Intuition im Management: Möglichkeitsraum, Spannungsfelder und emergierende Konstellationen [1. Aufl.] 9783658311438, 9783658311445

In dem vorliegenden Buch betrachtet Oliver Ahel erstmals die Spannungsfelder, in denen intuitive Managemententscheidunge

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German Pages XVII, 398 [411] Year 2020

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Intuition im Management: Möglichkeitsraum, Spannungsfelder und emergierende Konstellationen [1. Aufl.]
 9783658311438, 9783658311445

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XVII
Einführung in die Vorliegende Arbeit zur Intuition im Management (Oliver Ahel)....Pages 1-5
Stand der Forschung im Forschungsfeld ‘Intuition in Managemententscheidungen’ (Oliver Ahel)....Pages 7-138
Ablauf der eigenen Forschung und methodisches Vorgehen dabei (Oliver Ahel)....Pages 139-169
Eigener Forschungsansatz (Oliver Ahel)....Pages 171-228
Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation (Oliver Ahel)....Pages 229-339
Ergebnisse des eigenen Forschungsprozesses zur Intuition in Managemententscheidungen (Oliver Ahel)....Pages 341-376
Back Matter ....Pages 377-398

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Systemaufstellungen in Wissenschaft und Praxis

Oliver Ahel

Intuition im Management Möglichkeitsraum, Spannungsfelder und emergierende Konstellationen

Systemaufstellungen in Wissenschaft und Praxis Reihe herausgegeben von Georg Müller-Christ, Forschungszentrum Nachhaltigkeit, Universität Bremen, Bremen, Deutschland

In dieser Schriftenreihe werden Beiträge veröffentlicht, die Systemaufstellungen entweder als neue Methode der qualitativen Sozialforschung oder als Instrument des komplexen Entscheidens in Organisationen erforschen und anwenden. Systemaufstellungen bieten in Wissenschaft und Praxis neue Herangehensweisen, um komplexe Systeme und Fragestellungen visualisieren und verstehen zu können. Prof. Dr. Georg Müller-Christ bildet Doktorand/innen und Praktiker/ innen in der Anwendung dieser Methode an der Universität Bremen aus und ermuntert sie im Fachgebiet Nachhaltiges Management, Systemaufstellungen als Instrument der qualitativen Datenerhebung in ihren Forschungsarbeiten anzuwenden. In dieser Schriftenreihe werden diese Dissertationen und weitere Forschungsbände veröffentlicht.

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/16194

Oliver Ahel

Intuition im Management Möglichkeitsraum, Spannungsfelder und emergierende Konstellationen

Oliver Ahel LS für Nachhaltiges Management Universität Bremen Bremen, Deutschland Ort der Promotion: Bremen Termin des Prüfungskolloquiums: 04. Februar 2020 Erstgutachter: Prof. Dr. Georg Müller-Christ Zweitgutachter: Prof. Dr. Franz-Theo Gottwald

ISSN 2524-7085 ISSN 2524-7093  (electronic) Systemaufstellungen in Wissenschaft und Praxis ISBN 978-3-658-31143-8 ISBN 978-3-658-31144-5  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-31144-5 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Carina Reibold Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

für Leila und Lounis

Geleitwort

Die Komplexität der heutigen Zeit zeichnet sich für alle Entscheidungsträger/ innen dadurch aus, dass sie wesentlich mehr Informationen verarbeiten müssten als sie können, um rational begründbare Entscheidungen zu treffen. Der Entscheidungstheorie in ihren verschiedenen Ausprägungsformen ist das Phänomen hinlänglich bekannt; sie hat schon früh versucht, Entscheidungen unter Unsicherheit oder unter Risiko konzeptionell zu fassen. Was präskriptiv als Entscheidungsregeln formuliert wurde, diente dann der deskriptiven Theorie als Möglichkeit, sich an den Realitäten abzuarbeiten und auf die bounded rationality hinzuweisen. In dem Maße, in dem heute die Komplexität von Entscheidungen immer mehr zunimmt, wird vor allem deutlich, dass es nicht nur darauf ankommt, immer mehr Informationen zu verarbeiten, gleichzeitig auf immer mehr Informationen verzichten zu müssen, sondern auch zugleich auf Informationen zurückzugreifen, deren Quelle nicht transparent gemacht werden kann. Das ‚Bauchgefühl‘ der Manager/innen ist nur eine rudimentäre Lesart für den Prozess, in dem Wissen entsteht, ohne zu wissen, wo dieses Wissen herkommt. Herr Ahel beschäftigt sich in diesem Kontext mit der Intuition in Managemententscheidungen. Das Thema ist hochrelevant und wird auch genährt von den Erfahrungen, die der Verfasser mit der Methode der Systemaufstellungen gemacht hat: Was in dieser Methode die repräsentierende Wahrnehmung ist, die zu einem Informationszufluss führt, der nach herkömmlichen S ­ ender-Empfänger-Modellen von Information nicht zu erklären ist, wird im Alltagsgebrauch häufig als Intuition bezeichnet. In diesem Sinne hat Herr Ahel die folgende Forschungsfrage gestellt: Welche differenziellen Einflussfaktoren existieren im Möglichkeitsraum intuitiver Managemententscheidungen? Die Forschungsfrage weist daraufhin, dass der Verfasser den Mut hat, sich dem komplexen Phänomen der Intuition weniger

VII

VIII

Geleitwort

aus einer linearen als vielmehr aus einer systemischen Perspektive zu nähern. Die systemische Perspektive fragt auch nach den Einflussfaktoren, die Intuition ermöglichen, und braucht dazu eine gewisse Linearität. Sie kann die hinter der Linearität liegende Kausalität aber unspezifischer lassen und einen Möglichkeitsraum der Gelingensbedingungen als Erkenntnisziel haben. Herr Ahel möchte diesen Möglichkeitsraum mit Rahmenbedingungen, Spannungsfeldern und Konstellationen füllen, die Intuition eher locken können als andere Einflussfaktoren. Der Verfasser hat für sein komplexes Thema ein ausgesprochen stimmiges Design gewählt. Er nimmt die Leser/innen mit auf eine Forschungsreise, für die auch die Leser/innen eine systemische Haltung brauchen, um den Erkundungen folgen zu können. Ein komplexes Thema erkunden braucht die Bereitschaft, methodisch und inhaltlich neue Wege gehen zu können, die nicht augenscheinlich zu einem Ergebnis führen und vielleicht erst im Nachhinein sich als ausgesprochen erkenntnisreich erweisen, vielleicht aber auch umsonst gewesen sind. Der Unterschied zwischen der Erkundung einer neuen Landschaft und einem nicht sichtbaren komplexen Konstrukt wie Intuition ist evident: die Landschaft liegt vor, kann durchwandert, betrachtet und anhand ihrer Auffälligkeiten kartographiert werden. Das komplexe Konstrukt der Intuition muss erst einmal mithilfe verschiedener Methoden in erfassbare Phänomene gelockt werden, die dann immer auch anders hätten ausfallen können. Erkenntnistheoretisch müssen wir aber davon ausgehen, dass sich hinter den Phänomenen, die wir konstruiert haben, eine ontologische Qualität andeutet, die den Möglichkeitsraum mit gehaltvollen und nützlichen Unterscheidungen füllt. In diesem Sinne trägt Herr Ahel mit seiner Arbeit dazu bei, die Besonderheiten einer Erkundungsforschung von komplexen, nicht sichtbaren Phänomenen in die Welt zu bringen und nachvollziehbar zu gestalten. Bremen im Mai 2020

Georg Müller-Christ Herausgeber der Schriftenreihe

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich bei all den wundervollen Menschen zu bedanken, die mich auf dem Forschungsprozess mit einer großen Portion positiver Energie begleitet haben. Die wichtigste Person in jener Zeit – wie auch allgemein in meinem Leben – ist meine Frau Leila. Meine geliebte Madame, ich möchte dir von Herzen danken, dass du diesen Weg mit mir gegangen bist. Dafür, dass du mir oft den Rücken freigehalten hast, an mich geglaubt hast, mir gut zugeredet hast, mir Kraft und Energie gabst den langwierigen Prozess durchzuhalten, mich auf unzählige unterschiedliche Arten unterstützt hast und mir mit unserem kleinen Tiger das größte Geschenk gemacht hast, welches ich mir vorstellen kann. Meinen Eltern und Schwiegereltern möchte ich danken, dass sie mir auf so vielen verschiedenen Ebenen als Vorbilder dienten. Meinem Doktorvater Prof. Müller-Christ danke ich für die Möglichkeit, diese Arbeit anfertigen und vorlegen zu können. Insbesondere danke ich Ihm für die Unterstützung dabei meinen Weg zu finden und die Freiheit, diesen Weg zu gehen. Allen Freund/innen und Kolleg/innen möchte ich danken, allen Kolleg/innen, die zu Freund/innen wurden und allen Freund/innen, die auf einmal auch Kolleg/ innen waren. Ich bin sehr dankbar für die vielen intensiven Gespräche, für die sachdienlichen Hinweise, die ausgetauscht wurden, für das gemeinsame Lachen, für die Herausforderungen, die wir teilten und für die positiven Vibes die dabei entstanden. Es erfüllt mein Herz mit Freude auf unser gemeinsames Wirken zurückzublicken.

IX

Inhaltsverzeichnis

1 Einführung in die Vorliegende Arbeit zur Intuition im Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Relevanz des Themas ‘Intuition in Managemententscheidungen’. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Gewählte Fragestellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2 Stand der Forschung im Forschungsfeld ‘Intuition in Managemententscheidungen’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.1 Managemententscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.1.1 Entscheidungen und Entscheidungstheorien. . . . . . . . . . . . . 8 2.1.2 Entscheidungen im Management. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.2 Intuition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.2.1 Erkenntnis und Denkmuster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.2.2 Sichtweisen auf die Intuition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.2.3 Intuition und Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 2.2.4 Nutzen und Grenzen von Intuition für Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 2.3 Legitimation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3 Ablauf der eigenen Forschung und methodisches Vorgehen dabei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3.1 Prinzipien und Schemata des eigenen Forschungsprozesses. . . . . . . 139 3.2 Beschreibung des konkreten Forschungsprozesses. . . . . . . . . . . . . . 151 3.3 Entstehung und Erhebung der Daten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3.3.1 Systemaufstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3.3.2 Expert/innenbefragung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 3.4 Aufbereitung der Daten und Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

XI

XII

Inhaltsverzeichnis

4 Eigener Forschungsansatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 4.1 In dieser Forschungsarbeit verwendetes Verständnis von Intuition sowie die damit einhergehenden Bestandteile und Funktionsweisen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 4.2 Spannungsfelder intuitiver Managemententscheidungen . . . . . . . . . 182 4.2.1 Spannungsfeld zwischen Intuition und Transparenz. . . . . . . 184 4.2.2 Spannungsfeld zwischen Effektivität und Freiräumen. . . . . 185 4.2.3 Spannungsfeld zwischen Intuition und Verantwortung. . . . . 187 4.2.4 Spannungsfeld zwischen medialer Vernetzung und Selbstwahrnehmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 4.2.5 Dilemmaquadrat zwischen ‘Intuition’ und ‘Transparenz’ sowie zwischen ‘Effektivität’ und ‘Freiräumen’. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 4.2.6 Dilemmaquadrat zwischen ‘Intuition’ und ‘Verantwortung’ sowie zwischen ‘medialer Vernetzung’ und ‘Selbstwahrnehmung’. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 4.3 Einflussfaktoren auf die Intuition in Managemententscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 5 Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . 229 5.1 Systemaufstellungen, Nacherzählungen und Gruppendiskussionen mit Expert/innen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 5.2 Einzelbefragungen der Expert/innen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 5.3 Forschungsmemos, Reflexion des Forschungsprozesses und kreatives Forschen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 6 Ergebnisse des eigenen Forschungsprozesses zur Intuition in Managemententscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 6.1 Entstandene Thesen zur Intuition in Managemententscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 6.2 Beschreibung des Möglichkeitsraums intuitiver Managementspannungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 6.3 Erkannte Prototypische Konstellationen in Intuitiven Managemententscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 6.4 Diskussion der Entstandenen Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 2.1

Abbildung 2.2 Abbildung 2.3 Abbildung 2.4 Abbildung 2.5 Abbildung 2.6 Abbildung 2.7 Abbildung 2.8 Abbildung 2.9 Abbildung 2.10 Abbildung 2.11 Abbildung 2.12 Abbildung 2.13 Abbildung 2.14 Abbildung 2.15 Abbildung 2.16 Abbildung 2.17 Abbildung 3.1 Abbildung 3.2

abstrakte Darstellung des zu untersuchenden Phänomens im Kontext von Wirkmechanismen und Rahmenhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Ablauf eines Entscheidungsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . 17 verschiedene Komponenten der Intuition. . . . . . . . . . . . . 37 verschiedenen Forschungsrichtungen vereint durch ein Interesse an der Intuition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Bedeutung der Intuition in den Epochen der Zeitgeschichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 die Grundfunktionen des Bewusstseins nach Jung. . . . . . 44 Goldbergs Modell der Intuition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Hauptmerkmale der Intuition nach Baylor. . . . . . . . . . . . 48 Kommunikationsmodell nach Schmid und Wahlich. . . . . 62 das U-Modell der Intuition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 das Spiralmodell der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 intuitive Kompetenzen im Arbeitskontext . . . . . . . . . . . . 97 die Rolle der Intuition im (organisationalen) Veränderungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 ausgewählte Managementaufgaben im Feld aus Intuitionsnutzung und Legitimationsdruck. . . . . . . . . . . . 102 Dimensionen der Nützlichkeit von Intuition in Managemententscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 verschiedene Legitimitätsabstufungen. . . . . . . . . . . . . . . 129 Kontinuum der Sichtweisen zur Legitimation . . . . . . . . . 134 Skizze des eigenen Forschungsprozesses im Entdeckungsmodus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Skizze des Forschungsdesigns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 XIII

XIV

Abbildung 3.3 Abbildung 3.4 Abbildung 4.1 Abbildung 4.2 Abbildung 4.3 Abbildung 4.4 Abbildung 4.5 Abbildung 4.6 Abbildung 4.7 Abbildung 4.8 Abbildung 4.9 Abbildung 4.10 Abbildung 4.11 Abbildung 4.12 Abbildung 4.13

Abbildung 4.14 Abbildung 4.15

Abbildung 4.16 Abbildung 4.17 Abbildung 5.1 Abbildung 5.2 Abbildung 5.3

Abbildungsverzeichnis

Analyserahmen der Nacherzählungen nach dem Komplikationsmodell von Leubner und Saupe. . . . . . . . . 165 Struktur der Nacherzählung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 die logische Aufnahme von Informationen. . . . . . . . . . . . 174 die intuitive Aufnahme von Informationen. . . . . . . . . . . . 176 die logische und intuitive Aufnahme von Informationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 geistige Leistung als Synthese aus Logik und Intuition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 der Moment der Intuition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 das Individuum und die Intuition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 prototypischer Ablauf eines Intuitionsprozesses . . . . . . . 182 das Spannungsfeld zwischen Transparenz und Intuition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 das Spannungsfeld zwischen Effektivität und Freiraum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 das Spannungsfeld zwischen Verantwortung und Intuition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 das Spannungsfeld zwischen medialer Vernetzung und Selbstwahrnehmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 das Dilemmaquadrat zwischen Intuition, Transparenz, Effizienz und Freiraum. . . . . . . . . . . . . . . . 191 das Dilemmaquadrat zwischen Intuition, Verantwortung, medialer Vernetzung und Selbstwahrnehmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 personalen Faktoren der Intuition in Managemententscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Matrix aus egoistischer, altruistischer und holistischer Intention sowie Sinnhaftigkeit der Entscheidung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Matrix aus Informationsherkunft und Informationsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 situationellen Faktoren der Intuition in Managemententscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Skizze des Aufstellungsdesigns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Inhaltsübersicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Screenshot des Aufstellungsvideos auf der edubreak Plattform. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 5.4 Abbildung 5.5 Abbildung 5.6 Abbildung 5.7 Abbildung 5.8 Abbildung 5.9 Abbildung 5.10 Abbildung 5.11 Abbildung 5.12 Abbildung 5.13 Abbildung 5.14 Abbildung 5.15 Abbildung 5.16 Abbildung 5.17 Abbildung 5.18 Abbildung 5.19 Abbildung 5.20

Abbildung 5.21 Abbildung 5.22 Abbildung 5.23 Abbildung 5.24

XV

abschließendes Bild der ersten Szene des ersten Kapitels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 das dynamische Eisberg Modell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 das vier-Stufen-Modell des kreativen Prozesses. . . . . . . . 244 Eisberg-Modell nach Ruch & Zimbardo . . . . . . . . . . . . . 246 abschließendes Bild der zweiten Szene des ersten Kapitels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 abschließendes Bild der dritten Szene des ersten Kapitels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 das Prinzip der Spiral Dynamic Theorie. . . . . . . . . . . . . . 255 abschließendes Bild der vierten Szene des ersten Kapitels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 abschließendes Bild der ersten Szene des zweiten Kapitels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 abschließendes Bild der zweiten Szene des zweiten Kapitels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 abschließendes Bild der dritten Szene des zweiten Kapitels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 abschließendes Bild der ersten Szene des dritten Kapitels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 das Vernetzungsmodell intuitiver Managemententscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 die wichtigsten Bilder der zweiten Szene des dritten Kapitels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 abschließendes Bild der dritten Szene des dritten Kapitels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Erfahrung beim Treffen von Managemententscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Einschätzungen des Einflusses auf die herrschenden Rahmenbedingungen beim Treffen von Managemententscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Einschätzungen der Arbeitsatmosphäre beim Treffen von Managemententscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Einschätzungen des Abwechslungsreichtums beim Treffen von Managemententscheidungen. . . . . . . . . . . . . 300 Einschätzungen des persönlichen Bezugs zu den intuitiv getroffenen Managemententscheidungen. . . . . . . 301 Einschätzungen der Arbeitsweise während intuitiver Managemententscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302

XVI

Abbildung 5.25

Abbildung 5.26 Abbildung 5.27 Abbildung 5.28 Abbildung 5.29 Abbildung 5.30 Abbildung 5.31 Abbildung 5.32 Abbildung 6.1 Abbildung 6.2 Abbildung 6.3 Abbildung 6.4 Abbildung 6.5

Abbildungsverzeichnis

Einschätzungen wie sinnvoll und zutreffend die Intuition beim Treffen von Managemententscheidungen ist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Einschätzungen über die Akzeptanz intuitiver Managemententscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 thematische Bündel genannter Einflussfaktoren. . . . . . . . 305 prototypische Konstellation 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 prototypische Konstellation 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 prototypische Konstellation 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 prototypische Konstellation 4. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 prototypische Konstellation 5. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 das Hashtag-Spannungsfeld. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 Hashtagraum intuitiver ManagementSpannungsfelder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 das dynamische Eisberg Modell nochmal . . . . . . . . . . . . 346 das Vernetzungsmodell intuitiver Managemententscheidungen nochmal. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 Bezüge zu den Entscheidungstypen im ­Hashtag-Spannungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369

Tabellenverzeichnis

Tabelle 2.1 Tabelle 2.2 Tabelle 2.3 Tabelle 2.4 Tabelle 2.5 Tabelle 2.6 Tabelle 4.1 Tabelle 5.1

Tabelle 5.2 Tabelle 6.1

Typen von Managemententscheidungen in der klassischen Betriebswirtschaftslehre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Typen von Managemententscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Intuition in den verschiedenen Typen von Managemententscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 funktionale Merkmalszuordnung der Gehirnhemisphären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Dimensionen des Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Gegenüberstellung der wichtigsten Punkte der verschiedenen Ansätze der Legitimitätsforschung. . . . . . . . . . 132 ausgewählte Widersprüche in der Organisationsgestaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Kernelemente, Besonderheiten und zugrundeliegende Narrative der einzelnen Kapitel und Szenerien der Nacherzählung zu Interpretationszwecken. . . . . . . . . . . . . . . . 236 Unternehmensbrachen der Teilnehmer/innen. . . . . . . . . . . . . . 296 prototypische Konstellationen situationeller und personaler Einflussfaktoren auf intuitiv getroffene Managemententscheidung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354

XVII

1

Einführung in die Vorliegende Arbeit zur Intuition im Management

Auf den folgenden Seiten wird der Forschungsprozess meines Promotionsprojektes beschrieben. Bei dem gewählten Forschungsgegenstand handelt es sich um ein Thema von großem persönlichen Interesse. Die Intuition ist zum einen ein sehr persönliches Phänomen und zum anderen ein Phänomen, welches alle Menschen miteinander verbindet. Es ist tief verankert in den innersten Bewusstseinsbereichen jedes Individuums sowie im Erbgut der menschlichen Entwicklungsgeschichte. Es handelt sich um ein Phänomen, welches zu weiten Teilen an einem Ort stattfindet, an welchen das menschliche Auge nicht zu blicken vermag und findet auf einer Ebene statt, welche sich eher fühlen als beschreiben lässt. Das vorliegende Werk soll eine Reise durch den Forschungsprozess sein und das schwer in Worte zu verpackende Phänomen näherbringen. Zum Einstieg in diese Arbeit wird auf die Relevanz des Themas aufmerksam gemacht und die Einzelheiten zur Forschungsfrage werden erläutert.

1.1 Relevanz des Themas ‘Intuition in Managemententscheidungen’ Seit dem Zeitalter der Aufklärung galt die Rationalität als beste Option in (ökonomischen) Entscheidungsprozessen.1 Nach jahrhundertelanger Ablehnung von Intuition als Begründung für Entscheidungen entstand kurz vor der Jahrtausendwende ein zunehmendes Interesse seitens der Wirtschaft, der Medien sowie der

1Vgl.

Gigerenzer / Gaissmaier (2015), S. 21.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 O. Ahel, Intuition im Management, Systemaufstellungen in Wissenschaft und Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31144-5_1

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1  Einführung in die Vorliegende Arbeit zur Intuition im Management

Wissenschaft an diesem Themenkomplex.2 Das wachsende Interesse begründet sich in der steigenden Komplexität, mit welcher sich Menschen, insbesondere im Arbeitsalltag, auseinanderzusetzen haben. Durch Mechanismen der Globalisierung, Liberalisierung und schier unbegrenztem Zugriff auf Informationen bildete sich eine Multioptionsgesellschaft heraus. Heute steht den Menschen der westlichen Welt eine nie dagewesene Vielfalt an Möglichkeiten und Entscheidungsoptionen zur Verfügung. Seien es Kaufentscheidungen, die Wahl des Jobs oder Studiengangs oder des nächsten Reiseziels. Die Welt ist zum globalen Dorf geworden, in dem nahezu jeder Punkt leicht erreichbar ist. Gleichzeitig stehen derart viele Optionen zur Verfügung, dass es nahezu unmöglich wird, sich präzise für eine zu entscheiden. Jede Entscheidung für eine Option zieht die Konsequenz nach sich, andere Optionen nicht wahrnehmen zu können und somit die Gefahr, dass sich unter den nicht gewählten Optionen eine noch bessere verbirgt. Die Angst, etwas zu verpassen oder ein Ziel nicht erreichen zu können, erzeugt einen extrem hohen Druck und die unendlich wirkende Informationslage sorgt für hohe Komplexität beim Treffen von Entscheidungen. In besonderem Maße spiegelt sich diese Komplexität in den Entscheidungen wider, die täglich von Manager/innen getroffen werden.3 Turbulente und dynamische Wirtschaftsentwicklungen und massive Entgleisungen auf dem globalisierten Markt führen zu Ratlosigkeit im Handeln und wecken den Wunsch nach Gewissheit, Orientierung und Sicherheit.4 Da sich die Vielzahl überkomplexer, widersprüchlicher oder unvollständiger Informationen, mit denen Entscheidungsträger/innen täglich konfrontiert sind, nicht immer analytisch bewerten lässt, wird verstärkt auf die komplexitätsreduzierende Wirkung von Intuition zurückgegriffen.5 Gerade bei ambiguen Problemen zeichnet sich die Anwendung von Intuition durch besondere Wirksamkeit aus.6 Auf individueller Ebene stellt sich aufgrund der herrschenden Arbeitsbedingungen (u. a. hohe Anforderungen, Leistungsdruck und Wettbewerb, Zeitknappheit, Entfremdungstendenzen) eine zunehmende Erschöpfung bei

2Vgl.

Fröse / Kaudela-Baum / Dievernich (2015), S. 7. Krenzin (2008), S. 57. 4Vgl. Fröse / Kaudela-Baum / Dievernich (2015), S. 3. 5Vgl. u. a. Parikh (1994), S. 10; Shirley / Langan-Fox (1996), S. 563; Schmidt / Hipp / Caspari (1999), S. 3; Ruthenbeck (2004), S. 19 ff.; Krenzin (2008), S. 49. 6Vgl. ebd. 3Vgl.

1.1  Relevanz des Themas ‘Intuition in Managemententscheidungen’

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­ itarbeiter/innen und Führungskräften ein.7 Hierdurch können hohe Kosten für M die Unternehmen und Krankenkassen und somit für die gesamte Gesellschaft anfallen. In diesem Zusammenhang stellt Intuition sowohl ein Instrument zur Vereinfachung des Arbeitsalltags als auch einen zentralen Bestandteil ‘guter’ Führung (intuitiv zu wissen, welche Strategie in welcher Situation angemessen ist) dar.8 Hinzu kommt, dass in der jüngeren Vergangenheit (ebenfalls aus den o. g. Gründen) eine generelle Verschiebung der Priorität von Managementkompetenzen von Hardskills hin zu Softskills zu beobachten war.9 So gilt die Intuition neben anderen ‘weichen’ Merkmalen wie Emotionale Intelligenz, Einfühlungsvermögen, Sensibilität oder Empathiefähigkeit im Bereich der Systemischen Führung als zentrales Merkmal für ein qualitativ hochwertiges Management.10 Die Fähigkeit, im Kontakt mit sich selbst und seiner Umgebung die Bedürfnisse von Mitarbeiter/innen und Märkten zu erspüren, gilt als unerlässlich. Auch wenn das Interesse am Thema Intuition aus den beschriebenen Gründen stark gestiegen ist und täglich intuitive Managemententscheidungen getroffen werden, so leidet die Intuition im unternehmerischen Kontext doch an einem Imageproblem. Um dem Anspruch der Transparenz und Nachvollziehbarkeit gerecht zu werden und aus historisch begründeter Fokussierung auf rationale und analytische Herangehensweisen, sind intuitiv getroffene Entscheidungen i. d. R. im Nachhinein (bspw. vor den Kontrollgremien des Unternehmens) zu legitimieren.11 Dieser nachträgliche Rechtfertigungsprozess kostet das Individuum sowie das gesamte Unternehmen jede Menge Energie.12 Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Intuition auf Unternehmensebene könnte helfen, diese Energie einzusparen oder produktiver zu verwenden. Das Legitimationsproblem hat seinen Ursprung nicht nur in den Unternehmen, sondern setzt bereits an den Universitäten an, an denen Nachwuchsführungskräften u.  a. Entscheidungstheorie (höchster anzunehmender Nutzen) gelehrt wird.

7Vgl.

u. a. Dievernich (2015), S. 141; Fröse / Kaudela-Baum / Dievernich (2015), S. 6; Rosa (2005), S. 15. 8Vgl. Gigerenzer / Gaissmaier (2015), S. 40. 9Vgl. Fröse / Kaudela-Baum / Dievernich (2015), S. 3. 10Vgl. Krenzin (2008), S. 41, Gottwald (2015), S. 108. 11Vgl. u. a. Thom (2015), S. 222; Küpers (2015), S. 83. 12Vgl. Kaudela-Baum / Brasser (2015), S. 118.

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1  Einführung in die Vorliegende Arbeit zur Intuition im Management

(Die Rolle der) Intuition wird nicht thematisiert, obwohl diese ebenfalls fester Bestandteil der Managementaufgaben ist.13 Bis heute gilt Intuition als ein schwer zu verstehendes und zu bewertendes Phänomen, welches dringend näherer wissenschaftlicher Betrachtung bedarf.

1.2 Gewählte Fragestellung In der geplanten Forschungsarbeit soll das Thema Intuition im Kontext von Managemententscheidungen näher beleuchtet werden. Somit soll auch ein Beitrag dazu geleistet werden, das erwähnte Legitimationsproblem besser zu verstehen. Der Ausgangspunkt der Reiseroute durch den Forschungsprozess liegt bei den Managemententscheidungen. Der Fokus der Arbeit soll auf den Einflussfaktoren (bspw. den Arbeitsbedingungen) liegen, welche den intuitiv getroffenen Managemententscheidungen zugrunde liegen. Es soll ausgelotet werden, inwieweit die herrschenden Faktoren während des Entscheidungsprozesses die Intuition zulassen und wo die Grenzen der Intuition liegen. In dieser Arbeit wird von der Annahme ausgegangen, dass es keine generellen Faktoren gibt, welche alle Individuen in jeder Situation eine erfolgreiche intuitive Entscheidung treffen lassen. Vielmehr wird von einem Zusammenspiel zwischen verschiedenen variierenden situationellen und personalen Faktoren ausgegangen. Von daher soll erforscht werden, ob prototypische Konstellationen verschiedener Faktoren existieren. Diese Konstellationen könnten Hinweise auf Gelingensbedingungen geben, welche in einem förderlichen Arbeits- und Geschäftsklima, in welchem konstruktiv mit der Intuition umgegangen wird, vorliegen. Diese bilden den Möglichkeitsraum, in dem Managemententscheidungen intuitiv getroffen werden können. Die Erkundung dieses Möglichkeitsraums soll Aufschluss darüber geben, welche Elemente in welchen Konstellationen und Kombinationen das intuitive Treffen von Managemententscheidungen begleiten und gelingen lassen. Es soll ein Verständnis für Intuition im Managementkontext vermittelt und bestenfalls auch die Kompetenz zur Einschätzung der eigenen Intuition und zum Umgang mit dieser gesteigert werden. Am Ende der Forschungsarbeit sollen die auf unserer Reise gesammelten Erkenntnisse noch einmal konkret auf das Treffen von Managemententscheidungen angewandt werden und damit Manager/innen konkrete Implikationen zum Treffen intuitiver Entscheidungen bereitgestellt werden.

13Vgl.

Gigerenzer / Gaissmaier (2015), S. 34.

1.2  Gewählte Fragestellung

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All diese Aspekte münden in der Forschungsfrage: Welche differenziellen Einflussfaktoren existieren im Möglichkeitsraum intuitiver Managemententscheidungen? Diese Forschungsfrage soll ausdrücken, • dass intuitiv getroffene Managemententscheidungen samt des damit einhergehenden Legitimationsproblems der Gegenstand des Interesses dieser Arbeit sind, • dass die situationellen und personalen Einflussfaktoren mit einer differenzierten Perspektive betrachtet werden, • dass Einflussfaktoren in Form von Rahmenbedingungen, Spannungsfeldern und Konstellationen beleuchtet werden und • dass es weniger um die Wirkrichtung der Einflussfaktoren geht, als vielmehr um deren gleichzeitige Existenz im Möglichkeitsraum intuitiver Managemententscheidungen. Auf die Formulierung der Fragestellung wird im Kapitel 4, im Zusammenhang mit der Entwicklung des Forschungsdesigns sowie im Kapitel 5, im entsprechenden Reflexionsteil, noch einmal detailliert eingegangen.

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Stand der Forschung im Forschungsfeld ‘Intuition in Managemententscheidungen’

Die Reise durch den Forschungsprozess beginnt mit der Aufnahme des vorliegenden Wissens zum Thema in Form der Aufarbeitung des gegenwärtigen Forschungsstandes. Bei Betrachtung der Fragestellung fallen drei zentrale Aspekte ins Auge: Die Intuition als zu untersuchendes Phänomen, die Managemententscheidung als Rahmen, in dem das Auftreten des Phänomens untersucht werden soll, und die Legitimität als Herausforderung für das Phänomen. Dementsprechend liegt der Fokus des folgenden Kapitels auf diesen drei Konstrukten (Abbildung 2.1).

Abbildung 2.1   abstrakte Darstellung des zu untersuchenden Phänomens im Kontext von Wirkmechanismen und Rahmenhandlung. (Eigene Darstellung)

Mit dem Stand der Forschung sollen die theoretischen Hintergründe zu diesen drei Komponenten näher beschrieben werden. Begonnen wird mit einer kurzen Abhandlung über Managemententscheidungen (2.1), welche das Forschungsfeld

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 O. Ahel, Intuition im Management, Systemaufstellungen in Wissenschaft und Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31144-5_2

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2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

eingrenzen und für die Problemstellung sensibilisieren soll. Anschließend wird der Stand der Forschung zum Thema Intuition (2.2) hergeleitet. Dies erfolgt anhand der Betrachtung der bisherigen Auseinandersetzung der verschiedenen wissenschaftlichen Fachdisziplinen mit dem Thema sowie der unterschiedlichen Ansätze, mit denen sich dem Thema genähert wird. Ergänzend erfolgt im Zuge dessen ein Exkurs über den Zusammenhang zwischen dem Phänomen der Intuition und den Handlungsprinzipien der Nachhaltigkeit. Anschließend werden Nutzen und Grenzen der Intuition aufgezeigt. Zum Abschluss des Kapitels zum Stand der Forschung werden die verschiedenen Stufen von Legitimität erörtert (2.3). Aufbauend auf den Informationen dieses Kapitels werden schließlich die relevanten Ansätze aus dem Stand der Forschung in den in dieser Arbeit verwendeten Forschungsansatz (3) extrahiert. Im Sinne der geistigen Reise durch den Forschungsprozess gilt es, aus der Vielzahl der Begegnungen mit Aspekten zum Forschungsthema auch einige bleibende Eindrücke mitzunehmen. Aus diesem Grund erfolgt zur übersichtlichen Erkenntnissicherung am Ende jedes thematischen Abschnittes unter dem Titel ‘Was können wir mitnehmen?’ eine Zusammenfassung der für diese Forschungsarbeit wichtigen Aspekte.

2.1 Managemententscheidungen In dem folgenden Abschnitt über Managemententscheidungen sollen neben der Skizzierung des für das Forschungsthema zentralen Begriffs der Managemententscheidung(en) und der damit verbundenen Komponenten auch eine kurze Übersicht darüber erfolgen, wie sich gegenwärtig wissenschaftlich prinzipiell mit Entscheidungen auseinandergesetzt wird und wo die Grenzen dieser Betrachtungsweise liegen.

2.1.1 Entscheidungen und Entscheidungstheorien Im Laufe eines Menschenlebens werden unzählige Entscheidungen getroffen, wobei vermutlich hauptsächlich jene in Erinnerung blieben, bei denen der Ausgang der Entscheidung weitreichende Konsequenzen mit sich bringt. Die gängige wissenschaftliche Verwendung des Begriffs hingegen sieht jeden einzelnen Wahlakt als Entscheidungssituation und beschreibt Entscheidungen allgemein als „(mehr oder weniger bewusste) Auswahl einer von mehreren möglichen

2.1 Managemententscheidungen

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­ andlungsalternativen“.1 Damit in diesem Sinne von Entscheidungen gesprochen H werden kann, müssen die folgenden Bedingungen erfüllt sein:2 • Eine Wahlsituation mit mindestens zwei klar voneinander abgrenzbaren Handlungsalternativen liegt vor. • Die Resultate der einzelnen Alternativen sind bewertbar (bspw. mit einem bestimmten Nutzen, Vorteil oder Gewinn verknüpfbar). • Die Handelnden fühlen sich verpflichtet, die gewählte(n) Handlungsalternative(n) umzusetzen und es liegen nicht lediglich hypothetische oder nicht durchführbare Alternativen vor. Vom Entscheidungsbegriff ausgehend untersucht die Entscheidungstheorie mittels logischer oder empirischer Analysen das rationale bzw. intendiert rationale Entscheidungsverhalten von Individuen und Gruppen.3 Die Untersuchung von Managemententscheidungen fällt damit ebenfalls unter die Zuständigkeit der Entscheidungstheorie. Die Entscheidungstheorie analysiert dabei die zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen, beschreibt die Konzepte und Methoden für den Vergleich der Alternativen, entwickelt diese weiter und erklärt, wie Akteure in bestimmten Situationen Entscheidungen treffen.4 Angesichts der Komplexität des Untersuchungsgegenstandes sowie der Vielfältigkeit der damit verbundenen Fragestellungen handelt es sich bei der Entscheidungstheorie um eine interdisziplinäre Wissenschaft, in welcher verschiedene Ansätze (bspw. aus der BWL, der Soziologie und der Psychologie) zusammenfließen.5 Hinsichtlich der Ausrichtung werden innerhalb der Entscheidungstheorie zwei grundlegend unterschiedliche Ausrichtungen (präskriptive Ausrichtung und deskriptive Ausrichtung) unterschieden.6 Während die präskriptive bzw. normative Entscheidungstheorie untersucht, wie rationale Entscheidungen in gegebenen Situationen mit gegebenen Zielen präskriptiv zu

1Laux

/ Gillenkirch / Schenk-Mathes (2018), S. 3. Wessler (2012), S. 2; Rehkugler / Schindel (1990), S. 11. 3Vgl. Rehkugler / Schindel (1990), S. 11; Bamberg / Coenenberg / Krapp (2012), S. 1; Rommelfanger / Eickemeier (2002), S. 2. 4Vgl. Wessler (2012), S. 1–2. 5Vgl. Szyperski / Winand (1974), S. 2; Laux / Gillenkirch / Schenk-Mathes (2018), S. 3. 6Vgl. Bamberg / Coenenberg / Krapp (2012), S. 1 ff; Eisenführ / Weber / Langer (2010), S. 1 ff.; Laux / Gillenkirch / Schenk-Mathes (2018), S. 3. 2Vgl.

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2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

gestalten sind, um optimale Handlungsalternativen auszuwählen, befasst sich die deskriptive Entscheidungstheorie mit der Erforschung empirisch beobachtbarem Entscheidungsverhalten.7 präskriptive Ausrichtung Die Zielsetzung der präskriptiven Entscheidungstheorie besteht darin, Empfehlungen darüber auszusprechen, wie Individuen oder Gruppen Entscheidungen in unterschiedlichen, gegebenen Entscheidungssituationen mit gegebenen Zielen idealerweise treffen sollten, um die optimalen Handlungsalternativen auszuwählen.8 Der präskriptive Ansatz baut auf dem Grundgedanken der Entscheidungslogik auf, da ausschließlich auf die rationale Komponente des Entscheidungsprozesses geblickt wird.9 Die theoretische Grundlage der heutigen präskriptiven Entscheidungstheorie bilden die Spieltheorie10 und das damit verbundene Modell des Homo Oeconomicus11 als rational entscheidenden, vollständig informierten, egoistischen und nutzenmaximierenden Akteur.12 Auch wenn die jeweilige Entscheidungssituation weiterhin als vorgegebener Faktor betrachtet wird, so wird aktuell nicht mehr davon ausgegangen, dass Entscheider/innen vollständig über alle theoretisch realisierbaren Handlungsmöglichkeiten informiert sind.13 Diese objektive Rationalität wurde zugunsten des Postulates subjektiver Rationalität aufgegeben, nach welchem eine Entscheidung auch dann als optimal gilt, wenn sie nach dem subjektiven Wissensstand der Entscheider/innen die beste Alternative darstellt.14 Bezüglich der Entscheidungsprämissen geht die präskriptive Entscheidungstheorie von vernünftig handelnden Akteuren aus, die nach einer optimalen, den Nutzen optimierenden Handlungsalternative suchen.15

7Vgl.

Rommelfanger / Eickemeier (2002), S. 2.

8Vgl. Laux / Gillenkirch / Schenk-Mathes (2018), S. 18 ff. 9Vgl.

Rehkugler / Schindel (1990), S. 12; Bamberg / Coenenberg / Krapp (2012), S. 3 Laux / Gillenkirch / Schenk-Mathes (2018), S. 4. 10ursprünglich Ende des 19. Jhd. entwickelt von Pascal und Fermat, in den 1940er Jahren auf die Ökonomie übertragen von Neumann und Morgenstern, in den 1950er Jahren zu einer geschlossenen Theorie gearbeitet von Wald und Savage, Siehe hierzu Wessler (2012). 11Siehe Ingram (1888 und 1915). 12Vgl. Wessler (2012), S. 11. 13Vgl. Bamberg / Coenenberg / Krapp (2012), S. 3. 14Vgl. Bamberg / Coenenberg / Krapp (2012), S. 4. 15Vgl. Laux / Gillenkirch / Schenk-Mathes (2018), S. 4 und S. 38.

2.1 Managemententscheidungen

11

Um Entscheidungsmodelle nach diesem Muster modellieren zu können, wird vorausgesetzt, dass die Personen, die Entscheidungen treffen, sich der Ausgangssituation, der Ziele und der Wirkung der Handlungen bewusst sind.16 Die Entscheider/innen verfügen dabei über ein in sich widerspruchsfreies Zielsystem, welchem gemäß sie sich entsprechend verhalten.17 Die Entstehung und Bewertung dieser Ziele sind explizit kein Forschungsgegenstand der präskriptiven Entscheidungstheorien, vielmehr werden diese als ein weiterer vorgegebener Faktor gesehen.18 Die Untersuchung von Managemententscheidungen mittels präskriptiver Entscheidungstheorie bringt im Ergebnis Entscheidungsmodelle für verschiedene Entscheidungssituationen und Zielsysteme. Um den Manager/innen Entscheidungshilfen für die Lösung von Entscheidungsproblemen anzubieten, werden Entscheidungen derart formalisiert und strukturiert, dass sich die Lösungen logisch ableiten lassen.19 Es entsteht ein System von nicht im Widerspruch zueinander stehenden Axiomen bezüglich der Präferenzen und Fähigkeiten von Entscheider/ innen.20 Bei diesen Ergebnissen ist allerdings zu beachten, dass vom „konkreten Gehalt der jeweiligen Entscheidungssituation weitgehend abstrahiert“ wird.21 Die zweckmäßige und notwendige Komplexitätsreduktion durch das Anfertigen von Modellen bedeutet eine starke Vereinfachung realer Entscheidungsprozesse, was ebenfalls nur ein sehr eingeschränktes Urteil bei der Betrachtung der Ergebnisse dieser Modelle zulässt.22 Die Entscheidungsmodelle eignen sich ehestens für Investitionsentscheidungen, da diesen auch in unterschiedlichen Entscheidungen häufig dieselbe Struktur zugrunde liegt.23

16Vgl.

Laux / Gillenkirch / Schenk-Mathes (2018), S. 19 ff. Bamberg / Coenenberg / Krapp (2012), S. 2–3. 18Vgl. ebd. 19Vgl. Bretzke (1980), S. 8. 20Vgl. Laux / Gillenkirch / Schenk-Mathes (2018), S. 44. 21Laux / Gillenkirch / Schenk-Mathes (2018), S. 4. 22Vgl. Fleßa (2010), S. 32; Obermaier / Saliger (2013), S. 2; Tropp (2004), S. 57; Scholl (2001), S. 15 ff.; Pauli (2009), S. 48. 23Vgl. Hagenloch (2009), S. 2; Fleßa (2010), S. 91; Kruschwitz (2014), S. 5; Fischer (2004), S. 1; Laux / Gillenkirch / ­Schenk-Mathes (2018), S. 29. 17Vgl.

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2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

deskriptive Ausrichtung Die deskriptive Entscheidungstheorie hingegen soll auf Grundlage von empirischen Beobachtungen das reale Entscheidungsverhalten beschreiben und erklären.24 Aus den empirischen Daten sollen Gesetzmäßigkeiten abgeleitet und Hypothesen über das Entscheidungs- und Problemlösungsverhalten von Individuen und Gruppen erarbeitet werden.25 Die deskriptiven Ansätze entstanden aus einer Kritik an der mathematisch geprägten Theorie der rationalen Wahl.26 Im Gegensatz zur präskriptiven Entscheidungstheorie vermochten es ihre zahlreichen Kritiker/innen bisher noch nicht, die deskriptiven Ansätze zu einer geschlossenen Theorie zu integrieren, vielmehr koexistieren diverse unterschiedliche Forschungsergebnisse und Modellansätze aus verschiedenen Disziplinen.27 Allen deskriptiven Ansätzen gemein sind einige Prämissen und Erkenntnisse. So stellte die deskriptive Entscheidungstheorie einhellig fest, dass in der Praxis ein Verhalten an den Tag gelegt wird, welches nicht (immer) dem rationalen Streben nach Effizienz folgt.28 Im Zentrum des Interesses steht also nicht die Rationalität als Norm, sondern das tatsächliche Problemlösungsverhalten der Entscheidungsträger/innen. Darüber hinaus beinhaltet die deskriptive Entscheidungsanalyse auch die Umstände der Entscheidungssituation sowie den Prozess der Zielbildung.29 An anderen Punkten unterscheiden sich die speziellen Ausrichtungen der deskriptiven Entscheidungstheorie. Zur Übersicht sollen die wichtigsten Sichtweisen kurz erläutert werden. Nach der Theorie der begrenzt-rationalen Wahl30 treffen Entscheider/ innen Entscheidungen nur teilweise rational und sind nicht zwingend auf einen maximalen Nutzen ausgerichtet, sondern versuchen vielmehr lediglich ein bestimmtes Anspruchsniveau zu befriedigen.31 Informationen werden dabei stets

24Vgl.

Laux / Gillenkirch / Schenk-Mathes (2018), S. 17–18. Laux / Gillenkirch / Schenk-Mathes (2018), S. 4; Sieben / Schildbach (1994), S. 3; Scherm (2018), S. 19. 26Simon (1960) sowie Cyert / March (1963) setzten sich für die Überarbeitung der bestehenden Modelle ein um das empirisch auffindbare Entscheidungsverhalten in Organisationen besser erklären zu können. 27Vgl. Rehkugler / Schindel (1990), S. 197–200. 28Vgl. Laux / Gillenkirch / Schenk-Mathes (2018), S. 18; Eisenführ / Weber (2003), S. 357 ff.; Kirchler, (1999), S. 20 ff. 29Vgl. Rehkugler / Schindel (1990), S. 12–13. 30Siehe Simon (1960) sowie Cyert / March (1963). 31Vgl. Staehle (1999), S. 520–522; Rommelfanger / Eickemeier (2002), S. 5. 25Vgl.

2.1 Managemententscheidungen

13

subjektiv wahrgenommen und sind dementsprechend unvollständig.32 Auch sind die Ziele dabei individueller Natur und somit können Zielsysteme inkonsistent sein oder von kollektiven Normen beeinflusst werden.33 Nach dem Modell des Inkrementalismus34, welches auch als ‘Methode des Durchwurstelns’35 bekannt wurde, vergleichen Entscheider/innen nacheinander verschiedene Handlungsalternativen und entscheiden sich, sobald eine davon zufriedenstellend ist.36 Eine klare Zielbestimmung sowie eine umfassende Prüfung der Handlungsalternativen und deren Konsequenzen finden hingegen nicht statt.37 Der affektive Aspekt von Entscheidungen wird im Konflikt-Modell der Entscheidung38 hervorgehoben. Demnach lösen bestimmte Entscheidungen, insbesondere jene von hoher Wichtigkeit und jene mit unklaren Konsequenzen, negative Emotionen wie Angst, Ärger oder Stress aus, was sich wiederum negativ auf die Entscheidungsqualität auswirkt.39 Für den Entscheidungsprozess relevante Alternativen würden durch diesen Mechanismus übersehen und blieben dann unberücksichtigt.40 Das Politik-Modell der Entscheidung41 sieht Entscheidungsprozesse im organisationalen Kontext vorrangig als Aushandlungsprozesse zwischen verschiedenen Interessengruppen mit unterschiedlichen Zielen.42 Bei den Interessengruppen handelt es sich i. d. R. um eine Kerngruppe (bspw. der Vorstand), welche formell legitimiert ist, Ziele verbindlich festzulegen, sowie um mehrere Satellitengruppen (bspw. der Betriebsrat), welche versuchen, Entscheidungsprozesse in ihrem Sinne zu beeinflussen.43 Die Entscheidungen erfolgen im Endeffekt durch Kompromisse und Interessenausgleiche zwischen den Parteien.44

32Vgl.

ebd. Staehle (1999), S. 521. 34Siehe Lindblom (1959). 35Siehe Kirsch (1970). 36Vgl. Staehle (1999), S. 522. 37Vgl. ebd. 38Siehe Janis / Mann (1977). 39Vgl. Staehle (1999), S. 525. 40Vgl. Auer-Rizzi (1998), S. 176. 41Siehe Easton (1965). 42Vgl. Staehle (1999), S. 526–527, Blank (1978), S. 77 ff. 43Vgl. ebd. 44Vgl. Cyert / March (1963), S. 33 ff. 33Vgl.

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2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Im Modell der organisierten Anarchie (auch Garbage Can Model)45 sind Entscheidungsvorgänge nicht als strukturierte Prozesse organisiert, sondern als wildes Aufeinandertreffen der vier Ströme ‘Probleme’ (Interessen und Ansprüche von Beteiligten), ‘Lösungen’ (mögliche Lösungen der Probleme), ‘Entscheidungsgelegenheiten’ und ‘Akteure’, welche in den ‘Garbage Can’ fließen und dort gemeinsam ein mehr oder weniger zufälliges Entscheidungsergebnis produzieren.46 Andere Ansätze befassen sich insbesondere mit nicht-rationalen Entscheidungsverhalten aufgrund bestimmter Heuristiken.47 Ungeachtet der Differenzen und der unterschiedlichen Schwerpunkte sind alle deskriptiven Ansätze auf der Suche nach einem „möglichst umfassenden System empirisch gehaltvoller und daher durch die Realität widerlegbarer Hypothesen, die das Entscheidungs- und Problemlösungsverhalten der Menschen erklären“.48 Aus den gesammelten Daten können aber nicht nur Hypothesen zu allgemeinen Entscheidungen erarbeitet, sondern auch Prognosen über zukünftiges Verhalten abgeleitet werden.49 Des Weiteren werden anhand der deskriptiven Entscheidungstheorie auch die Axiomensysteme normativer Entscheidungstheorien gezielt überprüft.50 In beiden Strömungen der Entscheidungstheorie erfolgte aus unterschiedlichen Gründen bisher keine Integration intuitiver Konzepte in nennenswertem Umfang. Da im Bereich der präskriptiven Entscheidungstheorie die Rationalität die Norm für bestmögliche Handlungsalternative darstellt, ist die Intuition explizit kein Forschungsgegenstand dieses Ansatzes.51 Teilweise wird der Begriff der Intuition auch explizit per Definition aus dem Feld der Entscheidungen ausgeschlossen: „Eine Wahlhandlung ist im engeren Sinne nur dann eine Entscheidung, wenn sie bewusst vollzogen wird. Einem Handeln aus Gewohnheit oder Intuition geht keine echte Entscheidung voraus“.52 Wirkliche Entscheidungen entspringen stets dem ‘nüchternen Verstand’ der Menschen.53 Doch auch in den deskriptiven

45Siehe

Cohen et al. (1972). Staehle (1999), S. 527–528. 47Siehe bspw. Kirchler (1999); Auf Heuristiken wird im Abschnitt 2.2.1. Erkenntnis und Denkmuster noch gesondert eingegangen. 48Sieben / Schildbach (1994), S. 177. 49Vgl. Laux / Gillenkirch / Schenk-Mathes (2018), S. 17–18. 50Vgl. ebd. 51Vgl. Sieben / Schildbach (1994), S. 1–3. 52Rehkugler / Schindel, (1990), S. 11. 53Vgl. Sieben / Schildbach (1994), S. 198. 46Vgl.

2.1 Managemententscheidungen

15

­ ntscheidungstheorien, welche die reine Rationalität als realitätsfern bezeichnen E und somit ablehnen, finden sich kaum Konzepte intuitiven Entscheidens. Neben den Komponenten ‘Erfahrung’, ‘Erkenntnis’ und ‘Kreativität’ wird die ‘Intuition’ zwar als klassische Technik für Entscheidungsfindungen in unstrukturierten Situationen genannt, gleichzeitig wird aber auch dringend angeraten, diese überholten Techniken zu geordnetem Denken hin weiterzuentwickeln.54 Andere deskriptive Ansätze verorten die Intuition eher im Bereich von Entscheidungsanomalien oder Heuristiken.55 Es kann festgehalten werden, dass die Managemententscheidungen in dieser Forschungsarbeit nicht in den Zuständigkeitsbereich der präskriptiven Entscheidungstheorie fallen, da es explizit nicht darum gehen soll, rationale und nicht intuitive Entscheidungsmodelle zu entwerfen. In dieser Arbeit wird sich also der deskriptiven Entscheidungstheorie bedient, um zu beschreiben, unter welchen Voraussetzungen intuitive Entscheidungen getroffen werden. Es soll beschrieben werden, wie und unter welchen Bedingungen tatsächlich intuitiv Managemententscheidungen getroffen werden, in welchen Spannungsfeldern sich dabei bewegt wird und mit welchen Elementen der Möglichkeitsraum intuitiver Managemententscheidungen dabei gefüllt sein kann. Ferner kann festgehalten werden, dass die heutigen Entscheidungstheorien allesamt an ihre Grenzen stoßen, wenn es um die Integration der Intuition geht. Um zu verdeutlichen, wo die Grenzen rationaler Entscheidungsprozesse liegen, sollen im folgenden Absatz die Grundprobleme komplexer Entscheidungen beschrieben und aufgezeigt werden, an welcher Stelle es nötig werden kann, sich, insbesondere bei Managemententscheidungen, auf die Intuition zu beziehen.

2.1.2 Entscheidungen im Management Auch wenn alle Entscheidungen hinsichtlich der zugrunde liegenden Prinzipien gleich definiert sind (siehe im vorherigen Abschnitt weiter oben), so unterscheiden sich Managemententscheidungen doch in einigen Punkten von alltäglichen Entscheidungen. Die ausschlaggebenden Merkmale, welche Managemententscheidungen als solche charakterisieren, sind neben dem Unternehmensbezug vor allem ihr weitere Entscheidungen auslösender Grundsatzcharakter, eine hohe Bindungswirkung, weitgehende Irreversibilität, ein hoher monetärer Wert des

54Vgl. 55Vgl.

Simon (1960), S.  8 und 11. Wessler (2012), S. 145 ff.

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2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Entscheidungsinhalts, ein verstärkter Wertebezug, ein geringer Strukturierungsgrad sowie eine hohe Tragweite der Entscheidung.56 Prinzipiell befassen sich Managemententscheidungen i. d. R. mit dem Finden, Bewerten, Auswählen, Anstoßen und Kontrollieren der Umsetzung von Handlungsalternativen im Unternehmenskontext und zielen dabei auf die Gewährleistung des Unternehmenserfolgs ab.57 Hinter den Managemententscheidungen steht dabei allerdings kein monolithisches Unternehmen, sondern Individuen, welche die Managementebene des Unternehmens bilden.58 Die Entscheidung wird im Endeffekt von einem Individuum oder von einem Gremium, in welchem die einzelnen an der Entscheidung beteiligten Manager/innen die eigenen Meinungen hineintragen, getroffen.59 Managemententscheidungen sind also auch soziale Prozesse.60 In arbeitsteiligen Unternehmen kann es zu Zielkonflikten sowie zu Überschneidungen von Geschäftsprozessen und dazugehörigen Kompetenzen kommen und somit entsteht Abstimmungsbedarf zwischen einer Vielzahl von Verantwortlichen für bestimmte Bereiche.61 Für die meisten Grundmodelle der betriebswirtschaftlichen Entscheidungslehre stellen die Entscheidungsträger/innen kein Element von Interesse dar.62 Alle in der Person der Entscheider/innen begründeten Komponenten fließen in die Betrachtung der Entscheidung maximal indirekt über die Formulierung der Ziele, Präferenzen und Entscheidungsregeln ein.63 Die Berücksichtigung der personalen Faktoren der Entscheidungsträger/innen ist allerdings ein wichtiger Bestandteil für die Untersuchungen in dieser Arbeit. Zum einen, da insbesondere vermutet wird, dass der Zugang zur Intuition der Entscheider/innen sich nicht ohne einen Einblick in die persönlichen Faktoren abbilden lässt und zum anderen,

56Vgl.

Macharzina / Wolf (2005), S. 41 ff. Blank (1978), S. 13; Oppelt (1995), S. 94 ff.; Wirtschaftslexikon24 (2019), Ansoff 1966, S. 23; Haric (2018), o. S. 58Vgl. Neuberger (1994), S.10 ff.; Niermann / Schmutte (2017), S. 8; Krcmar (2015), S. 25. 59Vgl. Blank (1978), S. 47 ff. und 77 ff. 60Vgl. Neuberger (1994), S. 10 ff.; Niermann / Schmutte (2017), S. 8; Rommelfanger / Eickemeier (2002); S. 191. 61Vgl. Kriegel et al. (2017), S. 319; Wirtschaftslexikon24 (2019), o. S., Blank (1978), S. 86; Türk (1973), S. 303 ff. Thibes / Plankert (2014), S. 171; Kühl / Schnelle (2002), S. 62. 62Vgl. Mach (2002), S. 16. 63Vgl. ebd. 57Vgl.

2.1 Managemententscheidungen

17

da aus den o.g. Gründen allgemein vermutet wird, dass die persönliche Ebene für jede Art von Entscheidung eine gewisse Bedeutung aufweist. Das Ignorieren dieser persönlichen Komponenten stellt insbesondere im Hinblick auf intuitive Entscheidungen also eine Lücke der Entscheidungstheorie dar. In den rationalen Entscheidungsmodellen, welche die Entscheidungsträger/innen nicht gesondert berücksichtigen, werden prinzipiell alle rationalen Entscheidungen nach einem ähnlichen Grundmuster getroffen.64 Aus zuvor gesammelten (Handlungs-)Alternativen wird eine Alternative (i. d. R. jene, welche das Problem optimal löst), ausgewählt. 65 In dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass getroffene Entscheidungen auch umgesetzt werden, der Terminus ­ (Management-)Entscheidung wird also synonym zum Terminus Handlung verwendet. Entscheidungen, die keine Handlung (bzw. das absichtliche Unterlassen einer Handlung) nach sich ziehen und somit keine Wirkung hervorrufen, sollen nach Möglichkeit nicht weiter beachtet werden, da vermutet wird, dass der praxeologische Erkenntnisgewinn für solcherlei wirkungslose Entscheidungen zu gering ausfällt. Wie die Abbildung 2.2 zeigt, lassen sich Entscheidungen in verschiedene Entscheidungsphasen aufgliedern, denen jeweils Entscheidungsprämissen zugeordnet werden können, wobei die Auswahl dieser per se bereits einen Entscheidungsprozess darstellt.

Abbildung 2.2   Ablauf eines Entscheidungsprozesses. (Eigene Darstellung nach MüllerChrist 2014)

64Vgl.

Müller-Christ (2014), S. 366. M ­ üller-Christ (2014), S. 366 und (2012), S. 165; Kern (1994), S. 6; Schneider (1999), S. 7 ff; Oppelt (1995), S. 96.

65Vgl.

18

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

In der ersten Phase wird aus dem Raum aller möglichen Probleme eine relevante Problemstellung definiert bzw. erkannt.66 In der Phase der Alternativensuche werden verschiedene Handlungsoptionen ersonnen und in der Phase der Alternativenbewertung werden die gesammelten Alternativen auf Nützlichkeit hin geprüft.67 Nach der Logik rationaler Entscheidungen wäre jeder einzelne dieser Schritte genau betrachtet wiederum ein rationaler Entscheidungsprozess für sich und dieser wiederum bestünde aus den einzelnen Schritten des Entscheidungsprozesses usw. Dies wirft unweigerlich die Frage auf, wo sich der initiale Ausgangspunkt dieses Prozesses befindet, ohne jenen sich die einzelnen Prozessschritte bis zur Unendlichkeit in weitere Entscheidungsprozesse unterteilen würden. Damit sich der Entscheidungsfindungsprozess nicht ins Unendliche ausdehnen kann, müssen also in den einzelnen Phasen ein Punkt existieren, an welchen plötzliches Wissen zur Verfügung steht. Die Vermutung liegt nahe, dass sich dieser Punkt in den Phasen der Alternativensuche und -bewertung befindet. Um Alternativen für die vorliegende Entscheidung wahrzunehmen, bedarf es der Erkenntnis, dass es sich um ebensolche Alternativen handelt. Sofern Alternativen nicht durch im Vorhinein stattfindende Berechnungen zu Alternativen werden, bedarf es spontanem Wissen, um Alternativen zu erkennen. Auch bei der Alternativenbewertung könnte spontanes Wissen zum Erkennen von Bewertungskriterien führen. Wenn nun die Phase der Problemstellung ebenfalls als einen Schritt der Sammlung von Problemalternativen gesehen wird, dann müsste es dort einen Punkt geben, an welchem spontanes Wissen aus dem Raum aller möglichen Probleme ein Problem erkennen lässt und dieses als relevant bewertet. Somit würde selbst dieses rationale und relativ übersichtliche Entscheidungsprozessmodell über gewisse Bezüge zur Intuition verfügen, bzw. über gewisse Punkte, an denen es auf rationale Weise ohne spontan im Bewusstsein auftretende Erkenntnis nicht weitergehen würde. Managemententscheidungen gehen zudem noch mit einer hohen Komplexität einher.68 Mit Entscheidungen unter Komplexität gehen bestimmte Grundprobleme einher, deren Beschaffenheit vermuten lässt, dass die Intuition hilfreich beim Umgang mit diesen Grundproblemen sein kann. Wie diese Grundprobleme beschaffen sind und wie die Intuition dabei Abhilfe leisten kann, soll ein Blick

66Vgl.

ebd. ebd. 68Vgl. Reinhard / Weidermann (1984), S. 57 ff.; Maul (1993), S. 716 ff.; Niermann / Riddermann (2017), S. 40 Holzbaur (2018), S. 2. 67Vgl.

2.1 Managemententscheidungen

19

auf die Merkmale komplexer Entscheidungen zeigen. Komplexe Entscheidungssituationen, wie Managemententscheidungen es sind, zeichnen sich durch die Merkmale ‘Komplexität’, ‘Intransparenz’, ‘Dynamik’, ‘Vernetztheit’ sowie ‘Unvollständigkeit und Falschheit des Realitätsmodells’ aus.69 Zusätzlich wird auch dar Faktor ‘Zieloffenheit’ als ein solches Merkmal genannt.70 In komplexen Entscheidungssituationen existiert also eine große Anzahl an Elementen sowie eine starke Abhängigkeit dieser Elemente untereinander.71 Die Komplexität nimmt dabei zu, je mehr Elemente in der Entscheidung existieren und je stärker diese Elemente gegenseitig voneinander abhängig sind.72 Zahlreiche notwendige Informationen sind dabei den Entscheider/innen gar nicht oder nicht unmittelbar zugänglich.73 Durch hohe Intransparenz entsteht Unbestimmtheit und Ungewissheit im Entscheidungsprozess.74 Aufgrund hoher Dynamik in komplexen Entscheidungssituationen verändern sich die Elemente permanent und teilweise von selbst.75 Dies bedeutet auch, dass die zeitliche Komponente eine Rolle spielt und durch die Veränderungsgeschwindigkeit ein gewisser Zeitdruck entstehen kann, welcher sich auf die Qualität des Planungsprozesses und der Informationssammlung auswirken kann.76 Alle Elemente hängen also miteinander zusammen und sind vernetzt. Die Entscheidung und die damit verbundenen Handlungen haben vielfältige und weitreichende Auswirkungen.77 Dieses Bild der Vernetzung, der gegenseitigen Abhängigkeiten und wechselseitigen Beziehungen beschreibt sehr deutlich die dynamische, turbulente Welt der globalen Marktwirtschaft.78 Darüber hinaus können die expliziten und impliziten Annahmen, welche der Entscheidung zugrunde liegen (Realitätsmodell) nicht vollständig und auch falsch sein.79 Auch können komplexe Entscheidungen mit einer Vielzahl möglicher Ziele einhergehen, welche teilweise

69Vgl.

Dörner (2011), S. 58–59. Schumacher (2018), o. S. 71Vgl. Dörner (2011), S. 59 ff.; Eisenführ / Weber / Langer (2010), S. 2 ff.; Fischer (2004), S. 1; Pauli (2009), S. 47. 72Vgl. Dörner (2011), S. 60. 73Vgl. Dörner (2011), S. 63–64; Niermann (2017), S. 24. 74Vgl. Dörner (2011), S. 64. 75Vgl. Dörner (2011), S. 62–63. 76Vgl. Dörner (2011), S. 62–63; Oppelt (1995) S. 1–2; Greschner / Zahn (1992), S. 11. 77Vgl. Dörner (2011), S. 60–62. 78Vgl. Niermann (2017), S. 26. 79Vgl. Dörner (2011), S. 64–66; Niermann (2017), S. 25. 70Vgl.

20

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

nicht miteinander vereinbart werden können.80 D.h., es können nicht alle Ziele widerspruchsfrei festgelegt und Prioritäten zugewiesen werden, da sie nicht gleichzeitig erreichbar sind oder gar gegenläufig sind.81 Ziele können mehrdeutig, vielfältig oder in sich widersprüchlich sein. Probleme, Konflikte, Gegensätze, Dilemmata und Paradoxa gehören somit zum Management.82 Da es nahezu unmöglich erscheint, alle Bestandteile komplexer Entscheidungen zu überblicken und die anfallenden Informationen adäquat zu bewerten, könnte an dieser Stelle auf die Intuition zurückgegriffen werden. Auch das Strukturwissen83, also das Wissen darüber, wie die Variablen im System zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen, stößt bei zunehmendem Komplexitätsniveau an die natürlichen Grenzen des menschlichen Bewusstseins. Auch hier bedarf es weiterer unbewusster Ressourcen. Um dem komplexen Charakter von Managemententscheidungen gerecht zu werden, wird Manager/innen empfohlen, ‘in Kreisen’ zu denken.84 Ab einem gewissen Komplexitätsgrad ist es allerdings nicht mehr möglich, alle Konsequenzen und Wirkungen zu berücksichtigen, was unter Umständen dazu führen kann, dass die großen unübersichtlichen Probleme analytisch in Teilprobleme zerlegt werden, für welche dann Entscheidungen getroffen werden sollen.85 Da sich bspw. das unwägbare und unendliche Zusammenspiel von Natur, Planet und menschlicher Gesellschaft keinesfalls überblicken lässt, versuchen Manager/innen, Risiken und Gefahren abzuschätzen, indem kleine Ausschnitte fokussiert werden.86 Um aber das Gesamtbild weiterhin im Blick zu behalten, wäre wieder ein Rückgriff auf die Intuition vonnöten.87 Darüber hinaus ergeben sich weitere Anforderungen, um mit den Grundproblemen komplexer Entscheidungen umzugehen. Hierzu zählt neben Struktur-

80Vgl. Schumacher (2018), o. S.; Eisenführ / Weber / Langer (2010), S. 2 ff. Fischer (2004), S. 1; Pauli (2009), S. 47. 81Vgl. ebd. 82Vgl. Niermann (2017), S. 25. 83Siehe. Dörner (2011). 84Vgl. Weick (1995), S. 126; Niermann / Schmutte (2017), S. 8. 85Vgl. Steven (1994), S. 33 ff.; Blank (1978), S. 60; Rommelfanger / Eickemeier (2002), S. 7. 86Vgl. Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997), S. 43. 87Vgl. ebd.

21

2.1 Managemententscheidungen

wissen auch die Fähigkeit, sich einzugestehen, etwas nicht zu wissen oder etwas Falsches angenommen zu haben, sprich die Fähigkeit zum Umgang mit unvollständigen und falschen Informationen. Bisher werden Managemententscheidungen hauptsächlich in die Kategorien ‘strategische Entscheidungen’, ‘taktische Entscheidungen’, ‘operative Entscheidungen’ und ‘Grundsatzentscheidungen’ unterschieden (siehe Tabelle 2.1).88 Tabelle 2.1   Typen von Managemententscheidungen in der klassischen Betriebswirtschaftslehre. (Eigene Darstellung) Typen von Managemententscheidungen

Aspekte der Entscheidung

strategische Entscheidungen

langfristig (Tragweite von mehr als drei Jahren), hohes Abstraktionsniveau

taktische Entscheidungen

mittelfristig (Tragweite von einem bis drei Jahren), mittleres Abstraktionsniveau

operative Entscheidungen

kurzfristig (Tragweite von weniger als einem Jahr), eher konkret

Grundsatzentscheidungen

Entscheidungen von grundsätzlichem Interesse

Diese Unterscheidung berücksichtigt zwar die Laufzeit und das Abstraktionsniveau von Entscheidungen, lässt jedoch außer Acht, wer von den Konsequenzen der Entscheidungen betroffen ist. Als Adressaten einer Entscheidung sollen die von den Konsequenzen der Entscheidung Betroffenen Berücksichtigung finden. Da die Auswirkungen von Entscheidungen im ­ Nachhaltigkeitskontext von substantieller Bedeutung sind, findet bei den folgenden ­ Untersuchungen die von Müller-Christ (2010) vorgenommene Unterteilung in die K ­ategorien ­‘Jetzt-für-jetzt-für-selbst-Entscheidungen’, ‘Jetzt-für-jetzt-für-andere-Ent­ scheidungen’, ‘Jetzt-für-dann-für-selbst-Entscheidungen’, ‘­Jetzt-für-dannfür-andere-Entscheidungen’ Anwendung (siehe Tabelle 2.2).

88Vgl.

Küpper (1995), S. 64; Egger / Winterheller (2001), S. 50.

22

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Tabelle 2.2   Typen von Managemententscheidungen. (Eigene Darstellung nach MüllerChrist 2010) Typen von Managemententscheidungen

Aspekte der Entscheidung

Jetzt-für-jetzt-für-selbst-Entscheidungen

sofortige Wirkung (innerhalb von zwei Jahren), konkreter Nutzen für die Entscheider/innen

Jetzt-für-jetzt-für-andere-Entscheidungen

sofortige Wirkung, konkreter Nutzen für andere, Ressourcen werden uneigennützig geteilt

Jetzt-für-dann-für-selbst-Entscheidungen

Wirkung tritt zu einem späteren Zeitpunkt (nach mehreren Jahren) zu Gunsten der Entscheider/innen ein, überkomplexe und unvorhersehbare Kausalitäten entstehen

Jetzt-für-dann-für-andere-Entscheidungen

Wirkung tritt zu einem späteren Zeitpunkt zu Gunsten anderer ein, überkomplexe und unvorhersehbare Kausalitäten entstehen, entgangener Nutzen wird möglicherweise von anderen Marktteilnehmern der Gegenwart genutzt, hoher Legitimationsaufwand

Diese Wahl soll den Bezug dieser Arbeit zur Nachhaltigkeitsthematik unterstreichen. Wie in den vorangegangenen Zeilen beschrieben, zeichnen sich Managemententscheidungen, welche auf eine nachhaltige Gestaltung der Zukunft abzielen, i. d. R. durch eine lange Laufzeit, sehr hohe Komplexität und eine hohe Tragweite aus. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Intuition eine notwendige Determinante darstellt, welche die Entscheidungsfindung bei derart komplexen und langfristigen Managemententscheidungen ermöglicht.89 Auf den Bezug zwischen der Intuition und den einzelnen Entscheidungstypen wird im Folgenden genauer eingegangen. All den aufgeführten Entscheidungstypen ist gemein, dass im Ergebnis bestimmte Ressourcen (Zeit, Geld, Material, Aufmerksamkeit etc.) erhofften Ergebnissen zugewiesen werden.90 Zugewiesene Ressourcen können aufgrund ihres absolut knappen Vorkommens anderen Entscheidungen dann nicht mehr zur Verfügung stehen.91 Die Verteilung der Ressourcen erfolgt stets zum

89Vgl.

Bechtler (1987), S. 27. Müller-Christ (2014), S. 367. 91Vgl. ebd. 90Vgl.

2.1 Managemententscheidungen

23

­ ntscheidungszeitpunkt (jetzt), während die erwarteten Zwecke an unterE schiedlich weit entfernten Zeitpunkten in der Zukunft (jetzt oder dann) liegen können.92 Adressaten der Wirkung von Entscheidungen können die Entscheider/innen (selbst) oder andere Personen bzw. Gruppen (andere) sein.93 Jeder der einzelnen Entscheidungstypen zeichnet sich durch unterschiedliche Merkmale aus, die im folgenden Abschnitt kurz erörtert werden:

2.1.2.1 Jetzt-für-jetzt-für-selbst-Entscheidungen Diese Art der Entscheidung zeichnet sich durch ein sofortiges Einsetzen der Wirkung (innerhalb von zwei Jahren) und einen konkreten Nutzen für die Entscheider/innen aus. Ein klassisches Beispiel für solche Entscheidungen sind Konsumentscheidungen jeglicher Art. Ziel dieses Entscheidungstyps ist es, einen kurzfristigen konkreten Nutzen zu generieren, Bedürfnisse umgehend zu befriedigen und die Funktionsfähigkeit des eigenen Systems zu sichern.94 Durch den kurzfristigen und damit wenig komplexen Entscheidungshorizont lässt sich die optimale Lösung zwar in vielen Fällen berechnen, dennoch bleibt ein hoher Anteil an Willkür, weil Handlungsalternativen oft als gleichwertig zu bewerten sind oder sich schlicht nicht vergleichen lassen. Im Entscheidungsprozess herrscht permanente Kontingenz der Entscheidungen vor, da stets auch andere Handlungsalternativen hätten zur Wahl gestellt werden können.95 Dementsprechend wird im Schritt der Sammlung der Handlungsalternativen der hauptsächliche Zusammenhang mit der Intuition vermutet. Weitere Berührungspunkte der Intuition liegen insbesondere beim Phänomen der nachträglichen Legitimierung vor. Da Entscheidungen eine Mittelverwendung nach sich ziehen und somit Mittel für andere Alternativen unerreichbar werden, entsteht ein verstärkter Begründungszwang. Dieser vollzieht sich in Form von einer nachträglichen Aufwertung der gewählten Alternative (bspw. durch Deutungen, die Zuschreibung von Sinn oder Konsensfiktion) sowie durch eine Abwertung der nicht gewählten Alternativen (bspw. in Form von Verdrängung, Tabuisierung oder Sanktionierung).96

92Vgl.

ebd. ebd. 94Vgl. Müller-Christ (2014), S. 369. 95Vgl. Müller-Christ (2014), S. 372. 96Vgl. Müller-Christ (2014), S. 372 ff. 93Vgl.

24

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

2.1.2.2 Jetzt-für-jetzt-für-andere-Entscheidungen Bei diesem Entscheidungstyp erfolgt die Wirkung ebenfalls umgehend, die Adressaten der gewünschten Wirkung sind allerdings nicht dieselben. Es werden also eigene Ressourcen aufgewandt oder abgegeben oder es wird von möglichen Handlungsoptionen Abstand genommen, damit andere eine sofortige oder möglichst baldige positive Wirkung erfahren oder um andere vor einer negativen Wirkung zu schützen.97 Beispielhaft für solche Entscheidungen sind Spenden oder Maßnahmen des Corporate Volunteering. Bei Jetzt-für-jetzt-für-andereEntscheidungen wird nicht das Ziel verfolgt, die Wirkung (über Umwege) auf die Entscheider/innen zurückfallen zu lassen.98 Ressourcen werden somit nicht im Sinne der Effizienz genutzt, wodurch der Vermögenszuwachs geschmälert wird. Vom herrschenden Wirtschaftssystem, welches Effizienz einfordert, wird ein Legitimierungszwang auferlegt, was dazu führt, dass fiktionale langfristige positive Rückwirkungen (meist Imagegewinn) inszeniert werden.99 Es handelt sich i. d. R. um Top-Management- oder Eigentümerentscheidungen, da die Verteilungspolitik direkt betroffen ist.100 Aufgrund der relativ kurzen zeitlichen Distanz ist die Kommunikation zwischen ressourcenspendender und ressourcenempfangender Seite prinzipiell möglich. Der Bezug zur Intuition liegt ebenso wie beim vorherigen Entscheidungstyp bei der Auflistung von Handlungsalternativen, in Pattsituationen und in der (noch stärkeren) Legitimierungsproblematik.

2.1.2.3 Jetzt-für-dann-für-selbst-Entscheidungen Diese Art der Entscheidung ist prototypisch für Langfristenentscheidungen. Ressourcen werden aufgewandt oder Handlungsalternativen beabsichtigt unterlassen, um zu einem späteren Zeitpunkt (nach mehreren Jahren) positive Wirkungen für sich selbst zu erhalten oder entsprechend schädliche Wirkungen zu vermeiden.101 Häufig zeichnen sich solcherlei Entscheidungen durch Konsumverzicht in der Gegenwart für den Erhalt von Optionen und Wahlmöglichkeiten in der Zukunft aus.102 Zwischen dem Treffen der Entscheidung und dem Einsetzen der Wirkung stehen lange Kausalketten, worin auch die große Herausforderung

97Vgl.

Müller-Christ (2014), S. 373. ebd. 99Vgl. ebd. 100Vgl. Müller-Christ (2014), S. 374. 101Vgl. Müller-Christ (2014), S. 375. 102Vgl. Müller-Christ (2014), S. 375 ff. 98Vgl.

2.1 Managemententscheidungen

25

dieses Entscheidungstypen liegt.103 Als Beispiele für diesen Entscheidungstyp können die Gesundheitsvorsorge oder die finanzielle Altersvorsorge angeführt werden. Zur Problematik gleichwertiger oder nicht vergleichbarer Alternativen fügen sich die unvorhersehbaren Kausalitäten langfristiger Entwicklungen hinzu.104 Der Schwierigkeit bei der Vorhersage der Zukunft wird auf unterschiedliche Weise begegnet:105 • Langfristige jetzt-für-dann Entscheidungen werden in viele kleine j­etzt-fürjetzt Entscheidungen zerlegt. Mit Blick auf die Zukunft wird die Gegenwart in vielen kleinen Schritten gestaltet. • Unterschiedliche Zukunftsszenarien mit verschiedenen Handlungsalternativen werden geschaffen. Mit Blick auf alle verschiedenen Szenarien bleibt der Blick für die Zukunft insgesamt offen. • Jetzt-für-dann-für-selbst-Entscheidungen werden durch das Eingehen einer Kooperation in Jetzt-für-dann-für-viele-Entscheidungen umgewandelt. Verschiedene Akteure formulieren ihre Ziele gemeinsam und legen die Mittel zur Zielerreichung zusammen. Verantwortungsdiffusion sorgt dafür, dass sich das Risiko auf viele Akteure verteilt und die Legitimation erheblich erleichtert wird. Auf die Intuition wird vermutlich hauptsächlich bei der Alternativensuche und -auswahl zurückgegriffen, da sich extrem langfristig wirkende Handlungen nur schwerlich berechnen oder rational herleiten lassen. Diese Ungewissheitszone bei Langfristenentscheidungen gilt es auszuhalten und zu überwinden.106 Intuition kann die Komplexität der Entscheidungen reduzieren und helfen, handlungsfähig zu bleiben. Aufgrund der Unvorhersagbarkeit der Zukunft wird zur Legitimation der Entscheidungen viel mit Wahrscheinlichkeiten gearbeitet, wobei die Gefahr besteht, dass Wahrscheinlichkeiten überhöht und Sachverhalte mit nur geringer Wahrscheinlichkeit als sicher eingestuft werden.107 Es entsteht eine Notwendigkeit, die Wirkungen der jetzt-fürdann-Entscheidungen stark übertrieben darzustellen, damit die Abdiskontierung

103Vgl.

Müller-Christ (2014), S. 377. ebd. 105Vgl. ebd. 106Vgl. ebd. 107Vgl. Ortmann (2014), S. 63. 104Vgl.

26

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

der zukünftigen Wirkung dem Vergleich mit dem Wert einer jetzt-für-jetzt-Option standhalten kann.108 Beim direkten Vergleich würde die Wahl vermutlich stets darauf fallen, die Ressourcen für eine vielversprechende kurzfristige Steigerung des Nutzens aufzuwenden.

2.1.2.4 Jetzt-für-dann-für-andere-Entscheidungen Durch diesen Entscheidungstyp werden in der Gegenwart Mittel aufgewandt (oder es wird auf Nutzen verzichtet), um für andere in der Zukunft einen Nutzen herstellen (bzw. einen Schaden abwenden) zu können.109 Im Sinne intergenerationaler Gerechtigkeit wird versucht, mittels solcher Entscheidungen zukünftigen Generationen die gegenwärtig existierende Optionenvielfalt und den heute vorliegenden Handlungsspielraum zu erhalten.110 Beispiele für Langfristenentscheidungen, von denen andere profitieren, sind Hochwasserschutz oder Denkmalschutz. Die Akteure des gegenwärtigen Wirtschaftssystems sind sehr ungeübt darin, Jetzt-für-dann-für-andere-Entscheidung zu treffen.111 Hierfür finden sich zahlreiche Gründe, die u. a. in den Gesetzmäßigkeiten des Marktes verankert sind. Einerseits gehen solche Entscheidungen zu Lasten des eigenen gegenwärtigen Nutzens und andererseits besteht die Gefahr, dass Optionen, auf die zugunsten künftiger Generationen verzichtet wird, von anderen Marktteilnehmer/innen genutzt werden. Hinzu kommen die bereits thematisierte Vergleichbarkeitsproblematik von Alternativen sowie die Ungewissheit derart langfristiger Entscheidungen. Es bedarf eines ausgeprägten globalen Horizonts, um diese Entscheidungen treffen zu können.112 Eine weitere Schwierigkeit liegt in der Problemdefinition, insbesondere, da Entscheidungen zugunsten von Personen(gruppen) getroffen werden sollen, mit denen (noch) keine Kommunikation möglich ist. Die Intuition kann hier wieder als Entscheidungshilfe dienen. Um Legitimität der Entscheidungen herbeizuführen, gilt es wieder Kontingenz zu verdrängen, Wahrscheinlichkeiten zu überhöhen und darüber hinaus die Beweggründe für die Entscheidung zu spiritualisieren (sich selbst als ein Teil des großen Gesamtbildes zu betrachten).113 In Tabelle 2.3 sind die Bezüge zur Intuition in den einzelnen Phasen des Entscheidungsprozesses in den verschiedenen Entscheidungstypen zusammengefasst.

108Vgl.

­Müller-Christ (2014), S. 378. Müller-Christ (2014), S. 379. 110Vgl. ebd. 111Vgl. M ­ üller-Christ (2014), S. 380. 112Vgl. ebd. 113Vgl. Müller-Christ (2014), S. 381. 109Vgl.

27

2.1 Managemententscheidungen

Tabelle 2.3   Intuition in den verschiedenen Typen von Managemententscheidungen. (Eigene Darstellung) Verteilung der Ressourcen

Wirkung der ­Entscheidung

Adressat/innen

Hauptwirkung der Intuition im Entscheidungsprozess

jetzt

für

jetzt

für

selbst

Alternativensuche, Begründungszwang

jetzt

für

jetzt

für

andere

Alternativensuche, starker Begründungszwang

jetzt

für

dann

für

selbst

Alternativensuche, Alternativenbewertung

jetzt

für

dann

für

andere

Problemstellung, Alternativensuche, Alternativenbewertung

2.1.2.5 Widersprüche in den Entscheidungstypen Systematisch stehen Gegenwartsentscheidungen im Widerspruch zu Zukunftsentscheidungen und Eigennutzentscheidungen stehen im Widerspruch zu Entscheidungen zugunsten anderer.114 Hieraus resultieren Dilemma-Situationen. Mit zunehmender Komplexität von Entscheidungssituationen wird der Fokus verstärkt auf Gegenwartsentscheidungen gelegt.115 Es bedarf der starken Überzeugung der Entscheidungsträger/innen, dass Rücksichtnahme und der Verzicht auf kurzfristigen persönlichen Nutzen lohnenswert sein kann.116 Häufig wird versucht, das Problem der Unvereinbarkeit von Zielen mittels Sequenzialisierung, Balancierung oder Segmentierung zu lösen.117 Bei der Sequenzialisierung werden die Entscheidungsprozesse in Sequenzen z­ erlegt,

114Vgl.

Müller-Christ (2014), S. 382. Müller-Christ (2014), S. 382 ff. 116Vgl. Müller-Christ (2014), S. 383. 117Vgl. Müller-Christ (2014), S. 388. 115Vgl.

