan, Jean-David  74, 76 Seel, Gerhard  103 Seidengart, Jean  93, 94 Seifert, Arno  518 Séroussi, Valérie  94, 111, 715 Serra, Alicia  17 Serra, Eduard  222, 224, 227, 241 Serrano Escallón, Gonzalo  180, 192, 193, 194 Serrano, Matías Nieto  178 Serrão, Adriana Veríssimo  259, 263, 269, 272, 509 Seruya, Teresa  752 Sewall, Frank  293 Sgarbi, Marco  326, 543 Shaftesbury, Anthony Ashley Cooper   651, 654–657, 666, 667, 675 Shakespeare, William  653 Sheldon, Gilbert  639 Sier, Kurt  513 Silva, Fernando M. F.  259, 263, 265, 271, 677, 682 Smith, Robin  527 Snell-Hornby, Mary  167 Soave, Francesco  754 Solari, Gioele  124, 137, 138 Sommer, Manfred  17 Sonderegger, Stefan  422 Soromenho‑Marques, Viriato  260 Spedding, James  359

Sperber, Hans  619 Spinoza, Benedictus de  752 Stackelberg, Jürgen von  749 Staël, Anne Louise Germaine de  750 St.André, James   727 Stapfer, Philipp Albert  751 Stark, Werner  101, 103, 319, 320, 342, 535–537, 539, 697, 719 Stein, Peter  632 Steiner, Peter M.  738, 739 Stern, Martin  539 Stieler, Kaspar von  426 Stiening, Gideon  450 Stolze, Radegundis  409 Stolzenberg, Jürgen  21, 23, 26, 235, 317, 341, 372, 437, 449, 575, 677 Storandt, Peter  190, 192, 318 Störig, Hans-Joachim  733 Storjohann, Petra  401 Stratton-Lake, Philip  642 Strawson, Peter F.  54, 371 Stroia, Liviu  294, 295 Stuart, Friedrich  95 Suárez, Francisco  550, 551 Sulfină, Adrian  277 Sulzer, Johann G.  700 Suphan, Bernhard  649 Surdu, Alexandru  287–290, 299 Süßmilch, Johann Peter  519 Tamburini, Pietro  754 Tenenbaum, Katrin  135 Terra, Ricardo  249, 255 Testa, Alfonso  754 Tetens, Holm  371 Thamin, Raymond  81, 283 Theis, Robert  97, 461, 472, 473, 560 Thisted, Marcos  26, 29, 175, 176, 183, 197, 209 Thomann, Marcel  353 Thomas von Aquin  342 Thomasius, Christian  423, 424, 425, 426, 428, 442, 515, 593 Thorpe, Lucas  318 Tieftrunk, Johann Heinrich  89, 306

Archiv für Begriffsgeschichte Sonderheft 15



Personenverzeichnis

Tilgher, Adriano  127 Timmermann, Jens  42, 60, 153, 297, 314, 324 Tió, Jaume  223, 224, 227, 242 Tissot, Claude Joseph  76, 77, 78, 79, 81, 82, 87, 94, 112, 113, 267, 291, 293, 417, 418, 541, 751, 753, 755–758, 762, 763, 764 Todoca, Mihai-Andrei  299 Tognini-Bonelli, Elena  330 Tommaseo, Niccolò  761 Tommasini, Fiorella  207 Tonda, Pablo Veraza  207 Tonelli, Giorgio  18, 464, 528 Torretti, Roberto  190, 191, 205 Totaro, Pina  337, 517, 547 Tourneux, Maurice  729 Toury, Gideon  735, 741 Treash, Gordon  44 Tremesaygues, André  202, 278, 279, 280, 417, 418, 419, 597 Trevisan, Diego Kosbiau  17, 23, 254 Trier, Jost  620 Tu, Weiming  333 Tuck, Richard  633 Ţurlea, Martin  289 Turner, Ralph V.  632 Turró, Salvi  222, 223, 225–227, ­231–236, 238, 241, 242, 243 Tuschling, Burkhard   684 Ueberweg, Friedrich  593 Uhl, Wilhelm  432 Ullmann, Stephen  620 Uribarri Zenekorta, Ibon  542, 752, 753, 760 Vaihinger, Hans  12, 290, 337, 340, 341, 343, 345, 346, 598, 603, 604 Valente, Luisa  517 Valera, Manuel Ramos  221 Van Caenegem, Raoul Charles  632 Van Moerbeke, Willem  726 Varisco, Bernardino  764 Vatamaniuc, Dimitrie  287

