Das fuþark und seine einzelsprachlichen Weiterentwicklungen: Akten der Tagung in Eichstätt vom 20. bis 24. Juli 2003 9783110922981, 9783110190083

Runes are the oldest known writing system in which texts have been recorded in Germanic languages.The ordering of the ru

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Das fuþark und seine einzelsprachlichen Weiterentwicklungen: Akten der Tagung in Eichstätt vom 20. bis 24. Juli 2003
 9783110922981, 9783110190083

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Das fupark und seine einzelsprachlichen Weiterentwicklungen

Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Herausgegeben von Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer

Band 51

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Das fupark und seine einzelsprachlichen Weiterentwicklungen Akten der Tagung in Eichstätt vom 20. bis 24. Juli 2003

herausgegeben von Alfred Bammesberger Gaby Waxenberger

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Walter de Gruyter · Berlin · New York

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISBN-13: 978-3-11-019008-3 ISBN-10: 3-11-019008-7 Bibliografische Information Der Deutschen

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Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© Copyright 2006 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechdich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen

In memoriam Rene Derolez (1921-2005)

Vorwort Der eigentlichen Tagung vom 20.-24. Juli 2003 in Eichstätt waren umfangreiche Planungssitzungen vorausgegangen, in denen Professor Klaus Düwel und Professor Edith Marold konkrete Vorstellungen zur Durchführung unterbreitet hatten. Insbesondere war folgender Fragenkatalog erstellt worden, der allen Beteiligten bei der Einladung, ein Referat zu übernehmen, vorgelegt wurde: 1. Hat die Runenschrift in ihren verschiedenen Entwicklungen Abbildfunktion auf die ihr zugrundeliegende Sprache? Does the runic script in its various stages of development mirror the language in question in a congruent manner? 2. Ist das ältere FuJ)ark so homogen wie behauptet wurde? The older fupark has been claimed to be homogeneous: is this statement correct? 3. Welchen Sinn hat es, ein Runenalphabet als Inschrift oder Teile daraus anzubringen? For which reasons would somebody inscribe afupark row or parts of it on an object? 4. Wie sind die Entwicklungen in den einzelnen Regionen zu erklären? How can different developments in different areas be explained? 5. Gibt es Zusammenhänge zwischen den Entwicklungen in den Einzelsprachen? Are there any connections between the developments of the individual languages? 6. Sind die Änderungen in den Einzelsprachen nur Veränderungen der Schrift oder auch des Schriftgebrauchs (Funktion)? Are the changes in the individual languages only changes in the script or do they also bring about changes in the functions of the script? 7. Warum wurden lateinische Texte runisch aufgezeichnet? Why were Latin text written down in runes?

VIII

Vorwort

8. In welcher Weise verändert das Christentum die Gebrauchssituation der Runenschrift? In which way does (the advent of) Christianity have an effect on the use and function of the runic script?

9. Verlaufen Schrift- und Sprachentwicklung parallel? Are there any parallels between the development of the runic script and the language it reflects? 10. Wann, wo und in welchem Umfang sind Fupark-Inschriften in alphabetischer Ordnung bezeugt? Was kann als Ursache dafür angesehen werden? When, where and to what extent are there fupark inscriptions in alphabetical order? What could have caused this? Diese Fragen waren als Anregungen gedacht. Die Referenten waren im Hinblick auf die Fragestellungen ausgewählt worden, dabei wurden aber keine strikten Auflagen gemacht, in welcher Form der Fragenkatalog zu behandeln war. Insgesamt darf man wohl sagen, dass der jetzt vorgelegte Band richtungweisende Angaben bietet, die bei der Behandlung der gestellten Fragen von Belang sind. Mit Dankbarkeit soll betont werden, dass für die Durchführung der Tagung Bewilligungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Maximilian Bickhoff-Universitätsstifitung, Eichstätt, eingesetzt werden konnten. Auch die Eichstätter Universitätsgesellschaft hat sich dankenswerter Weise an den Kosten beteiligt. Ein Höhepunkt der Tagung war die Demonstration zahlreicher Objekte mit Runeninschriften: Wir danken Herrn Prof. Dr. Volker Himmelein, Frau Dr. Rotraut Wolf, Herrn Dr. Klaus-Georg Kokkotidis, Herrn Moritz Paysan und Frau Barbara Kraus (Württembergisches Landesmuseum Stuttgart) sowie Herrn Prof. Dr. Ludwig Wamser und Frau Dr. Barbara Wührer (Archäologische Staatssammlung, Museum für Vor- und Frühgeschichte, München). Herzlich gedankt sei auch Herrn Volker Babucke, M.A. (Bayer. Landesamt für Denkmalpflege), der liebenswürdigerweise die Runenschnalle von Pforzen und die Fibel von Nordendorf überbrachte. Ferner danken wir der Sparkasse Eichstätt für die finanzielle Unterstützung der Tagung.

Vorwort

IX

Des Weiteren möchten wir auch der Familie Gruber (Essing) unseren Dank aussprechen, ohne deren Unterstützung die Besuche des Kleinen Schulerloches vor, während und nach der Tagung nicht möglich gewesen wären. Die Firma Zeiss stellte Geräte zur Verfügung, die eine eindrucksvolle Demonstration der Runenobjekte erlaubte. Bei der praktischen Abwicklung der Tagungsgeschäfte haben mitgewirkt (in alphabetischer Reihenfolge): Herr Dr. Markus Bieswanger, Frau Dr. Annette Hempl, Frau Melanie Kral, M.A. und Herr Dr. Sebastian Zips. Für die überaus tatkräftige Unterstützung bei der Erstellung der endgültigen Druckvorlage bedanken wir uns sehr herzlich bei Frau Dr. Astrid van Nahl. Während der Erstellung des vorliegenden Bandes erreichte uns die traurige Nachricht, dass Professor Rene Derolez, einer der führenden Forscher auf dem Gebiete der Runologie, verstorben ist. Es war der Wunsch der Mitarbeiter an diesem Band, dass das Buch dem Gedenken an Rene Derolez gewidmet werden soll. Professor Albert Derolez erklärte sich bereit, über seinen älteren Bruder ein Porträt zu verfassen, das wir den wissenschaftlichen Beiträgen voranstellen.

Eichstätt, im Februar 2006

Rene Derolez (1921-2005) Rene Derolez wurde am 7. September 1921 in der flämischen Stadt Aalst als ältestes von sechs Kindern geboren. Sein Vater war Lehrer, später Schuldirektor, sein Großvater Elementarschullehrer in einem kleinen Dorf in Westflandern. Nachdem die Familie an die belgische Seeküste umgesiedelt war, studierte Rene am Königlichen Athenäum in Brügge, wo er 1939 als Primus seiner Klasse die Schullaufbahn beendete. Während der schmerzlichen Besatzungszeit studierte er germanische Philologie an der Universität Gent. Das Studium schloss er 1943 summa cum laude ab. Dank eines Auftrags an der Universitätsbibliothek Gent wurde er vom Einsatz im Arbeitsdienst im letzten Kriegsjahr freigestellt. Eine Anstellung beim belgischen Nationaal Fonds voor Wetenschappelijk Onderzoek, die er Ende 1944 bekam, wurde leider schon nach wenigen Monaten beendet, weil er zum Kriegsdienst einberufen wurde und in Nordirland eine Militärausbildung mit dem Ziel, ihn im Krieg gegen Japan einzusetzen, erhielt. Oft hat er später mit dem für ihn typischen Humor erzählt, daß er sein Leben vielleicht der amerikanischen Atombombe verdankte. Dank eines Stipendiums der Belgian American Educational Foundation konnte er von 1946 bis 1948 an der Harvard Universität studieren. Sein Aufenthalt in den Vereinigten Staaten hat ihn nicht nur mit seiner künftigen Ehefrau, Gabrielle von Steiger, Tochter des Schweizer Bundesrates Eduard von Steiger, in Verbindung gebracht, sondern auch sonst sein Leben dauerhaft beeinflusst. Nachdem er an der Universität Gent 1947 zum Doctor Phil, promoviert wurde, erwarb er in Harvard den Grad eines M.A. Im Jahre 1954 habilitierte er sich an der Universität Gent; seine Habilitationsschrift Runica manuscripta. The English Tradition hat ihm bleibende internationale Anerkennung verschafft. Er wurde Assistent beim Seminar für Englische Philologie der Universität Gent, später Lehrbeauftragter an derselben Universität, 1959 Ordinarius für Englische und Altgermanische Philologie, 1962-1964 Dekan der philosophischen Fakultät. Im Jahre 1986 wurde er emeritiert. Obwohl er auf dem Gebiet der Englischen Philologie viele Fächer gelehrt hat, sind die Angelsächsische Sprache, Literatur und Kultur das Hauptinteressens- und Forschungsgebiet geblieben. Nachdem er 1972 associate editor der Zeitschrift Anglo-Saxon England geworden war, wählte man ihn 1983 zum ersten Präsidenten der International Society of Anglo-Saxonists (ISAS). Ab 1964 war er auch associate editor und von 1970 bis 1979 editor-in-chief der Zeitschrift English Studies. Mit berechtigtem Stolz hat er mehrmals daran erinnert, dass

XII

Rene Derolez

auf seine Anregung hin 1983 die erste ISAS-Tagung im Palast der Koninklijke Academie voor Wetenschappen, Letteren en Schone Künsten van Belgie (jetzt: Koninklijke Vlaamse Academie van Belgie voor Wetenschappen en Künsten) zu Brüssel stattfand. Seit 1970 war er selbst Mitglied dieser Akademie. Sein starkes Interesse fur angelsächsische Glossen in mittelalterlichen Handschriften hat ihn später dazu gefuhrt, unter den Auspizien derselben Akademie in Brüssel eine internationale Tagung über Angelsächsische Glossographie zu veranstalten (1986). Zahllose wissenschaftliche Beiträge zeugen von seiner nicht nachlassenden Tätigkeit auf dem Gebiet des Altenglischen. Die zwei Bücher, die ihm weltweite Anerkennung verschafft haben, sind jedoch außerhalb seines eigentlichen Lehrbetriebs entstanden. Seine schon erwähnte Habilitationsschrift Runica manuscripta ist bis zum heutigen Tage das Standardwerk auf dem Gebiet der handschriftlichen Überlieferung von Runen. Von seinem ersten Beitrag zur Runenkunde bis zum Farewell to Runes, einem Aufsatz, den er schrieb, als sein Sehvermögen schon sehr nachgelassen hatte, haben ihn die Runen - in Handschriften wie in Inschriften - fasziniert und zu vielen wissenschaftlichen Beiträgen angeregt, einige davon wurden in Zusammenarbeit mit Professor Ute Schwab geschrieben. In seinen letzten Jahren konnte er noch mit Freude feststellen, dass einige seiner Forschungsergebnisse, die zunächst keine allgemeine Zustimmung gefunden hatten, als relevant und richtig erkannt wurden. Die zweite hier zu erwähnende Arbeit betrifft die Religion der Germanen. Das Buch, das er 1959 auf Niederländisch, 1962 auf Französisch und 1963 und 1974 in deutscher Fassung unter dem Titel Götter und Mythen der Germanen veröffentlichte, zielte auf einen gebildeten, aber nicht spezialisierten Leserkreis ab. Es fand nichtsdestoweniger auch in wissenschaftlichen Kreisen höchste Anerkennung. Da er im Grunde sowohl Historiker als auch Philologe war, hat er in diesem leicht lesbaren Buch alles zusammengebracht und verwertet, was wir über diesen schlecht dokumentierten Gegenstand wissen können, ohne sich auf ungesicherte Pfade der intuitiven Deutungen zu begeben. Als Professor hatte Rene Derolez den Ruf eines anspruchsvollen und strengen, aber gerechten Lehrers. Die Wissenschaft und die Qualität der universitären Ausbildung waren ihm das höchste Gut, und für Studenten und Mitarbeiter, die es sich nach seinem Eindruck zu leicht machten, hatte er kein Verständnis. Jegliche „kleinliche" universitäre Politik des Hickhacks war ihm ein Gräuel, für den in manchen Kreisen oft gebrauchten Begriff der „Unerreichbarkeit" („das kann man nicht verwirklichen") hatte er keinerlei Verständnis. Da er in der philosophischen Fakultät und anderswo seine Ansichten in keiner Weise verheimlichte, sondern im Gegenteil gerne in unmissverständlichen Worten äußerte, war es unvermeidlich, dass

Rene Derolez

XIII

er mit Kollegen (in erster Linie den weniger aktiven unter diesen) und einigen Studenten Ärger hatte, obwohl seine außerordentlichen wissenschaftlichen Qualitäten stets anerkannt wurden. Obwohl er als erster seiner Universität nach amerikanischem Vorbild seine Studenten bei sich zu Hause einlud, wurde er während der Studentenrevolte der späten sechziger Jahre als reaktionär, undemokratisch und elitär bezeichnet. Die Gegensätze wurden nicht einfacher, als er die wahre Triebfeder und den Opportunismus gewisser Kollegen und wissenschaftlicher Mitarbeiter durchschaute und an den Pranger stellte. Stets war ihm das Ideal der besten amerikanischen Universitäten vor Augen, wo von Professoren und Studenten nur Einsatz und Qualität, nicht jedoch Teilnahme an inneruniversitärer Politik, gefordert wurden. Die erstaunliche allgemeine Bildung, von der seine Vorlesungen zeugten, wurde leider nicht von allen Zuhörern geschätzt. Von seinem Vater hatte er das Talent der Zeichenkunst ererbt, das er wohl nicht weiterentwickelt hat, aber zahllose Skizzen, teils im phantastischen, teils im satirischen Genre, sind bewahrt und beweisen seine Begabung in dieser Richtung. Es lässt sich jedoch verstehen, dass einige Studenten und Studentinnen während der mündlichen Prüfung etwas nervös reagierten, als der Professor phantasievolle Federzeichnungen anfertigte, während er auf die Antwort wartete. Unter dem äußeren Schein von Strenge, Kühlheit und Selbstsicherheit, verstärkt durch den Sarkasmus mancher seiner Ausdrücke, verbarg sich eine gefühlvolle Persönlichkeit, die sich nur wenigen offenbarte. Für Gleichgesinnte war er der gemütlichste aller Freunde, allen gegenüber war er stets höflich und zum Witzwort bereit (im Zitat und im Wortspiel war er übrigens ein Meister). In der Gesellschaft galt er als unterhaltsamer Causeur und beliebter Tischgenosse. Selbst kinderlos, hat er sich immer in der herzlichsten Weise um seine Brüder und Schwestern und zwei Generationen von Neffen und Nichten gekümmert. Besonders nachdem er Witwer geworden war, bereitete es ihm große Freude jährlich um die Zeit seines Geburtstages die ganze Familie, von den ältesten bis zu den kleinsten, zu einem Familienfest einzuladen. Eine schleichende Krankheit, die ihn immer mehr schwächte, hat seine letzten Jahre getrübt. Mit großem Mut hat er sein Schicksal ertragen. Bis zum Ende haben ihn sein klarer Verstand, seine außerordentliche Intelligenz und seine Fähigkeit zum Scherz nicht verlassen. Seine Kräfte waren aber leider so sehr geschwunden, dass es ihm nicht mehr gelang, seine neue Interpretation einer Stelle im Beowulf, von der er mir oft begeistert berichtete, niederzuschreiben. Er verstarb ruhig am Abend des 24. März 2005. Albert Derolez

Inhaltsverzeichnis VI1

Vorwort Rene Derolez (1921-2005)

xi

I. Älteres fupark und fupark allgemein

1

KLAUS DÜWEL u n d WILHELM HEIZMANN: D a s ältere F u p a r k :

Überlieferung und Wirkungsmöglichkeiten der Runenreihe

3

HEINRICH BECK: Das fupark und Probleme der Verschriftung/ Verschriftlichung

61

HELMUT BIRKHAN: Keltisches in germanischen Runennamen ? . .

80

HEINER EICHNER: ZU d e n Quellen u n d Ü b e r t r a g u n g s w e g e n der

germanischen Runenschrift - Ein Diskussionsbeitrag

101

ROBERT NEDOMA: Schrift und Sprache in den südgermanischen Runeninschriften

109

ELMAR SEEBOLD: Das fupark auf den Brakteaten-Inschriften . . . .

157

II. Einzelsprachliches

169

ALFRED BAMMESBERGER: Das fupark und seine Weiterentwicklung in der anglo-friesischen Überlieferung

171

JOHN HINES: The Early Runic Inscriptions from Kent and the Problem of Legibility

188

HANS FREDE NIELSEN: T h e V o c a l i s m of the U n d l e y R u n e s

-

Viewed from a North-Sea Germanic Perspective

209

RAYMOND IAN PAGE: Rune Rows: Epigraphical and Manuscript.

216

UTE SCHWAB: fa+hild und feha: Ein altenglischer Runenname aus Rom und ein alamannisches Runenwort aus Weingarten 233 GABY WAXENBERGER: T h e Representation of V o w e l s in U n -

stressed Syllables in the Old English Runic Corpus

272

Inhaltsverzeichnis

XVI

III. Das kleine Schulerloch

315

KLAUS DLIWEL: Zur Runeninschrift im Kleinen Schulerloch bei Kelheim/Donau (Bayern) 317 ROBERT NEÜOMA: ZU d e n P e r s o n e n n a m e n in der R u n e n i n s c h r i f t

vom Kleinen Schulerloch

347

HEINER EICHNER: Zum Problem der Runeninschrift im Kleinen Schulerloch bei Oberau / Altessing 356 CHRISTIAN ZLTCHNER: Überlegungen zum Alter der Felsbilder im Kleinen Schulerloch 380 PETER PIEPER: Die Gravuren im Kleinen Schulerloch: „Echt" oder „falsch"? Überlegungen zum Problem ihrer Qualifikation und Datierung 385

IV. Varia

395

ALESSIA BAUER: Spiegelt sich das FuJ)ark in den Runengedichten? Die Wandlung des Fufcark in der handschriftlichen Überlieferung der Runengedichte 397 ELMAR SEEBOLD: Neufunde von Runenalphabeten in

Manuskripten

408

MICHAEL SCHULTE: Älteres und jüngeres Futhark - Phonologische Aspekte der Reduktion des Runenalphabets 414 CHRISTIANE ZIMMERMANN: Runeninschriften als Sprechakte?

Vorüberlegungen zu einer pragmalinguistischen Untersuchung der Runeninschriften im älteren Futhark 434 PER STILLE: Johannes Bureaus and the Runic Traditions Fundortregister

453 459

I. Älteres fup ark und fupark allgemein

Das fiipark - RGA-E-Band 51 - Seiten 3-60 © 2006 Walter de Gruyter · Berlin · New York

Das ältere Fu^ark Überlieferung und Wirkungsmöglichkeiten der Runenreihe Elmer H. Antonien mit Dank für eine lange und andauernde concertatio runologica. KD

VON KLAUS DÜWEL & WILHELM HEIZMANN

I. Einleitung Nach den ersten Zeugnissen für die ältere Runenreihe in epigraphischer Darbietung auf Goldbrakteaten (im Sommer 1774 wurde das Exemplar vom Typ C aus dem Raum Vadstena, hier Nr. 15, gefunden) und der frühen Dokumentation von Steininschriften Schwedens in Johan Göranssons Bautil (1750) begann man sich Gedanken zu machen, welche Funktion wohl die Runenreihe alleinstehend, gelegentlich verkürzt, vereinzelt in verderbter Gestalt, manchmal in Verbindung mit anderen Inschriften wohl haben möge. Unterschiedliche Vorschläge sind dazu gemacht worden. Bereits im Jahre 1832 hat Johan G. Liljegren in seiner Run-Lära zu Fu^ark-Inschriften in Schweden in gewöhnlicher Ordnung und ohne eine andere beigefügte Inschrift bemerkt, daß sie dort nur um ihrer selbst willen aufgeschrieben seien, um deren Kenntnis zu verbreiten und zu bewahren (s.u. S. 31 Anm. 126). Dazu treten im Laufe der Zeit andere Überlegungen: Lehre, Belehrung, Schmuck und Zierde, Schreibübungen, magische Mittel, aber auch Betrug leichtgläubiger Besteller oder Nutzer. Viele bekannte Runologen haben sich zu diesem Problem geäußert: Ludvig Wimmer, Sophus Bugge, Magnus Olsen, Otto von Friesen, Sigurd Agrell, Anders Baeksted, Erik Moltke, Wolfgang Krause u.a.1 Bis heute stehen sich zwei Ansichten gegenüber: die säkular-profane (etwa Basksted) und die religiös-magische (etwa Olsen), mit einer in den jüngeren Arbeiten zu beobachtenden Tendenz, die profane Deutungsmöglichkeit vorzuziehen. Wir wollen anhand einer neuen, vollständigen Materialübersicht der Fujwk-Inschriften in der älteren Runenreihe die Problematik noch einmal unter Berücksichtigung 1

Vgl. Nielsen 1985; Seim 1998, S. 164 ff.

4

Klaus Düwel & Wilhelm Heizmann

des jeweiligen Kontextes erörtern, dabei auch methodische Grundlagen und Voraussetzungen ansprechen und schließlich ein erneutes Votum für die Möglichkeit einer magischen Deutung solcher Fujwk-Inschriften abgeben. II. Ü b e r l i e f e r u n g Bislang sind 15 Inschriften bekannt (wobei modelgleiche Brakteaten nur einfach, modelverwandte dagegen doppelt gezählt werden), in denen nach unserer Auffassung 2 die Runenreihe des älteren Fu^ark vollständig oder in verkürzter, in verstellter oder depravierter Form überliefert bzw. vermutet wird. Es handelt sich dabei im Einzelnen um folgende Denkmäler, die wir zunächst in alphabetischer Reihenfolge der Fundortnamen mit knappen Steckbriefen vorstellen. Das Schwergewicht liegt dabei zunächst auf der Lesung der Inschriften, doch ist diese häufig so eng mit einer bestimmten Deutung verbunden, daß sich beides nicht immer trennen läßt. Eigene Deutungsvorschläge dagegen werden hier in Abschnitt III aufgrund von detaillierten Kontextanalysen erarbeitet. 1. Silbervergoldete B ü g e l f i b e l v o n A q u i n c u m ; 3 D a t i e r u n g : g e g e n 530; S c h a t z f u n d ; A b b . la/b. rechtsläufig I: fufjarkgw II: jjain : kgia Inschrift I zeigt die erste Achterreihe (astt) vollständig. Inschrift II ist nicht sicher deutbar, kgia wird seit Krause (nach H. Kuhn) zu aisl. kinga f. 'Brustschmuck' gestellt 4 und ist mit Granvik wohl als terminus technicus für 'Bügelfibel' aufzufassen. Die vorangehende Runenfolge jjain ergibt so keinen Sinn, weil kein germanisches Wort mit jl anlautet. Gronvik schlägt daher vor, statt der j-Rune eine k-Rune zu lesen und gelangt so zu klain 'zierlich, fein, hübsch', was dann zusammen mit kinga auf die Runenfibel selbst zu beziehen wäre. 5 Gegen diese an sich nicht unplausible Lösung spricht jedoch der epigraphische Befund. Methodisch nicht gesicherte Deutungen bieten Looijenga (Rest einer Besitzerinschrift auf -/ mit aig statt ain

3

Die problematische Inschrift von 0demotland, in der gelegentlich eine FujjarkInschrift vermutet wurde (KJ, S. 72; MacLeod/Mees 2004, S. 258 f.), bleibt hier unberücksichtigt. KJ, S. 7; Schnall 1973, S. 11; Antonsen 1975, Nr. 102; Opitz 1977, S. 7, 181 f.; Meli 1988, S. 87 f.; Düwel 2001, S. 25, 57; Antonsen 2002, S. 179; Looijenga 2003, S. 226 f.; McKinnell/Simek 2004, S. 88.

4

KJ, S. 24; noch anders Krause 1962, S. 442.

5

Granvik 1985, S. 178 f.

Das ältere Fujmrk: Überlieferung und Wirkungsmöglichkeiten

5

zu germ. *aigan 'besitzen') 6 und McKinnell/Simek (j und I als Begriffsrunen, aig als Imperativ: „(gute Wünsche für das) Jahr! Gesundheit! besitze die Fibel!")·7 2. Silbervergoldete Bügelfibel von Beuchte; 8 Dat. ca. 550; Frauengrab; Abb. 2. rechtsläufig I: fufDarzj

II: buirso

Inschrift I besteht aus einem abgekürzten FuJ)ark mit den ersten fünf Runen der ersten sett sowie zwei Runen aus der zweiten sett, diese jedoch nicht in der üblichen Reihenfolge. Inschrift II ist in der überlieferten Form nicht zu deuten, doch läßt sich durch Umstellung der 3. und 4. Rune zwanglos der Männername Büriso gewinnen, der gegenüber einem Frauennamen Burisö9 vorzuziehen ist.10 3. Kalksteinsäulenfragment von Breza; 11 Dat. um 535; Teil eines ausgegrabenen Gebäudekomplexes, der zunächst durchgehend als Sakralbau aufgefaßt wurde, in jüngerer Zeit aber auch als Profanbau angesprochen wird; Abb. 3a/b. rechtsläufig: fufjarkgwhnifi'pzstem\ Die Inschrift überlieferte ursprünglich wohl die vollständige Runenreihe bis auf die ausgelassene (oder fehlplazierte?) b-Rune. Die Runen g, d und ο fehlen auf Grund von Beschädigung. Daß davon auch die b-Rune betroffen war,12 erscheint kaum plausibel, da dies eine sonst nicht belegte Plazierung der Rune innerhalb der Runenreihe voraussetzt. Neben dem Fu|Dark sind auf einem anderen Säulenfragment auch ein lateinisches Alphabet sowie verschiedene andere, ikonische und buchstabenähnliche, Graffiti erhalten. 6

Looijenga 2003, S. 227.