28

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

zwischen denen hin und her gependelt wird. Einmal wird eine Entscheidung zugunsten des einen handlungsleitenden Pols und einmal zugunsten des anderen handlungsleitenden Pols getroffen.118 Im Falle der Segmentierung wird versucht, mit der Spannung umzugehen, indem der Konflikt aufgefaltet und in verschiedenen Ebenen bearbeitet wird.119 Unterschiedliche Organisationseinheiten handeln dann gleichzeitig nach gegensätzlichen Prämissen.120 Die Methode der Balancierung stellt eine Symbiose aus Sequenzialisierung und Segmentierung dar. Ein systematisches Widerspruchsmanagement kann zum Treffen von Entscheidungen in einem derart starken Spannungsfeld hilfreich sein.121 Was können wir mitnehmen? • Nahezu alle Entscheidungen laufen nach einem ähnlichen Muster ab. • Der Entscheidungsprozess lässt sich in vier Phasen (Problemstellung, Alternativensuche, Alternativenbewertung, Realisierung) unterteilen. • Diese Arbeit folgt der deskriptiven Entscheidungstheorie. • Die Grundprobleme komplexer Entscheidungen führen Entscheidungen durch logisches Schlussfolgern an ihre Grenzen. • Komplexe Entscheidungen zeichnen sich durch die Merkmale ‘Komplexität’, ‘Intransparenz’, ‘Dynamik’, ‘Vernetztheit’, ‘Unvollständigkeit und Falschheit des Realitätsmodells’ und ‘Zieloffenheit’ aus. • Managemententscheidungen sind komplexe Unternehmensentscheidungen von hoher Tragweite. • Entscheidungen können unterteilt werden in ‘Jetzt-für-jetzt-für-selbst-Ent­ scheidungen’, ‘Jetzt-für-jetzt-für-andere-Entscheidungen’, ­‘Jetzt-für-dann-fürselbst-Entscheidungen’ und ‘Jetzt-für-dann-für-andere-Entscheidungen’. • Je nach Entscheidungstyp variiert der Zusammenhang der Intuition zu den einzelnen Phasen des Entscheidungsprozesses: – Jetzt-für-jetzt-für-selbst-Entscheidungen: Bezug zur Intuition beim Sammeln der Handlungsalternativen – Jetzt-für-jetzt-für-andere-Entscheidungen: Bezug zur Intuition bei der Auflistung von Handlungsalternativen, in Pattsituationen und in der Legitimierungsproblematik

118Vgl.

Müller-Christ (2007), S. 148. ebd. 120Vgl. Müller-Christ (2010), S. 262 ff. 121Vgl. ebd. 119Vgl.

2.2 Intuition

29

– Jetzt-für-dann-für-selbst-Entscheidungen: Bezug zur Intuition in der Alternativensuche und –auswahl sowie in der Reduktion der Komplexität der Langfristigkeit und in der Erhaltung der Handlungsfähigkeit. – Jetzt-für-dann-für-andere-Entscheidungen: Bezug zur Intuition als Entscheidungshilfe in der Problemdefinition und in der Kommunikation mit Personen(gruppen), mit denen (noch) keine Kommunikation möglich ist • Die Intuition hat eine komplexitätsreduzierende Wirkung.

2.2 Intuition Der folgende Abschnitt beschäftigt sich vorrangig mit dem Phänomen der Intuition, schneidet aber auch einige angrenzende Themengebiete an, welche direkt mit der Intuition verbunden sind. Zunächst wird eine kurze Einführung in die Erkenntnistheorie gegeben, dabei werden die klassischen Denkmuster erläutert und mit der Intuition in Verbindung gesetzt (2.2.1). Anschließend werden unterschiedliche Ansätze und Sichtweisen zur Intuition aus verschiedenen Fachdisziplinen gegenübergestellt (2.2.2). Ein besonderes Augenmerk soll hierbei auf der Relevanz liegen und Parallelen zum Forschungsthema sollen aufgezeigt werden. Um dem Charakter der Intuition als bestimmendem Thema dieser Arbeit gerecht zu werden, fällt dieser Abschnitt umfangreicher aus als jener zu den Themen ‘Managemententscheidungen’ und ‘Legitimität’. Diesem Umfang ist es geschuldet, dass keine ‘Was können wir mitnehmen?’-Zusammenfassungen zum kompletten Kapitel ‘Intuition’ erfolgen kann, sondern diese Zusammenfassung jeweils nach den thematischen Auseinandersetzungen mit den einzelnen Fachdisziplinen erfolgt.

2.2.1 Erkenntnis und Denkmuster Sämtliche Entscheidungen, die nicht dem Zufall überlassen werden, beruhen auf Informationen, welche den entscheidenden Personen zur Verfügung stehen. Diese Informationen sind notwendig, ungeachtet dessen, ob sie bewusst aufgenommen und logisch verarbeitet werden oder ob unbewusst intuitiv entschieden wird. Bevor die Art und Weise der Verarbeitung der Informationen beschrieben werden kann, stellt sich die Frage, wo sich diese Informationen befinden, bevor sie bewusst oder unbewusst aufgenommen werden. Zur Entstehung und Aufnahme dieser Informationen halten theoretische Philosophie und Erkenntnistheorie verschiedene Erklärungen bereit. Seit der griechischen Antike befasst sich die p­hilosophische

30

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Richtung der Ontologie mit solcherlei Fragen der allgemeinen Metaphysik und der Systematik grundlegender Typen von Entitäten122 sowie der strukturellen Beziehungen dieser. Die konträren Sichtweisen jener Zeit waren die Unwandelbarkeit des Seins (u. a. Parmenides aus Elea) und dem gegenüberstehend die Auffassung, dass sich Informationen entwickeln (u. a. Heraklit).123 Die erste Sichtweise könnte der phänomenologischen Richtung zugerechnet werden, welche davon ausgeht, dass der Ursprung der Erkenntnisgewinnung im unmittelbar Gegebenen liegt.124 Demnach sind reine Informationen von jeher in der Außenwelt vorhanden (bspw. die Schwerkraft oder die Form der Erde). Diese Informationen existieren und wirken ohne, dass von Anfang an bekannt war, wie. Konstruktivistisch125 betrachtet entsteht eine Information erst im menschlichen Abstimmungsprozess, in welchem einem existierenden Ding eine Bedeutung zugemessen wird.126 Informationen und Erkenntnisse entstehen hiernach durch kommunikative Aushandlung, bspw. entsteht allgemeingültige Wahrheit erst durch die Zustimmung und Anerkennung der Mehrheit.127 Watzlawick (1992) unterscheidet hierbei die Konzepte von Wirklichkeit erster Ordnung (wahrgenommen über die Sinnesorgane) und zweiter Ordnung (nachgelagerte Zuschreibung von Sinn und Bedeutung dieser Wahrnehmung).128 In Abstimmung mit der Umwelt werden Informationen erzeugt und die wahrgenommene Wirklichkeit konstruiert.129 Eine eher modernere Sichtweise auf die Entstehung von Informationen stammt aus der Quantenmechanik. Ein Kernstück der Quantenphysik ist die Heisenbergsche Unschärferelation, welche u. a. besagt, dass die Reihenfolge von Ursache und Wirkung auf Quantenebene nicht mehr stabil sind.130 Welche Auswirkungen diese Verschiebung von Ursache und Wirkung auf die Aufnahme von Informationen und den Moment der Erkenntnis hat, kann bisher nur spekuliert werden. Bei Betrachtung der verschiedenen Ansätze erscheint eine Kombination sinnvoll. Dabei liegt bspw. das Potential aller möglichen Informationen bereits im

122u. a.

konkrete und abstrakte Gegenstände, Eigenschaften, Sachverhalte, Ereignisse, Prozesse. Natorp (1921), S. 78 ff.; Rapp (2012) o. S. 124Vgl. Liangkang (1999), S. 62 ff. 125Vgl. Jensen (1999), S. 101. 126Siehe von Glaserfeld (2013). 127Vgl. De Haan / Rülcker (2009), S. 50. 128Vgl. Watzlawick (1992), S. 51. 129Vgl. ebd. 130Vgl. Büttner (2009), S. 3 ff. 123Vgl.

2.2 Intuition

31

Umfeld vor. Allerdings sind diese Informationen wirkungslos, wenn ihnen keine Bedeutung zugeschrieben wird. Erst diese Bedeutung aktiviert die Informationen. Für den Aufenthaltsort der Informationen, bevor diese bewusst oder unbewusst aufgenommen werden, soll in dieser Arbeit vereinfachend der Begriff ‘Informationsfeld’131 verwendet werden. Die aus der Physik entlehnte Feldmetapher beschreibt dabei Einflussgrößen im Interaktions- und Erlebensraum, welche über den Transfer von Information hinaus auch Wechselwirkungen von Elementen beschreibt.132 Des Weiteren wird ein verbindender Kontext für bewusstes und unbewusstes Erleben, Wahrnehmen und Wissen von Menschen bereitgestellt. Um die Intuition besser verstehen zu können, kann es ratsam sein, sich zunächst mit den klassischen Denkmustern der Erkenntnistheorie, wie sie u. a. in Managemententscheidungen vorkommen, zu befassen. Zu den klassischen Denkmustern zählen die Deduktion (das Ziehen von Rückschlüssen aus Verallgemeinerungen), die Induktion (das Verallgemeinern von spezifischen Fällen auf generell gültige Modelle), die Transduktion (das Schließen von einem Fall auf andere Fälle mit demselben Abstraktionsniveau) sowie die Eduktion (das Erschließen von Beziehungen anhand unvollständiger Informationen).133 Diese Denkmuster sollen kurz anhand eines Beispiels aus meinem Privatleben erklärt werden. Vor nicht allzu langer Zeit saßen wir (meine Frau, einige Freund/innen und ich) im schönen Alicante in einem Kaffee und beobachteten das Treiben um uns herum. Es fiel uns ein Mann in schwarzen Shorts auf, der zum wiederholten Male an unserem Tisch vorbei schlenderte und in regelmäßigen Abständen das Viertel zu umrunden schien. Induktiv könnten wir daraus schließen, dass alle Männer in schwarzen Shorts im Kreis laufen. Deduktiv ließe sich aus dieser Verallgemeinerung schließen, dass ein Mann, der im Kreis läuft, dabei schwarze Shorts tragen wird. Transduktiv könnte vermutet werden, dass dieser junge Mann die Funktion eines Uhrwerks erfüllt, denn jedes Mal, wenn er gesehen wird, sind seit der letzten Umrundung wieder fünf Minuten vergangen. Im letzteren Fall

131An dieser Stelle soll von der esoterisch angehauchten Beschreibung des Informationsfeldes als universell umfassende, formbildende Verursachung für die Entwicklung biologischer und gesellschaftlicher Strukturen, Abstand nehmen. Mit dem Begriff Informationsfeld ist viel mehr das Umfeld der Entscheidungsträger gemeint, in dem sich hypothetisch alle Informationen befinden, welche bewusst oder unbewusst aufgenommen werden können. 132Vgl. Kriz (1999), o. S.; Hänsel (2002) S. 209. 133Vgl. Runco (2007), S. 22.

32

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

wurde das Wissen über ein Muster (Uhrwerk) auf ein anderes Muster (Mann läuft im Kreis) übertragen. Im Gegensatz zu diesen Denkvorgängen, bei denen mit bestehendem Wissen gearbeitet wird, erweitert die Abduktion die Erkenntnis um eine neue Komponente.134 Dies wäre bspw. der Fall, wenn wir darauf geschlossen hätten, dass der Mann ein Uhrwerk darstellt, ohne die Funktionsweise einer Uhr zu kennen. Erst nachdem durch Abduktion der Welt eine neue Erkenntnis hinzugefügt wurde, kann im Nachhinein durch Deduktion eine Regelhaftigkeit entwickelt oder durch Induktion ein einzelner Fall unter diesen Gesichtspunkten betrachtet werden. Aus diesem Grund stellt die Abduktion eine wichtige Komponente zur Beschreibung der Intuition dar. Als Teil der Intuition wird mittels der abduktiven Transformation von Nicht-Gewusstem zu Gewusstem eine Erkenntnis generiert. Verborgen bleiben allerdings die Geschehnisse, die sich im Vorfeld der Entstehung neuer Erkenntnisse zutragen. Aus der Kreativitätsforschung ist bekannt, dass hinter der Kreation, also dem neuen Erschaffen eines Produktes, häufig die kognitiven Prozesse der Kombination, Analogie und Metapher ablaufen, also Denkprozesse, in denen (auch unbewusst) auf bestehende Strukturen zurückgegriffen wird.135 Mit der Denkrichtung des kritischen Rationalismus vertritt Popper (1944) eine wesentlich pragmatischere Erkenntnistheorie.136 Demnach stellen die Deduktion und die ‘quasi-Induktion’137 die beiden bevorzugten Möglichkeiten dar, um zu einer Erkenntnis zu gelangen.138 Erkenntnis entsteht dabei durch das Aufstellen und Überprüfen von Hypothesen, wobei es überhaupt nicht wichtig ist, wie die Hypothesen generiert wurden.139 Konkret auf Entscheidungen bezogen, grenzten Epstein et al. (1994) den intuitiven Modus und den deliberaten Modus als zwei Entscheidungsmodi voneinander ab. Demnach entscheiden Menschen bevorzugt entweder auf der Basis von Gefühlen und automatischen Affekten oder legen bevorzugt ein analytischplanvolles, kontrolliertes Entscheidungsverhalten an den Tag.140 Die Effektivität der Intuition als Entscheidungsgrundlage in komplexen Situationen wurde in

134Vgl.

Burks (1946), S. 301. (2010), S. 44. 136Siehe u. a. Popper (1944, 1972, 1984, 1994). 137Verallgemeinerungen von Beobachtungen verwerfen, zugunsten spekulativer Verallgemeinerungen aufgrund von Vermutungen. 138Vgl. Schurz (2002), S. 126 ff. 139Vgl. ebd. 140Vgl. Krenzin (2008), S. 61. 135Vgl. Ahmed

2.2 Intuition

33

einem ­Laborversuch von Ruthenbeck (2004) untersucht. Den Ergebnissen zufolge gehen intuitive Entscheidungen bei gleicher Ergebnisqualität mit weniger Aufwand, mehr Flexibilität und mehr Initiative bei Misserfolg einher.141 Vielfach werden Heuristiken mit Intuition gleichgesetzt oder zum Bestand der Intuition gezählt.142 Bei Heuristiken handelt es sich um vereinfachende Faustregeln, welche zwar automatisch stattfinden können, deren zugrunde liegende Logik aber bekannt ist. Heuristiken zeichnen sich dabei durch drei zentrale Eigenschaften aus:143 1. Heuristiken nutzen Fähigkeiten, welche sich im Laufe der Evolution entwickelt haben. 2. Heuristiken nutzen Umweltstrukturen. 3. Heuristiken sind Prozessmodelle. Es lassen sich mit Heuristik-Modellen also sowohl Entscheidungsergebnisse erklären als auch Entscheidungsprozesse beschreiben.144 Im Hinblick auf Entscheidungen zählen die folgenden Heuristiken unter der Vielzahl aller existierenden zu den verbreitetsten: • Go with what you know! Diese Heuristik wird auch als Rekognitionsheuristik bezeichnet und ist erfolgreich in Umwelten, in denen Unwissen (also das Nichtwiedererkennen von Informationen) systematisch statt zufällig ist. Laut dieser Heuristik wird Objekten, die wiedererkannt werden, ein höherer Wert zugewiesen als unbekannten Objekten. Dadurch fällt eine Entscheidung meist eher auf Alternativen, welche vertraut wirken. In jedem Fall kann es lohnend sein, die Gründe für das Kennen / Nichtkennen von Entscheidungsalternativen zu hinterfragen. Ein Beispiel für diese Heuristik wäre es, nur Aktien von Unternehmen zu kaufen, deren Namen bekannt sind. • Auf einen guten Grund berufen, statt alle Gründe abzuwägen! Dies führt i. d. R. zu erfolgreichen oder zumindest gleichwertigen Entscheidungen in kürzerer Zeit. Beispielhaft hierfür wäre ein Autokauf, bei dem lediglich nach dem Parameter Spritverbrauch entschieden würde.

141Vgl.

Krenzin (2008), S. 60. u. a. bei Denes-Raj & Epstein (1994), S. 819; Kahneman / Tversky (1974), S. 1130. 143Vgl. Gigerenzer / Gaissmaier (2006), S. 6 ff. 144Vgl. Krenzin (2008), S. 58. 142Siehe

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2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

• 1/n Regel–Beim Abwägen der wichtigsten Gründe sind alle gleich zu gewichten! Die 1/n Regel ist insbesondere erfolgreich, wenn hohe Unsicherheit vorliegt, viele verschiedene Optionen zur Auswahl stehen und wenige Daten vorliegen. Um noch einmal das Beispiel des Autokaufs zu bemühen, wäre es bei Anwendung dieser Heuristik der Fall, dass alle Parameter wie Spritverbrauch, Preis, PSLeistung, Anzahl der Sitze, Farbe der Fußmatten etc. gleich stark gewichtet und als eine Art ‘Pro’ und ‘Contra’ Auflistung gegenübergestellt werden. • Auf die erste Eingebung verlassen! Wenn viel Erfahrung vorliegt, ist dieses Prinzip besonders Erfolg versprechend. Ohne Erfahrung empfiehlt es sich, eher die Alternativen abzuwägen. Diese Heuristik lässt sich im engeren Sinne der Intuition zurechnen, da sie prinzipiell aussagt, sich auf die unbewusst entstandene, intuitive Eingebung zu berufen. Klassisches Beispiel für das Verlassen auf die erste Eingebung sind soziale Begegnungen. So kann der erste Eindruck in einem Vorstellungsgespräch entscheidend sein. • Blickheuristik Bei dieser Heuristik werden alle kausalen Informationen ausgeklammert und lediglich der Blickwinkel berücksichtigt. Ein sehr einfaches Beispiel, welches aber die starke Komplexitätsreduktion verdeutlicht, ist das Überqueren einer Straße. In dieser Situation werden Erfahrungen aus der Vergangenheit genutzt (erst nach rechts, dann nach links schauen), im Bruchteil einer Sekunde wird die Entfernung und Geschwindigkeit von herannahenden PKW eingeschätzt und die eigene Geschwindigkeit berücksichtigt. Ohne diese Faktoren berechnen zu müssen, lässt sich im Körper zu den richtigen Zeitpunkten ein Go- oder Stop-Signal spüren. Eine enge Verbindung zwischen Intuition und Heuristiken liegt insbesondere dort vor, wo sich auf das Unbewusste verlassen wird. Die in der Aufzählung beschriebene Heuristik ‘sich auf einen guten Grund zu berufen (statt alle Gründe einzubeziehen)’ bringt, ebenso wie die Intuition, die Vorteile der partiellen Ignoranz mit sich. Da ein ‘Zu viel’ an Information oft schaden kann (bspw. berichten professionelle Bowlingspieler häufig darüber, dass der Wurf darunter leidet, wenn dabei zu viel darüber nachgedacht wird), blendet Intuition überflüssige Information automatisch aus und konzentriert sich auf die wichtigen Informationen.145

145Vgl.

Schultz (2011), o. S.

2.2 Intuition

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Die gleiche Systematik wird bei der Faustregel, sich auf eine wichtige Information zu berufen, bewusst angewandt. Partielle Ignoranz birgt weiterhin die Vorteile, dass Entscheidungsverfahren vereinfacht und beschleunigt werden. Was können wir mitnehmen? • Bevor eine Information bewusst oder unbewusst aufgenommen werden kann, befindet sich diese im Informationsfeld der Umwelt. • Im intuitiven Prozess entsteht Erkenntnis durch Abduktion. • Kombination, Analogie und Metaphern können als Denkmuster der intuitiven Erkenntnis vorausgehen. • Heuristiken sind keine Intuition, da es sich um vereinfachende logische Prozesse handelt, es existieren aber Verbindungen zur Intuition.

2.2.2 Sichtweisen auf die Intuition Das Phänomen der Intuition wurde im Zuge kognitionswissenschaftlicher146 Forschungsarbeiten147, welche sich mit den unbewussten Aspekten der Informationsverarbeitung befassten, immer wieder mitbetrachtet, eine Übertragbarkeit auf andere Anwendungsfelder wurde allerdings stets nur angedeutet.148 Bereits bei einer oberflächlichen Sichtung des Literaturbestands wird schnell deutlich, dass es sich bei Intuition um einen Komplex handelt, dem sich in der Literatur von verschiedener Seite genähert wird. Bspw. wird der Wert von Intuition im Inventar menschlicher Wahrnehmungsfähigkeit hervorgehoben, wenn Intuition als das leiblich-sinnlich und emotional vermittelte Vermögen bezeichnet wird, Sinnes- und Sinnzusammenhänge sowie Ereignisse und Sachverhalte unmittelbar, umfassend und ganzheitlich wahrzunehmen.149 In diesem Zusammenhang ist der Bewusstseinszustand der erhöhten Aufmerksamkeit oder des herausragenden Gegenwärtig-Seins zu erwähnen.150 Auf der anderen Seite kann der Schaffungsprozess in den Fokus gestellt werden, der aus

146bspw.  der

Fachdisziplinen Philosophie, Psychologie, Linguistik, Anthropologie, Neurowissenschaften bspw. zu Themen wie Wahrnehmungsverarbeitung, Wissensrepräsentation, Problemlösungsprozesse, Lernen, Kompetenzentwicklung. 147u. a. von Dreyfus / Dreyfus (1991), Damasio (2005), Gigerenzer (2007), Kast (2007) etc. 148Vgl. Hänsel (2002), S. 14. 149Vgl. Küpers (2015), S. 73. 150Vgl. Gottwald (2015), S. 101.

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2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

einem erweiterten Feld von Möglichkeiten heraus schöpft. So wird Intuition auch als schöpferische, non-diskursive Eingebung beschrieben, welche Einsichten, Ideen oder Lösungen hervorbringt und von Evidenzerlebnissen begleitet wird.151 Auch in der weitverbreiteten Definition von Gigerenzer (2008) wird diese Kraft deutlich, wenn Intuitionen als Bauchgefühle, Ahnungen oder Urteile beschrieben werden, die rasch im Bewusstsein auftauchen, deren tiefere Gründe nicht komplett bewusst sind und welche ungeachtet dessen stark handlungsleitend sind.152 In besonderer Weise vermag die Intuition subjektive Stimmigkeit durch spontane Schlüsse bzw. Begründungen zu vermitteln, die weder bewusst rational ab- oder hergeleitet, noch repräsentational verstanden oder dargestellt werden können.153 Aus dieser Sichtweise heraus bezeichnet Jung Intuition als „die Funktion des menschlichen Geistes, die das Unbekannte erforscht und Möglichkeiten und tiefere Zusammenhänge erfasst, die nicht unmittelbar ersichtlich sind“.154 Gonschior (2013) betont die persönliche und individuelle Komponente der Intuition und beschreibt den Prozess des in sich Hineinsehens, Hineinhörens, Hineinspürens, um erkennen zu können.155 Auch Zeuch (2010) nimmt Bezug auf den ganz persönlichen Charakter der Intuition und bezeichnet diese als „Hintergrundfolie für alle Konzepte, auf die bei Urteilen zurückgegriffen wird“, welche dort eintritt, „wo der Verstand die Kontrolle abgibt“, eine Verstandeslücke schließt und zu einem Blick nach innen führt.156 Des Weiteren wird zwischen konkreter und abstrakter Intuition unterschieden. Die konkrete Intuition bezieht sich auf die Wahrnehmungen der Tatsächlichkeit der Dinge, während abstrakte Intuition die Wahrnehmung ideeller Zusammenhänge fokussiert.157 Bei der Betrachtung der interkulturellen Ebene wird rasch deutlich, wie sehr der Stellenwert, welche der Intuition beigemessen wird, je nach Weltbild und Kulturkreis variiert. Traditionell genießt die Intuition im asiatischen Raum eine wesentlich höhere Bedeutung als in der eher technokratisch geprägten westlichen Welt.158 Des Weiteren fällt auf, dass prominente Befürworter/innen intuitiver

151Vgl.

Küpers (2015), S. 73–74 und 77. Gigerenzer (2008), S. 25. 153Vgl. Küpers (2015), S. 77. 154Agor (1989), S. 14. 155Vgl. Gonschior (2013), S. 172. 156Kaudela-Baum / Brasser (2015), S. 132. 157Vgl. Jung (1995), S. 12. 158Vgl. Weber (1995). S. 325; Küpers (2015), S. 80. 152Vgl.

2.2 Intuition

37

Erkenntnis im westlichen Kulturkreis, häufig auch eine Affinität zum Buddhismus oder allgemein zur Spiritualität aufweisen. Prinzipiell lassen sich in der Intuitionsforschung zwei unterschiedliche Intuitionsverständnisse voneinander abgrenzen: Kahnemann (2012) verortet im menschlichen Geist zwei mentale Systeme. Hierbei handelt es sich um das intuitive System (schnell, automatisch, nicht steuerbar) und das kognitive / rationale System (langsamer aber präziser).159 In der Systemlogik steht das kognitive / rationale System als Kontrollinstanz über dem intuitiven System.160 Gigerenzer (2008) hingegen vertritt die Auffassung von Intuition als einen zusammenhängenden kognitiven Denkprozess, welcher von Prägungen, Gefühlen und dem Lernen beeinflusst wird. Im Gegensatz zum Zwei-System-Modell stellt Intuition nicht das Gegenteil von Rationalität dar, sondern eine unbewusste Intelligenz aus persönlichen Erfahrungen und intelligenten Faustregeln.161 Intuition ist nicht von der Ratio abgekoppelt, vielmehr ergibt sich die Rationalität aus der Intuition und dem Denken.162 In der folgenden Abbildung 2.3 sind die wichtigsten in der Literatur genannten Komponenten der Intuition aufgeführt.

Abbildung 2.3   verschiedene Komponenten der Intuition. (Eigene Darstellung)

159Vgl.

Kahnemann (2012), S. 514. ebd. 161Vgl. Gigerenzer (2008), S. 27. 162Vgl. ebd. 160Vgl.

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2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Um nicht den Überblick in der Vielzahl von Bestandteilen zu verlieren, soll zunächst ein Abriss darüber erfolgen, wie sich die verschiedenen wissenschaftlichen Fachdisziplinen dem Intuitionsbegriff annähern. Es soll jeweils ein Bezug zum Forschungsgegenstand hergestellt werden, um ein eigenes Intuitionsverständnis für diese Forschungsarbeit herzuleiten.

Abbildung 2.4   verschiedenen Forschungsrichtungen vereint durch ein Interesse an der Intuition. (Eigene Darstellung)

Wie die Abbildung 2.4 zeigt, wird die Intuition aus verschiedenen Forschungsrichtungen heraus untersucht und thematisiert. Stellen wir das Thema Intuition als Feld dar, wird deutlich, welche Wirkrichtungen und wie viele Überschneidungen zwischen den Fachdisziplinen vorliegen. In der Abbildung als Pfeile dargestellt sind die Wirkrichtungen der sich mit der Intuition befassenden Fragestellung. Die Philosophie war die erste Disziplin, welche sich bereits im Griechenland der Antike mit dem Thema Intuition auseinandersetzte. Viele Jahrhunderte später wurde das Thema von Psycholog/innen aufgegriffen. Die Psychologie kann als die Disziplin gesehen werden, welche sich von allen Disziplinen am intensivsten mit der Intuition befasste. Überschneidungspunkte liegen insbesondere zur Psychotherapie und zu den Neurowissenschaften vor. Diese Bereiche können als Teil der Psychologie betrachtet werden und nehmen die Fragestellungen aus der Psychologie auf. Weitere Überschneidungen existieren zur Pädagogik und zur Kreativitätsforschung, welche aus der Psychologie hervorging. Überschneidungen mit diesen beiden Bereichen finden sich in den

2.2 Intuition

39

I­ntuitionsbetrachtungen der Wissenschaften, welche sich mit der Informationstechnologie befassen. Dort werden aber teilweise auch Fragestellungen aufgeworfen, welche erneut die philosophische Ebene aktivieren. Die Wirtschaftswissenschaften befassen sich u. a. mit den Kreativitätsaspekten der Intuition, woraus eine leichte Überschneidung mit der Kreativitätsforschung resultiert.

2.2.2.1 Intuition in der Philosophie In einer ersten Vorbesprechung meines Promotionsvorhabens stellte mein Doktorvater mir die Frage, wie meiner Meinung nach neue Erkenntnis in die Welt käme. Ich entgegnete, dass dies eine sehr philosophische Frage sei, woraufhin er verneinte und die Diskussion eher in eine wissenschaftstheoretische und psychologische Richtung lenkte. Nach einer Sichtung der relevanten Literatur zum Thema Intuition kann ich feststellen, dass sich zumindest auch zahlreiche Philosophen mit eben jener Frage befassten. Seit Menschengedenken werden in der Philosophie und der Erkenntnistheorie intuitive Vorgänge beschrieben und thematisiert. Diese scheinen seit jeher den Forschergeist derart zu beflügeln, wie es nur ebensolche untrennbar mit der menschlichen Natur verbundenen Phänomene vermögen. In den verschiedenen Epochen der Menschheitsgeschichte variierte dabei die Bedeutung, welche der Intuition zugeschrieben wurde (Abbildung 2.5).

Abbildung 2.5   Bedeutung der Intuition in den Epochen der Zeitgeschichte. (Eigene Darstellung)

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2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Wie bereits in den einleitenden Worten beschrieben, galt die Intuition von der Antike über das Mittelalter bis in das Zeitalter der Aufklärung als höchste und verlässlichste Quelle der Erkenntnis, wurde dann vom rationalen und logischen Schlussfolgern als legitime Handlungsgrundlage vollständig abgelöst und erfährt derzeit eine seichte Renaissance. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der philosophischen Auseinandersetzung mit dem Thema in den verschiedenen Epochen wieder. Im folgenden Absatz soll ein kurzer Überblick über die bedeutendsten philosophischen Ansichten zur Intuition gegeben werden. In Platons Ideenlehre, mit der er versuchte, das menschliche Denken und Erkennen zu erklären, wird das Konzept der ‘Ideen-schau’ als „anschauliches Erfassen inhaltlicher Gegebenheiten nicht-sinnlicher Art“ vom schlussfolgernden Denken aufgrund von Sinneswahrnehmungen abgegrenzt.163 Dies kann als erste Trennung zwischen logischem Schlussfolgern und Intuition verstanden werden. Von Aristoteles werden grundlegende Erkenntnisse der Wissenschaft, wie bspw. die Axiome der Geometrie und die Grundrechenarten in der Mathematik auf das Phänomen der ‘Ideenschau’ zurückgeführt.164 Zusätzlich beschreiben mehrere griechische Schulen der Philosophie (bspw. Plotin, Philon, Themistius und Proklos) die Intuition als Akt der Transzendenz, durch den ‘höhere’ oder ‘göttliche’ Prinzipien wahrgenommen werden können.165 In der Antike konvergierte die mystische und metaphysische Weltsicht widerspruchslos mit der wissenschaftlichen Perspektive,166 sodass ein transzendentes Intuitionsverständnis entstehen konnte. In jenem Intuitionsverständnis kann eine Erkenntnis eingebungsartig und durch unmittelbares Erfassen des Wesens einer Wirklichkeit gewonnen werden.167 Diese einer Offenbarung ähnliche Einsicht, propagiert eine Ganzheitlichkeit im Sinne des „schlagartigen Erfassen des ganzen Erkenntnisgegenstandes im Unterschied zur nur ‘partiellen’ Erkenntnis“.168 Diese transzendenten Aspekte der Intuition wurden später von Philosophen wie bspw. Kant und Husserl aufgegriffen. Als sogenannte ‘Wesensschau’ wird beschrieben, wie ein Einblick in die Wesensstruktur und die individuellen Besonderheiten eines Gegenstandes vorgenommen wird.169 In diesem Zusammenhang

163Atmanspacher

(1995), S. 10. Hänsel (2002), S. 61. 165Vgl. ebd. 166Vgl. ebd. 167Vgl. Häcker / Stapf (1998), S. 414. 168Mittelstraß (1984), S. 285 in Hänsel (2002), S. 62. 169Vgl. Prächtl (1998), S. 69 ff. 164Vgl.

2.2 Intuition

41

skizziert Husserl die Methode der ‘eidetischen Variation’, in welcher ein Gegenstand gedanklich zunehmend modifiziert wird, während fortwährend darüber reflektiert wird, inwieweit die Identität des Gegenstandes erhalten bleibt. Diese Form der Intuition verbindet empirische Gegenstände mit den Bedingungen, unter denen Erkenntnis und Erfahrung ermöglicht werden. Aus den antiken Ideen zur Intuition entwickelte sich die noch heute in Anspruch genommene Struktur, in welcher intuitive Erkenntnis (‘unmittelbares Erkennen von Sachverhalten’, ‘Zugang zu grundlegenden Wahrheiten’) und diskursive Erkenntnis (‘logisches Schlussfolgern’, ‘Sinneswahrnehmungen’) ein polares Paar bilden.170 Diese Abgrenzung wird im Laufe der Geschichte von verschiedenen Philosophen aus der Antike (bspw. Proklos, Plotin, Aristoteles), des Mittelalters (bspw. Thomas von Aquins, Duns Scotus) und der Neuzeit (bspw. Descartes, Spinoza, Kant, Husserl) aufgegriffen.171 Den beiden Polen wurde von den verschiedenen Seiten unterschiedliche Bedeutung beim Erkenntnisgewinn zugewiesen. Einerseits wurde der Intuition ein hoher Stellenwert beigemessen, um jene axiomatischen Grundelemente in den Wissenschaften, welche sich nicht logisch herleiten ließen, zu erkennen.172 Auf der anderen Seite wird der konstitutive Aspekt eines weitgefassten Vernunftbegriffs hervorgehoben.173 Neben diesen metaphysischen Gedanken zur Intuition existieren auch eher pragmatische Ansätze, welche vor allem den Wahrheitsanspruch sowie die zugeschriebene Fehlerlosigkeit der Intuition kritisieren.174 Intuition wird dann als einfache Erklärungskonvention für alle zustande kommende Erkenntnis, die sich einer adäquaten Erklärung entzieht, gesehen.175 Eine weitere Überprüfung der Intuition wäre nötig, um bei der Erkenntnisgewinnung nicht irregeleitet zu werden. Kulturgeschichtlich folgte eine längere Fokussierung auf den logischen, rationalen und analytischen Bereich der Erkenntnistheorie. Als Konsequenz der fortschreitenden Ökonomisierung, der ökonomischen Nutzbarmachung aller zur Verfügung stehenden Ressourcen und der fortschreitenden Knappheit dieser wurde die Intuition als Quelle der Erkenntnis in der jüngeren Vergangenheit erneut interessant. Intuition wird heute als w ­ esentlicher

170Vgl. Ulfig (1993), S. 209–210. 171Vgl. Hänsel (2002), S. 62. 172Vgl. Atmanspacher (1995), S. 11. 173Vgl. ebd. 174Vgl. 175Vgl.

Wittgenstein (1984), S. 349. ebd.

42

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Teil des kreativen Prozesses gesehen.176 Um Kreativität also ökonomisch verwerten zu können, um bspw. Innovation zu generieren oder kreative Lösungen für überkomplexe Probleme finden zu können, führt der Weg nicht an der Intuition vorbei. So findet die Intuition sogar Berücksichtigung in dem gegenwärtig wichtigsten Kreativitätsmodell, dem vier-Stufen-Modell, auf welche im Kapitel über Kreativitätsforschung noch genauer eingegangen wird. Für das Zustandekommen bedeutender wissenschaftlicher Erkenntnis durch den Einfluss der Kraft des Unbewussten finden sich zahlreiche bekannte Beispiele, wie etwa die Entdeckung des Benzolrings, welcher Kekulé in Form des geträumten Bildes einer sich in den Schwanz beißenden Schlange erschien,177 oder Einsteins revolutionäre Ansichten der Physik, welche sich in visionsartigen Bildern darstellten.178 Quantifiziert werden diese weltverändernden Einzelfälle durch Untersuchungsergebnisse, nach denen 72 von 93 N ­ obelpreis-Träger/innen ihre Intuition als einen wesentlichen Teil ihrer erfolgreichen Forschertätigkeit benannten.179 Hervorgehoben wird die Funktion der Intuition im wissenschaftlichen Arbeiten, insbesondere in Form unbewusster Auswahlprozesse bei der Hypothesenentwicklung, beim Entwerfen innovativer Untersuchungsdesigns und bei der Entwicklung origineller Lösungen, um ‘Sackgassen’ zu vermeiden.180 Zusätzlich gibt die Intuition Orientierung bei der Sichtung großer Mengen sehr diffuser Daten und begünstigt die Vernetzung sehr heterogener Ergebnisse.181 Was können wir mitnehmen? • Intuition ist ein Phänomen, welches in der menschlichen Natur liegt. • Im Laufe der Geschichte wird der Intuition mal stärkere und mal weniger starke Bedeutung beigemessen. Derzeit steigt das Interesse an dem Thema, legitimiert sind intuitive Entscheidungen dennoch nicht. • Intuition wurde als nicht sinnliches Erfassen von Inhalten beschrieben. • Intuition wurde als Akt der Transzendenz bzw. als Wahrnehmung ‘höherer’ oder ‘göttlicher’ Prinzipien beschrieben. • Der ganzheitliche Charakter der Intuition beschreibt das schlagartige Erfassen des ganzen Erkenntnisgegenstandes.

176Vgl.

u. a. Cohn (1975), S. 134; Huber (1987), S. 293–294; Boden (1990), S. 32; Runco (2007), S. 19. 177Siehe Boden (1990), S. 28 ff. 178Siehe hierzu ‘produktives Denken’ in Stumm / Pritz (2009) und Wertheimer (1964). 179Vgl. Marton / Fensham / Chaiklin (1994), S. 459 ff. 180Vgl. ebd. 181Vgl. ebd.

2.2 Intuition

43

• Um Intuition beschreiben zu können, ist es wichtig, die Bedingungen, unter denen Erkenntnis und Erfahrung ermöglicht werden, zu berücksichtigen. • Es herrscht eine Polarität von intuitiver Erkenntnis und deliberativer Erkenntnis. • Intuition gilt als wesentlicher Teil des kreativen Prozesses. • Intuition wurde als unbewusste Kraft im wissenschaftlichen Erkenntnisprozess beschrieben.

2.2.2.2 Intuition in der Psychologie und der Psychotherapie Die Beschaffenheit der Intuition als Phänomen des Geistes und die Anziehungskraft der unbewussten Informationsverarbeitung weckte seit dem 20. Jahrhundert auch das Interesse vieler Psycholog/innen, was dazu führte, dass bereits eine gewisse Bandbreite des Themengebietes untersucht wurde. In die psychologischen Forschungen flossen auch Elemente der philosophischen Vorarbeit ein (bspw. die Abgrenzung zwischen Intuition und deliberativer Erkenntnis). Die Bedeutung der Intuition verschob sich allerdings, weg von der metaphysischen Erkenntnis via göttlicher Offenbarung hin zu einem nüchtern betrachtbaren Teil des täglichen, menschlichen Handelns und Denkens. Die Intuition als psychischer Vorgang wird dabei nicht ausschließlich auf äußere Impulse reduziert, sondern auch einem selbständigen inneren Geschehen zugeschrieben.182 Im folgenden Absatz sollen verschiedene Erklärungsmodelle vorgestellt und die umfangreichen Ergebnisse diverser Studien systematisiert werden. Darüber hinaus soll auch noch auf die besondere Bedeutung der Intuition in der Psychotherapie eingegangen werden. Zunächst einmal soll aufgeführt werden, welche Vorgänge bei der Intuition ablaufen und wie diese erklärt werden. In verschiedenen Modellen wurde versucht, die Eigenlogik der Intuition zu erfassen. Nach Einschätzung des klinischen Psychologen Jung (1921) stellt die Intuition neben der Empfindung, dem Denken und dem Gefühl eine von vier psychologischen Grundfunktionen des Menschen dar (siehe Abbildung 2.6):183

182Vgl. 183Vgl.

Eggenberger (1998), S. 457. Jung (2001 bzw. im Original 1921), S. 131 ff.

44

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Abbildung 2.6   die Grundfunktionen des Bewusstseins nach Jung. (Eigene Darstellung nach Jung 2001 im Original von 1921)

Empfindung: Hierunter wird die Fähigkeit verstanden, Daten über die Sinnesorgane aufzunehmen. Weiterhin wird zwischen konkreter Empfindung184 und abstrakter Empfindung185 unterschieden. Denken: Aus der Denkleistung entspringt die Möglichkeit, logische Zusammenhänge zu erstellen, Vorstellungen und Fakten miteinander zu verbinden, diesen Bedeutungen beizumessen, ein bewusstes Urteil zu bilden und letztendlich Schlussfolgerungen zu ziehen. Von diesem bewussten Denkprozess wird das eher assoziative und phantasiegetriebene ‘irrationale, nicht gerichtete Denken’ der ‘intellektuellen Intuition’ abgegrenzt. Auf diese Weise produzierte Schlussfolgerungen entstehen ähnlich wie bei der Intuition eher unbewusst und nach nicht bekannten Regeln. Gefühl: Hiermit ist nicht das Fühlen in Form einer sinnlichen Wahrnehmung (bspw.  ich fühle Hitze, wenn ich eine Streichholzflamme anfasse) gemeint, sondern das entstehende Gefühl bzw. die Emotion als Konsequenz eines Inputs (bspw. ich fühle Gefahr, wenn ich im Film ‘Meanstreet’ sehe, wie Harvey Keitel eine Streichholzflamme anfasst und dabei über das Feuer der Hölle sinniert). Diese Gefühlsfunktion stellt also, ähnlich dem Denken, einen (subjektiven) Bewertungsmechanismus dar, wobei sich das erfühlte Urteil in Form von Anziehung, Abstoßung, Stimmung oder als Gefühlston (bspw. Grad von Lust / Unlust) ausdrückt. Auch hier wird wieder nach bewusst stattfindenden Gefühlsregungen und ‘nicht gerichteten, irrationalen Gefühlen’ ohne Absicht und Willkür unterschieden.

184natürliche

Wahrnehmung der Existenz von Materie. spezifischer Aspekte wie bspw. der Ästhetik des Wahrgenommenen.

185Wahrnehmung

2.2 Intuition

45

Intuition: Die Intuition wird als der Teil der menschlichen Psyche gesehen, welcher die Wahrnehmung zukünftiger Entwicklungen mit allen dazugehörigen Optionen und Potentialen ermöglicht. Sachverhalte werden instinktiv erfasst und als ‘fertiges Ganzes’ wahrgenommen. An dieser Stelle wird die Intuition in eine konkrete und eine abstrakte Form unterschieden. Die konkrete Intuition entsteht aufgrund subliminal wahrgenommener realer Objekte und den damit einhergehenden unbewussten Emotionen und Gedanken. Die abstrakte Intuition hingegen ermöglicht eine Auseinandersetzung mit ideellen Zusammenhängen und mythologischen Themen. Im Zuge der abstrakten Intuition wird verstärkt auf das kollektive Unterbewusstsein zugegriffen, in welchem kulturelle und menschheitsgeschichtliche Urbilder und Erzählungen gespeichert sind. Im Zusammenspiel dieser Faktoren erfüllt die Empfindung die Rolle der Informationsaufnahme. Die Gefühle und das Denken übernehmen ordnende und bewertende Funktion. Die von inneren und äußeren Umständen bestimmte unwillkürliche Intuition erfasst schließlich den übergreifenden Zusammenhang. Mit anderen Worten: „Die Empfindung sagt, dass etwas existiert, das Denken sagt, was es ist, das Gefühl sagt, wie es ist und die Intuition sagt, wo es herkommt und wo es hingeht.“186 Die Vorstellungskraft und die Intuition ergänzen dabei den rationalen Intellekt.187 Die Intuition äußert sich häufig in unbewussten Bildern, welche direkt188 oder indirekt189 ins Bewusstsein treten. Offenen und aufmerksamen Beobachter/ innen bleibt nicht verschlossen, wenn mit den Inhalten dieser Bilder ein objektiver Tatbestand koinzidiert.190 Gelegentlich kündigt sich die Intuition auch an, indem bspw. unwillkürlich auf bestimmte Zufälle in der alltäglichen Umwelt besonders geachtet wird.191 Im Gegensatz zu anderen Modellen werden intuitive Aspekte sowohl dem Gefühl als auch dem Denken zugeschrieben, solange dies unwillkürlich, unbewusst und irrational, also nicht durch Vernunft begründet geschieht. Trotz dieser nicht trennscharf formulierten Typologie gilt Jungs Modell als brauchbarer Versuch, die unterschiedlichen Funktionsweisen der menschlichen Psyche in Beziehung zu setzen.192

186Jung

(2015 im Original von 1964), S. 61. Obermayr-Breitfuß (2005), S. 48–50. 188verbaliter 189symbolisiert und angedeutet, bspw. als Traum, Einfall oder Ahnung, vgl. Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997), S. 96. 190Vgl. O ­ bermayr-Breitfuß (2005), S. 48–50. 191Vgl. Obermayr-Breitfuß (2005), S. 198. 192Vgl. Hänsel (2002), S. 71. 187Vgl.

46

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Goldberg (1993) bezeichnet die Intuition als in jedem Menschen (ungeachtet der Kultur, psychosozialer Prägung, Religion oder Philosophie) vorhandene Kraft.193 Sie äußert sich in Form von verschwommenen Ahnungen, Gefühlen, Entdeckungen bzw. Offenbarungen.194 Als intuitionsfördernd wird eine spontane, lockere, offene und unsystematisierte Herangehensweise beschrieben.195 Es erfolgt weiter die Unterteilung der Intuition in die sechs Kategorien ‘Intuitive Entdeckungen’, ‘kreative Intuition’, ‘Intuitive Evaluation’, ‘Operative Intuition’, ‘prognostische Intuition’ und ‘Illumination’, wobei jeder Kategorie eine andere Funktion zugewiesen wurde (siehe Abbildung 2.7):196

Abbildung 2.7   Goldbergs Modell der Intuition. (Eigene Darstellung nach Goldberg 1995)

Intuitive Entdeckungen: Hierunter fallen plötzliche Erkenntnisse zu bestimmten oder sehr allgemeinen Frage- oder Problemstellungen, welche das bisherige Wissen ergänzen. Oftmals geht eine Inkubationsphase während einer längeren Beschäftigung mit einem Thema voraus. Als Beispiel für die Intuition kann die vorher erwähnte Entdeckung des Benzolrings nach langer Forschungsphase und einem symbolhaften Traum genannt werden. Kreative Intuitionen: Hierbei steht vor allem der phantasievolle, schöpferische Akt im Mittelpunkt. Es wird nicht nach der einen ultimativen Lösung gesucht, sondern es werden vielfältige Optionen und Alternativen produziert. Typische Beispiele für diese Art der Intuition sind Kunstwerke, welche ein Thema stimmig und adäquat abzubilden vermögen.

193Siehe

Goldberg (1993), S. 105. Goldberg (1993) in Obermayr-Breitfuß (2005), S. 51. 195Vgl. ebd. 196Vgl. Goldberg (1993) S. 48 ff. 194Vgl.

2.2 Intuition

47

Intuitive Evaluation: Bei dieser häufig vorkommenden Form der Intuition werden bestehende Handlungsalternativen ohne das Vorliegen quantifizierbarer Fakten bewertet. Bewertungsgrundlage sind i. d. R. diffuse Gefühle wie bspw. Unwohlsein oder ein inneres Drängen. Die Intuition kann sich aber auch durch ‘innere Stimmen ́ oder Bilder ausdrücken. Diese Form der Intuition ist besonders bei einer dünnen Faktenlage oder besonders hoher Komplexität hilfreich. Als Beispiel kann jede Managemententscheidung aufgeführt werden (wie Erweiterung der Produktpalette oder Modifikation / Verlagerung des Produktionsprozesses), welche nicht eindeutig quantitativ bewertbare Handlungsalternativen hervorbringt. Operative Intuition: Hierunter wird vor allem der handlungsleitende Aspekt der Intuition verstanden. Intuition kann, auch ohne thematischen Rahmen oder bewusst gewählte Fragestellung, als richtungsweisend empfunden werden. Die Aufmerksamkeit wird dann wie durch eine unwillkürlich wirkende Kraft in eine bestimmte Richtung gelenkt. In Managemententscheidungen kann dies bspw. der Fall sein, wenn intuitiv bestimmte Funktionsbereiche eines Produktes überprüft werden, obwohl kein entsprechender Auftrag vorliegt bzw. der Auftrag lautet, ein anderes Problem zu lösen. Prognostische Intuition: Der Bezug zur Zukunft wird durch diese Kategorie der Intuition betont. Intuierenden Personen wird durch eine sich aufbauende (Vor-)Ahnung ein Blick geöffnet, für all das, was möglich wäre. Zukünftige Potentiale können so erkannt, Prognosen abgegeben, Pläne geschmiedet und Hypothesen gebildet werden. Ein Praxisbeispiel hierzu ist die Entwicklung und Einführung neuer und anfangs futuristisch anmutender Technologien wie bspw. Tablets, Virtual Reality oder Ähnlichem. Illumination: Dieser Intuitionsaspekt durchzieht alle anderen Formen der Intuition und kann nicht unabhängig davon erreicht werden. Die Illumination zeichnet sich dadurch aus, dass ein Bewusstseinszustand erreicht wird, in dem das Individuum geistig ganz in dem Thema oder der Frage aufgeht, mit dem es sich beschäftigt. Es liegt keine Dualität mehr zwischen Subjekt und Objekt vor und es entsteht ein Gefühl der Stimmigkeit und des sich mit Allem im Einklang Befindens. Als Beispiel für diesen Zustand kann das oftmals von Künstler/innen beschriebene kreative Flow -Erlebnis dienen. Goldberg führt weiter aus, dass die beschriebenen Kategorien auch einen hierarchischen Charakter innehaben, wobei die ersten fünf genannten Formen der Illumination als Vorstufe vorausgehen (bzw. die dortige Erkenntnis ‘simulieren’).197 Ein weiteres verbreitetes Modell entstand aus einer Metastudie von Baylor (1997), in welcher verschiedene empirische Studien zur Intuition ­aufgearbeitet 197Vgl.

ebd.

48

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

wurden. Die Abbildung  2.8 zeigt die verschiedenen Komponenten des ­Intuitions-Modells, wobei Baylor (1997) ausdrücklich darauf hinweist, dass die Bestandteile in der Realität keinesfalls so linear miteinander verbunden sind, wie es die symmetrischen Kreise vermuten lassen. Wie es häufig bei solchen glatten symmetrischen Modellierungen der Fall ist, sieht die Realität weitaus asymmetrischer und amorpher aus. Die Gültigkeit der genannten Bestandteile erfährt hierdurch allerdings keine Einschränkung.

Abbildung 2.8   Hauptmerkmale der Intuition nach Baylor. (Eigene Darstellung nach Baylor 1997)

Im Modell wird die Intuition als kognitiver Prozess dargestellt, welcher sich aus den Komponenten ‘Unmittelbarkeit’, ‘Beziehungsknüpfung’ und ‘Urteilsbildung’ zusammensetzt. Aus diesen Aspekten wurden drei Formen der Intuition abgeleitet, die ‘handlungsorientierte Urteilsbildung’, die ‘Einsicht’ sowie die ‘Analogie’:198 Unmittelbarkeit: Intuition ist nicht bewusst planbar und taucht oft unvermittelt und plötzlich im Bewusstsein auf. Es wird zwar davon ausgegangen, dass Daten unbewusst verarbeitet werden und im Hintergrund laufende Prozesse die Intuition vorbereiten, die Intuition an sich entzieht sich aber jeglicher willkürlichen Kontrolle.

198Vgl.

Baylor (1997), S. 188 ff.

2.2 Intuition

49

Beziehungsknüpfung: Bisher isoliert betrachtete Sachverhalte werden durch Intuition miteinander verbunden und in Beziehung gesetzt. Neue Zusammenhänge können entstehen und eingelaufene Pfade verlassen werden. Einflussfaktoren hierauf sind Wissensstand und Erfahrungen in den entsprechenden Feldern. Urteilsbildung: Intuitiv gebildete Urteile stehen in diesem Modell dem deduktiven Denken199 gegenüber. Mithilfe der Intuition können bestehende Theorien hinterfragt und überprüft werden. Eingefahrene Muster aufgrund von bestehenden impliziten Theorien können so überwunden werden und Alternativen hierzu entstehen. Aus diesen Wirkmechanismen der Intuition wurden die folgenden drei Komponenten eines intuitiven Prozesses abgeleitet:200 Handlungsorientiertes Urteilen: Intuitiv gefällte Urteile ermöglichen direkte und unmittelbar erfolgende Handlungen. Anstatt kognitiver Planung oder metakognitiver Reflexionsleistung bildet sich das intuitive Urteil plötzlich und in bildhaften analogen Prozessen. Der intuitive Prozess wird dabei meist nicht willentlich initiiert, sondern erfolgt spontan und wird erst durch das Auftreten des Ergebnisses im Bewusstsein gewahr. Einsicht: Durch die Intuition können Beziehungen geschaffen und Verknüpfungen hergestellt werden, welche dazu führen, dass das große Gesamtbild gesehen und verstanden werden kann. Analogien: Mittels Analogien lassen sich Urteile bilden, aufgrund von Beziehungen zwischen sonst getrennt betrachteten Einheiten. Nicht miteinander verbundenen Elementen werden intuitiv Beziehungen oder Gemeinsamkeiten zugeschrieben, wodurch auf die Gesamtzusammenhänge geschlossen werden kann. Dieses Modell beschreibt eindrucksvoll die für Managemententscheidungen relevanten Vorgänge. Für eine gelungene Managemententscheidung unter Zeitdruck kann die rasche Bewusstwerdung von Zusammenhängen von großem Vorteil sein. Ein darauf basierendes Urteil kann entscheidend sein (bspw. beim sofortigen Verkauf der Telekom Aktien vor dem 06. März 2000 aufgrund eines spontan auftretenden Zweifels am Potential der neuen Märkte). Ebenso ist es vorteilhaft, Verknüpfungen zwischen bisher nicht kausal existierenden Zusammenhängen (bspw. Firmenlogo und Absatz) zu ziehen, da diese möglicherweise doch in Verbindung stehen könnten (bspw. bei dem Unternehmen Nike). Auch die intuitive Einordnung von Sachverhalten in ein umfassendes

199Schlussfolgern 200Vgl.

aufgrund von Theorien. Baylor, (1997), S. 190 ff.

50

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Gesamtbild aller existierenden Verbindungen und Zusammenhänge ist hilfreich, um Wirkmechanismen zu verstehen. Diesen gemäß können Entscheidungen getroffen werden, welche nicht nur die Gegebenheiten des Marktes berücksichtigen, sondern auch die eigene gesamtgesellschaftliche Position ausloten, um ein erfolgreiches Produkt anbieten zu können (bspw. wie bei der Entwicklung von Angeboten wie Airbnb, Uber oder Netflix). Dem Charakter der Fachdisziplin der Psychologie entsprechend, gab es auch breit angelegte empirische Untersuchungen, in denen intuitiven Menschen typische Charaktermerkmale zugeordnet wurden. Für diese Studien wurde Intuition definiert als eine unbewusste Schlussfolgerung, welche aufgrund einer Informationsbasis getroffen wurde, in der weniger Informationen zur Verfügung standen als eigentlich benötigt.201 Westcott (1968) identifizierte anhand qualitativer und quantitativer Erhebungen die folgenden idealtypischen Merkmale eines ‘erfolgreichen intuitiven Denkers’:202 • unkonventionelles Denken und Handeln, verbunden mit einem angenehmen Gefühl • Selbstsicherheit und wenig Identifikation durch Gruppenzugehörigkeit • Offenheit gegenüber Unstimmigkeiten und Zweifeln • Kritik für oft spontane und unkonventionelle Handlungen wird in Kauf genommen • Flexibilität gegenüber Umweltveränderungen, Anpassung durch eigene Veränderungen • Abwehr von externen Kontrollansprüchen In weiteren Untersuchungen von Betsch (2004) wurden die Entscheidungstypen (intuitiver Entscheidungsmodus und deliberativer Entscheidungsmodus) mit den Persönlichkeitstypen der ‘Big Five’ verknüpft. Demnach existiert ein Zusammenhang zwischen der Präferenz von Deliberation mit den Persönlichkeitstypen ‘Gewissenhaftigkeit / Perfektionismus’ und dem Bedürfnis nach Strukturiertheit sowie ein Zusammenhang zwischen Präferenz zur Intuition und schnellem Entscheiden und den Persönlichkeitstypen ‘Extraversion’ und ‘Verträglichkeit’.203

201Vgl.

Westcott (1968), S. 97. Westcott (1968), S. 140. 203Vgl. Krenzin (2008), S. 61. 202Vgl.

2.2 Intuition

51

Diese Faktoren sind insbesondere insofern interessant, als dass sie als Eigenschaften intuitiv entscheidender Menschen auf der personalen Seite der Gelingensbedingungen Einzug finden und auf der situationalen Seite eine Basis bilden für begünstigende Rahmenbedingungen (bspw.  hoher Freiheitsgrad, geringe Kontrollmechanismen, Atmosphäre der Offenheit). Die Erforschung der unbewussten Prozesse der menschlichen Psyche war auch Ziel zahlreicher empirischer Studien204 im Fachgebiet der Kognitionspsychologie.205 Aus den Ergebnissen dieser Studien wurde u. a. das Modell eines intuitiven Problemlösungsprozesses abgeleitet, welcher in zwei Schritten verläuft und sich hauptsächlich auf die automatische Erkennung von Mustern durch Erfahrungswissen stützt.206 Im ersten Schritt (guiding stage) werden unbewusste ‘Hinweise auf Kohärenz’ aufgenommen, wodurch mnestische und semantische Netzwerke aktiviert und ein zunehmendes Verständnis des Problems bzw. Themas erwächst.207 Sobald ein bestimmter Grad der Aktivierung erreicht wird, transmissionieren im zweiten (integrativen) Schritt die unbewusst vorliegenden Muster zu einer bewusst wahrnehmbaren Ahnung oder einer explizit formulierbaren Hypothese.208 Vielfach wird im Laborexperiment berichtet, dass diesem Moment der Intuition, also dem Moment, in dem implizites Wissen zu explizitem Wissen umgewandelt wird, ein Gefühl der Sicherheit, beschrieben als ‘feeling of warmth’, vorausgeht.209 Ausschlaggebend für die Intuition ist in diesem Modell die Erfahrung einer Person in dem jeweiligen Bereich und die damit verbundene Bildung von Gedächtnisnetzwerken. Da der intuitiven Erkenntnis ein bestimmtes Gefühl vorausgeht, kann davon ausgegangen werden, dass intuitive, unbewusste Problemlösung kontinuierlich und parallel zur bewussten Problemlösung verläuft.210 Sobald die Schwelle zum Bewusstsein überschritten wird, markiert ein Aha!-Gefühl, das plötzliche Erleben von Einsicht. Die Wichtigkeit der Erfahrung für den intuitiven Prozess möchte ich noch einmal anhand einiger Beispiele verdeutlichen.

204bspw. bei der Untersuchung von Informationsverarbeitung, der Verarbeitung von Wahrnehmung, Wissensrepräsentation, Problemlöseprozessen, Lernen und Kompetenzentwicklung oder neueren Handlungstheorien, siehe hierzu Anderson (2013). 205Vgl. Hänsel (2002), S. 68. 206Vgl. Bowers (1990), S. 84. 207Vgl. ebd. 208Vgl. ebd. 209Vgl. Hänsel (2002), S. 68. 210Vgl. Hänsel (2002), S. 68 ff.

52

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

In nahezu jeder alltäglichen Routinesituation verhalten wir uns unbewusst richtig, bspw. wissen wir, wie ein Messer anzusetzen ist, um eine Tomate zu schneiden ohne abzurutschen oder wieviel Druck auf das Bremspedal zu geben ist, um das Auto an einer gewünschten Stelle vor der Ampel zum Stehen zu bringen. Grade am Beispiel des Autofahrens wird der Lerneffekt deutlich. Während in den ersten Fahrstunden noch absolute Konzentration und bewusste Denkanstrengung vonnöten war, sind wir nach einigen Monaten Übung in der Lage, im dichten Verkehr uns unbekannter Städte zu fahren und uns währenddessen noch mit unseren Beifahrer/innen zu unterhalten, da nun alle Abläufe unbewusst und automatisch ablaufen und ein Großteil der Informationen aufgenommen und weiterverarbeitet wird, ohne dass es einer bewussten Denkleistung bedarf. Ebenso findet auch bei Managemententscheidungen ein Lernprozess statt, welcher dann Einfluss auf die Intuition ausübt. Es existiert also eine enge Verbindung zwischen Wahrnehmungs-, G ­ edächtnisund Denkprozessen. Die Bedeutung dieser Verbindung gipfelt in der Vermutung, dass sich die Intuition ziemlich präzise erklären ließe, wenn es nur gelinge, den menschlichen Wahrnehmungsfilter des menschlichen Gedächtnisses auszuschalten.211 Könnten sich Menschen an die komplette Bandbreite aller über die fünf Sinne permanent unterschwellig aufgenommenen Informationen bewusst erinnern, ließe sich demnach nachvollziehen, was im intuitiven Prozess passiert. Anderen Ansätzen zufolge geht die intuitive Leistung aber noch über das reine zu Rate ziehen von unbewussten Erinnerungen hinaus. In jedem Fall spielen die unbewussten Gedächtnisleistungen aber eine gewichtige Rolle im Intuitionsprozess. Unbewusste Informationsverarbeitungsprozesse werden in der psychologischen Forschung unter den Begriffen der ‘impliziten Kognition’, ‘impliziten Wissens’ bzw. ‘impliziten Lernens’ oder auch des ’tacit knowledge’ behandelt.212 Die Intuition kann unter diesen Gesichtspunkten auch als ein kontinuierlicher, nie abgeschlossener, explizit und implizit stattfindender Lernprozess gesehen werden.213 Aus impliziten Lernprozessen, auch als ‘prozeduales Wissen’ oder ‘Erfahrungswissen’ bezeichnet, erwächst ein ‘know-how’, welches es den Anwender/innen ermöglicht, quasi intuitiv eine Handlung vorzunehmen.214 ‘Know-

211Vgl. Vaughan

(1991), S. 49–50. Hänsel (2002), S. 71 ff. 213Vgl. Neuweg (1999), S. 345 ff. 214Vgl. u. a. Schmidt / Hipp / Caspari (1999), S. 3; Hänsel (2002), S. 72; Anderson (2007), S. 282 ff. 212Vgl.

2.2 Intuition

53

how’ ist stark handlungssteuernd und situationsabhängig, da es dem spezifischen Anwendungskontext entspringt.215 Ein schönes Beispiel für implizites Wissen (und den Zusammenhang mit Intuition) lieferte mir seinerzeit der Betreuer meiner Masterarbeit zum Thema Kreativität. Mir wurde von einem Ingenieur berichtet, welcher immer dann um Hilfe ersucht wurde, wenn es auf einer Bohrinsel zu Unstimmigkeiten kam. Bereits im Helikopter wusste der Experte, wo das Problem lag, näherte sich der Fehlerquelle und behob den Fehler ohne dass er genau sagen konnte, woher er die Ursache des Problems kannte. Im Nachhinein, als in einem ‘cognitive walk through’ jeder Schritt noch einmal nachvollzogen wurde, stellte sich heraus, dass die Abgasflamme über der Bohrinsel eine minimal andere Farbe hatte als im Normalfall, was der Problemlöser unbewusst aufnahm und ebenfalls unbewusst mit seinem Erfahrungswissen abglich. Oftmals ist es kaum möglich, die einzelnen Ereignisse und Entscheidungen des Handlungsablaufes nachzuvollziehen oder in Worte zu fassen. Psychologisch betrachtet erfolgt eine “Dissoziation zwischen Verhaltens- und Verbaldaten” bzw. allgemeiner formuliert eine Trennung zwischen Können und bewusstem Wissen.216 Implizites Wissen geht nach Neuweg (1999) mit den folgenden drei Merkmalen einher:217 1. Nicht-Verbalisierbarkeit: Implizites Wissen lässt sich häufig nicht verbal ausdrücken. 2. Nicht-Formalisierbarkeit: Viele Handlungsabläufe gehen mit hoher Komplexität und der Möglichkeit, in schier unendliche Variationen abzudriften, einher. Noch mehr als den Grenzen der Aufmerksamkeit ist diesem Umstand geschuldet, dass sich die meisten Abläufe nicht in ein angemessenes und explizites Regelwerk gießen lassen. 3. Erfahrungsgebundenheit: Bei implizitem Wissen handelt es sich um Praxiswissen, es entsteht aus der Verarbeitung individueller und unmittelbar erlebter Erfahrung. Die Prozesse des impliziten und expliziten Lernens sind ebenfalls miteinander verknüpft, da eine erste Annäherung an ein Thema i. d. R. bewusst erfolgt, die

215Vgl.

Hänsel (2002), S. 72. (2004), S. 16. 217Vgl. Hänsel (2002), S. 72. 216Neuweg

54

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

weitere Auseinandersetzung sich aber unwillkürlich der Kontrolle des Bewusstseins entzieht.218 Der äußerst wichtige Zusammenhang von Intuition und Erfahrungswissen bzw. Expertise wird in den Abschnitte 2.2.2.4 (Intuition in der Pädagogik) und 2.2.2.7 (Intuition und Informationstechnologie) noch einmal von einer anderen Seite beleuchtet. Ein anderer psychologischer Ansatz zur Betrachtung des Intuitionsphänomens liegt in der Gestaltpsychologie. Hier wird Intuition nicht durch die kontinuierliche unbewusste Verarbeitung von Informationen und Erfahrungswissen erklärt, sondern als primäre Wahrnehmung charakteristischer Gesamtstrukturen. Der Schlüssel zum Erkennen der wesentlichen Gestaltqualität, liegt in der ­nicht-summativen Verbindung der einzelnen Teilelemente. Zugrunde gelegt wird der weitverbreitete Ansatz, dass das Ganze etwas anderes ist, als die Summe seiner Teile.219 Um solche Gesamtkonstrukte erkennen zu können, bedarf es der Fähigkeit der Mustererkennung.220 Intuitive Einsicht im Sinne der Gestaltpsychologie ist also ein diskontinuierlicher, perzeptuell-kognitiver Vorgang.221 Ein Problem wird spontan aus einer anderen Perspektive betrachtet, relevante Muster werden als ganze Gestalt erkannt, sodass eine bewusste oder unbewusste Kombination von einzelnen Elementen erfolgt.222 Als ­‘Gestalt-Intuition’223 wird ein Modell bezeichnet, nach dem an der Grenze der bewussten Aufmerksamkeit Lücken, fehlende Verbindungen und verborgene Beziehungen in konkreter oder abstrakter Form aufgenommen werden.224 Intuitive Wahrnehmung erfasst dabei alle relevanten Elemente und Faktoren, auch all jene, welche dem Gegenüber nicht bewusst bekannt sind oder nicht verbalisiert werden können.225 Auf diese Weise entsteht das Gefühl von Stimmigkeit, Sinn und Bedeutung.226 In

218Vgl.

Reber (1993), S. 23. ist geboten, bei der lange Zeit geltenden optimistischen Aussage ‘das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile’. Das Ganze kann aber auch weniger sein, bspw. können einzelne hervorragende Führungspersönlichkeiten in Summe eine jämmerliche Projektgruppe abgeben. 220Vgl. Kriz (2004), S. 18 ff. 221Vgl. Hänsel (2002), S. 74 ff. 222Vgl. ebd. 223Siehe Rew / Barrow (1987). 224Vgl. Hänsel (2002), S. 75. 225Vgl. ebd. 226Vgl. ebd. 219Vorsicht

2.2 Intuition

55

weiten Teilen deckt sich diese Sichtweise auf die Intuition mit jener von Neuweg (1999), welcher von der Fähigkeit spricht, in komplexen Situationen “die Elemente im Problemfeld zu einem bedeutungsvollen Ganzen zu integrieren”.227 Hierzu sind subtile, nicht explizit vermittelbare Merkmale wahrzunehmen, um ein holistisches Bild zu erschaffen.228 Da sich in Form dieses Gesamtbildes aus dem Zusammenspiel der Elemente etwas Neues herausbildet und da nicht offensichtlich von den Eigenschaften der einzelnen Elemente auf das Gesamtbild geschlossen werden kann, handelt es sich bei der Intuition folglich um ein Emergenzphänomen.229 Darüber hinaus konstatiert Petzold (1998) eine förderliche Wirkung von Intuition auf die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme.230 Die Intuition231 entsteht nach Petzold im Zusammenspiel verschiedener Wahrnehmungsebenen232 und der Resonanz des Gedächtnisses und antizipatorischer Leistungen.233 Geprägt wird die zum Intuieren benötigte Verarbeitungskapazität von genetischen Anlagen sowie durch Sozialisationseinflüsse.234 Ein solches emergentes Zusammenwirken bewusster235 und unbewusster236 Prozesse sowie der Faktor Sozialisation würde die Intuition ein Stück weit steuerbar und erlernbar machen.237 Leider wurde die konkrete Ausgestaltung der genannten Wirkmechanismen bisher nicht beschrieben, ebenso konnte die aufgestellte Theorie noch nicht empirisch bewiesen werden. Permanent befinden wir uns in einem Strom nonverbaler Informationen, von denen einige ins Bewusstsein vordringen, während der Großteil als analoge Informationen auf der unbewussten Ebene verbleibt. Gleichzeitig werden durch selbstreferentielle Kommunikation kognitive und emotionale Informationen auf verschiedensten Ebenen verarbeitet und gedeutet.238 Auf diese Weise wird

227Vgl.

Neuweg (1999), S. 292. Neuweg (1999), S. 290. 229Vgl. Hänsel (2002), S. 75. 230Vgl. Petzold (1998), S. 149. 231individuell und in Gruppen. 232aktual, supra- und subliminal. 233Vgl. Petzold (1998), S. 149. 234Vgl. ebd. 235intentionaler 236supra- und subliminal. 237Vgl. Hänsel (2002), S. 96. 238Vgl. Hänsel (2002), S. 75. 228Vgl.

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2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

bewusst und unbewusst die individuelle Wirklichkeit konstruiert.239 Aus dem Zusammenspiel dieser Funktionsweisen erwächst auch etwas neues, Elemente mit bestimmten Eigenschaften wirken so zusammen, dass ein Ergebnis produziert wird, welches sich ebenfalls von der Summe der Elemente unterscheidet. Die erschaffene Emergenz kann auf der Ebene der bewussten Wahrnehmung zu Überlagerungen führen, zu Interferenzen der unterschiedlichen Sinneskanäle, was sich in Form von Synästhesien äußern kann.240 Oftmals tritt dieser Effekt erst in Form von unbewusst angewandtem Erfahrungswissen im konkreten Handeln auf.241 Was können wir mitnehmen? • Bewusste sowie unbewusste Wahrnehmung, emotionale Reaktionen und Gedächtnisfunktionen wirken synergetisch zusammen. • Intuition wird als hauptsächlich innerer Vorgang gesehen, der in jedem Menschen als verschwommene Ahnungen, Gefühle, Entdeckungen bzw. Offenbarungen vorhanden ist. • Erste Nennung förderlicher Aspekte: spontane, lockere, offene und unsystematisierte Herangehensweise. • Von den sechs intuitiven Unterkategorien ‘Intuitive Entdeckungen’, ‘kreative Intuition’, ‘Intuitive Evaluation’, ‘Operative Intuition’, ‘prognostische Intuition’ und ‘Illumination’ besteht der stärkste Bezug zu Managemententscheidungen in der intuitiven Evaluation. • Intuition setzt sich als kognitiver Prozess aus den Komponenten ‘Unmittelbarkeit’, ‘Beziehungsknüpfung’ und ‘Urteilsbildung’ zusammen, hieraus lassen sich die Wirkungsweisen ‘handlungsorientierte Urteilsbildung’, ‘Einsicht’ sowie ‘Analogie’ ableiten. Die erzielten Effekte sind Bestandteile intuitiver Managemententscheidungen. • Intuition hängt stark mit Erfahrungswissen zusammen und kann als Produkt eines impliziten Lernprozesses gesehen werden. • Intuition kann durch das (unbewusste) Erkennen von Mustern bzw. die Neukombination einzelner Elemente dieser Muster hervorgerufen werden. • Intuition bildet gemeinsam mit dem Denken, Empfinden und Fühlen die vier Grundfunktionen der menschlichen Psyche. Die Intuition kann abstrakt oder

239Vgl.

Kriz (2004), S. 54. Hänsel (2002), S. 91. 241Vgl. ebd. 240Vgl.

2.2 Intuition

• • • • •

57

konkret auftreten, je nachdem ob sie eher in Verbindung zum Denken oder zum Fühlen steht. Intuition kann sich direkt (wörtlich) oder indirekt (symbolisch, durch Bilder) äußern. Intuition kann sich durch ein ‘feeling of warmth’ oder unwillkürliche Achtsamkeit ankündigen. Es existieren idealtypische (persönliche) Merkmale erfolgreichen intuitiven Denkens, aus denen sich weitere förderliche Arbeitsweisen ableiten lassen. Intuition füllt Lücken in der bewussten Wahrnehmung mit unbewusst wahrgenommenen Elementen und schafft somit ein Gefühl von Stimmigkeit. Intuition und Empathie hängen zusammen.

Psychotherapie Über die Psychologie fand die Intuition auch nähere Beachtung in der Psychotherapie. Die für den Intuitionsbegriff gewählten Definitionen sind in diesem Fachgebiet äußerst variationsreich oder bleiben direkt komplett aus, sodass die Intuition an sich gänzlich undefiniert bleibt. In den Anfängen der Psychoanalyse wurde Intuition als Illusion abgetan und von deren Vertreter/innen wie Freud (1928) als Quelle von Erkenntnis kategorisch ausgeschlossen und in den Bereich der Religion oder Philosophie eingeordnet.242 Mehr noch warnt Freud sogar vor einem Abgleiten ins Reich individueller und kollektiver Psychosen, sollten sich Menschen allzu stark auf die Intuition verlassen.243 Allen anderen Bestrebungen, sich in der Wirklichkeit zurecht zu finden, würde damit die Energie entzogen.244 Im geringeren Umfang lassen sich dennoch Bezüge zwischen der Intuition und der Psychoanalyse herstellen. Diese sind im Behandlungsziel zu finden, also darin, unbewusste psychische Konflikte aufzudecken und zur weiteren Bearbeitung ins Bewusstsein zu rufen. Therapeut/innen nehmen im Gespräch mit den Klient/innen (bspw. bei der freien Assoziation) eine große Menge an Informationen auf. Dabei wird eine als ‘gleichschwebende Aufmerksamkeit’ bezeichnete, neutrale und unvoreingenommene Grundhaltung eingenommen.245 Grabska (2000) beschreibt, wie dieser Zustand ein Zusammenspiel zwischen dem eigenen und dem fremden

242Vgl.

Freud (1928–1933), S. 171–173. ebd. 244Vgl. ebd. 245Vgl. Schneider (1996), S. 348; Kettner / Mertens (2010), S. 125. 243Vgl.

58

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Unbewussten und somit einen emotionalen Austausch ermöglicht, welcher intuitive Wahrnehmungen und Einsichten in die Psychodynamik des Patienten zulässt.246 Das Eintreten dieser Einsicht erfolgt häufig unmittelbar und als bildhaft-symbolische Information und wechselt sich mit Phasen der Neuorganisation und Weiterverarbeitung ab.247 Des Weiteren können sich die ‘Übertragung’ (Klient/innen übertragen unbewusst alte Beziehungserfahrungen und Wünsche auf gegenwärtige Situation) und die ‘Gegenübertragung’ (Analytiker/innen bringen unbewusst eigene Reaktionen mit ein) im Laufe des Psychoanalysevorgangs auf die Intuition auswirken.248 Bleiben Übertragungseffekte unberücksichtigt, gelten sie als hinderlich für die Informationsgewinnung, während eine bewusste Auseinandersetzung mit den Hintergründen zum Erkenntnisgewinn genutzt wird.249 Da davon auszugehen ist, dass diese Dynamiken nicht bloß ausschließlich im Kontext der Psychoanalyse wirken, sondern in Beziehungskonstellationen im Allgemeinen, ist auch hinsichtlich intuitiv getroffener Managemententscheidungen reflexiv zu prüfen, welche möglichen Übertragungseffekte eine Rolle spielen. Diese von Freud beschriebenen Methoden intersubjektiver Nachvollziehbarkeit unbewusster Prozesse können als Bestätigung dafür gesehen werden, dass es theoretisch möglich ist, unbewusste Erfahrungen von Individuen für Dritte nachvollziehbar zu machen. Dieser Umstand ist für die Legitimation unbewusster Prozesse als Entscheidungsgrundlage von äußerster Wichtigkeit, da Nachvollziehbarkeit ein integraler Bestandteil von Legitimation ist (siehe Abschnitt 2.3). Träume stellen als Ausdruck des Unterbewussten einen interessanten Bestandteil der Psychoanalyse und der Psychotherapie dar.250 Prinzipiell nehmen Freud und Jung bezüglich des Informationsgehaltes des Traumes zwei unterschiedliche Positionen ein. Beide gestehen dem Traum aber die Macht zu, Informationen des Unterbewussten ins Bewusstsein zu überführen. Freud (1900) sieht den Traum eher als Ventil unterdrückter Bedürfnisse, welche dank der im Traumzustand herrschenden geringeren Zensur ins Bewusstsein drängen.251 Eine prophetische Wirkung etwa durch die Verarbeitung unbewusster Informationen

246Vgl.

Grabska (2000), S. 250. Thomä / Kächele (1985), S. 358. 248Vgl. Cohn (1975), S. 137; Hänsel (2003), S. 91. 249Vgl. ebd. 250Vgl. Freud (1900), o. S. / Jung (2015 im Original von 1964), S. 20 ff. 251Vgl. Freud (1900), o. S. 247Vgl.

2.2 Intuition

59

haben Träume demnach nicht.252 Jung (1964) hingegen sieht den Traum als Mechanismus, um die im wachen Zustand angefallenen Informationen und jene Zusammenhänge und Fragestellungen, welche das Individuum derzeit beschäftigen, zu verarbeiten.253 Eine besondere Rolle kommt hierbei der im Traum verwendeten Symbolik zu.254 Da in den schwerlich erfassbaren Sphären des Unterbewussten vermutlich keine Chronologie wie in der Welt des Wachbewusstseins herrscht, verschwimmen Ursache und Wirkung leicht.255 Die (unbewussten) Wünsche der Träumenden für die Zukunft vermischen sich mit der Verarbeitung vergangener und gegenwärtiger Themen, wodurch der Anschein einer Vorahnung entstehen kann.256 In jedem Fall sind Träume und der offenere Zugang zum Unterbewusstsein während des Träumens eine gute Möglichkeit, um das Intuitionsphänomen weitergehend untersuchen zu können und eine Chance, sich mit dem eigenen Unterbewusstsein und der eigenen Intuition zu befassen. Aus heutiger Sicht wird die Intuition als natürliche geistige Fähigkeit gesehen, deren Förderung sogar ein Beitrag zur Gesundheit sein kann.257 Eine Auseinandersetzung mit der eigenen Intuition kann das Selbstvertrauen stärken, die Denkprozesse schärfen oder Gewissheit in der Lebensorientierung geben, was im Wesentlichen auch Ziele im psychotherapeutischen Prozess sind.258 Durch das zum Ausdruck bringen der schöpferischen Kraft der Kreativität und somit der Intuition können sich ungeklärte psychische Zustände auflösen lassen.259 Diese Art der Selbstdarstellung kann wichtige therapeutische Wirkung haben. Einen weiteren positiven Effekt bringt die verschärfte Achtsamkeit, welche mit der Intuition einhergeht, mit sich. Wie bereits erwähnt, manifestiert sich die bevorstehende intuitive Erkenntnis durch besondere Achtsamkeit auf bestimmte als Zufälle aufgefasste Sachverhalte im täglichen Umfeld. Zur psychischen Gesunderhaltung kann der Einklang von Außenwahrnehmung (bspw. der beobachteten Zufälle) und der Innenwelt, also der gedanklichen und

252Vgl.

ebd. Jung (2015 im Original von 1964), S. 39 ff. 254Vgl. Jung (2015 im Original von 1964), S. 39 ff. und S. 93 ff. 255Vgl. Laborde-Nottale (1995) in Obermayr-Breitfuß (2005), S. 197. 256Vgl. ebd. 257Vgl. ­Obermayr-Brietfuß (2005), S. 190. 258Vgl. ebd. 259Vgl. Petzold / Orth (1990), S. 13 ff. 253Vgl.

60

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

emotionalen Auseinandersetzung mit einem Thema, förderlich sein.260 Es entsteht das beruhigende Gefühl von Sinnhaftigkeit und Sicherheit.261 Andererseits kann es zu einer tiefen Traurigkeit bis hin zu einer psychischen oder psychosomatischen Erkrankung führen, wenn Menschen permanent nicht auf die eigene Intuition hören.262 Grund dafür ist das unangenehme Gefühl, sich selbst nicht zu vertrauen, welches sich einstellt, wenn Menschen beim Treffen einer Entscheidung eine andere Wahl treffen als die intuitiv bevorzugte Option. Insbesondere wenn sich die eigene Intuition im Nachhinein als richtig herausstellt, führt dies zu Enttäuschung, inneren Konflikten und Selbstzweifeln. All diese positiven und negativen Auswirkungen der Intuition gelten ebenfalls im Kontext des Managements. Aus diesen Gründen zählt die Intuition heute zu den zentralen Bestandteilen des ‘Transaktionsanalytischen Therapieansatzes’ nach Berne. Dieser definiert Intuition als „Wissen, das auf Erfahrung beruht und durch direkten Kontakt mit dem Wahrgenommenen erworben wird, ohne dass der intuitiv Wahrnehmende sich oder anderen genau erklären kann, wie er zu der Schlussfolgerung gekommen ist“.263 Diese Beschreibung wurde zu einem späteren Zeitpunkt um die Begriffe der ‘latenten’ und ‘manifesten’ Kommunikation ergänzt.264 Synonym zu den sonst verwendeten Begriffen unterbewusst und bewusst erfolgt hierbei eine Trennung nach willkürlichen, formalen und verbalen Mitteilungen265 sowie eher unwillkürlichen, para- und nonverbalen und oft mehrdeutigen Mitteilungen266,267. Aufgrund einer Reihe von Selbstversuchen, bei denen möglichst rasch und intuitiv medizinische Diagnosen getroffen und im Nachhinein überprüft wurden, konnten sich einige Facetten der Fähigkeit, korrekt zu intuieren, herauskristallisieren. Hierbei handelt es sich um eine ‘intuitive Stimmung und Verfassung’, welche weiter als ‘Wachsamkeit’, ‘Empfänglichkeit’, ‘intensive Konzentration’, ‘nach außen gerichtete Aufmerksamkeit’ beschrieben wird, wobei der Vorgang ‘ohne aktiv gesteuerte

260Vgl.

Obermayer-Breitfuß (2005), S. 201. ebd. 262Vgl. Obermayer-Breitfuß (2005), S. 190. 263Vgl. Berne (1991), S. 36. 264Vgl. Hänsel (2002), S. 91. 265manifeste Kommunikation 266latente Kommunikation 267Vgl. Hänsel (2002), S. 91. 261Vgl.

2.2 Intuition

61

Teilnahme des wahrnehmenden Ichs’ abläuft.268 Auf der anderen Seite wurden auch jene Vorgänge herausgearbeitet, welche die Intuition behindern. So wird beschrieben, wie die Intuition bei häufiger und gleichförmiger Urteilsbildung ermüdet, unter längeren Pausen in der Tätigkeit einrostet und durch zu starkes persönliches Interesse am Ergebnis fixiert wird.269 Da sich diese positiven und negativen Effekte auch auf den Kontext der Managemententscheidungen übertragen lassen, könnte sich durch eine entsprechende Modifikation der Arbeitsbedingungen eine direkte Einflussnahme realisieren lassen. In der Hypnotherapie wird die Intuition mit dem Konstrukt des ‘kreativen Unbewussten’ abgehandelt. Milton E. Erickson sammelt unter dem Begriff des ‘Unbewussten’ sämtliche psychophysiologischen Prozesse (bspw. Nerven- und Muskelreaktionen, psychologische Gedächtnisfunktionen), welche sich dem Wachbewusstsein entziehen oder dem sprachlichen Verständnis nicht zugänglich sind.270 Weiter verortete Erickson dort alle gespeicherten Lern- und Entwicklungserfahrungen, was es (neben dem Therapiezweck) zu einem wichtigen Faktor für Kreativität macht.271 Im Zusammenspiel von bewusst aufgenommenen Informationen und unbewusstem Erfahrungsschatz entwickeln Menschen bestimmte Gewohnheiten, Regeln, Grundannahmen und Vorstellungen, aus denen auch Sinn und Bedeutung konstruiert werden.272 Dies wirkt sich selbstverständlich auch auf das Treffen von Managemententscheidungen aus. Um die Kommunikation mit dem ‘Unbewussten’ zu ermöglichen und ggf. Blockaden zu brechen, werden Menschen in einen Zustand der ‘Trance’ versetzt, also einen Wachbewusstseinszustand, in welchem die Aufmerksamkeit stark auf das innere Erleben und die stattfindenden unwillkürlichen Prozesse ausgerichtet ist.273 Auch in der Systemaufstellung, durch welche (u. a. im therapeutischen Bereich) unbewusste Informationen freigelegt werden, wird der Intuition eine wichtige Rolle zugeschrieben.274 Um aus den vielen Äußerungen die Intuition erkennen zu können, orientieren sich Therapeut/innen häufig an den fünf wichtigen Merkmalen des ‘intuitiven Gefühls’:275

268Vgl.

Berne (1991), S. 57. ebd. 270Vgl. Revenstorf (1989), S. 53. 271Vgl. Hänsel (2002), S. 93. 272Vgl. Schmidt / Hipp / Caspari (1999), S. 10; Schmidt (2000), S. 179. 273Vgl. Hänsel (2002), S. 94. 274Vgl. Obermayr-Breitfuß (2005), S. 481 ff. 275Vgl. Obermayr-Breitfuß (2005), S. 485. 269Vgl.

