Juan Luis Vives: Sein Werk und seine Bedeutung für Spanien und Deutschland Akten der internationalen Tagung vom 14-15. Dezember 1992 in Münster 9783964563408

Der Band enthält mehrere Aufsätze ausgewiesener Kenner des vielseitigen Werkes des spanischen Humanisten.

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Juan Luis Vives: Sein Werk und seine Bedeutung für Spanien und Deutschland Akten der internationalen Tagung vom 14-15. Dezember 1992 in Münster
 9783964563408

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Vives' 'Fabula de homine' im Kontext der "dignitas hominis' -Literatur der Renaissance
Vives' Auseinandersetzung mit der jüdischen Auslegung des Alten Testamentes
Der Humanist im Zwiespalt zwischen irdischer Wahrheit und heilsgeschichtlicher Ordnung. Wörtliches Verstehen bei Fray Luis de Leon
Vives' Ideen über die Erziehung der Frau. Zu 'De institutione feminae christianae' (1523)
Das Frauenbild in Vives' 'De institutione feminae christianae' und Castigiiones 'Libro del cortegiano'
31 unbekannte Vivesbriefe
Licet poetae fingere? - Los textos ficcionales de J. L. Vives y su legitimación de la ficción poética
Juan Luis Vives, 'De anima et vita' im Kontext des spanischen 16. Jahrhunderts
Vives und der spanische Humanismus
Anmerkungen zu 'De veritate fidei christianae'
Humanismo e Ilustración en España: la exaltación de la figura de Vives por los eclécticos del siglo XVIII
Grammatik und Sprachtheorie
Verbum, sermo y elocutio en la obra de Vives
Noch einmal zur Fabula de homine
Juan Luis Vives: Horizonte de España
Notas sobre la pervivencia de Vives en España (s. XVI)
Vives in deutschen Übersetzungen (16. -18. Jahrhundert)
Die Vives-Renaissance in Deutschland um 1900

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Christoph Strosetzki (Hrsg.)

Juan Luis Vives

STUDIA HISPANICA Herausgegeben von Christoph Strosetzki Band 1

STUDIA HISPANICA Christoph Strosetzki (Hrsg.)

J u a n Luis Vives Sein Werk und seine Bedeutung für Spanien und Deutschland Akten der internationalen Tagung vom 1 4 . - 1 5 . Dezember 1992 in Münster

VERVUERT VERLAG • FRANKFURT AM MAIN 1995

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Juan Luis Vives : sein Werk und seine Bedeutung für Spanien und Deutschland ; Akten der internationalen Tagung vom 14. 15. Dezember 1992 in Münster / Christoph Strosetzki (Hrsg.). Frankfurt am Main : Vervuert, 1995 (Studia Hispanica ; Bd. 1) ISBN 3-89354-451-8 NE: Strosetzki, Christoph [Hrsg.]; GT © Vervuert Verlag, Frankfurt am Main 1995 Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany

Inhalt

August Buck (Marburg): Vives' 'Fabula de homine' im Kontext der "dignitas hominis"-Literatur der Renaissance Klaus Reinhardt (Trier): Vives' Auseinandersetzimg mit der jüdischen Auslegung des Alten Testamentes Karl Hölz (Trier): Der Humanist im Zwiespalt zwischen irdischer Wahrheit und heilsgeschichtlicher Ordnung. Wörtliches Verstehen bei Fray Luis de León Manfred Lentzen (Münster): Vives' Ideen über die Erziehung der Frau. Zu 'De institutione feminae christianae' (1523) Joachim Leeker (Münster): Das Frauenbild in Vives' 'De institutione feminae christianae' und Castigliones 'Libro del cortegiano' Jozef IJsewijn (Löwen): 31 unbekannte Vivesbriefe Javier Gómez-Montero (Köln): Licet poetae fingere? Los textos ficcionales de J. L. Vives y su legitimación de la ficción poética Gerhard Poppenberg (Berlin): Juan Luis Vives, 'De anima et vita' im Kontext des spanischen 16. Jahrhunderts Carlos Meiches (Augsburg): Vives und der spanische Humanismus Karl Kohut (Eichstätt): Anmerkungen zu 'De veritate fidei christianae'

VI

Francisco Sánchez-Blanco (Bochum): Humanismo e Ilustración en España: la exaltación de la figura de Vives por los eclécticos del siglo XVIII

135

Petra Braselmann (Düsseldorf): Grammatik und Sprachtheorie. Zur Sprachauffassung bei Antonio de Nebrija und Juan Luis Vives

150

Emilio Hidalgo-Serna (Braunschweig): Verbum, sermo y elocutio en la obra de Vives

170

Sebastian Neumeister (Berlin): Noch einmal zur 'Fabula de homine'

179

Luis E. Rodríguez-San Pedro Bezares (Salamanca): Juan Luis Vives: Horizonte de España

187

Juan F. Alcina (Tarragona): Notas sobre la pervivencia de Vives en España (s. XVI)

213

Dietrich Briesemeister (Berlin): Vives in deutschen Übersetzungen (16. -18. Jahrhundert)

229

Christoph Strosetzki (Münster): Die Vives-Renaissance in Deutschland um 1900

247

Vorwort

1492 war nicht nur das Jahr der Entdeckung der Neuen Welt, sondern auch das Jahr der Geburt des spanischen Humanisten Juan Luis Vives. Dies war der äußere Anlaß für eine internationale Tagung, die im Dezember 1992 in Münster stattfand. Es wurden Themen erörtert wie Vives' Einschätzung der Würde des Menschen, seine Beiträge zur Theologie, zur Psychologie, zur Grammatik und Rhetorik. Daneben standen hermeneutische Fragen, wie das wörtliche Verstehen vor dem Hintergrund des mehrfachen Schriftsinns oder die Vereinbarkeit von jüdischer und christlicher Deutung des Alten Testaments. In der Pädagogik war Vives einer der ersten, die spezifische Postulate der Frauenerziehung vor dem Hintergrund der didaktischen Literatur der Humanisten entwickelten. Die Frage stellte sich, ob ein Autor wie Vives, der sich mit zentralen Zeitfragen beschäftigte, zwischen fiktionaler und didaktischer Literatur eher Brüche oder Vermittlungen sehen konnte. Ein genaueres Bild von Vives' Biographie erlaubte der Fund neuerer Briefe. Seine Bedeutimg schließlich war aus seiner herausgehobenen Stellung im Kontext des spanischen Humanismus und der spanischen Aufklärung zu erschließen. Sie wurde weiter unterstrichen durch die kontinuierliche Rezeption in Deutschland vom 16. bis zum 18. Jahrhundert und durch die überraschende Aktualität, die er vor etwa 100 Jahren in Deutschland gewann. Gedankt sei an dieser Stelle der Kulturabteilung der Spanischen Botschaft, insbesondere ihrem Leiter Joaquin Manrique Mayor, und dem Rektorat der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster für die freundliche finanzielle Unterstützung der Tagung. Der "Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Wilhelms-Universität" ist ein Zuschuß für die Druckkosten zu verdanken. Frau Petra Jenau erledigte Vorarbeiten für die Drucklegung. Frau Barbara FischerRittmeyer koordinierte und redigierte den gesamten Band.

Münster, im Januar 1995

Christoph Strosetzki

Vives' 'Fabula de homine' im Kontext der "dignitas hominis' -Literatur der Renaissance August Buck (Marburg) Wenn am Anfang von Giovanni Pico della Mirandolas berühmter Rede über die Menschenwürde De hominis dignitate auf die Frage, was auf der irdischen Bühne das am meisten Bewundernswerte sei, die Antwort lautet: Es gibt "nichts Wunderbareres als den Menschen",1 so kehrt diese Antwort fast wörtlich in Juan Luis Vives' Fabula de homine wieder: Die weisesten der Götter - so heißt es dort - erklären angesichts des auf der Bühne der Welt agierenden Menschen: "nihil esse homine admirabilius".2 Diese Übereinstimmimg ist einer der Belege dafür, daß Picos Rede zu den Quellen der Fabula gehört. Außer Pico hat Vives noch weitere italienische Quellen benutzt, so daß Norena in seiner bekannten Monographie zu dem Schluß kommt, die Fabula sei "vielleicht die einzige Abhandlung [Vives'], die offensichtlich durch den italienischen Humanismus inspiriert worden ist und sich auf ihn bezieht".3 Ohne hier auf das Problem der italienischen Einflüsse im Gesamtwerk Vives' eingehen zu können, beschränke ich mich auf einige Bemerkungen. Vives ist nie in Italien gewesen und scheint - ähnlich wie Erasmus für die Wiege der Renaissance keine besonderen Sympathien gehegt zu haben, was nicht besagt, daß ihm die Namen der wichtigsten italienischen Humanisten nicht präsent gewesen wären. Wieweit er ihre Werke studiert, bzw. wo er Anleihen bei ihnen gemacht hat, ließe sich nur aufgrund einer Analyse seiner Schriften eruieren. Vives erkennt an, daß sich die italienischen Humanisten - er nennt eine lange Reihe von Namen - um die Wiederherstellung der klassischen Latinität verdient gemacht haben.4 Aber die Leistungen der Italiener werden durch einen zeitgenössischen Humanisten wie Guillaume Bud6 in den Schatten gestellt. In einem an den befreundeten Erasmus gerichteten Brief vom 4. Juni 1520, zwei Jahre nach der Veröffentlichung der Fabula schreibt Vives in bezug auf Budes

2 3 4

G. Pico della Mirandola, De dignitate hominis - Über die Würde des Menschen, Übers, v. N. Baumgarten, hg. u. eingel. v. A. Buck; lateinisch-deutsch, Hamburg 1990, Philosophische Bibliothek Bd. 427,3; fortan zitiert als Pico, De dignitate hominis. Fabula de homine, in: J. L. Vives, Opera Omnia, distributa et ordinata a G. Majansio, T. IV, Valentiae 1783,4; fortan zitiert im Text: Fabula, nebst Seitenzahl. C. G. Norefta, Juan Luis Vives, The Hague 1970,62; fortan zitiert als Norena, Vives. J. L. Vives, Uber die Gründe des Verfalls der Künste, De causis cormptarvm artium IV, 4; lateinisch-deutsche Ausgabe, kommentiert u. eingel. v. E. Hidalgo-Sema, München 1990, 451; fortan zitiert als Vives, Über die Gründe des Verfalls

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August Buck

De Asse: "Dieses Werk hat alle Ermolao [Barbaro], Pico [della Mirandola], Poliziano, Gaza, Valla, hat ganz Italien beschämt."5 Eine Äußerung des Überlegenheitsbewußtseins der Gegenwart, für die der italienische Humanismus nur mehr eine Erinnerung an die Zeit der Väter und der Großväter ist, "memoria patrum et avorum".6 Der Anflug von Geringschätzigkeit, mit dem Vives hier vom italienischen Erbe spricht, hindert ihn jedoch nicht, an dieses Erbe anzuknüpfen, um dann freilich seine eigenen Wege zu gehen. Von einer ersten von Norena nicht erwähnten Beschäftigung mit dem italienischen Humanismus zeugt die seit kurzem kritisch edierte praelectio zu einer Vorlesung über Francesco Filelfos Convivia, die Vives in Paris gehalten hat.7 Er sieht die Convivia in erster Linie aus der Perspektive der Wissensvemittlung nach dem Muster des Aulus Gellius und des Macrobius in der Antike sowie Angelo Polizianos und seines Schülers Pietro Crinito im italienischen Humanismus. Die Convivia sind ein wahres Schatzhaus des Wissens, das Filelfo unter Ausschöpfung der Moral- und der Naturphilosophie ausgestattet hat; eine Selektion, die das traditionelle Bienengleichnis veranschaulicht. Wie die den Nektar suchende Biene von Blume zu Blume fliegt, so hat Filelfo an zahlreichen Fundorten sich ein umfangreiches Wissen angeeignet.8 Hier begegnet bereits die für Vives' Gesamtwerk charakteristische Konzeption des Humanismus. Er begreift ihn primär als eine gelehrte Bewegimg, in welcher der Erwerb von Wissen Vorrang hat gegenüber der formalen sprachlichen Schulung. Vives ist beherrscht von dem mit der Renaissance erwachten Drang, sich alles Wißbare anzueignen; ein Wissensdurst, den er in Giovanni Pico della Mirandola wiederfinden konnte. Vives wie Pico verfügen über eine universale Bildung, die im Prinzip omnes res scibilis umfaßt; für beide Denker ist das Wissen ein konstitutives Element der dignitas hominis, sofern es dazu dient, die Natur zu beherrschen und das regnum hominis zu errichten gemäß der Verheißung des Schöpfers, der Mensch solle sich die Erde Untertan machen. Pico della Mirandola hat jenseits der Alpen in Frankreich ein besonders nachhaltiges Echo gefunden, einerseits wegen seines zweimaligen Aufenthalts während seines Studiums in Paris und auf der Flucht vor der päpstlichen Verfolgung -, anderseits aufgrund seiner Beziehungen zu prominenten Vertretern des französischen Geisteslebens. So hat Vives zweifellos Picos Schriften, insbesondere die Oratio in den Pariser Jahren 1509 bis 1512 kennengelernt.9 Vielleicht hat er unter dem Eindruck der Lektüre der Oratio schon damals erwo-

5

Erasmus, Opus Bpistolamm, edd. P. S. et H. M. Allen, Oxford 1906-1958, Nr. 1108,110-115.

8

Vives, Über die Gründe des Verfalls, 451.

7

Praelectio in convivia Philelphi, in: J. L. Vives, Early Writings 2, ed. by J. IJsewijn and A . Fritsen with Ch. Fantazzi, Leiden 1991,138-151.

8

Q

Ibid. Norefta, Vivest 63, Anm. 54.

'Fabula de homine' im Kontext der "dignitas hominis"-Literatur

3

gen, das gleiche Thema in einer eigenen Variation zu behandeln. Näheres über die Ausarbeitung der Fabula ist nicht bekannt. Veröffentlicht wurde sie 1518 in Löwen, wo Vives seit 1517 lehrte. Einem seiner Schüler, dem jungen belgischen Edelmann Antonius von Bergen, ist die Schrift gewidmet. In der Nachfolge Picos setzte die Fabula die dignitas /loro/ziis-Literatur fort, die als Aspekt des neuen Menschenbildes der Renaissance in Italien bereits vor Pico in Blüte stand. Aus der Perspektive des sich seiner selbst bewußt gewordenen Individuums erhielt die Menschenwürde ein erhebüch größeres Gewicht als vorher und zugleich eine neue Bedeutimg. In Würdigung der geistesgeschichtlichen Relevanz des Begriffs ist er in den letzten Jahrzehnten wiederholt Gegenstand der Forschung gewesen, die allerdings fast ausschließlich Italien galt, da es den wichtigsten Anteil an der Neuwertung des Begriffs gehabt hat.10 Vives' Beitrag ist, soweit er überhaupt Beachtung gefunden hat, in seiner Originalität meist verkannt worden.11 Die Vorstellung einer besonderen Würde des Menschen fand die Renaissance sowohl in der christlichen als auch in der antiken Tradition vor. Nach dem Zeugnis der Bibel hat Gott den Menschen nach seinem Bild erschaffen12 und ihn durch die Menschwerdung Christi ausgezeichnet.13 Eine analoge Vorstellung von der Gottesebenbildlichkeit begegnet auch in der Antike, so etwa bei Ovid, der berichtet, Prometheus habe den Menschen aus Erde und Wasser nach dem Vorbild der allversorgenden Götter geformt und ihn gelehrt, sein Antlitz zum Himmel zu erheben.14 Durch seiner Hände Arbeit schafft er sich auf Erden sein eigenes Reich, und dank seiner Vernunft vermag er die Geheimnisse einer höheren Welt zu erforschen. In der Patristik wird der Begriff der Menschenwürde ein erstes Mal auf der Basis einer Vereinigung seiner christlichen und antiken Elemente problematisiert, wobei der Schwerpunkt begreiflicherweise im Christlichen hegt.15 Das Mittelalter pries zwar im Einklang mit den Kirchenvätern die dignitas hominis, aber beklagte häufiger die miseria hominis, die Leiden und Mühsale des menschlichen Daseins. Die über das Mittelalter hinaus viel gelesene Schrift des Kardinals Lothar von Conti, des nachmaligen Papstes Innozenz III., De miseria 10

Die ausführlichste Daistellung bei Ch. Trinkaus, In Our Image and Likeness, Humanity and Divinity in Italian Humanist Thought, London 1970,171-323.

11

Ausnahmen bilden L. Colish, "The Mime of God: Vives on the Nature of Man", in: Journal of the History of Ideas 223 (1962), 3-20 und die leider nur in Maschinenschrift vorliegende Münchener Magisterarbeit von Chr. Wolf, Juan Luis Vives" "Fabula de Homine" im Lichte der anthropologischen Fragestellung des Renaissancehumanismus (1985).

12

Genesis 1,26.

13

Durch Christi Opfertod wird die lädierte Wesenswürde des Menschen wiederhergestellt, woran der Text der Messe erinnert: "Deus qui humanae substantiae dignitatem mirabiliter condidisti et mirabilius reformasti." 14 Ovid, M e t 1,72-84. 15

E. Garin, "La 'dignitas hominis' e la letteratura patristica", in: Rinascimento 1 (1938), 102-146.

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August Buck

humanae conditionis war der Anlaß für eine Erwiderung durch den Humanisten Bartolomeo Fazio. Mit dem Traktat De excellentia et praestantia hominis, verfaßt in den Jahren 1447/48, beginnt die humanistische Diskussion über den Begriff der Menschenwürde, die bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts andauert. Indem dann Montaigne den überlieferten Begriff in Frage stellte, führte er ein neues Maß des Menschlichen ein: den kreatürlichen Menschen. Von Vives' Vorgängern sei auf zwei kurz eingegangen, auf Giannozzo Manetti und auf Giovanni Pico della Mirandola, da der erste höchstwahrscheinlich, der zweite mit Sicherheit zu Vives' Quellen gehört. Während der erwähnte Fazio die Wesenswürde noch im mittelalterlichen Sinn deutet und dem Menschen eine weitgehend passive Rolle zuweist, versteht Manetti die dignitas dynamisch und proklamiert den Menschen zum Schöpfer einer eigenen Welt, der Welt der Kultur, die neben die von Gott erschaffene Natur tritt. In hymnischen Tönen feiert er die schöpferischen Leistungen des Menschen in allen Bereichen von der mythischen Vorzeit bis in die Gegenwart, die technischen wie die künstlerischen und wissenschaftlichen Errungenschaften, in denen der unaufhaltsame Fortschritt des Menschen zum Ausdruck kommt. Zu diesen Leistungen befähigt den Menschen seine Intelligenz sowie sein Körper, Gaben seines Schöpfers, die zu loben Manetti nicht müde wird. In enger oft wörtlicher Anlehnung an Laktanz beschreibt er ausführlich die einzigartige Ausstattung der einzelnen Teile und Organe des menschlichen Körpers, auf dessen Zweckmäßigkeit und Schönheit er ein begeistertes Loblied anstimmt. In bewußtem Widerspruch zur mittelalterlichen Verteufelung der Sinnenlust fordert er den Menschen auf, sich am Klang der Musik, am Duft der Blumen zu erfreuen, den Wohlgeschmack des Weines und der Speisen ebenso wie die Wollust des Liebesaktes zu genießen. Wenn Manetti im Denken und Handeln die eigentliche Aufgabe des Menschen sieht, durch deren Erfüllung er "fast ein sterblicher Gott" ist, stellt er meist das Handeln dem Denken voran, d.h. er verlegt die konkrete Verwirklichung der Wesenswürde in die vita activa. Demgegenüber ist der Mensch für Pico della Mirandola vor allem ausgezeichnet durch die vita contemplativa, die philosophische Spekulation, die ihn bis zu Gott erhebt. Noch deutlicher als Manetti hebt Pico die Sonderstellung des Menschen hervor, aus dessen ontologischer Ortslosigkeit seine absolute Freiheit entspringt. Er kann - so verkündet Gott dem Urmenschen Adam - sich die Gestalt geben, die er wünscht. "Du kannst zum Niedrigen, zum Tierischen entarten, du kannst auch zum Höheren, zum Göttlichen wiedergeboren werden."16 Es ist die Verherrlichung des für das humanistische Menschenbild zentralen Begriffs der Willensfreiheit, verstanden als die schöpferische Freiheit, die es dem Menschen erlaubt, sich in einer durch die Naturgesetze determinierten 16 Pico,

De dignitate hominis, 5,1.

'Fabula de homine' im Kontext der "dignitas hominis"-Literatur

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Welt nach Belieben zu wandeln wie das die Farben wechselnde Chamäleon oder der Meeresgott Proteus, der verschiedene Gestalten annehmen konnte. Damit eröffnet sich dem von einem "heiligen Ehrgeiz" angetriebenen Menschen die Möglichkeit, zum Göttüchen aufzusteigen; ein sich dauernd vollziehender Prozeß der Vergottung, die nicht wie die unio mystica ein Aufgehen der Persönlichkeit in Gott bedeutet, vielmehr die höchste Steigerung des individuellen Selbstbewußtseins. Es ist eine Selbsterlösimg des Menschen, bei der weder von der Belastung durch die Erbsünde noch von der Notwendigkeit der Gnade Gottes die Rede ist, allein begründet auf dem humanistischen Vertrauen in die Perfektibilität des Menschen aus eigener Kraft. Die Gottähnlichkeit des Menschen und seine unbegrenzte Wandlungsfähigkeit begegnen als zwei Schlüsselbegriffe in Vives' Menschenbild wieder. Er entwirft es in der literarischen Form der Fabel, d.h. der dichterischen Nachahmimg einer Handlung, die gemäß der Theorie der Rhetorik als Überzeugungsmittel wirkt. Wenn er die Fabel in einen von ihm selbst erfundenen Mythos mit der griechischen Mythologie entlehnten Gestalten einkleidet, folgt er damit dem Beispiel Piatons bzw. dessen Wiederbelebung durch den Protagonisten des Florentiner Neuplatonismus MarsiHo Ficino, der zur Veranschaulichung gewisser philosophischer Einsichten neue Mythen ersann. Mit der Wahl der mythologischen Fiktion bekannte sich Vives zu der formenden Kraft, die von der Mythologie in der Renaissance ausging und verüeh der anthropologischen Aussage etwas von der dem Mythos eigenen poetischen Faszination. Das Gerüst, in dem die Handlung der Fabel sich abspielt, ist die zum Theater verwandelte Welt. Damit erneuerte Vives eine bereits der Antike geläufige Vorstellung, die auf Piaton zurückgeht.17 Dieser verglich den Menschen mit einer Marionette in der Hand der Götter und sprach von der Tragödie und Komödie des menschlichen Lebens. Später verglich auch Seneca das menschliche Leben mit einem Theaterstück.18 So konnte schon in der Antike der Begriff mimus vitae sprichwörtlich werden. Als einen solchen stellt Vives den Menschen auf die Bühne der Welt.19 In der Widmung der Fabula erinnert Vives daran, daß sein Thema, nämlich die Welt als Theater, auf dem die Menschen die Hauptrollen spielen, alt sei, es bei allem Spielerischen jedoch viel Ernstes enthält; denn es soll den Leser dazu anregen, über die Nichtigkeit der irdischen Dinge nachzudenken und zu erkennen, daß allein die Tugend erstrebenswert sei. Zweifellos wird diese Selbstdeutung dem tieferen Sinn der Fabula nicht völlig gerecht. Sie stellt in mythi17

18

19

2

E. R. Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, Bern 1954,148ff.; H. Schulte, El Desengaño, Wort und Thema in der spanischen Literatur des Goldenen Zeitalters, München 1969,167ff. Der Vergleich findet sich auch bei Vives, Opera Omnia IV (1783), 45f. Weder Curtius noch Schulte (vgl. Anm. 17) erwähnen die Verwendung der Schauspieler-Metapher durch Vives.

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August Buck

sehen Bildern eine Lobrede auf die Wesenswürde des Menschen dar, deren Attribute an Hand des Geschehens aufgezeigt werden. Indem der Herausgeber der Valentiner Ausgabe der Opera Omnia die Fabula unter die Moralia einordnete, orientierte er sich an der ethischen Dimension der Schrift, womit er sich sicher im Einklang mit der intentio auctoris befand. Die Handlung der Fabula gliedert sich in voneinander klar zu unterscheidende Szenen, so daß der Vergleich mit einem Drama naheliegt. Einleitend wird, gleichsam als Vorspiel, die mythologische Fiktion vorgestellt: Am Ende eines von Juno anläßlich ihres Geburtstags veranstalteten Festmahls der Götter bitten diese die Gastgeberin um ein Schauspiel. Juno gibt die Bitte an Jupiter, ihren Bruder und Gemahl, weiter. Auf dessen Wink entsteht die Welt in Form eines Amphitheaters, obenan der Himmel mit den Zuschauerplätzen der Götter, unten die Erde als Bühne für die auftretenden Personen. Nachdem Jupiter Reihenfolge und Ordnimg der Spiele genau vorgeschrieben und den Schauspielern ein Zeichen gegeben hatte, begann die Aufführung von Spielen aller Art: Tragödien, Komödien, Satyrspiele, Pantomimen, Atellanen. Es ist die reiche Vielfalt des antiken dramatischen Repertoires, um dessen Erneuerung sich die Renaissancedichter bemühten. Ohne Bezugnahme auf ein einzelnes Stück wird der Gesamteindruck wiedergegeben, den die Aufführungen auf die zuschauenden Götter gemacht haben. Sie bewundern vor allen Darstellern den Menschen als den besten Schauspieler, was Jupiter bestätigt, voll Freude darüber, daß sein Geschöpf einen solchen Beifall findet. Die Gotteskindschaft bedeutet zugleich Gottähnlichkeit. Damit kommt der zentrale Begriff der menschlichen Wesenswürde ins Spiel: Der Mensch hat Teil an der Unsterblichkeit, der Weisheit, der Klugheit und am Gedächtnis des höchsten Gottes, der dem Menschen diese Gaben "de se ipso" "aus sich selbst" verliehen hat {Fabula 4). Gemeinsam mit Jupiter ist dem Menschen die Fähigkeit, alles zu sein und zu tun; eine Wandlungsfähigkeit, die Vives wie Pico mit der des Chamäleons und des Proteus vergleicht. Sie wird demonstriert durch die perfekte Darstellungskunst des Menschen auf der Bühne. Indem damit nach der eingeschobenen Lobrede auf die menschlichen Begabungen die Handlung auf die Bühne zurückkehrt, erscheint der Mensch nacheinander in fünf verschiedenen Rollen. Dabei durchläuft der schauspielernde Mensch eine Klimax sich steigernder Seinsweisen, deren erste drei der aristotelischen Dreiteilung der Seele entsprechen: anima vegetativa, anima sensitiva und anima rationale. In den letzten beiden Seinsweisen wächst der Mensch über sich hinaus. Entsprechend diesem Aufbau erscheint der Mensch zuerst als Pflanze ohne jedwede Empfindimg. Dann nimmt er die Gestalt von Tieren an, die von Affekten beherrscht werden; wie es sich versteht, von menschlichen Affekten, die den Tieren unterstellt werden: So ahmt der Mime u.a. den zornigen Löwen nach, den gierigen Wolf, den furchtsamen Hasen und den neidischen Hund.

'Fabula de homine' im Kontext der "dignitas hominis"-Literatur 7 Schließlich tritt er als Mensch auf. Es ist der Mensch als geselliges Wesen im Sinne des Aristoteles: "prudens, iustus, socius, humanus, benignus" {Fabula 5), kurz, der homo humanus, der sich der Gesellschaft gegenüber verantwortlich fühlt und sich dalier zusammen mit anderen um die öffentlichen Angelegenheiten kümmert. Wenn Vives damit den Menschen seine Wesenswürde in der vita activa bewähren läßt, entfernt er sich von Pico und rückt in die Nachbarschaft Manettis. Mit der Übernahme der vierten Rolle beginnt in Anlehnung an den neuplatonischen Stufenkosmos aufgrund der Geistesnatur des Menschen sein Aufstieg in eine höhere Welt. Zur Überraschung der Götter erscheint nach einer Weile der Mensch, seinen Geist selbst übertreffend, unter der Gestalt der Götter, "totus innixus sapientissimae menti" {Fabula 5). Ehe noch Jupiter die Bitte der staunenden Götter, den Menschen in ihren Reihen Platz nehmen zu lassen, erfüllen kann, tritt der Mime in seiner fünften und letzten Rolle auf: als Jupiter Maximus, der Göttervater, den er so vorzüglich spielt, daß die Götter immer wieder hinauf- und hinunterschauen müssen, um das Urbild vom Abbild unterscheiden zu können. Daß es sich bei dieser letzten Verwandlung nicht um eine Selbstvergottung im Sinne Picos handelt, geht aus einer die Szene abschließenden Bemerkung hervor: Diejenigen unter den anderen Schauspielern, "die darauf schworen, dies sei kein Mensch, sondern Jupiter selbst, (...) wurden (...) streng bestraft" {Fabula 5; Übers. J. v. Stackelberg). Diese Bemerkung ist noch in anderer Hinsicht aufschlußreich. Da es neben dem sich verwandelnden Mimen noch weitere Schauspieler gibt, die an diesen Verwandlungen nicht teilhaben, darf man daraus schließen, daß die Wesenswürde keine allen Menschen von Geburt verliehene Gabe ist, sondern erst durch den Menschen in seinem Leben erworben werden muß. Indem Jupiter sich mit dem Wunsch der Götter identifiziert, läßt er den Menschen als Gast zu den Göttersitzen führen. Es ist die Peripetie der Handlung, mit der der Mensch vom Darsteller zum Zuschauer im gleichen Rang wie die Götter wird. Diese bewundern seine Bühnenausrüstung, d.h. sein Menschsein. Es folgt eine an Manetti20 erinnernde detaillierte Beschreibung einzelner Körperteile, insbesondere der Ohren und Augen, letztere als indices animi, "Zeichen der Seele" und damit "edelster Teil des Antlitzes" {Fabula 6). Alle Teile des Körpers sind so harmonisch aufeinander abgestimmt, daß sich niemand die Gestalt des Menschen vortrefflicher hätte ausdenken können. Wie den Körper erforschen die Götter auch den Geist des Menschen, genauer gesagt, die Erfindungsgabe des kulturschöpferischen Geistes. Wiederum dürfte Manetti als Vorlage gedient haben. Der Menschengeist erfindet unglaubliche 20

Vives spricht von anderen, die wortreich den menschlichen Körper im einzelnen beschrieben haben (Fabula 6).

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August Buck

Dinge. Er erbaut Häuser, gründet Städte und weiß die belebte und die unbelebte Natur zu nutzen. Dank der Erfindung der Sprache kann er den Dingen ihre Namen geben; mit Hilfe der Schrift kann er alles Wissen festhalten, so auch die Kenntnis der Religion. Ergänzt wird die schöpferische Tätigkeit des Geistes durch das Gedächtnis, das Schatzhaus aller Dinge. Aus dem Bündnis von Geist und Gedächtnis entsteht die Voraussicht des Zukünftigen, ein im Menschen lebendiger Funke des göttlichen Allwissens. Nachdem die Götter sich am Menschen als ihrem und Jupiters Abbild ergötzt und ihn festlich mit einer Toga praetexta bekleidet hatten, sah der Mensch an einem ehrenvollen Platz den weiteren Spielen zu und nahm nach deren Ende am Mahl der Götter teil. In der Schlußszene legt er seine Maske wieder an, die er eine Zeitlang abgelegt hatte, d.h. er kehrt auf die Bühne des Lebens zurück, wo er, bereichert durch die Erfahrung als Gast der Götter, sich erneut in seiner wie auch immer gearteten Tätigkeit verwirklicht. Zu seiner weiteren Bewährung im Leben wird der Mensch an seinen genuinen Ort zurückversetzt, an dem er - nach Vives - seiner eigentlichen Bestimmung gerecht wird. Während Pico an der vita activa des Menschen als Glied der Gesellschaft nicht interessiert ist, betont Vives die Bürgerpflichten, die der individuellen Freiheit Grenzen setzen. Für Pico ist die Ethik nur eine Etappe auf dem Weg zur Vollendung der Wesenswürde in der Fähigkeit zur Erkenntnis des Universums und seines Schöpfers. Dagegen ist für Vives, wie er in der Widmung erklärt, die Tugend das Unvergängliche im menschlichen Leben, und der menschliche Geist ist in der Fäbula nicht auf metaphysische Spekulationen, sondern auf die Erschaffung der irdischen Kultur ausgerichtet. Dabei bewegt er sich in einem von Gott abgestecktem Freiraum. Kein Schaupieler darf wie es wörtlich heißt (Fäbula 3) - auch nur "einen Finger breit" von dem abweichen, was Jupiter im vorhinein für die Spiele angeordnet hat. Als Schauspieler ist der Mensch stets ein Imitator, ein - wenn auch perfektes Abbild eines Urbildes. Die Schauspieler-Metapher ließ es nicht zu, die Potenz des Menschen zu verabsolutieren und sich damit wie Pico dem Vorwurf der Häresie auszusetzen. Vives' Menschenbild ist das eines christlichen Humanisten: Er bejaht die schöpferische Freiheit des Individuums, welche die Wesenswürde des Menschen begründet; aber dieser bleibt eingebunden in die schlechthinnige Abhängigkeit von Gott. Die Möglichkeit zu einer Selbsterlösung, die der Prozeß der Vergottung bei Pico impliziert, kann es für Vives nicht geben, der die durch die christliche Religion gezogenen Grenzen nirgends überschritten hat.

Vives' Auseinandersetzung mit der jüdischen Auslegung des Alten Testamentes Klaus Reinhardt (Trier)

Der Dialog des Christen mit dem Juden, den Vives im dritten Buch seines posthum veröffentlichten Spätwerks De veritatefidei christianae führt1, muß ihn persönlich sehr bewegt haben. Wissen wir doch, wenn auch erst seit einigen Jahrzehnten2, daß seine Eltern jüdischer Abstammung waren und wegen angeblichen Rückfalls in den alten Glauben Opfer der Inquisition wurden. Der Dialog mit dem Juden war also für Vives eine Auseinandersetzung mit der Religion seiner Väter; er bildet die molesta pars ... et perplexa seiner Apologie des Christentums. Trotz alledem finden sich in dem Werk keine Anspielungen auf sein persönliches Schicksal; es ist ein rein literarischer Dialog. Das Bild des Juden, das er da zeichnet, entspricht weithin dem damals üblichen Klischee. Der Jude ist verstockt, voller Haß gegen das Christentum, kurzum "blind und taub für alles außer fürs Geld"3. Trotzdem schlägt Vives schon in der Einleitung einen neuen, seine Apologetik kennzeichnenden Ton an, wenn er die Zuver-

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Die editio princeps erschien in Basel 1543. Ich zitiere hier nach der Ausgabe der Opera omnia, tomus VIII (Valencia 1790), 247-364: Liber tertius qui est contra judaeos quod Jesus est messias. - Zu diesem Werk siehe A. Bonilla y San Martín, Luis Vives y la filosofía del renacimiento. Segunda edición (Madrid 1981), 313-321; P. Graf, Ludwig Vives als Apologet. Ein Beitrag zur Geschichte der Apologetik (Freiburg i. Br. 1932); J. M. Millas Vallicrosa, "La apologética de Luis Vives y el Judaismo", in: Sefaradl (1942), 1-31; C. Gilly, Spanien und der Basler Buchdruck bis 1600. Ein Querschnitt durch die spanische Geistesgeschichte aus der Sicht einer europäischen Buchdruckerstadt (Basel 1985), 172-185, besonders 182-185. - Über Vives im allgemeinen siehe K. Deuringer, Art. "Vives", in: LThK X (1965), 829-830; C. G. Noreña, Juan Luis Vives (Den Haag 1970); J. Jiménez Delgado, Art. "Vives", in: Diccionario de historia eclesiástica de España IV (Madrid 1975), 2779-2780; A. Gómez-Hortigüela Amillo, Luis Vives, valenciano o El compromiso del filósofo (Valencia 1991).

A. Castro, España en su historia (Buenos Aires 1948), 682-685, hat wohl als erster in der Form einer Vermutung die jüdische Herkunft von Vives angenommen. Bald darauf entdeckte Abdón M. Salazar die Prozeßakten, die dann von Miguel de la Pinta Llórente sowie J. M. de Palacio veröffentlicht wurden: Procesos inquisitoriales contra la familia de Juan Luis Vives. I. Proceso contra Blanquina March, madre del humanista (Madrid 1964). - Vgl. Gilly, op. cit., 173-175; J. L. Abellán, Historia crítica del pensamiento español. II: La edad de oro (siglo XVI) (Madrid 1979), 108-120, besonders 111. 3 "Vos ad omnia estis caeci et surdi praeterquam ad quaestum pecuniae ... vos nihil (adfertis) nisi obstinatam pertinaciam, ignorantiam universorum et rabiem cuncta damnandi." Opera omnia VIII, 254-55. Es ist immerhin bemerkenswert, daß der Christ auf die Vorhaltung des Juden, diese Äußerung trage nichts zur Sache bei und sei beleidigend, schweigt, die Kritik also offenbar doch akzeptiert. - Die typischen Bilder des Juden in der christlichen Polemik des Mittelalters beschreibt G. Dahan, Les intellectuels chrétiens et lesjuifs au moyen âge (Paris 1990), 517-530.

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sieht äußert, auch der Jude werde die Auseinandersetzung "von Mensch zu Mensch, mit Hilfe der menschlichen Vernunft und Urteilskraft" führen4. Wenn es sich um einen literarischen Dialog handelt, dann stellt sich die Frage nach den Quellen. Paul Graf und José María Millás Vallicrosa haben in ihren Untersuchungen sehr schön die Verankerung des Dialogs in der Tradition aufgezeigt. Vives' Argumente für die Überlegenheit des Neuen über das Alte Testament und für die Messianität Jesu sind im allgemeinen nicht neu. Auch die literarische Form, in der sie vorgetragen werden, die Form des Dialoges, wurde schon im 2. Jahrhundert von Justin dem Märtyrer in seinem Dialog mit dem Juden Tryphon verwendet5. Unbeachtet blieb bisher bei der Quellenanalyse der Hinweis des Herausgebers der Opera omnia, des Valencianers Gregorio Mayans6, Vives sei zu seinem Dialog mit dem Juden und mit dem Muselmanen im dritten bzw. vierten Buch von De veritate fidei christianae angeregt worden durch die 1535 erschienenen Diálogos cristianos contra la secta mahometa y contra la pertinacia de los judíos des Kanonikus von Gandía, Bernardo Pérez de Chinchón; Vives habe dieses Werk gleichsam in seinen eigenen Saft und sein eigenes Blut verwandelt und in eine stimmigere Form gebracht. Diesem Hinweis von Mayans möchte ich im folgenden nachgehen und in einem etwas weiteren Rahmen Vives' Dialog mit dem Juden auf dem Hintergrund der Geschichte des christlich-jüdischen Dialogs in Spanien betrachten7. Die Quellen für Vives' Dialog mit den Juden in Spanien zu suchen, obwohl Vives seit seinen Studienjahren außerhalb Spaniens lebte8, ist nicht so abwegig; 4 5

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"... qui cedat apertae rationi et homo cum homine humana ratione ac judicio diseeptante contendat". Opera omnia VIII, 248. Vgl. jetzt zusammenfassend zu Inhalt und Form solcher Dialoge G. Dahan, Les intellectuels (Anm. 3), besonders 415-22, 573-510; ders., La polémique chrétienne contre le judaïsme au Moyen Age (Paris 1991), besonders 69-86 und 123-136. "Non ingratum erit lectori noscere caussam, ob quam Vives scripserit dialogistice tertium et quartum librum operis, De Veritate fidei christianae, adversus Judaeos et Muhammedanos; nimirum imitatus fuit Ludovicum Bernardum Perez de Chinchón, canonicum Gandiensem, qui anno 1535 ediderat Valentiae sermone hispano Dialogos christianos contra sectam muhammedanam et pertinaciam judaeorum: opus raritate et doctrina praestans, quod Vives in succum et sanguinem proprium convertit et eruditione et juditio, quo pollebat, in conccinniorem methodum redegit." Opera omnia I, Anhang, 167. A. Bonilla y San Martín, op. cit. (Anm. 1), 319, meint, Vives habe sich im dritten Buch auf den Tractatus contra iudaeos des Augustiners Jacobo Pérez de Valencia gestützt, der erstmals 1484/85 in Valencia erschienen ist, und im vierten Buch auf die Schrift Confusión de la secta mahomética y del Alcorán (Valencia: J. Joffre, 1515) des Alfaqui von Játiva, der sich nach seiner 1487 in Valencia vollzogenen Konversion zum Christentum Juan Andrés nannte. Vgl. dazu Everette Eugene Larson, A Study of the " Confusión de la secta mahómica" oí Juan Andrés (Ann Arbor, Michigan 1985). M. Bataillon hat bekanntlich Vives nicht in seiner Geschichte des spanischen Humanismus behandelt; siehe sein Werk Erasmoy España (Mexico 1966), S. VII: "Vives, a partir de sus años de estudiante en la Sorbona, pertenece a Europa." Diese Meinung findet auch heute noch Zustimmung (siehe Gilly, op. cit., 172-173), aber auch Ablehnung (siehe Abellán, op. cit., 108). Auf die Verwurzelung seines Denkens in seiner spanischen Heimat weist neuerdings hin E. González y Gonzalez, Joan Lluis Vives: de la escolástica al humanismo (Valencia 1987).

Vives'Auseinandersetzung mit dem Alten Testament

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denn gerade in Spanien war das jüdische Erbe, auch nach der Vertreibung der Juden 1492, besonders lebendig. Man denke nur an die Complutenser Polyglotte und an die Hebraisten von Alcalá und Salamanca, etwa Luis de León und später dann Arias Montano9. Auf der anderen Seite konnte Vives in seiner neuen Heimat in dieser Hinsicht nicht so viele Anregungen erhalten. Sein großes Vorbild Erasmus hat das Alte Testament sicher nicht verachtet, wie man aus einzelnen Bemerkungen schließen könnte10; aber sein Hauptinteresse galt doch dem Neuen Testament. Wenn er auf alttestamentliche Texte zurückgreift, dann bezieht er sie im Gefolge des Orígenes und der ganzen christlichen Tradition im geistigen, allegorischen Sinn auf Christus. Sicher steht auch Vives in dieser Tradition. Aber er hat sich doch weit intensiver als Erasmus dem Alten Testament selbst zugewandt und sich mit dessen Auslegung durch die Juden beschäftigt. Allerdings kann man Vives nicht zu den christlichen Hebraisten zählen. Dazu fehlte ihm ähnlich wie Erasmus die wichtigste Voraussetzung, die Kenntnis der hebräischen Sprache11. So blieb er immer wie ein Reisender in einem fremden Land auf Dolmetscher angewiesen12, auch wenn er die besten zu Rate zog und zum Beispiel an Stelle der Vulgata oft die neue, direkt aus dem Hebräischen erarbeitete Übersetzung des Dominikaners Santes Pagnini benutzte13. Vives lag vor allem eine angemessene Hermeneutik des Alten Testamentes am Herzen. Die Dunkelheit und Mehrdeutigkeit vieler hebräischer Ausdrücke, dazu die einfache, geradezu primitive Darstellungsweise des Alten Testamentes versperren vielen, so meint Vives, den Zugang zu diesem Buch. Er selbst findet den hermeneutischen Schlüssel in der Einsicht, daß Gott sich im Alten Testa-

g

Auf die hebräische Komponente im spanischen Humanismus weisen mit Recht hin N. Fernández Marcos und E. Fernández Tejero, "Biblismo y erasmismo en la España del siglo XVI", in: M. Revuelta Sañudo y C. Morón Arroyo (ed.), El erasmismo en España (Santander 1986), 97-108. 10 Vgl. Guido Kisch, Eramu¿ Stellung zu Juden und Judentum (Tübingen 1969); Simon Markish, Erasme et les juifs (Genf 1979). Allgemein zur Schriftauslegung des Erasmus siehe L. Bouyer, "Erasmus in Relation to the Medieval Biblical Tradition", in: G. W. H. Lampe, The Cambridge History of the Bible II (Cambridge 1969), 492-505; A. Godin, Erasme lecteur dOrigène (Genf 1982); ders., "L'antijudaisme d'Erasme", in: Bibliothèque cf humanisme et renaissance 47 (1985), 537-553; ders., "La Bible et la 'philosophie chrétienne'", in: G. Bedouelle / B. Roussel, Le temps des Réformes et la Bible ( = La Bible de tous les temps 5) (Paris 1989), 563-586; G. Bedouelle, "L'humanisme et la Bible", in: ebda., 53-121; P. Walter, Theologie aus dem Geist der Rhetorik. Zur Schriftauslegung des Erasmus von Rotterdam (Mainz 1991). 11

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Das räumt Vives selbst gegenüber dem Juden ein; siehe Opera omnia VIII, 271. Eine ähnliche Äußerung findet sich in der Erklärung der Bußpsalmen; vgl. Opera omnia 1,163.

Opera omnia VIII, 271. 13 •• Uber Ansätze einer philologischen Kritik des Bibeltextes durch Vives siehe Graf, op. cit., 81-83 (Anm. 1). Immer wieder wird darauf hingewiesen, daß Vives als einer der ersten in seinem Kommentar zu De civitate Dei die Frühdatierung des Aristeas-Briefes in Zweifel gezogen hat; vgl. L. Diestel, Geschichte des Alten Testamentes in der christlichen Kirche (Jena 1869), 332; B. Roussel, in: G. Bedouelle / B. Roussel, op. cit. (Anm. 10), 139.

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ment der Fassungskraft des Volkes Israel angepaßt hat14. Die Idee der Anpassung gibt ihm die Möglichkeit, sein Verständnis des Alten Testamentes sowohl gegen die Auffassung eines heidnischen Humanismus wie gegen die des Judentums abzugrenzen. Mit einer an Savonarola15 erinnernden Schärfe greift er Angelo Poliziano und andere italienische Humanisten16 an, die das Alte Testament seiner sprachlichen Form wegen verachteten und "lieber schön erzählte Fabeln hörten als die einfache schlichte Wahrheit"17. Der Formenreichtum des Alten Testamentes, so Vives, stehe dem eines Homer nicht nach. Man mache sich über die Hirtengeschichten der Patriarchen lustig und schwärme auf der anderen Seite für die Hirtengedichte eines Vergil oder Theokrit. Man beschäftige sich lieber mit dem grausamen Nero oder dem verrückten Caligula statt mit dem sanftmütigen David und dem weisen Salomo18. Trotz all dem Gesagten ist für Vives das Alte Testament ein unvollkommenes Gesetz, eine lex puerilis19, in der sich Gott der primitiven Fassungskraft von Kindern angepaßt hat. Einen Gedanken des Pseudo-Dionysius Areopagita20 aufgreifend betont er, Gott habe mit Absicht möglichst grobe Bilder benutzt, um klarzumachen, daß das eigentlich Gemeinte hinter dem Wortsinn Hege. Das Alte Testament gilt nach ihm keineswegs für alle Ewigkeit, sondern stellt eine

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Opera omnia VIII, 159-167.

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Uber heidnische Elemente im italienischen Humanismus und die Reaktion Savonarolas siehe M. Glossner, Savonarola als Apologet und Philosoph (Paderborn 1898), 4 und 21. Glossner zitiert auf S. 4 auch aus einem Brief des Kardinals Bembo an Sadolet; Bembo fürchtete, durch die Lektüre der Hl. Schrift die Eleganz seines Stiles zu verderben. Erasmus dagegen hat die literarische Qualität der Bibel verteidigt; vgl. Erasmus, Dialogas Ciceronianus sive De optimo genere dicendi (1528); ed. P. Mesnard, in: Opera omnia, ordinis primi tomus secundus (Amsterdam 1971), 580-710, besonders 644-45: "Habet divina sapientia suam quandam eloquentiam" (645,11). 16 Über Angelo Poliziano (1454-1494) siehe ECatt IX (1952), 1692-97 (G. Vallese). - Über die im allgemeinen positive Haltung der italienischen Humanisten zur Bibel und speziell zum Alten Testament siehe S. Garofalo, "Gli humanisti italiani del secolo XV e la Bibbia [sie]", in: Biblica 27 (1946), 338-75; Ch. Trinkaus, In Our Image and Likeness. Humanity and Divinity in Italian Humanist Thought. II (London 1970), 563-614. Nach Trinkaus (ebda., 578-601) hat Leonardo Bruni das Studium des Hebräischen als unnütz kritisiert (Hebraicas literas inutiles, graecas vero latinasque utilissimas esse ostendit), während sich Gianozzo Manetti dem Studium des Hebräischen zuwandte; aber Vives bezieht sich sicher nicht auf Leonardo Bruni. 17 Opera omnia VIII, 163. 18 Vgl. Graf, op. dt., 61-62 (Aim. 1). 19

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"Sunt tarnen quidam, qui in vetere instrumento offenduntur illis legis praescriptis, ut ipsi ajunt tarn indignis Dei majestate: ego vero non miror hoc aliquos mirari, nam lex Judaeorum, ut quae pueris dabatur, in specie quam Judaei erant tunc visuri et quam solam etiamnum sustinent intueri, puerilis est, et plane indigna Deo; immo nisi Christus earn a Deo affirmasset traditam, multi ex nationibus non potuissent adduci ut id crederent..."; Opera omnia VIII, 165. Siehe auch 274. Opera omnia VIII, 162.

Vives'Auseinandersetzung mit dem Alten Testament

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primitive Phase in der Geschichte der göttlichen Offenbarung dar21. Der eigentliche Sinn der Bilder und Vergleiche wird erst vom Ziel der Entwicklung her einsichtig, vom Erscheinen Christi22. Der große Fehler der Juden besteht darin, daß sie den entwicklunggsgeschichtlichen, pädagogischen Sinn des Alten Testamentes verkennen. Erschwerend kommt nach Vives dazu, daß sie das buchstäbliche Verständnis der Bibel im Talmud und in den Glossen des berühmten Raschi geradezu kanonisiert haben23. Der Talmud verfälscht nach Vives durch seine Anthropomorphismen die Idee Gottes24; er verfälscht aber auch das Bild des Menschen, weil er dessen Ziel in irdisch-materieller Erfüllung und nicht im unsterblichen Leben der Seele sieht. Darum bemüht sich der Christ im Dialog des dritten Buches zunächst darum, dem Juden ein angemessenes, d.h. ein geistiges Verständnis von Gott und vom Menschen nahezubringen. Ist dies gegeben, dann wird sich der Jude gleichsam von selbst zu Christus bekehren25. Er wird erkennen, daß das Judentum nur eine vorbereitende Funktion hatte und durch das Erscheinen Christi überholt ist. Jesus von Nazareth ist der von den Juden erwartete Messias, und die Christen, die das Alte Testament geistig verstehen, sind die wahren Juden 26 . Vives argumentiert also letztlich von Christus her; trotzdem konfrontiert er den Juden nicht gleich mit der Gestalt Christi, sondern beruft sich zunächst auf die menschliche Vernunft, die den wahren, den geistigen Begriff von Gott und vom Menschen enthält. Während der Jude vom Christen einen Schriftbeweis ver21

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Vgl. Vives' Antwort auf den Einwand der Juden, das alttestamentliche Gesetz stamme von dem ewigen Gott und habe eine ewige Dauer; Opera omnia VIII, 276-281. Es scheint geradezu, daß mit Christus das Alte Testament überflüssig geworden ist. "Has omnes obscuritates illustravit Christus, et figuris atque umbris suum corpus ostendit verum germanumque, ut quum corpus hoc habeamus, nihil sit opus amplius imaginibus et adumbratione." Opera omnia VIII, 167. Opera omnia VIII, 162, 166-67; vor allem aber Opera omnia VIII, 252-254, 269-270. In der Tat bildeten die Glossen von Raschi, Rabbi Salomo ben Isaac aus Troyes ( + 1105), gleichsam die Glossa ordinaria der Juden. Das ist ein Vorwurf, der immer wieder erhoben wurde; vgl. dazu M. Orfali, "Anthropomorphism in the Christian Reproach of the Jews in Spain (12th - 15th Century)", in: Immanuel 19 (1984/85), 60-73; ders., El tratado "De iudaicis erroribus ex Talmut' de Jerónimo de Santa Fe (Madrid 1987). Obwohl Vives von der Anpassung Gottes an die Fassungskraft der Menschen spricht, bringt er offenbar kein Verständnis auf für den positiven Sinn der Anthropomorphismen in der Bibel und im Talmud. Vgl. dazu E. Jüngel, Gott als Geheimnis der Welt. Zur Begründung der Theologie des Gekreuzigten im Streit zwischen Theismus und Atheismus (Tübingen 1977), 317ff; P. Kuhn, Gottes Selbsterniedrigung in der Theologie derRabbinen (München 1968). Opera omnia VIII, 247-263. Vgl. Opera omnia VIII, 166-167. Vives vertritt auch sonst eine sogar bei christlichen Theologen nicht selbstverständliche Christozentrik. Über deren mögliche Wurzeln bei Ramón Lull und in der franziskanisch-skotistischen Theologie siehe B. G. Monsegú, "La doctrina cristológica de Juan Luis Vives", in: Estudios franciscanos 55 (1954), 429458, 56 (1955), 43-70; ders., Filosofía del humanismo de Juan Luis Vives (Madrid 1961).

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langt, insistiert der Christ auf der ratio. Nur die ratio könne letztlich darüber entscheiden, ob ein Text Gottes Wort ist und wie er auszulegen ist27. Die Berufung auf die ratio bildet das Kernstück in Vives' Apologetik. Die ratio ist für ihn natürlich keine autonome Instanz. Ihrer Herkunft nach ist sie ein Strahl der göttlichen Vernunft, das höchste Gut, das Gott dem Menschen geschenkt hat28. Vives weiß auch um die Unvollkommenheit und Schwäche der menschlichen Vernunft. Sie kann nur eine Hinführung zur absoluten Wahrheit geben, eine manuductio oder introductio^. Ihre Argumente sind in Glaubensfragen nicht zwingend; es sind eher Mutmaßungen30. Zu ihrer Reinigung und Vollendung braucht die menschliche Vernunft das Licht des gottmenschlichen Lehrers Christus31. Deshalb empfindet Vives auch eine mögliche Korrektur durch die Kirche Christi keineswegs als einen Eingriff in die Freiheit des rationalen Diskurses32. All die genannten Präzisierungen bezüglich der Tragweite der ratio sind für Vives wichtig; aber sie heben seine Grundthese nicht auf: die ratio des Menschen entscheidet über die richtige Auslegung des Alten Testamentes, ja über 27

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Grundsätzliches über den Gebrauch der ratio sagt Vives schon im dritten und vierten Kapitel des ersten Buches, Opera omnia VIII, 12-30. Im zweiten Kapitel des dritten Buches wendet er es auf die Kontroverse mit den Juden an, Opera omnia VIII, 263-271. "Nullo modo potestis legere sacras litteras, quin adhibeatis mentem et judicium et rationem tanquam ducem intelligentiae...", Opera omnia VIII, 263. - "Haec (sc. ratio) est ergo doctrix, haec via, index (iudex?), canon...", ebda., 266. - "Ad rem maximam (sc. pertinent haec omnia), ut ratione et explanatione verisimili adhibita legantur tractenturque sacrae litterae, non rudi ilia intelligentia verborum, qua nihil potest fieri absurdius: et haec fuit causa cur nec vos nec patres vestii agnoscitis Messiam, quia non vultis engere vos ad considerationem rationis spiritalis, sed haerere crassitiae litterae puerilis ac ineptae, contra id quod decet hominem ac Deum." Ebda., 269. So schon in der Praefatio. "Nihil enim est aliud humana ratio quam radius quidam divinae lucis, ut regius ille psaltes merito dixerit Deo: Signatum est super nos lumen vultus tui, Domine (Ps 4,7)." Opera omnia Vili, 2; vgl. auch Opera omniaVIII, 13,266 und 268.

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Zu manuductio siehe Opera omnia Vili, 3. Entgegen der Aussage von Opera omnia VIII, 266, die ratio sei der Kanon unseres Suchens nach Wahrheit, sagt er in Opera omnia VIII, 18: "... nec postulabimus ut canon et norma fidei sit nostra ratio, sed tantum introductio...". Die Idee der manuductio erinnert, ebenso wie manche andere Gedanken über das Verhältnis von Glauben und Wissen, an Nikolaus von Kues, von dem Vives aber offenbar keine Kenntnis hatte. Vgl. zur Idee der manuductio bei Nikolaus von Kues R. Haubst, Streifzüge in die cusanische Theologie (Münster 1991), 40-12. VI Siehe Opera omnia VIII, 23. Vgl. auch VIII, 27. 31

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Wo Vives das Alte Testament nicht apologetisch, sondern erbaulich auslegt, zum Beispiel in der Erklärung der Bußpsalmen, da praktiziert er eine Auslegung, die im wesentlichen christologisch ist, aber auch alle Dimensionen des Menschlichen, z. B. Leid, Schuld und Umkehr, zur Sprache bringt. Vgl. Opera omnia 1,162-255 ("Meditationes in psalmos poenitentiales") und Opera omnia VII, 91-100 ("Meditatio in psalmum XXXVII De passione Christi"). Die christologische Auslegung führt also hier zu einem Bild des Menschen, das nicht so optimistisch ist wie das der

Fabula de homine.

In der Einleitung zu De veritate [idei christianae sagt er: "Ecclesiae vero judicio et sto et stabo semper, etiam si mihi pro parte contraria apertissima videatur facere ratio; ego enim falli possum et fallor saepissime; Ecclesia in his rebus quae ad summam pietatis pertinent numquam fallitur." Opera omnia VIII, 22.

Vives' Auseinandersetzung mit dem Alten Testament 15 den richtigen Glauben selbst. So fordert er den Juden auf: "In der Nacht der Heiligen Schriften wollen wir die ratio anzünden, um zu sehen, welcher Sinn am meisten den Worten der Propheten entspricht..."33. Als der Jude einen Schriftbeweis für die Messianität Jesu verlangt, hält ihm der Christ entgegen, er habe doch schon vorher, im zweiten Buch der Apologie, mit Hilfe der Vernunft die Angemessenheit der Inkarnation dargelegt, sodaß sich ein Schriftbeweis eigentlich erübrige. Auf jeden Fall stehe das von Gott ins Herz und in den Verstand des Menschen eingeschriebene Gesetz über dem auf Stein und Pergament festgehaltenen34, - ein Gedanke, der an die Theologia naturalis des Raimundus Sibiuda erinnert35. Zwar geht der Christ dann doch auf das Verlangen des Juden ein und legt eine Reihe von Schriftbeweisen vor, die weithin den christlichen Handbüchern antijüdischer Polemik entnommen sein dürften; aber ihre Auswahl und Darbietung erfolgt doch nach den Gesichtspunkten der von Vives bevorzugten rationalen Apologetik. Vives' Auffassung von der dominierenden Rolle der ratio im interreligiösen Gespräch ist in einem weiteren Rahmen zu sehen. Bis etwa zum 12. Jahrhundert hatten Christen und Juden in ihren Streitgesprächen fast ausschließlich mit auctoritates, nämlich mit biblischen testimonia, argumentiert36. Einer der ersten, der neben die Autorität der Schrift als weitere entscheidende Instanz die ratio stellte, war ein Landsmann von Vives, nämlich Pedro Alfonso, ein im Jahre 1106 zum Christentum konvertierter Rabbi aus Huesca, der in seinen Dialogi, einem Selbstgespräch zwischen dem Christen Petrus und seinem früheren jüdischen Ich, dem Moyses Sefardi, seine Bekehrung rechtfertigte37. Vives konnte diese Schrift nicht übersehen haben; sie war in unzähligen Handschriften verbreitet und zudem im Jahre 1536 erstmals in Köln auch im Druck erschienen.