863

Vaysse, Jean-Marie  420, 479 Vázquez Lobeiras, María Jesús  184, 193, 194, 198, 205, 207, 535, 537, 540–542, 545 Veca, Salvatore  137 Velotti, Stefano  503, 517 Venuti, Lawrence  159, 160 Veríssimo Serrão, Adriana  259, 263, 269, 272, 509 Verneaux, Roger  80, 317 Verra, Valerio  121, 126–130, 146, 150, 155, 492, 493, 507, 511 Vianu, Tudor  282 Vico, Giambattista  149 Vidari, Giovanni  130, 131, 138, 143, 279, 762–765 Vier, Raimundo  255 Vilar, Gerard  221, 222, 225, 227, 235, 237, 238, 241–243 Villacañas Berlanga, José Luís  177, 203 Vişan, Raul  280, 281 Vleeschauwer, Herman Jan  598–600 Vogt, Irene  363 Volckmann, Johann W.  117, 194 Volpi, Franco  140, 745 Voltaire   699, 752 Vorländer, Karl  187, 190, 280, 283, 290, 293, 308 Vuillemin, Jules  452, 453 Vygotsky, Lev  224 Wackenroder, Wilhelm Heinrich  348 Wagnerová, Marina  403 Waibel, Violetta  752 Waitz, Theodor  337 Walch, Johann G.  425, 426 Waldstein, Wolfgang  632 Walford, David  56, 68, 71, 458 Walker, Bryan  633 Walker, Nicholas  20, 21, 23 Wallerius, Johan Gottschalk  92 Warda, Arthur  306, 310, 331, 519, 521, 606 Warrender, Howard  634

Archiv für Begriffsgeschichte Sonderheft 15

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Personenverzeichnis

Wasianski, Ehregott Andreas ­Christoph   105 Waterman, Walter B.  117, 118 Watkins, Eric  54, 57, 66, 70, 72, 719 Wei, Li  323 Weigl, Engelhard  704 Weinrich, Harald  345 Weinsheimer, Joel  499 Weischedel, Wilhelm  153, 186 –189, 191, 246, 307, 308, 548, 607 Weiss, Peter  343 Wellek, René  753 Werner, Jürgen  513 Werner, Michael  750 Westphal, Kenneth R.  71, 72, 574, 575 Whewell, William  630, 631 Whiston, William  705 Wiegand, Herbert Ernst  367, 400, 423, 427, 732 Wieland, Christoph Martin  295, 311, 651, 658, 703 Wiggins, Ellwood Holler  522 Willaschek, Marcus  21, 23, 26, 219, 235, 317, 341, 449, 575, 641, 677, 687 Wilson, Holly  651, 664, 665 Wilson, Jonathan Sinclair  67, 68 Wilson, Philip  20, 736 Wimmer, Reiner  297 Windfuhr, Manfred  339 Wismann, Heinz  75, 318, 478 Wittgenstein, Ludwig  28, 323, 732 Wittrock, Björn 176 Wohl, Victoria  514 Wolf, Charles   93 Wolfe, Charles T.  572 Wolff, Christian  18, 58, 70, 146, 147, 188, 189, 206, 261, 275, 350, 351, 352, 353, 355, 356, 363, 364, 423–426, 430–434, 439, 441, 442, 450, 455, 457, 458, 463, 464, 515, 518, 519, 543, 544, 603, 604, 611

Wolff, Michael  23 Wolff, Robert Paul  54 Wolfzettel, Friedrich  750 Wood, Allen William  14, 42, 49, 51, 53, 54, 67, 69, 71, 72, 130, 239, 250, 298, 300, 324, 325, 513, 573, 574, 629, 649, 650, 651, 659, 660, 663, 718 Wu, Mi  327 Wuerth, Julian  26, 56 Wunderlich, Falk  319, 698 Wundt, Wilhelm  278 Wüster, Eugen  389, 400 Xirau, Joaquim  243, 244 Yifu, Tuan  327 Young, J. Michael  68, 71, 513, 520, 546 Young, Robert J. C.  727 Zac, Sylvain  93, 472, 473 Zalabardo, José Luis  206 Zalomit, Ion  276 Zalta, Edward N.  514 Zamfirescu, Vasile Dem.  288, 289, 299 Zanettin, Federico  332, 333 Zedler, Johann H.  316, 331 Zedlitz, Karl Abraham von  112, 299, 539, 593 Zehbe, Jürgen  697, 700, 706 Zeller, Eduard  337 Zetzel, James Eric Guttman  636, 638 Zick, Martin  299 Zill, Rüdiger  360 Zingano, Marco A.  255 Zöller, Günter  43, 70, 72, 662 Zonta, Mauro  327 Zozaya, Antonio  184, 752, 758, 759, 762, 764, 765 Zuckert, Rachel  650, 654 Zwanziger, Johann C.  310 Zweig, Arnulf  42, 57, 69, 72, 661, 662 Zwenger, Thomas  23