7

McKinnell/Simek 2004, S. 88.

8

KJ 8; Schnall 1973, S. 18; Antonsen 1975, Nr. 106; Düwel 1976; Opitz 1977, S. 10, 181; Meli 1988, S. 93 f.; Düwel 1992a, S. 353 f f ; Düwel 2001, S. 18 f., 25, 57 f.; Antonsen 2002, S. 147; Looijenga 2003, S. 229 f.; McKinnell/Simek 2004, S. 88 f.

9

So Antonsen 1975, S. 78; 2002, S. 147.

10

Vgl. Nedoma 1998, S. 44, Anm. 44; Nedoma 2004, Nr. 30.

11

KJ 5; Arntz/Zeiss 1939, S. 143 ff.; Schnall 1973, S. 20 f.; Antonsen 1975, Nr. 104; Opitz 1977, S. 12 f., 202 ff.; Meli 1988, S. 43, 98; Looijenga 1999; Düwel 2001, S. 57; Antonsen 2002, S. 179; Looijenga 2003, S. 50 ff., 231 ff.; McKinnell/Simek 2004, S. 87.

12

Looijenga 1999, S. 272; 2003, S. 232.

Klaus Düwel & Wilhelm Heizmann

6

4. Silbervergoldete Bügelfibel von Charnay; 13 Dat. 2. H. 6 Jh.; Gräberfeld, wohl einem Frauengrab zugehörig; Abb. 4a/b. rechtsläufig la: fu^arkgwhnifipzstberp lb: !ιφίη|3αί! id Ic: dan ! jiano rechtsläufig II: X R

III: ϊΐα

Der erste Teil der Inschrift bietet ein bis auf die letzten vier Runen vollständiges FuJ)ark. Ob das Fehlen dieser vier Zeichen durch Platzmangel zu erklären ist, muß offen bleiben, zumal die Reihenfolge der Ritzungen der am Fibelkopfrand umlaufenden Inschrift (I) nicht bestimmt werden kann. Die Inschriftenteile Ib und c seien nach Krause als u{n)pßj)npai Iddan Liano 'möge die Liano den Idda herausfinden' zu lesen, was so zu verstehen sei, daß Liano „den Namen des Idda beim Entziffern der Runeninschrift mit Hilfe des Futharks" herausfinden solle und diesem damit „wohl eher ein spielerischer Lehrzweck" zukäme. Eine solche Prozedur ist nur schwer vorstellbar, fehlt ihr doch ein nachvollziehbarer 'Sitz im Leben'. Antonsens Deutung „für (meinen) Ehemann Iddo. Liano"14 beruht auf einer problematischen Lesung (fa|}ai statt Ιτφαΐ), da Rune 4 eindeutig als η und nicht als α zu bestimmen ist. Den komplizierten und kaum nachvollziehbaren Weg einer gematrischen Interpretation beschreitet Klingenberg.15 Problematisch ist der Versuch, in den Inschriften II und III eine kryptische Wiedergabe von kingia (vgl. hier Nr. 1) zu sehen.16 5. Brakteat IK 260 Grumpan-C; 1 7 Dat. ca. 475-500 (H2); 18 Hortfund; Abb. 5. rechtsläufig: fu|3arkgw hnij'ip??[...]... .tbemlgod Der Brakteat überliefert ein vollständiges Fu^ark mit den im Vergleich zu Kylver (siehe Nr. 9) verschiedenen Zeichenfolgen ϊρ und ο d (wie hier Nr. 13

KJ 6; Arntz/Zeiss 1939, S. 173 ff.; Schnall 1973, S. 23 ff.; Antonsen 1975, Nr. 105; Opitz 1977, S. 14 f , 182; Roth/Düwel 1981; Meli 1988, S. 100 ff.; Düwel 2001, S. 57; Antonsen 2002, S. 152; Looijenga 2003, S. 235 f.; McKinnell/Simek 2004, S. 87 f.

14

Antonsen 1975, S. 77; 2002, S. 152.

15

Klingenberg 1973, S. 267 ff.

16

MacLeod/Mees 2004, S. 256 f. KJ 3; Vg 207; IK II (Text), S. 78; Antonsen 1975, Nr. 91; Düwel 2001, S. 50 f.; Antonsen 2002, S. 178; Looijenga 2003, S. 206; Nowak 2003, S. 194 f f , 201 f.; McKinnell/Simek 2004, S. 70.

17

18

Die Datierung der Inschriftenbrakteaten erfolgt nach einem noch unveröffentlichten Manuskript von Morten Axboe (in Druckvorbereitung).

Das ältere Fuji ark: Überlieferung und Wirkungsmöglichkeiten

7

15). Die Inschrift wird durch abnehmende waagerechte Punktreihen ( 8 - 7 ? 6) deutlich in drei Achtergruppen (eettir) eingeteilt. Die beiden letzten Runen der zweiten sett und die ersten darauf folgenden Punkte sind infolge einer Verdrückung nicht mehr zu erkennen. Daß hier die erste Gruppe unter den Hufen angebracht ist, dürfte weniger Zufall als intendierte Positionierung sein, da auf Brakteaten noch zwei weitere Male FuJ)ark-Abbreviaturen unmittelbar zwischen den Hufen piaziert werden. 19 6. Brakteat IK 392 G u d m e II-C; 2 0 Dat. ca. 4 7 5 - 5 0 0 (H2); Hortfund; Abb. 6. rechtsläufig: fu|)cir Der in drei modelgleichen Exemplaren vorliegende Brakteat zeigt eine hinter dem großen Haupt positionierte Fu^ark-Abbreviatur. 7. Silbervergoldete Bügelfibel von Herbrechtingen; 2 1 Dat. u m 575; Frauengrab; Abb. 7. rechtsläufig: φ α β - unterhalb des Nadelhalters ein gegenständiges lat. F. Die Deutung der Inschrift wird dadurch erschwert, daß die Fibel nur in einer Abbildung bei Arntz/Zeiss zugänglich ist, bei der die Runen nachgezogen sind. In der Forschung wurde die Inschrift überwiegend als Fu]?arkAbbreviatur ( φ α β ) bzw. Fu^ark-Abbreviatur mit Begriffsrunen ( φ α + e, φ + a e ) aufgefaßt. Für die Aufteilung in 2 + 2 Runen könnte nach Ute Schwab sprechen, daß das Runenpaar e a / a e mehrfach auf nordischen Runendenkmälern begegnet, so auf dem Amulettstein von Utgärd (KJ 51) und auf dem Brakteaten IK 291 Lekkende Have-C (KJ 126), unsicher bleiben IK 13,1-3 Alles0-B/Bolbro(l)-B/Vedby-B und IK 129,2 Darum(IV)-B. Im Bereich des Alamannischen ist e a runisch auf einer der paarigen Bügelfibeln von Dischingen 22 sowie in lateinischen Buchstaben (EA) auf dem Riemendurchzug von Jengen 23 belegt. Ute Schwab verweist in diesem Zu19

IK 153 Schonen(II)-C, hier Nr. 13 und IK 585 Set Ibs Vej-C, hier Nr. 14; vgl. Hauck 1998, S. 498; 1998a, S. 319; Heizmann 2003, S. 253 f.

20

IK III (Text), S. 311; Düwel 2001, S. 25; Antonsen 2002, S. 178; Looijenga 2003, S. 206; Nowak 2003, S. 201, 303; McKinnell/Simek 2004, S. 71.

21

KJ 154; Arntz/Zeiss 1939, S. 262 ff.; Schnall 1973, S. 44 f.; Opitz 1977, S. 27, 80, 205; Meli 1988, S. 118 f.; Schwab 1998, S. 410 f., 420; Quast 1999; Looijenga 2003, S. 266.

22

KJ 155; Opitz 1977, S. 16; Meli 1988, S. 103 ff.; Looijenga 2003, S. 236 f.

23

Düwel 1994a, S. 267; Schwab 1998, S. 411.

Klaus Düwel & Wilhelm Heizmann

8

sammenhang darauf, daß sich die beiden Vokale „unter den Zeichensequenzen des 'mächtigsten Gottesnamens' bei hellenistischen Amuletten" finden, doch lehnt sie eine Übernahme aus diesem Bereich wegen des Alters der nordischen Belege (5. Jh.) ab. Statt dessen operiert sie nach Krause mit der Annahme zweier Begriffsrunen, e für *ehwaz 'Pferd', α für *ansuz 'Ase', 24 was jedoch durch den epigraphischen Befund, der keinerlei Auszeichnung einzelner Runen oder Runensequenzen erkennen läßt, nicht gedeckt wird. Das erste Runenpaar der Inschrift (φ) ließe sich als Fu^arkAbbreviatur oder nach einem Vorschlag Ute Schwabs als abgekürzte Schreibung für ßhta pit (o.ä.) 'malte dies' verstehen, womit das 'Schreiben' selbst „als magische Handlung, als 'performativer Akt'" zu verstehen sei. 25 8. Brakteat IK 101 Kongsvad Ä-A, früher Faxe; 2 6 Dat. ca. 4 7 5 - 5 0 0 (H2); Hortfund; Abb. 8. linksläufig: foslau Die Inschrift wird nach Krause überwiegend in zwei Komplexe aufgeteilt (fo + slau). Bei fo liegt möglicherweise ein auf die erste und letzte Rune verkürztes Fu]mrk - wobei allerdings anzumerken wäre, daß die beiden vollständigen Fu^ark-Reihen auf Brakteaten auf d ausgehen - nach dem Vorbild antiker ΑΩ/ΑΟ-Inschriften vor,27 die Ute Schwab nicht nur für merowingerzeitliche lateinische Inschriften nachgewiesen hat,28 sondern auch als Runenformel wahrscheinlich machen konnte.29 Die Runensequenz slau dürfte als umgestellte sa/w-Formel zu verstehen sein, die als salusalu auf dem Brakteaten IK 105 Lellinge-B begegnet. Den Weg zur Deutung dieses Wortes wies von Grienberger bereits 1906, als er es mit dem germanischen Verbalsubstantiv *salö f. verknüpfte. 30 Das entsprechende Verbum germanisch *saljan hat im Gotischen die Bedeutung 'opfern'. Damit wäre

24

Schwab, 1998, S. 409 f.

25

Schwab 1998, S. 410 f., 420.

26

KJ 122; DR Br. 48; IK I (Text), S. 180; Düwel 2001, S. 53; Nowak 2003, S. 201, 302, 304 ff.; McKinnell/Simek 2004, S. 80.

27

Düwel 1998a, S. 273.

28

Schwab 1998, S. 383,391.

29

Schwab 1998, S. 395 ff.

30

von Grienberger 1906, S. 138.

Das ältere Fu^ark: Überlieferung und Wirkungsmöglichkeiten

9

salu als runisches Opferwort gewonnen.31 Aus sprachlichen32 wie sachlichen33 Gründen ist dagegen abzulehnen die Deutung von Lundeby, der salu mit anord. söl, der Bezeichnung einer Tangart, verband.34 Ebenso hat Morris' Deutung als Frauenname keine Nachfolge gefunden. 35 9. Kalksteinplatte von Kylver; 3 6 Dat. Anf. 5. Jh.; Grabfund; Abb. 9. rechtsläufig: I: fu[iarkgwhnijpiRstbemlr)do [tannenbaumartiges Zeichen] II: sueus

Die Runeninschrift befindet sich auf einer zu einem Steinkistengrab gehörigen Kalksteinplatte. Zwar bleibt unsicher, wo genau die Platte innerhalb des Grabes ihren Platz hatte und in welche Richtung (nach innen oder außen) die beritzte Seite gewendet war, doch „ist es im höchsten Grad wahrscheinlich, daß der Runenstein im engsten Zusammenhang mit der Grabkammer stand, daß also die Runen von Haus aus nicht dazu bestimmt waren, von Menschen gelesen zu werden".37 Inschrift I besteht aus einem vollständigen Fu^ark, das im Vergleich zu den beiden auf Brakteaten belegten Reihen (hier Nr. 5 und 15) die abweichende Zeichenfolge ρ ϊ und d ο zeigt. Da diese Schlußfolge d o im sog. 'Isruna-Traktat' und am Ende des angelsächsischen Fujiork sowie möglicherweise auch auf der Inschrift des Brakteaten IK 101 Kongsvad Ä-A (Nr. 8) vorkommt, wird sie als die ursprünglichere angesehen. Ein weiteres Argument liefern die Runennamen, denn nur die Schlußfolge d ο ermöglicht die Opposition aus eröffnender f-Rune (*fehu 'beweglicher Besitz') und schließender o-Rune (*öpalan 'ererbter Besitz'). Unterschiedliche Deutungen hat das baumartige Zeichen erfahren. Die asymmetrische Anordnung von sechs Seitenzweigen zur Linken und acht zur Rechten schließt eine Deutung als 'verstärkte' t-Rune38 weitgehend aus. 31

Antonsen 1975, S. 71; Granvik 1999, S. 14 f.; Antonsen 2002, S. 213; Beck 2002, S. 54 ff.; McKinnell/Simek 2004, S. 96 f.

32

Grenvik 1999, S. 15.

33

Morris 1984, S. 8.

34

Lundeby 1982.

35

Morris 1984.

36

KJ 1; G 88; Klingenberg 1971, S. 179 ff.; 1973, S. 288 ff.; Antonsen 1975, Nr. 30; Düwel 2001, S. 24 f., 99; Düwel 2001a; Antonsen 2002, S. 176 f.; Looijenga 2003, S. 332 f.; McKinnell/Simek 2004, S. 86.

37

KJ, S. 12.

38

KJ, S. 13; Jansson 1984, S. 13 f.; 1987, S. 14.

Klaus Düwel & Wilhelm Heizmann

10

Krause macht darauf aufmerksam, „daß sich bei der Multiplikation der beiden Zweigreihen 6 χ 8 die Zahl 48 ergibt, d.h. die doppelte Anzahl der Runen des vollständigen Futharks". 39 Beachtenswert scheint auch der Hinweis von Klingenberg, 40 wonach die Summe der Seitenzweige die Zahl 14 ergibt. An 14. Stelle des Kylver-Fujmrk erscheint, abweichend von der sonst durchgehend überlieferten Reihenfolge, die ϊ-Rune. Daß das baumartige Zeichen mit seinen 14 Seitenzweigen just auf jene Rune verweist, die nach ihrem Begriffswert als Eibenrune bezeichnet wird, möchte man kaum für Zufall halten wollen. Inschrift Π zeigt das Palindrom sueus, bei dem die erste Rune als Wenderune auftritt. Erwogen wurde der sprachlich höchst problematische41 Zusammenhang mit gotisch eus 'Pferd', 42 das in seiner Doppelung auf Odins achtbeiniges Pferd Sleipnir verweisen könnte. Eindeutig mit dem Totenkult in Zusammenhang gebracht wird das achtbeinige Pferd auf gotländischen Bildsteinen des 8. Jahrhunderts, wo es als Reittier des Toten nach Walhall dient. 10. Brakteat IK 110 Lindkasr-C; 43 Dat. ca. 4 7 5 - 5 0 0 (H2); EinzelFeldfund; Abb. 10. linksläufig: fu()arkgwhnelat?tsuao?u Von den 22 Zeichen der Inschrift folgen die ersten 10 Runen erkennbar der Reihenfolge des FuJ^ark. Für den Rest rekonstruiert Seebold mit nachvollziehbaren Argumenten, die gleichwohl erhebliche Emendationen und Umstellungen voraussetzen, einen zugrunde liegenden Archetypus eines Fu^ark, bei dem nur die m-Rune aus unerfindlichen Gründen ausgelassen wurde. Einen Teil der vom sonst üblichen Fu|>ark abweichenden Formen deutet er als Besonderheiten eines nordost-jütischen Zeichenkomplexes. 44 Der Versuch Ottar Gronviks, die Runen 11-22 in eine semantisch lesbare Inschrift zu überführen (vgl. unten zu Nr. 12), ist im Vergleich dazu deutlich problematischer. 45 39

K J , S . 13.

40

Klingenberg 1973, S. 278 ff.

41

Antonsen 2002, S. 177.

42

Marstrander 1952, S. 163 f.; vgl. Klingenberg 1973, S. 276 ff.

43

KJ 4; IK I (Text), S. 194; Antonsen 1975, Nr. 89; Birkmann 1995, S. 80 f.; Düwel 2001, S. 25, 50; Antonsen, 2002, S. 178; Looijenga 2003, S. 210; Nowak 2003, S. 196 ff., 200; McKinnell/Simek 2004, S. 71.

44

Seebold 1991, S. 481 ff.

45

Granvik 1996, S. 198 ff.

Das ältere Fu^ark: Überlieferung und Wirkungsmöglichkeiten

11

11. Brakteat IK 312.1&2 Overhombask(II)-A/Raum Vendsyssel-A; 4 6 Dat. ca. 500-530 (H3); Hortfund/Fundumstände unbekannt; Abb. 11. rechtsläufig: ?u[ja[}it?ih?ilaldt?uiuu?tw? Für den Anfang der aus 26 Zeichen bestehenden Inschrift zieht Düwel ein Fujmrk-Zitat in Betracht.47 Offen bleibt dabei allerdings, wie viele Zeichen in dieses angenommene Zitat einzubeziehen wären, die ersten 4 (?ιφα) oder die ersten 10 (?u[ia|3it?ih), wie Nowak annimmt. In letzterem Fall wiche dann die Sequenz in mindestens sieben Punkten vom Ideal-Fu^ark ab.48 Einen anderen Weg beschreiten Seebold und Granvik, die jeweils semantisch lesbare Inschriften herausemendieren, deren Unsicherheit die völlig divergierenden Ergebnisse mehr als offen legen. Nach Granvik wäre die Zeichenfolge als alupa pit si hwilalda ai'wiu wea apal 'vom Bier soll dies dem Ruhe-Volk (= den Toten) gehören: immer (oder: für alle Zeit) weihe ich den Wohnsitz der Götter' zu rekonstruieren.49 Seebold gelangt mit wesentlich plausibleren Argumenten zu einer Lesung oupa pit seih uilaldz nu uiuu rz po 'Ich besitze dieses Kleinod. Als X aber weihe ich diese Runen.' 50 In beiden Fällen wäre die Inschrift aus den Fubark-Belegen auszuscheiden. 12. Brakteat IK 140 Overhornbaek(III)-C; 51 Dat. ca. 500-530 (H3); Hortfund; Abb. 12. linksläufig: [jrkgwhnela?a?sulo?h Das mit IK 110 modelverwandte Stück (siehe hier Nr. 10) zeigt eine Inschrift mit 19 Zeichen, die mit der Inschrift jenes Brakteaten deutliche Gemeinsamkeiten aufweist. Es fehlt im Vergleich der Anfang (fu) sowie die 4. Rune (α) des Fujmrk. Die eigenartigen Auswüchse der h-Rune erklärt Seebold einleuchtend als zwei Trennpunkte, mit denen die erste satt abgetrennt wurde und die durch die Drehung des Zeichens auf die falsche Seite gera46

KJ 129; DR Br. 21; IK II (Text), S. 147 f.; Birkmann 1995, S. 81; Düwel 2001, S. 25, 50; Nowak 2003, S. 199 f.; McKinnell/Simek 2004, S. 71 f.

47

IK II (Text), S. 148.

48

Nowak 2003, S. 199 f.

49

Granvik 1996, S. 211 ff.

50

Seebold 1991, S. 484 f.

51

KJ 4; IK I (Text), S. 242; Antonsen 1975, Nr. 89; Birkmann 1995, S. 80 f.; Düwel 2001, S. 25, 50; Antonsen, 2002, S. 178; Looijenga 2003, S. 212; Nowak 2003, S. 197 ff.; McKinnell/Simek 2004, S. 71.

Klaus Düwel & Wilhelm Heizmann

12

ten sind. Vergleichbares findet sich bei der 13. Rune. Damit wäre für den Archetypus der Inschrift eine Aufteilung in drei Achterreihen vorauszusetzen.52 Bei der insgesamt überzeugenden Annahme einer intendierten Fujwk-Inschrift sind alle Versuche, aus der Zeichenfolge einzelne Sequenzen herauszulösen und einer sinnvollen Deutung zuzuführen (hagela ala a[n]su 'aller Hagel auf Einen der Asen', so Looijenga) 53 oder sich gar die ganze Inschrift als verstehbaren Text zurecht zu legen (|Dr(i)t(u)g|3 hagela ala a asulo alh 'Alle Rechtschaffenen zum Heiligtum der lieben Göttin!', so Gronvik), 54 als willkürlich abzulehnen.

13. Brakteat IK 153 Schonen(II)-C;55 Dat. ca. 500-530 (H3); Hortfund; Abb. 13. linksläufig: ίιφΓ Der von Krause schon in der ersten Auflage der Runeninschriften im älteren Futhark vorgeschlagenen Lesung als ίιφί 5 6 sind in der Folgezeit bis auf wenige Ausnahmen (fuwu bzw. fu|3u)57 die meisten Darstellungen gefolgt. Da jedoch der Hauptstab der f-Rune gleichzeitig als rechter Rahmen dient, darf auch der linke Rahmen mit Jacobsen und Moltke (DR) in die Zeichenkonstruktion einbezogen werden, zumal sonst der rechte obere Knick der Rahmenlinie überhaupt nicht zu erklären wäre. Da die beiden Stäbe der Rune an der Basis nicht parallel stehen, sondern sich erkennbar annähern, liegt hier die von der u-Rune nur schwer zu unterscheidende Sonderform der r-Rune vor, die auf Brakteaten mehrfach belegt ist.58 Unbestritten handelt es sich hier um eine weitere Fu^ark-Abbreviatur, deren Plazierung zwischen Vorder- und Hinterhuf Beachtung verdient.

52

Seebold 1991, S. 481 ff.

53

Looijenga 2003, S. 212 f.

54

Grenvik 1996, S. 198 ff.

55

KJ 4, Anm. 2; DR Br. 68; IK I (Text), S. 266; Düwel 2001, S. 25, 51; Looijenga 2003, S. 214 f.; Nowak 2003, S. 201, 303; McKinnell/Simek 2004, S. 72.

56

Krause 1937, S. 18.

57

DR (Text), S. 543.

58

Morris 1988, S. 116 f.; Antonsen 2002, S. 65; Heizmann 2003, S. 252; Nowak 2003, S. 110 ff., c x x i x f .

Das ältere Fu{)ark: Überlieferung und Wirkungsmöglichkeiten

13

14. Brakteat IK 585 Set Ibs Vej-C;59 Dat. ca. 475-530 (H2-H3); Einzelfund; Abb. 14. I:nhf???! II:ctu|3rkf Inschrift I entzieht sich einer gesicherten Lesung und Deutung. Schon die Schriftrichtung bleibt unklar. Es besteht eine gewisse Nähe zur Inschrift I auf dem Brakteaten IK 225 Broholm(I)-A/Oure. Ob ein Element pul bei rechtsläufiger Lesung enthalten ist (vgl. IK 364 Unbekannter Fundort-C), muß offen bleiben. Bei der zwischen den Hufen angebrachten Inschrift II könnte es sich vielleicht um eine rechtsläufige umgestellte Fubark-Abbreviatur (fufiark) handeln.60

15. Brakteat IK 377,1&2 Vadstena-C/Raum Mariedam-C;61 Dat. ca. 500-530 (H3); Hortfund; Abb. 15. tuwatuwa.fu|}arkgw:hnijibRs:tbemlQO... Die Inschrift läßt sich in zwei Teile zerlegen. Die Lesung der AnfangsRune im ersten Teil als t (statt I) haben Williams und Lundeby gesichert.62 Der zweite, von der Runensequenz tuwatuwa (so schon Krause)63 durch einen Punkt abgetrennte Teil zeigt die gleiche Runenfolge wie IK 260 Grumpan-C, doch sind die schließende d-Rune sowie eventuell folgende Punkttrenner durch die Öse verdeckt. Die Einteilung in drei Achtergruppen erfolgt hier durch zwei senkrecht angeordnete Punkte. Der erste Teil der Inschrift (tuwatuwa) ist der Gruppe der sog. Formelwörter zuzurechnen und wird heute nach Granvik in Analogie zu der Opferwortsequenz auf IK 105 Lellinge-B (salusalu) überwiegend zu aind. düvah 'Verehrung, Ehrenbezeugung, Opfergabe' gestellt.64 Abzuweisen ist dagegen nicht nur aus sprachlichen Gründen65 die Deutung von Williams und Lundeby, die tuwa mit anord. to in der Bedeutung 'Leinen und Wolle in unbearbeitetem Zustand' verbinden.66 Auf Brakteaten begegnet aus dem pflanzlichen Bereich 59

Stoklund 1998; 1998a; Hauck/Heizmann 2003; Nowak 2003, S. 201.

60

Heizmann 2003, S. 250 ff.; vgl. Stoklund 1998, S. 263; 1998a, S. 6.

61

KJ 2; Ög 178; IK II (Text), S. 240 f.; Klingenberg 1973, S. 280 ff.; Antonsen 1975, Nr. 90; Düwel 2001, S. 25, 50; Antonsen 2002, S. 177; Looijenga 2003, S. 220 f.; Nowak 2003, S. 193 ff.; McKinnell/Simek 2004, S. 70.

62

Lundeby/Williams 1992, S. 15.

63

Krause 1937, S. 11.

64

Granvik 1999, S. 15 f.; vgl. Beck 2002, S. 58 ff.; ablehnend Lindeman 2000.

65

Vgl. Granvik 1999, S. 15 f.