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"Oblitusne es convenisse inter nos dudum, lumen humanae mentis de luce illa summa et sempiterna derivatum rationem esse? Hanc nos in nocte ista sanctarum scripturarum accendemus, ut videamus quis sensus maxime congruat prophetae verbis, dictis et praecedentibus et futuris, quis sit aptisssimus mysteriis et rebus sacratissimis, de quibus illlic agitur, ne celsissimas et divinas sententias, quales sunt in sanctis oraculis, ad infimas, ineptas atque aniles interpretationes deflectamus, dum stomacho servimus, non intelligentiae..."; Opera omnia VIII, 315. Dem Herausgeber schienen diese Worte wohl zu kühn; er merkt am Rande an: "De ratione loquitur illuminata ab Ecclesia." 34 "¿Quid porro si id quod confirmem, mysticis non esset litteris expressum? ¿an non plus est, scriptum esse a Deo in cordibus nostris, quam in saxis aut membranis?" Opera omnia VIII, 314. 35 Raimundus Sabundus, Theologia naturalis seu Liber creaturarvm. Faksimile-Neudruck der Ausgabe Sulzbach 1852. Mit literargeschichtlicher Einführung und kritischer Edition des Prologs und des Titulus I von Friedrich Stegmüller (Stuttgart-Bad Cannstatt 1966). 36 Einen Überblick über das Verhältnis von ratio und auctoritas in der christlich-jüdischen Polemik des Mittelalters gibt G. Dahan, Les intellectuels, 423-471 (Anm. 3); ders., La polémique, 104-122 (Anm. 4). 37

Petrus Alponsi, Dialogi in quibus impiae iudaeorum opiniones evidentissimis cum naturalis tum caelestis phiiosophiae argumentis confutantur... (Köln 1526, apud Joh. Gymnicum; PL 157, 535672). Vgl. K. Reinhardt / H. Santiago Otero, Biblioteca biblica iberica medieval (Madrid 1986), 250-258.

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Die Reichweite der ratio wurde von den christlichen Theologen der Scholastik in unterschiedlicher Weise bestimmt. Während Anselm von Canterbury, Ramón Llull, Ramón Sibiuda und andere den ganzen Glauben als der Vernunft entsprechend, ja bis zu einem gewissen Grade als vernunftnotwendig ansahen, schränkte Thomas von Aquin in seiner Summa contra gentiles die Rolle der ratio ein; nur die praeambula fidei können von der ratio bewiesen werden; die Kernwahrheiten des Christentums dagegen sind nur im Glauben an die in der Bibel enthaltene göttliche Offenbarung zugänglich; die Vernunft kann nur nachträglich eine gewisse Analogie zwischen Glaube und Vernunft ausmachen. Diese Auffassung führte im Pugio fidei des Ramón Martí und in vielen anderen antijüdischen Traktaten zu einem Nebeneinander von rationaler und bibeltheologischer Argumentation. Doch kehren wir noch einmal zurück zu Pedro Alfonso. In dessen Dialogi finden sich nämlich außer der Berufung auf die ratio noch weitere neue Ideen, die bei Vives wiederkehren: einmal die Verbindung von antijüdischer mit antimoslemischer Apologetik38 und dann innerhalb der antijüdischen Polemik die Entdeckung der jüdischen Traditionsliteratur, vor allem des Talmud und der Kabbala. Der Rückgriff auf den Talmud dient bei Pedro Alfonso wie bei Vives vor allem dem Ziel, die vernunftwidrige, weil anthropomorphe Auslegung der alttestamentlichen Gottesaussagen im Judentum zu illustrieren39. Daß andere christliche Theologen, zum Beispiel bei den großen christlich-jüdischen Disputationen von Barcelona 1263 und Tortosa 1413/14, im Talmud auch einige Aussagen entdeckten, die sich gegen das Judentum und zugunsten des christlichen Glaubens gebrauchen lassen, war Vives offenbar nicht bekannt; der Talmud ist für ihn Inbegriff des bornierten, auf ein buchstäbliches Verständnis der biblischen Anthropomorphismen festgelegten Judentums. Eine andere Form der außerbiblischen Überlieferung der Juden, nämlich die Kabbala, wurde von den Christen meist positiver bewertet. Pedro Alfonso bietet mit seiner trinitarischen Interpretation des biblischen Tetragrammaton ein schönes Beispiel präkabbalistischer Bibelinterpretation40. Auch Vives hat sich diese Interpretation in etwa zu eigen gemacht41. Ob man ihn deshalb zu den Vertretern der christlichen Kabbala rechnen kann, die in der Renaissance ihre Blüte erlebte,

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39 40

Vgl. dazu auch A. H. and H. E. Cutler, The Jew as Ally of the Muslim. Medieval Roots of AntiSemitism (Notre Dame 1986). Zur Beurteilung des Talmud im Christentum siehe G. Dahan, Les intellectuels, 456-469 (Anm. 3) und M. Orfali, op. at. (Anm. 24).

Vgl. E. Colomer, "La interpretación del tetragrama bíblico en Ramón Martí y Arnau de Vilanova", in: Sprache und Erkenntnis im Mittelalter. Miscellanea Mediaevalia 13 (Berlin 1981), 937945. 41 Opera omnia Vili, 323. Siehe Graf, op. dt, 86 (Anm. 1).

Vives' Auseinandersetzung mit dem Alten Testament

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scheint mir fraglich42. Was für die Auseinandersetzung des Vives mit dem Judentum wirklich charakteristisch ist, das ist die Berufung auf die ratio. Darin sieht Millás Vallicrosa mit Recht eine Reaktion auf fideistische Strömungen im damaligen Judentum wie im Christentum43. Schon in der Einleitung zu De veritate fidei christianae wendet sich Vives gegen die sog. Lehre von der doppelten Wahrheit, wie sie zum Beispiel von dem Paduaner Aristoteliker Pietro Pomponazzi vertreten wurde. Vives selbst spricht von einer falschen Unterscheidung des lumen fidei vom lumen naturae, so als ob im Licht des Glaubens etwas wahr sein könne, was im Lichte der Natur falsch ist, und umgekehrt44. Für ihn gibt es nur eine Wahrheit, und diese kann von der menschlichen ratio zumindest anfanghaft erforscht werden, zumal wenn die Vernunft von Gott und Christus erleuchtet wird. Vives steht mit dieser Hochschätzung der ratio nicht allein da. Ende des 15. Jahrhunderts hat zum Beispiel Savonarola in seinem Werk Triumphus crucis45 im Sinne des Thomas von Aquin die Bedeutung der ratio für die Glaubensbegründung betont. Vielleicht wurde Vives davon beeinflußt; aber man kann seine Auffassung sicher nicht allein vom Thomismus her erklären46. Die Position von Vives berührt sich viel stärker mit der eines zeitgenössischen spanischen Humanisten, auf den Gregorio Mayans hingewiesen hat, Bernardo Pérez de Chinchón. Auch wenn dieser Kanonikus von Gandia nicht zu den großen Gestalten des spanischen Humanismus gehört, so ist er doch durch die Übersetzung einiger Werke des Bernhard von Clairvaux und vor allem des Erasmus bekannt geworden47. Sein Vorwort zur Übersetzung der Lengua des Erasmus

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Vgl. C. Swietlicki, Spanish Christian Cabala. The Works ofLuis de León, Santa Teresa de Jesus and San Juan de la Cruz (Columbia Univ. of Missouri Press, 1986) 7; F. Secret, La kabbala cristiana del Renacimiento (Madrid 1979). - Einige Sätze sind wohl gegen die Kabbalisten gerichtet: "Vel ex ipsis mysticis litteris originem errorum multi traxerunt; Sunt qui non minus rationem in abstrusis illis mysteriis, parumque (ut dixi) ad nos pertinentibus requirant, quam in iis, quae nosse ad pietatem spectant..."; Opera omnia VIII, 17. 43 Vgl. Millás Vallicrosa, op. cit., 3-4 (Anm. 1). 44

45 46

Opera omnia VIII, 18. Vgl. dazu auch P. O. Kristeller, El pensamiento renacentista y sus fuentes (México 1982), 263-279. Vgl. Hieronymus Savonarola, Triumphus crucis sive De veritate fidei libri quatuor et Meditationes eiusdem in Psalmum Miserere (Roma s.a., typis sacrae congregationis de propaganda fide).

Als Thomisten interpretieren ihn vor allem Graf und Millás Vallicrosa (vgl. Anm. 1). Monsegu (vgl. Anm. 26) hebt die skotistischen und lullistischen Elemente in seiner Christologie hervor. Vives selbst nennt als Theologen, denen er folgen will, zunächst einige Kirchenväter und dann Thomas von Aquin; Opera omnia VIII, 19. Im Spanien des ausgehenden 15. Jahrhunderts setzte sich vor allem der Salmantiner Theologe Pedro Martínez de Osma ( + 1480) für eine Rückkehr zur Theologie des Thomas von Aquin ein, der seiner Auffassung nach die Kirchenväter zusammenfaßt und vollendet; siehe dazu K Reinhardt, Pedro de Osma y su comentario ai símbolo "Quicumque" (Madrid 1977), 54-57. 47 Vgl. zu diesem Autor M. Bataillon, Erasmoy España (México 1966), 284-85 u. öfter und besonders die Einleitung von Dorothy S. Severin zu der von ihr besorgten Ausgabe La Lengua de Erasmo nuevamente romaneada por muy elegante estilo. Traducción española del siglo XVI por

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gehört nach Francisco Rico zu den schönsten, gelungensten und suggestivsten Seiten der spanischen Renaissance, besonders im Bezug auf die Vorstellung vom Menschen als Mikrokosmos48. Seine eigentliche Aufgabe aber sah Bernardo Pérez nicht in humanistischer Bildung, sondern in der Bekehrung der Muselmanen. Im Vorwort zu seiner 1532 erschienenen Schrift Antialcorano49 heißt es50: Die Disputationen von Paris, die Übungen von Salamanca, die akademischen Akte von Alcalá, die Rhetorik Italiens und die römische Eloquenz müßte man für dieses Unternehmen (nämlich die Bekehrung der Moslems) aufbieten. Da mühen sich einige zu Tode, um Plinius zu glossieren; sie vergießen ihren Schweiß, um Vergil zu erklären; sie arbeiten sich ab, um Epigramme und Liebesgedichte zu verfassen, und keiner will den Irrtum Mohammeds ausrotten, der uns so sehr bedrängt.

In einer weiteren Schrift, den 1535 in Valencia im Druck erschienenen Diálogos christianos contra la secta mahomética y contra la pertinacia de los judíos51, bezieht Bernardo Pérez auch die Juden in sein Missionsprogramm ein. Sein Dialogpartner ist hier ein zum Christentum konvertierter Korangelehrter, ein gewisser Joseph Zumilla, bei dem Pérez arabisch gelernt hatte. Joseph schlüpft in diesen Dialogen der Form halber noch einmal in die Rolle des Alfaqui52.

48

Bernardo Pérez de Chinchón. Edición de Dorothy S. Severin (Anejos del Boletín de la Real Academia Española, Anejo XXXI, Madrid 1975), dort S. IX-XXXIV.

F. Rico, El pequeño mundo del hombre. Varia fortuna de una idea en la cultura española (Madrid 1986), 137. Libro llamado Antialcorano que quiere dezir contra el Alcorán de Mahoma, repartido en XXVI sermones, compuesto por el R. Maestro Bernardo Pérez de Chinchón canónigo de Gandía (Valencia 1532; die Approbation ist schon von 1528; Exemplar in Madrid BN, R. 6875). Das Werk ist gewidmet Guillen Desprats, abad de San Marcelo, vicario general e inquisidor en el arzobispado de Valencia, mit dem Vives korrespondierte. Zu Aufbau und Inhalt des Werkes vgl. D. S. Severin, op. cit. (Anm. 47). 50 "Las disputas de Paris, los exercicios de Salamanca, los actos de Alcalá, la retórica de Italia, la eloquentia Romana en esta empresa se devría emplear. Mueren algunos por anotar a Plinio, sudan por declarar Vergilio, trabajan por metrificar epigramas y versos de amores; y ninguna se exercita en estirpar este error de Mahoma que tanto cunde." Antialcorano, fol. A5r-v. 51 Das Werk ist dem Kardinalerzbischof von Valencia Eberhard de la Marche, früher Bischof von Lüttich, gewidmet. Die Widmung, die in Latein verfaßt ist, weil der Erzbischof kein Spanisch verstand, datiert vom 30. Dezember 1534. Ein Exemplar dieses seltenen Werkes befand sich in der Bibliothek von Fernando de Rojas, dem Verfasser der Celestina; vgl. Stephen Gilman, The Spain oí Fernando de Rojas (Princeton 1972), 453-55 und D. S. Severin, op. cit. (Anm. 47). Heute existiert, soweit mir bekannt ist, nur noch ein einziges Exemplar des Werkes; es befindet sich in der Bayerischen Staatsbibliothek (Signatur: 4 Asc. 680/1).

49

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Vgl. den Titel des ersten Dialogs, der noch einmal den Titel des ganzen Werkes aufnimmt: "Disputa compuesta a manera de diálogo entre el maestro Bernardo Pérez de Chinchón, canónigo de Gandía, y Joseph arávigo maestro suyo sobre ciertos artículos de nuestra sancta fe cathólica los quales niegan falsamente los moros y los judíos" (A VlIIr). Vgl. auch das Vorwort (fol. A VIv). Schon im Vorwort zum Antialcorano (fol. A VIrv) erwähnt Pérez diesen Alfaqui. Einige Jahrzehnte vorher, im Jahre 1487, hatte sich ein anderer, nämlich der Alfaqui von Játiva, nach dem Anhören einer Predigt in der Kathedrale von Valencia zum Christentum bekehrt und den Namen Juan Andrés angenommen. Auf Anregung von Martín Garcia (1462-1521), zuerst Archidiakon von Zaragoza und von 1512 an Bischof von Barcelona, übersetzte Juan Andrés (nach 1512 ?) den Koran und die Suna ins Spanische. Während diese Ubersetzung offenbar ver-

Vives' Auseinandersetzung mit dem Alten Testament

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Uns interessiert hier vor allem der zweite von den sechs Dialogen. Hier sprechen die beiden über die Rolle der menschlichen Vernunft bei der Suche nach der ewigen Wahrheit53. Der Moslem unterscheidet zunächst zwischen natürlichen und übernatürlichen Wahrheiten. Wie es für die natürlichen Dinge in unserer ratio ein Licht gibt, das sie erreicht, so gibt es in uns für die göttlichen Dinge den Geist (spiritu), der sie mutmaßt.

Aber damit will Pérez durch den Mund des Alfaqui ebensowenig wie Vives zwischen den beiden Sphären trennen. Er folgert vielmehr: Also ist der Mensch ein übernatürliches Lebewesen, das durch seine Vernunft die übernatürlichen, göttlichen Dinge erreicht, was kein anderes Lebewesen vermag, auch nicht die Sonne, der Mond oder die Elemente.

Und der Alfaqui fährt fort: Darum wage ich zu sagen, daß die Würde unseres Verstandes so groß ist, daß er, sofern ihn nicht Laster und Bosheit^verblenden, auch ohne Hilfe der Offenbarung die göttlichen Geheimnisse erreichen kann.

Allerdings, so meinen beide Gesprächspartner, wird es gut sein, sich in schwierigen und umstrittenen Fragen an bewährte Zeugen zu wenden. Im Dialog zwischen Christen und Muselmanen bietet sich dafür das Alte Testament an, das beide Parteien als Zeugnis der Wahrheit anerkennen. Wer aber richtet und urteilt, wenn es zu Meinungsverschiedenheiten über die richtige Auslegung des Alten Testamentes kommt? Die Antwort ist nach all dem Gesagten klar: Richter ist die menschliche Vernunft57. Also, so folgert der Christ weiter, müsse der

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loren ging, ist ein anderes Werk von ihm erhalten: Confusión de la secta mahomética y del Alcorán (Valencia, J. Joffre, 1515) (siehe dazu Anm. 7). Ob Bernardo Pérez de Chinchón diese Schrift gekannt hat, müßte noch genauer untersucht werden. Im Vorwort zum Antialcorano bezieht er sich namentlich nur auf die Sermones von Martín García, die erstmals 1520 in Zaragoza von Jorge Coci gedruckt wurden (Exemplar in Madrid BN R. 35640); dazu erwähnt er, ohne den Namen der Autoren anzugeben, "drei oder vier Widerlegungen des Korans", die er eingesehen habe. Vgl. D. S. Severin, op. dt. (Anm. 47), XIV-XV. "Diálogo segundo en que por razones y auctoridades de la sancta Escriptura se muestra la verdad de la ley christiana y el engaño y falsedad de la secta mahomética." Diálogos, fol. C Ir. "Porque assí como para las cosas naturales ay en nuestra razón lumbre que las alcanqa, assí para las divinas ay spíritu en nosotros que las barrunta..."; Diálogos, II, fol. C IVv. "De donde saco yo este notable quel hombre es animal sobrenatural porque alcanza por razón las cosas sobrenaturales de Dios lo que ningún animal ni sol ni luna ni elementos alcangan." Ebda.

"Donde me atrevo a dezir ques tanta la excellencia de nuestro entendimiento, tanta la luz del resplandor divino que Dios puso en él que si no le cegamos por vicio o malicia aún sin ley divina podríamos alcanzar la ley ques divina y los misterios divinos, como se lee de muchos philósophos que por razón natural y alta contemplación alcanzaron muchas cosas de las que Dios ha revelado dessí mesmo. Verdad es que siempre que habla la ley divina, es mayor luz y noticia que por ella tenemos que lo que alcanza la razón natural." Ebda., C IVv-Vr. 57 Bernardo Pérez zitiert in diesem Zusammenhang das Wort des Augustinus: "Ego vero evangelio non crederem, nisi me catholicae ecclesiae conmoveret auctoritas" (Contra epistulam Manichaei quam vocant fundamenti, n. 5; CSEL 25, 197) und sieht darin eine Bestätigung seiner Auffas-

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Moslem seine Weigerung aufgeben, über seinen Glauben und den Koran zu diskutieren. Und als der Moslem zurückfragt, ob das Gleiche auch für den Christen im Bezug auf das Evangelium gelte, sagt dieser ohne jedes Zögern ja. "Jeder Mensch muß und kann sein Gesetz in Frage stellen (poner en razón) und prüfen, ob es göttlich ist oder nicht."58 Es ist hier nicht möglich, den Dialog der beiden weiter zu verfolgen59. Für die konkrete Auslegung der messianischen Texte des Alten Testamentes gibt die kleine Schrift auch relativ wenig her60. Für diesen Zweck konnte Vives in Spanien andere und ergiebigere Werke fmden. Besonders seine Heimat Valencia hat eine reiche Tradition der antijüdischen christlichen Polemik aufzuweisen61. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat Vives den Tractatus contra iudaeos des 1490 gestorbenen Augustiners Jaime Pérez de Valencia gekannt62. Dieser hat das ganze Alte Testament konsequent im christologischen Sinn erklärt63; die Berufung auf die ratio hingegen spielt bei ihm keine Rolle. In diesem Punkt konnte Vives von Bernardo Pérez de Chinchón mehr Anregungen erhalten. Ob er tatsächlich von ihm beeinflußt ist, wird man wohl nicht mit Sicherheit sagen können. Auf jeden Fall aber hat sich Vives von einem ähnlichen Vertrauen in die Kraft der menschlichen Vernunft leiten lassen wie Bernardo Pérez de Chinchón. Beide greifen damit auf Vorstellungen der mittelalterlichen Theologie über das Verhältnis von ratio und auctoritas zurück; sie gehen aber weit darüber hinaus; bis zu einem gewissen Grade weisen sie voraus in die Zeit der sung. Damit solle gesagt sein: "... el mesmo Dios quiere que su ley se examine y platique y averigüe conforme a razón y la yglesia que aprueva y recibe el evangelio: es el mesmo spíritu de Dios que por los instrumentos de sus creyentes y por la razón natural, por las artes humanas juntas con sus milagros manifiesta la verdad y manifiesta la mentira." Zu Beginn des dritten Dialogs faßt er zusammen: "Quedamos, si bien me acuerdo, en esto: ques tanta la fuerqa de la razón natural que, ayudada con la inspiración divina y acompañada con humilde y sancto desseo, libre de passión y malicia, puede muy bien juzgar de las cosas humanas y de las divinas, porque, según dize el propheta David, está en nuestro entendimiendo sellada lumbre de luz divina (Ps 4,7), ques guía de nuestra razón. Y también quedamos en esto que todo hombre deve y puede poner en razón su ley y examinar si es divina o no...", op. cit., fol. D Ir. Siehe den Uberblick bei D. S. Severin, op. cit. (Anm. 47), XX-XXIII. 60

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Erst im sechsten Dialog beweist Bernardo Pérez aus dem Alten Testament die Wahrheit des christlichen Glaubens. Zu diesem Zweck gibt er weithin die Dialogform auf und bietet in zwei Teilen eine paraphrasierende Übersetzung von Cyprians Testimonia contra iudaeos (Ad Quirinum libri tres, CCSL 3,1-179) und einigen Aussagen des Augustinus. Man denke an Namen wie Bernardo Oliver OESA, Juan Pedro Figuerola, Pedro de la Cavalleria und Jaime Pérez de Valencia. Vgl. dazu K. Reinhardt, "Hebräische und spanische Bibeln auf dem Scheiterhaufen der Inquisition. Texte zur Geschichte der Bibelzensur in Valencia um 1450", in: Historisches Jahrbuch 101 (1981), 1-37.

62

Vives zitiert im Kommentar zu Augustins De civitate Dei die Expositio in psalmos seines Landsmanns Jaime Pérez de Valencia, findet sie aber zu scholastisch. Da diese Expositio meist zusammen mit dem Tractatus contra iudaeos gedruckt wurde, kannte Vives wohl auch diesen. Vgl. dazu K. Reinhardt / H. Santiago Otero, op. cit. (Anm. 37), 172-179.

63

Vgl. dazu K. Reinhardt, "Die christologische Auslegung des Psalmes 'Miserere' im Kommentar des spanischen Augustiners Jacobus Pérez de Valencia ( +1490)", in: Trierer Theologische Zeitschrift 96 (1987), 207-226.

Vives' Auseinandersetzung mit dem Alten Testament

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Aufklärung64 und legen so die theologischen Wurzeln der aufgeklärten Vernunft offen; es ist eine durch das Licht Gottes und Christi erleuchtete Vernunft65.

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Bezeichnenderweise hat Vives' Apologie De veritate fidei christianae in der Folgezeit großen Einfluß ausgeübt, z. B. auf den französischen Hugenotten Philippe Du Plessis-Momay (15491623) sowie auf Hugo Grotius (1583-1645). Vgl. dazu Graf, op. cit. (Anm. 1), 130-135 und C. Gilly, op. dt. (Anm. 1). Siehe auch M. Batllori, "Las obras de Luis Vives en los colegios jesuíticos del siglo XVI", in: ders., Humanismo y Renacimiento. Estudios hispano-europeos (Barcelona 1987), 125-149.

85

Siehe allgemein zur Entstehung der Aufklärung W. Philipp, Das Weiden der Aufklärung theologiegeschichtlicher Sicht (Göttingen 1972).

in

Der Humanist im Zwiespalt zwischen irdischer Wahrheit und heilsgeschichtlicher Ordnung. Wörtliches Verstehen bei Fray Luis de Leon. Karl Hölz (Trier) I Glaube und Wissenschaft Es versteht sich von selbst, daß im Zuge der humanistischen Arbeit am und mit dem Text die Frage des wörtlichen Sinns zunehmend das Interesse der Autoren beansprucht. Gerade die christliche Humanistenprosa in Spanien legt es, wie wir seit den Studien von Pfandl, Américo Castro, Federico de Onis, Bataillon, José Luis Abellán und Melquíades Andrés wissen, darauf an, die altscholastische Dialektik mit ihren schematischen und spekulativen Disputationen durch eine philologische und wissenschaftliche Forschungsmethode zu ersetzen. 1 Schenkt man Luis Vives Glauben, so hat insbesondere in Spanien die scholastische Sophistik breiten Fuß gefaßt. 2 Gegen sie ist das humanistische Programm gerichtet und an ihrem orientierungslosen Vorgehen des disputar pro y contra3 entzündet sich das neue exegetische Bewußtsein, mit dem die Traktatautoren die humanistische Erneuerung der Wissenschaften zu begründen versuchen. Zentraler Ansatzpunkt wird ihr rationales und an den Konkreta sich messendes Methodenbewußtsein. Dieses wertet ohne jede spekulative Voreingenommenheit die Gegebenheiten der Geschichte auf - nicht zufällig beruft sich Luis Vives etwa in seinen Schriften auf den Topos historia magistra vitae4 - und ist grundsätzlich auf das gerichtet, was spätere Gelehrte die positive Theologie nennen werden. In ihr werden die Erkenntnisquellen systematisch geordnet, um eine textnahe und fundierte Beweisführung zu ermöglichen. Melchior Cano gilt als der Begründer dieser neuen Methodenlehre. In seinem Werk Loci 1

2

4

Ludwig Pfandl, Geschichte der spanischen Nationalliteratur in ihrer Blütezeit, Darmstadt 1967 ( 1929); M. Bataillon, Brasme et F Espagne, Paris 1937. Ai^f spanisch: Erasmo y España. Estudios sobre la historia espiritual de! siglo XVI, México 1966. - Gegen das Urteil, daß Spanien ein Land ohne Renaissance sei, geht Otis H. Green vor, "A Criticai Survey of Scolarship in the Field of Spanish Renaissance Literature", in: Studies in Philology 44 (1947), S. 228-264. Eine ausführliche Darstellung der kulturellen, philosophischen und theologischen Aspekte in der Renaissance gibt José Luis Abellán, El erasmismo español, Madrid 1982. Vgl. auch Melquíades Andrés, La teología española en el siglo XVI, Madrid 1977. In Pseudodialecticam (op. III, Valencia 1782, S. 38): "Qui [seil, hispani] ut sunt homines invidi ita fortiter tuentur arcem ignorantiae et optima ingenia, ubi intenduntur, valent, tradunt sese his deliramentis [...]." Eine Auflistung der dialektischen Werke aus dem frühen 16. Jh. findet sich bei K, Burger, Die Drucke und Verleger in Spanien von 1501 bis 1536, Leipzig 1903. Vgl. neben den Invektiven des Luis Vives in In Pseudodialecticam etwa Alfonso Valdés, "Diálogo entre Mercurio y Carón", zit. in: José Luis Abellán, El erasmismo español, Madrid 1976, S. 141 f. Luis Vives, De disciplinis, Leiden 1636, S. 156,157,617,619 etc.

Vives und Fray Luis de Leon

23

theologici hat er die antike und mittelalterliche Topiklehre aufgegriffen und zu einer philologischen Hilfswissenschaft umgearbeitet.5 Die loci fungieren in seiner Lehre als Elemente einer Stoffsammlung, die die Quellen der Erkenntnisse zusammenfassen. Insgesamt unterscheidet er zehn solcher loci theologici. Als Fundstellen für die Glaubenswahrheiten gibt er an: 1) die Hl. Schrift (scriptum), 2) die mündliche Überlieferung (traditio), 3) die katholische Kirche (ecclesia catholicä), 4) die Konzilien (conciliä), 5) die römische Kirche (ecclesia romana), 6) die Väter (patres), 7) die scholastischen Theologen (scholastici theologici), 8) die natürliche Vernunfterkenntnis (ratio humana), 9) die Philosophen (philosophi), 10) die Geschichte (historia humana)? Wichtig und finden weiteren Gang der humanistischen Diskussionen entscheidend ist die Aufteilung der loci in positive und spekulative Glaubensquellen. Während die ersten sieben loci auf die auctoritas des göttüchen Glaubenszeugnisses Bezug nehmen und dazu bestimmt sind, die Grundlagen der göttüchen Offenbarimg darzulegen (ponere principia), betreffen die loci acht bis zehn die Belange der ratio und bringen die Erkenntnisse der weltlichen Wissenschaften ein: Sed et duas esse cuiusque disciplinis partes exploratum est, unam in qua principia ipsa tamquam fundamenta ponimus, statuimus, firyiamus; alteram in qua principiis positis ad ea, quae sunt inde consequentia, proficiscimur.

Mit der Aufspaltung der humanistischen Erkenntisse in eine glaubensfundamentale und verstandesorientierte Wahrheit bahnt sich jene Interessenskollision an, die in der Folgezeit humanistisches und gegenreformistisches Denken in potentiellen Widerstreit bringen wird. Razön und fe, der Grammatiker und der Theologe, philologisches Wissen des Humanisten und die Autorität der Kirche stehen sich gegenüber und stellen mit ihren divergierenden Interessen die orthodoxe Verbindlichkeit der Glaubensinhalte in Frage. Das Verhältnis von auctoritas und ratio scheint in der theoretischen Begründung eindeutig festgelegt zu sein. Hatte schon eine verbreitete patristische Regel vorgeschrieben: "Non ad meam voluntatem Scripturas trahere"8, so wird auch die Maxime des Augustinus in der humanistischen Bibelexegetik bereitwillig angenommen:

5

6

Uber die Vorgeschichte des Locus-Begriffes sowie speziell über Melchior Cano informiert ausführlich Albert Lang, Die "Loci theologici' des Melchior Cano und die Methode des dogmatischen Beweises. Ein Beitrag zur theologischen Methodologie und ihrer Geschichte, München 1928. Lang, a.a.O., S. 74 ff. Vgl. ebenso Johannes Beumer, "Positive und spekulative Theologie. Kritische Bemerkungen an Hand der 'Loci theologici' des Melchior Cano", in: Scholastik. Vierteljahresschrift für Theologie und Philosophie 79 (1954), S. 53-72.

7

H. Serty (Hg.), Melchioris Opera, Patavii 1762, S. 15. Zit. bei Beumer, a.a.O., S. 57.

8

Vgl. Henri Lubac SJ, Exégèse médiévale. Les quatre sens de récriture, 4 Bände, Paris 1959-1964, Band 2, S. 99 ff. Kapitel II: "Subjectivisme et intelligence spirituelle".

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Karl Hölz g

Ego vero evangelio non crederem, nisi catholicae ecclesiae coramoveret auctoritas.

Die dogmatische Fixierung der Vernunftwahrheiten klingt nach, wenn Cano die Rangfolge zwischen den weltlichen Wissenschaften und der Theologie eindeutig festlegt: Utraque [...] theologo necessaria est auctoritas et ratio; sed ita tarnen, ut auctoritas primas in Theologia partes obtineat, ratio vero secundas.

Die Einführung der weltlichen Wissenschaften in die exegetische Praxis hat die theologische Fundierung keineswegs außer Kraft gesetzt. Dies meint auch Luis Vives, wenn er trotz seines wissenschaftlichen Erkenntisstrebens dogmatisch argumentiert: "Nihil est fide nostra verius."11 Das Tridentiner Konzil (15451563) hat es nicht versäumt, in einem Dekret über die Bibelinterpretationen auf die Verbindlichkeit der in der traditio verankerten Wahrheiten hinzuweisen: Praeteria ad coercenda petulantia ingenia decernit, ut nemo, suae prudentiae innixus, in rebus fidei et morum, ad aedificationem doctrinae christianae pertinentium, sacram Scripturam ad suos sensus contorquens, contra eum sensum quem tenuit et tenet sancta Mater Ecclesia, cuius est judicare de vero sensu et interpretatione Scripturarum sacrarum, aut etiam contra unanimem Consensum Patrum ipsam Scripturam sacram interpretari audeat.

Die Stellungnahme des Konzils war notwendig geworden, da sich seit dem 16. Jahrhundert zwei eigene Disziplinen einer scholastischen und exegetischen bzw. biblischen Theologie herausgebildet haben.13 Letztere beruft sich auf ein Axiom, mit dem gerade die scholastische Bibelinterpretation die Freiheit der Interpretation auf die Einheit des Glaubens und der Glaubenslehre zurückzubinden trachtete. Dem Axiom zufolge konnte der Schriftsinn mehrere Bedeutungen beinhalten. Augustinus prägte dafür das Bild der reichhaltigen Quelle, die verschiedene Bäche speist und aus denen sich für einen jeden "die Ströme lauterer Wahrheit" ergießen.14 Abweichungen in der Auslegung ergänzen sich nach dieser Lehre zu der unendüchen Ganzheit der göttlichen Offenbarung. g

Augustinus, "Contra epistolam Manichaei quam vocant fundamenti", 5, 6 (patrología latina, 42), hg. von Joseph Zycha, in: Corpus scriptorum ecclesiasticorum (CSEL) 25 (1891), S. 193-248, hier S. 197. 10 A.a.O., S. 1. Zit. bei Lang S. 76. 11 Luis Vives, Opera omnia, Band VIII, S. 16. Der humanistische Konflikt zwischen Glaube und Verstand wiederholt sich in der Opposition zwischen den "Alten und Modernen". Vgl. diesbezüglich Karl Kohut, "Ingeniosa comparación entre lo antiguo y lo presente", in: Klaus Heitmann und Eckart Schröder (Hg.), Renatae Litterae. Studien zum Nachleben der Antike und der europäischen Renaissance, Frankfurt 1973, S. 217-243. 12

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Johannes Beumer, "Heilige Schrift und kirchliche Lehrautorität", in: Scholastische Vierteljahresschrift für Theologie und Philosophie 25 (1950), S. 40-72, hier S. 41.

Eine Gegenüberstellung der Disziplinen gibt Klaus Reinhardt, "Theologie als Interpretation der Heiligen Schrift bei Antáo Galváo OESA (ca. 1559-1609) und Pedro Luis Beuther SJ (15381602)", in: Portugiesische Forschungen der Görresgesellschaftll (1974), S. 1-25. 14 Augustinus, Confessiones, XII, 27.

Vives und Fray Luis de León 25 "Diversi sed non adversi", oder "diverso stylo, non diversa fide" bzw. "diversis modis, non diverso Spiritu" hießen die Formeln, unter denen die Autorität der traditio gewahrt erschien.15 Die Lehrtradition freilich mußte da um ihre Legitimation fürchten, wo die Verschiedenheit der Erkenntnismöglichkeiten nicht mehr allein ihren Ursprung im göttlichen Prinzip der Unendlichkeit fand, sondern dem philologischen Instrumentarium eines selbstbewußten Exegeten zugehörig erklärt wurde. Bereits die editorischen Aktivitäten der Humanisten sprechen für sich. Als der Kardinal und Gründer der Universität von Alcalá, Ximenes de Cisneros, die Ausgabe der Biblia Polyglotta Complutensis (1520) in Auftrag gibt, expandiert das Unternehmen zu einer umfangreichen Sprach- und Textdokumentation. Wenn die Gelehrten aus Alcalá das Alte Testament herausgeben und dabei auf die Versionen des hebräischen Textes, des Septuagintatextes mit lateinischer Interlinearübersetzung, des Targums (die aramäische Paraphrase des A. T.), des Onkelos mit lateinischer Übersetzung sowie des Vulgatatextes zurückgreifen, wenn sie darüber hinaus zwei Wörterbücher beifügen mit dem Vokabular des Neuen Testaments in den Sprachen Griechisch, Hebräisch und Chaldäisch, und wenn sie schließlich noch eine Einführung in die hebräische Grammatik vorlegen, dann ist ihr Spracheifer nicht ohne Hintersinn. Mit der akribischen Erschließung der Originaltexte verbindet sich der Wunsch nach einem direkten Zugang zu den Quellen der Offenbarung. Statt über die Lehrautorität vermittelt zu sein, werden die kritischen Editionen Grundlagen eines eigenen Studiums, an dem sich die humanistische Gelehrsamkeit gleichsam erprobt. Cisneros hat im Vorwort zur Polyglott-Bibel die gewissermaßen didaktische Absicht des Werkes hervorgehoben. Der interessierte Leser erhält die Bibel: Ut ipsa igitur originaba in promptu haberet quicumque divinarum litterarum studiosus, possetque non solis rivulis esse contentus, sed ex ipso fönte salientis aquae in vitam aeternam sitim pectoris extinguere.

Cisneros hat das patristische und scholastische Postulat der unerschöpflichen Glaubensquellen aufgegriffen, er hat es freilich in den Kontext eines humanistischen Eigenstudiums gestellt. Die Aufwertung der Meinungsinstanz des Kritikers und sein Anspruch, Überlieferungsfehler der Heiligen Schrift sowie Deutungsschwächen der traditio auszumerzen, sind Gedanken, die gerade im Umkreis des Erasmismus gepflegt werden. Erasmus selbst hat das Recht der fundierten Meinungsbildung wiederholt postuliert17, und er hat etwa unter Hinweis auf die Polyglott-Bibel von Alcalá die Notwendigkeit der Urteilsbildung 15

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H. Lubac, "A propos de la formule: Diversi sed non adversi", in: Mèi. J. Lebreton, Religious Studies Review, 39-40, S. 27-40. Diese und weitere ähnliche Belege finden sich bei Lubac, Exégèse médiévale. Les quatre sens de t écriture, 4 Bde., Paris 1959-64, hier Bd. 1, S. 101 f. Biblia Polyglotta Complutensis, Alcalâ 1520, Prologus, S. III. Vgl. etwa Erasmus, Opera omnia, Leiden 1703-1706, op. V, S. 134: "Nobis satis est credere, tenere et adorare quod scriptum est."

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begründet. Der gesamte textkritische Aufwand der Bibeledition sei "summa fide" und unter der Maßgabe dessen "quod Optimum judicavimus" erstellt. Er ist der Öffentlichkeit mit dem erklärten Anliegen übergeben, "ut nihilo secius suo quisque iudicio frueretur".18 Unter den spanischen Exegeten finden sich ähnliche Gedanken. Sie entzünden sich notwendigerweise da, wo die Mehrdeutigkeit des Schriftsinns zur Disposition steht. Hierbei geht es dann nicht vordergründig um die verschiedenen Sinnebenen des sensus spiritualis mit den bekannten Varianten des allegorischen, des typologischen und des anagogischen Sinns.19 Die Mehrdeutigkeit und damit Interpretationsbedürftigkeit tangiert vor allem den wörtlichen Sinn, den sensus litteralis, auch historicus oder grammaticus genannt. Allein schon die Debatten um die Übersetzungsproblematik der Heiligen Schrift rücken immer wieder die Frage der getreuen Wortwiedergabe in den Vordergrund. Schon lange, seit Cassiodor, Alcuin und Theodulf wußte man, daß die autorisierte Fassung der Vulgata nicht "rein" sei, daß Lesarten der Vetus Latina in sie eingedrungen seien20 und daß sich vor allem Abweichungen durch die nachlässige Arbeit der Kopisten eingeschlichen haben. Ansätze zu einer Revidierung der Vulgata finden sich im Mittelalter21, und selbst noch auf dem Tridentiner Konzil, das eigens die Authentizität des Vulgata-Textes konstatierte, gab es heftige Wortgefechte um die Frage der Übersetzungstreue.22 Noch frei23 von dem Zugzwang, unter dem die gegenreformatorischen Bestrebungen standen, kann Cisneros im erwähnten Vorwort zur Polyglott-Bibel erklären: quarum totam vim [seil, propietates verborum] non possit quamtumlibet absoluta traductio proisus exprimere, tum id maxime in ea lingua accidit, per quam os domini locutum est. [...] Accedit, quod ubicumque latinorum codicum varietas est [...], ad primam scripturae

Erasmus, In Novum Testamentum praefationes. Vorreden zum Neuen Testament. Ratio. Theologische Methodenlehre, übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Gerhard B. Winkler, Darmstadt 1967,8 Bde., hier Bd. 3, S. 88. 19

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Vgl. Friedrich Ohly, "Vom geistigen Sinn des Wortes im Mittelalter", in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur®) (1958), S. 1-23. Klaus Reinhardt, Die biblischen Autoren Spaniens bis zum Konzil von Trient, Salamanca 1976, hier S. 16 f. Lang, a.a.O., S. 93 geht kurz auf die Vorgeschichte der - allerdings gescheiterten - Korrekturversuche ein. Salvador Muñoz Iglesias, "El decreto tridentino sobre la Vulgata y su interpretación por los teólogos del siglo XVI", in: Estudios bíblicos 5 (1946), S. 137-169. Eine Verschärfung trat 1525 ein, als die Inquisition das Lesen lutherischer Schriften verbot. Noch gravierender wirkt sich die Tatsache aus, daß vier Jahre später der Generalinquisitor Manrique, der den Lehren des Erasmus und allgemein der Humanisten wohlwollend gegenüberstand, in Ungnade fiel. Im gleichen Jahr verließ Karl V. den spanischen Hof, um sich nach Italien zu begeben, und nahm die einflußreichen Erasmisten mit sich. Dies war der Augenblick, da sich konservative Mächte durchsetzen konnten und da die Inquisition eine Reihe der führenden Erasmisten und Professoren der liberalen Universität Alcalá verhaftete. Vgl. hierzu das Kapitel "Schweigen ist auferlegt", in: Henry Kamen, Die spanische Inquisition, München 1967, S. 83 f. Desgleichen s. Bataillon, a.a.O., S. 432 ff.

Vives und Fray Luis de León

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originem recurrendum est [...] ita ut librorum Veteris testamenti synceritas ex Hebraica veritate, Novi autem ex Graecis exemplaribus examinetur.

In der Suche nach dem adäquaten Wort und der adäquaten Bedeutung ist der Philologe gefragt. Seine Arbeit steht vor allem in der nachtridentinischen Ära unter der Kontrolle der Kirche und muß sich der Frage stellen, in wie weit die private Gelehrsamkeit des Humanisten die dogmatischen Vorgaben der Glaubenslehre noch befolgt. Die humanistische Beschäftigung mit den verba muß nicht zwangsläufig den orthodoxen Lehrinhalten der traditio entgegenstehen. Sie begibt sich allerdings allein von ihrem Erkenntnisinteresse her in die Nähe der reformatorischen und gar jüdischen Bibelexegese. So ist es gewiß kein Zufall, daß gerade die Hebraisten die Tradition der literalen Interpretation pflegen. Wenn die Inquisition die Gegner oder Skeptiker der allegorischen Schriftauslegung in die Rubrik der Ketzer einstuft und wenn allein schon die literale Textarbeit ihren Argwohn hervorruft wie im Falle der Hebraisten Gaspar Grajal, Alonso Gudiel, Martín Martínez de Cantalapiedra, Francisco Sánchez de las Brozas oder Fray Luis de León25, setzt die Sorge der Inquisitionsvertreter an einem zentralen Punkt an. Sie ist darin begründet, daß die rabbinische Exegese jede christologische Beziehung zwischen dem Alten und Neuen Testament leugnet und damit ein Grundaxiom des patristischen und scholastischen Verständnisses, nämlich die Wahrheitsgehalte der typologischen Beziehungen negiert. Die Kritik der Humanisten an der mit der allegorischen Exegese verbundenen Willkür ist Indiz für die nachhaltige Wirkung jüdischer Bibelinterpretation. Deren Verbreitung ruft aber andererseits vor allem seit dem Regierungsantritt Philipps II. die Gegenreaktion einer starken antijüdischen Stimmung in Spanien und Portugal hervor.26 Auf diese Weise gerät der Humanist mit seinen Ansprüchen philologischer Exaktheit in den Verdacht des Häretikers. Er wird gezwungen, sein Vorgehen zu legitimieren und seinen Standort innerhalb der scholastischen und speziell der gegenreformatorischen Denkund Argumentationspraxis zu definieren. In der Frage, wie weit die Kompetenzen des Grammatikers die dogmatische Ausrichtung des Theologen einschränken bzw. relativieren oder aber von letzterer selbst wieder korrigiert werden, entscheidet sich letztlich die grundlegende Frage nach dem Verhältnis zwischen dem wachsenden Vertrauen des Humanisten in die eigene Kraft des Verstehens und dem ungebrochenen Glauben des orthodoxen Scholastikers an die von Gott gegebenen und in der traditio verankerten Wahrheiten. Mit anderen Worten, der theologische und humanistische Disput um die Adäquatheit 24 25

Biblia Pofyglotta Complutensis, Alcala 1520, Prologus, S. III. Zur Bedeutung der Hebraisten in der spanischen Bibelexegese vgl. Melquíades Andrés, La teología española en el siglo XVI, Madrid 1976, S. 74 f. Die Auseinandersetzung des Christentums mit dem Judentum und das Problem der judaizantes legt dar N. López Martínez, Los judaizantes castellanos y la Inquisición en el tiempo de Isabel la Católica, Burgos 1954; vgl. ebenso E. Llamas-Martínez, "Orientaciones sobre la historia de la teología española en la primera mitad del siglo XVI (1500-1550)", in: Repertorio de Historia de las Ciencias Eclesiásticas en España, Bd. 1, Salamanca 1967, S. 95-174.

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des Wortes ist in einem "diskurshistorischen" Zusammenhang zu sehen, der über die bloße theologische Bedeutimg hinaus Aufschlüsse über Art und Umfang des Epochenbruchs von einer dogmatischen zu einer verstehenden Hermeneutik gibt. In diesem Sinne soll im folgenden der humanistische Umgang mit der literalen Wortbedeutung an einem exemplarischen Fall erörtert werden. Als Beispiel dienen uns die Argumente und Verteidigungsreden des Fray Luis de León. In der Art, wie er sein philologisches Interesse an den verba bekundet und dabei die gegenreformatorischen Positionen seinem humanistischen Eigenverständnis einverleibt, läßt sich, wie wir meinen, die Besonderheit eines geschichtlichen Prozesses aufzeigen, bei dem der neuzeitliche Ansatz eines subjektiven Perspektivismus und die mittelalterliche Überzeugung von der einheitlichen, überindividuell verbürgten Ordnung aufeinanderstoßen. 27 II Fray Luis de León als

gpammaäcus

Obwohl das Wirken des Dichters, Theologen und Professors 28 Fray Luis de León in eine Zeit fällt, da das humanistische Gedankengut des Erasmus und die Reformansätze der Neuscholastik strengeren gegenreformatorischen Ansätzen weichen mußten, bildet sich bei ihm wie auch bei seinen Gesinnungsfreunden Gaspar de Grajal oder Martín Martínez geradezu eine humanistische Theorie des Literalsinns heraus. Die Tatsache, daß sich die Bibelgelehrten mit ihrem weltlichen Textzugang in eine geistige Gefahrenzone begaben, wurde ihnen spätestens mit der Verfolgung durch die Inquisition auf schmerzliche Weise offenbar. Wir wissen heute, daß sich nicht nur die Vorwürfe der Inquisitionsvertreter in den verschiedenen Prozessen wiederholen29, sondern daß auch die Anklage gegen Fray Luis sich erst allmählich aus einem Kollektiwerfahren herausschält, bei dem das gesamte ambiente intelectual der Hebraisten zur Ver27

Letztlich deutet sich in der hier erörterten Problematik jene scheinbar paradoxe Symbiose von Renaissance-Diskurs und spätantiker bzw. hochmittelalterlicher Orthodoxie an, wie sie zuletzt Joachim Küpper in einer breit dokumentierten Studie verfolgt hat. Ders., Diskurs-Renovatio bei Lope de Vega und Calderón. Untersuchungen zum spanischen Barockdrama. Mit einer Skizze zur Evolution der Diskurse in Mittelalter, Renaissance und Manierismus, Tübingen 1990. Küpper versucht hier in einer an Foucault orientierten Diskursanalyse nachzuweisen, daß selbst noch im Barockdrama die analogische Diskursordnung des Mittelalters eingehalten wird. Die Welt bleibt theozentrisch geordnet, insofern sie nach einem göttlichen Muster der Wiederholungen und Verweise gebildet ist. Die diesem Weltverständnis entsprechenden sprachlichen Techniken der Typologie und Allegorie haben sich im Barockdrama als restaurative Elemente der vorausgehenden Epochen erhalten. 28 Luis de León hatte an der Universität Salamanca die Lehrstühle für Thomas von Aquin (156165), Durando (1565-75) und für Moralphilosophie (1578-79) inne. 29

Man kann geradezu von einer Exempelfunktion seines Prozesses sprechen. Die Punkte, die gegen Fray Luis angeführt werden, erscheinen in anderen Prozessen wieder und werden z.T. auch mit Fray Luis in Zusammenhang gebracht. Vgl. Miguel de la Pinta Llórente, Proceso criminal contra el hebraísta salmantino Martín Martínez de Cantalapiedra, Madrid, Barcelona 1946; Gregorio de Andrés, Proceso inquisitorial del Padre Siguénza, Madrid 1975.

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antwortung gezogen wurde.30 In der Tat kreisen alle Anklagepunkte um die Problematik der verba, sei es daß es sich um Übersetzungsfragen, Interpretationsschwierigkeiten oder den lexikalischen Sonderfall der Mehrdeutigkeit handelt. Wir wollen hier nicht die Geschichte der einzelnen inquisitorischen Etappen nachzeichnen. Wir versuchen vielmehr, die Argumente im Sinne einer systematischen Skizze zu ordnen. Dabei beziehen wir uns einerseits auf die exegetischen Schriften - Exposición del Cantar de los Cantares, De fide, Tractatus de sensibus sacrae scripturae -, andererseits werden wir auch die apologetischen Erklärungen während des Inquisitionsverfahrens berücksichtigen. a) Die Text- und Übersetzungskritik Unermüdlich hat Fray Luis sich mit Fragen der Textkritik und der richtigen Übersetzung der Heiligen Schrift auseinandergesetzt. Vor allem ein Werk sollte tiefgreifende Konsequenzen in seinem Leben hervorrufen, indem es auf verhängnisvolle Weise zu seinem Ruhm, nämlich als Angeklagter vor dem Inquisitionstribunal, beitrug. In den Jahren 1561/62 nahm Luis eine Übersetzung des Hohen Liedes aus dem Hebräischen vor und versah den Text mit einführenden Kommentaren in die lengua romance. Der Anlaß der Bearbeitung war bekanntlich privater Natur. Eine Nonne, Isabel Osorio, die selbst des Lateinischen unkundig war, hatte den gelehrten Augustiner-Mönch gebeten, ihr den Text mit entsprechenden Erklärungen zugänglich zu machen. Das Werk hätte zumindest für die Inquisition kein Aufsehen erregt, wäre nicht durch einen Zufall das Manuskript abhanden gekommen und dann zur Veröffentlichung weitergereicht worden. Wie Luis später im Prozeß wiederholt beteuert, ist er selbst unschuldig an der Publikation und verfolgt kein öffentliches Interesse mit dieser Schrift. Dennoch läßt bereits der Prolog keinen Zweifel darüber aufkommen, daß der Autor sich humanistischer Gelehrsamkeit verpflichtet weiß und sowohl sein Wissen als auch seine Methode in den Dienst der privaten Unterweisung stellt. Selbst für den sprachunkundigen Adressaten scheut Fray Luis nicht die Mühe, in der Übersetzung auf das hebräische Original zurückzugreifen und die griechischen sowie lateinischen Versionen des zu übersetzenden Textes mitzuberücksichtigen. Seine philologische Akribie begründet er mit Leitvorstellungen, an denen sich jede Übersetzungstätigkeit zu messen habe: El que traslada ha de ser fiel y cabal y, si fuere posible, contar las palabras para dar otras tantas, y no más ni menos, de la misma cualidad y condición y variedad de significaciones que las originales tienen, sin limitarlas a su propio sentido y parecer, para que los que leyeren la traducción puedan entender toda la variedad de sentidos a que da ocasión el original, si se leyese, y queden libres para escoger de ellos el que mejor les pareciere.

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Hierauf weist Angel Alcalá hin, der nunmehr die vollständigen Inquisitionsakten zu Fray Luis herausgegeben hat. Ders. (Hg.), El proceso inquisitorial de Fray Luis de León, Salamanca 1991, S. XII und XXV. 31 Félix García (Hg.), Obras completas castellanas de Fray Luis de León, 2 Bde., Madrid 1957, hier Bd. I, S. 74. Wir zitieren im folgenden nach dieser Ausgabe.

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Treue gegenüber dem Original gehorcht den Kriterien der Wörtlichkeit und Adäquatheit, wobei korrektes Übersetzen möglichst dem polysemen Charakter der Vorlage gerecht werden muß. Was Fray Luis hier noch allgemein postuliert, möchte er nicht nur für das Hohe Lied praktisch umsetzen. Er greift mit seinen Vorstellungen massiv in die zeitgenössischen Diskussionen um die authentische Version der Vulgata ein. Auf dem Tridentinum hatten sich die Teilnehmer trotz heftiger Diskussionen auf ein Dekret geeinigt, das anordnete: ut haec ipsa vetus et vulgata editio, quae longo tot seculorum usu in ipsa Ecclesia probata est, in publicis lectionibus, disputationibus, praedicationibus et expositionibus pro authentica habeatur, et quod nemo illam rejicere quovis praetextu audeat vel praesumat.

Die Bestimmung selbst aber war zu vage formuliert, als daß sie eine eindeutige Handhabung erlaubte. Einige Theologen glaubten, daß Verbesserungen der Vulgata nach dem hebräischen Original nicht ausgeschlossen seien, "quatenus authenticae illius intelligentiam iuvant" (S.74). Ihr Argument war, daß im Dekret nicht ausdrücklich die Originalfassungen verworfen worden seien. Die strengen Ausleger des Beschlusses wiesen auf den Schlußteil der Bestimmung mit dem Verdikt des Widerspruchs und sprachen den Exegeten jedes Recht auf Änderung der Vulgata ab. Fray Luis hat in seinem Traktat De fide, jener Vorlesungsreihe, die er in den Jahren 1567-68 als catedrático des Durando hielt, die Argumente der VulgataNeuerer noch einmal ausführlicher dargelegt. Seine Meinung über den Wert des hebräischen Originals und die Stellung der Vulgata faßt er in acht proposiciones zusammen: 1) Die zeitgenössischen Codices der Vulgata sind nur mit Vorsicht zu gebrauchen, denn "non solum variant inter se sed etiam quamplurimis in locis, vel a librariis, vel aliqua ratione corrupti, non continent veram Vulgatam". 2) Sie sind unvollständig, da sie nicht alle die von den Konzilien sanktionierten Glaubensquellen enthalten. 3) Die Ubersetzung der Vulgata wird oft dem äquivoken Sprachgebrauch des Hebräischen nicht gerecht. "Cum in hebraica veritate aut verba aut sententiae aequivocae sunt ita ut in varias significationes possint interpretan, et ex Ulis Vulgata unam elegit, talis significado non semper ita est certa ut reliquae sint negligendae; immo significado atque sententia, quam Vulgata praetermisit, est aliquando melior ea quam expressit." 4) Oft lassen sich erst auf der Basis textkritischer Lektüre die Glaubenswahrheiten in vollem Umfang verstehen. "Quaedam loca sunt in Sacra

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Zit. bei Salvador Munoz Iglesias, "El decreto tridentino [...]", a.a.O., S. 141. Eine neuere Darstellung der Problematik findet sich bei Ulrich Horst, Der Streit um die Autorität der Vulgata.

Zur Rezeption des Trienter Schriftdekrets in Spanien, Coimbra 1983.

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Scriptura quae si legantur iuxta veritatem hebraicam et graecam, melius confirmant nostrae fidei dogmata, quam si legantur ut habet Vulgata." 5) In Fällen der "duplex lectio", die auch von den Vätern als "varia" und "ambigua" angesehen werden, verpflichtet die Version der Vulgata nicht dazu, ihre Lesart "pro catholica et certa" aufzunehmen. 6) Einige Stellen der Vulgata weisen Übersetzungsmängel auf. "Negari non potest in Vulgata esse aliqua loca non satis significantia intentum ab interprete, atque non bene satis conversa." 7) Nichts steht einer Verbesserung der Vulgata entgegen. Weder ist der Autor inspiriert und mit prophetischem Geist begnadet, noch ist davon auszugehen "in ea [seil. Vulgata] nihil esse quod potuisset aut significantius aut conformius ad hebraica et graeca originalia transferri". 8) Das Dekret des Konzils zielt auf drei Aussagen der Vulgata: "Primum esse praeferendam omnibus editionibus latinis; secundum esse habendam pro authentica; tertium nullo praetextu esse rejicendam."33 Maßgebend an Fray Luis' Argumentation ist, daß er die Glaubensquellen scriptura et traditio mit den Bedürfnissen philologischer Textkritik vermittelt. Er deckt Mißstände auf und setzt sich gerade in der Frage der Texttreue für eine unvoreingenommene Haltung gegenüber den Glaubensquellen ein. Auch nachdem Fray Luis wegen seiner Vorbehalte bezüglich der Vulgata und seiner großzügigen Auslegung der Konzilsbeschlüsse von der Inquisition zur Verantwortung gezogen und der Häresie bezichtigt worden ist, beharrt er auf seinen Einwänden. Mutig plädiert er vor seinen dogmatischen Anklägern für einen philologischen Wahrheitsbegriff, der nicht durch die Autorität der Vulgata fixiert ist, sondern sich Erkenntnissen textkritischen Studiums öffnet.34 Fray Luis geht so weit in seiner Verteidigungsstrategie, daß er neben seinen texthistorischen und textkritischen Überlegungen zur Überlieferung und Quellensituation auch einen religions-philosophischen Gedanken ins Spiel bringt. Er klingt bereits in Punkt sieben seiner Stellungnahme zur Vulgata an. Danach sind editorische Verbesserungen der Vulgata zulässig, da die Übersetzung nicht unter dem Diktat des Heiligen Geistes erfolgte und somit für verbindlich erachtet werden muß. Vor der Inquisition schwächt Fray Luis seine These ab, vertritt aber immer noch die Überzeugung: que en la Vulgata no todas las palabras del interprete estan puestas por instineto del Spiritu ., y que algunas se pudieran trasladar mas comoda, y claramente, y con mas propiedad.

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Luis de León, Opera, Salamanca 1891-95, 7 Bde., hier Bd. 5, S. 299-304. Vgl. die entsprechenden, sich immer wiederholenden Argumente und Gegenargumente in den von Alcalá herausgegebenen Akten: S. 70 f., S. 75 f., S. 86, S. 272 f., S. 403 f., S. 503 f., S. 514 f. Ebda., S. 272.

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Umgekehrt will Fray Luis nicht ausschließen, daß nicht doch eine bessere Ausgabe der Vulgata unter Mitwirkung des Heiligen Geistes zustande kommen könnte.36 Mit diesem Argument kehrt er die altscholastische Allmachtsprämisse Gottes, der alles im Schöpfungsakt auf die in der Schrift geoffenbarte Ordnung vorherbestimmt habe, gegen ihre Einheitsprämisse um. Gottes Allmacht impliziert auch die Möglichkeit, daß er seiner Schöpfung Neues hinzufügt. Unter dieser Annahme erfährt dann auch die humanistische Bibelerneuerung ihre gewissermaßen heilsfundamentale Legitimation. Fray Luis hat sich zu dieser These, wie er selbst vor seinen Anklägern berichtet, in einem heiteren Schülergespräch bekannt. Wir können nicht mehr feststellen, worauf sich seine Ironie oder sein Spott bezieht, oder ob er nur die Überlegenheit seines Arguments auskostet. Bemerkenswert freilich scheint uns, daß Fray Luis gedanklich Einheit in Vielheit überführt und im Rahmen seiner Textkritik zu einem Konzept divergierender Deutungsschemata gelangt ist.37 b) Wort und Bedeutung Das Problem der Textedition kann nicht von der Frage der Bedeutung der Worte losgelöst werden. Daher sind gerade die Ausführungen zum wörtlichen Verstehen eng an die Argumentation um die Übersetzungstreue gebunden. Die Ankündigungen zur Ausgabe des Cantar de los Cantares geben Aufschluß über die komplementäre Aufgabenstellung des Humanisten: Lo que yo hago en esto son dos cosas: la una es volver en nuestra lengua palabra por palabra el texto de este Libro; en la segunda, declaro con brevedad no cada palabra por si, sino los pasos donde se ofrece alguna oscuridad en la letra, a fin que quede claro su sentido asi en la corteza y sobrehaz (S.74).