Archiv für Begriffsgeschichte Sonderheft 15

AUTORINNEN UND AUTOREN

Laura Balbiani ist assoziierte Professorin

für Germanistische Sprachwissenschaft an der Università della Valle d’Aosta und auch als Übersetzerin tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Lexikographie und der deutschen Sprachgeschichte. Sie beschäftigt sich intensiv mit den deutsch-italienischen Kulturbeziehungen und untersuchte die wechselseitige Rezeption im Bereich der Philosophie (Kant in Italien und Campanella in Deutschland). Mehrere Publikationen zu Kant-Philologie und -Lexikographie, italienische Übersetzung der PhilEnz (2003), Edition und Übersetzung von J. J. Spalding: Die Bestimmung des Menschen, ins Italienische (2011; mit Giuseppe Landolfi Petrone). Mario Caimi studierte an den Univer-

sitäten Buenos Aires und Mainz. Er ist Professor an der Universität Buenos Aires und nahm Gastprofessuren an Universitäten in Europa und Lateinamerika wahr. Er übersetzte zahlreiche Werke Kants, u. a. die KrV, und wurde 2010 mit dem Kant-Preis, u. a. für seine übersetzerische Tätigkeit, ausgezeichnet. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Philosophie Kants, darunter: Der Schematismus der reinen Verstandesbegriffe. In: Rainer Enskat (Hg.): Kants Theorie der Erfahrung. Berlin 2015; Das Prinzip der Apperzeption und der Aufbau der Beweisführung der Deduktion B. In: KantStudien. 108 (2017); Gedanken ohne Inhalt sind leer. In: Kant-Studien 96 (2005). ­M itherausgeber des Diccionario de la filosofía crítica kantiana (2017).

Mirella Capozzi ist Honorarprofessorin an

der Universität La Sapienza in Rom, wo sie einen Lehrstuhl für die Geschichte der Logik innehatte, und hat zahlreiche italienisch- und englischsprachige Arbeiten zur Geschichte der Logik vom 17. Jahrhundert bis zur deutschen Aufklärung (Segner, Lambert, Wolff) vorgelegt. Ihre Forschungen zu Kant betreffen dessen Philosophie der Mathematik, das Pro­ blem der Sprache bei Kant sowie diverse Aspekte seiner Logik (u. a. Übersetzung der Logik Jäsche ins Italienische, 1990). Zahlreiche Publikationen zu Kants Werk, u. a. Kant e la logica. Bd. I (Neapel 2002, ND 2013); Singular Terms and Intuitions in Kant: a Reappraisal. In: Carl Posy/ Ofra Rechter (Hg.): Kant’s Philosophy of Mathematics. Vol. I: The Critical Philosophy and its Roots. Cambridge 2020. 103–125. Robert R. Clewis is Professor of Philo-

sophy at Gwynedd Mercy University, Pennsylvania. He is the author of The Kantian Sublime and the Revelation of Freedom (2009), and he just completed a study of Kant on humor, Kant’s Humorous Writings. An Illustrated Guide. He is a translator in Kant’s Lectures on Anthropology (2012) and the editor of The Sublime Reader (2019) and Reading Kant’s Lectures (2015). He was awarded the 2018 Wilfrid Sellars Prize of the North American Kant Society and his work has been supported by the Alexander von Humboldt Foundation and the American Council of Learned Societies.