66

Lundeby/Williams 1992, S. 21 f.

14

Klaus Diiwel & Wilhelm Heizmann

sonst nur noch das Wort laukaR, das sich jedoch auf vielfältige Weise in die Brakteatenikonographie integrieren läßt,67 während Williams und Lundeby einen entsprechenden Nachweis für ihre Deutung schuldig bleiben. Zusammenfassend läßt sich für die Fu{)ark-Inschriften der älteren Runenreihe folgender Befund beschreiben: 1. Fundort. Eine Kartierung der Fundorte zeigt eine Verteilung, die sich im großen und ganzen mit der geographischen Verteilung der Runeninschriften im älteren Fujsark insgesamt deckt. Vertreten sind der Norden mit Schweden (Nr. 9; 13; 15), Dänemark (Nr. 5; 6; 8; 10; 11; 12; 14) und Norddeutschland (Nr. 2), der Osten (Nr. 1; 3) sowie mit bislang je einer Inschrift der Westen (Nr. 4) und der Süden68 (Nr. 7). Eine auffällige Ausnahme bildet Norwegen, aus dem bislang keine einzige Fu^ark-Inschrift aus älterer Zeit vorliegt, während sie dort in späterer Zeit (jüngeres Fu]sark, Alphabetrunen) recht zahlreich auftreten.69 2. Fundkontext. Die überwiegende Zahl der Objekte mit Fu^ark-Inschriften stammt aus Hortfunden (Nr. 1; 5; 6; 8; 11; 12; 13; 15) gefolgt von Grabfunden (Nr. 2; 4; 7; 9). Da die Inschriftenträger zum größten Teil aus Edelmetall bestehen (vgl. Punkt 4), ist dieser Befund kaum überraschend. Hinzukommen zwei Einzelfunde von Brakteaten (Nr. 10; 14) sowie die ganz für sich stehende Steininschrift auf der Säule eines Gebäudekomplexes (Nr. 3). 3. Zeitstellung. Die Fu^ark-Inschriften entstammen durchweg dem 5. und 6. Jahrhundert. Es fehlen somit Zeugnisse aus der älteren und der jüngsten Periode des älteren Fu])ark. Nedoma versteht diesen Befund dahingehend, daß es sich bei den Fu^ark-Inschriften um ein erst später auftretendes Phänomen handelt, das nicht ursprünglich zur Runenschrift gehörte.70 4. Inschriftenträger. Fu^ark-Inschriften sind bis auf zwei Ausnahmen nur auf Metall überliefert. Dabei zeigt sich insgesamt ein überproportionaler Anteil von Brakteateninschriften auf Gold (9 von 15), der den herausragenden Anteil dieser Inschriftenträger an der Gesamtüberlieferung der älteren Runen (etwa 40% von insgesamt 360-370 Inschriften) noch weit übertrifft. Vier Inschriften sind auf silbervergoldeten Bügelfibeln angebracht, zwei in Kalk67

Heizmann 1987.

68

Die geographische Angabe 'Süden' wird hier eingeschränkt auf die alamannische Runenprovinz bezogen. Die Inschrift von Breza wird hier dem geographischen Bereich 'Osten' zugeordnet.

69

Seim 1998.

70

Nedoma 1998, S. 40.

Das ältere Fuftark: Überlieferung und Wirkungsmöglichkeiten

15

stein geritzt. Auffällig an diesem Befund ist das vollständige Fehlen von FuJ)ark-Inschriften auf organischen Materialien wie Holz oder Knochen. 5. Inschriften. Unter formalen Gesichtspunkten betrachtet, lassen sich für die Fu^ark-Inschriften folgende Feststellungen treffen: a) die Runen zeigen keine besonderen graphischen Auszeichnungen etwa in der Art von Kragehul oder Lindholmen; b) es treten keine Binderunen auf; c) nur auf Kylver gibt es Wenderunen (α, b); d)die Fu^ark-Inschriften sind immer fortlaufend geschrieben, nie auf mehrere Zeilen verteilt; e) die Abgrenzung der Achtergruppen wird nicht einheitlich markiert oder fehlt ganz; f) die Runenreihen zeigen die abweichende Reihenfolge ϊρ (Nr. 3; 4; 5; 15) versus p!'(Nr. 9) sowie od (Nr. 5; 15) versus do (Nr. 9); g) graphische Besonderheiten einer Gruppe von Brakteateninschriften (hier vertreten durch Nr. 10; 11; 12) lassen sich vielleicht mit Seebold als Herausbildung eines eigenständigen nordost-jütischen Zeichenkomplexes verstehen.71 6. Inschriftenbefund. Bei den Inschriften sind zu unterscheiden: a) Vollständige Inschriften ohne und mit Schrift-Kontext (Nr. *3?; 5; 15 : 9);72 b) verkürzte bzw. abgekürzte Inschriften ohne und mit Schrift-Kontext (Nr. 6; 13: 1; 2; 4; 7?; 8); c) depravierte Inschriften mit intendierter Vollständigkeit ohne Schriftkontext (Nr. 10; 12) sowie verkürzt mit Schriftkontext (Nr. 11?; 14).

III. Kontextanalyse und Interpretation Nach der Aufstellung des überlieferten Befundes soll in einem zweiten Abschnitt mit einer detaillierten Kontextanalyse der Versuch unternommen werden, Aufschlüsse über die gedankliche Konzeption zu ermitteln, die 71

Seebold 1991, S. 481 ff.

72

Der Asterisk (*) kennzeichnet die Inschrift als ursprünglich vollständig. Das Fragezeichen (?) problematisiert die Zuordnung zu einer Inschriften-Gruppe oder den FuJjark-Inschriften generell.

16

Klaus Düwel & Wilhelm Heizmann

hinter dem Eintrag von Fu^ark-Inschriften vermutet werden darf, um so aus der denkbaren Vielzahl an Möglichkeiten (Didaxe, probatio pennae, Verzierung, Magie etc.) die wahrscheinlichste(n) herauszufiltern und den einzelnen Inschriften zuzuordnen. Dabei gilt es zunächst, grundsätzlich zwischen einem innerschriftlichen (1) und einem außerschriftlichen Kontext zu unterscheiden (2).73 Zum innerschriftlichen Kontext (1) zählt vor allem die Anzahl von Inschriftenkomplexen, die auf der Fläche des Inschriftenträgers auf verschiedene Weise, auch zeitlich, verteilt sein können. Im einzelnen ist dabei zu prüfen, ob diese Komplexe im Blick auf vergleichbare Sequenzen vollständig oder fragmentarisch, normal gestaltet oder depraviert sind, ob sie einen zusammengehörigen Kontext bilden oder nur teilweise verbunden oder gar isoliert stehen. In einem nächsten Schritt ist dann die Abgrenzung innerhalb fortlaufend geschriebener Komplexe (scriptio continuä), also die Abteilung in verstehbare Einheiten (Wortseparierung) zu ermitteln. Zu beachten ist weiter die Vergesellschaftung mit außerschriftlichen Zeichen (Beizeichen, Symbole) und Bilddarstellungen. Dabei ist zu fragen, ob etwa der oder die Schriftkomplex(e) auf die Bilddarstellung bezogen werden können oder vielleicht sogar als Bei- oder Unterschrift des Bildes verstanden werden können. Ferner gehört hierher, wie einzelne Inschriftenpartien von einander abgegrenzt sind und welche Funktion eine solche Abgrenzung erfüllt.74 Der außerschriftliche Kontext (2) umfaßt eine Reihe von Merkmalen, die sich vom Kleinen zum Großen hin bewegend etwa folgendermaßen beschreiben läßt. Zuerst ist das Material des Inschriftenträgers festzustellen, da sich daraus eine unterschiedliche Art der Inschriftenanbringung ergibt. Diese zu beobachten ist wichtig, weil bei verschiedenen Techniken im größeren oder kleineren Umfang Fehler auftreten können. Des weiteren ist das Material des Inschriftenträgers auch deshalb von Bedeutung, weil die jeweilige 'Stoffheiligkeit' (etwa Gold versus Blei) eine Rolle spielen kann. Ein zweiter, außerordentlich wichtiger Punkt betrifft den spezifischen

Eine Kontextanalyse der Inschriften im jüngeren Fu^ark Norwegens hat Seim 1998, S. 211 durchgeführt. Dabei stellt sie folgende Kategorien auf: 1. weitere Runenzeichen oder andere Schriftzeichen auf demselben Schriftträger, 2. eingeritzte Figuren oder Symbole auf demselben Schriftträger, 3. Aussehen und Funktion des Schriftträgers, 4. Fundort, Fundumstände. Die beiden ersten Punkte entsprechen dem von uns aufgestellten innerschriftlichen Kontext, 3 und 4 (bis auf Funktion) werden in unserem Modell als außerschriftlicher Kontext bezeichnet. 74

Vgl. Düwel 1992a, S. 345.

Das ältere F u f w k : Überlieferung und Wirkungsmöglichkeiten

17

Fundkontext eines Inschriftenträgers. Es macht grundsätzlich einen großen Unterschied, ob er als Grab-, Hort- oder Einzelfund geborgen wurde. Dabei ist zu beachten, daß nicht diese Fundkategorie allein für eine weitere Analyse ausschlaggebend ist, sondern ermittelt werden muß, welchen 'Sitz im Leben' der Inschriftenträger und damit die Inschrift gehabt haben. Im Blick auf die Überlieferung der Fu^ark-Inschriften mit ihren drei Kategorien des Grab-, Hort- und Einzelfunds ergeben sich ganz unterschiedliche Benutzungsweisen. Ein Goldbrakteat wurde, gleichgültig welcher Fundkategorie er zugehört, als Amulett getragen, eine Fibel, auch als Grabfund geborgen, hat primär die Funktion als Trachtbestandteil, wobei eine Schmuck- von einer amuletischen Funktion im Einzelfall schwer zu scheiden ist. Für die Interpretation ist weiter der Erhaltungszustand des Inschriftenträgers wichtig. Es macht einen bedeutenden Unterschied, ob ein Gegenstand bei der Herstellung, im Verlauf seiner Benutzung oder aus Anlaß seiner Verwendung als Grabbeigabe beschriftet wurde. Die hier vorgestellten Merkmale sollten möglichst vollständig angeführt werden, um für Analysen bereit zu stehen. Im folgenden werden nicht alle diese Gesichtspunkte eine Rolle spielen, da nur ein begrenzter Ausschnitt der Gesamtüberlieferung zu behandeln ist.

1. Der innerschriftliche Kontext a) Einteilung in Achtergruppen: Unter den Fujwk-Inschriften finden sich zwei eindeutige, wenngleich auf unterschiedliche Weise realisierte Hinweise auf die Einteilung der vollständigen Runenreihe in drei Achtergruppen (settir). Es sind dies die Brakteaten IK 260 Grumpan-C (Nr. 5) und IK 377,1&2 Raum Vadstena-C/Raum Mariedam-C (Nr. 15). Folgt man den Bemühungen Seebolds um die Runenfolge auf DC 140 Overhornbask(III)-C (Nr. 12), dann ist zudem auch für diese Inschrift das ursprüngliche Vorhandensein von Trennungszeichen vorauszusetzen. Möglicherweise darf auch die Tatsache, daß auf der Fibel von Aquincum (Nr. 1) gerade die ersten acht Runen des Fu|?ark eingeritzt sind, in diesen Zusammenhang gestellt werden. Ansonsten bezeugt nur die Manuskriptüberlieferung des sog. 'Isruna-Traktats', die bis ins 9. Jahrhundert zurückreicht, die Einteilung der älteren Runenreihe in drei Gruppen. 75 In diesem Traktat wird zugleich die Funktion dieser Dreiteilung mitgeteilt: sie ermöglicht die Verschlüsselung der einzelnen Runenzeichen, indem die Nummer der Gruppe (1-3) und die Platzziffer darin (1-8) auf die unterschiedlichste Weise angegeben wird. 75

Düwel 2001, S. 184 f.

Klaus Düwel & Wilhelm Heizmann

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Dieses, auch als Geheimrunen bezeichnete, Verschlüsselungsverfahren wird durch die dreigeteilten Fu^ark-Reihen der genannten Brakteaten als möglich vorausgesetzt. Für dieses Verfahren gibt es für das ältere FuJjark bislang nur einen einzigen epigraphischen Hinweis. 76 Auf dem Ring von Körlin (KJ 46) wird das Formelwort alu gleich zweimal bezeugt: einmal in offener Schreibweise (alu), das andere Mal mittels einer Binderune aus I und gestürztem α.77 Dieses Zeichen gibt zugleich durch den rechten Zweig der I-Rune die erste Achtergruppe und durch die beiden linken Seitenzweige der α-Rune die Position 2 in dieser Gruppe (= u) an. Nur dieses u ist also verschlüsselt. Da solche Codierungen nach unserem Verständnis weniger der Verschlüsselung von profanen Botschaften gedient haben (dazu ist das Verfahren für jeden Runenkundigen zu leicht zu durchschauen), liegt die Annahme, daß sie wohl in erster Linie zu magischen Zwecken eingesetzt wurden, näher. b) Andere Inschriftenteile: Von den 15 Fu^ark-Inschriften sind acht mit weiteren Inschriftenteilen vergesellschaftet. Davon entzieht sich ein Teil einer semantischen Lesbarkeit und muß daher hier unberücksichtigt bleiben (Nr. 1; 11; 14). Aus den restlichen fünf Inschriften lassen sich jedoch durchaus weiterführende Schlüsse ziehen. So schließt etwa die sorgfältig gearbeitete Inschrift von Beuchte (Nr. 2) eine Verschreibung des Namens Büriso weitgehend aus. Dies legt den Verdacht auf „eine verhüllende Namennennung in magisch-apotropäischer Absicht"78 nahe, mit der der Runenmeister seinen Namen und damit auch seine Person dem Zugriff Unbefugter entziehen zu können glaubte. Den semantisch verstehbaren Inschriftenteilen Ib-c der Bügelfibel von Charnay wurde nach traditioneller Betrachtungsweise ein eher didaktischer Zweck zugeschrieben. Eine Alternative könnte das Bedeutungsfeld von ahd. findan im Sinne von 'bemerken', bzw. 'für sich gewinnen' mit Akk. der Person bieten. 79 Falls eine solche Lösung erreichbar ist, läge hier eine Art von Liebeszauber vor, der durch das Fujmrk verstärkt werden soll. Eine Reihe von Fragen wirft die überaus knappe Inschrift auf der Bügelfibel von Herbrechtingen auf. Ob sie überhaupt eine Deutung zuläßt, ist

Die Möglichkeit, Runen als Geheimschrift zu realisieren, gehört nach Ottar Granvik 2001, S. 54 zum ursprünglichen Konzept der Runenschrift, und er folgert, „daß die Einteilung des FuJjarks in drei Gruppen ebenso alt ist wie das Runenalphabet". 77

Vgl. MacLeod 2002, S. 98.

78

Nedoma 1998, S. 45.

79

Althochdeutsches

Wörterbuch 3, 1971-1985, S. 864.

Das ältere Fujiark: Überlieferung und Wirkungsmöglichkeiten

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keineswegs sicher. Unter der Voraussetzung einer Zweiteilung, die jedoch nicht eigens markiert ist, und der weiteren Annahme, daß in der Zeichenfolge ff) eine Fujmrk-Abbreviatur vorliegt, ließe sich der verbleibende Teil ae mit der mehrfach sowohl in runischen als auch lateinischen Inschriften belegten Formel ea/EA in Verbindung bringen. Den konzeptuellen Kontext dieser Zeichensequenz legt ihr Vorkommen auf hellenistischen Amuletten fest. Ute Schwab, der dieser Hinweis zu verdanken ist, steht zwar einem Zusammenhang mit den nordischen Belegen aus zeitlichen Gründen eher skeptisch gegenüber, doch darf daraufhingewiesen werden, daß 'synkretistische Elemente' etwa in Form des Kreuzzeichens bereits auf Goldbrakteaten begegnen und daher schon in so früher Zeit mit dem Eindringen spätantiken Gedankenguts in den Norden gerechnet werden muß.80 Die Inschrift auf der Grabplatte von Kylver zeigt in ihrem zweiten Teil das Palindrom sueus. Palindrome sind in runischem Kontext auf dem Stab von Fraslev (riIir), bei dem es sich vielleicht um einen Zauberstab handelt (KJ 26), auf dem Stein von Flemlese (DR 193), wo sis als magische Zauberformel interpretiert wurde, sowie in Kapitalisbuchstaben auf der Medaillonimitation DC 286,1 Kälder-M (SIVSVSVIS) überliefert. Vielleicht liegt auch bei der Inschrift auf dem Brakteaten IK 131 Norwegen-B (anoana) ein verderbtes Palindrom vor.81 Will man Palindrome nicht als gleichsam spielerische Erscheinungen ansprechen, die sie in moderner Zeit zweifellos auch sind, dann bleibt nur die Annahme einer magischen Wirkungsabsicht, die insbesondere für die zahlreichen Beispiele aus spätantiker Zeit (am bekanntesten die SATOR-Formel) zu sichern ist.82 Wie man sich die Wirkungsweise im Einzelnen vorzustellen hat, bleibt dunkel. Vielleicht lassen sich aber Palindrome als eine Art von labyrinthischen Endlosschleifen verstehen, in denen sich die Dämonen verirren und verlieren sollen.83 Einfacher zu interpretieren ist der inschriftliche Kontextbefund der Fu|Dark-Inschriften auf Brakteaten. In den beiden Fällen, in denen dieser mit einiger Wahrscheinlichkeit zu verstehen ist (Nr. 8; 15), haben wir es mit (verdoppelten) Opferwörtern zu tun, die sich in den weiteren amuletischen Kontext der Brakteatenbilder fügen (siehe dazu mehr im folgenden Abschnitt).

80

Hauck 2002, S. 86 ff.; von Padberg 2003, S. 255 f., 297 f.

81

Düwel 1988, S. 105 f.

82

Düwel 2001b, S. 228 ff.

83

Vgl. Blau 1898, S. 147.

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c) Beizeichen und Bilder: Eine Reihe von Fujmrk-Inschriften ist mit Zeichen, Symbolen und Bildern vergesellschaftet, deren Bedeutung im Einzelnen oft nicht zu entschlüsseln ist. Zu nennen wäre hier etwa das geometrische Muster auf der Fibel von Beuchte (Abb. 2) oder das eigentümliche 'Tannenbäumchen' auf der Grabplatte von Kylver (Abb. 9), das vielfach Anlaß zur Spekulation gegeben hat. Am wahrscheinlichsten erscheint dabei noch der Versuch, dieses Zeichen über seinen kryptischen Verweis auf die Eibenrune (vgl. oben zu Nr. 9) als Symbol des Lebens- und Weltenbaums zu deuten, der als axis mundi die unterschiedlichen Schichten des Kosmos verbindet und damit auch den Zugang zu den Jenseitswelten ermöglicht.84 Auch die anikonischen Beizeichen der Brakteaten wie etwa Swastika (Nr. 12), Kreuz (Nr. 10) oder Winkel (Nr. 6) entziehen sich einer genaueren Deutung, doch lassen der amuletische Kontext sowie die Ikonographie immerhin vermuten, daß es sich dabei um zeichenhafte Entsprechungen zu den runischen Formelwörtern und Inschriften handeln könnte.85 Eine Sonderstellung nehmen die Fujaark-Inschriften auf Brakteaten auch deshalb ein, weil sie Bildern beigegeben sind, deren Semantik durch die Bemühungen von Karl Hauck in ihrem Grundbestand als entschlüsselt gelten darf. Bis auf zwei Ausnahmen, von denen im einen Fall (Nr. 11) zu diskutieren wäre, ob er überhaupt hierher gehört, handelt es sich dabei um CBrakteaten, deren Bilder als ikonographische Äquivalente zum zweiten Merseburger Zauberspruch anzusprechen sind. Zauberspruch und Bild kreisen um eine mythische Machttat des Götterfursten Odin, der mit seinen magischen Kräften das Baiderfohlen nach einem tödlichen Sturz zu heilen vermag. Diese primordiale Tat definiert den Ereignishorizont, vor dem die Funktion der Brakteaten als Amulette letztlich erst verständlich wird. d) Positionierung: Betrachtet man die Positionierung der Fuj^ark-Inschriften auf Brakteaten, so zeigt sich auf den drei C-Brakteaten IK 260 Grumpan (Nr. 5), IK 153 Schonen (II) (Nr. 13) sowie DC 585 Set lbs Vej (Nr. 14) eine auffällige Nähe zu den Hufen des auf dieser Brakteatengruppe abgebildeten Pferdes. Auf diese richten sich nach Ausweis der Brakteatenbilder die unterschiedlichsten Aktivitäten: sie werden von Vögeln inspiziert, von Tieren beleckt und schließlich sogar vom göttlichen Fuß selbst getreten.86 Daß diese Aktivitäten der Heilung und Regeneration des gestürzten Fohlens

84

Vgl. Heizmann 1986. Vgl. Heizmann 2003, S. 253 f.; zu den genannten Beizeichen auf Brakteaten siehe im übrigen die Dissertation von Charlotte Behr 1991, S. 107 ff., 121 ff., 128 ff.

86

Vgl. Heizmann 2003, S. 253 f.

Das ältere FuJ)ark: Überlieferung und Wirkungsmöglichkeiten

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dienen, läßt sich mit Hilfe einer reichen Überlieferung von der Antike bis in die Neuzeit eindrucksvoll dokumentieren.87 Den mit ikonographischen Ausdrucksmitteln dargestellten Heil(s)-Taten steht auf den Goldbrakteaten ein ebenso variables Inventar von Heil(s)-Worten in Runen zur Seite. Hier sind insbesondere Formelwörter wie laukaR zu nennen, ein Wort, das auf den Lauch als Lebenskraut und probates Heilmittel in magischen und rationalen Kuren verweist88 sowie alu und lapu. In diesen Kontext wird man schließlich auch die FuJ^ark-Abbreviaturen sowie viele andere, an gleicher Stelle applizierte Runen und Runensequenzen einzuordnen haben, auch wenn sie sich bislang einer semantischen Deutung entziehen. e) Weitere Inschriften: Nur in einem Fall gestatten es die Fundumstände, eine Fujwk-Inschrift in den Kontext anderer Inschrifitenfunde zu setzen. Dies ist der Fall bei der Inschrift von Breza, wo auf einem weiteren Säulenfragment auch eine lateinische ABC-Reihe gefunden wurde. Dieses Nebeneinander darf möglicherweise auf einen seit der Spätantike belegten Ritus der Kirchenweihe bezogen werden, bei dem das lateinische und griechische Alphabet in Kreuzform auf den Kirchenboden geschrieben werden. Dornseiff vermutet hierbei eine kosmische Symbolik („das Alphabet als Abbild des in sich ruhenden Kosmos"), schließt aber auch eine apotropäische Funktion nicht aus.89 2. Der außerschriftliche Kontext a) Inschriftenträger: Die überwiegende Anzahl der hier besprochenen Fu])ark-Inschriften ist auf Brakteaten angebracht. Deren Funktion als Amulette ist inzwischen in der Forschung unbestritten.90 Ihre Wirkung ist aus dem Zusammenspiel dreier Komponenten zu erklären, 1. der ' Stoffheiligkeit' des goldenen Trägermetalls, 2. der Macht der Bilder und Zeichen sowie 3. der Macht der Schrift und Worte. Daß diese hier eine offenbar untergeordnete Rolle spielen, ergibt sich daraus, daß sie auf der überwiegenden Zahl der Goldbrakteaten fehlen. Warum eine FuJ^ark-Inschrift auf einer Grabplatte angebracht wurde, läßt sich mit didaktischen Zwecken kaum plausibel machen: Für einen Toten ohne erkennbaren Nutzen, bleiben auch die Lebenden von diesem ver87

Hauck 1977, S. 471 f f , 489 ff.; Heizmann 2001, S. 336 f.

88

Heizmann 1987, S. 145 ff.; 2001, S. 338.

89

Dornseiff 1925, S. 74 f.; vgl. Dieterich 1911, S. 227 f. mit Abb.; zur Problematik vgl. unten S. 22.

90

Hauck 1985, S. 11 ff.; Düwel 1988, S. 81-92.