Wenn Fray Luis in seiner Erklärung des Hohen Liedes primär auf den Literalsinn abhebt, folgt er zunächst noch einem von jeher autorisierten methodischen Prinzip, nach dem der sensus litteralis Grundlage für die geistige Interpretation ist.38 Die oberflächliche Bedeutung der Worte, d.h. der Buchstabensinn wurde allerdings gegenüber der spirituellen Bedeutung als weniger wichtig erachtet, da die göttliche Ordnung sich allein in der Beziehung der Dinge zu erkennen gab. In der größeren und umfassenderen Sinnfülle gründete die Überlegenheit, die das Wort Gottes vor den bloßen Wortklängen der profanen Sprache besaß.39 Fray Luis richtet sein Interesse aber keineswegs auf die geistigen Analogien, die das Alte Testament an das Neue Testament binden. So versteht es 36

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Ebda., S. 86. Küpper hat an dieser Frage der Allmachtserweiterung den Ubergang vom mittelalterlichen Analogismus zum kritischen Nominalismus entwickelt. Das Oppositionsschema von Einheit und Vielheit sieht er dabei - anders als Foucault oder Rousset - differenziert im Sinne der Gleichzeitigkeit von gegenläufigen Diskursen. Vgl. S. 18 ff. Die Bedeutung des Prinzips Littera gesta docet als Grundlage der geistigen Interpretation belegt Lubac, a.a.O., Bd. I, S. 425 ff., Kapit. VII, "Le fondement de l'histoire". Vgl. hierzu etwa Ohly, a.a.O., S. 2 f.

Vives und Fray Luis de León 33 sich, daß ihm immer wieder von den Inquisitionsvertretern der Vorwurf der lediglich grammatikalischen Bibellektüre gemacht wird.40 Unbeirrt verteidigt Fray Luis jedoch seinen Literalkommentar mit dem Hinweis darauf, daß ohne ein eingehendes Verständnis des amor carnal sich der spirituelle Sinn des Hohen Liedes nicht erschließe.41 Dieses methodische Primat des Literalsinns nimmt er so ernst, daß er die hintergründige Spiritualbedeutung gänzlich ausblendet "como si en este libro no hubiera otro mayor secreto del que muestran aquellas palabras desnudas" (S.72). Fray Luis' einseitiges Interesse an den verba und deren Bedeutung war umso kühner, als gerade für das Hohe Lied die Möglichkeit einer Deutung nach dem sensus historicus in Frage gestellt wurde. "Haec si non spiritualiter intelligantur, nonne fabulae sunt?" hatte bereits Orígenes seine Zweifel artikuliert, und Augustinus stimmt entsprechend ein, wenn er das Canticum Canticorum dem genus locutionis figuratarum zuordnet.42 Ganz anders ausgerichtet ist das Augenmerk bei Fray Luis. Er macht ernst mit seinem literalen Zugang zum biblischen Text, indem er zunächst dessen literarischen Charakter hervorhebt: Porque se ha de entender que este Libro en su primer origen se escribió en metro, y es todo él una égloga pastoril, donde con palabras y lenguaje de pastores, hablan Salomón y su Esposa, y algunas veces sus compañeros, como si todos fuesen gente de aldea (S.72).

Bei der Lektüre des Liebesgedichtes muß der Leser besondere interpretatorische Vorgaben beachten. Der wörtliche Sinn des Liebesgedichtes erschließt sich nur schwer, denn - so betont Fray Luis - die psychologische Thematik entzieht sich den rationalen Erwartungen des Lesers. Dieser muß sich erst in die schwer nachvollziehbaren "razones cortadas y llenas de oscuridad" hineinversetzen (S.73), um die affektbedingten Widersprüche oder Unwägbarkeiten zu verstehen. Der Interpret steht vor der Schwierigkeit, die Äußerungen oder Handlungsweisen der Leidenschaft in ihrer psychologischen Bedingtheit zu erkennen. Sein Verstehen rückt ab von einem normativen Vorwissen und muß das Unbekannte oder Ungewohnte als ein der beschriebenen Sache selbst innewohnendes Prinzip ausfindig machen: Parecen también desconcertadas entre sí [seil, die Affekte], porque responden al movimiento que hace la pasión en el ánimo del que las dice, la cual quien no la siente o ve, juzga mal de ellas; como juzgaría por cosa de desvarío y de mal seso los meneos de los que bailan el que viéndolos de lejos no percibiese el son a que siguen; lo cual es mucho de advertir en este Libro y en todos los semejantes (S.73).

Solche und ähnliche Aussagen lesen sich fast wie das Traktat einer modernen hermeneutischen Verstehenslehre. Fray Luis reflektiert seine Perspektive und nimmt in seine Überlegungen die Distanz des Fremden zum Eigenen mit auf. Weit entfernt von einer Reduktion auf die immergleiche Signatur der göttlichen 40

Alcalá, a.a.O., etwa S. 276, S. 411.

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Ebda., S. 277.

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Vgl. Lubac, a.a.O., S. 449.

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Ordnung lenkt Fray Luis den Blick auf die Andersartigkeit individuell strukturierter Zusammenhänge. Das Allgemeine der providentiellen Ordnung ist zurückgestellt, um die kontingenten Erscheinungsformen der weltlichen Ordnung zu erfassen. Unter diesem veränderten Blickwinkel gewinnt letztlich das historische Verständnis an Konkretheit. Wie in der psychologisch motivierten Eigenart des Literalsinns richtet sich auch hier das Interesse des Interpreten darauf, das Erkenntnisobjekt aus den ihm eigenen Voraussetzungen heraus zu bestimmen. Die Dunkelheit des Textes ist daher nicht zuletzt eine solche, die aus der historischen Distanz erwächst. Wiederum muß sich der Leser auf Ungewohntes einstellen: por ser el estilo y juicio de las cosas en aquel tiempo y en aquella gente tan diferente de lo que se platica agora (S.73).

Beispielhaft manifestiert sich die historische Eigenart in der Verwendung bestimmter, dem pastoralen Genre entgegenkommender Bilder. Die fremden Vorstellungsweisen, auf die der Interpret stößt, nehmen ihren Ursprung in einem andersgearteten historischen Kontext: de donde nace parecemos nuevas y extrañas, y fuera de todo buen primor las comparaciones de que usa este Libro, cuando el Esposo o la Esposa quieren más loar la belleza del otro, como cuando compara el cuello a una torre, y los dientes a un rebaño, y así otras semejantes (S.73).

Wenn Fray Luis die propiedades des Literalsinns bis hinein in die psychologische und historische Dimension verfolgt, ist sein Wissensdrang von einem übergeordneten apologetischen Interesse getragen. Dogmatische Beweiskraft, ein valor probativo, kommt vornehmlich eben dem Literalsinn zu. Daher auch warnt Fray Luis vor einem übermäßigen Gebrauch der allegorischen Interpretation. Da jene im Sinne der allegoria facti die Beziehung der Dinge zueinander aufdeckt, ist sie nicht geeignet, die Dogmen der Glaubenswahrheit beweiskräftig zu fixieren. Dem steht, wie Fray Luis in Anlehnung an Hieronymus oder Augustinus argumentiert, die bisweilen widersprüchliche Bedeutungsvielfalt der res significantes entgegen. Als Beispiel führt er den Löwen an, der nach der Lehre der Kirchenväter in malam partem und in bonam partem gedeutet werden kann. Je nachdem, welche Eigenschaften im konkreten Textfall evoziert werden, kann der Löwe für Gott - er schläft mit offenen Augen und ähnelt darin Christus, der als Mensch gestorben ist, aber als Gott lebt - oder für den Teufel stehen - auf Grund seiner Blutgier.43 Darum folgert Fray Luis: Verum certa res est, quod solus sensus litteralis est efficax ad probanda et stabilienda dogmata fidei et ad destruendas haereses, et errores oppositos.

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Vgl. Ohly, a.a.O., S. 6 f.; Fray Luis de León, Tractatus de sensibus sacrae scripturae, hg. v. P. Olegario García de la Fuente, in: La Ciudad de Dios 170 (1957), S. 259-334, hier S. 328 f. Tractatus de scnsibus> S. 329.

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Die apologetische Aufwertung des Literalsinns stärkt die Haltung des Humanisten. Seine an den verba sich entzündende linguistische Gelehrtenkritik ist - in der wahren Bedeutung des Wortes - zu einer fundamentalen Hilfswissenschaft der Theologie geworden. Die Kompetenzen des grammaticus und des theologus spalten sich, wie es scheint, auf. So zumindest wird es wenig später Baltasar de Céspedes in seinem Traktat Discurso de las letras humanas, llamado el "Humanista" (1600) festhalten: Pasará [seil, el humanista] la Biblia toda por saber lo historial de ella, tratando los lugares que hay de curiosidad, cuya intelligencia estriva en propiedad del lenguaje, en conocimientos de costumbres antiguas de diversas gentes, en propiedad de cosas naturales [...] y otras cosas de esta manera, que tocan solo á la letra, sin atreverse á meter en el espíi^tu de ella, que eso se ha de dejar para los Sacros Doctores Teólogos, cuya es esa profesión.

c) Das sprachliche Äquivok Es ist dem Humanisten ein selbstverständliches Gebot, daß er in seinen Übersetzungen und Kommentaren Treue gegenüber dem Original walten läßt. Die Adäquatheit des kritischen Zugangs ist besonders da gefragt, wo der mehrdeutige Charakter der Vorlage in der Bearbeitung erhalten bleiben soll. Die variedad de sentidos ist dem Humanisten kein Hemmnis für den Zugang zum biblischen Text, im Gegenteil gibt sie jedem Leser selbst die Entscheidung in die Hand, in Zweifelsfällen eine Bedeutungswahl vorzunehmen. So hatte Fray Luis bereits in seiner didaktischen Aufarbeitung des Hohen Liedes die Leserkompetenz ernst genommen (S.74f.). Wenn er auf diese Weise die Freiheit des Interpretationsspielraums für die Bibelexegese einfordert, erscheint die Lehrautorität durch den konkurrierenden Individualismus erschüttert. Die Vielheit der Erscheinungswelt, die mit dem vorläufigen Verzicht auf den ordnungsgebenden Dogmatismus linguistisch ins Bewußtsein trat, offenbart sich nunmehr in ihrer leserbezogenen Diversifizierung. Von daher ist es symptomatisch, daß sich die Debatte um die Mehrdeutigkeit des Sinns sowohl bei Fray Luis als auch bei seinen Gegnern zentral um den Gültigkeitsanspruch der Rezeptionsmöglichkeiten dreht. Konsequent greift Fray Luis hierbei wiederum auf das Argument von Gottes Allmächtigkeit zurück und entwickelt die nominalistischen Thesen von der Pluralität der Erscheinungsformen. Wenn in Gott die gesamte Schöpfung enthalten ist, findet die Vieldeutigkeit des wörtlichen Schriftsinns auch in der Verschieden-Verstehbarkeit der Interpreten ihre legitime Entsprechung. Die göttliche Vorsehung agiert zwar noch als wirkende Macht, sie hat aber das scholastische Konzept der Wirklichkeit als einer "Wiederholung eines stets gleichblei-

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Baltasar de Céspedes, Discurso de las letras humanas, llamado el"Humanista" (1600), hg. v. Santos Diez González, Madrid (BNM) 1784, S. 81 f. Fray Luis selbst vollzieht eine ähnliche Trennung, indem er die Erforschung des literalen Sinns allein den Künsten des Triviums anvertraut. Tractatus de sensibus, S. 302.

36 Karl Hölz benden Vorrats an Typen"48 hinter sich gelassen. Aus der orthodoxen Individuationslehre schält sich eine Doktrin der variativen Deutungsmuster heraus: [...] Spiritus Dei praevidit quemcumque sensum occursurum lectori sub illa littera, imo vero et ipse fecit ut occurrerej, quia est vera lux omnium mentium; ergo sequitur quod omnis ille sensus est litteralis.

Aufgespult wird die Frage der vielfältigen Deutungsmöglichkeiten am Fall der sogenannten ventas hebraica. Die Hebraisten betonen zu Recht, und Fray Luis demonstriert es zur Genüge in seinen Übersetzungen, daß das Hebräische von der Struktur der Sprache her auf Mehrdeutigkeit angelegt ist. Die Armut der Verben, das unvollständige System der Tempora und die Bedeutungsvielfalt der Substantive entspringen einem Sprachdenken, dem Eindeutigkeit und Konkretheit der Beschreibung fremd sind.48 Die Dunkelheit des Hebräischen resultiert strukturell aus der Sprachökonomie - Fray Luis spricht von einer "lengua de pocas palabras y de cortas razones" - und geht inhaltlich aus der semantischen Unbestimmtheit, der "diversidad de sentidos" (S.73) hervor. An einem konkreten Beispiel, der Bibel des Vatablus, mußte Fray Luis vor der Inquisition darlegen, wie weit das Prinzip der duplex lectio gegebenenfalls Anwendung finden darf. Vatablus war Professor für Hebräisch am Collège de France. Seine Vorlesungen wurden von Robert Etienne gedruckt (1545) und teilweise als Kommentar einer Neuausgabe der lateinischen Bibel beigegeben. Nachdem Valdés das Werk auf den Index gesetzt hatte, sollte eine Neuausgabe mit den notwendigen Korrekturen besorgt werden. Das Offizium der Inquisition übertrug Francisco Sánchez, dem Dekan der Theologischen Fakultät in Salamanca, die Aufgabe, zusammen mit anderen Gelehrten diese Bibelausgabe zu zensieren. Zu den Mitgliedern der Kommission zählten u.a. León de Castro, Juan Gallo, Juan de Guevara, Gaspar de Grajar, Martín de Martínez und Fray Luis, die in ihrer Meinung jedoch gespalten waren.49 Auf der einen Seite standen die scholastischen Lehrstuhlinhaber, unter ihnen León de Castro. Sie vertraten die traditionelle Lehrmeinung, indem sie alle textkritischen Fragen und Auslegungen, die von den Kirchenvätern abwichen, als "jüdische Verirrung" und ketzerisch verurteilten. Unter der Wort- und Federführung von Fray Luis bildete sich eine eher kompromißbereite Haltung heraus. Fray Luis möchte Abweichungen von der sana doctrina nicht grundsätzlich zensieren. Er plädiert für einen offenen Wahrheitsbegriff und möchte Varianten gelten lassen, so46

Der relativistische Ansatz innerhalb der nominalistischen Diskussion um die Allmacht Gottes wird bei Küpper rekonstruiert, a.a.O., S. 263 f. Hier S. 264. 47 Tractatus de sensibus, S. 304.

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Auf den damit verbundenen metaphorischen Charakter der Sprache mit dem relativ hohen Auslegungsspielraum weist Manes Kartagener, "Zur Struktur der hebräischen Sprache", in: Studium Generale 15 (1962), S. 31-39. Einzelheiten der äußerst polemischen Debatte finden sich bei Heinrich Reusch, Luis de Leon und die spanische Inquisition, Bonn 1873, S. 58 f.

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lange deren otro sentido der katholischen Lehrautorität nicht widerspricht. Fray Luis operiert mit dem Argument des diferente y no contrario und zieht auch selbst die offenkundige Parallele zur patristischen und scholastischen Maxime des diversi sed non adversi.50 Befremdend für die orthodoxen Vertreter ist dann allerdings die Handhabung der Maxime bei Fray Luis. Das diferente y no contrario, oder wie es auch wiederholt heißt, die Verstehensweise no contra la explicación de los santos, sino praeter, folgt philologisch-hermeneutischen Gesichtspunkten, die nicht mehr durch den Hinweis auf das judaizante in ihrer Gültigkeit eingeschränkt werden. Die philologische Offenheit setzt die UnVoreingenommenheit des Gelehrten voraus. Daher kann dieser auch die jüdische Bibelinterpretation akzeptieren, "porque la verdad es buena qualquier que sea el que la dice".51 Die Gegner des Fray Luis, insbesondere León de Castro, nehmen gerade Anstoß an der "bajeza del entendimiento de judíos".52 Ihnen entgegnet Fray Luis, indem er noch einmal die orthodoxe Glaubensgewißheit gegen die philologisch gestützte Pluralität der Meinungen ausspielt. Vatablus' Thesen sind zu akzeptieren "como cosas probables y dichas como por un dottor". Seine "interpretación y translación nueva"53 können sogar als Ergänzung zum Kommentar der Kirchenväter zur Kenntnis genommen werden, denn Fray Luis will nicht ausschließen, daß sie zur besseren Bibelkenntnis beitragen (S.73). Das Neue, auf das das humanistische Interesse vorurteilsfrei zugeht, enthüllt sich damit in einer letzten Doppelbedeutung, die der interpretación nueva selbst innewohnt. Der interpretierende Neuansatz mißt sich nicht nur an der dogmatischen Einheit der Glaubenswahrheit, er ist auch an die profane Vielheit gebunden, die mit dem Wissen der doctores particulares die biblische Kenntnis bereichert. Selbst die Meinungen der Juden sind von dem Vorwurf der Ketzerei befreit, sofern sie eben unter das differenzierende Gesetz der dos sentidos fallen: El uno que las interpretaciones sean nuevas por ser de nueva doctrina, no oyda hasta entonces en la iglesia, y desta manera ni yo lo dezia ni se puede decir [...]. En otra manera se pueden llamar nuevas interpretaciones, porque dado que la sentencia y la doctrina dellas sean ant^pja y catholica, la aplicación della a aquel paso de la Escrittura de que se trata es nueva.

III Die dogmatische Rückversicherung des theologus Fray Luis hat sich mit seinen methodischen Fragen im Umkreis um den literalen Sinn als kompetenter philologischer Gelehrter erwiesen. Er ist allerdings 50

In seiner Verteidigung des Vatablus kommt er immer wieder auf diese Maximen zurück. Vgl. Alcalá, a.a.O., S. 19 f., S. 75 f. 51 Ebda., S. 57. 52 53 54

Ebda., S. 18. Ebda., S. 266. Ebda., S. 261.

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vorsichtig genug, sein humanistisches Wissensideal nicht ohne orthodoxe Absicherung zu verkünden. Jenen, die ihm den Satz in den Mund legen, "que bastava sola gramatica para entender la Escritura, y que ni seria necessaria theulugia", entgegnet er daher mit aller Schärfe.55 Vor der Inquisition verteidigt er die Belange des grammaticus, er ist aber gleichzeitig darum bemüht, die doktrinäre Rechtmäßigkeit seines Erkenntniswillens unter Beweis zu stellen. Diskurstheoretisch bedeutet dies, daß Fray Luis die theozentrische Wissensordnung wieder in sein plurales Deutimgsschema integriert und damit an jener DiskursRenovatio teilnimmt, von der die Literatur der spanischen Renaissance und des spanischen Barock grundsätzlich erfaßt war. Nachvollziehen läßt sich diese scholastische Rückkoppelung in allen von dem grammaticus vorgebrachten Neuerungsansätzen. Bereits seine Text- und Übersetzungskritik an der Vulgata erfährt in diesem Sinne bezeichnende Einschränkungen. Die Fehler, die Fray Luis moniert, beziehen sich lediglich auf die Ebene der verba. Wenn die falsitas verborum den Grammatiker auf den Plan ruft, bezieht dieser keineswegs auch die falsitas sententiae in seine Zweifel mit ein. Auf der Ebene der palabras und der significación bleibt die Vulgata unvollkommen. Alles aber, was die sentencia und damit die dogmatischen Glaubenswahrheiten betrifft, muß im Sinne der Konzilsbeschlüsse als authentisch angesehen werden. Der Begriff der philologischen falsedad impliziert nicht den der theologischen: Si entiende por falsedades, que el interprete puso en ella cosas falsas, [...] constará claro que dixe, que en la vulgata no avia ninguna sentencia falsa ny que pudiese causar herror, sino que es^va en ella muy bien trasladado todo lo que era necesario para la fe y las costumbres.

Trotz ihrer linguistischen Mängel gilt die Vulgata als verdadera sagrada escrittura. Dies umso mehr, als die Glaubenswahrheiten, die sentencias, die Signatur der prophetischen Sprache des Heiligen Geistes tragen.57 Mit diesem Bekenntnis zum orthodoxen Glaubensinhalt sieht Fray Luis das tridentinische Gebot der Anerkennung der Vulgata erfüllt. Die Beanstandungen des Grammatikers timgieren nicht die Lehrautorität, so daß Fray Luis den Anklägern gegenüber seinen Gehorsam vor der Kirche versichern kann.58 Die gleiche Einschränkung für den humanistischen Eingriff am Bibeltext nimmt Fray Luis für die literale Worterklärung vor. Wenn er vorrangig den sentido literal erörtert, steht es ihm fern, im Sinne der Reformatoren die Bedeutung des sensus spiritualis oder sensus mysticus zu bestreiten. Das Verdikt des cávete ab

55

Ebda., S. 421.

56

Ebda., S. 82. Vgl. auch S. 249 und S. 318.

57

Ebda., S. 497.

58

Ebda., S. 498.

Vives und Fray Luis de León 39 allegoriis, das die reformatorische Schriftauslegung begleitete59, war ihm fremd. Ausdrücklich weist er denn auch auf den geistigen Wortsinn des Textes und stellt etwa für das Hohe Lied die bildliche Vergegenwärtigung der Verbindung Jesu mit der Kirche fest. Fray Luis beteuert: "En este sentido espiritual no tengo que tocar" (S.72). So verbirgt sich hinter der Wahrheit des carmen amatorium die allegorische Verkündigimg der amores divinos y espirituales™ Fray Luis läßt diese geistige Wortbedeutung bisweilen in seinen Kommentaren zum Hohen Lied anklingen.61 Insbesondere belegt die weitere Editionsgeschichte des Hohen Liedes, wie Fray Luis seinen Kommentar zunehmend kirchenpolitisch entschärft. Zunächst übersetzt er die kastilische Version ins Lateinische (1580). Als er neun Jahre später die Explanatio in cantica canticorum in dritter Auflage herausgibt, führt er die drei verschiedenen Stufen des geistigen Sinns detailliert aus. Im Schritt von der ersten zur letzten Version läßt sich nachvollziehen, wie Fray Luis die volkssprachliche Fassung in die kirchliche Lehrhaftigkeit zurückführt und den in seinen Verteidigungsreden immer wieder beteuerten consensus patrum exegetisch umsetzt. In folgerichtiger Weiterführung steht auch die argumentative Absicherung des sprachlichen Äquivoks und des diferente y no contrario unter dem Vorbehalt der dogmatischen Glaubenstreue. Nicht nur sind die zusätzlichen Wissensinhalte, die die dottores mit ihren Studien bereitstellen, in ihrer Gültigkeit am Glaubensdogma zu überprüfen, Fray Luis wertet darüber hinaus die verschiedenen Erkenntnisquellen von Glaube und Verstand ganz im Sinne der kirchlichen Lehrautorität. Vor den Inquisitoren schwächt er den Wahrheitsanspruch der jüdischen Exegese ab, indem er deren "muy menor authoridad" unumwunden in Rechnung stellt.62 Die Verteidigung des Vatablus bedeutet daher nicht, daß er gegenüber der Lehrtradition neue Prioritäten setzt. Im Gegenteil sind die nuevos intérpretes eher traditionsbestätigend als -schädigend. Darauf insistiert Fray Luis, als er die Ausgabe der Bibel des Vatablus einvernehmlich mit den Zensoren mit einem Vermerk versieht: Y advertimos al principio con una censura general que se dexavan aquellas exposiciones no para prejudicar en nada a las de los s 0S . las quales an de estar en grado de suma authoridad, sino como cosas probables y dichas como por un dottor, y para que cotejándose con los s . se viese quan mas altamente declararon ellos la Escrittura que no estos nuevos interpretes (S.73).

Mit solchen und ähnlichen Bekenntnissen kann Fray Luis den gegen ihn erhobenen Vorwurf abweisen, er habe sich mit seinen humanistischen Neuerungen 59

Vgl. das Kapitel "Zur Hermeneutik der Reformatoren" bei Hans Joachim Kraus, Geschichte der historisch-kritischen Erforschung des Alten Testaments von der Reformation bis zur Gegenwart, Neukirchen 1956, S. 8 ff.

60

Alcalá, a.a.O., S. 78. Vgl. auch S. 58.

61

Ebda., S. 357 f.

82

Ebda., S. 56.

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Karl Holz

über die Lehrautorität der Kirche lustig gemacht.63 Der Verstand hat die Autorität des Glaubens nicht in Zweifel gezogen. Er hat ihr neue Wissensgebiete erschlossen und war darauf ausgerichtet, theologisches und humanistisches Interesse wieder miteinander zu versöhnen. IV Das Ingenium im Spannungsfeld von menschlicher und göttlicher Ordnung Die hier skizzierte theologische Problematik steht nicht isoliert. Sie ist eingebettet in einen größeren geistesgeschichtlichen Kontext, der vor allem auch die literarischen Ausdrucksformen erfaßt. Wir selbst haben bereits mit den Querverweisen auf die diskurstheoretischen Ansätze der Renaissance die allgemeineren Zusammenhänge angedeutet. Sie lassen sich gerade in der Frage der interpretatorischen Tätigkeit eines diesseitigen Erkenntniswillens konkret nachvollziehen. Hierbei kann die generelle Frage, wie der problematische Wirklichkeitsbegriff auf die von Gott garantierte Wahrheit zurückbezogen wird64, in ihrer epochalen Reichweite illustriert werden. Gleichzeitig allerdings zeigt sich, unter welchen persönlichen Gefahren und Zwängen Fray Luis dem Epochengeist der orthodoxen Autoritätsgläubigkeit Folge leistet. Das Bedürfnis, oder genauer die Einsicht in die Notwendigkeit, sich unter dem Einsatz der erwachenden Weltklugheit eine widersächliche Realität gefügig zu machen, wird zu einer verbindenden Erfahrung, die die diversen Gestalten des Schelmen, des Ritters, des Hofmanns oder des poeta doctus beherrscht. Alle Gestalten sehen sich gezwungen, sich angesichts einer dunklen und feindlichen Welt zu behaupten, und setzen ihr die Kraft ihres gewiß je unterschiedlichen Ingeniums entgegen. Es gilt, sich der Illusion der Welt zu stellen und - so wie es die allegorischen Vertreter des Verstandes in Graciáns Criticón: acertador, descifrador und zahori (Scharfblick) erstreben - zu höchstmöglicher Welterkenntnis zu gelangen. Während Gracián die empirische Welterfahrung an den Beginn der geistig-schöpferischen Aktivität stellt, läßt Cervantes aus der fiktiven Idealität der Ritterbücher den Reaktionsspielraum seines Helden erwachsen. Don Quijote gilt zu Recht als die Exempelfigur des Suchers.65 Er ist der Interpret, der die Erfahrungen für seine Bedürfnisse umzudeuten sucht und in seinem Denken die Wichtigkeit menschlicher Initiative für ein sinnvolles Geschehen dokumentiert. 66 Der sprachliche Perspektivismus, der sich etwa in den 63

64

65

66

Ebda., S. 86. Diesen Ubergang von einem statischen Wirklichkeitsbegriff des Mittelalters zu einer dynamischen Realitätsauffassung in der Renaissance illustriert Hans Blumenberg, "Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans", in: Nachahmung und Illusion, München 1969, S. 9-27. Am Beispiel der ausbleibenden simiiitude zwischen Ideal und Wirklichkeit entwickelt Michel Foucault den für die Moderne wegweisenden Einschnitt des Don Quijote. Ders., Les mots et les choses. Une archeologie des sciences humaines, Paris 1966, S. 60 ff. Es ist das Verdienst H.-J. Neuschäfers, in diesem Zusammenhang auf die Funktion der Iocura des Don Quijote hingewiesen zu haben. Ders., Der Sinn der Parodie im "Don Quijote", Heidelberg 1963.

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verschiedenen Namensgebungen und Worterklärungen im Don Quijote niederschlägt, ist das sprachliche Äquivalent der welthaften Bedeutungsoffenheit.67 Selbst das allegorische Theater Calderóns kennt die sprachgebundene Funktion der Blicktäuschungen. Paraphrasen, Vergleiche, Metaphern überwuchern die Realität des Beschriebenen. Für den barocken Sprachstil hat das Wirkliche an Zuverlässigkeit verloren, so daß der urteilende Gedanke nicht zur Ruhe kommt.68 Man kann geradezu das biblische Äquivok in der weltlichen Dichtung nachgebildet finden. Nicht zu Unrecht hat man das equívoco als ein Stil- und Strukturprinzip der spanischen Literatur des Goldenen Zeitalters bezeichnet.69 Es erfüllt eine Funktion, die auch der humanistischen Gelehrtenprosa bekannt ist. Die Dunkelheit der Sprache ist nützlich "para avivar el ingenio", rechtfertigt Góngora sein verschlüsseltes Gedicht der Soledades J° Er greift mit seiner hermetischen Verkleidung einen Gedanken auf, der zum Allgemeingut der zeitgenössischen Sprach- und Verhaltensnormen gehört. Gracián variiert ihn mehrfach in seinem Oráculo manual y Arte de prudencia, indem er die Gestaltung der Persönlichkeit eben an ein taktisches Vorgehen der Verstellung bindet. Paradox, Wortspiel, Doppelsinn sind die sprachlichen Technika einer Art von Weltklugheit, für die das Rätselhafte schlechthin zum Zeichen geistiger Vollkommenheit und Überlegenheit wird. "Quien dice misterio, dice preñez, verdad escondida y recóndita, y toda noticia que cuesta, es más estimada y gustosa." So begründet Gracián zu Beginn des sechsten Diskurses seines Traktats Agudeza y Arte de ingenio die "ponderación misteriosa". Dunkelheit und Äquivok beherrschen als Form- und Inhaltscharakteristikum die Denkweise und finden in den literarischen Stilrichtungen des Culteranismo und Conceptismo zu ihrer eigenen ästhetischen Ausprägung.71 Die spanische Komödie hat das Spiel mit der Uneindeutigkeit übernommen und zu einem tragenden Element ihrer Verwicklungen erhoben. Auch hier korrespondiert den sprachlichen Ambivalenzen72 ein Verhaltenscode, der durch Schlüsselwörter wie disimular, fingir, engañar, simular, callar, enredar etc. charakterisiert 67

Auf diese Parallele von Sprachhaltung und Struktur weist Leo Spitzer, "Sprachlicher Perspektivismus im 'Don Quijote'", in: Ders., Texterklärungen. Aufsätze zur europäischen Literatur, München 1969, S. 54-83.

68

Diesen stilistischen Perspektivismus bei Calderón legt Hugo Friedrich dar, Der Calderón, Freiburg 1966 (Freiburger Universitätsreden, 20). Hier S. 32.

69

Die Bedeutung des literarischen Äquivoks hat Horst Baader hervorgehoben. Ders., "'El equívoco'. Die Uneindeutigkeit als Stil- und Strukturprinzip der spanischen Literatur des Goldenen Zeitalters", in: Spanische Literatur im Goldenen Zeitalter, a.a.O., S. 12-39.

fremde

70

Góngora, Obras Completas, Madrid 1943, S. 796.

71

Vgl. etwa Ramón Menéndez Pidal, "Oscuridad, dificultad entre culteranos y conceptistas", in: Ders., Castilla, la tradición, el idioma, Buenos Aires 1947, S. 219-232.

72

Sie werden, wie Baader, a.a.O., S. 20 f. ausführt, allein in Titeln greifbar wie El encanto sin encanto (Calderón); La hermosa fea (Lope de Vega); La muerte viva (José de Cañizares); La humildad soberbia (Guillén de Castro); La verdad sospechosa (Ruiz de Alarcón).

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ist.73 Äquivokes Handeln und Sprechen sind die Reaktionen auf eine trügerische Welt und bieten sich als probates Mittel an, dem Verlust eindeutiger Sinnbezüge durch eine ebenso geartete Verhaltensstrategie der Verstellung entgegenzutreten.74 Die barocke Gestaltung von Schein und Sein, engaño und desengaño, ist gewiß aus Unlust an der Wirklichkeit entstanden75 und beinhaltet ein Moment der verdeckten oder offenen Sozialkritik. Die Unsicherheit des Individuums resultiert aus dem drohenden Bruch der welthaften Ordnung. Wenn die moralistischen Maximen der Weltklugheit sich am innerweltlichen Erfolg orientieren, so ist in ihnen ein Wechsel der Leitbilder vollzogen.76 Der Blick wendet sich von einer metaphysisch-zeitlosen zu einer real-historischen Bezugsebene und eröffnet dem Betrachter das Panorama einer in allen Belangen fragwürdigen Welt. Die neuen Verhaltensnormen konkretisieren sich an der Vorstellung eines biblischen Themas vom Streit des Menschen auf der Erde (Hiob VII, 1). Gerade für den Schelmen, der am unteren Ende der sozialen Hierarchie steht, hat es existentielle Bedeutung angenommen: La vida del hombre, milicia es en la tierra: no hay cosa segu^ ni estado que permanezca, perfecto gusto ni contento verdadero; todo es fingido y vano.

Gracián pointiert das Motiv der militia konzeptistisch auf die Täuschungsstrategie hin und läßt damit keinen Zweifel an der auch sozialen Fundierung der Äquivok-Haltung aufkommen: "Milicia es la vida del hombre contra la malicia del hombre."78 Die Erfahrung der aus der Ordnung geratenen Welt hat die dynamischen Eingriffe des selbstbewußten Individuums hervorgerufen. Wir berühren hier den Punkt, der uns wieder in die Gedankenwelt des Fray Luis zurückführt und der zumindest die Parallelität der gedanklichen Strukturen erhellt, die das literarische und theologische Äquivok besitzen. In beiden Bereichen wurde ein Allgemeinbegriff und die an ihn geknüpfte zeitlose, allgemeingültige Wahrheit zurückgedrängt und durch eine vom Einzelwesen ausgehende empirische Lebensordnung ersetzt. Die Ambiguität von Idealismus und Realismus ist Ausdruck dieser beginnenden Verschiebung. Don Quijote wird ihr zum Opfer fal73

Vgl. hierzu Hans-Joachim Müller, Disimular und fingir oder Die listige Verstellung auf dem spanischen Theater des"Sigjo de Oro", Innsbruck 1972. 74 Vgl. den 13. Aphorismus des Oráculo Manual. 75

Baader, a.a.O., S.32f.

76

Siegfried Jüttner verfolgt diesen Wandel der Leitbilder an Hand der Erzählstruktur der Lozana andaluza. Ders., "Der dramatisierte Erzähler und sein Leser. Hermeneutische Analyse der 'Lozana andaluza' von Francisco Delicado", in: Spanische Literatur im Goldenen Zeitalter, a.a.O., S. 175-208. HierS. 195.

77

"Alemán, 'Guzmán de Alfarache'", in: Angel Valbuena Prat (Hg.), La novela picaresca española, Madrid 1956, S. 269b.

78

Oráculo Manual, Aphorismus Nr. 13.

Vives und Fray Luis de León 43 len, denn für ihn ist die geglaubte Realität nicht mehr identisch mit der tatsächlichen. Genau so erklären sich die anderen Widersprüche, die in den gesellschaftlichen, literarischen und religiösen Orientierungsansätzen zum Vorschein kommen. Idealität und Realität, Schein und Sein, Orthodoxie und Subjektivismus, solche und ähnliche Dualismen haben wohl gemeinsam, daß in ihnen ein komplexes Weltbild zur Entfaltung drängt. Es ist in der Tat dasjenige einer doppelten Wahrheit, bei der die divinas und humanas letras in Konkurrenz zueinander treten. Die spanische Barock- und Renaissance-Forschung hat dieses Beieinander komplementärer Anschauungsmodelle in die Epochen-Diskussion aufgenommen. Mit gleichem Recht, wie man das wachsende Vertrauen in die eigene Kraft des Ingeniums mit einer positiven Einstellung zur Neugierde und dem Willen zur Freiheit in Verbindung bringen kann79, wird man die Anbindung an den gegenreformatorischen Geist als ein Spezifikum insbesondere der nachtridentinischen Epoche veranschlagen müssen. So wie Vossler, H. Friedrich und neuerdings H. W. Sullivan die Werke etwa von Lope, Calderón und Tirso de Molina generell aus der heilsgeschichtlichen Umdeutung der irdischen Historie heraus erklären80, sucht auch Fray Luis die theologische Rückversicherung und nimmt teil an jener Renovatio der mittelalterlichen Diskurse, die Küpper in seiner reich dokumentierten Studie über das Goldene Zeitalter nachgewiesen hat. Danach wird das Denken der Renaissance einer neuerlichen orthodoxen Überformung unterzogen, indem diesseitige Vielheit dem Einheitskonzept des theozentrischen Weltbildes wieder untergeordnet wird. Calderón illustriert dies geradezu programmatisch in seinem auto sacramental El divino Orfeo. Der Wettstreit zwischen den divinas und humanas letras stellt hier die Gleichwertigkeit von biblischer Heilswahrheit und antik-paganer Weisheit zur Diskussion. Calderón führt die Denkfigur der pluralen Anschauungen zu einer restaurativen Lösung, indem er mit der Unterwerfung des heidnischen Mythos unter den wahren göttlichen Harfenspieler den Triumph der christlichen Lehre feiert.81 Die gleiche Disziplinierung menschlicher Autonomie durch die göttliche Ordnung erfährt das Ehrendrama. Wenn die Personen im Ehrenkasus ihre private und soziale Integrität in Gefahr sehen, handeln sie so, daß sie die verletzte Ordnung, in der Schein und substantieller Wert nicht mehr übereinstimmen, wieder in ihre Rechte setzen. Der Satisfaktionszwang wird analogisch einem heilsgeschichtlichen Arche-Typos zugeordnet, indem die nominalistische Dissoziierung von Schein und Sein auf den Sündenfall und die mit ihm eingeleitete Heilssuche projiziert wird. Der Ehrenkasus führt, wie in der emblematischen 79

60

Auf die Umbewertung der curiositas (nach Blumenberg, Die Legitimität der Neuzeit, Frankfurt 1966) in der spanischen Erzählprosa des 16. Jahrhunderts geht Siegfried Jüttner ein: "Der dramatisierte Erzähler und sein Leser", a.a.O., S. 176 ff. Vgl. die entsprechenden Werkinterpretationen in dem Band Volker Roloff, Harald WentzlaffEggebert (Hg.), Das spanische Theater. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Düsseldorf 1988. Vgl. die Ausführungen bei Küpper, a.a.O., S. 151 ff.

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Verkleidung bei El médico de su honra, die Erlösungsbedürftigkeit der betroffenen Personen vor Augen und hält diese an, ihre Entscheidungen mit dem Appell an die Gerechtigkeit des von Gott eingesetzten Richters, des Königs legitimieren zu lassen.82 Lope de Vega hat die moraltheologische Zügelung des Ehrenkodex direkt mit der Verbreitung tridentinischer Verhaltensnormen in Verbindung gebracht. Wenn die Landbevölkerung in Fuente Ovejuna sich auf ihre Weise gegen einen absolut gesetzten feudalen Ehrenkodex zur Wehr setzt, werden die unerfreulichen Begleiterscheinungen ihrer Rache - Mord, Plünderung, Fledderung der Leiche - als Überschreiten der rechten Ordnung vom König geahndet. Der Moralrigorismus erfaßt zugleich mit dem Schicksal des rigorosen Feudalherren auch die Vollstrecker der Rache selbst. Sie sind der Verlockung durch die concupiscencia anheimgefallen und haben ihren Freien Willen dazu mißbraucht, sich gegen Gottes Ordnung zu stellen. Unter einem doppelten Aspekt, dem christlichen Gleichheitsgedanken, der alle sozialen Stände umfaßt, und dem moralischen Rigorismus, mit dem der Freie Wille domestiziert wird, erfüllt Lope wesentliche Postúlate, die die tridentinische Lehre aufgestellt hat.83 Wer sich ihnen nicht fügt, erfährt das Schicksal Don Juans, wie es Tirso de Molina vorgeführt hat. Seine Komödie El burlador de Sevilla weist den genialen Frevler in die Schranken. Hat mit Don Juan kurzfristig ein renaissancehaftes Erproben der menschlichen List Gestalt gewonnen, so siegt am Ende doch Gottes Gerechtigkeit. Tirsos Drama lebt aus einer "Überschichtung von mittelalterlicher, geistlich fundierter Ordo-Welt und renaissancehaftem Persönlichkeitsbewußtsein".84 Seine Gestalt kann den moralischen Libertinismus nicht behebig ausleben, da Gott die Freiheit des Handelns nur auf eine Frist gewährt, wie der Vater Don Diego den Sünder belehrt.85 Die Personen werden nie aus ihrer moralischen Verantwortlichkeit entlassen. Selbst da, wo die Betrüger-Gestalten Gottes Gerechtigkeit suspendiert sehen, wie in Alarcóns La verdad sospechosa, ist der Reaktionsspielraum des planenden Subjekts nur so lange erweitert, wie ihm die göttliche Gnade Aufschub gewährt. Trotz aller betrügerischen Machenschaften der handelnden Personen gilt das Gesetz, daß "el cielo ayuda la verdad más oculta y premiada".88 Nicht einmal der Don Quijote kann seine arbiträren Sinnzudeutungen ungehindert entfalten. Das gegenreformatorische Denken holt ihn spätestens dann ein, wenn die tridentinische Bücherzensur durch den Barbier und den Pfarrer durchgeführt wird und wenn Schlüsselbegriffe wie conciencia, escrúpulo, ocasión oder caso

82

Hierzu Küpper, a.a.O., S. 383.

83

Vgl. die Interpretation des Stückes durch Küpper in: Das spanische Theater, a.a.O., S. 105-122.

84

So Margret Dietrich im Vorwort zu Don Juan, hg. v. Joachim Schondorff, München 1967, S. 9.

85

2. Akt, 10. Szene.

86

3. Akt, 12. Szene. Die moraltheologische Disziplinierung der renaissancehaften Betrügergestalten wird dargestellt von Karl Hölz, "Pirandello und die literarische Tradition der Lüge", in: Richard Baum und Frank-Rutger Hausmann (Hg.), Theatralisierungder Wirklichkeit und Wirklichkeit des Theaters, Bonn 1988, S. 48-83.

45 Vives und Fray Luis de León die ausgeblendete theologische Fundierung menschlichen Handelns wieder ins Bewußtsein rufen.87 Nicht zuletzt gibt sich auch die obicurito-Thematik in ihrer Analogie zwischen der welthaften und göttlichen Ordnung zu erkennen. Góngora möchte den Leser mit seiner verschlüsselten Sprache zur Reflexion anhalten und verfolgt dabei ein Ziel, das nicht nur wirkungsästhetisch begründet ist. Sein sprachlicher Hermetismus ist metaphysisch fundiert. Der Gedanke entstammt theologischer Lehrtradition und ist von den Zeitgenossen Góngoras entsprechend aufgenommen worden.88 Gracián äußert an anderer Stelle deutlich den Bezug zwischen der welthaften und göttlichen Dunkelheit. In Anspielung auf Prov. 25,2: "Gloria Dei est celare verbum" rät er dem, der in der Gesellschaft arrivieren möchte: "Imítese [...] el proceder divino para hacer estar a la mira y al desvelo."89

Fray Luis verfaßt sein exegetisches Werk während der Zeit der gegenreformatorischen Reglementierungen. Von daher wundert es nicht, wenn das Wissen des grammaticus als korrektur- oder sanktionsbedürftig der orthodoxen Lehrtradition unterstellt wird. Alle Bekenntnisse des Fray Luis zum "hijo obediente y humilde de la sancta madre iglesia de Roma"90 bestätigen die gegenreformatorischen Korrekturen, die der Humanist an seiner Urteilsinstanz vornimmt. Die Wiedereinbettung des humanistischen Erkenntniswillens in jene ordnungsgebende Perspektive der göttlichen Transparenz geschieht allerdings nicht problemlos. Die Inquisitionsakten lassen bisweilen den Eindruck entstehen, daß Fray Luis die orthodoxe Rückversicherung nur unter inquisitorischem Druck vornimmt. So ist einmal sein philologischer Enthusiasmus gebrochen, als er das scholastische Axiom des differente y no contrario soweit aufgibt, daß er sich blind allen Forderungen seiner Ankläger fügen möchte.91 Wider besseres Wissen räumt er Irrtümer ein und unterstellt alle Streitfragen einem orthodoxen Prinzip der convenientia: esto solo pretendí desde el primer dia, conviene a saber no porfiar ny contender, sino ser ensebado y alumbrado y corregido si acaso en algo me e engañado aunque yo no se en que.

Solche Verleugnungen der philologischen Ambitionen sind zweifelsohne durch den Reformeifer der Inquisitionsvertreter erzwungen worden. Ohne ihren unmittelbaren Druck besinnt sich Fray Luis wieder mehr auf sein humanistisches Erkenntnisinteresse. So zumindest läßt er es durchblicken, als er die ideologi-

87

Zum religiösen Hintergrund im Don Quijote vgl. die zusammenfassende Studie von Christoph Strosetzki, Miguel Cervantes. Epoche-Werk-Wirkung, München 1991, S. 176. sa Vgl. Weinrich, a.a.O., S. 545. 89

Oráculo Manual, Aphorismus Nr. 3.

90

Vgl. etwa Alcalá, a.a.O., S. 25 f.

91

Ebda., S. 413.

92

Ebda., S. 419 f. Vgl. auch S. 444.

Karl Hölz sehen Zwänge anspricht und dabei die wahren Motive seiner lateinischen und allegorischen Interpretation des Hohen Liedes aufdeckt:

46

ad has scriptiones, non ut alii animi, aut oblectationis causa, sed necessitate quadam compulsus accessi.

Und er fügt erklärend hinzu: "re ipsa pene constrictus latinum eum librum feci".93 Die im Sinne des Tridentinums vorgenommene Korrektur und Fortschreibung der ersten Literalerklärung in Spanisch entspricht nicht den primären Beweggründen des Interpreten. Wenn er sich auf eine neuerliche orthodoxe Argumentation der typologisierenden Bezüge zurückverpflichten läßt und damit am gegenreformatorischen Zeitgeist partizipiert, hat er doch - anders als etwa die belehrende (Vega) oder erbauliche (Calderón) Durchsetzimg der tridentinischen Interessen - eine philologische Distanz zu den Universalia der spätmittelalterlichen Wahrheitslehre gewahrt. Fray Luis legt die divergierenden Wissenssphären des Theologen und Grammatikers frei und macht sie zum Kasus eines Disputs, der die Zusammenhänge von Wahrheit und Interesse bis an die Grenzen des Möglichen auslotet.

93

Fray Luis, Opera, Bd. II, S. 41.

Vives' Ideen über die Erziehung der Frau. Zu 'De institutione feminae christianae' (1523) Manfred Lentzen (Münster)

Neben den Büchern über die Wissenschaften (Libri de disciplinis, 1531) dürfte der Erziehungstraktat De institutione feminae christianae (1522/23; 1523 erschienen) wohl eine der bedeutendsten Schriften von Juan Luis Vives sein. Das Werk zirkuliert in über 40 Ausgaben und Übersetzungen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts in Europa; eine spanische Übertragung datiert bereits aus dem Jahre 1528, eine englische aus dem Jahre 1540, die erste französische Übersetzung stammt aus dem Jahre 1542, die erste deutsche aus dem Jahre 1544 und die erste italienische aus dem Jahre 1546.1 Die Daten deuten darauf hin, daß vor allem nach 1540 eine große Popularität des Traktats zu verzeichnen ist, was darauf zurückzuführen sein dürfte, daß sich insbesondere ab dieser Zeit eine außerordentlich starke Öffnung der Gesellschaft nach außen hin abzeichnet und vor allem die Frau gleichsam als ein Gruppenphänomen öffentlich in Erscheinung tritt. Dies gilt in besonderem Maße für Italien, wo eine relativ große Schar gelehrter Frauen einen nachhaltigen Einfluß auf das kulturelle Leben zu nehmen beginnt. Erinnert sei nur an Gestalten wie Vittoria Colonna, Veronica Gambara, Gaspara Stampa, Laura Terracina oder auch Tullia D'Aragona und Veronica Franco. Vives' Schrift De institutione feminae christianae ist Katharina von Aragon, der Gattin Heinrichs VIII. von England gewidmet, deren Wohlwollen und Unterstützung der Autor durch Vermittlung von Thomas Morus erfährt. Der Traktat ist zugleich als Erziehungsanleitung für Prinzessin Maria, die Tochter KathariVgl. Carlos G. Norefta, Juan Luis Vives, The Hague 1970, S. 304, und insbesondere die Angaben bei Ruth Kelso, Doctrine for the Lady of the Renaissance, Urbana 1956, bes. S. 421f. Kelso registriert 891 Titel von Schriften, die sich mit Fragen der Erziehung des weiblichen Geschlechts im weitesten Sinne beschäftigen, 473 Titel von Schriften, die dem Mann gewidmet sind; op. cit., S. 327-462. Was Italien betrifft, so erscheint in Venedig bereits 1545 Ludovico Dolces Dialogo della institutione delle donne secondo li tre stati che cadono nella vita umana, der weitgehend von Vives' Traktat abhängig ist und in dem Dolce seinerseits Vives des Plagiats bezichtigt, wenn er auf dessen angebliche Abhängigkeit von Francesco Barbaros Schrift De re uxoria (1416; Druck Paris 1513) hinweist. Vgl. hierzu Tullio Gariglio und Agostino Sottili, "Zum Nachleben von Juan Luis Vives in der italienischen Renaissance", in: Juan Luis Vives, Arbeitsgespräch, hrsg. von August Buck, Hamburg 1981, S. 211-260. Generell zur Rolle der Frau in Italien im 16. Jahrhundert vgl. Adelin-Charles Fiorato, "L'image et la condition de la femme dans les 'Nouvelles' de Matteo Bandello", in: Images de la femme dans la littérature italienne de la Renaissance. Préjugés misogynes et aspirations nouvelles. Castiglione, Piccolomini, Bandello, Paris 1980 (Centre de Recherche sur la Renaissance italienne, Bd. 8), S. 169-286. Zum Einfluß von Vives in Spanien (bes. auf Antonio de Guevara und Fray Luis de León) vgl. Joaquin de Entrambasaguas, "Espejo para la mujer en el Renacimiento espanol", in: Revista de Literatura 18 (1960), S. 83-116.

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nas, gedacht. Im folgenden soll versucht werden, nach einer Skizzierung der wichtigsten Ideen von Juan Luis Vives zur Frauenerziehung die Position des Autors innerhalb der Debatte über die Ausbildung des weiblichen Geschlechts zu ermitteln. Dabei wird sich herausstellen, daß Vives in mancherlei Hinsicht durchaus nicht auf der Höhe der damaligen zeitgenössischen Diskussion in dieser Frage steht, vielmehr noch sehr stark mittelalterlichen Vorstellungen verhaftet bleibt. Die Bedeutimg von Juan Luis Vives als humanistischer Denker muß also zumindest im Bereich der pädagogischen Vorstellungen seiner Zeit eingeschränkt und relativiert werden. Natürlich darf Vives erst recht nicht an den Kriterien der heutigen Debatte über die Rolle der Geschlechter gemessen werden, will man nicht einer ahistorischen Betrachtimgsweise verfallen. Er muß, um ihm gerecht zu werden, im Rahmen der Diskussionen der Zeit gesehen und bewertet werden. Die Schrift De institutione feminae christianae besteht aus drei Büchern2, in denen nacheinander die Jungfrau, die verheiratete Frau und die Witwe behandelt werden. Zu Fragen der Erziehung des weiblichen Geschlechts äußert sich Vives darüber hinaus auch in den Traktaten De ratione studii puerilis (1523; 1. Brief) und De officio mariti (1528). Die Institutio bleibt aber die bei weitem wichtigste Schrift zu diesem Problemkomplex. In der Praefatio mit der Widmung an Katharina von Aragón, die gleichsam vorbildhaft die Lebensstadien als Jungfrau, Gattin und Witwe kennengelernt habe, fügt sich Vives in die lange Tradition der pädagogischen Literatur ein, die von Xenophon und Aristoteles über Piaton, Tertullian, Cyprian und Hieronymus bis hin zu Augustinus und Fulgentius reiche. Im ersten, der virgo gewidmeten Buch, wird zunächst eine wichtige Differenzierung vorgenommen: es wird nämlich zwischen einem gleichsam wissenschaftlichen und einem häuslich-praktischen Unterricht für die junge Frau unterschieden. Was die praktische Seite der Ausbildung betrifft, so soll das junge Mädchen insbesondere das Woll- und Flachsspinnen sowie die Kochkunst erlernen, muß es doch auf seine künftige Stellung als Hausfrau in der Familie vorbereitet werden. Deshalb sollen ihm auch keine Puppen als Spielzeug gegeben werden, sondern eher aus Blei oder Zinn gefertigte Küchengerätschaften, die - wie es heißt - zweckdienlich sind und zugleich viel Freude bereiten. Vives stützt seine Thesen durch die Auffassung gewichtiger Vorbilder und Autoritäten; so weist er vor allem auf die Töchter und Enkelinnen des Augustus hin sowie auf die Töchter Isabellas von Spanien. Insbesondere die Kochkunst liegt ihm am Herzen, kann sich die Frau doch dadurch die Ihrigen lieb und teuer machen:

2

Zitiert wird nach der Ausgabe Ioannis Ludovici Vivis Valentini, Opera omnia, 8 Bde., Valentiae 1782-1790, Reprint London 1964. Der Traktat findet sich in Band IV, S. 65-301.

De institutione feminae christianae

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hanc ergo artem mea callebit femina, quo magis omni aetate suos demereatur sibi, et quo tum rectius ac purius, tum minoris curatae dapes ad mensam veniant.

Bezüglich der wissenschaftlichen Ausbildung setzt sich Vives in erster Linie für das Erlernen von Lesen und Schreiben ein. Dabei steht die Muttersprache, d.h. die Volkssprache, im Vordergrund; die lateinische Sprache soll in einer zweiten Stufe hinzugelernt werden, nicht aber das Griechische, das nur den Jungen vorbehalten bleibt. Auch die Ausbildung in der Eloquenz, der Beredsamkeit hält Vives für das weibliche Geschlecht nicht für wesentlich, soll sich die Frau doch aus der Öffentlichkeit weitgehend zurückhalten (I, 4: De doctrina puellarum). Ziel der Erziehung muß immer eine vernünftige und sittliche Bildimg sein, die zur Tugend anleitet. Vives ist der Auffassung, daß Lasterhaftigkeit im wesentlichen auf Unkenntnis zurückzuführen ist, weshalb die Ausbildung in der doctrina auch für Mädchen gefordert wird. Als Vorbilder führt er eine Reihe gelehrter Frauen sowohl aus der Antike als aus der christlichen Zeit an (hier insbesondere Katharina von Alexandrien, Katharina von Siena und Hildegard von Bingen). Die sapientia ist für Vives stets der Ausgangspunkt und die Grundlage der virtus. Die Gelehrsamkeit des weiblichen Geschlechts darf indes nicht so weit gehen, daß die Frau nun selber den Lehrberuf oder gar die Leitung einer Schule anstrebt, Bereiche, die ausschließlich den Männern vorbehalten bleiben. Der Weg zur virtus führt über die Lektüre von Büchern, die von Vives besonders gefördert wird und für die er bestimmte Weisungen erteilt (I, 5: Qui non legendi scriptores, qui legendi). So verwirft er Schriften über Kriegs- und Liebesabenteuer. Die Verfasser solcher unsittlichen Werke bezeichnet er als Tagediebe und Faulenzer, als lasterhafte und ungebildete Kreaturen. Die Bücher, die er empfiehlt, sind das Alte und Neue Testament, sodann die Schriften der Kirchenväter und u.a. auch die von Boethius, Fulgentius, Tertullian, Piaton, Cicero und Seneca. Von den Dichtern befürwortet er vor allem Prudentius, Iuvencus und Paulinus, die seiner Auffassung nach den antiken Poeten in nichts nachstehen. In allem aber hat die Frau dem Manne stets Untertan zu sein und nur das schweigend zu lernen, was sie für ihr Leben in der Familie braucht ("sed subdi viris, et tacitas quae opus sit addiscere").4 Weitere Kapitel des ersten Buches sind der Pflege des Körpers, dem Essen und Trinken sowie dem Schmuck und Putz der Frau gewidmet. Von zentraler Bedeutung ist indes für Vives der Schutz der virginitas des jungen Mädchens (bes. I, 6: De virginitate). Der Autor weist diesbezüglich auf die Bedeutung der Jungfräulichkeit bereits in der heidnischen Antike hin, wenn er auf die zahlrei-

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Ibidem, S. 77 (1,3: De primis exercitamentis). Ibidem, S. 90. Hier unterscheidet sich Vives wesentlich von Castiglione, dessen Dialog Libro dei cortegiano ungefähr um dieselbe Zeit entstanden ist (in mehreren Fassungen zwischen 1514 und 1527; gedruckt 1528). Bei Castiglione ist die adelige Hofdame, die donna dipalazzo, dem Höfling ebenbürtig. Vgl. hierzu in diesem Band den Beitrag von Joachim Leeker, "Das Frauenbild in Vives' 'De institutione feminae christianae' und Castigliones 'Libro del cortegiano'".

50 Manfred. Lentzen chen jungfräulichen Göttinen oder die Musen Bezug nimmt. Die castitas ist für ihn die höchste der Tugenden: adimas feminae formam, genus, opes, venustatem, eloquentiam, acumen ingenii, peritiam suarum artium, addas tarnen castitatem, omnia cumulatissime dedisti; contra, largiaris plena manu illa oginia, et dicas impudicam, hoc uno verbo detraxisti omnia, nuda relicta est, et detestanda.