866

Autorinnen und Autoren

Josep Clusa promovierte nach einem Stu-

dium der Philosophie 2015 an den Universitäten Barcelona, Hamburg, Heidelberg und Berlin an der Universitat Autonoma de Barcelona mit einer Dissertation über Aristoteles’ Begriff der Gerechtigkeit (Aristóteles: Justicia y Eudaimonia). Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der praktischen Philosophie und bei Aristoteles und Kant. Er hat mehrere Artikel für das Kant-Lexikon (hg. von Marcus Willaschek u. a.) verfasst. Rodica Croitoru, Professor at the Roma-

nian Academy, Institute of Philosophy and Psychology, C. Rădulescu-Motru. President of the Romanian Kant Society. Several visiting professorships: Memphis Tennessee, Hong Kong Baptist University, Emory University, Atlanta, Poitiers University. She published a great number of critical editions and translations into Romanian most of which enter into her edition of Kant’s Opere in Romanian (KrV, KpV, KU, GMS, MS, ZeF, Anth, TG, GSE, Betrachtungen). She is ­working at a translation of Opus postumum. Jeffrey Edwards is Professor of Philoso-

phy at Stony Brook University (State University of New York). His work has focused mainly on Kant’s relations to the histories of modern science, metaphysics, ethics, and juridical philosophy. Edwards’ books include Substance, Force and the Possibility of Knowledge (University of California Press, 2000) and Autonomy, Right, and Moral Worth (De Gruyter, 2017). Co-Translator (with Martin Schönfeld) of Kant: Essay on Living Forces. Cambridge: Cambridge University Press, 2012. Several contributions to Kant-Lexikon (ed. by Marcus Willa-

schek et al.) and The Cambridge Kant Lexicon (ed. by Julian Wuerth). Costantino Esposito ist Ordinarius für

Philosophiegeschichte und Geschichte der Metaphysik an der Universität »Aldo Moro« in Bari und Visiting Professor am Istituto di Studi Filosofici in Lugano. Seine Forschungsschwerpunkte liegen bei Kant, Heidegger und Suárez. Er hat Kants Vorlesungen über die Philosophische Religionslehre nach Pölitz (Neapel 1988) ebenso ins Italienische übersetzt wie die KrV (Mailand 2007); auch die Dis­pu­ta­t iones meta­physicae I–III von Francisco Suárez wurden von ihm ins Italienische übersetzt (Bompiani, Milano 2007). Vgl. auch seine Introduzione a Heidegger (Bologna 2017) und das Kant gewidmete Kapitel in: Storia della meta­ fisica, hg. von E. Berti (Rom 2019). Emilio Garroni (Rom 1925–2005) lehrte

von 1964 bis 1997 Ästhetik an der Universität La Sapienza in Rom. Als Philosoph hat er die Grenzen von Semiotik, Theorie der Künste und auch der Psychoanalyse ausgemessen. Sein besonderes Interesse galt einer erneuerten Transzendental­ philo­sophie, in welcher die Ästhetik als ›filosofia non speciale‹ die Frage nach der Möglichkeit von Philosophie als solcher zu stellen erlaubte. Ihm verdankt sich eine Neuübersetzung der KU (mit Hans­ michael Hohenegger, 1999). Zu seinen Kant gewidmeten Arbeiten zählen Estetica ed epistemologia. Riflessioni sulla Critica del Giudizio (Rom 1976; Mailand 2 1998); Senso e paradosso. L’estetica, filosofia non speciale (Rom/Bari 1986). Andreas Gipper ist Professor für fran-

zösische und italienische Kulturwissenschaft am Fachbereich für Translations-,



Autorinnen und Autoren

Sprach- und Kulturwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in Germersheim. DAAD-Lektor in Straßburg, Hochschulassistent in Bochum. Forschungsschwerpunkte: Intellektuellendiskurse, Wissenschaftsvulgarisierung- und Übersetzungsgeschichte, Translation und Nationbildung. Aktuelles Forschungsprojekt: Wissenschaftsübersetzungen in Frankreich im klassischen Zeitalter (mit Schwerpunkt auf Übersetzungen aus dem Deutschen und dem Italienischen), DFGProjekt (März 2019 – März 2022) im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms 2130 (Übersetzungskulturen der Frühen Neuzeit). Sophie Grapotte promovierte an der Uni-