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meintlichen 'Bildungsprogramm' ausgeschlossen, da die Inschrift wegen der eingegrabenen Platten auch dann kaum sichtbar gewesen sein dürfte, wenn diese nach außen gewandt waren. Völlig absurd wird der LehrGedanke, wenn die beschriftete Seite ins Grabinnere gezeigt haben sollte. Da Grabzauber mit Hilfe von Inschriften auch sonst gut bezeugt ist (vgl. unten S. 32), gibt es keinen erkennbaren Grund, warum die Grabplatte von Kylver aus diesem Zusammenhang ausgeschlossen werden sollte. Der Kontext der Inschrift von Breza gibt einige Rätsel auf. Nur unter der Voraussetzung, daß es sich hierbei um einen Sakralbau handelt, greifen die von Dornseiff beigebrachten Parallelen. Doch gilt es zu bedenken, daß wir es dabei ausschließlich mit Alphabeten in den 'heiligen Sprachen' Hebräisch, Griechisch und Latein zu tun haben, während Runen sonst überwiegend der barbarischen, wenn nicht gar heidnischen Sphäre zugeordnet sind. Zudem handelt es sich bei dem genannten Weiheritus um einen durchaus flüchtigen Akt mit Hilfe vergänglicher Schreibmedien wie Asche, während die Inschriften von Breza für die Dauer bestimmt waren. Da die sorgfältige Art der Einritzung es ausschließt, an eher zufällig oder heimlich angebrachte Graffiti zu denken, wie sie z.B. in der Hagia Sophia zu beobachten sind,91 kann es sich jedoch nur um einen bewußten Schreibakt von Bedeutung gehandelt haben. Daß dieser in einem religiös-magischen Zusammenhang steht, läßt sich zwar nicht mit Sicherheit ergründen, doch dürfte die Anbringung der Inschriften auf einem tragenden Element der Architektur nicht ohne Symbolgehalt sein. Dieser könnte in der Vorstellung des Festmachens, sei es in einem apotropäischen oder einem kosmologischen Sinn, zu suchen sein. Die Funktion von Fibeln liegt nur auf den ersten Blick gänzlich in dem profanen Bereich der Tracht, wo sie als Kleiderspangen dienen. Sie können aber auch in einen 'magischen' Kontext eingebettet sein, wenn sie etwa mit verschiedenen anderen Gegenständen als eine Art Kompositamulett am Gürtel getragen werden (vgl. unten S. 25). b) Zeitpunkt der Anbringung: Nur in seltenen Fällen lassen die mit Runen beschrifteten Gegenstände Aussagen darüber zu, wann sie beschrieben wurden. Ein solches Beispiel liefert jedoch die Bügelfibel von Beuchte: Da die Inschrift im Gegensatz zur deutlich abgeriebenen Fibel so gut wie keine Abnutzungsspuren zeigt, dürfte sie wohl erst kurz vor der Niederlegung und somit in unmittelbarem Kontext mit der Bestattung selbst angebracht worden sein. Daraus ergeben sich Rückschlüsse auf eine Wirkungsabsicht,

91

Düwel 2001, S. 126.

Das ältere FuJ)ark: Überlieferung und Wirkungsmöglichkeiten

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die mit der in zahlreichen Quellen gut belegten Furcht vor Wiedergängern in Verbindung gebracht worden ist.92 Der hier vorgetragene Befund spricht eine klare und eindeutige Sprache: die 15 Fujwk-Inschriften mit der älteren Runenreihe sind überwiegend in einen Kontext eingebettet, der eine magische Deutung nahe legt. Unzweifelhaft gilt dies fur die Inschriften auf Brakteaten, die den größten Teil der Überlieferung ausmachen. Sie beiseite zu schieben oder ganz außer Acht zu lassen, ist methodisch nicht zu vertreten. Diese Inschriftengruppe gibt damit gleichsam das Thema vor. Sie findet sich auf Amuletten, deren primäre Funktion es ist, von ihren Trägerinnen und Trägern Unheil abzuwehren und deren Heil und Unversehrtheit sicherzustellen. Eine apotropäische Wirkungsweise darf auch für die Inschrift auf der Grabplatte von Kylver sowie die Fibel von Beuchte in Anspruch genommen werden. Hier ist die beabsichtigte Wirkung gegen den Wiedergänger gerichtet, der mittels der Fujwk-Formel im Grab gebannt werden soll. Für die Fibel von Herbrechtingen eröffnet der Inschriftenbestandteil ae eine amuletische Deutungsperspektive. Ob der Inschrift auf der Fibel von Charnay eine magische Absicht im Sinne eines Liebeszaubers unterstellt werden darf, ist immerhin zu diskutieren. Nur vermutungsweise läßt sich die Fu^ark-Inschrift auf dem Säulenfragment von Breza einer religiös-magischen Sphäre zuordnen. Einzig für die Inschrift der Fibel von Aquincum ist bislang nie ein magischer Zusammenhang erwogen worden. Möglicherweise hat er im ursprünglichen 'Sitz im Leben' der Fibel eine Rolle gespielt, bevor sie als Schatzgabe vereinzelt wurde. IV. Runen und Ritual Aus dem vorangegangenen Abschnitt geht mit großer Deutlichkeit hervor, daß die Behauptung vom gänzlich profanen Charakter der Fu}5ark-Inschriften ins Reich der Fabel gehört. Der Kontext, in dem sie auftreten, spricht eine andere Sprache. Eine Aussage wie die von Tineke Looijenga,93 „The context, though, of objects with the older fujwk does not seem to point to a specifically magical purpose," verzichtet auf begründende Argumentation und ersetzt sie durch eine unreflektierte, persönliche Vor-Einstellung. Dahinter verbirgt sich ein ebenso grundsätzliches wie banales Problem wissenschaftlichen Arbeitens. Wir alle sind nicht frei von bestimmten 92

Düwel 1992a, S. 353-356; Nedoma 1998, S. 40 ff.

93

Looijenga 2003, S. 197 ff.

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Denkmustern, die wir aufgrund unserer Veranlagung und sozialen Prägung (durch Elternhaus, Schule, Universität etc.) mit uns herumtragen, und auf die wir bei entsprechenden Gelegenheiten geradezu reflexartig immer wieder zurückgreifen. Das läßt sich kaum vermeiden, doch wird es dann problematisch, wenn es dabei bleibt und der Reflex das Argument ersetzt. Die überlieferten Runeninschriften werden in der Regel als Sprachzeugnisse einer vergangenen Zeit betrachtet, die mit den Mitteln der historischen Grammatik und Lexik analysiert werden, um sie verstehbar zu machen. Runologie jedoch, die ausschließlich als sprachwissenschaftliche Disziplin verstanden wird, stößt vor allem dann schnell an ihre Grenzen, wenn es darum geht, für eine Runeninschrift den 'Sitz im Leben' zu ermitteln, wie in diesem Abschnitt erörtert werden soll. Spätestens hier zeigt sich, wie sehr die runologische Forschung auch kulturgeschichtlichen Fragestellungen verpflichtet sein muß. Dies gilt für die FuJjark-Inschriften, die, aus sprachwissenschaftlicher Perspektive betrachtet, wenig hergeben ebenso wie für viele Inschriften aus der älteren Runenperiode (und hier wiederum die einer speziellen Überlieferungsgruppe, nämlich der als Amulette getragenen Goldbrakteaten). Sie fügen sich nicht nur schwer in den bisherigen Kenntnisstand ein, sondern sperren sich überhaupt gegen ein Verstehen, wie wir es gewohnt sind. In solchen Fällen ist das moderne ablehnende Urteil schnell gefällt. Moltke spricht von den fünf oder sechs verstehbaren unter den rund 100 Inschriften auf Brakteaten aus Südskandinavien.· All the rest have more or less corrupt sequences, often mixed with symbols that are not runes at all. Sometimes it is possible to trace their gibberish back to an intelligible exemplar. That is the case with two alphabet-inscriptions [...].'94

Seinen Befund erklärt er mit dem Produktionsprozeß von Brakteaten und den daran beteiligten Personen: With perhaps an odd exception here and there, metal-workers were illiterate. They had to follow a copy provided by someone who knew runes or an exemplar provided by the customer. They did their best but the results show it was seldom good enough: it was not easy to copy those funny signs [...] and so it could happen that when the next customer came along and wanted runes in his amulet, the jeweller saved a fee to the runemaster and copied his own bastard transcript of an original (or may be a transcript of a transcript). We see the outcome in the overwhelming proportion of meaningless bracteate inscriptions.95 94

Moltke 1985, S. 113.

95

Moltke 1985, S. 114.

Das ältere Fufiark: Überlieferung und Wirkungsmöglichkeiten

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Das ist ein sehr anschauliches Szenario, aber zu phantasievoll, um es als Erklärung akzeptieren zu können. Natürlich hat es kopiale Herstellung gegeben, doch wird man die große Zahl - das sei deutlich gesagt - von solchen, dem modernen Betrachter und Forscher unverständlichen Brakteateninschriften nicht allein auf diese Weise entstanden sehen können. Und so ist denn der Blick von der Randkultur in das Zentrum spätantiker Amulettund Zauberpraxis gerichtet worden. Ein struktureller Vergleich zeigt, daß wir auch hier merkwürdige und scheinbar bedeutungslose Buchstabensequenzen antreffen. Was moderner philologischer Betrachtung oft als dunkel, bedeutungslos, unverständlich oder sinnlos erscheint, kann jedoch im Rahmen einer auf Götter und Dämonen gerichteten Kommunikationsbeziehung96 absichtlich eine für Menschen prinzipielle Unverstehbarkeit sein.97 Der Neuplatoniker Iamblichos (4. Jh.) fuhrt diesen zentralen Gedanken zum Verständnis des Wirkungszusammenhangs von Amulettinschriften (nicht jedoch zu ihrem sprachlichen Verstehen) in seiner Schrift De Mysteriis aus: Die sogenannten άσημα ονόματα, d.h. bedeutungslosen Ausdrücke und Namen, sind in Wahrheit keineswegs bedeutungslos. Von einzelnen kennen ja sogar wir selbst ihre Bedeutung, indem uns die Götter selbst die Lösung gegeben haben. Aber selbst dann, wenn sie uns Menschen bedeutungslos erscheinen, so haben sie doch alle ohne Ausnahme ihre Bedeutung, ihren Begriffsinhalt, aber natürlich bloß bei den Göttern. Dabei aber kommt dieser ihr Begriffsinhalt (sc. ihnen) nicht so zu wie den Wörtern der menschlichen Sprachen, entsprechend der menschlichen Denkfähigkeit und Vorstellungsgabe, sondern vielmehr auf symbolische Weise, so daß diesen Namen ein symbolischer Charakter zukommt. Daher muß man bei diesen Namen natürlich auf alle logischen Gedankenfolgerungen hinsichtlich des Namens und des durch diesen Namen Bezeichneten verzichten, vor allem darauf, auch bei diesen Namen wie bei denen der menschlichen Sprachen einen natürlichen Zusammenhang zwischen diesen Namen und dem von ihnen Bezeichneten zu ermitteln. [...] Und gerade der Umstand, daß wir mit unserem Menschenverstand diese Namen nicht zu fassen vermögen, macht sie überaus ehrwürdig: denn sie sind eben erhabener, heiliger und ehrwürdiger, als daß wir schwachen Menschen sie fassen könnten.98

Die griechischen Zauberpapyri des 4.-6. nachchristlichen Jahrhunderts und andere Überlieferungen, wie Steine und Gemmen, bieten solche Zaubernamen und Zauberworte, solche wahren und wirksamen Worte und Zeichen, 96 97 98

Güntert 1921. Düwel 1988, S. 101. Hopfner 1921, § 718.

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in großer Zahl, und sie geben darüber hinaus genaue Anweisungen zur Herstellung eines Amuletts. Als Beispiel diene der Papyrus XIII, der ins 4. Jahrhundert datiert wird:99 Nimm ein goldenes oder silbernes Blatt, ritze darauf mit Edelsteinen die untenfolgenden unaussprechlichen Charaktere; doch soll, der es einritzt, frei sein von jeder Unreinheit und seine Hände geschmückt haben mit einem Blütenkranz, während er Weihrauch inzensiert. Er schreibe die Lösung auf die Rückseite des Blattes. Dann nimm das geritzte Blatt, tu es in ein reines Futteral und leg es auf einen reinen, linnenbedeckten Dreifuß. Leg auch daneben Pinienzapfen, ein Maß Brot, Naschwerk, Blumen der Jahreszeit, ägyptischen, meerwasserfreien Wein. Dann gieß Milch, Wein, Wasser in ein neues Gefäß, spende zugleich, inzensiere Weihrauch, und daneben stehe eine reine Lampe, gefüllt mit Rosenöl, und sprich: 'Ich rufe an , den größten Gott im Himmel, den starken Herrn, den gewaltig Mächtigen, Iaö (Vokale), der du bist. Weihe mir, Herr, den mächtigen, maßgebenden, unaussprechlichen Charakter, damit ich ihn habe und ungefährdet, unbesiegbar und unbekämpfbar bleibe. Ich NN'. 100

Diese Anweisung enthält eine Schreibhandlung und eine Sprechhandlung neben anderen Handlungen. Was die Schreibhandlung betrifft, so ist mit Härtung zu fragen, ob das Schreiben selbst, die Handlung des Schreibens, unter bestimmten Umständen als magischer Akt bewertet werden kann, denn die gewünschte magische Wirkung einer Handlung legt es nahe, daß auch die Handlung als magische Handlung zu bewerten ist.101

Härtung verweist auf den Ursprungsmythos der Runen, die Bedeutung von Rune 'Geheimnis' und konstatiert in der Annahme, der Runenschreiber habe, selbst kenntnisreicher Spezialist, eine besondere Rolle als Mittler zwischen den Göttern und den Menschen eingenommen: „Nicht nur dem Zeichen bzw. dem geschriebenen Wort, sondern auch der Schreibhandlung als solcher konnten magische Kräfte beigemessen werden."102 Diesen Zusammenhang hat schon Gunter Müller gesehen und für die antiken Amulette und die Vorschriften zu ihrer Anfertigung festgehalten: „Das Aufbringen [d.h. Schreiben] der Zauberwörter und Namen auf die Amulette ist meist ein Teil der Zauberhandlung selbst und rituell genau definiert."103 99 100 101 102 103

Betz 1986, S. XXIII. Preisendanz 1931, S. 129, Zeile 1003 ff.; vgl. Düwel 1997, S. 28. Härtung 1993, S. 113 f. Härtung 1993, S. 115. Müller 1988, S. 153.

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Auch Ute Schwab, die beschriftete spätantike Goldlamellen mit der merowingerzeitlichen südgermanischen Überlieferung von runenbeschrifteten Fibeln und Schmuckstücken zusammenstellt, sieht, daß es „auf die Schrift selbst als Apotropaion ankommt".104 Die Diskussion weiterer Denkmäler (KJ 164 Weingarten, KJ 144 Freilaubersheim, IK 156 Sievern-Α), wobei es um 'farbige' Runen geht, fuhrt sie zu der Ansicht, daß der Akt des Schreibens selbst - des Runenschreibens - als magische Handlung empfunden wurde: Schriftzauber - mit Beschränkung auf dessen apotropäische Funktion - mit oder ohne Nennung des oder der Handelnden. 105

Solche Überlegungen zur möglichen Wirkungsweise von Schriftzauber haben Bedeutung für südgermanische Inschriften, die auf den ersten Blick lediglich private bis intime Mitteilungen zu enthalten scheinen, wie die auf der jüngst gefundenen Scheibenfibel von Bad Krozingen mit boba : leub agirike 'Boba [ist] lieb / [wünscht] Liebes [dem] Agirik'. 106 Wichtig ist daher der Blick auf amuletische Kontexte der Grabbeigaben, von denen eine Reihe wie Wolfszähne, Eberhauer, Hirschgrandeln (Eckzähne vom Rotwild, die zu Berlocken verarbeitet werden), Porzellanschnecken (Cypräen), konische Beinanhänger (sog. Donar- bzw. Herkuleskeulen), Bergkristallkugeln, Glaswürfel, Noppenringe u. dgl. als Gürtel- und Schwertgehänge aus Frauen- oder Männergräbern bekannt ist.107 Einen weiteren Schritt zur Gewinnung eines Amuletts, wie beim Papyrus XIII („und sprich: Ich rufe an "), stellt die Sprechhandlung dar. Gunter Müller weist hin auf die „Bedeutung, die die Zauberwörter und die 'richtigen, wirksamen, mächtigen' Namen für das Gelingen der in den Papyri vor allem dokumentierten magischen Sprechhandlungen besaßen".108 So muß etwa ein Zauberstein in bestimmter Weise behandelt werden, ehe

104

Schwab 1998, S. 413. Weiter weist Schwab an dieser Stelle auf folgendes hin: „Die Schrift wird aber im runischen Bereich noch stärker als der Sitz der magischen Kraft bewertet, wie ja auch der Name des Runenschreibers [z.B. Beuchte] und seine Tätigkeit [z.B. KJ 144 Freilaubersheim] vielfach genannt ist: dem Ritzer haben sich der Widmer und indirekt der Adressat anvertraut, da er die richtigen und wirksamen Worte und Zeichen zu Schutz, Gelingen und Glück anzubringen weiß."

105

Schwab 1998, S. 419.

106

Fingerlin/Düwel/Pieper 2004.

107

Schwab 1998, S. 424 mit zahlreichen weiteren Hinweisen z.B. Christlein 1978, S. 112-121, bes. S. 114 f.; vgl. auch Fingerlin/Düwel/Pieper 2004, S. 253 ff.

108

Müller 1988, S. 153.

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er wirkt, „indem man z.B. gewisse Zauberformeln über ihm ausspricht".109 Dabei ist zu beachten: „The incantation proper had to be recited with due solemnity, rhythmically and clearly. It could be sung or even shouted".110 Auch Harald Kleinschmidt hat fur die „Magie des Sprechens" - so der Titel seines Beitrages - „Wirkungsvolle Sprechhandlungen [als] wesentlich nach dem Zeugnis der frühmittelalterlichen Bußliteratur"111 behandelt und damit auch die christliche Abwertung der heidnischen Praktiken angesprochen. Allerdings geht es ihm um zwischenmenschliche, kommunikative Handlungen, für die er zusammenfassend festhält: „Im Frühmittelalter gab es einen integrierten kommunikativen Handlungsablauf mit Verschränkungen von Sprache, Gestik, Körperhaltung und Handlungen [...]".112 Für die spätantiken, speziell griechischen Amulette (defixiones) haben neuere Untersuchungen ergeben, that the formulation of the spell directly reflects oral utterance - Ί bind NN'; 'Restrain NN!' - and that the preparation of the medium itself (a lead tablet) derives from gestures performed to render the victim 'like' lead. Thus again, the ritual performance - in this case including attendant gestures - dominates the written spell; the written spell essentially 'records' the ritual. 113

Eine allgemeine Charakterisierung solcher Rituale gibt Brashear,114 Einzelheiten wie „Vorbedingungen für das Gelingen des Zaubers" findet man bei Hopfner.115 „Für die magische Kraft einer Gemme [z.B.] sind Steinsorte, Bild, Inschrift gleich wichtig. Die volle Wirkung erhält sie doch erst, wenn sie ordentlich geweiht ist".116 Diese für die spätantiken Amulette geltenden Anweisungen und Beobachtungen wurden bereits 1997 zusammengestellt,117 um den rituellen Rahmen für die Herstellung von Amuletten und magischen Inschriften zu skizzieren und für die Runenüberlieferung nutzbar zu machen:

109

Hopfher 1921, § 574.

110

Brashear 1995, S. 3393.

111

Kleinschmidt 1996, S. 195.

112

Kleinschmidt 1996, S. 185.

113

Frankfurter 1994, S. 195 mit weiteren Hinweisen.

114

Brashear 1995, S. 3393 f.

1,5

Hopfner 1921, § 822 ff., Kap.6.

117

Düwel 1997, S. 27 ff.

Eitrem 1939, S. 62 mit vielen Einzelheiten.

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diese Prozeduren und Rituale sind in der Überlieferung magischer Runeninschriften natürlich nicht bewahrt. Die auf uns gekommene Runeninschrift ist sozusagen nur ein 'Überrest' aus einem einstmals komplexen Ritual mit Magier, Sprech- und Schreibhandlung (die im Einzelfall zusammenfallen können), verbunden mit Gesten, Bewegungen und Gesang. Eine gewisse Vorstellung vom Ablauf einer solchen Gesamthandlung vermag die Egils saga (cap. 44) zu geben: Egil ritzt Runen in ein Horn, rötet sie mit seinem Blut und spricht dazu eine Strophe.118

Diesen Hinweis auf die Egils saga, der noch um ein Beispiel aus der Grettis saga (Kap. 79) erweitert werden kann (die zauberkundige Thurid ließ von einem Wurzelstock „eine kleine flache Stelle schnitzen, wo es abgerieben war; danach nahm sie ihr Messer und ritzte Runen darauf und malte sie rot mit ihrem Blut und sprach darüber Zauberworte"),119 hat Karin Fjellhammer Seim folgendermaßen kommentiert: Es kann wohl diskutiert werden, eine wie gute und relevante Quelle die Sagaliteratur sein kann für die versuchsweisen Vorstellungen von runenmagischen Ritualen in z.B. der Völkerwanderungszeit.120

Es sei noch einmal betont: Es geht nicht darum, eine Quelle im 13. Jh. für einen Ritus im 5./6. Jh. zu benennen, sondern einzig und allein darum, eine Anschauung dafür zu geben, daß magische Rituale und Praktiken - mit einer bemerkenswerten Konstanz über Zeiten und Räume hinweg - aus bestimmten Abfolgen bestehen: Schreibhandlung - Manipulation mit verschiedenen Materialien - Sprechhandlung. Offenbar ist es sehr schwierig gegen ein genetisches, in Abhängigkeiten verlaufendes Denken ein solches in Strukturen zu veranlassen, jedenfalls als alternative Möglichkeit. Im Fortgang der Darlegung von 1997 heißt es weiter: Allgemein sollte versucht werden, sich derartige Rituale beim Anbringen magischer Inschriften rekonstruktiv vorzustellen und dabei minimale, scheinbar bedeutungslose Hinweise im inner- und außerschriftlichen Kontext zu beach-

118 119 120

121

Düwel 1997, S. 29. Vgl. Düwel 2001, S. 205. „Det kann vel diskuteres hvor god og relevant kilde sagalitteraturen kann vasre til tentative forestillinger om runemagiske ritualer i for eksempel folkevandringstiden." (Seim 1998, S. 195). Düwel 1997, S. 29.

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In Teil „II. Magische Runeninschriften" des Beitrages von 1997 wurde versucht, diesen Hinweisen an drei Beispielen (KJ 96 Stentoften und 97 Björketorp, KJ 101 Eggja, KJ 67 Noleby) nachzugehen und wenigstens für Teile derartige Rituale zu rekonstruieren. Daß solche Rekonstruktionsversuche nicht den Anspruch erheben können, ein detailgetreues Abbild einer vergangenen Lebenswirklichkeit zu liefern, versteht sich dabei von selbst. Sie dürfen jedoch in Anbetracht einer trümmerhaften Überlieferung, die gleichsam nur die sichtbare Spitze eines Eisberges darstellt, nicht a priori ausgeschlossen werden. Behutsam angewendet erlösen sie ein verstreutes Material aus seiner Vereinzelung und setzen es wie Steinchen eines Mosaiks zusammen, das bei aller Lückenhaftigkeit doch zumindest die Konturen eines Bildes erkennen läßt. Der Versuch, die runenmagischen Rituale zu rekonstruieren ist dabei einem „kulturwissenschaftlichen Modell" von religionswissenschaftlicher Forschung verpflichtet, in dem Religion als ein besonderer Typ eines kulturspezifischen (gelegentlich auch kulturübergreifenden) Deutungs- und Symbolsystems verstanden wird, d.h. als Kommunikationssystem mit einem bestimmten Zeichenvorrat und einer Reihe von angebbaren Funktionen: Zeichen in diesem Sinne sind nicht nur oder vorrangig Wörter und Sätze, sondern natürlich auch optische Zeichen, Ornamente etwa und 'Bilder', nicht zuletzt aber auch konventionalisierte Bewegungsabläufe (Gesten, 'ritualisierte' Bewegungen, Tänze). 122

Von daher gesehen ist es nicht gerechtfertigt, wenn Seim in ihrer Kritik an Düwels Rekonstruktionsversuch sich selbst auf die sichere Seite der „'skeptischen Runologen' in Ray Pages Terminologie" schlägt123 und damit andere, die von den gewohnten Denkmodellen und Deutungsmustern einmal abweichen, mit dem Ruch des in der Regel abschätzig gebrauchten 'imaginativen Runologen' belegt. In einer Studie von 1988, die der Beitrag von 1997 resümiert und fortsetzt, heißt es am Ende: „Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß ich keineswegs den Standpunkt eines skeptischen Runologen verlassen habe und etwa ins Lager der imaginativen Runologen geschwenkt bin"124 - dabei soll es auch jetzt und in Zukunft bleiben. 122

Gladigow 1992, S. 20. Daß inzwischen auch der Begriff 'Ritual', besonders in der historischen Mittelalterforschung, inflationär verwendet wird, tut den hier vorgebrachten Gesichtspunkten keinen Abbruch.

123

„Verre er det for en 'sceptical runologist' i Ray Pages terminologi [...] έ vite hvor alvorlig neste avsnitt samme sted skal oppfattes" (Seim 1998, S. 195).

124

Düwel 1988, S. 110, Anm. 193.

Das ältere FuJ)ark: Überlieferung und Wirkungsmöglichkeiten

31

V. Wirkungsmöglichkeiten Auf dem langen Weg zum Verständnis der FuJ^ark-Inschriften, den die Forschung seit der Begründung einer wissenschaftlich im modernen Sinn zu nennenden Runologie im 19. Jh. genommen hat, gab und gibt es im wesentlichen vier Erklärungsmodelle, die in diesem letzten Abschnitt diskutiert werden sollen: 1. Magie, 2. Lehre, 3. Schmuck (Zierde oder Ornament), 4. Betrug. In der Frühzeit bei Ludvig F. A. Wimmer etwa richtete sich der Blick auf die gesamte dänische Überlieferung unter der Überschrift Zur Zierde und Belehrung,125 wenn nicht gar ein Standpunkt wie der von Liljegren angesichts der Fujwk-Inschriften in schwedischen Kirchen anzutreffen ist: Sie stehen dort „nur um ihrer selbst willen aufgeschrieben, um deren Kenntnis zu verbreiten und zu bewahren".126 Die unter 2. bis 4. genannten Deutungsansätze erfolgen aus moderner Sicht.127 Auf der anderen Seite werden magische Deutungen mit fadenscheinigen Argumenten beiseite geschoben, etwa bei Baeksted zu Kylver: „Die Inschrift kann auf dem Stein angebracht worden sein vor seiner Verwendung zum Grabbau"128 oder unter Hinweis auf die auffallende typologische Ähnlichkeit zwischen dieser und gewissen Brakteateninschriften: Wagt man auch nicht so weit zu gehen, die Inschrift des Kylver-Steins als Vorlage für oder als Kopie von einer Brakteateninschrift zu deuten, so ist die Übereinstimmung doch zu auffällig als daß sie als bedeutungslos für die Auffassung vom Charakter dieser Inschrift zur Seite geschoben werden kann. 129

Fünfzig Jahre später schreibt Antonsen, der natürlich Basksteds Arbeit kennt, in diesem Zusammenhang allerdings nicht anfuhrt, im Kapitel „9. Sacral or secular?" Abschnitt „4. The assumed magical power of the runes" zur selben Inschrift: In the case of the Kylver stone, we are not dealing with a commemorative stone, but most probably simply with a tool for instruction or learning - with 125

„Til pryd og b e a r i n g " (Wimmer 1903-1904, S. 180; vgl. Seim 1998, S. 172).