Die Keuschheit muß mit allen Mitteln geschützt und verteidigt werden. So soll die junge Frau nur selten ausgehen, und wenn, dann nur in Begleitung der Mutter, um jeglicher Gefahr zu entgehen. Die Jungfrau Maria habe dem Mädchen als Vorbild zu gelten. Weiterhin soll die junge Frau nicht der Schwatzhaftigkeit verfallen, Feste, Gelage und Tanzveranstaltungen meiden und sich vor allem nicht der Spielleidenschaft hingeben. Vives warnt zudem nachdrücklich vor der sinnlichen Liebe, die zu Mord und Tod führe und physisch und psychisch krank mache; Heilmittel gegen die Liebesleidenschaft sieht er in der körperlichen und geistigen Beschäftigung, zumal in der Lektüre guter Bücher, in Gebeten und frommen Gesprächen. Die wahre Liebe der jungen Frau dürfte nur auf Gott, die Jungfrau Maria, die Kirche, die Eltern, die unsterbliche Seele und die ewige Seligkeit gerichtet sein (I, 14: De amore virginis). Aus dem Gesagten wird ersichtlich, daß Vives gleichsam für eine häusliche Internierung der Frau plädiert, um sie vor den lauernden Gefahren des öffentlichen Lebens zu schützen. Vor diesem Hintergrund werden auch seine Ratschläge für die Suche des Gatten verständlich, die den Eltern überlassen bleibt, wobei die junge Frau lediglich durch ihre Gebete unterstützend eingreifen darf (I, 15: De quaerendo sponsö). Den Zweck der Ehe, die nicht gelöst werden kann, sieht Vives zum einen in der Fortpflanzung und zum anderen (und dies mit besonderem Nachdruck) im harmonischen Zusammenleben mit dem Partner. Grundlage der ehelichen Gemeinschaft hat die Sittenreinheit und Unbescholtenheit zu sein. Im zweiten Buch von De institutione feminae christianae, das der verheirateten Frau gewidmet ist, sind für unseren Zusammenhang wohl vor allem die Teile von besonderem Interesse, in denen Vives seine Überlegungen zur Kindererziehung entwickelt (bes. in II, 11: De liberis, et quae circa illos cura). Die entscheidende Rolle fällt dabei der Mutter zu, die die Kinder nährt, sie (zumal die Töchter) in den Handarbeiten unterweist und ihnen die Muttersprache beibringt. Durch Geschichten und Erzählungen sollen die Kinder gleichsam sensibilisiert werden für die Vorteile der Tugenden und die Schrecken der Laster. Wiederum steht die Erziehung zur virtus im Vordergrund, der Tugendsamen muß den Söhnen und Töchtern von der Mutter gleichsam eingepflanzt werden: sancta matrona his corruptis opinionibus, integrioribus aliis et christiana dignis occurret, in suoque puero bonorum praeceptorum ac consiliorum instillatione igniculum illum, quem

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Ibidem, S. 96.

De institutione feminae christianae

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diximus, fovebit, semina irrigabit, ut in magnam lucem ille, haec in frugem ingentera optimamque consurgat.

Selbst vor dem üppigen Gebrauch der Zuchtrute, des Rohrstocks schreckt Vives nicht zurück; die virga müsse insbesondere bei den Mädchen zur Anwendung kommen, um sie auf den Weg der Tugend zu führen. Das relativ kurze dritte Buch ist schließlich der Witwe gewidmet; die vidua soll im Andenken an ihren toten Mann ihr weiteres Leben verbringen und die Tugenden der honestas und continentia pflegen. Nur in nicht genauer spezifizierten Ausnahmefällen wird zu einer zweiten Ehe geraten, die allerdings ohne Pomp und Aufsehen geschlossen werden soll. Vives' Schrift De institutione feminae christianae ist zwar Katharina von Aragön, der Gattin Heinrichs VIII., gewidmet und als Erziehungstraktat ihrer Tochter, der Prinzessin Maria, gedacht, aber zahlreiche Bemerkungen gegen das die Tugenden mißachtende Hofleben7 legen doch den Schluß nahe, daß das Werk ursprünglich nicht für den englischen Königshof geschrieben worden ist. Möglicherweise hatte Vives die reiche Kaufmannsfamilie Valdaura aus Brügge im Auge, in der er als Hauslehrer tätig war und deren Tochter Margareta er im Frühjahr 1524 heiratete. Somit dürfte sich die Schrift an die Töchter des gehobenen Bürgertums richten. Überblickt man Vives' Überlegungen zur Erziehung des weiblichen Geschlechts, so wird man wohl festhalten können, daß es ihm im wesentlichen um eine an den christlichen Tugenden orientierte, auf die ewige Glückseligkeit gerichtete educazione cristiana geht, weniger um eine weltlich-profane Bildimg im Sinne einer educazione morale-civile. Somit knüpft er eher an Petrarca und Maffeo Vegio an als an die sogenannten "Bürgerhumanisten" Pier Paolo Vergerio, Leonardo Bruni oder Matteo Palmieri.® Relativ modern indes, d.h. auf der Höhe der damaligen zeitgenössischen Diskussion stehend, mutet Vives' Fächerkanon an. So setzt er sich (vor allem in De tradendis disciplinis seu de institutione christiana) für die Unterweisung in den Disziplinen Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Poetik, Geschichte und Moralphilosophie sowie vor allem auch Mathematik ein, so daß sein Studiencurriculum im Prinzip aus einer Mischung der studia humanitatis und der septem artes liberales besteht.9 Berücksichtigt man noch die primär religiös-sittliche Ausrichtung seines Erziehungs6 7

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Ibidem, S. 261. So sieht Vives z.B. in den Höfen den Ursprung aller Laster und den Sitz des Satans ("...parentibusflagitiorumomnium, et sedibus Satanae"); ibidem, S. 134. Zur Differenzierung zwischen educazione cristiana und educazione morale-civile vgl. Gregor Müller, Bildung und Erziehung im Humanismus der italienischen Renaissance. Grundlagen-Motive-Quellen, Wiesbaden 1969, bes. S. 1 ff. und S. 165 ff. De tradendis disciplinis seu de institutione christiana bildet den zweiten Teil der Bücher De disciplinis, abgedruckt in Bd. VI der Opera omnia, ed. cit., S. 243-437. Vgl. bes. die Bücher III und IV von De tradendis disciplinis.

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konzepts, so könnte man sagen, daß es bei ihm zu einer Verbindung der studia humanitatis mit den studia divinitatis kommt, ähnlich wie einige Jahrzehnte später bei Silvio Antoniano, der das Ziel einer somma e perfetta felicità celeste anstrebt, die nur durch die göttliche Offenbarung erreicht werden kann.10 Auch die inhaltliche Füllung des Triviums ist bei Vives vom neuen humanistischen, gegen das Mittelalter gerichteten Geist beherrscht, geht es doch darum, vom abstrakten scholastischen sermo rationalis Abschied zu nehmen und die Erscheinungen des Lebens (res) mit Hilfe eines am sensus communis orientierten sermo communis zum Ausdruck und damit auch zur Kenntnis zu bringen. Im ersten Teil der Bücher De disciplinis (in De causis corruptarum artium) macht Vives gerade die abstrakte Sprache und die scholastische Logik für den Verfall der Wissenschaften verantwortlich.11 Was nun die nahezu klösterliche Internierung des jungen Mädchens im Hause betrifft, worauf Vives so nachdrücklich hinweist, so muten diese Vorstellungen noch sehr stark mittelalterlich an. Vor allem fühlt man sich an Auffassungen von Vinzenz von Beauvais (in dessen Schrift De eruditione filiorum regalium seu nobilium) erinnert. Der Erzieher am Hofe Ludwigs IX. rät zu einem zurückgezogenen, nahezu klösterlichen Leben der Mädchen, die die Tugenden der Keuschheit, Schamhaftigkeit und Schweigsamkeit praktizieren und dem Vorbild der Jungfrau Maria nacheifern sollen. Der Zweck der Ehe wird - wie bei Vives - vornehmlich in der Fortpflanzung gesehen. Vinzenz von Beauvais knüpft insbesondere an Hieronymus an, der auch von Vives immer wieder zitiert und als Autorität herangezogen wird. Die Auffassungen von Vinzenz von Beauvais decken sich im Kern mit den pädagogischen Konzepten des Peraldus, der gleichfalls den Schutz der Jungfräulichkeit als oberstes Ziel sieht.12 Wenn Vives der Frau den Lehrberuf verwehrt, so hat man auch diese Einstellung eher als mittelalterlich denn als humanistisch zu bewerten; sie hinkt jedenfalls hinter der bereits im 15. und 16. Jahrhundert praktizierten Wirklichkeit hinterher. Man weiß beispielsweise aus vorhandenen italienischen Zeugnissen und Dokumenten, daß es schon ab dem Beginn des 14. Jahrhunderts (wenn auch vereinzelt) Lehrerinnen gegeben hat; der früheste Beleg datiert aus dem Jahre 1304, und zwar aus Florenz. Auch in Siena sind z.B. im Jahre 1307 weib10

Vgl. hierzu Gregor Müller, op. cit., bes. S. 312 ff.

11

Von De causis corruptarum artium gibt es eine neue lateinisch-deutsche Ausgabe: Juan Luis Vives, Über die Gründe des Verfalls der Künste - De causis corruptarum artium, übersetzt von Wilhelm Sender unter Mitarbeit von Christian Wolf und Bmilio Hidalgo-Serna; herausgegeben, kommentiert und eingeleitet sowie mit Vives' Leben, Bibliographie und Personenregister versehen von Emilio Hidalgo-Serna, München 1990. In der Einleitung (S. 7 ff.) beschreibt HidalgoSerna Vives' neue Sicht der Wissenschaften.

12

Zur mittelalterlichen Diskussion vgl. Wilhelm Ruhmer, Pädagogische Theorien über Frauenbildung im Zeitalter der Renaissance, nebst einer kritischen Würdigung der Leistungen mittelalterlicher Theoretiker, Diss. Bonn 1925, bes. S. 6 ff.

De institutione feminae christianae

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liehe Lehrkräfte tätig gewesen, desweiteren im 15. Jahrhundert u.a. in Modena, Venedig und Vicenza.13 Für Vives besteht - wie wir gesehen haben - kein Zweifel daran, daß die Frau grundsätzlich dem Manne Untertan zu sein hat. Von der Idee einer möglichen Gleichheit der Geschlechter ist bei ihm absolut nichts zu vernehmen. Auch diesbezüglich bleibt seine Auffassung hinter der zeitgenössischen Diskussion weit zurück. Bereits im 15. und 16. Jahrhundert lassen sich zahlreiche Traktate finden, in denen wenn nicht gar von der Überlegenheit der Frau dem Manne gegenüber, so doch zumindest von der Gleichheit des männlichen und weiblichen Geschlechts die Rede ist.14 Die Argumente für die Überlegenheit der Frau gehen auf die in Kompilationen wie Cités des Dames (1404/5) von Christine de Pizan und Champion des Dames (1430/40) von Martin le Franc anzutreffenden zurück. Die oft damit verbundenen Kataloge berühmter Frauen stützen sich besonders auf Boccaccios De claris mulieribus. Die Überlegenheit der Frau wird im wesentlichen damit begründet, daß sie im Gegensatz zum Manne im Garten Eden geschaffen worden sei, mit einer größeren Schönheit ausgestattet sei und ihr Sündenfall erst den göttlichen Heilsplan und damit die Erlösung des Menschen ermöglicht habe. Bei Vives ist von alldem nichts zu spüren. Vergleicht man zudem seine Thesen mit den Vorstellungen zeitgenössischer Humanisten, die gar zu seinem Freundeskreis zählen, besonders mit denen von Thomas Morus und Erasmus von Rotterdem, so zeigt sich erneut, daß er eigentlich der Diskussion hinterherhinkt. Thomas Morus z.B. plädiert in seiner Utopia (1516) für die Gleichheit von Mann und Frau; er tritt gar für eine Koedukation beider Geschlechter in staatlichen Schulen ein und eröffnet den Frauen (allerdings nur den nicht verheirateten und den verwitweten) sogar den Zugang zu Staatsämtern. Erasmus stimmt zwar (in De matrimonio christiano, 1526; Morias encomion, 1511 erschienen) mit Vives in manchem überein, er weist aber zugleich auch über ihn hinaus. So ist er insbesondere der Auffassung, daß sich die castitas der jungen Frau in der Gefahr zu bewähren habe, und zwar dadurch, daß das Mädchen am äußeren Leben teilhat und auch mit den jungen Männern zusammenkommen muß, keineswegs also in Form einer klösterlichen Internierung das Leben eingeschlossen im Hause verbringen soll. Der Charakter muß gleichsam gestählt und gehärtet werden in der Gemeinschaft der Mitmenschen, ganz gleich welchen Geschlechts. Außerdem finden sich bei Erasmus bereits Ansätze einer allgemeinen Volkserziehung, unabhängig von der sozialen Herkunft. So soll jeder die Bibel in der Volkssprache zu lesen imstande sein. "Omnis quidem sexus, omnisque aetas docilis est ...", lautet einer der Grundsätze des Erasmus von Rotterdam.15 Von einer breiten Volks13 14

15

Vgl. hierzu Paul F. Grendler, Schooling in Renaissance Italy. Literacy and Learning, 1300-1600; Baltimore-London 1989, bes. S. 90 ff. Vgl. Conor Fahy, "Three Early Renaissance Treatises on Women", in: Italian Studies XI (1956), S. 30-55. Fahy listet 41 derartige Traktate auf (S. 47-55). Vgl. Wilhelm Ruhmer, op. cit., S. 50 ff. und S. 77 ff.

54 Manfred Lentzen erziehung, die alle Schichten umfaßt, kann bei Vives, der sich primär am gehobenen, reichen Bürgertum und an den aristokratischen Ständen orientiert, noch keine Rede sein. Insgesamt wird man demnach die Bedeutung von Juan Luis Vives zumindest auf pädagogischem Gebiet zu relativieren haben. Ihn als einen der größten Pädagogen seiner Zeit zu betrachten, dürfte sicherlich übertrieben sein.16

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Auch Günther Böhme neigt zu einer Relativierung der Bedeutung von Vives als Pädagoge; vgl. seine Untersuchung Bildungsgeschichte des europäischen Humanismus, Darmstadt 1986, S. 145 ff.

Das Frauenbild in Vives' 'De institutione feminae christianae' und Castigiiones 'Libro del cortegiano' Joachim Leeker (Münster) I

Unter den Frauenbildern des 16. Jahrhunderts verdienen das von Juan Luis Vives' De institutione feminae christianae und das von Baldassare Castigiiones Libro del cortegiano eine besondere Aufmerksamkeit. Zum einen stammen beide Werke fast aus der gleichen Zeit: Vives' Traktat wurde Ende 1522/ Anfang 1523 verfaßt und erschien erstmals 1524, Castigiiones Dialog entstand in mehreren Fassungen in den Jahren zwischen 1514 und 1527, ehe er 1528 im Druck erschien1. Zum zweiten gehören beide Autoren im weitesten Sinne in das Umfeld Karls V.: Der gebürtige Spanier Vives war in seiner auch zu Karls Reich gehörenden Wahlheimat Belgien Privatlehrer von Karls Berater Wilhelm von Croy, stand während seiner Zeit in England auch in Kontakt mit dem kaiserlichen Botschafter Louis de Praet, widmete ab 1529 dem Kaiser mehrere Werke und erhielt von ihm ab 1532 eine finanzielle Unterstützimg2. Castiglione wurde 1524 päpstlicher Nuntius bei Karl V., von dessen Wesen und Papsttreue er beeindruckt war; doch da Clemens VII. es gegen Castigiiones Rat vorzog, mit den Franzosen zu paktieren, blieb Castiglione in Madrid diplomatisch isoliert, ja, die Kurie beschuldigte ihn, durch eine Fehleinschätzung des Kaisers für die Plünderung Roms mitverantwortlich zu sein3. Zum dritten haben beide Autoren ein ähnliches Zielpublikum vor Augen, nämlich die Welt des Hofes: Vives verfaßte seine Institutio für die Erziehung der englischen Prinzessin Maria und widmete das Werk daher Katharina von Aragön, der ersten Frau des englischen Königs Heinrichs VIII.4 Castiglione, der sein Werk wohl auf der Suche nach Fürsprechern dem portugiesischen Botschafter an der Kurie, don Miguel de Silva, widmete5, wollte mit seinem Leitfaden für den Hofmann und

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Cf. E. Loos, Baldassare Castigiiones 'Libro del Cortegiand [...], Frankfurt 1955, pp. 70-2; A. Quondam, in: B. Castiglione, II libro del Cortegiano. Introduzione di A. Quondam, Milano 1981, p. IX. C. G. Norefta, Juan Luis Vives, The Hague 1970, pp. 56-7,71,93,96,103,109-10. J. R. Woodhouse, Baldesar Castiglione [...], Edinburgh 1978, pp. 31-5. J. L. Vives, De institutione feminae christianae, in: ders., Opera omnia, dist. et ord. a G. Majansio, Bd. 4, pp. 65-301, Valentiae 1783/Rep.: London 1964, Praefatio/Widmung an Katharina, p. 69: "Hoc opus Tibi non secus offero, Regina inclyta, quàm si pictor faciem Tuam artificiosissimè expressam daret; siquidem ut in illa imaginem Tui corporis depictam cerneres, sie in his libris imaginem videbis animi [...], ut exemplum reliquis sit optimè vivendi quiequid agas: [...] leget haec mónita mea Maria filia Tua, et effinget ea, dum se ad domesticum exemplar componit probitatis et sapientiae tuae." Cf. Woodhouse, op. dt., p. 62; Quondam, op. dt, p. 3.

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die Hofdame offenbar ein breites Publikum ansprechen6; vermutlich sollte bei der abnehmenden Zahl italienischer Höfe für eine bestimmte Schicht italienischer Adliger gegen die aufkommende Konkurrenz billigerer Bürokraten so eine neue Existenzberechtigung geschaffen werden7. Und als viertes kommt hinzu, daß Vives' wie Castigliones Buch eine sehr breite Rezeption in ganz Europa erfahren hat8. Die zeitliche Nähe beider Autoren, ihr Kontakt mit Karl V., die Ähnlichkeit ihres Zielpublikums und ihre Bekanntheit hätten nun vermuten lassen, daß auch zwischen den Frauenbildern beider Autoren bestimmte Verbindungen bestanden. II

Allein, eine erste Lektüre zeigt, daß Welten zwischen ihnen Hegen. Das beginnt bei der Form: Die 3 Bücher von Vives' Traktat behandeln die Erziehung von Mädchen (I 1-15), die Eigenschaften, Fähigkeiten und Aufgaben der idealen Ehefrau (II 1-15) und das angemessene Verhalten von Witwen (III 1-7); schon an diesem Aufbau zeigt sich die moralisch belehrende Ausrichtung von Vives' Schrift. Castiglione entwirft seine donna di palazzo im 3. Buch des Cortegiano als weibliches Gegenstück zum idealen Hofmann, wobei drei Aspekte im Vordergrund stehen: ihre Rolle (III 3), die von ihr geforderten Eigenschaften (III 4-6) und ihre Bildung (III 7-9); eine sich daran anschließende Diskussion über die Würde der Frau (III 10-20) wird mit einer Beispielliste positiver Frauengestalten (III 21-36) beendet, und auf eine zweite Diskussion über die Keuschheit (continenza) der Frau (III 37-52) folgen detaillierte Verhaltensvorschriften für den Fall der Liebe (III 53-76); die gerade hier besonders lebhaften Polemiken der Gesprächsteilnehmer verhindern dabei jegliche moralisierende Strenge. Wie die Form zeigt, geht es Vives also generell um eine Belehrung über das richtige Verhalten der Frau in allen Altersstufen, während Castiglione eher Ratschläge geben will hinsichtlich des richtigen Verhaltens einer Frau bei Hofe. Vives' Gedanken zur Mädchenerziehung kreisen alle um einen obersten Wert die pudicitia (praef./p. 66)s: Aus Sorge um deren Bewahrung sollten eine Amme bzw. Erzieherin möglichst vermieden werden (I 1/pp. 70-1), bei den

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Cf. Castiglione, op. cit., 111/p. 35; Elemente wie die Orientierung am Sprachgebrauch ganz Italiens (129/p. 67) oder die ganz Italien thematisierenden Erzählungen (cf. Woodhouse, op. cit., pp. 103-4) deuten auf ein breites Zielpublikum. Cf. C. H. Clough, "Francis I and the Courtiers of Castiglione's 'Courtier'", in: European Studies Review, 8,1978, pp. 23-70, bes. pp. 45-8. Cf. Noreña, op. cit., p. 304; P. Sainz Rodríguez, "Luis Vives y el Renacimiento en España", in: Homenaje a Luis Vives. Ponencias leídas en el VI Congreso Internacional de Estudios Clásicos, celebrado en Madrid de 2 al 6 de septiembre de 1974. Madrid 1977, pp. 5-31, bes. pp. 27-31; Loos, op. ciL, pp. 15-8. Alle Stellenangaben im Grundtext beziehen sich auf die in Anmerkung 4 (für Vives) bzw. 1 (für Castiglione) genannten Ausgaben.

Frauenbild bei Vives und Castiglione 57 kindlichen Spielen keine männlichen Wesen zugegen sein (I 2/pp. 71-3) und die Mädchen schon mit 5 oder 7 Jahren durch das Erlernen häuslicher Tätigkeiten von dem zu "voluptates damnatas" führenden Müßiggang abgehalten werden (I 3/pp. 73-7, Zitat p. 74); später sollten die Mädchen dann durch entsprechende literarische Studien den Wert der pudicitia richtig einschätzen lernen (I 4-5/pp. 77-90). Gemeint ist stets die Bewahrung körperlicher wie geistiger Reinheit (virginitas: I 6/pp. 90-6), und dem gleichen Ziel dienen dann auch eine spartanische Ernährung und Behausung, der Verzicht auf Schminke, Schmuck und Parfüms sowie ein weitgehend zurückgezogenes Leben zuhause (I 7-9/pp. 96121). Muß das Mädchen doch einmal das Haus verlassen, ist äußerste Zurückhaltung geboten: Konversation mit Männern, Theaterbesuche, Tanz oder gar Liebschaften sind zu vermeiden (I 11-3/pp. 129-53); die wahre Liebe sollte Gott, der Kirche und den Eltern gelten, von denen letztere auch den Ehemann für das Mädchen aussuchen sollten (114-5/pp. 153-72). Diese ausschließliche Orientierung der Erziehung an der pudicitia und nicht etwa an den Kardinaltugenden oder an christlichen Werten wie Glaube, Liebe und Hoffnung hat drei Gründe: Zum einen neigen für Vives die Menschen von Natur aus zum Schlechten und Frauen speziell zu voluptates10. Sicher spricht aus dieser Ausrichtung auf die pudicitia aber auch ehrliche Sorge um das Wohl des Mädchens, wenn Vives in grellen Farben die quälenden Gewissensbisse (I 6/pp. 93-5) und die zerstörerische Macht von Leidenschaften ausmalt und vor jenen Männern warnt, die das Mädchen nach einem Abenteuer im Stich lassen, so daß sie - da keiner sie mehr heiraten will - im Bordell endet (I 13 + 15/pp. 145-53,167). Vor allem jedoch steht dahinter Vives' Orientierung am Ruf bzw. an der Einschätzung durch die anderen Menschen: Vom Mann erwarte mim Klugheit, Beredsamkeit, politische Erfahrung, Talent, Erinnerungsvermögen, Lebenstüchtigkeit, Gerechtigkeit, Freigebigkeit, Großmut usw., von der Frau dagegen nichts anderes als pudicitia; fehle diese, fehle alles, "quippe in femina pudicitia instar est omnium"(I 6/pp. 95-6). Hieraus läßt sich auch das eigenwillige Tugendsystem ableiten, das Vives entwickelt: Oberster Wert ist die castitas bzw. pudicitia; eine Frau, die sie besitze, sei immer zugleich schön, anmutig, reich und edel; Begleiter der pudicitia sind pudor, also Schamgefühl, und sobrietas, d.h. die Freiheit von Neid, Zorn, Verleumdungssucht, Unmenschlichkeit und Rachsucht; aus ihnen entstehen dann die anderen Tugenden, d.h. modestia, moderatio, frugalitas, parsimonia, domestica diligentia, religionis cura und mansuetudo, die alle zusammen das Bild der honestas ergeben (I 10/pp. 121-4). Diese Liste läßt sich auf zwei Grundeigenschaften zurückführen: Zurückhaltung und Fürsorglichkeit gegenüber Haus und Familie. Vives geht es also bei der Erziehung von Mädchen letztlich nicht um die Befolgung religiöser Vorschriften oder antiker Modelle um ihrer selbst willen, sondern darum, ein Mäd-

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Cf. 14/p. 77,111/p. 129; 12/p. 71:"[...] amor [...], qui affectus in femina est pertinacior, nempe ingenio ad voluptates propensiore".

Joachim Leeker chen möglichst gut zu verheiraten: Kein Mann nehme eine Frau, die nicht "integram pudicitiam et integram famam" besitze (I 15/p. 167). Pudicitia soll also ihren "Marktwert" sichern, frühzeitig erlernte Zurückhaltung den späteren Ehefrieden garantieren und häusliche Fähigkeit das Wohl der Familie erhalten. Alle Werte dieses Erziehungsprogramms sind also nicht an einem Prinzip orientiert, sondern funktional.

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Ahnliches gilt auch für jene Werte, die das Verhalten der idealen Ehefrau bestimmen, nämlich pudicitia, amor coniugis summus und peritia regendae domus (II 10/p. 244). In der Ehe als einem von Gott gestifteten und daher nur wohlbedacht einzugehenden Bund (II 1-2/pp. 172-8) würde fehlende pudicitia zum einen Gott als Urheber der Institution beleidigen, zugleich aber den Mann durch den daraus resultierenden Schmerz verletzen, der ganzen Familie durch den so entstehenden schlechten Ruf schaden und die Nachkommen durch unklare Erbverhältnisse berauben (I 3/pp. 178-83); daher ist jeder Anlaß zur Eifersucht zu vermeiden, bei der Aufmachung Zurückhaltung angebracht und bei den wenigen Auftritten in der Öffentlichkeit ernste Bescheidenheit an den Tag zu legen (II 7-9/pp. 223-44). Innige Liebe zum Mann darf erst in der Ehe entstehen, diese bedeutet rückhaltlose Treue und Unterordnung unter seinen Willen, schließt Selbstbeherrschung und Interesse für die Vorlieben des Mannes ein und äußert sich in vorsichtiger Sanftmut - sogar bei Ermahnungen (II 3-6/pp. 178-223). Eine gute Haushaltsführung gemäß den Wünschen des Mannes besteht in Sparsamkeit, dem klugen Umgang mit der Dienerschaft und in der richtigen Erziehung der Kinder (II 10-1/pp. 244-69). Bei Beachtimg dieser drei Werte gewinnen selbst zwei Frauentypen, die traditionell eher negativ gezeichnet wurden, sehr positive Züge: die Stief- und die Schwiegermutter (II 12-5/pp. 269-79)11. Dienten alle Maßnahmen bei der Erziehung des Mädchens letztlich dazu, dieses gut zu verheiraten, so ist das oberste Ziel für die verheiratete Frau die Bewahrung des Eheglücks. Denn der Zweck der Ehe besteht für Vives nicht im Fortbestand der Familie durch Nachkommen, sondern im gemeinschaftlichen Zusammenleben: etenim conjugium non tarn ad prolem sufficiendam institutum est, quam ad communionem quandam vitae et indissociabilem societatem (II 2/p. 175).

Kinder sind in den Augen des Autors vor allem eine Quelle des Ärgers (II 11/pp. 253-7) - vielleicht ein Trost für Königin Katharina, die vergeblich auf

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1nnige Liebe zum neuen Mann verwandelt eine Stiefmutter in eine gute Ersatzmutter, und wahre Liebe zum Sohn und zum Mann söhnt Schwiegermutter und Schwiegertochter aus, ja, die Erfahrung der Schwiegermutter kann bei der Lenkung des Haushalts sehr nützlich sein. Eine alte Frau, die nach diesen Grundsätzen handelt, werde man außerordentlich verehren.

Frauenbild bei Vives und Castiglione

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einen Sohn wartete12. Zusammenleben aber bedeutet Unterordnung der Frau unter den Mann, was Vives aus der Tradition, aus göttlichen und menschlichen Gesetzen sowie aus der Natur ableitet13. Konkret verwiesen wird dann auf die Vorherrschaft des Männchens in der Tierwelt, die größere Körperkraft und Rationalität des Mannes, einige Bibelstellen und die Tatsache, daß in der Gesellschaft sowohl in der Vergangenheit als auch in der eigenen Zeit die Ehre der Frau von der des Mannes abhänge (II 4/pp. 189-91)14. Dabei bedeutet Unterordnung nicht nur Gehorsam, sondern auch eine völlige Anpassung an die Wünsche, Gewohnheiten und Launen des Mannes (II 4,5,8/pp. 184,191,194, 200,205,208,215,228-31) - die aber können außerordentlich verschieden sein15. Obwohl Vives auch die Bibel bemüht, um den Vorrang des Mannes zu legitimieren, sind also die von der Ehefrau geforderten Eigenschaften und Fähigkeiten letztlich in dem Sinne funktional, daß sie durch Anpassimg an den Mann das Eheglück sichern wollen. Funktionalität bestimmt schließlich auch Vives' Vorschriften für die Witwe, deren Verhalten in vielem dem von unverheirateten Mädchen zu gleichen hat (III 4/p. 289). Um üble Nachrede zu vermeiden, darf die Witwe weder zuviel noch zuwenig trauern, sollte sie ihre Dienerschaft reduzieren, stets continentia, frugalitas, pudicitia und tugendhaft-schlichte Zurückhaltung an den Tag legen, nicht einmal vor Gericht entschlossen um ihre Rechte kämpfen, die Wahl eines zweiten Ehemannes den Eltern überlassen und eine zweite Hochzeit möglichst geheimhalten (III 1-2,4-7/pp. 280-7,^89-301). Zwar fehlt es nicht an Verweisen auf die christliche Religion - die Gewißheit des ewigen Lebens spende der Witwe Trost (III 1/pp. 283-4), Almosen bei der Beerdigung sollten die Fürbitte der Armen für den Toten bewirken (III 2/p. 286-7), der durch Engel vom Geschehen auf der Erde erfahre (III 3/p. 228), die Witwe selbst solle als Braut Christi ein frommes Leben führen und sich auf Gott und das Jenseits konzentrieren (III 4 + 6/pp. 289-90,295-6), heißt es da; doch bleiben diese christlichen Gedanken - trotz der als Belege angeführten Bibelstellen - merkwürdig formelhaft: Der wahre Gedanke, der Vives' Vorschriften für das Verhalten der Witwe durchzieht, ist die Sorge um ihren Ruf. Dabei hat Vives das gleiche Bild der großen alten Dame im Auge, das er zuvor schon von der alten Mutter und der

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Vives' väterlicher Freund Erasmus wird 1526 in seiner Christians matrimonii institutio das Ziel der Ehe wieder in der Zeugung von Nachkommen sehen (cf. A. Bonilla y San Martín, Luis Vives y la filosofía del Renacimiento, Madrid 1981, p. 488). II 4/p. 189: "non modo mores majorum, atque instituta sed leges omnes humanae ac divinae, ipsa etiam rerum natura clamat, mulierem debere esse subditam viro".

Letzteres entsprach dem Rechtsverständnis der Zeit: cf. R. Kelso, Doctrine for the lady of the Renaissance, Urbana 1956, pp. 33-4. Vives warnt sogar ausdrücklich vor scheinbaren, weil mit verborgenem Spott verbundenen Ehrungen für allzu ehrgeizige Frauen (II 9/p. 241). 15 II 4/pp. 191-2: "Sed ut melius parére / possis marito, et omnia ex ejus animi sententia perficere, pernoscendi sunt prius illius mores, et consideranda vel fortunae vel naturae conditio; in his multa sunt maritorum genera; omnes quidem amandi, colendi, reverendi omnes, obsequendum omnibus, sed non omnes similiter tractandi."

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Schwiegermutter gezeichnet hatte16: Als Autorität soll sie durch Worte und durch ihr eigenes Beispiel die Sitten ihrer Zuhörer verbessern, die Kinder und Enkel zu Bescheidenheit erziehen und für sie sorgen (III 4,5,7/pp. 291-3,300). Trotz des moralisierenden Tons, der das ganze Werk durchzieht, sind also die von Vives für Mädchen, Ehefrau und Witwe aufgestellten Vorschriften im wesentlichen funktional und nicht am Prinzip orientiert17: Pudicitia, Zurückhaltung und häusliche Fähigkeiten sollen dem Mädchen primär zu einem guten Ehepartner verhelfen. Der Ehefrau sollen dann pudicitia, innige Liebe zum Mann und Erfahrung in der Haushaltsführung ein Eheglück bewahren, das Vives im wesentlichen im harmonischen Zusammenleben sieht. Und der Witwe sichern pudicitia, Zurückhaltung und ihre Erfahrung in der Haushaltsführung ein hohes Ansehen in der Öffentlichkeit und im Schoß der Familie. Das Wertsystem selbst variiert für die Frau im Laufe ihres Leben nur wenig: Sowohl die Forderung nach pudicitia als auch der Bereich des Haushalts als Domäne der Frau gelten für alle drei Lebensbereiche, nur die Zurückhaltung aus Sorge um den Ruf, die für Mädchen wie Witwe unabdingbar ist, weicht bei der Ehefrau der Liebe zum Ehemann, da dieser nun auch für die Ehre seiner Frau mitverantwortlich ist. Anders als Vives' Traktat gelten Castigliones Ausführungen zur donna di palazzo nicht der Frau in allen Altersstufen, sondern speziell der Dame bei Hofe, deren Familienstand und Alter gar nicht zur Diskussion stehen; legt man jedoch die Gesprächsteilnehmerinnen des Cortegiano zugrunde, so darf man annehmen, daß Castiglione eine verheiratete Frau zwischen 30 und 40 Jahren im Auge hatte. Wortführer im Gespräch ist Giuliano dei Medici, Bruder des zukünftigen Papstes Leos X., der im Laufe der Diskussion von Cesare Gonzaga, einem Cousin Castigliones, unterstützt wird; ihr Hauptgegner ist Gasparo Pallavicino, marchese von Cortemaggiore, dessen frauenfeindliche Positionen jedoch im Laufe des Gesprächs widerlegt werden. Im Gegensatz zu Vives argumentiert Castiglione bei der Zeichnung der donna di palazzo vor dem Hintergrund von zwei anderen Konzeptionen: Wie der ideale Hofmann müsse sie Adel, natürliche Anmut, gute Sitten und Enthaltsamkeit, Esprit, Klugheit, Großmut, d.h. Freiheit von Stolz, Neid, Eitelkeit, Klatschsucht, Streit-

18

II 13/pp. 272-5, II 15/pp. 278-9. Vermutlich meinte er damit Clara Cervent, seine von ihm sehr verehrte Schwiegermutter (zu Clara cf. Norefia, op. cit., pp. 51-2).

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Schon A. Buck (Einleitung zu: Juan Luis Vives. Arbeitsgespräch Wolfenbüttel 1980, hg. v. A. Buck, Hamburg 1981, pp. 7-10, hier p. 9) hatte zu Recht hervorgehoben, daß Vives nicht primär theologisch interessiert ist und daß seine eher enzyklopädischen Interessen sich in sehr praxisbezogenen Studien äußern. Für De disciplinis (1531) zeigt R. Guerlac (Juan Luis Vives, Against Pseudodialecticians [...], by R, Guerlac, Dordrecht/Boston/London 1979, pp. 29-30) die Bedeutung von experientia, praktischer Erfahrung, gegenüber Buchwissen, was eine genaue Beobachtung der Natur einschließt (cf. Norefta, op. cit., pp. 183-85. A. Guy, Vivès ou r Humanisme engagé [...], Paris 1972, pp. 74-5.

Frauenbild bei Vives und Castiglione 61 sucht und Torheit und schließlich Geschick im Umgang mit Menschen18 und wie jede Frau - auch Güte, Bescheidenheit, die Fähigkeit zur Hausverwaltung und Kindererziehung sowie alle Eigenschaften einer guten Mutter besitzen19. Mehr jedoch als der Hofmann oder die gewöhnliche Frau muß die donna di palazzo sanft in Sprache und Auftreten, schön und vor übler Nachrede auf der Hut sein20. Da ihre Anwesenheit bei Hofe jedoch unerläßlich ist für ein funktionierendes Hofleben und für die Vervollkommnung des Hofmanns21, kommt dem richtigen Verhalten gegenüber den Höflingen eine besondere Bedeutung zu. Castiglione befürwortet "una certa affabilità piacevole", die durchaus eine angemessene und ehrenhafte Konversation erlaube; dabei sei ein schwer einzuhaltendes Mittelmaß ("mediocrità difficile") zwischen zu großer Sittenstrenge und zu großer Freizügigkeit, d.h. eine Art gefälliger Zurückhaltung wünschenswert, denn ein von Weisheit und Güte abgemilderter Ernst ("gravità temperata di sapere e bontà") bilde einen guten Schutzschild gegen Dreistigkeit und Zudringlichkeit (III 5/pp. 266 + 268). Gegen die in der Diskussion vor allem von Pallavicino vertretene Ansicht von der Unvollkommenheit und Minderwertigkeit der Frau wendet Giuliano und damit der Autor selbst seine eigene These, daß Männer und Frauen die gleiche Würde besitzen (III 10-19/pp. 272-83), und belegt sie vor allem durch viele Beispiele von Frauen, die für ihre kulturellen Leistungen berühmt geworden sind (III 20-36/pp. 283-307). Ja, er kann sogar nachweisen, daß Frauen eine größere Enthaltsamkeit (continenza) besitzen als Männer und daß die Behauptung des Gegenteils ihren Ursprung in der Rache abgewiesener Liebhaber hat (III 3750/pp. 307-27). Castiglione teilt also nicht Vives' negatives Bild von der natürlichen Minderwertigkeit der Frau: Dem Hauptargument dieser Art, dem SünIII 4/p. 265: "molte virtù dell'animo estimo io che siano alla donna necessarie così come all'omo; medesimamente la nobilita, il fuggire l'affettazione, l'esser aggraziata da natura in tutte l'operazion sue, l'esser di boni costumi, ingeniosa, prudente, non superba, non invidiosa, non malèdica, non vana, non contenziosa, non inetta, sapersi guadagar (sic) e conservar la grazia della sua signora e de tutti gli altri, far bene ed aggraziatamente gli esercizi che si convengono alle donne". Ili 5/p. 266: "quelle virtù dell'animo che le hanno da esser communi col cortegiano, come la prudenzia, la magnanimità, la continenzia e molte altre". 19

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III 5/p. 266: "medesimamente quelle condizioni che si convengono a tutte le donne, come l'esser bona e discreta, il saper governar le facultà del marito e la casa sua e i figlioli quando è maritata, e tutte quelle parti che si richieggono ad una bona madre di famiglia". III 4/p. 265: "una tenerezza molle e delicata, con maniera in ogni suo movimento di dolcezza feminile"; "la bellezza"; "aver più riguardo di non dar occasion che di sé si dica male, e far di modo che non solamente non sia macchiata di colpa, ma né anco di suspizione". III 3/p. 263: "perché come corte alcuna, per grande che ella sia, non po aver ornamento o splendore in sé, né allegria senza donne, né cortegiano alcun essere aggraziato, piacevole o ardito, né far mai opera leggiadra di cavalleria, se non mosso dalla pratica e dall'amore e piacer di donne, così ancor il ragionar del cortegiano è sempre imperfettissimo, se le donne, inteiponendovisi, non danno lor parte di quella grazia, con la quale fanno perfetta ed adornano la cortegiania". Cesare Fregoso wird das später ergänzen: Frauen verfeinern den Menschen, geben ihm im Krieg Mut und regen zu kulturellen Leistungen an (III 51-2/pp. 327-30).

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denfall durch Evas Schuld, hält er entgegen, daß dieser Fehler durch eine andere Frau, die Gottesmutter Maria, mehr als ausgeglichen wurde; Märtyrerinnen und Nonnen bewiesen im übrigen die Standhaftigkeit und Integrität von Frauen (III 19-20/p. 283). Dieses Menschenbild ist eine wichtige Voraussetzung dafür, daß Castiglione die donna di palazzo als gleichwertig in den Kreis der Höflinge stellen und ihr im wesentlichen die gleichen Fähigkeiten und Eigenschaften zuschreiben konnte wie ihren männlichen Kollegen, ergänzt um solche, die nur der Frau zukommen, wie die Fähigkeit zur Verwaltung des Haushalts und zur Kindererziehung oder Schönheit. All diese Eigenschaften und Fähigkeiten aber werden nicht um ihrer selbst willen verlangt, sondern, weil der Hofdame zwei wichtige Aufgaben zufallen: Zum einen ist sie für die Geselligkeit bei Hofe unverzichtbar, und zum anderen kann nur sie die Hofmänner zu vollkommenem Verhalten - etwa zur grazia - führen (III 3/p. 263). Auch Castigliones Bild der donna di palazzo ist also letztlich, wie das der Frau bei Vives, nicht von Prinzipien bestimmt, sondern von der Funktionalität. Im Abstand von wenigen Jahren verfassen also Vives und Castiglione zwei Schriften über die Erziehung von Frauen für das Hofleben, wie sie verschiedener nicht sein können. Vives legt den Akzent ganz auf die pudicitia und bezeichnet die Hausverwaltung als die eigentliche Domäne der Frau, Castiglione betont all jene Fähigkeiten, die ein geselliges Leben bei Hofe ermöglichen sollen. Wo liegen nun die Gründe für diese Diskrepanz? Sicher ist ein Grund im unterschiedlichen Charakter des englischen und der italienischen Höfe zu suchen. Seit Burckhardt22 ist bekannt, daß die Frau im Renaissance-Italien sehr viel mehr Freiheiten genoß, als das zur gleichen Zeit in anderen Ländern Europas der Fall war; dazu gehörten etwa die gleiche Bildung und Würde, wie sie dem Mann zugebilligt wurde, dichterische Tätigkeit und Streben nach Vollendung der Persönlichkeit. Doch war der Einfluß der Frau auch in Italien auf das geistige Leben - die Konversation bei Hofe - beschränkt und ging auch eher von herausragenden Einzelpersönlichkeiten denn von der gesamten Schicht aus23. In England bestanden zu Beginn des 16. Jahrhunderts intellektuelle Zentren an den Colleges in London und Oxford oder in der Privatwohnung von Thomas Morus in London, wo sich gelehrte Gesellschaften wie etwa die "Doctors' Commons" trafen. Katharina von Aragón, die erste Frau von König Heinrich VIII., und Lady Margaret Beaufort, Gräfin von Richmond und Derby, förderten eine Reihe englischer Humanisten, doch scheint sich diese Tätigkeit eher außerhalb des Hofes, etwa in Katharinas Lieblingsrefugium, dem Kloster Syon in Isleworth bei London, abgespielt oder ein22

J. Burckhardt, Die Kultur der Renaissance in Italien [...], hg. v. W. Goetz, Stuttgart 1966, pp. 36874. 23 Cf. Woodhouse, op. cit., pp. 111-4.

Frauenbild bei Vives und Castiglione 63 fach als rein finanzielle Unterstützung geäußert zu haben24. Vives, der die Weihnachtsferien des Jahres 1523 am englischen Hof im Windsorpalast verbringen durfte, berichtet zwar voll Begeisterung über seine in spanischer Sprache geführten philosophischen Gespräche mit der Königin, merkt aber über die offizielle Hofunterhaltung mit ihren Maskeraden, Clowns, Banketten und Zirkusvorführungen an, daß sie keine Zeit für geistvolle Betätigung ließe25. Es ist aber nicht nur der andere Charakter des englischen Hofes, der den unterschiedlichen Ansatz von Vives und Castiglione erklärt, sondern auch die außerordentliche Frömmigkeit der Königin, die Vives in seinen Briefen dokumentiert und die ihn dazu brachte, im Vorwort zur Institutio die dort beschriebene tugendhafte Frau als Porträt der Königin zu bezeichnen - wie überhaupt die höfische Protektion vor allem pietistischen und humanistischen Schriften galt26. Castigliones Höflingsrunde dagegen klammert religiöse Fragen als nicht zum Thema gehörig aus (III 19/p. 283) und erlaubt sich sogar spöttische Kritik an Heuchelei, Wohlleben, Intrigen, Betrug und anderen Verbrechen, die unter Klerikern üblich seien (III 20/pp. 283-5). Dem im strengen Glauben erzogenen Vives war die in Italien verbreitete Irreligiosität ohnehin ein Dorn im Auge27. Ein weiterer Grund für die trotz ähnlicher Zielsetzimg so verschiedenen Ansätze von Vives und Castiglione liegt in der unterschiedlichen Lebenserfahrung beider Autoren: Vives' strenge religiöse Erziehung, seine Zugehörigkeit zur jüdischen Minderheit in Valencia und die Nachstellungen durch die Inquisition, denen seine Familie ausgesetzt war, könnten einen gewissen Rückzug aus der Gesellschaft erklären, der durch seinen Erziehungstraktat hindurchscheint, und die in Paris angetroffene Sittenverwilderung den moralisierenden Ton des Autors28. Vives' Tätigkeit als Erzieher und Privatlehrer galt zunächst einigen reichen Bürgerfamilien in Brügge, dann in Löwen Wilhelm von Croy, dem Berater Karls V.; einige in dieser Zeit anvisierte Tätigkeiten als Hauslehrer im Hochadel kamen nicht zustande29. Als Vives seine Institutio in Löwen schrieb30, hatte 24

25

Cf. J. K. McConica, English humanists and Reformation politics under Henry VIII and Edward VI, Oxford 1965, pp. 44-75, bes. 53-55; cf. auch Norefta, op. tit., pp. 87-8; F. Watson, Vives and the Renascence education of women, London 1912, pp. 8-11; M. L. Tobriner (ed.), Viveä introduction to wisdom [...], New York 1968, pp. 69-70. Brief vom 25.1.1524 an Cranevelt; cf. Norena, op. cit., p. 87.

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Cf. Anm. 4; Norena, ibid., p. 87; McConica, op. cit., p. 57. Belege bei Norefta, ibid., p. 25; cf. auch A. Buck, "Juan Luis Vives' Konzeption des humanistischen Gelehrten", in: ders. (Hg.), op. cit., pp. 11-21, hier p. 12. Dabei hatte es im 15. Jahrhundert noch recht gute Kontakte zwischen italienischen und spanischen sowie katalanischen Humanisten gegeben (cf. M. Batllori, "Joan-Lluis Vives in der Geschichte der aragonisch-katalanischen Renaissance", in: A. Buck (Hg.), op. cit., pp. 71-80, hier pp. 76-7). Cf. Norefta, op. cit., pp. 22,34-5,39. Erasmus empfahl 1519 Vives als Lehrer für Prinz Ferdinand von Osterreich, den Bruder Karls V., doch der zog Erasmus vor; das Angebot, das der Herzog von Alba 1522 für die Erziehung seiner Enkel machte, gelangte durch eine Intrige nicht zu Vives. Cf. Norefta, ibid., pp. 52, 56-7, 67,71.

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er sich zwar schon einen Namen als Privatlehrer von reichen Bürgerkindern und Adligen erworben, jedoch das Leben an Fürstenhöfen persönlich kaum kennengelernt. Die Tatsache, daß Vives seit Juli 1521 ein kleines Gehalt von Königin Katharina von England bezog, ist nur auf Thomas Morus zurückzuführen, dessen Bekanntschaft er durch Vermittlung von Erasmus ein Jahr zuvor in Brügge gemacht hatte31. Nach dem Tod von Wilhelm von Croy erhoffte Vives sich in England ein gesichertes Einkommen, und als der gewünschte Effekt ausblieb, versuchte es Vives mit einer neuen Strategie: Im Juli 1522 widmete er König Heinrich VIII. seinen Augustinus-Kommentar und im April 1523 Königin Katharina die Institutio3Z. Bestimmte Elemente lassen jedoch vermuten, daß das Werk ursprünglich nicht für die Erziehimg der Prinzessin Maria von England gedacht war und daß die Widmimg an die Königin etwas hektisch erfolgte. Dem Werk fehlt nämlich praktisch ganz der höfische Hintergrund: Zwar empfiehlt Vives etwa Handarbeit ausdrücklich als Beschäftigung auch für Königinnen (I 3/p. 74), aber etliches muß doch, an die Adresse einer Königin gerichtet, recht befremdlich gewirkt haben wie die Empfehlung, die Zubereitung einfacher Hausmannskost zu erlernen (I 3/pp. 76-7), oder gar der Rat an Katharina, für ihre Tochter möglichst einen Krämer, Handwerker oder Hausknecht als Ehemann zu vermeiden33 und auch nicht selbst als Verkäuferin auf dem Markt zu arbeiten34. Vollends deplaziert aber müssen die Ausfälle gegen die Hofdamen ("feminas palatinas" bzw. "feminas aulicas") erschienen sein: Unterhaltungen zwischen Frauen und Männern, wie man sie an etlichen Höfen der Zeit finde, seien abzulehnen; diese Gewohnheit sei auf Wunsch der Hölle entstanden, denn es gehe eh nur um Liebe; wenn nicht schon alle dieser Hofdamen impudicae seien, dann nur, weil ihnen die Gelegenheit dazu gefehlt habe. Menschen mit Verstand sollten die Höfe meiden, denn diese seien der Ursprung aller Laster und der Sitz des Satans35. Das ist nicht nur eine krasse Beleidigung für eine

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A u f Belgien als Entstehungsort verweisen mehrere Stellen im Werk (pp. 212, 217, 263, 280, 281) sowie die Widmung p. 69: "Brugis, nonis Aprilis 1523". In das Jahr 1516 fällt ein kurzer Aufenthalt am Hof von Brüssel (cf. J. Dsewijn, "J. L. Vives in 1512-1517. A reconsideration of evidence", in: Humanística Lovaniensia, 26, 1977, pp. 82-100, hier pp. 89-90). Zu Vives' Verhältnis zu Erasmus und Morus cf. Norefta, op. cit., pp. 78,80, sowie Ch. Fantazzi, "Vives, More and Erasmus", in: A . Buck (Hg.), op. cit., pp. 165-76. Cf. Noreña, op. cit., p. 80. I 15/p. 158: "Matrimonium esse non debet sine patrimonio; ut alterum videatur adferre femina [...], alterum vir, quod ad vitam sustentandam pertinet: et in artibus vitae sunt quaedam fugiendae [...]; sunt aliae probrosae, ut ubique cauponum, interpolatorum, mediastinorum, ad quos non descendemus, nisi vel desperata conditione alia quacunque, vel si de eadem et nos simus nota."

II 9/p. 238; wenn sich das nicht vermeiden lasse, sei äußerste Zurückhaltung geboten ( I I 9/p. 239). 35 I 11/p. 134: "has vocant feminas palatinas, sive aulicas, ¿quaero, a palando, an a balando? nam aulicas esse satis apparet ex plerisque aulis temporum nostrorum, parentibus flagitiorum om-

Frauenbild bei Vives und Castiglione 65 Königin, sondern zugleich eine unmögliche Forderung, da der Wohnsitz einer Königin eben ein solcher Hof ist. Es ist damit offensichtlich, daß das Werk ursprünglich nicht für den englischen Königshof konzipiert war, sondern daß Vives es der Königin nur nachträglich widmete - und das in einer Eile, die eine Abänderung solcher Passagen nicht mehr gestattete. Für welche Schicht aber hatte es Vives dann konzipiert? Darüber geben die weiteren Empfehlungen für die Wahl des zukünftigen Ehemannes Aufschluß: Das Mädchen und ihr Mann müßten zueinander passen, d.h. von gleichem Rang sein; wichtig sei die Fähigkeit, Geld zu erwerben und zu bewahren, nicht aber Besitz, Abstammung, Macht, Würde und ähnliches; im Gegenteil - die Ehe mit einem adligen Mann könne diesen überheblich werden lassen36. Damit ist klar, daß Vives ein nichtadliges Mädchen im Auge hat, da nur dort die Gefahr besteht, daß die adlige Abstammung den Mann gegenüber seiner Frau hochmütig werden läßt. Da an anderer Stelle von der richtigen Behandlung der Dienerschaft die Rede ist (II 10/pp. 248-51), handelt es sich um einen reichen Bürgerhaushalt; Vives hat offensichtlich das Haus der Valdaura im Auge, das einzige zudem, wo er auch als Erzieher von Mädchen tätig war. Im Gegensatz dazu frequentierte Castiglione als Sproß einer mit den Gonzaga verwandten Adelsfamilie vom Beginn seines Lebens an die verschiedensten Höfe - den der Gonzaga in Mantua, den der Sforza in Mailand, den der Montefeltro und dann der della Rovere in Urbino, den Papsthof in Rom und den Hof Karls V. in Madrid37. Der Cortesano entstand zunächst als nostalgische Erinnerung an den Hof von Urbino, ehe das im Werk dargestellte Konzept immer mehr Allgemeingültigkeit beanspruchte. Und sein Werk richtete sich, wie oben gesehen, als Leitfaden für richtiges Verhalten tatsächlich an die eigene Schicht des höfischen Adels, um so in einer Art Selbstverteidigung gegen die aufkommende Konkurrenz billigerer Bürokraten die Existenzberechtigung

nium, et sedibus Satanae, quas non tantum christianus aversetur, sed et gentilis, qui pauxillum habeat mentis melioris ... "; ähnlich auch II 9/p. 236. 115/p. 158: "sed in his omnibus in universum est curandum, ut aequalitas sit quaedam, vel similitudo verius, inter virum et puellam; [...] idque videtur admonere Pittacus Mytilenaeus [...]; hunc enim cum adolescens, quem duae appetebant, altera genere et opibus superior, altera par, utram duceret rogasset, sapiens illum ad lusitantes pueros remisit, qui subinde clamabant: [...] sume quae tibi congruat. [...] Si illum aliquid necesse est conferre, intuendum non quam magnas possidet divitias, sed quam artem, vel parandi quae non habet, vel conservandi parta". I 15/p. 159: "Illuc potissimum dixi curam et cogitationem universam debere conferii, ut ingenium ac mores contemplemur; [...] hinc homo est aestimandus; nihil vel in corpore est, vel in fortunis, unde judicium fieri possit certum de homine; non divitiae, non possessiones, non genus, non potentia, non gratia, non dignitas, non clientelae." I 15/p. 160: "¡Quanta vecordia est, earn quae ex se est undique tot incommodorum referta, pluribus adhuc augere discordia conjugum! Nubis formoso, hunc species fastuosum reddet; nubis diviti, hunc divitiae fastidiosum; nubis nobili, hunc genus insolentem." 37

Cf. Woodhouse, op. cit., pp. 6-37.

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dieses Adels unter Beweis zu stellen38. Ein wesentlicher Grund für die so unterschiedlichen Anforderungen, die Vives und Castiglione an die Dame bei Hofe stellen, besteht also in der so verschiedenen Entstehungsgeschichte beider Werke. Während sich Vives primär am eigenen Erfahrungshorizont der reichen Bürgerfamilie orientierte und die Institutio dann - wohl aus opportunistischen Gründen - so überstürzt der englischen Königin widmete, daß Passagen, die im Widerspruch zum Adressaten standen, ja, diesen eigentlich beleidigen mußten, nicht mehr geändert werden konnten, kannte Castiglione die Welt des Hofes aus langjähriger Lebenserfahrung und unterzog seinen Cortegiano einem langjährigen, mehrfachen Bearbeitungsprozeß. Ein weiterer Grund kommt hinzu: Vives steht mit seinen Ideen ganz und gar in der Tradition. Die Erziehung der Mädchen vor allem zu pudicitia, Demut und Schweigsamkeit in der Abgeschiedenheit des Hauses, wo sie sich mit Handarbeit und der Lektüre der Bibel und der Kirchenväter zu beschäftigen hatten, ist ein Gedanke, der seinen Ursprung bei Hieronymus hat und sich von hier aus bei mittelalterlichen Autoren wie Vinzenz von Beauvais oder Egidio Colonna wiederfindet, ehe er im 15. Jahrhundert in Erziehungstraktaten wie denen von Giovanni Domlnici oder Maffeo Vegio ganz im Zentrum steht39. Auch sonst variierten, wie Kelso zeigte40, die moralischen Qualitäten, die man im 15. und 16. Jahrhundert von der Frau verlangte, nicht wesentlich: Ganz oben steht die Keuschheit, es folgen Bescheidenheit, Demut, Beständigkeit und Mäßigung, schließlich Frömmigkeit und Menschlichkeit. Betont werden auch ihre Fähigkeiten bei der Kindererziehung und im Haushalt, ihrer eigentlichen Domäne. Francesco Barbaro (De re uxoria, 1416) und Leon Battista Alberti (Deila famiglia, 1432-43) gehören zu denen, die von der Frau im 15. Jahrhundert schon eine gute literarische Bildung verlangen - eine Forderimg, die im 16. Jahrhundert noch größere Bedeutung erlangt. Zunächst aber zählten also auch für adlige Damen vor allem häusliche Tugenden; Höflichkeit, Freigebigkeit, Mut und Gerechtigkeit, die vor allem das Leben außerhalb der Familie betreffen, sind dabei sekundär41. Castiglione dagegen orientiert sich bei seiner Konzeption der donna di palazzo primär am männlichen Pendant des Höflings (III 3-5/pp. 262-68), was eine Ebenbürtigkeit von Mann und Frau voraussetzt42. 38

39

Cf. Quondam, op. cit., pp. VIII-IX; Clough, op. cit., pp. 45-8; M. Hinz, Rhetorische des Hofmannes [...], Stuttgart 1992, p. 27.

Strategien

Cf. W. Ruhmer, Pädagogische Theorien über Frauenbildung im Zeitalter der Renaissance nebst einer kritischen Würdigung der Leistungen mittelalterlicher Theoretiker, Diss. Bonn 1915, pp. 918, 26-8, 37-44. 40 Kelso, op. cit., pp. 23-31. 41

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Cf. Ruhmer, op. cit., pp. 28-35,44-5; Kelso, op. cit., pp. 29-31,36. II 98/p. 254: "pochi omini di valore ho io mai conosciuti, che non amino ed osservino le donne; la virtù delle quali, e conseguentemente la dignità, estimo io che non sia punto inferior a quella degli omini. [...] Le donne son così virtuose come gli omini."

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Diese Ansicht aber ist in der damaligen Zeit noch selten; für die meisten ist die Frau zwar nicht gerade - wie für einige Extremisten - ein notwendiges Übel, aber doch nur in ihrem ureigensten Bereich von einer an die der Männer heranreichenden Vollkommenheit, ansonsten jedoch dem Mann unterlegen43. Vives gibt hier wohl die Meinung der Mehrheit wieder. III Und doch ergeben sich bei näherem Hinsehen bei beiden Autoren einige Gemeinsamkeiten. Verwiesen wurde schon auf die Funktionalität: Beide Konzepte orientieren sich nicht an unbezweifelbaren, ewigen Werten, die es zu verwirklichen gelte, sondern am konkreten Erfolg. Vives geht es darum, das Mädchen gut zu verheiraten, das Eheglück der Frau zu bewahren und der Witwe ein hohes Ansehen in der Öffentlichkeit und im Schoß der Familie zu sichern. Castiglione zeichnet eine donna di palazzo, die mit all ihren Fähigkeiten nicht nur in der Hofgesellschaft die ihr zufallenden Aufgaben erfüllen, sondern darüber hinaus den Hofmann vervollkommnen soll. Darum betonen beide Autoren die Bedeutimg eines guten Rufes: Für Vives ist es die Meinung der Mitmenschen, die beim Mädchen vor allem pudicitia sucht (I 6/pp. 95-6), ein häufiges Erscheinen außer Hauses und häufige Gespräche mit Männern negativ deutet (I 11/pp. 129,134-5), Schmuck als Zeichen der Kostspieligkeit auslegt und rhetorische Fähigkeiten als leichtfertige Geschwätzigkeit und Bosheit interpretiert (I 15/pp. 168-9). Wenn Vives "integram pudicitiam et integram famam" als die beiden größten Gaben eines Mädchens bezeichnet (115/p. 167), so zeigt das zugleich, daß der Ruf allein nicht ausreicht; denn das Mädchen muß diese Eigenschaften auch tatsächlich besitzen (I 9/p. 120), weil in der späteren Ehe ihr Vorhandensein wichtiger ist als nur ein entsprechender Ruf 44 . Bei der Witwe dagegen, die nicht mehr primär für die Augen des Ehemannes, sondern für die der Öffentlichkeit lebt, gewinnt wieder der Ruf an Gewicht (III 1,4,6,7/pp. 281,283-4,290-1,295-6,300-1). Auch für Castigliones Hofdame besitzt der Ruf eine besondere Bedeutung. Das gilt einmal für die Begründung all jener Eigenschaften, die die donna di palazzo mit dem Hofmann gemeinsam hat: So wird etwa die adlige Herkunft gefordert, weil die öffentliche Meinung damit tugendhaftes Verhalten verbindet (I 14-6/pp. 39-44); wichtig sind all jene Eigenschaften, die zum "onorato nome" des "omo da bene ed intiero" führen (I 41/p. 89); zentral sind in Castigliones Weltbild einmal der buon giudizio, d.h. die Fähigkeit, sich, das Gegenüber und die Situation richtig einzuschätzen und angemessen zu handeln (II 8,9,13/pp. 43

44

Gelegentlich findet man auch die Meinung, die Frau sei dem Mann überlegen; cf. die Ubersicht bei Kelso, op. cit., pp. 10-23. II 9/pp. 241-2: "mereri honorem decet, non expetere. [...] Catonem Uticensem Sallustius scribit maluisse bonum esse, quàm videri, ideo quò minus gloriam quaerebat, eo magis assequebatur: ergo certissima ad verissimos honores via est virtus."