versität Burgund mit einer Dissertation über den kantischen Realitätsbegriff (veröffentlicht bei Olms im Jahr 2004). Sie ist Generalsekretärin und Schatzmeisterin der Société d’Études Kantiennes de Langue Française. Ihre laufenden Forschungs-, Editions- und Übersetzungsprojekte beziehen sich auf die Teile des kantischen Korpus (Nachlass und Vorlesungsnachschriften), die bislang nicht ins Französische übersetzt wurden. Nach der Übersetzung der Reflexionen zur Metaphysik aus der Phase 1780–1789 (Paris, Vrin, 2011) schließt sie derzeit die französische Erstübersetzung der Vorlesung Metaphysik Mrongovius ab. (Mit-)Heraus­ geberin mehrerer Sammelbände zur Philosophie Kants. Paul Guyer is the Jonathan Nelson Pro-

fessor of Humanities and Philosophy at Brown University and Florence R. C. Murray Professor in the Humanities emeritus at the University of Pennsylvania. He received his AB and PhD at Harvard. He has worked on the history of modern phi-

867

losophy, especially Kant, and the history of aesthetics. He was General Co-Editor of the Cambridge Edition of the Works of Immanuel Kant, and is the author, editor, and/or translator of more than twenty works on Kant. He is also the author of A History of Modern Aesthetics in three volumes. He is a Fellow of the American Academy of Arts and Sciences. Books on Kant include his co-translations of the Critique of Pure Reason and Critique of the Power of Judgment; monographs and commentaries such as Kant and the Claims of Taste (1979); Kant and the Claims of Knowledge (1987); Kant’s System of Nature and Freedom (2005); Virtues of Freedom (2016); and Kant on the Rationality of Morality (2019). Christian Hamm promovierte 1980 nach

einem Studium der Philosophie und Germanistik an den Universitäten Köln und Hamburg. Von 1982 bis 1989 Wissenschaftlicher Lektor des DAAD an der Bundesuniversität Santa Maria (UFSM), Brasilien. Seit 1984 Inhaber einer Professur am Philosophie-Department derselben Universität. Zahlreiche Veröffentlichungen, u. a. zur Philosophie Kants, vgl. etwa »Erkenntnis nach der Analogie«: Zu Form und Funktion indirekter Argumentation bei Kant (2013), zu Fragen der Ethik, Ästhetik, Hermeneutik und Kunstphilosophie sowie zu Problemen der Übersetzung philosophischer Texte aus dem Deutschen. Dt.-brasilian. Lehrbuch Philosophie (Heidelberg/São Paulo 1989) [Reihe Fachdeutsch für Wissenschaftler]. Lavinia Heller ist Professorin für Trans­la­

tions­wissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Zu ihren Publikationen im Bereich der philosophischen

868

Autorinnen und Autoren

Übersetzung zählen “Translaboration as legitimizing strategy of philosophical translation” (2020), “Where does philo­ sophy take place in translation? Reflections on the relevance of microstructural translation units within philosophical discourse” (2019). Forschungsschwerpunkt im Bereich der Übersetzungen der Philosophie Heideggers. Norbert Hinske promovierte 1955 in Frei-

century. His main monograph is Kant, filo­sofo dell’architettonica. Saggio sulla Critica della facoltà di giudizio (Macerata, 2004). As translator his most important work is a new translation (together with Emilio Garroni) of Kant’s Critique of the faculty of judgment with a broad introduction to the text (Torino 1999). Revised edition of Prol (trad. P. Carabellese/R. Assunto; 1996).

burg i. Br. und habilitierte sich 1966 an der FU Berlin. 1970 erfolgte seine Berufung zum Ordentlichen Professor der Philosophie an der Universität Trier. Er ist Mitglied mehrerer wissenschaftlicher Akademien, u. a. der Accademia nazio­ nale dei Lincei, und hat viele Funktionen im Rahmen der deutschen und internationalen Kantforschung innegehabt. Seine Forschungsschwerpunkte liegen bei Platon, Thomas von Aquin, Kant sowie Moses Mendelssohn, Christian Wolff, Johann Heinrich Lambert, Hermann Samuel Reimarus. Zahlreiche Publikationen zur Philosophie Kants sowie Kant-Übersetzungen (aus dem Lateinischen und ins Italienische), u. a. Kants Weg zur Trans­ zen­den­tal­philo­so­phie. Der dreißigjährige Kant, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1970; Kant als Herausforderung an die Gegenwart, Freiburg i. Br./München 1980; Zwischen Aufklärung und Vernunftkritik. Studien zum Kantischen Logikcorpus, Stuttgart/Bad Cannstatt 1998 [ital. Tra illuminismo e critica della ragione]; Unbelehrbar inkorrekt, Würzburg 2016.