126

„endast för deras egen skull antecknade, för att udbreda och bibehalla deres kännedom" (Liljegren 1832, S. 172; vgl. Seim 1998, S. 164).

127

Vgl. etwa Krause 1966, S. 22: „spielerischer Lehrzweck" des FuJjark.

128

„Indskrift kann have vasret anbragt pä stenen for dennes anvendelse til gravbygning" (Baeksted 1952, S. 123).

129

„T0r man ikke gä sä vidt som til at tolke Kylver-stenens indskrift som et forlicg for eller en kopi af en brakteatindskrift, er overenstemmelsen dog for pafallende til at kunne skubbes til side som betydningslos for opfattelsen af denne indskrifts karakter." (Bsksted 1952, S. 139).

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Klaus Düwel & Wilhelm Heizmann

the help of this fu^ark, a runemaster provides instruction in writing, or a beginner practised it. The use of the stone as a grave cover [eher: Seitenteil des Steinkistengrabes] can be explained by assuming either that the inscription had no particular significance, or the stone was expropriated for this purpose

Den von Raymond I. Page131 benannten Gegensatz von imaginativen gegenüber einem skeptischen Runologen aufgreifend, behauptet Antonsen: „Imaginative runologists [zu denen er namentlich Wolfgang Krause rechnet] see in the Kylver stone an example par excellence of the use of the fujjark to pacify the deceased and keep him in the grave [...]. The myth of the older runes as a means of fixing the dead in the grave is an invention of modern-day runologists without any substance whatsoever". 132

An diesem Punkt halten wir zwei Bemerkungen für notwendig: 1. Die von Page mit 'imaginativ' und 'skeptisch' gekennzeichneten Haltungen von Runologen werden neuerdings zunehmend einmal diffamierend ('imaginativ') und zum anderen auszeichnend ('skeptisch') gebraucht. Doch ist es für die geisteswissenschaftliche Arbeitsweise - der auch die Linguistik zuzählt - gerade typisch, in unterschiedlichen Zugängen, die imaginative bis phantastische ebenso wie skeptische bis negierende Elemente aufweisen, zu Interpretationen zu gelangen, bei denen der Grad der erreichten Plausibilität wie der einer bestehen bleibenden Unsicherheit gekennzeichnet sein sollte. Nicht zu übersehen ist, daß sich skeptisch gebende Runologen auch ihre imaginativen Züge haben: Ist denn etwa Antonsens Szenario vom Kylver-FuJ^ark, mit dem ein Runenmeister (Runen-) Schreibunterricht erteilt, oder das eine Anfängerübung darstellt, nicht imaginativ? Und was sich nüchtern-skeptisch und rational - gegen eine magische Auffassung versteht sich - gibt, erweist sich bei genauerem Hinsehen als Versuch, den Befund in situ wenn irgend möglich hinwegzuinterpretieren: Vor der Nutzung als Teil eines Steinkistengrabes wurde der Stein mit einem FuJ^ark beschrieben, eventuell Kopie eines Brakteaten-FuJjark oder ein solches gar als Vorlage (Bseksted), als Lehrmaterial eines Runenmeisters oder als Anfängerübung (Antonsen). Warum die Fundumstände, auch wenn sie im Fall von Kylver nicht ganz klar sind hinsichtlich des genauen Standortes im Grab und der Wendung des Fujwk nach innen (zum Toten) oder nach außen, ohne Not beiseite 130

Antonsen 2002, S. 179.

131

Page 1973, S. 13 f.; 1999, S. 12 ff.

132

Antonsen 2002, S. 177.

Das ältere FuJ>ark: Überlieferung und Wirkungsmöglichkeiten

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schieben? Warum das fast manische Ausweichen vor einer magischen Deutung? Weil sie häufig auch mißbraucht wurde (in dubio pro deo), weil sie für ein modernes Wissenschaftsverständnis nicht angemessen zu sein scheint? Oder weil ihre Wirkungsweise sich analysierendem Zugriff entzieht? Noch grotesker wird die Situation, wenn beim Versuch der Erklärung von Fu|)ark-Inschriften auf das Modell 4 (Betrug) zurückgegriffen wird. Moltke hat diesen Aspekt insbesondere bei den Brakteaten-Inschriften geltend gemacht: „many meaningless bracteate runes [...] were frankly a pure swindle, aimed at hoodwinking credulous customers ('you'll get the strongest spell going!')." 133 Unter Hinweis auf dieses Zitat schreibt dazu Antonsen: „The fuj)arks on bracteates must also be seen in this light - as a swindler's inscription, executed for illiterate customers."134 Das muß man mehrmals lesen und sich erinnern, daß es kurz zuvor heißt, alle Fu{)arkInschriften aus Skandinavien mit Ausnahme von Kylver fänden sich auf Brakteaten (die Zählung auf S. 177 stimmt nicht), deren „cultic-religious purposes as amulets" sogut wie außer Frage stünden.135 Religionsgeschichtlich ist die pia fraus, z.B. bei der Zuweisung des Opferfleisches, bekannt. Ein Schwindel der insinuierten Art bleibt mangels Parallelen und bekräftigender Zeugnisse vorerst eine Unterstellung. 2. Eine weitere Bemerkung gilt der oben (S. 32) zitierten Behauptung Antonsens, der Mythos, ältere Runen fungierten als Mittel, einen Toten im Grab festzuhalten, sei eine Erfindung moderner Runologen. Das Wiedergängerphänomen ist religions- und kulturgeschichtlich umfassend bezeugt.136 Man hat sich zahlreicher (auch archäologisch nachweisbarer) Praktiken bedient, um sich möglicher Wiedergänger zu entledigen. Dazu gehören rituell rezitierte Zauberformeln und -sprüche sowie magisch wirksam gedachte Runensequenzen sprachlicher (s.u.) und nicht-sprachlicher Art in Form von Alpha133

Moltke 1985, S. 99. An anderer Stelle jedoch, es geht um den G0rlev-Stein, weist Moltke auf zwei Formeln (Fujwk und pistil, mistil, fc/zV-Formel) hin, „which all things considered, must also be connected with pagan gravemagic." Für das FuJjark hier, das von Kylver und das „on a number of bracteate amulets" gilt: „it must be reasonable to interpret all these in the same way: the futhark itself must have been among the most powerful of protective charms" (Moltke 1985, S. 167 f.; vgl. Stoklund/Moltke 1981, S. 189.

134

Antonsen 2002, S. 178 f.

135

Antonsen 2002, S. 178.

136

S. Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens Mittelalters 9, 1998, S. 79 f.

9, 1941, S. 570-578; Lexikon des

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betzauber. Zum Verständnis der Fu^ark-Runen auf der Fibel von Beuchte wird aufgrund zahlreicher Kriterien des inner- und außerschriftlichen Kontextes der Schutz vor einem Wiedergänger eben durch das Festhalten im Grabe zu erreichen versucht. In der ältesten Schicht der dänischen Runenüberlieferung im jüngeren FuJ>ark, auf dem Gorlev-Stein (DR 239) steht diese Runenreihe zusammen mit der sog. Grabbannungsformel137 niut ual kum[b]ls 'genieße (gebrauche) des (das) Kuml(s) wohl', ein Euphemismus, der dem Toten sagt: „Fühl dich wohl im Grabdenkmal", mit anderen Worten: „Bleibe (bloß) in dem Grabdenkmal und gehe nicht wieder."138 Die Runen fungieren auf Gorlev als Zeichensatz und sprachlich realisierter Befehl an den Toten. Wie anders sollte man diese Kombination von nicht-sprachlichen und sprachlichen Runensequenzen verstehen? Zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben zwei Ereignisse den weiteren Gang, nämlich die Vorherrschaft der magischen Interpretation von FujwkInschriften bestimmt: 1. Der Aufsatz von Albrecht Dieterich, ABC-Denkmäler.139 Dieterich behandelt griechische und lateinische Alphabet-Inschriften aus dem Mittelmeergebiet und aus Deutschland, die er im Gegensatz zur älteren Auffassung (Anschauung und Belehrung in der Schrift) als magisch ansieht, da sie in erster Linie aus Gräbern stammen. 2. Im selben Jahre 1901 gab es die erste Mitteilung über den Fund eines mit dem Fu^ark beschriebenen Steines von Kylver als Teil eines Steinkisten-Grabes. Seit seiner eingehenden Untersuchung und Veröffentlichung 1903 spielt dieses Denkmal in der Magiediskussion über das FuJ^ark eine zentrale Rolle.140 Der norwegische Runologe Magnus Olsen - Schüler, Helfer und Nachfolger Sophus Bugges - hatte bereits von 1903 an einige Beiträge zu einzelne Inschriften in magischer Deutung geboten, bevor er 1915 einen Vor137

„Gravbindingsformler" dienten dazu, „at tvinge den dede til at blive i hans grav og ikke forulempe de levende med gengangeri" (DR, S. 811).

138

Vgl. auch „Alfabetmagi" (DR, S. 774).

139

Dieterich 1901; ein vermehrtes „Corpus der ABC-Denkmäler" bietet Dornseiff 1925, S. 158-168 im Anhang.

140

Beides - lateinische Alphabetreihen und die Fujsark-Folge von Kylver - hat zuletzt Braunmüller 2004, S. 36 ff., unter der Überschrift „Lateinische defixiones im Vergleich mit den nordischen Runeninschriften im älteren Fujsark" zusammengestellt, wobei „dem Schreiben von Buchstabenreihen sowie dem Zitieren des vollständigen Alphabets/FuJjarks [...] eine wichtige Bedeutung zugemessen" wird - allerdings erfahren wir nicht welche. Wenn Braunmüller 2004, S. 39, Anm. 24 jedoch „den hier erstmals durchgeführten Vergleich der Runeninschriften mit den lateinischen Defixiones" für sich selbst reklamiert, so ignoriert er mindestens fünfzehn Jahre runologischer Forschung. Vgl. dazu jetzt Schulte 2005, bes. S. 162 ff.

Das ältere FuJ>ark: Überlieferung und Wirkungsmöglichkeiten

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trag hielt, in dem er seine Auffassung von Runenmagie allgemeinverständlich darlegte. 141 Schon mit seiner ersten runologischen Abhandlung über drei Inschriften von den Orkneys aus dem Jahre 1903 hat er „die beabsichtigte Anwendung der Zahlen 24 und 16 gefunden, das heißt die Anzahl der Runen in dem älteren und jüngeren Futhark". 142 In einer weiteren Arbeit (1908) zu den Inschriften auf dem Webstuhlrahmen von Lund (DR 311) und auf einem Knochenstück aus Trondheim (NlyR 461) findet er diese Auffassung bestätigt: Magnus Olsen nimmt aufgrund dieser beiden Inschriften an, daß die Zahlen 24 und 16 (und möglicherweise auch acht) 'vorzugsweise Inschriften angehört haben, in die man eine übernatürliche, magische Kraft hineinlegen wollte'. Er vermutet, daß sich die Zahlen 24 und 16 aus den Futhark-Inschriften entwickelt haben, die 'nach der Auffassung der alten Runenmeister so verstanden wurden, daß sie in sich die gesamte Zauberkraft der Runen bargen'. Hier finden wir also das beabsichtigte Zahlenverhältnis mit Inschriften magischen Inhalts verknüpft und aus der Alphabet-Magie erklärt.143 In dem Vortrag „Om Troldruner" ('Über Zauberrunen'), der zuerst 1916 erschien, dann separat 1917 publiziert und 1938 noch einmal gedruckt wurde, begründet Magnus Olsen die magische Interpretation des FuJ^ark: „Die Runen sind zu allererst erschaffen worden, damit eine festliegende Gliederung von 24 Runenstäben gebildet werden konnte." 144 Im Blick auf das Fujmrk auf der Steinplatte von Kylver lehnt Olsen eine Interpretation als Mittel der Unterweisung im Schreiben ab: Das Futhark ist vielmehr etwas an und für sich, es besteht kraft seines eigenen Inhalts. Es soll etwas leisten, etwas bewirken - dort wo wir es gefunden haben, eingeritzt in den Stein des Grabes und auf Goldschmuck gestempelt, der um den Hals zu tragen war. Damit sind wir zu der Überzeugung gelangt, daß die Runenreihe eine innere Kraft hat, Zauberkraft, wie wir sie nennen müssen [...] Das Futhark ist die Konzentration der magischen Kraft aller Runen, und damit sie wirksam wird, muß eine bestimmte unveränderliche Reihenfolge der Runen beachtet werden.145

141 142 143 144

145

Vgl. Seim 1998, S. 173. Nielsen 1985, S. 77. Nielsen 1985, S. 77 unter Bezugnahme auf Olsen 1908, S. 21. „Runerne er först og fremst opfundne for at kunne danne en fast opstillet fylking paa 24 runestave" (Olsen 1917, S. 9; vgl. Nielsen 1985, S. 77 und Seim 1998, S. 173). „Futharken er noget i og for sig, den bestaar i kraft af sit eget indhold. Den skal udrette, virke noget - der vi har fundet den indridset paa stenen i gravkisten og

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Seim betont, Olsen argumentiere dahingehend, „daß das Fujwk wie eine magische Formel wirksam gewesen sein soll",146 ein Ausdruck, auf den er in späteren Arbeiten mehrfach zurückgekommen sei. Außerdem weist sie darauf hin, wie sehr Olsen in seiner Anschauung von Dieterichs Aufsatz, den er ausdrücklich nennt, bestimmt sei, etwa darin „daß der Buchstabe die älteste Zauberformel ist und daß die feste Zeichenreihenfolge der nächste Schritt in der Entwicklung von Magie ist."147 Konstitutive Elemente für Olsens magische Interpretation von Fuj^arkInschriften sind also die unveränderliche Reihenfolge der Zeichen im Fu^ark und die ebenso feste Anzahl von 24 Runen darin (zur Kritik s.u. S. 43 f.). Im Blick auf die Überlieferung von Fu^ark-Inschriften steht die unveränderliche Anzahl von 24 Runen in der Reihe im Vordergrund, so daß man verallgemeinernd Olsens Interpretation der FuJjark-Inschriften als zahlenmagische Zeichenfolge charakterisieren kann.148 Die z a h l e n m a g i s c h e Deutung der Fu^ark-Inschriften durch Olsen betrifft die Anzahl von 24 Runen in der Runenreihe, aber auch die Anzahl von 24 in anderen Runeninschriften, Vielfache wie 72 (=3x24) oder Teile wie 8 (24:3=8) usw. Demgegenüber vertrat Sigurd Agrell in verschiedenen Studien (1927-1938) eine z a h l e n w e r t m a g i s c h e , g e m a t r i s c h e Interpretation. Wie kaum ein zweiter Gelehrter hat er die spätantike Buchstabenmystik und den Alphabetzauber gekannt und in einen direkten Zusammenhang mit der germanischen Runenüberlieferung gestellt. So wie das griechische Alphabet für jeden seiner 24 Laut-Buchstaben einen Zahlenwert aufweist, zeige auch das germanische Fuf)ark in der festen Ordnung seiner 24 Lautrunen Zahlenwerte von 1 bis 24. Neben die bereits von Olsen angewandte äußere tritt damit eine innere Buchstabenindstemplet paa guldsmykker til at bsere om halsen. Dermed er vi kommet til den overbevisning, at runeraden har en indre kraft, trolddomskraft, som vi maa kalde det. [...] Futharken er koncentrationen af samtlige runers magiske kraft, og for at denne skal vasre virksom, maa en besternt ufravigelig rsekkef0lge iagttages." (Olsen 1916, S. 228; vgl. Nielsen 1985, S. 79; Düwel 1992, S. 92; Seim 1998, S. 173 mit ausführlichen weiteren Analysen). 146

„at futharken skal vecre virksom som magisk formel" (Seim 1998, S. 177).

147

„at bokstaven er den eldste trylleformel, og at den faste tegnrekkefelgen er det neste trinn i utviklingen av magien" (Seim 1998, S. 176 f. = Dieterich 1901, S. 103).

148

Düwel 1992, S. 93; 1998, S. 275. Diesen Befund bestätigt Eyvind Fjeld Halvorsen: In 'Om Troldruner', „he [Olsen] points out that there are inscriptions containing sequences of 24 runes, he regards such sequences as magical, the number 24 makes the magic more powerful" (2003, S. 97).

Das ältere Fujsark: Überlieferung und Wirkungsmöglichkeiten

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rechnung. Eine erste Erklärung Agrells zur Runenreihe auf der Steinplatte von Kylver lautet: Der Runenritzer hat meiner Meinung nach die Absicht gehabt, durch die magische Kraft der Runen einen Verstorbenen für immer in dem Reich des Todes zu fesseln. Durch Funde auf spätantiken Grabplätzen kennen wir die Alphabetreihe als ein Mittel der nekromantischen Praxis und des Schadenzaubers. Vielleicht hat man [...] den Grund dieses Gebrauches darin zu suchen, daß die magische Anschauung in dem Alphabet das Symbol einer definitiv abgeschlossenen Aufzählung sah. Der Gedanke des Schadenzaubers war wohl etwa: 'ich sage für dich α bis ω, dann ist es mit dir aus'. Der Runenmagier von Kylver hat m.E. statt einer Totenbeschwörung einfach den Buchstaben des Todes (die Rune mit dem Namen 'Eis') seiner Alphabetreihe vorangesetzt. 149

Bleibt hier noch das Verfahren äußerer Buchstabenzählung (nach Anzahl) und innerer Buchstabenzählung (nach Zahlenwert) undeutlich, tritt es in einer späteren Arbeit klar hervor. Um es zu verstehen, muß folgendes vorausgeschickt werden: Agrell läßt nicht wie allgemein üblich die Runenreihe mit / beginnen, sondern nimmt eine geheimschriftliche und damit die „Kraft der Runen" verstärkende150 Umstellung des / an das Ende der Reihe an, wobei im Falle von Kylver dieses / in einem komplizierten Kryptogramm, ,,eine[r] geheime[n] (und demnach wohl als stärker magisch wirkend betrachtete[n]) Zweigrune" verborgen wäre.151 So kommt Agrell zu seiner in der Runologie nicht akzeptierten UtharkTheorie. Dem beginnenden u in der Inschrift von Kylver geht bei Agrell keine /-, sondern eine /-Rune voraus. Ihr Name lautet „Eis"; sie soll die Rune des Todes sein.152 Schließlich rechnet Agrell für seine zahlenwertmagischen, gematrischen Operationen auch die Nebeninschrift sueus hinzu. Die Untersuchung der Zahlenverhältnisse der Zeichen kulminiert dann darin, „dass der Runenmagier mit der Zahl 10 operiert hat",153 10 aber ist die Zahl der Eis-Rune, Zeichen des Todes. Im einzelnen lautet die Rechnung: Die Zahl der Zeichen ist 25 [24 Runen + das baumartige Zeichen] + 5 [der Nebeninschrift] = 30 = 3 χ 10 [...] Der Zahlenwert der Zeichen ist 10 [die voraufgehende i'-Rune] + 300 (die Summe der 24 Utharkzeichen) + 50 (15 + 1+ 18 +

149 150 151 152 153

Agrell 1932, S. 160. Agrell 1932, S. 157, 159; 1938, S. 109 (Zitat). Zur Auflösung vgl. Agrell 1932, S. 159, das Zitat S. 161. Agrell 1928, S. 22. Agrell 1938, S. 109.

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1 + 15 = sueus) = 360. Also 2 χ 18 χ 10. 18 ist die Zahl der e-Rune, des Zeichens des Odin als Todesgott. 154

Mit der üblichen FuJjark-Folge hat Klingenberg gematrisch experimentiert.155 Die Reihe von / = 1 bis ο =24 ergibt 300. Auf Kylver beginne die Runenreihe anstelle von / mit dem Zahlzeichen = 1, das als solches in der Buchstabenzählung keine Rolle spiele, so daß sich als Summe der Zahlenwerte aller Runen nur 299 ergebe. Diese Zahl sei aber 23mal die 13 (DREIZEHN), die 13. Rune ist die Eibenrune, die im Schriftdenken der Germanen nach Klingenberg eine große Rolle spielt und weite Bezüge eröffnet: Eibe - Weltenbaum - Eibengott. Für solch eine Deutung einer Fujwk-Inschrift müßte die Runenreihe als zahlenwertmagische Zeichenfolge gelten. Allerdings läßt sich trotz aller gelehrten Bemühungen kein Nachweis dafür führen, daß die Runen jemals als Zahlzeichen gebraucht und mithin zahlenwertmagische, gematrische Operationen vorgenommen worden sein könnten.156 Während sich Arntz den Ansichten Olsens unmittelbar anschloß, wählte Wolfgang Krause eine andere Erklärung,157 nämlich die runennamenmagische, die er in seiner Edition Runeninschriften im älteren Futhark als ersten Satz des Kapitels „I. Das Futhark" bot: Barg schon jede einzelne Rune in sich eine magische Kraft, deren Sphäre in erster Linie durch ihren Namen angedeutet war, so mußte die gesammelte magische Runenkraft dann wirksam werden, wenn man sämtliche 24 Runen in einer eigenen Reihenfolge hintereinander anbrachte. 158

Der Wortlaut in der 2. Auflage ist unter Auslassung von „magisch" ähnlich bis auf den Numerus im Hauptsatz „so mußten die gesammelten Runen-

154

Agrell 1938, S. 109.

155

Klingenberg 1973, S. 291 f.

156

Zu Argumenten gegen eine gematrische Runendeutung s. Düwel 1979, S. 238249, vgl. Düwel 1992, S. 96 und 1998, S. 275.

157

Anders ist die Einschätzung von Krauses Position durch Seim 1998, S. 182 f., die ihn eng an Olsen heranrückt. Hinsichtlich der generellen magieorientierten Interpretationen Krauses mag das stimmen, nicht aber in Bezug auf die Wirkweise des FujDark. Krause sieht dafür nämlich das entscheidende Merkmal in den Runennamen, nicht so bei Olsen, der diesen Ausdruck nicht verwendet. Oder sollen die Runennamen etwa mit dem Satz gemeint sein: „Futharken er koncentrationen af samtlige runers magiske kraft [...]" (Olsen 1916, S. 228)? Auch Karl Martin Nielsen (1985) führt bei der Besprechung von Olsens Meinung keine Runennamen an.

158

Krause 1937, S. 7.

Das ältere Fujiark: Überlieferung und Wirkungsmöglichkeiten

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kräfte dann wirksam werden".159 Diese Änderung beruht wohl auf der einfachen Einsicht, daß jeder Rune ein Name zugehört, die Summe derer eben nicht nur eine „magische Kraft" sondern bei 24 Runen „gesammelte Kräfte" wirksam werden läßt. Auf derselben Linie argumentiert, wenn auch etwas spekulativer, Krauses Schüler Sigurd Sierke. Er geht davon aus, daß das Futhark in seiner Gesamtheit eine stehende Formel [vgl. Seims Wiedergabe von Olsen] bildet, die in ihrem Charakter zwischen Begriffsrune und Formelwort steht und deren Wirkung eine schutzverleihende war, ähnlich der von alu [...] Das Futhark ist eine Zusammenstellung aller Begriffsrunen, von denen jede einzelne einen Namens- und Bedeutungskreis innehat.160

Ein greifbarer Unterschied zu Krauses Auffassung ist nicht auszumachen. Zwar fällt bei diesem der Ausdruck Begriffsrune nicht, aber er ist mitzudenken da man von der epigraphischen Einzelrune nur über die Interpretation als Begriffsrune zum Runennamen kommt. Anderseits spricht Krause für das FuJ^ark nicht von Formel, die für ihn sprachlich realisiert ist, vor allem in den Formelwörtern (wohl eine Prägung Krauses) wie laukaR, alu u.a. Wie ein Nachklang der beiden aus den 30er Jahren vorgestellten Auffassungen wirkt die Aussage Karl Schneiders, der die Runennamen in einer ebenso umfangreichen wie wegen phantastischer Deutungen verfehlten Arbeit behandelt hat. 161 Unter der Überschrift „Die magische FuJ)ark-Reihe" formuliert er: Wenn der Einzelrune wegen des mit ihr verbundenen Begriffes magische Kraft zugeschrieben wurde, mußte die Gesamt-Runenreihe eine 24fache magische Gewalt darstellen. Das Fu^ark als vollständige, in sich geschlossene Wertwelt konnte damit zu einer magisch nicht mehr überbietbaren Wunsch-, Schutz- und Segensformel werden.162

Auf der Linie von Krause und Sierke liegt auch Klingenberg, der in erster Linie eine gematrische Interpretation zahlreicher Runeninschrifiten versucht hat. Es heißt bei ihm: Der alphabetische Teil der Kylver-Inschrift läßt sich nur aus einer magischen oder kultischen Absicht des Runenmeisters verstehen: als geschlossene Sammlung aller zum gemeingermfanischen] 24-typigen Schriftsystem gehörigen Be-

159 160 161 162

Krause 1966, S. 10. Sierke 1939, S. 112 f. Vgl. Wolfgang Langes Rezension 1957. Schneider 1956, S. 356.