62

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Abbildung 2.9   Kommunikationsmodell nach Schmid und Wahlich. (Eigene Darstellung nach Schmid und Wahlich, 1998)

• Überraschungsmoment • Klarheit der Gefühle • Information mit neuer Erkenntnis • Leichtigkeit / Heiterkeit / Humor • Orientierung oder Lösung eines Problems • Vernetzte Ordnung (die Lösung kommt allen zugute) Es wird aber auch die eigene Intuition der Therapeut/innen zu Rate gezogen, um Aussagen zu bewerten.276 Da subjektiv gebildete Wirklichkeitskonstruktionen nicht nur Grundlage vieler Therapieansätze ist, sondern auch als Ausgangspunkt von (systemischen) Beratungsgesprächen fungiert, fand die Intuition auch Eingang in dort verwendete Kommunikationsmodelle, bspw. dem Modell von Schmid und Wahlich (1998), siehe Abbildung 2.9. Demnach erfolgt ebenso wie die Wahrnehmung und die kognitive Verarbeitung des Wahrgenommenen auch die Kommunikation auf bewusster und unbewusster Ebene. Während sich bewusste Kommunikation meist verbal oder schriftlich und

276Vgl.

ebd.

2.2 Intuition

63

auf ein Ziel fokussiert gestaltet, vollzieht sich Kommunikation auf der unbewussten Ebene in der ganzen Bandbreite non- und paraverbaler Eindrücke eines erweiterten Erfahrungs- und Interessenhintergrunds der Beteiligten.277 Wie im Modell von Jung wird auch hier das kollektive Unbewusste als Unterbau verwendet. Die Funktion der Intuition liegt in diesem Modell in der Selektion der bewusst und unbewusst aufgenommenen Sinneseindrücke sowie in der Erschließung von Potentialen und Möglichkeiten.278 Des Weiteren können durch intuitive Kommunikation Persönlichkeitsbilder der Kommunikationspartner/innen entstehen, welche Rückschlüsse auf verborgene Kompetenzen und Entwicklungsbedarfe freigibt.279 Um diese Informationen erschließen zu können, ist eine Balance zwischen bewusst-methodischer und unbewusst-intuitiver Kommunikation herzustellen.280 Da der überwiegende Teil des Managementalltags aus Kommunikation besteht und diese Kommunikation im Endeffekt zu den Entscheidungen führt, ist es wichtig, zu berücksichtigen, dass somit bereits einige intuitive Bestandteile in die Entscheidung einfließen. Was können wir mitnehmen? • Intuition wird von der Psychoanalyse nicht als Erkenntnisquelle betrachtet. • Berührungspunkte von Psychoanalyse mit der Intuition existieren während des Zustands der gleichschwebenden Aufmerksamkeit beim Patientengespräch. • ‘Übertragungseffekte’ und ‘Gegenübertragungen’ sind mittels reflexiver Auseinandersetzung von der Intuition zu trennen. • Wünsche, Bedürfnisse, Erlebnisse und aufgenommene Umweltinformationen werden im Traum verarbeitet und gelangen teilweise vom Unbewussten ins Bewusstsein. • Die Auseinandersetzung mit der eigenen Intuition kann positive psychische Auswirkungen haben, wie bspw. erhöhte Achtsamkeit, innere Ausgeglichenheit oder stärkeres Selbstvertrauen. • Förderlich für die Intuition ist eine ‘intuitive Stimmung und Verfassung’, auch als ‘Wachsamkeit’, ‘Empfänglichkeit’, ‘intensive Konzentration’ oder ‘nach außen gerichtete Aufmerksamkeit’ beschrieben.

277Vgl.

Hänsel (2002), S. 95. Hänsel (2002), S. 96. 279Vgl. ebd. 280Vgl. ebd. 278Vgl.

64

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

• Bei häufiger und gleichförmiger Urteilsbildung kann die Intuition ermüden, längere Pausen in der Tätigkeit und ein zu starkes persönliches Interesse am Ergebnis können ebenfalls hinderlich wirken. • Im Zusammenspiel von bewusst aufgenommenen Informationen und unbewusstem Erfahrungsschatz entwickeln Menschen bestimmte Gewohnheiten, Regeln, Grundannahmen und Vorstellungen. • Im Trancezustand der Hypnose kann die Kommunikation mit dem ‘Unbewussten’ gelingen. • Ebenso wie die Wahrnehmung und die kognitive Verarbeitung des Wahrgenommenen erfolgt auch die Kommunikation auf bewusster und unbewusster Ebene. • Es werden fünf Merkmale des ‘intuitiven Gefühls’ unterschieden: ‘Überraschungsmoment’, ‘Klarheit der Gefühle’, ‘Information mit neuer Erkenntnis’, ‘Leichtigkeit / Heiterkeit / Humor’, ‘Orientierung oder Lösung eines Problems’ und ‘Vernetzte Ordnung’. • Intuitive Bestandteile fließen in jede Kommunikation mit ein und darüber auch in Entscheidungsprozesse.

2.2.2.3 Intuition in der Neurowissenschaft Um sich umfassend mit der Intuition auseinanderzusetzen, ist auch die organische Seite dieses Phänomens des Geistes zu betrachten. Bei den meisten psychischen Zusammenhängen lässt sich über die Messung der Hirnstromwellen mittels einer Elektroenzephalografie ein Abbild der Hirnaktivität erzeugen. Auf diese Weise kann u. a. auch Aufschluss darüber gegeben werden, welche Prozesse während des Intuierens und bei logischen Denkprozessen im Gehirn ablaufen und welche Regionen dabei aktiv sind. Bspw. sind bei kreativen Prozessen im Gehirn insbesondere Alpha-Wellen aktiv.281 Leider hinkt der Versuch, den menschlichen Geist mit Hilfe des Gehirns zu erfassen, etwas, da sich nicht alle Facetten, welche den menschlichen Geist ausmachen, im Gehirn finden lassen. Beispielsweise ist es nicht möglich, soziale Interaktionen korrekt abzubilden, da die Interaktionspartner/innen eben nicht Teil des untersuchten Gehirns sind. Der Vergleich des immateriellen menschlichen Geistes mit den materiellen Vorgängen im Gehirn verhält sich in etwa so, wie der Vergleich der Aktivität des Fahrradfahrens mit dem Objekt des Fahrrads; es lässt sich durchaus feststellen, wie die einzelnen Bestandteile des Fahrrads und auch das gesamte Fahrrad funktioniert, der Prozess des Fahrradfahrens im Kontext des herrschenden Verkehrs lässt sich daraus allerdings nicht ableiten. Trotzdem lassen sich bei der Untersuchung 281Vgl.

Nidiaye / Gottwald / Hormann / ­Besser-Anthony (1997), S. 51.

2.2 Intuition

65

des Gehirns gewisse Muster und Regelmäßigkeiten feststellen. Es ist allerdings wichtig, im Hinterkopf zu behalten, dass es sich bei diesen Mustern mitnichten um Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge handelt, sondern lediglich das gleichzeitige Auftreten einer Hirnaktivität und einer geistigen Aktivität beschrieben wird. Zum besseren Verständnis der Intuition ist die Untersuchung der Hirnaktivität besonders interessant. Da schon seit dem frühen 20. Jahrhundert die Ansicht vertreten wird, dass die meisten Prozesse im Hirn unbewusst ablaufen und lediglich fünf Prozent der Hirntätigkeit bewusst stattfinden, der überwiegende Teil kognitiver Prozesse, bspw. subliminale Wahrnehmung und Stimulation, Schemata, moderierende physiologische Prozesse, wie das autonome Nervensystem und die Hormonregulation wird als unbewusst betrachtet.282 Renommierte Hirnforscher/innen, wie bspw. Hüther, konnten nachweisen, dass das menschliche Gehirn nur in sehr trivialen Entscheidungen wie ein Computer funktioniert und zur Entscheidung alle entstehenden Vor- und Nachteile rational abwägt.283 Da die meisten Entscheidungen wesentlich komplexerer Natur sind, kommt es im Entscheidungsprozess zu einer Vernetzung von Eindrücken, Wissen, Erfahrung und Emotionen.284 Permanent sammelt und speichert das menschliche Gehirn alle erlebten Erfahrungen des Lebens und ist überdies noch in der Lage, Handlungen bzw. Verhalten aufgrund von Erfahrungen zu optimieren.285 Es wird sich im Entscheidungsprozess also zu einem überwiegenden Teil mit unbewussten Informationen auseinandergesetzt. Diese unbekannte Größe des Unbewussten lässt auf breiter Fläche Überschneidung zur Intuition zu. Dank der modernen Hirnforschung lassen sich auch die nicht bewusst stattfindenden Prozesse visualisieren und es konnten bereits verschiedene Erklärungsansätze abgeleitet werden. Ein neuropsychologischer Erklärungsansatz leitet sich aus der Hemisphärentheorie nach Ornstein (1997) ab. Aus der Untersuchung sogenannter Split-BrainPatient/innen286 ging hervor, dass unterschiedliche Funktionen der Wahrnehmung und der Informationsverarbeitung mit Aktivitäten in verschiedenen Bereichen der rechten und linken Hemisphäre des menschlichen Gehirns einhergehen.287 In der Tabelle 2.4 sind die typischen Merkmale der jeweiligen Hemisphären aufgeführt. Das menschliche Bewusstsein, welches vor allem in der linken Gehirnhälfte aktiv 282Vgl.

Lang (2013), S. 39. Matzler / Bailom / Hutter (2010), S. 222. 284Vgl. ebd. 285Vgl. Markowitsch / Welzer (2005), S. 247. 286Bei diesen Patient/innen wurde die Verbindung zwischen rechter und linker Gehirnhälfte getrennt. 287Vgl. Hänsel (2002), S. 77. 283Vgl.

66

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Tabelle 2.4  funktionale Merkmalszuordnung der Gehirnhemisphären. (Eigene Darstellung nach Goldberg 1995)

linke Hemisphäre

rechte Hemisphäre

objektiv

subjektiv

intellektuell

emotional

kognitiv

affektiv

deduktiv

induktiv

bewusst

unbewusst

rational

irrational

analytisch

holistisch

sprachlich orientiert

bildhaft orientiert

logisch

Intuitiv

ist, kann nach Schätzungen der Hirnforscher (bspw. Markowitsch & Welzer, 2005) in jeder Sekunde ungefähr vierzig Informationseinheiten verarbeiten, während das Unbewusste, im Hintergrund der rechten Gehirnhälfte, in der Lage ist, im selben Zeitraum fünfzehn bis zwanzig Millionen Informationseinheiten zu verarbeiten.288 Insbesondere in komplexen, dynamischen und turbulenten Situationen stößt die bewusste Verarbeitung also rasch an die Grenzen der Informationsverarbeitungskapazität.289 Eine ähnliche Einteilung wie sie Tabelle 2.4 zeigt, erfolgt auch in der in Tabelle 2.5 abgebildeten Lerntheorie der ‘Impliziten Kognition’ bzw. des ‘Parabewussten Lernens’. Die Aspekte der Intuition fanden dort in den unterschiedlichen Dimensionen des Lernen Berücksichtigung: Tabelle 2.5  Dimensionen des Lernens. (Eigene Darstellung nach Edelmann 1996)

288Vgl. 289Vgl.

linke Hemisphäre

rechte Hemisphäre

rational-analytisch

intuitiv-imaginativ

aussagenartig

analog

kognitiv

emotional-motivational

bewusst

parabewusst

individuell

sozial

Matzler / Bailom / Hutter (2010), S. 221. ebd.

2.2 Intuition

67

Aufgegriffen wurde Ornstein’s Einteilung der Hirnareale in rechte und linke Hemisphäre von diversen sich mit der Intuition befassenden Forscher/innen290, welche der linken Hirnhälfte die Attribute Klarheit, Logik, Analyse zuschrieben, während in der rechten Hirnhälfte vor allem die Gefühle und die Intuition ansässig seien und Synthesen gebildet würden. Um angemessene Entscheidungen treffen zu können, wird von zahlreichen Wissenschaftler/innen die Kopplung analytischer und intuitiver Prozesse angeraten.291 Ganz so simpel (und einfach) wie dies viele populärwissenschaftliche Medien taten, lassen sich derart komplexe Phänomene wie Intuition und Kreativität nicht durch die (elektrische) Aktivität einer Gehirnhälfte erklären. Weiterführende Forschungen292 kamen zu der Erkenntnis, dass viele Funktionen (bspw. das Treffen einer Entscheidung) ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Hirnregionen mit sich bringt.293 Auch beim Verstehen von Sprache wirken logische Verarbeitungsmechanismen der rechten Hirnhälfte und bildhafte Prozesse der Gedächtnisverarbeitung sowie emotionales Verstehen (nonverbale Parameter wie bspw. Sprachmelodie, Rhythmus) ineinander.294 Ähnlich wird es sich auch bei der Intuition verhalten, welche auch auf eben jene Hirnressourcen zugreift. Selbst bei der Lösung mathematischer Aufgaben- ein Vorgang, welcher sich stark auf rationales, schlussfolgerndes Denken reduzieren lässt- wirken beide Hirnhälften harmonisch zusammen.295 Bei der Untersuchung von Patient/innen mit schwerer Schädigung des präfrontalen Cortex296 wurde festgestellt, dass jene Menschen bei intakten geistigen Funktionen eine starke Beeinträchtigung in ihrer Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen und zu schlussfolgern, erfuhren.297 Studien des Neurowissenschaftlers Joseph LeDoux (2001) wiesen nach, dass während einer Funktion der Intuition die Amygdala besonders aktiviert wird. Dort soll sich das emotionale Gedächtnis befinden. Jene Region ist in der Lage, in einem ‘quick and dirty’-Prozess Reize schneller kategorisieren und

290u. a.

von Goldberg (1995); Edelmann (1996); Markowitsch / Welzer (2005). von Simon (1973); Mintzberg (1991); Goldberg (1993); Bauer (2006); Kast (2007); Krenzin (2008). 292Siehe u. a. Roth (1997); LeDoux (2001); De Martino et al. (2013). 293Vgl. Hänsel (2002), S. 78. 294Vgl. ebd. 295Vgl. ebd. 296Gefühls- und Empfindungszentrum 297Vgl. Damasio (1999), S. 90. 291u. a.

68

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

­ erhalten auslösen zu können als kognitive Prozesse dies vermögen.298 Weiter V wurde herausgefunden, dass Hirnbereiche, wie der präfrontale Rindenabschnitt und die Amygdala, parallel an verschiedenen Funktionen beteiligt sind und sowohl zielorientierte Denkprozesse (bspw. Schlussfolgerungen und Urteilsbildung) steuern, als auch die Körpersignale und Gefühlswahrnehmungen verarbeiten.299 Folglich überschneiden sich Emotionen, Vernunft und körperliche Reaktionen in Entscheidungssituationen. Diese Beziehungskonstellation wird als ‘somatischer Marker’ bezeichnet.300 In der Theorie der somatischen Marker entstehen im Denkprozess bestimmte Vorstellungsbilder, die wiederum mit einem bestimmten Körpergefühl einhergehen und von diesem markiert werden. Auf diese Weise entsteht vor Entscheidungen bspw. das oft beschriebene ‘komische Gefühl im Bauch’. Die somatischen Marker können dabei sowohl positiv als auch negativ behaftet sein.301 Ein positiver Marker deutet auf positive Handlungsoptionen hin und gibt als Anreizfunktion das Startsignal zur Ausführung von Handlungen.302 Ein negativer Marker hingegen erfüllt eine Warnfunktion, wenn Vorstellungsbilder negative Handlungsweisen nach sich ziehen und setzt dann ein entsprechendes Stoppsignal.303 Diese somatischen Signale zeigen eine Tendenz an, welche das bewusste Denken zwar nicht ersetzen kann aber als automatische Hilfestellung fungiert, Wahlmöglichkeiten bspw. als günstig oder gefährlich einzustufen.304 Die Verarbeitung von Informationen ist auch an emotionale Erfahrungen gekoppelt, welche körperliche Reaktionen auslösen können.305 Der menschliche Körper fungiert dann als eine Art Seismograph und gibt in Form von körperlichen Reaktionen (bspw. Kribbeln, Gefühl im Bauch, etc.) Aufschluss über die Gewissheit intuitiver Einschätzungen.306 Diese Verknüpfung von emotionalen und körperlichen Facetten wirkt wie eine Notwendigkeit der Evolutionsgeschichte. Durch die Verbindung von Umweltinformationen (bspw. visueller Art) mit Emotionen (bspw. Angst) und körperlichen Reaktionen

298Vgl.

Matzler / Bailom / Hutter (2010), S. 225. Damasio (1999), S. 90. 300Vgl. Damasio (1999), S. 272. 301Vgl. Krenzin (2008), S. 62. 302Vgl. ebd. 303Vgl. ebd. 304Vgl. Damasio (1999), S.239. 305Vgl. Storch / Krause (2010), S. 57. 306Vgl. Storch (2012), S. 55. 299Vgl.

2.2 Intuition

69

(bspw. stärkere Durchblutung und Kribbeln) konnte ein unwiderstehlicher Handlungsimpuls entstehen, welcher das Überleben des Individuums sicherte und die menschliche Entwicklung in der vorliegenden Form letztendlich ermöglichte. Dieser Zusammenhang wirft die Frage auf, ob Menschen somit nur nach Gesichtspunkten entscheiden, welche aus Evolutionssicht sinnvoll sind. Zudem ergibt sich die Frage, wie Entscheidungen für eine ferne Zukunft getroffen werden können, wenn der menschliche Geist derartige Schwierigkeiten hat, eine emotionale Verbindung zu mehr als zwei Generationen voraus oder in die Vergangenheit aufzubauen. Insgesamt existieren große Ähnlichkeiten zwischen der Funktionsweise der somatischen Marker und der Wirkungsweise der Intuition. In beiden Fällen werden zukünftige Ereignisse antizipiert und Handlungsalternativen bewertet. Sowohl Intuition als auch die körperlichen Symptome eines Markers treten unmittelbar auf und beides wirkt handlungsleitend.307 Auch wird eine enge Verbindung zur Kreativität gesehen; aus unendlich vielen Optionen und Kombinationsmöglichkeiten wird eine Vorauswahl getroffen, sodass sich nur noch mit einer überschaubaren Zahl an Möglichkeiten bewusst auseinander gesetzt werden muss.308 Ein tiefergehender neuronaler Erklärungsansatz führt intuitives Handeln auf das Vorhandensein von Spiegelneuronen zurück. Diese Spiegelneuronen ermöglichen zwischenmenschliche Austausch- und Resonanzphänomene.309 Das Prinzip hinter diesen Phänomenen besagt, dass Menschen sich in Interaktionen unbewusst auf die Stimmungen und die Situationen des Gegenübers einstellen und dazu neigen, das Verhalten sogar zu imitieren und zu reproduzieren.310 Im Einzelnen gestaltet sich dies derart, dass jeder Mensch (durch Handlungen, Blicke, Gesten etc.) Signale aussendet, welche vom Gegenüber aufgenommen und unbewusst verarbeitet werden, eine Reaktion auslösen und zurückgespiegelt werden. Zwischen den Interaktionspartner/innen entsteht eine kontinuierliche, ähnlich verlaufende Aufmerksamkeit, welche als ‘joint attention’ bezeichnet wird.311 Während solcher Interaktionsprozesse sind, unabhängig vom analytischen Verstand, im Gehirn die sogenannten Spiegelneuronen aktiv.312 Kraft

307Vgl.

ebd. Damasio (2005), S.258. 309Vgl. Bauer (2006), S. 17. 310Vgl. Krenzin (2008), S. 47 ff. 311Vgl. ebd. 312Vgl. ebd. 308Vgl.

70

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

dieser Spiegelneuronen sind Menschen nicht nur in der Lage, sich intuitive Vorstellungen und Gewissheiten über die Gefühle und Absichten anderer Menschen zu machen, sondern diese auch real nachzuempfinden.313 Empathie und die Fähigkeit zu emotionalem Verständnis entstehen demnach nicht nur über sozial geteilte Vorstellungen, sondern werden durch das Aktivieren der entsprechenden Spiegelneuronen im Gehirn direkt spürbar gemacht. Mithilfe der Spiegelneuronen ist also nur eine kurze Handlungssequenz zu beobachten, um intuitiv das Wissen über die komplette Handlungssequenz verfügbar zu haben.314 Die umgehende Umwandlung von beobachtetem Verhalten in intuitiv verfügbares Wissen ist evolutionsbedingt im Menschen verankert, um vor unvorhergesehenen Gefahrensituationen zu schützen.315 Ciompi (1997) prägte den Begriff der ‘fraktalen Affektlogik’. Hierunter ist das Zusammenspiel kognitiver, affektiver und sensomotorischer Komponenten zu verstehen, welche “aktionsgenerierte Fühl-, Denk- und Verhaltensprogramme” bilden.316 Erfahrung und Handlung spiegeln sich in affektivkognitiven Bezugssystemen wider, sodass in wiederkehrenden Situationen ähnliche Programme ablaufen.317 Häufig dominiert ein Affekt (bspw. Freude, Angst oder Wut), der determiniert, welche kognitiven Inhalte, Wahrnehmungen und Gedächtnisinformationen zum Einsatz kommen.318 Allerdings strukturiert keine dieser Kräfte die ‘fraktale Affektlogik’ eigenständig, vielmehr organisiert sich Kognition, Affekt und Verhalten im Zusammenspiel zu bestimmten Systemmustern.319 Die in der Aushandlung entstehenden Bezugssysteme werden in Anlehnung an die Chaostheorie auch als Attraktoren320 bezeichnet.321 Auf die Intuition wirken nach dieser Erklärung neben dem zentralen Bezugssystem des Bewusstseins auch viele „sekundäre und periphere Attraktoren unbewußter Art“.322 Insbesondere Nebenattraktoren außerhalb

313Vgl.

ebd. Bauer (2006), S. 39. 315Vgl. Krenzin (2008), S. 48. 316Ciompi (1997), S. 290. 317Vgl. Hänsel (2002), S. 81. 318Vgl. ebd. 319Vgl. ebd. 320Zustandsräume auf welche die Dynamik eines Systems zusteuert bzw. in welchen diese sich bewegt. 321Vgl. Hänsel (2002), S. 81. 322Ciompi (1997), S. 162. 314Vgl.

2.2 Intuition

71

des Aufmerksamkeitsfokus bahnen neue Fühl- und Denkwege, über welche die intuitiven Wahrnehmungen ins Bewusstsein gelangen.323 Ein weiteres sehr plastisches Beispiel für die Macht unbewusster Hirnaktivität entstammt Haynes (2010) Forschungen am ‘Bernstein Centre for Computational Neuroscience’ in Berlin. Dort wurde herausgefunden, dass Menschen Entscheidungen unterbewusst bereits gefällt haben, bevor sich überhaupt bewusst mit den vorhandenen Alternativen beschäftigt wird. Beim Scannen der Hirnaktivität wurde deutlich, dass die Aktivität in einigen Hirnregionen bereits eine bestimmte Entscheidung signalisiert, obwohl die Proband/innen noch gar nicht gezielt über die Alternativen nachdachten.324 Hierzu müssen die Proband/innen den Input nicht einmal bewusst mitbekommen. Werden bspw. während einer Aufgabe unterschwellig beeinflussende Fotos eingeblendet, so entsteht trotzdem Aktivität in den entsprechenden Gehirnarealen, obwohl die Personen die Informationen gar nicht bewusst wahrnehmen.325 Einem anderen Ansatz zufolge lassen sich die meisten kognitiven Prozesse im Gehirn gar nicht durch die elektrischen Felder der Neuronen erklären, wie lange Zeit angenommen. Einen ungleich stärkeren Effekt sollen die sogenannten Gliazellen, welche die Axone der Neuronen ummanteln, mit sich bringen.326 Diese Gliazellen bestehen hauptsächlich aus Astrozyten, welchen die Fähigkeit zugeschrieben wird, den Flüssigkeits- und Sauerstoffhaushalt im Gehirn zu regulieren und die Informationsübermittlung zu steuern.327 Da dieser Forschungszweig sich derzeit erst in der Anfangsphase befindet, lässt sich noch keine haltbare Theorie (bspw. in Verbindung mit dem Intuitionsphänomen) aufstellen. Die Forschung der kommenden Jahre wird die Wirkungsweise der Gliazellen weiter entschlüsseln und hoffentlich auch weitere aufschlussreiche Informationen zur Intuition mit sich bringen. Was können wir mitnehmen? • Unterschiedliche Funktionen der Wahrnehmung und der Informationsverarbeitung gehen mit Aktivitäten in verschiedenen Regionen des menschlichen Gehirns einher.

323Vgl.

Hänsel (2002), S. 81. Tusche / Bode / Haynes (2010) o. S.; Schultz (2011), o. S. 325Vgl. ebd. 326Vgl. Meyer (2015), o. S. 327Vgl. Bear / Connors / Paradiso (2009), S. 28 und 50. 324Vgl.

72

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

• Insbesondere der rechten Hirnhälfte werden die Komponenten der Intuition zugeschrieben. • Prinzipiell wirken stets beide Hirnhälften zusammen, wenn Entscheidungen getroffen werden. • Emotionen, Vernunft und körperliche Reaktionen überschneiden sich in Entscheidungssituationen. • Somatische Marker (körperliche und emotionale Reaktionen auf rational verarbeitete Informationen) zeigen eine (positive oder negative) Tendenz an, welche das bewusste Denken zwar nicht ersetzen kann, aber als automatische Hilfestellung fungiert, Wahlmöglichkeiten bspw. als günstig oder gefährlich einzustufen. • Somatische Marker können auch als Vorauswahlinstrument fungieren, um die Optionenvielfalt zu reduzieren.

2.2.2.4 Intuition in der Pädagogik Eine praktische und theoretische Auseinandersetzung mit der Intuition erfolgte auch in der Fachdisziplin der Erziehungswissenschaften. Hierbei wird weniger nach einer Erklärung für die Intuition gesucht, sondern vielmehr funktionsorientiert das Phänomen betrachtet. Dies verdeutlicht der Hauptunterschied zwischen der pädagogischen Sichtweise auf die Intuition und nahezu allen anderen Sichtweisen darauf sehr anschaulich. Während häufig die Information sowie deren Verarbeitung als Grundlage von Entscheidung und Intuition im Mittelpunkt des Interesses stehen, befasst sich die Pädagogik eher mit konkretem Wissen als Intuitionsgrundlage.328 Der pädagogische Diskurs zur Intuition kann anhand der gesetzten Schwerpunkte in zwei unterschiedliche Zweige unterteilt werden. Vertreter/innen der einen Strömung untersuchen vornehmlich die ‘Pädagogik der Intuition’ und gehen der Frage nach, wie sich die Fähigkeit bzw. die Kompetenz zur Intuition erlernen lässt, während der andere Forschungsschwerpunkt auf der ‘Intuition in der Pädagogik’ liegt und bspw. untersucht, für welche Lernarrangements die Intuition von Nutzen sein kann und wie die Intuition zu pädagogischen Zwecken genutzt werden kann. Bisher sind die wissenschaftlichen Ansätze zur Schulung der Intuition noch in der Unterzahl.329 328Informationen

bestehen aus gesammelten Daten, welche auf einer komplexeren Ebene mit zusätzlichem Kontext verknüpft wurden. Aus gebündelten Informationen über einen bestimmten Sachverhalt entsteht Wissen. Die Kenntnisse über diesen Sachverhalt ermöglichen es, fundierte Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen. Für eine ausführliche Typologie des Wissens siehe Anderson / Karathwohl (2001). 329Vgl.

Eggenberger (1998), S. 2 ff.

2.2 Intuition

73

Intuition Erlernen Zunächst soll zusammengetragen werden, was über das Erlernen der Intuition bekannt ist. Wenn sich die Intuition (zumindest zum Teil) erlernen lässt, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass es sich bei der Intuition nicht ausschließlich um ein unwillkürliches kognitives Phänomen, sondern um eine Fähigkeit oder eine Kompetenz handelt. Von der sich mit dem Thema Intuition befassenden Forschungscommunity330 wird die Auffassung vertreten, dass jedem Menschen die Gabe der Intuition innewohnt und dass die Entwicklung der intuitiven Erkenntnisfähigkeit gelernt werden kann. Heitkämper (2000) zufolge zählt die Intuition zu den Grundfähigkeiten des Bewusstseins und trägt erheblich zur Realitätsurteilsbildung bei.331 Hiermit einhergehend werden zahlreiche positive Effekte aufgezählt, welche in ähnlicher Form bereits im vorherigen Kapitel ausführlich beschrieben wurden. Als Leistungen der Intuitionsfähigkeit werden hier bspw. beschrieben:332 • die Formulierung des inneren Dialogs und damit die Ausgestaltung des ­Ich-Bilds • das Gefühl von Evidenz und Sicherheit • Zukunftsvisionen und Potenzialerkennung • Ethik in Form der unmittelbaren Bewertung zwischen ‘richtig’ und ‘falsch’ • empathisches Einfühlen in Beziehungen Hinweise zur praktischen Entwicklung intuitiver Fähigkeiten können in verschiedenen pädagogischen Ansätzen, bspw.  der Schulpädagogik333, der 334 335 Erwachsenenbildung sowie der Psychologie aufgegriffen werden. Ein vielfach beschriebener Hebel zur Verbesserung der eigenen Intuition ist die Modifikation der eigenen Wahrnehmung.336 Hilfreich hierbei ist die Sensibilisierung aller Sinne, um dem intuitiven Prozess möglichst viel bewusste ­Aufmerksamkeit

330Vgl. u. a. Cohn (1975), S. 134; Eggenberger (1998), S. 113–114; Vaughan (1988), S. 201 ff.; Zeuch (2004), S. 347 ff.; Gigerenzer (2007), S. 58. 331Vgl. Hänsel (2002), S. 83. 332Vgl. ebd. 333Siehe Gebhard (1995). 334Siehe u. a. Heitkämper (2000); Emery (1994). 335Siehe Vaughan (1979). 336Vgl. Hänsel (2002), S. 87.

74

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

schenken zu können.337 Die Achtsamkeit für die eigenen emotionalen Befindlichkeiten und Stimmungen kann einen besseren Umgang mit der Intuition schaffen.338 Auch bestimmte Übungen sollen die Intuition schulen. Hierzu zählen Entspannungsübungen, wie bspw. autogenes Training, Meditation oder spezielle Atemtechniken, welche allesamt über die Wechselwirkung von physischer und emotionaler An- und Entspannung eine gesteigerte Selbstwahrnehmung erreichen sollen.339 Über die kreativen Künste, wie bspw. Musik oder Malerei werden dieselben arationalen Handlungsweisen und Selbststeuerungsformen, wie sie für die Intuition vonnöten sind, eingeübt.340 Gleiches gilt für Formen der körperlichen Ertüchtigung, sofern diesen nicht auf zu erfolgsorientierter Weise nachgegangen wird.341 Eine weitere Methode zum verbesserten Umgang mit der Intuition ist die Dokumentation intuitiver Erlebnisse und deren anschließende Reflexion.342 In Interventionszirkeln können dazu noch gegenseitig Erfahrungen ausgetauscht, Auswirkungen diskutiert sowie Feedback empfangen und gegeben werden. Allerdings wird der Intuition im gegenwärtig vorherrschenden, sehr rational ausgerichteten Bildungssystem nur sehr wenig Platz eingeräumt.343 Von den Lernenden wird hauptsächlich das Erinnern von Fakten und das Einhalten vorgegebener Methoden zur Problemlösung gefordert, während Kreativität, Emotionen und Intuition vernachlässigt werden.344 Über didaktische Richtlinien könnten intuitionsfördernde Lehr- und Lernsituationen geschaffen werden.345 Im Vordergrund stehen dabei flexible Konzepte, welche auf die individuellen Bedürfnisse, das unterschiedliche Lerntempo sowie die verschiedenen Interessen der Lernenden eingehen.346 Es sollte stets auch Raum für Spontaneität zur Verfügung stehen und eine offene, entspannte, aber intensive Atmosphäre herrschen, in welcher keine allzu starke Wertung erfolgt.347 Die förderliche Wirkung dieser

337Vgl.

ebd. ebd. 339Vgl. Hänsel (2002), S. 87; Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997), S. 93 und S. 183; Gottwald (2015), S. 109 ff. 340Vgl. Hänsel (2002), S. 87. 341Vgl. ebd. 342Vgl. ebd. 343Vgl. Krenzin (2008), S. 70. 344Vgl. ebd. 345Vgl. Hänsel (2002), S. 87. 346Vgl. ebd. 347Vgl. ebd. 338Vgl.

2.2 Intuition

75

Atmosphäre bezieht sich aber nicht nur auf den (Hoch-)Schulkontext, sondern behält ihre Gültigkeit auch in der alltäglichen Berufspraxis. An jener Stelle bedeutet eine Atmosphäre der Offenheit eine Atmosphäre, in der durch Fehler gelernt werden kann und in der es gewünscht ist, neugierig zu sein und Chancen statt Risiken zu sehen.348 Wie noch ausführlicher geschildert wird, geht Intuition stark mit Erfahrung einher und benötigt diese, um zu entstehen. Von daher ist eine Umgebung, in welcher positive wie negative Erfahrungen gesammelt werden dürfen, vorteilhaft. Eine solche Arbeitsatmosphäre erfordert auch ein gewisses Maß an Risikobereitschaft und Fehlertoleranz.349 Darüber hinaus sollten Lern- und Arbeitsatmosphäre die Neugierde der Lernenden wecken und auch im Berufsalltag im Sinne des ‘lifelong learning’ zum Lernen anregen. Da Lerninhalte je nach Lerntyp über die verschiedenen Sinneskanäle unterschiedlich effektiv aufgenommen werden und sich auch die Intuition aller Sinne bedient, sollte der Input von Lerninhalten optimalerweise ebenfalls multimodal erfolgen.350 Im weiteren Sinne beschäftigt sich auch die Informatik mit der Erlernbarkeit von Intuition. Noch immer bildet die Intuition eine schwierige Hürde in der Programmierung künstlicher Intelligenz (KI).351 Auch wenn in Ermangelung einer allgemeingültigen Definition des Intelligenzbegriffs auch keine allgemeingültige Definition von künstlicher Intelligenz existiert, kann als Ziel der KIForschung angesehen werden, kognitive Prozesse und Expert/innenwissen zu modellieren und in einen Algorithmus umzusetzen.352 Über das Abrufen dieser Expertise kommt der Bezug zur Intuition zustande. Da Expert/innenwissen eng mit impliziten, über Praxiserfahrung angeeigneten Kompetenzen einhergeht, fällt die explizite Formulierung und Operationalisierung schwer.353 Ein Ansatz, die Entwicklung von Intuition handhabbarer zu machen, ist das praxisorientierte ­Fünf-Stufen-Kompetenzerwerbsmodell:354 Stufe 1: ‘Neulinge’ Fachkompetenz wird in dieser Stufe aus expliziten Wissensständen gewonnen und kontextfrei nach bestehenden Regeln umgesetzt. 348Vgl.

Matzler / Bailom / Hutter (2010) S. 225. ebd. 350Vgl. Gebhard (1995), S. 399. 351Auf das Beziehungsgefüge von Intuition und Informationstechnologie wird im Abschnitt 2.2.2.7 noch einmal gesondert eingegangen. 352Vgl. Lenzen (2002), S. 16. 353Vgl. Lenzen (2002), S. 46. 354Vgl. Dreyfus / Dreyfus (1991), S. 80. 349Vgl.

76

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Stufe 2: ‘fortgeschrittene Anfänger/innen’ Es wird eher aufgrund der in Stufe 1 gemachten Erfahrungen mit der Anwendbarkeit der expliziten und kontextfreien Wissensbestände gehandelt. Die Handlungen variieren je nach Situation und das bestehende Regelwissen fungiert eher als Richtlinie, welche ergänzt und weiterentwickelt wird. Stufe 3: ‘Kompetenz’ Die Kompetenzstufe ist erreicht, sobald sich die Fähigkeiten des situativen Handelns und der praktischen Abstraktion von Regelwissen entwickelt haben und sich ein Gespür für Wesentliches einstellt. Dieser Sinn für das Wesentliche entsteht, indem die gemachten Erfahrungen bewusst miteinander verglichen werden. Die Gesamtsituation wird zunehmend analytisch wahrgenommen, wobei relevante Teilaspekte klarer und schneller ersichtlich sind. Handlungen werden durch eine akribische Planung im Vorfeld gesteuert. Bspw. ist ein kompetenter Schachspieler in der Lage, zahlreiche Züge vorauszudenken, dabei verschiedene bekannte Strategien zu berücksichtigen und dann situativ zu entscheiden. Stufe 4: ‘gewandte Könner/innen’ Der im vorangegangenen Schritt entwickelte Sinn für Wesentliches wird zu einer Art ganzheitlicher Mustererkennung ausgebaut, durch die typische und abweichende Aspekte einer Situation unmittelbar erkannt werden. Gesamtsituationen werden zunehmend holistischer wahrgenommen, sodass eine bewusste Analyse der einzelnen Bestandteile nicht mehr notwendig ist. In den vorliegenden Situationen wird Erfahrungswissen nur noch prototypisch angewandt, anhand der herrschenden Konfiguration werden Situationstypen bestimmt, auf deren Grundlage gehandelt wird. Eine unbewusste Vorauswahl von Alternativen begrenzt den Spielraum in den Planungsschritten und verlagert das situative Handeln auf eine unbewusste und automatisierte Ebene. Stufe 5: ‘intuitive Expert/innen’ In dieser höchsten Stufe der Könnerschaft erfolgt die Mustererkennung zunehmend implizit und verschmilzt mit der Handlungssteuerung. Ähnlichkeiten und Isomorphien werden in jeder Situation unmittelbar über das Empfinden von Passung und Stimmigkeit wahrgenommen und direkt zur Handlung aufgefordert. Neben einer starken Zielorientierung (ohne bewusste Zielsetzung) herrscht eine

2.2 Intuition

77

starke mentale und emotionale Eingebundenheit in die Aufgabe, ähnlich dem ‘Flowerleben’.355 Es erfolgt eine intensive, gleichzeitige Berücksichtigung der Vergangenheit sowie der Zukunft. Unbewusst agieren ‘intuitive Expert/innen’ in einem weit ausgedehnten Entscheidungshorizont. Von Außenstehenden kann dieses stark unbewusste und nicht auf Schlussfolgerungen oder Planungen basierende Verhalten oftmals äußerst spontan und schwer nachvollziehbar wirken. Die fehlende Nachvollziehbarkeit kann zu einer ‘Beweisnot’ führen, was noch einmal das Legitimationsproblem der Intuition unterstreicht. Zwischen den Stufen erfolgt eine Abgrenzung anhand der Prämissen der Handlungssteuerung: “Kompetentes Handeln ist rational, Gewandtheit zeichnet den Übergang, Experten handeln arational.”356 Insgesamt gilt das Kompetenzmodel als sehr brauchbar zur strukturierten Abbildung der Entwicklung der Fähigkeiten und Fertigkeiten, sich Erfahrungswissen intuitiv zu Nutze zu machen. Dennoch wird davor gewarnt, intuitiv handelnde Menschen direkt mit Expert/ innen gleichzusetzen, da auch Menschen mit weniger Expertise in der Lage sind, intuitiv zu handeln und Expert/innen357 auch regelkundige Personen sein können, welche zwar über Faktenwissen verfügen, sich aber eher selten auf ihre Intuition verlassen.358 Einen besonders eindrucksvollen Befund zur Expertise und intuitiver Mustererkennung liefert Simon (1987), mit dem Schachfigurenexperiment. In diesem Experiment stellte sich heraus, dass Nicht-Spieler/innen sich nach wenigen Sekunden Betrachtung eines Spielfeldes maximal sechs Figuren einer Anordnung merken können. Schachspieler/innen hingegen können sich das komplette Feld merken, was bei erfahrenen Spieler/innen derart weit führt, dass diese in der Lage sind, sich bis zu 50.000 sinnvolle Figurenkombinationen zu merken. Werden die Figuren hingehen in sinnlosen, willkürlichen Anordnungen aufgestellt, so ist das Ergebnis, dass sich beide Gruppen (Spieler/innen und Nicht-Spieler/innen) lediglich den Standort von sechs Figuren merken. Beim Aufbau von Erfahrungswissen werden also sinnvolle Informationen zu Mustern zusammengefasst, während überschüssige, irrelevante Informationen außen vorgelassen werden. Es wird also davon ausgegangen, dass umfangreiches und vielschichtiges Erfahrungswissen dazu führt, dass eine höhere Anzahl von Mustern vertraut ist, was wiederum dazu führt, dass Entscheidungen besser intuitiv getroffen werden können.359 Darüber hinaus gehen mit zunehmender Expertise

355Siehe

auch Abschnitt 2.2.2.5 Intuition und Kreativitätsforschung. Dreyfus / Dreyfus (1991), S. 62. 357im Sinne des im alltäglichen Sprachgebrauch verwendeten Ausdruckes. 358Vgl. Hänsel (2002), S. 86. 359Vgl. Matzler / Bailom / Hutter (2010) S. 286. 356Vgl.

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2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

aber auch Einschränkungen einher. Zum einen wird dazu geneigt, den Expertenstatus eines Fachgebietes auf andere Fachgebiete zu übertragen, sprich es wird weiterhin nach Gefühl und Stimmigkeit gehandelt, wofür aber auf unbekanntem Gebiet die Grundlage fehlt.360 Zum anderen kann es zu Fehleinschätzungen kommen, wenn der Fokus ausschließlich auf das eigene Fachgebiet gerichtet und der Blick nicht offen und unvoreingenommen ist.361 In diesen Fällen empfiehlt es sich, noch einmal rational über die Entscheidung nachzudenken, interessiert und offen zu bleiben und ggf. nachzubessern.362 Eine ähnliche Auffassung zu den Zusammenhängen zwischen Intuition und Expertise vertritt auch Baylor (2001) in ihrem U-Modell der Expertise. Wie die Abbildung 2.10 verdeutlicht, findet die Intuition in Entscheidungen insbesondere bei sehr geringer und sehr hoher Expertise Anwendung. Die höchsten Chancen auf eine intuitive Einsicht gehen demnach mit einem unbefangenen Blick auf ein Thema oder einer extrem großen Menge implizitem Expertenwissens einher.

Abbildung 2.10   das U-Modell der Intuition. (Eigene Darstellung nach Baylor 2001)

360Vgl.

ebd. Rubenson / Runco (1995), S. 26. 362Vgl. Hänsel (2002), S. 86. 361Vgl.

2.2 Intuition

79

In den Phasen zwischen sehr geringer und sehr hoher Expertise findet weniger intuitive Einsicht statt und Entscheidungen werden eher rational getroffen. Da der Prozess des Lernens dynamischer und kontinuierlicher Natur ist, erweitern Bangert, Schubert & Dorottya (2014) das U-Modell zu einem integrierten Spiralmodell der Entscheidung. Das in Abbildung 2.11 dargestellte Modell bildet die Entscheidungsprozesse bei steigender Expertise als eine Aufwärtsspirale ab, in welcher sich zwischen Punkten eher intuitiver Entscheidungen sowie Punkten eher bewusster Entscheidungen abgewechselt wird. Das Modell berücksichtigt, dass sich der Entscheidungsprozess stets aus einer Mischung aus intuitiven und bewussten Bestandteilen zusammensetzt.

Abbildung 2.11   das Spiralmodell der Entscheidung. (Eigene Darstellung nach Bangert / Schubert / Dorottya 2014 umgesetzt von Darya Mazur)

Der Aufwärtstrend der Spirale spiegelt die zunehmende Expertise wider, welche durch das Treffen von Entscheidungen gesammelt wird. Mit zunehmender Expertise verringert sich der für das Treffen der Entscheidung zu erbringende Aufwand. Dies resultiert aus den auf bewusster und intuitiver Ebene durch Lerneffekte ausgelösten Dynamiken. Zum einen werden die intuitiven Prozesse ein Stück weit klarer und bewusster, zum anderen vollziehen sich die rationalen, bewussten Entscheidungsabläufe zunehmend automatisch. Darüber hinaus berücksichtigt das Spiralmodell als eines der Wenigen sich mit der Intuition beschäftigenden Modelle auch die

80

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Komponente des Zufalls, dort als Gegenteil von Kontrolle bezeichnet. Laut dem Spiralmodell wird sich im Laufe steigender Expertise auch verstärkt auf die etablierten Prozeduren verlassen und die Rate der Veränderungen im Entscheidungsprozess nimmt ab. Wird auf Ebene geringer Expertise noch ein großer Teil des Entscheidungsspielraums unkontrolliert dem Zufall überlassen, so nimmt dieser Zufallsradius mit steigender Expertise stark ab, die Kontrolle der Experti/ nnen hingegen nimmt zu. Hier liegt auch ein Hauptunterschied zum U-Modell, welches keine Aussagen über die Qualität der intuitiven Entscheidungen von Anfänger/innen und Expert/innen trifft. Lediglich die Geschwindigkeit des Anstiegs der Expertise, sowie die Start- und Endpunkte auf den Achsen sind individuelle Aushandlungssache der jeweiligen Entscheidungsträger/innen. Intuition zum Lernen nutzen Neben den Konzepten zum Erlernen von Intuition existieren auch praxisnahe didaktische Ansätze zur Nutzung der Intuition im Rahmen von Lehrkonzepten. Die Sinnhaftigkeit der Integration intuitiven Lernens wird durch die vielen Vorteile unterstrichen, welche die Intuition im Lernkontext mit sich bringt: Über die unmittelbare Erkenntnisform des intuitiven Erfassens kann Inhalten leicht Sinnhaftigkeit und Bedeutung zugeschrieben werden, Hypothesen können schnell und plötzlich gebildet und Ideen miteinander kombiniert werden.363 Zudem erleichtert der intuitive Ansatz das Verstehen der Kernideen hinter einem behandelten Thema sowie die Vermittlung von Wissensstrukturen.364 Lerntheoretisch betrachtet ist ein intuitiver Lernzugang besonders in den frühen Schulklassen angemessen, da sich hier die Wissensstrukturen ausbilden.365 An der Realität in den Bildungseinrichtungen wird allerdings kritisiert, dass weiterhin nur oberflächliches Gedächtniswissen vermittelt und abgefragt wird, während die Tiefe der geistigen Arbeit unberührt bleibt und keine Auseinandersetzung mit dem intuitiven Potential der Teilnehmer/innen erfolgt.366 Auch inhaltlich ist der Großteil der weltweit existierenden Bildungssysteme derzeit sehr technokratisch ausgerichtet und thematisiert die Intuition nicht einmal theoretisch.367 Um von all den positiven Effekten der Intuition im Lernprozess profitieren zu

363Vgl.

Eggenberger (1998), S. 118. ebd. 365Vgl. Hänsel (2002), S. 84. 366Vgl. Obermayr-Breitfuß (2005), S. 223. 367Vgl. Zeuch (2008), S. 62. 364Vgl.

2.2 Intuition

81

können, existieren v­erschiedene Herangehensweisen. Eine Möglichkeit wäre eine vom ‘platonischen Dialog’ und der Methode der ‘Mäeuti’ des Sokrates abgeleitete Wissensvermittlung, in welcher durch geschickte Fragen die in den Gesprächspartner/innen verborgenen unbewussten Antworten zu Tage gefördert werden.368 Zunächst werden die Fragen so formuliert, dass die Schüler/innen den Gegenstand wahrnehmen können, bspw. ‘Siehst du diese viereckige Fläche?’. Anschließend werden die Schüler/innen kontinuierlich näher an die Aufgabenstellung herangeführt, bspw. ‘Ließe sich ein doppelt so großes Viereck herstellen?’, ‘Wenn dieses Viereck zwei Fuß lange Seiten hat, wie lang müssten die Seiten des doppelt so großen Vierecks sein?’. Dabei sind ‘warum-Fragen’ zunächst zu vernachlässigen, da diese vorwiegend den Verstand ansprechen. Um den intuitiven Prozess anzustoßen, ist es ratsam, sich die Frage ‘Was weiß ich über meinen Forschungsgegenstand?’ zu stellen.369 Ebenso verhält es sich mit der Korrektur von nicht korrekten Antworten. Anstatt Schüler/innen zu berichtigen ist es lehrreicher, Fehler durch eigenes praktisches Handeln und einen daraus resultierenden Irrtum zu erfahren. Auf motivationaler Ebene kann aus dem Gefühl des Nichtwissens und der damit einhergehenden Verlegenheit eine Sehnsucht nach Wissen entspringen.370 Auch die fruchtbare Wirkung von Nichtwissen, Verwirrung und Ratlosigkeit wird hervorgehoben.371 Bei der Einbeziehung der Intuition in didaktische Methoden ist auch zu beachten, dass es zunächst auch zu negativen Reaktionen, bspw. Ungeduld, Ablehnung oder Aggressivität kommen kann. Dieser Effekt liegt in der etablierten Konsumhaltung begründet, welche in unserem Kulturkreis bis in den Bildungssektor hinein weit verbreitet ist. Für Lernende ist es angenehmer, sich von vorgegebenen Inhalten berieseln zu lassen und auswendig Gelerntes zu reproduzieren als sich mit eigenen anstrengenden Denkleistungen zu einem Thema zu beteiligen. Selbst Inhalte zu entdecken führt aber zu einer gesteigerten inneren Offenheit und somit zu kreativeren Lösungen.372 Des Weiteren hat die Gewissheit, welche mit der eigenen Erkenntnis verbunden ist, ein stärkeres Gewicht als wiedergegebene dogmatische Meinungen.373

368Vgl.

Erler (2007), S. 193 ff. Obermayr-Breitfuß (2005), S. 224. 370Vgl. ebd. 371Vgl. Varga von Kibed / Sparrer (2009), S. 155–156. 372Vgl. ­Obermayr-Breitfuß (2005), S. 225. 373Vgl. Copei (1969) in Obermayr-Breitfuß (2005), S. 225. 369Vgl.

82

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Weiterhin ist die zeitliche Komponente der Intuition im pädagogischen Prozess zu beachten. Da Bildungsträger wie alle Marktteilnehmer/innen nach einer Kosten- und Zeitoptimierung streben, kann es passieren, dass dazu geneigt wird, zu viel Lernstoff in zu kurzer Zeit durchzuarbeiten, um den Output zu beschleunigen. Im pädagogischen Handeln sollte dennoch die Inkubationsphase374 nach einer bewussten Auseinandersetzung mit einem Thema eingehalten und nicht direkt durch fortwährenden Input von Lehrinhalten überlagert werden.375 Im Laufe der kindlichen Entwicklung variiert die Intuition. Kinder im jungen Alter äußern ihre Intuition anders als Jugendliche oder Erwachsene, vermutlich, da sehr junge Menschen die Intuition aufgrund fehlender Erfahrung und unausgereifter sozialer Filter nicht zuordnen können.376 Typische Äußerungsformen intuierender Kinder sind kurze prägnante Sätze, nicht kindgemäße Aussagen, Treffsicherheit und Beharrlichkeit.377 Im Schulalltag findet die kindliche Intuition, mit Ausnahme jener Fächer, in denen sich das Kind kreativ ausdrücken kann, nur wenig Beachtung.378 Die Intuition selbst ist auch ein Teil des pädagogischen Prozesses und so liegen bspw. Parallelen zwischen Intuition und pädagogischem Takt379 vor.380 Bei einer kontinuierlichen Reflexion der Lehrsituation sind Lehrende häufig in der Lage, Entscheidungen und Urteile so rasch zu fällen, wie dies auch bei intuitiven Ideen der Fall ist.381 Hinzu kommt, dass Situationen im Lehrkontext oftmals gefühlsmäßig erfasst werden, wozu eine erhöhte Empathiefähigkeit hilfreich ist.382 Im Rahmen einer Professionstheorie für Pädagog/innen ist auch von einer ‘hermeneutischen Kompetenz’ die Rede.383 Für die Praxis bedeutet dies die Entwicklung von ‘Deutungsschemata’, welche das wissenschaftlich-faktische und intuitiv-fallbezogene Wissen miteinander vereinbaren, um die Kraft der Intuition in den

374Siehe

vier-Stufen-Model im Abschnitt 2.2.2.5. Copei (1969) in Hänsel (2002), S. 84. 376Vgl. Obermayr-Breitfuß (2005), S. 494 ff. 377Vgl. ebd. 378Vgl. ebd. 379nach Herbart (1802). 380Vgl. Eggenberger (1998), S. 77; Obermayr-Breitfuß (2005), S. 221. 381Vgl. Obermayr-Breitfuß (2005), S. 223. 382Vgl. ebd. 383Vgl. Hänsel (2002), S. 83. 375Vgl.

2.2 Intuition

83

wenig standardisierbaren Situationen professionellen pädagogischen Handelns nutzen zu können.384 Was können wir mitnehmen? • Es wird davon ausgegangen, dass jedem Menschen die Gabe der Intuition angeboren ist, die intuitive Erkenntnisfähigkeit sich aber auch durch Sozialisation und Erlernen weiterentwickeln und verbessern lässt. • Der Umgang mit der eigenen Intuition lässt sich u. a. verbessern durch: – die Modifikation der eigenen Wahrnehmung (Sensibilisierung aller Sinne, möglichst viel bewusste Aufmerksamkeit für den Prozess) – Achtsamkeit für die eigenen emotionalen Befindlichkeiten und Stimmungen – Entspannungsübungen, wie bspw. autogenes Training, Meditation oder spezielle Atemtechniken – kreative Künste, wie bspw. Musik oder Malerei – körperliche Ertüchtigung (sofern nicht zu erfolgsorientiert) – Dokumentation intuitiver Erlebnisse und deren anschließende Reflexion – Erfahrungsaustausch in Interventionszirkeln – Raum für Spontaneität – offene, entspannte aber intensive Atmosphäre – keine allzu starke Wertung – multimodalen Input • Es besteht ein starker Zusammenhang zwischen Intuition und Erfahrungswissen. Je nach Grad der Expertise wird die Intuition unterschiedlich stark genutzt. Eine besonders hohe Frequenz der Nutzung existiert bei einem extrem niedrigen Grad an Erfahrung sowie bei einem extrem hohen Grad an Erfahrung. • Intuitive Prozesse werden mit zunehmender Expertise klarer und bewusster, während die rationalen, bewussten Entscheidungsabläufe zunehmend automatischer ablaufen. • Der Zufall nimmt als Einflussvariable des Entscheidungsprozesses mit zunehmender Expertise ab und Entscheidungsprozeduren verfestigen sich. • Durch bestimmte Fragetechniken können beim Gegenüber Antworten aus dem unbewussten Bereich ausgelöst werden. • Um den intuitiven Prozess anzustoßen, sind ‘Warum-Fragen’ zu vermeiden, und es sollte sich die allgemeine Frage gestellt werden: ‘Was weiß ich über

384Vgl.

ebd.

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2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

das Thema/ den Gegenstand, mit welchem ich mich beschäftige?’ Selbst Inhalte zu entdecken führt (im Gegensatz zu vorgegebenen Inhalten) zu einer gesteigerten inneren Offenheit und somit zu kreativeren Lösungen. • Die Phasen des intuitiven Prozesses benötigen Zeit.

2.2.2.5 Intuition in der Kreativitätsforschung Ähnlich wie bei den anderen, sich mit Intuition befassenden Fachdisziplinen hat die Kreativitätsforschung ihren Ursprung in der Psychologie. Einst als ein psychologisches Forschungsobjekt von vielen gehandelt, erhielt die Kreativität unlängst eine eigene Fachdisziplin. Verschiedene Modelle, welche den kreativen Prozess abbilden und die Intuition in diesem verorten, entstammen dennoch der Psychologie. Darüber hinaus liegen auch Bezüge zu künstlerisch orientierten Therapieansätzen vor, im Zuge derer auch auf die heilende Kraft der Kreativität zurückgegriffen wird.385 Nicht zuletzt gibt es Überschneidungspunkte mit den Wirtschaftswissenschaften, in denen Intuition als Basis der Kreativität gesehen wird und somit auch als wichtige Voraussetzung für Innovation.386 Der überwiegende Teil der Kreativitätsforschung befasst sich aber mit der Kunst bzw. der Kreativwirtschaft. Im folgenden Absatz sollen die verschiedenen Definitionen, Ansätze und Modelle der Kreativitätsforschung und der Bezug zur Intuition vorgestellt werden. Die hauptsächliche Strömung der Kreativitätsforschung geht in Richtung der kognitiven Theorien.387 Es bestehen Verbindungen zwischen basalen kognitiven Prozessen bspw. Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Erinnerung oder Informationsverarbeitung und kreativer Problemlösung.388 Neben der individuellen Kognition der Person spielen auch spezielle kognitive Vorgänge, die im Prozess begründet sind, eine Rolle beim Auftreten von Kreativität.389 All diese Faktoren wurden auch bereits im Zusammenhang mit der Intuition genannt. Kreatives Potential wird häufig durch divergentes Denken390 getestet.391 Je flüssiger392, origineller393 und flexibler394 dieses Set von Antworten ausfällt, umso

385Vgl.

Sinapius (2007), S. 27. Huber (1987), S. 293–294. 387Vgl. Runco (2007), S. 2. 388Vgl. ebd. 389Vgl. Kozbelt / Beghetto / Runco (2010), S. 32. 390ein Set von Lösungen für eine unendliche Aufgabe generieren. 391Vgl. Runco (2007), S. 5. 392Anzahl der Ideen. 393Anzahl ungewöhnlicher und einzigartiger Ideen. 394die Anzahl der verschiedenen Kategorien, welche die Idee impliziert. 386Vgl.

2.2 Intuition

85

höher wird das kreative Potential eingeschätzt.395 Hier liegt ein Unterschied zur Intuition vor, da diese sich i. d. R. in Form von einer Bewertung oder einer einzelnen Erkenntnis äußert, welche die Optionenvielfalt reduziert, nicht aber eine Vielzahl von Möglichkeiten generiert. Nach der Threshold Theory sind Intelligenz und Kreativität auf einem bestimmten Level miteinander verbunden. Dies bedeutet, dass ein Grundmaß an Intelligenz vorliegen muss, um kreativ handeln zu können.396 Kreativität wird in diesem Ansatz nach dem Prinzip des Optimums definiert, was bedeutet, dass originelle und passende Antworten optimal divergent sind. Auch hier liegt die eben beschriebene Diskrepanz zwischen Intuition und Divergenz vor. Die assoziative Theorie stellt die Frage, wie Ideen generiert und verkettet werden, in den Mittelpunkt.397 Originelle Ideen tendieren dazu, abseitig und fern von der Norm zu sein, da zuerst stets an das Offensichtliche gedacht wird und dann erst die originellen Ideen erscheinen.398 Das Set origineller Ideen zeichnet sich durch eine geringere Flexibilität und eine kleinere Varianz aus als das frühere Ideenset.399 Hieraus lässt sich schlussfolgern, dass es für die Findung ferner und origineller Ideen Zeit bedarf. Diese Theorie weist gewisse Berührungspunkte zur Intuition auf. Intuitive Ideen sind ebenfalls zeitintensiv und tendieren in eine bestimmte Richtung. Um den schwer zu beschreibenden aber eminent wichtigen Teil der unbewussten Leistung zu berücksichtigen, werden verschiedene Stufenmodelle der kreativen Kognition herangezogen. SIMONTON entwickelte 1984 zur evolutionären Theorie das Modell des mentalen zwei Stufen Prozesses. Zunächst werden unterhalb der Schwelle des Bewusstseins Ideen miteinander kombiniert, anschließend werden die interessantesten Ideen ins Bewusstsein gerufen und dort zu fertigen kreativen Produkten weiterverarbeitet.400 Jene werden dann von anderen Individuen beurteilt, bewertet und weiterentwickelt. Das kreative Potential eines Individuums setzt sich nach dieser Theorie aus dem initialen kreativen Potential, der Erfahrung, der Rate der herausgebrachten Ideen und der Erfolgsquote zusammen,

395Vgl.

Runco (2007), S. 9. Runco (2007), S. 7. 397Vgl. Runco (2007), S. 11. 398Vgl. ebd. 399Vgl. ebd. 400Vgl. Kozbelt / Beghetto / Runco (2010), S. 36. 396Vgl.

86

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

wobei die Hauptwirkung auf die Potentiale vom Schaffensprozess selbst ausgeht. Durch kreative Leistung erwirbt das Individuum also weiteres kreatives Potential, aufgrund theoretischen Inputs lässt sich die Kreativität allerdings nicht steigern.401 Auch in dieser Theorie sind starke Überscheidungen zur Intuition zu finden, welche hauptsächlich im ersten Schritt der unbewussten Vorauswahl und im Lerneffekt durch Anwendung liegen. Bereits 1926 entwickelte Wallas, aufbauend auf den Beobachtungen von Helmholtz (1884) und Poincaré (1908) ein vier-Stufen-Modell, um den kreativen Prozess zu veranschaulichen:402 1. ‘preparation’ Problemidentifikation und -definition sowie Sammeln von Informationen 2. ‘incubation’ unterbewusster Verarbeitungsprozess von Informationen 3. ‘illumination’ Geistesblitz, plötzliche Erleuchtung, Aha!-Effekt 4. ‘verification’ Prüfen der Problemlösung Prinzipiell decken sich die Beschreibungen des Intuitionsprozesses in weiten Teilen mit dem Ablauf des vier-Stufen-Modells. Der Inkubationsphase geht eine Weile die initiale Arbeit am Problem voraus, in welcher das Problem abgegrenzt wird und Informationen zum Problemfeld bewusst und unbewusst über die verschiedenen menschlichen Sinne aufgenommen werden.403 Es wird versucht, das Problem mit bekannten erprobten Mitteln zu lösen. Sobald die bewusste Auseinandersetzung mit dem Problem vorübergehend in den Hintergrund tritt, setzt die Inkubation ein. Es kommt zu einem vorübergehenden Stillstand, das Individuum entfernt sich kognitiv für eine Zeit von dem Problem, sodass auf dieser Stufe eine kreative Problemlösung des Unterbewusstseins stattfinden kann.404 Unbewusst grenzt die kreative Intuition den Lösungsraum auf wenige vielversprechende Optionen ein. Es wird eine Auswahl getroffen und Elemente werden ohne Einschränkungen der herrschenden bewussten Meinung neu kombiniert.405 Ein gern gegebenes Beispiel für diese Schritte ist jenes des Mathematikers, welcher lange Zeit versucht, ein mathematisches Problem

401Vgl.

ebd. Runco (2007), S. 19. 403Vgl. Runco (2007), S. 20. 404Vgl. Kozbelt / Beghetto / Runco (2010), S. 30. 405Vgl. Hänsel (2002), S. 73. 402Vgl.

2.2 Intuition

87

zu lösen, sich nach vielen Versuchen seinen Misserfolg eingesteht, in eine Straßenbahn einsteigt und plötzlich die Lösung erkennt. Zu den Prozessen auf jener Ebene liegen verschiedene Ansätze, von logisch rationalen Simon (1973) bis zufällig asymmetrischen Abläufen Campbell (1960), vor.406 Ein Teil des kreativen Prozesses kann komplett zufällig ablaufen, während ein anderer Teil strikt systematisch vor sich geht.407 Da der Weg zur Erkenntnis außerhalb der menschlichen Wahrnehmung liegt, entsteht das Gefühl, dass Erkenntnis plötzlich einsetzt. Eine Kontinuität auf der semantischen Ebene liegt trotzdem zugrunde; eine eigene Rationalität, welche nach Bowers et al. (1995) bspw. auch die Emotion, etwas zu wissen oder eine gute Idee zu haben, mit einschließt.408 In der Illuminationsphase gelangt in Form von einer plötzlichen Inspiration eine Lösung oder eine Idee ins Bewusstsein.409 Im Allgemeinen tritt eine Erkenntnis singular auf, führt also meist nur zu einer einzigen Lösung.410 Nach dem Moment der Erkenntnis kann die Leistung in der Verifikationsphase überprüft werden.411 Gegebenenfalls kann dann noch einmal nachgebessert werden. Prinzipiell ist das ­ vier-Stufen-Modell nicht als einen linearen Ablaufplan zu sehen, vielmehr bewegen sich die kreativ denkenden Menschen in Schleifen durch das Modell, springen auf vorherige Stufen zurück und wiederholen Stufen, bis das gewünschte Ergebnis zu Tage gefördert wird.412 Kreativität und Intuition sind untrennbar miteinander verbunden und im Kreativitätsprozess markiert die Intuition den zentralen Punkt.413 BOWERS ET AL. (1990) bezeichnen die Intuition in diesem Kontext als ein Beispiel für ein informiertes Urteil. Erklärt wird das Phänomen wiederum durch das zwei Phasen Modell der Intuition. In der ersten Phase dieses Modells werden zentrale, meist unbewusst aufgenommene Hinweise auf Kohärenz verarbeitet, was ein tiefergehendes Problemverständnis ermöglicht.414 In der anschließenden zweiten

406Vgl.

Runco (2007), S. 22. ebd. 408Vgl. Runco (2007), S. 21. 409Vgl. Kozbelt / Beghetto / Runco (2010), S. 31. 410Vgl. Runco (2007), S. 20. 411Vgl. Kozbelt / Beghetto / Runco (2010), S. 31. 412Vgl. Runco (2007), S. 19. 413Vgl. Runco (2007), S. 27. 414Vgl. Krenzin (2008), S. 54. 407Vgl.

88

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Phase werden für die Lösung des Problems relevante semantische Netzwerke aktiviert.415 Die unbewusst wahrgenommenen Informationen über alle möglichen Zusammenhänge und Strukturen des betrachteten Problems werden also verarbeitet, mit bestehendem Erfahrungswissen abgeglichen und ins Bewusstsein integriert. Dies geschieht schnell und plötzlich und führt zu dem bekannten Aha!Effekt.416 Um die Intuition besser verstehen zu können, ist der Ausschnitt der eintretenden Erkenntnis im vier-Stufen-Modell genauer zu betrachten. In vorangegangenen Studien wurde der Zeitpunkt des Erkenntnisgewinns bereits etwas eingegrenzt. Nach SCHILLING (2005) gehen eines oder mehrere der folgenden fünf Ereignisse dem Einsetzen der Erkenntnis unmittelbar voraus: 1. Ein Schema wurde abgeschlossen, Strukturen kognitiv erkannt und Informationen persönlich bedeutsam organisiert. 2. Visuelle Informationen wurden erkannt. 3. Eine mentale Blockade wurde überwunden. 4. Eine Analogie zum Problem wurde gefunden. 5. Informationen wurden zufällig kombiniert. Ohlsson (1984) beschreibt das Phänomen der Umstrukturierung, welches das kognitive Problemverständnis des Individuums verändert.417 Durch das Eintreten neuer Informationen in den Kontext kann dabei das Verständnis verbessert und eine Erkenntnis herbeigeführt werden.418 Nach OHLSSON (1984) sowie Weisberg und Alba (1981) wird bei der Problemlösung linear vorgegangen. Der Raum der Alternativen wird schrittweise durchquert, bis eine Handlungssequenz gefunden wird, welche zur Problemlösung führt.419 Daraus lässt sich folgern, dass keine spontane Erkenntnis oder Reorganisation der Erfahrung während des Problemlösungsprozesses auftreten wird.

415Vgl.

ebd. Runco (2007), S. 28. 417Siehe Ohlsson (1984a und 1984b). 418Vgl. Runco (2007), S. 23. 419Vgl. Runco (2007), S. 24. 416Vgl.

2.2 Intuition

89

Beim Versuch, eine Erkenntnis zu gewinnen, ist lt. Duncker (1945) die innere Einstellung wichtig, mentale Blockaden oder die Versteifung auf erprobte und konventionelle Denkmuster können eine Erkenntnis verhindern.420 Wie bereits im Absatz über Expert/innen im Kapitel über Intuition in der Pädagogik beschrieben, stellen jene eingefahrene konventionelle Denkmuster die Kosten für hohe Expertise dar. Die Kunst mit dem Zwiespalt zwischen Expertise und Offenheit umzugehen, um Intuition und kreative Leistung hervorzubringen, ist ein Merkmal intuitiven Managements, welches es aufzudecken gilt. In Hinblick auf kreative Kognition hat sich die Sichtweise etabliert, dass ein Teil des kreativen Prozesses kontrolliert abläuft und ein anderer Teil zufällig geschieht. Die Wahrnehmung spielt sowohl bei der Intuition wie auch bei der Kreativität eine zentrale Rolle, bleibt bei letzterer nicht dem Zufall überlassen.421 Informationswahrnehmung kann ‘­top-down’ verlaufen und vom Denken und Erwartungen geleitet werden. Die Suche nach bestimmten Mustern oder Objekten erleichtert zwar den Wahrnehmungsprozess, allerdings wird so auch nur gefunden, wonach ausdrücklich gesucht wird und nichts außerhalb dieses Rahmens.422 ‘Bottom-up’ verhält sich die Suche genau gegenteilig. Informationen werden vorurteilsfrei wahrgenommen und lösen im Gedächtnis eine Suche nach ähnlichen Objekten, Mustern oder Erfahrungen aus.423 Kreativität kann hier mit der Kreation von Bedeutung verglichen werden.424 Die Intuition hilft dabei, die aufgenommenen Informationen als richtig oder falsch bewerten zu können und mehr zu wissen, als objektiv möglich wäre. Während in Bezug auf die traditionelle Logik das Gesetz der Identität425 gilt, erweitert sich diese Logik im kreativ-intuitiven Denken.426 Die strukturellen Beziehungen der Sachverhalte ändern sich im kreativen Prozess je nach Kontext. Bspw. wäre dem oft zitierten Schlangentraum, welcher zur Entdeckung des Benzolrings führte, eine andere Bedeutung zugeschrieben worden, wäre der Träumende kein Chemiker, sondern Biologe gewesen.427

420Vgl.

Runco (2007), S. 26. Runco (2007), S. 32. 422Vgl. ebd. 423Vgl. ebd. 424Vgl. Runco (2007), S. 33. 425gleiche Sachverhalte, Begriffe, Urteile müssen bei einer Wiederholung identisch bleiben. 426Siehe Wertheimer (1964). 427Vgl. Hänsel (2002), S. 74. 421Vgl.

90

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Trotz des großen Raumes, welcher dem Unbewussten im Zusammenhang mit der Kreativität eingeräumt wird, existieren verschiedene Techniken, mit denen versucht wird, kreative Leistung bewusst zu erzeugen. Unter anderem wird versucht, Informationen von einer vorherigen Situation auf eine neue Situation zu transferieren, welche sich analog zu der alten verhält, und dabei die herrschenden Strukturen zu übertragen.428 Kreative Leistungen lassen sich der Formen nach in die Kreation, die Modifikation und die Synthese unterscheiden.429 Durch Kreation wird ein Produkt quasi aus dem Nichts erschaffen, die Intuition leistet hierbei den stärksten Beitrag, da abduktiv etwas Neues in die Welt gebracht wird. Der Akt der Modifikation ändert bereits bestehende Objekte oder Sachverhalte ab, hierbei tritt die Intuition häufig auf, um Alternativen (bspw. die neuen Eigenschaften eines abgewandelten Produktes) zu bewerten. Bei der Synthese430 werden mehrere nicht miteinander verbundene Konzepte zu einer neuen Idee verschmolzen, die Intuition kann hierbei hilfreich sein, um außerhalb der Norm zu denken und auch nicht miteinander Vereinbares zu berücksichtigen.431 Hier liegt auch der gemeinsame Nutzen, welcher sowohl aus der Intuition als auch aus der Kreativität resultiert. In beiden Konstrukten bringt die operativ unterbewusste Ebene den Vorteil der Vereinbarung von gegenteiligen, widersprüchlichen und nicht zusammenpassenden Ideen mit sich; unvereinbar scheinende Thesen und Antithesen können hierdurch miteinander verknüpft werden. Die Verbindung zweier Bündel Informationen durch das Herstellen einer Verbindung zwischen disparaten Bestandteilen wird auch als metaphorische Logik bezeichnet.432 Sobald Metaphern gebraucht werden, wird Verständnis geschaffen, obwohl Informationen oder Details über die originale Situation dabei verloren gehen.433 Regelmäßig nutzen kreative Menschen eine Bandbreite von Metaphern in ihrem Denken, anstatt lediglich auf einer dominanten Metapher zu beharren, woraus kreative Sinnstiftung entsteht.

428Vgl.

Runco (2007), S. 12–13. (2010), S. 44. 430auch als ‘Bisoziation ́ bezeichnet. 431Vgl. Koestler (1968) in Boden (1990), S.37. 432Vgl. Kozbelt / Beghetto / Runco (2010), S. 32. 433Vgl. Runco (2007), S. 13. 429Vgl. Ahmed

2.2 Intuition

91

In verschiedenen Studien wurden Faktoren herausgearbeitet, welche die Kreativität fördern sollen. Aufgrund der engen Verbundenheit von Kreativität und Intuition ist es sehr wahrscheinlich, dass all jene Bedingungen, die sich positiv auf die Kreativität auswirken, auch der Intuition zuträglich sind. Ebenso wie auf die Intuition haben verschiedene persönliche und situationelle Faktoren auch einen Einfluss auf die Kreativität.434 Nach der Entwicklungstheorie übt die Persönlichkeit in doppelter Hinsicht Einfluss aus, da zum einen persönliche Faktoren (bspw.  Achtsamkeit) direkt kreativitätsfördernd wirken und zum anderen das für eine kreative Leistung benötigte Setting, Arbeitsklima und Leistungsanforderungen nicht nur nach generellen Tendenzen, sondern auch nach individuellen Vorlieben variieren.435 Das Umfeld ist für kreativ tätige Menschen in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung. Neben der Umgebung, in welcher der kreative Akt zustande gebracht wird, ist auch das Umfeld während der persönlichen Entwicklung zu beachten. Kreativitätssteigernde Faktoren der Entwicklungstheorie sind vor allem ein entspanntes Familienumfeld und Autonomie während der Kindheit.436 Zu den wichtigsten persönlichen Ressourcen kreativer Menschen zählen: Motivation437 für die Aufgabe, Intelligenz, fachbereichsrelevante Fähigkeiten (bspw.  Fachwissen und das Beherrschen der entsprechenden Techniken), kognitiver Style und Offenheit für Originalität und Horizonterweiterung.438 Des Weiteren bedarf es der Fähigkeit der Metakognition, einer Art Denken über das Denken, zum Reflektieren der eigenen Handlungen, um Kreativität und die damit einhergehende Intuition überhaupt taktisch einsetzen zu können.439 Künstler/innen erleben, wie der schöpferische Prozess durch sie hindurchfließt, sodass sie selbst zum Instrument werden.440 Zum Wohle der Intuition kann es ratsam sein, die eigene Persönlichkeit (bspw. Phantasie, Wünsche, logische Überlegungen) hinter dem Schaffensprozess zurückzunehmen.441 Hierzu ist zunächst die Fähigkeit wichtig, zwischen diesen Faktoren und der Intuition unterscheiden zu lernen.442

434Vgl.

Woodmann / Schoenfeld (1990) in Runco (2007), S. 31. Kozbelt / Beghetto / Runco (2010), S. 25. 436Vgl. Kozbelt / Beghetto / Runco (2010), S. 26. 437welche meist intrinsischer Natur ist. 438Vgl. Kozbelt / Beghetto / Runco (2010), S. 31 / Runco (2007), S. 30. 439Vgl. Runco (2007), S. 32. 440Vgl. ­Obermayr-Breitfuß (2005), S. 171. 441Vgl. ebd. 442Vgl. Obermayr-Breitfuß (2005), S. 183. 435Vgl.

92

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Darüber hinaus ist zu lernen, die Spannung, anfangs nicht zu wissen bzw. nicht benennen zu können, was sich intuitiv den Weg ins Bewusstsein bahnt, auszuhalten, um das intuitive Potential künstlerisch nutzen zu können. Zu genaue Vorgaben im Problemlösungsprozess können als blockierend wahrgenommen werden.443 Mumford et al. (1991) zerlegen den kreativen Prozess in verschiedene kognitive Schritte, welche als erfolgsentscheidend angesehen werden:444 • Problemkonstruktion • Informationsentschlüsselung • Kategoriensuche • Spezifizierung der angebrachten Kategorien • Kombination und Rekombination der Kategorien • Ideen-Evaluation • Ideen-Implementierung • Prozess-Überwachung Die Intuition übt über die urteilsbildende Funktion und die mit ihr einhergehenden Sinnstiftung Einfluss auf all diese genannten Aspekte aus. Des Weiteren wirkt sich eine gewisse Achtsamkeit für die Umgebung anregend auf die Kreativität aus.445 Um das Leben zu vereinfachen und zu strukturieren, wird hierbei dazu geneigt, Wahrgenommenes zu kategorisieren und zu klassifizieren. Oftmals wird dann eine Wahrnehmung rasch nach der allgemeinen Kategorie bewertet, ohne dass eine individuelle Einzelauseinandersetzung erfolgt. Unvorteilhafterweise führt solcherlei Verhalten zur Bildung von Stereotypen und Vorannahmen, wodurch der Blick fürs Detail sowie die Originalität und die Signifikanz neuer Erfahrungen verloren gehen.446 Gelegentlich kann dieser Mechanismus auch zur Kreativität beitragen. EYSENCK (1997, 2003) bemerkte, dass durch das Zuordnen von Informationen zu Kategorien, welchen diese normalerweise nicht zugeordnet werden, neue Optionen entstehen können und sich der Denkspielraum erweitern lässt.447

443Vgl.

Obermayr-Breitfuß (2005), S. 173. Runco (2007), S. 31. 445Vgl. Runco (2007), S. 35. 446Vgl. ebd. 447Vgl. Runco (2007), S. 36. 444Vgl.

2.2 Intuition

93

Nach dem Hybrid Thinking Ansatz begünstigt die Fähigkeit, an der richtigen Stelle des Problemlösungsprozesses zu interdisziplinärem Denken fähig zu sein, ein Endergebnis von hoher Kreativität.448 Die Interdisziplinarität sorgt für Perspektivenvielfalt bei der Behandlung eines Themas und somit zu variationsreichen Lösungen. Der optimale Erfolg stellt sich nach diesem Ansatz allerdings nur ein, wenn diese Perspektivenvielfalt an bestimmten Stufen des kreativen Prozesses angewandt wird. Im systemischen Ansatz449 wird davon ausgegangen, dass es sich bei Kreativität nicht um eine Erscheinung mit Einzelursachen, sondern um ein interagierendes System mit Subkomponenten handelt, wobei alle Komponenten und deren Zusammenspiel zu berücksichtigen sind.450 Kreativität entspringt demnach aus den interagierenden Komponenten der Domäne, also dem Gebiet des Wissens eines Individuums, des Individuums selbst, welches das Wissen innehat und Variationen dieses Wissens produziert sowie des Feldes, welches mit anderen Teilnehmer/innen geteilt wird.451 Explizite Umweltbedingungen zur Steigerung der Kreativität ließen sich aus der gesichteten Literatur nicht entnehmen. Da ich mich bereits in meiner Masterarbeit mit den Arbeitsweisen kreativer Menschen auseinandersetzte, möchte ich auch die dort generierten Ergebnisse an dieser Stelle anführen. In mehreren Interviews mit Künstler/innen sowie einigen teilnehmenden Beobachtungen ermittelte ich die in der folgenden Liste aufgeführten Arbeitsweisen der Kreativwirtschaft: • Abwechslung – zwischen kreativer und nicht kreativer Arbeit – zwischen verschiedenen kreativen Projekten – zwischen Aktivität und Entspannung – zwischen Offenheit und Vorgaben – des Ortes • Aktionsradius limitieren bzw. Blick fürs Detail • analytisches Vorgehen • Arbeitsrhythmus – eigenen Biorhythmus einhalten – Rhythmus der natürlichen Welt einhalten

448Vgl.

Patnaik (2009), o. S. u. a. Csikszentmihalyi (1988 und 1996). 450Vgl. Kozbelt / Beghetto / Runco (2010), S. 26. 451Vgl. Runco (2007), S. 31. 449Siehe

94

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

• Assoziation • Bezug zum Umfeld herstellen – Emotionen des Umfeldes aufnehmen – Informationen aus umliegenden Systemen aufnehmen – Feedback und Kritik anderer kreativer Menschen – gemeinsame Ziele – Gruppenkohäsion • direktes Feedback • Inspiration durch andere Lösungen • Kombination von Komponenten • Kontraste bilden • Offenheit für Abweichungen • Persönlichen Bezug herstellen – persönliche Erfahrungen einbringen – persönliche Emotionen; auch extreme – persönliche Herausforderungen – persönliche Ziele – Interesse am Thema • politisches Verantwortungsbewusstsein • Rahmenbedingungen selbst bestimmen – Arbeitsrhythmus – Ort – Werte und Arbeitsklima – Thema – Zeit • sichere und friedliche Umgebung schaffen • Sinn für Ästhetik • Verantwortung für Auswahl und Güte der Lösungen • Verwendung von Lösungen aus der Natur • viele Versuche • Visualisierung von Emotionen • visuelle Inspektion • wenig oder keine Arbeitsteilung • wenig oder keine Vorgaben – durch Zielgruppe – durch Auftraggeber/innen Es erscheint mir zielführend, die situationellen Faktoren, welche dieser Arbeitsweise zugrunde liegen, als Anhaltspunkt zu nehmen und darauf aufbauend

2.2 Intuition

95

weitere Faktoren für ein erfolgversprechendes Setting intuitiver Entscheidungsfindung abzuleiten. Dies soll im Abschnitt  4.3 geschehen, wo in einem zusammenführenden Arbeitsschritt alle bisher erkannten Einflussfaktoren aufgeführt werden. Was können wir mitnehmen? • Intuition und Kreativität sind untrennbar miteinander verbunden. – Der Prozess der Intuition läuft sehr ähnlich ab wie jener der Kreativität. – Die Intuition gilt als Teil des kreativen Prozesses. – Die ersten drei Stufen ‘preparation’, ‘incubation’ und ‘illumination’ des vier-Stufen-Modells decken sich mit dem Ablauf des Intuitionsprozesses. • Unterschiede zwischen Intuition und Kreativität bestehen darin, dass kreatives Denken eine hohe Anzahl origineller (ungewöhnlicher, einzigartiger und passender) Ideen verschiedener Kategorien generiert, während die Intuition Urteile oder einzelne Erkenntnisse hervorbringt. • Kreative Leistung kann in Form von Kreation (Neuschöpfung), Modifikation (Abwandlung) oder Synthese (Kombination verschiedener Komponenten) erbracht werden. Die Intuition kommt in diesen verschiedenen Formen an unterschiedlicher Stelle vor. • Das Zusammenspiel zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein ermöglicht die Produktion origineller und zutreffender Lösungen. – Die Basis aller Kreativität und damit auch der Intuition ist die Information. Diese wird bewusst und unterbewusst, aber niemals zufällig wahrgenommen. • Personale und situationelle Faktoren haben Einfluss auf die Kreativität. Die Persönlichkeit hat in doppelter Hinsicht Einfluss, da zum einen persönliche Faktoren direkt kreativitätsfördernd wirken und zum anderen das für eine kreative Leistung benötigte Setting, Arbeitsklima und Leistungsanforderungen nicht nur nach generellen Tendenzen, sondern auch nach individuellen Vorlieben variieren. – Ebenso wie für eine intuitive Einsicht wird auch für eine kreative Idee Zeit benötigt. – Kreative Leistung ruft einen Lerneffekt hervor, der zur Entwicklung weiteren kreativen Potentials führt. – Erfahrung beschleunigt die Informationsaufnahme und ist hilfreich, um bestehende Lücken oder Bedarf zu erkennen, kann aber zu einem vorschnellen Urteil oder Lösungen nach altbekannten Routinen führen. – Eine ausgewogene Balance zwischen Erfahrung und Fachwissen auf der einen und Offenheit auf der anderen Seite erscheint sinnvoll.

96

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

– Mentale Blockaden oder die Versteifung auf erprobte und konventionelle Denkmuster können kreative Ideen behindern. – Menschen neigen dazu, Wahrgenommenes zu kategorisieren und zu klassifizieren. – Rationales Denken und Erwartungen haben einen Einfluss auf die Wahrnehmung von Informationen, so dass nach bestimmten Mustern oder Objekten gesucht wird. Dies erleichtert den Wahrnehmungsprozess, schließt aber auch Informationen außerhalb des Rahmens aus. – Neben der Umgebung, in welcher der kreative Akt zustande gebracht wird, ist auch das Umfeld während der persönlichen Entwicklung (bspw. Autonomie in der Kindheit) zu beachten. – In der richtigen Dosis befeuern die Faktoren Autonomie, Wettbewerb, Herausforderung, Aufmerksamkeit, Erfahrung, Unvoreingenommenheit und Auflagen den kreativen Prozess. – Auch der Hintergrund während der Entwicklung der Person hat Auswirkungen auf die Kreativität. – (intrinsische) Motivation für die Aufgabe fördert die Kreativität. – Die Fähigkeit der Metakognition hilft dabei, die kreative Leistung zu reflektieren. • Alle Einflussfaktoren auf die kreative Leistung sind systemisch miteinander vernetzt. • Metaphern schaffen Verständnis, obwohl Informationen oder Details über die originale Situation dabei verloren gehen. – Kreative Menschen nutzen eine Bandbreite von Metaphern anstatt eine dominante Metapher zu verwenden.