Giuseppe Landolfi Petrone ist Wissen-

Hansmichael Hohenegger is researcher at

Mai Lequan ist Professorin für neuzeit­

the Lessico intellettuale Europeo e Storia delle Idee-CNR. His work is focused on Kant, with a special attention to texts, terminology and the making of a modern philosophical lexicon in the Eighteenth

schaftlicher Mitarbeiter an der Univer­sità della Valle d’Aosta. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Re­nais­sance­ philo­sophie (Bruno und Cam­pa­nella) und in der Philosophie des 18. Jahrhunderts, insbesondere bei Kant und seiner Wirkung in Italien. Übersetzung der MS ins Italienische (Mailand 2006). Edition und Übersetzung von J. J. Spalding, Die Bestimmung des Menschen, ins Italienische (2011; mit Laura Balbiani). Titus Lateş holds a PhD in Philosophy

from the University of Bucharest. He is Scientific Researcher at Constantin Rădulescu-Motru Institute of Philosophy and Psychology of the Romanian Aca­demy, co-editor of the annual publication Studii de istorie a filosofiei româneşti (Studies on the History of Romanian Philosophy) and author of the book Orizonturi logice în filosofia românească din secolul al XX-lea (Logical Horizons in the Romanian Philosophy of the Twentieth Century), 2017. Member of the Romanian Kant Society.

liche deutsche Philosophie (Kant, ­Hegel, Schelling) an der Universität Lyon 3, ehemalige Schülerin der École Normale Supérieure Fontenay-Saint-Cloud, Agrégation (Philosophie), Dissertation (Sor-



Autorinnen und Autoren

bonne) über Chemie und Chemismus bei Kant, Hegel und Schelling (1755–1830). Sie hat Arbeiten zu Kants praktischer und theoretischer Philosophie, speziell auch zu Verbindungen zwischen Kants Philosophie der Natur und den zeitgenössischen Naturwissenschaften, vorgelegt, vgl. u. a. La chimie selon Kant (Paris 2000); La philosophie morale de Kant (Paris 2001). (Mit-)Herausgeberin von Sammelbänden zum Werk Kants. Steve Naragon is a professor of philoso-

phy at Manchester University (Indiana, USA). He edited and translated (with Karl Ameriks) the Cambridge volume of Kant’s Lectures on Metaphysics and is currently co-editing (with Wer­ner Stark) a volume of J. G. Herder’s student notes from Kant’s lectures, for inclusion in the Academy edition of Kant’s gesammelte Schriften. He developed and currently maintains the website Kant in the Classroom and compiled the first bibliography of translations of Kant’s works aiming at (historical and geographical) completeness. François Ottmann ist Ancien élève der

École normale Supérieure, Agrégé de philosophie und Mitglied des Centre d’histoire des philosophies modernes de la Sorbonne (Hiphimo, Paris 1). Mit einer Dissertation über die sprachtheoretische Bedeutung der Transzendentalphilosophie Kants promovierte er 2018 an den Universitäten Paris 1 und Leipzig. Er hat als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der TU Dresden, später als ATER und Lehrbeauftragter an der Universität Paris-Sorbonne gearbeitet. Publikationen zur Philosophie Kants und zu ihrer Rezeption (u. a. durch Friedrich Schlegel und Schelling).

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Stephen R. Palmquist is Professor of Reli-

gion and Philosophy at Hong Kong Baptist University, where he has taught since earning his doctorate from Oxford (St. Peter’s College) in 1987. His 200+ publications, translated into at least twelve languages, include 110 refereed articles and book chapters. Among his twelve books are: Comprehensive Commentary on Kant’s Religion within the Bounds of Bare Reason (2016); Kant on Intuition. Western and Asian Perspectives on Transcendental Idealism (2019); and Kant and Mysticism. Critique as the Experience of Baring All in Reason’s Light (2019). Paolo Pecere ist Professor für Philoso-

phiegeschichte an der Universität Roma TRE. Promotion 2004 mit einer Arbeit zu Logik und Epistemologie an der Universität La Sapienza, Rom. Zahlreiche Publikationen zu historischen und systematischen physikalischen Fragen der Philosophie. Er hat eine italienische Übersetzung von MAN (2003) sowie eine Anthologie naturwissenschaftlicher Quellentexte u. d. T. Il libro della natura (2 Bde. 2015) vorgelegt. Zu seinen Monographien zählen: La filosofia della natura in Kant (2009), Meccanica quantistica rappresentazione realtà (mit A. Bassi und N. Argentieri, 2012), Soul, mind and brain from Descartes to cognitive neuroscience. A critical outline (2020). Iris Plack ist als Privatdozentin seit 2009 am