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griffswerte und der mit ihnen vergegenwärtigten religiösen Kräfte, die durch die zugehörigen Runennamen umschrieben sind. 163

Man bemerke die Verlagerung von der rein magischen Interpretation hin zu einer kultischen und religiösen. Auf den Punkt gebracht, lassen sich diese Ansichten vom Fufiark als r u n e n n a m e n m a g i s c h e Zeichenfolge kennzeichnen. Die hier zugrundeliegende Vorstellung von der magischen Wirkungsweise besagt, daß die den Runennamen zugeschriebenen Kräfte vereinigt und additiv die magische Potenz verstärkend wirksam werden. Allerdings gilt zu beachten: Wie das vonstatten gehen soll, bleibt unklar, „da die Zeichen verschiedene und oft gegensätzliche Bedeutung vertreten",164 vgl. z.B. 77zurse (Riese): v4se; Wonne: Not; (gutes) Jahr: //agel; Sonne: Eis (i-Rune). Müßten sich die gegensätzlichen Begriffe nicht neutralisieren? Soll die magische Kraft einmal mit Abwehr der ungünstigen, ein andermal mit Herbeiwünschen der günstigen Begriffe wirken? Im Zuge der sonst allgemein vernachlässigten Erklärung der in der Schriftgeschichte einmaligen Anordnung der Runenzeichen in der FuJjarkOrdnung der Runenreihe hat Elmar Seebold165 seinen Ausgangspunkt in antiken Alphabeten genommen, die zu magischen Zwecken umgeordnet werden, oft nach dem Prinzip einer Anordnung in Paaren, „wobei ein Buchstabe aus der ersten Hälfte des Alphabets mit einem aus der zweiten Hälfte kombiniert wird".166 In der jüdischen Tradition ist dafür die Bezeichnung Atbasch (nach den beiden ersten Paaren des hebräischen Alphabets: A+T und B+Sch) gebräuchlich.167 Die Runenreihe entspricht nicht einer einfachen AtbaschAnordnung eines südeuropäischen Alphabets. In einem Experiment versucht Seebold, ein Ausgangsalphabet für die Runenreihe zu erschließen, aus dem in komplizierten Verfahren mit Ersetzungen und mit Rücksicht auf spezifisch germanische Buchstaben, aber im Prinzip nach der Atbasch-Ordnung, die Runenpaare FU - THA - RK usw. hervorgegangen sein können. Wenn auch nicht in allen Einzelheiten durchsichtig und begründbar, ist doch diese Rückführung auf ein in der Alphabetgeschichte geläufiges Prinzip immer noch

163

Klingenberg 1973, S. 276. Stephan Opitz, Schüler von Klingenberg, nimmt nicht ausdrücklich zu allen Fubark-Inschriften Stellung, verweist aber zu Kylver auf Klingenbergs Deutung (1977, S. 204 mit Anm. 11, S. 289).

164

Vgl. Düwel 1968 = 1983, S. 111; vgl. Düwel 1992, S. 94 und 1998, S. 275.

165

Seebold 1986; 1993.

166

Seebold 1986, S. 541 f.

167

Vgl. Dornseiff 1925, S. 136 f.

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erwägenswerter als alle bisherigen Versuche, die Ordnung der Runen in der Fufwk-Reihe plausibel zu machen.168 In der Antike gab es eine „Tierkreisbezeichnung durch Buchstabenpaare", denn es „paßte die Zwölfzahl der Tierkreisbilder gut zu den 24 Buchstaben des Alphabets",169 zu 12 Buchstabenpaaren verbunden. Seebold skizziert auch die astrologischen Vorstellungen, die in der Antike diesen 12 Paarverbindungen der Buchstaben zugrundelagen; sie waren den 12 Tierkreiszeichen zugeordnet und erlaubten „mechanische Schlüsse zu astrologischen Zwecken".170 Wie es bei den Germanen ausgesehen hat, weiß man nicht. Wenn es mehr gegeben haben sollte als „die einzige Brücke" der Buchstabenpaargliederung „zwischen der antiken Buchstaben-Mystik und den Runen",171 wäre wohl auch eine astromagische Wirkungsmöglichkeit der Fujjark-Inschriften nicht auszuschließen, wenngleich auch nicht wahrscheinlich;172 denn auf germanischer Seite gibt es - wie schon Seebold gesehen hat - keine nachweisbaren astrologischen Bezüge im System der Runenzeichen, weder in der überlieferten Form, noch in der Rekonstruktion ihrer Grundlagen und VorausSetzungen. 173

In seinem zweiten auf dieser Linie liegenden Beitrag hat Seebold angenommen, die Anordnung der Runen im Fujmrk beruhe auf einer „(vermutlich magisch-mantisch begründeten) Umordnung einer vorauszusetzenden traditionellen Alphabetreihe".174 Allerdings ist mit einer m a g i s c h - m a n t i s c h e n Wirkungsweise der Runenreihe in Fu^ark-Inschriften kaum zu rechnen, da es, wie Seebold selbst festhält, für einen Gebrauch von Runen zur Mantik „ganz streng genommen - kein einziges unanfechtbares Zeugnis" gibt.175 Es sei ausdrücklich bemerkt, daß die hier ausgehobenen Gesichtspunkte nur marginale Bedeutung in Seebolds Argumentation haben; ihm geht es in erster Linie um einen in letzter Zeit176 nicht mehr gewagten Versuch, eine plausible Erklärung für die merkwürdige Ordnung des FuJjark zu finden. Und allein das verdient Beachtung. 168

Vgl. Düwel 1992, S. 96 f.

169

Dornseiff 1925, S. 84.

170

Seebold 1986, S. 548.

171

Seebold 1986, S. 548.

172

Vgl. Düwel 1992, S. 97; 1998, S. 275.

173

Düwel 1997, S. 26.

174

Seebold 1993, S. 421.

175

Seebold 1986, S. 554.

176

Vgl. Arntz 1944, S. 85 ff.

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Eine weitere Modalität der magischen Wirkungsmöglichkeiten von Fu)}ark-Inschriften hat Stephen Flowers in seiner Abhandlung Runes and Magic im Schlußkapitel „Magical Fomulaic Analysis" vorgestellt. 177 Er setzt dazu zum einen voraus, daß alle Inschriften Versuche zu einer Kommunikation irgendwelcher Art darstellen und zum andern, daß die mögliche magisch wirkende (operative) Kraft am besten auf der Ebene linguistischer Formeln interpretierbar ist, von denen Flowers im Verlauf seiner Arbeit vier Haupttypen benannt hat: 1. Die Runenmeister-Formeln, 2. Formelwörter wie alu, laukaR u.a., 3. Runenformeln, a) Fu^ark-Reihen und b) anders gruppierte Buchstabenfolgen, 4. syntaktische Formeln. Diese formelhaften Elemente analysiert Flowers auf vier Ebenen, um ihre operativen Merkmale zu gewinnen: 1. die phonisch/lexikalische (d.h. die grundlegenden linguistischen Einheiten des formelhaften Elementes), Stichwort: Wortschatz, 2. die kompositionelle oder formelhafte (d.h. wie diese Einheiten arrangiert sind), Stichwort: Komposition, 3. der operative Modus (d.h. wie es 'magisch' ist), 4. das operative Motiv (d.h. warum es ausgeführt wurde). 178 Für die Fujwk-Sequenzen stellt er zum Modus fest: Whether or not the graphemes in question are to be understood as logograms, they unquestionably represent the ideas of entirety or completeness, and order. [...] These then act as graphic symbols of wholeness and order itself, that through the same kind of contagion used in the word-formula inscriptions impart this quality to the medium upon which they are carved. Could the fujjark then be a channel for the communication of the idea of a certain order in subjective or objective reality? If this is true, then the futhark (or its abbreviated forms) would qualify for a metaphorical meaning: 'completeness, order' and work on the same modality as the word-formulas.179

177

Flowers 1986, S. 329 ff.

178

Flowers 1986, S. 331. Flowers 1986, S. 348. Wir verstehen diese Aussage folgendermaßen: „Unabhängig davon, ob die Grapheme als Begriffsrunen verstanden werden oder nicht, vertreten sie unzweifelhaft die Vorstellung von Gesamtheit oder Vollständigkeit und Ordnung. [...] Diese futhark-Formeln agieren dann als graphische Symbole von Ganzheit und Ordnung selbst, so daß durch dieselbe Art von Übertragung, die in den Formelwörtern gebraucht wird, die Inschriften diese Eigenschaft an das Medium vermitteln, auf dem sie geritzt sind. Wenn das futhark ein Kommunikationsmedium für die Vorstellung einer bestimmten Ordnung in der subjektiven oder objektiven Realität sein kann, dann würde es (oder seine abgekürzte Formen) für eine metaphorische Bedeutung 'Vollständigkeit, Ordnung' in Frage kommen und in derselben Modalität wie die Formelwörter wirken" (Düwel 1992, S. 97 f.).

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In dieser Deutungsperspektive, die G a n z h e i t , V o l l s t ä n d i g k e i t u n d O r d n u n g repräsentiert,180 erscheint die Runenreihe in den Fu^ark-Inschriften als eine z e i c h e n m a g i s c h wirkende, und zwar unabhängig vom Namen jeder einzelnen Rune, ihrer Anzahl, ihrem Zahlenwert oder ihrer eventuellen astrologischen und mantischen Bedeutung. Diese Zeichen-Magie kann wiederum in ihrem zugrundeliegenden Wirkungsmodus nur sprachlich-metaphorisch erfaßt werden: Runen als magische Zeichen, die allein von ihrer Zusammensetzung und Anordnung her ein wirkendes Konzept von 'Ordnung' und 'Vollständigkeit' darstellen:181 Die Funktion derartiger Inschriften kann in der Abwehr von und dem Schutz vor 'Unordnung' sowie der Bewahrung oder Wiederherstellung von 'Ordnung' in verschiedensten Bereichen (Gesundheit, Liebe, Reise, Totenruhe usw.) vorgestellt werden. 182

Daß dabei auch das grundlegende Funktionsprinzip von Magie, nämlich „die Wiederherstellung von Ordnung",183 einbezogen ist, könnte für diese Auffassung sprechen. Allerdings gibt es dagegen auch zwei Einwände, die ebenso für die zahlenmagische These von Magnus Olsen (s.o. S. 36) zutreffen: 1. Dem Konzept Ordnung' stehen die Varianten do : od und ϊρ : ρϊ entgegen, aber auch die anscheinend auf ί ι φ / fu|jar beliebig folgenden weiteren Runen (Beuchte, Schonen II) oder die verderbten Fu^ark-Folgen auf den Brakteaten von Lindkaer, Overhornbsek II und III, Set Ibs Vej. 2. Gegen 'Vollständigkeit' spricht der unmotivierte Abbruch der Runenreihe bei m (Charnay), das fehlende b (Breza) oder die nicht auf 24 Runen gebrachte Folge von Zeichen auf den Brakteaten von Lindkaer und Overhornbeek II und III, bei denen außerdem noch die 'Ordnung' gestört ist.184 Gleiches müßte im übrigen auch gegen die antiken Alphabetinschriften eingewandt werden, die oft ebenfalls unvollständig sind oder die Buchstaben des Alphabets in durchaus abweichenden Folgen zeigen.185 Offensichtlich geht es hier weniger um die konkrete Realisierung als vielmehr um ein abstraktes Prinzip. Daß Vollständigkeit und Ordnung der Runenschrift 180

Vgl. Düwel 1992, S. 98; 1997, S. 26 ff.; 1998, S. 275. Es sind, genau besehen, mit anderer Bezeichnung die beiden Punkte, die auch Magnus Olsen hervorgehoben hat: die unveränderliche Reihenfolge der Zeichen im FuJjark ('Ordnung') und die feste Anzahl von 24 Punkten darin ('Vollständigkeit').

182

Düwel 1997, S. 27.

183

Schulz 2000.

184

Vgl. insgesamt Seim 1998, S. 195.

185

Vgl. Dornseiff 1925, S. 158 ff. und Dieterich 1901.

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nämlich prinzipiell zugrunde liegen, ja geradezu zu deren unverzichtbaren Charakteristika gehören, ist aus dem System der Geheimrunen ersichtlich. Dieses kann nur funktionieren, wenn sowohl die Anzahl der Runen als auch deren Reihenfolge genau festgelegt ist.186 Eine weitere Möglichkeit, die Verwendung von FuJ)ark-Inschriften zu verstehen, wurde oben bereits im Zusammenhang mit den Goldbrakteaten erwogen. Die enge Verschränkung von Bild und Text, die in jüngster Zeit verstärkt in den Mittelpunkt der Brakteatenforschung geraten ist,187 erlaubt es, die Runeninschriften auf Brakteaten als den Machttaten des Brakteatengottes äquivalente Machtworte zu verstehen. Sie sind sowohl als semantisch verstehbare Wörter (alu, lapu, laukaR, salu etc.) realisiert - wobei neben dem ausgeschriebenen Wort auch unterschiedliche Kürzungsformen und Buchstabenumstellungen begegnen - als auch in Form von unverständlichen Zeichenfolgen. Diese lassen sich gleichwohl als absichtsvoll eingesetztes Medium der Kommunikation verstehen, bei der durch bestimmte arkanisierende Operationen das göttliche Wort dem Zugriff dämonischer Mächte entzogen werden soll.188 Im Kontext einer dem Götterfursten Odin zugeschriebenen Kommunikationsform tritt auf Brakteaten auch die Fu^ark-Reihe (als ganze und in Verkürzung) auf, die mehrfach unmittelbar an die Stelle (Extremitäten des Pferdes), wo die zauberische Kur wirken sollte (Nr. 5, 13, 14), gesetzt wurde oder in direkte Nähe zum göttlichen Haupt (Nr. 6). Vergleichbar mit der durch die Winzigkeit des zur Verfügung stehenden Raumes (ein Durchmesser von 20-30mm) erzwungenen Kürzungs- und Chiffrentechnik der Bildersprache ließe sich das FuJ^ark als Chiffre für den potenzierten Einsatz der in der Runenreihe zusammengezwungenen wirkungsmächtigen Heil(s)-Worte des Götterfürsten verstehen. Auf die Ebene menschlicher Zauberhandlungen übertragen, bedeutete dies: anstelle einer Vielzahl unterschiedlicher Zauberworte und -Sprüche tritt die Runenreihe, die gleichsam alle Materialisationsmöglichkeiten des Wortzaubers in unüberbietbarer Vollständigkeit in sich birgt. Die Variante, daß sich der Empfänger (Adressat) einer solchen Botschaft deren Sinn selbst zurechtlegen soll, dokumentiert Dornseiff mit einem Ausspruch, der in Johann Michael Moscheroschs Wunderliche und wahrhafftige Gesichte Philanders von Sittewalt,ls9 dem Kroaten Gschwebbt in den Mund gelegt wird:

186

Vgl. Grenvik 2001, S. 52 ff.

187

Beck/Hauck 2002; Hauck/Heizmann 2003.

188

Dazu Düwel 1988, S. 101 ff.

189

Straßburg 1642 u . ö , hier 1665/1666, Teil 2, S. 672.

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Wenn ich Morgens aufstehe, [...] so spreche ich ein gantz Abc, darin sind alle Gebett begriffen, unser Herr Gott mag sich danach die Buchstaben selbst zusammenlesen und Gebette drauss machen wie er will. Ich könts so wol nicht, er kann es besser.190

VI. Zusammenfassung Einer Deutung der Fu]3ark-Inschriften stellt sich als großes Hindernis die Schwierigkeit entgegen, daß es keine semantisch-grammatische Kontrollmöglichkeit gibt. Ihre Funktion kann daher nur aus dem Kontext erschlossen werden. Dieser Weg wurde hier beschritten. Nach einer genauen Durchsicht aller Belege und unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Kontexte, einschließlich der Prüfung methodischer Grundlagen und Voraussetzungen, spricht nach unserer Auffassung entschieden mehr fur die magische Deutung der verschiedenen Fujwk-Inschriften. Diese Fu^ark-Inschriften befinden sich nicht in einem luftleeren Raum, sondern sind in ein Schreib- und Handlungsritual eingebettet, das sich im Detail zwar nicht mehr rekonstruieren läßt, auf dessen Existenz jedoch sowohl aus grundsätzlichen religionswissenschaftlichen Überlegungen heraus als auch aufgrund verschiedener schriftlicher Überlieferungen mit großer Sicherheit geschlossen werden darf. Wie die daraus resultierenden Wirkungsmöglichkeiten vorzustellen sind, wurde in einem Forschungsüberblick erörtert, wobei unserer Auffassung nach die beiden zuletzt genannten Modelle, die sich nicht auszuschließen brauchen, den Vorzug verdienen.

Nachtrag: Eine weitere Fujiark-Inschrift bietet wahrscheinlich die Querverstrebung des Holzstuhls aus dem Männergrab Nr. 58 aus Trossingen; dazu demnächst Barbara Theune-Großkopf und Robert Nedoma in: Die Sprache 46 (2006).

190

Dornseiff 1925, S. 78; vgl. Düwel 1992, S. 94; 1998a, S. 275.

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Abbildungsverzeichnis Abb.

la

Abb.

lb

Abb. 2 Abb. 3a Abb. 3b Abb. 4a Abb. 4b Abb. 5 Abb. 6 Abb. 7 Abb. 8 Abb. 9 Abb. 10 Abb. 11 Abb. 12 Abb. 13 Abb.14 Abb. 15

Bügelfibel von Aquincum, Photographie (Sammlung des Skandinavischen Seminars, Göttingen) Bügelfibel von Aquincum, Zeichnung der Inschrift (Krause 1962, S. 440) Bügelfibel von Beuchte (Busch 2000, S. 229) Kalksteinsäulenfragment von Breza, Abguß (Arntz/Zeiss 1939, Taf. VII) Kalksteinsäulenfragment von Breza, Zeichnung der Inschrift (Looijenga 2003, S. 233) Bügelfibel von Charnay, Zeichnung (Stephens 1884, S. 97) Bügelfibel von Charnay, Detailphotographie (Sammlung des Skandinavischen Seminars, Göttingen) Brakteat IK 260 Grumpan-C, Zeichnung (IK II) Brakteat IK 392 Gudme II-C, Zeichnung (IK III) Bügelfibel von Herbrechtingen, Photographie (Arntz/Zeiss 1939, Taf. XVIII) Brakteat IK 101 Kongsvad Ä-A, Zeichnung (IK I) Kalksteinplatte von Kylver, Photographie (G: PI. 15) Brakteat IK 110 Lindkasr-C, Zeichnung (IK I) Brakteat IK 312,1 Overhornba;k(II)-A, Zeichnung (IK II) Brakteat IK 140 Overhornbffik(III)-C, Zeichnung (IK I) Brakteat IK 153 Schonen(II)-C, Zeichnung (IK I) Brakteat IK 585 Set Ibs Vej-C, Zeichnung (Hauck/Heizmann 2003, Taf. 1) Brakteat IK 377,1 Raum Vadstena-C, Zeichnung (IK II)

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Klaus Düwel & Wilhelm Heizmann

Abbildungen

Abb. la: Bügelfibel von Aquincum, Photographie

Abb lb: Zeichnung der Inschrift

Abb. 2: Bügelfibel von Beuchte

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Abb 3a: Kalksteinsäulenfragment von Breza, Abguß

Abb 3b: Zeichnung der Inschrift von Breza

Abb 4b: Detailphotographie

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Das ältere FuJjark: Überlieferung und Wirkungsmöglichkeiten

Abb. 9: Kalksteinplatte von Kylver, Photographie

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A b b . 11: Brakteat IK 312,1 Overhornb£ek(II)-A

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Abb. 13: BrakteatIK 153 Schonen(II)-C

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Abb. 15: Brakteat IK 377,1 Raum Vadstena-C

Das fupark - RGA-E-Band 51 - Seiten 61-79 © 2006 Walter de Gruyter · Berlin · New York

Das fupark und Probleme der Verschriftung/Verschriftlichung VON HEINRICH BECK

Vorbemerkung Verschriftung und Verschriftlichung sind Termini, die in der jüngeren Diskussion über Probleme der Mündlichkeit und Schriftlichkeit festeren Inhalt gewonnen haben. Nachdem Wulf Oesterreicher bereits 1993 (im Rahmen des Freiburger Sonderforschungsbereiches 321 „Übergänge und Spannungsfelder zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit") für eine terminologische Präzisierung beider Lexeme eingetreten war,1 folgte 1998 eine Publikation dieses Sonderforschungsbereiches, die „Verschriftung und Verschriftlichung" als Aspekte des Medienwandels in verschiedenen Kulturen und Epochen thematisierte.2 Der mit der Schaffung des Futhark gegebene Medienwechsel kam hier nicht zur Sprache. Die dort diskutierten Probleme stellen sich aber auch für diese frühe runische Abzweigung von der griechisch/lateinischen Alphabettradition in vergleichbarer Weise. W. Oesterreicher stellt der Verschriftung eines Diskurses (einer Sprache) als medial zu verstehendem Prozeß gegenüber die Verschriftlichung eines Diskurses (einer Sprache) als konzeptionell fundiertem Vorgang. Geht es im ersten Fall um die Frage, wie Lautliches ins Graphische umgesetzt wird, die Phonie-Graphie-Korrespondenz geregelt wird, so geht es im zweiten Fall um die mit dem Schriftgebrauch verbundenen neuen Kommunikationsbedingungen und Kommunikationsformen, um das konzeptionelle Profil des kulturellen Diskurses generell. Im folgenden sei versucht, die Inschriften im älteren Futhark unter diesen beiden Begriffen kurz zu diskutieren.

Oesterreicher 1993. 2

Als englische Entsprechungen für Verschriftung und Verschriftlichung wurden vorgeschlagen scripting und textualization, Ehler/Schäfer 1998, S. 4.

Heinrich Beck

62

Das Verschriftungsproblem Unter den nicht wenigen Problemen dieses Begriffsbereiches steht eines an vorderster Stelle: die Frage nach der Korrespondenz von Laut und Zeichen, d.h. der Übereinstimmung des rekonstruierten Phonemsystems und des belegten runischen Graphemsystems. R. Derolez fuhrt in diesem Zusammenhang in einer kürzlichen Akademieabhandlung zwei Argumente an: - die frühen Runeninschriften offenbaren „a near-perfect agreement between the runes of the futhark and the phonemes of Germanic as reconstructed for the beginning of the period under consideration".3 Diese Annahme eines weitgehenden phonemic fit rechnet Derolez zu den einigermaßen gesicherten und weitgehend akzeptierten Erkenntnissen der heutigen Runenforschung. - der Schöpfer des Futhark verfugte über eine „pre-scientific perception of the phonemic structure of his language" und er hatte gleichzeitig Kenntnis eines model alphabet, um auf dieser Basis eine Verschriftung zu bewerkstelligen. Insbesondere die Alliterationsregeln hätten eine Vorstellung von Minimalpaaren, d.h. bedeutungsunterscheidenden Lauteinheiten, ermöglicht. Damit ist ein prinzipielles Problem angesprochen: die phonemische Fundierung eines sprachlichen Zeichensystems. Offenbar geht Derolez davon aus, dass das Futhark als ein sprachliches Zeichensystem in hohem Grade phonemorientiert war. Die Einschränkung, die in den Worten eines near-petfect agreement zum Ausdruck kommt, berührt für ihn nicht die Phonemrepräsentanz der Zeichen grundsätzlich, sondern einen Prozess, der sich unter Zuhilfenahme des Inventars eines klassischen Alphabets schrittweise in die Richtung einer l:l-Abbildung bewegte. Das „Defizit" gibt für Derolez aufschlußreiche Hinweise auf die Entstehungsgeschichte des Futhark insofern, als es „the inventor's powers of perception of linguistic features" belegt.4 Schaut man auf die Forschungssituation, sowohl historisch wie gegenwärtig, so markiert natürlich die Phonemdiskussion, die mit der Prager Schule und dem amerikanischen Strukturalismus aufkam, einen Wendepunkt. Aus neuester Zeit ist E. Antonsen zu zitieren, der als the essential question formuliert, „how the orthography fits the phonology".5 Antonsen darf denn auch als beredtester und bedeutendster Vertreter einer Theorie gelten, die für ein konsequentes phonemisch-graphemisches Futhark seit 3

Derolez 1998, S. 6. Vgl. auch Barnes 1994, S. 21.

4

Derolez 1998, S. 31.

5

Antonsen 2003, S. 13f. Zur Diskussion vgl. auch Kohrt 1986, S. 85 ff.