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129-32,137-8), und zum anderen die grazia, d.h. die Fälligkeit, sich selbst den Mitmenschen so zu präsentieren, daß man sie gewinnt (114,21,24-6, II 27,49/pp. 39-41,51-3,56-61,158-60,192-3). Gerade die Frau aber muß sich auch für Castiglione vor einem schlechten Ruf in acht nehmen, da sie sich schwerer gegen Verleumdungen verteidigen kann45. Zwar sind Castigliones Maßstäbe nicht so streng wie die von Vives - was sicher mit der anderen Situation in Italien und in Nordeuropa bzw. mit der tatsächlich angesprochenen Schicht (hier eigenständige Hofdamen, dort Bürgerstöchter) zusammenhängt -, doch der Grundgedanke ist der gleiche. Eine weitere Parallele betrifft die der Frau zugedachte Bildung. Vives wendet sich hier ausdrücklich gegen jene, denen gebildete Frauen von vornherein verdächtig sind (I 4/p. 78). Ein Mädchen sollte schon im Alter von 7 Jahren neben Handarbeiten auch litteras erlernen (I 3/pp. 73-4), wobei Vives drei Bereiche ausdrücklich ausschließt: Romane, Novellen und Liebeslyrik. Romane handelten - egal, ob sie mittelalterliche Themen wie Tristan bzw. Lancelot oder antike Stoffe wie Pyramis und Thisbe beinhalteten - immer nur von Kampf und Liebe; dabei verstießen sie nicht nur gegen die Wahrscheinlichkeit46, sondern auch gegen die Moral47. Letzteres ist auch der Grund, weshalb Vives die Novellistik genannt werden Poggios Liber facetiarum, Boccaccios Decameron und Piccolominis Historia de duobus amantibus - und die Liebeslyrik - d.h. vor allem Sappho, Tibull, Properz und Ovid - als Lektüre ablehnt48, ja, sogar ein gesetzliches Verbot für obszöne Lieder fordert. Stattdessen empfiehlt Vives als Lektüre die Bibel, die Kirchenväter, antike Moralphilosophen wie Plato, Cicero oder Seneca49 sowie christliche Dichter wie Prudenz, Arator, Prosper oder Juvencus (I 5/pp. 86-9). 45

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III 4/p. 265: "Deve ancor esser più circunspetta ed aver più riguardo di non dar occasion che di sé si dica male, e far di modo che non solamente non sia macchiata di colpa, ma né anco di suspizione, perché la donna non ha tante vie da diffendersi dalle false calunnie, come ha l'omo." Cf. A. Marti, La preceptiva retórica española en el Siglo de Oro, Madrid 1972, pp. 37-8; J. R. Verdú, La retórica española de los siglos XVIy XVII, Madrid 1973, pp. 23941. Wie R. P. Adams (The betterpart of valor. [...], Seattle 1962, pp. 231-4) scharfsinnig hervorhebt, stand dahinter wohl auch eine Verurteilung der gerade bei Heinrich VIII. so beliebten Turniere, da sie unter dem Schein ritterlichen Anstandes letztlich an Grausamkeit gewöhnten, ja, Gewalt verherrlichten; und in der Tat wurden Ritterromane in der Zeit z.T. als Verhaltensvorbilder empfunden. Hinzu kommt die etwa im Artus-Stoff zu findende Verherrlichung von Leidenschaft, die den Ehebruch einschließt. Vives' Verhältnis zur Literatur befindet sich in einem Zwiespalt zwischen einer der christlichen Tradition entspringenden Verurteilung von Literatur als Lüge und seiner eigenen Liebe zur Literatur. Sein - in mehreren seiner Werke zu findender - Kompromiß besteht meist darin, an der Literatur das zu akzeptieren, was der moralischen Erziehung dienlich ist (cf. K. Kohut, "Literaturtheorie und Literaturkritik bei Juan Luis Vives", in: A. Buck (Hg.), op. dt., pp. 35-47, hier pp. 43-5). Schon 1520 hatte Vives in seinen Vorlesungen in Löwen seine Verehrung für die beiden Römer gezeigt, schickt er doch seinem Kommentar zu Ciceros Somnium Scipionis als Vorwort einen Somnium Vivis voraus, der in der Art von Senecas Apocolocyntosis die Pariser Sophisten verspottet (cf. E. V. George, "Imitatio in the 'Somnium Vivis'", in: A. Buck (Hg.), op. cit., pp. 81-92,

Frauenbild bei Vives und Castiglione

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Die Eingeschränktheit dieses Lektürekanons erklärt sich aus dessen Zweck, denn die litterae sollen keineswegs Stunden der Muße verschönern - das würde nur zu "voluptates damnatas" führen (I 3/p.74) -, sondern der moralischen Erziehung dienen. Dahinter steht der Gedanke, daß vitia meist aus Unwissenheit geschehen, die Kenntnis des Guten - sei es als moralische Ermahnung oder sei es als zu imitierende Verhaltensvorbilder - folglich zu tugendhaftem Verhalten führe (I 4+10/pp. 78-9,124-5)50. Gleichen Inhalts sollten auch die lateinischen Schreibübungen sein: nicht Verse oder Gesänge, sondern Bibelstoff, Moralphilosophie und Sentenzen (I 4/p. 84). Es geht aber nicht nur um die moralische Erziehung durch Wort und Vorbild: Literarische Studien dieser Art sind zugleich eine Beschäftigung, die - zumal in einsamen Stunden - böse Gedanken fernhält, ein Gesprächsstoff im Kreise anderer Mädchen und sogar ein Mittel, um sich von der Liebe zu befreien (I 4,9,13/pp. 83,118-9,150). Schließlich können diese Kenntnisse auch bei der Erziehimg von Schwestern und später der eigenen Kinder eingesetzt werden (14, II 11/pp. 84,258-9). Da Vives das Haus als die eigentliche Domäne der Frau ansieht, klammert er einen Wissensbereich ausdrücklich aus: die Rhetorik. Denn während der Mann eine Vielzahl von Dingen kennen muß, die ihm und dem Staat nützen, haben das Mädchen und die Frau in der Öffentlichkeit zu schweigen (14 + 11/pp. 834,137); rhetorische Fälligkeiten bei Frauen würden - trotz tendenziöser und unehrlicher Komplimente - nur als Geschwätzigkeit, Leichtfertigkeit und Bosheit ausgelegt (115/p. 169)51. Diese Ausrichtung der weiblichen Bildimg allein auf Haus und Moral gilt auch für die verheiratete Frau: Nicht in der Politik oder im Weltgeschehen solle sie sich auskennen52, sondern in den Dingen, die ihre Rolle als mater familias betreffen: Grundkenntnisse der Hausmedizin solle sie sich aus Büchern erwerben, Merksprüche der Lebensweisheit für die Kindererziehung parat haben53, und bes. pp. 83,89; L. J. Swift, "'Somnium Vivis' y el 'Suefio de Escipion'", in: Homenaje a Luis Vives. Ponencias [...], op. cit., pp. 89-112). Für Ph. C. Dust (Three Renaissance pacißsts: essays in the theories of Erasmus, More and Vives, New York 1987, pp. 180-8) beruhen Vives' Äußerungen gegen den Krieg in De concordia et discordia (1526) auf einer Verbindung von stoischem Denken nach der Art Senecas und christlichen Vorstellungen. 50

51

52

Eine solche Lektüre empfiehlt Vives sogar den Dienerinnen: "haec potissimum sciant et teneant famulae: tum legant interdum aliquid quod mentem et mores possit excolere" (II 10/p. 248). Dahinter stehen jedoch sicher auch generelle Vorbehalte gegenüber der Rhetorik, die für ihn keine Wissenschaft, sondern nur eine wichtige Fertigkeit ist; im Vordergrund jedoch habe das Sachwissen zu stehen (cf. Buck (Hg.), op. cit, pp. 12-3,17; Th. G. A . Kater, Johann Ludwig Vives und seine Stellung zu Aristoteles, Diss. Erlangen 1908, pp. 71-3).

Für Vives ist Geschichte kein allgemeinbildendes Fach, sondern ausgesprochene Berufsausbildung, und zwar vor allem zum Politiker (cf. M. Müller, "Geschichte und allgemeine Bildungstheorie. [...]", in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 14, 1963, pp. 420-8, bes. pp. 423, 427). Daher entfällt sie als Lehrstoff für Frauen. 53 Auf Bitten von Königin Katharina schrieb Vives selbst für Prinzessin Maria die Satellitia vel symbola (in: ders., Opera omnia, dist. et ord. a G. Majansio, op. cit, Bd. 4, pp. 30-64), die er dem Kind am 1.7.1524 widmete. Es handelt sich um 213 maximal 5 Wörter umfassende und z.T. mit

Joachim Leeker an Feiertagen solle sie über die Vergänglichkeit des Irdischen nachdenken und sich durch Lektüre auf das Jenseits konzentrieren (II 9-11/pp. 237,252-3,259). Selbst Witwen sollen neben ihrer eigentlichen Vorbereitung auf das Jenseits durch Beten, Fasten, Opfern und das Hören von Predigten noch "legere studiosius" und über das nachdenken, was das Leben und die Sitten verbessert; so könnten sie ihren Zuhörern nicht nur Moral, sondern auch "eruditionem" vermitteln (III 4/pp. 290-1). Die von Vives für die Frau anvisierte Bildung ist für die damalige Zeit in ihrem Umfang recht breit, wie die begeisterte Reaktion von Thomas Morus beweist54; gegenüber dem Lektüreprogramm für Jungen, das Vives 1523 für Charles, den Sohn von Erasmus' englischem Protektor Lord Mountjoy55, entwarf und das den 2. Brief von De ratione studii puerilis bildet56, nimmt sie sich jedoch eher bescheiden aus, da sie auf den spezifischen Aufgabenbereich der Frau zugeschnitten, mithin funktional ist.

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Vives wird sich noch zweimal zum Lehrstoff für Mädchen äußern: In dem Studienprogramm für Prinzessin Maria, das der Autor König Heinrich VIII. und Königin Katharina im Oktober 1523 überreichte, als beide ihn im Corpus Christi College in Oxford aufsuchten, und das den 1. Brief von De ratione studii puerilis bildet, treten als empfohlene Lektüre auch einige Werke von Erasmus wie die Institutio principis christiani, Thomas Morus' Utopia sowie römische Historiker wie Justinus, Florus und Valerius Maximus, ja, in Auswahl sogar Dichter hinzu: der Epiker Lucan, die Tragödien Senecas und "magna ex parte Horatius"57. Wohl Ende 1524 aus Gesprächen in London entstanden ist die Schrift De officio mariti, in deren 3. Kapitel ("De disciplina feminae") der gerade selbst erst wenige Monate verheiratete Vives58 erneut ein Lektüreprogramm für Frauen aufstellt, das sich aber nicht wesentlich von den beiden anderen unterscheidet: Wieder werden Liebeslyrik, Romane und Erzählungen abgelehnt, darunter jetzt auch Apuleius und Lukian, ferner Werke über theologische Feinheiten, die der Auslegung durch Männer bedürften. Und wieder werden als Lektüre für die Frau "libri pii" und Werke der Moralphilosophie mit kurzen Erläuterungen versehene Merkverse zu allgemeinen Lebensweisheiten wie "Murus aeneus sana conscientia" (3/p. 33), "Sal vitae, amicitia" (12/p. 34) oder "Vicit vim virtus" (73/p. 43). Sie sollen Maria als Leibwache vor den Angriffen der Laster schützen (p. 31). 54

Cf. Kelso, op. cit., p. 74.

55

Zu Lord Mountjoy cf. McConica, op. cit., p. 60.

56

Vives, De ratione studii puerilis (in. ders., Opera omnia, dist. et ord. a G. Majansio, op. cit., Bd. 1, pp. 256-80), Brief 2: pp. 270-80. Die Liste (pp. 274-80) enthält daneben Autoren des 15. und 16. Jahrhunderts, spätantike Kommentatoren und Fachliteratur für das Lateinische und Griechische. Zum Beispiel empfiehlt Vives für die Umgangssprache auch die Briefe von Cicero, Plinius, Poliziano und Filelfo, als Fachschriftsteller Cato, Varro, Columella, Palladius, Plinius und Vitruv, unter den Autoren gelehrter Werke neben Servius, Donat, Acro und Porphyrio auch Bude. Interessanterweise wird hier auch das Verdikt gegen Dichtung und Romane aufgehoben: Vergil, Horaz, Silius, die Tragödien Senecas und Lucan werden empfohlen, ja sogar Apuleius!

57

Vives (wie Anm. 56), Brief 1: pp. 257-69, Zitat p. 269; cf. auch Norefta, op. cit., p. 86.

58

Cf. Norefia, ibid., pp. 89, 93; Vives, De officio mariti (in: ders., Opera omnia, op. cit., Bd. 4, pp. 302-419), Praefatio/p. 302.

Frauenbild bei Vives und Castiglione 71 empfohlen, dann Exemplasammlungen wie Valerius Maximus und dazu jetzt die Acta Sanctorum, schließlich einige Werke über das Hauswesen (Aristoteles und Xenophon), über Kindererziehung (Plutarch, Vergerio, Filelfo) und über Hausmedizin sowie eventuell einige christliche Dichter59. Werke über Naturkunde, Grammatik, Dialektik, Geschichte, Politik und Mathematik solle die Frau den Männern überlassen; auch solche zur Rhetorik paßten nicht zu Frauen, für die die beste Form der Beredsamkeit ja das Schweigen sei60. Zweck dieses eingeschränkten Lektürekanons sind allein erbauliche Gespräche im Kreis der Familie61. Zwar ist die Zahl der zur Lektüre empfohlenen Werke nun etwas erweitert, doch bleibt die von der Frau geforderte Bildung ihrer Art nach die gleiche, da sie ganz auf den ihr zugewiesenen, spezifischen Aufgabenbereich zugeschnitten, mithin funktional ist. Genau hier liegt die Parallele zu Castiglione. Dessen donna di palazzo war das weibliche Pendant zum Höfling, und daher entsprechen auch die von ihr geforderten Kenntnisse denen des Hofmannes (III 9/p. 272). Das aber schloß ein möglichst breit gefächertes Wissen in Rhetorik (133/pp. 73-4), eine umfassende literarische Bildung (I 42 + 44/pp. 90-1,93-5) sowie Kenntnisse in Musik und Malerei und einen Vorrat an Anekdoten ein (I 47,49,52, II 41/pp. 99-104,1069,181-2). Im Gegensatz zu Vives gibt Castiglione jedoch keinen Musterkatalog, sondern spricht nur von "poeti", "oratori" und "istorici" (I 44/p. 93); nur für die Erzählungen erkennt er das Decameron als Vorbild an (II 89/p. 243). Allerdings müsse alles der "discreta modestia" der Frau angepaßt sein62. Die offensichtlich wesentlich breitere, aber dafür auch weniger tiefgründige Bildung, die Castiglione von der Hofdame verlangt, ist ganz auf ihre Aufgaben zugeschnitten, kann sie doch nur so eine gute Gesellschafterin bei Hofe sein63 und die Hofmänner vervollkommnen64. Auch die Bildung der donna di palazzo orientiert sich also nicht am Prinzip, sondern ist rein funktional. Eine letzte Parallele zwischen dem Frauenbild beider Autoren betrifft speziell die Kenntnis kleiner Geschichten. Schon das Kind solle durch "castis fabellis" gelenkt und angeregt werden, über das nachzudenken, was ihm später nützen wird (I 2/p. 73). Dabei handele es sich nicht um "inanes aut aniles fabulas", de5Q Vives, ibid., Kap. 3/pp. 362-84; die Autoren: pp. 363,368-9. 60

Vives, ibid., pp. 369-70.

61

Vives, ibid., pp. 372-3. III 9/p. 272: "voglio che questa donna abbia notizie di lettere, di musica, di pittura e sappia danzar e festeggiare [...] ed intertenerà accommodatamente e con motti e facezie convenienti a lei ogni persona che le occorrerà". Von anderen Dingen - z. B. Waffendienst, Reiten, Turnieren soll sie wenigstens theoretische Kenntnisse besitzen, um darüber urteilen zu können (cf. III 7/ p. 270, III 9/p. 272). III 9/p. 272: "E così sarà nel conversare, nel ridere, nel giocare, nel motteggiare, in somma in ogni cosa graziatissima." Cf. auch Anm. 62.

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64

Durch das Beispiel ihrer Kenntnisse oder durch ihre theoretische Kompetenz etwa in Turnierfragen: cf. Anm. 62.

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ren Konsum als Kind den Menschen nicht erwachsen werden lasse, sondern um "jucundas quasdam historiolas, et honestas fabulas", die in einem Alter lehren, die Tugend zu lieben und das Laster zu hassen, wo deren Bedeutung verstandesmäßig noch nicht erfaßt wird65. Später soll die Mutter dann durch Lob, Tadel und Merkverse eine direkte Belehrung über Tugend und Laster vornehmen (II 11/p. 259). Die Geschichten sind also ein didaktisches Mittel, um dem Kind moralische Wahrheiten in schöner Verpackimg zu präsentieren. Aber nicht nur für ihre Kinder solle die Ehefrau derartige Geschichten bereithalten, sondern auch als Mittel, um ihren Ehemann vorzubereiten auf sanfte Ermahnungen, die seinen Übermut bremsen, seine Mutlosigkeit überwinden und ihn selbst zur Tugend zurückführen sollen86. Hier hegt die offensichtlichste Parallele zu Castiglione. Dieser hatte nämlich empfohlen, daß der Höfling bei seiner Aufgabe, den Fürsten moralisch zu erziehen und zu lenken, zunächst facezie benutzen solle, um sich das Wohlwollen seines Herrn zu sichern. Und diese spezielle Form funktionaler Literaturbetrachtung, bei der Unterhaltsames als eine Art notwendiger Vorbereitung zum ernsten Studium der Historiographie dient, stellt bei Castiglione eine Neuerung dar gegenüber der direkten Belehrung durch die Geschichte, wie sie der Humanismus forderte87. Für Vives aber ist die Ehefrau ihrem Mann wie ein Soldat seinem Feldherrn oder Kaiser unterstellt (II 4/p. 190). Gegenüber den bisher herausgestellten Gemeinsamkeiten beider Autoren - der generellen Funktionalität beider Konzepte sowie der Rolle des Rufes und der besonderen Bedeutung der Bildung im Rahmen dieser Funktionalität - ist diese letzte Übereinstimmung, also die Benutzung von kleinen Geschichten als captatio benevolentiae für die moralische Erziehung einer höhergestellten, regierenden Person, so frappierend und zugleich so originell, daß man - trotz aller Unterschiede, die beide Autoren aus den obengenannten Gründen aufweisen - an eine Beeinflussung denken muß. IV Es bleibt die Frage, in welcher Richtung und auf welchem Wege sie stattgefunden hat. Vives widmete seine Institutio am 5. April 1523 der Königin von England. Bestimmte innere Widersprüche ließen uns vermuten, daß das Buch jeEinige dieser Geschichten nennt Vives in De ratioae studii puerilis (wie Anm. 56; p. 265): so etwa die Lucretia-Geschichte aus Livius, Petrarcas Griselda, die biblische Geschichte von Joseph und Anekdoten aus Valerius Maximus oder Sabellico. 66

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II 6/p. 218: "tenebit prudens mulier fabulas, et historias, et narratiunculas, ut jucundas, ita etiam puras, ac honestas, quibus fessum maritum, aut aegrum, reficiat, ac recreet; tum praecepta sapientiae, quibus vel adhortetur ad virtutem, vel retrahat a vitiis; aliqua etiam graviter dieta contra impetus assultusque utriusque fortunae, quibus virum, seu elatum secundis rebus sensim demittat in planum, seu abjectum, prostratumque adversis, erigat, utrinque autem ad medioeritatem reducat". Cf. J. Leeker, "Baidassar Castigliones Beitrag zur Frühgeschichte der Romanischen Philologie", in: H. J. Niederehe / B. Schlieben-Lange (Hg.), Die Frühgeschichte der romanischen Philologie [...], Tübingen 1987, pp. 91-107, hierp. 97.

Frauenbild bei Vives und Castiglione

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doch etwas früher entstanden ist. Castigliones Cortegiano dürfte in einer ersten Manuskriptfassung um 1514/15 vollendet gewesen sein, eine zweite handschriftliche Fassung entstand um 1520/1. Obwohl in dieser Zeit schon Abschriften an einigen Höfen Italiens zirkulierten, ist nicht anzunehmen, daß Vives hiervon bis zum Erscheinen seiner Institutio Kenntnis erlangt hatte. Im November 1524 nahm Castiglione die Druckvorlage des Cortegiano mit nach Spanien, wo er noch etliche Änderungen und Ergänzungen vornahm, ehe er sich im April 1527 entschloß, das Buch zum Druck nach Venedig zu schicken, wo es dann im April 1528 erschien68. In der Zeit zwischen Castigliones Ankunft in Madrid (im März 1525) und dem Versand der Druckvorlage war Vives' Institutio jedoch in Spanien bereits bekannt. Da, wie oben gesehen, Vives schon seit längerem mit der Umgebung Karls V. in Kontakt stand, ist anzunehmen, daß seine Institutio bald nach Erscheinen auch nach Madrid gelangte69. 1528 erschienen dann gleich drei Ausgaben der spanischen Übersetzung des Werkes durch Juan Justiniano70. Castiglione konnte also während seines Spanienaufenthaltes wohl auf Vives' Institutio zurückgreifen, was die genannten Übereinstimmungen als Entlehnungen erklären würde. Dabei darf Castigliones Schweigen über Vives nicht verwundern: Ein gewisses Konkurrenzdenken des Italieners gegenüber dem nördlichen Humanismus ließ es selbst Erasmus nicht viel besser ergehen71. Fassen wir zusammen: Die zeitüche Nähe von Vives' Institutio feminae christianae (1524) und Castigliones Cortegiano (1528), die Nähe beider Autoren zum Hof Karls V., die Ähnlichkeit ihres Zielpublikums - die adlige Dame bei Hofe und die Bekanntheit beider Werke ließen eine Ähnlichkeit in den Frauendarstellungen beider Autoren vermuten. Doch Vives legte den Akzent ganz auf die pudicitia und bezeichnete Haus und Familie als Arbeitsbereich der Frau, während Castiglione den Schwerpunkt auf all jene Fähigkeiten legte, die geselliges Leben bei Hofe ermöglichen sollen. Als Ursachen für diese so verschiedenen Ansichten über die von der Dame bei Hofe geforderten Qualitäten ließen sich Unterschiede bei den Autoren selbst (Lebenserfahrung, Entstehungsursachen, Grundeinstellung zum Verhältnis der Geschlechter zueinander), bei den betroffenen Höfen (Rolle der Frau und der Religion) und bei der geistigen Vorlage (Tradition der Frauendarstellung bzw. Bild des Höflings) ausmachen. Und doch weisen beide Konzeptionen bei aller Verschiedenheit im Ansatz bestimmte Ähnlichkeiten in einzelnen Bereichen auf: Beide orientieren sich nicht am Prinzip, sondern am Erfolg, sind also funktional, betonen daher

68

Cf. Loos, op. cit., pp. 46,70-2.

69 Das Exemplar der Ausgabe von Antwerpen 1524 in der Biblioteca Real del Palacio hatte Vives selbst direkt nach Erscheinen seinem Freund Johannes de Fevyn geschenkt (cf. Bonilla y San Martin, op. cit., p. 758). 70

Cf. Norefia, op. cit., pp. 2,304; Bonilla y San Martin, op. cit., pp. 759-67, beschreibt weitere A u s gaben und Übersetzungen.

71

Cf. Loos, op. cit., (wie A n m . 1), p. 56.

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die Bedeutung des Rufes und heben die Wichtigkeit der Bildung im Rahmen dieser Funktionalität hervor. Die Tatsache, daß beide Autoren die Benutzung von kleinen Geschichten als captatio benevolentiae für die moralische Erziehung einer höhergestellten Person empfehlen, läßt, da dieser Gedanke nicht sehr verbreitet war, eine Beeinflussimg vermuten. Sie dürfte zwischen 1525 und 1527 in Spanien stattgefunden haben72, wo Castiglione für die letzten Änderungen und Ergänzungen an seiner Druckvorlage wohl auch auf Vives' Institutio zurückgreifen konnte. 20 Jahre später scheint Lodovico Dolce beide Werke als Ergänzung füreinander verstanden zu haben, denn in seinem Kompendium von Vives' Institutio empfiehlt er der Dame unter anderem auch die Lektüre des Cortegiano, wo sie alle Tugenden und alle einer Adligen angemessenen Verhaltensweisen kennenlernen könne73.

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Die Rezeption von Vives auf italienischem Boden setzte erst 1537 mit dem Druck von De conscribendis epistolis in Venedig ein. 1545 kompendiert dann Lodovico Dolce in seinem Dialogo della institutione delle donne Vives' Institutio, ehe Pietro Lauro dieses Werk 1546 mit etlichen Kürzungen übersetzt (cf. T. Ganglio / A. Sottili, "Zum Nachleben von Juan Luis Vives in der italienischen Renaissance", in: A. Buck (Hg.), op. dt., pp. 211-60, hierpp. 211,217,223). Cf. Kelso, op. dt, p. 71.

31 unbekannte Vivesbriefe Jozef IJsewijn (Löwen)

Wie ich 1990 in den Zeitschriften Humanística Lovaniensia und Wolfenbütteler Renaissance Mitteilungen dargelegt habe, wurden am 21. Juni 1989 in London bei Christies 117 unbekannte Briefe von Humanisten aus den Niederlanden versteigert. Diese Briefe, ein neues Bündel der bekannten Litterae ad Craneveldium, wurden glücklicherweise von der belgischen "Koning Boudewijn" Stiftung gekauft und bleiben jetzt im Archiv der Löwener Universitätsbibliothek, wo sie mit den zwei aus dem Nachlaß von Professor Hendrik de Vocht erworbenen Bündeln wieder vereint wurden. 31 dieser Briefe sind von Vives in Löwen und Brügge geschrieben worden, und zwar von Ende Februar oder Anfang März 1520 bis Mai 1522. Sie waren bisher alle unbekannt, mit Ausnahme von zwei kurzen Fragmenten, die der Löwener Universitätshistoriker Valerius Andreas im frühen 17. Jahrhundert aus Briefen vom, wie wir jetzt mit Sicherheit wissen, 7. März 1520 und 12. Oktober 1521 zitiert hatte. In der Zeitschrift Humanística Lovaniensia haben wir 30 dieser neuen Briefe, davon 12 von Vives, erstmals ediert.1 Alle Briefe sind in lateinischer Sprache verfaßt, außer dreien, die in Griechisch geschrieben sind. In einem Fall, einem Brief vom 22. Juli 1521, steht die lateinische Übersetzung unter dem griechischen Text. Diese Übersetzung ist allerdings nicht von Vives selbst, sondern wohl von seinem Adressaten Cranevelt verfaßt worden. Viele Briefe enthalten kürzere oder längere Stellen in griechischer Sprache, die aus verschiedenen Schreibanlässen gewählt wurde: vertrauliche Mitteilungen, Witze oder einfach der Stolz zu zeigen, wieviel Griechisch man konnte. Ein Beispiel vertraulicher Angelegenheiten bietet Brief 8, in dem Vives über Cranevelts Zukunftspläne spricht: Er hofft, daß in Löwen ein Feind der Humanisten bald sterben möge und daß Cranevelt diese Professur bekommen werde. Die wichtigsten Worte, nämlich "sterben", "Humanistenfeinde" und "du" (gemeint ist Cranevelt) sind in Griechisch formuliert. Das Bündel gehörte ursprünglich, wie schon angedeutet, zu den bekannten Litterae ad Craneveldium (Craneveltkorrespondenz), die 1928 von meinem Vorgänger Professor Hendrik de Vocht veröffentlicht wurden. Chronologisch liegt es genau vor diesen Litterae, mit Ausnahme eines Briefes von Thomas Morus aus dem Jahre 1528, der zu einem unbekannten Zeitpunkt aus den zwei Professor de Vocht bekannten Bündeln in das neue dritte Bündel geraten ist. Wie be1

Die Briefe 1-30 sind erschienen in: Humanística Lovaniensia, Band 41 (1992), S. 1-85; die Briefe 31-55 in Band 42 (1993), S. 2-51; die Briefe 56-85 in Band 43 (1994), S. 15-68. Die verbleibenden Briefe 86-117 werden in Band 44 (1995) veröffentlicht.

76 Jozef IJsewijn kannt, war Franciscus Craneveldius - oder Frans van Cranevelt - ein aus Nimwegen stammender Jurist, der nach Studien in Löwen eine glänzende Karriere in Brügge und Mecheln machte und in regem persönlichen und brieflichen Kontakt mit Humanisten wie Erasmus, Vives, Thomas Morus, Geldenhouwer und deren Freunden stand. Ihm verdanken wir die sorgfältige Aufbewahrung ihrer Briefe, von denen jetzt über vierhundert bekannt sind. Viele sind allerdings verloren gegangen, da die Nachkommen Cranevelts - die Familie ist 1930 in Löwen ausgestorben - diesen Schatz mit weit weniger Sorge gehütet haben. Die neuen Briefe sind für unsere Kenntnis über Vives in dreifacher Hinsicht wichtig: Erstens vermitteln sie eine Menge biographischer Einzelheiten für die Jahre 1520-1523, nicht nur über Vives, sondern auch über Erasmus und seine Freunde. Zweitens erhellen sie die Genese und Interpretation mehrerer Werke von Vives aus dieser Zeit. Drittens geben sie wichtige Aufschlüsse über Vives' Denken und seine geistliche Entwicklung in den ersten Jahren des Konflikts um Luther, so z.B. seine Reaktion gegenüber dem Auftreten der Löwener Theologen. Da die Bearbeitung der neuen Dokumente noch nicht abgeschlossen ist, ist es nicht möglich, hier schon eine endgültige und in allen Einzelheiten ganz gesicherte Bilanz zu ziehen. Wir selbst betrachten die Edition in der angeführten Zeitschrift als eine vorläufige Ausgabe, der eine endgültige in Buchform folgen soll, die auch Addenda und Corrigenda zu der Ausgabe von de Vocht enthalten wird. Es wäre deshalb für uns eine große Hilfe, wenn Vives- und Erasmusspezialisten uns ihre kritischen Betrachtungen, Berichtigungen und Ergänzungen zu der Erstausgabe schicken würden. Wir sind unsererseits gern bereit, weitere Auskünfte über die Originalstücke zu vermitteln. Sie stehen übrigens jedem Forscher in unserer Universitätsbibliothek jederzeit zur Verfügimg. Ich komme jetzt zu einigen Ergebnissen, die wir den neuen Briefen verdanken: Allgemein darf man sagen, daß die Briefe es uns ermöglichen, Vives während der Jahre 1520-1522 bei seiner Arbeit und seinen Reisen zwischen Löwen, Brüssel und Brügge zu verfolgen und bestimmte Einzelheiten seiner Biographie zu berichtigen. Hierzu ein Beispiel: Vives besuchte Paris und Bud6 im Mai 1519 und sicher nicht 1520, wie Allen aufgrund des Briefes 1108 in Erasmus' Opus Epistolarum glaubt. Das hat in diesem Zusammenhang natürlich auch Konsequenzen für bestimmte Briefe von Erasmus, und es erklärt, warum Vives bei dieser Reise nach Paris die Reaktion auf seine In Pseudodialecticos fürchtete: Das antischolastische Pamphlet war Ende April 1519 in Löwen von Dirk Martens gedruckt worden, und Vives war in der zweiten Maihälfte in Paris. Ein Jahr später hätte er sehr gut gewußt, wie die Reaktion in Paris ausgefallen war. Im Brief Allen 1108 hat Vives am 4. Juni 1520 über seinen Besuch in Paris berichtet: Er war von dort nach einer fünftägigen Reise am 3. Juni in Brügge angekommen. Aus den neuen Briefen wissen wir jetzt mit absoluter Sicherheit, daß Vives Ende Mai/Anfang Juni 1520 in Löwen war. Er kam erst Ende Juli in

Vivesbriefe

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Brügge an, jedoch nicht, um dort einen Privatbesuch abzustatten (Ep. 122). Er war ja aus Brabant nach Flandern gereist, als Hofmann im Gefolge Karls V. (in diesem Augenblick noch König und nicht Kaiser) und des Kardinals Wilhelm von Croy, der - wie bekannt - damals Vives' Gönner und Schüler war. Wir wissen, daß Karl V. am 3. Juli Brüssel verließ, um König Heinrich VIII. von England vom 11.-14. Juli in Calais zu treffen. Anschließend reiste Karl V. nach Brügge zurück, wo er am 25. eintraf und fast eine Woche Station machte. Cranevelt, Ratsherr der Stadt Brügge, war dem König entgegengereist und hieß ihn am 24. Juli mit einer lateinischen Rede willkommen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß Vives - ebenso wie Erasmus - diese Fürstenbegegnung in Calais miterlebte, wenn auch in einer sehr niedrigen Funktion. Dies zeigte sich u.a. in Brügge, wo er Ende Juli kaum die Möglichkeit hatte, seinen Freund Cranevelt in dessen Haus zu begrüßen, da er dem Kardinal folgen mußte. Nur weil dieser sich eine Kopie von Cranevelts Begrüßungsrede wünschte, konnte Vives am Tag der Abreise, vermutlich der 30. oder 31. Juli, ganz kurz mit ihm zusammentreffen. In diesem Zusammenhang müssen wir eine Hypothese von Professor de Vocht3 im Licht der neuen Fakten überprüfen. De Vocht hatte geglaubt, daß es Cranevelt gewesen sei, der möglicherweise Vives und Thomas Morus zum ersten Mal in der zweiten Augusthälfte 1520 in Brügge zusammengebracht hatte. Diese Hypothese läßt sich so nicht mehr aufrecht erhalten. Wir wissen jetzt, daß Vives Ende Juli nach Gent abreiste und daß er noch bis Anfang Oktober im Hofdienst in Brüssel stand. Erst am 10. Oktober (Ep. 15) war er wieder frei und hätte aus Löwen endlich noch einmal an Cranevelt schreiben können. In der Zwischenzeit schreibt er ironisch: "perbelle sum in aula nugatus: ibi Studium fuit et salutandi et assectandi et assentandi et astandi". Es scheint klar zu sein, daß Vives in Brüssel die letzten Vorbereitungen der Reise zu der Kaiserkrönung in Aachen miterlebte. Karl hatte am 20. September Brüssel verlassen und verbrachte die letzten Tage des Monats sehr wahrscheinlich im Jagdpalais der Herzöge von Brabant in Tervuren, zwischen Brüssel und Löwen. Im Anschluß daran reiste er nach einem achttägigen Besuch in Löwen am 9. Oktober aus der Universitätsstadt ab.4 Vives blieb dann offenbar dort zurück, genau wie Erasmus.5 Wahrscheinlich war er nicht wichtig genug, um von Croy 2 3 4

Wir verweisen auf die Aussage in der Zeitschrift Humanística

Lovaniensia.

H. de Vocht, "Monumenta humanística Lovaniensia", in: Humanística Lovaniensia, 4 (Löwen 1934), S. 1-2. Bisher war es unsicher, ob er am 8. oder am 9. Oktober abgereist ist. Dem Brief 35 (J. Hovius aus Löwen an Cranevelt am 10. Dezember) darf man wohl entnehmen, daß es der 9. war. Denn von der Bücherverbrennung am 8. Oktober in Löwen schreibt er, sie habe stattgefunden "praesentibus Germanis". Das stimmt also mit der Tatsache, daß Vives am 10. wieder "frei" war, überein. Auch das kann man, obwohl indirekt, aus Brief 35 entnehmen. Hovius sagt, er sei mit Erasmus nach Köln gereist, als der Kaiser dort war, also nach der Krönung. Er schreibt weder etwas von

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weiter zu begleiten, und der Kardinal hatte in dieser politisch so bedeutsamen Phase8 überhaupt keine Zeit für lateinische Unterrichtsstunden. Von Croy und Vives sahen einander nie wieder. Der Kardinal reiste nach der Krönung mit dem Kaiser weiter nach Köln und Worms, wo er drei Monate später ganz unerwartet starb. Wir kommen auf seinen Tod an anderer Stelle zurück und wenden uns hier zunächst wieder Vives, Morus und Erasmus zu. Obwohl de Vochts Hypothese über die erste Begegnung von Vives und Morus so nicht aufrecht erhalten werden kann, hat sie trotzdem einen wahren Kern. Thomas Morus war ja auch mit seinem König in Calais und er war anschließend gleichfalls nach Brügge gekommen, wo sein Freund Cranevelt lebte. Dieser sorgte in Brügge für die Unterkunft von Morus, bisweilen auch im eigenen Haus. Es ist ganz und gar nicht unwahrscheinlich, daß sich Vives und Morus in Calais kennenlernten. Männer wie von Croy und Morus müssen sich bei einem solchen Treffen zwischen ihren Königen begegnet sein; man könnte sich sogar vorstellen, daß Vives für seinen Herrn bei dem Engländer als lateinischer Dolmetscher fungierte. Übrigens war auch Erasmus, der gemeinsame Freund von Vives und Morus, in Calais dabei, und wir wissen aus Allen 1104, daß Morus schon zuvor mehrere Werke von Vives gelesen hatte - nämlich seine In Pseudodialecticos, Somnium und Declamationes Syllanae - und von seiner Gelehrsamkeit sehr beeindruckt war. Wenn Morus und Vives sich wirklich in Calais zum ersten Mal begegnet sind, ist es selbstverständlich, daß Morus bei seinem Besuch bei Cranevelt über den jungen Valencianer geredet hat. Einen entsprechenden Hinweis gibt es im Brief 15 vom 10. Oktober. Und hier muß ich selbst schon eine erste Korrektur zu unserer Ausgabe machen. In diesem Text haben wir einen Namen als "Alorus" gelesen und ihn nicht auf zufriedenstellende Weise erklären können. Eine neue Überprüfung des Originals hat gezeigt, daß "Morus" zu lesen ist: Der Unterschied zwischen einem Majuskel "M" und einem Majuskel "A" mit Minuskel "1" ist sehr gering7, aber wenn man einmal darauf aufmerksam geworden ist, doch sichtbar. In dem Brief ist also folgendes zu lesen: De Moro video quae dicis. Ego vero puto illum virum laudari satis non posse pro dignitate. Gratulor tibi munera, quae puto te amare, non quod haudquaquam vulgaria sunt, sed quod ab illo data.

Was Cranevelt damals über Morus an Vives schrieb, wissen wir leider nicht, außer, daß er von ihm schöne Geschenke bekam. Jedenfalls ist dieser Text der erste in Vives' Korrespondenz über Morus. 1521, nach dem Tode von Croys, erscheint Morus häufiger in den neuen Briefen, und es ist klar, daß Vives angeeiner Reise nach Aachen, noch von ihrer Anwesenheit bei der Krönung. Die allgemeine Annahme, Erasmus sei nicht dabeigewesen, wird also bestätigt. 6

Es fanden nicht nur die Kaiserkrönung, sondern auch die Verhandlungen mit G. Aleandro, dem päpstlichen Gesandten in der Luther-Affäre, statt.

7

Man vergleiche mit dem Namen Alciatus in Brief 20, Zeile 105.

Vivesbriefe 79 fangen hatte, mit dessen Hilfe einen neuen Mäzen zu suchen. 1520, als von Croy noch lebte, wäre dies natürlich nicht nötig gewesen. Zwei Briefe von Vives geben auch neue Einzelheiten über Erasmus in der Zeit zwischen Ende April und Anfang Mai 1521 wider. Am 29. April schrieb Vives folgendes an Cranevelt: [Erasmus] profectus est Mechliniam evocatus ad colloquium cum Tonstallo Britanno, etiamsi non usque quaque bene valens et plane me dissuadente ne committeret se itineri; sed ille homo itinere reficitur. Velim eum optime valere. Expectamus eum quottidie.

Und am 22. Mai heißt es: Erasmus est nunc Antverpiae; iam antequam e o proficisceretur, venerat Mechlinia, convento Tonstallo, confirmatiore valetudine.

Wenn wir diese Information mit dem zusammenbringen, was wir aus anderen Quellen wie z.B. der Korrespondenz Erasmus' schon wußten, ergibt sich folgendes Bild von Erasmus' Reisen zwischen Löwen, Mecheln und Antwerpen im April/Mai 1521: Am 15. April war er in Antwerpen (Allen 1199), am 23. April war Tunstall, Gesandter von Heinrich VIII., auf der Rückreise von Worms nach England bei Karl V. in Mecheln eingetroffen. Der Weg mußte ihn normalerweise über Löwen geführt haben, wo er Erasmus am 22. offenbar nicht getroffen und eine Nachricht mit der Bitte hinterlassen hatte, ihn wenn möglich in Mecheln aufzusuchen. Es kann sein, daß Tunstall einige Tage vor dem 22. in Löwen war und über Brüssel nach Mecheln reiste. Das würde erklären, warum Erasmus auf seiner Rückreise von Antwerpen nach Löwen (dieser Weg führt über Mecheln) von der Englischen Gesellschaft nichts erfahren hatte. Kurz nach dem 22. April muß Erasmus, nicht in bester Gesundheit, von Antwerpen nach Löwen zurückgekehrt sein. Gegen den Rat von Vives, seine Gesundheit zu schonen, ist er sofort nach Mecheln zurückgefahren. Aber wie Vives bemerkt, machte Erasmus das Reisen gesund. Am 29. oder 30. April war Erasmus wieder in Löwen. Am 29. erwartete Vives ihn zurück, und am 30. schrieb Erasmus aus Löwen seinen Brief (Allen 1200) an Willem Frederiks. Daß er Tunstall begegnet war, bestätigte Vives am 22. Mai. Am 14. Mai war Erasmus noch in Löwen (Allen 1203), am 24. war er wieder in Antwerpen (Allen 1205). Da Vives am 22. schrieb, daß Erasmus zu jener Zeit in Antwerpen war, mußte er spätestens am 21. und wahrscheinlich schon einen oder mehrere Tage früher Löwen verlassen haben. Über Vives selbst erfahren wir auch so manches Neue. Ich beschränke mich hier auf die ersten Januarwochen 1521. Vives fühlte sich wohl in Löwen wegen der bedrückenden theologischen Atmosphäre ganz und gar nicht glücklich. Die Stadt, in der man - wie er schreibt - angefangen habe, jüdische Werke und Lutherbücher zu verbrennen und der Marktplatz an der Peterskirche eine Schmiede von Lügen sei ("Forum divi Petri est fornax mendaciorum follibus bene ventosis"), konnte ihm nicht gefallen. Ende 1520 beschloß er, die Univer-

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sitätsstadt endgültig zu verlassen, und in den ersten Tagen des Jahres 1521 hatte er auf dem Weg nach Brügge seine Bücher schon nach Antwerpen geschickt. Kaum hatte er aber selbst die Reise nach Brügge angetreten, da erreichte ihn in Mecheln die bestürzende Nachricht vom Tode seines Gönners Kardinal Wilhelm von Croy. Dieser war in der Nacht vom 10. auf den 11. Januar in Worms an einer "pestifera febris" gestorben, nicht - wie man meist noch in den Nachschlagewerken liest - am 6. Januar an den Folgen eines Sturzes von seinem Pferd. Vives, der dadurch plötzlich ohne Einkommen war, reiste noch bis Antwerpen weiter, in der Hoffnung, dort Hilfe zu finden. Aber in Antwerpen wartete ein zweiter Schicksalsbericht: In Brügge war nun auch Bernardo Valdaura, bei dem er Unterkunft hätte finden können, gestorben. Vives war somit gezwungen, nach Löwen zurückzugehen, um als Privatgelehrter und Lehrer Geld zu verdienen. Bald fing er an, mit Hilfe von Thomas Morus einen neuen Mäzen zu suchen. Bisher waren uns weder das Todesdatum Valdauras noch die Folgen für Vives Karriere bekannt; man wußte nur, daß Valdaura vor 1523 gestorben war. Die neuen Briefe sind weiterhin ein wichtiges Zeugnis des regen Gedankenaustausches und der Diskussionen zwischen Vives und Cranevelt. Sie zeigen auch ihre vereinten Anstrengungen, Griechisch zu lernen und einander die notwendigen Bücher zu beschaffen. Zusammen studierten sie Lukian und Homer, und Vives bat Cranevelt beispielsweise, für ihn ein griechisch-lateinisches Wörterbuch zu suchen sowie mehrere Autoren, die er für seinen Augustinuskommentar brauchte. Auch wenn er bestimmte Quellen zu Augustinus nicht finden konnte, bat er seinen Freund um Hilfe. Unter den Themen, die sie in ihren Briefen diskutierten, sind mehrere, die auch in Vives' Schriften eine wichtige Rolle spielen. Ich beschränke mich auf einige: 1. Sie befaßten sich mit der Frage, worauf sich politische Autorität und Größe stützten (Ep. 7). Cranevelt glaubt an den Genius bestimmter Menschen, Vives dagegen sieht das Geld als Grund der Macht und zitiert dazu einen Satz aus Aristoteles' Ethica Nicomachea. 2. Cranevelt hält alle Universitätsprofessoren, abgesehen von den Juristen, für Tagträumer. Darauf entgegnet Vives, daß die Juristen - außer Cranevelt - auch träumten, aber nur von Gold. 3. Aus den ersten zwei Punkten geht schon hervor, daß für Vives das Geld ein Problem darstellte. Die Frage von Armut und Reichtum (Ep. 9) wird in den Briefen wiederholt aufgerollt. Vives versucht, eine philosophische Haltung anzunehmen, aber man spürt trotzdem, daß er gerne ein wenig mehr Geld zur Verfügung gehabt hätte. Einerseits sagt er, daß derjenige arm sei, dem das Lebensnotwendige fehle, andererseits hänge dieses Notwendige jedoch mit der individuellen Situation zusammen. So brauche er als unverheirateter Privatgelehrter viel weniger Geld als ein Stadtrat mit Frau und Kindern, wie im Falle Cranevelts. Trotzdem fühlte er sich häufiger von der Armut bedrückt. Seine Wohnung nannte er ein "gurgustiolum". Am 12. Oktober 1521 schrieb er an Cranevelt:

Vivesbriefe

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Ex Vergilio non redibit domum manus aere gravis (...). Hoc est plane trahere vitam, non ducere. Quid labor et bene facta iuvant?

Desweiteren berichtete er, ein Wahrsager ("Chaldaeus") habe ihm großen Reichtum prophezeit, von dem er jedoch noch nichts gespürt habe. Wenn man solche Äußerungen liest, wundert man sich nicht, daß ausgerechnet Vives später ein Traktat De subventione pauperum schrieb und darin sehr fortschrittliche Vorschläge bezüglich der Armenhilfe machte: er kannte die Härte der Armut aus eigener Erfahrung sehr gut. Auf ähnliche Weise findet man in den neuen Briefen Spuren mancher Ideen, die Vives in seinen späteren Schriften weiterentwickelte. Darüber hinaus verkündet er ganz und gar offen seine Meinung über damals heikle Themen wie die päpstliche Autorität, die Beichte, die Theologie im allgemeinen, die Bücherverbrennung usw. Deutlich ist, daß diese Briefe nicht für die Öffentlichkeit geschrieben wurden, sondern einen Gedankenaustausch zwischen zwei Freunden darstellen, die einander vertrauten. Es ist bezeichnend für die in den nächsten Jahren um sich greifenden Ängste, daß später in einem Brief der Name Lutherus als Lotharius überschrieben wurde, in einem anderen als Rupertus, und in einer kritischen Zeile über Aleandros Auftreten in Köln ("Choragus illius comoediae fuit Aleander") wurde dessen Name in Menander geändert. Ich fasse kurz zusammen: Die Vives-Forschung steht an einem Wendepunkt. Es gibt nicht nur 31 neue Briefe, es gibt auch die grundsätzliche Neudatierung der Frühschriften aufgrund des von González wiedergefundenen Lyoneser Drucks aus dem Jahre 1524. Es gibt schließlich schon eine beachtliche Reihe kritischer Ausgaben, die zeigen, welch einschneidende Änderungen Vives vornahm, wenn er seine Schriften neu herausgab. Mayansius ist ganz und gar überholt, und es ist wissenschaftlich nicht mehr akzeptabel, Teile davon einfach anastatisch zu reproduzieren und als Neuausgabe zu präsentieren. Noch weniger akzeptabel ist es, auf der Basis von ganz unzuverlässigen und fehlerhaften Übersetzungen wie jene von Ribera und Noreña Forschungen durchzuführen. In der Vergangenheit ist Vives oft das Opfer von ideologisch entstellten Forschungen gewesen. Jene Zeit scheint glücklicherweise vorüber zu sein. Wir müssen dafür sorgen, daß an ihre Stelle keine philologisch wackeligen Studien treten.

Licet poetae fingere? - Los textos ficcionales de J. L. Vives y su legitimación de la ficción poética Javier Gómez-Montero (Kóln) I. Planteamiento de la cuestión Hasta la última década parecía firmemente apuntalada la imagen de un Vives abiertamente contrario a la literatura de ficción. Henry Thomas puso de relieve su "ataque fulminante a los libros de caballerías".1 Marcel Bataillon destacó que su "moralismo intransigente llevó a la reprobación de toda poesía".2 Carlos G. Noreña remarcó el severo juicio de J. L. Vives para con la literatura pagana que, según 61, puede conducir a los lectores a "an aesthetic orgy of imagination".3 Estas apreciaciones se basan particularmente en los tratados De institutione feminae christianae (1523), De tradendis disciplinis (1531) y De ratione dicendi (1533). Los críticos aludidos pretenden constatar una actitud contradictoria de J. L. Vives ante las litterae. Por una parte, forjan la imagen de un humanista que no pierde ocasión para entonar una laus litterarum y, por otra, interpretan el derroche de citas textuales que traen a colación como una denostación sin paliativos de los valores ideológicos plasmados en los textos literarios que tanto encarece. No obstante, en los últimos años, los estudios de Karl Kohut," Josef IJsewijn,5 Edward V. George 6 y Emilio Hidalgo 7 han dado un giro espectacular a la cuestión replanteando el enjuiciamiento de la crítica y teoría literaria de J. L. Vives en términos completamente diversos. Los dos primeros han hecho hincapié en el dilema de Vives que, dependiendo del contexto, enjuicia la literatura de

1

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Henry Thomas, Las novelas de caballerías españolas y portuguesas (Madrid 1952), pp. 124-127 (vid. p. 124). Marcel Bataillon, Erasmoy España. Estudios sobre la historia espiritual de1 siglo XVI (México 1966), pp. 614-617 (vid. p. 617). Carlos G. Noreña, Juan Luis Vives (The Hague 1970), pp. 178-181 (vid. p. 178).

"Literaturtheorie und Literaturkritik bei J. L. Vives", en: Juan Luis Vives. Arbeitsgespräch in der Herzog-August-Bibliothek. Hrsg. v. A. Buck (Hamburg 1981), pp. 35-47 y "Rhetorik, Poetik und Geschichtsschreibung bei Juan Luis Vives, Sebastián Fox Morcillo und Antonio Llull", en: Texte, Kontexte, Strukturen. Beiträge zur französischen, spanischen und hispanoamerikanischen Literatur. Festschrift für Karl Alfred Blüher zum 60. Geburtstag (Tübingen 1987), pp. 351-370. 5 "Vives e la Poesia", en: Actas del Congreso de Nebrija (Salamanca 1993, en prensa). 6

"Rhetoric in Vives", en: Opera Omnia Ioannis Lodovici Vivís, I. Volumen introductorio. Coordinado por Antonio Mestre. (Valencia 1992), pp. 113-177.

7

"Vergessenheit der geschichtlichen Sprache und ihrer Funktion. J. L. Vives' Humanismus als notwendiger Wendepunkt des Philosophierens", en: Juan Luis Vives, Über die Gründe des Verfalls der Künste. De causis corruptarum artium (München 1990), pp. 7-99.

Textos ficcionales de Vives

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forma ambivalente según asuma el rol de pedagogo o de humanista lector y adicto a las Bellas Letras. Además, E. V. George ha acertado a aglutinar los escritos retóricos de J. L. Vives en dos núcleos que corresponden a dos fases bien diferenciadas de creación: los años 1514-23 y el período de madurez entre 1531 y 1534. Los primeros años están determinados por su labor docente en la universidad de Lovaina y dan testimonio de un afán creador alentado por la imitación de la literatura clásica greco-latina.8 Con los tratados de los años treinta J. L. Vives ambiciona sistematizar su teoría y crítica literarias. La etapa inicial supone el momento de mayor intensidad de la actividad filológica de J. L. Vives en su triple faceta de editor, comentarista y traductor de la literatura greco-latina, tanto pagana como cristiana.9 No cabe la menor duda de que J. L. Vives puso sus enormes conocimientos filológicos al servicio de intenciones pedagógicas y filosóficas.10 Estos trabajos significan un radical cambio de orientación en la valoración de la crítica y teoría literaria de J. L. Vives: la perspectiva pedagógica y moral que incide en los criterios de la ejemplaridad, utilidad y conveniencia expresiva no excluye un planteamiento epistemológico. Un tema central que inquieta a J. L. Vives en esa primera etapa de labor filológica es el de la representación de la veritas y la legitimidad de la ficción para ello. Con respecto a este punto E. Hidalgo ha señalado el papel que J. L. Vives otorga al ingenium para crear con el lenguaje imágenes, elaboradas por la imaginación, capaces de representar el ser de la res\ quod si ea sit res, quae cognosci a sensibus non queat, esse quidem aut non esse, (...) imaginem tamen ei affingit phantasia, ex rebus sibi notis desumtam.

Con las premisas asentadas se debe otorgar una relevancia fundamental a un opúsculo de 1514 que Vives reelaboró en 1522, en el que llega a proponer teóricamente el programa de una literatura de ficción, aceptable y deseable: el Veritas jucata, sive de Licentia Poética quantum Poétis liceat a Veritate abscedere,12 En este diálogo los términos del problema se establecen en el marco de una discusión entre las figuras alegóricas Verum y Falsum, abarcando éste tanto la mentira como la ficción poética. En la Fabula de homine (1518) Vives, haciendo acopio también de una fabula alegórico-mitológica, adopta la fórmula 8

g

Vid. E. V. George, "Rhetoric in Vives" y "Imitatio in the 'Somnium Vivis'", en: Juan Luis Vives. Arbeitsgespräch in der Herzog-August-Bibliothek. Hrsg. v. A. Buck (Hamburg 1981), pp. 81-92. Vid. Jozef IJsewijn, "Vives and Humanistic Philology", en: Opera Omnia, I, pp. 77-111.

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Ibidem, pp. 110-111.

11

De anima et vita, en: Juan Luis Vives, Opera Omnia, III, pp. 343-344. Vid. E. Hidalgo, op. cit., pp. 46-54.

12

Joannis Ludovici Vivis Valentini Opera omnia, distributa et ordinata in argumentorum classes praecipuasa Gregorio Majansio (Valencia 1782), vol. II, pp. 517-531. Al no disponer de copia de ediciones publicadas en tiempos de J. L. Vives, me veo obligado a citar según la de G. Mayáns, aun siendo conciente de que no es de fiar, a no ser que exista otra más reciente.

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de una fingida representación teatral del hombre ante los dioses paganos para expresar su dignidad. En ambos casos el humanista valenciano recurre a una fábula, completamente producto de la imaginación, que reúne las condiciones establecidas en el Ventas fucata II. Otros textos con elementos Acciónales en que el núcleo de la disertación descansa sobre una base narrativa son el Anima Senis (1518), el Aedes Legum (1519) y, especialmente, el Somnium Vivís in Somnium Scipionis (1520). Además de los casos enumerados, durante estos años J. L. Vives hizo frecuente uso de prácticas alegóricas y estructuras figurativas para elaborar el discurso textual no sólo en obras estrictamente filológicas (así, p.ej., en las Declamationes Sullanae y en el Pompeius fugiens de 1520), sino también en escritos de edificación religiosa como las Meditationes in septem psalmos, quos vocant poenitentiae (fechados en 1518 y con epístola preliminar de 1517) y el conjunto Christi Iesu Triumphus (1514) que incluye la Virginis Dei Parentis Ovoatio y la Christi Clipei Descriptio,13 Se debe concluir, por tanto, que el humanista valenciano compuso varias obras con un núcleo ficcional y narrativo. Los textos aducidos suponen una respuesta pragmática y netamente afirmativa al problema planteado al ejercitarse él mismo como escritor de literatura ficcional. Además contamos, en los tratados de los años treinta, con abundantes especulaciones teóricas sobre la legitimidad de la literatura de ficción. En las páginas siguientes serán analizados y confrontados los textos en cuestión. II. Legitimación de la ficción poética en términos alegóricos El primer punto a desarrollar serán los criterios que J. L. Vives establece para legitimar la ficción en la composición de la fabula literaria. En el Ventas fucata el humanista valenciano recurre a la imagen de la verdad maquillada (hermosamente, y no "Verdad embadurnada" según la tendenciosa traducción de Lorenzo Riber). 14 El rostro de la figura alegórica - en la tradición de las personificaciones ovidianas de la Fama o del Somnus - se describe en los siguientes términos: "Erat Veritas cultu simplici, parabili, rusticano, habitu oris totius subtristi" (p. 518). El interlocutor de J. L. Vives, el humanista Juan de Vergara, ficcionalizados ambos en la textura dialógica, da cuenta de la negociación entablada "inter principes Verum et Falsum" (p. 522) con ocasión de su paso por la morada de los hombres (cf. p. 518). Vergara relata cómo Veritas en seguida es rodeada de filósofos que "assectari se omnes clamabant" (p. 519), mientras que "deambulabat in adversa porticu Falsum" (p. 519). Cuando Demóstenes, en nombre de la Verdad, se dirige a 13

Vid. E. V. George, "Rhetoric in Vives", pp. 119-129 ("he proceeds to a recasting of scriptural poetry in persuasive embellishment", p. 134). 14 Juan Luis Vives. Obras completas (Madrid 1947, reeditadas en 1992), vid. vol I, p. 883.