2.2.2.6 Intuition in den Wirtschaftswissenschaften In den Wirtschaftswissenschaften wird die Intuition ganz sachlich meist als ‘dispositiver Faktor’, für alle nicht erklärbaren Entscheidungsgrundlagen bezeichnet.452 Insgesamt setzt sich die relevante Literatur aber aus sehr unterschiedlichen Befunden zum Thema zusammen. Die wissenschaftlichen Meinungen gehen insbesondere auseinander, wenn es um den Zusammenhang von Intuition und analytischen, logischen Schlussfolgerungen geht.

452Vgl

Obermayr-Breitfuß (2005), S. 335; Mintzberg (1991), S. 63.

2.2 Intuition

97

Abbildung 2.12   intuitive Kompetenzen im Arbeitskontext. (Eigene Darstellung nach Hänsel, Zeuch & Schweitzer 2003)

Einerseits wird die Ansicht vertreten, dass es sich bei der Intuition um einen eigenständigen Bewusstwerdungsprozess handelt453, andererseits existiert die Vorstellung, dass die Intuition kein Prozess ist, welcher unabhängig von der Analyse abläuft454. Bisher konnte auch weder abschließend geklärt werden, welche Emotionen sich in welcher Weise auf die Intuition auswirken, noch ob Intuition einen generellen Vorteil gegenüber der analytischen Herangehensweise besitzt. Weitgehende Einigkeit herrscht hingegen hinsichtlich der starken Bedeutung der Intuition für das erfolgreiche Management von Unternehmen bzw. Organisationen.455 Hänsel, Zeuch und Schweitzer (2003) stellten die wichtigsten Funktionen der Intuition im Unternehmenskontext heraus (Abbildung 2.12):456 Die Intuition kann bei der Problemlösung und Entscheidungsfindung helfen, insbesondere bei undurchsichtiger oder geringer Informationslage. Des Weiteren vermag die Intuition im Umgang mit Komplexität zu unterstützen, meist indem Komplexität reduziert wird. Bei der Entwicklung neuer Ideen wirkt die Intuition über die Kreativität mit. Außerdem bringt der mit der Intuition einhergehende Handlungsimpuls ein Gespür für das richtige Timing mit sich. Als Beispiel der Funktionen der intuitiven Zukunftsgestaltung und Visionen wird angeführt, dass die Intuition einen Zugang zu Symbolen und Metaphern auf der

453Vgl.

Mintzberg (1991), S. 72. Simon (1987) in Mintzberg (1991), S. 79. 455Vgl. Obermayr-Breitfuß (2005), S. 54. 456Vgl. Krenzin (2008), S. 69. 454Vgl.

98

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

unbewussten Ebene herstellen kann, welche eine Vorstellung der Zukunft ermöglichen. Durch das Bewusstmachen unbewusst aufgenommener nonverbaler Signale kann die Intuition bei der Beziehungsgestaltung im Unternehmensumfeld äußerst hilfreich sein. Die Kombination von expliziten Regeln und der intuitiven Abstimmung von Gruppenprozessen soll sehr förderlich dabei sein, die Gruppenenergie so zu bündeln und auszurichten, dass eine überdurchschnittliche Performance resultiert. Dieser Punkt wurde als Förderung von Synergie aufgeführt. Zu diesem Punkt sei ergänzt, dass es auch möglich ist, als Gruppe intuitiv zu sein.457 Dieser Fakt ist besonders von Interesse, da eine Vielzahl von Managemententscheidungen als Gruppenentscheidungen getroffen werden.458 Gruppen von Entscheidungsträger/innen drücken die Gruppenintuition dabei durch eine Sprecherperson aus (Sprechermodell) oder lassen die Intuition im Diskurs (demokratisches Modell) entstehen.459 Die komplexitätsreduzierende Wirkung der Intuition geht so weit, dass ein Sinn für Wesentliches geschaffen wird. Der weitreichende Nutzen, welcher der Intuition im unternehmerischen Kontext zugeschrieben wird, führt zur Definition gewisser Anforderungen, welche an intuitive Manager/innen gestellt werden. U. a. benötigen Top-Führungskräfte Netzwerke, um Erfahrungen austauschen und ehrliches Feedback zu den intuitiven Entscheidungen erhalten zu können.460 Dieses offene Feedback von in ihren Rollen ebenbürtigen Personen schafft ein Lernklima, welches den Aufbau von wichtigem Erfahrungswissen ermöglicht.461 Andernfalls neigen viele Manager/innen dazu “Jasager und Kopfnicker” um sich zu versammeln, welche ausnahmslos alle Entscheidungen befürworten, was früher oder später zu einem “kollektiven Realitätsverlust” führt.462 Die Vorteile eines heterogenen Umfelds ist in diesem Zusammenhang ebenfalls zu nennen.463 Außerdem benötigen Führungskräfte emotionale Intelligenz, da diese meist mit der Intuition einhergeht.464 Bis zu 90% der Unterschiede zwischen Top-Performer/innen und durchschnittlich erfolgreichen Führungskräften auf oberster Ebene seien demnach auf das Bewusstsein und die Kenntnis der eigenen

457Vgl.

Nidiaye / Gottwald / Hormann / ­Besser-Anthony (1997), S. 101 ff. ebd. 459Vgl. ebd. 460Vgl. Matzler / Bailom / Hutter (2010), S. 224. 461Vgl. ebd. 462Schmid (2005) in Matzler / Bailom / Hutter (2010), S. 224. 463Vgl. Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997), S. 179. 464Vgl. Sadler-Smith / Sparrow (2008), S. 312 ff. 458Vgl.

2.2 Intuition

99

Gefühle sowie die Fähigkeit, eigene Emotionen zu erkennen, sie zu verstehen und sie richtig zu interpretieren, zurückzuführen.465 In der Natur der Sache liegt auch, dass der Entstehungsprozess der Intuition bisher nicht exakt entschlüsselt und beschrieben werden konnte. Allerdings liegen detaillierte Befunde über die Nutzungshäufigkeit und die Akzeptanz von intuitiven Entscheidungen in unterschiedlichen Bereichen vor. In verschiedenen Studien gaben ca. 50 % bis 75 % der befragten Manager/innen hierarchiestufenübergreifend an, sich bei Entscheidungen auf die Intuition zu verlassen.466 Andere Studien differenzierten verstärkt nach Hierarchieebenen und kamen zu dem Ergebnis, die Nutzung der Intuition verhalte sich im Management proportional zur Hierarchieebene. Demnach kommen intuitive Entscheidungen im Topmanagement häufiger vor als im mittleren Management und dort wiederum häufiger als in der unteren Managementebene.467 Je stärker die Entscheidung sich also der fachlich spezifischen Ebene nähert, je eher wird analytisch-deleberativ entschieden. In Kleinunternehmen wird etwa so häufig intuitiv entschieden wie in der obersten Managementetage von großen Unternehmen.468 Es wirkt also so, als biete sich die Intuition besonders für jene unspezifischen, visionären und wenig operativen Entscheidungstypen an, welche vom Topmanagement von großen Unternehmen oder direkt von den Unternehmer/innen kleiner Unternehmen getroffen werden. Auch wenn in den diversen Studien der Großteil der befragten Manager/innen angeben, intuitiv zu entscheiden, so wurde auf der anderen Seite auch sehr deutlich zu bedenken gegeben, dass sie diesen Sachverhalt nie öffentlich zugeben würden.469 Mehr als zwei Drittel sagten darüber hinaus aus, nachträglich Gründe zur Legitimation der Entscheidung zu suchen oder zu erfinden.470 Durch diese Legitimierungsstrategie der ‘Post-hoc-Rationalisierung’ werden bei den Manager/innen wichtige Ressourcen gebunden, was hohe Kosten471 verursacht.472 Des Weiteren besteht stets die Gefahr, dass die gefundenen Gründe widerlegt werden, was einen Imageschaden hervorrufen könnte. Je nach der

465Vgl.

Goleman (2004), S. 4. Gigerenzer / Gaissmaier (2015), S. 33 ff. 467Vgl. Sadler-Smith / Shefy (2004), S. 80. 468Vgl. ebd. 469Vgl. Gigerenzer / Gaissmaier (2015), S. 33 ff. 470Vgl. ebd. 471in Form von Zeit und Geld. 472Vgl. Gigerenzer / Gaissmaier (2015), S. 25. 466Vgl.

100

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

vorherrschenden Kultur473 variiert die Akzeptanz von Intuition signifikant.474 In weiten Bereichen der westlichen Gesellschaft gilt das Verlassen auf Intuition als verdächtig und es wird eine Kultur der Absicherung durch analytische Prozeduren bevorzugt, selbst wenn dies zu Lasten der Performance geht.475 Aus Angst, Verantwortung für eine Fehlentscheidung übernehmen zu müssen, fallen Entscheidungen häufig zugunsten von analytisch begründeten Alternativen bzw. für Alternativen, die allgemeine Zustimmung finden, aus.476 Insbesondere bei Entscheidungen, in denen kein Bezug zur persönlich emotional-intuitiven Ebene vorliegt (bspw. in Kunden- / Entwicklungs- oder Optimierungsprojekten), ist das Verlangen nach rationaler Legitimation hoch.477 Hingegen wird Intuition akzeptierter, sobald Zeitdruck oder große Ungewissheit eine Rolle spielt, wie dies bspw. im Leistungssport der Fall ist.478 Auf Managementebene sind Emotionen und Intuition ehestens in der Personalauswahl anerkannt.479 Häufig wird, nach vorheriger Informationsbeschaffung und Auseinandersetzung mit der Unternehmenskultur, Bewerber/innen intuitiv ein bestimmtes Potential zugesprochen, auf dessen Grundlage über die Personalbesetzung entschieden wird.480 Diesem Vorgehen wird eine höhere Aussagekraft als einem Assessment Center beigemessen.481 Auch beim Management von kreativen Bereichen wie Innovationen (bspw. Produktentwicklung) wird der Intuition verstärkt freien Lauf gelassen.482 Besonders hoch ist die Akzeptanz von Intuition in familien- und inhabergeführten Unternehmen.483 Gründe hierfür sind in den strukturellen Hauptunterschieden zwischen Familienunternehmen und managergeführten Unternehmen zu finden. Es herrscht bspw. ein stärkeres Vertrauen der Mitarbeiter/innen in die Unternehmensführung, sodass Entscheidungen seltener hinterfragt werden. Darüber hinaus übernimmt die Unternehmensführung mehr Verantwortung für das Unternehmen und hat ein begründetes persönliches

473Regional-

und Unternehmenskultur. Schettgen (1997), S. 92. 475Vgl. Gigerenzer / Gaissmaier (2015), S. 20. 476Vgl. Gigerenzer / Gaissmaier (2015), S. 25. 477Vgl. Kaudela-Baum / Brasser (2015), S. 127. 478Vgl. Gigerenzer / Gaissmaier (2015), S. 22–23; Bechtler (1987), S. 27. 479Vgl. Gigerenzer / Gaissmaier (2015), S. 34. 480Vgl. Thom (2015), S. 223. 481Vgl. ebd. 482Vgl. Bechtler (1987), S. 27. 483Vgl. Gigerenzer / Gaissmaier (2015), S. 34. 474Vgl.

2.2 Intuition

101

Interesse, langfristig die Substanz zu erhalten und (zugunsten der künftigen blutsverwandten Inhabergeneration) Erfolge zu erzielen. Die Gründe für die Atmosphäre des stärkeren Vertrauens, des seltener auftretenden Misstrauens und der stärkeren Verantwortungsübernahme lassen sich aus der Gegenüberstellung der Entscheidungsprämissen ‘Stakeholder Value’ bei Familienunternehmen und ‘Shareholder Value’ bei managergeführten Unternehmen ableiten. Während Familienunternehmen ein begründetes Interesse daran haben, alle Interessengruppen, welche einen Bezug zum Unternehmen haben, zufriedenzustellen, um langfristig einen reibungslosen Ablauf zu garantieren und der nachfolgenden Generation eine lebenswerte und ertragreiche Zukunft ohne großen Aufwand bieten zu können, haben managergeführte Unternehmen lediglich ein Interesse daran, die kurzfristigen finanziellen Interessen der Anteilseigner/innen und Investor/innen zu treffen.

Abbildung 2.13   die Rolle der Intuition im (organisationalen) Veränderungsprozess. (Eigene Darstellung nach Parikh 1994)

Nach Parikh (1994) findet die Intuition im Unternehmenskontext in den drei Entwicklungsstufen der ‘globalen Ebene’, der ‘Organisationsebene’ und der ‘persönlichen Ebene’ statt.484 Neben der Notwendigkeit der Entwicklung der persönlichen Intuitionsfähigkeit wird in Parikhs Arbeiten ebenfalls die Kombination von intuitiven und logischen Elementen zur erfolgreichen Entscheidungsfindung postuliert.485 Als moderierende Variable vermag die Intuition im Unternehmen, insbesondere in Veränderungsprozessen, einige positive Wirkungen herbeizuführen (siehe Abbildung 2.13).486 Über die Intuition soll es leichter gelingen, in einer Situation des Wechsels in der Organisation Stabilität

484Vgl.

Obermayr-Breitfuß (2005), S.243. Obermayr-Breitfuß (2005), S.  243; Nidiaye / Gottwald / Hormann / ­Besser-Anthony (1997), S. 178. 486Vgl. Parikh (1994), S. 2. 485Vgl.

102

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Abbildung 2.14   ausgewählte Managementaufgaben im Feld aus Intuitionsnutzung und Legitimationsdruck. (Eigene Darstellung nach Parikh 1994)

herzustellen und konfliktäre Situationen in einer Verbindung der Bestandteile aufzulösen.487 Aus der wissenschaftlichen Debatte um die Legitimität von intuitiven Managemententscheidungen wird deutlich, dass bei weitem nicht alle Unternehmensprozesse und Managementaufgaben gleich hohem Legitimationsdruck unterliegen. Auch fließt die Intuition nicht in allen Unternehmensfeldern im selben Umfang ein.488 Die nachfolgende Abbildung weist eine Auswahl an Managementaufgaben dem typischerweise für sie herrschenden Legitimationsdruck zu und gibt an, wie häufig die Intuition für diesen Aufgabentyp i. d. R. als Entscheidungsgrundalge genutzt wird (Abbildung 2.14). Die Grafik stellt ein Ordnungsangebot dar, um zu verdeutlichen, dass bestimmte Aufgaben häufiger intuitiv getroffen werden als andere und der Legitimationsdruck ebenfalls ungleichmäßig über die Aufgaben verteilt ist.

487Vgl. 488Vgl.

ebd. Parikh (1994), S. 60.

2.2 Intuition

103

Einige Besonderheiten hinsichtlich des Settings von Managemententscheidungen fanden in der Literatur ebenfalls Erwähnung. Besonders hervorgehoben wurde die Diskrepanz zwischen formaler Planung und informellem Management, welche besagt, dass die rationalen Planungs- und Analysetechniken nur wenig Einfluss auf die abschließende Entscheidung haben.489 Diese Beschreibungen lassen die Rückschlüsse zu, dass Managemententscheidungen oft simultan und auf Grundlage einer ganzheitlichen Sichtweise getroffen werden und nicht linear, sequentiell oder analytisch ablaufen.490 Was können wir mitnehmen? • Es konnte nicht abschließend geklärt werden, welche Emotionen sich in welcher Weise auf die Intuition auswirken. • Es konnte nicht bewiesen werden, dass intuitiv generell erfolgreichere Entscheidungen getroffen werden als analytisch. • Der Intuition und der emotionalen Intelligenz werden starke Bedeutung für das erfolgreiche Management von Unternehmen bzw. Organisationen zugemessen. • Der Intuition werden im Managementkontext folgende Funktionen zugeschrieben: – Problemlösung und Entscheidungsfindung – Umgang mit Komplexität – Entwicklung neuer Ideen – Gespür für das richtige Timing – Zukunftsgestaltung und Visionen – Beziehungsgestaltung – Förderung von Synergie – Sinn für Wesentliches • Die Anzahl der intuitiv getroffenen Entscheidungen steigt mit der Höhe der Hierarchieebene, in der die Entscheidung getroffen wird. • In bis zu 2/3 aller Managemententscheidungen bildet die Intuition die Entscheidungsgrundlage. • In den meisten Fällen wird die Intuition als Entscheidungsgrundlage verschwiegen. • Es werden nachträglich Gründe für die Entscheidung gesucht oder erfunden. • Es existieren kulturelle Unterschiede hinsichtlich der Nutzung und Legitimität von Intuition.

489Vgl. 490Vgl.

Mintzberg (1991), S. 62. ebd.

104

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

• Aus Angst vor negativen Konsequenzen wird häufig rational entschieden. • Insbesondere bei Entscheidungen ohne persönlichen oder emotionalen Bezug ist das Verlangen nach rationaler Legitimation hoch. • Es gibt Bereiche, in denen der Intuition etwas mehr Legitimation beigemessen wird. Dies sind bspw.: – Entscheidungen unter Zeitdruck – Personalauswahlprozesse – Entscheidungen in Familienunternehmen • Managemententscheidungen werden oft simultan und auf Grundlage einer ganzheitlichen Sichtweise getroffen und nicht linear, sequentiell oder analytisch. • Auch von Seiten der Wirtschaftswissenschaften wird eine Kombination persönlicher und situationeller Faktoren der Intuitionsfähigkeit postuliert sowie die Kombination von intuitiven und logischen Elementen zur erfolgreichen Entscheidungsfindung beschrieben.

2.2.2.7 Intuition und Informationstechnologie Im weitesten Sinne kann die Intuition auch als ein Bestandteil des Forschungsfeldes jener Wissenschaften gesehen werden, welche sich mit den Informationstechnologien beschäftigen. Diese Verbindung wird bereits auf typologischer Ebene deutlich. Der Begriff Information, welcher in den meisten Modellen die grundlegende Ressource der Intuition bildet, kommt bereits in der Bezeichnung des Forschungsfeldes Informationstechnologie sowie der wichtigsten Fachdisziplin dieses Forschungsfeldes, der Informatik vor. So wäre es doch höchst verwunderlich, wenn ein sich so intensiv den Informationen verschriebenes Fachgebiet die Intuition gänzlich unberücksichtigt ließe. Allerdings erfolgt die Auseinandersetzung mit der Intuition in diesem technisch ausgerichteten Feld lediglich an wenigen Berührungspunkten. Thematisiert wird die Intuition hauptsächlich an den beiden Schnittstellen ‘Künstliche Intelligenz’ und ‘Anwender/ innenverhalten’, wobei letzteres auch starke Überschneidungspunkte zur Sparte ‘Digital Humanities and Society’ sowie den Fachdisziplinen Sozialpsychologie und Soziologie aufweist. Obwohl diese Themen sich ungeahnter Popularität erfreuen und Buzzwords wie ‘Industrie 4.0’, ‘Internet der Dinge’ oder ‘intuitive Bedienung’ seit den 2000er Jahren in aller Munde sind, existiert direkt zur Intuition in diesen Zusammenhängen nur sehr wenig wissenschaftliche Fachliteratur. Die Berichterstattung über den Fortschritt auf diesem Gebiet verläuft hauptsächlich auf einer populärwissenschaftlichen Ebene und so werden Bezüge zur Intuition in zahlreichen Dokumentationen oder Artikeln zu den Erfolgen von

2.2 Intuition

105

‘Deep Blue’491, ‘AlphaGo’492, ‘AlphaGo Zero’493 oder ‘Google Driverless Car’494 hergestellt. Immer wieder wird die Frage danach ausgelotet, wo die Grenzen des Möglichen liegen. Auf dem Feld der Künstlichen Intelligenz (KI)495 beschäftigt sich die Informatik im weiteren Sinne mit der Erlernbarkeit von Intuition496. Das Konzept der Künstlichen Intelligenz ist zwar nicht eindeutig definierbar, da es hierfür bereits an einer genauen Definition von Intelligenz mangelt, prinzipiell kann aber zusammenfassend beschrieben werden, dass angestrebt wird, intelligentes Verhalten -i. d. R. Problemlösungsfähigkeiten- zu automatisieren. Als Ziel der KI-Forschung gilt es, kognitive Prozesse und Expertenwissen zu modellieren und in einem Algorithmus umzusetzen.497 Derzeit bildet die Intuition noch eine schwierige Hürde in der Programmierung Künstlicher Intelligenz. Diese Hürde besteht u. a. darin, dass Computern die menschliche Gabe fehlt, Verbindungen zwischen nahezu allen beliebig weit entfernten Komponenten herstellen zu können. Allerdings zeigen die (im Folgenden stark verkürzt dargestellten) Beispiele von ‘Deep Blue’ und ‘AlphaGo’ bereits eindrücklich, zu welchen komplexen Leistungen Rechenmaschinen in der Lage sind. ‘AlphaGo’ kann als erstes Computerprogramm gesehen werden, welches zur Lösungsfindung nicht auf ­ Brute-Force-Algorithmen, also das Trial-and-Error Durchprobieren aller möglichen Spielzüge, zurückgreifen musste. Vielmehr wandte es eine Kombination aus maschinellem Lernen498 und Traversierung499 an. Mittels ‘Monte Carlo Algorithmen’ wurden Zugkandidaten ausgewählt, welche aufgrund einer Simulation des Spiels mit Zufallszügen bewertet wurden. Unter Anwendung dieser Methode sammelte ‘AlphaGo’ im Spiel gegen andere Programme künstliches Erfahrungswissen. Zusätzlich kamen Lernmethoden für tiefe neuronale Netze zum Einsatz. Diese aus der Neuroinformatik stammende Methode erzeugt einen Lerneffekt aus der Vernetzung künstlicher Neuronen. Inspiriert von den biologischen Prozessen realer Nervenzellvernetzung, bspw. im Gehirn, wird

491Schach-Computer,

welcher den besten menschlichen Schach Champion besiegte. welcher den besten menschlichen Go-Champion besiegte. 493verbesserter G ­ o-Computer, welcher den besten Go-Computer besiegte. 494autonom fahrendes Auto. 495Häufig auch AI für Artificial Intelligence. 496ein Ansatz hierzu klang bereits im Kapitel zur ‘Intuition und Pädagogik’ an. 497Vgl. Lenzen (2002), S. 16. 498künstliche Generierung von Wissen und Erfahrung. 499systematisches Untersuchen der Knoten von Binärbäumen. 492Go-Computer,

106

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

die Informationsverarbeitung dabei in abstrakten Programmen dargestellt. Auf diese Weise mit künstlicher Erfahrung ausgestattet, schlug ‘AlphaGo’ den besten menschlichen Go-Champion mit 4 zu 1. Etwas mehr als ein Jahr später wurde ‘AlphaGo’ von seinem Nachfolgemodell ‘AlphaGo Zero’ 100 zu 0 geschlagen. In der aktualisierten Version kamen die Entwickler der Modellierung der Intuition noch näher. ‘AlphaGo Zero’ erhielt von den Programmierer/innen keinerlei Vorwissen über das Go Spiel, sondern es wurde lediglich mit den Spielregeln ausgestattet, die Expertise eignete sich ‘AlphaGo Zero’ dann durch diverse Spiele gegen sich selbst an. Andere KI-Systeme sind bspw. in der Lage, mittels modellierter Expertensysteme zur semantischen Verarbeitung von Sprache, intersubjektive Bestände von Hintergrund- und Weltwissen zu identifizieren oder erreichen faktische Expertise in einem vorab festgelegten Verwendungsrahmen.500 Im Gegensatz zur maschinell verfügbaren Expertise ist das Wissen, auf welches Menschen im Problemlösungsprozess zurückgreifen vage, und unvollständig.501 Aus diesem Grund haben die menschliche Expertise sowie der menschliche Problemlösungsprozess der KI noch immer wichtige Bestandteile voraus. Zum einen bewältigen Menschen unerwartete Effekte und Ausnahmesituationen aufgrund von Erfahrungswissen, zum anderen wird das vorhandene menschliche Wissen permanent erweitert.Der entscheidende Faktor liegt aber darin begründet, dass Menschen aus bestehendem Wissen nicht bloß logische Rückschlüsse nach festen Regeln ziehen, sondern auch durch das Bilden von Analogien und mittels Intuition Erkenntnisse gewonnen werden.502 Es existieren zwar Ansätze, bspw. über Präferenz-Defaults503 oder durch Substitution und das Einbeziehen von Literalen, welche über das Hintergrundwissen verbunden sind504, diese Intuition zu formalisieren, eine exakte Modellierung der Intuition ist damit allerdings nicht gegeben.505 Auch sind Menschen in der Lage, das vorliegende Feld der Expertise besser zu erkennen. Lösungsansätze aufgrund der Expertise in einem Feld (bspw. Herzerkrankungen) werden von menschlichen Expert/innen i. d. R. nicht auf ein anderes Feld (bspw. Darmerkrankungen) übertragen. Maschinen hingegen erkennen aufgrund des Cliff-und-Plateau-Effekts die

500Vgl.

Pinkal (2003), S. 739 ff. ebd. 502Vgl. ebd. 503Siehe Dressler / Struss (1996). 504Siehe Buntine (1988). 505Vgl. Görz / Schneeberger (2003), S. 470 bzw. 554. 501Vgl.

2.2 Intuition

107

Grenzen ihrer Kompetenz meist nicht und geben weiterhin Lösungsmöglichkeiten aus ihrem hochspezialisierten und schmalen Wissensgebiet aus, auch wenn diese nicht zur vorliegenden Situation passen. Ein wichtiges Anwendungsfeld für maschinelles Lernen und künstliche Expertise ist die Robotik. Bisher führten (Produktions-)Roboter hauptsächlich präzise, schnelle und wiederkehrende Handlungen aus, welche die Umgebung nicht besonders mit einbezogen. Beispielsweise setzen Industrieroboter immer denselben Schweißpunkt bei der Herstellung eines Automobils, wobei diese Handlung sehr schnell und präzise immer wieder ausgeführt wird, ungeachtet ob das Auto richtig herum auf dem Fließband steht oder verkehrtherum. In der zukünftigen Industrie 4.0 wird dieser Roboter in der Lage sein, etwas zu lernen. Komplexere Aufgaben, wie bspw. das Identifizieren, Aufgreifen und Umsortieren von Stofftieren von einer Kiste in eine andere, ließen sich leicht realisieren. Hierzu würde ein mit Sensoren ausgestatteter Roboter mittels Computervision Algorithmen lernen, die ihn erkennen lassen, wie ein Stofftier, welches stets anders aussieht, prinzipiell beschaffen ist, um den Arbeitsschritt auszuführen. Aufgrund der Vernetzung im Internet der Dinge geben die Roboter diese erlernten Informationen an andere Roboter in anderen Produktionsstandorten weiter, sodass alle Roboter, mit denen diese Information geteilt wurde, in der Lage sind, diese Handlung auszuführen. Es wird vielfach prognostiziert, dass durch die Dynamik der Industrie 4.0 bis zu 50 % aller Arbeitsplätze weltweit wegfallen, da die entsprechenden Aufgaben von Robotern übernommen werden, dies gilt sowohl für niedrig qualifizierte Arbeitsplätze (wie bspw. Lager- und Logistikhelfer/innen) als auch für höher qualifizierte Arbeitsplätze (wie bspw. Analyst/innen).506 Ohne einen Ausgleich, durch bspw. ein bedingungsloses Grundeinkommen oder eine starke Reduzierung der Regelarbeitszeit bei den verbleibenden Jobs, ließe sich ein derart massiver wirtschaftlicher Einbruch nicht kompensieren. Auf der anderen Seite würde die Rendite von Unternehmen und Investor/innen durch die Kostenreduzierung und die Effizienzsteigerung(en) stark ansteigen. Da menschliche Mitarbeiter/innen einem Effizienzwettbewerb mit Robotern über längere Zeit unter keinen Umständen standhalten können, werden Forderungen laut, nicht die Performance als entscheidende Erfolgskennzahl anzulegen, sondern eine menschlichere Kultur zu schaffen, welche Räume für Kreativität, Intuition und Empathie bietet.507

506Vgl. 507Vgl.

Frey /Osborne (2013), S. 1. Hackl et al. (2017), S. 31 und 104.

108

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Noch einen Schritt weiter als künstliche Expertise geht die derzeit noch andauernde Entwicklung der unbemannten Googleautos. Diese müssen im Notfall ‘intuitiv’ in der Lage sein, moralisch unlösbare Aufgaben zu lösen, wenn bspw. im Falle eines bevorstehen Unfalls die Entscheidung zu treffen ist, welcher unausweichlicher Personenschaden in Kauf genommen wird und welchen Personen ausgewichen wird. Entscheidungen, welche niemals logisch getroffen werden können, da hierzu Menschenleben ein Wert zugemessen werden müsste. Ein weiteres Feld, auf welchem Intuition und Informatik eine Verbindung eingehen, ist jenes der Emotionsdaten. Aus verschiedensten Gründen, welche von Marketingzwecken über Pflegerobotik bis zur Notfallbehandlung von psychischen Störungen variieren, werden Computerprogramme eingesetzt, welche aus verbalen und nonverbalen Kommunikationsdaten die Emotionen von Individuen erkennen.508 Mimik, Gestik, Körpersprache, Stimme und Gesprächsinhalte werden bspw.  von virtuellen Therapeut/innen analysiert und auch erwidert. Derzeit vollzieht sich diese Emotionserkennung noch einigermaßen ungenau und die Erwiderung der Emotionen des Gegenübers findet lediglich in der Form statt, dass die erkannten Emotionen gespiegelt werden.509 Um wirkliche Empathie zu empfinden und eigene Emotionen zu produzieren, fehlt den Computerprogrammen hierzu vermutlich die Komponente der Selbstempfindung510. Aufgrund dieser Selbstempfindung können Menschen direkte Emotionen auslösende Erfahrungen machen und deren zugrundeliegende Probleme selbst erleben.511 Diese Formen der Empathie und wahrhaftiger Emotionen könnten notwendige Komponenten der Intuition sein. Anstatt wie ein Computer dem Ausdruck des Gegenübers einen mathematischen Emotionswert zuzuweisen, nehmen Menschen einen emotionalen Kontakt auch noch auf eine andere Weise auf. Personen, welche sich ineinander hineinversetzen, erkennen die Emotionen des Gegenübers auch, weil sie sich auf diese ‘einschwingen’, dies vollzieht sich physisch durch ein Resonanzphänomen, bei welchem sich mithilfe der Spiegelneuronen automatisch die Wellenlängen der Gehirnströme der Kommunikationspartner/innen synchronisieren.512

508Siehe.

Schuller (2007), Wolf (2019). Schuller (2007), S. 6; Wolf (2019), o. S. 510Siehe Bischof-Köhler (1989), S. 50 ff. 511Vgl. ­Bischof-Köhler (1989), S. 56 ff. 512Vgl. Bauer (2006), S. 10. 509Vgl.

2.2 Intuition

109

Auch in der Anwendung von Informationstechnologie gibt es Bezugspunkte zur Intuition. Von Unternehmensseite aus wurde hauptsächlich versucht, diese Verbindung auf die Bedienungskonzepte der IT-Endgeräte anzuwenden. Sogenannte intuitive Bedienelemente bilden den Standard im gegenwärtigen Stand der Technik und sind in nahezu jedem IT-Gerät des täglichen Bedarfs verbaut. In der Tat ist es faszinierend, mit anzusehen, wie bereits Kleinkinder mit nur sehr geringer Vorerfahrung versuchen, durch Wischen und Schieben auf dem Smartphonedisplay Fotos zu wechseln oder Videos zu starten. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass diese Art der Bedienung nicht unbedingt als intuitiv zu bezeichnen ist, da zu viele Merkmale der Intuition (bspw. Erkenntnis, Urteilsbildung, Handlungsleitung oder vorherige Auseinandersetzung mit einem Thema und Inkubationszeit) nicht auftreten. Passender erscheint an dieser Stelle wohl der Terminus ‘instinktive Bedienung’. Angesichts der momentanen Nutzungshäufigkeit digitaler Medien erscheint es wenig verwunderlich, wie selbstverständlich bereits im Kindesalter mit dieser Technologie umgegangen wird. Täglich schauen Westeuropäer/innen bis zu 150 mal auf das Mobiltelefon und verbringen durchschnittlich mehr als 3 Stunden pro Tag online.513 Insbesondere von der derzeit heranwachsenden Generation wird keine Grenze mehr wahrgenommen zwischen realer Welt und der ‘Online-Welt’. Erfahrungen und Erlebnisse aus beiden Bereichen wirken ähnlich bedeutungsvoll und werden emotional gleichermaßen intensiv aufgenommen.514 Eine erste soziologische Studie zum Zusammenhang von IT-Nutzungsverhalten und Emotionen515 postulierte aufgrund jener starken Nutzung der digitalen Medien einen dramatischen Verlust der Empathiefähigkeit der Nutzer/innen. Dieser Verfall könnte durch ein stärkeres Einbeziehen von Emotionen in die Informationstechnologie (bspw. durch Geräte, welche die Emotionen erkennen und wiedergeben können) abgemildert werden. Erfahrungen mit Pflegerobotern oder Chatbots zeigen deutlich, dass Maschinen und künstliche Programme auch sehr wohl in der Lage sind, Emotionen auszulösen.516 Inwiefern die Intuition, welche eng mit Emotionen und insbesondere der Empathiefähigkeit verknüpft ist, von diesem Prozess betroffen ist, wurde bisher noch nicht erforscht. Aus einem solchen negativen Zusammenhang ließe sich auch ein Spannungsfeld zwischen digitalen Medien und natürlicher, emotionaler Intuition ableiten.

513Vgl.

Lobe (2014), o. S.; Koch / Frees (2018), S. 404. Jung (2017), S. 857. 515Siehe Terkel (2012 und 2015). 516Vgl. Scheutz (2009), o. S. 514Vgl.

110

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Die Existenz eines solchen Spannungsfeldes sollte im weiteren Verlauf der Arbeit dringend näher betrachtet werden, da die Ergebnisse einer solchen Untersuchung einen tiefen Einblick in die Mechanismen der Intuition sowie in die situationellen Gelingensbedingungen versprechen. In Anbetracht eines möglichen Zusammenhangs zwischen Intuition und ­ IT-bedingtem Empathieverlust ergibt sich unweigerlich die Frage, ob Menschen, welche digitale Informationstechnologie in starkem Umfang nutzen (bspw. digital natives) einen anderen Zugang zur Intuition haben als Gruppen, welche digitale Informationstechnologie in geringem Umfang nutzen (bspw. ältere Menschen). Eine Anschlussfrage, welche sich daraus ebenfalls ergibt, betrifft all jene Gruppen, welche aus anderen Gründen nur über eine geringe Empathiefähigkeit verfügen (bspw. Menschen, die unter Autismus leiden). Um die Bedingungen von funktionsfähiger Intuition besser zu verstehen, wäre die Kenntnis darüber, ob diese Gruppen allgemein weniger intuitiv sind, hilfreich. Als Gegenthese zum Intuitionsverlust durch häufige Nutzung von IT könnte formuliert werden, dass sich durch die zunehmende Digitalisierung viele Menschen umso mehr auf Intuition berufen, um sich von der künstlichen Welt abzugrenzen und sich mit der Menschheit als Gesamtheit zu identifizieren. In jedem Fall ist es spannend zu beobachten, wie im Diskurs um Robotik und KI stets auch die Intuition Erwähnung findet. Die Entstehung einer, die menschliche Intelligenz übersteigenden Form künstlicher Intelligenz wäre vermutlich die revolutionärste Entwicklung seit der Zähmung des Feuers und hätte Auswirkungen auf die gesamte Menschheit. Auswirkungen, welchen sich kein Individuum an keinem noch so entlegenen Ort des Planeten entziehen könnte. Dieser Vorstellung kann schon ziemlich intensive Gefühle auslösen, welchen vielfach damit begegnet wird, sich auf etwas zu berufen, was tiefer in der menschlichen Natur verankert ist, als nahezu alles andere: die Intuition. Sie ist von jeher Teil jedes Individuums und schlägt eine Brücke zur gesamten Menschheitsgeschichte. Was können wir mitnehmen? • Schnittstellen zwischen Intuition und Informationstechnologie existieren in den Bereichen ‘Künstliche Intelligenz’ und ‘Anwender/innenverhalten’. • Auf dem Feld der Künstlichen Intelligenz beschäftigt sich die Informatik u. a. mit der Erlernbarkeit von Intuition. • Künstliche Expertisesysteme sind möglich, Computern fehlt allerdings die menschliche Gabe, Analogien zu bilden und Verbindungen zwischen nahezu allen beliebig weit entfernten Komponenten herstellen zu können, was für die Intuition erforderlich ist.

2.2 Intuition

111

• Dank der 4. Industriellen Revolution werden Roboter immer mehr in die Lage versetzt, Emotionen wahrzunehmen, zu spiegeln und voneinander zu lernen. • Menschen können emotionale Bindungen zu künstlichen Programmen und Robotern aufbauen. • Eine Voraussetzung für Intuition ist Empathiefähigkeit, hierzu bedarf es Selbstempfindung und direkter emotionaler Erfahrung. Physisch manifestiert sich dies im Resonanzphänomen des menschlichen Gehirns. • Die Nutzung von IT-Technologie gehört zum (Arbeits-)Alltag der Menschen und es findet eine zunehmende Entgrenzung zwischen digitaler und analoger Welt statt. • Die verstärkte Nutzung digitaler Medien könnte zu einem Verlust der Empathiefähigkeit und somit zu einer Hemmung der Intuition führen; dies würde bedeuten, dass die starke Nutzung digitaler Medien und die Intuition ein Spannungsfeld bilden. • Ein Teil der Menschen neigt dazu, sich angesichts steigender Digitalisierung verstärkt auf die Intuition zu berufen.

2.2.3 Intuition und Nachhaltigkeit In der Literatur zur Intuition wird dieser, insbesondere für den Entscheidungsprozess, ein bedeutender Nutzen zugeschrieben, es werden aber auch die Grenzen der Intuition aufgezeigt. Eine übergreifende Auseinandersetzung mit dem Nutzen und den Grenzen der Intuition erfolgt im Abschnitt 2.2.4, während dieser Abschnitt sich auf die Beschreibung des Zusammenhangs von Intuition und Nachhaltigkeit beschränkt. Vielfach wird intuitiven Lösungen eine Verbindung zur Nachhaltigkeit unterstellt. Die komplexitätsreduzierende Wirkung517 könnte auf individueller Ebene helfen, mit den belastenden Auswirkungen der herrschenden Arbeitsbedingungen (u. a. hohe Anforderungen, Leistungsdruck und Wettbewerb, Entfremdungstendenzen, Erschöpfung) umzugehen, und somit die Gesundheit der Arbeitnehmer/innen und Führungskräfte schonen. Somit würden nicht nur die individuellen Ressourcen erhalten, sondern auch dem Unternehmen und der Gesamtgesellschaft (in Form von ausbleibenden Krankheitstagen oder geringeren

517Vgl. u. a. Parikh (1994), S. 10; Shirley / Langan-Fox (1996), S. 563; Schmidt / Hipp / Caspari (1999), S. 3; Ruthenbeck (2004), S. 19 ff.; Krenzin (2008), S. 49.

112

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Kosten für die Krankenversicherungen) ein positiver Nutzen zugeführt. Weiter wird angemerkt, dass intuitive Lösungen sich durch Empathie und Antizipation auszeichnen, was dabei helfen würde, Standpunkte mehrerer Interessengruppen in die Entscheidungsfindung einzubeziehen und miteinander zu vereinbaren.518 Auch sollen intuitive Entscheidungen langfristiger gedacht sein als rein logisch hergeleitete.519 Aus diesen beiden positiven Eigenschaften abgeleitet, lässt sich annehmen, dass intuitive Entscheidungen ganzheitlicher betrachtet würden und somit auch moralischen Ansprüchen stärker genügen könnten. Ob diese Argumentation tatsächlich zu einer stärkeren Ausrichtung auf das Thema Nachhaltigkeit in Entscheidungen führt, bleibt zu prüfen. In jedem Fall ist vor Pauschalisierungen der positiven Wirkungen der Intuition im Hinblick auf die Nachhaltigkeit Vorsicht geboten. Je nach Reichweite der anstehenden Entscheidung (bspw. wenn Interessen Dritter in Abwägungen mit einbezogen werden) variiert auch die Reichweite der Intuition.520 In diesem Zusammenhang wird in Studien, welche gemeinsam von Gottwald, Nidiaye, Besser-Anthony und Hormann (1997) durchgeführt wurden, Intuition von Manager/innen in verantwortungsvollen Positionen in Wirtschaftsunternehmen als ‘unparteiisch’ beschrieben und weiter wird die hohe moralische Qualität intuitiver Entscheidungen betont.521 Je höher das Gefühl der Präsenz, desto überzeugender und moralisch sicherer fällt auch die Intuition aus.522 Ob der individuelle Standpunkt oder der Standpunkt der Organisation zu einem Thema objektiv ‘gut’ und vertretbar ist, kann durch dieses moralische Sicherheitsgefühl nicht zur Gänze evaluiert werden.523 Es lassen sich auch leicht Beispiele finden, in denen Intuition in Führungssituationen nicht zwingend zur besten Lösung für alle Beteiligten führte. Insbesondere bei der moralischen Qualität intuitiver Entscheidungen ist zu berücksichtigen, dass als Maßstab immer nur die moralischen Ansprüche der Entscheidungsträger/innen angesetzt werden können. Wenn sich bspw. Kanzlerin

518Vgl.

Hänsel (2014), S. 11. Bechtler (1987), S. 27, Gottwald (2015), S. 101. 520Vgl. Gottwald (2015), S. 112. 521Vgl. Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997), S. 77. 522Vgl. Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997), S. 77; Gottwald (2015), S. 106, S. 111 und S. 112. 523Vgl. Dievernich (2015), S. 155. 519Vgl.

2.2 Intuition

113

Merkel gegen die Möglichkeit der Eheschließung für homosexuelle Paare ausspricht, weil sie ein ‘komisches Gefühl’ bei der Sache hat, dann hilft ihre Intuition ihr, die für ihre Ansprüche moralisch richtige Entscheidung zu treffen. Für zahlreiche andere Menschen hingegen ist dies allerdings eine höchst unmoralische Entscheidung. Die Intuition erscheint also vorerst neutral und erhält ihren Wert dann durch die individuelle Zuweisung in Form von Faktoren wie Erfahrung, Instinkt und Gespür.524 Auch wenn starke Überschneidungen zwischen einer moralisch guten und einer nachhaltigen Lebensführung existieren, so entsprechen moralisch wertvolle Entscheidungen nicht eins zu eins Entscheidungen im Sinne der Nachhaltigkeit. Während auf Seiten der Moral viele verschiedene individuelle Sichtweisen existieren, lässt sich das Konstrukt der Nachhaltigkeit mit der ressourcenorientierten Sichtweise auf eine übergreifende Handlungsprämisse festlegen. Als Ausgangspunkt hierzu dient das Ziel, mit nachhaltigem Handeln zukünftigen Generationen dieselbe Handlungsfähigkeit wie der gegenwärtigen Generation zu ermöglichen sowie auch eine intragenerationale Gerechtigkeit herzustellen.525 Um diese Ziele erreichen zu können, bedarf es zunächst der Erkenntnis, dass die zur Verfügung stehenden Ressourcen absolut begrenzt sind und jede verbrauchte Ressourceneinheit zukünftigen Generationen nicht mehr zur Verfügung steht.526 Folglich muss so gewirtschaftet werden, dass die Ressourcenbasis erhalten bleibt und die natürlichen Reproduktionszyklen nicht gefährdet werden.527 Zu berücksichtigen sind hierbei sowohl die Eigengesetzlichkeiten der Ressourcenquelle als auch die Konsequenzen einer getroffenen Entscheidung in Form von Haupt-, Neben- und Rückwirkungen auf andere umliegende Systeme.528 Dies lässt nachhaltiges Handeln zu einer höchst komplexen Angelegenheit werden. Um herauszufinden, ob intuitive Entscheidungen dieser Prämisse gerecht werden, sind also nicht die moralischen Empfindungen zu betrachten, sondern zu hinterfragen, in welcher Weise sich die Haupt-, Neben- und Rückwirkungen der getroffenen Entscheidung auf die Erhaltung der (ökologischen, ökonomischen und sozialen) Ressourcenbasis auswirken. Die Langfristigkeit und das Einbeziehen verschiedener Interessengruppen in intuitive Entscheidungen sind hierfür bereits vielversprechende Indikatoren.

524Vgl.

Krenzin (2008), S. 43. Müller-Christ (2014), S. 69 ff. 526Vgl. Müller-Christ (2014), S. 71. 527Vgl. ­Müller-Christ (2014), S. 72. 528Vgl. Müller-Christ (2014), S. 217. 525Vgl.

114

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Dies zeigt sich auch bei der Betrachtung der 12 sogenannten Gestaltungskompetenzen für Bildung für nachhaltige Entwicklung529 also jener Werte, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse, welche zur aktiven und verantwortungsvollen Gestaltung der menschlichen Zukunft erforderlich sind: 1. weltoffen und mithilfe neuer Perspektiven integrierend Wissen aufbauen, 2. vorausschauend Entwicklungen analysieren und beurteilen können, 3. interdisziplinär Erkenntnisse gewinnen und handeln, 4. Risiken, Gefahren und Unsicherheiten erkennen und abwägen können, 5. gemeinsam mit anderen planen und handeln können, 6. Zielkonflikte bei der Reflexion über Handlungsstrategien berücksichtigen können, 7. an kollektiven Entscheidungsprozessen teilhaben können, 8. sich und andere motivieren können, aktiv zu werden, 9. die eigenen Leitbilder und die anderer reflektieren können, 10. Vorstellungen von Gerechtigkeit als Entscheidungs- und Handlungsgrundlage nutzen können, 11. selbständig planen und handeln können, 12. Empathie für andere zeigen können. Beim Vergleich dieser 12 Gestaltungskompetenzen mit den Aspekten, welche intuitiven Handlungsweisen zugeschrieben werden, fallen diverse Übereinstimmungen auf. Die hervorgehobenen Worte verdeutlichen, wo zwischen den BNE Kompetenzen und der Intuition Parallelen existieren. Auf verschiedenen Ebenen könnte die Intuition beim Erwerb und der Umsetzung dieser Handlungskompetenzen behilflich sein. Der schöpferische Charakter könnte bei allen Kompetenzen unterstützen, bei denen es um das Generieren von Wissen und Erkenntnissen geht (Stichworte: neu | Wissen | Vorstellungen | Erkenntnisse | erkennen). Zudem könnte der langfristige Charakter intuitiver Sichtweisen insbesondere den Blick auf zukünftige Entwicklungen schärfen und dort helfen, wo Antizipation vonnöten ist (Stichwort: vorausschauend). Darüber hinaus könnte der vereinbarende Charakter intuitiver Entscheidungen beim Umgang mit Widersprüchen helfen (Stichworte: abwägen | integrierend). Durch den inkludierenden Charakter könnten andere Standpunkte in Aushandlungsprozessen mit einbezogen werden (Stichworte: offen | gemeinsam mit anderen | Empathie

529Siehe

de Haan (2008), S. 32.

2.2 Intuition

115

| Kollektiv). Der handlungsleitende Charakter, welcher mit der Intuition einhergeht, könnte all jene Handlungskompetenzen befeuern, bei denen es um Aktivität geht (Stichworte: selbständig | motivieren). Schließlich liegen der Intuition auch selbstreflexive Bestandteile zugrunde, welche dabei helfen könnten, den in den BNE Gestaltungskompetenzen geforderten Reflexionsleistungen gerecht zu werden. Der Zusammenhang von Intuition und Nachhaltigkeit lässt sich aber auch andersherum denken. Wäre das Wissen um nachhaltige Handlungsweisen von Manager/innen derart internalisiert, dass dieses zum Erfahrungswissen wird, würde dies nach den gängigen Intuitionstheorien in Entscheidungssituationen intuitiv abgerufen. Entscheidungsprämissen wären dann intuitiv nachhaltig. Die nachhaltigkeitsbezogenen Komponenten können also sowohl in der Beschaffenheit der Intuition begründet sein als auch in der Funktion der Intuition, Nachhaltigkeitswissen automatisch freizugeben, wenn dies benötigt wird. Was können wir mitnehmen? • Die Intuition kann im Umgang mit unangenehmen Rahmenbedingungen helfen. • Hinsichtlich der Reichweite von Entscheidungen kann die Intuition helfen, komplexe Entscheidungen zu treffen, deren Nutzen in der Zukunft liegt. • Die Intuition kann helfen, die Auswirkungen einer Entscheidung auf Andere zu erkennen. • Die Intuition kann helfen, bestehendes Nachhaltigkeitswissen in Entscheidungssituationen abzurufen.

2.2.4 Nutzen und Grenzen von Intuition für Unternehmen In der Einleitung sowie in den Beschreibungen der Funktionsweise von Intuition klangen die diversen Vorteile intuitiver Entscheidungsfindung bereits an. Um nun allzu unreflektierter Euphorie vorzubeugen, sollen im folgenden Kapitel Vor- und Nachteile der Intuition abgewogen werden. Im ersten Absatz wird der Nutzen der Intuition eingehend betrachtet. Hierzu soll zunächst geschaut werden, in welchen Situationen Intuition als wichtig erachtet wird. Anschließend soll kurz darauf eingegangen werden, zu welchem Zweck die Intuition in diesem Zusammenhang genutzt wird, um dann eingehend zu prüfen, welcher Nutzen der Intuition im Unternehmenskontext tatsächlich zugeschrieben werden kann. Im zweiten Absatz soll aufgezeigt werden, wo die Grenzen der Intuition in Managemententscheidungen liegen.

116

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Nutzen der Intuition: In jeder Arbeitssituation finden Zuschreibungen, Deutungen, Interpretationen, Übertragungen statt, die auf intuitive Art und Weise zustande kommen.530 In der einschlägigen Literatur531 werden immer wieder drei Umstände beschrieben, in denen die Intuition als besonders nützlich eingestuft wird: • Die Situation, welche beurteilt werden soll, liegt in der Gegenwart und ist unbekannt oder liegt in der Zukunft. • Die Informationslage ist ungewiss. • Die Vorkenntnisse sind eingeschränkt. Diese Einschätzungen decken sich mit den Ergebnissen einer Studie zu Kompetenzkriterien in Entscheidungssituationen sowie den Merkmalen komplexer Entscheidungen, wie sie im Abschnitt 2.1.2 vorgestellt wurden. Demnach entfaltet die Intuition ihre besondere Nützlichkeit, wenn folgende Umstände vorliegen:532

Abbildung 2.15    Dimensionen der Nützlichkeit von Intuition in Managemententscheidungen. (Eigene Darstellung)

• Es herrscht hohe Unsicherheit bzgl. der Wahl der Alternativen. • Es ist wenig oder keine Vorerfahrung mit der Situation vorhanden. • Die relevanten Variablen sind nicht bekannt oder wenig voraussagbar. • Es gibt wenig erreichbare Fakten. • Es gibt zu viele Fakten, um sie in einem expliziten Verfahren prüfen zu können. 530Vgl.

Fröse / Kaudela-Baum / Dievernich (2015), S. 6. u. a. Shirley (1996); Küpers (2000); Hänsel (2002). 532Vgl. Shirley (1996), S. 563; Hänsel (2002), S.83; Gottwald (2015), S. 111 sowie den Absatz über ‘Merkmale komplexer Entscheidungen’ im Abschnitt 2.1.2. 531Siehe

2.2 Intuition

117

• Die Fakten bezüglich einer Problemlösung widersprechen sich. • Es gibt mehrere, gleich plausible Alternativen der Lösung. • Es bestehen Zeitknappheit und Ergebnisdruck. Praktiker/innen betonen darüber hinaus den Nutzen von Intuition zur effektiven und erfolgreichen Kommunikation.533 Alle genannten Bedingungen, unter denen Intuition als nützlich erachtet wird, lassen sich meiner Meinung nach auf die drei übergreifenden Dimensionen Information, Zeit und Kommunikation zurückführen (Abbildung 2.15). Die Dimension der Information ist die am stärksten ausgeprägte und allen Entscheidungen zugrundeliegende. Sie beinhaltet die Faktoren ‘unbekannte, unsichere Situation’, ‘inadäquate Informationslage’ und ‘Vorkenntnisse’.534 Bei der ersten Bedingung (unbekannte, unsichere Situation) liegt auch ein Bezug zur zeitlichen Komponente vor. Situationen, welche in der Zukunft liegen, lassen sich i. d. R. schwer bewerten, da sich nicht alle Entwicklungen, welche einen Einfluss auf die Situation ausüben, vorhersagen lassen. Ähnlich verhält es sich mit unbekannten Situationen der Gegenwart. Diese können bspw. vorliegen, wenn sich die Situation räumlich weit entfernt oder in einem fremden Fachgebiet abspielt. Die zweite Bedingung (inadäquate Informationslage) drückt diese Ungewissheit ebenfalls aus, geht aber noch darüber hinaus und schließt einen Informationsüberfluss oder die Inadäquatheit formaler Informationen mit ein. Oftmals sind formale Informationen zu unspezifisch und vermögen einige qualitative Aspekte (bspw. Persönlichkeit, Gestik, Motive etc.) nicht zu erfassen oder zu transportieren. Aufgrund von Funktionsproblemen (bspw. Zeitmangel, unternehmenspolitischen Zwängen oder Zielkonflikten) in Unternehmen können bestimmte Informationen leicht untergehen und unbeachtet bleiben.535 Die Folge kann sein, dass Handlungsalternativen nicht weiter verfolgt werden.536 Aus einem so dynamischen Umfeld wie jenem eines Unternehmens mit seinen komplexen Eigengesetzlichkeiten eine spezifische Information herauszufiltern, wirkt wie eine große Herausforderung. Die dritte Bedingung (Vorkenntnisse) lässt sich als Kontinuum in zwei Richtungen denken. Bei sehr geringen Vorkenntnissen

533S. u. a.

King (1997) und Schmid / Wahlich (1998). oben. 535Vgl. Dörner (2011), S. 62–63; Oppelt (1995) S. 1 und 2; Eisenführ / Weber / Langer (2010), S. 2 ff.; Fischer (2004), S. 1; Pauli (2009), S. 47. 536Vgl. Dörner (2011), S. 62–63; Oppelt (1995) S. 1 und 2; Greschner / Zahn (1992), S. 11. 534Siehe

118

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

wird die Intuition als nützlich angesehen, um bei weitestgehender Ahnungslosigkeit eine Entscheidung zu ermöglichen, während bei soliden Vorkenntnissen die Expertenintuition ohnehin fester Bestandteil von Entscheidungen ist.537 Ebenso wie bei der in der zweiten Bedingung genannten Ausgleichsfunktion bei fehlenden Informationen oder einem Überschuss an Informationen, kann die Intuition in Bezug auf das Vorwissen einen Ausgleich bei zu geringer oder zu hoher und damit einschränkender Expertise herstellen.538 Die Dimension der Zeit betrifft einerseits den bereits beschriebenen Zeitpunkt der Situation, die es zu meistern gilt. Je weiter diese in der Zukunft liegt, je geringer dürfte die Informationsgrundlage sein und je schwieriger die Antizipation der Entwicklung. Andererseits ist auch die für die Entscheidung zur Verfügung stehende Zeit intendiert. Bei begrenzter Zeit können meist nicht alle Informationen hinreichend berücksichtigt werden.539 Es wird in diesem Fall als sinnvoll angesehen, intuitiv zu entscheiden und die fehlende Zeit dadurch zu kompensieren. Zu beachten ist allerdings, dass die Intuition ebenfalls Zeit benötigt und sich nicht beschleunigen lässt. Von daher mag die Intuition bei Zeitknappheit nützlich sein, ob sie sich einstellt, ist allerdings ungewiss. Die Kommunikation betrifft die Intuition auf verschiedene Weise. Zum einen ist die Intuition für eine gelingende Kommunikation im professionellen Umfeld (bspw. Verhandlungen) nützlich.540 Intuitive Elemente machen einen hohen Anteil an jeder Gesprächsführung aus, so werden unbewusst subtile Reize (bspw. nonverbale Signale, eigene Körperwahrnehmungen, Informationen zum Beziehungsfeld etc.) aufgenommen oder auch die Fülle nützlicher Fragen auf ein Minimum reduziert, um eine Informationsgrundlage zu erstellen.541 Hieraus ergibt sich eine positive Funktion in der Kommunikation mit Kund/innen, Klient/innen und Mitarbeiter/innen.542 Besonders hervorgehoben wird die Nützlichkeit der Intuition in der kommunikativen Situation der Personalauswahl.543 Die Passung von Bewerber/innen zum Unternehmen und zur ausgeschriebenen Stelle wird

537Vgl.

Baylor (2001), S. 240. Gottwald (2015), S. 106. 539Vgl. Dörner (2011), S. 62–63; Oppelt (1995) S. 1 und 2 ; Greschner / Zahn (1992), S. 11. 540Vgl. Hänsel (2002), S. 162. 541Vgl. ebd. 542Vgl. ebd. 543Vgl. Bechtler (1987), S. 27. 538Vgl.

2.2 Intuition

119

im Vorstellungsgespräch meist intuitiv überprüft.544 Eine kurze Kommunikation reicht meist aus, um sich auf der Gefühlsebene ein Bild des Gegenübers zu verschaffen.545 Andererseits ist im Hinblick auf die Kommunikation zu beachten, dass es meist schwer fällt, die eigene Intuition zu verbalisieren. Ein vager und diffuser Anfangsverdacht (bspw. zu einer zu treffenden Entscheidung) lässt sich gegenüber Dritten (bspw. Vorgesetzten) kaum konkret formulieren.546 Es muss also weiter nachgegangen werden, um eine verbalisierbare Feststellung formulieren zu können.547 Hierin zeichnet sich aber ein weiterer Nutzen der Intuition ab, wenn die Intuition als Prozess der gemeinsamen Kreation gesehen wird.548 Im Diskurs über die intuitive Wahrnehmung können neue Erkenntnisse generiert und weiter verfolgt werden. Flache Hierarchien sind hierzu förderlich.549 Dieses Eintauchen in die Situationen, in denen Intuition als sinnvoll eingeschätzt wird, führt direkt zum Zweck, den die Intuition in diesen Situationen erfüllen soll. Intuition dient in der Geschäftswelt vorwiegend zur Komplexitätsreduktion und Fokussierung auf das Wesentliche, als Entscheidungsgrundlage, zur Problemlösung, zur Beziehungsgestaltung, als Ausgangspunkt für Visionen, als Gespür für das richtige Timing und wird herangezogen, um neue Ideen zu entwickeln und Innovationen hervorzubringen.550 Für Führungskräfte stellt Intuition eine wirkmächtige Orientierungsfunktion dar.551 Führungskräfte, welche die Fähigkeit besitzen, Intuition zu nutzen, um konkret Entscheidungen aus einem Feld möglicher Entscheidungen zur Lösung eines Problems oder einer Aufgabe zu selektieren, haben gegenüber rein analytischem Vorgehen einen entscheidenden Vorteil.552 Besonders nützlich ist Intuition, wenn ein Mangel oder ein Überschuss an Informationen vorliegt, da Komplexität reduziert und fehlende Informationen ergänzt werden, sodass

544Vgl.

Thom (2015), S. 223. ebd. 546Vgl. Hänsel (2002), S. 106. 547Vgl. Hänsel, Zeuch & Schweitzer (2003), S. 3 und 4. 548Vgl. Hänsel (2002), S. 170. 549Vgl. Hänsel (2002), S. 106. 550Vgl. u. a. Hänsel / Zeuch / Schweitzer (2003), S. 4; Krenzin (2008), S. 69; Küpers (2015), S. 77 ff. 551Vgl. Gottwald (2015), S. 106. 552Vgl. ebd. 545Vgl.

120

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

eine ganzheitliche Erfassung und Verarbeitung der Situation möglich wird.553 Die Intuition kann als Sinn für das Wesentliche die Komplexität reduzieren. Im Gegensatz zu Modellen, bestehend aus Axiomen und Prognosen, wirkt Intuition komplexitätsreduzierend, ohne die Komplexität außer Acht zu lassen.554 Intuition kann als Filter irrelevanter Inhalte dienen und den Fokus auf wichtige Muster lenken. Somit stellt Intuition einen Schlüsselfaktor zur Steigerung der Qualität strategischer Entscheidungen dar.555 Durch die mit dem intuitiven Erkennen einhergehende Bedeutungszuschreibung entsteht innere Gewissheit, aus der heraus vorausschauende Entscheidungen getroffen und entsprechende Handlungen vollführt werden können.556 Der mit der Intuition einhergehende Handlungsimpuls kann auch ein Gespür für das richtige Timing mit sich bringen.557 Bei der Entwicklung neuer innovativer Ideen wirkt die Intuition über die Kreativität mit.558 Im Zusammenhang mit Innovationen genießen intuitive Eingebungen eine wesentlich höhere Legitimität als dies bei den meisten anderen Entscheidungsbereichen der Fall ist.559 Dies liegt vermutlich daran, dass im Innovationsprozess zur späteren Vermarktung etwas komplett Neues aus dem Unbekannten in die Welt gehoben werden soll, was eine Rückbesinnung auf rationale Erklärungsansätze erschwert. Das Entstehen einer Innovation folgt einem verschlungenen Pfad, häufig bestehend aus negativen Gefühlen, einem Mangelempfinden zu Anfang, vielfältigem Herumprobieren, Rückschlägen und Aha!-Erlebnissen.560 In der Regel finden in diesem Prozess je nach Phase (Ideengenerierung, Ideenakzeptierung und Ideenrealisierung) eine eher analytische, tiefgreifende Auseinandersetzung mit einem Thema, phantasievolle, intuitive Ansätze und der Einsatz impliziten Wissens Anwendung.561 Die Kraft der Intuition hilft, weit entfernte Sachverhalte miteinander zu verbinden und etablierte Denkmuster

553Vgl.

ebd. Bischoff (2015), S. 212. 555Vgl. Brockmann / Anthony (2002) in Küpers (2015), S. 79. 556Vgl. Küpers (2015), S. 79. 557Vgl. Küpers (2015), S. 79. 558Vgl. u. a. Cohn (1975), S. 134; Huber (1987), S. 293–294; Boden (1990), S. 32; Runco (2007), S. 19. 559Vgl. Bechtler (1987), S. 27. 560Vgl. Kaudela-Baum / Brasser (2015), S. 127. 561Vgl. Thom (2015), S. 224. 554Vgl.

2.2 Intuition

121

zu durchbrechen562, wodurch im Innovationsgeschehen Variantenreichtum geschaffen und die Kombination von eher abseitigen Komponenten ermöglicht wird.563 Die Funktionen der visionären, intuitiven Zukunftsgestaltung kann über den Link der Intuition zur symbolhaften und metaphorischen Vorstellung der Zukunft auf der nicht direkt bewussten Ebene erfolgen.564 Hinsichtlich der Beziehungsgestaltung im Unternehmen kann die Intuition durch das Bewusstmachen unbewusst aufgenommener nonverbaler Signale äußerst hilfreich sein.565 Dies soll so weit gehen, dass in der intuitiven Abstimmung von Gruppenprozessen Synergieeffekte entstehen können.566 Diese aufgeführten Positionen verdeutlichen auch noch einmal die Bedeutung jener Faktoren, welche das Setting des Handlungsumfeldes bestimmen. Hierzu zählen insbesondere die Informationsgrundlage, auf welcher die Intuition fußt, die zur Verfügung stehende Zeit bzw. der im Unternehmen herrschende Umgang mit Zeit (bspw. Zeitdruck, Arbeitszeitmodelle etc.), die Kommunikationskanäle des Unternehmens, die Hierarchiebeschaffenheit sowie die Reichweite der Entscheidung. Grenzen der Intuition: Auch wenn der zurückliegende Abschnitt den Eindruck erweckt, dass der Nutzen von Intuition, insbesondere in Verbindung mit vorherigem analytischem Vorgehen, in zahlreichen Managementsituationen als hoch eingestuft werden kann, so existieren doch gewisse Grenzen bzw. Risiken in der Anwendbarkeit. Kritische Stimmen kommen u. a. von Kahneman und Klein (2010) und warnen vor einer Überbetonung der Intuition im Unternehmenskontext. Intuitive Entscheidungen können demnach auch eine Fehlerquelle sein und zu Sicherheitsrisiken, Qualitätsproblemen sowie Schnittstellenverlusten etc. führen.567 Das weitreichendste Risiko liegt darin begründet, dass die Grundlage von intuitiven Entscheidungen nicht überprüfbar ist, wodurch die Entscheidungen der Willkür des Entscheidungsträgers unterworfen werden. Solche Willkürentscheidungen können weitreichende Konsequenzen haben, wie bspw. der Verlust des Vertrauens von Stakeholdern oder Konflikte mit dem

562Siehe

auch ‘conceptual blending’. Kaudela-Baum / Brasser (2015), S. 127. 564Vgl. Krenzin (2008), S. 69. 565Vgl. ebd. 566Vgl. ebd. 567Vgl. Kaudela-Baum / Brasser (2015), S. 136. 563Vgl.

122

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Gesetz aufgrund unbegründeter Verdächtigungen bzw. Sanktionierungen.568 Aus diesem Grund existieren gesetzliche Absicherungen gegen Verdächtigungen aufgrund von Intuition und umfangreiche Berichts- und Begründungspflichten.569 Entscheidungen, welche weitreichende, rechtliche Konsequenzen für die Beteiligten oder Dritte mit sich bringen, sollten von daher gut begründet und überprüfbar sein. Welche verheerenden Konsequenzen der Verzicht auf nachvollziehbare Fakten als Entscheidungsgrundlage haben kann, ist in der Weltpolitik der jüngeren Vergangenheit beobachtbar. Dort verselbständigte sich eine Kultur postfaktischem politischen Denkens und Handelns. Der Wahrheitsgehalt von Aussagen tritt dabei hinter dem emotionalen Wert der Aussage zurück. Dies gipfelt in der paradoxen Situation, dass eine Version der Geschehnisse für die Menschen, die an genau diese glauben, zum Fakt werden kann, obwohl sich die Situation nachweislich in komplett anderer Form ereignet hat.570 In der Konsequenz nur noch als Entscheidungsgrundlage mit einzubeziehen, was sich im Hinblick auf die eigene subjektive Realität als stimmig anfühlt, kann dazu führen, dass die wirklich stimmigen Fakten außer Acht gelassen und alternativen Fakten oder Fake News-Informationen aufgesessen wird. Die Tendenz, sich auf die Informationen zu verlassen, die sich wahr anfühlen, begrenzt die mentale Offenheit und untergräbt im Endeffekt das Ideal der Aufklärung, einen Diskurs anhand von Argumenten und belegbaren Fakten zu führen. Auch im alltäglichen Leben verwenden Menschen häufig intuitive Konzepte, also Alltagsvorstellungen, welche den gängigen wissenschaftlichen Konzepten widersprechen. Ein solch intuitives Konzept könnte bspw. die Auffassung sein, der Klimawandel sei nicht real. Problematisch an diesen Vorstellungen ist neben der Gefahr der Ignoranz auch der Umstand, dass sich intuitive Konzepte nicht einfach durch den Verweis auf die logischeren wissenschaftlichen Konzepte ersetzen lassen.571 Die Resilienz intuitiver Konzepte liegt in deren tiefer Verwurzelung in den individuellen Alltagserfahrungen sowie den subjektiven Rahmentheorien der Menschen begründet.572 Zu dem angeführten Beispiel der Vorstellung, der Klimawandel sei nicht real, könnte im Alltag bspw. die Theorie herangezogen werden, ‘Würde das

568Vgl.

Gigerenzer / Gaissmaier (2015), S. 24 ff. ebd. 570Siehe bspw. die wahrgenommene Anzahl der Menschen bei Donald Trumps Amtsantritt. 571Vgl. Spektrum (2000), o. S. 572Vgl. ebd. 569Vgl.

2.2 Intuition

123

Klima sich wandeln und die Erde sich erwärmen, müsste es permanent heiß sein und niemals kalt’. Da diese Theorie sich im Alltag dadurch bewährt, da es nicht nur heiße Tage gibt, sondern auch kalte, wäre der Klimawandel somit widerlegt. Menschen geben intuitive Konzepte i. d. R. nur sehr ungern auf, zur Abmilderung kann aber versucht werden, eine Art von Kontextsensitivität zu erreichen.573 Die Macht der Intuition liegt darin, dass Personen durch die Intuition Aussagen über den eigenen Bezugsrahmen treffen können, die stets Gültigkeit besitzen.574 Gleichzeitig liegt hierin aber auch die Grenze der Intuition. Da diese Gültigkeit sich lediglich auf den Bezugsrahmen der eigenen subjektiven Lebenswirklichkeit beziehen kann, wird es schwerer, andere Personen in die eigene Intuition mit einzubeziehen. Darüber hinaus liegt eine große Gefahr darin, den eigenen Bezugsrahmen zu missinterpretieren. Durch eine verschobene Wahrnehmung der Umwelt oder des Selbst, würde sich der Bezugsrahmen verändern und damit auch die sich auf den Bezugsrahmen beziehende Intuition. Irreführende Intuition kann auch durch fehlerhafte Informationen, auf welche sich die Intuition beruft, entstehen.575 Menschen werden immer wieder Opfer von Wahrnehmungsfehlern, bspw. optischen oder akustischen Täuschungen oder berufen sich auf fehlerhafte Erinnerungen. Die Fehler können auch in gestörten Emotionen liegen. Die Kombination all dieser komplexen Einzelinformationen bietet viele Ursachen für Intuitionsfehler. Intuitive Einsichten sind also keineswegs fehlerfrei, sondern können zu Paradoxa, Dilemmata und Entscheidungsaporien (ausweglosen Situationen) führen.576 Auch kann irrtümlicherweise einer Pseudointuition aufgesessen werden, welche bspw. durch einen abgelenkten Geist hervorgerufen werden kann.577 Wie Gottwald, Nidiaye, ­Besser-Anthony und Hormann (1997) beschreiben, täuscht sich in diesem zwar nicht die Intuition, allerdings können Menschen sich in ihrer Intuition täuschen und diese dann mit der eigenen Phantasie verwechseln.578 Falsche bzw. einseitige Einschätzungen entstehen häufig aufgrund von Wahrnehmungsfehlern oder Wahrnehmungsverzerrungen.579 Verbreitete Phänomene in diesem Zusammenhang sind:

573Vgl.

ebd. Cohn (1975), S. 134. 575Vgl. Cohn (1975), S. 136. 576Vgl. Küpers (2015), S. 82. 577Vgl. ebd. 578Vgl. Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997), S. 43. 579Vgl. Küpers (2015), S. 92. 574Vgl.

124

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

• hindsight-bias (Anpassung der Erinnerung an Einschätzungen der Vergangenheit an das tatsächlich eintretende Ergebnis) • self-serving-bias (Erfolge eher inneren Ursachen, Misserfolge eher äußeren Ursachen zuschreiben) • over-confidence-bias (Selbstüberschätzung) • Zuschreibungsfehler • illusionäre Korrelationen • Automatismen • (unbewusste) Vorurteile • Projektionen • Glaubenserhaltungen und heuristische Gewohnheiten i. S. von mental shortcuts Als ‘fehlsteuernde Intuition’ wird jene Intuition bezeichnet, welche keine nützlichen oder hilfreichen Informationen beisteuert oder konstruktiv in die Selbststeuerung einfließt.580 Gründe für diese Fehlsteuerung können in Rollenkonflikten der Entscheider/innen (bspw. Konflikt zwischen Beratungs- und Führungsverantwortung) oder in unaufgearbeiteten privaten oder professionellen Konfliktfeldern (bspw. Projektion eigener Probleme auf die Entscheidungssituation) zu finden sein.581 Auch können angstbesetzte Themen intuitiv gemieden werden, was die Entscheidung in eine bestimmte Richtung beeinflusst.582 Im Zusammenhang mit fehlgeleiteter Intuition lassen sich hoher Legitimationsdruck, Zeitdruck, übermäßige Erfolgserwartungen sowie schwierige Beziehungsgestaltungen und hohe methodische Determinierung als Kontextbedingungen nennen, welche die Fehleranfälligkeit erhöhen.583 Das gezielte Training der Intuition würde dabei helfen, ‘gute’ von ‘schlechter’ Intuition trennen zu können. Grundsätzlich gilt, dass je weniger reflektierte Erfahrung vorliegt, die Intuition umso kritischer zu hinterfragen ist.584 Es empfiehlt sich eine Selbst- und Fremdreflexion intuitiver Entscheidungen und Urteilsgewohnheiten in einem geschützten Umfeld.585 Ein

580Vgl.

Hänsel (2002), S. 171 ff. ebd. 582Vgl. ebd. 583Vgl. Hänsel (2002), S. 178. 584Vgl. von Niederhäusern (2015), S. 188. 585Vgl. Hänsel (2002), S. 177. 581Vgl.

2.2 Intuition

125

t­ransparenter Urteilsbildungsprozess und das Einholen von Feedback zu diesem helfen bei der Reflexion des Entscheidungsprozesses und der Ermittlung des Relevanzpotentials586 der Intuition.587 Eine weitere Schwachstelle der Intuition liegt in der geringen Verbalisierbarkeit.588 Das Berufen auf ein diffuses Gefühl und die damit einhergehende fehlende Überprüfbarkeit führt auch dazu, dass sich intuitive Urteile zumeist nur schwer kommunizieren lassen. Es bedarf von daher einer Kommunikationsstrategie zur Vermittlung der intuitiven Erkenntnisse (bspw. an Vorgesetzte). Im Hinblick auf die Legitimität sind die in der Praxis angewandten Kommunikationsstrategien höchst interessant für diese Forschungsarbeit. Des Weiteren gilt Intuition als nicht instrumentalisierbar oder strategisch nutzbar.589 Der Moment, an dem Intuition in Erkenntnis umschlägt, kann nicht gezielt ausgelöst oder herbeigeführt werden.590 Vielmehr müssen sich die Beteiligten auf die Intuition einlassen und diese zulassen, was pro aktiv vorbereitet werden kann.591 Eine Geisteshaltung engagierter Gelassenheit kann hierzu hilfreich sein.592 Der Versuch der Funktionalisierung und der strategischen Ausbeutung von Intuition wirft auch die ethische Frage auf, wie viel den Mitarbeiter/innen abverlangt werden soll. Werden Mitarbeiter/innen dazu angehalten, Emotionen und Intuition in den Arbeitsalltag einzubringen, greift dies auf deren innerste Vorgänge zu und vereinnahmt auch dieses letzte Refugium für Unternehmenszwecke.593 Eine zunehmende Entgrenzung zwischen Privatleben und Arbeitswelt wäre die Folge. Zusammenfassend lässt sich vorbringen, dass der Intuition in Managemententscheidungen auf keinen Fall unvoreingenommen freier Lauf gelassen werden darf. Dies gilt insbesondere bei weitreichenden Entscheidungen, welche

586wahrgenommene Bedeutsamkeit, welche sich im weiteren Handlungsverlauf noch bestätigen muss. 587Vgl. Hänsel (2002), S. 159. 588Vgl. Hänsel (2002), S. 75. 589Vgl. Küpers (2015), S. 88. 590Vgl. ebd. 591Vgl. ebd. 592Vgl. ebd. 593Vgl. Fröse / Dievernich / Kaudela-Baum (2015), S. 350.

126

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

­ uswirkungen auf Dritte haben. Positiv formuliert glauben Matzler, Bailom A und Hutter (2010) an den Selbsterhaltungstrieb von Manager/innen: „Keine weise Führungskraft wird Entscheidungen aufgrund von Intuition treffen, die so schwerwiegend sind, dass sie das Unternehmen zerstören können. Eine weise Führungskraft wird vielmehr versuchen, Intuition durch Wissen um Fakten zu ergänzen.“594 Bei der Betrachtung des gegenwärtigen Zustandes der Welt können an der Wirksamkeit dieses Mechanismus schon erhebliche Zweifel aufkommen. Dennoch behält die Kernaussage, Intuition stets mit Faktenwissen zu kombinieren, ihre Gültigkeit. Was können wir mitnehmen? • Intuition geht sowohl mit einem Nutzen einher, unterliegt aber auch Grenzen • Situationen, in denen Intuition nützlich ist, lässt sich in drei Kategorien (Information, Zeit und Kommunikation) einteilen. • Der Hauptnutzen von Intuition liegt darin, Komplexität zu reduzieren und die Informationslage zu beeinflussen. Darüber hinaus existieren noch weitere Nützlichkeiten. • Intuition kann auch eine Fehlerquelle sein. • Die Hauptgefahren der Intuition liegen in der fehlenden Nachvollziehbarkeit und der fehlenden Objektivität. Darüber hinaus existieren noch weitere Gefahren. • Die Intuition gilt als nicht instrumentalisierbar oder strategisch nutzbar.

2.3 Legitimation Wie bereits in der Problemstellung beschrieben, leidet die Intuition – insbesondere im Zusammenhang mit Managemententscheidungen – an einem Imageproblem. Dieses Imageproblem besteht darin, dass sich intuitive Entscheidungen nicht rational begründen lassen und somit die gegenwärtig gängige Legitimationsgrundlage fehlt. Aus diesem Grund erfolgt in vielen Fällen eine nachträgliche Legitimation. Tiefgehende, wissenschaftliche Untersuchungen zu den Hintergründen dieser Legitimationsproblematik gibt es derzeit nicht. Um also diese Hintergründe besser zu verstehen, soll zunächst eine knappe Übersicht über den Stand der

594Matzler

/ Bailom / Hutter (2010), S. 225.

2.3 Legitimation

127

Legitimationsforschung gegeben werden und eine Einschätzung darüber abgegeben werden, wie sich die verschiedenen Komponenten der Legitimation zur Intuition in Managemententscheidungen verhalten. Legitimität ist in vielfacher Hinsicht ein komplexes Phänomen. Zum einen wird es als Prozess verstanden595, zum anderen aber auch als Zustand oder Status596. Auch wird der Legitimationsbegriff597 in verschiedene Stufen bzw. Dimensionen (bspw. moralische, pragmatische oder kognitive Legitimation) unterteilt.598 In jedem Fall entsteht Legitimation, indem sie von Anspruchsgruppen zugeschrieben wird und liegt somit im Auge der Betrachter/innen.599 Hierdurch wird Legitimation zu einem höchst dynamischen Phänomen. Obwohl es sich bei Legitimität um ein weit verbreitetes Phänomen des täglichen Lebens handelt, existieren zahlreiche unterschiedlich weit gefasste Definitionen, in denen verschiedene Aspekte besonders hervorgehoben werden. Übergreifend ist allen Ansätzen gemeinsam, dass von einer „Deckungsgleichheit mit gesellschaftlichen Werten und Normen als zentrales Element von Legitimität“ ausgegangen wird.600 Trotz verschiedener Ansichten zu dem Thema etablierte sich die Definition von Suchman (1995), nach der „Legitimität als eine generalisierte Wahrnehmung oder Annahme darüber, dass Handlungen einer Organisation innerhalb eines sozialen Systems von Normen, Werten, Annahmen und Überzeugungen wünschenswert, angemessen oder passend sind“ verstanden werden kann.601 Diese Begriffserklärung findet auch in dieser Arbeit Anwendung. Vorteilhaft an dieser Definition ist, dass sie die soziale Umwelt in den Mittelpunkt setzt und keine Aussagen über die Generierbarkeit / Veränderbarkeit von Legitimität trifft. Bezüglich der Generierbarkeit von Legitimität herrscht weitestgehend Uneinigkeit. Während einige Wissenschaftler/innen von einer passiven Form der Legitimität ausgehen, auf welche die Unternehmen keinen Einfluss haben, wird von anderen eine aktive Form postuliert, welche gefördert oder behindert werden kann (siehe unten). Weiterhin wird in Suchman’s (1995) Definition betont, dass es sich bei Legitimität um eine generalisierte

595Siehe

u. a. Berger / Luckman (1972); Maurer (1971); Dowling / Pfeffer (1975). Deephouse (1996). 597auch als Legitimität bezeichnet. 598Vgl. Schreyögg / Koch (2015), S. 36 ff. 599Vgl. Ashforth / Gibbs (1990), S. 182; Demil / Bensédrine (2005), S. 59. 600Stelzer (2008), S. 7. 601Suchman (1995), S. 574. 596Siehe

128

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

­ ahrnehmung handelt. Dies ist wichtig, da soziale Systeme sich über geteilte W sozial konstruierte Realitäten und dem Verständnis der Akteure über ein angemessenes Verhalten in diesen definiert.602 Diese generalisierte Legitimation unterstreicht, dass es sich weniger um eine individuelle freiwillige Anerkennung handelt, sondern vielmehr um ein soziales Klima, in welchem die Selbstverständlichkeit von Anerkennung erzeugt wird.603 Um dieses soziale Klima zu erzeugen, findet ein Aushandlungsprozess zwischen verschiedenen Anspruchsgruppen (bspw.  Staat, Kund/innen, Lieferant/innen, Wettbewerber/innen, Mitarbeiter/ innen) statt. Ein erster wichtiger Schritt ist es folglich, die relevanten Akteure und Anspruchsgruppen zu identifizieren, von denen die Legitimität ausgeht. Da es sich um sehr heterogene Anspruchsgruppen handeln kann, können diese (kontextbezogen) unterschiedliche, mitunter nicht miteinander vereinbare Anforderungen mit sich bringen. Aus dieser Vielschichtigkeit resultiert die Existenz verschiedener Formen von Legitimität.604 Für die Unterscheidung der Legitimitätsformen liegen verschiedene Modelle vor, wobei die Dualstrukturen von kognitiver und soziopolitischer Legitimität605, bzw. die sozio-politisch normative Legitimität und soziopolitisch regulative Legitimität606 sowie die Triade von moralischer, pragmatischer und kognitiver Legitimität607 bzw. kognitiver, soziopolitisch moralischer und soziopolitisch regulatorischer Legitimität als die bedeutendsten genannt werden können.608 Aufgrund von inhaltlichen Überschneidungen können moralische und normative Legitimation als miteinander vereinbar angesehen werden.609 Diese verschiedenen Legitimitätsabstufungen (siehe Abbildung 2.16) betreffen die Managemententscheidungen unterschiedlich stark:

602Vgl.

Berger / Luckman (1972), S. 33 ff. Berger / Luckman (1972), S. 34. 604Vgl. Aldrich / Fiol (1994), S. 645 ff.; Suchman (1995), S. 577; Ruef / Scott (1998), S. 878; Zimmerman / Zeitz (2002), S. 418; Aldrich / Ruef (2007), S. 185. 605Vgl. Aldrich / Fiol (1994), S. 645 ff.; Aldrich / Baker (2001), S. 211. 606Vgl. Ruef / Scott (1998), S. 878; Zimmerman / Zeitz (2002), S. 418. 607Vgl. Suchman (1995), S. 577. 608Vgl. Aldrich / Ruef (2007), S. 185. 609Vgl. Ruef / Scott (1998), S. 879; Aldrich / Ruef (2007), S. 185. 603Vgl.

2.3 Legitimation

129

Abbildung 2.16   verschiedene Legitimitätsabstufungen. (Eigene Darstellung)

Pragmatische Legitimität erwerben Entscheidungsträger/innen durch die Stiftung eines unmittelbaren bzw. mittelbaren Nutzens für Stakeholder. Den Entscheidungsträger/innen wird i. d. R. pragmatische Legitimität von den Interessengruppen zugesprochen, welche von der Entscheidung profitieren. Diese Art der Legitimität lässt sich in Bezug auf Intuition auf die Formel ‘Der Erfolg gibt dir Recht’ herunterbrechen. Solange es sich um eine profitable Entscheidung handelt, wird die Entscheidungsgrundlage von den Profiteur/innen sicherlich nicht in Frage gestellt. Ein passendes Beispiel hierzu kann dem Sportbereich entliehen werden.

130

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

So wird ein NBA-Basketballer wahrscheinlich nicht aufgefordert, rational zu erklären, wie er den nächsten Korb machen möchte. Er wird spontan und intuitiv punkten und dafür pragmatische Legitimität von seinem Team und den Fans erhalten, solange er punktet. Die moralische Legitimität hingegen stellt die normative Bewertung von Entscheidungen in den Vordergrund. Als Bewertungsgrundlage für Entscheidungen dient in diesem Fall das moralische Wertesystem der fokalen Anspruchsgruppe. Managemententscheidungen erhalten meist stillschweigende moralische Legitimation, solange sie sich im Einklang mit den moralischen Vorstellungen der Stakeholder befinden. Auch hier ist die Entscheidungsgrundlage610 wieder zweitrangig, solange Entscheidungen nur den moralischen Maßstäben entsprechen. Problematisch wird diese Art der Legitimität, sobald Entscheidungen von den geltenden moralischen Normen abweichen, bspw.  wenn die Entscheidung getroffen wird, eine Bohrinsel im Ozean zu versenken. Die moralische Legitimität wird entzogen und diverse weitere negative Folgen vom Boykott bis zum Shitstorm können auftreten. Um kognitive Legitimität zu erhalten, müssen Entscheidungen getroffen werden, aus denen im Auge der Betrachtenden sinnvolle Maßnahmen entstehen können. Diese Form der Legitimität wird insbesondere den Entscheider/ innen zugesprochen, welche sich im Sinne der relevanten Umwelt rational verhalten. Somit resultiert eine erhöhte Schwierigkeit für intuitive Entscheidungen, die nicht rational begründbar sind, kognitive Legitimation zu erhalten. An dem Beispiel der Markteinführung des iPhones durch das Unternehmen Apple wird deutlich, welche Rolle eine rational fundierte Entscheidung für die kognitive Legitimation spielt. Nach eingängiger Analyse von Marktdaten wurde die Einführung611 von vielen als ein sinnvoller strategischer Schritt erachtet. Aufgrund der rationalen Nachvollziehbarkeit der Entscheidung wurde Apple dafür vom Markt mit kognitiver Legitimität versehen. Um kognitive Legitimität erhalten zu können, ist bei den Anspruchsgruppen Wissen und Verständnis für die Entscheidungen zu fördern. Dies kann erleichtert werden, wenn auf vorherrschende kulturelle Regeln, Normen und Werte zu Erklärungszwecken zurückgegriffen wird. Sobald ein neues Produkt bzw. ein neuer Prozess (bspw. der einer intuitiven Entscheidungsfindung) als Teil der kulturellen und organisationalen Landschaft angenommen und somit zur Selbstverständlichkeit wird, ist die höchste Stufe

610rational 611Stand

oder intuitiv. Juli 2007.