Das fupark und Probleme der Verschriftung/Vcrschriftlichung

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seiner ersten Schöpfung steht.6 Zwei Begriffe sind für Antonsen hier wichtig, um möglichen Einwänden gegen eine solche Annahme zu begegnen: - das reverse spelling. Gemeint ist damit das Aufgreifen einer archaischen Notation, um einen phonemisch bereits überholten Sprachstand zu fixieren. So repräsentiert die Schreibung talgidai, Novling, ca. 200, einen monophthongischen Auslaut - druckschwaches /ai/ wurde zu /as/ und zu nordwestgermanisch /e/, notiert aber mit dem archaischen /ai/-Graphem den neuentstandenen druckschwachen Auslautmonophthong. Für Antonsen ist dies ein Indiz dafür, dass die Schöpfung des Futhark zu einer Zeit geschah, da dieser Auslaut noch diphthongische Qualität hatte; 7 - das system balance. Fälle, die phonologisch keine Erklärung finden, können doch durch die Annahme eines analogischen Ausgleichs, einer Reorganisation des phonologischen Systems, verstehbar werden. So zeigt etwa horna (Horn von Gallehus, ca. 400) noch den induzierenden Umlautfaktor und dürfte deswegen nach strenger Regel keine Umlautbezeichnung nötig machen. Ebenso sollte holtijaz (gleichfalls Horn von Gallehus) vor Iii keinen umgelauteten Wurzelvokal aufweisen. In beiden Fällen rechnet Antonsen mit einer Phonemisierung durch ein Neuarrangement des phonologischen Systems. 8 Im späten Proto-Germanischen, so argumentiert Antonsen, habe das durch α-Umlaut entstandene [o]-Allophon keine Entsprechung im Langvokalsystem gehabt. Erst mit der nordwestgermanischen Entwicklung habe das neu entstandene mid vowel-Phonem löl eine solche Entsprechung geboten und so zu einem tenuous phonemic status für das kurze [ο] gefuhrt. Mit anderen Worten gesagt: die Phonemisierung von Allophonen setzt nicht in allen Fällen die Reduktion oder das Verschwinden der konditionierenden Umlautfaktoren voraus. Archaische Schreibung und Systembalance können die Reichweite der phonemorientierten Graphie beeinflussen. Die ausführliche Darlegung der Antonsenschen Argumentation sei als Achtung vor einer Position verstanden, die sich durch ihre Stimmigkeit und innere Konsequenz auszeichnet. Ihre Bedeutung kann sie nicht zuletzt in

6

Auch Spurkland 2001, S. 17 hat sich jüngst dazu bekannt: Hver lyd i spräket blir markert med bare ett tegn, og hvert tegn betegner bare in lyd. Nur die Ing- und Eibenrune scheinen sich fur ihn nicht dem 1:1-Prinzip zu fugen.

7

Antonsen 1975, S. 5.

8

Antonsen arbeitet dabei mit artikulatorischen Merkmalsmatritzen: Antonsen 1975, S. 3 ff.; 2003, S. 13 ff.

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der phonemischen Interpretation früher Schriftzeugnisse in alphabetischer Schrifttradition demonstrieren.9 Wenn hier eine Alternative erwogen wird, dann einmal deswegen, weil die „Konsequenz" eines absolut phonemisch orientierten Zugriffs die Runen-Schöpfung in sehr frühe Zeiten verlegt. Zum anderen lehrt die Schriftforschung doch auch, dass die Graphie-/Phoniebeziehungen so komplizierter Art sein können, dass die Reduktion auf den phonemischen Charakter auch Fragen offen läßt. Antonsen verweist z.B. auf eine vorbildliche Arbeit von D. Gary Miller in der bereits in der Einleitung zu lesen ist: writing systems are attempts at representing different, 'competing' aspects of language (more specifically, language knowledge), some phonetic (noncontrastive), some phonemic (contrast and opposition), some lexical/morphological (root or affix unity), some morphophonemic (in the broad sense). Such competing goals are apt to yield discrepancies and irregularities in graphic conventions. 10

Die Schriftgeschichte spricht also nicht nur von Schriften als autonomen Systemen, sie legt auch nahe, dass diese konkurrierende Aspekte einer Sprachabbildung vereinen können. Neben dem Oppositionsprinzip (das Derolez mit den Minimalpaaren anspricht) wirkt u. a. auch das phonetische Prinzip, das seiner Natur nach nicht auf Opposition aufbaut. Anlass zur Diskussion gibt in jüngster Diskussion die schriftgeschichtliche Behandlung des Allophonie-Phänomens. Hier ist die Kontroverse deutlich. Antonsen erklärt, die Allophonie-Varianten seien dem native speaker unbewußt und bedeutungslos und nie und nimmer Anlaß zu graphischer Fixierung.11 Andere rechnen mit Allophonen und ihrer graphischen Fixierung.12 Bereits vor 100 Jahren erörterte Sophus Bugge das Problem der sog. Eibenrune unter phonologischen Gesichtspunkten, ohne natürlich diesen Terminus zu kennen. Er meinte, das Nebeneinander der Runennamen *Jha (oder *ihs) und *Ts deute im ersteren Falle auf eine Aussprache, die einen Zwischenlaut zwischen i und e repräsentiere, d.h. ein geschlossenes e, das von dem offenen e in *ehwa- 'Pferd' nicht nur quantitativ abwich. Als sprachgeschichtliche Belege führte Bugge die Öffnung des kurzen i und u vor h im Gotischen und den Übergang des langen ϊ > e vor h im Nordischen an. Bugge, der mit einem gotischen Ursprung der Runenschrift rechnete, fand in der Folgezeit kaum Beachtung. Erst 1981 referierte Ottar Ein jüngster Beitrag gilt diesem Thema: Antonsen 2003 (vornehmlich zum älteren Deutschen). Vgl. auch Antonsen 2002, S. 329 (zum Altenglischen). 10

Antonsen 2002, S. 15. Miller 1994, S. XIV.

11

Antonsen 2002, S. 100.

12

Vgl. Penzl 1975, S. 58 f.

Das fupark und Probleme der Verschriftung/Verschriftlichung

65

Granvik in der Diskussion um den phonemisch/phonetischen Wert der 13. Rune wieder Bugges These. Nachdem er die alten Eibenrunen-Thesen abgewiesen hatte, fährt er fort: Det ligger naermere a anta at den opprinnelig betegnet den palatale spirant [5], som mä ha vasrt et allofon innenfor det klassisk urnordiske system.13 Der alte Spirant /h/ habe sich früh in zwei oder drei Allophone gespalten: [h], [x], [9] - e t w a i n u r n o r d . horna,

hlewa;

üha, dohtrix;

*wlha,

*llhta-.

Der Zustand des Altenglischen, wonach die Eibenrune den Lautwert [i] zeige (aber mit gewissen Restriktionen vor -h gebraucht), sei Zufall. Im ursprünglichen Futhark, das im 2. Jahrhundert oder vielleicht etwas früher geschaffen wurde, dürfe mit dem Lautwert [9] für die Eibenrune gerechnet werden. In gleicher Richtung argumentiert auch Seebold. 14 Die zwischen Bugge und Granvik gelegene Forschung aufzuzeigen, ist unnötig. Sie ist bei Granvik eingehend referiert. 15 Erik Moltke übernahm Granviks Allophonthese mit voller Zustimmung. 16 Die jüngste allgemeine Darstellung von Klaus Düwel 17 ist nicht eindeutig - sie stellt einerseits fest, daß der Lautwert der Eibenrune umstritten sei, erklärt aber andererseits, daß der Eibenname für den alten langen Monophthong ϊ stünde und damit zur Repräsentanz zweier „ursprünglich qualitativ" verschiedener /"-Laute beigetragen habe. Die alte Ranke/ KrauseThese von der Spiegelung der e l /e 2 Opposition im Runensystem muß aber heute wohl aufgeben werden. Dem Forschungsstand und der runischen Beleglage scheint am ehesten gerecht zu werden, wenn der von Bugge und Granvik eingeschlagene Weg weiterverfolgt wird. Dabei kann vorausgeschickt werden: - Unter Verschrifitungsgesichtspunkten gibt es kontroverse Auffassungen darüber, ob auch allophonische Varianten im runischen System anzunehmen sind. - Bugges Voraussetzung, daß die Runenschrift eine gotische Schöpfung darstellt, wird heute nicht mehr allgemein geteilt. In sprachhistorischer Sicht ist festzustellen, daß das Problem der vokalischen Umfärbung vor Konsonanten in früher Zeit forschungsmäßig wenig Beachtung gefunden hat. Bugge stellte jedenfalls bereits eine Verbindung 13

Granvik 1981, S. 31.

14

Seebold 1991, S. 28.

15

Granvik 1981, S. 29 ff.

16

Moltke 1985, S. 64.

17

Düwel 2001, S. 6.

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her zwischen der sog. gotischen Brechung und der nordischen Umfärbung von F > e vor h. Der Vorgang dürfte ein gewisses Alter beanspruchen - und bereits für die Zeit der Runenschöpfung Geltung gehabt haben. Für das Urnordische wurde die Entwicklung weiter geklärt und als Regel so formuliert: Vor h wurde langes und kurzes i zu e, u zu o, ai zu ά, au zu ό, das h verstummte. Spätestens mit diesem Verstummen mußte eine Phonemisierung der allophonischen Varianten und ein Zusammenfall mit dem /e/Phonem eintreten. Beispiele dafür sind: anord. ve < *wiha- (vgl. got. weihs), aschwed. *tea < tlhan (vgl. got teihan ), aisl. lea < llhwan (vgl. got.

leihwan). Auch das runische dohtriz (Tune - zu germ. *duhterez) ist möglicherweise als allophonische Notation zu erklären.18 Im Blick auf die runischen Fragen ist festzuhalten, daß die Umfärbung des langen Iii nur für das Nordische zu belegen ist. Der Name der Eibenrune (ae. eoh, Ih) ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert - sprachgeschichtlich führt Ingrid Sanness Johnsen das Lexem 'Eibe' auf eine vom grammatischen Wechsel bestimmte Form *ihwaR/ *lgwaR zurück,19 doch bleiben dabei weitere Fragen offen. 20 Die Bezeichnung der Eibe, die im Runennamen zugrundeliegt (ae. eoh, Cod. Salzburgensis z/z, aisl. yr) ist etymologisch nicht eindeutig. Aisl. yr hat eine wUmlautung erfahren und dürfte ein germ. *Iwa- voraussetzen. Daneben sind Formen mit einem /co-Formativ bezeugt (ae. eohAh).21 Es besteht kein Zweifel, daß die Eibenrune funktionslos wurde - als ursprüngliche Notation eines Allophons ist dies nicht erstaunlich. Das gilt auch für die Beobachtung, daß gewisse Unsicherheiten im Gebrauch dieser Rune zu beobachten sind. Es bleiben aber doch einige Belege diagnostischen Wertes übrig: - Auf dem Kontinent ist der Brakteat von Nebenstedt I zu nennen. Die Inschrift lautet transliteriert gliaugizu Jurnzl - übersetzt 'Ich, der Glanzäugige, weihe die Runen. Lauch'.22 Beide Male erscheint die Eibenrune in Positionen, in denen man einen Folgelaut h erwarten könnte. Wurde die Folge /Th/ allophonisch als [eh] realisiert? - Auf dem Kreuz von Ruthwell ist almeJttig bezeugt.23 Die übliche ae. Schreibung des Simplex lautet mihtig. Die runische Schreibung realisiert Krause 1971, S. 70 hatte hier ein analoges /o/ vermutet. 19

Sanness Johnsen 1974, S. 37.

20

Vgl. Kluge-Seebold 1989, s.v. Eibe; Magnusson 1989, s.v. yr (1).

21

Pokorny 1959, S. 297; Magnusson 1989, S. 1167.

22

Düwel 2001, S. 47 f.

23

Page 1973, S. 150 f.

Das fupark und Probleme der Verschriflung/Verschriftlichung

67

die allophonische Variante des Iii. Offensichtlich liegt der folgenden Rune der 2. Teil des Runennamens ih, eoh zugrunde.24 - Die möglicherweise älteste Runeninschrift Englands, die Inschrift raihan (Astragalus aus Caistor-By-Norwich, Norfolk, 4./frühes 5. Jahrhundert)25 hat durch Ingrid Sanness Johnsen eine eingehende Behandlung erfahren.26 Sie interpretiert die Inschrift als obliquen Kasus eines Nomens, das im Westgerm, in den Wechselformen *raiha- n.l* raihan- m. bezeugt ist (nordgerm. aber *raihö- f.), und vermutet darin ein Namenelement (der Bedeutung nhd. Reh). Die Autorin schreibt Selv om runene -Γ ϊ og I i fra ferst av har vaert tegn for to fonemer, var i "historisk" runetid disse fonemer falt samraen. De to tegn ble brukt som grafiske varianter, til den mer kompliserte formen J" ble droppet til fordel for det enklere I. Bare i det angelsaksiske runealfabet i England fortsatte tegnet i levende bruk. Dels ble her J" fremdeles brukt med lydverdi i, dels ble runen anvendt for ä betegne den velare spirant som var det annet element i runenavnet, slik det er belagt i angelsaksisk Ih eoh.27 Die Autorin rechnet also mit ursprünglich 2 getrennten Phonemen, wobei sie der Eibenrune einen /-Gehalt (ausgehend von den ae. Beispielen) zurechnet. Während diese Eibenrune (~Γ) etymologisch immer einen Monophthong vertrat, setze die Eisrune (I) einen Diphthong voraus. Diese ursprüngliche Phonemdifferenz sei dann (durch einen Zusammenfall beider Phoneme) ausgeglichen worden und in runisch belegter Zeit nur noch in graphischer Variation greifbar. Die zugrundeliegende Etymologie ist in hohem Maße umstritten. Als Alternative böte sich die Möglichkeit an, die Phonemtheorie durch eine Allophontheorie zu präzisieren. Nicht zwei Phoneme wären demnach vorauszusetzen, sondern ein Phonem /!/ (mit dem Runennamen *isa < *eisa-) neben einer graphisch fixierten allophonischen Variante [e] in kombinatorischer Stellung, d.h. vor [h], [x], [9]. Letztere Position wurde durch die Eibenrune vertreten. O. Granviks Beitrag zu dieser Schlußfolgerung sei nochmals betont. Er bringt den Allophonbegriff wieder in die Diskussion. Die hier vertretene Ansicht weicht von der seinen nur geringfügig ab: Während er glaubt, daß der Eibenrune ursprünglich der allophonische Lautwert [9] zukam und der Sanness Johnsen 1974, S. 40. 25

Düwel 2001, S. 71. Zur Lesung vgl. auch Page 1973, S. 183; Grenvik 1981, S. 31; Bammesberger 1991, S. 402 f.; Miller 1994, S. 70.

26

Sanness Johnsen 1974.

27

Sanness Johnsen 1974, S. 40.

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[i]-Wert sekundär und zufällig sei, wird hier eine allophonischen Variante, bedingt durch den Folgekonsonanten h, zur Diskussion gestellt. Der Runenname iha- fiele damit auch nicht aus der Regel der akrophonischbestimmten, d.h. nach dem Anlaut gewählten Runennamen (wenn diese Regel natürlich auch Abweichungen zuließ). Aus dem Bereich der Verschriftungsprobleme erwachsen auch die beachtenswertesten Versuche, den Ursprung der Runenschrift zu datieren. Die sprachgeschichtlichen Argumente dürfen hier zweifellos eine prominente Rolle beanspruchen. Die in der germanistischen Linguistik üblichen relativen Datierungen sind freilich leicht dazu angetan, die damit implizit gegebenen absoluten Datierungen zu übersehen oder zu unterschätzen. Wenn von „Protogermanisch" die Rede ist (und dieser Terminus als Bezeichnung der „Grundsprache", „Ursprache" verstanden werden darf; d. h. einem allein auf Rekonstruktion beruhenden parent stage of a family of languages),28 dann geraten wir tief in das letzte vorchristliche Jahrtausend. Wenn der Eibenrune andererseits ein graphisch realisierter Allophon-Status zugestanden wird, wäre dies ein Indiz für eine Datierung der Runenschöpfung, die nahe an die ersten belegten Runendenkmäler heranreichte - möglicherweise ein früher Hinweis auf einen bereits beginnenden nordischen Sonderweg. Das Verschriftlichungsproblem Warum zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte des Germanischen neben die mündliche Diskurstradition auch die des schriftlichen Mediums trat, ist eine kaum zu beantwortende Frage - sie wäre auch sofort mit der Bemerkung einzuschränken, daß dies keine völlige Ablösung bestimmter mündlicher Diskursstrategien bedeuten konnte. Aber selbst wenn nur eine sehr eingeschränkte Korrespondenz zwischen mündlichem und schriftlichem Diskurs unterstellt wird, bleibt die Frage offen: Welche Diskurse öffneten sich dem neuen Medium? War die Schrift ein „demokratisches" Instrument, das allen und für alles zur Verfügung stand - oder war es eine elitäre Kunst, die nur wenige Kenner zu bestimmten Diskursen übten? Aus dem sich hier eröffnenden weiten Feld seien nur an die frühen Inschriften auf Speerspitzen und die Runenbrakteaten einige Überlegungen angeknüpft.

28

Antonsen 2002, S. 31.

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Inschriften auf Lanzen- und Speerspitzen Inschriften dieses Typs gehören zu den ältesten Runenbelegen überhaupt. Dazu zählen: - das Lanzenblatt von Kowel mit der Inschrift tilarids 'Zielreiter' (vgl. das Odins-heiti anord. atriör 'Anreiter'), - die Lanzenspitze von Dahmsdorf mit der Inschrift ran ja 'Anrenner', - die Lanzenspitze von 0vre Stabu mit der Inschrift raunijaz 'Erprober' (vgl. das heiti anord. reynir 'Erprober'). W. Krause sprach bei diesen Nomina agentis von „Vorstufen der skaldischen Kenningar"29 - und zahlreiche Arbeiten sind ihm mit der Feststellung gefolgt, daß sich in dieser hochstilisierten Sprache Anklänge an die spätere skaldische Dichtersprache fänden. Grundsätzlich sind diese Arbeiten über Krauses Argumentation nicht hinausgekommen - und doch lohnt es sich immer noch, wenigstens einige grundsätzliche Klärungen zu versuchen. Da ist zunächst die Begrifflichkeit von heiti und kenningar zu beachten. Das heiti ist eine eingliedrige Stilfigur (im Gegensatz zur zwei- und mehrgliedrigen kenning), die stilistisch-semantisch vom alltäglichen Wortschatz abweicht, indem sie poetisches Wortgut verwendet (gumi, gunnr etc.), altertümlichen Wortschatz benützt {frön, jQfurr etc.) oder auf Lehngut zurückgreift (diar etc.).30 Die kenning läßt sich einerseits als eine weitverbreitete Stilfigur beschreiben, in der Grundwort und Bestimmung in direktem Bezug stehen, andererseits als eine skaldische Sondererscheinung, die diesen Grundwort-Bestimmungsbezug verhüllt. Zum ersteren Fall zählen die vielen (auch in anderen Sprachen belegten) Kenningar, in denen das Bestimmungswort eine Funktion des Grundwortes ausdrückt (Odins burr = Odins Sohn = Thor). Im letzteren, verhüllenden Fall kennzeichnet der Dichter das Gemeinte durch ein Bestimmungswort, das eine ablenkende Funktion hat: Die Kenning für Silber sjoös snaer ( = 'Schnee des Tiegels') ist in dem Sinne zu verstehen, daß Silber zwar nicht Schnee ist, in Beziehung auf den Schmelztiegel aber eine vergleichbare Funktion hat. Die Ablenkung bewirkt das Bestimmungswort: der „Schmelztiegel" lenkt auf eine Metaphorik, die „Schnee" und „Silber" in eine eigene Beziehung bringt. Heusler bemerkt zu diesen „eigentlichen Kenningar", daß bei ihnen ein ganz anderer Denkvorgang als bei den heiti vorauszusetzen sei.31 Das für diese kenningar typische kenna eitthvat til einhvers (das Charakterisieren 29

Krause 1936, S. 587. Vgl. weiter Krause 1966, S. 74 ff.; Düwel 1981, S. 141 ff.

30

Halldor Halldorsson 1975.

31

Heusler 1969, S. 296.

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im Blick auf ein anderes) schafft einen ganz eigenen Kenningtyp. Wenn Krause bei den heiti von Vorstufen der Kenningar spricht, dann trifft das allenfalls für die Kenningar der erstgenannten Art zu, die man auch als zweigliedrige heiti bezeichnen könnte. Unter solchen Voraussetzungen lassen sich die frühen heiti- und kenning-Belege im Runencorpus näher beurteilen. Die genannten Inschriften tilarids, ranja, raunijaz erlauben einen Vergleich mit den skaldischen heiti. Als Nomina agentis sind sie vermutlich einem nicht alltäglichen, poetischen Wortschatz zuzuweisen. Ihre Eigenart wird deutlich, wenn das von Tacitus u.a. bezeugte framea 'Stoß- und Wurfwaffe' als etwa zeitnaher Beleg an die Seite gestellt wird.32 Seit W. Krauses framea-Beitrag in der HirtFestschrift von 1936 ist die (bereits von Müllenhoff vorgeschlagene) Deutung des Wortes als lateinische Wiedergabe eines germ. *framja (urgerm. *framjö) weitgehend akzeptiert worden.33 Auch hier wird also ein Nomen agentis vorausgesetzt: eine yo-Ableitung zu germ. *frama- vorwärtsdringend (alternativ ist auch ein maskuliner jan-Stamm zu erwägen). Bemerkenswert ist hier aber, „daß es Bezeichnung einer ganzen Waffengattung ist".34 Gattungsbezeichnungen/Gattungsnamen unterscheiden sich aber durchaus von den Appellativa vom Typ der skaldischen heiti, ein Unterschied, der doch beachtenswert ist. Zwei Folgerungen liegen nahe: sprachlich-stilistisch weisen diese runischen Waffenbezeichnungen einerseits auf eine bereits elaborierte Dichtersprache, andererseits auf eine Praxis, die schon eine Provenienz andeutet, die in der späteren Skaldik charakteristische Ausprägung fand. Die Brakteateninschriften Die Brakteatenproduktion beginnt um die Mitte des 5. Jahrhunderts und reicht bis in das 2. Drittel des 6. Jahrhunderts. Bekannt sind heute über 900 Exemplare (nach etwa 600 Modeln).35 Düwel zählt 158 Exemplare mit Runeninschriften (nach 108 Modeln).36 Die runischen Brakteateninschriften stellen damit innerhalb der älteren Futhark-Überlieferung das umfangreichste Textcorpus dar.

32

Meineke 1995, S. 366-368.

33

Krause 1936, S. 585-589.

34

Krause 1936, S. 589.

35

Vgl. dazu auch M. Axboes jüngst erschienene grundlegende Untersuchung (2004).

36

Düwel 2001, S. 46.

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Verschriftlichung erhält im Blick auf dieses Textcorpus eine ganz eigene Bedeutung. Es ist keine heimisch-mediale Vorstufe anzunehmen, keine Umsetzung eines mündlichen Diskurses in einen schriftlichen. Es handelt sich vielmehr um eine Rezeption, einen kulturellen Transfer aus der südlichen Hochkultur in eine nördliche Randkultur. Die zweiseitig geprägten römischen Goldmedaillons des 4. Jahrhunderts sind zweifellos die Vorbilder der Brakteaten des Nordens. Dabei liegt es nahe, auch nach den ideellen Grundlagen dieses Transfers zu fragen. Die Interpretation der Runeninschriften auf Brakteaten war lange Zeit eine rein philologische Angelegenheit. W. Krause u.a. schenkten dem Medium Bild kaum Aufmerksamkeit, so wie auch die ikonographische Deutung, soweit sie überhaupt aufgegriffen wurde, die schriftliche Botschaft ignorierte. Befördert wurde diese isolierende Betrachtung auch durch eine unzureichende Quellenedition. So konnte E. Moltke von nur drei deutbaren Brakteateninschriften sprechen (Seeland, Skodborg und Tjurkö) und die Forschung charakterisieren als „clamjamphrie of bracteate interpretations that philologists have produced from Sophus Bugge onwards".37 In der Zwischenzeit liegt nicht nur eine neue Quellenpublikation vor,38 die auch neue Voraussetzungen für runologische Untersuchungen bietet, auch die methodische Erkenntnis ist inzwischen gewachsen, daß nur eine altertumskundliche Forschung, die den Zusammenhang von Bild und Schrift zur Geltung bringt, als quellengerecht zu gelten vermag. Es geht hier nicht um Einzelinterpretationen innerhalb dieses Textcorpus. Festgehalten seien nur einige Grundsätze, die sich anhand der jüngsten Arbeiten zu den Runenbrakteaten darstellen lassen: 1. Der formale Bezug der römischen Kaisermedaillons und der germanischnordischen Brakteaten weckt die Frage nach dem ideellen Verständnis, das mit diesem Transfer verbunden war. Auszugehen ist - zeitlich gesehen von der spätrömischen Kaiserzeit, in der gegenüber vorangegangener Zeit auch ein gewisser Wandel im Inhalt kaiserlicher Bild-Mitteilungen offenbar wird. In den Vordergrund rücken der charismatische Kaiser selbst und sein Amt, in ikonenhafiter Frontalität thronend oder stehend, auch christliches Gedankengut kommt nun in der Selbstdarstellung des Kaisers im Bild zum Tragen.39 Auf dieser Stufe beginnt offenbar die Rezeption in Gestalt der Brakteaten, die formal von der Forschung als solche anerkannt wird, deren ideellen Begleitumstände aber kaum nähere Untersuchung fanden - das

37

Moltke 1985, S. 113.

38

Hauck 1985-1989.

39

Alföldi 1999, S. 172 ff., 190 ff.