Textos fìccionales de Vives

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una muchedumbre de filósofos, oradores y poetas congregados a su alrededor se desencadena un ensordecedor tumulto entre los presentes hasta que Platón exhorta a los adictos de lo Falso a sumarse al partido de la Verdad. Platón y Homero, representantes respectivos del Verum y del Falsum, se improperan mutuamente hasta que el filósofo, cortando por lo sano, Homero, et ceteris poétis interminatus est nullum illis fore in sua república locum, quam nunc excitaret admirabilem, quippe quam soli sapientes incolerent (p. 522).

Merece la pena tomar con atención el pulso a esta sustanciosa parábola. "In contubernio Falsi" se produce un grave altercado por la afrenta cometida a Platón ("legatum Veritatis", p. 522) que culmina en la decisión de enviar a lo Verdadero una embajada de reconciliación. Así, Homero, acompañado por Hesíodo ("Homo Boeotius, visu, et lingua rusticana veritatis non dissimili", p. 523) y por Luciano y Apuleyo, presenta a la Verdad la propuesta de que "cultum, fucumque Falsi admitteret" (p. 525). Tras concienzuda deliberación "in Consilio Veritatis" (p. 525) se decidió que "certis conditionibus accipi mandata; fucum in totum nec admitti, nec rejici" (p. 527). J. IJsewijn ha resumido concisamente punto por punto el católogo de los diez requisitos del contrato estipulado entre ambas partes. Me permito recurrir a su paráfrasis de los términos del acuerdo: 1. Poeti non possono inventare cose fittizie, per non diventare mentitori; ma possono far uso di tutte le invenzioni di "Fama publica": storielle popolari, pattegolezzi ecc. 2. Tutti gli avvenimenti preistorici, (...), sono avvolti nelle tenebre, e perciò la fantasia poetica può volare libera per questa epoca; solo che non sia permesso cambiare la versione dei fatti preso i grandi poeti. (...) 3. Per la storia più recente i poeti devono attenersi alla verità, benché qualche abbellimento è permesso. (...) 4. In un'opera finzione e verità possono esser mescolate a condizione che la finzione rimane limitata alla preistoria. 5. A causa dell'importanza enorme della moralità, gli autori possono inventare favole, commedie e dialoghi che favoriscono la vita onesta. 6. Sarà sempre permesso abbellire la verità per mezzo di enigmi, metafore e altri espedienti retorici. 7. Nell'arte e nelle cose pedagogiche bisogna conservare pura la verità, benché è lecito l'uso del linguaggio metaforico. 8. Nell'abbellire la verità bisogna sempre procedere in modo probabile, coerente e conveniente.

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Javier Gómez-Montero 9. Se qualcuno desidera seguire Falsus per divertim|nto, lo potrà fare se è un autore molto dotato. Riceverà allora la cittadinanza milesia (...).

Evidentemente, la metáfora del maquillaje, del fiicum Veritatìs, incluye la categoria conceptual de la ficción. En la quinta condición se concede libertad ilimitada a los escritores cuya praxis inventiva se atenga a los principios de ejemplaridad y utilidad. Al mismo tiempo se recomiendan como géneros de literatura ficcional el apologus (es decir, la fábula de corte esópico), 16 la comedia y el diálogo: Quoniam morum meliorum gratia multa sunt concedenda, quaecumque vel ad mores spectabunt, vel ad aliquem vitae usum, libera relinquentur scriptoribus, adeo ut sequi in totum Falsum et apologos comminisci permittatur; hic et novae comoediae picturae humanorum affectuum, et dialogis, qui multum comoediis accedunt, esse locum. (p. 528)

Pero al poeta también le será permitido seguir la inclinación de su propio gusto sin obligarse a tener en cuenta ni la ejemplaridad ni la utilidad de su composición. "Animi sui gratia" (p. 529), siempre que lo explicite de forma ostensible, serán incluso legítimas las fábulas milesias, las fabulae licenúosae tan denostadas en el De ratione dicendi:17 Si quis prorsum animi sui gratia Falsum assectari statuerit, nec ad mores, aut vitae usum deflexerit, ne desint Principi illi comités, permitti, modo insigni aliquo distinguantur id professi, donenturque civitate Milesia amoena, et deliciosa; circumferant etiam secum in sermone delicias, lusus, et utramque Vulcani uxorem, vivantque cum Luciano, Appulejo, Clodio Albino Principe Ro[mano], (p. 529)

Así rezan la cláusula quinta y el comienzo de la novena. En la sexta se establece que el poeta, en el plano de la elocutio, puede dar rienda suelta a su arte adornando la verdad con las facultades imaginativas de que está dotado: Omni tempore, omni aetate, omni scriptorum generi jus erit Veritatem fucare aenigmatis, abusionibus, translationibus, quae latissime patent. (p. 529)

Las tres cláusulas transcritas permiten dilatar al máximo las posibilidades de la actividad poética. El corolario conversacional de los dos interlocutores lo testimonia explícitamente: V/v. ¿Quám putas aequis animis inclusurus his se limitibus poetas, genus hominum vagum, et liberum? Ver. ¿Ecquid latius dici potest vel liberius istis finibus? (p. 530)

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J. Usewijn, "Vives e la Poesia", pp. 8-9 del tiposcripto citado en la nota 5 que el autor ha tenido la amabilidad de confiarme. 16 "Apologi conficta exempla sunt in usum vitae...; apologorum olim multae fuerunt species, sicut Aphthonius tradit, Sybariticus, Cyprius, Cilicianus, Aesopius, ab inventoribus, omnes vero in Aesopium concessere; narratio haec veritatem non spectat, et tamen verisimilitudinem hactenus debet obtinere." (De ratione dicendi, III, V; en: Juan Luis Vives, Opera Omnia, II, p. 215). 17

Ibidem, p. 216.

Textos ficcionales de Vives

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Los puntos restantes, aunque planteen una serie de restricciones al tratamiento poético de hechos históricos, constituyen un apasionado elogio a la literatura greco-latina. Con respecto a los eventos precedentes a las Olimpiadas, es decir, según su cronología a partir de treinta años antes de la fundación de Roma, se consentirá la mezcla de lo verdadero con lo falso, siempre que "summae, et veluti nuclei reserventur Veritati" (pp. 527-528), puesto que es indiscutible el carácter fabuloso de tales hechos (cf. "Quarta conditio", p. 528). El criterio de la ficción en la representación de la historia es la fidelidad a los acontecimientos narrados; la Ucencia poética se reduce, por tanto, al maquillaje "decoris, aut gratiae, aut voluptatis, aut etiam utilitatis, morumque causa" (p. 528). Reuniendo estas características, las ficciones contenidas en los poemas épicos de Virgilio, Luciano, Silio Itálico y Valerio Flacco son dignas de la mayor estima. Del resumen de las ideas expuestas en el diálogo Veritas fucata se desprende sin ningún género de dudas la función epistemológica que Vives otorga al texto ficcional como medio de representación de la verdad. La literatura ficcional abarca tanto las "res gestae" (p. 527) como el conjunto de los "humanorum affectuum" (p. 528) y el amplio complejo "de re ad artes et eruditionem spectante" (p. 529). La fabula, la ficción, es considerada como medio legítimo de representación de la verdad. El criterio de la "fama publica" (p. 527), palabras con que comienza el elenco de requisitos, la moralidad, no pierde en absoluto su vigencia. Bien al contrario, en Veritas fucata se armoniza en ponderado equilibrio con otros elementos constitutivos del texto literario ficcional. La relevancia del diálogo estudiado para la dilucidación del papel que J. L. Vives otorga a la ficción poética radica en que se centra precisamente en los autores, géneros y cuestiones tratados de forma contradictoria en sus escritos de intención pedagógica según se trate de la educación de la mujer o del joven estudiante (vid. De institutione feminae christianae, I, V y De disciplinis, 2a, III, V-IX). Así, no asoman lo más mínimo los autores cristianos de la Baja Latinidad como S. Jerónimo, Boecio, Tertuliano, San Agustín o Prudencio (por traer a colación algunos incluidos en la lista de los autores recomendados sin restricción alguna en sus escritos). III. Legitimación de la ficción en términos argumentativos En el De ratione dicendi, J. L. Vives replantea el asunto desde la perspectiva del filólogo.18 Las correspondencias entre las tesis expuestas en este compendio de retórica y en el Veritas fucata son significativas. Las alegorías Verum et Falsum se convierten en categorías conceptuales configuradas de forma particular según el tipo de discurso narrativo y género literario de que se trate (III, II-VII). Según su finalidad ("ex fine censentur") se distinguen tres tipos de

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K. Kohut ha expuesto las ideas fundamentales contenidas en el tratado (vid. "Rhetorik, Poetik und Geschichtsschreibung...", op. dt., pp. 352-357).

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narrationes: vera ("ut aliquid doceamus, seu explicemus"), probabilis ("ut persuademus") y licentiosa ("ut detineamus"): narrationem, quam ad explicandum paratur, veram esse par est, hanc historiam vocamus; ad persuadendum vero, si id volumus persuadere quod narratur, oportet esse probabilem, sin aliud per eam, apte est confingenda, quales sunt apologi, sin ad delectandum atque occupandos ánimos, ea est licentiosa;

El género de la narratio vera es la historia tal y como la practicaron los historiógrafos greco-latinos (cap. III, "De historia"). La narratio probabilis se justifica dada la particular condición del entendimiento humano, es decir, con un argumento epistemológico (lo falso es aconsejable para conferir mayor probabilidad a lo verdadero): aliquando falsa quaedam quibusdam veris fiunt probabiliora, quod non ex rebus ipsis nascitur, sed ex nobis prave judicantibus, ideoque non veré modo narrandum est, quod reí quidem sufficeret, sed verisimiliter propter nos.

El género más excelente de la narratio probabilis, por su mayor utilidad "in usum vitae" (p. 215) son los apologi. El único género denostado de la narratio licentiosa (o poetarum fabulae, p. 217) es el de las fabulae milesiae cuya ficción no sólo carece de verosimilitud sino también de utilidad: [Fabulae Milesiae] ad voluptatem solam sunt repertae, (...) genus quoddam fabularum, nec verum, nec verisimile, nec in aliquem usum vitae paratum et congruens...

Esta consideración relativiza la tesis "permisiva" del Veritas fucata pero se explica por el enfoque concreto de la disertación. Antes, a propósito de la narratio probabilis en general, se había fundamentado la verosimilitud como principio de representación en la acepción del arte como "naturae imitatrix" (p. 214). De hecho, al analizar la tercera forma de la narratio ("De poéticis", III, VII), J. L. Vives legitima explícitamente la ficción, la recomienda si se atiene al principio de la verosimilitudo y matiza gradualmente su conveniencia según los diversos géneros literarios: Summam fabulae nunquam licuit poétae fingere, in re dico quae pro gesta haberetur, nam in apologis, ut scenicis, aut Milesiis, semper licet; rem vero gestam ornan conceditur, et augeri ad admirationem, et voluptatem, quod etiamnum permittitur, nam si cui hoc solum est propositum multo et copioso sermone audientium ánimos tenere, eum oportet in mendaciis expendendis et segregandis a vero non esse admodum religiosum, sed recta ingredi quacunque auditoris ducat delectatio, sive in verum incidat, sive in falsum; hoc poétae veteres factitarunt; quanquam non usque eo falsas esse has fabulas convenit, qwn similitudinem aliquam retineant veri, ut nec impossibilia dicantur, ñeque incredibilia...

19 20

Juan Luis Vives, Opera Omnia, II, p. 204. Ibidem, p. 213.

21 22

Ibidem, p. 216. Ibidem, p. 218.

Textos ficcionales de Vives 89 Los términos fabula y narratio parecen usarse indistintamente. La poesía épica de tema histórico constituye un caso de contaminación de historia y ficción en el que debe prevalecer la verdad sobre la mentira poética. En el apologus la ficción se legitima por la excelencia moral del género (pp. 215-6) y en las formas dramáticas por respetarse en ellas las reglas de la imitatio naturae (p. 220). También en las fabulae milesiae la ficción es un elemento constituyente del texto literario. Sólo cuando la utilidad se convierte en criterio fundamental de valorización, J. L. Vives las enjuicia negativamente de acuerdo con su exigencia: "adhórtete carmen et inflammet ad virtutem, dehortetur, et deterreat a vitio" (p. 220). La voz del moralista había prevalecido en el pasaje del De ratione dicendi en que las fabulae milesiae ("sermones amatorios", p. 216) se consideraban como una forma de literatura erótica y de entretenimiento apreciada "vel in conviviis, vel in coetibus virorum ac feminarum". Pocas páginas más adelante, en sustitución de esas narraciones escabrosas (que, en su opinión, deberían ser expurgadas),23 J. L. Vives recomienda otros relatos amenos, divertidos, asombrosos e ingeniosos: si [in conviviis] nec virtutis placet materia, cantentur saltem ea, quae sine animorum corruptela audiantur, et teneant, cujus generis sunt descriptiones amoenorum locorum, aut temporun^casus varii, rídiculi, admirabiles, tristes, laetis, dicta arguta, lepida, salsa, et alia ejusmodi.

El párrafo transcrito contiene todo un programa de literatura ficcional de inspiración humanista, entretenida y provechosa a la vez, que ofrece un amplio margen a la invención poética. Me parece altamente significativo que el propio Erasmo, en el Convivium fabulosum y en términos muy semejantes a los de J. L. Vives, había marcado la pauta de las posibilidades de la ficción para la literatura de entretenimiento: "Nihil iucundius, quam quum serio tractantur nugae."25 La argumentación de J. L. Vives afirma suficientemente la legitimidad de la ficción poética. Sus observaciones sobre autores greco-latinos como Luciano o Apuleyo y su crítica a géneros contemporáneos como los libros de caballerías no implican en absoluto su repudio de la literatura ficcional. Bien al contrario, el programa esbozado de una praxis textual basada en la ficción supone una alternativa concreta y complementa su incesante recurso a otros esquemas de representación ficcionales sancionados en la Antigüedad.

23

24

25

En la segunda parte de De disciplinis aconseja la extirpación de lo obsceno (III, V). Luciano (cap. VII) y Ovidio (cap. IX) le merecen una mención explícita. Ibidem, p. 221.

Opera Omnia Erasmi Desiderii Roterodami, Colloquia, ed. L.-E. Halkin, F. Bierlaire, R. voi. 1,3 (Amsterdam 1972), pp. 438^49, (vid. p. 449).

Hovey,

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IV. Procedimientos y estructuras en los textos Acciónales La práctica escritural de J. L. Vives ofrece numerosos ejemplos de integración de la ficción en un discurso argumentativo. El caso del Ventas fucata es un exponente diáfano de su gusto por el diálogo de corte erasmista-lucianesco de cuyos deliciosos ingredientes ha dado buena prueba el sucinto análisis precedente. La estructura de este tipo de diálogo permite la articulación de elementos Acciónales y digresivos en una trama narrativa. Por una parte posibilita la ficcionalización del autor y un amigo suyo como interlocutores, de categorías conceptuales como figuras alegóricas y de poetas o filósofos de la Antigüedad como protagonistas (incluso, en otros casos, también la reficcionalización de personajes literarios). Igualmente permite el desarrollo de una acción y la inclusión de episodios descriptivos como la divertida caricatura de la república de sabios ideada por Platón. Y, al mismo tiempo, cabe la articulación de una digresión conceptual y la argumentación crítica. Parábola y reflexión explícita convergen en el ameno pasaje en que son ridiculizados los filósofos que no cejan de cortejar de mil maneras a la Verdad. Los diálogos de Luciano se difundieron por toda Europa a comienzos del siglo XVI gracias a la traducción latina de Erasmo y Tomás Moro. 28 Gozaron de alta reputación en círculos humanistas llegando a desencadenar una ola de imitaciones. Su recepción corrió pareja a la de los Colloquia Familiaria de Erasmo. En los párrafos introductorios a las 'AXtiScov Auy/ruiáxcov Luciano expone abiertamente haber referido muchas mentiras verosímiles argumentando que, a través de la mentira, llega a expresar la verdad: kcxv ev yáp 5t) to-oto áX'nee'óaa) Xéyoov oxi VEÚSo^ai ,27 Estas palabras formulan la función epistemológica de la mentira poética. En Veritas fucata Vives hace gala de un agudo sentido del humor cuando J. de Vergara expone que durante la cena, tras las negociaciones entre lo Verum y lo Falsum, como puro regocijo, los escritores escuchan las historias verdaderas de Luciano: "Lucianus suas veras narrationes exposuit, quas nec ipse, nec alius quisque vel vidit, vel audivit, vel credet" (p. 527). J. L. Vives recurre a semejantes estructuras y procedimientos narrativos para componer otras fabulae que pueden considerarse como modelo opuesto a las fabulae licentiosae (Milesiae) denigradas anteriormente. El esquema argumental de la Fabula de homine consiste en una reunión de dioses paganos - con motivo del cumpleaños de Juno - que culmina en la representación teatral del hombre. Las reminiscencias de la 8ecov EKicA.Ticyi.oc 28 de Luciano y de los 26

27

Jesús Gómez, El diálogo en el Renacimiento español (Madrid 1988), vid. pp. 109-149 y mi reseña en RJbAl (1990), pp. 383-386.

Luciani Opera. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit M. D. Macleod (4 vols., Oxonii 1972) [vid. vol I, p. 82, tr.: "pues, efectivamente, cuando miento, en este punto hablando, estoy diciendo la verdad"]. 28 Luciani Opera..., vol. III, pp. 149-157.

Textos fìccionales de Vives 91 Consilia deorum de la épica clásica y su travestimiento paródico-burlesco en el Apocolocintosis de L. A. Séneca son evidentes. La Fabula de homine, estudiada por Emilio Hidalgo29 y August Buck,30 se abre de forma harto significativa: "Libet mihi a ludis fabulisque auspicari hanc meam de hominem dissertionem, quoniam et homo ipse ludus ac fabula est."31 Aquí, Vives utiliza el vocablo fabula no sólo en oposición a historia (como texto ficcional, por tanto), sino también como forma concreta del relato mitológico-alegórico. En el siglo XVI español el término fábula puede significar igualmente, en general, narración ficticia, es decir, mimesis de una acción humana.32 Edward V. George, en la introducción a su edición crítica del Somnium Vtvis,33 ha descrito pormenorizadamente los elementos Acciónales de este texto. Por ello, me limitaré a poner de relieve dos únicos aspectos. En primer lugar, la ficcionalización de la figura del autor, de escritores latinos y griegos, de personajes literarios y mitológicos adquiere una función didáctica y crítica. Por una parte, la narración se integra en la realidad empírica de Vives quien - ya en el ámbito ficcional - ruega a Cicerón le explique el sentido de su Somnium Scipionis con objeto de transmitirlo al día siguiente a sus propios estudiantes en las aulas universitarias. Por otra parte, en la discusión entre las Musas Cloto y Atropos - como ha aclarado J. IJsewijn gracias a una de las cartas de Vives a Cranevelt recuperadas en 198934 - se ficcionalizan las disputas entre los filósofos escolásticos y los partidarios de una renovación del discurso filosófico según la concepción humanística.35 En segundo lugar, siguiendo las huellas de Ovidio {Metamorfosis, XI.642), Vives sitúa a la imaginación en la corte del Sueño. Descorriendo el velo impuesto por el lenguaje metafórico, constatamos que Vives describe la consistencia específica de lo ficticio en oposición a lo real y se limita a observar lacónicamente que algunos humanos prefieren Phantasos a la palpable realidad: Phantasos sigilla habet rerum universarum quae anima et sensu carent; quanta regna hic possidet, dii immortales! Quantas opes! Quam multum auri, argenti, margaritorum, gemmarum! Quae opes hoc ab iis quas veras solemus appellare distant, quod hae ut verae

29

op. cit., pp. 43-54.

30

Vid. su contribución en este mismo volumen: "Vives' 'Fabula de homine' im Kontext der 'dignitas hominis'-Literatur der Renaissance", pp. 1-80. 31 Juan Luis Vives, Opera Omnia, IV, p. 3. 32

33

34

35

J. Gómez-Montero, "¿Cuento, fábula, patraña o novela? Notas acerca de una tipología de las formas de narración breve en el siglo XVI español", en: Iberoromania 33 (1991), pp. 74-100. Juan Luis Vives, Somnium et Vigilia in Somnium Scipionis (Commentaiy on the Dream of Scipio). Edited with an Introduction, Translation and Notes by Edward V. George (Greenwood, 1989), pp. XLII-XLV. "Litterae ad Craneveldium. A Preliminary Edition. 1. Letters 1-30 (March 1520-February 1521). Edited by J. IJsewijn und G. Tournoy", en: Humanística Lovaniensia XLII (1992), pp. 1-85. Ibidem, p. 28.

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sunt ita veros pariunt dolores et cruciatus non fictos, illae ut sunt inanes fictaeque sic gaudia sibi similia, inania videlicet, gignunt, fictaque. Et alioqui sunt qui simulata haec et adumbrata veris illis atque expressis anteponant;... (pp. 20 y 22)

En este caso, J. L. Vives ni tematiza ni valora la eficacia de construcciones imaginativas en el discurso literario. Imágenes ficticias tienen cabida en otros relatos narrados en primera persona como el Anima Senis y el Aedes Legum. En el primero se alude a un ameno paraje, deleitoso y grato en cuyo centro descolla el Templo de las Leyes. En el segundo se trata de la visión de un espectro que resulta ser el alma de un viejo: Antequam Ciceronis Catonem enarrare incipio, describam vobis, quam potero aptissimé, Senisanimam, quae se se mihi nuper obtulit formá, non minus admirabili, quám jucunda et etiam grata.

Estas someras reflexiones sobre el comentario al De senectute y el Somnium Vivis autorizan concluir que los textos Acciónales del humanista valenciano se decantan como un entramado intertextual basado en la imitatio de esquemas de representación estandarizados en la literatura greco-latina. Dada la sistemática recurrencia de tales estructuras creo legítimo considerar las obras aquí tratadas como textos Acciónales en los que el pensamiento se articula unas veces conceptualmente y otras so capa de ficción. V. La praxis ficcional de J. L. Vives en su contexto humanista El supuesto dilema de J. L. Vives con respecto a la ficción literaria no surge en absoluto de una actitud existencial. En mi opinión se plantea más bien como una cuestión de enfoque, de forma de tratar el problema. El análisis muestra que el conjunto de los elementos ficcionales en la obra de la primera madurez de J. L. Vives, su práctica de la ficción poética, se decanta de manera congruente con la teoría forjada en los tratados de su madurez. Las fabulae estudiadas, fechadas entre 1518 y 1523 (cuando las letras griegas, latinas y neolatinas constituían su campo de aplicación cotidiano), fueron compuestas con finalidad didáctica, como introducciones a textos clásicos dirigidas a sus alumnos universitarios en Lovaina (excepción hecha del Fabula de homine). Tal práctica contaba con antecesores tan ilustres como Angelo Poliziano.37 No se deben desvalorizar como ejercicios retóricos. En su plena madurez, ciertamente, el humanista valenciano continúa postulando su amplio conocimiento como fundamental para la formación del adolescente. En De disciplinis (2a, III, V-IX) J. L. Vives traza detalladamente las lí-

38

37

Juan Luis Vives, Opera Omnia, IV, p. 9. J. IJsewijn señala como finalidad el intento de hacer más atractivo el comentario del texto en cuestión a los estudiantes ("Vives and Humanistic Philology", Opera omnia, I, pp. 103-4).

Textos ficcionales de Vives

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neas de un plan de estudios para jóvenes estudiantes (y universitarios) integrado en un amplio proyecto de reforma cultural y educativa. En el tratado De ratione dicendi, J. L. Vives desarrolla sistemáticamente una teoría de la narratio y expone sus criterios sobre la legitimidad de la ficción según los géneros literarios. Aquí, establece condiciones estrictas para la ficción poética y esboza un programa de literatura de entretenimiento. Entre ambas fases del quehacer de Vives mediaba la persecución inquisitorial de su familia38 y el enfriamiento de su relación con Erasmo,39 su cambio de orientación hacia temas políticos y filosóficos más graves.40 Con todo, las literaturas en lenguas románicas, aun conociéndolas a fondo, atrayeron menos su atención tal vez porque también en la literatura hubiera causado estragos el general proceso de corrupción de las artes {De disciplinis, la, IV). Sin embargo, la intermitente voz del moralista no llegó a apagar nunca su constante recomendación de la literatura. Del análisis de su concepto y praxis de la ficción poética, se desprende que la posición de J. L. Vives con respecto a la ficción literaria no dista tanto de la de otros humanistas contemporáneos. Las publicaciones de los últimos años41 han venido a confirmar la necesidad de insertar su pensamiento en el marco general del humanismo de los siglos XV y XVI.42 Especialmente A. Kablitz ha recabado en los numerosos testimonios que recoge B. Weinberg,43 ha documentado ampliamente que la necesidad de legitimar la ficción constituye un lugar común en la poetología del humanismo italiano y que su punto de arranque es el capítulo noveno de la Poética aristotélica.44 Según un criterio basado en la relación del texto con la verdad Aristóteles distingue entre el historiador y el poeta ( íaxopucóq / tcoit|tti "Vollendung der Schöpfung" setzt er die Abfolge "Vollendung der Schöpfung" - > "Erschaffung des Menschen". Pico verschafft damit dem Menschen einen bevorzugten Platz nicht innerhalb der Schöpfung, sondern neben oder über ihr, betraut überdies mit der ehrenvollen Aufgabe, Gottes Schöpfung zu bewundern und gleichsam als Kunstrichter zu würdigen. Die christlich begründete Gottesebenbildlichkeit des Menschen droht schon hier, wie eine Generation später bei Vives, in Überlegenheit umzuschlagen. Gott bzw. die Götter bedürfen des Menschen, dem Menschen aber wächst im Gegenzug die Freiheit der Rollenwahl und der Eigenverantwortung zu. Beide, Pico della Mirandola wie Juan Luis Vives, der eine in De dignitate hominis, der andere in seiner Fabula de homine, verkünden eine anthropologische Revolution, die nur noch durch die Existenz Gottes eingegrenzte Selbstermächtigung des Menschen. Der Riß, der damit durch die europäische Geistesgeschichte geht, scheint tief. Der Schauspieler, der bisher nur eine geborgte Maske trug, bekennt sich nunmehr ohne Scheu zu sich selbst. Wenn er eine Rolle spielt, schaut der Mensch bei Vives "unter der Maske hervor" und ist "fast ganz zu sehen". Er legt die Maske Jupiters ab und wird dennoch geehrt, selbst dann, als er, wie am Ende der Fabula de homine, seine eigene aufsetzt und, um ein Wort Nietzsches zu zitieren, "der Schauspieler seiner selbst" ist.7 Aristoteles hatte in seiner Poetik konstatiert, daß die Tragödie keine ästhetische Distanz kennt, sondern den Zuschauer einbindet und in Furcht und Mitleid zur Selbsterkenntnis führt, da sich auf der Bühne auch sein eigenes Schicksal erfüllt. Der Mensch aber, der bei Vives nach seinem schauspielerischen Triumph den Spielen in der Gesellschaft der Götter zuschaut, Spielen, die auch nach seinem Abgang andauern, ist weder existenziell noch ästhetisch erschüttert durch das, was er sieht. Die Götter dagegen sind, als sie dem Spiel des Menschen zuschauen, verwirrt, meinen sie doch, ihresgleichen, also im aristotelischen Sinne sich selbst und ihr Schicksal zu sehen.8 Der Mensch weiß,

8

Vgl. T. Schabert, Gewalt und Humanität. Über philosophische und politische von Modernität, Freiburg/München 1978, S. 165 ff.

7

F. Nietzsche, Fröhliche Wissenschaft (1881), Aphorismus 236 ("Um die Menge zu bewegen"). Zur Wort- und Bedeutungsgeschichte von persona (Maske) vgl. für den vorliegenden Zusammenhang den Artikel "Person" im Historischen Wörterbuch der Philosophie, hrsg. von J. Ritter und K. Gründer, Bd. 7, Basel 1989, s. v. I (M. Fuhrmann) u. II (B. Th. Kible). Dabei wird sichtbar, wie innig verquickt die nachantike Konzeption der Person mit der christlichen Trinitätslehre ist.

g

Manifestationen

Nur scheinbar geschieht hier mit den Göttern dasselbe wie mit den Menschen bei Pico della Mirandola: Wo diese, sofern ihre Sinne verwirrt sind, nach alter Tradition - Pico nennt selbst Kalypso - den Tieren gleichgesetzt werden (De hominis dignitate, ed. A. Buck, Hamburg 1990, S.

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wie man es anstellen muß, um die Götter und selbst Jupiter perfekt nachzuahmen. Damit erweist sich der Mensch als Alleskönner oder, in der Metaphorik des Theaters, als Archimimus. Doch das Theater ist, wie das Ende der Fabel zeigt, nicht mehr alles. Die Grenzen zwischen Gastgeber und Gast, zwischen Zuschauer und Schauspieler, zwischen Gott und Mensch sind verwischt. Die räumliche und zeitliche Geschlossenheit des Bühnenspiels bricht auf. Das Ende der Fabel ist die genaue Umkehrung dessen, was Vives in seinem Widmungsbrief als die Quintessenz der Theatermetapher dargestellt hatte: die vanitas des irdischen Schauspiels. Die Opposition zwischen Widmungsbrief und fabula, zwischen theatrum vanitatis und menschlicher Apotheose ist unübersehbar und nicht leicht abzutun. Sie bedarf vielmehr, will man sie nicht als den Ausdruck eines inneren Zwiespalts oder als Zensurabwehr deuten, der erneuten Erörterung. In seinem Buch I limiti dell'interpretazione unterscheidet Umberto Eco, um bei der Interpretation von Texten festen Boden zu gewinnen, drei Intentionstypen: intentio auctoris, intendo operis und intentio lectoris. Diese Aufteilung läßt sich besonders im Blick auf die beiden zuerst genannten Intentionen - weiter ausdifferenzieren: (a) si deve cercare nel testo ciò che l'autore voleva dire; (b) si deve cercare nel testo ciò che esso dice, indipendentemente dalle intenzioni del suo autore. Solo accettando il secondo corno dell'opposizione si poteva successivamente articolare l'opposizione fra: ( b l ) bisogna cercare nel testo ciò che esso dice in riferimento alla propria coerenza contestuale e alla situazione dei sistemi di significazione a cui si rifa; (b2) bisogna cercare nel testo ciò che il destinatario vi trova in riferimento ai propri sistemi di significazione e/o in riferimento ai propri desideri, pulsioni, arbitrii.

Die Interpretation der Fabula de homine als Vorbote der Emanzipation des Renaissance-Menschen aus metaphysischer Gebundenheit folgt, da sie bruchlos mit dem Text übereinstimmt, dem Programm (b). Nehmen wir jedoch, um die intentio operis an der intentio auctoris zu überprüfen, den Widmungsbrief hinzu, den Vives an den Freund Anton van Bergen richtet und in dem er ausführlich auf die Fabula de homine eingeht, so gerät diese Interpretation in größte Schwierigkeiten: Es entsteht ein Widerspruch zwischen der vanitasDeutung der Theatermetapher im Widmungsbrief und der Apotheose des Menschen nach beendeter Vorstellung in der Fabula, die "coerenza con-

9

8), handelt es sich bei Vives um die aristotelische peristrophé (vgl. E. Grassi, Die Macht Phantasie, a.a.O., S. 234). U. Eco, / l i m i t i delf interpretazione, Milano 1990 (dt. 1992), S. 22.

der

Fabula de homine

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testuale" (Eco) bricht auseinander. Es bleibt dann nur die Möglichkeit, das Widmungsschreiben als intentio auctoris wie angedeutet zu vernachlässigen und ganz auf den Text zu setzen (Modell b), selbst auf die Gefahr hin, daß die Fabula de hominis entsprechend dem Modell (b2) so eher als ein Beleg für die intentio lectoris denn als Meinungsäußerung des Autors (intentio auctoris) gelesen wird. Die Fabula de homine gehört ganz ohne Zweifel in den Zusammenhang der seit der Mitte des 15. Jahrhunderts einsetzenden dign/fas-Literatur, sie steht in der Nachfolge von Giannozzo Manettis Traktat De dignitate et excellentia hominis (1452) und Pico della Mirandolas Oratio de hominis dignitate (i486). 10 Die Würde des Menschen wird hier aus der Bindung an die bis zu Petrarca und z.T. auch später noch mitgedachte andere Seite der menschlichen Existenz, ihre miseria, gelöst und verabsolutiert.11 Die Frage ist nur, ob wir so an dem Hindernis vorbeikommen, das Vives mit seinem Widmungsbrief einer emanzipatorischen Lektüre in den Weg legt, ein Autor überdies, der trotz seiner scharfen Angriffe auf die scholastische Philosophie seiner Zeit nicht ohne weiteres als ein Rebell gegen das überlieferte Menschenbild gelten kann. Ganz im Gegenteil. Der Aufstieg des Menschen bis zur Gottgleichheit, den die Fabula de homine vorführt, läßt sich offenbar in seiner Endstufe nur dann begreifen, wenn man ihn christologisch versteht, als Rechtfertigung der menschlichen Selbstermächtigung nicht allein aus der Gottesebenbildlichkeit des Menschen, sondern auch aus seiner Gotteskindschaft, der Menschwerdung Gottes in Christus: Qui assidebant Jovi, cum in humano Archimimo tarn sibi eum placere viderent, facile intellexerunt illam ab ipso personam esse factam, quin et intentius perspicientes, multam Jovis effigjem in homine ipso agnoverunt, qua vel hebetissimus deorum judicasset natum eum esse a Jove. (Die Jupiter zur Seite saßen, erkannten leicht an dem großen Gefallen, das dieser an dem Erzschauspieler Mensch fand, er sei von ihm selber erschaffen, ja, bei näherem Hinschauen erkannten sie eine große Ähnlichkeit zwischen Jupiter und dem Menschen, so daß es auch dem Dümmsten klar werden mußte, daß der Mensch Gottes Kind ist.)

Daß Jesus Christus Gottes Sohn ist, bedeutet zweierlei: die Menschwerdung Gottes ebenso wie die Gottesebenbildlichkeit des Menschen. Das Pathos der d/gmias-Literatur des 15. und 16. Jahrhunderts speist sich aus dieser doppelten Quelle, es steht den Anthropologen der Zeit ebenso zur Verfügung wie den Theologen. 12 Wenn die moderne Sicht auf Pico della Mirandola, Manetti und Vgl. die Einleitungen, die August Buck seinen Ausgaben beider Texte mitgegeben hat (Hamburg 1990), und A. Auer, "Giannozzo Manetti und Pico della Mirandola 'De hominis dignitate'", in: Vitae et veritatae. Festschrift für Karl Adam, Düsseldorf 1956, S. 83-102. 11

12

Vgl. ebda., (Manetti), Einleitung, passim, und Loos, a.a.O., S. 118f. Inwieweit hier auch Gedankengut der Kabbala, das Vives durchaus bekannt sein konnte, eine Rolle spielt, muß dem Urteil des Spezialisten überlassen bleiben. Näher liegt es hier allerdings, an die platonische Liebestheorie zu denken, wie sie Sokrates als Aufstieg des Liebenden zur

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Vives den Akzent nur auf die Apotheose des Menschen legt, nicht auch auf die göttliche Gnade, so liest sie die Texte im Lichte der Entwicklung, die die europäische Geschichte in den folgenden Jahrhunderten und bis heute genommen hat.13 Diese Lektüre aber ist einseitig, sie ist, auch wenn sich Zeugnisse für eine gleichgerichtete Deutung relativ mühelos zusammentragen lassen14, nicht die ganze Wahrheit. Der Erzschauspieler der Fabula de homine ist nur deshalb ein gottgewordener Mensch, weil es den menschgewordenen Gott gibt. Juan Luis Vives ist insofern kein Vorläufer einer Anthropologie der Moderne (was er subjektiv ohnehin nicht sein konnte), sondern das Opfer einer Rückprojektion der objektiv eingetretenen späteren Entwicklung auf ihn, der allerdings dazu Anlaß gibt. Friedrich Schlegel hat das Wort vom Historiker als einem rückwärts gekehrten Propheten geprägt15 - sollte es hier seine Anwendung finden können?18

vollendeten Schau im Symposion vorträgt; vgl. dazu Historisches Wörterbuch der Philosophie, a.a.O., Bd. 5, Basel 1980, s. v. "Liebe" 1,2 u. 111,1 (H. Kuhn). 13

Das gilt letztlich auch für Ernesto Grassis Versuch, die rationalistische Fehlentwicklung des europäischen Denkens seit Descartes zu korrigieren und die Fabel aus dem Bedarf zu erklären, den das Göttliche für direkte Offenbarung habe (a.a.O., S. 235) - eben diesen Bedarf deckt ja schon zur Genüge die christliche Offenbarungsreligion. Zumindest aber bietet auch diese Deutung keine Hilfe zur Einbeziehung auch des Widmungsbriefes in die Lektüre der Fabel. 14 Vgl. T. Schabert, Modernität und Geschichte, Würzburg 1990, S. 12-15 (Anm. 4-10). 15 80. Athenäums-Fragment. Wie weit es inzwischen mit den Göttern gekommen ist, illustriert eine Erzählung von Jorge Luis Borges: Nicht die Götter, sondern die Menschen sind es nun, die das Schauspiel beurteilen, ein Schauspiel, in dem die antiken Götter in ihrer Menschengestalt auftreten, jedoch als Opfer des Islam und des Christentums nurmehr als ein Abglanz ihrer selbst: "Siglos de vida fugitiva y feral habían atrofiado en ellos lo humano; la luna del Islam y la cruz de Roma habían sido implacables con esos prófugos." (Ragnarök, d.h. Götterdämmerung).

Juan Luis Vives: Horizonte de España Luis E. Rodríguez-San Pedro Bezares (Salamanca) 1. HISPANO Y EUROPEO La presente ponencia pretende esbozar el contexto histórico de la trayectoria vital de Juan Luis Vives, en sus relaciones con España y los españoles de comienzos del quinientos. Por ello, el Epistolario que de él conservamos se utilizará como fuente primordial y biográfica1. A partir de aquí intentaremos señalar los principales hitos de sus vinculaciones con los Reinos de España, y procuraremos enmarcarlos en la coyuntura histórico/social correspondiente. Entrando ya en materia, resulta significativo que la historiografía hispana haya tendido a apropiarse desde un punto de vista nacionalista la figura de Vives2. Menéndez y Pelayo lo consideraba "el genio más universal y sintético que produjo el siglo XVI en España"; Pedro Sainz Rodríguez hablaba de él como "la personalidad más europea del Renacimiento español"; Gregorio Marañón le definía como "nostálgico perpetuo de España"; José Jiménez Delgado le llama "el más grande humanista español del siglo XVI"; y José Luis Abellán le describe como "la gran figura filosófica del erasmismo español". Pero, en cuanto transpasamos los Pirineos, la figura de Vives atenúa su denominador hispano y, como ejemplo, Marcel Bataillon defendió la tesis de que, desde sus estudios en París, Juan Luis Vives no podía considerarse un pensador español, sino europeo 3 .

1

2

3

La edición de Gregorio MAYANS Y SISCAR, Joannis Ludovici Vivís Valentini Opera Omnia, Valencia 1782-1790, 8 vols., recoge en su tomo VII, pp. 131-132 unas 61 cartas. A partir de aquí las aportaciones de Henry de Vocht, Adolfo Bonilla y San Martín, y José Jiménez Delgado han incrementado notablemente dicho Epistolario. Aunque con algunos errores, la compilación más completa del Epistolario traducido al español sigue siendo la realizada por el mencionado José JIMENEZ DELGADO para la Editora Nacional: Epistolario de Juan Luis Vives. Con nuevas cartas publicadas por primera vez, Madrid 1978, con un total de 195 piezas. Entre las investigaciones recientes cabe destacar la del profesor Jozef USEWIJN, cuyas principales tesis se presentan en otra ponencia de este Seminario: 30 neue und unveröffentlichte Briefe aus den Jahren 1520-1522. Del mismo, "The litterae ad Craneveldium", en: GONZALEZ, E./ ALBIÑANA, S./ GUTIERREZ, V., Vives. Edicions Princeps, Valencia 1992, pp. 59-66. Otra aproximación descriptiva y cronológica a las cartas de Vives en: TOURNOY, Gilbert, "A survey of the extant mss. of J. L. Vive's letters", en: ibidem, pp. 67-84. La cosa venía de lejos. Cuando el alcalaíno Pedro Mota, admirador de Vives, reedita en Lyon en 1553 su Exercitatio Linguae Latinae, en la carta introductoria le llamará "honra de España". La apropiación más reciente de la figura de Vives, por ciertos sectores de la cultura tradicionalista española, tuvo lugar en los años 40 y 50 de este siglo: cf. CARASA SOTO, Pedro, "Juan Luis Vives y la reforma social", introducción al Tratado del socorro de los pobres, Madrid 1991, pp. 15-101. Diversas consideraciones en su obra Erasmo y España, Fondo de Cultura Económica, México 1950.

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Desde una perspectiva superficial, su nacimiento en la Valencia de 1492 le vincula a la naciente Monarquía Hispánica, y en el mismo Epistolario observamos esa alternancia en las referencias patrióticas. Unas veces como valenciano4; otras con una clara identificación en los hechos de armas hispanos (carta a Cranevelt, Brujas, 31 diciembre 1526) o con declaraciones explícitas: "Hispania, hoc est Patria mea"5. Y es así que Conrado Gesner, en su célebre Bibliotheca universalis (Zurich 1545), le describe de la siguiente forma: "Juan Luis Vives, valenciano, español de nacimiento...". Sin embargo, son sin duda las reiteradas relaciones y contactos con cenáculos hispanos y personalidades destacadas, lo que nos sitúa en la pista de una ininterrumpida vinculación. Y ello, a pesar de haber abandonado la patria tempranamente, con 16 ó 17 años. Así, en sus años de estudiante en París (1509-1512), Vives se sumerge en una atmósfera plurinacional, pero en la que abunda el contingente de escolares y profesores de origen hispano6. Allí entabla amistad con compañeros como Juan Martín Población, Juan de Enzinas o el portugués don Francisco de Meló. Más tarde, en la ciudad de Brujas del período 1512/14-1516, Vives será acogido como preceptor en casa de los Valdaura, una familia de comerciantes acomodados, oriundos de Valencia. Para más abundamiento, en Brujas existían diversas colonias de comerciantes hispanos: no sólo valencianos, sino burgaleses, vizcaínos..., frecuentemente de orígenes judíos, y con los que nuestro humanista se sitúa en estrecha vinculación y trato. Por los años 1517-1521 Vives se encuentra ya más establecido en Lovaina, y ejerce como preceptor del joven Guillermo de Croy. Se trataba, nada menos, que del sobrino del señor de Chiévres, ayo y ministro de Carlos V. Además, a los diecinueve años, siendo ya obispo de Cambrai, Guillermo fue elegido arzobispo de Toledo, en sustitución de Cisneros (1519-1520), pasando a ocupar la dignidad eclesiástica más importante de España. Estas circunstancias abren para Vives la oportunidad de relaciones con los círculos cortesanos, burocráticos, intelectuales y eclesiásticos más importantes e influyentes del momento. En este ambiente, hacia 1519 se había pensado en él como preceptor del príncipe Fernando, el hermano de Carlos V, según consta en una carta a Erasmo, fechada en Lovaina en febrero de 1519. Y, en este sentido, Vives dedicará sus Declamationes (Lovaina 1520) a dicho príncipe, y hará constar, con tono de disculpa, lo ocupado que se encuentra en contribuir a los estudios del 4

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Es muy conocido el elogio retórico de Vives a Valencia "su patria", en carta a don Erardo de la Marca, obispo de Lieja, Lovaina, 28 de marzo de 1520. En diversas ocasiones, Vives se denomina como valenciano en sus cartas: en 1518, al escribir a Guillermo de Croy: en 1519, al conde de Nueva Aguila; en 1522, a Jerónimo Ruffault... Carta al príncipe Felipe de España, dedicatoria del Exercitatio linguae latinae, Breda 1538. COMPERE, M. M., "Les collèges de l'Université de Paris au XVÏe siècle: structure institutionnelle et fonctions éducatives", en: I Collegi Universitari in Europa tía il XIV e il XVIII secolo, Milan 1991, pp. 101-118. GONZALEZ Y GONZALEZ, Enrique, Joan Lluis Vives. De la Escolástica al Humanismo, Valencia 1987, pp. 127ss.

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cardenal de Croy. Situación, pues, privilegiada, a la que se suma su estancia en Lovaina y la relación con círculos de hispanos y de humanistas allá existentes7. De ella le arrancará, bruscamente, la muerte accidental de su protector Guillermo de Croy en 1521. Entonces, un Juan Luis Vives deprimido y desorientado tiene que ser acogido en Brujas en la casa de otro español, el capitán vizcaíno Pedro de Aguirre, que fallecerá al año siguiente. Nos encontramos en una fuerte crisis de orientación vital del humanista, que se ha quedado inesperadamente sin protector y mecenas, arrojado de nuevo a la supervivencia personal y a las penurias económicas. Y no acaban aquí las relaciones biográficas de Vives con las Españas. El año 1522 va a resultarle particularmente decisivo. En dicha fecha, es invitado por don Fadrique de Toledo, duque de Alba, a volver a la Península y encargarse de la educación de sus nietos. Esta oportunidad no podrá ser aprovechada por Vives, al cruzarse una mala maniobra del emisario (en beneficio propio); pero, en carta a Erasmo de primero de abril, Vives testimonia que hubiera aceptado gustoso: "...oferta no despreciable si hubiera podido conocerla a tiempo [...], ¿cómo iba a despreciar yo lo que el duque me ofrecía?"8. También por estas fechas, y de una manera ininterrumpida hasta, por lo menos, 1532, Vives mantiene una nutrida correspondencia con el toledano Juan de Vergara (1492-1557). Se trata de una destacada figura del erasmismo español, de ascendencia presumiblemente judía. Colaboró en la Políglota de Alcalá, y fue profesor de Artes en dicha Universidad. Y, del mismo modo, fue secretario de los arzobispos de Toledo Cisneros y Alonso de Fonseca. Pues bien, a lo largo de una dilatada década, Vives y Vergara intercambiarán numerosas cartas y noticias sobre la Europa cristiana y la España de su tiempo. Más aún, Vergara, y el círculo erasmista de la Universidad de Alcalá, propondrán el nombre de Vives como sustituto del difunto Nebrija en su cátedra de latinidad. Conservamos, incluso, dicha carta, fechada el mes de mayo de 1522; así como otra de Juan de Vergara a Vives, Valladolid a seis de septiembre, por la que le informa de todo9. En esta coyuntura, del Epistolario conservado parecen deducirse muchas vacilaciones, y no debería excluirse la probable aceptación final de Vives, aunque los rumbos se torcieran al abrirse los procesos inquisitoriales contra su padre.

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Vives no fue un profesor oficial de la Universidad de Lovaina, pero su entorno le brindó la posibilidad de clases particulares, así como el contacto con maestros y humanistas de la época. Hay que advertir que, en este tiempo, la universidad se excindía entre partidarios y enemigos de Brasmo. JIMENEZ DELGADO, José, op. cit., carta 38,17-20. "...eres el único de los nuestros capaz de igualarle [a Nebrija] en tan grande cargo, pues no es ligera la tarea de un ilustre y celebrado profesor"; ibidem, carta 47, 2-7, con muchas otras noticias interesantes sobre dicha cátedra.

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La consecuencia de todo lo anterior conducirá al viraje inglés, y a su vinculación como humanista y preceptor en la Corte, en el entorno de la hija de los Reyes Católicos, Catalina, esposa del rey de Inglaterra Enrique VIII. Entre otras cosas, Vives quedaba como preceptor de la infanta, María Tudor10. Y, puede observarse cómo, nuevamente, Vives se mantiene en ámbitos de una cierta influencia y relación española. Sin embargo, el encrespamiento de la cuestión matrimonial de los reyes adquirirá para él consecuencias desastrosas y habrá de abandonar Inglaterra, en 1528. Hasta entonces, había convivido en Londres con un tal Alvaro de Castro, comerciante burgalés con ciertas vinculaciones judías. Mientras, en sus continuas idas y venidas de Londres a Brujas, en 1524, Vives se casa con Margarita Valdaura, la hija de la misma familia que le acogiera en el periodo 1512/14-1517. El temperamento sentimental y errante de Vives encontrará en Margarita toda la necesaria referencia vital: patria, madre y esposa, con la seguridad y protección de un sólido ambiente familiar11. Y, junto a ello, una continua correspondencia y relación con amigos y discípulos españoles, desde Inglaterra, o bien, a partir de 1528, en Lovaina y Brujas12. En esta última ciudad discurrirá la plácida y fecunda década intelectual de 1528 a 1537, en un consolador refugio entre la mujer y los libros. No obstante, siguen reiterándose las visitas amistosas y la correspondencia con españoles. Además, cuando este repliegue se altere y, entre 1537-38, Vives resida en Breda como preceptor, lo hará en el palacio de doña Mencía de Mendoza, hija del marqués valenciano de Cenete y casada con Enrique de Nassau, un noble flamenco muy vinculado a los círculos del Emperador13. Más aún, a lo largo de toda su obra resultan muy frecuentes las dedicatorias a protectores, amigos o prepotentes españoles: Serafín de Centelles, conde de la Oliva (1518); Martín Pons, jurisconsulto valenciano (1520); el príncipe Fernando (1520); don Juan de Borja, duque de Gandía (1528); Carlos V (1529); don Francisco de Bobadilla, obispo de Coria y rector de la Universidad de

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11

12

VOCHT, H. de, "Vives and his visits to England", en: Monumenta Humanística Lovaina 1934, pp. 1-60.

Lovaniensia,

Gregorio MARANON se ha referido a ella como "la mujer patria", en: Luis Vives. Un español fuera de España, Madrid 1942.

Se conservan cartas a Alfonso Manrique, arzobispo de Sevilla e inquisidor general, Brujas 1526; y a Alfonso Virués, benedictino, defensor de Erasmo en el proceso de Valladolid, Brujas 1527... (JIMENEZ, op. cit., cartas 117 y 131); sin contar la ininterrumpida correspondencia con Juan de Vergara. Por lo que respecta a Lovaina, y a partir de 1528, Vives se relaciona con alumnos hispanos y amigos diversos: Francisco de Bobadilla y Mendoza, futuro cardenal de Burgos; Pedro Maluenda, posteriormente teólogo en Trento; Juan Honorato, futuro profesor de la Universidad de Valencia y obispo de Osma; Rodrigo Manrique... 13 STEPPE, J. K., "Les relations de Mencía de Mendoza avec Jean Louis Vives", en: Scrinium Erasmianum, Leiden 1969, II, pp. 485-506.

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Salamanca (1532); el guipuzcoano Idiáquez, secretario de Carlos V (1536); el duque de Béjar (1538); y el príncipe Felipe de España (1538)14. Vives, que a partir de 1514 tenderá a fijar su residencia en Brujas, alternará algunos períodos de estancias en París, Lovaina, Oxford, Londres, Malinas, Amberes y Breda. Se trata, por tanto, de un humanista enclavado en el círculo nórdico, y menos móvil en sus desplazamientos que, por ejemplo, Erasmo. Sin embargo, puede observarse que a lo largo de toda su vida nunca perdió contacto con personalidades y ambientes directamente relacionados con sus orígenes hispanos, y se mantuvo informado minuciosamente de la mayor parte de los acontecimientos de su patria, tal y como nos manifiesta puntualmente su Epistolario. Todo ello dentro del marco de la "internacional humanista"; pero también de una especie de "internacional judía", por la que los sectores de origen hebreo en los Países Bajos mantuvieron constantes relaciones económicas y culturales con círculos y grupos conversos de ciudades destacadas como Burgos, Toledo, Valencia o Sevilla15. 2. LAS ESPAÑAS DE JUAN LUIS VIVES 2.1. Valencia y España hacia 1492 El año 1492, fecha convencional del nacimiento de Vives en Valencia16, constituye un hito en la trayectoria de los Reinos de España. Unos pocos años antes, en 1479, había tenido lugar la unión dinástica de las Coronas de Castilla y de Aragón. El maridaje resultaba desigual, pues los territorios castellanos se constituían como los reinos más extensos, más poblados, más unificados y con menores resistencias institucionales a la voluntad regia. Y así, esta vinculación territorial se completaba el mismo año 1492 con la conquista del Reino musulmán de Granada y, posteriormente, en 1512, con la anexión del Reino de Navarra. En este conglomerado, la autoridad regia se robusteció, pero continuó enfrentada a poderosas contrafuerzas locales. No obstante, algunas acciones 14

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Como ejemplos, recordemos que a Carlos V dedicará su obra De concordia et discordia in humano genere, Brujas 1529; al futuro Felipe II, Exercitatio linguae latinae, Breda 1538; y, al duque de Béjar, De anima et vita, Brujas 1538.

Sobre la obra de Vives y sus contextos pueden consultarse dos importantes coloquios: SAINZ RODRIGUEZ, Pedro et alii, Homenaje a Luis Vives. Ponencias leídas en el VI Congreso Internacional de Estudios Clásicos, Madrid 1977; LISEWDN, J./ LOSADA, A., Erasmus in Hispania. Vives in Belgio. Acta Colloquii Brugensis 1985. Colloquia Europalia, Lovaina 1986. Recientemente, la editorial Alfons el Magnánim de Valencia ha comenzado a publicar las Opera Omnia, proyectadas en 13 volúmenes. El primero, Valencia 1992, ha sido coordinado por Antonio MEüi'KE, y se dedica al análisis y contextualización de la vida y obra. Seguirán, a continuación, ediciones criticas de los diversos libros. Esbozos biográficos pueden encontrarse en las obras clásicas sobre Vives de BONILLA Y SAN MARTIN, A., Luis Vives y la filosofía del Renacimiento, Madrid 1903, reimpresión en Madrid 1981; y NOREÑA, C. G., Juan Luis Vives, Salamanca 1978. 16 Del estudio de la documentación inquisitorial parece deducirse con más probabilidad los comienzos de 1493.

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centrípetas resultaron determinantes. Entre ellas, por lo que afectará directamente a la familia Vives, señalaremos la creación de la Inquisición contra judeoconversos en 1478. Posteriormente, entre 1482-88, el tribunal se irá introduciendo en la Corona de Aragón, no sin fuertes conflictos con la autonomía institucional del territorio. En este marco de conformación de la Monarquía Hispánica, el enemigo por excelencia es Francia, y a su cerco y ataque se dirigen las guerras por la hegemonía en Italia, así como las políticas matrimoniales de los Reyes Católicos. La jugada maestra fue conseguir un doble matrimonio: el del príncipe Juan con la princesa Margarita de Austria, y el de la princesa española Juana con Felipe de Austria, señor de los Países Bajos e hijo del Emperador Maximiliano. Por último, la expansión ultramarina, abierta por el descubrimiento de América en 1492, sentará las bases de cambios cualitativos en las relaciones económicas y políticas de los viejos reinos peninsulares surgidos de la Edad Media17. Hay que recordar que, hacia 1490, la Península Ibérica constituye un país básicamente agrario, con el 80% de la población dedicada a la agricultura y ganadería. En este contexto, la familia Vives pertenece a la minoría comerciante, aquella que se enclavaba en algunas de las principales ciudades. Y, en concreto, Valencia constituía uno de los puertos más destacados del empuje comercial mediterráneo. En la ciudad florecían núcleos de comerciantes de diferentes nacionalidades18; y los entramados económicos poseían importantes derivaciones de crédito y banca, con vinculaciones al arrendamiento de impuestos y a los abastos municipales. Así las cosas, Valencia era un importante centro sedero, exportaba lanas del Maestrazgo, arroz y azúcar, e importaba trigo de las Castillas y de Sicilia. De modo que la buena situación financiera permitirá al municipio efectuar parte de los préstamos necesarios para la financiación de la política exterior de Fernando el Católico en Italia y norte de Africa19. Juan Luis Vives nace, por lo tanto, en una de las urbes más populosas de la España de aquel tiempo, y en uno de los reinos, el de Valencia, de densidad poblacional acusada. Hay que considerar que hacia 1490 la Península contabilizaría algo menos de seis millones y medio de habitantes, de los cuales un 15 % correspondían a Portugal, 63% a la Corona de Castilla y 13 % a la Corona de Aragón. Y, en este contexto, el Reino de Valencia alcanzaría los 200.000 habi-

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Entre la bibliografía reciente, panorámicas del reinado de los Reyes Católicos pueden encontrarse en HILLGARTH, J. N., Los Reyes Católicos, 1475-1516, Barcelona 1984; y PEREZ, Joseph, Isabel y Femando. Los Reyes Católicos, Madrid 1988. 18 La existencia en los mercados urbanos de núcleos comerciales de nacionalidades diferentes resultaba común en la época. En Sevilla, por ejemplo, fueron floreciendo colonias de mercaderes vascos, castellanos, genoveses y otros. Vives reencontraría esta pluralidad en su retiro de Brujas. 19

BELENGUER CEBRIA, Ernest, Valencia en la crísi del segle XV, Barcelona 1976.

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tantes, correspondiendo a la ciudad más de 50.000, con lo que constituía el principal núcleo urbano de la Corona de Aragón. Y este origen urbano de Vives es conveniente destacarlo, por cuanto serán las mesocracias urbanas el ámbito vital más cercano y acogedor para nuestro humanista. No obstante, en las Españas de finales del siglo XV, la nobleza conformaba el sector social predominante, como grupo terrateniente, hereditario y privilegiado. Y esta nobleza ejercitaba un régimen señorial o autoridad pública en sus dominios, junto con determinados monopolios económicos20. De modo que, frente a estos grupos privilegiados, y a sus corolarios campesinos y rurales, las ciudades representaban la minoría dinámica y cualitativamente diferente dentro del conjunto de la economía agraria. Ellas constituían los centros administrativos, eclesiásticos y mercantiles más destacados. Y en ellas adquirían peculiar significación los sectores judíos o judeoconversos. Recordemos aquí que Juan Luis Vives procedía de estirpe judeoconversa por las cuatro ramas familiares. Al parecer, los Vives se habían convertido al cristianismo a fmes del siglo XIV, tras el robo y saqueo de la judería valenciana en 1391. Su padre era mercader de paños, y se vio envuelto, como veremos, en sangrientos procesos inquisitoriales21. Se trata, por tanto, de un sector socialmente discriminado, mayoritariamente urbano, integrado por artesanos y comerciantes de clase media, y por minorías económicamente pujantes, relacionadas con el comercio internacional y las altas finanzas; de un sector nutrido de hombres de cultura, situados muchas veces en los entresijos del poder, cargos municipales y secretarios de reyes y prelados. Pues bien, todos estos grupos recibieron un fuerte impacto con el establecimiento del Santo Oficio de la Inquisición, tribunal en el que culminaba una larga tradición de hostilidad anticonversa y antijudía. Cristalizaba, así, una persecución de raíz religiosa que contribuyó a debilitar buena parte de los núcleos burgueses de las Coronas de Castilla y Aragón. Y la cuestión se complicó cuando, el mismo año 1492, los judíos subsistentes se vieron obligados, por decretos reales, a elegir entre la conversión al cristianismo o el destierro. Aunque las cifras resultan difíciles de precisar, parece que en la Corona de Castilla el decreto afectó a unas 300 loca20

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En lugares diversos de la obra de Vives se aprecian críticas veladas al papel de la nobleza, sus usos y su cultura. El profesor Juan Francisco Alcina los ha señalado, respecto a la valenciana, en los Diálogos, por ejemplo el 10, 22, etc; en "Introducción" a los Diálogos y otros escritos de Juan Luis Vives, ed. Planeta, Barcelona 1988, p. XXV. Y recordemos, también, aquel aforismo de Vives sobre la nobleza en su Introductio ad Sapierttiam, número 49: "Y la nobleza, ¿qué otra cosa es sino un albur del nacimiento y una opinión inspirada en la necedad del pueblo? Vemos hartas veces que esta nobleza se adquiere con robos." Sobre el origen judeoconverso de la familia de Juan Luis Vives: PINTA LLORENTE, Miguel/PALACIO, José María, Procesos inquisitoriales contra la familia judía de Juan Luis Vives, Madrid 1964; GARCIA MARTINEZ, Angelina, Bis Vives. Una familia de jueus valencians, Valencia 1987. Los procesos y condenas inquisitoriales a los que fueron sometidos el padre y la madre del humanista (1524 y 1529) han hecho pensar a algunos en un ambiente familiar criptojudío. Otros sostienen una mera pervivencia de costumbres y talantes heredados, un cierto "judaismo cultural", sin mayores implicaciones.