Institut für Übersetzen und Dolmetschen der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg tätig, nachdem sie von 2002 bis 2009 am Fachbereich Translations-, Sprachund Kulturwissenschaft (FTSK) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in Germersheim gearbeitet hatte. Sie ist Spezialistin für ver­gleichende Übersetzungs­

870

Autorinnen und Autoren

geschichte mit einem Schwerpunkt auf indirekten Übersetzungen (›aus zweiter Hand‹). Zu ihren Publi­kationen zählen: Indirekte Übersetzungen. Frankreich als Vermittler deutscher Literatur in Italien (Tübingen 2015). ›Extraduction‹ et ›intraduction‹. Les flux de traduction dans le monde latin. In: Jörn Albrecht/René Métrich (Hg.): Manuel de Traductologie. Berlin 2016. 671–687. Jörn Albrecht/Iris Plack: Europäische Übersetzungsgeschichte (Tübingen 2018). Riccardo Pozzo promovierte 1988 an der

Universität des Saarlandes und habilitierte sich 1995 an der Universität Trier. 1996 erhielt er einen Ruf an die Catholic University of America, 2003 an die Universität Verona. Ab 2009 wirkte er als Direktor des Istituto per il Lessico Intellettuale Europeo e Storia delle ­Idee-CNR, von 2012 bis 2017 hatte er die Leitung des Dipartimento Scienze Umane e Sociali, Patrimonio Culturale von CNR inne. 2019 wurde er an die Università di Roma Tor Vergata berufen. Mitglied des Insti­ tut International de Philosophie, Mitglied des Programmausschusses für den Weltkongress der Philosophie Melbourne 2023. Verfasser von Monographien über Ramus (2012), G. F. Meier (2000), Kant (1998/1989) und Hegel (La Nuova Italia 1989). (Mit-)Herausgeber eines Sonderheftes 07 des AfB (2010): Eine Typologie der Formen der Begriffsgeschichte. Thorsten Roelcke ist Leiter das Fachge-

biets Deutsch als Fremd- und Fachsprache sowie der Zentraleinrichtung Moderne Sprachen an der Technischen Universität Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Linguistik und Didaktik von Fachsprachen und beruf­ licher Kommunikation sowie Geschichte

der deutschen Sprache. Er hat zahlreiche Bücher und Aufsätze zu diesen Themen verfasst und herausgegeben, darunter auch Definitionen und Termini. Quantitative Studien zur Konstituierung von Fachwortschatz (Berlin/Boston 2013); zuletzt erschienen ist die vierte, neu bearbeitete und wesentlich erweiterte Auflage von Fachsprachen (Berlin 2020). Gisela Schlüter ist nach einem Studium

der Romanistik und Philosophie an der Universität Bonn Professorin für Romanische Philologie an der Universität Erlangen-Nürnberg. Veröffentlichungen zur Aufklärungsforschung, zur Begriffsge­ schichte, zur Geschichte der politischen Theorie, zur Rezeptionsgeschichte der Philosophie Kants und des Neukantianismus in Italien. Kritische Editionen (L’Affaire Giannone face à l’Europe [zus. mit Giuseppe Ricuperati]. Paris 2019), Übersetzungen (Alfieri: Mein Leben. Vita. Mainz 2010). Adriana Veríssimo Serrão is associate

professor at the School of Arts and Humanities of the University of Lisbon. She holds a Master degree on Kantian Aesthetics and a PhD on Ludwig Feuerbach’s Anthropology. She is the author of books and articles on Philosophical Anthro­po­ logy, Aesthetics, Philosophy of Nature and Philosophy of Landscape, having translated works by Kant, Ludwig Feuer­ bach and Georg Simmel. Latest books: Filosofia da Paisagem. Estudos (Lisbon 2013); Philosophy of Landscape. Think, Walk, Act, ed. with Moirika Reker (Lisbon 2019). Fernando M. F. Silva is a post-doctoral fel-