2.3 Legitimation

131

der Legitimität erreicht.612 An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Einschätzung, selbstverständlich zu sein, nicht mit einer positiven Konnotation einhergehen muss, auch Selbstverständlichkeiten können als etwas Negatives betrachtet werden.613 Der kognitiven Legitimität sehr ähnlich ist die soziopolitische Legitimität. Um diese zu erreichen, ist insbesondere die Bewertung von Seiten der allgemeinen Öffentlichkeit, der Meinungsführer/innen sowie der gesetzlichen Vertreter/innen vonnöten.614 Vorwiegend geht es um die Frage, ob Handlungen als passend, angemessen und erwünscht eingestuft werden.615 Als Referenz hierzu dienen in der Gesellschaft verbreitete Normen und Werte.616 Neben der Einhaltung gesellschaftlicher Normen kann soziopolitische Legitimität auch durch die Unterstützung seitens bereits legitimierter Organisationen erlangt werden (bspw.  indem etablierte Standards übernommen werden).617 In Bezug auf die Legitimation von intuitiven Managemententscheidungen ist diese Form der Legitimität besonders dann erforderlich, wenn die Anforderungsgruppe sich zum großen Teil aus der Öffentlichkeit zusammensetzt. Darüber hinaus kann diese Übertragbarkeit von etablierter Legitimität auf andere Organisationen dabei behilflich sein, einmal etablierte intuitive Entscheidungsprozesse als Präzedenzfall auf andere Prozesse oder andere Organisationen zu übertragen. Da moralische und pragmatische Legitimation für eine dauerhafte Lösung des Legitimationsproblems zu flüchtig sind und soziopolitische Legitimität nur in Verbindung mit der Öffentlichkeit funktioniert, müsste das Ansehen der Intuition in Managemententscheidungen mit kognitiver Legitimation versehen werden, um das Legitimationsproblem generell lösen zu können. Es stellt sich nun die Frage, wie diese Form der Legitimität für intuitive Managemententscheidungen erreicht werden kann. Hierzu soll an dieser Stelle noch einmal gesondert auf den Zwiespalt der aktiven Beeinflussbarkeit von Legitimation eingegangen werden, wie er bereits bei der Definition von Legitimation kurz Erwähnung fand. Auch wenn die Notwendigkeit von Legitimation für Unternehmen außer Frage steht,

612Vgl. Aldrich

/ Ruef (2007), S. 186. Stelzer (2008), S. 9. 614Vgl. ebd. 615Vgl. ebd. 616Vgl. ebd. 617Vgl. Aldrich / Ruef (2007), S. 186 ff. 613Vgl.

132

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

so existieren konträre Sichtweisen zum Erwerb organisationaler Legitimation. Während die Vertreter/innen des strategischen Ansatzes618 Legitimität als eine Ressource sehen, die durch eine spezifische strategische Ausrichtung sowie zielgerichtetes unternehmerisches Handeln gesteigert werden kann, geht die neoinstitutionalistische Sichtweise619 davon aus, dass sich die Legitimität außerhalb des Einflussbereichs einer Organisation befindet (Tabelle 2.6). Tabelle 2.6   Gegenüberstellung der wichtigsten Punkte der verschiedenen Ansätze der Legitimitätsforschung. (Eigene Darstellung) Strategischer Ansatz

neoinstitutionalistischer Ansatz

Legitimität wird als dynamische Größe gesehen (verändert sich über die Zeit). (Vgl. Demil / Bensédrine (2005), S. 59)

Organisation muss sich der strukturellen Dynamik unterordnen. (Vgl. Stelzer (2008), S. 11)

Unternehmen können eigeninitiativ ein günstiges Umfeld schaffen. (Vgl. Walgenbach (2002), S. 165)

Unternehmen sind passive Einheiten und übernehmen institutionalisierte Strukturelemente. (Vgl. Dowling / Pfeffer (1975), S. 127 ff.)

Unternehmen können Einfluss auf die Umwelt nehmen, um gesellschaftliche Unterstützung zu erhalten. (Vgl. Deephouse (1999), S. 149)

Legitimität entsteht durch Anpassung und Integration in das institutionelle Umfeld. (Vgl. Stelzer (2008), S. 11)

Über das Anführen passender Referenzen zu institutionellen Strukturen und Prozessen lassen sich Anspruchsgruppen so manipulieren, dass organisationale Legitimität für illegitime Aktivitäten zugesprochen wird. (Vgl. Elsbach / Sutton (1992), S. 699)

Legitimität ist nur durch konformes Verhalten (bzgl. Normen, Werten, Meinungen, Regeln etc.) möglich, die bewusste Manipulation wird ausgeschlossen. (Vgl. Zimmerman / Zeitz (2002), S. 421)

Handlungsmöglichkeiten sind durch das Ein ‘Legitimitätsmanagement’ ist über institutionelle Umfeld eingeschränkt. symbolische Handlungen und spezifische (Vgl. DiMaggio / Powell (1983), S. 149) Darstellungen möglich. (Vgl. Suchman (1995), S. 585 und siehe auch ‘Impression Management Theorie’ bei Schlenker (1980); Tedeschi / Riess (1981))

618u. a. Dowling / Pfeffer (1975), Pfeffer / Salancik (1978), Ashforth / Gibbs (1990), Aldrich / Fiol (1994), Elsbach (1994), Suchman (1995) und Zimmerman / Zeitz (2002). 619Siehe bspw. Meyer / Rowan (1977), DiMaggio / Powell (1983), Zucker (1987), Powell / DiMaggio (1991) und Dacin (1997).

2.3 Legitimation

133

Der neoinstitutionalistische Ansatz folgt der Argumentation, dass Organisationen sich der strukturellen Dynamik der Umwelt unterordnen und anpassen müssen, um im Gegenzug Legitimität zu erhalten.620 Dies geschieht im Einzelnen, indem die Logiken der Außenwelt621 ins Unternehmen integriert werden und somit konformes Verhalten produziert wird.622 Die Verhaltensbeschränkungen des institutionellen Umfeldes werden dabei als gegeben hingenommen, ohne dass diese bewusst als Einschränkungen wahrgenommen werden.623 Nach dieser Sichtweise wäre es für Unternehmen sehr schwierig, die Legitimität für intuitiv getroffene Managemententscheidungen fördern zu können. Die Intention hierzu müsste vom Umfeld ausgehen und die Unternehmen hätten lediglich die Möglichkeit, sich den veränderten Gegebenheiten anzupassen. Die einzige Möglichkeit, aktiv etwas beizutragen, wäre aus der Rolle des Umfeldes heraus. Da ein Unternehmen ja nicht bloß Empfänger von Legitimität ist, sondern gleichzeitig auch das Umfeld für andere Unternehmen bildet und somit Legitimität gebend wirkt, könnte hierüber die Veränderung angestoßen werden. Macht ein Unternehmen den Anfang und legitimiert bspw. intuitive Entscheidungen bei anderen Unternehmen, ohne selbst Legitimation zu erwarten, könnte daraus eine Entwicklung entstehen, welche das gesamte Umfeld ändert und zu einem späteren Zeitpunkt auf das Unternehmen zurückwirkt. Wesentlich größer ist der Handlungsspielraum in der strategischen Sichtweise. Hiernach haben Unternehmen die Macht, eigeninitiativ ein günstiges Umfeld zu schaffen und direkten Einfluss auf die Legitimität gebenden Parteien zu nehmen.624 Möglichkeiten der Einflussnahme können symbolische Handlungen oder auch spezifische Außendarstellungen des Unternehmens sein, welche die Akteure des Umfeldes überzeugen, Legitimation zuzusprechen.625 In der Unternehmenspraxis liegt die Realität meist zwischen diesen beiden Ansätzen. Organisationen sind sowohl den institutionellen Zwängen der als natürlich wahrgenommenen umliegenden Systeme ausgesetzt, setzen aber auch strategische, das Umfeld beeinflussende

620Vgl.

Stelzer, (2008), S. 11. Form von Werten, Normen, Regeln etc. 622Vgl. Zimmerman / Zeitz (2002), S. 421; Walgenbach (2002), S. 165. 623Vgl. DiMaggio / Powell (1983), S. 149. 624Vgl. Dowling / Pfeffer (1975), S. 127 ff.; Deephouse (1999), S. 149. 625Vgl. Suchman (1995), S. 585; siehe auch ‘Impression Management Theorie’ u. a. bei Schlenker (1980) und Tedeschi / Riess (1981). 621in

134

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Handlungen um.626 Zu sogenannten Legitimationsstrategien lassen sich die aktiven Bemühungen von Unternehmen, Legitimität zu erlangen, zusammenfassen.627 Diese Strategien lassen sich als dialogische Prozesse zwischen Organisationen und den entsprechenden Legitimität gebenden Anspruchsgruppen verstehen.628 Je nach Entwicklungsstadium des Unternehmens werden damit unterschiedliche Ziele (bspw. Aufbau, Bewahrung, Wiedererlangung von Legitimität) verfolgt.629 Als häufig angewandte Strategien werden Konformität (bspw. Anpassung an vorherrschende Arbeitsweise oder gesetzliche Anforderungen), Selektion (bspw.  die Auswahl bestimmter bestehender Standards oder Zielgruppen), Manipulation (bspw. Produktwerbung) und Kreation (bspw. Erstellung wissenschaftlicher Publikationen, Schaffung neuer Märkte, Entwicklung neuer Normierung bzw. Standards) genannt (Abbildung 2.17).630

Abbildung 2.17   Kontinuum der Sichtweisen zur Legitimation. (Eigene Darstellung)

In den verschiedenen Strategien üben die Unternehmen unterschiedlich starken Einfluss auf das Umfeld aus bzw. lassen sich unterschiedlich stark beeinflussen.631

626Vgl.

Suchman (1995), S. 577. Stelzer (2008), S. 12. 628Vgl. ebd. 629Vgl. Suchman (1995), S. 587 ff. 630Vgl. Suchman (1995), S. 587 ff.; Zimmerman / Zeitz (2002), S. 425 ff. 631Vgl. Zimmerman / Zeitz (2002), S. 425 ff. 627Vgl.

2.3 Legitimation

135

Aus den verschiedenen Texten, welche sich dem Thema Legitimität oder Intuition widmen, lassen sich bereits drei unterschiedliche Ansätze zur Lösung des Legitimationsproblems ableiten. erster Ansatz: nachträgliche logische Erklärung Ein oft gewählter aber zeitraubender Ansatz ist die nachträgliche Legitimation durch logische Erklärungsansätze.632 Nachdem eine Entscheidung intuitiv getroffen wurde, werden den entsprechenden Anspruchsgruppen im Nachhinein kausale Verbindungen präsentiert, welche zu der Entscheidung führten. Hierdurch wird der Lösungsweg für Außenstehende nachvollziehbar gemacht. Um die Chance, darauf Legitimität zu erhalten, zu erhöhen, wird hierbei vor allem auf den Nutzen intuitiver Informationsgewinnung in Ergänzung zu anderen, bereits etablierten Methoden hingewiesen.633 Mit diesem Ansatz kann zwar kurzfristig Legitimität beschafft werden, indem dem Legitimationsproblem der Intuition aus dem Weg gegangen wird. Das Problem wird allerdings nicht gelöst, sondern besteht prinzipiell weiter. zweiter Ansatz: Informationsumfang erhöhen Um Legitimation zu erhalten, gilt ganz allgemein der Grundsatz, dass die Chancen, darauf Legitimation zu erhalten, steigen, je mehr Informationen vorliegen.634 Auf Grundlage eines sehr geringen Informationsumfangs wird nur äußerst ungern Legitimation zugesprochen. Ohne Informationen kann keine Akzeptanz entstehen, da die Anspruchsgruppen sonst keine Möglichkeit hätten, zu prüfen, ob eine Entscheidung mit den geltenden Normen und Werten übereinstimmt.635 Eine mögliche Maßnahme, um Legitimation für intuitive Entscheidungen einzufordern, könnte es also sein, den intuitiven Teil (bspw. genaue Beschreibung des Geistesblitzes und des Prozesses, wie dieser entstanden ist) nicht zu verheimlichen, sondern möglichst informativ zu beschreiben. dritter Ansatz: symbolische Sprache Wie bereits im Abschnitt  (2.2.2.2) beschrieben, sind Intuition und Kommunikation eng verflochten. Hieraus lässt sich eine vielversprechende 632Vgl.

Hänsel (2002), S. 200 ff. ebd. 634Vgl. Aldrich / Fiol (1994), S. 649. 635Vgl. Stelzer (2008), S. 14. 633Vgl.

136

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

Legitimitätsstrategie ableiten. Die Art und Weise der Kommunikation hat eine Wirkung auf die Intuition selbst und überdies hinaus vermag die Art der Sprache, in der über die Intuition kommuniziert wird, die Akzeptanz intuitiver Informationen zu beeinflussen.636 Besonders hervorgehoben wurde in diesem Zusammenhang stets die Bildsprache, welche besonders positiv auf die Intuition wirken soll.637 Hinzu kommt die Annahme, dass eine symbolische Sprache und Verhaltensweisen (bspw. beschreibende Bildsprache oder das Erzählen einer Geschichte) eingesetzt werden können, um Legitimation zu erwerben.638 Diese Art der Kommunikation zeichnet sich durch einen besonders hohen Grad an Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit aus, was u. a. zu einer Zunahme kognitiver Legitimität führt.639 Symbolische Sprache und Handlungen helfen dabei, Attribute wie persönliche und organisationale Glaubwürdigkeit, Professionalität, bisherige organisationale Errungenschaften oder die Qualität von Beziehungen hervorzuheben, wodurch erleichtert wird, Legitimität aufzubauen.640 Es schickt sich aber in dieser symbolischen Außendarstellung, auch einige technische Informationen einfließen zu lassen.641 Eine erneute Überprüfung dieser Zusammenhänge in einem Laborexperiment642 brachte allerdings keine Bestätigung. Vielmehr führten dort technische Inhalte eher zur Vergabe von Legitimation als symbolische. Dennoch lässt sich in der symbolischen und bildlichen Sprache ein Potential für Intuition und Legitimation erkennen, welches (wenn auch nicht als Komplettlösung) weiter berücksichtigt werden sollte. Dies sei insbesondere angeraten, da im Laborsetting die Intuition keine Rolle spielte und es sich in Kombination mit dieser Komponente möglicherweise genau so verhält, dass Symbolik zur Förderung der Legitimität von Intuition beiträgt. In jedem Fall sollten auch im empirischen Teil noch einmal ganz allgemein und offen die angewandten Kommunikationsstrategien zur Legitimation von intuitiven Managemententscheidungen beobachtet werden. Um die übergeordnete Forschungsfrage beantworten zu können, ist im empirischen Teil dieser Arbeit auch auf die Fragen einzugehen, wie kognitive Legitimation für intuitive Managemententscheidungen zustande kommen kann

636Vgl.

Hänsel (2002), S. 200. 2.2.2.5. 638Vgl. Aldrich / Fiol (1994), S. 651. 639Vgl. Richardson (1985), S. 148; Higgins / Gulati (2003), S. 258; Rao (1994), S. 30. 640Vgl. Zott / Huy (2007), S. 97. 641Vgl. Scott / Meyer (1983), S. 140 ff. 642Siehe Stelzer (2008). 637Siehe Abschnitt

2.3 Legitimation

137

und wie sich die Anspruchsgruppen bzw. Stakeholder dieser Managemententscheidung zusammensetzen. Vorab ist für den weiteren Forschungsverlauf zu klären, was aus den Ausführungen über Legitimität für das Setting legitimierter intuitiver Managemententscheidungen abgeleitet werden kann. Was können wir mitnehmen? • Die Intuition leidet im Zusammenhang mit Managemententscheidungen an einem Imageproblem. • Entscheidungen, die sich nicht rational begründen lassen, fehlt gegenwärtig die Legitimationsgrundlage. • Vielfach erfolgt eine nachträgliche Legitimation. • Legitimation wird von Anspruchsgruppen (der sozialen Umwelt) zugeschrieben und liegt im Auge der Betrachter/innen. • Es existieren verschiedene Definitionen von Legitimität; einige gehen von einer unbeeinflußbaren Form der Legitimität aus, andere von einer veränderbaren. • Über geteilte sozial konstruierte Realitäten und das Verständnis der Akteure über ein angemessenes Verhalten wird Legitimität definiert. Es handelt sich somit weniger um eine individuelle freiwillige Anerkennung, sondern vielmehr um ein soziales Klima, in welchem die Selbstverständlichkeit von Anerkennung erzeugt wird. • Verschiedene Anspruchsgruppen können unterschiedliche Anforderungen haben. • Pragmatische Legitimität wird von Stakeholdern zugesprochen, wenn diese davon profitieren. • Moralische Legitimität wird zugesprochen, wenn dem moralischen Wertesystem der Stakeholder entsprochen wird. • Kognitive Legitimität wird bei sinnvollem und rationalem Verhalten im Sinne der relevanten Umwelt zugesprochen. • Soziopolitische Legitimität wird zugesprochen, wenn Handlungen von Seiten der allgemeinen Öffentlichkeit, der Meinungsführer/innen sowie der gesetzlichen Vertreter/innen als passend, angemessen und erwünscht eingestuft werden. • Legitimität im Unternehmenskontext bedeutet Selbstverständlichkeit; um das Legitimationsproblem der Intuition in Managemententscheidungen zu lösen, wäre kognitive Legitimität vonnöten.

138

2  Stand der Forschung im Forschungsfeld …

• Es existieren konträre Sichtweisen zum Erwerb organisationaler Legitimation: – Strategischer Ansatz: Legitimität kann als Ressource durch zielgerichtetes Handeln gesteigert werden. – neoinstitutionalistischer Ansatz: Legitimität befindet sich außerhalb des Einflussbereichs einer Organisation. • In der Unternehmenspraxis liegt die Realität zwischen diesen beiden Ansätzen. Organisationen sind den institutionellen Zwängen des Umfelds ausgesetzt und beeinflussen das Umfeld strategisch.

3

Ablauf der eigenen Forschung und methodisches Vorgehen dabei

Die Reiseroute durch diese Arbeit führte in den zurückliegenden Kapiteln durch mehrere Forschungsinseln, auf denen aus verschiedenen disziplinären Blickwinkeln auf das Thema Intuition in Managemententscheidungen geschaut wurde. Nach dieser eher inhaltlich geprägten Tour ist die Reise nun an einer Station angelangt, an welcher nun aus etwas höherer Flughöhe auf das Panorama des eigenen Forschungsprozesses geblickt werden soll. Im folgenden Abschnitt wird der Ablauf der eigenen Forschungsarbeit beschrieben sowie die dabei verwendeten Methoden der Datenerhebung und -auswertung skizziert, erläutert und begründet. Begonnen wird mit der Erläuterung der Prinzipien, welche dem Forschungsprozess zugrunde liegen (3.1), gefolgt von der konkreten Beschreibung des realen Forschungsprozesses (3.2). Zum Abschluss des Kapitels erfolgt eine methodische Auseinandersetzung mit den zentralen Punkten der Datenentstehung (3.3) sowie der Datenaufbereitung und -auswertung (3.4).

3.1 Prinzipien und Schemata des eigenen Forschungsprozesses Die Forschung findet im Entdeckungsmodus statt, d.h. es werden relativ ergebnisoffen, nach bestimmten methodischen Vorgaben Daten erhoben, aufbereitet und ausgewertet. Im Sinne des Entdeckungsmodus sind offene, sprich qualitative Forschungsmethoden anzuwenden, welche auf das Erzeugen von Ideen sowie das Generieren von Thesen und nicht auf die Prüfung von Hypothesen ausgelegt sind.1

1Vgl.

Flick (2009), S. 25.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 O. Ahel, Intuition im Management, Systemaufstellungen in Wissenschaft und Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31144-5_3

139

140

3  Ablauf der eigenen Forschung und methodisches Vorgehen dabei

Von daher orientierte sich der eigene Forschungsprozess an bestimmten Merkmalen qualitativer Forschung: Wie erwähnt sind Offenheit (auch für Unerwartetes) und Flexibilität im Forschungsprozess oberste Gebote dieser Arbeit. Offenheit und Flexibilität gelt allgemein auch als zentrale Prinzipien qualitativer Forschung, um in den untersuchten Situationen Neues zu entdecken.2 Mit der Orientierung am Forschungssubjekt rekonstruiert qualitative Forschung die Weltsicht von Individuen (bspw. die Lebens- und Arbeitswirklichkeit von Personen) sowie deren innere Beweggründe.3 Es gilt die Kommunikation zwischen Forschendem und den Untersuchungsobjekten als begrüßenswert.4 Diese Kommunikation wird auch als Schlüssel zum Erfolg dieser Forschungsarbeit gesehen. Wichtig ist es dabei, die Vielschichtigkeit individueller Perspektiven zu berücksichtigen. Die genannten Punkte unterstreicht auch die Prozesshaftigkeit qualitativer Forschung, welche als Kommunikationsprozess und als den kompletten Ablauf hindurch veränderbar gilt.5 Qualitative Forschung geht davon aus, dass keine objektive, endgültige Realität existiert, sondern die von den Forschungssubjekten subjektiv beschriebene Realität bereits eine Interpretation der Wirklichkeit darstellt.6 Bei der Weiterverarbeitung der erhobenen Daten ist also Vorverständnis der Forscherer/innen bezüglich des Untersuchungsgegenstandes zu reflektieren, was ebenfalls zum Erkenntnisprozess beitragen kann.7 Bei der Untersuchungssituation ist darauf zu achten, dass eine künstlich geschaffene Laborsituation die entstehenden Ergebnisse verfälschen kann und ein möglichst natürliches, alltägliches Umfeld einen optimalen Zugang zum Alltagswissen der befragten Personen ermöglicht.8 Die Untersuchungssituationen werden in diesem Forschungsprozess folglich ebenfalls reflektiert.

2Vgl.

Lamnek (2010), S. 20 und (2005), S. 25. Röbken / Wetzel (2016), S. 13–14; Lamnek, (2005), S. 245; Wolf / Priebe (2000), S.. 51. ff. 4Vgl. Lamnek (2005), S. 22; Ferchhof (1986), S. 216; Küchler (1983), S. 10. 5Vgl. Lamnek (2005), S. 22; Wolf / Priebe (2000), S. 53. 6Vgl. Mayring (2002), S. 25 ff.; Lamnek (2005), S. 275. 7Vgl. Mayring (2002), S. 25 ff. 8Vgl. Mayring (2002), S. 23. 3Vgl.

3.1  Prinzipien und Schemata des eigenen Forschungsprozesses

141

Abbildung 3.1   Skizze des eigenen Forschungsprozesses im Entdeckungsmodus. (Eigene Darstellung)

Um den prinzipiellen Forschungsprozess dieser Ausarbeitung schemenhaft darzustellen wurde die in Abbildung 3.1 vorgestellte Skizze entwickelt. Diese Skizze setzt sich aus dem thematischen Überbau des Forschungsfeldes sowie dem Datenraum und dem Ergebnisraum zusammen, in welchen verschiedene Phasen des Forschungsprozesses stattfinden. Im abgebildeten Forschungsprozess wird Datenmaterial zu einem Thema strukturiert, analysiert und interpretiert, um ein Ordnungsangebot für die komplexen Zusammenhänge innerhalb des Themas zu erstellen. Was in diesem zusammenfassenden Satz sehr prägnant und übersichtlich klingt, gestaltet sich in der Realität sehr facettenreich und interdependent. Zu Beginn des Forschungsprojektes ist das Forschungsfeld (äußerer Rahmen) abzustecken. Dieses bildet den thematischen Rahmen der Forschung, in welchem die Forschungsgegenstände von Interesse definiert werden können. Innerhalb dieses Rahmens in der linken Bildhälfte wird der Datenraum verortet, in welchem alle Phasen des Forschungsprozesses summiert werden, welche in irgendeiner Form Berührung mit Forschungsdaten haben (Vorwissen aufbauen, Verfahren der Datenerhebung, Aufbereitung und Interpretation auswählen, Daten erheben, Daten aufbereiten und Daten interpretieren). Der Aufbau von Vorwissen erfolgt über die Sichtung der wissenschaftlichen Literatur zum Forschungsthema. Dies bietet zusätzliche Orientierung im Forschungsfeld. Um sich mit den Forschungsdaten auseinandersetzen zu können, sind adäquate Verfahren der Datenerhebung, Datenaufbereitung und Dateninterpretation auszuwählen.

142

3  Ablauf der eigenen Forschung und methodisches Vorgehen dabei

Für eine unvoreingenommene Beschäftigung mit dem Themengebiet im Sinne des Entdeckungsmodus wird darauf Wert gelegt, als Hintergrund der zu betrachtenden Daten einen Theoriepluralismus zuzulassen. Von daher gestaltet sich die Datenerhebung und -auswertung dieser Untersuchung nach dem Forschungsparadigma der ‘Grounded Theory’9. Der Grundgedanke dabei ist es, die unterschiedlichen Bedeutungsebenen des Themas zu erfassen und zu strukturieren, ohne den Bedeutungsraum mit einer Hypothese zu stark zu begrenzen.10 Mit ‘Grounded Theory’ ist keine einzelne Forschungsmethode gemeint, sondern eher ein pragmatischer Forschungsstil ­ mit mehreren ineinandergreifenden Verfahren.11 Dieser zeichnet sich durch fünf Grundsätze aus:12 1. zeitliche Parallelität und funktionale Abhängigkeit der Prozesse der Datenerhebung, -analyse und Theoriebildung 2. kontinuierliche Entwicklung des Forschungsprozesses 3. Steuerung des Forschungsprozesses aus sich selbst heraus 4. Forscher und Forschungsgegenstand befinden sich in kontinuierlicher Wechselbeziehung 5. Verarbeitung sehr vieler Datenformen Diesen Grundsätzen kann für den hier vertretenen Forschungsprozess uneingeschränkt zugestimmt werden. Auch dieser Forschungsprozess unterliegt einer Sequentialität, welche von situativen Umständen abhängt. Es existieren iterative Feedbackschleifen und die einzelnen Forschungsphasen beeinflussen sich stets gegenseitig, sodass sich der Forschungsprozess organisch entwickeln kann. Diese Umstände werden im folgenden Unterkapitel noch ausführlicher beschrieben. Gesteuert wird der Forschungsprozess durch die theoriegeleiteten Vorüberlegungen, die gewählten Methoden sowie die permanente Reflexion der einzelnen Schritte durch den Forschenden. In der Rolle des Forschenden entstehen zwangsläufig immer Wechselwirkungen mit dem Umfeld (bspw. in der Interpretation

9Siehe

Glaser / Strauss (1967). Strauss / Corbin (1994), S. 273-274; Charmaz (2014), S. 5-6. 11Vgl. Strauss / Corbin (1994), S. 273; Steinhardt (2015), S. 29 ff. 12Vgl. Strauss (1991), S. 44 ff.; Schmidt / Dunger / Schulz (2015), S. 37-38; Strübing (2004), S. 14. 10Vgl.

3.1  Prinzipien und Schemata des eigenen Forschungsprozesses

143

der Daten oder in der Interaktion mit dem Forschungsfeld).13 Auf diese wird im Reflexionsteil dieser Arbeit auch noch gesondert eingegangen. Auch dem Grundsatz der Vielfältigkeit der behandelten Daten kann in dieser Arbeit zugestimmt werden. Wichtig ist es von daher, die Art der Daten, die zugrunde gelegte Literatur sowie das Analysevorgehen im Forschungsprozess sorgfältig und nachvollziehbar zu dokumentieren. Das explorative Vorgehen in dieser Arbeit ist mit dem Ziel begründet, den Handlungskontext von Individuen zu erkunden, zu beschreiben und zu einem praxistauglichen Bezugsrahmen zusammenzufassen. Als Ausgangspunkt des Mindsets der ‘Grounded Theory’ gilt die Philosophie des symbolischen Interaktionismus14.15 Das heißt, dass die Bedeutung von Daten nicht offenbar ist, sondern Tiefendimension enthält, welche es durch Interpretation erst zu ermitteln gilt.16 Für die Interpretation wird also den Mechanismen hinter den aufbereiteten Daten Bedeutung zugewiesen.17 Diese Bedeutungszuweisung erfolgte in dieser Arbeit auf Grundlage des Vorwissens, welches sich in der Literaturrecherche angeeignet wurde sowie der eigenen Intuition, welche aufzeigt, welchen Deutungspfaden zu folgen ist. Als externer Faktor kam noch zusätzliches Wissen von Einzelpersonen oder Gruppen von Expert/innen sowie aus weiterführender Literatur hinzu. Möglicherweise spielt aber auch der Zufall bei der Entstehung von neuem Wissen eine Rolle, bspw., wenn bestimmte unbeeinflussbare Faktoren eine wie auch immer geartete Wirkung auf die Betrachtung der Daten haben. Diese Komponente gilt es allerdings möglichst genau zu reflektieren, um die Interpretationsergebnisse nicht beliebig werden zu lassen. Datenerhebung, Datenaufbereitung und Dateninterpretation bilden in vielen qualitativen Forschungsmethoden einen Zirkel.18 In dieser zirkulären Forschung wiederholen sich einzelne aufeinanderfolgende Phasen des Forschungsprozesses, um entsprechend den auftretenden Umständen Anpassungen vornehmen zu können.19 Die Ergebnisse bzw. Ereignisse der

13Vgl.

Przyborski / Wohlrab-Sahr (2014), S. 44 ff.; Steinke (2008), S. 330–331; Kepper 1996, S. 10. 14Siehe Blumer (1969). 15Vgl. Schmidt / Dunger / Schulz (2015) S. 41. 16Vgl. Schmidt / Dunger / Schulz (2015) S. 37 und 41. 17Vgl. ebd. 18Vgl. Witt (2001), S. 4; Flick (1995), S. 61; Kleining (2011), S. 227. 19Vgl. Witt (2001), S. 4.

144

3  Ablauf der eigenen Forschung und methodisches Vorgehen dabei

Phasen können dabei Konsequenzen für das weitere Vorgehen haben oder die Modifikation vorheriger Schritte für den nächsten Durchlauf bewirken.20 Die Phase der Dateninterpretation stellt im vorliegenden Forschungsprozess die Verbindung zum Ergebnisraum dar, in welchem alle Ergebnisse des Forschungsprozesses eingeordnet werden. Bei der Dateninterpretation wird zwar mit den Forschungsdaten gearbeitet, es entstehen aber auch schon Ergebnisse und neue Erkenntnisse wodurch die Grenze dieser beiden Räume verschwimmt. Ziel der ‘Grounded Theory’ ist es, aus gesammelten Daten realitätsnahe Theorie zu entwickeln.21 In dieser Arbeit erfolgt dies durch das Entwickeln eines Ordnungsangebots für den Möglichkeitsraum intuitiver Managemententscheidungen. Dieses Ordnungsangebot umfasst ein Bündel von Thesen22, welche als Produkt der Interpretation der aufbereiteten Daten entstehen. Als Bestandteil dieses Thesenbündels werden bestimmte prototypische Konstellationen personaler und situationeller Einflussfaktoren auf intuitive Managemententscheidungen vorgestellt. Die Thesen selbst sollen einen neuen Blickwinkel auf das bekannte Thema bieten und das Thema um mögliche, vorher nicht dagewesene, Erklärungsansätze für komplexe Zusammenhänge erweitern. Auch wenn es im gewählten Modus nicht darum geht, den Wahrheitsgehalt bestehender Hypothesen durch empirisches Material zu überprüfen, um diese zu beweisen oder zu widerlegen, sollen dennoch für die entwickelten Thesen in einer anschließenden Argumentation erste Begründungsansätze geschaffen werden. Darüber hinaus umfasst das entstehende Ordnungsangebot auch eine nähere Beschreibung des Möglichkeitsraums intuitiver Managemententscheidungen. Die generierten Thesen und deren Bestandteile werden hierzu in einem übergreifenden Bezugsrahmen im besagten Möglichkeitsraum zueinander in Beziehung gesetzt. Gütekriterien und Qualitätsstandards Da sich die klassischen Gütekriterien quantitativer Forschung (Validität23, Reliabilität24 und Objektivität25) nur schwer auf die situationsbezogenen Einzelfallbetrachtungen qualitativer Forschungsprojekte anwenden lassen, bedarf es 20Vgl.

ebd. Schmidt / Dunger / Schulz (2015) S. 37 und 35. 22Im Gegensatz zur Hypothese (Vermutungen) sind Thesen (Behauptungen) weniger spezifisch und nicht zwingend auf einen Zusammenhang bestimmter Variablen bezogen, vgl. Eberhard (1999), S. 20. 23Wurde das gemessen, was beabsichtigt war? Vgl. Flick (2009), S. 266. 24Wird sich das Gemessene immer wieder zeigen? Vgl. Flick (2009), S. 262. 25Wurde eine reale Messung ohne Beeinflussung vorgenommen? Vgl. Flick (2009), S. 269 und 270. 21Vgl.

3.1  Prinzipien und Schemata des eigenen Forschungsprozesses

145

alternativer Maßstäbe zur Sicherung der Forschungsstandards dieser Arbeit. Aufgrund der höchst unterschiedlichen Ausgangssituationen und Erhebungsverfahren existieren derzeit keine allgemeingültigen Gütekriterien für qualitative Forschungsprojekte.26 Dennoch ist qualitative Forschung keinesfalls beliebig und im theoretischen Sinne lassen sich die Ergebnisse der Analyse weniger Meinungen und Einschätzungen von Einzelfällen auf grundsätzliche Zusammenhänge hin verallgemeinern.27 Die Qualitätssicherung dieses Forschungsprozesses soll anhand einiger bereits erprobter Kriterien erfolgen, welche im Folgenden kurz vorgestellt werden. Zu den für die vorliegende Arbeit passenden Kriterien zählen insbesondere die Intersubjektive Nachvollziehbarkeit und die Angemessenheit des Forschungsprozesses. Intersubjektive Nachvollziehbarkeit bedeutet im Prinzip, den qualitativen Forschungsprozess derart nachvollziehbar zu gestalten, dass die gewonnenen Ergebnisse von Dritten eingeschätzt werden können.28 Jeder Schritt in der qualitativen Forschung muss nachvollziehbar gestaltet sein, damit andere Menschen nachvollziehen können, wie Forschende von einem Erkenntnisschritt zum nächsten kamen.29 Erkenntnis entsteht in der qualitativen Forschung, wenn einem Fall durch Interpretation eine Bedeutung, ein plausibler Sinn, zugewiesen wird.30 Ein zentraler Bestandteil des Gütekriteriums der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit besteht folglich aus der Nachvollziehbarkeit des Prozesses der Bedeutungszuweisung. Hierbei sind den Leser/innen die empirische Datengrundlage sowie die daran vorgenommenen Interpretationen in der Form zugänglich zu machen, dass diese nachvollzogen werden können.31 Da eine Replikation aufgrund der begrenzten Standards qualitativer Forschung nicht möglich ist, geht es nicht darum, nachzuweisen, dass jeder Mensch zu

26Vgl.

Przyborski / Wohlrab-Sahr (2014), S. 21; Mayring (2002), S. 140-142. Przyborski / Wohlrab-Sahr (2014), S. 32 ff.; Flick (2009), S. 26; Breuer (2010), S. 38; Bortz / Döring (2003), S. 336. 28Vgl. Steinke (2008), S. 324 ff.; Przyborski / Wohlrab-Sahr (2014), S. 401; Mayring (2002), S. 144 ff. 29Vgl. Przyborski / ­Wohlrab-Sahr (2014), S. 402. 30Vgl. Flick (2003), S. 310; Przyborski / Wohlrab-Sahr (2014), S. 18 ff.; Lamnek / Krell (2016), S. 44. 31Vgl. Przyborski / Wohlrab-Sahr (2014), S. 401. 27Vgl.

146

3  Ablauf der eigenen Forschung und methodisches Vorgehen dabei

jedem Zeitpunkt dem Datenmaterial dieselbe Bedeutung zugewiesen hätte.32 Vielmehr können aus dem dargelegten Sachverhalt eigene, alternative Schlussfolgerungen abgeleitet werden.33 Es kommt im Umfang dieser Forschungsarbeit zu Entdeckungen von Thesen sowie Vermutungen über den dargestellten Sachverhalt oder Kausalitäten. Diese erfolgten aus dem logischen Miteinanderverknüpfen des Gesehenen aber auch sprunghaft, durch Geistesblitze. Damit dies als plausibel wahrgenommen wird, ist es unabdingbar, dezidiert darzustellen, wie geforscht wurde und wie eine Erkenntnis zustande kam. Hierzu können einige Hilfestellungen unterstützend wirken. So ist der Forschungsprozess angemessen zu dokumentieren.34 Dies erfolgt in Form von der Dokumentation des Vorverständnisses und der expliziten und impliziten Erwartungen, der Erhebungsmethode und des Erhebungskontextes, in Form von Transkripten oder anderer Darstellungsformen der erhobenen Daten, durch Dokumentation der Auswertungsmethoden sowie der genutzten Informationsquellen (dies beinhaltet bspw. wörtliche und sinngemäße Äußerungen der Befragten, Beobachtungen der Forscher/innen, Deutungen und Interpretationen, getroffene Entscheidungen, auftretende Probleme).35 Auf die Dokumentation aller relevanten Begebenheiten wurde in dieser Arbeit geachtet. Auch die Interpretation der Forschungsdaten in Gruppen kann die intersubjektive Nachvollziehbarkeit erhöhen.36 Um die Daten in der Gruppe interpretieren zu können, ist der Umgang mit den Daten im Vorfeld explizit zu machen, da die Gruppe ansonsten die Daten gar nicht deuten könnte. Hierdurch wird die Datengewinnung auch für Außenstehende besser nachvollziehbar. Eine ähnliche Möglichkeit, die Nachvollziehbarkeit zu unterstützen und ‘blinde Flecken’ aufzudecken, bietet das ‘peer debriefing’, bei dem regelmäßig ein Austausch über den Forschungsprozess mit anderen Personen stattfindet.37 Beide Punkte sind im Falle dieser Arbeit erfüllt. Die aufgelaufenen Daten wurden zumindest zum Teil im Gruppendiskussionsverfahren interpretiert und im Laufe des Forschungsprozesses gab es regelmäßige Besprechungen mit Doktorand/innenkolleg/innen, welche an anderen Projekten arbeiteten.

32Vgl.

ebd. Przyborski / ­Wohlrab-Sahr (2014), S. 401; Bortz / Döring (2003), S. 335. 34Vgl. Przyborski / Wohlrab-Sahr (2014), S. 401; Steinke (2008), S. 324 ff. 35Vgl. ebd. 36Vgl. Steinke (2008), S. 326. 37Vgl. Flick (2010), S. 401; Misoch (2015), S. 243. 33Vgl.

3.1  Prinzipien und Schemata des eigenen Forschungsprozesses

147

Wird für die Datenanalyse ein eigens dafür entwickeltes Verfahren verwendet oder ein bestehendes Verfahren angepasst, so ist dies genau zu erläutern, damit es nachvollzogen werden kann.38 Auch die darin zur Anwendung gekommenen Bestandteile etablierter Verfahren mit bereits bekannten Regeln (bspw. Grounded Theory) sind zu erwähnen.39 Auch dieser Punkt soll mit den Abhandlungen in diesem Methodenteil erfüllt sein. Von daher erfolgte im ersten Teil dieses Kapitels eine Beschreibung jener Prinzipien, welche in dieser Forschungsarbeit Anwendung finden. Darüber hinaus erfolgt im hinteren Teil dieses Kapitels eine ausführliche Beschreibung der verwendeten Datenerhebungs- und Auswertungsverfahren. Die Angemessenheit des Forschungsprozesses gibt wieder, wie angemessen die einzelnen Ebenen des Forschungsprozesses hinsichtlich des Forschungsgegenstandes sind.40 Dies betrifft die Gegenstandsangemessenheit bezogen auf qualitatives Vorgehen im Allgemeinen sowie die Angemessenheit der gewählten Erhebungs- und Auswertungsmethoden im Konkreten.41 Sie schließt auch die Passung der Erhebungsmethode zur Auswertungsmethode ein.42 Alle Komponenten des Forschungsprozesses sollten ein stimmiges Bild ergeben.43 Von daher soll die Passung des Forschungsgegenstandes kurz anhand einiger Stimmigkeitsindikatoren abgeglichen werden: Aufgrund des zugrunde liegenden Forschungsinteresses wird die Wahl einer qualitativen Beforschung des Forschungsfeldes als angemessen eingestuft. Das Ziel der durchgeführten Forschung ist es, in einem teilweise vertrauten System unbekannte Aspekte zu beschreiben und neue Zusammenhänge zu entdecken. Dieser Entdeckungsmodus ist ausschlaggebend für den Einsatz qualitativer Forschungsmethoden. Hinsichtlich der Eigenschaften und Besonderheiten des Forschungsgegenstands intuitiv getroffener Managemententscheidungen werden die gewählten Datenerhebungsverfahren als besonders angemessen gesehen. Forschungsgegenstand und Forschungsfeld zeichnen sich u.a. durch hohe Komplexität des Managementumfeldes, durch eine Vielzahl dynamischer und

38Vgl.

Steinke (2008), S. 226. ebd. 40Vgl. Steinke (2008), S. 226; Flick (2007), S. 27; Helfferich (2009), S. 46; Brüsemeister (2008), S. 28. 41Vgl. Stefer (2013), S. 61 ff. 42Vgl. ebd. 43Vgl. ebd. 39Vgl.

148

3  Ablauf der eigenen Forschung und methodisches Vorgehen dabei

interdependenter Einflussvariablen sowie durch einen differenziellen Charakter der Einflussfaktoren aus. Zudem handelt es sich bei der Intuition um ein Thema, welches sich hauptsächlich im Verborgenen des Unbewussten abspielt. Das relevante Wissen im Forschungsfeld ist also lediglich teilweise zugänglich und dies auch nur einer bestimmten Gruppe von Forschungssubjekten, welche im Feld in der Praxis aktiv sind. Da es bei der Datenerhebung also hauptsächlich darum geht, spezielles, nicht allen Menschen zugängliches und größtenteils implizites Wissen zu rekonstruieren, wirkt die gewählte Kombination aus Datenerhebungsverfahren als besonders vielversprechend wahrgenommen. Mit den Expert/ innenbefragungen wird dieser speziellen Gruppe der Informant/innen gerecht und mit der Methode der Systemaufstellungen dem impliziten Charakter der gesuchten Informationen sowie der Komplexität und der Dynamik des untersuchten Systems. Die Offenheit der Methode der Systemaufstellungen wird als wichtigster Punkt für die Methodenwahl gesehen, da diese es ermöglicht, den untersuchten Gegenstand möglichst ganzheitlich zu erfassen. Auch liegt das betrachtete Phänomen der Intuition sehr nahe an den intuitiven Komponenten der Systemaufstellungen. Hinsichtlich der Zielsetzung des Forschungsprozesses sowie der darin enthaltenen konkreten Fragestellung sind zwei spezifische Schwerpunkte bzw. Blickwinkel zu beachten. Ziel der Forschung ist es, die Möglichkeitsräume intuitiver Managemententscheidungen zu beschreiben. In der konkreten Gestaltung der Forschung fallen insbesondere die beiden Komponenten ‘Spannungsfelder’ und ‘prototypische Konstellationen situationeller und personaler Einflussfaktoren’ ins Auge. Diese Punkte spiegeln sich auch in den verwendeten Verfahren wider, da sich zum einen Systemaufstellungen thematisch häufig mit Spannungsfeldern befassen und zum anderen Expert/innenbefragungen einen guten Zugang zu den existierenden Konstellationen geben können. Bei der Wahl der Verfahren sind allerdings auch bereits erworbene Kompetenzen im Bereich der empirischen Methoden sowie vergangene Erfahrungen mit dem Einsatz der gewählten Verfahren zu berücksichtigen. Hierauf wird im Reflexionsteil dieser Arbeit nochmal eingegangen. Hinsichtlich der Zielgruppe dieser Arbeit wird vermutet, dass diese aus Manager/innen besteht, welche in den vorgestellten Spannungsfeldern nach Orientierung streben. Von daher werden im Ergebnisteil der Arbeit neben den ausführlichen Beschreibungen auch Implikationen für diese Zielgruppe gegeben. Abschließend ist sicherzustellen, dass entstandene Erkenntnis und genutzte Ressourcen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinanderstehen. Ob dieses Verhältnis angemessen ist, wird sich allerdings erst im Praxisbezug zeigen.

3.1  Prinzipien und Schemata des eigenen Forschungsprozesses

149

Weiterhin ist in einem angemessenen Forschungsprozess zu berücksichtigen, dass den Befragten ausreichend Spielraum eingeräumt wird und deren subjektive Perspektive ausreichend Berücksichtigung findet.44 Die qualitative Auseinandersetzung mit einzelnen Fällen soll als Illustration von Phänomenen dienen und kann nicht unbedingt als harter Beweis für die Regelhaftigkeit der Phänomene angeführt werden.45 Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit werden sich also nur teilweise generalisieren lassen. Bei Rückschlüssen auf die gesamte Bandbreite der Managemententscheidungen sollte berücksichtigt werden, dass die erhobenen Daten lediglich subjektive Wirklichkeitskonstruktionen eines betrachteten Ausschnittes des Managements darstellen. Auch die Qualität aufgestellter Thesen bzw. Theorien lässt sich mit bestimmten Indikatoren einschätzen. Ein Qualitätsmerkmal kann die Neuheit der Deutungsmöglichkeiten sein, welche durch die entwickelten Thesen entstand.46 Auch der Grad, inwiefern sich die Thesen bzw. Theorien mit den gewonnenen Daten (bspw. durch Textbelege) begründen lassen, gibt Aufschluss über deren Qualität.47 Die Offenlegung und Diskussion von Abweichungen und Widersprüchen in den Daten und Interpretationen ist ein weiterer Qualitätsindikator, welcher die Kohärenz der Ergebnisse abbildet.48 Gleiches gilt für die Reflexion der eigenen Rolle als Forschender und die damit einhergehende Einflussnahme auf das Forschungsergebnis.49 Im Hinblick auf die Ergebnisse dieses Forschungsprozesses wird in der Tat davon ausgegangen, dass neue, bisher nicht strukturiert dargelegte Deutungsmöglichkeiten entstanden sind. Da für jede einzelne These als auch den Bezugsrahmen aller Thesen bereits erste Erklärungsansätze aus der Literatur vorgestellt wurden, wird auch dieses Qualitätsmerkmal als erfüllt angesehen. Auftretende Widersprüche wurden in der Diskussion der Ergebnisse thematisiert und auch die Reflexion der eigenen Rolle im Forschungsprozess erfolgte im Reflexionsteil. Eine weitere Möglichkeit der Qualitätssicherung ist die Kommunikative Validierung, also die Rücksprache darüber, wie stimmig und gültig die

44Vgl.

Steinke (2008), S. 324. Runco (2007), S. 356. 46Vgl. Steinke (2008), S. 330. 47Vgl. Steinke (2008), S. 328. 48Vgl. Steinke (2008), S. 330. 49Vgl. Steinke (2008), S. 330-331. 45Vgl.

150

3  Ablauf der eigenen Forschung und methodisches Vorgehen dabei

e­ ntstandenen Ergebnisse eingeschätzt werden.50 Diese Rücksprache erfolgte im Zuge des ‘peer debriefing’ (siehe oben). Für die Argumentative Validierung sind die Vorannahmen der Forscher/ innen offenzulegen und auf eine regelgeleitete Argumentation zu achten.51 Diesem wurde versucht, im Reflexionsteil dieser Arbeit gerecht zu werden. Ähnlich verhält es sich mit dem Indikator der Regelgeleitetheit, welcher vorsieht, dass alle methodischen Regeln nachvollziehbar erklärt und diese selbst aufgestellten Regeln im Forschungsprozess auch systematisch befolgt wurden.52 Diese Regeln finden sich im vorliegenden Methodenteil wieder und werden auch im Abschnitt der Datenaufbereitung und Datenauswertung noch einmal aufgegriffen. Ebenso wird Authentizität als Kriterium angeführt. Um hohe Authentizität zu erreichen, sind die Daten im Forschungsprozess angemessen zu erheben und systematisch aufeinander zu beziehen sowie ist sorgfältig mit den Äußerungen der Befragten umzugehen.53 Es wurde versucht, all diesen Anforderungen im Forschungsprozess zu entsprechen. Ein Versuch, dies wiederzugeben, erfolgt durch die systematische Darstellung der Datenaufbereitung und Datenauswertung. Auch die Nähe zum Gegenstand kann als Qualitätsindikator gesehen werden, welcher Aufschluss darüber gibt, inwiefern die Forschung sich an natürlichen Lebens- und Alltagswelten orientiert oder künstliche Situationen erzeugt.54 Mit der Nähe zum Gegenstand verhält es sich ambivalent. Zum einen fand die Datenerhebung online statt und damit in der natürlichen Lebenswelt der Expert/innen, zum anderen wurden mit den Systemaufstellungen und den Gruppendiskussionen künstliche und ungewohnte Situationen der Datenerhebung geschaffen. Reflektierte Subjektivität bildet die Qualität der Forschung in dem Sinne ab, dass die methodische Reflexion der Untersuchungssituation und der Rolle des Forschenden als Subjekt sowie als Teil des untersuchten Forschungsfeldes hilft, die damit verbundene Einflussnahme zu identifizieren.55

50Vgl.

Lamnek (2010), S. 139. Lamnek (2010), S. 140. 52Vgl. Mayring (2002), S. 145 ff. 53Vgl. Steinke (2008), S. 331. 54Vgl. Mayring (2002), S. 146. 55Vgl. Steinke (2008), S. 331. 51Vgl.

3.2  Beschreibung des konkreten Forschungsprozesses

151

Dem systemischen Ansatz folgend ist im Forschungsprozess auch eine Beobachtung zweiter Ordnung vorgesehen, also einer Beobachtung der eigenen Beobachtung.56 In jedem Forschungsprozess beeinflussen sich die Forschenden und die Forschungsobjekte / -subjekte gegenseitig.57 Die Beobachtungen haben eine Wirkung auf die Forschenden und verändern deren Sicht auf die Welt und die Beforschten werden vom Forschungsprozess beeinflusst, was zu Verhaltensänderungen führen kann.58 Um diese Effekte zu würdigen, wurde die Ebene der Selbstwahrnehmung und der stetigen Reflexion in den eigenen Forschungsprozess integriert. Da die Intuition auch Teil der Forschungsaktivität selbst ist und untrennbar mit der Persönlichkeit des Forschenden verbunden ist, bringt es dieses spezielle Thema mit sich, auch die eigene Intuition mit einzubeziehen. Zu diesem Zweck wurde begleitend zum Forschungsprozess ein entsprechendes Kapitel verfasst, welches sowohl die Reflexion als auch den Blick auf die eigene Intuition abhandelt. Im Endeffekt ist es auch ein Qualitätsmerkmal, wenn die durchgeführte Forschung von Relevanz ist.59 Im besten Fall sollten die erarbeiteten Ergebnisse einen pragmatischen bzw. praktischen Nutzen haben.60 Diese Relevanz soll durch eine Reihe von Indikationen für Praxis entstehen, welche am Ende des Ergebnisteils formuliert werden.

3.2 Beschreibung des konkreten Forschungsprozesses Aus dieser prinzipiellen Ausrichtung auf den Entdeckungsmodus ergibt sich ein konkreter Forschungsablauf, welcher sich bis zum Schluss durch Achtsamkeit, Offenheit und Anpassungsvermögen auszeichnet.

56Vgl.

Luhmann (1990), S. 86 ff. und S. 95. Przyborski / Wohlrab-Sahr (2014), S. 44 ff.; Steinke (2008), S. 330-331; Kepper 1996, S. 10; Lettau / Breuer (2007), S. 1. 58Siehe hierzu ‘Hawthorne-Effekt’ bspw. bei Spektrum (2000) oder Schwartz et al. (2013). 59Vgl. Steinke (2008), S. 330. 60Vgl. ebd. 57Vgl.

152

3  Ablauf der eigenen Forschung und methodisches Vorgehen dabei

Abbildung 3.2   Skizze des Forschungsdesigns. (Eigene Darstellung)

In Abbildung 3.2 werden den in Abbildung 3.1 skizzierten Feldern, Räumen und Phasen die konkreten Ausgestaltungen des eigenen Forschungsprozesses zugeordnet. Der Forschungsprozess verlief in der Form, dass zunächst die ‘Intuition in Managemententscheidungen’ als Forschungsfeld bestimmt wurde, um dann den Stand der Forschung aus verschiedenen Forschungsdisziplinen hierzu zusammenzutragen und dadurch Vorwissen für den weiteren Ablauf aufzubauen. Aus dieser Vorbereitung ergaben sich zwei für die Arbeit zentrale Formationen: Zum einen wurden Spannungsfelder, in denen intuitive Managemententscheidungen getroffen werden identifiziert und zum anderen

3.2  Beschreibung des konkreten Forschungsprozesses

153

die personalen und situationellen Einflussfaktoren, welche auf das intuitive Treffen von Managemententscheidungen wirken, herausgearbeitet. Innerhalb des Datenraums kamen verschiedene Forschungsverfahren zum Einsatz: Die Datenerhebung fußt auf der Methode der Systemaufstellung, das dort entstandene Datenmaterial wurde als Nacherzählung aufbereitet und in einer Gruppendiskussion (online und in Präsenz) interpretiert. Zusätzlich wurden online Einzelbefragung durchgeführt. Im Ergebnisraum finden sich die Ergebnisse in Form von Thesen, prototypischen Konstellationen sowie einer übergreifenden Beschreibung des Bezugsrahmens intuitiver Managemententscheidungen. Wie zu Beginn des dritten Kapitels erläutert, besteht das Forschungsfeld aus jenen Teilen der Thematik der Managemententscheidungen, welche mit dem Phänomen der Intuition einhergehen. Aufbauend auf dem Stand der Forschung hierzu wird die Forschungsleitfrage präzisiert, sodass abschließend die im Abschnitt 1.2 betitelte Frage ‘Welche differenziellen Einflussfaktoren existieren im Möglichkeitsraum intuitiver Managemententscheidungen?’ als Leitfrage hinter dieser Forschungsarbeit steht. Die Klärung der Forschungsfrage kann als Aushandlungsprozess mit dem zu bearbeitenden Themengebiet gesehen werden. In diesen fließen erste Erfahrungen im Forschungsfeld (aus der Masterarbeit), erste Feldbeobachtungen (aus Aufstellungen und einleitender Literaturrecherche), persönliche Alltagstheorien sowie Diskussionen über die Fragestellung mit ein. Die weiterführende Bearbeitung der wissenschaftlichen Literatur bietet zusätzliche Orientierung im Forschungsfeld. Aus der Literatur wurden die wichtigsten Ansätze zur Beantwortung der Forschungsleitfrage extrahiert. Auf diese Weise für das Thema sensibilisiert, kann der Forschungsgegenstand konstruiert werden. Dies erfolgt in der Definition eines eigenen Forschungsansatzes (siehe Kapitel 4), welcher die wichtigsten Komponenten zur Beantwortung der Forschungsleitfragen beinhaltet. Auch im Hinblick auf das methodische Vorgehen bei der Datenerhebung und Auswertung ist die Intuition von Wichtigkeit, da sie hilft, zu spüren, was die wichtigen auftretenden Fragen sind, die dann mithilfe des Verstandes beantwortet werden können. Da sich die gelebten subjektiven Wirklichkeiten der Akteure sowie die personalen und situationellen Bestandteile der Intuition vorzugsweise qualitativ ermitteln lassen, soll auf den qualitativen Methoden in dieser Arbeit der Fokus liegen. Diese bringen den Vorteil mit sich, Sinn und Kontext mit zu erfassen, welche beide im Auge der Betrachtenden liegen.61 Eine quantitative,

61Vgl.

Röbken / Wetzel (2016), S. 13–14; Lamnek, (2005), S. 245; Wolf / Priebe (2000), S. 51 ff.

154

3  Ablauf der eigenen Forschung und methodisches Vorgehen dabei

mengenmäßige Einschätzung von Bestandteilen soll lediglich unterstützend erfolgen, um Übersichtlichkeit zu schaffen und evtl. ebenfalls zu neuen Ideen anzuregen. Da der Forschungsgegenstand die Arbeitsbedingungen während des intuitiven Managemententscheidungsprozesses beinhaltet, gehören jene Faktoren, welche einen Einfluss auf den Entscheidungsprozess haben könnten, zu den wichtigsten Komponenten des Forschungsgegenstandes. Besonders deutlich werden offene Fragen und unerforschte Flecken auf der Landkarte dieses Themengebietes bei der Betrachtung der Spannungsfelder62, in denen sich die Intuition im Unternehmen befindet. Diese Spannungsfelder (siehe Abschnitt 4.2.) bilden den Rahmen, in dem die Einflussfaktoren wirken. Zu erforschen gilt es, welche Beziehungen in den Spannungsfeldern herrschen und welche Zusammenhänge den Einflussfaktoren zugrunde liegen. Um die Leitfragen sukzessiv zu beantworten, wurde ein mehrstufiges Vorgehen, bestehend aus verschiedenen Formen von Expert/innenbefragungen gewählt. Die Expert/innenbefragungen erfolgten in Form von Gruppendiskussionen, Online-Gruppendiskussionen und Online-Befragungen. In einem ersten Schritt wird unter Nutzung der Methode der Systemaufstellung das empirische Phänomen der intuitiv getroffenen Managemententscheidungen visualisiert. Die entstandenen Daten werden dann in einem nächsten Schritt als Nacherzählungsvideo aufbereitet und mit einer Gruppe von Expert/innen unter der eingangs festgelegten Leitfragestellung diskutiert. Die Gruppendiskussionen erfolgen zum Teil in Präsenz und zum Teil in einem eigens zu diesem Zweck designtem Onlineforum. In dem gemeinsamen Verstehensprozess der Gruppendiskussion, werden die verschiedenen individuellen Zugänge zu den Themen Intuition und Erkenntnis der Diskussionsgruppe genutzt. Ziel ist es, bei der Sichtung der Datensätze, eine gemeinsame Idee von Wahrheit zu erhalten. Aufgrund des Gruppencharakters spiegeln die Interpretationen der betrachteten Daten eher die geteilte Wirklichkeit der Welt wider als dies bei der Interpretation einer Einzelperson der Fall wäre, ähnlich wie es das Prinzip der großen Zahlen in der quantitativen Forschung versucht.63 In einem weiteren

62Als

Spannungsfelder werden Bereiche bezeichnet, in denen sich gegensätzliche Kräfte gegenseitig beeinflussen und auf diese Weise einen Zustand der Anspannung erzeugen. 63Wenn eine große Menge an Menschen befragt wird, lässt sich mit hinreichender Sicherheit sagen, dass sich die Durchschnittswerte auf die große Gesamtheit der Menschen hochrechnen lassen. Ab einer bestimmten Anzahl an Stichpunkten kann davon ausgegangen werden, dass das, was sich im Kleinen zeigt, sich auch auf das Große übertragen lässt.

3.3  Entstehung und Erhebung der Daten

155

Schritt findet eine Einzelbefragung von Expert/innen aus der Praxis, also Menschen, die im realen Leben Managemententscheidungen treffen, statt. Auch diese Abfrage von Selbsteinschätzungen zur Arbeitsweise beim Treffen von intuitiven Managemententscheidungen erfolgt über ein Onlinetool. Die von den Expert/innen generierten Einschätzungen über Zusammenhänge zwischen Ursachen und Folgen geben Aufschluss über die Mechanismen in den Spannungsfeldern. Darüber hinaus werden aus den in der Gruppendiskussion entstandenen Interpretationen des Datenmaterials Thesen generiert, welche zur Beantwortung der offenen Fragen dienlich sein sollen. Oberste Priorität der Forschungsarbeit und somit der angewandten Methoden ist es, die betriebliche Realität hinsichtlich der Intuition in Managemententscheidungen abzubilden. Hierbei werden zwei Hindernisse vermutet, welche es zu beachten gilt: Erstens liegt es in der Natur des Themas, dass es sich äußerst schwierig gestaltet, den Intuitionsprozess oder die dahinterliegenden Mechanismen durch Sprache zu vermitteln und zweitens wird eine gewisse Hemmschwelle vermutet, offen über so ein kontroverses Thema wie die Rolle von Intuition bei Managemententscheidungen zu sprechen. Um diese Barrieren überwinden zu können, wäre es am hilfreichsten, die zu betrachtenden Intuitionserfahrungen aus erster Hand mit zu erleben. Zur besseren Nachvollziehbarkeit der Entstehung und der Auswertung der verwendeten Daten soll auf diese Stationen im folgenden Abschnitt etwas detaillierter eingegangen werden.

3.3 Entstehung und Erhebung der Daten Um die zahlreichen Informationen, welche das Forschungsfeld intuitiver Managemententscheidungen füllen, für die Forschung nutzbar zu machen, sind diese in Form von Forschungsdaten zu erheben. Die Datenerhebung erfolgte in einem zweistufigen Prozess. Die Datengrundlage bilden die während zwei Systemaufstellungen entstandenen Daten, welche in einer zweiten Stufe im Zuge von Expert/innenbefragungen weiterverarbeitet wurden. Diese beiden Komponenten sollen in den folgenden Abschnitten vorgestellt werden.

3.3.1 Systemaufstellung Da es sich bei intuitiven Managemententscheidungsprozessen um unübersichtliche Sachverhalte mit teilweise impliziten Komponenten handelt, wird

156

3  Ablauf der eigenen Forschung und methodisches Vorgehen dabei

eine Forschungsmethode benötigt, welche es vermag, solcherlei komplexe Zusammenhänge zu vermitteln. Einen vielversprechenden Ansatz bietet die aus der Aktionsforschung stammende qualitative empirische Methode der Systemaufstellung.64 Mit diesem Gruppensimulationsverfahren lassen sich bspw. die Systemik komplexer Beziehungszusammenhänge oder inhärente Strukturen und implizites Wissen visualisieren.65 Die Visualisierung erfolgt mittels menschlicher Repräsentant/innen, welche in einem Raum Stellung zueinander beziehen.66 Systemaufstellungen in der Forschung einzusetzen, bedeutet Systeme zu erforschen und dabei eine systemische Haltung einzunehmen.67 Eine systemische Haltung beinhaltet auch die Annahme, dass sich die beobachteten Systeme nicht von den Beobachter/innen trennen lassen und Erkenntnis eng mit den Erkennenden verbunden ist.68 Wissenschaftler/innen sind als Beobachtende immer auch Teil des Systems.69 Beobachtetes zeigt sich so, wie es den Fragestellungen der Beobachtenden entspricht und wird gemäß der Wahrnehmungsfilter der Beobachteten gesehen.70 Hieraus ergibt sich die Konsequenz, dass in Systemaufstellungen die Forschenden für das Ergebnis der Forschung ein Stück weit mitverantwortlich sind. Dennoch ist es Teil der systemischen Forschungshaltung, zu versuchen, die Realität in den Systemen durch Formen, Modelle und Bilder wissenschaftlich abzubilden.71 Es kommt zu einer sich an die Realität annähernde Abbildung dieser.72 Mit den Bildern, welche in den Systemaufstellungen entstehen, werden keine Ergebnisse im klassischen Sinne wie gemessene und überprüfbare Kausalitäten geliefert, sondern es lassen sich unentdeckte Zusammenhänge rund um den Forschungsgegenstand ablesen und im Endeffekt können Vermutungen über Gesetzmäßigkeiten in die Beziehungen von einzelnen Sachverhalten angestellt werden.73 Es kommt zu Bildern, welche bestätigende oder irritierende Wirkungen bezüglich bestehender Thesen und Theorien hervorrufen und es wird ausreichend

64Vgl.

Müller-Christ (2013), S. 386 ff.; Rosner (2007), S. 12 ff. Lehman (2006), S. 54; Berreth (2009), S. 71; Woithe (2018), S. 58. 66Vgl. Berreth (2009), S. 70; Lehman (2006), S. 54; Groth (2007), S. 81. 67Vgl. Müller-Christ / Pijetlovic (2018), S. 8; Berreth (2009), S. 76. 68Vgl. Müller-Christ / Pijetlovic (2018), S. 8. 69Vgl. Müller-Christ / Pijetlovic (2018), S. 5; Berreth (2009), S. 76. 70Vgl. Müller-Christ / Pijetlovic (2018), S. 8–9; Berreth (2009), S. 76. 71Vgl. Müller-Christ / Pijetlovic (2018), S. 9. 72Vgl. ­Müller-Christ / Pijetlovic (2018), S. 11. 73Vgl. Müller-Christ / Pijetlovic (2018), S. 4; Berreth (2009), S. 86. 65Vgl.

3.3  Entstehung und Erhebung der Daten

157

Raum geben, um neue Thesen und Theorien zu formulieren.74 Erkenntnisse bzw. das Verständnis von sozialem Geschehen oder komplexen Situationen kann bei den Anliegengeber/innen intuitiv entstehen.75 Aus dieser Verbundenheit mit der Intuition heraus, erscheint es besonders sinnvoll, diese Forschungsmethode zu verwenden. Gemessen werden die Abbildungsversuche der Systemaufstellungen weniger an der Objektivität als an der Qualität der Nützlichkeit. Mit dem Kriterium der Qualität der Nützlichkeit ist jener Grad gemeint, in welchem die Methode dabei hilft, neue Erkenntnis zu gewinnen.76 In evaluierenden Studien wurde (sowohl direkt nach der Aufstellung als auch nach einiger Zeit in der Praxis) insbesondere die Nützlichkeit dahingehend, ‘andere Perspektiven’ und ‘Wechselwirkungen’ besser beachten zu können, festgestellt.77 Ein weiteres wichtiges Kriterium des systemischen Forschungsparadigmas ist die Transparenz.78 Jeder Schritt des Forschungsprozesses sollte so nachvollziehbar wie möglich beschrieben werden.79 Das zentrale sprachliche Mittel zur Abbildung von komplexen Zusammenhängen bildet in der Systemaufstellung die Raumsprache.80 Stellvertreter/ innen für Elemente von Systemen werden von Aufstellungsleiter/innen im Raum positioniert und zueinander in Beziehung gestellt bzw. suchen sie sich einen Platz im Raum.81 Im Raum befinden sich in der Systemaufstellung verschiedene Kontexte eines Themas.82 Über die metaphorische Ebene des Raumes können verschiedene Akteure in einen Dialog über ein Thema treten, auch wenn diese nicht über dasselbe Wissen oder die gleichen verbalen Vokabeln zum Thema verfügen.83 Ermöglicht wird diese Kommunikation mithilfe der Semantik des Raumes und des Blickes, welche den gemeinsamen Referenzrahmen bilden.84 Menschen oder Objekte können als Stellvertreter/innen dienen und ermöglichen es, kausale oder

74Vgl.

Müller-Christ / Pijetlovic (2018), S. 11; Berreth (2009), S. 85; Groth (2007), S. 90. Müller-Christ / Pijetlovic (2018), S. 3; Nellessen (2007), S. 166. 76Vgl. Müller-Christ / Pijetlovic (2018), S. 5. 77Vgl. Müller-Christ / Pijetlovic (2018), S. 5; Lehman (2006), S. 188. 78Vgl. Müller-Christ / Pijetlovic (2018), S. 11. 79Vgl. ebd. 80Vgl. Poggendorf (2012), S. 125 ff. 81Vgl. ebd. 82Vgl. Müller-Christ / Pijetlovic (2018), S. 3. 83Vgl. Schlötter (2005), S. II. 84Vgl. Schlötter (2005), S. 198. 75Vgl.

158

3  Ablauf der eigenen Forschung und methodisches Vorgehen dabei

systemische Wirkungen von Kontextkonstellationen zu rekonstruieren oder zu prognostizieren.85 Bei den Durchführungen der Systemaufstellungen im Forschungsprozess wurden einige systemische Prinzipien beachtet. So haben alle Elemente hinsichtlich der Wichtigkeit prinzipiell erst einmal dieselbe Bedeutung und abgesehen von jenen Elementen, welche feste Pole repräsentieren, konnten alle Elemente ihre Plätze in der Konstellation frei suchen und finden. Die Systemaufstellungen fanden insofern verdeckt statt, als dass weder Aufstellungsleiter noch Stellvertreter/innen wussten, wer welches Element repräsentierte, um die Erwartungen der Teilnehmer/innen gering zu halten. Allerdings war der Kontext bekannt, da alle Beteiligten das Thema dieser Doktorarbeit kannten. Aufgestellt wurde mit den Elementen einer intuitiven Managemententscheidung ein abstrakter Kontext. Abstrakte Kontexte lassen sich herleiten, indem konkrete Sachverhalte so weit abstrahiert werden, dass übergreifende und verbindende Allgemeinheiten sichtbar werden.86 Die durchgeführten Aufstellungen waren hypothesenarm, um neue kenntnisleitende Thesen finden zu können. Hypothesen kamen lediglich in der Form vor, dass sie über die Spannungslogik der Systeme zur Auswahl der Spannungsfelder führten und zur Auswahl der Elemente beitrugen. Durch Vorwissen wurde ein Format zur Erkundung des Systems entwickelt und die relevanten Elemente ausgewählt. Auch wurde dem Prinzip des ko-kreativen Arbeitens gefolgt, um kreative, neue, erkenntnisleitende Thesen und Erkenntnisse über das betrachtete System zu finden. Hierzu gibt es im kommenden Kapitel nähere Ausführungen. In den Aufstellungen wurde das System befragt, ohne es verändern zu wollen, sondern mit dem Anspruch, es zu beobachten. Dies ist ein Unterschied von elementarer Bedeutung im Vergleich zwischen den durchgeführten Aufstellungen und Aufstellungen als Beratungsoder Therapiemethoden. Neben dem Bezug zum systemischen Ansatz werden die durchgeführten Systemaufstellungen auch als Bestandteil des im Methodenteil eingangs beschriebenem Entdeckungsmodus gesehen. In diesem Modus (auch als Entdeckungszusammenhang87 oder Erkundungsforschung88 bezeichnet) zeichnen sich Systemaufstellungen durch einen noch weitaus offeneren Suchprozess aus,

85Vgl.

Müller-Christ / Pijetlovic (2018), S. 3. Müller-Christ / Pijetlovic (2018), S. 16. 87Siehe Woithe (2018). 88Siehe Müller-Christ / Pijetlovic (2018). 86Vgl.

3.3  Entstehung und Erhebung der Daten

159

entfernen sich dadurch aber auch etwas weiter von der Objektivität.89 Systemaufstellungen liegt das Serendipitätsprinzip90 zugrunde, was besagt, dass zufällige Beobachtungen zu überraschenden Entdeckungen führen können.91 Die Aufstellungen dieser Arbeit ordnen sich eher dem systemischen Paradigma zu, da das theoretisch hergeleitete Aufstellungsdesign bereits eine systematische Verengung des Entdeckungsraums darstellte. Dennoch soll der Blick auch für zufällige Erkenntnisse offen bleiben. Als Zugeständnis an das Paradigma der Entdeckungsforschung finden die Aufstellungen zwar im systemischen Forschungsparadigma statt, dafür aber im Entdeckungsmodus. Sowohl das systemische als auch das erkundende Paradigma gehen davon aus, dass alle Systeme von Polaritäten und Spannungsfeldern durchzogen sind.92 Dieser Ansicht wird auch in dieser Arbeit gefolgt. Verborgene Informationen, welche durch die Aufstellungsarbeit beleuchtet werden sollen, betreffen vorwiegend das Setting und deren Einfluss auf den Intuitionsprozess: • Wie wirken die aufgestellten Faktoren in den Settings für intuitive Managemententscheidungen zusammen? • Wo liegen Spannungen und Widersprüche vor? • Wie beeinflussen sich bestimmte Faktoren? • Welche Elemente wirken in welcher Weise auf das Legitimationsproblem? • Welche Rolle spielen die unterschiedlichen Entscheidungshorizonte und Intentionen hinter den intuitiven Managemententscheidungen (jetzt für jetzt, jetzt für dann, jetzt für dann für andere)? In der Nachbereitung der Aufstellungen ist weiter zu analysieren, ob die überraschenden Inhalte lediglich neu für die Erkundenden waren und ansonsten in Wissenschaft und Praxis bereits hinreichend bekannt sind. Anhand der Beobachtung der Szenerie werden die Geschehnisse der Aufstellung zu Daten, die zur späteren Auswertung im Gruppendiskussionsverfahren gespeichert werden. Die Aufbereitung der Daten für die Gruppendiskussion sowie die anschließende Auswertung der in der Gruppendiskussion entstandenen Interpretationsansätze erfolgt im Kapitel 5.

89Vgl.

Müller-Christ / Pijetlovic (2018), S. 9. Merton (2004). 91Vgl. Müller-Christ / Pijetlovic (2018), S. 9. 92Vgl. Müller-Christ / Pijetlovic (2018), S. 14; Rippel (2018), S. 30 ff. 90Siehe

160

3  Ablauf der eigenen Forschung und methodisches Vorgehen dabei

3.3.2 Expert/innenbefragung Neben den durchgeführten Systemaufstellungen stellen die Expert/innenbefragungen das zweite wichtige datengenerierende Verfahren dieses Forschungsprozesses dar. Die Expert/innenbefragungen finden dabei auf verschiedene Weise statt: In Gruppendiskussionen wurden gemeinsam mit einer Gruppe verschiedener Expert/innen die in den Systemaufstellungen entstandenen Daten interpretiert. In Einzelbefragungen wurden individuelle Selbsteinschätzungen zu den Rahmenbedingungen des intuitiven Entscheidungsprozesses abgefragt. zum Wesen der Expert/innenbefragungen Bei Expert/innen handelt es sich im Allgemeinen um Sachverständige, die über spezifische Wissensstände verfügen oder spezielle Rollen mit differenziertem Fachwissen bzw. Deutungswissen innehaben.93 Als Expert/innen nahmen an den Gruppendiskussionen Personen aus dem Umfeld des Doktorandenseminars des Lehrstuhls für Nachhaltiges Management der Universität Bremen teil. Die Expertise dieser Personen bestand darin, dass sie sich in ihren Forschungsprojekten mit ähnlichen Themen beschäftigen oder in der Vergangenheit beschäftigt hatten. Als Expert/innen in den Einzelbefragungen nahmen Praktiker/ innen teil, welche im Berufsalltag Managemententscheidungen u.a. intuitiv treffen. Es ist also davon auszugehen, dass diese Expert/innen dem speziellen Forschungsthema relevantes – nicht allen Menschen zugängliches – Wissen ­beizutragen haben. Während mit der Methode der Systemaufstellungen in dieser Arbeit versucht wird, Erkenntnisse durch Abduktion zu locken, soll mit der Methode der Expert/ innenbefragung Deduktion und Induktion vereint werden. Dies wird möglich, da Expert/innenbefragungen zum einen theoriegeleitet eine konzeptionelle Vorstrukturierung des Feldes vorausgeht und zum anderen Bedeutungsstrukturierung durch die befragten Expert/innen generiert wird.94 Die Grundannahme der durchgeführten Verfahren liegt im interpretativen Paradigma nach Wilson (1973) begründet, wonach Wirklichkeit den Interpretationsleistungen der Subjekte entspricht.95 Interpretative Sozialforschung versucht Erfahrungen, Perspektiven, Sinngebungen und Relevanzstrukturen sowie soziale und natürliche Zusammenhänge

93Vgl.

Liebold / Trinczek (2009), S. 53; Przyborski / Wohlrab-Sahr (2014), S. 121. Liebold / Trinczek (2009), S. 37. 95Vgl. Wilson (1973), S. 57. 94Vgl.

3.3  Entstehung und Erhebung der Daten

161

der Alltagswelt zu deuten und zu rekonstruieren.96 Die Expert/innenbefragungen orientieren sich an den zentralen Postulaten des interpretativen Paradigmas, Offenheit, Kommunikation und Prozesshaftigkeit im Forschungsprozess.97 Durch die Befragung von Expert/innen soll aus dem tiefgehenden Erfahrungswissen von Fachleuten geschöpft werden, wovon sich Einblicke in die Strukturzusammenhänge sowie die impliziten und expliziten Handlungs- und Regelsysteme der Arbeit der Expert/innen erhofft werden. Komplexe Wissensstände sollen rekonstruiert werden, um damit soziale Phänomene des aktuellen Forschungsinteresses zu erklären. Die Entdeckung des Unbekannten und Theoriebildung durch interpretierte Handlungs-, Deutungs- und Wahrnehmungsmuster sind gleichzeitig möglich.98 zum Wesen der Gruppendiskussionen und Einzelbefragungen Die Gruppendiskussionen bauen direkt auf den Systemaufstellungen auf und vertieften und erweiterten die darin entstandenen Daten. Zum Wesen von Gruppendiskussionsverfahren gehört es, dass in dieser Interviewform mehrere Teilnehmer/innen in einem Gruppensetting zu einem Thema diskutieren.99 Das Ziel dabei ist es, Informationen zu sammeln und die Gruppenmeinung zu erfahren.100 Von der Gruppe werden kollektive Orientierungen und Wissensbestände repräsentiert und zum Ausdruck gebracht.101 Als vorteilhaft wird dabei angesehen, dass sich die Gruppenteilnehmer/innen bei den Beiträgen gegenseitig stimulieren und es relativ einfach einzuschätzen ist, inwiefern konsistente und geteilte Ansichten unter den Teilnehmer/innen existieren.102 Dies ermöglicht eine direkte Qualitätskontrolle der Datensammlung.103 Auch werden widersprüchliche Aussagen durch die Gruppendynamik rasch deutlich.104 Als Herausforderungen von Gruppendiskussionsverfahren ist zu nennen, dass es aufgrund der höheren Dynamik schwieriger ist, Notizen zu machen und gleichzeitig das Geschehen zu moderieren, weshalb der komplette Vorgang aufgezeichnet

96Vgl.

Liebold / Trinczek (2009), S. 35; Przyborski / Wohlrab-Sahr (2014), S. 11 ff. Liebold / Trinczek (2009), S. 36; Przyborski / Wohlrab-Sahr (2014), S. 123 ff. 98Vgl. Liebold / Trinczek (2009), S. 53. 99Vgl. Lamnek (1998), S. 408; Przyborski / Wohlrab-Sahr (2014), S. 88. 100Vgl. Mangold (1960), S. 39. 101Vgl. Przyborski / Wohlrab-Sahr (2014), S. 93. 102Vgl. Lamnek / Krell (2010), S. 438 ff. 103Vgl. ebd. 104Vgl. ebd. 97Vgl.

162

3  Ablauf der eigenen Forschung und methodisches Vorgehen dabei

wurde. Auch besteht die Gefahr, dass einzelne Teilnehmer/innen die Gruppe dominieren und andere dann kaum zu Wort kommen.105 Die Vorstrukturierung des Feldes erfolgte durch die Auswahl der Expert/ innen, durch die Erstellung eines theoriegeleiteten Aufstellungsdesigns (siehe vorheriger Schritt) sowie die Aufbereitung der Inhalte für die Gruppendiskussion und das Festlegen der Kategorien für die Selbsteinschätzungen. Im Austausch mit den Expert/innen wurden die vorbereiteten Inhalte mit der sozialen Realität konfrontiert. Im Gespräch mit den Expert/innen wurden offene und erzählgenerierende Fragen gestellt und darauf geachtet, dass diese nach einem vertrauten Kommunikationsschema formuliert sind und einen niedrigen Detaillierungsgrad aufweisen. Hierdurch wurden sich möglichst ausführliche, ergiebige und realitätsnahe Antworten erhofft, wobei auch andere Dimensionen und Wirklichkeitskonstruktionen als die erwarteten zugelassen wurden.106 Konzeptionelle Vorüberlegungen konnten während und nach den Gesprächen überdacht und entsprechend der Theoriegenerierung durch die Befragten abgeändert werden. Auch ist zu beachten, dass Kenntnisse des Handlungsfeldes unabdingbar waren, um eine reibungslose Diskussion zu führen, während zu viel Kenntnis den Wissenschaftler zum Co-Experten machen könnte, was der Offenheit der Diskussion zu Lasten ginge.107 Bei der Durchführung der Befragungen wurde auf eine zurückhaltend interessierte Haltung sowie einen situationsadäquaten Fragestil, der den Sprachcodes und dem sozialen Kontext der Interviewpartner angepasst war, geachtet. Den ethischen Grundsätzen der Wissenschaft wurde bei jeder Befragung durch ausreichende Information, ausschließliche Verwendung zu wissenschaftlichen Zwecken und einem Anonymisierungsangebot genüge getan. Bei allen Formen der Expert/innenbefragungen ist zu berücksichtigen, dass die Erhebungssituation nicht unter sterilen Bedingungen stattfinden und Kontextfaktoren wie Status, Geschlecht, Generationen- und Milieuzugehörigkeit der Beteiligten sich auf den Verlauf auswirken.108 Leider zeigt die Erfahrung, dass Expert/innen i.d.R. über wenig freie Zeit verfügen, was Anlass dazu gab, die Befragung möglichst kurz und präzise zu halten. Gleichzeitig sollte aber drauf geachtet werden,

105Vgl.

ebd. Liebold / Trinczek (2009), S. 37. 107Vgl. Liebold / Trinczek (2009), S. 54; Przyborski / Wohlrab-Sahr (2014), S. 125. 108Vgl. Liebold / Trinczek (2009), S. 41. 106Vgl.

3.3  Entstehung und Erhebung der Daten

163

alle Dimensionen und Attribute des Frameworks intuitiver Managemententscheidungen abzudecken. Während die chronologische Abfolge bei der Aufstellung eine zentrale Rolle spielt, um Entwicklungen abbilden zu können, kann die Sequentialität der Expert/innenbefragungen aufgehoben und das empirische Material neu arrangiert werden.109 Inhaltlich ähnliche Aussagen konnten unter thematischen Überschriften paraphrasiert und die einzelnen Passagen einer querdimensionalen Analyse unterzogen werden, um inhaltliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Themenblöcken festzustellen. zum Wesen der Online-Bestandteile Die Expert/innenbefragungen fanden in persönlicher Interaktion in Präsenzveranstaltungen sowie online über speziell für diese Zwecke designte Plattformen statt. Auf den speziellen Online-Charakter der Datenerhebungen soll kurz eingegangen werden. Als besonders vorteilhaft wird hierbei die zeit- und ortsunabhängige Möglichkeit der Teilnahme gesehen, wodurch sich eine rege Beteiligung erhofft wurde. Trotz bestehender Barrieren wurde versucht, bei den Online-Teilen der Befragungen eine größtmögliche Offenheit zu schaffen. Neben der Selbsteinschätzung vorgegebener Kategorien hatten die Befragten auch die Möglichkeit, in offenen Fragefeldern eigene Nennungen ohne Zeichenbegrenzungen abzugeben. Gleiches gilt auch für die ­ Online-Gruppendiskussionen, auch dort konnten die Befragten Freitexteinträge ohne Zeichenbegrenzungen an beliebiger Stelle im Kontext hinterlassen. Ein Vorteil von Online-Gruppendiskussionen liegt darin, dass durch die weniger stark ausgeprägten Gruppendynamiken eine gleichmäßige Beteiligung aller Beteiligen erzielt werden kann.110 Allerdings führt dieser Mechanismus auch dazu, dass sich Gruppenmeinungen schwerer abbilden lassen.111 Da eine Kombination von Online- und Präsenzdiskussion forciert wurde, besteht die Einschätzung, dass sich diese beiden Verfahren ergänzt haben. Durch die Befragung der Expert/innen wurde sich ein tiefgehender Einblick in die Thematik erhofft, insbesondere die folgenden Punkte sollten durch diesen Schritt aufgeklärt werden: • Wie wird im Alltag der Führungskräfte mit Widersprüchen und Spannungen umgegangen? • Welches Setting wird vorgefunden?

109Vgl.

Liebold / Trinczek (2009), S. 42. Lamnek / Krell (2010), S. 438 ff. 111Vgl. ebd. 110Vgl.

164

3  Ablauf der eigenen Forschung und methodisches Vorgehen dabei

• Wie sind intuitive Entscheidungsabläufe im Unternehmen gestaltet? • Wie sehen prototypische Konstellationen von Faktoren in intuitiven Managemententscheidungen aus? • Wie können Entscheidungen aus Intuition heraus, als Teil des professionellen Wirkens, anerkannt und etabliert werden? • Wie kann zwischen den Spannungsfeldern im intuitiven Entscheidungsprozess vermittelt werden?