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Problem bleibt weitgehend auf die Feststellung reduziert, daß es sich im römischen und germanischen Kontext um Amulette handelt.40 Die Klärung der Rezeptionsbedingungen und der Schritt von der typologischen Klassifikation zur ikonographischen/ikonologischen Analyse sind Voraussetzungen, die auch die runische Deutung bedingen.41 Blickt man für den Zeithorizont des 4./5. Jahrhunderts auf die Rezeptionsvoraussetzungen der im 5./6. Jahrhundert mächtig anschwellenden Brakteatenproduktion, so hat man es mit einer römischen Reichsreligion zu tun, die - um nur einige Stichwörter aufzugreifen - Zentralorte des religiösen Kultes kennt (sowohl im römischen Reichsgebiet wie in den Provinzen), die Ikonographie anthropomorpher Gottheiten pflegt und einen Herrscherkult übt, in den bereits das spätantike Christentum Einfluß nimmt. Alle diese hier nur angedeuteten Faktoren üben wohl einen bestimmenden Einfluß auf den Rezeptionsvorgang aus - und sind damit auch relevant für die Bild- und Schriftinterpretation. 2. Die Bild-Schrift-Beziehung zu bestimmen, ist im Corpus der Runenbrakteaten von entscheidender Bedeutung. Offensichtlich beinhalten Umschriften (in der Randzone eines Brakteaten), die vollständig oder nur partiell sein können, eine generellere Aussage als Schriften, die in verschiedenen Bereichen der Bildfläche positioniert sind. Man könnte im letzteren Falle von Zuschriften sprechen.42 Sie sind in einem deutlich deiktischen Bezug zu bestimmten Details des Bildes piaziert - ζ. B. zu beiden Seiten eines Hauptes, zwischen Vordergliedmaßen und Kopf eines Pferdes usw. Es scheint eine gewisse Regelhaftigkeit bei diesen Schriftpositionierungen vorzuliegen. Sie vermögen der runischen Analyse eine Richtung zu geben. Als Beispiel einer Umschrift diene der Brakteat Skodborghus-B (DC 161) aus Südjütland43 (Abb. 1). Einem dreimaligen auja alawin folgt j a lawid - offensichtlich zwei Namen,44 Ala-win und Ala-wid, die mit dem Formelwort auja ('Glück, Hilfe') und der Begriffsrune j (für jära 'gutes Jahr'?) verbunden sind. Es scheint sich um eine rituelle Formulierung in Weitergehende Erwägungen bei Hauck 1985, S. 12. 41

Vgl. besonders die siebenbändige, von K. Hauck betreute Edition der Goldbrakteaten der Völkerwanderungszeit 1985-1989, zu der auch Runologen beitrugen.

42

Der Terminus „Beischrift" wird in der Kunstgeschichte als „Bezeichnung fur eine vom Künstler stammende Aufschrift außerhalb der bildlichen Darstellung" verwendet. Lexikon der Kunst I, 2004, S. 466.

43

Die Goldbrakteaten der Völkerwanderungszeit, Ikonographischer Katalog, Textund Tafelband I, Nr. 161. Vgl. dazu Beck 2001, S. 63 ff. Angemerkt muß allerdings werden, dass auch Appellativ-Interpretationen versucht wurden. Vgl. zuletzt die Übersicht bei McKinnell/Simek 2004, S. 77.

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dreifacher Wiederholung45 zu handeln, die in einer Beziehung zu der tanzenden (?) Gestalt des Mittelfeldes zu stehen scheint. Sind zwei Namen auf eine Person bezogen?

Die mit den Namen verbundenen Interpretationsprobleme stellen eine der grundlegenden Herausforderungen der Brakteatenforschung dar. Generell kann man sich wohl darauf einigen, daß bei einer Reihenproduktion, die in die Hunderte von Exemplaren ging, keine engen und engsten Sozialbezüge hinter den Namennennungen liegen konnten. Hier mußten schon Diskurse auf breiterem Sozialniveau vorliegen. Eine weitere Voraussetzung kann schon geringere Anerkennung beanspruchen - die Qualifikation der Brakteaten als Brauchtumsgut religiöser Observanz nämlich. Hier stehen Karl Haucks Interpretationen, die Zustimmung einerseits, reservierte Aufnahme Zur dreifach iterativen Form vgl. auch den Undley-Brakteaten, IK 374 und McKinnell/Simek 2004, S. 83.

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andererseits erfahren haben, für Deutungen, die Brakteaten und ihre Botschaft als Devotionalien zu begreifen suchen. Wenn auf dieser Linie weitergedacht wird, rückt das Namenproblem in den Bereich der theophoren Propria - und Snorri Sturlusons Reflexion über die Vielzahl der göttlichen Namen wird beachtenswert. Nachdem Snorri Odins Namen Alfgdr, ValfQÖr, Hangaguö, Haptaguö und Farmaguö genannt hatte, zitiert er aus den Grimnismäl nicht weniger als 49 weitere Odinsnamen und macht dafür atburöir verantwortlich, d. h. bestimmte Ereignisse und Begebenheiten, die zu solchen „Ereignisnamen" geführt haben. Wenn Alawin und Alawid auch dazu zählten, wäre nicht nur die Verbindung mit der vokativischen Form 46 ein Hinweis auf einen rituellen Text, einem kostbaren Zeugnis zeitgenössischer Religiosität, es verstärkte sich auch hier der Eindruck, daß die Runenpraxis einen frühen nordischen Sonderweg dokumentiert. Deutlich deiktisch piazierte Runen-Zuschriften bieten die Brakteaten Fünen-C (IK 58) und Skonager (III)-C (IK 163) (Abb. 2 und 3). Auch Darum (V)-C (HC 43) ist anzufügen (Abb. 4). Es dürfte kein Zufall sein, daß wiederkehrende Zuschriften einerseits dem menschgestaltigen Haupt, andererseits dem Tier zugeordnet sind, eine Hauptzone und eine Tierzone zu unterscheiden sind. Solche ikonographischen Regeln sollten auch der Interpretation der Schriften Anlaß sein, Zusammenhänge herzustellen. In Darum (V)-C, IK 43, die Zuschrift niujil als Name des Runenmeisters zu lesen (ebenso wie auf DC 163), widerspricht der ikonographischen Einsicht, die auf einen deiktischen Bezug zum Tier deutet. Ebenso dürfte zu schließen sein, daß Fünen (I)-C = IK 58 mit der Zuschrift horaz und Skonager (III)-C = IK 163 mit niuwila in einem Zusammenhang stehen, der wie immer interpretiert - die ikonographische Parallelität zu berücksichtigen hätte. Sollte hinter dem inschriftlichen niujil und niuwila letztlich ein sprachlicher Stamm *neuja- zu vermuten sein und horaz mit Antonsen als 'beloved' zu deuten sein, wären einer Interpretation schon bestimmte Richtungen gewiesen. Wenn als Objektbezug noch ein weiterer Faktor dazukommt (die semantische Deutung der Inschrift nämlich), gewönnen die „Richtungen" eine Wahrscheinlichkeit, die Anlaß zur Diskussion sein sollte. Aufgabe der Brakteatenforschung wäre es, auf der Basis einer gewissen ikonographischen Struktureinsicht und unter Berücksichtigung einer BildWort-Beziehung zu versuchen, die runische Verschriftlichung in eine diskussionswürdige Interpretation einzubringen.47 46

Zur Diskussion über die Vokativfrage vgl. Krause 1971, S. 48; Nielsen 2000, S. 150; Beck 2001, S. 63.

47

Im Nachtrag ist eine Arbeit zu nennen, die einem neuen Interpretationsversuch des Brakteatencorpus gilt: Kaliff/Sundqvist 2004.

Das fupark und Probleme der Verschriftung/Verschriftlichung

Abb. 2. (leicht verkleinert) IK 58b: Fünen I-C

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Abb. 3. IK 163b: Skonager (III)-C

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Abb. 4. IK 43b: Darum (V)-C

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Das fupark- RGA-E-Band 51 - Seiten 80-101 © 2006 Walter de Gruyter · Berlin · New York

Keltisches in germanischen Runennamen? VON HELMUT BIRKHAN

Als ich eingeladen wurde, hier zu sprechen, erwartete man wohl eine Diskussion der Runennamen speziell aus keltologischer Sicht.1 Angesichts der engen Kulturkontakte zwischen Germanen und Kelten hätte eine solche Diskussion wieder zwei verschiedene Aspekte: einen historisch-genetischen und einen allgemein-typologischen. Der erstgenannte Aspekt führt zur Frage: gibt es genetische Zusammenhänge zwischen den Runen und keltischen Schriften? Das Keltische wurde im Laufe der Zeit in den lepontischen und gallisch-cisalpinen Inschriften mit nordetruskischen Schriftzeichen, das Keltiberische in einer iberischen Silbenschrift letztlich phönizischer Herkunft, das Transalpin-Gallische in griechischer und Lateinschrift und das Urirische in Ogam-Schrift geschrieben. Ob das Ogam die Bezeichnung „Schrift" oder eher „Kryptographie", „Chiffren" verdient,2 darüber läßt sich streiten. Die Frage hängt mit der hier Erst nach Abschluß des Manuskripts und auf der Tagung lernte ich den „Fragenkatalog" kennen, auf den die Vorträge nach Tunlichkeit Bezug nehmen sollten. Die Fragen sind in der Tat sehr schwer mit meinen Ausführungen zu verbinden, schon deshalb, weil bei ihnen das Ganze der Inschriften oder eines Corpus im Vordergund steht, während ich hier nur über e i n e Entstehungstheorie und da wieder nur von e i n e m Graphem handle. Dennoch läßt sich anmerken: Zu Frage 2 (Homogenität des Futhark) könnte man zumindest auf einen gewissen Systemzwang hinweisen, der die Einführung einer Rune zur Bezeichnung eines extrem seltenen Phonems erleichterte. Denkbar wäre ein Zusammenhang mit Frage 7, da vielleicht der Wunsch, auch Lateinisches schreiben zu können, zur Erfindung der p-Rune beitrug. Wie hätte z.B. ein germanischer Auxiliarrekrut namens *Publijuz seinen Namen auf eine Waffe schreiben lassen sollen? Zu Punkt 4 (regionale Entwicklungen) läßt sich auf das Faktum hinweisen, daß „got." pertra und ae. peon3 etymologisch nicht zu vereinen sind, was bedeutet, daß der Name der p-Rune zumindest einmal regional erneuert wurde. Mein besonderer Dank gebührt Frau Melanie Kral, die sich freundlicherweise bereit erklärte, meine Anmerkungen den Eichstätter Zitiernormen anzupassen. 2

So z.B. Seebold 2003, S. 28-29.

Keltisches in germanischen Runennamen?

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nicht diskutierten Ogamentstehung (etwa aus geheimer Fingersprache usw.) zusammen. In der inneririschen Tradition kann Ogam nicht von jedem, sondern nur von bestimmten Helden, Druiden oder Heiligen gebraucht werden. Andererseits deutet die Verwendung für allgemein zugängliche Grabinschriften oder vielleicht auch Grenzzuschreibungen darauf hin, daß der Kreis der „Intellektuellen", die mit Ogam umgehen konnten, nicht zu klein gedacht werden darf. Nachdem die Versuche, die Ogamschrift mit den Runen, insbesondere den „Hahalrunen", zu verbinden,3 wohl gescheitert sind (es gibt keinerlei Hinweis, daß die Geheimrunen des IsrünaTraktats schon in das 4. oder 5. Jh., die Entstehungszeit des Ogam, zurückgehen), besteht zwischen keltischer und der wohl im 2. Jh. n. Chr. entstandenen Runenschrift nur noch ein indirekter Zusammenhang, insofern eine Reihe von Forschern die Runen von einem norditalischen (nordetruskischen) Alphabet herleiten, das jenen Alphabeten nahestand, die auch die Kelten im Tessin und in Oberitalien verwendeten, oder den Kelten zumindest eine Vermittlerrolle zugeschrieben wird. So auch in der Runenherkunftstheorie von Elmar Seebold, der zwar von der Lateinschrift ausgeht, aber die Kelten doch als Vermittler ansieht.4

Der Gedanke wurde zuerst von Graves 1876, S. 443-476, ausgesprochen. Sein Hauptanwalt war aber Arntz 1935, S. 321-413, der davon ausging, daß der Ogamerfinder, den er für einen Pikten hielt, die Hahalrunen dadurch vereinfacht habe, daß er die Hakenzahl auf der einen Seite von der auf der anderen Seite des Hauptstabs abzog. So sei die Fünfheit des Ogamsystems dadurch entstanden, daß die Maximalzahlen 8/3 voneinander subtrahiert worden wären, woraus sich maximal 5 Positionen ergeben hätten. Aber, wie McManus 1991, S. 10-11, feststellte, funktioniert das nur für ogam. b, l, h, m und ng. Für die anderen 15 Ogamzeichen mußten komplizierte ad hoc-Hypothesen gesucht werden. McManus 1991, S. 11 faßt zusammen: „But even if it could be demonstrated that the Hahalruna did exist at the required time, say in the fourth century [...], is seems unlikely that a system as symmetrical and systematic as Ogam with its primary quinary base, could have had such fortuitous beginnings as those outlined in Arntz's derivation..." Wenn schon, so hat es eher den Anschein, als hätte das Ogam die Erfindung der Hahalrunen angeregt und nicht umgekehrt. 4

Seebold 1991, S. 16-32. Seebolds Ergebnis lautet: „Die Runen gehen über einen (unbekannten) keltischen Zwischenträger auf ein hoch-archaisches Alphabet aus dem Umkreis der lateinisch-faliskischen Schrift zurück, vermutlich auf das mantische Alphabet einer Orakelstätte. Vom lateinischen Schreibgebrauch aus geurteilt, hat der Zwischenträger das Alphabet spätestens im 4. vorchristlichen Jahrhundert entlehnt, doch läßt sich natürlich nicht sagen, wie stark archaisierend das Vorbild war, so daß auch ein späterer Ansatz denkbar ist." Bezüglich des Zeitpunkts der Runenentstehung legt sich Seebold nicht fest, erwägt aber schon die „mittlere La-Tene-Zeit" (2. oder 3. Jh. v. Chr.). Natürlich hat auch Seebolds

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Helmut Birkhan

Der zweite Aspekt läßt nach der Typologie der beiden Schriften5 fragen, insbesondere der Buchstabennamen. Da wir die Buchstabennamen der nordetruskischen Alphabete nicht kennen, können wir nur die Ogamnamen mit den Runennamen vergleichen. Es ist m.E. ebensowenig gelungen, die 24 in den Runennamen genannten Dinge unter einen Hut zu bringen wie die 20 Ogamnamen mit ihren mutmaßlichen Bedeutungen (beithe 'Birke', luis 'Flamme' oder 'Kraut', fern [für V\ 'Erle', sail 'Weide', nin 'Gabel', hÜath [für H, das aber aus sprachhistorischen Gründen für das Urirische nicht gebraucht wird] 'Schrecken', dair 'Eiche', tinne 'Metallbarren', coli 'Hasel', ce(i)rt [für Q] 'Eichenbusch ?', muin 'Hals', gort 'Feld', getal [für /q/] 'Tötung', straif, sraib [für Z, das im Uririschen nicht vorkam] 'Schwefel', 6 ruis 'Röte', ailm 'Nadelbaum' [eher 'Ulme'?], onn 'Esche', ür scharfsinnige Analyse ihre Schwachstellen. Hier interessiert nur seine Annahme, daß die Zwischenträger Kelten gewesen sein müßten, weil das latino-faliskische Zeichen fur ρ nicht übernommen wurde, dann aber doch erklärt werden muß, wie das Futhark letztlich zu seinem ρ kam (durch etruskischen Einfluß). Dazu muß gesagt werden, daß die p-Rune seit Marstrander ja gerade als d a s Hauptargument für keltischen Einfluß angesehen wurde und die ältesten keltischen Inschriften in Norditalien und im Tessin durchaus über ein ρ (Γ) verfügen, ob dies nun für das gemeinkelt. Phonem /b/ oder das neue /^-keltische /p/ steht, ß-keltisch sind nur die keltiberischen Inschriften, die als Runenvorbilder gewiß nicht in Frage kommen. Nur in Einzelfällen zeigen sich noch Reste von nicht zu ρ gewordenem und zwar suffigiert und unbetont: so erscheint als verstärktes 'und' etic < *eti-k~e neben eher volltonigem nachgestelltem pe (lat. -que) im Lepontischen (Lambert 1995, S. 20, 65), offenbar weil in etic auslautendes -e vor dem Lautwandel k~ > ρ apokopiert worden war. Q-keltische Reste sind in Gallien onomastisch gut bezeugt (ζ. B. Sequana, Sequani, Quariates), aber nichts deutet darauf hin, daß die Seeboldschen „Zwischenträger" zu ihnen gehörten und warum hätten die Germanen keine qRune übernommen, wo doch im Germ. k~ durchaus häufiger war (*k~eman-, *krenis, *k~enön ...) als ρΊ 5

McManus 1991, S. 23, stellte 10 Punkte zusammen, in denen Runen und Ogam auffällige typologische Übereinstimmungen zeigen: (1) auf hartem Material geschrieben; (2) ähnliche Zwecke (vielleicht magische ?) der Iss.; (3) „position marking" bei Hahalrunen; (4) Einteilung in Reihen (settir 'Geschlechter', air. aicmi 'Familien'); (5) Appellativa als Buchstabennamen; (6) Runen und Ogam weichen als einzige westliche Alphabete von der lat. Buchstabenfolge ab; (7) beide Alphabete haben ein eigenes Zeichen für /η/; (8) beide Alphabete unterscheiden vokalisches und konsonantisches u\ (9) Ogam könnte die Zeichen für h und ζ aus der Runenschrift übernommen haben, wo beide Zeichen sprachhistorisch fest verankert sind; (10) das Fehlen von ρ im Ogam könnte auf der Seltenheit der P-Rune beruhen.

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Die Formen straiph, sdraif (so DIL); könnten auch eine Färberpflanze (sonst straif) bezeichnen (DIL s.v. straif). Diese ist wohl gleichzusetzen mit air. raib 'Ruta gra-

Keltisches in germanischen Runennamen?

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'Erde', edad '?', idad '?'), 7 mag auch das jetzt abgekommene irische Alphabet des Clo gaelach die Buchstabennamen zu Baumnamen vereinheitlicht haben (ailm 'Ulme', beith 'Birke', coli 'Hasel', dair 'Eiche', eadhadh, eabhadh 'Espe', fearn 'Erle',gath 'Efeu', huath 'Weißdorn', iodha 'Eibe', luis 'Wacholder', muin 'Weinrebe', nuin 'Esche', oir 'Besenginster', peith 'Attich', ruis 'Holunder', sail 'Weide', teithne 'Stechginster', ur 'Heide'). 8 Selbst wenn man annimmt, daß Runen und Ogam ursprünglich magischen oder kultischen Zwecken dienten,9 so ist doch die Auswahl der Buchstabennamen nicht so ohne weiteres in ihrer Gesamtheit mit dem zur Deckung zu bringen, was wir von der altgermanischen und altkeltischen Religion zu wissen glauben. Man ist geradezu versucht, in das andere Extrem zu verfallen und diese Buchstabennamen als mehr oder minder willkürliche Erfindungen anzusehen, die eben nur die Aufgabe haben, den Graphemen nach dem Akrostichonprinzip einen möglichst deutlichen Wortkörper zu verleihen. Man kann fragen: Was könnten wir aus unseren beim Telefonieren gebräuchlichen Buchstabennamen erschließen? Was haben Anton, Berta, Caesar und Dora mit dem Nordpol oder dem Zeppelin gemeinsam? Doch wohl nur, daß beim Aufkommen dieses Alphabetes zusammen mit dem Telefon sowohl Nordpolexpeditionen als auch das Luftschiff in aller Munde waren und die übrigen Namen geläufig. In vergleichbarer Weise spiegeln die Ogamnamen tinne 'Metallbarren; Gußstück' und straif Schwefel' vielleicht die Technologie der Erzverhüttung. Andererseits müssen die Buchstabennamen wohl ebenso alt sein wie die Erfindung bzw. Adaptierung der Schriftzeichen bei Germanen und Kelten, denn von Anfang an

veolens; Raute' (vgl. die Bezeichnung luid gall ausländisches Kraut' bei Arntz 1935, S. 349), wegen der gelben Blüte auch 'Teichrose' (gl. nenufar); LEIA R-3, s.v. 1 raib. Das Wort für Schwefel (sraib, raibh, ruib [so im DIL], ruibh) ist etymologisch unklar (LEIA S-181, s. v. sraib), gehört aber vielleicht als Bezeichnung für etwas Gelbes zum Pflanzennamen; vgl. nir. ruibh 'sulphur, brimstone, rue' (Dinneen 1927 s. ν. ruibh). Die Verwechslung von Bimsstein und Schwefel findet sich auch im Kymr., wo der Schwefel brwnstan (< engl, brimstone) heißt. 7

Diese Namen vom Ogamtext des Book of Ballymote fol. 309a; vgl. Marstrander 1928, S. 130; die Namenreihe erscheint in der hier gebotenen Form von McManus 1991, S. 36-39 philologisch rekonstruiert.

s

Die Buchstabennamen nach Dinneen 1927.

9

In der irischen Sage wird die nur wenigen verständliche Mitteilung einer Ogaminschrift magischen Charakters bezeichnenderweise rün 'Geheimnis' genannt; McManus 1991, S. 161. In zwei Traditionen wirkt ein offen getragener Schild mit Ogaminschrift, weil sie der Träger selbst nicht lesen kann, als Uriasbrief; McManus 1991, S. 158.

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Helmut Birkhan

müssen die Zeichen selbst irgendwie benannt worden sein. Im Falle des Ogam hat man allerdings aus der Reihenfolge der Grapheme darauf geschlossen, daß dem Erfinder bestimmte Prinzipen lateinischer Grammatiker bekannt waren,10 weshalb man vermuten könnte, daß zunächst auch die lateinischen Buchstabennamen (.A, Be, Ge, De ...) galten. Davon findet sich aber keine Spur. Immer heißt das Ogam-Alphabeth Beithe-luis-nin im Gegensatz zur Schrift selbst, die mit dem bisher nicht sicher etymologisierten Wort ogam11 bezeichnet wird. Auch deutet die Benennung des später als [k] gesprochenen Q mit ce(i)rt - worauf ich gleich zu sprechen kommen werde - noch auf den labiovelaren Anlaut, d.h. daß diese Benennung noch vor der

Vgl. zusammenfassend McManus 1991, S. 27-31. Diese Theorie geht bereits auf Henri d'Arbois de Jubainville zurück, der schon 1908 das Ogamzeichen /η/ mit dem agma ['aqma] Priscians zusammengebracht hatte, wobei natürlich Priscian (Ende des 5. bis Anfang des 6. Jh.s) selbst als Quelle für die Ogamerfindung (4. oder 5. Jh.) nicht in Frage kommt. Die Einteilung in Vocales (a, e, i, o, u), Semivoeales i f , l, m, n, r, s, x) und Mutae (b, c, d, g, h, k, p, q, t) und Graecae litterae (y, z) geht im Wesentlichen schon auf M. Terentius Varro (116-27 v.Chr.) zurück, bei dem sich auch die heute noch gültige Regel findet, daß beim Namen der Semivocales e vor dem Buchstabenlaut zu sprechen sei (ef, el, em ...), bei den Mutae jedoch danach {be, ce, de ...). Die aiemi folgen im Wesentlichen diesem Prinzip. Die Gründe für die einzelnen Verstöße (b, m, g ...), überhaupt die Unregelmäßigkeiten in der dritten aieme sind allerdings nicht zufriedenstellend aufgehellt. Rudolf Thurneysen, auf den die letzte Version dieser Theorie zurückgeht, konnte die Reihenfolge der Zeichen innerhalb einer aieme nicht erklären. Ich selbst könnte mir folgendes Anordnungsprinzip der aiemi vorstellen: bei 2 bis 5 Marken (Strichen oder Kerben) einer aieme bestand immer die Gefahr eines Mißverständnisses, indem etwa 3 Marken als 1 + 2 oder 2 + 1 , 4 Marken als 3 + 1 oder 1 + 3 (auch 2 + 2), 5 Marken als 1 + 4, 4 + 1, 3 + 2, 2 + 3 aufgefaßt werden konnten; vgl. Arntz 1935, S. 329, der auch die große Gefahr des Verlesens und Mißdeutens erwähnt. Da noch die später synkopierten Bindevokale vorhanden waren, mußte man mit 3teiligen clusters kaum rechnen. Die Einteilung in aiemi erfolgte zwar nach dem Prinzip der Grammatiker, vor allem des Donatus (mehr oder minder eines Zeitgenossen des Ogamerfmders), wurde aber nach dem Prinzip eindeutiger Information variiert. Danach stünden nur jene Konsonanten in einer aieme nebeneinander, die auf Grund der Sprachstruktur nie oder nur selten vergesellschaftet vorkamen. Die Nasale des nicht seltenen Ogamwortes ANΜ 'Name' gehören daher zwei verschiedenen aiemi an. Schon deshalb mußten auch G und Ν des häufigen PatronymicumSuffixes -gn- verschiedenen aiemi zugeteilt sein. Ob dieses Prinzip haltbar ist, müßte eine strukturelle Untersuchung aller Ogaminschriften zeigen. Einzelne (scheinbare ?) Gegenbeispiele fallen sofort ins Auge: der Anlaut von VLATIAMI bestand z.B. aus 5 Marken (3 für V, 2 für L) konnte aber nicht verlesen werden, weil LV aber auch BS und SB keinen Sinn ergeben hätten. Die etymologischen Versuche bei McManus 1991, S. 150-153.

Keltisches in germanischen Runennamen?

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Entlabialisierung des / r (etwa im 6. Jh.) entstanden ist,12 also auch schon aus der Entstehungszeit des Ogam (im 4. oder 5. Jh. n. Chr.) stammen kann.13 Im Übrigen gilt Analoges auch für die Runennamen. Wenn die Eibenrune tatsächlich, wie Ottar Granvik annimmt, eine tektale Frikativa (z. B. [9]) bezeichnete,14 dann müßte *iuaz oder *ihaz natürlich sekundär sein und die Rune bei der Erstellung des Futhark etwa [