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lidades, en las que residían familias judías. Pero, para el conjunto de la Monarquía, se ha señalado que unos 50.000 hebreos aceptaron la conversión forzosa, sobre todo en las clases acomodadas, y que unos 180.000 emigraron a Marruecos, Portugal, territorios italianos o dominios turcos22. Los Vives no se vieron implicados en esta expulsión, pues su conversión se remontaba al siglo anterior, pero la atmósfera se enturbió y se acentuó el problema de los falsos conversos. Se incrementaron las persecuciones inquisitoriales a finales del siglo, y en varios de los procesos estuvieron implicados los parientes de Luis Vives23. Paralelamente a esto, diversas instituciones tenderán a prohibir el ingreso en sus filas de descendientes de judíos, mediante la implantación de estatutos de limpieza de sangre o de linaje. Así lo hicieron ciudades como Toledo (desde 1449), órdenes religiosas como los jerónimos (1486), colegios mayores como Santa Cruz de Valladolid (1489), o cabildos eclesiásticos como Sevilla (1515). No parece conveniente simplificar, e intentar explicar la compleja personalidad de Juan Luis Vives exclusivamente desde estos orígenes de minoría perseguida, pero resulta evidente que no pueden dejarse de lado, como hizo en su día buena parte de la historiografía más clásica24. 22. Dulce puerto de Brujas: la nueva patria Vives abandonó París hacia 1514, al parecer sin graduarse siquiera de bachiller en Artes. No volverá a España, sino que se establece en los Países Bajos, los cuales debió visitar por vez primera en 1512. Por lo tanto, los años posteriores a 1512/1514 marcan otro hito significativo en su biografía. La ciudad flamenca de Brujas terminará convirtiéndose en su residencia más permanente. No se trataba, sin embargo, de un exilio romántico y alejado 25 , pues Brujas constituía 22

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CARO BAROJA, Julio, Los Judíos en la España Moderna y Contemporánea, Madrid 1961; DOMINGUEZ ORTIZ, Antonio, Los judeoconversos en España y América, Madrid 1971; GUIRAL, Jacqueline, "Convers à Valence à la fin du XVe siècle", en: Mélanges de la Casa de Velázquez, XI (Madrid 1975), pp 81ss.; GONZALEZ, Enrique, "Valencia y Vives", en: Joan Lluis Vives. De la Escolástica al Humanismo, Valencia 1987, pp. 85-125. Datos minuciosos en GARCIA CARCEL, Ricardo, "La familia de Luis Vives y la Inquisición", en: Opera Omnia I, Volumen introductorio (coordinado por Antonio Mestre), ediciones Alfons el Magnánim, Valencia 1992, pp. 489-519. Otros grupos minoritarios y excluidos de la España del momento serán los musulmanes y los esclavos. Esta población residual y sometida de la antigua Al-Andalus, se distribuía con una cierta densidad por amplios territorios de la Corona de Aragón: afluentes del Ebro, núcleos del interior valenciano y zonas de Gandía. Además, la conquista de Granada inició un conflictivo proceso de aculturación forzosa: en 1501 se condenaban a la hoguera los libros islámicos y se iniciaban las conversiones obligadas. Respecto a los esclavos, la propia ciudad de Valencia fue, durante el reinado de los Reyes Católicos, un activo centro de tráfico, junto con otras ciudades como Sevilla y Cádiz. Gregorio MARANON ha evocado a Vives como "un soñador de los crepúsculos de Brujas": Españoles fuera de España, Espasa Calpe, Madrid 1961, p. 98. El anhelo de intimismo y de sosiego recorre todo el Epistolario de Vives, y su talante delicado, amistoso y apacible ha sido señalado por Azorín, con su sutileza habitual: "Juan Luis Vives", en: Lecturas Españolas, Espasa

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un importante puerto comercial y poseía una destacada manufactura textil; si bien, tras su florecimiento medieval, estaba cayendo en cierta decadencia por la competencia de la cercana Gante y de Amberes. No obstante, continuaba como un enclave del trasiego internacional, con diversidad de colonias de comerciantes y, entre ellas, las de vascos, castellanos y valencianos. Los propios Valdaura, padres de su futura mujer, formaban parte de las burguesías de mercaderes asentados y de origen hispano. En realidad, Brujas se encontraba situada en el gran eje de comercio español con el norte de Europa, que se desplegaba desde Medina del Campo y Burgos hasta Amberes. Dicho eje, que se mantuvo hasta 1570 aproximadamente, ponía en relación los territorios de la Corona de Castilla con los Países Bajos a través del tráfico marítimo. Y hay que recordar que dichos Países Bajos, desde el advenimiento del emperador Carlos V, formaban parte de la misma Monarquía. Así las cosas, el 60% de las exportaciones flamencas se dirigía a los Reinos de España, y a ellos acudían, junto a los tejidos y todo tipo de obras de arte, esculturas y pinturas, los nuevos libros y las ideas. Paralelamente, Medina del Campo se configuraba como núcleo de las ferias castellanas, centro bancario y mercado de capitales, en este punto muy influenciado por mercaderes/ financieros, en buena parte italianos26. En otro sentido, la ciudad de Burgos se conformaba como centro de concentración y distribución de la producción lanera de las mesetas castellanas, cuya cabaña transhumante ascendía a unos 3.500.000 de cabezas en 1520. La ciudad, en la primera mitad del siglo XVI, aglutinaba a unos 10.000 habitantes y mantenía el esplendor comercial del XV. En ella abundaban los linajes de mercaderes judeoconversos, como los Maluenda, Bermuy, Curiel... Se trataba de burguesías comerciales con mimesis de comportamientos aristocráticos y que pugnaban por ascender hacia caballeros y estratos medios de nobleza. Algunos de sus hijos buscaban la promoción por las letras y se abrían a los horizontes del humanismo. Y así pueden constatarse a simple vista, hojeando el Epistolario, las relaciones de Vives con ciertos sectores del comercio y la intelectualidad burgalesa27. Todo ello inscrito en las importantes relaciones

Calpe, Madrid 1938, pp. 15-18. Así, Brujas constituirá siempre el puerto de refugio de un Vives enante y azotado por las galernas de circunstancias demasiado conflictivas para su talante. Desde Oxford, le escribe a Cranevelt, en carta de noviembre de 1523: "Flandes y Bramante. ¿Me podría olvidar de esa patria, a la que he sido adscrito por propia voluntad? Enraizada la llevo en mis entrañas y por eso su solo recuerdo me es sumamente grato y sólo la esperanza de volver a ella me reanima, y en las enfermedades no tengo otro consuelo ni alivio más a punto que el pensamiento y la esperanza de volver allí"; cf. JIMENEZ DELGADO, José, op. cit., carta 67,7. 26

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LAPEYRE, Henry, Une famille de marchands: lesRuiz, París 1955; CARANDE, Ramón, Carlos Vy sus banqueros 1. La vida económica en Castilla, Madrid 1965; LORENZO SANZ, Eufemio (coord.), Historia de Medina del Campo y su tierra, Valladolid 1986, volúmenes I y II. Asi la carta a Juan Maldonado, Breda, 16 de diciembre de 1538, sirve de recomendación para tal Jaime Ortega de Burgos; JIMENEZ, op. cit., carta 176,2.

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económicas y culturales que los núcleos judíos de los Países Bajos mantenían con círculos conversos de la Península Ibérica28. En la Meseta Norte destacaba, también, la importancia de Segovia, una ciudad manufacturera de unos 15.000 habitantes. Sus intereses industriales textiles la enfrentaban al comercio de exportación lanera de Burgos, y a propugnar ciertas medidas proteccionistas de la industria local frente a los flujos del capitalismo cosmopolita burgalés. El conflicto entre ambas ciudades quedará de manifiesto durante la revuelta de las Comunidades, en 1520-1521. Más allá se situaba Valladolid, el centro urbano más importante de la Meseta, con unos 40.000 habitantes y, hasta 1560, con funciones oficiosas de capital de la Monarquía. Aún más lejos, los vectores comerciales llegaban hasta Sevilla, ciudad en apogeo, con 50.000 habitantes, en rápido crecimiento, y con continua afluencia de emigrantes y aventureros. Constituía un puente entre el comercio de Indias y el comercio europeo; y tradicionalmente había mantenido una posición intermedia en los intercambios marítimos entre Italia y los Países Bajos. Volviendo a las relaciones entre Castilla y Flandes, además de la exportación lanera ya mencionada, existieron importantes trasiegos de vinos y de hierro guipuzcoano y vizcaíno. En este sentido, en el litoral vasco se enclavaban eficientes astilleros, y la marinería vasca efectuaba los transportes hacia las ciudades y telares de los Países Bajos. Cabe decir que la Corona de Castilla se comportaba como un territorio exportador de materias primas e importador de manufacturas elaboradas. Como ejemplo plástico podemos observar que las huellas del arte flamenco del tiempo pueden encontrarse en las iglesias de las más remotas aldeas castellanas. En resumen, que las relaciones entre Castilla y Flandes continuaron siendo intensísimas, y Brujas se encontraba situada en medio de este tráfago. Vives, procedente de una ciudad mercantil y dinámica como Valencia, debía sentirse muy en su ambiente familiar entre las "naciones" de vascos, castellanos, portugueses, alemanes e italianos que pululaban por los principales núcleos urbanos de los Países Bajos. Nuestro valenciano añoraba su ciudad mercantil y burguesa de Brujas desde la universitaria Lovaina, a la que consideraba sucia y antipática. Y en carta a los burgomaestres de la propia Brujas, el 6 de enero de 1526, declara lo gustoso de su residencia: Y, aunque me sea de algún modo extraña esta ciudad, me siento tan aficionado a ella como a mi propia Valencia, y no le doy otro nombre que el de mi patria, porque llevo ya catorce años viviendo en ella, aunque no de continuo, pero siempre acostumbrado a volver aquí como a mi casa [...] Por eso tomé aquí esposa y querría mirar por el bien de esta ciudad, no de otra manera que por aquella en la que he determinado pasar el resto de la vida que la bondad de Cristo quiera concederme .

28

BASAS FERNANDEZ, Manuel, El consulado de Burgos en el siglo XVI, Madrid 1963.

29

JIMENEZ DELGADO, José, op. cit., carta 106, 2-3. Se trata de la dedicatoria del De subventione pauperum, Brujas 1526.

Vives: Horizonte de España 23. En los círculos del Emperador

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La etapa de Vives en Lovaina, entre 1515/1517 y 152330, en la que fue entre otras cosas preceptor de Guillermo de Croy, como ya señalamos, estrechó sus lazos con los círculos cortesanos, intelectuales y eclesiásticos más influyentes. No olvidemos que Guillermo de Croy era sobrino del señor de Chiévres, ayo y ministro del Emperador Carlos V, y que el propio Guillermo fue nombrado en plena juventud arzobispo de Toledo, la más destacada y rica de las dignidades de España. Pues bien, durante esta etapa tuvo lugar una verdadera crisis revolucionaria en los Reinos peninsulares, y de ella se han conservado algunos ecos en la obra del humanista. Su posición y vinculación a algunos de los protagonistas, como el propio Chiévres o Adriano de Utrecht, le sitúan claramente en el bando de los Imperiales. Recordemos que, a la muerte de Fernando el Católico en 1516, se había abierto un vacío de poder en la Monarquía de España, agravado por la temprana muerte de Felipe el Hermoso y la incapacidad mental de la hija de los Reyes Católicos, doña Juana. Volvían a florecer las facciones nobiliarias y los reagrupamientos de intereses. Doña Juana conservaba el título de "reina propietaria" de Castilla, pero la sucesión debía recaer en Carlos de Gante, un príncipe educado en los Países Bajos. Frente a él, algunos sectores veían con mejores ojos a su hermano Fernando, educado en España. No obstante, la corte de Bruselas proclamó a Carlos como rey y, tras su llegada a España, en 1517, fue jurado por las diversas cortes territoriales: Castilla, Aragón y Cataluña (1518 y 1519). Su llegada provocó recelos, agravios y descontento castellano, pues el joven rey se rodeaba de un clan de consejeros flamencos, ávidos de cargos, dignidades y dinero. Y antes de ser jurado por las cortes de Valencia, Carlos recibía la noticia del otorgamiento del título imperial, lo que le obligó a la convocatoria de unas nuevas cortes apresuradas en Santiago y La Coruña, a nuevas solicitudes de dinero, y a una precipitada marcha hacia Flandes. A sus espaldas dejaba brotes de descontento nacionalista castellano y, como regente del Reino, al flamenco Adriano de Utrecht, más tarde Papa Adriano VI. Puede observarse desde aquí la directa relación de Juan Luis Vives con lo que podríamos llamar "el nuevo orden": no sólo era el preceptor del sobrino de Chiévres, miembro de la camarilla del rey, sino que su pupilo había sido directamente favorecido por aquellas rapiñas de cargos y prebendas que escandalizaban a los castellanos. El mismo Vives escribía cartas de felicitación a otros flamencos promovidos a cargos, como el escrito fechado en Lovaina el 28 de marzo de 1520 y enviado a don Erardo de la Marca, obispo de Lieja y arzo30

Sobre los años de Vives en Lovaina, pueden consultarse los capítulos correspondientes de NOREÑA, C. G., Juan Luis Vives, Salamanca 1978. AUBERT, R./ D'HAENENS, A./ LAMBERTS, E. et alii, L'Université de Louvain, Louvain-La-Neuve 1975; LAMBERTS, E./ ROEGIERS, J., The University of Louvain (1425-1985), Louvain 1988.

198 Luis E. Rodríguez-San Pedro Bezares bispo electo de Valencia. Y, más aún, Vives había conocido y tratado, durante sus estancias en Lovaina, al que se había convertido en máximo responsable de los Reinos de Castilla: Adriano de Utrecht. Fruto de todas estas relaciones será su propuesta como preceptor del príncipe Fernando, cuestión para la que fue recomendado por el mismísimo Erasmo31. El compromiso de Vives como preceptor del cardenal de Croy no le permitirá la aceptación del nuevo cargo y, quizás como una suerte de compensación y gratitud, dedicará al príncipe Fernando sus Declamationes quinqué Syllanae, publicadas en Lovaina en 1520. Así las cosas, la ausencia de Carlos V originó el llamado alzamiento de las Comunidades de Castilla, por los años 1520 y 1521. Encabezados por Toledo, Segovia y Salamanca, los principales municipios de la Meseta Norte, hasta el Tajo, se levantaron en armas contra el regente Adriano de Utrecht y el mal gobierno. Formaron una Junta alternativa en Avila y presentaron reivindicaciones de carácter nacionalista, junto con un proyecto político que realzaba el papel de las Cortes frente al Monarca. En el movimiento se implicaron en mayor medida las clases medias urbanas, aunque, posteriormente, adquiriera derivaciones antiseñoriales y antinobiliarias. Con hábiles manejos y algunas concesiones, Carlos V se atrajo a la nobleza, y la revuelta acabó fracasando en la escaramuza de Villalar. Esta derrota confirmaba el poder de la Corona en lo político y el de la aristocracia terrateniente en lo social32. Paralelamente, en la patria valenciana de Vives, tenía lugar otra conmoción social de importancia. Se trataba de las llamadas Germanías. A partir de 1519, los gremios artesanales de la ciudad de Valencia se organizan de forma armada contra las autoridades municipales y las oligarquías de caballeros. A la cabeza de las acciones se situaban los sectores de la lana y de la seda. El conflicto, en cuyas raíces hay que colocar la prepotencia nobiliaria y la corrupción administrativa de los municipios, adquirió en el campo matices antiseñoriales, con ataques a los campesinos musulmanes (vasallos de los señores) y bautismos forzosos. El movimiento social, con ataques a los prepotentes y a "los ricos", 31

Erasmo, en carta fechada en Lovaina, a 13 de febrero de 1519, y dirigida a Juan de ta Parra, preceptor del príncipe Fernando, recomienda vivamente a Juan Luis Vives, y declara: "Veo que éste es el más adecuado con mucho para reemplazar al preceptor y cuidar de su formación y para procurar que nadie pueda tener en menos esta tu corte, ni desdeñar a tu infante balbuciente aún. Al conjunto de estas cualidades se suma que, por una parte, sabe bien el español, como español que es de nacimiento, y conoce también el francés a maravilla, por haber vivido largo tiempo en París..."; cf. JIMENEZ DELGADO, José, op. cit., carta 16,3A. No obstante, Erasmo hacía constar el inconveniente de que Vives ocupara el cargo de preceptor del Cardenal de Croy y que, probablemente, ni el cardenal ni el propio Vives consentirían en cambiar de situación. De esta estrecha vinculación de Vives con los círculos cortesanos es claro ejemplo la carta que le enviaron los jurados municipales de Valencia (13 de noviembre de 1516), solicitándole que influyese sobre Carlos V, con el fin de que el monarca favoreciese ante el Papa al Estudio General de la ciudad; cf. ibidem, carta 6. 32 PEREZ, Joseph, La revolución de las Comunidades de Castilla (1520-1521), Madrid 1977; HALICZER, Stephen, Los comuneros de Castilla. La forja de una revolución, 1475-1521, Valladolid 1987.

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incluyó formulaciones proféticas de cambios radicales, en una especie de milenarismo religioso. La derrota llegaría con la acción combinada del poder señorial y regio, y la represión alcanzó hasta el año 152333. En este contexto, la participación conocida de la familia de Juan Luis Vives se limita a la figura de su tío materno Enric March, doctor en derecho y simpatizante de las Germanías. Otros parientes parecen ser, sin embargo, contrarios. En este sentido, conviene salir al paso de algunas generalizaciones apresuradas y no contraponer mecánicamente conversos a cristianos en un mundo urbano en el que banderías y grupos alternaban en extrañas alianzas34. No obstante, y aunque en diversos lugares Vives había lanzado velados ataques a la nobleza valenciana, en esta ocasión, al tratar de las Germanías en su obra De Europae dissidiis et bello Turcico (Brujas 1526), declara: "aquella fue rabia ciega, no discusión; la plebe no sabía lo que quería ni por qué había empuñado las armas ni por qué luchaba..." El reforzamiento del poder de Carlos V tras los conflictos sociales de la crisis revolucionaria (1516-1523) fue dejando atrás el mundo mítico y la edad de oro que el nacionalismo castellano identificaba con el reinado de los Reyes Católicos. Castilla y España entraban a formar parte de un Imperio europeo, por más que éste fuera heterogéneo y que, progresivamente, el peso de la Península y sus diversos reinos se fuera incrementando hasta constituir una verdadera Monarquía Hispánica. De modo que el Flandes de Vives, el Reino de Valencia o la Corona de Castilla formaban parte ahora de la misma dinastía, y se unificaban en una misma política exterior; aunque, en la política interior, se respetasen las peculiaridades institucionales de los diversos territorios asociados. La Corte, por lo mismo, continuó siendo itinerante, y el Emperador únicamente residió diecisiete años en la Península, entre los casi cuarenta de su reinado. Pero, a pesar de ello, sí se produjo una cierta hispanización del Monarca, por cuanto España y sus Indias pasaron a constituir el más firme apoyo para la política dinástica. De modo que la capacidad de acción imperial y el movimiento de los ejércitos dependían, en buena medida, de prestamistas y banqueros y, en última instancia, de la riqueza metalífera de las Indias y de fuertes gravámenes sobre la hacienda castellana35. De esta forma fue delineándose la política internacional, en una confluencia de intereses familiares, aspiraciones a la hegemonía europea, mentalidad medieval de defensa del Catolicismo e instauración del nuevo orden propugnado por las corrientes erasmistas cercanas a la Corte. El Epistolario de Vives manifiesta a 33

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OK

GARCIA CARCEL, Ricardo, Las Germanías de Valencia, Barcelona 1971; DURAN, Eulalia, Les Germanies ais Paísos Catalans, Barcelona 1982. GARCIA CARCEL, Ricardo, "La familia de Luis Vives y la Inquisición", en: Opera Omnia, I. Volumen introductorio (coordinado por Antonio Mestre), Valencia 1992, p. 501. FERNANDEZ ALVAREZ, Manuel, La España de1 Emperador gunda edición ampliada.

Carlos V, Madrid 1979, se-

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las claras que el humanista se identificó con las armas del Emperador, y que siguió puntualmente los acontecimientos europeos38, recibiendo noticias de sus amigos y sirviendo él mismo de transmisor y difusor. A través de sus propias palabras vemos desfilar los tres ejes de la política del Emperador Carlos. Primeramente el aislamiento de Francia y el control de Italia, con éxitos tan clamorosos como la batalla de Pavía en 1525. A raíz de ello la alianza antiimperial, con el concurso del Papado (casa Médicis), que culminó en el saqueo de Roma el año 152737. Finalmente, por el tratado de Cambray, en 1529, la Monarquía de España conseguirá la hegemonía en Italia, y Carlos V será coronado en Bolonia en 1530. Restaba tan sólo la incorporación definitiva del ducado de Milán, en 1535, lo que permitirá, en adelante, la mejor comunicación de los dominios germánicos de la Casa de Austria con el ámbito mediterráneo. Los otros dos ejes políticos, presentes obsesivamente en la preocupación de Juan Luis Vives, fueron los turcos y los protestantes. Los asedios otomanos de la ciudad de Viena, en 1529 y 1532, situaban el peligro en los propios estados territoriales de los Habsburgo, y a esto se añadía el dominio marítimo del Mediterráneo y los corsarios norteafricanos. En el proyecto político de Vives, Europa era concebida como Res Christiana, englobante de algunas consolidaciones nacionales como Inglaterra, Francia o España, y donde resultaba prioritaria la concordia de los dos belicosos príncipes enfrentados: Francisco I y el Emperador. Si esto llegaba a lograrse, Europa podría afrontar los peligrosos asedios e, incluso, intentar liberar los restos del mundo cristiano bizantino, sometido a los turcos. Pero, mientras tanto, los príncipes luteranos se organizaban en la Liga de Schmalkalda. Y aunque Vives no pudo presenciar la coyuntural victoria imperial de Mühlberg, en 1547, ya en 1529 había dedicado al César su obra De concordia et discordia in humano genere. Tras enumerar los males de Europa, las continuas destrucciones y las guerras, así como la necesidad de concordia y la convocatoria de un Concilio, insta a Carlos V a la restauración política de la paz, con tonos providencialistas:

De lo atentamente que Vives seguía los acontecimientos europeos da cuenta, entre otras, una carta a Cranevelt, Brujas, 31 de diciembre de 1526 (JIMENEZ, op. cit., carta 116,3-6): "Dicen que el Pontífice quiere quitarnos Ñapóles; pero el César tiene en Italia gran cantidad de tropa, tanto soldados alemanes como españoles, a los cuales todos los demás ceden en valor. Así que el Papa está en peligro y piensan que perderá la ciudad santa. La alianza está rota y la unión disuelta. Cada uno se preocupa de lo suyo: el inglés poco a poco se retrae del fementido pacto; el francés unas veces está a la expectativa y otras actúa por su cuenta, como ave inquieta que es [...]. Nosotros estamos locos, pero el Turco se ríe y divide nuestros estados." Siguen otros diversos detalles. 37

Del saqueo de Roma y de su posicionamiento con los imperiales le informa a Cranevelt, en carta fechada en Brujas el 15 de agosto de 1527; cf. JIMENEZ, op. cit., carta 130,2,3. Ese mismo año describe las guerras de Europa y los movimientos de tropas. Y afirma: "no veo a quien puede ser grata y deseable esta vida en la actual situación del mundo"; carta a Cranevelt, Brujas, 1 de octubre (ibidem, carta 132,6,7,10).

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algún designio grande, admirable y lleno de sabiduría ha proyectado la Divinidad sobre ti, con tal de que tú te muestres instrumento dócil a sus proyectos .

2.4. Sociedad, Inquisición y judeoconversos El año 1524 y el de 1529 marcan una dramática inflexión en las relaciones de Juan Luis Vives con España. Se trata de los procesos inquisitoriales contra su familia. Ya en 1500 había sido arrestado su padre por el Santo Oficio, durante uno de los procesos contra presuntos judaizantes. Pero volverá a serlo a partir de 1522, permaneciendo en las cárceles inquisitoriales desde el 30 de octubre de 1522 al 6 de septiembre de 1524. Sabemos que Vives debió seguir de cerca el proceso, ya que, el mismo año de la condena y auto, había enviado alguno de sus libros a su padre, para que se los comercializase en Valencia. Y así, la angustia de la situación, que venía a coincidir con fuertes dudas respecto a su propio futuro (ofertas diversas de la Universidad de Alcalá, Inglaterra...), se puede rastrear a través del Epistolario. En diciembre de 1522 considera todos sus asuntos y proyectos como "inseguros", y se deja a "las circunstancias inciertas y movedizas"39. En marzo de 1523 se encuentra "náufrago entre las olas" y sin destino40. Y añade: Paso los días contento en conversación con mis amigos; más, a pesar de sus muestras de afecto, mi espíritu sufre amargamente por no saber qué resolución tomar. Volver a mi patria, no me gusta; permanecer aquí, no puedo. De allí me llaman ahora de nuevo por carta; sin embargo, me retraen los gastos; me espanta el peligro.

Unos días después se confiesa derrumbado por el tedio, sin vigor, agitado y afligido. Y se consuela repitiendo que "la cantidad enorme de males privados nada significa cuando uno contempla las calamidades públicas"41. En mayo de 1523 se expresaba así: Mañana parto para Inglaterra [...], de allí a España, pero por mar, pues por tierra apenas puede uno vivir en tiempos tan calamitosos. Lo he retrasado hasta ahora por si brillaba alguna esperanza desde España. Todo es tinieblas y noche no mayor en los acontecimientos que en mi espíritjj y en mis determinaciones, que me las arrancó todas la vehemencia de mis sufrimientos .

En junio del año siguiente, le escribe a Erasmo sobre unos tiempos "en lo que todo se derrumba"43. Carta prólogo a la obra De concordia et discordia in humano genere, Amberes 1529. Por estas fechas, y tras las penurias económicas del período 1528-1531, Vives recibía de Carlos V una pensión de 150 ducados, lo que suponía algo más de la mitad de sus gastos: carta a Juan de Vergara, Brujas, 8 de agosto de 1532; JIMENEZ, op. cit., carta 164,2. 39

Carta a don Jerónimo Aleandro, prefecto de la Biblioteca Pontifìcia de Roma: Lovaina, 17 de diciembre de 1522; ibidem, carta 51,2. 40 Carta a Cranevelt, Brujas, 15 de marzo de 1523; ibidem, carta 58,1-2. 41 Carta a Cranevelt, Brujas, 17 de marzo de 1523; ibidem, carta 59,5,6. 42 Carta a Cranevelt, Brujas, 10 de mayo de 1523; ibidem, carta 62,3. 43 Carta a Erasmo, Brujas, 16 de junio de 1524; ibidem, carta 81,3.

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Tras la ejecución de su padre, declara en enero de 1525: La Fortuna sigue, fiel a sí misma, ensañándose contra mi padre y contra todos los míos e incluso contra mí mismo; pues lo que a ellos ha^e pienso que también me lo hace a mí, ya que los amo a todos no menos que a mí mismo .

Y las desgracias no pararon aquí. Aunque Blanquina March, su madre, había fallecido durante la peste valenciana de 1508, las circunstancias removidas por las confiscaciones de los bienes familiares condujeron a un proceso incoado contra ella a partir de 1528. Culminó con sentencia condenatoria, en diciembre de 1529, y los restos mortales de la difunta fueron desenterrados y quemados45. En tales circunstancias, ninguna mención específica nos hemos encontrado en el Epistolario4S. Pero, para poder comprender esta y otras circunstancias de la biografía de Vives, debemos retornar a la peculiar configuración de la sociedad hispana de la época, en la que los descendientes de judíos y los grupos judeoconversos constituían un verdadero factor de tensión social. Recordemos que, a pesar de la diversidad peninsular, coexistía un modelo común de sociedad de bases agrarias, régimen señorial y autonomías municipales. El estamento hegemónico estaba representado por la nobleza, jerarquizada en escalones sucesivos: titulados, caballeros o nobleza media, hidalgos... La alta nobleza terrateniente actuaba como directa administradora jurisdiccional de buena parte del ámbito rural, y a ella se le confiaban los principales mandos políticos y militares del Estado, los virreinatos y las embajadas. Todo este mundillo nobiliario contrastaba claramente con las burguesías de las ciudades españolas o flamencas, entre las que Vives encontraba su verdadero elemento. No obstante, por su condición de humanista y de erudito, no vinculado a instituciones universitarias que hubieran atendido sus necesidades económicas, tuvo que promocionarse, en ocasiones, a través de las aristocracias, dedicándoles algunas de sus obras como signo de protección, o actuando para ellas como preceptor particular47. 44 45

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Carta a Cranevelt, Oxford, 25 de enero de 1525; ibidem, carta 93,2. PINTA LLORENTE, Miguel/ PALACIO, José María, Procesos inquisitoriales contra ta familia judía de Juan Luis Vives. Proceso contra Blanca March, madre del humanista, Madrid 1964. ,

Ya lo había pronosticado en diciembre de 1524 en carta a Cranevelt, fechada en Londres: "La Fortuna, con tantos golpes, llegará al fin a golpear en vano, es decir, en un callo durísimo. Pero vea Cristo lo que me conviene. No hay motivo tan terrible de queja que la naturaleza humana no llegue a soportar a fuerza de sufrir"; cf. JIMENEZ, op. cit, carta 88,4. Aquí debe situarse la invitación de don Fadrique de Toledo, duque de Alba, realizada hacia el año 1522, para que se encargase de la educación de sus nietos en España; o bien la temporada en Breda (1537-1538), como preceptor de doña Mencía de Mendoza, hija del marqués valenciano de Cenete. Y, al tiempo, Vives dedicaría algunas de sus obras a miembros de la aristocracia española, como el conde de Oliva, el duque de Gandía, el duque de Béjar, etc. No obstante, durante parte importante de su vida Vives dependió directamente del mecenazgo real, en la Corte inglesa (1523-1528), o recibiendo apoyos económicos como los de Carlos V y Juan III de Portugal en 1531. Suponemos que Vives prefería esta protección cortesana, pero se malograron sus espectativas con el príncipe Fernando y, más tarde, perdió el favor de los monarcas ingleses, envueltos en los dramáticos episodios del divorcio. Hacia 1531 declaraba, en carta a Juan III de

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Más cercanos a su vida, sus amistades y sus preocupaciones, se situaban algunos miembros del clero. Aunque no hay que olvidar que prelados, dignidades y monasterios eran con frecuencia verdaderos señores jurisdiccionales, con parejos derechos que los aristócratas. De entre ellos, Vives mantuvo correspondencia con Alonso Manrique, arzobispo de Sevilla e inquisidor general; y, a través de Juan de Vergara, su secretario, con Alonso de Fonseca, arzobispo de Toledo. Hagamos notar que se trata de dos simpatizantes del erasmismo español, y que regentaban las dos diócesis de mayor prestigio y pujanza económica de la Península. Toledo debía ingresar anualmente la enorme cantidad de 150.000 ducados, y Sevilla le seguiría en importancia con unos 40.000. Y, de otro lado, los Fonseca constituían un verdadero linaje, cuasi hereditario, de arzobispos de Santiago de Compostela entre 1460 y 1524, fecha en que alcanzaron la diócesis primada. Pero además de estos encumbrados personajes, constan las relaciones de Vives con sectores cultos de algunos cabildos catedralicios y colegiatas. Su mismo amigo Juan de Vergara terminaría como canónigo de Toledo, un gigantesco entramado de 14 dignidades, 60 canonicatos, 100 beneficios y 200 capellanías; y un cabildo, además, nutrido de sangre conversa48. Y es este grupo social de los conversos, marginado y discriminado, el más directamente relacionado con el propio Vives y los procesos inquisitoriales mencionados. Recordemos que su padre era un comerciante de paños, lanas y sedas, representante de la mediana burguesía conversa. Pues bien, no sólo los padres, sino todos los tíos maternos de Juan Luis Vives tuvieron problemas con la Inquisición. Aunque no estaban solos. A fines del siglo XIV debieron existir de 2.500 a 3.000 judíos en la ciudad de Valencia, es decir, en torno al 10% de la población. Luego, a pesar de las conversiones y expulsiones de 1492, la Inquisición tuvo motivos para procesar unos 2.156 casos hasta el año 1530, con un promedio de 45 anuales49. Y esta es la atmósfera dramática que subyace bajo la concordia y el pacifismo de Vives, y la que contribuye a explicar sus angustias y torturas del período 1522 en adelante. Portugal (Brujas, julio de 1531) que "la erudición necesita la tranquilidad que el poder real proporciona", y éste, a su vez, los consejos y autoridad de los doctos; cf. JIMENEZ, op. cit., carta 158,17. Pero Vives, obligado por las circunstancias, tendrá que volver intermitentemente a las clases particulares, cosa que no le satisfacía mucho. Ya en 1522, encontrándose necesitado de dinero, le declara a Erasmo que había tomado "aversión a la enseñanza", y que "haría cualquier cosa antes que volver a esa porquería y estar metido entre chavales"; carta de Lovaina, 15 de agosto; ibidem, carta 46,5. Se han contabilizado unos 7.000 miembros de cabildos catedralicios y colegiatas en la España de la primera mitad del siglo XVI. Entre ellos podían encontrarse inteligencias lúcidas, abiertas al erasmismo, así como también las había en algunas órdenes religiosas. Vives, por ejemplo, sostuvo un cierto intercambio epistolar con el benedictino Alonso de Virués. En muchos de estos casos podemos toparnos con la sangre conversa, que llegaba hasta los secretarios de los arzobispos de Toledo y Sevilla: Juan de Vergara y Luis Núftez Coronel. Por su parte, el cabildo de Toledo estaba verdaderamente infectado y, para atajar la dolencia, el arzobispo Martínez de Silíceo impuso en 1547 pruebas de limpieza de sangre para su acceso. 49

GARCIA CARCEL, Ricardo, Orígenes de la Inquisición Española. El tribunal de Valencia, Barcelona 1976.

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Porque, insistamos, el converso era considerado como un hereje potencial, y en las propias comunidades urbanas se tendía al desprecio y arrinconamiento de familias de raíz infecta. Los sectores populares, a falta de sangre noble, podían alardear de sangre limpia, sobre todo si, con ello, se destacaban de familias aristocráticas con antecedentes conversos. Circulaban, además, libros delatores de linaje, que contribuían a enrarecer aún más las precarias relaciones. Y es por tanto, en un clima de hostilidad, marginación y rechazo, en donde deben situarse las tensiones de integración de tantos clanes judeoconversos, entre los que se encontraba el de los Vives. En algunos casos el obügado disimulo logró sus fines, y el acoso no acabó en el brasero. Fue esta la situación, por contraste, de la familia de Santa Teresa. El abuelo, Juan Sánchez, vecino de Toledo, había sido, también, mercader de paños y sedas, así como arrendador de rentas reales y eclesiásticas. Tras ciertas penitencias públicas en 1485, por judaizante, se translada con su familia a Avila. Allí muda el apellido en Cepeda y mantiene la tienda de paños. Sin embargo, gesta un plan de disimulo e integración social: maniobra para la compra de una falsa ejecutoria de hidalguía, y logra el casamiento de sus hijos con familias abulenses caballerescas. Su hijo don Alonso, el padre de Santa Teresa, adoptará un modo de vida hidalgo. Se trataba de "aparentar" para conseguir la integración social. A ello coadyuvaron su casamiento con cristiana vieja, el vivir de rentas y la ostentación en casa, atuendo y servidumbre. Como consecuencia de todo esto morirá arruinado en 1543, y sus hijos varones habrán de tomar el camino de las Indias; pero los orígenes manchados del linaje no se descubrirán públicamente hasta 400 años después50. La situación se fue complicando en un verdadero círculo vicioso. Los conversos judaizantes habían estado en la raíz de las consideraciones teológicas que motivaron la expulsión judía de 1492J e, incluso, el establecimiento de la Inquisición bajo protección regia. Pero, paulatinamente, y sin una directa imposición del poder, sino por un cortejo de iniciativas particulares, se fue confeccionando el cerco de los llamados estatutos de limpieza de sangre, tanto en el reinado de los Católicos como a lo largo del siglo XVI. Los asumieron ayuntamientos, órdenes religiosas, capítulos catedralicios, colegios mayores, cofradías y gremios. Se trataba de obstaculizar el acceso de los descendientes de conversos a dignidades civiles y religiosas, así como a toda práctica de profesiones honorables. Y la exclusión llegó a ser considerable, pero no total, pues el "curriculum" universitario, la falsificación de probanzas de limpieza y la venalidad de ciertos cargos permitieron algunas posibilidades de camuflaje51. 50 51

EGIDO, Teófanes, El linaje judeoconverso

de Santa Teresa, Madrid 1986.

En este contexto de acoso es donde hay que situar la carta que escribe a Vives su amigo Juan de Vergara, no exento él mismo de antecedentes conversos. Aparece fechada en Valladolid, a 12 de abril de 1527: "El infortunio de tu padre lo llevé, como era deber mío, muy mal. Pero no pienses que este motivo a decrecido lo más mínimo mi amor hacia ti. No soy de sentimientos tan bajos. Tú te has labrado para todos los buenos tan excelsa gloria que no hay nada fuera de ti que pueda

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Más aún, junto a estos sectores sociales mencionados, y a un mayoritario 83 % de población campesina, existieron otros grupos marginales y excluidos, tales como los moriscos o los pobres. Los primeros dieron lugar a fuertes tensiones con la población cristiana vieja en Aragón, Valencia y Granada. Se trataba de clases populares en su mayoría, artesanos o agricultores, en buena parte de regadío. En el Reino de Valencia, patria de Vives, existieron importantes contingentes como vasallos de señorío, y quedaron implicados en los conflictos sociales desencadenados por las Germanías, como ya vimos. Cabe, por último, referirse a los pobres, a los que nuestro humanista dedicará un libro renovador de la caridad pública de la época52. Porque hay que señalar que, en las sociedades del Antiguo Régimen, existían hasta un 15% de pobres estructurales, con porcentajes de viudas que superaban el 50%. Las autoridades reconocían la mendicidad de los llamados pobres legítimos; es decir, los enfermos, ciegos, lisiados..., a los que se expedía una cédula o carnet de identificación. Pero, para la mayor parte, su socorro recaía en instituciones de caridad eclesiástica, a partir de obras pías o donativos particulares. 2.5. Alcalá, el humanismo y los erasmistas Finalmente, cabe referirse en esta ponencia al hecho de que toda la biografía de Vives se encuentra recorrida por sus relaciones con los sectores erasmistas del humanismo español. Y, en este sentido, uno de los sucesos más significativos lo constituyó el ofrecimiento realizado por la Universidad de Alcalá, en mayo de 1522, para que Vives se hiciera cargo de la cátedra de latinidad de Nebrija. Detrás de esta propuesta estaba todo el sector erasmista alcalaíno y su amigo Juan de Vergara. Más aún, la cátedra le fue ofertada de manera extraordinaria, saltándose los plazos, los requisitos y el concurso de opositores, por simple beneplácito del claustro53. La Universidad de Alcalá, creada por el cardenal Cisneros mediante bula pontificia de 1499, constituía a la sazón el buque insignia del humanismo hispano. Frente a Salamanca, universidad de raíces medievales, jurídica y de escolástica tradicional, Alcalá se diseñaba abierta a diversos sistemas filosóficos (entre ellos el nominalismo parisino), orientada a la formación teológica y preocupada por la crítica de textos y el cultivo de las tres lenguas sabias: latín, griego y heoscurecerla. Esta desgracia ha provenido de una circunstancia del todo ajena a tu persona. Dios quiso que a ti sólo te rozara y tienes motivo para darle gracias..."; cf. JIMENEZ, op. cit., carta 123,3. Sobre los estatutos de limpieza, SICROFF, Albert A., Los estatutos de limpieza de sangre, Madrid 1985. 52

Cf. CARASA SOTO, Pedro, "Juan Luis Vives y la reforma social"; introducción al Tratado del socorro de los pobres, Madrid 1991, pp. 15-101. La obra original se publicó en Brujas el año 1526, con el título De subventione pauperunr, en ella Vives insistirá en la institucionalización de una especie de caridad pública. 53 JIMENEZ, op. cit., carta 40,2: "no rehusamos en atención a tu persona (cosa que sucede muy rara vez entre nosotros sin contar con la propuesta de los electores) ofrecerte en forma extraordinaria la cátedra, y sin competencia de ningún otro".

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breo. Su más logrado fruto lo constituirá la monumental edición de la Biblia Políglota, impresa entre 1515-1517, y publicada a partir de 1522. Además de esto, y durante toda la primera mitad del quinientos, Alcalá constituye un foco ascético-espiritual cristiano, con desarrollo de imprenta propia y publicación de textos devotos54. En este ambiente, Cisneros ya había invitado al propio Erasmo, hacia 1516, a residir en Alcalá; y el humanista había contestado con el célebre: "non placet Hispania". Ahora, sin embargo, Juan Luis Vives podía resultar la figura adecuada; y así lo considera su amigo Juan de Vergara que, por septiembre de 1522, estaba persuadido de que Vives aceptaría el nombramiento. Por lo demás, las condiciones resultaban notablemente ventajosas: doscientos florines del Rhin al año, como salario; casa propia para vivir; y la posibilidad de impartir otras clases extraordinarias55. No existe ningún testimonio documental sobre la aceptación o rechazo por parte de Vives de esta cátedra tan tentadora. Pero del Epistolario pueden deducirse vacilaciones, angustias y cierta proclividad a la aceptación; actitud que quedará comprometida y malograda por los procesos inquisitoriales abiertos contra su padre. En carta a Cranevelt de enero de 1523, tras notificarle la acosada situación de su familia, añade: con estas noticias aumentó mi angustia y la inquietud de mi espíritu, pues estoy pendiente de las cosas de España y no me atrevo a tomar una resolución definitiva para el futuro. No sé si en estas circunstancias es conveniente que vaya allí o que me quede; si les es del todo necesaria mi presencia no lo sé; de forma que no me^gueda lugar ni para reflexionar. ¡Tan atados nos tiene la condición de los acontecimientos!

Por su parte, en sus cartas, Cranevelt le había sugerido que podía esperar hasta marzo o finales de abril para viajar a España, caso que se decidiera a aceptar la cátedra. Y, efectivamente, a principios de mayo de 1523 le escribe a Erasmo: Yo por ninguna causa he podido sustraerme de ese viaje a España, que pienso emprender mañana o pasado. ¡Quiera Cristo hacer prosperar la trav^ía! Marcharé por Inglaterra y allí, mi patria, cumpliré contigo el deber de un buen amigo .

Y, el mismo día, escribe a Cranevelt: Mañana parto de Brujas para Inglaterra, donde saludaré a Moro de tu parte con todo cariño, como corresponde a vuestra común amistad; de allí a España, pero por mar, pues por tierra apenas puede uno vivir en tiempos tan calamitosos. Lo he retrasado hasta ahora por 54

55 56

GONZALEZ NAVARRO, Ramón, Universidad Complutense. Constituciones originales cisneríanas, Alcalá de Henares 1984. JIMENEZ, op. cit., carta 47,3-6; Valladolid, 6 de septiembre 1522: "estaba persuadido de que tú aceptarías la propuesta, si te la ofrecían en condiciones decorosas".

ibidem, carta 53,4; Lovaina, 4 de enero de 1523. Posteriormente, en carta al mismo Cranevelt, Brujas, 15 de marzo de 1523, Vives continúa indeciso y atormentado: "mi espíritu sufre amargamente por no saber qué resolución tomar. Volver a mi patria no me gusta; permanecer aquí no puedo. De allí me llaman ahora de nuevo por carta; sin embargo me retraen los gastos; me espanta el peligro"; ibidem, carta 58,1. 57 Carta a Erasmo, Brujas, 10 de mayo de 1523; ibidem, carta 61,13.

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si brillaba alguna esperanza desde España. Todo es tinieblas y noche no mayor en los acontecimientos que en mi espíritu y en mis determinaciones, que me las arrancó todas la vehemencia de mis sufrimientos.

Y añade en la carta: Adiós, mi querido Cranevelt; a ti y a todos los tuyos os deseo la mayor felicidad y alegría. No está peor la situación gg España, sino porque me dicen que no encontraré facilidades para mis estudios. Adiós...

Como puede deducirse de todo lo dicho, resulta probable que Vives estuviera tentando la aceptación de la cátedra de Alcalá, y para ello organizara su viaje hacia España. No obstante, las guerras iniciadas entre Francisco I y Carlos V le obligaban a un rodeo marítimo por Inglaterra. Allí, informado de los negros presagios inquisitoriales que llegaban de España, Tomás Moro pudo disuadirle de su empeño y atraerlo a la Corte, pues, algunos años antes, Vives había tentado esa posibilidad59. En conclusión, que otro de los vínculos biográficos de Vives con España lo constituyó la oferta docente de la Universidad de Alcalá, en un momento de plenitud de esta institución académica. Posteriormente, tras la persecución de erasmistas a lo largo de la década de los años treinta, será Salamanca la universidad que retome la hegemonía intelectual en las Españas. Así, con la llamada "segunda escolástica", se origina y cristaliza una influyente escuela teológica que confluirá en Trento. Pero, hasta que esto ocurra, existieron otros focos humanistas en la patria de Vives. En el mismo Reino de Valencia cabe destacar la corte virreinal del duque de Calabria (difunto en 1550), en la que se produjo una confluencia de cultura cortesana, literaria y musical, utilizando como vehículo la lengua castellana. Y, además de eso, la Universidad de Valencia contribuía a la difusión humanista, concretamente, al desarrollo de los estudios de griego; y no sólo a través del estudio de los textos sagrados y literarios, sino, muy destacadamente, a partir de textos médicos vinculados a las enseñanzas en esta facultad. En otro orden de cosas, y fuera de los niveles puramente institucionales, Vives mantuvo una notable relación con los círculos erasmistas, y se mantuvo muy bien informado de las confrontaciones antierasmistas que culminaron en los procesos de 1527 y en las persecuciones de la década siguiente. En ese año 1527, las obras de Vives las saboreaba el mismísimo arzobispo de Toledo, Alonso de Fonseca, tal y como se lo relata Juan de Vergara80. Y el mismo 56 59

Carta a Cranevelt, Brujas, 10 de mayo de 1523; ibidem, carta 62,3,5. Carta a Erasmo de 10 de julio de 1521, donde le informa de una próxima entrevista con Tomás Moro y Enrique VIII: "a fin de tratar con ellos cuál ha de ser en adelante mi plan de vida"; ibidem, carta 35,3. "Fonseca, nuestro arzobispo, me mostró tu libro Sobre los pobres y tu Introducción a la sabiduría. Por lo que puedo olfatear, precipitadamente, me parecieron obras importantes y dig-

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Vergara le comunica las corrientes de opinión y la existencia de cierta conspiración contra Erasmo. Escribe a Vives por abril: Contra Erasmo conspiran ahora muchos monjes, no todos ciertamente, pero la mayor parte. Cada una de estas órdenes cuanto más dista de la mendicidad menos adversas le son. El asunto ha sido presentado a los tribunales y hasta el actual momento la causa marcha a favor de Erasmo. Mi señor arzobispo ha tomado a pecho la defensa de este hombre. También está a su favor el César; lo están los mismos magistrados; lo están, por fin, todos los buenos .

Recordemos, en este punto, que se ha dicho que el talante hispano acogió mejor el humanismo religioso, espiritual y de signo erasmista que el propiamente clásico a la italiana62. Y, ciertamente, los aspectos estrictamente filológicos del humanismo hispano aparecen bastante reducidos. En este contexto, una de las primeras traducciones de Erasmo al castellano se realizó en 1516 y en Sevilla: Tratado o Sermón del Niño Jesús. El año 1526 se publicaba el Enquiridion, en versión de Alonso Fernández de Madrid63, a lo que seguirán otras obras. Y esta corriente erasmista era favorecida en los círculos del Emperador, y contaba con las simpatías de secretarios como Gattinara y Alfonso de Valdés. Estaban, además, los arzobispos de Toledo y Sevilla, ya mencionados, y sus respectivos secretarios, entre ellos el tantas veces referido Juan de Vergara. Por último, simpatizaban con el erasmismo núcleos de profesores en las universidades de Alcalá, Valladolid o Valencia. Valencia, concretamente, constituía uno de los territorios peninsulares más proclive al erasmismo. Humanistas parisienses y europeos de procedencia valenciana habían mantenido directos contactos con Erasmo: Joan Gélida, Joan Marti Població, o el mismo Vives. La difusión de la obra de Erasmo se realizaba, asimismo, desde la Universidad de Valencia, y su traducción era promovida por hombres como Juan de Molina o el canónigo de Gandía Bernardo Pérez de Chinchón.

ñas no sólo de un escritor elocuente, sino también sesudo..."; carta de Juan de Vergara a Vives, Valladolid, 12 de abril de 1527; cf. JIMENEZ, op. cit., carta 123,11. 61 Ibidem, carta 123,12. 62 Sobre estos aspectos y la popularidad de Erasmo en círculos eclesiásticos y humanistas españoles, la obra de BATAILLON, Marcel, Erasmo y España, México 1950; ABELLAN, José Luis, "El erasmismo español", en: Historia Crítica del Pensamiento Español, Madrid 1979, vol. II, pp. 35ss.; BATLLORI, Miguel, Humanismo y Renacimiento. Estadios hispano-europeos, Barcelona 1987. Sobre el estado de la cuestión acerca del Renacimiento en España: RICO, Francisco, "Temas y problemas del Renacimiento español", en: Historia y Crítica de la Literatura Española, III. El Renacimiento, Barcelona 1980, pp. 1-27; ALCINA, Juan F./ RICO, Francisco, 'Temas y problemas del Renacimiento español", en: Historia y Crítica de la Literatura Española, 2/1, Suplemento, Renacimiento, Barcelona 1991, pp. 5-25; GARCIA VILLOSLADA, R., "Vives y Erasmo. Cotejo de dos almas", en: Humanidades, 10 (1955), pp. 187-198. 63

Vives, siempre al corriente de las noticias de España, se lo comunica de inmediato al propio Erasmo: "En España tu Enquiridion comenzó a hablar en nuestra lengua y, a decir verdad, con aprobación del pueblo, que solía estar bajo la autoridad de los frailes." Carta fechada en Brujas, 18 de marzo de 1527; JIMENEZ, op. cit., carta 121,2.

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No obstante, los grupos antierasmistas se mantenían al acecho y contraatacaban. Diego López de Estúñiga, desde Alcalá, polemiza a partir de 1520 contra los escritos de Erasmo. También, aunque más moderadamente, Sancho Carranza de Miranda. Tras ciertas denuncias a la Inquisición, por parte de franciscanos y dominicos, el arzobispo de Sevilla Alonso Manrique convoca en Valladolid una junta de teólogos en junio de 1527. Participaron unos 32 teólogos, y aunque no hubo declaración oficial, se consiguió atajar a los extremistas que acusaban a Erasmo de herético. El inquisidor Manrique maniobró a favor de la causa64. De todo este panorama Vives era informado, directamente, por Juan de Vergara, secretario del arzobispo de Toledo Alonso de Fonseca, como hemos visto65. Y Vives, de inmediato, va poniendo la información en conocimiento de su amigo Cranevelt y del propio Erasmo, en una correspondencia pletòrica e ininterrumpida66. Así, en una carta a Erasmo de 13 de junio de 1527, Vives declara que la moderación y ciencia del dominico Francisco de Vitoria pudiera limitar los excesos de sus hermanos de hábito contra los erasmistas. Pasa, a continuación, a subrayar la esclavitud en que los frailes mantienen sometido al pueblo: servidumbre que si en todas partes es insoportable, lo es más en los países cristianos, en especial en nuestra patria [España], donde no la toleran ni los esclavos ni las acémilas.

Y, posteriormente, manifiesta su esperanza de que con el tumulto se acrecentara la fama de Erasmo en la Península67. En parecidos términos, y más extensamente, le relata al mismo Erasmo todas las circunstancias del caso en carta de julio de dicho año, reseñando y transcribiendo párrafos de sus informadores, y haciendo constar que "de ello me dan fe todos los que llegan de España"68. 64

66

67

68

AVILES, Miguel, Erasmoy la Inquisición. El libelo de Valladolid y la Apología de Erasmo entre los frailes españoles, Madrid 1980. Recordemos que Juan de Vergara (1492-1557), de la misma generación de Vives, había sido secretario anteriormente del cardenal Cisneros y había participado en los trabajos de la Políglota de Alcalá. La información le llega a Vives por el mencionado Vergara, así como por el monje benedictino Alonso Virués, un tal Escepero, y por otro tal Alvaro de Castro, comerciante de Burgos. A todos ellos Vives los denomina "mis amigos de España". La carta a Cranevelt está fechada en Brujas, 12 de julio de 1527; las enviadas a Erasmo corresponden al 13 de junio y a julio de 1527; cf. JIMENEZ, op. cit., cartas 125,127 y 128. Nótese, también, que, por medio de Alvaro de Castro, Vives hará llegar hasta Juan de Vergara su obra De Europae disidiis, Brujas 1526, como consta de una carta fechada el 14 de agosto de 1527; JIMENEZ, op. cit., carta 129,17. Vuelve a aparecer el eje de relación Países Bajos-Norte de España-Burgos, tantas veces señalado en los intercambios económicos y culturales de la época, y en la biografía del propio Vives. "Nunca tuve mayor esperanza de que nuestra España llegue a conocerte y entenderte. De tales alborotos y contiendas salieron siempre situaciones espléndidas para una mayor magnificencia y esplendor", ibidem, carta 127,7,8. Carta fechada en Brujas, día de Santa Margarita de julio de 1527; ibidem, carta 128.

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No obstante, Juan Luis Vives no poseía, a la altura de 1527, una buena opinión sobre el desarrollo del humanismo español. En carta privada a Vergara, de agosto de dicho año, manifiesta: Hay que hablar bien de la propia patria, aunque sea distinto el juicio que de ella uno se haya formado. Y, ciertamente, no negaré que haya en España, sobre todo estando tú ahí, quien pueda competir en erudición y ciencia con cualquiera de otras naciones; pero, créeme, por fuerza tiene que haber en general más erudición allí donde hay más abundancia de libros. Los estudiosos no pueden adivinarlo todo. La erudición hay que sacarla de los escritores, muchos de los cuales son de primera categoría; de los cuales muchos que aquí gozan de gran reputación, sobre todo en punto a filología, sus obras ahí no son conocidas ni por el título. Nunca pensaré que hay ahí gran cantidad de estudiosos hasta que sepa que existen diez o doce imprentas en toda España que publiquen y divulguen los autores clásicos, pues por este camino las demás naciones limpiaron de barbarie su suelo .

Los ataques contra el erasmismo se atenúan, momentáneamente, a partir de 1527, pero Vives continúa pendiente de los sucesos de España e informando a sus amigos. En agosto de 1529 relataba a Erasmo, minuciosamente, la enfermedad del arzobispo de Toledo, la regencia de la Emperatriz y la partida de Carlos V hacia Génova a la cabeza de 40 galeras...70. Suponemos que, del mismo modo, se mantendría al tanto del proceso inquisitorial y quema de los restos mortales de su madre, acaecida, tras sentencia condenatoria, en diciembre de dicho año 1529. No obstante, ninguna mención aparece registrada en el Epistolario conservado. Pero lo que sí parece cierto es que, desde el retiro de Brujas, Vives asiste impotente a un cerco continuo de persecuciones y desencantos, que le van aislando cada vez más. En febrero de 1534 moría el arzobispo de Toledo Alonso de Fonseca, y se desataba una persecución de sus amigos humanistas en Inglaterra y España. En mayo escribe melancólicamente a Erasmo y le dice: Vivimos unos momentos difíciles, en los que no podemos ni hablar ni callar sin riesgo. En España han sido detenidos Vergara y su hermano Tovar; además otros sabios varones. En Inglaterra, los^obispos Rofense y Londinense y también Tomás Moro. Pido para ti una vejez tranquila .

Unos meses antes, Vives acababa de recibir carta de su ex-alumno Rodrigo Manrique desde París, informándole, entre otras cosas, de la persecución de intelectuales que estaba realizando la Inquisición en España. Le da cuenta del proceso de Vergara, y ratifica palabras de una anterior carta del propio Vives: Es del todo cierto lo que dices, que nuestra patria está llena de envidia e insolencia; añade también de salvajismo. Pues ya se tiene como cosa cierta entre ellos que no hay nadie medianamente instruido en las buenas artes que no esté lleno de herejías, de errores, de

69 70

Carta a Juan de Vergara, Brujas, 14 de agosto de 1527; ibidem, carta 129,13,14,15. Carta a Erasmo, Brujas, 30 de agosto de 1529; ibidem, carta 145,2,6. Carta a Erasmo, Brujas, 10 de mayo de 1534; ibidem, carta 166,5.