low and member of the Centre for Philosophy at the University of Lisbon. PhD



Autorinnen und Autoren

in 2016, on Novalis’ critique of identity. Main interests: Kantian Aesthetics and Anthropology, German Idealism and Romanticism. He is co-editor of the journal Estudos Kantianos. Translations of shorter Kantian texts into Portuguese. Monograph: ‘The poem of the understanding is philosophy’. Novalis and the art of self-critique (forthcoming). Robert Theis ist emeritierter Professor an

der Université du Luxembourg und VizePräsident der Société d’Études Kantiennes de Langue Française. Herausgeber der Werke Christian Wolffs und der Reihe Europaea Memoria (Olms, Hildesheim). Zahlreiche Publikationen zum Werk Kants, u. a. Approches de la Critique de la raison pure (Hildesheim 1991); Gott. Untersuchungen zur Entwicklung des theologischen Diskurses in Kants ­Schriften bis hin zum Erscheinen der Kritik der reinen Vernunft (Stuttgart/Bad Cannstatt 1994); La raison et son Dieu (Paris 2012); De Wolff à Kant, (Hildesheim 2013). (Hg.) Die deutsche Aufklärung im Spiegel der neueren französischen Aufklärungsforschung, Hamburg 1998; (Hg.) R. B. Jachmann, Prüfung der Kantischen Religionsphilosophie (Hildesheim 1999); (Hg.) E. Kant, L’unique argument possible pour une démonstration de l’existence de Dieu (Paris 2001); (Hg.): Kant: Théologie et religion (Paris 2013). Marcos A. Thisted ist Professor für Ge-

schichte der neuzeitlichen Philosophie an der Universität Buenos Aires und an der Universidad Nacional de Mar del Plata de Argentina. Er ist Mitglied zahlreicher Forschungsverbünde zur Philosophie Kants und Mitherausgeber des Diccionario de la filosofía crítica kantiana (hg. von Mario Caimi u. a. Buenos Aires 2017). Zu

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seinen rezenten Forschungsbeiträgen zu Kant zählen Sagesse et Métaphysique dans les Progrès de la Métaphysique (2015) und Kant’s Late Metaphysics: On ‘Metaphysics Proper’ in the Fortschritte der Metaphysik (2017). María Jesús Vázquez Lobeiras promovier-

te nach ihrem Studium der Philosophie an der Universität Santiago de Compostela und an der FU Berlin 1996 an der Universität Trier. Seit 2003 hat sie einen Lehrstuhl für moderne Philosophie an der Universität Santiago de Compostela inne. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die theoretische Philosophie Kants und deren Verwurzelung in der deutschen Aufklärung. Sie publizierte u. a. Die Logik und ihr Spiegelbild. Das Verhältnis von formaler und transzendentaler Logik in Kants philosophischer Entwicklung (Frankfurt a.M. etc. 1998); Immanuel Kant (A Coruña 2000). Ferner hat sie eine Übersetzung der Jäsche-Logik ins Spanische vorgelegt (Madrid 2000). Stefano Velotti is Professor of Philosophy

(Aesthetics) and Senior Fellow of the Superior School of Advanced Studies at La Sapienza, Università di Roma. He has been visiting professor at the universities of Stanford, Yale, UCSB, UCLA. His research lies at the crossroads of aesthetics and social philosophy, fields in which he has published widely. As student he translated NTH (Rome 1987, 22009). Among his books, Storia filosofica dell’ignoranza (Rome/Bari 2003) deals most closely with Kantian issues. Allen W. Wood is Ruth Norman Halls

Professor at Indiana University. He has also held professorships at Cornell University, Yale University and Stanford Uni-

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Autorinnen und Autoren

versity, where he is Ward W. and Priscilla B. Woods Professor emeritus. His B. A. is from Reed College, Portland, Oregon, and his PhD is from Yale University. He has held visiting positions at the University of Michigan, University of California, San Diego and Oxford University, where he was Isaiah Berlin Visiting Professor in 2005. He has spent research years at the FU Berlin and Bonn University. He is the author of a dozen books and editor or translator of a dozen others, among which

several translations of Kantian works (being co-editor of CE). His interests are in the history of modern philosophy, especially in the German idealist tradition, and in ethics and social and political philosophy. His principal authored publications on Kant are: Kant’s Moral Religion (1970, reissued 2009), Kant’s Rational Theology (1978, reissued 2009), Kant’s Ethical Thought (1999), Kant (2004), Kantian Ethics (2008) and Kant and Religion (2020).