3.4 Aufbereitung der Daten und Auswertung Die Ergebnisse der Datenerhebungen werden zusammengeführt und gegenübergestellt, um sie einer abschließenden Analyse unterziehen zu können. Dabei wird von der sozialen Strukturiertheit von Wissen, Einschätzungen und Interpretation in der gesellschaftlichen Wirklichkeit ausgegangen, weshalb hinter der Vielfalt individueller Äußerungen eine begrenzte Anzahl typischer Einstellungen, Positionen, Orientierungen, Konstruktionen von Wirklichkeit etc. vermutet wird.112 Diese gilt es, durch die Auswertungsmethoden zu rekonstruieren. Um Aufstellung und Befragungen systematisch und kontrollierbar analysieren zu können, sind Video- und Tonaufzeichnung anzufertigen. Die Transkripte müssen zur adäquaten Auswertung nicht vollständig sein, dennoch sind alle Informationen, die zur Interpretation genutzt werden, zu verschriftlichen.113 Eine selektive Transkription bzw. das Paraphrasieren, um das komplexe Material handhabbarer und kompakter zu gestalten, ist dem Anlass angemessen. Dies stellt als formulierende Interpretation bereits den ersten Interpretationsschritt dar.114 Die Verarbeitung der durch die Aufstellung generierten Daten erfolgt nach einem narrativen Ansatz. Dabei werden die Rohdaten in einem ersten Interpretationsschritt zu einer Erzählung verdichtet. Für die Auswertung liegt der Vorteil darin, dass die sequentielle Struktur der Erzählung die erhobenen Daten handhabbar macht und die Komplexität der umfangreichen Daten reduziert wird. Darüber hinaus können die in der Aufstellung aufgezeigten Zusammenhänge durch die Erzählung transportiert werden, sodass Dritte diesen einen Sinn zuweisen können. Die Nacherzählung setzt sich aus mehreren einzelnen Szenen

112Vgl.

Liebold / Trinczek (2009), S. 44; Przyborski / Wohlrab-Sahr (2014), S. 141. Liebold / Trinczek (2009), S. 41. 114Vgl. Liebold / Trinczek (2009), S. 51-52. 113Vgl.

3.4  Aufbereitung der Daten und Auswertung

165

zusammen. Zur gemeinsamen Analyse der Nacherzählung wurden die Handlungsstrukturen der einzelnen Szenen anhand der Kategorien des Komplikationsmodells115 von Leubner und Saupe (2012) (siehe Abbildung 3.3) aufbereitet.

Abbildung 3.3   Analyserahmen der Nacherzählungen nach dem Komplikationsmodell von Leubner und Saupe. (Eigene Darstellung nach Leubner / Saupe (2012))

Demnach stellt jede Szene eine abgeschlossene Handlung dar, welche aus einer Ausgangssituation, die mit einer Komplikation einhergeht, sowie der Auflösung dieser Komplikation besteht. Die Szenen finden dabei in einem nicht näher definierten Rahmen aus Raum und Zeit statt. Verschiedene Faktoren üben einen Einfluss auf die Komplikation und deren Auflösung aus. Die Komplikation kann aus einem spezifischen Mangel oder einer Schädigung bestehen und im Laufe der Geschichte in positiver oder negativer Form aufgelöst werden. Innerhalb der Szenarien wurden besonders interessant oder relevant erscheinende Szenen als kurze Videosequenzen integriert. Bei der Auswahl der Sequenzen wurde besonders auf Auffälligkeiten geachtet. Es wurde speziell nach Passagen gesucht, in denen Widersprüche auftraten und es zu unvorhersehbaren Brüchen kam. Jene Interaktionen, in denen Konflikte ausgedrückt wurden oder es zu Aushandlungsprozessen und der Auflösung von Konflikten kam, wurden eingängig betrachtet. Es wurde bei der Szenenauswahl also auf alles geachtet, was Spannungen in den Spannungsfeldern ausdrückt. Darüber hinaus werden die Gesamtentwicklungen beschrieben, welche sich innerhalb der Szenen und Kapitel vollzogen. Als fertiges Produkt des Nacherzählungsprozesses entstand ein circa 15-minütiges Video, in welchem in einer Kombination aus Text, Bild und Ton die Geschehnisse der Aufstellung wiedergegeben wurde (siehe Abbildung 3.4). In der

115Siehe

Leubner / Saupe / Richter (2012), S. 98 ff.

166

3  Ablauf der eigenen Forschung und methodisches Vorgehen dabei

Nacherzählung wurde die impressionistische Strategie angewandt, nach der ausgedrückt wird, was in bestimmten Situationen passiert ist. Besonderes Augenmerk wurde auf unvorhergesehene Brüche und Interaktionen, welche Widersprüche ausdrücken, gelegt sowie darauf, eine zusammenhängende Geschichte der Entwicklungen wiederzugeben. Die Verdichtung der Daten zu einer Erzählung ist mit dem Schritt des Paraphrasierens gleichbedeutend und stellt somit einen Eingriff dar, welcher einer ersten Interpretation der Daten gleichkommt.116 So wird bspw. bei den Beschreibungen der Szenen durch die Wortwahl interpretiert. Von daher wurde sich an der Wortwahl sehr an dem orientiert, was von den Repräsentant/innen geäußert wurde, um die Veränderung der Daten minimal zu halten.

Abbildung 3.4   Struktur der Nacherzählung. (Eigene Darstellung)

Zur weiteren Interpretation wurde das Nacherzählungsvideo einer Expert/innengruppe vorgeführt und online zur Verfügung gestellt. Szene für Szene wurden in einem Gruppendiskussionsverfahren Interpretationen für das Gesehene gesammelt und bewertet. Dies erfolgte sowohl in Form einer Präsenzveranstaltung als auch auf einer Online-Videoplattform in virtueller Form. Hierzu wurde das Video auf einer eigens für dieses Promotionsprojekt angelegten Sektion der Edubreak-Lernplattform hochgeladen. Diese OnlineUmgebung verfügt über die Möglichkeit, Videos anzuhalten und Kommentare und Markierungen sekundengenau direkt im Video zu hinterlassen. Hierdurch kann mit den Kommentaren punktgenau auf abgebildete Situationen Bezug genommen werden. Darüber hinaus können auch bestehende Kommentare aufgegriffen und kommentiert werden. Dies ermöglicht eine Online-Gruppendiskussion direkt im Video. Nach Möglichkeit wurde der Gruppe mit der Nacherzählung keine umfassende Interpretation angeboten, sondern nur Szenen

116Vgl.

Liebold / Trinczek (2009), S. 41.

3.4  Aufbereitung der Daten und Auswertung

167

(inklusive Beschreibungen), welche für die Forschungsfrage interessant sind. Die Aufmerksamkeit wurde dabei vom Forschenden auf diese bestimmten Szenen gelenkt, diese wurden aber nur beschreibend und ohne Deutungen zur Verfügung gestellt. Die gewählten Szenen wurden gemeinsam mit der Gruppe noch einmal aufgefächert und um Interpretationen erweitert. Im Fokus standen die Bilder, welche in den Köpfen der Zusehenden erzeugt wurden. Die Gruppenperspektive ist dabei aus mehreren Gründen interessant: Bei einer Gruppe von mehreren Expert/innen, die eine Vielzahl an Vermutungen äußern, ist die Chance höher, dass jemand eine plötzliche Erkenntnis hat. Darüber hinaus gibt es in der Gruppe kommunikative Absicherung.117 Bestätigen andere Gruppenteilnehmer/ innen eine Aussage als nachvollziehbar, so erhöht dies die Chance auf Plausibilität. Die Kommentarfunktion im Video direkt ermöglicht es, zu erkennen, welche Stellen von mehreren Gruppenmitgliedern für interessant gehalten werden. Auch kann in der Gruppe auf den getätigten Aussagen aufgebaut werden, um neue Erkenntnisse zu generieren. Somit liegt die Vermutung nahe, dass die Gruppe sich gegenseitig inspiriert und somit schneller und tiefergehende Interpretationsergebnisse produzieren kann als Einzelpersonen. Am Ende des Auswertungsprozesses erfolgte die Analyse der Aufstellung stellvertretend über die Betrachtung der in der Gruppendiskussion angefallenen Interpretationen zum Geschehen. Hierzu wurden die Gruppendiskussionen ebenfalls wieder als Video- und Tonaufzeichnungen mitgeschnitten sowie die Online-Kommentare gespeichert. Es wurde nicht wie im Verfahren der Aufstellungspartitur die beobachteten Ereignisse der Systemaufstellung Sequenz für Sequenz in der Reihenfolge des Entstehens im Detail interpretiert, sondern Bezug genommen auf die Interpretationen der Gesamtgeschichte sowie der einzelnen Szenen durch die Expertengruppe. Aus der systematischen Betrachtung der hierbei konstruierten Sinnzusammenhänge wurden Thesen (siehe Abschnitt 6.1.) gewonnen, welche zur Beantwortung der Forschungsfrage beitragen. Der Deutungsprozess erfolgt hermeneutisch. Als Hermeneutik wird die Theorie des Verkündens, Übersetzens, Erklärens und Auslegens bezeichnet.118 Aus der Analyse theologischer und philosophischer Texte stammend entwickelte sich die Hermeneutik zur universalen Lehre des Verstehens und zur methodischen Grundlage für die Geisteswissenschaften.119 Als Gegenstand der

117Vgl.

Steinke (2008), S. 326; Weber (2009), S. 160. / Wimmer (2008), S. 364-367. 119Vgl. Veraart / Wimmer (2008), S. 364-367; Sichler (2010), S. 51. 118Vgl. Veraart

168

3  Ablauf der eigenen Forschung und methodisches Vorgehen dabei

Hermeneutik gelten Wirklichkeitsdimensionen, welche durch menschliche Sinndeutungen hervorgebracht oder rekonstruiert werden.120 Ziel der Hermeneutik ist es, ein systematisiertes, praktisches Verfahren zum Verstehen und Auslegen von Inhalten auf reflektierte Weise bereitzustellen.121 Als Methode der Sozialwissenschaften legt die Hermeneutik den Fokus auf die Interpretation von Interaktionsprozessen sowie die Deutung von Interaktions- und Kommunikationsprozessen und deren Produkten.122 Um diese Prozesse nachvollziehen und deuten zu können, wurden Transkripte der Aufzeichnungen der Gruppendiskussionen angefertigt. Bei der Untersuchung der Inhalte sind im Sinne der Hermeneutik die grammatische Ebene (was wurde gesagt?), die psychologische Ebene (Gemütszustand der Autor/innen?) und die Situationen und Einflüsse, welche die Verfasser/innen prägten, zu beachten.123 Sowohl bei der Analyse der Aufstellung als auch der Befragungsergebnisse gilt es, zu ermitteln, was sich hinter den Kernaussagen der Schilderungen verbirgt. Hierzu sind die Inhalte und die vermuteten subjektiven Intentionen in Hinblick auf deren Ursachen zu untersuchen und in Bezug zum dahinterliegenden Setting zu setzen. Ähnliche in der bestehenden Literatur beschriebene Phänomene lassen sich zur Deutung heranziehen. Auch wenn Intuition einen äußerst persönlichen Bereich des Individuums betrifft, soll sie doch als Teil des Verhaltens in sozialen Systemen, sprich Unternehmen, betrachtet werden. Im Sinne der systemorientierten BWL („…nicht das Verhalten von Menschen, sondern das Verhalten sozialer Systeme ist Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre…“)124 sollen aus den Beobachtungen des menschlichen Entscheidens in komplexen Sozialsystemen, praxisgerechte Rückschlüsse gezogen und ggf. Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Der Verstehensprozess ist stets zu reflektieren und die Wechselwirkungen von Forscher und Forschungsobjekt bzw. Forschungssubjekten zu berücksichtigen. Auch sind die angewandten Methoden im Laufe der Forschungsarbeit zu reflektieren und je nach Kontext und Bezugsrahmen auf Tauglichkeit zu prüfen. Gleiches gilt prinzipiell auch für die Forschungsfragen, welche je nach Erkenntnissen, die im Forschungsverlauf entstehen, sukzessive präzisiert oder auch erweitert werden sollen. Thesen können nach und nach gebildet und im Laufe des

120Vgl.

Jung (2001), S. 14. / Wimmer (2008), S. 364-367; Sichler (2010), S. 51-53. 122Vgl. Sichler (2010), S. 53-54. 123Vgl. Sichler (2010), S. 60; Grondin (2009), S. 19. 124Vgl. Ulrich (1988), S. 183. 121Vgl. Veraart

3.4  Aufbereitung der Daten und Auswertung

169

Forschungsprozesses zu einem zusammenhängenden Bezugsrahmen verdichtet werden. Was können wir mitnehmen? • Der Forschungsprozess besteht aus: – dem initialen Abstecken des Forschungsfeldes – dem Betrachten des Forschungsstandes und der unterschiedlichen Sichtweisen auf den Forschungsgegenstand – der Definition der Forschungsfrage (Welche differenziellen Einflussfaktoren existieren im Möglichkeitsraum intuitiver Managemententscheidungen?) – der Definition eines eigenen Forschungsansatzes – der Identifizierung der Einflussfaktoren (personale und situationelle) – der Identifizierung der Spannungsfelder – der Visualisierung des empirischen Phänomens intuitiv getroffener Managemententscheidungen in den entsprechenden Spannungsfeldern, mittels Systemaufstellungen – der Aufbereitung der entstandenen Daten als Nacherzählungsvideos – den Expert/innenbefragungen (Gruppendiskussionen, Online-Gruppendis­ kussionen und Online-Befragungen) – der Analyse des in den Expert/innenbefragungen entstandenen Datenmaterials – der Beschreibung der Mechanismen in den Spannungsfeldern – dem Generieren von Thesen zur Beantwortung der Forschungsfrage – dem Verdichten der Thesen zu einer übergreifenden Theorie – der Reflexion des Forschungsprozesses und der Diskussion der entstandenen Ergebnisse • Der Forschungsprozess findet im Entdeckungsmodus (ergebnisoffen, offene Methoden, Erzeugen von Ideen, Generieren von Theorien, keine Hypothesenprüfung) statt. • Die Datenerhebung und -auswertung folgen dem Forschungsparadigma der ‘Grounded Theory’. • Die Forschungsphasen beeinflussen sich stets gegenseitig und der Forschungsprozess entwickelt sich organisch. • Der Forschungsprozess wird von einer permanenten Reflexion begleitet. • An den Forschungsprozess werden die Gütekriterien qualitativer Forschung (Nachvollziehbarkeit und Plausibilität in der Dateninterpretation, Nachvollziehbarkeit der Erkenntnisschritte) angelegt. • Die Ergebnisse lassen sich nur teilweise generalisieren und bilden subjektiv Wirklichkeitskonstruktionen.

4

Eigener Forschungsansatz

Nachdem die Reise ein Stück weit durch die übergeordneten Gefilde des Forschungsprozesses führte und nochmal ein Blick auf die Reiseroute an sich geworfen wurde, sollen nun einige Punkte der im Kapitel 2 besprochenen Inhalte erneut aufgegriffen werden. Aus den verschiedenen Ansätzen und Sichtweisen zur Intuition soll im folgenden Abschnitt der in dieser Arbeit verwendete Forschungsansatz extrahiert werden. Im Einzelnen sollen hierzu die verwendeten Begriffsbestimmungen definiert und die vermutete Funktionsweise von Intuition beschrieben werden (4.1). Des Weiteren werden die mutmaßlichen Spannungsfelder beschrieben, welche intuitive Managemententscheidungen umgeben (4.2). Darüber hinaus werden die bereits bekannten Einflussfaktoren auf die Intuition in Managemententscheidungen erläutert (4.3) und in diesem Zusammenhang auch mutmaßlich förderliche Aspekte für die Intuition herausgearbeitet.

4.1 In dieser Forschungsarbeit verwendetes Verständnis von Intuition sowie die damit einhergehenden Bestandteile und Funktionsweisen Um ein eigenes Verständnis des Intuitionskomplexes bilden zu können, ist zu berücksichtigen, welche der zahlreich vorhandenen Informationen zur Intuition auf den Prozess der Erkenntnisbildung Einfluss nehmen. Grundlage des eigenen Intuitionsverständnisses ist das allgemein geteilte Intuitionsverständnis, welches in den meisten Forschungen zum Thema angewandt wird. Um dieses allgemeine Intuitionsverständnis verstehen zu können, ist in jedem Fall dessen Entstehung zu betrachten. In den vergangenen Jahrzehnten wurde im Zuge der verstärkten © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 O. Ahel, Intuition im Management, Systemaufstellungen in Wissenschaft und Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31144-5_4

171

172

4  Eigener Forschungsansatz

Beforschung des Intuitionsphänomens ausgelotet, was im Kern unter Intuition zu verstehen ist. Im Laufe dieses Aushandlungsprozess veränderte sich das allgemeine Verständnis, wobei insbesondere drei Phasen hervorzuheben sind:1 • Intuitionsverständnis der 1980er Jahre: Die Intuition setzt sich aus Ratio und Emotionen zusammen und kann getrennte Detailinformationen zu einem schlüssigen Gesamtbild verwandeln.2 • Intuitionsverständnis der 1990er Jahre: Zum Verständnis der 80er Jahre wird die Komponente der Erfahrung ergänzt. Intuition ist somit hauptsächlich Erfahrungswissen, welches sich in Form von Handlungswissen in der konkreten Anwendung äußert.3 • Intuitionsverständnis der 2000er Jahre: Intuition setzt sich zusammen aus dem Erfahrungswissen eines Individuums und der Fähigkeit, Ereignisse, Situationen und Sinnzusammenhänge zu erfassen, zu erkennen und wahrzunehmen.4 Dabei wirkt die Intuition unmittelbar, umfassend und ganzheitlich.5 • Die Intuition lässt sich als schöpferischer Geistesblitz bezeichnen und enthält eine emotionale Komponente, welche für das logisch-rationale Denken häufig nicht nachvollziehbar ist.6 Seitens der verschiedenen Fachdisziplinen wurden verschiedene, mal enger, mal weiter gefasste Definitionen des Intuitionsbegriffes gegeben. An dieser Stelle sollen die zwei für diese Arbeit treffendsten Begriffsbestimmungen noch einmal genannt werden. Als übergreifende Definition, welche alle anderen spezifischeren Definitionen unter sich vereint, kann Intuition als „Teil eines komplexen kognitiven Prozesses der Wahrnehmung, der Informationsverarbeitung und der Handlung“ bezeichnet werden.7 Diese Beschreibung bildet den Überbau der Intuition und damit den Sachverhalt, über den sich vermutlich alle Personen, welche sich auf Intuition beziehen, einig sind.

1Vgl.

Krenzin (2008), S. 43–44. Spätli (1986), S. 81; Zehnder (1986) S. 96. 3Vgl. Krenzin (2008), S. 43–44. 4Vgl. ebd. 5Vgl. ebd. 6Vgl. ebd. 7Shirley / Langan-Fox (1996) in Hänsel (2002), S. 10. 2Vgl.

4.1  In dieser Forschungsarbeit verwendetes …

173

Eine etwas explizitere Definition, welche während des Forschungsprozesses als sehr zutreffend im Hinterkopf gehalten werden soll, ist jene des Intuitionskongresses 1997 in Berkley, Kalifornien, USA.: „Intuition is a clear knowing without being able to explain, how one knows.“8 Des Weiteren wird die in vielen vorausgehenden Forschungsarbeiten9 vertretene Meinung geteilt, es bedürfe zum Thema Intuition keiner endgültigen Definition, da sich die Sichtweise im Laufe des Forschungsprozesses erweitern und verfeinern kann, und jedes Individuum, welches von intuitiven Erfahrungen berichtet, wiederum eine eigene Definition und Sichtweise mit sich bringt. Bei der Interpretation von Beschreibungen des Intuitionsvorganges von Praktiker/ innen wird diese Subjektivität selbstverständlich Berücksichtigung finden. Um auch Praxisbeschreibungen meiner eigenen Intuition in die Untersuchung mit einbeziehen zu können, ist es angebracht, auch das eigene Verständnis von Intuition kurz zu umreißen. Da ich ein großer Freund von Visualisierungshilfen bin und das Thema Bildsprache10 in der intuitiven Wahrnehmung eine wichtige Rolle spielt, soll das in dieser Arbeit verwendete Intuitionsverständnis anhand einiger eigener Abbildungen hergeleitet werden. Der Übersichtlichkeit der Abbildungen wird dabei Vorrang eingeräumt, vor der vollständigen und der maßstabsgetreuen Berücksichtigung aller Eventualitäten. Komplexe Zusammenhänge werden sehr stark vereinfacht dargestellt, um die Abgrenzung des Begriffes zu erleichtern und die Systematik dahinter zu veranschaulichen. Beginnen wir mit den deliberativen Denkmustern, wie sie in ­reflexiv-analytischen Entscheidungen vorkommen und zu Beginn des Absatzes 2.2.1 beschrieben wurden. Die Abbildung 4.1 zeigt den Bereich aller existierenden Informationen, hier als Informationsfeld bezeichnet. In diesem Bereich verläuft eine Grenze, welche die Informationen aufteilt in jene, die für Menschen bewusst wahrnehmbar sind und solche, die von Menschen nicht bewusst wahrgenommen werden können. Durch logisches Schlussfolgern11 kann auf bewusst aufgenommene Informationen zugegriffen werden. Der Erkenntnisgewinn durch logisches Schlussfolgern kann mit dem Beispiel eines Botanikers umschrieben werden. Dieser entdeckt eine unbekannte Pflanzenart im Wald, untersucht die Zellen unter dem Mikroskop und vergleicht diese mit

8Obermayr-Breitfuß

(2005), S. 28. von Cosier (1982); Marton (1994); Goldberg (1995). 10Siehe Abschnitt 2.2.2.5. 11Deduktion, Induktion, Transduktion. 9u.a.

174

4  Eigener Forschungsansatz

Abbildung 4.1   die logische Aufnahme von Informationen. (Eigene Darstellung)

bestehenden Arten, um auf dem bestehenden Wissen aufbauend die Pflanze katalogisieren zu können. Somit wird der Welt die Erkenntnis über die Existenz einer neuen Pflanzenart hinzugefügt. Die Informationen, welche beim logischen Schlussfolgern berücksichtigt werden, sind also eher konkreter Natur, häufig in irgendeiner Form quantifizierbar, häufig nutzbar, um Entscheidungsalternativen zu bewerten und angemessen, um lineare Entscheidungen treffen zu können.12 Alles, was bewusst aufgenommen wurde, kann auch bewusst weiterverarbeitet werden. Lediglich bei den Heuristiken finden unbewusst aufgenommene Daten bzw. die ausgelösten Gefühle durch bewusst aufgenommene Daten im späteren analytischen Vorgehen Anwendung.13 Durch Heuristiken ist es also möglich, an die Grenze des nicht bewusst wahrnehmbaren Bereiches zu gelangen und seicht darüber hinaus. Ein wirklich tiefes Eindringen ins Informationsfeld ist durch die logische Analyse bewusst aufgenommener Daten meiner Meinung nach nicht möglich. Übertragen auf Manager/innen als Entscheider/innen in komplexen Situationen (viele Variablen, hohe Eigendynamik, unsichere Informationen etc.) bedeutet dies, dass die logische Schlussfolgerung an einen Punkt gelangt, an dem die Übersichtlichkeit nicht mehr gewährleistet werden kann.14 An diesem Punkt wäre die Vielzahl an unterschiedlichen Informationen mit deren komplexen Auswirkungen nicht mehr zu bewältigen und es würde vermutlich zu Widersprüchen kommen. Mag ein logisch-schlussfolgerndes Verhalten bspw. für die technischen Aufgaben in der industriellen Produktion oder im Flugverkehr von perfektem Erfolg

12Siehe Abschnitt 2.1.2.

Managemententscheidungen. Part zu Heuristiken im Abschnitt 2.2.1. Erkenntnis und Denkmuster. 14Siehe Part zu komplexen Entscheidungen im Abschnitt 2.1.2. Managemententscheidungen. 13Siehe

4.1  In dieser Forschungsarbeit verwendetes…

175

gekrönt sein, so könnte dieselbe Herangehensweise bei weicheren Aufgabenstellungen wie bspw. jenen des Gesundheits- oder Bildungswesens versagen. Zur Lösung solcher Aufgaben bedarf es einer Variation des Denkrahmens, welche sich von der Logik unterscheidet und Widersprüche nicht als Fehler eliminiert, sondern als Quelle neuer Entwicklungen und lebendiger Prozesse nutzt.15 Die Intuition vermag, unbewusst Ordnung herzustellen und die Widersprüche in die Entscheidungsfindung zu integrieren.16 Die Gründe dafür, dass das menschliche Bewusstseins lediglich eine begrenzte Menge an Informationen kognitiv berücksichtigen kann, sind gleichermaßen nachvollziehbar wie sinnvoll. Der überwiegende Teil der aufgenommenen Informationen wird von den Erfahrungsmustern im Gehirn systematisch gefiltert, um die psychische Gesundheit zu erhalten und Überforderung vorzubeugen.17 Dabei gehen aber auch viele entscheidungsbildende Informationen verloren, welche dann über einen anderen Kanal ins Bewusstsein treten müssten.18 Die Vermutung liegt nahe, dass auf diese Weise schwer fassbare Information, welche der logisch-analytischen Ebene verborgen bleiben, schemenhaft im Bewusstsein erscheinen. Um diese Informationen zu berücksichtigen, bedarf es einer anderen Herangehensweise an das Informationsfeld und einem anderen Umgang mit Informationen. Abbildung 4.2 illustriert, wie in dem für diese Arbeit gewählten Intuitionsverständnis über die Funktion der unbewussten Wahrnehmung der Intuition auch jene unzugänglichen Informationen aus dem Informationsfeld aufgenommen werden, welche der logischen Verarbeitung verschlossen bleiben. Intuitiv kann nach dieser Vorstellung auch auf vage, nicht greifbare Informationen zugegriffen werden, von deren Wahrheitsgehalt die intuierende Person aber überzeugt ist. Dafür wäre es dem menschlichen Geist dann aber nicht möglich, bewusst intuitiv Informationen aufzunehmen, da sich im Falle der bewussten Auseinandersetzung sofort logische Verarbeitungsprozesse einschalten würden.

15Vgl.

Obermayr-Breitfuß (2005), S. 30. Parts zu (psychologischen) Komponenten der Intuition in 2.2.2.2. Intuition in der Psychologie und der Psychotherapie. 17Siehe die Parts zu Erfahrung, Mustererkennung und Wahrnehmungsfiltern in den Abschnitt 2.2.2.2. Intuition in der Psychologie und der Psychotherapie, 2.2.2.3. Intuition in der Neurowissenschaft und 2.2.2.4. Intuition in der Pädagogik. 18Siehe ebd. 16Siehe

176

4  Eigener Forschungsansatz

Abbildung 4.2   die intuitive Aufnahme von Informationen. (Eigene Darstellung)

Auch wenn die logische und die intuitive Herangehensweise Informationen völlig unterschiedlich behandeln, so sind sie doch untrennbar miteinander verbunden.19 Auf der einen Seite wirkt sich die eingehende Beschäftigung mit einem Thema auf logischer Ebene meist förderlich auf einen intuitiven Erkenntnisgewinn aus.20 Auf der anderen Seite kann keine intuitive Erkenntnis für sich stehenbleiben, sondern müsste logisch-analytisch weiterbearbeitet werden, um im Endeffekt eine Entscheidung realisieren zu können. Insbesondere da in der Realität keine Entscheidung ausschließlich logisch oder ausschließlich intuitiv getroffen werden kann, soll in Abbildung 4.3 versucht werden, beide Ebenen in Verbindung miteinander darzustellen. Abbildung 4.3 zeigt, wie Informationen im Bereich des bewusst Wahrnehmbaren unter logischen Gesichtspunkten betrachtet werden und zur weiteren unbewussten Bearbeitung von der Intuition in den unbewussten Bereich überführt werden. Zusätzlich werden unbewusst Informationen aus den Tiefen des nicht wahrnehmbaren Informationsfeldes aufgenommen. Wird die bewusste Nutzung der Hirnkapazität zugrunde gelegt, vollzieht sich der bei weitem überwiegende

19Vgl.

Obermayr-Breitfuß (2005), S. 243; Gigerenzer (2008), S. 27; Simon (1987) in Mintzberg (1991), S. 79. 20Vgl. Küpers (2015), S. 77; Runco (2007), S. 19 ff.; siehe insbesondere den Part über das vier-Stufen-Modell im Abschnitt 2.2.2.5. Intuition in der Kreativitätsforschung.

4.1  In dieser Forschungsarbeit verwendetes …

177

Abbildung 4.3   die logische und intuitive Aufnahme von Informationen. (Eigene Darstellung)

Teil der permanenten Informationsaufnahme jenseits der Grenze der bewussten Wahrnehmung.21 Der Prozess der Informationsverarbeitung, welcher die Initialzündung für die intuitive Erkenntnis hervorruft, entzieht sich komplett der bewussten Wahrnehmung.22 Wie erwähnt, kann hierfür die ­analytisch-logische Auseinandersetzung mit dem Thema den Geist vorbereiten.23 Das Ergebnis der unbewussten Informationsverarbeitung wird nach dieser Vorstellung in den bewussten Bereich überführt und taucht somit als plötzliche intuitive Erkenntnis im Bewusstsein auf. Mit dieser Erkenntnis könnte dann nach Belieben weiter verfahren werden. Jede Geistesleistung (wie bspw. das Treffen einer Entscheidung) ist also eine Synthese aus logischer und intuitiver Leistung (siehe Abbildung 4.4).24 Aus der Wechselwirkung von Intuition und Logik werden auch die jeweiligen Stärken und Schwächen deutlich. Bspw. lässt sich durch bewusstes Nachdenken besonders gut prüfen, ob Alternativen bestimmten formalen Kriterien standhalten.25 Die Intuition vermag hingegen, besser komplexe Informationen zu einem Gesamteindruck zu integrieren.26 Folglich ist es sinnvoll, sich zur angemessenen Zeit bewusst auf unbewusste Denkprozesse einzulassen.27

21Siehe

Part über Hirnaktivität im Abschnitt 2.2.2.3. Intuition in der Neurowissenschaft. Kozbelt / Beghetto / Runco (2010), S. 31; siehe insbesondere den Part über das vierStufen-Modell im Abschnitt 2.2.2.5. Intuition in der Kreativitätsforschung. 23Siehe oben. 24Vgl. Obermayr-Breitfuß (2001), S. 27. 25Vgl. Schultz (2011), o. S. 26Vgl. ebd. 27Vgl. ebd. 22Vgl.

178

4  Eigener Forschungsansatz

Abbildung 4.4   geistige Leistung als Synthese aus Logik und Intuition. (Eigene Darstellung nach Obermayr-Breitfuß (2005))

In dieser Arbeit wird von einem Menschenbild ausgegangen, welches mit dem Bedürfnis versehen ist, nach Erkenntnis zu streben und dem es ein Anliegen ist, die Grenze der bewussten Wahrnehmung zu verschieben, um einen größeren Teil der Informationsaufnahme steuern und nutzen zu können. Abbildung 4.5 zeigt eine Darstellungsweise, welche die Intuition als einen Moment abbildet, in dem die unbewusste Information die Grenze der bewussten Wahrnehmung überschreitet und im Bewusstsein zur Erkenntnis wird. Die beiden unterschiedlichen Möglichkeiten, Erkenntnis zu generieren, werden hier von den Denkweisen ‘logisches Schlussfolgern’ und ‘Abduktion’ dargestellt.28 Es soll verdeutlicht werden, dass es sich zwar um grundverschiedene Herangehensweisen handelt, Informationen zu generieren, welche jedoch im gegenseitigen Informationsaustausch miteinander stehen können.29 Da sich die Grenzen der Wahrnehmung vermutlich nur schwerlich verändern lassen, kann es

Abbildung 4.5   der Moment der Intuition. (Eigene Darstellung)

28Siehe Abschnitt 2.2.1. 29Siehe

oben.

Erkenntnis und Denkmuster.

4.1  In dieser Forschungsarbeit verwendetes …

179

ratsam sein, auf die seit langer Zeit im menschlichen Wesen verankerte Fähigkeit zur Intuition zurückzugreifen, um einzelne benötigte Informationen gezielt (aber ungesteuert) zu überführen. Nach diesen etwas abstrakteren, globaleren Darstellungen mit der Beziehung zum Informationsfeld im Fokus, soll in Abbildung 4.6 das Individuum in den Mittelpunkt rücken. Im abgebildeten Individuum sind die rational schlussfolgernden Prozesse (Abduktion, Induktion, Transduktion…) sinnbildlich durch das Gehirn dargestellt. Auf dieser Ebene werden alle rational begründeten Entscheidungen getroffen. Als Entscheidungsgrundlage dienen alle mit den menschlichen Sinnen bewusst aufgenommenen Informationen. Der Magen symbolisiert die Heuristiken und Bauchentscheidungen, also all jene Entscheidungen, welche aufgrund

Abbildung 4.6   das Individuum und die Intuition. (Eigene Darstellung, umgesetzt von Darya Marzur)

von Vereinfachungen und Faustregeln getroffen werden. Hierunter fallen alle unbewussten Prozesse, deren logische Abläufe bekannt sind, aber nicht immer bewusst angewandt werden. Die Intuition geht in diesem Bild aber noch darüber hinaus. Nach der bewussten Aufnahme von Informationen, der Beschäftigung mit einem Thema und der unbewussten Aufnahme großer Informationsmengen tritt plötzlich eine Erkenntnis ins Bewusstsein.30

30Siehe

vier-Stufen-Modell.

180

4  Eigener Forschungsansatz

Intuition kann sich in Form körperlicher Reaktionen31 manifestierten, in Form bildhafter Sprache32 oder durch einen kurzen Satz. All diese Resultate sind dabei Reaktionen auf die psychologischen Verarbeitungsprozesse, in denen sich subliminal wahrgenommene Informationen mit Erfahrungen und Bewertungsmustern und verborgenen Emotionen mischen.33 Der intuitive Erkenntniseffekt kann dabei bspw. zwischen Urteilsbildung, Verknüpfung von Beziehungen oder Überblick über den Gesamtzusammenhang variieren.34 Neben der Möglichkeit des Erkenntnisgewinns heben Praktiker/innen häufig auch den Aspekt der Selbststeuerung im Rahmen professionellen Handelns hervor.35 Aus emotionalen, ­ sinnlich-körperlichen oder bildhaft-assoziativen Erlebnissen erwächst eine Qualität der Handlungssteuerung, welche in Punkto Intensität nicht durch rationale Schlussfolgerung erreicht werden kann.36 In Bezug auf dieses Schaubild soll diese Forschungsarbeit die Frage beantworten, welche Konstellationen vorliegen, wenn sich der Kanal zum Informationsfeld für die Intuition öffnet. Um den ganzheitlichen Charakter des Intuitionsbegriffes angemessen erfassen zu können, bedürfte es einer Betrachtung, in der möglichst viele der gesammelten Aspekte und Zusammenhänge berücksichtigt werden. Um in der unübersichtlichen Landkarte nicht den Überblick zu verlieren, wird sich an dieser Stelle hauptsächlich auf die managementbezogenen Gesichtspunkte konzentriert. Zur näheren Untersuchung des Intuitionsphänomens, insbesondere hinsichtlich der Herausarbeitung von Faktoren eines intuitionsförderlichen Settings, ist zunächst die Entwicklung von Intuition zu betrachten. Das Potential zur Intuition gilt zwar als angeboren,37 verstärkt sich allerdings durch Sozialisation und Lernen.38 Somit besteht prinzipiell die Möglichkeit, das vorhandene Intuitionspotential von Personen zu steigern. Als eine Möglichkeit der lehrreichen Umsetzung von Intuition wird bspw. Improvisation (‘performing action’) genannt.39 Als weiteren

31Vgl.

Damasio (1999), S. 272. Thomä / Kächele (1985), S. 358. 33Vgl. Jung (2001 bzw. im Original von 1921), S. 199; Goldberg (1995) in Gottwald (2015). 34Vgl. Baylor (1997), S. 188 ff. 35Vgl. Senge (1990) in Hänsel (2002), S. 11. 36Vgl. Schmidt / Hipp / Caspari (1999) in Hänsel (2002), S. 11. 37Siehe bspw. Cappon (1994). 38Siehe bspw. Vaughan (1988); Zeuch (2004); Küpers (2015). 39Vgl. Crossan (1998), S. 593. 32Vgl.

4.1  In dieser Forschungsarbeit verwendetes …

181

Ansatzpunkt wird die enge Verbindung zum Bereich der Kreativität gesehen. Aufgrund prinzipieller Ähnlichkeiten und Überschneidungen dieser beiden Komplexe40 erscheint auch die Übertragbarkeit von Techniken und Maßnahmen der Kreativitätsförderung (bspw. persönlicher Bezug von Künstler/innen zum Werk) als möglich und sinnvoll. Die erwähnte Ähnlichkeit wird besonders bei der Betrachtung des Ablaufs des Intuitionsprozesses deutlich. Prototypische intuitive Entscheidungsprozesse setzen sich i.d.R. aus einer Kombination zwischen Emotion und Intellekt zusammen.41 Im Vorfeld wird sich rational (bspw. analytisch) mit einem Thema auseinandergesetzt.42 Dieses bewusste Denken kann als Vorbereitung oder Initialzündung für die intuitive Eingebung (Illumination) dienen.43 Im Unterbewusstsein entsteht Intuition, welche rasch im Bewusstsein auftaucht, wobei die tiefen Gründe im Verborgenen bleiben.44 Aufgrund der schnellen Geschwindigkeit des intuitiven Geistesblitzes entsteht der Eindruck eines Automatismus.45 Der Zeitpunkt an welchem die ausreichende Informationsgüte erreicht ist und genug Informationen zu einem Thema aufgenommen wurden, wird von der Intuition bestimmt und kann über Emotionen ausgedrückt werden.46 Aus der Kreativitätsforschung ist bekannt, dass auch Perspektivwechsel oder Änderungen des Bewusstseinszustandes genutzt werden können, um die Illumination zu erreichen.47 Die folgende Abbildung soll diesen idealtypischen Ablauf der Intuition verdeutlichen (Abbildung 4.7). Abschließend sei noch einmal ergänzt, dass alle aufgeführten Abbildungen des Intuitionsphänomens hier eine idealtypische Linearität wiedergeben, welche so sicher nicht existiert. Vielmehr gibt es höchstwahrscheinlich auch Rückkopplungen, hin-und-her-Bewegungen der Informationen zwischen den Bewusstseinsstufen sowie frühzeitige Abbrüche des Prozesses ohne das Resultat intuitiver Erkenntnis.

40Siehe Abschnitt 2.2.2.5.

Intuition in der Kreativitätsforschung. Whitecotton (1998) in Küpers (2015), S. 82; von Niederhäusern (2015), S. 187. 42Vgl. Küpers (2015), S. 77. 43Vgl. ebd. 44Vgl. Gigerenzer (2008), S. 25. 45Vgl. Runco (2007), S. 28. 46Vgl. Küpers (2015), S. 71. 47Vgl. Kozbelt / Beghetto / Runco (2010), S. 30. 41Vgl.

182

4  Eigener Forschungsansatz

Abbildung 4.7   prototypischer Ablauf eines Intuitionsprozesses. (Eigene Darstellung)

Was können wir mitnehmen? • In dieser Arbeit wird Intuition, vom Autoren verstanden als der Moment, in dem eine neue Erkenntnis im Bewusstsein zur Verfügung steht, nachdem Informationen bewusst und/oder unbewusst aufgenommen und unbewusst verarbeitet wurden. • Es wird von einer Intuition ausgegangen, welche punktuelle Überschneidungen zum logischen Denken hat (bspw. in Form von Heuristiken oder vorangehender bewusster Auseinandersetzung mit einem Thema), sich ansonsten aber vom logischen und bewussten Analysieren und Kombinieren abgrenzt. • Alle benötigten Informationen für einen intuitiven Erkenntnisgewinn befinden sich im Informationsfeld; die Informationen können in unterschiedlicher Form vorliegen und über verschiedene Kanäle aufgenommen werden. Im Laufe der Informationsverarbeitungsprozesse kann sich das volle Potential der Informationen entfalten.

4.2 Spannungsfelder intuitiver Managemententscheidungen Bereits bei den Überlegungen zur Forschungsfrage verbreitete sich die Ahnung, dass Spannungsfelder in dieser Arbeit eine zentrale Rolle einnehmen sollten und mit zunehmender Auseinandersetzung mit der Literatur zum Themenbereich verstärkte sich dieser Eindruck. Bevor auf die einzelnen Spannungsfelder eingegangen wird, soll zum besseren Verständnis über die Beschaffenheit dieser Arbeit vorweg etwas umrissen werden, was das Wesen eines Spannungsfeldes ausmacht. In dieser Arbeit wird der Annahme gefolgt, dass keine reale Entscheidung im kontextfreien Raum stattfindet, sondern stets an ein Umfeld

4.2  Spannungsfelder intuitiver Managemententscheidungen

183

gebunden ist. In jenem Umfeld wirken meist Kräfte, welche sich gegenseitig beeinflussen können und eine gewisse Spannung erzeugen.48 Ein Spannungsfeld ist also ein Bereich, in welchem gegensätzliche Kräfte sich gegenseitig beeinflussen und Spannung erzeugen.49 Diese Spannung hat unweigerliche Auswirkungen auf die im Spannungsfeld befindlichen Personen (bspw. in Form von psychischer Anspannung) und die Arbeitsweise, welche im Spannungsfeld an den Tag gelegt werden kann (bspw. in Form von Arbeitsregeln).50 Darüber hinaus ist die Spannung im Feld auch jene treibende Kraft, welche es ermöglicht, dass etwas entstehen kann.51 Prinzipiell wird ein Spannungsfeld durch seine Pole definiert.52 Wie bei den entgegengesetzten Richtungen eines Kontinuums stellen die Pole Wirkprinzipien (bspw. Autonomie und Kontrolle) dar, welche sich gegenüberstehen.53 Jeder Pol im Spannungsfeld vermag, etwas zum Verhalten der Elemente im Spannungsfeld beizutragen.54 Allerdings ist jeder funktionierende Pol auch auf seinen Gegenpol angewiesen, um etwas entstehen zu lassen (bspw. kann ohne bestehende Regeln und die Kontrolle der Einhaltung keine Autonomie existieren, welche sich von dieser Kontrolle befreit).55 Das Fehlen eines Pols würde die Spannung auflösen und das Feld um seine schöpferische Kraft berauben.56 Gewisse Gemeinsamkeiten der in dieser Arbeit verwendeten Pole lassen es zu, die beschriebenen Spannungsfelder zur weiteren Untersuchung zu Doppelspannungsfeldern zusammenzuführen. Diese Doppelspannungsfelder können auch als Dilemmaquadrate bezeichnet werden und haben ihren Ursprung im syllogischen Quadrat der aristotelischen Logik, welches bspw. Zustände wie ‘Alle’, ‘Keine’, ‘Einige’, ‘Einige nicht’ in quadratische Beziehung zueinander setzt.57 Aus diesem syllogischen Quadrat leitete Hartmann (1926) das Wertequadrat und Schulz von Thun (1989) das Werte- und Entwicklungsquadrat her. In diesem werden ethische Werte (bspw. Geiz und Großzügigkeit sowie Sparsamkeit und Verschwendung)

48Vgl. Voß

/ Narbeshuber (2015), S. 2. Emerson (1910), S. 12 Gebser (1971), S. 26 ff. 50Vgl. ebd. 51Vgl. ebd. 52Vgl. Woithe (2018), S. 125. 53Vgl. ebd. 54Vgl. ebd. 55Vgl. Emerson (1910), S. 13; Bauer-Mehren / Köstler (2012), S. 55; Küpers (2015), S. 73. 56Vgl. ebd. 57Vgl. Varga von Kibéd / Sparrer (2009), S. 77 ff. 49Vgl.

184

4  Eigener Forschungsansatz

g­ egenübergestellt.58 In sogenannten Dilemma-Aufstellungen ist es üblich, dass Elemente in Spannungsfeldern oder Dilemmaquadraten platziert werden, um herauszufinden, wie sich das System dazu verhält.59 Unter den Punkten 4.2.1 bis 4.2.4 sollen die Spannungsfelder vorgestellt werden, welche als diejenigen energetischen Felder identifiziert wurden, in denen intuitive Managemententscheidungen getroffen werden. Die Punkte 4.2.5 und 4.2.6 thematisieren die aus den Spannungsfeldern gebildeten Dilemmaquadrate.

4.2.1 Spannungsfeld zwischen Intuition und Transparenz Im Hinblick auf das Legitimationsproblem wird auf den ersten Blick die Existenz eines Spannungsfeldes zwischen nicht rational begründbarer Intuition als Entscheidungsgrundlage und dem Anspruch auf transparente, nachvollziehbare Entscheidungen deutlich (Abbildung 4.8). Je stärker eine Entscheidung von der Intuition geprägt ist, umso weniger nachvollziehbar ist diese Entscheidung für Dritte: Intuitive Entscheidungen sind per Definition derart intransparent, dass sie meist nicht einmal vom Entscheidungsträger selbst durchdrungen werden können.60 Aus der nachvollziehbaren Angst vor überhandnehmender Willkür und damit verbundenem ineffizienten Ressourceneinsatz herrscht in der hiesigen Managementkultur ein starkes Verlangen nach Transparenz und Nachvollziehbarkeit vor.61 Es ist vorstellbar, dass Stakeholder aufgrund von Unsicherheit und schlechter Einschätzbarkeit des Entscheidungsrisikos, den Manager/innen für intransparente Entscheidungen die Legitimation verweigern. Um die gewünschte Form der Legitimation realisieren zu können, bedarf es also rationaler Nachvollziehbarkeit.62 Die Forderung nach rationaler Nachvollziehbarkeit macht nach dieser Logik aber jede Form der Intuition unmöglich. Auf diese Weise bildet sich ein nicht auflösbares Spannungsfeld.

58Vgl.

Schulz von Thun (2015), S. 88 ff. bspw. Müller-Christ / Klein / Limberg-Strohmaier (2015) oder Müller-Christ / Pijetlovic (2017). 60Siehe verwendete Definitionen im Abschnitt 4.1. sowie die in Abschnitt 2.2. vorgestellten Ansätze. 61Vgl. Gigerenzer / Gaissmaier (2015), S. 24; Hofmann (2007), S. 7; Sauer / Sauer (2018), o. S.; Klenk (2009), S. 2. 62Siehe Abschnitt 2.3. Legitimation. 59Siehe

4.2  Spannungsfelder intuitiver Managemententscheidungen

185

Abbildung 4.8   das Spannungsfeld zwischen Transparenz und Intuition. (Eigene Darstellung, in Umsetzung unterstütz von Darya Marzur)

Hieraus ergeben sich folgende Fragen: • Wie verhalten sich die Elemente in den Spannungsfeldern? • Welche Beziehungen existieren in den Spannungsfeldern? • Wie kann zwischen Intuition und Transparenz vermittelt werden?

4.2.2 Spannungsfeld zwischen Effektivität und Freiräumen Des Weiteren wird ein Spannungsfeld zwischen Effektivität und Freiräumen identifiziert, welches direkt das Setting der Managemententscheidung betrifft (Abbildung 4.9). Freiräume, Möglichkeitsräume, Schonräume, Experimentierräume und Spielräume sind nötig, um zufällig und intuitiv etwas Neues entstehen zu lassen.63 Um Innovationen hervorzubringen, bedarf es dieser Freiräume.64 Auf der anderen Seite entziehen sich organisatorische Freiräume, wie die Vorsilbe ‘Frei’ suggeriert, der Kontrolle des Unternehmens und die dort gebundenen

63Vgl.

Kaudela-Baum / Brasser (2015), S. 118, Nidiaye / Gottwald / Hormann / BesserAnthony (1997), S. 19, S. 164 und S. 168. 64Vgl. ebd.

186

4  Eigener Forschungsansatz

Ressourcen können im restlichen Betriebsablauf nicht effizient genutzt werden.65 Somit besteht das permanente Risiko, dass Freiräume zu Lasten des Unternehmenserfolges gehen. Andererseits kann die Intuition im Ergebnis hochgradig effektiv sein und Effektivität ist ein Produkt, an dem Unternehmen durchaus großes Interesse haben, um den Unternehmenserfolg zu steigern.66 Das System des Unternehmens neigt aber dazu, die bestehenden, auf Effektivität aus-

Abbildung 4.9   das Spannungsfeld zwischen Effektivität und Freiraum. (Eigene Darstellung, in Umsetzung unterstütz von Darya Marzur)

gerichteten Strukturen und Prozesse zu erhalten und zu reproduzieren und die für Intuition nötigen Freiräume dadurch einzuschränken.67 Hieraus ergeben sich folgende Fragen: • Wie verhalten sich die Elemente in den Spannungsfeldern? • Welche Beziehungen existieren in den Spannungsfeldern? • Wie kann zwischen produktiver Ordnung und den Bedingungen für produktive Unordnung und Offenheit vermittelt werden? • Wie können Abläufe in einem Unternehmen gestaltet sein, um erfolgreiche intuitive Entscheidungen zu fördern? • Inwieweit kann unter den herrschenden Arbeitsbedingungen Intuition entstehen? • In welcher Weise wirken welche Faktoren auf die Intuition ein?

65Vgl.

Fröse / Dievernich / Kaudela-Baum (2015), S. 350. Fröse / Dievernich / K ­ audela-Baum (2015), S. 352. 67Vgl. Becke (2008), S. 81. 66Vgl.

4.2  Spannungsfelder intuitiver Managemententscheidungen

187

4.2.3 Spannungsfeld zwischen Intuition und Verantwortung Hinsichtlich der Legitimität wird die Existenz eines Spannungsfelds vermutet, welches sich darin äußert, dass der Aufwand zur Legitimation intuitiver Managemententscheidungen besonders hoch ist, wenn von der Entscheidung auch Dritte unmittelbar betroffen sind (Abbildung 4.10).

Abbildung 4.10   das Spannungsfeld zwischen Verantwortung und Intuition. (Eigene Darstellung, in Umsetzung unterstütz von Darya Marzur)

Während es prinzipiell sehr einfach ist, sich selbst Legitimität für persönliche Entscheidungen zu verleihen, ist es entsprechend aufwändig, Legitimität von relevanten Gruppen einzufordern.68 Im Fall intuitiver Managemententscheidungen wäre dies insbesondere dann der Fall, wenn es bspw. darum ginge, einen Beitrag zu Kollektivzielen zu leisten, wenn Verantwortung für andere übernommen wird oder andere von den Konsequenzen der Entscheidung abhängig sind. Das Wesen von Managemententscheidungen bringt es allerdings mit sich, dass diese eine lange Tragweite haben, von der i.d.R. auch Dritte betroffen sind.69 Intuitiv getroffene

68Siehe Abschnitt 2.3.

Legitimation. Managemententscheidungen.

69Siehe Abschnitt 2.1.2.

188

4  Eigener Forschungsansatz

Managemententscheidungen bringen es aufgrund der intuitiven Komponente mit sich, dass die Entscheidungsgrundlage für diese Personen nicht nachvollziehbar ist. Der Wunsch nach nachvollziehbaren und logischen Entscheidungsgrundlagen speist sich aus der Ablehnung von willkürlicher Fremdkontrolle sowie dem Streben nach Selbstverwirklichung und Autonomie im humanistischen Menschenbild.70 Sofern die Konsequenzen der getroffenen Entscheidungen lediglich die Entscheider/innen selbst berühren, dürfte von dritter Seite kein Interesse an den getroffenen Entscheidungen bestehen. Auf der anderen Seite würde es den Entscheidungsträger/innen wesentlich leichter fallen, im privaten Kontext für sich selbst Entscheidungen intuitiv zu treffen als im professionellen Kontext für andere. Der schwerwiegende Posten der Verantwortung kann in einer Entscheidungssituation dazu führen, dass die Parameter der Entscheidungsgrundlage einer vielfachen Prüfung unterzogen werden, was wiederum dann keine intuitive Entscheidung mehr wäre. In intuitiven Managemententscheidungen sind stets beide Pole involviert, da die Entscheidung intuitiv zustande kommt, aber von den Konsequenzen stets auch Dritte betroffen sind. Diese soziale Komponente der Intuition zieht vor allem die Fragen nach sich: • Wie verhalten sich die Elemente in den Spannungsfeldern? • Welche Beziehungen existieren in den Spannungsfeldern? • Wie kann verantwortungsvoll mit der Intuition als Quelle von Erkenntnis und als Entscheidungsgrundlage umgegangen werden? • Inwiefern wirken Entscheidungstyp und Verantwortung in diesem Spannungsfeld zusammen?

4.2.4 Spannungsfeld zwischen medialer Vernetzung und Selbstwahrnehmung Auf der sozialen Ebene wird noch ein weiteres Spannungsfeld geortet, welches vorwiegend die Aufmerksamkeit der Entscheidungsträger/innen betrifft (Abbildung 4.11).

70Vgl.

Gigerenzer / Gaissmaier (2015), S. 24; Skora (2006), o. S.

4.2  Spannungsfelder intuitiver Managemententscheidungen

189

Abbildung 4.11   das Spannungsfeld zwischen medialer Vernetzung und Selbstwahrnehmung. (Eigene Darstellung, in Umsetzung unterstütz von Darya Marzur)

Der Pol der Selbstwahrnehmung rührt aus dem persönlichen Bezug, welchem eine maßgebliche Rolle im intuitiven Prozess einzuräumen ist.71 Da die Intuition so eng mit der eigenen Emotionswelt verbunden ist und sämtlicher persönlicher Bezug zum Thema in den Entscheidungsprozess einfließt, kann eine nach innen gerichtete Aufmerksamkeit einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der Intuition leisten.72 Allerdings würde eine ausschließlich auf sich selbst gerichtete Aufmerksamkeit autistische Züge annehmen und wäre somit ungeeignet, um Intuition entstehen zu lassen. Um intuitiv Managemententscheidungen treffen zu können, sind auch immer Informationen aus anderen Systemen einzubeziehen sowie weitreichende Wirkzusammenhänge und Beziehungen zu berücksichtigen.73 Aus diesem Grund befindet sich als Gegengewicht zur Selbstwahrnehmung gegenüberliegend der Pol der medialen Vernetzung. Multimediale Kommunikation und die Informationsaufnahme über das globale Datennetz gehören heute auf allen Managementebenen zum normalen Standard.74 Die Vorteile der genutzten Informationstechnologie liegen hauptsächlich in einer erheblichen Zeitersparnis pro Kommunikation75, einer extrem hohen und leicht zugänglichen D ­ atenbasis

71Siehe Abschnitt 2.2.2.2.

Intuition in der Psychologie und der Psychotherapie sowie 2.2.2.5. Intuition in der Kreativitätsforschung. 72Siehe Abschnitt 2.2.2.2. Intuition in der Psychologie und der Psychotherapie und 2.2.2.3. Intuition in der Neurowissenschaft. 73Siehe 2.1.2. Managemententscheidungen. 74Vgl. Thelen (2014), S. 369; Jenner (2015), S. 199 ff.; Tapscott (1997), S. 23 ff. 75wird leider häufig durch eine Erhöhung der Anzahl an Kommunikationseinheiten kompensiert.

190

4  Eigener Forschungsansatz

sowie der Überwindung geographischer Entfernungen und kultureller Unterschiede.76 Folglich könnte der menschliche Geist dank der medialen Vernetzung mit einer Vielzahl an Informationen gefüttert werden, welche dann vom Unterbewusstsein zur intuitiven Entscheidung weiterverarbeitet werden. Darüber hinaus baut die mediale Vernetzung der Welt Grenzen ab und kann ein globales Gemeinschaftsgefühl schaffen, welches dazu beiträgt, die eigene Rolle in der globalen Gesellschaft besser zu verstehen und anzunehmen.77 Dies könnte dazu führen, dass eine holistische Sichtweise eingenommen wird, in welcher sich das Individuum als einen Teil des ‘Großen und Ganzen’ begreift. Auf der anderen Seite äußert sich aber auch die Befürchtung, dass bei aller virtueller Vernetzung entscheidende Merkmale verloren gehen könnten, welche zum Treffen intuitiver Entscheidungen notwendig sind. So könnte es bspw. sein, dass mit der zunehmenden medialen Vernetzung eine Entgrenzung zwischen virtueller und analoger Welt entsteht. Menschen empfinden plötzlich beide Welten als gleich wichtig und fühlen sich auch in beiden Lebenswelten gleichermaßen involviert.78 Dies könnte zu Lasten der emotionalen Stabilität gehen und das Fehlen des Austausches mit realen sozialen Kontakten könnte zu fortschreitender Singularisierung oder einem Verlust der Empathiefähigkeit führen.79 Das empathische Aufnehmen von Informationen in sozialer Interaktion stellt allerdings eine wichtige Voraussetzung für die Intuition dar.80 Dieses Spannungsfeld der Aufmerksamkeit wirft die Frage auf: • Wie verhalten sich die Elemente in den Spannungsfeldern? • Welche Beziehungen existieren in den Spannungsfeldern? • Inwiefern integriert die Informationstechnologie nützliche oder hemmende Faktoren für die Intuition? • Welche IT-Faktoren wirken beim Treffen von Managemententscheidungen?

76Vgl. Jenner (2015), S. 199 ff.; Krcmar / Reb (2000), S. 8; Dejonckheere / Flecker / Van Hootegem (2001), S. 5; Tapscott (1997), S. 22 ff. 77Vgl. Bühl (2000), S. 33 ff. 78Vgl. Jung (2017), S. 857. 79Vgl. Terkel (2012), S. 56, 172 und 293; Reckwitz (2017), S. 15 ff. 80Siehe 2.2.2.2. Intuition in der Psychologie und der Psychotherapie, 2.2.2.4. Intuition in der Pädagogik und 2.2.2.7 Intuition und Informationstechnologie.

4.2  Spannungsfelder intuitiver Managemententscheidungen

191

4.2.5 Dilemmaquadrat zwischen ‘Intuition’ und ‘Transparenz’ sowie zwischen ‘Effektivität’ und ‘Freiräumen’ Hierbei handelt es sich um Spannungsfelder, welchen starke Objektbezogenheit zugeschrieben wird. (Abbildung 4.12)

Abbildung 4.12   das Dilemmaquadrat zwischen Intuition, Transparenz, Effizienz und Freiraum. (Eigene Darstellung, in Umsetzung unterstütz von Darya Marzur)

Alle Pole bilden Objekteigenschaften intuitiver Managemententscheidungen ab. Der Pol der Intuition deckt alle intuitiven Komponenten der Entscheidung ab, wie bspw. fehlende Nachvollziehbarkeit, schwere Verbalisierbarkeit und handlungsleitende Antriebskraft. Dem gegenüber steht jener Pol, welcher den an Managementscheidungen gelegten Anspruch auf Transparenz verkörpert. In der Praxis wird dieser Pol als organisatorisches Prinzip gelebt und findet sich in den Strukturen und Arbeitsweisen eines Unternehmens wieder. Ein weiterer Pol dieses Doppelspannungsfeldes ist die Effektivität. Als Eigenschaft ausgedrückt macht dieser das Ergebnis der Entscheidung aus. In Hinblick auf die Legitimation ist dieser Pol besonders interessant, da er mit dem Ergebnis auch den Nutzen und den Wert einer Entscheidung ausdrückt und somit große Anziehungskraft auf das Management ausüben könnte. Mit dem Effekt

192

4  Eigener Forschungsansatz

der Entscheidung wird diese sichtbar und messbar und über die damit einhergehenden Konsequenzen prinzipiell erst existent. Dem Prinzip der Effektivität gegenüber steht das Prinzip des Freiraums. Organisatorisch bedarf es physischer und psychischer Freiräume, um den Intuitionsprozess ermöglichen zu können. Thematisch weisen die beiden Pole ‘Effektivität’ und ‘Transparenz’ Gemeinsamkeiten auf. Es handelt sich um etablierte und bekannte Prinzipien des Managements.81 Viele Unternehmen handeln nach der Prämisse, mit nachvollziehbaren und messbaren Operationen einen ebenfalls nachvollziehbaren und messbaren, meist monetären Effekt zu erzielen.82 Es handelt sich hierbei also um die etablierte Ecke des Spannungsfeldes. Die andere Ecke, bestehend aus Freiräumen und Intuition entzieht sich der Kontrolle und der Nachvollziehbarkeit durch das Management. In diesem Teil des Feldes wird das Potential gesehen, etwas Neues, Unbekanntes und noch nicht Dagewesenes entstehen zu lassen. Allerdings herrscht hier auch Ungewissheit und die permanente Gefahr, das dortige Potential zu verschwenden und somit auch das Risiko des Verlustes der eingesetzten Ressourcen.

4.2.6 Dilemmaquadrat zwischen ‘Intuition’ und ‘Verantwortung’ sowie zwischen ‘medialer Vernetzung’ und ‘Selbstwahrnehmung’ In diesem Spannungsfeld stehen die sozialen Komponenten intuitiver Managemententscheidungen im Vordergrund. (Abbildung 4.13). Jeder Pol stellt für sich auf andere Weise einen Bezug zu sozialen Themen her. Hinsichtlich der Legitimation von Entscheidungen wird der Intuition insbesondere dann keine Legitimation zugesprochen, wenn die Entscheidung nicht nur die Person betrifft, welche die Entscheidung trifft, sondern soziale Aspekte mit einfließen, sprich andere Personen betroffen sind.83 Sofern andere Personen als die Entscheider/innen vom Ausgang der Entscheidung betroffen sind, bedarf es einer entsprechend mit nachvollziehbaren Argumenten untermauerten Entscheidungsgrundlage.84 Darüber hinaus fällt es den Entscheidungsträger/innen

81Vgl.

Haric (2018), o. S.; Wagner (2018), o. S. Haric (2018), o. S.; Schreyögg / Koch (2010), S. 53 ff. 83Siehe Abschnitt 2.3. Legitimation. 84Siehe ebd. 82Vgl.

4.2  Spannungsfelder intuitiver Managemententscheidungen

193

Abbildung 4.13  das Dilemmaquadrat zwischen Intuition, Verantwortung, medialer Vernetzung und Selbstwahrnehmung. (Eigene Darstellung, in Umsetzung unterstütz von Darya Marzur)

wesentlich leichter, intuitive Entscheidungen zu treffen, wenn diese persönlich intensiv involviert sind.85 Managemententscheidungen zeichnen sich durch eine hohe Tragweite aus und sind stets in ein Unternehmen mit einer sozialen Umgebung eigebettet.86 Somit ist es quasi unausweichlich, mit einer Entscheidung auch Dritte zu berühren. Hieraus resultiert der Pol der Verantwortung (gegenüber Dritten), der auf jede Entscheidung einwirkt. Darüber hinaus beinhaltet das Doppelspannungsfeld die zwei Pole der medialen Vernetzung sowie der Selbstwahrnehmung, welche die Achtsamkeit der Entscheidungsträger/innen fokussiert. Um einen persönlichen Bezug zum Thema und einen persönlichen Zugang zur Intuition herstellen zu können, bedarf es einer starken Selbstwahrnehmung.87 Ein Gespür für die eigene Emotionswelt, die persönlichen Grundannahmen und die individuellen Motivationstheorien können dabei helfen, die eigenen Wünsche und Ziele zu formulieren und in den Entscheidungsprozess mit einzubeziehen.88 Dem gegenüber finden Entscheidungen im heutigen 85Siehe

Abschnitt 2.2.2.2. Intuition in der Psychologie und der Psychotherapie sowie 2.2.2.5. Intuition in der Kreativitätsforschung. 86Siehe Abschnitt 2.1.2. Managemententscheidungen. 87Siehe Abschnitt 2.2.2.2. Intuition in der Psychologie und der Psychotherapie und 2.2.2.3. Intuition in der Neurowissenschaft. 88Vgl. Thom (2015), S  230; Goleman (2004), S. 4; Schmidt / Hipp / Caspari (1999), S. 10; Schmidt (2000), S. 179.

194

4  Eigener Forschungsansatz

Managementalltag stets im sozialen Kontext eines digital vernetzten Unternehmensumfeldes statt.89 Informationen fließen über diverse digitale Kanäle in den Entscheidungsprozess mit ein.90 Es liegen Überschneidungen zwischen den Polen ‘mediale Vernetzung’ und ‘Verantwortung’ vor. Beide Pole sind eher extravertiert und stellen die Beziehung zu anderen in den Fokus. Diese Ecke des Spannungsfeldes deckt alle Teile der Managemententscheidung ab, welche im Zusammenspiel der Entscheider/innen mit anderen Personen oder mit von anderen Personen generierten Inhalten stattfinden oder Auswirkungen auf andere Personen haben. Die sich in der gegenüberliegende Ecke befindenden Pole ‘Intuition’ und ‘Selbstwahrnehmung’ sind hingegen eher intravertiert. Das Innenleben der Entscheider/innen und deren Auseinandersetzung mit selbigem finden in jenem Bereich statt. Was können wir mitnehmen? • Es lassen sich die folgenden vier Spannungsfelder identifizieren: – Spannungsfeld zwischen Intuition und Transparenz – Spannungsfeld zwischen Effektivität und Freiräumen – Spannungsfeld zwischen Intuition und Verantwortung – Spannungsfeld zwischen medialer Vernetzung und Selbstwahrnehmung • Die Spannungsfelder lassen sich zu den folgenden zwei Dilemmaquadraten zusammenfassen: – Dilemmaquadrat zwischen ‘Intuition‘ und ‘Transparenz’ sowie zwischen ‘Effektivität’ und ‘Freiräumen’ – Dilemmaquadrat zwischen ‘Intuition’ und ‘Verantwortung’ sowie zwischen ‘medialer Vernetzung’ und ‘Selbstwahrnehmung’

4.3 Einflussfaktoren auf die Intuition in Managemententscheidungen Wenn die beschriebenen Spannungsfelder den Rahmen bilden, in welchem die intuitive Managemententscheidung getroffen wird, bilden die Einflussfaktoren die Füllung dieses Rahmens. Aus den gesammelten Informationen

89Vgl. 90Vgl.

Thelen (2014), S. 369; Jenner (2015), S. 199 ff.; Tapscott (1997), S. 23 ff. ebd.

4.3  Einflussfaktoren auf die Intuition in Managemententscheidungen

195

der im Kapitel 2 behandelten Ansätze sollen nun die Einflussfaktoren intuitiv getroffener Managemententscheidungen hergeleitet werden. Bei der Auswahl von Einflussfaktoren aus der gesichteten Literatur wurde so vorgegangen, dass alle im Kapitel 2 berührten Ansätze dahingehen durchleuchtet wurden, ob konkret Einflussfaktoren auf die Intuition im Allgemeinen oder speziell auf die Intuition in Managemententscheidungen oder auf das Legitimationsproblem intuitiver Managemententscheidungen genannt wurden. Auch wurden die genannten Rahmenbedingungen der im Kapitel 2 beschriebenen Ansätze mit einbezogen und daraus Einflussfaktoren abgeleitet. All diese Faktoren wurden in einer Tabelle91 zusammengetragen. Diese Auflistung aller offensichtlich relevanten Faktoren bildete den Ausgangspunkt für dieses Kapitel. Ein ausführliches Beschreiben und zueinander in Beziehung Setzen der einzelnen Komponenten sowie eine Bewertung der Wirkrichtung, um förderliche und hinderliche Aspekte voneinander abgrenzen zu können, zählt ebenfalls zum Umfang dieses Kapitels. Offen bleibt allerdings die Frage der Gewichtung der Faktoren. Aufgrund des aus der Informatik bekannten Frame Problems ist es bei solch komplexen Zusammenhängen leider nicht möglich, genau zu definieren, welche Faktoren wie relevant sind und sich in welcher Form auf die Relevanz der anderen Faktoren auswirken. Es ist zeitlich schlichtweg nicht möglich, abzuleiten, welche Effekte durch die Wirkungen und Nebenwirkungen aller existierenden Faktoren auf den intuitiven Entscheidungsprozess entstehen. Den einzelnen Faktoren kann somit kein präziser Platz in einer Rangfolge zugewiesen werden und somit lässt sich auch nicht sagen, welche Rahmenbedingungen am wichtigsten sind und auf welche sich somit konzentriert werden sollte. Es wird sich folglich vorerst auf jene Faktoren beschränkt, welche einen plausiblen Einfluss auf die intuitive Entscheidung ausüben. Potentielle Faktoren, welche möglicherweise einen Einfluss ausüben, die derzeit aber nicht bekannt oder nachvollziehbar sind, können an dieser Stelle erst einmal nicht berücksichtigt werden. Um zu entscheiden, welche Faktoren und Effekte plausibel sind, kann sich an dieser Stelle nur auf die menschliche Fähigkeit des Schlussfolgerns verlassen werden. Um die einzelnen Komponenten überblicken und weiterverarbeiten zu können, sollen die gesammelten Bestandteile zunächst zu Clustern zusammengefasst werden. Hierzu werden thematische Gemeinsamkeiten gesucht und übergeordnete Kategorien gebildet. Jedem Cluster wird sozusagen eine thematische

91Der

Vollständigkeit halber wird die Liste aller identifizierten Einflussfaktoren in der Anlage 1 zur Verfügung gestellt.

196

4  Eigener Forschungsansatz

Einflussdimension zugeschrieben, welche sich wiederum aus verschiedenen Attributen (den Einflussfaktoren) zusammensetzen. Jedes dieser Attribute fungiert dabei wie ein Kontinuum mit gegensätzlichen Polen und einer Reihe von Prinzipien als Ausgestaltung dieser Kontinuen. Zur besseren Übersichtlichkeit erfolgt darüber hinaus eine Aufteilung in jene Bestandteile, welche die Person betreffen und solche, die in der Situation begründet sind. Sowohl bei den Clustern als auch den beiden Hauptunterscheidungen handelt es sich keineswegs um trennscharfe Dimensionen, sondern um verschiedene, sich mehr oder weniger stark überscheidende bzw. sich gegenseitig bedingende, Elemente. Die folgende Mindmap (Abbildung 4.14) bildet die einzelnen personalen Einflussfaktoren sowie die thematischen Cluster ab. Es handelt sich vorerst um ungewichtete, nichtattribuierte Faktoren, welche potentiell in beide Richtungen (positiv und negativ) wirken können. Die konkrete Zuschreibung dieser Inhalte erfolgt im Zuge der weiteren Ausführungen.

Abbildung 4.14   personalen Faktoren der Intuition in Managemententscheidungen

Bei den sieben hergeleiteten Kategorien der personalen Faktoren handelt es sich um ‘Autonomie’, ‘Intention’, ‘Aufmerksamkeit’, ‘Balance zwischen Offenheit und Erfahrung’, ‘persönlicher Bezug’, ‘Habitus’ und ‘Energielevel’.

4.3  Einflussfaktoren auf die Intuition in Managemententscheidungen

197

‘Persönlicher Bezug’ Der persönliche Blickwinkel92 spielt eine besondere Rolle, da Intuition bei Themen auftritt, welche in irgendeiner Form mit der persönlichen Ebene verbunden sind.93 Dies wird insbesondere im Rahmen der Auseinandersetzung mit der intuitiven Leistung von Künstler/innen deutlich. Übertragen auf die Management-Ebene bedeutet dies, dass gerade die Projekte von persönlichem Interesse eine intensivere intuitive Verarbeitung erfahren, während Projekte, mit denen sich kaum persönlich auseinandergesetzt wird, ausdruckslos und neutral bleiben. Möglicherweise kann hier ein weiterer Unterscheidungspunkt zwischen managergeführten Unternehmen und Familienunternehmen / inhabergeführten Unternehmen gesehen werden, da das Management in letzteren eine persönliche Angelegenheit sein sollte. Der Aspekt des persönlichen Bezuges zur intuitiven Entscheidung kann von einer starken intrinsischen Motivation für die damit verbundene Aufgabe begleitet werden.94 Sobald eine persönliche Beziehung, bspw. zu einem Ziel, aufgebaut wird, nehmen externe Anreize ab und der Antrieb zur Erbringung von (kreativen) Leistungen, welcher im Endeffekt den intuitiven Zugang zum Thema ermöglicht, kommt aus der Person selbst.95 Ein Mindestmaß persönlichem involviert Seins ist aber auch mit dem verstärkten Einsatz von Zeit und Energie verbunden, wodurch auf natürliche Weise eine mengenmäßige Obergrenze für die Anzahl an Projekten entsteht, in denen Entscheidungen von hoher intuitiver Qualität getroffen werden können. Das Herstellen eines persönlichen Bezugs zum Thema ermöglicht es, der Intuition facettenreiche Informationen (bspw. persönliche Erfahrungen, persönliche Emotionen, persönliche Herausforderungen, persönliche Ziele usw.) in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. In diesem Zusammenhang gibt es aber auch einen Zustand des ‘Zu viel des Guten’.96 Die Grenzen zu starken persönlichen Interesses am Ergebnis werden erreicht, sobald die eigenen Erwartungen und Emotionen das Ergebnis, sprich die Entscheidung und den Entscheidungsprozess verzerren.97 Allzu konkrete Erwartungen, feste Grundannahmen, innere und äußere Konflikte, verborgene Phantasien oder ähnliche, häufig auch

92Welcher

ebenfalls von der emotionalen Ebene der Person beeinflusst wird. Abschnitt 2.2.2.2. Intuition in der Psychologie und der Psychotherapie und 2.2.2.3. Intuition in der Neurowissenschaft. 94Vgl. Kozbelt / Beghetto / Runco (2010), S. 31 / Runco (2007), S. 30. 95Vgl. Deci / Ryan (1993), S. 235. 96Vgl. Schultz (2011), o. S. 97Vgl. Hänsel (2002), S. 178. 93Siehe

198

4  Eigener Forschungsansatz

unbewusste, Faktoren können die Entscheidungen beeinflussen und die nötige Offenheit beeinträchtigen.98 Es kann also auch ratsam sein, die eigene Persönlichkeit hinter dem Entscheidungsprozess zurückzunehmen.99 Wie im Kapitel 2100 thematisiert wurde, hängen Emotionen und Intuition eng zusammen. Alle befragten Künstler/innen gaben an, in die eigenen Werke Emotionen, teilweise auch extreme Emotionen wie Kriegserinnerungen, einfließen zu lassen. Von jeher sind Emotionen Quell von Kreativität und Intuition.101 Für die Entscheider/innen sind die eigenen Emotionen somit u.a. weitere Informationen, die in den Prozess einbezogen werden. Auf persönlicher Ebene bedarf es also emotionaler Intelligenz und dem damit verbundenen Bewusstsein und der Kenntnis der eigenen Gefühle sowie der Fähigkeit, eigene Emotionen zu erkennen, sie zu verstehen und richtig zu interpretieren. Der starke Einfluss der Emotionen der Entscheidungsträger/innen wird auch anhand zahlreicher Berichte deutlich, in denen ein Verlust von Selbstvertrauen zu Beginn des kreativen Prozesses, ein langer, nervenaufreibender Suchprozess und das intuitive Finden einer Lösung, beschrieben wird.102 Im Intuitionsprozess bedingen sich Denken und Fühlen gegenseitig.103 Intuition wird auch als gefühltes Wissen bezeichnet, da es auf der einen Seite nicht begründet und schwer zu hinterfragen ist, auf der anderen Seite aber über eine starke Überzeugungskraft (bspw. bzgl. innerer Sinnzusammenhänge) verfügt.104 Emotionen ähneln der Intuition auch in der Weise, dass auf der Gefühlsebene eine spontane, unwillkürliche und ganzheitliche Bewertung von Ereignissen abläuft, die einer zusammenfassenden Situationsbewertung gleichkommt.105 In dieser schnellen und unbewussten Evaluation werden mehr Informationen verarbeitet, als der bewussten Wahrnehmung zugänglich sind.106 Gefühle können auch bewusst betrachtet werden, um zu evaluieren, ob sich intuitiv getroffene

98Vgl.

Obermayr-Breitfuß (2005), S. 171. ebd. 100Insbesondere in den Abschnitt 2.2.2.2, 2.2.2.5, 2.2.2.6 und 2.2.2.7. 101Siehe Abschnitt 2.2.2.2. Intuition in der Psychologie und der Psychotherapie und 2.2.2.3. Intuition in der Neurowissenschaft 102Vgl. Kaudela-Baum / Brasser (2015), S. 125. 103Vgl. u.a. Gottwald (2015), S. 110; Küpers (2015), S. 74. 104Vgl. Gigerenzer / Gaissmaier (2015), S. 20. 105Vgl. Scherer (1984), S. 166–167 und 170. 106Vgl. Küpers (2015), S. 72. 99Vgl.

4.3  Einflussfaktoren auf die Intuition in Managemententscheidungen

199

Entscheidung stimmig anfühlen. Hier liegt dann eine Verbindung zur nach innen gerichteten Aufmerksamkeit des Clusters 'Aufmerksamkeit' vor. Ebenso wie Intuition sind Gefühle stark handlungsleitend, können aber im Gegensatz zur Intuition selbst Ziel der Handlung sein.107 In Fällen von Missmanagement oder unglücklichen Entscheidungen kann es dazu kommen, dass weitere Entscheidungen mit unvorhersehbaren Konsequenzen getroffen werden, um das negative Gefühl des Misserfolgs zu vermeiden.108 Entscheidungsgrundlage sind dann weder die fundierten Erkenntnisse analytischer Logik noch die aus dem Unbewussten kommende Intuition, sondern lediglich ein undefinierbares ungutes Gefühl welches einzig den Zweck verfolgt, weitere negative Emotionen abzuwehren.109 Die Gefahr sachlich falscher Entscheidungen liegt auch immer dann vor, wenn positive Gefühle (bspw. das Kompetenzgefühl, Euphorie, übermäßiger Stolz) aufrecht erhalten werden sollen oder zu unrealistischem Optimismus führen.110 Hinsichtlich der Wirkrichtung von Emotionen differieren die Befunde stark. Wie in dem Beispiel mit dem Verlust des Selbstvertrauens angedeutet, treten Emotionen (wie bspw. Verzweiflung und innere Not) als Motor der Intuition auf.111 Aber auch die spezifische Kombination aus verschiedenen Emotionen, wie bspw. Melancholie, (zeitweiliger) Müßiggang und Freude, bilden einen guten Ansatzpunkt für das intuitive Schöpfen von Neuem.112 Andere Untersuchungen113 heben hervor, dass emotionale Sicherheit bzw. Vertrauen die Intuition begünstigen und negative Emotionen sich negativ auf Intuition auswirken bzw. eher zu einer realistischen Wahrnehmung oder einer analytischen Herangehensweise und somit zu einer Art Management aus Angst114 führen. ‘Autonomie’ Die Facetten der Autonomie auf persönlicher Ebene sind vielseitig und vielschichtig. Voraussetzung für die Autonomie ist eine gewisse Eigenständigkeit der

107Vgl.

ebd. ebd. 109Vgl. ebd. 110Vgl. ebd. 111Vgl. Kaudela-Baum / Brasser (2015), S. 125. 112Vgl. Fröse / Kaudela-Baum / Dievernich (2015), S. 4. 113u.a. von Schwarz / Bohner (1996) und Isen (2003). 114Siehe Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997). 108Vgl.

200

4  Eigener Forschungsansatz

Person.115 Personen, die fähig sind, sich selbst, die eigenen Arbeitsprozesse und ein Stück weit auch das eigene Umfeld eigenständig zu organisieren, sind eher in der Lage, einen persönlichen Bezug zum Thema herzustellen und somit die Intuition zu ermöglichen.116 In der Regel weisen Manager/innen eine solche Eigenständigkeit und die damit verbundene Selbstsicherheit auf. Diese Selbstsicherheit geht bei intuitiven Menschen häufig mit einer Form der Kritikfähigkeit einher, in welcher Kritik für oft spontane und unkonventionelle Handlungen in Kauf genommen wird.117 Darüber hinaus kommen häufig eine gewisse Form des Individualismus und eine Aversion zur Identifikation durch Gruppenzugehörigkeit vor.118 Bei dieser Form der Kritikfähigkeit ist aber auch insofern Vorsicht geboten, als dass Kritik nicht ignoriert werden darf, da mit Kritik auch wichtige Lernprozesse verbunden sein können. Eine Abwehrhaltung gegenüber externen Kontrollansprüchen sichert die Autonomie und lässt den Entscheider/innen den nötigen Freiraum, um intuitiv entscheiden zu können.119 Um autonom handeln zu können, bedarf es auch der Flexibilität gegenüber Umweltveränderungen. Wer sich eigenständig an veränderte Umweltbedingungen anzupassen vermag, indem das eigene Verhalten geändert wird, ist dank persönlicher Resilienz gut gegen Herausforderungen gewappnet und verfügt darüber hinaus über die nötigen Denkmuster, um zu intuitiven Entscheidungen in der Lage zu sein.120 ‘Intention’ Die Intention gibt handlungsleitend an, auf welches Ziel eine Entscheidung aus Sicht der entscheidenden Person ausgerichtet ist.121 Mit der Frage danach, wem die Entscheidung nutzt, lässt sich die Intention hinter einer Entscheidung dem Zweck nach in drei grundverschiedene Ausrichtungen (altruistische, egoistische und holistische Intention) einteilen. Bei egoistischer Intention sieht sich die Person, welche die Entscheidung trifft, als im Mittelpunkt stehend und versucht entsprechend, vom Nutzen der Entscheidung zu profitieren.122 Die eigenen Wünsche und häufig die kurzfristige Befriedigung der eigenen Bedürfnisse stehen bei dieser Art von Entscheidung im Mittelpunkt.123 Aufgrund der 115Vgl.

Stangl (2018), o. S. Deci / Ryan (1993), S. 230. 117Vgl. Westcott (1968), S. 140. 118Vgl. ebd. 119Vgl. ebd. 120Vgl. ebd. 121Vgl. Puca, R. (2018), o. S. 122Vgl. Wirtz (2017), S. 441; Spektrum (2000), o. S. 123Vgl. Müller-Christ (2014), S. 369. 116Vgl.

4.3  Einflussfaktoren auf die Intuition in Managemententscheidungen

201

Selbstbezogenheit des Egoismus schwingt bei dieser Ausrichtung die Gefahr einer eingeschränkten Betrachtung des Geschehens mit.124 Aus altruistischer Intention heraus getroffene Entscheidungen nutzen Anderen.125 Die Belange anderer Menschen werden für wichtiger erachtet als die eigenen.126 Der Holismus hingegen forciert eine vollständige Ganzheits- und Zweckbetrachtung allen Geschehens.127 Handelt es sich also um eine aus holistischer Intention getroffene Entscheidung, würde dies folglich mit einer Abstimmung zwischen dem natürlichen System128 und dessen Eigenschaften als Gesamtbild sowie dem Selbst als Teil des natürlichen Systems einhergehen. Hierdurch würde sowohl das Gesamtbild als auch die Person selbst zum Adressaten der Entscheidung. Diese Intentionen sind dabei nicht immer gleichbedeutend mit den Adressaten der Entscheidung. Untersuchungen zeigten, dass die Zweckausrichtung der Intention auf den ersten Blick nicht immer eindeutig ist und es bspw. vorkommen kann, dass Entscheidungen getroffen werden, von denen Dritte profitieren, deren Grundlage aber weiterhin Eigennutz ist.129 Prinzipiell gilt Intuition als unparteiisch und für alle Intentionsausrichtungen prinzipiell funktionsfähig.130 Allerdings soll die Qualität der Intuition zunehmen, je holistischer die Intention einer Entscheidung ist.131 Demnach werden, wenn mehr Menschen von der Entscheidung betroffen sind, diese von der Intuition in die Entscheidung mit eingeschlossen, wodurch die Intuition tiefer und allgemeingültiger wird.132 Neben den verschiedenen Zweckebenen wird auch noch die Sinnhaftigkeit der Entscheidung dem Intentionscluster zugerechnet. Ungeachtet der Ausrichtung der Intention kann der mit der Entscheidung verbundene Auftrag als sinnstiftend angesehen werden.133 Es existieren zwar gewisse Bedürfnisse (Autonomie, Kompetenz, Zugehörigkeit), welche erfüllt sein müssen, damit eine Arbeit als sinnstiftend empfunden wird, inhaltlich ist es aber individuelle Aushandlungssache, welches Thema als sinnstiftend empfunden wird.134 Von daher können 124Vgl.

Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997), S. 65. Wirtz (2017), S. 134; Stangl (2018), o. S. 126Vgl. ebd. 127Vgl. Wirtz (2017), S. 742; Stangl (2018), o. S. 128Bspw. gesellschaftliches, wirtschaftliches, physikalisches, chemisches, biologisches, geistiges, linguistisches etc. System. 129Siehe Pauen (2019). 130Vgl. Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997), S. 97 und 98. 131Vgl. ebd. 132Vgl. ebd. 133Vgl. Lewin (1920), S. 11 ff.; Kals / G ­ allenmüller-Roschmann, (2011), S. 23. 134Vgl. Hahn et al. (2018), S. 5. 125Vgl.