Vives: Horizonte de España 211 judaismo; de suerte que a los sabios se les ha amordazado e impuesto silencio, y a aquellos que avanzaban hacia la erudición se les ha inyectado, como tú dices, un enorme terror . Y, más adelante, Rodrigo Manrique añade, en unos términos en que podría reconocerse el propio Vives: Defendería mi posición a mordiscos, hasta el punto que preferiría permanecer en la mayor barbarie e incultura antes que volver nunca a patria tan ingrata como la mía. Porque dime [Manrique se dirije a Vives], por favor, ¿qué puede pensarse más detestable que recorrer las escuelas y los países para alcanzar más erudición y más habilidad en el manejo de^os negocios y, de vuelta a la patria, ser acusado o, mejor dicho, ser calumniado de hereje? E n esta coyuntura todo parece irse desmoronando en el entorno de Vives. Los procesos a Juan de Vergara (1533-1535) y a su hermano Bernardino de Tovar, ya mencionados; pero también los incoados al impresor de Alcalá Miguel de Eguía (editor del Enquiridion), o al benedictino Alonso de Virués. Los amigos erasmistas de Vives van siendo yugulados o condenados al silencio. La correspondencia con Vergara se interrumpe. Tomás Moro es ejecutado en 1535. Erasmo muere en 1536. E n 1537 la Inquisición de Valencia emite condenas contra erasmistas. En 1538 Enrique VIII de Inglaterra casa con A n a Bolena, y en España fallece el arzobispo de Sevilla e inquisidor Alonso Manrique, último baluarte del erasmismo. Vives, en su exilio de Brujas, acogido al calor del hogar, se entrega al olvido de los libros, en una de sus etapas más fecundas. Y a lo había dejado escrito hacia 1529 cuando, al referirse a sus trabajos sobre la concordia, señalaba la compasión que me inspiran estos tiempos en que vivimos, y puesto que no puedo prestar remedio a tantos males, por la flaqueza de mis fuerzas, doy público testimonio de los sentimientos de mi alma por escrito, y esto me consuela y, de alguna manera, me tranquiliza . Vives, sin embargo, no se hacía muchas ilusiones con respecto a sus compatriotas. E n carta a Juan Maldonado, Vicario General del Arzobispado de Burgos, le decía por carta de diciembre de 1538: Unos se engañan a sí mismos; otros, con recta intención, me advierten que me equivoco, pues no creo tener envidiosos, sobre todo en España, por muchas razones. La primera porque no vivo allí; la segunda, porque allí leen poco mis obras, menos aún las compran o se preocupan de ellas, dada la frialdad de nuestros compatriotas por el afán de las letras. Además, nunca escribí palabra que moviera a envidia, ni herí a nadie, no muevo a ninguno de su lugar ni me interfiero ni estorbo las ganancias de nadie. Por último, porque mis obras no son tales que despierten la envidia de los otros. Pero, aunque tuviera quienes me envidiaran, quienes me mordieran, yo preferiría ignorarlo, para estar seguro de que no devolvía mal por mal, ni mordisco por mordisco. Adiós, una y mil veces adiós .

72 73

74

Carta de Rodrigo Manrique a Vives, París, 9 de diciembre de 1533; ibidem, carta 168,5. Ibfdem, carta 168,7.

Carta a Guillermo Bude, Brujas, noviembre de 1529; ibidem, carta 146,7. Esta carta, escrita un poco antes de la sentencia condenatoria de su madre, abre una de las décadas intelectualmente más fecundas de su repliegue en Brujas. 75 Carta a Juan Maldonado, Breda, 16 de diciembre de 1538; ibfdem, carta 176,4-5.

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Evidentes palabras de desencanto, pero también de aguante y estoicismo cristiano, tras el hundimiento de todo un mundo personal y amistoso. La supervivencia era posible en medio de los desgarros de unos tiempos crispados, pero al precio del repliegue. El humanista del intimismo y la concordia resultaba, de este modo y de alguna forma, desbordado por las circunstancias76. Dos años después, en 1540, fallecía en Brujas este valenciano y europeo que mantuvo siempre la preocupación de España en su horizonte vital.

78

Se ha señalado la difícil y conflictiva trayectoria biográfica de Vives: el rechazo social en su patria valenciana por su entorno judeoconverso; la actitud discorde con el nominalismo parisino; la desconfianza hacia las atmósferas culturales españolas; el destierro de la Corte inglesa; el aislamiento progresivo, tras las persecuciones del erasmismo y la muerte o marginación de sus principales amigos; la propia sospecha en que cayeron algunas de sus obras; la continua precariedad material y económica; e, incluso, los achaques y enfermedades recurrentes. Vives, además de todo ello, no poseía un temperamento combativo, sino una sensibilidad sentimental que asumía las circunstancias "sine querela". De ahí el repliegue intimista, la búsqueda de círculos reducidos y amistosos, y su continuo anhelo de sosiego, reiterado a lo largo de todas sus cartas. De ahí mismo su falta de nervio en el asunto del divorcio de los reyes de Inglaterra. De ahí sus exilios y sus huidas, sus angustias, en unos tiempos revueltos de conflictividad extremada. Como bien señala el profesor Juan Alcina (op. cit., p. XV), Vives no se enfrenta, no intenta transformar de forma activa los obstáculos que se le oponen. Teme los braseros de la Inquisición, y también "la fuerza y el poder de los hombres obscuros que dominan las estructuras universitarias y políticas de su país". De este modo, se mantendrá exiliado de España y, en las últimas cartas antes de morir, continuará aconsejando "someterse a las circunstancias" y "llevar con paciencia y gran tranquilidad de ánimo cuanto suceda", carta a Gaspar de Castro, hacia 1539 ó 1540.

Notas sobre la pervivencia de Vives en España (s. XVI) Juan F. Alcina (Tarragona) En una carta a Juan Maldonado de 1538, asegura Vives que en su país no cree tener envidiosos entre otras razones porque "allí leen pocos mis obras, menos las entienden, menos aún las compran o se preocupan de ellas, dada la frialdad de nuestros compatriotas por el estudio de las letras"1; y en una carta a Juan de Vergara de 1527, aludiendo a la cultura en España dice: Nunca pensaré que hay ahí gran cantidad de estudiosos hasta que sepa que existen diez o doce impresores en toda España, que publiquen y divulguen los autores clásicos; pues por este camino las demás naciones limpiaron de barbarie su suelo.

Esta apreciación de Vives es exacta en líneas generales. España es el país que menos impresos de Vives tiene en el siglo XVI. Como señala Enrique González2, comparado con las impresiones de otros países, o incluso ciudades como Lyon o Venecia, lo que se imprime de Vives en España es muy poco. Y, sin embargo, hubo una difusión de Vives en España» y, por lo menos, sus obras de más éxito en Europa se editaron y tradujeron en la Península: la Instrucción de la mujer cristiana, la Introducción a la sabiduría y los Diálogos además de otros textos en un complicado enredo de reediciones que distan mucho de estar aclaradas; y a lo largo del dieciséis, las huellas de sus escritos se pueden seguir en bastantes autores y en líneas de pensamiento que transformaron la cultura española. Visto globalmente, pienso que la apreciación del propio Vives no es válida para todo el siglo XVI, ni tampoco la de estudiosos recientes que han valorado este aspecto. Actualmente tenemos un conocimiento un poco mejor del humanismo español del que había hace diez años, aunque falta muchísimo por hacer, y pienso que podemos y debemos perfilar con más exactitud el problema. A pesar de que ya por los años veinte Vives no debía de ser un desconocido, su verdadera fama no se inicia hasta finales de la década y durante los años treinta. De hecho, hasta la publicación del De tradendis disciplinis, Vives es sólo un joven humanista airado y prometedor. Cuando en 1525 el catedrático de poesía de la Universidad de Valencia, Juan Angel González, publica una lista de los grandes debeladores de la barbarie en su De laudibus poeseos sylva, se

1

2

Juan Luis Vives, Epistolario, trad. J. Jiménez Delgado, Madrid, Ed. Nacional, 1978, p. 610. Enrique González, Joan LIuís Vives. De la Escolástica al Humanismo, Valencia, Generalität de Valencia, 1987, p. 44; cfr. también A. Guy, "La difusión de Vives en Francia y en países francófonos", en: Exilios filosóficos en España. Actas del VII Seminario de Historia de la Filosofía Española, Salamanca, Universidad, 1992, pp. 257-268, que señala la existencia de hasta 40 traducciones al francés antes de 1612.

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Juan F. Alcina 3

limita a citar a los grandes italianos, a Erasmo y a Nebrija . Omite a Vives, quizá por precaución o quizá porque era un autor muy joven. El mismo Juan Angel no tiene ningún pudor en 1539 en hacer los más encendidos elogios de su coterráneo como después veremos. A pesar de la condena del padre, Vives parece seguir en contacto con Valencia y en 1527 escribe una carta en catalán desde Brujas a los regidores de Valencia sobre la ordenación de los estudios en la Universidad. Desgraciadamente no se conserva, pero la describe muy detenidamente el helenista Cosme Damián Savall en 1531 y dice que se conservaba en el archivo de la ciudad4. En esa carta Vives proponía la división en siete clases o niveles a los alumnos, cosa que efectivamente se cumplió en el Estudi de Valencia según explica Mayans. Este sería el único texto catalán de Vives del que tenemos constancia y demuestra que en 1527 tiene un cierto prestigio en Valencia y su opinión tiene peso suficiente como para influir en la estructuración de los estudios. Por esas fechas Vives es en Valencia el prototipo del maestro de ética, ética antigua cristianizada para adoctrinamiento de jóvenes, sobre todo caballeros y damas nobles. Esta fama le viene dada por la traducción, en 1528, de la Institutio feminae christianae que hizo el italiano Giovanni Giustiniani, contino del palacio del duque de Calabria y Germana de Foix. Aunque el autor era italiano, la traducción ofrece un castellano espléndido, como señala Salvador Fernández Ramírez en la edición que preparó de ese texto5. Fue el texto de Vives que alcanzó más difusión, con ocho reediciones conocidas y quizá haya más. En el prólogo, Giustiniani incluye la primera alabanza que conozco de Vives hecha en España: Dios nos ha dado entre otros señalados doctores de nuestros tiempos uno natural de España, y aun nacido en medio desta insigne ciudad de Valencia, do vuestra alteza reside [se dirige a Germana de Foix], llamado el dotor Juan Luys Vives, maestro de la princesa doña Magia de Englaterra, nieta de vuestra alteza: por parte del Rey cathólico de gloriosa memoria .

En esta Institución de la mujer cristiana encontramos dos referencias a sus padres. En una se habla de la concordia y paz matrimonial de sus padres y en la otra hay un encendido elogio de la madre:

3 4

5

6

Cfr. el texto en J. F. Alcina, Juan Angel González y la "Sylva de laudibus poescoá' Bellaterra, Univ. Autónoma de Barcelona, 1978.

(1525),

Da la noticia y reproduce estos textos perdidos la "Vita" de G. Mayans en: J. L. Vives, Opera Omnia, I, Valencia, 1782, pp. 170-171. Juan Luis Vives, Libro llamado Instrucción de la Mujer Cristiana traducido de latín en romance por Juan Justiniano, edición, prólogo y notas de Salvador Fernández Ramírez, Madrid, Signo, 1936. Cita el fragmento S. García Martínez, "El erasmismo en Aragón", en: J. IJsewijn/A. Losada, Erasmus in Hispania Vives in Belgio, Lovaina, Peeters, 1986, p. 248.

Vives en España

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de sanctissima matre mea quam ego nil dubito in caetis fructum integerrimae actae vitae iam percipere, non est in alieno copiosius loquendum opere, cum destinatus sit nobis de illius Actis Vitaque liber [no debemos hablar más largamente de mi santísima madre que no dudo que en el cielo goza del fruto de la vida honestísima que llevó, pues pienso que sea objeto de un libro que escribiré sobre su vida y hechos.]

Estos pasajes desaparecerán en ediciones posteriores, en función de las condenas respectivas: en la traducción de Giustiniani se eliminan las referencias al padre, pues la condena es de 1524 y en la edición latina de 1538, revisada por Vives, se elimina la referencia a la madre7. Cuando las escribe Vives en 1524 estamos en pleno proceso del padre y pienso que él quiere dar un testimonio frente a la Inquisición y ayudarlos de alguna manera. De la religiosidad del padre no dice nada, pero de la madre, como hemos visto, dice que es una santa que está en el cielo. Vives sabía perfectamente que su padre era un creyente judío y que su madre probablemente también. De todas formas da ese falso testimonio como una prueba de amor por ellos, quizá con la vana esperanza de que su opinión tuviera alguna incidencia. Por lo demás, el texto de la Instrucción es importante en España por iniciar la tradición de manuales sobre la educación de la mujer y también por iniciar una crítica platónica contra la literatura en vulgar, especialmente novela de caballerías y poesía cancioneril. Es un aspecto estudiado por muchos investigadores y no quiero insistir en ello8. - Sin embargo, no puedo dejar de subrayar el origen vivista de esta crítica. Los autores más importantes en la transmisión de esta crítica moral son hombres especialmente adictos a Vives, como Alejo de Venegas, Cervantes de Salazar o Benito Arias Montano. Incluso en el léxico virulento y en la formulación de los tópicos contra los libros de caballerías se pueden ir siguiendo las mismas junturas y expresiones que utiliza Vives. Lo mismo pasa con su crítica de la poesía cancioneril, menos difundida quizá, pero que va apareciendo por ejemplo en Fray Luis de León cuando dice en Los Nombres de Cristo: Porque este (el tema religioso) es sólo digno de la poesía; y los que la sacan de él y forzándola la emplean, o por mejor decir, la pierden en argumentos de liviandad, habrán de ser castigados como públicos corrompedores de dos cosas santísimas: de la poesía y de las costumbres .

A mí me recuerda inevitablemente las palabras de Vives sobre el tema que en la traducción de Giustiniani rezan: Eso mesmo se debría mandar por público edicto y mandamiento que nadie osase cantar por las ciudades o lugares metro ni copla ni otra cosa deshonesta ... en tanto grado que parescen lo que componen y los que cantan tales canciones no entender en otro sino cómo 7

Cfr. Joan Fuster, Ltibres i Problèmes del Renaixement, València, Institut de Filologia Valenciana 1989, pp. 21-29.

8

Cfr. por ejemplo Chr. Strosetzki, Literatur als Beruf. Zum Selbstverständais gelehrter schriftstellerischer Existenz im spanischen Siglo de Oro, Düsseldorf, Droste Verlag, 1987.

g

F. Luis de León, Obras castellanas completas, ed. F. García, Madrid, BAC, 1969, p. 469.

und

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Juan F. Alcina podrán corromperlas costumbres de la ciudad, haciendo como los que enficionan las fuentes públicas...

Fray Luis enlaza también en esto con Vives, de la misma manera que en su oda A Querinto las "mil historias que canto" con las que las Sirenas pretenden seducir a Ulises aluden para Fray Luis a los libros de caballerías, los libros que matan hombres y cosas similares. Dejando la Institución y siguiendo con la pervivencia del resto de su obra, hay que decir que a partir de 1531 se inicia la difusión masiva de impresos de Vives en Europa. Ese año publica su gran obra, el De disciplinis, y no es casualidad que el citado Cosme Damián Savall en la Oratio de optimo statu Reipublicae litterariae constituendae, que se leyó ese mismo año de 1531, lo tilde de clásico de nuestra religión y diga: Adeoque multa ... scripta quotidie per totum orbem invulgantur quae sunt haud dubie illius nomen, non sine maxima celebritate ... ad posteros transmissura [tantos escritos suyos (de Vives) se publican cada día por todo el mondo que harán pervivir sin duda su nombre con los máximos elogios a la posteridad].

De todas formas, la difusión de su obra en España por la década de los treinta es pequeña y justifica las quejas de Vives en la carta a Juan Maldonado que cité al principio. Sólo a finales de los años treinta la situación cambia. Coincide en esto con la difusión de Vives en Italia que se inicia justamente en 1537 con una serie de impresos vivistas de uso escolar11. En España tenemos algunas reediciones de la Institutio feminae christianae en impresos de Zaragoza y Zamora en 1539 y Diego Ortega de Burgos vierte al castellano un texto nuevo, las Excitationes animi in Deum, con el título de Comentarios para el despertar del alma en Dios. Se edita en Amberes en 1537 con carta prologal de Vives y se reedita en Burgos en 1539. Diego Ortega, tío del luterano Francisco de Encinas12, es un joven seguidor de Vives que aparece varias veces en el epistolario del valenciano. En una ocasión le sirve como correo para una carta dirigida a Juan de Vergara y en otra recomienda a este joven ante el burgalés Juan Maldonado. Las Excitationes forman una introducción a la oración mental, probablemente muy del gusto de los grupos erasmistas (y también luteranos) entre los que se movía Diego Ortega y quizá, paradójicamente, también tuviera sus lectores entre los tempranos jesuítas.

10

Ed. S. Fernández Ramírez, p. 32. Cfr. T. Gariglio/A. Sottiii, "Zum Nachleben von Juan Luis Vives in der italienischen Renaissance", en: A. Buck (ed.), Juan Luis Vives. Arbeitsgespräch in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Hamburg, Hauswedell, 1981, pp. 211-213.

12

Hacia 1546 aparece como mercader instalado en Amberes y se le cita en varias epístolas dirigidas a Encinas en esa fecha, una de Arnold Birckmann y otra de Mathias Claudius, cfr. Ignacio Javier García Pinilla, El Epistolario de Francisco de Enzinas, tesis doctoral de la Universidad de Sevilla, 1993, pp. 43 y 66.

Vives en España

217

Hacia 1539, el valenciano Juan Angel González parece estar mucho mejor informado sobre Vives a raíz de la llegada a Valencia de doña Mencia de Mendoza. La nueva esposa del duque de Calabria habia sido alumna y protectora de Vives en Breda y para ella publica Juan Angel hacia 1539 ima silva latina en la que la exhorta a favorecer a los hombres de letras entre los que está Luis Vives. Vives es "fama y gloria de nuestro suelo" -dice Juan Angel"E1 ha llenado el mundo de las eminentes alabanzas que ha recibido y va a oscurecer, Erasmo, tu nombre. Él es el que ha suspendido con su palabra ilustres oídos y suele alimentar tu espíritu con el buen fruto socrático"13. Y efectivamente, con la llegada de doña Mencia a Valencia la fama de Vives parece indiscutible y se inicia todo un concierto de elogios al docto coterráneo por parte de los letrados de la ciudad del Turia y de otras partes de la Península. En 1543 con el título de Pro immortali bonarum literarum patrono, Lodovico Vive Valentinate nostro [En favor del inmortal defensor de las buenas letras, nuestro Luis Vives de Valencia] le dedican dos elogiosos epigramas funerarios que le escribe Joan Baptista Anyes, un personaje ligado a la aristocracia culta de Valencia, al duque de Calabria, al conde de Oliva y a doña Mencia. Se publican en su Apologia in defensionem virorum illustrium equestrium (Valencia, 1543) junto con una elegía a doña Mencia. Todavía en 1547 Francisco Decio, en una oratio De scientiarum laudeu en un elogio de la ciudad de Valencia incluye ima loa de Vives como una parte ya de los monumentos de la ciudad: ... te unum mortuum, quid mortuum? uiuentem perpetuo Viuem appello, et honoris causa nomino, qui literis omnibus ita splenduisti, ut Valentiam clarissimam toto orbe ciuitatem ingenii opibus illustrastis, tum effeceris ut qui Valentiam ignorare poterant, Viuem esse Valentinum non ignorent [a ti único de entre los muertos, ¿qué de los muertos? vivo eternamente te llamo Vives y te nombro como honra pues brillaste tal en todo géneros de letras que hiciste ilustre en todo el mundo a la clarísima Valencia por tus dotes de ingenio y conseguiste que aunque puedan no conocer Valencia no puedan dejar de saber que Vives era valenciano].

Ligado también a la presencia de doña Mencia en Valencia hay que explicar la égloga Vives que escribe el burgalés Hernán Ruiz de Villegas. En la edición que se publica en el siglo XVIII la dedicatoria a doña Mencia por algún motivo se ha eliminado15 pero en un manuscrito escurialense, probablemente de Anto-

13

Ad illustrìssimam iuxta, ac munificentissimam Dominarti D. Menciam Mendoziam, Zeneti clarissimam Marchionam Joanne Angelo Gonsale autore Silva, Valencia, J. Jofre, c. 1539, f. A3vA4r: "[Quos inter doctor Viues, tua rara uoluptas, / occurrit,] nostri fama, decusque soli./ Hic est, qui eximiis compleuit laudibus orbem. / Obscuraturus nomen, Erasme, tuum./ Hic est, qui illustres aures sermone moratur /Socraticaque animos pascere fruge solet./ [Hic est, pro meritis quem secula nulla tacebunt: / Dum solio stabit lingua Latina suo.]" 14 F. Decio, De scientiarum et Academiae Valentinae laudibus Oratio, Valencia, 1547, p. 17. 15

Ferdinandi Ruizii Villegatis Burgensis quae extant opera, Venecia, 1734.

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Juan F. Alcina

nio Agustín, esa dedicatoria se conserva junto con un largo pasaje laudatorio de la ilustre dama16. Los amigos de Vives naturalmente no se limitan a Valencia. En Burgos, Juan Maldonado, erasmista, profesor de doña Mencía de Mendoza y corresponsal de Vives, procura también por su difusión y prepara en Burgos hacia 1550 la que probablemente es la primera edición hispana de los Diálogos o Exercitatio linquae latinae. El volumen contiene la Exercitatio con las notas del granadino Pedro Mota y un curioso diálogo erasmista del propio Juan Maldonado titulado Eremitae cuyo contenido analizó en detalle Bataillon. En Toledo hay también un grupo importante de amigos de Vives. En primer lugar Juan de Vergara, secretario del arzobispo de Toledo y corresponsal íntimo de Vives. Fue él quien gestionó la oferta de la cátedra que había dejado vacante Nebrija en Alcalá para Vives. Pero junto a Vergara hay otros hombres. Uno de ellos es Alejo de Venegas, recientemente biografiado por Adeva17. Venegas se une en varios de sus libros a la crítica de la narrativa de ficción de Vives, desde el prólogo a la traducción del Momo de León Baptista Alberti (Alcalá, 1553)18, donde habla, como el Vives del De disciplinis, de las fábulas milesias que corrompen a las doncellas; hasta el Tratado de Ortografía19 o el prólogo que puso a una colección de opúsculos de Cervantes de Salazar. Su afición a Vives pasa también a este alumno suyo, Francisco Cervantes de Salazar. En 1544 se había publicado en Burgos, probablemente para la enseñanza del latín, un impreso con varias obras morales de Vives, la Introductio ad sapientiam, el Satellitium siue Symbola y las Epistolae duae de ratione studii puerilis, edición que cierran dos poemas de Martín Pérez, profesor adjunto del convento del Sarmental de Burgos20. Sospecho que Juan Maldonado tuvo algo que ver en esta edición. Un volumen similar quizá también para uso escolar, con la Introductio y el Satellitium, se reeditará en Salamanca en 1572. Cervantes de Salazar traduce al castellano a partir de la edición de 1544 la Introducción a la sabiduría, que publica en Sevilla en 154421. Biblioteca del Real Monasterio del Escorial, ms. h-II-7, ff. 115-119v, con el títulq: "Ruizij Fernandi Villegatis Ad D. Menciam Calabrie et Zeneti Principem In obitu Lod. Vivis. Egloga V. Vives". 17

1. Adeva Martín, El Maestro Alejo Venegas de Busto. Su Vida y sus Obras, Toledo, Diputación Provincial, 1987. 18 Cfr. el texto de este prólogo en A. Porqueras Mayo, La Teoría Poética en el Renacimiento y Manierismo Españoles, Barcelona, Puvill, 1986, pp. 91 y ss. 19 20

21

A. de Venegas, Tratado de ortografía y acentos, ed. L. Nieto, Madrid, Arco Libros, 1986, pp. 6667. Cfr. F. Cerdá y Rico, Obras que Francisco de Salazar ha hecho, Madrid, A. de Sancha, 1782, pp. XXI-XXII. Cfr. F. Cerdá y Rico, Obras que Francisco Cervantes ha hecho, pp. XXII y 118 y ss. donde se publica el texto. Hay un ejemplar de esta rara edición en la Biblioteca Universitaria de Sevilla, cfr. Escudero, n°. 443.

Vives en España

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Después, la reedita, junto con el Diálogo de la dignidad del hombre de F. Pérez de Oliva y el Apólogo de la ociosidad y el trabajo de Luis Mexía, que había sido uno de los traductores de Erasmo por los años veinte, en Alcalá en 1546 con múltiples añadidos y notas22. Pretende con ellos ofrecer un nuevo tipo de literatura que fuera amena y al mismo tiempo incitase a la reflexión moral siguiendo indudablemente el programa de Vives y su crítica a las fábulas milesias. El público al que va dirigida es el de los hombres inquietos que buscaban un nuevo tipo de moral en la senda del estoicismo. Es el mismo público que lee a Erasmo en vulgar y que no tiene acceso al latín. Concretamente la Introductio ad sapientiam es un espléndido resumen de doctrina básicamente estoica cristianizada en forma de breves preceptos que van desde la naturaleza y el cuerpo a las cuestiones del alma, la religión y el amor de Dios o pequeñas observaciones sobre hábitos y situaciones de la vida cotidiana. La obra era atractiva para un hombre del siglo XVI y no es de extrañar que por las mismas fechas, Diego Astudillo, amigo de Vives, hiciera una traducción que acompañaba con otros textos morales de Plutarco. Su traducción quedó inédita hasta el siglo XVII. Unos años después, ya en México, Cervantes de Salazar seguirá con su afición por Vives y publicará una nueva edición de la Exercitatio o sea los Diálogos (México, 1554). La acompañará de siete diálogos de su propia cosecha, tres de ellos describiendo la vida cotidiana en la colonia. El ideal de un latín vivo y oral unido a la nueva moral que destilan los diálogos fructificará también entre los grupos humanísticos de Nueva España. En la segunda mitad del siglo la pervivencia de Vives se manifiesta en varios aspectos: en primer lugar, como clásico del humanismo incide en varios autores de la tradición retórica y gramatical hispana, como Juan Lorenzo Palmireno, Alfonso García Matamoros, o Francisco Sánchez de las Brozas; en segundo lugar, incide en los teólogos u hombres de formación teológica, como Bartolomé de las Casas, Melchor Cano o el padre Mariana, con los que se enfrenta y es rebatido. En relación a esta postura de los teólogos está su inclusión en el índice expurgatorio y su prohibición, aunque matizada, en la ratio studiorum de los jesuítas; en tercer lugar, sus ideas se reflejan también en líneas temáticas como los tratadistas sobre el matrimonio y la educación de la mujer, como Fray Luis de León, y en la literatura de tema social, en la línea que va del Lazarillo a Gabriel Pérez de Herrera. Por último, detectamos entonces una notable presencia de obras de Vives en bibliotecas y librerías hispanas. Empezando por esto último, y sin pretender ser exhaustivo pues no he hecho una búsqueda sistemática23, podemos señalar que en la biblioteca del joven 22 23

Cfr. las referencias que da sobre este impreso J. Martín Abad, La Imprenta en Alcalá (15021600), II, Madrid, Arco Libros, 1992, p. 527, n°. 358. Me he limitado al material que tenía a mano. Una búsqueda sistemática de un listado de bibliografía amplio como el que da M. Chevalier, Lectura y Lectores en la España del Siglo XVI

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Benito Arias Montano24, en dos catalogaciones que hizo en 1548 y 1554 figuran de Vives el De vertíate fidei christianae, el De concordia et discordia, el De subuentione pauperum, la Exercitatio, el De anima, De sudare domini, además de irnos Opera, evidentemente los dos volúmenes de la edición de Basilea. Por entonces Montano no era el famoso escriturario, sino un estudiante del colegio de S. Ildefonso de Alcalá en 1548 y un joven capellán en 1554. También en la biblioteca de otro estudiante, Agustín de Morlanes, en el inventario de libros que le envía en 1550 a su hermano, probablemente el jurista zaragozano Micer Diego de Morlanes, entonces estudiante en Lérida, además de otros libros de humanidades figura una Introductio ad sapientiam de Vives25. Pasando a bibliotecas mayores, las obras de Vives no faltan, y, por ejemplo, en la biblioteca de don Diego Hurtado de Mendoza que pasa al Escorial en 1576 aparecen obras de Vives como el De veritate, el De disciplinis y el De anima et vita. También está presente Vives con varios títulos en la entrega de libros que hace al Escorial Felipe II también en 157626. También está presente en la biblioteca del duque de Béjar, al que el propio Vives dedicó el De anima. En la venta de su biblioteca en 1545 aparece el De concordia (n° 121), el De anima (n° 131) y "un libro de mano del maestro luis bibas de bocabulario" (n° 84)27. Pasando a fondos de libreros querría señalar la presencia de Vives en la librería de Benito Boyer de Medina del Campo. Medina del Campo fue un centro de ferias y cruce de caminos de gran importancia en el siglo X V I . Allí, un librero de Lyon, Benito Boyer, instaló una potente librería e imprenta que surtía de libros nacionales y sobre todo de importación a buena parte de España y América. Afortunadamente tenemos y se ha editado con un buen estudio de Bécares28 el catálogo del fondo de 1592. En ese catálogo resulta que tiene para vender 14 ejemplares del De veritate fidei christianae y 108 ejemplares de la traducción castellana de la Instrucción de la mujer cristiana. Sabemos por otra parte que en 1586 el mismo Boyer en su imprenta de Medina del Campo había editado los Diálogos de Vives, y, aunque no se indica título, en una partida de libros de 1584 "que Benito Boyer envía a México" incluye 6 ejemplares de "Luis

y XVII,

Madrid, Turner, 1976, pp. 31-34, sin duda aumentaría el número, pero la cantidad no

creo que varíe la apreciación que doy del hecho. 24 25

A . Rodríguez Moñino, "La biblioteca de Arias Montano", en: Revista del Centro Extremeños, 1929, pp. 17 y ss. Cfr. M . Bataillon, "La librería del estudiante Morlanes", en: Homenaje I, Caja Insular de Ahorros de Gran Canaria, 1975, pp. 329-347.

26

G . de Andrés O.S.A., Documentos El Escorial VII, Madrid, 1964.

para ¡a Historia del Monasterio

de

a Agustín Millares

de San Lorenzo

Estudio Cario,

El Real de

27 A . Redondo, "La bibliothèque de don Francisco de Zúñiga, Guzmán y Sotomayor, troisième duc 28

de Béjar (15007-1544)", en: Mélanges de la Casa de Velázquez, III (1967), pp. 147-196. V . Bécares-A. Luis Iglesias, La Librería de Benito Boyer. Medina del Campo 1592, Salamanca, Junta de Castilla y León, 1992.

Vives en España

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Vivas"29. Y entre los pedidos de libros a España desde América que cita Irving Leonard30, Luis Vives figura en documentos de 1576; y en 1583, con un pedido de "100 luis bivas"31, y en otro de 1591 figuran 150 ejemplares de "Bivas". En ninguno de estos últimos casos se especifica la obra, aunque quizá se trate de la Instrucción de la mujer cristiana que parece tener muchísima demanda. Por último hay que señalar que entre los libros recogidos en Puebla para pasar la revisión del Santo Oficio figura una Ejercitatio linge Latine Romance adoy [ííc] que poseía un tal Melchor Juárez32. Quizá se trate de los Coloquios de Juan Luis Vives, perifraseados en romance (Alcalá, 1574), traducción de algunos de los diálogos hecha por el monje carmelita Gabriel de Aulón. De entre los humanistas interesados por la retórica y la lengua del Lacio querría hablar únicamente de tres: Alfonso García Matamoros, Francisco Sánchez Brócense y Juan Lorenzo Palmireno, dejando de lado a otros que también tienen rastros vivistas como el jesuíta Juan Bonifacio en su Christiani pueri institutiones (1575) o Pedro Simón Abril en sus Apuntamientos de cómo se deben reformarlas doctrinas (Madrid, 1589). Empezando con García Matamoros, hay que decir que él es uno de los primeros que intentan dar una valoración global de Vives en su Apología pro adserenda hispanorum eruditione (Alcalá, 1553), donde lo considera coetáneo de Nebrija, gran filósofo y declamador egregio, aunque le critica sus neologismos y dureza de lenguaje. Pero Vives está también presente en otras obras de este profesor de Alcalá. En 1570, Matamoros edita un curioso manual sobre estilística del latín titulado De tribus dicendi generibus sive de recta informandi stili ratione commentarius. Es un tratado original en el que intenta conjugar hermogenismo, tradición ciceroniana con un esfuerzo racionalizador que procede de Pierre de La Ramée, Rodolfo Agrícola y Luis Vives. En la dedicatoria al arcediano García de Loaísa, al explicar la necesidad de la reforma de la oratoria, empieza citando al Vives de De corruptis disciplinis y su esfuerzo por corregir la decadencia de las buenas artes. Y después lo tiene presente en varios pasajes del libro, como cuando habla de la teoría de los estilos de Hermógenes33, lo cita como uno de los transmisores de esta teoría junto a Trapezuntius; después lo menciona en la lista de anticiceronianos en un espléndido capítulo que algo debe al Ciceronianas de Pierre de La Ramée. Después en el De methodo concionandi de Alcalá 1570, donde da reglas para la predicación en lengua vulgar, vuelven a aparecer referencias a Vives. Concretamente en el pasaje donde aconseja los modelos de lengua romance a seguir se apresta a desaconsejar el léxico y las expresiones sacadas "a Caelestina, Amadisio, Splandiano, aliisque 29

F. Fernández del Castillo, Libros y libreros en el siglo XVI, México, FCE, 1982, p. 276. I. Leonard, Los libros del conquistador,, México, FCE, 1979, p. 201. 31 I. Leonard, Los libros del conquistador; p. 214. 32 F. Fernández del Castillo, Libros y libreros, p. 346. 33 A. García Matamoros, Opera Omnia, Madrid, 1769, p. 497. 30

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fabulosis prodigiosisque libris", evidentemente enlazando con la crítica a estos libros del valenciano y unas páginas después, cuando habla de cómo hacer un sermón sobre moral en el que conviene abundar en ejemplos y sentencias, recuerda el ejemplo y el estilo de Séneca que no es tan criticado, dice, por Luis Vives como por Fabio Quintiliano34. Francisco Sánchez de las Brozas conoce también a Vives. En la Minerva utiliza el De disciplinis como una autoridad en un pasaje dedicado a rebatir la existencia del dativo agente (111,4). Para explicar un "legatur tibi" de Marcial en relación a la costumbre romana del lector o recitador, cita un trozo del De disciplinis que habla de estos "legentes" o "anagnostas"35. Pero la referencia más extensa que hace sobre Vives se encuentra en In artem poeticam Horatii Annotationes (Salamanca, 1591), donde rechaza los neologismos de los "Theologis, medicis, philosophis nostri saeculi" y también los del "doctissimus Ludovicus Vives" en su Exercitatio linguae latinae "qui tam audacter, tamque praeter aequum et decens tot finxerit vocabula"36. Para los filólogos de la segunda mitad del siglo, Vives entre otras cosas es prototipo de la postura anticiceroniana y forzosamente tenía que salir a colación al tratar Sánchez de los neologismos. Pero Sánchez no es un ciceroniano. Entre otras cosas defiende el estilo de Apuleyo. Pero para él, el concepto de latín vivo y hablado que encontramos en Vives ya no es posible, y es consecuente con sus ideas al rechazar el latín actualizado y oral que propugna Vives. De todas formas, a los efectos que nos interesan, Sánchez conoce por lo menos dos de las obras más importantes del valenciano. Por último quiero hablar del alcañizano Juan Lorenzo Palmireno que es probablemente el humanista más entusiasta de la obra de Vives. Actualmente tenemos una buena monografía de Andrés Gallego sobre este personaje que nos ha ayudado mucho a desenredar la complicada madeja de su bibliografía37. Palmireno es un erudito típico de la cultura del tercer cuarto del siglo XVI y refleja con precisión los intereses de los grupos letrados de ese período: escribe sobre instrucción religiosa, se interesa por la lengua vulgar, castellana y valenciana, toma posición ante el ramismo, defiende el ciceronianismo y sobre todo encarna una confianza en la escuela y su capacidad de convertir a los niños en hombres que recuerda inevitablemente a Vives. En El latino de repente (Valencia, 1573) Palmireno nos dice que ya desde joven leía el De ratione studii puerilis38 y desde entonces la obra del valenciano le escoltó a lo largo de toda su vida y de toda su inmensa producción. Es por ello difícil dar una idea ex34 35 38

37

38

A. García Matamoros, Opera Omnia, p. 681. F. Sánchez, Minerva, Lyon, Piestre et Delamolliere, 1789, pp. 356-357. F. Sánchez, In Artem Poeticam Horatii Annotationes, Salamanca, I. et A. Renaut, 1591, f. 8r. A. Gallego Barnés, Juan Lorenzo Palmireno (1524-1579), un humanista aragonés en el Studi General de Valencia, Zaragoza, Institución Fernando el Católico, 1982. Cfr. G. Mayans, "Vita", p. 75.

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haustiva de la presencia de Vives en Palmireno. También hay que decir que a pesar de que se conserva mucho de lo que escribió Palmireno, hemos perdido también mucho; y concretamente algunas de las obras más interesantes con respecto a Vives. Por ejemplo, sabemos que hasta el siglo X V I I I se conservaba manuscrita en Ripoll una Comparatio Ínter Ludovicum Vivem et Erasmum, auctore Laurentio Palmyreno39; o también sabemos que escribió unas anotaciones a los Diálogos de Vives40 para una edición hoy perdida de los mismos de Valencia 1554. Nada de eso ha llegado a nosotros. Sin embargo, a través de las numerosísimas citas de Vives en sus escritos se puede intuir la importancia de su influencia en el alcañizano. ¿Quién no conoció la gran dotrina de Luis Vives. L o s doctos las veen en sus obras, i los niños las alcanzan en sus coloquios, que hizo D e Exercitatione Linguae latinae,

nos dice en £7 estudioso cortesano (Valencia, 1573)41. Y ciertamente Palmireno ayudó a conocer esa doctrina. Por todas partes aconseja su lectura o se sirve de sus escritos: en El estudioso de la aldea (Valencia, 1571) aconsejará entre otros libros latinos de devoción el De veñtate fidei e incluirá en ese libro un pasaje sobre la meditación inspirado en la Excitado mentís in Deum42; en El estudioso cortesano ofrece una selección de sentencias de Vives con el título de "Consuelos de Luys Vives para todo lo dicho, los quales y el Petrarca de próspera y aduersa fortuna leerás muchas vezes" y en el mismo libro se incluye también una traducción del Satellitium; aconseja el De arte dicendi de Vives en el "Catálogo de rétores" que figura en su Retórica de Valencia, 1564. Por otra parte, la Universidad de Valencia reforma de nuevo sus estatutos en 1561, una reforma en la que sin duda participó Palmireno. Y como había pasado en la reforma de 1527 a la que aludí antes, en el redactado de la de 1561 vuelven a aparecer las ideas sobre educación del sabio de Brujas. Como señala Gallego Barnés43, entonces se reglamenta el uso del proverbiador o cartapacio con separaciones temáticas donde el alumno tenía que anotar frases, fábulas, proverbios o palabras en una clasificación que sigue exactamente la que da Vives en De tradendis disciplinis (111,3). El propio Palmireno aconsejará también esas mismas clasificaciones vivianas y el uso del proverbiador en diversas obras suyas e incluso publicó un tratado, hoy perdido, titulado Codex sive de Excerptorio códice ab studiosis rite atque ordine, secundum Ludovici Vives prescriptam regulam consciendo, Alcalá, 1588. Hay que advertir, sin embargo, que el proverbiador corresponde a una antigua tradición de enseñanza a base de proverbios documentada en la Corona de Aragón desde el siglo X V . 39 40 41 42 43

A . Gallego, Juan Lorenzo, p. 288. Cfr. G . Mayans, "Vita", p. 159 y A . Gallego, Juan Lorenzo, p. 51. Citado por Mayans, "Vita", p. 164. A . Gallego, Juan Lorenzo, p. 219. A . Gallego, Juan Lorenzo, pp. 97-98.

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Palmireno no deja de hacer alguna crítica a Vives. Por ejemplo en su Retórica discrepa de Vives y de Ramus por su reducción de la retórica a la elocutio. Es curioso y sería un tema a estudiar, cómo Vives aparece siempre entre retóricos hispanos como precursor o ligado a Pierre de La Ramée (recuérdese lo que he dicho antes sobre Matamoros). También en la Segunda parte del latino de repente Palmireno critica ciertas expresiones de latín duro y vocablos impropios de los Diálogos. De todas formas, estas críticas son también prueba de la presencia constante de Vives en la obra y el pensamiento del alcañizano y a través de él en la cultura valenciana y aragonesa de la época. Pasando al mundo de los teólogos vemos que entre ellos predomina la crítica, aunque con matizaciones. Como ha señalado Enrique González44, Bartolomé de Las Casas, en su Apologética Historia saca a relucir a Vives y disiente de él porque éste había tratado de patrañas los escritos de Annio da Viterbo en su comentario a La Ciudad de Dios. Melchor Cano en sus Loci theologici (Salamanca, 1563) mantiene una actitud más ecléctica. Por una parte se une a Vives en su rechazo de los libros de caballerías, aunque deplora que se los sustituya por libros de espiritualidad en lengua vulgar en vez de por libros de historia verdadera "graves et veras historias". Por otra parte, en la misma obra utiliza diversos textos de Vives, como el De veritate fidei y el De disciplinis. Del De veritate, como ha demostrado Pablo Graf45, toma frases enteras y materiales en diversos pasajes. Evidentemente lo consultó y lo tuvo delante y se adhirió a opiniones suyas, aunque sin citarlo, pero tomándolo al pie de la letra. Cano se presenta como un superador del humanismo, pero su punto de partida es justamente el De disciplinis de Vives, asimilado ad unguem. Véase por ejemplo su rechazo de las disputationes medievalizantes en el libro IX,7. Es una crítica que claramente procede de Vives. Pienso que alguien con una formación teológica que yo no tengo debería estudiar estas relaciones entre Vives y Cano. Por lo demás, en el único pasaje en que lo cita abiertamente, en el libro X,9, cuando habla de los argumentos sacados del derecho civil, nos ofrece una crítica matizada. No hay un rechazo tajante de Vives, porque no puede hacerla una persona que ha utilizado y explotado el De disciplinis como él lo ha hecho a lo largo del libro. En el citado capítulo se critica la actitud demoledora de Vives respecto a la tradición antigua del derecho civil y después le echa en cara que fue más hábil en señalar los errores del sistema medieval que en la exposición de un sistema nuevo y constructivo de las diferentes disciplinas. Cano escribe hacia 1550 y seguramente por esas fechas Petrus Ramus le habría hecho las mismas críticas a Vives por su falta de método. Hay que señalar también que Cano, paralelamente a estas críticas, lo elogia y dice que coincide con él en fustigar a los leguleyos: "Quamquam Ludovicus, quod ad jurisperitos attinet, eadem nobiscum sentit"; y al principio del capítulo en cuestión subraya su labor 44 45

Enrique González, Joan Líuís Vives, pp. 58-59. P. Graf, Luis Vives como apologeta, Madrid, CSIC, 1943.

Vives en España 225 de debelador de las disciplinas bárbaras: "Dixit ille [se. Vives] quidem in libris de corruptis disciplinis multa veré, multa praeclaré ...". Cano tiene sus reparos al pensamiento de Vives, pero no le escatima los elogios en lo que él cree que es correcto. No es un seguidor ciego del vivismo, históricamente no podía serlo, y es plausible que lo considerase sospechoso de antieclesiástico y de tintes heréticos, pero es capaz de admirarlo y no es un teólogo fanático opuesto al valenciano como se lo ha presentado a veces desde Mayans. Relacionada con la crítica de los teólogos está la inclusión de Vives en el índice expurgatorio; por lo menos el comentario a La Ciudad de Dios se prohibe a partir del índice46 de 1570; y también relacionado con esto está la prohibición de todas las obras de Vives en algunos centros y durante algunos períodos en los colegios de los jesuítas. Como señala Batllori47 que ha estudiado este problema en detalle, sin embargo, los Diálogos de Vives fueron ampliamente utilizados en buena parte de los colegios hispanos de la compañía. En cuanto a las líneas de pensamiento que generan escritos de Vives en la segunda mitad del siglo hay que tratar en primer lugar de la incidencia del De subuentione pauperum. La vida hispana de este librito fue estudiada ya hace tiempo por Bataillon y más recientemente por Michel Cavillac48. Creo que entre hispanistas es una veta harto conocida. Frente al Sanctus pauper medieval, sancionado por Dios para que el rico pueda ejercer la virtud de la limosna que le abrirá el camino al cielo, Vives da un giro burgués al problema. Lo pone en relación con el trabajo y con la obligación colectiva, por la unidad del cuerpo místico de Cristo, de la protección del desvalido que realmente no puede trabajar. Ya en el De las diferencias de libros que hay en el universo (1540) de un vivista conocido como Alejo de Venegas, en el capítulo "Que declara cuál es legítimo pobre", se exponen ideas que vienen del De subuentione, como la diferencia entre los dos tipos de pobres: los legítimos que son los pobres de Cristo y los sofísticos y encubiertos que son los ministros de Satanás, los delincuentes que pudiendo trabajar o servir, viven la vida bellaca de los picaños. Y de acuerdo con las tesis vivistas que proponen unos censores bianuales, pide que cada ciudad designe un alcalde de pobres con un alguacil que los prenda49. Al mismo tiempo Venegas complementa esta interpretación 48

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48

49

Sobre este índice y sobre una censura inédita anterior de 1563, véase J. I. Tellechea, "Sobre la ortodoxia de Vives", en: J. L. Vives, Opera Omnia, I, Valencia, ed. Alfons el Magnànim, 1992, pp. 461^88. R. P. Batllori, S. J., "Las obras de Vives en los colegios jesuíticos del siglo XVI", en: J. IJsewijn/A. Losada (eds.), Erasmus in HispanJa Vives in Belgio, Lovaina, Peeters, 1986, pp. 121146 ( Colloquia Europalia, I); y también R. Garcia Villoslada, Loyola y Erasmo, Madrid, Taurus, 1965, pp. 222-229. M. Bataillon, "Luis Vives, réformateur de la bienfaissance", en: Bibliothèque d'Humanisme et Renaissance, 14 (1952), pp. 141-158; M. Cavillac, Gueux et marchands dans le Guzman de Alfarache. Roman picaresque et mentalité bourgoise dans TEspagne du siècle d'Or, Bordeaux, Univ. de Bordeaux, 1983. M. Cavillac, Gueux et marchands, pp. 215-216.

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vivista de la pobreza con el elogio del trabajo y no es casualidad que el mismo Venegas prologue la edición anotada por Cervantes de Salazar del Apólogo de la ociosidad y el trabajo del erasmista Luis Mexía que he citado anteriormente. En la segunda mitad del XVI las ideas del tratadito de Vives se expanden, por lo menos a nivel de teorizaciones, en un complicado entramado de textos. Como señalaba Bataillon, desde el Lazarillo al Guzmán de Alfarache de Mateo Alemán, justamente un amigo personal de Pérez de Herrera, la novela picaresca sólo se entiende cabalmente si se tiene en cuenta este transfondo de reflexión sobre el mendicante, el vagabundo y el pillo sobre el que nuestro valenciano escribió un trabajo seminal. Otra línea importante de pervivencia del pensamiento de Vives la encontramos en los textos humanísticos que tienden a la dignificación de la educación de la mujer y el matrimonio. En ella convive con tratados y coloquios de Erasmo y es difícil deslindarlos. Ya en 1542 la Institución de la mujer cristiana de la que ya hemos hablado antes incide en una traducción y adaptación del Llibre de les dones de Francesc Eiximenis que se publica en Valladolid, con el título de Carro de las donas. El anónimo traductor, un franciscano del monasterio de Valladolid, adapta materiales de la parte tercera de la Institución consagrada a la mujer viuda para su tratado sobre el mismo estado50. No me parece que tenga influencia vivista el apasionante Speculum coniugiorum (México, 1554) de Alonso de la Veracruz51. Aunque el tratado se abre con una carta de un seguidor de Vives como es Francisco Cervantes de Salazar52. Tampoco lo cita en la lista de autores naturales et morales philosophi utilizados que da al final donde aparecen humanistas como Alciato o Budé. Aunque enlaza con una tradición humanística es un tratado técnico dirigido a canonistas preocupados por la brutal superposición del sistema de parentesco occidental sobre el indígena americano y Vives queda un tanto al margen de todo esto. Por último, la Instrucción de la mujer cristiana incide inevitablemente en La perfecta casada de Fray Luis de León. Encontramos, por ejemplo en ella, como tópico recurrente la misma crítica de las lecturas dañinas. En el capítulo IV de la Perfecta casada en el que se tratan los trabajos de la mujer noble se subraya que debe dedicarse a hilar y otras labores ... que la excusen y libren del leer en los lijaros de caballerías, y del traer el soneto y la canción en el seno y del billete y del donaire ...

50

Julia Fitzmaurice-Kelly, "Vives and the 'Carro de las Donas'", en: Revue Hispanique, 81 (1933), pp. 530-544; y D. Viera, "Más sobre Vives y el 'Carro de las donas'", en: Estudios franciscanos, 75 (1974), pp. 145-161.

51

Utilizo la 3 a ed. de Alcalá, I. Gracián, 1572 (Biblioteca Nacional de Madrid, R-27550).

52

Se trata de una carta prologal de "Franciscus Cervantes Salazarus artium magister et sacrae Theologiae magister in Academia Mexicana Rhetoricae professor". 53 F. Luis, Obras Completas castellanas, p. 266.

Vives en España

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Coinciden ambos autores además en diversos puntos con tratamientos similares: como la cuestión de los afeites (c. 11), o en insistir en que la abundancia de hijos no es una virtud (c. 17), o en aconsejar el amamantamiento y crianza del hijo por la madre. La forma, sin embargo, de ambos textos es muy distinta. En Fray Luis se ofrece casi siempre cada capítulo como un desarrollo de un versículo bíblico, como en un sermón, con una divisio a base de exempla y auctoritates, como estipulan los tratados de predicación medievales. En Vives en cambio se da una estructura más clásica y técnica, a modo de unas Institutiones como las de Quintiliano. Por lo demás no he encontrado calcos textuales de uno en otro. Pero evidentemente no es pensable que Fray Luis dejase de conocer un texto tan difundido como el de Vives. Y aunque las coincidencias se puedan explicar por fuentes distintas, yo pienso que reunidas apuntan a Vives. En conclusión, después de este largo periplo por el humanismo hispano yo diría que Vives sí tiene una presencia en la cultura española del siglo XVI. Bien es verdad que no tiene seguidores de su talla y la cantidad global de ediciones suyas, sobre todo en latín, es pequeña. Pero si aplicáramos los mismos criterios también podríamos decir que Erasmo es poco conocido porque se edita poco en latín comparado con otros países y también se le persigue. Y todos sabemos que esto no era así. Y en un país en el que florece el erasmismo no puede faltar la incidencia de Vives con el que comparte posiciones e ideas que a veces se confunden. Hay que tener en cuenta también las características del humanismo hispano. En general fue pobre en humanismo filológico y no puede compararse con el foráneo, aunque falta estudiarlo y en algunas líneas como la filología bíblica o en su reflejo en la creación temprana de un castellano culto y literario es absolutamente comparable a cualquier otro. Pero teniendo en cuenta ese marco hemos visto que en la primera mitad del siglo Vives aparece sobre todo en forma de traducciones. Son traducciones ligadas siempre a grupos erasmistas y probablemente dirigidas al mismo tipo de público. Influye en cambio poco en líneas de pensamiento o en obras del humanismo de la época. Su difusión en ese período está fuertemente ligada a la de la obra de Erasmo que le hace de sombra e impide distinguirla claramente. A partir de la segunda mitad, en cambio, Vives crea unas líneas de pensamiento e incide en autores concretos. Ya no se hacen traducciones nuevas, si exceptuamos la traducción parcial de los Diálogos. Sólo se reeditan las ya existentes y es entonces cuando el Vives de las obras mayores, el De disciplinis, el De subuentione o el De veníate fidei deja sus huellas. Se afianza entonces también en la Península, lo mismo que en Europa, el uso de los Diálogos como texto escolar a pesar de esporádicas prohibiciones. Y es probable que también la Introductio ad sapientiam y desde luego el Satellitium siue symbola se utilizasen como textos para la enseñanza. La inclinación saturnina de España, su sombría capacidad de devorar a sus hijos, no impidió, por lo menos en el caso de Vives, que algo de él germinase y

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diese fruto. Un fruto del que este trabajo sólo da una somera valoración, pero que merecería algo más: desde un seguimiento preciso de los impresos a un estudio en profundidad en campos que aquí sólo he esbozado y autores que no he citado siquiera, como Furió Ceriol, Fox Morcillo o Pedro Juan Núñez, por ejemplo. Haría falta en suma un "Vives y España" que si no tendría la importancia del "Erasmo y España" nos aclararía y perfilaría aspectos importantes de la cultura española del siglo XVI.

Vives in deutschen Übersetzungen (16. -18. Jahrhundert) Dietrich Briesemeister (Berlin)

Kein spanischer Autor vor Cervantes ist im deutschen Sprachbereich so oft gedruckt und übersetzt worden wie Juan Luis Vives. Auch kein anderer zeitgenössischer Humanist, von Erasmus abgesehen,1 erreichte im 16. Jahrhundert eine so hohe Zahl von deutschen Übertragungen. Weder in England, wo Vives mehrere Jahre verbrachte, noch in Frankreich oder Italien und erst recht nicht in seiner spanischen Heimat liegen Übersetzungen so vieler Einzelschriften vor wie in den Ländern deutscher Zunge. Die Verbreitung der Vives'schen Werke ist hier der Leistungsfähigkeit und dem Geschäftssinn von Druckern und Verlegern im Dienst des Humanismus, der Gelehrsamkeit sowie der Tagesaktualität zu verdanken. Die rege Übersetzertätigkeit spiegelt darüber hinaus jedoch eine geistige Ausstrahlung des Vives im Zeitalter der Reformation sowohl in katholischen als auch in protestantischen Gebieten, die sich im Unterschied zu Erasmus bislang erst in Umrissen erfassen läßt. Im folgenden wird der Komplex der deutschen Vives-Übersetzungen bibliographisch vorgeführt, die das inzwischen vorliegende Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des XVI. Jahrhunderts (VD 16) (I, Bd. 21, Stuttgart 1994, S. 285 - 307) keineswegs vollständig beschreibt. Es ergibt sich, anders als bei Erasmus, das Bild einer gleichbleibend erfolgreichen, dichten Rezeption im deutschsprachigen Raum nicht nur im 16. Jahrhundert, sondern auch darüber hinaus bis in die späte Barockzeit. Die Spuren dieser breiten Nachwirkung sollen hier in einigen bildungs- und ideengeschichtlichen Zusammenhängen aufgezeigt werden und im Sinne einer von Otto Herding2 bereits vor Jahren gewiesenen Richtung zu genaueren Einzeluntersuchungen anregen, etwa über die eifrigsten Übersetzer wie Heinrich Pantaleon, Georg Lauterbeck oder Heinrich von Eppendorff. Vives, der noch nicht dreißigjährig bereits in Europa berühmt war, hatte auch in Deutschland schon früh "ein grosse authoritet erlanget" (Heinrich Pantaleon). Indem er eloquentia vollendet mit sapientia vereinigte, stellte er jenseits der konfessionellen Auseinandersetzungen die Erfüllung des Ideals der docta pietas dar. Seine deutschen Übersetzer priesen ihn daher auch mit fast

Heinz Holeczek, Bibliographie der deutschen Übersetzungen von Schriften des Erasmus von Rotterdam 1518-1550, Stuttgart 1981, Bd. 1. Erasmus von Rotterdam, Deutsche Übersetzungen des 16. Jahrhunderts, Ausstellung der Bayerischen Staatsbibliothek 25. 2. - 3.5.1980, bearbeitet von Irmgard Bezzel, München 1980. 2

Otto Herding, "Uber einige Richtungen in der Erforschung des deutschen Humanismus seit erwa 1950", in: Humanismusforschung seit 1945, Bonn 1975, S. 107 (Mitteilung II der Kommission für Humanismusforschung der DFG).

Dietrich Briesemeister

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gleichlautenden Formulierungen als "frummen hochgelerten vnd theüren mann" (Kaspar Hedio), als "hochberühmpten theüren und Christlichen mann Gottes" (ebenfalls Hedio) oder als "Fürtrefflichen vnd Hochgelahrten Herren" (Stephan Agricola). Christoph Bruno erwähnt in einer Randbemerkung in der Vorrede zur Vnderweysung ayner Christlichen Frauwen (1544), daß Vives in Brügge "vil schöne bücher geschriben vnd die kunst des wolredens mit grossem lob dasselbst geleret" habe und dort verstorben sei. Albert Oelinger verglich 1587 den "weisen, verständigen" Denker mit Erasmus, verwies auf die Freundschaft und den Briefwechsel der beiden mit berühmten Zeitgenossen sowie nicht zuletzt auf den großen Erfolg der Bücher des Vives bei Lesern aus allen Ständen. Mit ihren umfangreichen Würdigungen stellen der Züricher Polyhistor Konrad Gesner (in der Bibliotheca universalis, Zürich 1545, Bl. 430v - 431r) und Huldrich Coccius, der die erste lateinische Gesamtausgabe der Opera (Basel 1555) besorgte, die beiden wichtigsten Quellen dar für die im deutschen Sprachraum nach Vives' Tod bis Daniel G. Morhof andauernde Hochschätzung, wie sie sich im biographischen Abriß niederschlägt, den Pantaleon 1571 seiner Übersetzung von De veritatefidei christianae voranstellte: Er was ein weyser hochgelehrter mann, darzu in der wolredenheit treffentlich geübet: er lag one vnderlaß ob den Bücheren, vnd begeret die guten künst vnd tugent nach seinem vermögen zu fürderen.

Er unterscheidet sein Wirken als Sprachgelehrter (wie man Sprachen erlernt, Briefe schreibt, die Studien reformiert) von dem des Philosophen und Theologen, hebt aber eigens hervor, daß er "mit grossem ernst vnnd andacht" für Laien als auch für Gebildete schrieb und sich "alle geleerten ab seinem verstandt vnnd weyßheit verwunderen". Es wäre eine eigene lohnende Aufgabe, die in Widmungsvorreden oder bei Zitaten verstreuten Zeugnisse für diesen europäischen Nachruhm aufzuspüren. Als spätes Beispiel aus Deutschland sei Johann Thomas Freige (1543 - 1583)3 erwähnt, zeitweise Rektor in Altdorf und Rhetorikprofessor in Basel, dessen häufig aufgelegte Erläuterungen zu Vives' Colloquia einen neuen Abschnitt in der Geschichte des Lateinunterrichts einleiteten. Der Schulmann bekannte 1582, daß er schon früh seinen Vives 'liebte'; er bewahrte eine tiefe Verehrung für den Erneuerer der Philosophie und die elegantia seiner Sprache, die ihm ganz im Gegensatz zur verbreiteten Unkenntnis der 'politior literatura' in Spanien um die Wende zum 16. Jahrhundert zu stehen schien. Semper enim mihi in philosophia et liberior et veracior aliis, et inter primos fuisse, qui superioris seculi barbariem et sophisticam agnoverit, agnitamque protulerit, convicerit, afflixerit, visus est.

3

4

Vgl. A D S 7,341 ff.

Colloquia sive exercitatio latinac linguaef Nürnberg 1582, S. 3.

Vives in deutschen Übersetzungen

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Angesichts der immer heftiger werdenden spanienfeindlichen Stimmung mußte sich Freige allerdings dafür rechtfertigen, daß er den freien und aufrechten Geist eines Spaniers lobte, da Spanien zum Inbegriff der Unterdrückung (Universalmonarchie, Niederlande), der geistigen Unfreiheit (Inquisition) und machiavellistischen Verstellung wurde (veracior als Widerspruch zu 'sincerieren', dem späteren ironisch-euphemistischen Ausdruck für den Einsatz von Lüge und Täuschung in der spanischen Politik). Nach einer auf das ressentimentgeladene Urteil des Aragonesen Miguel Servet gründenden, über Sebastian Münsters Cosmographia weit verbreiteten Meinung gebe es in Spanien weder Gelehrsamkeit noch Philosophie. "Die Spanier hand sinnriche Koepff, aber werden in jrem studieren nimmer recht gelert." Servet fügte noch hinzu: Semidocti, iam se doctos putant, sapientiam maiorem