202

4  Eigener Forschungsansatz

sowohl mit egoistischen, altruistischen als auch mit holistischen Intentionen verbundene Entscheidungen individuell als sinnstiftend wahrgenommen werden oder auch nicht. Es ist also denkbar, dass wenn eine Arbeit oder auch nur jener Teil der Arbeit, welcher mit der spezifischen Entscheidung einhergeht, als sinnstiftend wahrgenommen wird, dies zum Antrieb der Entscheidung werden kann. Weiter wäre es durchaus denkbar, dass die damit einhergehende Motivation das Entscheidungsverhalten dahingehend verändern, dass ein stärkeres Commitment und damit verbunden bspw. stärkere Sorgfalt an den Tag gelegt wird, wenn einer Entscheidung ein (höherer) Sinn zugeschrieben wird. An dieser Stelle liegt eine Verbindung zum persönlichen Bezug vor, über welchen die Intuition erreicht werden kann. Sinnhaftigkeit wird einer Entscheidung von der entscheidenden Person selbst zugesprochen und ist somit stark subjektiv und diversen Einflussfaktoren, wie persönlichen Einstellungen und Umwelteinflüssen, unterworfen. Kreativität und Intuition können im Menschen ein Netzwerk von Zielen entwickeln, welches es vermag, disparat wirkende Werke und Entscheidungen zu einem übergeordneten Sinn zusammenzufassen.135 Daraus ergibt sich je Person eine Landkarte situativ unterschiedlicher Entscheidungsintentionen, welche übergeordnet aber denselben Sinn verfolgen können. (Abbildung 4.15).

Abbildung 4.15   Matrix aus egoistischer, altruistischer und holistischer Intention sowie Sinnhaftigkeit der Entscheidung. (Eigene Darstellung)

135Vgl.

Kozbelt / Beghetto / Runco (2010), S. 38.

4.3  Einflussfaktoren auf die Intuition in Managemententscheidungen

203

‘Aufmerksamkeit’ Je nach Kontext geht die Intuition auch mit einer unterschiedlich intensiv bewussten Vorabbeschäftigung mit einem Thema einher.136 Die Informationstiefe, welche für die Initialzündung der Intuition nötig ist, kann je nach mentaler Ausrichtung, Handlungsmotiven und Absichten variieren.137 Die Informationen werden in dieser Arbeit der unmittelbaren Herkunft nach unterteilt in Informationen, welche von außen auf das Individuum einwirken und jene, die aus dem Inneren des Individuums stammen (wobei die Informationen, welche aus dem Inneren stammen, in der Vergangenheit auch aus dem Äußeren dort hineingetragen wurden).138 Die Informationen dieser beiden Kategorien werden wiederum des Zustandes nach unterteilt in bewusst wahrgenommene Informationen und unbewusst wahrgenommene Informationen.139

Abbildung 4.16   Matrix aus Informationsherkunft und Informationsebene. (Eigene Darstellung)

Somit existieren prinzipiell zwei Richtungen, in welche die bewusste Achtsamkeit gerichtet sein kann (siehe Abbildung 4.16). Nach außen gerichtete Achtsamkeit bezieht Informationen aus der Umgebung der Person mit ein.

136Siehe Abschnitt 2.2.2.2. Intuition in der Psychologie und der Psychotherapie sowie Abschnitt 2.2.2.5. Intuition in der Kreativitätsforschung. 137Vgl. Gottwald (2015), S. 107. 138Siehe Abschnitt 4.1. In dieser Forschungsarbeit verwendetes Verständnis von Intuition sowie die damit einhergehenden Bestandteile und Funktionsweisen. 139Siehe ebd.

204

4  Eigener Forschungsansatz

Neben der zielgerichteten Beschäftigung mit einem Thema (bspw. durch Literaturrecherche, Befragungen, Beobachtungen etc.) wird auf diese Weise auch aktiv ein Bezug zum Umfeld hergestellt. Ganz bewusst wird in diesem Modus versucht, möglichst viele Informationen aus der Umwelt aufzunehmen, in der Hoffnung, dass diese nach einem unbewussten Verarbeitungsprozess eine Lösung hervorbringen. Empathie hilft dabei, auch schwache Signale der Umwelt (bspw. Emotionen des Gegenübers) aufzunehmen und zu verarbeiten.140 Für die Praxis ist dies insbesondere beim Auftreten von Intuition in Entscheidungssituationen im sozialen Kontext (bspw. Verhandlungen oder Personalentscheidungen) relevant. Der entgegengesetzten Wirkrichtung geht die nach innen gerichtete Achtsamkeit nach. Diese betrachtet aufmerksam die eigenen emotionalen Befindlichkeiten, Bedürfnisse und Stimmungen während des Entscheidungsprozesses, um daraus Anregungen für die Intuition zu gewinnen und den Entscheidungsprozess zu evaluieren. Auch spielt immer wieder das politische Verantwortungsbewusstsein im Achtsamkeitsprozess eine Rolle.141 So verarbeiten Künstler/ innen im intuitiv-kreativen Schaffensprozess neben den eigenen Emotionen auch häufig die eigene Rolle im gesellschaftspolitischen Gesamtbild. Diese Betrachtung kann meiner Meinung nach nur in Abstimmung zwischen der nach innen und der nach außen gerichteten Achtsamkeit erreicht werden. Ungeachtet aus welcher Richtung die Informationen im Entscheidungsprozess stammen, wird versucht, die eigene Wahrnehmung zu modifizieren, so dass möglichst viel bewusste Aufmerksamkeit erreicht wird, um die Informationsaufnahme zu begünstigen.142 Angestrebt wird ein Gefühl der Präsenz (körperliches, seelisches und geistiges ­Im-Hier-und-Jetzt-Sein), welchem ein innerer Zusammenhang zur Intuition unterstellt wird.143 Das Potential dieses Zustandes der Präsenz wird besonders deutlich angesichts der Vielzahl an Informationen, welche unaufhörlich auf jeden Menschen einwirken. So gestaltet sich bspw. der Versuch, aufmerksam ein Buch zu lesen während nebenbei Netflix läuft, aufgrund der starken Ablenkung deutlich schwieriger als es im Ruhemodus der Fall wäre. Auch im Hinblick auf das Treffen von Entscheidungen wirkt es sinnvoll, Ablenkungen auszuschalten, um sich auf das Wesentliche konzentrieren zu können. Darüber

140Vgl.

Bischoff (2015), S. 213. Intuition in der Kreativitätsforschung. 142Siehe Abschnitt 4.1. In dieser Forschungsarbeit verwendetes Verständnis von Intuition sowie die damit einhergehenden Bestandteile und Funktionsweisen. 143Vgl. Gottwald (2015), S. 101; Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997), S. 167. 141Siehe Abschnitt 2.2.2.5.

4.3  Einflussfaktoren auf die Intuition in Managemententscheidungen

205

hinaus ist der Zustand der Präsenz besonders vorteilhaft, da dieses Gefühl über die Anerkennung und kritische Wertschätzung der Vergangenheit zu einem nachhaltigeren Umgang mit der Zukunft führt.144 Entgegen jedweder Bemühungen, den Anteil an bewussten Informationen aus Außen- und Innenwelt zu erhöhen, so wird doch stets der unbewusste Anteil überwiegen.145 Jener Anteil an unbewussten Informationen, welcher von einer Person aufgenommen wurde und damit den undurchdringlichen inneren Informationsverarbeitungsmechanismen unterworfen ist, wird zusätzlich gespeist vom kollektiven Unterbewusstsein.146 Neben der Achtsamkeit für äußere Informationen vor der Aufnahme und inneren Signalen während des Entscheidungsprozesses könnte diese Quelle also ebenfalls eine achtsame Begutachtung erfahren. Mitunter wird davon ausgegangen, dass für optimale Entscheidungsprozesse ein Gleichgewicht zwischen bewussten und unbewussten Elementen angestrebt werden sollte.147 Praktisch ist dieser Zustand in Managemententscheidungen natürlich schwierig festzustellen oder gar zu steuern. Vermutlich ist aber schon viel gewonnen, wenn bei den Manager/ innen das Bewusstsein für die verschiedenen Wissensarten geschärft wird und das Streben nach Gleichgewicht dieser als Teil professioneller Entscheidungsfindung anerkannt wird. Neben all dieser bewusst aufmerksamen Achtsamkeit für Informationen und Informationsverarbeitungsprozesse, welche unter dem Sammelbegriff Metakognition zusammengefasst werden, kann auch die Reflexion auf die Intuition einwirken.148 So kann eine anschließende Reflexion der getroffenen Entscheidung die wahrhaftigen Gründe bewusst machen und einen routinierteren Umgang mit der eigenen Intuition begünstigen.149 Allerdings sollte der schmale Grat zur nachträglichen Legitimierung und den daraus resultierenden negativen Konsequenzen150 berücksichtigt werden. ‘Balance zwischen Offenheit und Erfahrung’ Dieses Cluster lässt sich dem Titel nach direkt in zwei Teilbereiche unterteilen: Offenheit und Erfahrung. Im Bereich der Offenheit ist ein offener Blick fester

144Vgl.

Gottwald (2015), S. 105. Part über Hirnaktivität im Abschnitt 2.2.2.3. Intuition in der Neurowissenschaft. 146Vgl. ebd. 147Vgl. ebd. 148Vgl. Runco (2007), S. 32. 149Vgl. von Niederhäusern (2015), S. 187; Zeuch (2010), S. 158. 150Siehe Abschnitt 2.2.2.6. Intuition in den Wirtschaftswissenschaften. 145Siehe

206

4  Eigener Forschungsansatz

Bestandteil des Intuitionsgeschehens, da dieser die Aufnahme verschiedenster Informationen begünstigt.151 Es kann gefolgert werden, dass eine solche Offenheit nicht bloß quantifizierbare Daten, sondern auch qualitative Merkmale als Entscheidungsgrundlage berücksichtigt, soweit möglich auch langfristige Wirkungszusammenhänge einbezieht und es vermeidet, sich nur auf festgelegte Kategorien zu fokussieren und dadurch abseitige Faktoren von vornherein kategorisch auszuschließen. Hierzu existieren einige personenbezogene Eigenschaften und Einstellungen, welche zur Qualität intuitiver Entscheidungen beitragen.152 Hierbei handelt es sich bspw. um Neugierde, die Bereitschaft, sich einzulassen, Openmindness und eine positive Einstellung gegenüber der Intuition, Vertrauen in unbewusste Prozesse, Offenheit für Originalität und Phantasie sowie Zeit und Geduld für Inkubationszeiten und Mut.153 Auch eine gewisse Offenheit für mitunter unangenehme oder von der eigenen Vorstellung abweichende Informationen (bspw. ein ehrliches Feedback) sind hier mit eingeschlossen.154 All diese genannten Punkte drücken Offenheit und Unvoreingenommenheit aus. Auch geht Spontanität mit intuitiven Entscheidungen einher.155 Eine spontane, lockere, offene und unsystematische Herangehensweise fördert unkonventionelles Denken.156 Da bei zunehmender Offenheit die Sicherheit abnimmt, ist es höchstwahrscheinlich, dass es zum Treffen intuitiver Managemententscheidungen auch einer gewissen Ambiguitätstoleranz bedarf. Offenheit gegenüber vielfältigen Informationen und Informationsquellen bedeutet auch offen gegenüber Unstimmigkeiten und Zweifeln zu sein, sobald aufgrund der Vielzahl an Informationen Widersprüche auftreten.157 Der Bereich der Erfahrung lässt Intuition aus dem unbewusst gespeicherten Erfahrungswissen entstehen.158 Da Expertenurteile in der Regel intuitiv getroffen werden, sind vor allem die unbewusste Intelligenz, das implizite 151Siehe Abschnitt  2.2.2.2. Intuition in der Psychologie und der Psychotherapie, Abschnitt 2.2.2.4. Intuition in der Pädagogik und Abschnitt 2.2.2.5. Intuition in der Kreativitätsforschung. 152Siehe Abschnitt 2.2.2.4. Intuition in der Pädagogik. 153Vgl. Fröse / Kaudela-Baum / Dievernich (2015), S.  13 / Küpers (2015), S. 80. 154Siehe Abschnitt 2.2.2.6. Intuition in den Wirtschaftswissenschaften. 155Vgl. Goldberg (1993) in Obermayr-Breitfuß (2005), S.  51; Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997), S. 178. 156Vgl. Goldberg (1993) in Obermayer-Breitfuß (2005), S. 52; Zeuch (2010), S. 189 ff. 157Vgl. ­Müller-Christ (2012), S. 90, S. 244 ff. und S. 434; Westcott (1968), S. 140. 158Siehe Abschnitt 2.2.2.2. Intuition in der Psychologie und der Psychotherapie sowie Abschnitt 2.2.2.4. Intuition in der Pädagogik.

4.3  Einflussfaktoren auf die Intuition in Managemententscheidungen

207

Wissen und die gesammelte Erfahrung (bestenfalls zehn Jahre oder mehr) als wichtige Bestandteile der Intuition zu nennen.159 Besondere Auswirkung auf den unbewussten Denkprozess hat das emotionale Erfahrungsgedächtnis160, in dem große Mengen diffuser Daten allgemeiner Natur in sehr kurzer Zeit verarbeitet werden.161 Parallel zur bewussten, langsamen Verarbeitung einer überschaubaren Menge von Daten werden hier Motive, Zu- und Abneigungen, Stimmungen, Antriebe, Wünsche und Pläne erzeugt,162 was im Endeffekt die starke Handlungsleitung der Intuition ausmacht. Auf der anderen Seite ziehen Erfahrungen eine häufig gleichförmige Urteilsbildung nach sich.163 Derart festgefahrene Einschätzungen lassen dann keine Informationen aus anderen fachfremden Bereichen mehr zu.164 Es drohen mentale Blockaden oder die Versteifung auf erprobte und konventionelle Denkmuster.165 Von daher bedarf es einer ausgewogenen Balance zwischen Erfahrung, Fachwissen, fachbereichsrelevanten Fähigkeiten und Expertise sowie einer offenen, spontanen und unvoreingenommenen Denkweise. ‘Habitus’ Im Cluster Habitus werden verschiedene individuelle Grundeinstellungen und Haltungen gesammelt, welchen unterschiedliche Auswirkungen auf das intuitive Treffen von Managemententscheidungen zugeschrieben werden. Im Habituscluster der Person sammeln sich u.a. jene Eigenschaften (bspw. Neugierde), Einstellungen (bspw. Bereitschaft, sich einzulassen) und Fähigkeiten (bspw. Phantasie) welche bereits bei den Einflussfaktoren der Offenheit und Unvoreingenommenheit166 erwähnt wurden. Hinzu kommt das Vertrauen in höhere Zusammenhänge (bspw. Sinnhaftigkeit des Themas) wie es bei den Faktoren der Intention167 Erwähnung fand. Auch ist die Selbstwirksamkeitsüberzeugung maßgeblich am Entscheidungsprozess beteiligt, da diese die Entscheidungsfähigkeit steigert.168 Ebenso ist

159Vgl. Härtel & Härtel (1996) S. 69; Staud (2009), S. 14; Gigerenzer / Gaissmeier (2015), S. 40. 160Siehe Abschnitt 2.2.2.3. 161Vgl. Storch (2012), S. 23. 162Vgl. Roth (2001), S. 374. 163Vgl. Berne 1991, S. 57. 164Vgl. Rubenson / Runco (1995), S. 26. 165Vgl. Runco (2007), S. 26. 166Siehe oben. 167Siehe oben. 168Vgl. Czerny / Godat (2015), S. 162.

208

4  Eigener Forschungsansatz

die persönliche Intelligenz169 Teil des Habitusclusters. Die Auswirkungen der Intelligenz auf die Intuition sind nicht in dem Sinne kausal, als dass eine höhere, wie auch immer geartete Intelligenz eine stärkere Intuition mit sich bringt, es bedarf vielmehr einem Mindestmaß an Intelligenz, um zu intuitiven Einsichten fähig zu sein.170 Ebenso ist der persönliche Sinn für Ästhetik171 im Habituscluster verortet. Ästhetik kann im Entscheidungsprozess, insbesondere im kreativen Kontext, als Maßstab angelegt werden.172 Das Cluster des Habitus geht einher mit verschiedenen sozialen Faktoren, bspw. dem Kulturkreis173 oder dem Umfeld während der persönlichen Entwicklung174. Diesen persönlichen Herkunftsfaktoren liegen wiederum zahlreiche Ursachen zugrunde, welche meist zufälliger Natur sind. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass Herkunft und Entwicklung einer Person auch maßgeblich daran beteiligt sind, ob der Intuition von dieser Person Legitimität zugesprochen wird, bspw. kommt in vielen asiatischen Kulturkreisen der Intuition eine wichtigere Rolle zu als in der westlichen Welt.175 Personen, welche mit einem Zugang zur Intuition aufwuchsen, dürfte es folglich im Erwachsenenalter auch im professionellen Kontext leichter fallen, Intuition als Entscheidungsgrundlage zu akzeptieren oder einen Zugang zur eigenen Intuition zu pflegen. ‘Energielevel’ Das Treffen intuitiver Entscheidungen kann ein langwieriger Prozess sein. Dabei kann in den verschiedenen Phasen des Entscheidungsprozesses ein unterschiedliches Level der Anspannung herrschen, bspw. kann die Phase der Ideensammlung aufregender sein als die anschließende Bewertung oder umgekehrt. Aber auch innerhalb der Phase kann die Anspannung variieren. Wird sich bewusst intensiv mit einem Thema beschäftigt, ist die Anspannung vermutlich höher als während der Zeitpunkte, in welchen nicht an das Thema gedacht wird.

169Siehe Abschnitt 2.2.2.5.

Intuition in der Kreativitätsforschung. Runco (2007), S. 7. 171Siehe Abschnitt 2.2.2.5. Intuition in der Kreativitätsforschung. 172Siehe ebd. 173Vgl. Weber (1995). S. 325. 174Vgl. Kozbelt / Beghetto / Runco (2010), S. 26. 175Vgl. Weber (2015), S. 323 ff.; Küpers (2015); S. 80; Goldberg (1993), S. 10 ff. und S. 119 ff. 170Vgl.

4.3  Einflussfaktoren auf die Intuition in Managemententscheidungen

209

Auch wird sich nebenbei vermutlich noch mit weiteren verschieden weit fortgeschrittenen Projekten befasst.176 Es kommt beim Intuieren folglich zu Wechselwirkungen von physischer und emotionaler An- und Entspannung. In einem angenehmen Spannungszustand, aus der Balance von Anspannung und Loslassen, Konzentration und Muße gedeiht die Intuition besonders gut.177 Wie beim Punkt der Präsenz schon ausgeführt kann es im intuitiven Ablauf zu einer gesteigerten Selbstwahrnehmung kommen.178 Auch die eigenen Erfahrungen zeigen, dass ein solcher Zustand eine besonders intensive Energie mit sich bringt und die Pforten der persönlichen Wahrnehmung öffnet. Da Intuition auch immer stark kontextabhängig ist, könnte von Unternehmensseite versucht werden, ein intuitionsförderndes Umfeld zu schaffen. Wichtig ist, dass sich

Abbildung 4.17   situationellen Faktoren der Intuition in Managemententscheidungen. (Eigene Darstellung)

176Vgl. Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997), S. 360 und siehe Cluster ‘Abwechslung’. 177Vgl. Kaudela-Baum / Brasser (2015), S. 136. 178Vgl. Hänsel (2002), S. 168.

210

4  Eigener Forschungsansatz

Intuition nicht erzwingen und kontrollieren lässt, sich aber durch geeignete Rahmenbedingungen durchaus „wie ein Gast“ ins Unternehmen einladen lässt.179 Die zweite Mindmap visualisiert die situationellen Einflussfaktoren samt übergeordneter Kategorien. In den situationellen Faktoren lassen sich ebenfalls sieben thematische Cluster erkennen, wobei einige Cluster direkte Partner der gleichnamigen Cluster personaler Faktoren sind. Die sieben identifizierten Kategorien situationeller Faktoren umfassen die Cluster ‘Autonomie’, ‘Offenheit’, ‘Ambiente’, ‘Interaktion und Kommunikation’, ‘Intention’, ‘Abwechslung’ sowie ‘Intuitionstechniken’: (Abbildung 4.17). 'Autonomie' Neben den bereits thematisierten persönlichen Autonomievoraussetzungen existieren zahlreiche autonomieermöglichende Situationsbedingungen, welche in diesem Cluster gesammelt werden. Situativ geht eine intuitive Atmosphäre mit einem hohen Freiheitsgrad einher.180 Entscheidungsfreiheit im Unternehmen ermöglicht ein Flow-Erleben bei der Arbeit und stellt den wichtigsten, von der Organisation beeinflussbaren Aspekt der Intuition dar.181 Um Freiheit ausleben zu können, bedarf es Freiräume, in denen die Mitarbeiter/innen Einfluss auf Zeit, Ort, Intensität, Methode und Inhalt der Arbeit sowie auf Pausen haben.182 In diesem Zusammenhang sollten auch die Werte und das Arbeitsklima im Entscheidungskontext selbstbestimmt sein.183 Hierzu bedarf es eines Aushandlungsprozesses, da i.d.R. mehrere Beteiligte involviert sind. Solcherlei Freiräume werden in dieser Arbeit als ein Schlüsselfaktor zur Entstehung von Kreativität und hierüber auch zur Nutzbarmachung von Intuition eingeschätzt. In der Praxis wird Freiheit häufig als individueller Möglichkeitsraum genutzt, welcher durch Individualität und Beziehungen der Individuen in Form spontaner, konkreter, lokaler Optionen und emotional-intuitiver Ideen geprägt wird.184 Von daher ist unternehmensseitig Raum für viele Versuche und Spontanität bereitzustellen.185 Da ein hoher Freiheitsgrad auch mit Verantwortung ein-

179Hänsel

(2002), S. 216.

180Siehe Abschnitt 2.2.2.2.

Intuition in der Psychologie und der Psychotherapie. Küpers (2015), S. 73. 182Vgl. Kaudela-Baum / Brasser (2015), S. 119; Nidiaye / Gottwald / Hormann / BesserAnthony (1997), S. 19, S. 164 und S. 168. 183Siehe Abschnitt 2.2.2.5. Intuition in der Kreativitätsforschung. 184Vgl. Kaudela-Baum / Brasser (2015), S. 122. 185Vgl. Goldberg (1993) in Obermayr-Breitfuß (2005), S. 51. 181Vgl.

4.3  Einflussfaktoren auf die Intuition in Managemententscheidungen

211

hergeht, sind Strukturen sinnvoll, in welchen die Verantwortung für Auswahl und Güte der Lösungen den Entscheider/innen selbst obliegt und nur geringe externe Kontrollmechanismen vorliegen.186 Im Managementkontext sind diese Strukturen i.d.R. gegeben.187 Damit Freiräume auch von den Mitarbeiter/innen in Anspruch genommen werden, müssen sie durch organisationale Regelungen vom Unternehmen legitimiert werden.188 Freiheit kann auch nur existieren und als Inspirationsquelle dienen, wenn als Gegenpol existierende Regeln außer Kraft gesetzt werden.189 Die benötigte Freiheit beinhaltet sowohl die Wahlfreiheit190 als auch die Handlungsfreiheit der Durchführung191,192 Die Weite der Wahlmöglichkeiten wird für den kreativen Prozess benötigt, während durch die Handlungsfreiheit die Mitarbeiter/innen selbst zur Ursache der Wahl werden.193 Auf einem schmalen Grat findet folglich der Balanceakt zwischen der unterstützenden Vorgabe von Optionen und freier Entscheidung statt. Bei der Auseinandersetzung mit dem Freiheitsbegriff wird schnell deutlich, dass Freiheit im organisationalen Kontext stets auch mit Widersprüchen einhergeht (siehe Tabelle 4.1). Tabelle 4.1  ausgewählte Widersprüche in der Organisationsgestaltung. (Eigene Darstellung nach Müller-Chr ist 2007, S. 141)

Zwang

Freiheit

Determinismus

versus

Voluntarismus

Kontrolle

versus

Selbständigkeit

Standardisierung

versus

Flexibilisierung

Zentralisierung

versus

Dezentralisierung

Fremdorganisation

versus

Selbstorganisation

Fremdsteuerung

versus

Selbststeuerung

Kooperation

versus

Konkurrenz

Ordnung

versus

Kreativität

Kollektivität

versus

Individualität

186Siehe Abschnitt 2.2.2.5. Intuition in der Kreativitätsforschung und Abschnitt 2.2.2.2. Intuition in der Psychologie und der Psychotherapie. 187Siehe Abschnitt 2.1.2. Managemententscheidungen. 188Vgl. Kaudela-Baum / Brasser (2015), S. 119. 189Vgl. ­Kaudela-Baum / Brasser (2015), S. 123. 190Freiheit der Auswahl von Optionen. 191autonome Gestaltung der vorhandenen Wahloptionen. 192Vgl. Kaudela-Baum / Brasser (2015), S. 121–122. 193vgl. ebd.

212

4  Eigener Forschungsansatz

Um mit den entstehenden Widersprüchen umgehen zu können, kann es hilfreich sein, die Freiheitsräume so verbindlich wie möglich auszuhandeln und Möglichkeiten sowie Grenzen der Freiheit mit den Mitarbeiter/innen im Diskurs abzustimmen.194 Letztendlich kann es zum Herstellen einer Verbindung zu einem solch natürlichen Phänomen wie der Intuition nur hilfreich sein, bei der Arbeit dem eigenen Biorhythmus oder dem Rhythmus der natürlichen Welt zu folgen.195 Seit Freidman (1952) sich mit den negativen Auswirkungen unnatürlicher Arbeitszeiten befasste, gilt es als gegebener Sachbestand, dass diese natürlichen Rhythmen das Flow-Erleben begünstigen, Stress reduzieren und stressbedingte Ablenkungen ausblenden und die Verbindung zu den inneren Potentialen der Menschen verstärken.196 Für Manager/innen gilt es, den inneren Rhythmus und den Rhythmus der Außenwelt in Einklang zu bringen.197 ‘Offenheit’ Als eng mit der Autonomie verbunden wird das Umfeldfaktorencluster ‘Offenheit’ gesehen, welches auch als Partnercluster zum gleichnamigen Cluster personenbezogener Faktoren gedacht ist. Der Bezug zur Autonomie besteht insofern, dass sich eine Atmosphäre der Offenheit logischerweise durch wenig oder keine Vorgaben (durch Zielgruppe oder Auftraggeber) auszeichnet.198 Als eine hinderliche Kontextbedingung für intuitive Entscheidungen wird insbesondere hoher Bewährungsdruck genannt.199 Dieser entsteht bspw. durch enge Zielvorgaben oder aus zeitlichem Druck heraus, welcher das unbewusste Gefühl von Eile erzeugen kann.200 Die Atomsphäre der Offenheit geht aber noch darüber hinaus und schließt auch mit ein, dass Ausprobieren gewünscht ist und die Möglichkeit besteht, neue Ideen auch auf Grundlage von Ahnungen einbringen zu können und auch Abweichungen vom angestrebten Ergebnis zu akzeptieren.201 Prinzipiell ist es wichtig, Gedanken außerhalb des Rahmens zuzulassen und „das, was ist, nicht

194Vgl.

Kaudela-Baum / Brasser (2015), S. 122–123. Intuition in der Kreativitätsforschung. 196Siehe hierzu bspw. Rosmann / Kohtes (2011). 197Vgl. Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997), S. 91. 198Vgl. Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997), S.  170 und siehe Abschnitt 2.2.2.5. Intuition in der Kreativitätsforschung. 199Siehe ebd. 200Vgl. Schmid / Hipp / Caspari (1999), S. 110. 201Vgl. Küpers (2015), S. 80; Kaudela-Baum / Brasser (2015), S. 136. 195Siehe Abschnitt 2.2.2.5.

4.3  Einflussfaktoren auf die Intuition in Managemententscheidungen

213

wichtiger zu nehmen, als das, was nicht ist“, um zu einer innovativen Lösung zu gelangen.202 Ist diese nicht gegeben, droht eine defensive Entscheidungskultur, in der nur Lösungen gesucht werden, welche sich rational verteidigen lassen.203 Weiterhin wird es auch als Teil einer offenen Atmosphäre gesehen, kein wertendes Urteil über die Entscheidungen Dritter abzugeben, da eine zu starke Bewertung der Arbeit gleichzeitig auch immer eine Richtung vorgibt, was gewünscht und als gut befunden wird, wodurch die Offenheit beeinträchtigt wird. Als sinnvoller eingeschätzt wird ein auf persönlicher Ebene wertschätzender, auf inhaltlicher Ebene aber eher neutraler und beschreibender Umgang miteinander. Ein letzter wichtiger Punkt des Clusters ‘Offenheit’ sind die prinzipiellen Übertragungsmöglichkeiten, welche vorsehen, dass Informationen und Handlungspraktiken aus anderen Systemen ins Unternehmen übertragen werden und dort zur Anwendung kommen können.204 ‘Ambiente’ Eng mit dem Cluster ‘Offenheit’ wird auch das Cluster ‘Ambiente’ assoziiert. Hier werden alle harten und weichen Faktoren gesammelt, welche das unmittelbare Arbeitsumfeld betreffen. Beim Großteil der hier aufgeführten Faktoren handelt es sich um Faktoren, welche direkt aus den Komponenten der Cluster der persönlichen Einflussbedingungen hergeleitet wurden. Die einzelnen persönlichen Faktoren wurden unter der Frage betrachtet, welche konkreten Ausgestaltungen zur Erfüllung der zugrunde liegenden Bedürfnisse benötigt werden. Viele dieser Punkte lassen sich zur Organisationskultur zusammenfassen. So ist der Person zur Würdigung des intuitiven Entscheidungsprozesses seitens des Unternehmens Zeit und Geduld für Inkubationszeiten bereitzustellen. Es sind die physikalischen Gegebenheiten bereitzustellen, um einen Bezug zum Umfeld herstellen zu können. Dies kann bspw. durch ein Ambiente geschehen, in welchem die Entscheidungsträger in mehrere verschiedene Systeme eingebunden sind und somit in der Lage sind, die Emotionen des Umfeldes sowie Informationen aus umliegenden Systemen aufzunehmen. Auch die geographische Nähe zu anderen kreativen Menschen wird als hilfreich angesehen, um von diesen Feedback und Kritik zu erhalten. Hinsichtlich der Zielsetzung könnten gemeinsame Ziele und

202Kaudela-Baum

/ Brasser (2015), S. 124. Gigerenzer / Gaissmaier (2015), S. 25 ff. 204Siehe Abschnitt 2.2.2.5. Intuition in der Kreativitätsforschung. 203Vgl.

214

4  Eigener Forschungsansatz

eine kollektivistische Herangehensweise hilfreich sein, um Nähe zum Umfeld aufzubauen und Gruppenkohäsion herbeizuführen. Die konkrete Arbeitsatmosphäre einer intuitiven Entscheidung ist dabei, wie bereits erwähnt, offen sowie entspannt, aber auch intensiv. Hier bestehen direkte Verbindungen zu den Punkten ‘Abwechslung’ und ‘Offenheit’. Um den abwechslungsreichen Bedürfnissen der Intuition gerecht zu werden, bedarf es eines dynamischen Ambientes. Anforderungen, Aufgaben und die Umgebung müssten flexibel veränderbar sein. Darüber hinaus erzeugt das Setzen und Aufheben bestehender Grenzen Lust auf Innovationen und schärft den ‘Möglichkeitssinn’.205 Als greifbare Manifestation der Arbeitsatmosphäre wirkt höchstwahrscheinlich auch die Arbeitsumgebung auf den Entscheidungsprozess. Ein inspirierendes Arbeitsumfeld würde dann die Chance einer intuitiven Einsicht erhöhen. Strukturell kann ein Unternehmen die Entfaltung von Intuition fördern, indem Möglichkeitsräume zur Umsetzung des ‘Möglichkeitssinns’ bereitgestellt werden.206 Hierbei kann es sich um spezielle Räumlichkeiten handeln, in denen andere kreative Werke zur Inspiration bereitgestellt werden oder in denen vielfältiges Material zum eigenständigen Herumprobieren bereitliegt, um somit den Geist anzuregen. Es kann sich aber auch um sogenannte ‘dritte Orte’ (bspw. Kaffeemaschine, Fitnessraum, Park) handeln, an denen unbeabsichtigt und im Vorbeigehen ein Austausch stattfindet und Intuition entstehen kann.207 Unbeabsichtigt und im Vorbeigehen ist die Intuition mitunter am aktivsten.208 Eine dezentrale Unternehmensstruktur birgt die Möglichkeit, lokales Wissen zu nutzen, wodurch die Informationsaufnahme erleichtert und Intuition vorbereitet wird.209 Des Weiteren kann Freiheit geschaffen werden, indem sogenannte ‘slack time’210 zur Verfügung gestellt wird.211 Hinsichtlich der Organisationskultur ist darüber hinaus die moderierende Wirkung von Emotionen auf die Intuition zu beachten.212 Wie bereits kurz erwähnt, wird davon ausgegangen, dass positive als auch negative Emotionen sich sowohl positiv als auch negativ auf die Intuition auswirken können.213 Eine

205Vgl.

Kaudela-Baum / Brasser (2015), S. 124. Zeuch (2010), S. 221. 207Vgl. Kaudela-Baum / Brasser (2015), S. 130. 208Vgl. ebd. 209Vgl. Gigerenzer / Gaissmaier (2015), S. 35. 210freie Zeit und ggf. finanzielle Ressourcen für eigene Projekte von Interesse. 211Vgl. Kaudela-Baum / Brasser (2015), S. 126. 212Vgl. Shapiro / Spencer (1997), S. 65 ff.; Sinclair et al. (2002), S. 158. 213Siehe Cluster ‘persönlicher Bezug’. 206Vgl.

4.3  Einflussfaktoren auf die Intuition in Managemententscheidungen

215

Kultur, in welcher Emotionen nicht tabuisiert werden und aktiv dazu eingeladen wird, sich mit den eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen, hilft dabei, die eigenen Emotionen zu erkennen und einzuschätzen. In jedem Fall ist eine Diskrepanz zwischen behaupteter und gegebener Wirklichkeit in der Unternehmenskultur zu vermeiden, da ein solcher Zustand die Intuition und somit die Entscheidungsfindung einschränkt.214 Als Hygienefaktoren einer intuitiven Umgebung sind eine sichere und friedliche Arbeitsumgebung zu nennen.215 In den Phasen, in denen es nötig ist, sollte es möglich sein, dem Bedürfnis nach Ruhe und Stille nachzugehen.216 Ein Klima solch besonders positiver Emotionen wird durch vertrauensvolle Beziehungen in Organisationen geschaffen.217 In einem solchen Umfeld können sich Mitarbeiter/innen und Führungskräfte aufeinander verlassen, Intuitionsentscheidungen werden ermöglicht, die Interaktionsumwelt und somit die Effizienz von Entscheidungen in der Organisation verbessern sich.218 Darüber hinaus müsste all dies in einer Atmosphäre der Selbstverständlichkeit stattfinden, um intuitiven Entscheidungen den mystischen Charakter der Außergewöhnlichkeit zu nehmen und einen natürlicheren Umgang mit der Intuition zu ermöglichen. ‘Interaktion und Kommunikation’ Das Cluster, in welchem die verschiedenen situationellen Aspekte von Interaktion und Kommunikation gesammelt werden, ist eng angelehnt an das Cluster ‘Ambiente’, da die Ausgestaltung der Kommunikation auch Teil der Arbeitsatmosphäre und somit jenes Clusters ist. Neben den eher geistigen Faktoren ist die Intuition auch eng mit dem Körperlichen verknüpft und hat einen starken Bezug zu den menschlichen Sinneswahrnehmungen.219 Intuitionen speisen sich, unterhalb der Bewusstseinsschwelle, u. a. aus mimischen, gestischen, haltungsbezogenen oder geruchsabhängigen Informationen der Umwelt, welche über alle dem Menschen zur Verfügung stehenden Sinnesorganen aufgenommen werden.220 Von daher erhöht ein multimodaler Input die Chance,

214Vgl.

Küpers (2015), S. 72 Intuition in der Kreativitätsforschung. 216Vgl. Scharmer (2009), S. 406 ff. 217Vgl. Gigerenzer / Gaissmaier (2015), S. 35. 218Vgl. ebd. 219Siehe Abschnitt  2.2.2.3. Intuition in der Neurowissenschaft und Abschnitt 2.2.2.4. Intuition in der Pädagogik. 220Vgl. Gottwald (2015), S. 109. 215Siehe Abschnitt 2.2.2.5.

216

4  Eigener Forschungsansatz

die ­entscheidenden Informationen aufzunehmen, welche für die Initialzündung der Intuition benötigt werden.221 Übertragen auf die Managemententscheidung würde dies bedeuten, sich nicht nur geistig (bspw. durch lesen der Entscheidungsvorlage), sondern auch körperlich (durch Anwesenheit am Ort der Entscheidung bzw. der Konsequenzen) auf die bevorstehende Entscheidung einzulassen, um alle relevanten Informationen aufnehmen zu können. Ein ganz entscheidender Faktor im Umgang mit dem schwer greifbaren Thema Intuition ist die Art der Kommunikation.222 Von Unternehmensseite wären die Kommunikationskanäle ggf. derart anzupassen, dass intuitionsförderliche Kommunikationsmuster, wie bspw. Bildsprache, ermöglicht würden. Auch ist dabei zu berücksichtigen, dass das Top-Management eine Vorliebe für mündliche Kommunikation pflegt.223 Die mündliche, bestenfalls persönliche Kommunikation hat gegenüber schriftlichen Entscheidungsvorlagen den Vorteil, dass sehr viele, nuancierte Informationen auf verschiedenen Kommunikationsebenen übertragen werden können. Allerdings ist davon auszugehen, dass bei derart persönlicher Kommunikation immer auch die Persönlichkeit des Referierenden mitschwingt. Es ist des Weiteren davon auszugehen, dass die Art und Weise der Kommunikation, bspw. die Sprache, welche benutzt wird, um über intuitive Steuerung zu kommunizieren, die Akzeptanz intuitiver Informationen stark beeinflusst. Intuitive Entscheidungen sollten also für alle Zielgruppen adäquat adressiert werden. Auch hier können Metaphern oder Narrative ein wertvolles Hilfsmittel sein. Eine Maßnahme könnte es bspw. sein, in Berichten oder Gesprächen Strukturen und Soll- / Ist-Zustände mittels Analogien und Metaphern abzubilden, um zu unbewussten Lösungsfindungsprozessen anzuregen.224 Auch die szenische Darstellung von Themen kann helfen, die schwer verbalisierbaren intuitiven Inhalte erfahrbar zu machen.225 Ebenfalls würde es erneut zum Nachdenken anregen und im Sinne der Transparenz die Legitimität begünstigen, wenn vor einer Entscheidung alle bewusst wahrgenommenen expliziten und impliziten Annahmen226 verbalisiert würden.227

221Siehe Abschnitt 2.2.2.4.

Intuition in der Pädagogik. Abschnitt 2.2.2.2. Intuition in der Psychologie und der Psychotherapie sowie Abschnitt 2.2.2.4. Intuition in der Pädagogik. 223Vgl. Obermayer-Breitfuß (2005), S. 236; Niermann / Schmutte (2017), S. 14. 224Vgl. Hänsel (2002), S. 87. 225Vgl. Hänsel (2002), S. 168. 226welche zur Bildung einer Hypothese bzw. zur Definition eines Problems führten. 227Vgl. Hänsel (2002), S. 87. 222Siehe

4.3  Einflussfaktoren auf die Intuition in Managemententscheidungen

217

Bei schnellen Entscheidungen in komplexen Situationen fehlt i.d.R. allerdings die Zeit für aufwändige Analysen.228 Von daher werden rasche und geübte intuitive Entscheidungen von guter Qualität benötigt. Wie bereits bei der Beschreibung des Intuitionsprozesses erwähnt, schulen diskursives Denken und die reflexive Auseinandersetzung mit den intuitiven Verarbeitungsmechanismen die intuitive Kompetenz.229 Da Feedbackschleifen den Lernerfolg verfestigen und dabei helfen, Erfahrungswissen aufzubauen, welches für kommende Intuitionsvorhaben unerlässlich ist, sollte bei der Gestaltung der Prozessabläufe auf ausreichend Gelegenheit für Feedback geachtet werden. Feedbacksysteme, die direktes und ehrliches Feedback ermöglichen, könnten über die Rückmeldungen zur eigenen Intuition wertvolle Informationen für künftige Entscheidungen einfließen lassen. Ein vielversprechendes Feedbacksystem sind Interventionszirkel, in denen die Bildung von Annahmen, das Zurverfügungstellen von Annahmen sowie das Prüfen von Annahmen, während des intuitiven Entscheidungsprozesses reflektiert werden.230 Über Feedbacksysteme und Netzwerke wird auch der Erfahrungsaustausch mit anderen Entscheidungsträger/innen hergestellt.231 Teams, in denen erfahrene mit unerfahrenen Mitarbeiter/innen zusammenwirken, zeichnen sich durch besonders florierende Intuition aus.232 Dieser Umstand begründet sich durch die Reibungsfläche aus Erfahrung und Unbekümmertheit, welche sich besonders gut eignet, um den entscheidenden Funken zur intuitiven Lösung auszulösen.233 Hinsichtlich der sozialen Komponente ist zu beachten, dass auch die Beziehungsgestaltung im Unternehmen einen Einfluss auf die Intuition und deren Anwendung hat.234 Eine kooperative und kollegiale Interaktion könnte für die nötige Offenheit sorgen und kommt meist ohne starke Formalität aus. Hinderlich hingegen könnten die Hierarchieebenen in einem Feedbacksystem sein. Es könnte dann leicht passieren, dass Manager/innen aufgrund Ihrer Hierarchieebene von den in Abhängigkeit befindlichen Personen ausnahmslos Bestätigung erfahren und somit der Realitätsgehalt des Feedbacks verzerrt

228Siehe 2.1.2.

Managemententscheidungen. Zeuch (2010), S. 221. 230Vgl. Krenzin (2008), S. 70. 231Vgl. ebd. 232Vgl. Kaudela-Baum / Brasser (2015), S. 130. 233Vgl. ebd. 234Siehe Abschnitt 2.2.2.6. Intuition in den Wirtschaftswissenschaften. 229Vgl.

218

4  Eigener Forschungsansatz

wird.235 Dies wäre kein geeignetes Lernklima für den Aufbau von Erfahrungswissen. Ein ehrliches Peerfeedback wäre von daher angemessener. Auch auf der sozio-technischen Ebene könnte die Intuition gefördert und Emotionen einbezogen werden. ‘Neue’ Informations- und Kommunikationstechnologien (bspw. Enterprise-Social-Plattformen) ermöglichen es, unternehmensübergreifend Ideen in Umlauf zu bringen und zu diesen Feedback zu erhalten bzw. zu geben, wodurch ein Statement auf emotionaler Ebene entsteht.236 Durch diese Technologie wird die Führungskraft in die Lage versetzt, ohne persönliche Präsenz, aufmerksam und nah am Menschen zu sein und erhält aus den auflaufenden Informationen eine zusätzliche Entscheidungsvorbereitung, neben betriebswirtschaftlichen Kennzahlen und Analysen.237 Durch das erhöhte Informationsaufkommen und die Feedbackschleifen würde die Intuition zusätzlich befeuert und eine Kommunikationskultur der responsiven Achtsamkeitspraxis könnte auf diese Weise entstehen. Ohnehin sind Informationstechnologien in der modernen Arbeitswelt fester Bestandteil von Entscheidungsprozessen.238 Kritisch ist dabei zu beachten, dass diese Technologien zwar einen Zugriff auf zahlreiche und vielfältige Information ermöglichen, auf der anderen Seite aber auch die Gefahr einer regelrechten Informationsüberflutung mit sich bringen könnte. Es wäre dann denkbar, dass derart viele Informationen aufgenommen werden könnten, dass dies von den wirklich entscheidenden Informationen ablenkt.239 Diese tiefe und unaufhörliche Beschäftigung mit Informationen könnte die intuitive Einsicht gefährden, da hierzu eine kritische Masse an Informationen nötig ist.240 Die weitere Beschäftigung mit dem Thema würde dann zu zusätzlicher Komplexität führen und wieder weiter von der intuitiven Einsicht wegführen. Auch lassen sich einige Eigenschaften (bspw. emotionale Aspekte) von Informationen derzeit noch nicht in dem Umfang über Informationstechnologie vermitteln, wie es face-to-face der Fall wäre.241

235Vgl.

Schmid (2005) in Matzler / Bailom / Hutter (2010), S. 224. Jenner (2015), S. 200 ff. 237Vgl. ebd. 238Vgl. Thelen (2014), S. 369; Jenner (2015), S. 199 ff.; Tapscott (1997), S. 23 ff. 239Vgl. Gottwald (2015), S. 109. 240Siehe vier-Stufen-Modell. 241Bspw. sind über Skype, Facetime und anderen Videokonferenzprogrammen i. d. R. lediglich die Gesichter zu sehen, während die Körpersprache im Verborgenen bleibt. 236Vgl.

4.3  Einflussfaktoren auf die Intuition in Managemententscheidungen

219

‘Intention’ Dieses Cluster wird als Gegenpart zum persönlichen Intentionscluster gebildet. Dort werden die Ausgestaltungen der persönlichen Intentionscharakteristika (egoistische, altruistische, holistische Intention) gesammelt.242 Als Ausgestaltung des Egoismus bringt ein starker Wettbewerbscharakter Druck und Anreize mit sich und setzt Grenzen.243 All dies wirkt sich vermutlich einschränkend auf die Intuition aus. Die Tragweite der Entscheidung wirkt über die damit einhergehende Verantwortung ebenfalls auf die Intuition ein.244 Entscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen für andere könnten dazu führen, dass Entscheidungen wesentlich bedachter und vorsichtiger getroffen werden und weitere Kontrollinstanzen an der Entscheidung beteiligt sind. Hierdurch könnte die Offenheit in der Entscheidung beeinträchtigt werden. In diesem Zusammenhang sind auch die beteiligten Stakeholder zu nennen, deren jeweilige Intentionen ebenfalls in den Entscheidungsprozess einfließen und damit Einfluss auf die Intentionen der Entscheider/innen ausüben.245 In dieses Cluster integriert ist auch der Grad der Kollektivität. Die Intention kann einen unterschiedlichen Anteil zu Kollektivzielen beitragen. Dies könnte möglicherweise auch Auswirkungen auf die Intuition haben. Ein starker kollektiver Anteil könnte den Anteil an persönlicher Intuition einschränken und bringt das Thema Verantwortung mit in den Entscheidungsprozess ein. Kollektive Ziele können dem Charakter nach mehr egoistisch, altruistisch oder holistisch sein, je nachdem inwiefern das Wohl des Kollektives, das Wohl aller anderen oder das Wohl des Großen und Ganzen inklusive des Kollektivs fokussiert wird. ‘Abwechslung’ Die Faktoren dieses Clusters werden in Verbindung zu nahezu allen anderen Clustern gesetzt, da es hier um die Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Faktoren geht. Im Cluster 'Energielevel' wurde bereits beschrieben, wie unterschiedlich intensive Prozessphasen und andere Projekte außerhalb des Unternehmens gegenseitig interagieren. Als Kontrastprogramm zur monotonen Arbeit obliegt es den Unternehmen, den Entscheidungsträger/innen abwechslungsreiche Aufgaben zu stellen sowie die entsprechende Infrastruktur ­bereitzustellen,

242Siehe

personales Intentionscluster. Suchanek / Lin-Hi / Mecke (2018), o. S. 244Siehe Abschnitt 2.1.2. Managemententscheidungen. 245Siehe ebd. 243Vgl.

220

4  Eigener Forschungsansatz

um die Intuition bestmöglich zu versorgen.246 Im Einzelnen könnte dies die Abwechslung zwischen kreativer und nicht kreativer Arbeit, die Abwechslung zwischen verschiedenen kreativen Projekten, die Abwechslung zwischen Aktivität und Entspannung, die Abwechslung zwischen Offenheit und Vorgaben sowie die Abwechslung der Umgebung bedeuten. Auch Parallelität in Form von verschiedenen unterschiedlichen, aber über einen längeren Zeitraum gleichzeitig laufenden Projekten und Prozessschritten wirkt sich über ein gesteigertes Informationsaufkommen und gegenseitige Interdependenzen vermutlich positiv auf die Intuition aus. Ein zu hohes Maß an diesen Faktoren bringt allerdings wieder die Gefahr der Informationsüberflutung und einer damit einhergehenden Blockade mit sich. ‘Intuitionstechniken’ Aus den beschriebenen Funktionsweisen der Intuition und den Bestandteilen des intuitiven Prozesses lassen sich bereits einige intuitionsfördernde Faktoren ableiten. Da Intuition prinzipiell jedem Menschen zur Verfügung steht,247 sich aber auch durch Techniken oder Trainingskontexte und Fortbildungsmethoden weiterentwickeln lässt,248 liegen Ansatzpunkte zur Intuitionsförderung sowohl in der individuellen Förderung der Person also auch in der Schaffung von förderlichen Arbeitsbedingungen. All diese Maßnahmen sollen unter dem Cluster 'Intuitionstechniken' gesammelt werden. Bei der Sichtung der verschiedenen Techniken zur Intuitionsförderung wird schnell deutlich, dass die Techniken sich dem Prinzip nach in zwei Herangehensweisen unterteilen lassen. Hierbei handelt es sich um distale Techniken, also jene Techniken, welche sich vom Thema entfernen und proximale Techniken, die sich dem Thema noch weiter annähern. Eine grundlegende proximale Technik ist die analytische Vorarbeit. Wie bereits an vielen Stellen erwähnt, geht der intuitiven Einsicht stets eine bewusste Auseinandersetzung mit einem Thema voraus.249 Um den Fokus optimal aufs Thema legen zu können und somit die nötigen Informationen aufzunehmen, um

246Vgl.

Kaudela-Baum / Brasser (2015), S. 136. u. a. Cohn (1975), S. 134; Eggenberger (1998), S. 113–114; Vaughan (1988), S. 201 ff.; Zeuch (2004), S. 347 ff.; Gigerenzer (2007), S. 58. 248Vgl. u. a. Hänsel (2002), S. 214 und 217 ff. 249Siehe insbesondere den Part über das vier-Stufen-Modell im Abschnitt 2.2.2.5. Intuition in der Kreativitätsforschung. 247Vgl.

4.3  Einflussfaktoren auf die Intuition in Managemententscheidungen

221

eine intuitive Entscheidung treffen zu können, wäre dies nach Möglichkeit ohne (bzw. mit sehr geringer) Arbeitsteilung zu vollziehen. Auch hätte die Tätigkeit ohne Unterbrechung durch längere Pausen zu erfolgen. Eine Maßnahme zum Umgang mit aufgenommenen Informationen könnte u.a. die Kombination von Komponenten sein.250 Hierbei entsteht etwas Neues, indem bestehende Komponenten und Optionen miteinander in Verbindung gesetzt und neu arrangiert werden. Auch das Bilden von Kontrasten ist eine Maßnahme, welche die bestehenden Informationen in etwas Neues transformiert.251 Der entstandene Kontrast zur bisherigen Lösung kann dann als Inspiration für etwas Neues dienen. Ähnlich verhält es sich mit Assoziationen.252 Freies assoziieren ist eine Kreativtechnik, welche durch Herumprobieren Offenheit fördert. Assoziationsrunden könnten folglich als Entscheidungsgrundlage durchgeführt werden.253 Prinzipiell sind vermutlich jegliche Kreativtechniken geeignet, Grenzen aufzuheben und Offenheit zu schaffen. Aber auch das bewusste Setzen von Grenzen könnte helfen, die Intuition mit Informationen zu versorgen.254 So kann bspw. der Aktionsradius limitiert werden, in welchem nach einer Lösung gesucht wird. Hierdurch wird zwangsläufig der Blick stärker auf Details in diesem Radius gerichtet. Darüber hinaus kann an der Aufnahmefähigkeit für Informationen angesetzt werden. Durch besondere Achtsamkeit und Aufmerksamkeit können mehr und vielfältigere Informationen aufgenommen werden.255 Eine besondere Achtsamkeit und die Fähigkeit, körperliche, sprachliche und andere auftretende Verhaltensmuster zu erkennen, ist eine Voraussetzung dafür, Impulse der Intuition situativ bewerten zu können.256 Achtsamkeit kann durch gezieltes Konzentrations- und Gedächtnistraining, Schulungen des lateralen Denkvermögens sowie durch Methoden meditativer Aufmerksamkeitsschulung (wie bspw. Visualisierungen) erhöht werden.257 Darüber

250Siehe Abschnitt

2.2.2.5. Intuition in der Kreativitätsforschung. ebd. 252Siehe ebd. 253Vgl. Hänsel (2002), S. 87. 254Siehe Abschnitt 2.2.2.5. Intuition in der Kreativitätsforschung. 255Siehe Abschnitt 2.2.2.2. Intuition in der Psychologie und der Psychotherapie sowie Abschnitt 2.2.2.3. Intuition in der Neurowissenschaft, Abschnitt 2.2.2.4. Intuition in der Pädagogik und Abschnitt 2.2.2.5. Intuition in der Kreativitätsforschung. 256Vgl. Küpers (2015), S. 89 ff. 257Vgl. Gottwald (2015), S. 108. 251Siehe

222

4  Eigener Forschungsansatz

hinaus können die Bestandteile Empathie und eigene Empfindungen durch Übungen zur Selbsterfahrung und Wertschätzungstraining sensibilisiert werden.258 Selbstreflexion ist notwendig, um Intuition als Kompetenz im Führungsverhalten verankern zu können.259 Besonders hervorgehoben werden die Schritte Innehalten, Lernen und Horchen, welche durch Schulungen der emotional-intuitiven Ebene vermittelt werden sollen.260 Unterweisungen im ­ Erkennen von Körpersprache (Kinesik) erhöht das Potential zur Informationsaufnahme im sozialen Kontext.261 Nach der 'Theorie U' kann zur Quelle der Aufmerksamkeit, also jenen Punkt, an dem sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zur Feldstruktur verdichten und alle bewussten und vorbewussten Informationen vorliegen, vorgedrungen werden.262 Dieses Phänomen wird als ‘Presencing’ bezeichnet.263 Der Terminus ‘presencing’ setzt sich aus den Begriffen ‘presence’ (Präsenz) und ‘sensing’ (Spüren) zusammen und beschreibt die Möglichkeit, im gegenwärtigen Denken und Handeln die angestrebte Zukunft spürbar zu machen und wirken zu lassen.264 Auch zur Erreichung dieses Bewusstseinszustandes werden spezielle Schulungen angeboten. Dokumentation intuitiver Erlebnisse und deren anschließende Reflexion, das Einsetzen von Spiegelungsgruppen und Interventionszirkel setzt als Maßnahme auf die intuitive Kraft der sozialen Gruppe.265 In dieser Gruppe könnten Annahmen über die zu treffende Entscheidung bzw. das zu lösende Problem getroffen werden, ohne dass explizite Informationen vorliegen. Die Teilnahme an solch einer Prozedur würde dazu führen, dass sich Entscheider/ innen noch einmal mit der eigenen Entscheidungsfindung auseinandersetzen. Gewohnheitsmäßige Wertmaßstäbe, welche den intuitiven Urteilen zugrunde liegen oder auch Projektionen eigener Persönlichkeitsmerkmale auf die Entscheidungssituation, würden verdeutlicht.266 Bei den distalen Techniken geht es darum, sich geistig oder physisch vom Thema zu entfernen. Hierdurch könnten bspw. Intuitionsbarrieren aufgelöst

258Vgl.

ebd. von Niederhäusern (2015), S. 187. 260Vgl. Dievernich (2015), S. 154; Fröse / Kaudela-Baum / Dievernich (2015), S. 13. 261Vgl. Gottwald (2015), S. 107. 262Vgl. Gottwald (2015), S. 102. 263Vgl. Scharmer (2009), S. 168 ff. 264Vgl. ebd. 265Vgl. Krenzin (2008), S. 70. 266Vgl. Hänsel (2002), S. 87. 259Vgl.

4.3  Einflussfaktoren auf die Intuition in Managemententscheidungen

223

werden, welche durch eine zu starke Spezialisierung auf einen bestimmten Fachbereich begründet sind.267 Kompensierende Maßnahmen (bspw. Jobrotation, Qualitätszirkel, Erlaubnis zum Herumprobieren) ermöglichen einen Blick auf Geschehnisse außerhalb des Spezialgebietes und beugen Hemmungen vor.268 Entfernt vom Thema kann auch Inspiration durch andere Lösungen gesucht werden.269 Hierzu wäre ein Zugang zu eben solchen Lösungen bereitzustellen. Dies beinhaltet auch die Verwendung von Lösungen aus der Natur.270 Dieser Bereich wird noch einmal besonders hervorgehoben, da er sehr vom Unternehmensalltag abweicht und sich nicht leicht aus der typischen Arbeitsumgebung heraus einbeziehen lässt. Leib- und Naturerfahrungen (bspw. in Form von Waldspaziergängen, Bergsteigen oder Schwimmen) begünstigen die Intuition auch, indem sie den Geist befreien und nach einer längeren Beschäftigung mit einem Thema von der bewussten Auseinandersetzung wegführen.271 Einen ähnlichen Effekt der Entfernung vom Thema haben körperorientierte Übungsformen (wie autogenes Training, progressive Muskelentspannung, Aikido, Feldenkrais-Yoga, Achtsamkeitsübungen, spezielle Atemtechniken etc.).272 Hierdurch können Intuitionsblockaden eliminiert werden. Darüber hinaus wird ein entspannter Gemütszustand sowie die Balance zwischen der eigenen Selbstwahrnehmung und der Fremdwahrnehmung (bzw. Innen- und Außenwahrnehmung) als erleichternd für die Intuition beschrieben.273 Um dies erreichen zu können, bedarf es einer bewussten Beeinflussung des eigenen psychologischen Zustandes. Hierzu wären grundlegende Selbstmanagementfähigkeiten (bspw. die Fähigkeit, sich selbst Ziele zu setzen, zu verfolgen und zu kontrollieren, sich zu motivieren oder sich auf das Wesentliche zu fokussieren) vonnöten. Auch körperliche Ertüchtigung vermag es, die Aufmerksamkeit vom Thema zu entfernen und intuitive Kräfte zu mobilisieren, sofern es dabei nicht zu erfolgsorientiert zugeht.274 Die Aneignung der intuitiven Fähigkeit erfolgt

267Siehe Abschnitt 2.2.2.4.

Intuition in der Pädagogik. Kaudela-Baum / Brasser (2015), S. 136. 269Siehe Abschnitt 2.2.2.5. Intuition in der Kreativitätsforschung. 270Siehe ebd. 271Vgl. Küpers (2015), S. 81. 272Vgl. Schettgen (1997), S. 93, Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997), S. 93 und S. 183. 273Vgl. Hänsel (2002), S. 168. 274Vgl. Hänsel (2002), S. 87. 268Vgl.

224

4  Eigener Forschungsansatz

durch implizites Lernen, als eine „Anpassungsstrategie an komplexe Aufgabenstrukturen“.275 Somit würden sich bspw. eine spielerische Herangehensweise276 als Aspekt, welcher das implizite Lernen fördert auch förderlich auf das Erlernen von Intuitionsfähigkeit auswirken. Bestenfalls werden die individuell-intuitionsfördernden Aspekte systematisch in die persönliche Lebensführung integriert, sodass der Alltag zur Übung wird.277 Gewonnene Erfahrungen könnten dann interpretiert, auf den Berufskontext übertragen und anschließend reflektiert werden. Aufgrund der engen Verbundenheit der Intuition mit der Kreativität tragen auch künstlerische Tätigkeiten (bspw. Malen, Töpfern, Musizieren oder Bildbetrachtungen) zur Schulung der Intuition bei.278 Eine aufmerksame Begleitung des eigenen künstlerischen Schaffens könnte, wie auch die eigene Erfahrung zeigt, zu einer intensiven intuitiven Erfahrung in anderen Bereichen führen. Ein anderer wichtiger Ansatzpunkt, um sich ein Stück weit vom Thema zu entfernen, ist die Bildsprache, welche konkrete Inhalte in zusammenfassende und übergreifende Bilder kodiert.279 Häufig findet eine Visualisierung der Intuition (bspw. durch bildhafte Assoziationen, Phantasievorstellungen oder Imaginationen) statt.280 Durch das Einüben von metaphorischer Kommunikation oder kreativem Visualisieren (bspw. durch aktive Phantasieübungen, mentales Assoziationsund Sensitivity-Training, Einüben von Einfühlungsvermögen durch Rollenspiele oder Vertrauensübungen) lassen sich die intuitiven Wahrnehmungen in Form von Sprachbildern und bildhaften Analogien trainieren.281 Insbesondere die Visualisierung von Emotionen kann dazu beitragen, sich dem schwer zugänglichen Terrain der eigenen Intuition zu nähern.282 Auch einige Kreativitätstechniken wie bspw. die von Birkenbihl entwickelte Dissoziationstechnik, bei der sich auf einen komplett anderen Bereich fokussiert wird und von dort aus in einem späteren Schritt Assoziationen wieder zum original Bereich übertragen werden, sind darauf ausgerichtet, über eine Entfernung vom Thema die Intuition zu

275Neuweg

(2004), S. 31. Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997) für eine spielerische Herangehensweise im Management. 277Vgl. Dürckheim (2001), S. 73 ff. 278Siehe Abschnitt 2.2.2.5. Intuition in der Kreativitätsforschung. 279Siehe Abschnitt 2.2.2.5. 280Vgl. Küpers (2015), S. 80 ff. 281Vgl. ebd. 282Siehe Abschnitt 2.2.2.5. Intuition in der Kreativitätsforschung. 276Siehe

4.3  Einflussfaktoren auf die Intuition in Managemententscheidungen

225

locken.283 Als Perfektion der bewussten Abkehr vom Thema wird die Meditation geschätzt.284 Auf diese Art werden bei gleichzeitiger Wachheit und Aufmerksamkeit innere Ruhe und Stille geschaffen.285 Durch die Beseitigung von körperlicher und geistiger Unruhe werden 'Störimpulse' im Informationsfluss zwischen Intuition und Verstand abgeschwächt, Ablenkungen treten in den Hintergrund und der Informationsfluss zwischen Unterbewusstsein und Bewusstsein wird erhöht.286 Durch die erhöhte geistige und sinnliche Aktivität werden Führungskräfte in die Lage versetzt, ihr (emotionales) Innenleben zu erforschen und somit innere Sicherheit für Entscheidungen zu gewinnen.287 Die bisher beschriebenen Maßnahmen zur direkten Förderung der Intuition oder zur Begünstigung der förderlichen Faktoren sowie zur Lösung des Legitimitätsproblems werden in der folgenden Aufzählung aufgelistet: proximale Intuitionstechniken • Arbeitsteilung gering halten • analytische Vorarbeit • Assoziationen • Dokumentation intuitiver Erlebnisse • Herumprobieren • Innehalten, Lernen und Horchen • Interventionszirkel • Kinesikübungen • Kombination von Komponenten • Kontraste bilden • Konzentrations- und Gedächtnistraining • laterales Denkvermögen schulen • limitierter Aktionsradius • meditative Aufmerksamkeitsschulung • Pausen von größerem Umfang vermeiden • „Presencing“ Schulungen • Selbsterfahrungsübungen

283Siehe

Birkenbihl (2008). Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997), S. 92 und siehe Abschnitt 2.2.2.4. Intuition in der Pädagogik. 285Vgl. u. a. Gonschior (2013), S.  51 ff. und 172 ff. / Gottwald (2015), S. 107 ff. 286Vgl. Gottwald (2015), S. 109. 287Vgl. Gottwald (2015), S. 109–110. 284Vgl.

226

4  Eigener Forschungsansatz

• Selbstreflexion • Spiegelungsgruppen • Wertschätzungstraining distale Intuitionstechniken • Balance zwischen der eigenen Selbstwahrnehmung und der Fremdwahrnehmung • Bildsprache – bildhafte Assoziationen – Einfühlungsvermögen durch Rollenspiele oder Vertrauensübungen einüben – Imaginationen – kreatives Visualisieren – mentales Assoziations- und Sensitivity-Training – metaphorische Kommunikation – Phantasieübungen – Phantasievorstellungen – Visualisierung der Intuition – Visualisierung von Emotionen – … • Entspannungsübungen für einen entspannten Gemütszustand • Inspiration durch andere Lösungen – Lösungen aus anderen Disziplinen – Lösungen aus der Natur • körperorientierte Übungsformen – Achtsamkeitsübungen – Aikido – Atemtechniken – autogenes Training – progressive Muskelentspannung – (Feldenkrais-)Yoga – … • künstlerische Tätigkeiten – Malen – Bildbetrachtungen – Musizieren – Töpfern – …

4.3  Einflussfaktoren auf die Intuition in Managemententscheidungen

227

• Leib- und Naturerfahrungen – Bergsteigen – Schwimmen – Waldspaziergänge, – … • Meditation • Selbstmanagementschulung • Spezialisierung durch kompensierende Maßnahmen begegnen – Jobrotation – Qualitätszirkel – Erlaubnis zum Herumprobieren – … • spielerische Herangehensweise • Sport und körperliche Ertüchtigung Der Großteil der Maßnahmen in dieser Liste bezieht sich auf die personalen Faktoren der Intuitionsförderung. Maßnahmen, welche ein situationelles Setting schaffen, in welchem die Intuition gedeihen kann, sind meist sehr vage formuliert und regen meist einfach generell dazu an, eine (bspw. vertrauensvolle, offene etc.) positive Atmosphäre zu schaffen. Faktoren, die sich negativ auf die Intuition auswirken, spiegeln sich meist in der Missachtung allgemeiner positiver Faktoren wider. Maßnahmen zur Steigerung der Legitimität wurden in der Literatur bisher kaum beschrieben. Lediglich im Werk von Küpers (2015) ist der Vorschlag zu finden, zukünftige Entscheidungsträger während des Studiums an den Hochschulen zu sensibilisieren, um für die Zukunft eine wohlwollende Einstellung zum nicht sprachlichen und somit nicht rational vermittelbaren Prozess der Intuition zu schaffen.288 Weiterhin ist zu beachten, dass es entsprechender organisatorischer Strukturen zur Aufnahme und Verwendung der anfallenden Informationen und einer Besinnung auf soziale Werte bedarf, um zu vermeiden, dass reiner Pragmatismus und reine Effizienz- und Finanzorientierung die Intuition ausbeuterisch zu verwerten versuchen.

288Vgl.

Küpers (2015), S. 81.

228

4  Eigener Forschungsansatz

Was können wir mitnehmen?  • Es existieren personale Einflussfaktoren intuitiver Managemententscheidungen, die sich zu den folgenden Clustern zusammenfassen lassen: – Autonomie – Intention – Aufmerksamkeit – Balance zwischen Offenheit und Erfahrung – persönlicher Bezug – Habitus – Energielevel • Es existieren situationelle Einflussfaktoren intuitiver Managemententscheidungen, die sich zu den folgenden Clustern zusammenfassen lassen: – Autonomie – Offenheit – Ambiente – Interaktion und Kommunikation – Intention – Abwechslung – Intuitionstechniken • Es existieren verschiedene Techniken, mit denen die Intuition gefördert werden soll. Die Techniken lassen sich auf die Prinzipien herunterbrechen, sich dem Thema stärker zu nähern oder sich stärker vom Thema zu entfernen.

5

Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Im folgenden Kapitel sollen die Erkenntnisse der Literaturaufarbeitung um die Erkenntnisse aus den Expert/innenbefragungen erweitert werden. Im Einzelnen wird beschrieben, wie die in Kapitel 3 erläuterten Methoden der Datenerhebung, Aufbereitung und Interpretation im Forschungsprozess umgesetzt wurden. Dies geschah im Zuge mehrerer Expert/innengruppendiskussionen, denen zwei Systemaufstellungen vorausgingen (5.1), sowie 40 Expert/inneneinzelbefragungen (5.2). Darüber hinaus wird dieses Kapitel begleitet von einem Reflexionsteil, in den auch Ansätze kreativen Forschens einfließen (5.3).

5.1 Systemaufstellungen, Nacherzählungen und Gruppendiskussionen mit Expert/innen Zentrales Thema der online und offline durchgeführten Gruppendiskussionen war die Diskussion der eingangs formulierten Fragestellung nach den Verhältnissen in den Spannungsfeldern intuitiver Managemententscheidungen. Diese Fragestellung wurde in den Systemaufstellungen vom 24.01.2017 und 21.08.2017 in Aufstellungsbilder übersetzt und anschließend für die Gruppendiskussionen als Nacherzählungsvideos aufbereitet.

Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht. https://doi. org/10.1007/978-3-658-31144-5_5 © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 O. Ahel, Intuition im Management, Systemaufstellungen in Wissenschaft und Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31144-5_5

229

230

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Vorbereitung des Geistes Bevor die Systemaufstellung durchgeführt werden konnte, waren die bisher in der Literaturrecherche aufgenommenen Informationen in ein Aufstellungsdesign zu übertragen. Aus der aufgearbeiteten Theorie wurde herausgenommen, welche Größen für die Aufstellung eines Intuitionssystems relevant sind, damit Intuition stattfinden kann. Als Rahmen wurden hierzu die Dilemmaquadrate mit den ermittelten Spannungsfeldern verwendet. Innerhalb dieses Rahmens interagieren die Elemente einer intuitiv getroffenen Managemententscheidung miteinander. Die Skizze des Aufstellungsdesigns zeigt die Dilemmaquadrate sowie die ausgewählten Elemente der Aufstellung.

Abbildung 5.1   Skizze des Aufstellungsdesigns. (Eigene Darstellung, umgesetzt von Darya Mazur)

Als relevante Parameter in diesem Intuitionssystem werden die folgenden Elemente gesehen: • Geistesblitz: Hierunter wird der unmittelbare Akt, in dem eine Information oder eine Erkenntnis im Bewusstsein auftaucht, verstanden. In jedem Intuitionsmodell kommt ein Geistesblitz in der einen oder anderen Form vor. Es ist jener unvorhersehbare Zeitpunkt, an dem Intuition stattfindet. Ohne Geistesblitz kann die Intuition nicht zünden. • vorbereiteter Geist: Im Allgemeinen geht dem Geistesblitz eine bewusste Beschäftigung mit einem Thema voraus, um den Geist für die Intuition vorzubereiten. Darüber hinaus ist hiermit aber auch die vielfach erwähnte Einstellung der Offenheit gegenüber der Intuition gemeint. • Präsenz: Hiermit ist das körperliche und geistige ‘im Hier und Jetzt sein’ gemeint. Ein Zustand von Aufmerksamkeit und Achtsamkeit auf sich und die Umwelt. • Intention: Jede Entscheidung ist mit einer Absicht verbunden, welche die Wirkrichtung bestimmt. Ausprägungen der Intentionen können egoistisch, altruistisch und holistisch sein. Mit egoistischen Entscheidungen möchten

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen

231

die Entscheider/innen etwas für sich selbst erreichen, mit altruistischen Entscheidungen etwas für andere und holistischen Entscheidungen liegt eine ganzheitliche Sichtweise zugrunde, in der eine Abstimmung zwischen dem großen Ganzen sowie den Entscheider/innen als Teil des großen Ganzen erfolgt. Mit diesem Element soll auch ein Bogen zu den Entscheidungstypen geschlagen werden. In der egoistischen Intention sammeln sich die ‘Jetzt-für-jetzt-für-selbst-Entscheidungen’ sowie die ‘Jetzt-für-dann-für-selbst-Entscheidungen’, in der altruistischen Intention ­ die ‘­Jetzt-für-jetzt-für-andere-Entscheidungen’ sowie die ‘Jetzt-für-dann-fürandere-Entscheidungen’ und die holistische Intention vermittelt zwischen den ‘für-selbst’- und ‘für-andere’-Komponenten sowie den zeitlichen ‘für-jetzt’ und ­‘für-dann’-Komponenten. Um zusätzliche Informationen aus den Bildern der Aufstellung ziehen zu können, wurde der Konstellation ein weiteres nicht unmittelbar dem intuitiven Prozess zuzuordnendes Element hinzugefügt. • das freie Element: Hierbei handelt es sich um ein ganz freies Element, welches sich im System immer frei bewegen und beobachten darf. Wie sich in der Interaktion der Elemente herausstellte, wäre es denkbar, dass das freie Element in den Spannungsfeldern jene Instanz verkörpert, welche den Raum für Entscheidung gibt, bspw. eine Hierarchie, eine Managementschule, Managementphilosophie, Unternehmenskultur oder ähnliches. Die Systemaufstellungen der Elemente erfolgten in drei Szenarien, welche sich wiederum in jeweils drei Schritte unterteilten. 1. Szenario: Die Elemente werden im kontextfreien Raum miteinander in Verbindung gestellt. Hierdurch sollen die prinzipiellen Beziehungen der Elemente untereinander geklärt und abgebildet werden. Sobald ein stabiles Bild entsteht, wird das Element der Intention ausgetauscht und durch die Intention der nächsten Ausprägung ersetzt. Somit besteht das erste Szenario aus drei Schritten: Schritt 1: Die Elemente des Intuitionssystems mit egoistischer Intention stellen sich im kontextfreien Raum in Beziehung zueinander. Schritt 2: Die egoistische Intention wird durch die altruistische Intention ausgetauscht und die Elemente des Intuitionssystems mit altruistischer Intention stellen sich im kontextfreien Raum in Beziehung zueinander.

232

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Schritt 3: Die altruistische Intention wird durch die holistische Intention ausgetauscht und die Elemente des Intuitionssystems mit holistischer Intention stellen sich im kontextfreien Raum in Beziehung zueinander. 2. Szenario: Die Elemente werden im ersten Dilemmaquadrat in Beziehung zueinander gesetzt. Hierbei werden die Spannungsfelder zwischen Intuition und Transparenz sowie zwischen Freiräumen und Effektivität, wie in der Abbildung 5.1 zu sehen, aufgebaut. Die Pole der Spannungsfelder des ersten Dilemmaquadrates haben dabei folgende Bedeutungen:1 • Intuition: Bedeutet hier, zu wissen, ohne komplett nachvollziehen zu können, wie dieses Wissen zustande kommt. Es bezieht sich direkt auf das vorliegende Wissen und umfasst dieses Mal nicht die anderen Bestandteile der Informationsaufnahme oder des Entscheidungsprozesses. • Transparenz: Mit Transparenz ist die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungsprozessen und der zugrunde liegenden Information gemeint. Diese Nachvollziehbarkeit ist die Grundlage von Legitimation. Je mehr Intuition bei der getroffenen Entscheidung eine Rolle spielte, desto weniger nachvollziehbar wird die Entscheidung. • Freiräume: Hierbei handelt es sich um organisatorische Freiräume (bspw. Ressourcen, Geld, Zeit, etc.), welche benötigt werden, damit zum einen Intuition entstehen kann und zum anderen Entscheidungen getroffen werden können. • Effektivität: Effektivität ist die Wirkung, welche durch Entscheidungen erzielt wird und welche diese Entscheidungen anerkennenswert macht. In wirtschaftenden Einheiten sind Entscheidungen i. d. R. darauf ausgelegt, einen positiven Effekt nach sich zu ziehen oder einen negativen Effekt zu verhindern. In jedem Fall haben sie eine Wirkung. Diese Wirkung von Entscheidungen ist von den handelnden Akteur/innen gewünscht und macht eine Managemententscheidung aus.

1Für

ausführliche Informationen zu den Spannungsfeldern siehe Abschnitt 4.2.

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen

233

Auch hier durchläuft das Element der Intention die verschiedenen Ausprägungen, sobald ein stabiles Bild entsteht. Somit besteht das zweite Szenario aus den folgenden drei Schritten: 1. Schritt: Die Elemente des Intuitionssystems mit egoistischer Intention stellen sich im Dilemmaquadrat aus Intuition, Transparenz, Freiräumen und Effektivität in Beziehung zueinander. 2. Schritt: Die egoistische Intention wird durch die altruistische Intention ausgetauscht und die Elemente des Intuitionssystems mit altruistischer Intention stellen sich im Dilemmaquadrat aus Intuition, Transparenz, Freiräumen und Effektivität in Beziehung zueinander. 3. Schritt: Die altruistische Intention wird durch die holistische Intention ausgetauscht und die Elemente des Intuitionssystems mit holistischer Intention stellen sich im Dilemmaquadrat aus Intuition, Transparenz, Freiräumen und Effektivität in Beziehung zueinander. 3. Szenario: Die Elemente werden im zweiten Dilemmaquadrat in Beziehung zueinander gesetzt. Hierbei werden die Spannungsfelder zwischen Intuition und Verantwortung sowie zwischen Vernetzung und Selbstwahrnehmung, wie in der Abbildung 5.1 zu sehen, aufgebaut. Die Pole der Spannungsfelder des zweiten Dilemmaquadrates haben dabei folgende Bedeutungen:2 • Intuition: Bedeutet, wie bereits erwähnt, zu wissen, ohne komplett nachvollziehen zu können, wie dieses Wissen zustande kommt. Es bezieht sich direkt auf das vorliegende Wissen und umfasst dieses Mal nicht die anderen Bestandteile der Informationsaufnahme oder des Entscheidungsprozesses. • Verantwortung: Hierunter wird die (moralische und/oder rechtliche) Verpflichtung gesehen, für Dritte Sorge zu tragen bzw. für die Konsequenzen, welche Dritten durch eine Entscheidung entstehen, einzustehen. Managemententscheidungen sind häufig mit hohen Tragweiten verbunden und in diesem Zusammenhang mit einer hohen Verantwortung gegenüber den Menschen, die von den Entscheidungen betroffen sind.

2Für

ausführliche Informationen zu den Spannungsfeldern siehe Abschnitt 4.2.

234

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

• Vernetzung: Hiermit ist die (meist digitale) Vernetzung gemeint, welche zur Informationsbeschaffung im Vorfeld der Entscheidung genutzt wird. Viele in Entscheidungen einfließende Informationen werden aus Netzwerken bezogen. Häufig befinden sich die Quellen der Informationen geographisch global verteilt und werden mithilfe digitaler Medien übermittelt. • Selbstwahrnehmung: Ein fester Bestandteil des intuitiven Entscheidungsprozesses ist der persönliche Bezug. Es kommt während der Informationsaufnahme immer wieder zu Phasen der Selbstbeobachtung und in jede Entscheidung fließen auch immer persönliche Komponenten und Informationen mit ein. Die Intuition ist eng mit der Person verbunden. Auch hier durchläuft das Element der Intention die verschiedenen Ausprägungen, sobald ein stabiles Bild entsteht. Somit besteht das dritte Szenario aus den folgenden drei Schritten: 1. Schritt: Die Elemente des Intuitionssystems mit egoistischer Intention stellen sich im Dilemmaquadrat aus Intuition, Verantwortung, Vernetzung und Selbstwahrnehmung in Beziehung zueinander. 2. Schritt: Die egoistische Intention wird durch die altruistische Intention ausgetauscht und die Elemente des Intuitionssystems mit altruistischer Intention stellen sich im Dilemmaquadrat aus Intuition, Verantwortung, Vernetzung und Selbstwahrnehmung in Beziehung zueinander. 3. Schritt: Die altruistische Intention wird durch die holistische Intention ausgetauscht und die Elemente des Intuitionssystems mit holistischer Intention stellen sich im Dilemmaquadrat aus Intuition, Verantwortung, Vernetzung und Selbstwahrnehmung in Beziehung zueinander. Visualisierung des Systems, Nacherzählung und Interpretation Zur anschließenden Auswertung wurden die Geschehnisse der Aufstellung aufgezeichnet. Die in der Aufstellung entstandenen Daten wurden in einer Nacherzählung aufbereitet. Hierzu wurden aus diesen Aufzeichnungen zu den verschiedenen Szenarien Videoclips zusammengeschnitten, welche die Entwicklungen, die sich in den Aufstellungen zeigten, nacherzählten. Bei der Aufbereitung der Videosequenzen wurde sich an der Struktur der Szenarien orientiert und diesen einzelnen Kapiteln zugeteilt (Abbildung 5.2).

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen

235

Abbildung 5.2   Inhaltsübersicht. (Eigene Darstellung)

Die einzelnen Szenen verfügen über eine abgeschlossene inhaltliche Handlungslogik, bestehend aus einer Komplikation3 in der Ausgangssituation und einer Auflösung der Komplikation im positiven oder negativem Sinne. Aneinandergereiht geben die einzelnen Szenen eine kontinuierliche Handlung wieder. In der folgenden Tabelle werden die Inhalte der einzelnen Szenen kurz vorgestellt. Hierzu werden die darin enthaltenen Kernelemente, Besonderheiten sowie zugrunde liegenden Narrative beschrieben. Unter dem Punkt ‘Kernelemente der Geschichte werden jene Elemente genannt, welche in dieser Szene eine bedeutende Rolle spielen und welcher Art von Konflikt / Mangel sich in der Geschichte abzeichnet’. Unter dem Punkt Besonderheiten der Geschichte werden

3Schädigung

oder Mangel.

Entfremdungstendenzen werden als Mangel wahrgenommen und es mangelt an Integration.

Integration und Gleichschaltung Die Trennung von Intention und werden als Mangel wahrgenommen. Geistesblitz hatte ein Potential, welches nicht genutzt wurde.

Kapitel 1 Szenerie 3

Kapitel 1 Szenerie 4

(Fortsetzung)

Auflösung des Konfliktes durch Akzeptanz des vergebenen Potentials.

Die getrennte Verbindung zwischen Auflösung des Konfliktes durch Geistesblitz und Intention soll mit Integration und Gruppenbildung. Hilfe des Geistesblitzes wiederaufgenommen werden. Es bilden sich daraus zwei Gruppen, die sich gegenüberstehen (vorbereiteter Geist und Intention sowie Geistesblitz, Präsenz und freies Element).

Auflösung des Konfliktes durch Die existierende Verbindung zwischen Geistesblitz und Intention Trennung und Neupositionierung. löst sich auf. Der Geistesblitz reagiert darauf.

Entstehende Entfremdungstendenzen werden als Mangel wahrgenommen und es mangelt wieder an Kontakt der Elemente untereinander.

Kapitel 1 Szenerie 2

zugrundeliegende Narrative Auflösung des Konfliktes durch Neupositionierung und Vermittlung durch das freie Element.

Besonderheiten der Geschichte Sechs Elemente verteilen sich auf drei Ebenen.

Kernelemente der Geschichte

Einzelne Elemente (Präsenz, Intention, vorbereiteter Geist) empfinden einen persönlichen Mangel und gleichen diesen durch Neupositionierung aus. Es mangelt an Kontakt der Elemente untereinander.

Teil der Geschichte

Kapitel 1 Szenerie 1

Tabelle 5.1   Kernelemente, Besonderheiten und zugrundeliegende Narrative der einzelnen Kapitel und Szenerien der Nacherzählung zu Interpretationszwecken. (Eigene Darstellung)

236 5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Auflösung des Konfliktes durch Die altruistische Intention sorgt Die Störung eines bestehenden Neuausrichtung. Prinzips wird als Schädigung wahr- dafür, dass alle anderen Elemente eine Gruppe außerhalb des Systems genommen. bilden. Der vorbereitete Geist muss sich neu ausrichten, um das Prinzip wiederherzustellen. Auflösung des Konfliktes durch Aufteilung auf verschiedenen Ebenen. Auflösung des Konfliktes durch die Entscheidung eines Dritten. Transformation durch Bewegung, Bewahrung durch Bewegungslosigkeit.

Die Elemente und Pole schließen sich zu einer Gruppe auf zwei Ebenen zusammen. Hierdurch werden Informationen klarer. Zwei Gruppen ringen um die Fähigkeit eines Elements und damit um die zukünftige Ausrichtung des Systems.

Schlechtes Timing wird als Schädigung wahrgenommen.

Zwei Gruppen verfolgen gegensätzliche Ziele. Gruppe 1 empfindet den gegenwärtigen Zustand als Mangel. Würde dieser Mangel aufgelöst würde dies eine Schädigung für Gruppe 2 auslösen.

Kapitel 2 Szenerie 2

Kapitel 2 Szenerie 3

Kapitel 3 Szenerie 1

(Fortsetzung)

Auflösung des Konfliktes durch den Der vorbereitete Geist stört die Verbindung der Elemente und Pole Wechsel auf eine andere Ebene. zueinander und wechselt auf eine andere Ebene, um die Verbindung zu ermöglichen.

Fehlende Verbindung wird als Mangel wahrgenommen.

zugrundeliegende Narrative

Kapitel 2 Szenerie 1

Besonderheiten der Geschichte

Kernelemente der Geschichte

Teil der Geschichte

Tabelle 5.1   (Fortsetzung)

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen 237

Kernelemente der Geschichte

Eine Konkrete Schädigung besteht darin, dass eine Gruppe das System blockiert. Ein Element beseitigt diese durch Neuordnung. Nach dieser Neuordnung und dem Rückzug des Elements, kehren die blockierenden Kräfte zurück. Es entsteht eine weitere Schädigung.

Es entsteht ein Mangel, da sich beide Gruppen auflösen und die Elemente getrennte Wege gehen. Nach kurzem Mangel findet eine Gruppe an einem anderen Platz wieder zusammen.

Teil der Geschichte

Kapitel 3 Szenerie 2

Kapitel 3 Szenerie 3

Tabelle 5.1   (Fortsetzung) zugrundeliegende Narrative Auflösung eines Konfliktes durch die Entscheidung eines Dritten; Transformation durch Blockade, Verteidigung durch ausweichen.

Auflösung des Mangels durch Eigeninitiative. Transformation durch Vereinigung (Gruppe 1), Transformation durch Integration eines Teilaspektes.

Besonderheiten der Geschichte Zwei Gruppen tragen den Konflikt um die Zukunft des Systems nun offen aus. Ein Element wirkt als Regulator.

Die Dynamik verselbständigt sich und der Einfluss des Elements auf die Gruppen schwindet.

238 5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen

239

spezielle Merkmale und Entwicklungen beschrieben. Unter dem Punkt ‘zugrunde liegende Narrative’ werden die Prinzipien der Auflösung des Konfliktes / des Mangels beschrieben. Diese Einteilung half dabei, die Geschichte einer Szene auf einen Blick zu erfassen (siehe Tabelle 5.1). Am 07.02.2018 und am 13.02.2017 erfolgten zwei Präsenztermine mit Diskussionsrunden und im August/September 2017 sowie Februar/ März 2018 die Phasen der Online-Diskussionen. Am ersten Termin der ­Präsenz-Gruppendiskussionen nahmen 14 Personen und am zweiten Termin 9 Personen teil, die Gruppe der Teilnehmenden an der Online-Gruppendiskussion bestand aus 30 Personen. Bei den Personen handelte es sich um eine Peer-group aus Doktorand/innen in verschiedenen Phasen ihrer Promotionsprojekte und zwei Professor/innen. Alle Teilnehmenden zeichneten sich in ihrer Rolle als Forscher/innen durch eine Expertise in den Themen ‘Intuition’ und ‘Erkenntnis’ aus. In den Präsenzphasen wurde gemeinsam mit der Gruppe der Videoclip mit der Nacherzählung angesehen und das Gesehene nach jeder Sequenz besprochen. Dabei wurde das Gesehene kommentiert und interpretiert. Das modellierte Intuitionssystem wurde von der Gruppe gelesen, es wurde beobachtet, wie sich die herausgearbeiteten Parameter verhalten und wie diese in Beziehung zueinander stehen. Die gezeigten Sequenzen sollen zudem zu neuen Ideen und Erklärungsansätzen anregen. In den Phasen der Online-Gruppendiskussion hatten die Teilnehmer/innen die Gelegenheit, sich den Videoclip online anzusehen und Kommentare direkt im Video zu hinterlassen. Darüber hinaus konnten auch bestehende Kommentare aufgegriffen und kommentiert werden. Dies ermöglichte eine Online-Gruppendiskussion direkt im Video (Abbildung 5.3).

Abbildung 5.3   Screenshot des Aufstellungsvideos auf der edubreak Plattform. (Eigene Darstellung)

240

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Die verschiedenen Interpretationsangebote wurden gesammelt und zusammengeführt. Eine komplette Tabelle mit allen Aussagen befindet sich im Anhang dieser Arbeit. In den folgenden Zeilen erfolgt eine kurze Beschreibung der Nacherzählung der Systemaufstellungen (Beschreibung Szenerie). Zu den einzelnen Szenen werden auch Paraphrasen der wichtigsten Aussagen aus den Online- und Präsenz-Gruppendiskussion vorgestellt (Relevante Auszüge aus der Gruppeninterpretation). Aufbauend auf diesen Interpretationen erfolgt ein weiterer Deutungsprozess, in dessen Zuge zu jeder Sequenz eine These hergeleitet wird (Deutung der Gruppeninterpretation). Beschreibung des Kapitel 1 – Die intuitive Konstellation Das erste Kapitel setzt die Elemente Geistesblitz, vorbereiteter Geist, Präsenz, egoistische / altruistische / holistische Intention und das freie Element ohne speziellen Kontext in Beziehung. Beschreibung der Szenerie 1 – Beziehungsklärung Die genannten Elemente positionieren sich zueinander. Der vorbereitete Geist findet rasch seinen Platz, die anderen Elemente umkreisen sich relativ lange (3 Minuten und länger), bis alle einen Platz gefunden haben. Der Geistesblitz ist sehr energiegeladen und kann eine gewisse Kontrolle über die egoistische Intention ausüben. In diesem System ist der Geistesblitz die Sonne, um die alles

Abbildung 5.4   abschließendes Bild der ersten Szene des ersten Kapitels. (Eigene Darstellung)

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen

241

kreist. Der Geistesblitz und die egoistische Intention sind eine starke Einheit und wirken gut zusammen. Die egoistische Intention möchte freier sein, kommt aber nicht vom Geistesblitz los. Außerdem möchte sie den Geistesblitz und den vorbereiteten Geist miteinander verbinden, kann dies aber wegen der Präsenz nicht. Der vorbereitete Geist ist mit sich selbst beschäftigt und nimmt alle anderen kaum wahr. Er kann dafür den Raum abdecken, den die anderen Elemente nicht sehen können. Die Präsenz fühlt sich den Anderen nur wenig verbunden und ist irritiert und angestrengt. Das freie Element wurde vom Geistesblitz ins System gerufen: Der Geistesblitz muss der egoistischen Intention die Energie geben, um mit dem vorbereiteten Geist in Kontakt zu treten (Abbildung 5.4). Kernelemente der Geschichte: Einzelne Elemente (Präsenz, Intention, vorbereiteter Geist) empfinden einen persönlichen Mangel und gleichen diesen durch Neupositionierung aus. Es mangelt an Kontakt der Elemente untereinander. Besonderheiten der Geschichte:  Sechs Elemente verteilen sich auf drei Ebenen. Zugrunde liegende Narrative:  Auflösung des Konfliktes durch Neupositionierung und Vermittlung durch das freie Element. Relevante Auszüge aus der Gruppendiskussion • Der vorbereitete Geist ist der Außenteil und die Intention und der Geistesblitz liegen in der Innenwelt (Unterbewusstsein oder mein Weltbewusstsein). In beiden Welten herrschen andere Raum-Zeit-Bezüge. • Der vorbereitete Geist trägt das ganze Feld nach außen. Die Informationen und die Energie fließen von Innen (Präsenz, freies Element) über den Geistesblitz und die Intention nach außen. • Die Eisbergspitze ist das Bewusstsein (der vorbereitete Geist). Alles andere läuft im Unterbewusstsein ab. • Das freie Element und die Präsenz sind ganz unten und der vorbereitete Geist ist oben. Die Präsenz hat die Aufgabe, im Hier und Jetzt tief verbunden zu sein, damit der Geistesblitz kommen kann. Der vorbereite Geist ist verbunden mit der Außenwelt, von dort werden Informationen bezogen. • Die Spitze des Eisbergs ist die Präsenz (sichtbar, Entscheidungsträger/innen, Handelnde), in der Mitte des Eisbergs ist der Geistesblitz (kann flexibel in alle Richtungen zugreifen), an der Basis des Eisbergs ist der vorbereitete Geist (erfasst die Tiefe des Themas und verinnerlicht dieses). • Beim Inkubieren kann die Präsenz auf einer Metaebene sein. Der Geistesblitz kommt spontan, wenn sich gerade gar nicht mit dem Thema selbst beschäftigt wird.

242

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

• Den Elementen kommen jeweils auf ihren Ebenen unterschiedliche Aufgaben zu. • Der vorbereitete Geist bezieht neue Informationen von außen mit ein (Präsenz, Intention, Geistesblitz und freies Element nicht). • Der vorbereitete Geist ist ein Verbindungsstück zur Außenwelt und bringt die notwendige Substanz für kreative Einfälle in das innere System. • Der vorbereitete Geist kann abgewandt und trotzdem offen sein. • Der Geistesblitz als unbewusster Wahlakt infolge eines vorbereiteten Geistes. Der Geistesblitz und der vorbereitete Geist als untrennbare Einheit, mit unterschiedlichen Aufgaben. • Der Geistesblitz vermittelt zwischen Präsenz und dem vorbereiteten Geist. • Die Idee versucht, über die Intention ans Licht zu kommen. • Der Geistesblitz versucht, die Intention zu steuern. • Zu starke Beschäftigung mit einem Thema blockiert den Geistesblitz, zu starke Ablenkung verhindert, dass der Geistesblitz wahrgenommen wird. • Der Wunsch nach einem Geistesblitz schreckt diesen ab, das Abwenden vom Geistesblitz zieht diesen an. Meine Deutung dieser Gruppeninterpretation Aus diesen Interpretationen wurde die These abgeleitet, dass intuitive Managemententscheidungen nach dem dynamischen Eisberg-Modell getroffen werden könnten (Abbildung 5.5).

Abbildung 5.5   das dynamische Eisberg Modell. (Eigene Darstellung)

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen

243

Diese Erkenntnis impliziert die These, dass ein dynamisches Eisberg-Modell, wie es sich in der Systemaufstellung zeigte, bzw. wie es von mir aus den Aufstellungsbildern herausgelesen wurde, existiert: Nach diesem Modell erfolgt der Geistesblitz, wie in vielen anderen Modellen auch, nach einer Vorbereitung des Geistes und einer Inkubationszeit. In der ersten Phase stellt der vorbereitete Geist die Verbindung zur Außenwelt dar. Von dort werden zur Vorbereitung des Geistes Informationen multimodal aufgenommen und ins innere System überführt. Die Aufnahme der Information erfolgt sowohl unbewusst als auch bewusst. Die Intention befindet sich an der Schwelle zum Bewusstsein, da Zweck und Antrieb der Entscheidung stets ein Stück weit bewusst sind, aber auch Teile davon im Unbewussten liegen. Der Zusammenhang zwischen Intention und Geistesblitz wird in der Form vermutet, dass Geistesblitze über die Intention umgesetzt werden. Ohne Intention hätten die Entscheider/innen keinen Grund, die entstehenden Ideen umzusetzen und die Geistesblitze in Entscheidungen zu verwandeln, um damit einen der Intention entsprechenden Nutzen zu erzielen. Die Präsenz kann beim Inkubieren zu einem anderen Thema abdriften, denn der Geistesblitz kommt spontan (bspw. bei Waldspaziergängen), wenn sich gerade nicht mit dem Thema beschäftigt wird oder sich der Geist auf der Metaebene befindet. Der Geistesblitz vermittelt zwischen der Präsenz und dem vorbereiteten Geist. Es handelt sich beim Geistesblitz um einen unbewussten Wahlakt infolge einer Vorbereitung des Geistes. Der Geistesblitz kann flexibel in alle Richtungen (Innen- und Außenwelt, bewusst und unbewusst aufgenommene Informationen) zugreifen und diese integrieren. In diesem Moment dreht sich der Eisberg und der Geistesblitz tritt in die bewusste Welt über. Dies wird von einem Gefühl der Präsenz begleitet und die Entscheidungsträger/in kann den Geistesblitz über dieses Gefühl und die Intention hinter der Entscheidung an die bewusste Außenwelt weiterleiten. Der Zeitpunkt, zu dem der Eisberg sich dreht und in die zweite Phase eingeht, ist ein schwer definierbarer Gleichgewichtspunkt. Eine zu starke Beschäftigung mit einem Thema blockiert den Geistesblitz und eine zu starke Ablenkung vom Thema verhindert, dass der Geistesblitz wahrgenommen wird. In der zweiten Phase ist der vorbereitete Geist nun primär nicht mehr mit der bewussten Welt verbunden, sondern erfasst unbewusst die Tiefe des Themas und verinnerlicht diese in den Entscheidungsträger/innen. Aus den Informationen des vorbereiteten

244

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Geistes wird implizites Wissen, welches unbewusst abgerufen werden kann, einhergehend mit dem Gefühl des Wissens, dessen Herkunft nicht ganz erklärbar ist. Beim Treffen der Entscheidung verbinden die Manager/innen über die Präsenz das Thema mit der Außenwelt. Über die eigene Präsenz sind sie zu diesem Zeitpunkt sowohl mit dem zugrunde liegenden Thema als auch mit der Außenwelt verbunden. Das entstandene Modell bedient sich der Prinzipien zweier etablierter Modelle, dem Kreativitätsmodell nach Wallas4 und dem Eisberg-Modell, wie es von Freud5 und anderen verwendet wurde. Wie bereits im Abschnitt 2.2.2.5 beschrieben, entwickelte Wallas 1926 eine umfassende systematische Theorie des kreativen Denkens. Nach seinem sogenannten v­ ier-Stufen-Kreativitätsmodell vollzieht sich der kreative Prozess in den aufeinanderfolgenden Phasen der Vorbereitung, der Inkubation, der Illumination und der Verifikation. In Anlehnung an die Form des Eisbergs ist dieses Modell hier als Vulkan dargestellt (Abbildung 5.6).

Abbildung 5.6   das vier-Stufen-Modell des kreativen Prozesses. (Eigene Darstellung nach Runco (2007))

4Siehe Abschnitt 2.2.2.5. 5Siehe

Intuition in der Kreativitätsforschung. Zimbardo / Ruch (1974).

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

245

Während des Ablaufs der verschiedenen Phasen findet auch ein Wechsel zwischen den Bewusstseinsebenen statt. Nach einer Phase der bewussten geistigen Beschäftigung mit einem Thema in der Präparationsphase findet in der Inkubationsphase ein unbewusster Reifeprozess statt. Dieser unbewusste Vorgang führt in der Illuminationsphase dazu, dass eine neue Lösung ins Bewusstsein tritt. In der abschließenden Verifikationsphase werden die gefundenen Lösungen ausgestaltet und bewusst weiterentwickelt. Die Bewusstseinsebenen liegen auch im Fokus der verschiedenen Eisberg-Modelle. Freud entdeckte, dass menschliches Handeln (bspw. Ent­ scheidungen) nur zu einem kleinen Anteil bewusst bestimmt wird und teilte den metaphorischen Eisberg menschlichen Handelns in einen größeren unbewussten Bereich (unterhalb der Wasseroberfläche) und einen kleineren bewussten Bereich (oberhalb der Wasseroberfläche).6 Unterhalb der Wasseroberfläche existiert ein unbewusster Bereich verborgener Subjektivität, in welchen bspw. Persönlichkeit, Gefühle, Ängste, verdrängte Konflikte, Triebe und Instinkte fallen.7 Ein gesundes Ich vermittelt bei auftretenden Konflikten zwischen bewussten und unbewussten Komponenten und handelt Kompromisse aus. Einfluss auf diesen Prozess haben auch die Erfahrungen der Einzelnen.8 Das ­Eisberg-Modell wurde von verschiedenen Wissenschaftler/innen aufgegriffen und verändert. Es dient dabei i. d. R. als veranschaulichende Analogie für die bestehenden Verhältnisse eines geringen bewussten Anteils sowie eines größeren unbewussten Anteils. Ruch/Zimbardo (1974) visualisierten im Eisberg-Modell drei durch Freud bekannte Qualitäten des Psychischen und die damit verbundenen Dynamiken. Unterteilt wird der Eisberg in bewusste, vorbewusste und unbewusste Inhalte (Abbildung 5.7).9

6Vgl.

Zimbardo / Ruch (1974), 366 ff. Baller / Schaller (2017), S. 60. 8Vgl. ebd. 9Vgl. Baller / Schaller (2017), S. 61. 7Vgl.

246

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Abbildung 5.7   Eisberg-Modell nach Ruch & Zimbardo. (Eigene Darstellung nach Ruch/ Zimbardo (1974))

Der größte Teil der Inhalte der Psyche ist dabei im Vorbewussten und im Unbewussten verankert und nur ein geringer Teil der Inhalte ist dem Menschen gleichzeitig bewusst. Zu dem bewussten Part gehören Aussagen zu Zahlen, Daten und Fakten, Gedanken, Gefühle und Wünsche. Auf der vorbewussten Ebene befinden sich verdrängte Konflikte, Ängste und Persönlichkeitsmerkmale wie Erfahrung – Neugierde, Sicherheit – Unsicherheit und Vertrauen – Misstrauen. Auf der unbewussten Ebene geht es um Lustbefriedigung, Triebabfuhr, psychosexuelle Entwicklung, traumatische Erlebnisse, Erbanlagen und Instinkte. Von Paul Watzlawik wurde das Eisberg-Modell auf die Kommunikationsprinzipien übertragen und der Eisberg in den Bereich der Sachebene (rational) und den unsichtbaren Bereich der Beziehungsebene (emotional) geteilt.10 Störungen auf der Beziehungsebene wirken sich in diesem Modell unweigerlich auf die Inhaltsebene aus. Zwischenmenschlicher und intrapersoneller (innerer Dialog) Kommunikation wird bspw. ein Bedeutungsanteil von etwa 20 Prozent

10Vgl.

ebd.

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

247

b­eigemessen. Auch im Johari-Fenster11 von Joseph Luft und Harry Ingham (1955) oder im sogenannten Vier-Ohren-Prinzip12 des Schulz von Thun (1981) nimmt das Nicht-Bewusste großen Raum ein. Einer lernpsychologischen Aufteilung des Eisbergs nach macht die Erzeugungsstruktur rezeptiven Lernens einen geringeren Teil am Lernerfolg aus als die verborgene Ermöglichungsstruktur.13 Mit dem kulturellen EisbergModell nach Schein lassen sich Unternehmenskulturen in sichtbare und leicht zugängliche Manifestationen und verdeckte Anteile organisatorischen Verhaltens unterscheiden.14 Weitere Eisberg-Modelle existieren für Markenwertanalysen, Organisationsentwicklung, Projektmanagement oder Arbeitsmedizin. Das neuentstandene, dynamische Eisberg-Modell verbindet die qualitativen Vorzüge der etablierten, robusten Erklärungsmodelle und erweitert diese um die Komponente der in der Realität auftretenden Dynamik des intuitiven Entscheidungsprozesses. Die Existenz der bestehenden ähnlichen Modelle kann als Hinweis auf die Plausibilität dieser These gesehen werden. Beschreibung der Szenerie 2 – Die Elemente entwickeln sich Die Elemente stehen in der Ausgangsposition und die egoistische Intention wird zur altruistischen Intention. Daraufhin wandelt sich das System komplett. Alles gerät in Bewegung und die Intention und der Geistesblitz werden voneinander getrennt. Der Geistesblitz erkennt die Intention nicht wieder. So, als hätte er sie seit Jahren nicht mehr gesehen. Er findet keinen Platz mehr. Die altruistische Intention revoltiert und erlangt Freiheit und Macht. Sie versucht, den vorbereiteten Geist umzudrehen, dieser folgt dieser Aufforderung teilweise. Der vorbereitete Geist konnte sich kurz umdrehen und hat die Anderen das erste Mal bewusst wahrgenommen. Am Ende dreht er sich aber trotzdem wieder weg. Die Präsenz ist unzufrieden und das freie Element hat ein Interesse an der altruistischen Intention und ihrer Beziehung zum vorbereiteten Geist (Abbildung 5.8).

11Siehe

Luft (1971). Schulz von Thun (2014). 13Vgl. Arnold / Schüßler (1998), S. 11. 14Vgl. Sackmann (2003), S. 27. 12Siehe

248

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Abbildung 5.8   abschließendes Bild der zweiten Szene des ersten Kapitels. (Eigene Darstellung)

Kernelemente der Geschichte:  Entstehende Entfremdungstendenzen werden als Mangel wahrgenommen und es mangelt wieder an Kontakt der Elemente untereinander. Besonderheiten der Geschichte:  Die existierende Verbindung zwischen Geistesblitz und Intention löst sich auf. Der Geistesblitz reagiert darauf. Zugrunde liegende Narrative: Auflösung des Konfliktes durch Trennung und Neupositionierung. Relevante Auszüge aus der Gruppendiskussion • Drei Ebenen entstehen: Die Sache, das Wir, das Ich. Der vorbereitete Geist ist die Sachebene, die altruistische Intention (in der Mitte) ist das Wir (für alle), die Präsenz ist das Ich. • Die altruistische Intention stärkt dem vorbereiteten Geist den Rücken. • Die altruistische Intention lenkt den vorbereiteten Geist und die restlichen Elemente laufen mit. Die altruistische Intention kontrolliert das Ganze. • Die altruistische Intention hat einen Rundumblick. • Die altruistische Intention ist auf Verantwortung für andere ausgerichtet. • Die egoistische Intention und der Geistesblitz sind stark auf das ‘Jetzt’ ausgerichtet und noch nicht auf die Möglichkeiten und andere Optionen (von außen). Dies bremst.

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

249

• Zu starke Instrumentalisierung der Intention übt Druck auf den Geistesblitz aus. • Bei altruistischer Intention wird sich auf den vorbereiteten Geist konzentriert und es herrscht keine Offenheit für den Geistesblitz. • Bei altruistischen Absichten ist der Geistesblitz schwach, beim Egoismus stärker. • Der egoistische Part von Intention ist der Zielpunkt des Geistesblitzes. • Der normative Charakter im Altruismus schränkt den Geistesblitz ein (welche Ideen und Entscheidungen erlaubt sind). Es ist einschränkender als die egoistische Intention. • Der Geistesblitz steht für eine plötzliche, intuitive Eingebung. Schottet die Ausrichtung auf die Anderen den Geistesblitz ab? Um einen Geistesblitz zu haben, ist Offenheit wichtig. Wenn ich eine Sache direkt anpeile, kommt kein Geistesblitz, in dem Moment, in dem ich etwas anderes anpeile, kommt er. • Beim Einlassen auf Bedürfnisse kann eine Intuition entwickelt werden. Egoismus bedeutet weniger klar definierte Bedürfnisse, Altruismus bedeutet viele verschiedene, nicht klar definierte Bedürfnisse. Je mehr Bedürfnisse, je schwammiger der Geistesblitz. • Es ist schwieriger, Entscheidungen für viele zu treffen als nur für einen. Die Verantwortung ist viel größer und somit auch das Risiko, falsche Entscheidungen zu treffen (die nur für einige gut sind, aber nicht für alle). • Im egoistischen Modus beschäftige ich mich dauernd mit mir, dann bekomme ich den Geistesblitz schneller mit. • Der Geistesblitz ist vorerst an das Ego gebunden, damit dann von den neuen Ideen später auch andere profitieren können. Anders wäre die neue Idee in Gefahr. • Egoistische Entscheidungen können immer wieder mit sich selber abgestimmt werden, altruistische Entscheidungen haben ein großes Element von außen, das mit allen anderen abgestimmt werden muss. • ‘Präsenz’ und ‘egoistische Intention’ sind ein starkes Duo. Steve Jobs war ein Beispiel dafür. Meine Deutung dieser Gruppeninterpretation Aus diesen Interpretationen wurde die These abgeleitet, dass es sein könnte, dass ohne egoistischen Anteil keine intuitiven Managemententscheidungen möglich sind. Im aufgestellten System besteht eine intuitiv getroffene Managemententscheidung aus einer Konstellation mit drei Ebenen: Die Sache, das Wir, das Ich. Der vorbereitete Geist ist die Sachebene, die altruistische Intention ist das

250

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Wir (für alle), die Präsenz ist das Ich. Die altruistische Intention bringt dabei bestimmte Stärken mit sich, aber auch bestimmte Defizite. Die Stärken der altruistischen Intention liegen insbesondere in der Energie, welcher jener Intention innewohnt. Da die Umsetzung egoistischer Prinzipien (permanentes Durchsetzen in Konkurrenzsituationen, Profitieren davon, dass andere sich nicht durchsetzen konnten) auch belastend und anstrengend sein können, wirkt das Wegfallen des Egoismus mitunter auch befreiend. Der Wunsch danach, die eigenen egoistischen Bedürfnisse zu befriedigen, kann von Dritten sehr leicht nachvollzogen werden und die damit verbundenen Handlungen werden dadurch voraussagbar. Dies bietet eine große Angriffsfläche für Manipulationen. Marktteilnehmer/innen laufen dadurch Gefahr, Entscheidungen nicht nach dem eigenen freien Willen zu treffen. Die Aufgabe egoistischer Prinzipien kann daher energetisierend wirken und eine Art Unabhängigkeit mit sich bringen. Eine Art Freiheit durch Selbstaufgabe. Des Weiteren hat die altruistische Intention einen starken Bezug zum vorbereiteten Geist. Durch die altruistische Intention wird die Vorbereitung des Geistes zu einer altruistischen Handlung. Durch die altruistische Intention wird bei der Vorbereitung des Geistes ein Rundumblick angewandt und auch die Verantwortung für andere mit einbezogen. Die egoistische Intention hingegen ist stark auf das ‘Jetzt’ ausgerichtet und noch nicht auf zukünftige Möglichkeiten und andere Optionen von außen. Hier zeigt sich, dass altruistische Intentionen sich prinzipiell nur schwer mit Managemententscheidungen vereinbaren lassen, da diesen meist eine egoistische Logik zugrunde liegt. Eine zu starke Ausrichtung auf die unmittelbare Gegenwart bremst die Intuition und blockiert den Geistesblitz. Eine zu starke Instrumentalisierung der Intention hingegen übt ebenfalls Druck auf den Geistesblitz aus. Ohnehin befinden sich Egoismus und Altruismus in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis. Wenn Egoismus als Anreizfunktion entfällt, rückt Altruismus an die Stelle (bspw. bei der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens). Es wird dann nicht mehr nach der egoistischen Befriedigung materieller Bedürfnisse gestrebt, sondern nach Selbstvervollkommnung durch positive Taten zugunsten des Allgemeinwohls. Allerdings ist dieser altruistische Wunsch ebenfalls egoistischer Natur. Eine Art von Egoismus führt also über Altruismus zu einer anderen Art von Egoismus. Zu den Defiziten altruistischer Intention zählt vor allem fehlende Offenheit und zu starke Vorgaben. Der Geistesblitz steht für eine plötzliche, intuitive Eingebung. Damit diese entstehen kann, ist Offenheit wichtig. Die Ausrichtung auf die Interessen anderer kann den Geistesblitz abschotten. Der normative Charakter im Altruismus schränkt den Geistesblitz ein. Altruismus gibt zum Teil vor, welche Ideen und welche Entscheidungen erlaubt sind. Dies wirkt einschränkender

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

251

als die egoistische Intention. Auch sind die Anforderungen an den Geistesblitz zu diffus und zahlreich. Egoismus bedeutet wenige klar definierte Bedürfnisse, während Altruismus bedeutet, dass viele verschiedene nicht klar definierte Bedürfnisse vorliegen. Die hohe Anzahl an Bedürfnissen lässt den Geistesblitz schwammig und ungenau werden. Auch geht die altruistische Intention mit viel Verantwortung einher. So ist es schwieriger, Entscheidungen für viele zu treffen, als nur für sich selbst. Die Verantwortung ist viel größer und somit auch das Risiko, falsche Entscheidungen zu treffen. Insbesondere das Fehlen der Komponente der Selbstbezogenheit stellt eine Schwäche der altruistischen Intention dar. Die altruistische Intention ist stark auf die Vorbereitung des Geistes ausgerichtet und nicht offen für den Geistesblitz. Im egoistischen Modus findet eine permanente Beschäftigung mit dem Selbst statt. In diesem Modus der Achtsamkeit wird der Geistesblitz schneller wahrgenommen und bemerkt. Ein weiterer Grund, warum der Geistesblitz an das Ego der Entscheidungsträger/innen gebunden ist, kann mit dem natürlichen Wunsch nach dem Schutz der Entscheidung erklärt werden. Damit von neuen Ideen zu einem späteren Zeitpunkt die Entscheidungsträger/innen und auch andere profitieren können, muss die Idee bis zur Umsetzung geschützt werden, da ansonsten die Gefahr bestünde, dass die Idee von anderen direkt adaptiert wird. Auf diese Weise würden die Entscheidungsträger/innen die Kontrolle über die Idee verlieren und die Idee könnte von anderen zu abweichenden bzw. gegenläufigen Zwecken genutzt werden. Eine prototypische Konstellation besteht aus Präsenz und egoistischer Intention. Als ein Beispiel für die Stärke dieser Kombination kann Steve Jobs angeführt werden. Dieser verfügte über eine extraordinäre Präsenz, gepaart mit dem egoistischen Wunsch, seine Visionen schonungslos umzusetzen. Aus der Mentalität, von seinen Mitarbeiter/innen Außergewöhnliches bis Unmögliches zu verlangen, erwuchsen diverse bahnbrechende technische Innovationen. All diese Erklärungsansätze legen nahe, dass eine intuitive Managemententscheidung nur erfolgreich getroffen werden kann, wenn in der Intention auch eine egoistische Komponente mitschwingt. Beschreibung der Szenerie 3 – Die Weiterentwicklung der Elemente Die Elemente stehen in der Ausgangsposition und die altruistische Intention wird zur holistischen Intention. Langsam bewegen sich die Elemente bis der vorbereitete Geist und die holistische Intention der Präsenz, dem Geistesblitz und dem freien Element gegenüberstehen. Der vorbereitete Geist ist jetzt Teil des Systems und wendet sich den Anderen zu. Er empfindet Zuneigung zu den gegenüberstehenden Elementen.

252

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Die holistische Intention möchte den vorbereiteten Geist mitnehmen und gemeinsam mit diesem dem Geistesblitz wiederbegegnen. Der Geistesblitz erkennt die Intuition aber nicht wieder und fühlt sich nur zwischen der Präsenz und dem freien Element sicher. Die Präsenz freut sich, den Geistesblitz und das freie Element an seiner Seite zu haben und empfindet ein Gefühl des Miteinanders. Das freie Element beschreibt, dass die Intention stärker geworden sei und gemeinsam mit dem vorbereiteten Geist im Zentrum des Interesses stehe, der Geistesblitz aber weiterhin die integrative Rolle im System spiele (Abbildung 5.9).

Abbildung 5.9   abschließendes Bild der dritten Szene des ersten Kapitels. (Eigene Darstellung)

Kernelemente der Geschichte: Entfremdungstendenzen werden als Mangel wahrgenommen und es mangelt an Integration. Besonderheiten der Geschichte: Die getrennte Verbindung zwischen Geistesblitz und Intention soll mithilfe des Geistesblitzes wiederaufgenommen werden. Es bilden sich daraus zwei Gruppen, die sich gegenüberstehen (vorbereiteter Geist und Intention sowie Geistesblitz, Präsenz und freies Element).

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

253

Zugrundeliegende Narrative:  Auflösung des Konfliktes durch Integration und Gruppenbildung. Relevante Auszüge aus der Gruppendiskussion • Evtl. gehört zu einem vorbereiteten Geist auch die richtige Einstellung bezüglich der Intention. Egoismus und Altruismus sind dafür noch zu wenig. • Die holistische Intention ist eine starke Kraft, die den vorbereiteten Geist mitnimmt. • In der egoistischen Intention ist der Geistesblitz stark und bildet mit der Intention eine Einheit, in der altruistischen Intention wird der Geistesblitz in Ermangelung des Egoismus schwach und in der holistischen Intention erkennt der Geistesblitz egoistische Bestandteile wieder. • Die holistische Intention bringt alle dazu, sich wohl zu fühlen und versucht, alles zu integrieren. • Die holistische Intention ist in der Führungsrolle und guckt gemeinsam mit dem vorbereiteten Geist. • Alle orientieren sich an der holistischen Intention. Der Geistesblitz und die Präsenz gehören zusammen. • Die Erfolgserwartungen an den Geistesblitz (von Intention und vorbereitetem Geist) war zu hoch. • Die Intuition ist immer vorbereitet, den Geistesblitz loszulassen, d. h. die Intuition erfolgt aus der Vorbereitung des Geistes und der Geistesblitz kann dann jederzeit erfolgen. Meine Deutung dieser Gruppeninterpretation Aus diesen Interpretationen wurde die These abgeleitet, dass mit einer holistischen Intention bei der Vorbereitung des Geistes die Potentiale egoistischer und altruistischer Komponenten erkannt und in die Entscheidung integriert werden könnten. Dieser These nach gehört zu einem adäquat vorbereiteten Geist auch die richtige Einstellung bezüglich der Intention. Egoismus und Altruismus bringen nicht alle Facetten mit, um den Geist optimal vorzubereiten. In der egoistischen Intention wird der Geistesblitz aufgrund seiner Stärke und der Achtsamkeit für das Selbst sehr gut wahrgenommen. Die Entscheidungsträger/innen bilden in der Entscheidung mit der Intention eine Einheit. Allerdings ist eine egoistische Intention auch mit Konflikten behaftet. Es fehlt dabei in der Entscheidung an Weitsicht und Empathie für andere. In der altruistischen Intention werden diese

254

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Komponenten stärker berücksichtigt, der Geistesblitz wird in Ermangelung des Egoismus und des damit einhergehenden Selbstbezugs aber schwächer wahrgenommen. Die holistische Intention hingegen ist eine starke Kraft, welche den vorbereiteten Geist alle Möglichkeiten bietet. In der holistischen Intention erkennt der Geistesblitz sowohl altruistische als auch egoistische Bestandteile wieder. Bei der Vorbereitung des Geistes werden im Umfeld alle Informationen erkannt, ungeachtet, ob diese eine altruistische oder egoistische Prägung aufweisen. Sämtliche Bestandteile können berücksichtigt und integriert werden. Die holistische Intention ist gut geeignet, um in der Entscheidung Orientierung zu geben, da sie alle möglichen Komponenten und Richtungen berücksichtigt. Allerdings geht dies auch mit einem hohen Abstimmungsaufwand einher. In der intuitiven Entscheidung besteht weiterhin die Gefahr zu hoher Erfolgserwartungen an den Geistesblitz. Auch mit holistischer Intuition kann kein Geistesblitz garantiert werden. Offen bleibt die Frage nach der genauen Quelle der Intention und deren Beeinflussbarkeit. In der Natur der Sache läge es, davon auszugehen, dass in der Realität der Managemententscheidungen die egoistischen Komponenten bei weitem überwiegen. Dies zu ändern, würde der Umgestaltung der Prinzipien der kompletten Weltwirtschaft gleichkommen. Nicht nur die Managementstrukturen der einzelnen Unternehmen müssten sich grundlegend ändern, sondern auch die Interaktion der Unternehmen untereinander. Die Transformation, welche hierfür vollzogen werden müsste, lässt sich sehr nachvollziehbar anhand der ‘Spiral Dynamics’-Theorie verdeutlichen. Laut dieser können herrschende Modelle natürlicher und gesellschaftlicher Umwelt durch Neukonzeption solcher Modelle umgestaltet werden.15 Kernstück der ‘Spiral Dynamics’-Theorie ist die spiralförmige Anordnung unterschiedlicher aufeinander aufbauender Denkweisen und Glaubenssysteme (Abbildung 5.10).16

15Vgl. 16Vgl.

van Marrewijk (2010), S. 90 ff. Beck / Cowan (2017), S. 313.

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

255

Abbildung 5.10   das Prinzip der Spiral Dynamic Theorie. (Eigene Darstellung nach Beck / Cowan (2017), umgesetzt von Darya Mazur)

Diese einzelnen Phasen sind zur besseren Unterscheidbarkeit mit bestimmten Farben gekennzeichnet. Die Spirale selbst unterteilt sich darüber hinaus in zwei Abschnitte; sogenannte Ordnungsebenen.17 Diese Ordnungsebenen fassen die Prinzipien der einzelnen Phasen zu Paradigmen (‘Überleben’ – ‘Sein’) zusammen. Um eine Veränderung von einer Phase in eine andere hinein zu erreichen, müssen individuell immer zuerst die Bedürfnisse der niedereren Stufen befriedigt werden, wie es auch bei der Bedürfnispyramide von Maslow der Fall ist.18 Nach Einschätzung von Beck und Cowan 2017 befinden sich verschiedene Anteile der Weltbevölkerung in unterschiedlichen Phasen der Spirale, wobei die Lebenswirklichkeit des Hauptteils sich in der roten, blauen und orangenen Phase abspielt, mit einer leichten Tendenz zur grünen Phase.19 Weiter ist zu beachten,

17Vgl.

ebd. Beck / Cowan (2017), S. 12. 19Vgl. Beck / Cowan (2017), S. 474–475. 18Vgl.

256

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

dass sich im Wirtschaftssystem des globalen Nordens verschiedene Branchen in branchentypischen Phasen befinden. Um nun also die gewünschte Transformation von degenerativ zu regenerativ bewerkstelligen zu können, müsste das komplette System von der Subsistenzebene, in welcher wir uns vermutlich seit Anbeginn der Menschheit befinden, zur Seiensebene transformiert werden. Es ist also nötig, die Grenze von der ersten Ordnung zur zweiten Ordnung zu überschreiten und das Paradigma des „alten Managements“ zum systemischen neuen Paradigma des „wechselnden Fließens“ zu wandeln.20 Holismus wäre ab der gelben Stufe möglich. Ab diesem Punkt würden die gegenwärtigen Regeln und Prinzipien nicht mehr greifen. Es würde zum Wohle des Großen und Ganzen gehandelt und ein verantwortungsvoller Umgang mit Freiheit gepflegt. Attribute dieser Phase sind die Anerkennung dessen, dass die Situation größer ist als auf den ersten Blick vermutet wird, ein Verständnis des Gesamtbildes, Verantwortung für das gesamte System etc.21 Im Endeffekt könnte dann auch die türkise, holistische Phase der globalen Perspektive erreicht werden, welche sich durch hohe Kollektivität, integrierte Systeme, die Wahrnehmung des Selbst als Teil des Großen und Ganzen sowie ein gesteigertes Maß an Spiritualität, Emotionalität und Intuition auszeichnet.22 Für die Umwandlung müssen nach der ‘Spiral Dynamics’-Theorie einige Bedingungen erfüllt sein. Zum einen muss die Komplexität in der vorangegangenen Stufe alle Denkweisen der ersten Ordnungsebene übersteigen, damit in die zweite Ordnungsebene gewechselt werden kann.23 Zum anderen darf keine Stufe übersprungen werden und es sind erst für jede Stufe alle notwendigen Schritte zu durchlaufen, bevor sich der Ausgestaltung der nächsten Stufe angenommen werden sollte.24 Ein ebenso nachvollziehbarer wie vielversprechender Ansatz für Manager/innen, eine Transformation erfolgreich umzusetzen, ist, die Transformation bei sich selbst zu beginnen und nicht zu versuchen, eine Transformation bei anderen anzustoßen.25 Auch die Implementierung von Vertrauen als Basis des Managements könnte

20Vgl.

Beck / Cowan (2017), S. 20-21. Beck / Cowan (2017), S. 65 und 438 ff. 22Vgl. Beck / Cowan (2017), S. 454 ff. 23Vgl. Beck / Cowan (2017), S. 436. 24Vgl. Beck / Cowan (2017), S 12 und S. 444. 25Vgl. Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997), S. 82 ff. 21Vgl.

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

257

ein Ansatzpunkt sein, das gegenwärtige Wirtschaftssystem zu transformieren.26 Darüber hinaus sind bei der Transformation stets historische und geopolitische Besonderheiten und Strömungen zu beachten. Ansatzpunkte zur Transformation könnten in den Arbeitsprozessen (bspw. Agilität), der Identität und im Selbstverständnis sowie in der Kooperativität (im Sinne des Fortschrittes für das komplette System) zu finden sein. Für eine erfolgreiche Transformation ist der Bewusstseinsschwerpunkt jedes einzelnen Individuums sowie der kompletten Gemeinschaft zu treffen.27 Transformatives Potential ist eine Kombination aus Regression (Verständnis der Vergangenheit) und Progression (Sog der Zukunft, bspw. bei Flow-Erleben, Salutogenese oder Resilienz). Prosoziale und transpersonale Affektzustände wie bspw. Dankbarkeit, Bewunderung, Vergebung, Glück, Empathie oder Kreativität führen zu Selbstaktualisierung, Selbstfindung und Visionen der Zukunft.28 Psychologische Transformation (Bewusstseins- und Verhaltensänderung) zeichnet sich durch vier Merkmale aus:29 1. einen Attraktor, welcher aus der Zukunft kommend das aktuelle Verhalten bestimmt, 2. transformatives Vorgehen geht über die bloße Translation, also das Abändern der existierenden Narrative, hinaus, 3. es handelt sich um einen, bisher noch nicht beschrittenen, Weg und nicht die bloße Wiederanpassung an einen Status quo sowie 4. eine veränderte psychosoziale Praxis, also die einfache, erlernte und ­bewusst-gewollte Form eines anderen Tuns. Die angesprochene Transformation kann also als gelungen angesehen werden, wenn bei den Akteur/innen eine nachhaltige Verhaltensänderung bewirkt wurde, bei der Einsicht, Handlungspraxis und Wissen auf einen zukünftigen holistischen Vektor hin ausgerichtet sind.30 Der Weg dieser Transformation kann gesäumt sein von Mängeln, Anomalien, Defiziten, Problemen und Ambivalenzen. Aber er

26Vgl.

Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997), S. 120. Brunnhuber (2016), S. 228. 28Vgl. Brunnhuber (2016), S. 229 ff. 29Vgl. Brunnhuber (2016), S. 231. 30Vgl. Brunnhuber (2016), S. 232. 27Vgl.

258

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

kann in eine komplett andere Zukunft, voller Potentiale führen, anstatt lediglich Reparaturen am gegenwärtigen Zustand vorzunehmen.31 Ein Beispiel für eine punktuell erfolgreiche Transformation in eine Phase, welche Holismus ermöglichen kann, ist der ‘Open Source’ Gedanke. Hier sieht sich eine Community beim produktiven Zusammenwirken als Teil des größeren Ganzen und das größere Ganze als Teil des Selbst. Beschreibung der Szenerie 4 – Ein ziemlicher Dämpfer Die Weiterentwicklung der egoistischen Intention über die altruistische Intention hin zur holistischen Intention bewirkt, dass sich die Intention vom Geistesblitz trennt und dass der vorbereitete Geist sich umdreht und ins System integriert. Es entsteht ein Systemzustand, der vom Geistesblitz und dem freien Element als gedämpft, gleichgeschaltet und wie in rosa Watte gepackte Wohlfühlzone beschrieben wird. Es hätte etwas Außergewöhnliches entstehen können, aber am Ende ist es doch nur langweilig (Abbildung 5.11).

Abbildung 5.11   abschließendes Bild der vierten Szene des ersten Kapitels. (Eigene Darstellung)

31Vgl.

Brunnhuber (2016), S. 231.

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

259

Kernelemente der Geschichte: Integration und Gleichschaltung werden als Mangel wahrgenommen. Besonderheiten der Geschichte:  Die Trennung von Intention und Geistesblitz hatte ein Potential, welches nicht genutzt wurde. Zugrundeliegende Narrative: Auflösung des Konfliktes durch Akzeptanz des vergebenen Potentials. Relevante Auszüge aus der Gruppendiskussion • Die Gruppe ist nicht mehr ausgerichtet auf den vorbereiteten Geist und die holistische Intention. • Die Klarheit und Schärfe des Geistesblitzes kommen nur zum Tragen, wenn man ganz zentriert bei sich ist und nicht versucht, es altruistisch und holistisch anderen recht zu machen. • Der vorbereitete Geist macht zu, wenn der Geistesblitz sich langweilt. Es wird nichts mehr aufgenommen. • Es passiert nichts im System. Der Geistesblitz muss wieder schlafen, bis etwas passiert. • Es kann wichtig sein, in die Stille zu gehen, damit etwas Neues entstehen kann. • Holistisch und altruistisch an alle zu denken und darüber zu reden, verwässert ggf. den Geistesblitz. Ruhephasen und Phasen des Alleinseins (evtl. Meditation) können den Geistesblitz fördern. • Erstmalig findet Beobachtung (eventuell auch Beobachtung der Beobachtung) statt. • Der vorbereitete Geist benötigt Vertrauen in die unterbewussten Prozesse. • Auch unter optimalen Bedingungen kann kein Geistesblitz garantiert werden. • Das Verhältnis des Geistesblitzes zur Intention ist irritierend. Der Geistesblitz sperrt sich gegen die egoistische Intention. Es herrscht eine ganz starke Diskrepanz zwischen den Gruppen (Energiegeladen vs. Sicherheit). Es kommt zu keiner Entscheidung. • Der Geistesblitz mag keine Veränderungen, der Geistesblitz mag strukturierte Vorbereitung. Meine Deutung dieser Gruppeninterpretation Aus diesen Interpretationen wurde die These abgeleitet, dass es das intuitive Treffen von Managemententscheidungen erleichtern könnte, wenn die Intention hinter der Entscheidung zurückgenommen und auf die inneren, unbewussten Entscheidungsprozesse vertraut wird.

260

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Im System zeigte sich, dass es keiner Ausrichtung auf die Intention bedarf, um intuitive Managemententscheidungen zu treffen. Der Geistesblitz stellt sich gegen die Intentionen und es herrscht eine ganz starke Diskrepanz zwischen dem energiegeladenen Bedürfnis, Bewegung ins System zu bringen und dem Sicherheitsbedürfnis, sodass es zu keiner Entscheidung kommen kann. Der Geistesblitz mag keine Veränderungen und benötigt strukturierte Vorbereitung. Die Klarheit und Schärfe des Geistesblitzes kommen eher zum Tragen, wenn die Entscheidungsträger/innen ganz zentriert bei sich sind. Den holistischen oder altruistischen Charakter der Intention hervorzuheben und offensiv nach außen zu kommunizieren, kehrt die gewünschte positive Wirkung der Intention um. Dies stimmt mit der Einschätzung überein, dass die Managemententscheidung absichtslos sein muss, um stellvertretend im Sinne der Wünsche des übergeordneten Ganzen, bspw. der Natur, zu entscheiden.32 Die Intention stark in den Vordergrund zu stellen, kann vom Geistesblitz ablenken und dafür sorgen, dass vom vorbereiteten Geist nichts mehr aufgenommen wird. Dies hat zur Folge, dass im System Stagnation einkehrt. Es kann dann wichtig sein, in die Stille zu gehen, damit etwas Neues entstehen kann. Als besonders vielversprechende Gelegenheiten für Manager/innen, um in Ruhe und Stille zur Besinnung zu gelangen, werden Situationen gesehen, welche mit einer Zäsur einhergehen.33 Ruhephasen, Phasen des Alleinseins und Techniken wie Meditation können den Geistesblitz fördern. Evolutionsbedingt benötigt das Gehirn Ruhe, allerdings herrscht in der heutigen Gesellschaft wenig Ruhe und permanent wirken Töne, Bilder, Daten, Anforderungen und Aufforderungen auf das Gehirn ein.34 Die Folgen sind Stress, Unkonzentriertheit und Erschöpfung.35 Ununterbrochene Reize belasten den präfrontalen Kortex, worunter die Aufmerksamkeitsspanne sowie die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte zu durchdenken oder Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen, leiden. Laute Geräusche erhöhen den Blutdruck und das Risiko für Herzinfarkte, die Amygdala produziert das Stresshormon Cortisol, es kommt zu Schlafproblemen.36 Stille bewirkt das Gegenteil und bereits zwei Minuten Stille können so deutlich entspannend wirken, dass der Blutdruck

32Vgl.

Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997), S. 107. Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997), S. 49, 180 und 334 ff. 34Vgl. Schlenzig (2016), o. S. 35Vgl. ebd. 36Vgl. Novotney (2011), S. 46. 33Vgl.

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

261

gesenkt und der Blutfluss im Gehirn stimuliert wird.37 Der Attention-Restoration-Theorie zufolge regenerieren sich die kognitiven Ressourcen bereits wenige Minuten nach dem Eintritt in eine Umgebung mit weniger Reizen, bspw. bei einem Waldspaziergang.38 Sind keine bestimmten Aufgaben zu lösen und liegt keine Stimulation durch übermäßige Reize vor, wird in einer Gruppe von Hirnregionen, ein sogenanntes Default Mode Netzwerk aktiv.39 Dies ist bspw. der Fall, wenn meditiert wird oder die Gedanken umherschweifen. In diesem Modus kann besser auf Emotionen, Erinnerungen, Ideen, Gedanken und Kreativität zugegriffen werden und das Reflektieren und Erkennen von übergreifenden Sinnzusammenhängen fällt leichter.40 Diese Zweckdienlichkeiten legen die Vermutung nahe, dass auch die Intuition hierdurch leichter erreicht werden kann. Auch Reflexionsphasen und Metakognition können helfen, Ruhe einkehren zu lassen. Dieser Umgang mit der Intention weist auch Bezüge zum Modell des ‘dynamischen Eisbergs’ auf, wie es in der ersten These beschrieben wurde. Anfangs ist die Intention wichtig, um einen Grund zu liefern, Ideen entstehen zu lassen und diese umzusetzen. Nachdem der Geistesblitz aber eingetreten ist, verliert die Intention an Bedeutung und an Einfluss auf den entstandenen Geistesblitz. Was auch immer aus dem Geistesblitz resultiert, könnte am Ende auch abweichend von der ursprünglichen Intention genutzt werden. In diesem Bild fungiert die Intention als der auftraggebende Hintergrund des intuitiven Entscheidungsprozesses. Eine zu starke Thematisierung der Intention würde Energie binden, welche in die Informationsaufnahme erfolgversprechender eingebracht werden könnte. Darüber hinaus benötigt der vorbereitete Geist ein starkes Vertrauen in die unterbewussten Prozesse. Vertrauen auf die inneren Prozesse erleichtert es, die Potentiale intuitiver Managemententscheidungen auszuschöpfen. Dies würde mit einem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten einhergehen. Die Selbstwirksamkeitsüberzeugung fand in dieser Arbeit bereits als förderlicher personaler Faktor Erwähnung.41 Verkürzt handelt es sich dabei um den selbstbewussten Glauben daran, Kontrolle über bestimmte Entwicklungen zu haben und fähig zu sein, bestimmte Effekte durch eigenes Verhalten

37Vgl.

Bernardi / Porta / Sleight (2006), o S. Schlenzig, T. (2016) o. S. 39Vgl. ebd. 40Vgl. ebd. 41Siehe Abschnitt 4.3. 38Vgl.

262

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

h­ ervorzurufen bzw. verhindern zu können.42 Bandura beschreibt in zahlreichen Studien diverse positive Effekte einer ausgeprägten Selbstwirksamkeit.43 Ebenso wie der Glaube Berge versetzen kann, besteht die Möglichkeit, dass der Glaube an die eigenen intuitiven Fähigkeiten diese verstärken kann. Ohne Vertrauen in die eigenen, unbewussten Fähigkeiten könnte es zu Entscheidungsverzögerung durch so etwas wie negative Heuristiken kommen. Automatische Mechanismen würden Entscheidungen unbewusst verzögern, da die Entscheider/ innen zu unsicher sind. In diesem Fall würde bspw. auf die Ergebnisse von anderen Prozessen gewartet, die aber gar nichts mit der wirklichen Entscheidung zu tun haben, nur um die Entscheidung zu verzögern und zu verkomplizieren und die Entscheidungen am Ende unentscheidbar zu machen. Ebenso liegt es nahe, anzunehmen, dass der Glaube an die prinzipielle Wirksamkeit der Kraft der Intuition sich ebenfalls positiv auf das intuitive Treffen von Managemententscheidungen auswirken kann. Diese Prinzipien sind aus der Vertrauensforschung hinreichend bekannt. Die differentielle Vertrauenstheorie nach Schweer (1997) legt nahe, dass ohne den Glauben daran, dass es prinzipiell sinnvoll und lohnenswert ist, Vertrauen entgegen zu bringen, keine vertrauensvolle Beziehung existieren könnte. Der differentialpsychologische Ansatz der differentiellen Vertrauenstheorie spricht in diesem Zusammenhang von individuellen Vertrauenstendenzen und impliziten Vertrauenstheorien, welche als personale Faktoren die Vertrauensbildung mitbestimmen.44 D. h. es bedarf einer individuellen Vertrauenstendenz, also der Bereitschaft eines Individuums, Vertrauen überhaupt für möglich zu halten sowie einer impliziten Vertrauenstheorie, also der persönlichen Vorstellung davon, wie Vertrauenswürdigkeit ausgestaltet zu sein hat.45 Übertragen auf die Intuition könnte es sich speziell um das Vertrauen in die eigene Fähigkeit zur Intuition handeln sowie um das Vertrauen darin, dass Intuition prinzipiell nützlich und sinnvoll ist. Ferner könnte eine individuelle Intuitionstendenz vorliegen, welche widerspiegelt, wie viel Vertrauen dem Prinzip der Intuition an sich entgegengebracht wird, und eine implizite Intuitionstheorie, welche die Ausgestaltung der eigenen Intuition beinhaltet, sowie das Vertrauen in diese eigenen intuitiven Fähigkeiten. Sowohl die implizite Intuitionstheorie (bereichsspezifische, normative Erwartung an den potentiellen Erfolg von

42Vgl.

Bandura (1995), S. 81; Puca / Schüler (2017), S. 242. Urton (2017), S. 3 ff. 44Vgl. Schweer / Thies (2003), S. 8. 45Vgl. Schweer (1997), S. 5 ff. 43Vgl.

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

263

Intuition, etc.) als auch die Intuitionstendenz (bereichsspezifische, subjektive Überzeugung, dass Intuition prinzipiell realisierbar und sinnvoll ist) wären damit der Sammlung von personalen Einflussfaktoren hinzuzufügen. Beschreibung des Kapitel 2 – Die intuitive Konstellation im Legitimationsspannungsfeld Das zweite Kapitel setzt die eingangs beschriebenen Elemente (Geistesblitz, vorbereiteter Geist, Präsenz, egoistische / altruistische / holistische Intention sowie freies Element) im ersten Dilemmaquadrat (Intuition und Transparenz sowie Effektivität und Freiräume) in Beziehung. Beschreibung der Szenerie 1 – Die Elemente suchen einen Platz Die Elemente positionieren sich im Spannungsfeld zwischen den Polen Intuition, Transparenz, Effektivität und Freiräume zueinander. Das ganze System ist auf die Intuition ausgerichtet. Die Intuition und die Transparenz fühlen, wie der stehende vorbereitete Geist die konstruktive Spannung zwischen den beiden Polen stört. Genauso sieht es die Präsenz, welche der Meinung ist, ihr Platz wäre bei der Intuition, aber der vorbereitete Geist vereinnahme diesen Platz. Der Freiraum fühlt sich bewegt und stellt eine Verbindung zum freien Element sowie zur egoistischen Intention fest. Die Effektivität verspürt das Bedürfnis, das System auszudehnen. Der Geistesblitz fühlt sich wohl und wechselt in die passive Beobachterrolle. Die egoistische Intention hat eine starke Beziehung zum Geistesblitz, diese Beziehung kostet ihn die Freiheit. Die Transparenz und die Effektivität geben der egoistischen Intention Sicherheit. In der Kombination aus Intuition und vorbereitetem Geist steckt für die egoistische Intention die ‘Power’, welche aber unerreichbar ist. Der vorbereitete Geist führt das System in diesem Kontext an und alle lassen sich darauf ein, obwohl das Ziel unklar ist. Dem vorbereiteten Geist ist klar, dass er bei der Intuition sein muss. Alle anderen Elemente werden als kaum relevant wahrgenommen. Der vorbereitete Geist fühlt sich abstrakt und wie auf einer anderen Ebene. Er verspürt das Bedürfnis, sich hinzusetzen, da er glaubt, dass dies dem System guttun würde. Was verändert sich dadurch? Der vorbereitete Geist verbindet nun alle Elemente und Pole und ermöglicht Kommunikation. Metaphern sind ‘Sendemast’, ‘Transmitter’, ‘kleiner Wagen, der mit Informationen vollgeladen werden kann’, ‘Prisma’, ‘elektrischer Springbrunnen’; alle geben etwas hinein und etwas neues, energiegeladenes kann entstehen. Vom Geistesblitz und der egoistischen Intention wird aber auch Sorge geäußert, bspw., dass nun Etwas fehle oder die neue Situation anstrengend sei (Abbildung 5.12).

264

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Abbildung 5.12   abschließendes Bild der ersten Szene des zweiten Kapitels. (Eigene Darstellung)

Kernelemente der Geschichte: Fehlende Verbindung wird als Mangel wahrgenommen. Besonderheiten der Geschichte:  Der vorbereitete Geist stört die Verbindung der Elemente und Pole zueinander und wechselt auf eine andere Ebene, um die Verbindung zu ermöglichen. Zugrunde liegende Narrative:  Auflösung des Konfliktes durch den Wechsel auf eine andere Ebene. Relevante Auszüge aus der Gruppendiskussion • Damit Transparenz und Intuition zusammenfinden können, muss der vorbereitete Geist auf eine andere Ebene gehen. Die Vorbereitung des Geistes darf nicht um den Selbstwillen erfolgen. • Wenn der vorbereitete Geist auf eine andere Ebene geht, gibt er den Raum frei, um dieses arbeiten zu lassen. Der vorbereitete Geist ist dem Austausch der anderen dienlich und fördert somit die Intuition und den Geistesblitz. • Spricht der vorbereitete Geist, bildet sich mit seinem Wissen ein netzwerkartiges Gerüst für Sinnvolles. Und die anderen Elemente können es füllen, sodass eine Wabenstruktur entsteht, die sehr stabil und produktiv ist.

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

265

• Der vorbereitete Geist muss durchlässig sein, um das System nicht zu stören, gleichzeitig alles wahrnehmen, was um ihn herum passiert um dann im richtigen Moment das Wichtige zu erkennen. • Der vorbereitete Geist ist Bestandteil der Intuition, beide müssen auf derselben Ebene operieren. • Alles dreht sich um die Intuition. Intuition und vorbereiteter Geist gehen eine Symbiose ein. • Effektivität kann Bewegung bringen, die Transparenz kann dies nicht umsetzen. • Der vorbereitete Geist ist ein Vermittler: Einerseits transparent und bewusst zugänglich, da er bewusst mit Informationen versorgt werden kann, andererseits verborgen und unbewusst und damit eine Brücke zur Intuition. Der Geistesblitz ist ein relativ explosives Element, aber es kann nicht dauerhaft blitzen. Meine Deutung dieser Gruppeninterpretation Aus diesen Interpretationen wurde die These abgeleitet, dass es förderlich für die Legitimität von intuitiv getroffenen Managemententscheidungen sein könnte, wenn die Vorbereitung des Geistes den reinen Selbstzweck übersteigt. Im Bild des Systems zeigte sich, dass die Vorbereitung des Geistes nicht um den Selbstzweck erfolgen darf, um erfolgreich und legitim Managemententscheidungen treffen zu können. Ohne ein äußeres Ziel zu verfolgen, wohnt der Geistesvorbereitung lediglich der Selbstzweck des Prozesses der Informationsaufnahme inne. Als Resultat ist der Geist am Ende zwar i. d. R. vorbereitet, den Wert dieser Informationsaufnahme bezieht der Vorgang aber aus sich selbst. D. h. die Vorbereitung des Geistes ist nicht auf die Erreichung eines bestimmten äußeren (quantifizierbaren) Ziels ausgerichtet, sondern auf die Erreichung eines inneren Zustandes der Stimmigkeit, welcher quasi im Prozess selbst impliziert wird. In diesem Prozess ist der vorbereitete Geist dem Austausch dienlich und fördert damit die Intuition und ermöglicht den Geistesblitz. Die Intuition geht dazu mit dem vorbereiteten Geist eine Symbiose ein. Damit Transparenz und Intuition zusammenfinden können und Legitimation für die intuitiv getroffene Entscheidung entstehen kann, muss der vorbereitete Geist auf eine andere Ebene gehen. Der vorbereitete Geist bildet mit seinem Wissen ein netzwerkartiges Gerüst für sinnvolle Informationen, welche von den anderen Elementen beigetragen werden, sodass eine stabile und produktive Informationsstruktur entsteht. Diese Struktur kann auf anderer Ebene genutzt werden, um intuitiven Entscheidungsprozessen ein Stück mehr Legitimität zu verleihen. Die Vorbereitung des Geistes ist nicht nur ein sehr wichtiger Teil des

266

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

­ ntscheidungsprozesses, sie ist auch ein Teil, auf welchen Einfluss genommen E werden kann und welcher noch zu weiten Teilen bewusst nachvollzogen werden kann. Es handelt sich um jenen Teil des intuitiven Entscheidungsprozesses, welcher am wenigsten im Verborgenen stattfindet, wodurch diesem Teil das größte Potential für Legitimation innewohnt. Die Vorbereitung des Geistes könnte dokumentiert werden und den Entscheidungsprozess damit für Außenstehende ein Stück weit nachvollziehbarer machen. Die Vorbereitung des Geistes würde dann den Selbstzweck der Informationsaufnahme übersteigen und einem weiteren Zweck, dem der Legitimierung dienen. Für den Entscheidungsprozess würde dies zwar auch einen zusätzlichen Aufwand bedeuten, im Gegensatz zur nachträglichen Legitimation durch das Erfinden von rationalen Gründen würde dieser Aufwand sich aber an der Realität orientieren und sich die produktiven Eigenschaften des vorbereiteten Geistes zu Nutze machen. In diesem Bild ist der vorbereitete Geist ein Vermittler: Einerseits transparent und bewusst zugänglich, da er bewusst mit Informationen versorgt werden kann, andererseits verborgen und unbewusst und damit eine Brücke zur Intuition. Damit ist es das einzige Element, welches auf der bewussten und der unbewussten Ebene operieren kann. Abzubilden, welche Informationen aus welchem Bereich bewusst aufgenommen wurden, kann für den Entscheidungsprozess etwas Klarheit schaffen. Der vorbereitete Geist muss durchlässig sein, um das System nicht zu stören, gleichzeitig alles wahrnehmen, was um ihn herum passiert, um dann im richtigen Moment das Wichtige zu erkennen. Als Kräfte im Spannungsfeld kann über die Effektivität sehr viel Bewegung gebracht werden. Dies ginge allerdings zu Lasten der Transparenz, da diese sich nur mit einem gewissen Aufwand herbeiführen lässt, welcher dann nicht zur Steigerung der Effektivität zur Verfügung stünde. Es handelt sich um ein klassisches Verteilungsproblem. Wie auch schon im Kapitel46 zur Legitimität anklang, kann es ein erfolgversprechender Ansatz sein, den Informationsumfang zu erhöhen, indem bspw. der Geistesblitz und der Prozess in der Entstehung beschrieben werden, um Legitimation zu erhalten. Abstrakt könnte dies erfolgen, indem die Entscheidung um eine symbolische Dimension erweitert wird, um Legitimität zu gewinnen. Ähnlich wie modernes Leadership um eine kulturelle Dimension erweitert wurde, welche aktiv gestaltet wird.47 Konkret könnte dies durch die Beschreibung der

46Siehe Abschnitt 2.3. 47Vgl.

Kruse (2004), S. 88.

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

267

Vorbereitung des Geistes erfolgen. Um den Umfang etwas zu reduzieren, könnte auch lediglich das Muster hinter der Entscheidungsfindung, bspw. das Strukturwissen, in welcher Form die verschiedenen Variablen der Entscheidung in etwa zusammenhängen oder Tendenzen und Trends mit eingebracht werden. Erweitern ließen sich diese Ansätze um den Ansatz der symbolischen Kommunikation, bspw. in Form von Bildsprache, Narrativen oder Rollenspielen. Letztere wurden u. a. von Freud zur Nachvollziehbarmachung unbewusster Prozesse empfohlen.48 Beschreibung der Szenerie 2 – Die Elemente entwickeln sich im Spannungsfeld Die Elemente befinden sich in der Ausgangsposition im Spannungsfeld und die egoistische Intention wird zur altruistischen Intention. Die altruistische Intention gerät direkt in Bewegung, woraufhin sich die Elemente Geistesblitz, Präsenz und das freie Element aus dem Spannungsfeld heraus bewegen und eine Gruppe bilden. Die altruistische Intention baut eine Beziehung zu allen Polen auf und positioniert sich neben dem vorbereiteten Geist. Der Geistesblitz, die Präsenz, das freie Element und der Freiraum empfinden die Veränderung als sehr drastisch und negativ. Das funktionierende Prinzip, über den vorbereiteten Geist etwas Neues entstehen zu lassen, ist dadurch gestört. Der vorbereitete Geist versucht, das aus den Fugen geratene System zu stützen, indem er sich von der Intuition abwendet, hin zur Transparenz. Die Pole und der vorbereitete Geist als Mittelpunkt befinden sich möglicherweise auf einer anderen Ebene und die altruistische Intention hat möglicherweise die Aufgabe, die anderen Elemente zu integrieren. Durch Veränderung der Intention und das Rausschicken der restlichen Elemente liegt der Fokus weniger auf dem vorbereiteten Geist. Für die Intuition entstehen dadurch mehr Harmonie und ein besseres Verständnis der Informationen im Spannungsfeld. Die Effektivität meint, dass der vorbereitete Geist nun nur noch Informationen aufnehme, die sinnvoll sind und alles andere wieder zurückgestrahlt werde. Daraus entstehe etwas Neues (Abbildung 5.13).

48Vgl.

Kettner / Mertens (2010), S. 126.

268

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Abbildung 5.13   abschließendes Bild der zweiten Szene des zweiten Kapitels. (Eigene Darstellung)

Kernelemente der Geschichte:  Die Störung eines bestehenden Prinzips wird als Schädigung wahrgenommen. Besonderheiten der Geschichte: Die altruistische Intention sorgt dafür, dass alle anderen Elemente eine Gruppe außerhalb des Systems bilden. Der vorbereitete Geist muss sich neu ausrichten, um das Prinzip wiederherzustellen. Zugrundeliegende Narrative:  Auflösung des Konfliktes durch Neuausrichtung. Relevante Auszüge aus der Gruppendiskussion • Die altruistische Intention ist an sich hinderlich für das System, da sie in ihren Ambitionen nicht eindeutig ist. • Die altruistische Intention hingegen folgt einer spannungsgeladenen Eigenlogik. Meine Deutung dieser Gruppeninterpretation Aus diesen Interpretationen wurde die These abgeleitet, dass in diesen Spannungsfeldern Uneindeutigkeit bzw. die fehlende Eindeutigkeit die intuitive Managemententscheidung gefährden könnte. In der Szene zeigt sich, dass die altruistische Intention an sich hinderlich für das System ist, da sie in ihren Ambitionen nicht eindeutig ist und selbst einer

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

269

spannungsgeladenen Eigenlogik folgt. In dieser Eigenlogik könnte Uneindeutigkeit vorliegen, aufgrund der Diskrepanz zwischen dem altruistischen Anspruch darauf, anderen einen Nutzen zu bringen und der Gefahr, anderen normativ vorzuschreiben, wie dieser Nutzen auszusehen hat. Es könnte auch sein, dass gut gemeinter Altruismus anderen das Potential abspricht, sich selbst frei zu entfalten und eigene Problemlösungsstrategien zu entwickeln.49 Der beschriebene Zwiespalt zwischen den normativen und bevormundenden Komponenten der altruistischen Intention könnte dazu führen, dass gewisse innere Spannungen entstehen, welche die Entscheidungen verkomplizieren. Die altruistische Intention benötigt Freiräume und erkennt diese. Im herrschenden System gibt es allerdings nur wenig Freiräume für altruistische Handlungen. Das aufgestellte System lehnt Uneindeutigkeiten ab, obwohl im wirtschaftlichen Kontext häufig mit Ambiguität und Uneindeutigkeiten umgegangen werden muss. Die Schwierigkeit komplexer Entscheidungsszenarien mit uneindeutigen Systemvariablen und einem Zielsystem bestehend aus nicht miteinander vereinbaren Teilzielen wurde bereits 1979 von Dörner in dem bekannten Experiment des Lohhausenplanspiels verdeutlicht. Die für diese These relevantesten Erkenntnisse aus jener Untersuchung liegen darin, dass Entscheider/innen Ungewissheit und Inkonsistenz nicht gut ertragen können, dass konkret (und somit eindeutig) definierte Ziele wichtig sind für den Erfolg komplexer Entscheidungen, aber auch die Erkenntnis, dass mit der Modifikation einer Größe im System stets gleichzeitig alle anderen Größen beeinflusst werden. Evolutionsbedingt konzentrieren sich Menschen zwar eher auf lokale ­Ad-hoc-Lösungen als auf übergreifende Zusammenhänge, systemisches Denken kann aber gelernt werden, indem wir uns bewusst machen, in welchen Situationen wir zu welchen Fehlern neigen und diese dann Schritt für Schritt vermeiden.50 Als ein Beispiel für eine Branche, in welcher Managemententscheidungen unter uneindeutigen Intentionen getroffen werden müssen, kann die öffentliche Verwaltung genannt werden. In diesem Bereich ist es bspw. äußerst schwer, den Erfolg oder den Misserfolg von Entscheidungen messbar zu machen, da das Zielsystem uneindeutig

49wie

es bspw. in einigen Entwicklungsländern in Sub Sahara Afrika der Fall ist, wo normative Entwicklungshilfeprojekte durchgeführt werden, ohne die lokalen Kräfte im nötigen Umfang in Entscheidungen einzubeziehen. 50Vgl. Dörner (2011), S. 13 ff.

270

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

und teilweise inkonsistent ist.51 Aufgrund der besonderen Bedingungen, welche im Verwaltungssektor herrschen, lassen sich die klaren, quantifizierbaren Erfolgsmaßstäbe von Unternehmen (Gewinn, Umsatz, Wachstum, Marktanteile usw.) nicht heranziehen.52 Aus diesen Bedingungen, bspw. eingeschränkte Relevanz der Märkte als zentrales Bezugssystem, eingeschränkte Entscheidungsautonomie des Managements, politischer Einfluss, der „hoheitliche Charakter bestimmter Leistungen“ sowie die Alleinverantwortung für die öffentliche Daseinsfürsorge einhergehend mit einer Überprüfung der Entscheidungen durch die Öffentlichkeit ergeben sich heterogene, unklare und inkonsistente Ziele und Leistungserwartungen.53 Hieraus abgeleitete Kriterien wie Wirksamkeit, Rechtmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz bzw. Legitimität für das Verwaltungshandeln ergeben uneindeutige und teilweise inkonsistente Oberziele, deren konkrete Ausgestaltung eine große Herausforderung für das strategische Management in der Verwaltung darstellt.54 Ambiguitätstoleranz und die Fähigkeit, Ungewissheit aushalten zu können, könnten folglich wichtige Voraussetzungen zum Bewältigen dieser Art von Managemententscheidung sein. Beschreibung der Szenerie 3 – Die Elemente entwickeln sich weiter im Spannungsfeld Die Elemente befinden sich in der Ausgangsposition im Spannungsfeld und die altruistische Intention wird zur holistischen Intention. Die Elemente geraten langsam in Bewegung, so dass zwei Ebenen entstehen; die sitzende Gruppe (Geistesblitz, vorbereiteter Geist, Transparenz, Freiraum, Effektivität) und die stehende Gruppe (Präsenz, holistische Intention, freies Element, Intuition) (Abbildung 5.14).

51Vgl.

Schedler / Siegel (2015), S. 60. Schedler / Siegel (2015), S. 45. 53Vgl. Schedler / Siegel (2015), S. 120. 54Vgl. ebd. 52Vgl.

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

271

Abbildung 5.14   abschließendes Bild der dritten Szene des zweiten Kapitels. (Eigene Darstellung)

sitzende Ebene Der Geistesblitz ist energielos und ratlos. Er fasst die Situation wie folgt zusammen: „Wir hatten eine richtig gute Idee, aber dann ist die Intention mit der Idee zu früh durch die Decke geschossen und jetzt hat es nicht funktioniert.“ Die Pole sind, bis auf den Freiraum, immer noch voller Energie und können mit dem vorbereiteten Geist Innovationen entstehen lassen. Wichtig hierfür ist die richtige Dosierung des Inputs. Die Elemente (Geistesblitz, Präsenz, Intention und freies Element) machen den Prozess aber sehr komplex. Der vorbereitete Geist sieht sich und die Pole auf einer abstrakten Hintergrundebene, während die übrigen Elemente konkrete Aufgaben übernehmen. stehende Ebene Die Präsenz verzweifelt daran, dass sie nicht zur Intuition kann. Das freie Element ist der Meinung, dass die holistische Intention einen Anschub benötige, um über den vorbereiteten Geist mit dem Geistesblitz oder der Präsenz kommunizieren zu können. Die holistische Intention hat ein Interesse an allen Polen und möchte gern den Platz des vorbereiteten Geistes in der Mitte einnehmen. Da dies nicht geht und auch keine Einheit mit dem vorbereiteten Geist eingegangen werden kann, da er auf einer anderen Ebene ist, wird die Nähe zur Intuition gesucht. Die Intuition sieht ein harmonisches Bild, in welchem die Informationen aus dem Spannungsfeld besser verstanden werden.

272

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Kernelemente der Geschichte:  Schlechtes Timing wird als Schädigung wahrgenommen. Besonderheiten der Geschichte:  Die Elemente und Pole schließen sich zu einer Gruppe auf zwei Ebenen zusammen. Hierdurch werden Informationen klarer. Zugrundeliegende Narrative: Auflösung des Konfliktes durch Aufteilung auf verschiedene Ebenen. Relevante Auszüge aus der Gruppendiskussion • Die Intention alleine reicht nicht, ihr muss etwas zugeführt werden. • Es ist schwierig, unter den gegebenen Rahmenbedingungen das richtige Timing zu finden, um mit einer Idee hervorzukommen. • Die Intention kann den Zugang zum Unbewussten nicht erzwingen, sondern muss den anderen Elementen vertrauen. • Intuitive Entscheidungen als Heuristiken können eine Legitimationsgrundlage sein. Könnte Reframing dazu beitragen? Jedes Verhalten macht Sinn im richtigen Kontext. Meine Deutung dieser Gruppeninterpretation Aus diesen Interpretationen wurde die These abgeleitet, dass Vertrauen in das Umfeld und den Zeitpunkt der Entscheidung förderlich für das Treffen intuitiver Managemententscheidungen sein könnten. Das Thema Vertrauen klang schon in der These Nummer 4 an und zieht sich durch den intuitiven Prozess. Während es bei der vierten These eher um ein Grundvertrauen in die Prinzipien der Intuition und die eigenen Fähigkeiten geht, wird hier ein Vertrauen in einige wichtige Umfeldfaktoren postuliert. Die Intention alleine reicht nicht aus, um eine intuitive Managemententscheidung zu treffen, ihr muss Vertrauen zugeführt werden. Vertrauen kann als ein menschlicher Urzustand betrachtet werden, welcher sich durchaus positiv auf das Treffen von Managemententscheidungen auswirkt.55 Unter den gegebenen Rahmenbedingungen ist es äußerst schwierig, das richtige Timing zu finden, um mit einer Idee hervorzukommen. Zum einen ist es eine Frage des Timings, wann der Geist genug Informationen aufgenommen hat, um vorbereitet zu sein. Zum anderen ist es eine Frage des Timings, ob der Markt bereit für eine bestimmte Entscheidung ist. Auch der in These 2 beschriebene

55Vgl.

Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997), S. 38.

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

273

Wunsch, einen Geistesblitz erst einmal zu schützen, bis die damit verbundene Idee ausgereift ist, spielt hier hinein. Um diesen Wunsch nach dem richtigen Timing besser zu verstehen, kann es hilfreich sein, die zwei Dimensionen von Zeit zu betrachten. Hinter der ersten Dimension (Chronos) verbirgt sich die Quantität, also das Vergehen der Zeit, aber auch die aus der Zeit resultierende Erfahrung.56 Die zweite Dimension (Kairos) umfasst die Qualität der Zeit, also den richtigen Augenblick.57 Die Idee des Zusammenhangs dieser beiden Dimensionen gestaltet sich derart, dass je bewusster eine Person seine Zeit nutzt und sich auf die Zeit besinnt, umso so eher wird die Zeit als Ruhe und als Sein erlebt, während mit zunehmender Abgelenktheit das Gefühl zunimmt, die Zeit würde rascher davonlaufen.58 Als Ansatzpunkt dafür, die Kontrolle über die Zeit zu gewinnen, gilt es, Macht über sich selbst zu gewinnen, d. h. über die eigenen Ängste, Eitelkeiten, Egoismen, Aggressionen etc.59 Um aus der vergehenden Zeit die wichtigen Erfahrungen mitzunehmen, sollte demnach Passivität vermieden werden und sich aktiv und bewusst mit einem Thema und sich selbst beschäftigt werden, ansonsten komme das Gefühl auf, die Zeit schwinde und Druck und Stress steigen an.60 Um günstige, sich bietende Gelegenheit im Hier und Jetzt zu nutzen, braucht es innere Ruhe und Gelassenheit, aber auch Konzentration, die nötige Aufmerksamkeit und Entschlossenheit.61 Trotz dieser relativ auf den ersten Blick klaren Zuordnungen bleibt es schwierig, die Zeit zu verstehen oder zu beherrschen. Das Vertrauen in den richtigen Zeitpunkt, begleitet von einem Vertrauen in eine positive Resonanz des Umfeldes können den Entscheidungsprozess erleichtern. In Managemententscheidungen wird problemlos in bestimmte Heuristiken oder Marktprozesse vertraut, ohne dass dies hinterfragt wird. Das Reframing dieses Vertrauens könnte das Legitimationsproblem abschwächen und eine Intuitionsheuristik könnte sogar eine Legitimationsgrundlage sein. Vertrauen ist auch immer eine Frage des Wordings. Mit dem

56Vgl.

Weinelt (2005), S. 19. ebd. 58Vgl. ebd. 59Vgl. Weinelt (2005), S. 19–20. 60Vgl. Weinelt (2005), S. 20. 61Vgl. ebd. 57Vgl.

274

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

richtigen, überzeugenden Wording könnte Vertrauen in eine Entscheidung hervorgerufen werden, auch wenn sich die Grundlage der Entscheidung überhaupt nicht nachvollziehen lässt. Eine ähnliche Wirkung hat Vertrauen auch bei Kaufentscheidungen. Da es auch in diesen besonderen Entscheidungsprozessen nicht möglich ist, sämtliche potentiell zur Verfügung stehenden Informationen über die angebotene Produkte aufzunehmen und zu verarbeiten, hilft Vertrauen (bspw. in bestimmte Produkte, Marken oder Händler), den Entscheidungsprozess zu ermöglichen.62 Ohne diese komplexitätsreduzierende Wirkung von Vertrauen63 würde es in zahlreichen sozialen Situationen zur Handlung- bzw. Entscheidungsunfähigkeit kommen.64 Ohne Vertrauen würde auch die Grundlage für ein Management fehlen, in welchem vertrauensvolle Erwartungen den Ausschlag für Entscheidungen geben, was wiederum zu einem Management aus Angst führen würde. Eine Managementkultur der Angst ist keine gute Ausgangsposition für Intuition, Kreativität und innovatives Verhalten. Beschreibung des Kapitel  3 – Die intuitive Konstellation im sozialen Spannungsfeld Das dritte Kapitel setzt die eingangs beschriebenen Elemente (Geistesblitz, vorbereiteter Geist, Präsenz, egoistische / altruistische / holistische Intention sowie freies Element) im zweiten Dilemmaquadrat (Intuition und Verantwortung sowie zwischen medialer Vernetzung und Selbstwahrnehmung) in Beziehung. Beschreibung der Szenerie 1 – Die Elemente suchen einen Platz Die Elemente brauchen sehr lange, um einen Platz zu finden. Sie finden jedoch sehr klare Plätze. Um den Pol der digitalen Vernetzung herum entstehen zwei Gruppen. Gruppe 1 besteht aus der egoistischen Intention und der Präsenz. Beide Elemente sind sehr energetisch und möchten Bewegung ins System bringen. Gruppe 2 besteht aus dem vorbereiteten Geist und dem Geistesblitz und beide möchten keine Bewegung im System haben. Gruppe 2 wird vom freien Element geschützt.

62Vgl.

Neumaier (2010), S. 187. u.a. Luhmann (2000); Schweer (2010). 64Vgl. Neumaier (2010), S. 3; Bruckner (2016), S. 10. 63Siehe

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

275

Die Pole sind allesamt erst irritiert, dann aber stabil und interessiert. Gruppe 1 empfindet die digitale Vernetzung (Ecke Verantwortung) als einen Eingang ins Feld, wartet aber noch auf die Erlaubnis, einzutreten. Sie ist sehr überzeugt von der Richtigkeit des eigenen Wirkens. Intuition, digitale Vernetzung und Selbstwahrnehmung passen sehr gut, nur die Verantwortung passt überhaupt nicht in die eigene Welt. Sie möchten gemeinsam ins Feld hineinwirken, können nicht stillstehen, sind voller Antrieb, es geht um Action, Schabernack, Losstürmen und Bewegung. Das freie Element könnte den Startschuss geben, zu starke Beobachtung / Kontrolle schreckt aber ab. Gruppe 2 hat Angst, dass Gruppe 1 Unfug macht, der böse Konsequenzen haben wird. Eine Bewegung des Systems wird als Gefahr und sehr negativ angenommen. Gruppe 2 benötigt den Schutz des freien Elementes, welches Gruppe 1 zurückhalten soll. Das freie Element fühlt sich von der digitalen Vernetzung angezogen und von der Selbstwahrnehmung abgestoßen. Es kann die Stärke des Feldes messen, wirkt ausgleichend auf das Feld und kann entscheiden, wie stark es ist. Das freie Element schützt Gruppe 2, während Gruppe 1 möchte, dass das freie Element das Startsignal gibt (Abbildung 5.15).

Abbildung 5.15   abschließendes Bild der ersten Szene des dritten Kapitels. (Eigene Darstellung)

276

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Kernelemente der Geschichte:  Zwei Gruppen verfolgen gegensätzliche Ziele. Gruppe 1 empfindet den gegenwärtigen Zustand als Mangel. Würde dieser Mangel aufgelöst, würde dies eine Schädigung für Gruppe 2 auslösen. Besonderheiten der Geschichte:  Zwei Gruppen ringen um die Fähigkeit eines Elements und damit um die zukünftige Ausrichtung des Systems. Zugrundeliegende Narrative:  Auflösung des Konfliktes durch die Entscheidung eines Dritten; Transformation durch Bewegung; Bewahrung durch Bewegungslosigkeit. Relevante Auszüge aus der Gruppendiskussion • Die Pole sind Energiequellen. Vernetzung ist eine wichtige Energiequelle. • Es ist eine sehr energiegeladene Situation, d. h. es gibt viel unfokussierte Energie und somit Potential im System. • Alles geschieht um den Vernetzungspol herum. Egal wie egoistisch die Intention ist, es wird trotzdem eine Verbindung gesucht. Der Mensch, der die Entscheidung trifft, sucht nach einer Verbindung und beruft sich darauf in der Entscheidung. • Managemententscheidungen müssen gerechtfertigt werden, von daher ist die Vernetzung der wichtigste Punkt. Dies gibt die meiste Rechtfertigung und Sicherheit. Sicherheit, weil nicht nur aus dem eigenen gedanklichen Raum heraus entschieden wurde, sondern die Gruppe die Entscheidung bestätigt. • Über Vernetzung lässt sich ganz viel Legitimation holen. Obwohl egoistisch gehandelt wird, kann in der Vernetzung mit anderen Bestätigung erfahren und Energie bezogen werden. Egoistisch und trotzdem nicht allein. • Durch Wissen wird die Katalysatorfunktion in Gang gesetzt, um die Intuition zu triggern. Intention und Präsenz sind die Voraussetzungen, um die Entscheidung zu treffen. Durch Wissensvermittlung kommt es zum Geistesblitz. Die Vernetzung ist der Fokus, Präsenz und Intention werden dazu benötigt und dadurch entsteht der vorbereitete Geist und später der Geistesblitz. Etwas weiter weg von diesen Elementen könnten ggf. auch Elemente stehen, welche die Aufgabe, das Ziel, die Vision oder das Produkt verkörpern. • Über Entscheidungen wird Selbstwahrnehmung erhalten, durch die Rückmeldungen zu den Entscheidungen. Das ist ein Spiegel. Die Rückmeldung erfolgt evtl. in der Vernetzung mit anderen. Das freie Element ist nicht das Ergebnis der Entscheidung (da dies die Selbstwahrnehmung ist). • Der vorbereitete Geist braucht Anfütterung, vor allem durch Vernetzung mit der ganzen Welt.

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

277

• Vernetzung ist etwas Kollektives. Ideen werden in das Netz getragen und von kollektiver Intelligenz egoistisch verwertet. In einer Erwartungshaltung, in der viele konsumieren aber nichts hineingeben, kann nichts entstehen. Präsenz plus altruistische Intention sind eine Qualität des Hereingebens, die dazu führt, dass eine intuitive Managemententscheidung getroffen werden kann. Meine Deutung dieser Gruppeninterpretation Aus diesen Interpretationen wurde die These abgeleitet, dass die Vernetzung die wichtigste Energiequelle sein könnte, um erfolgreich intuitive Managemententscheidungen zu treffen. Alle Pole sind Energiequellen für den intuitiven Entscheidungsprozess, von denen viel unfokussierte Energie ausgeht. Eine intuitive Managemententscheidungssituation ist eine extrem energiegeladene Situation und somit herrscht viel Potential im System. Prinzipiell kann aus dieser Ausgangssituation sehr viel Neues entstehen. Die Vernetzung ist eine wichtige Energiequelle. Nahezu alle Aktivität im System, ungeachtet der Intention, befindet sich um den Vernetzungspol herum. Selbst sehr egoistische Entscheidungen werden nicht nur mit sich selbst ausgemacht, sondern es wird aktiv eine Verbindung zu anderen Menschen gesucht. Auf diese Verbindung kann sich in der Entscheidung berufen werden. Da Managemententscheidungen gerechtfertigt werden müssen, ist Vernetzung ein geeigneter Punkt, um Legitimation und Sicherheit zu bieten. Die Sicherheit rührt daher, dass nicht nur aus dem eigenen gedanklichen Raum heraus entschieden wurde, sondern auch die Sichtweisen anderer Personen mit einbezogen wurden und die Gruppe die Entscheidung bestätigt.65 In der Vernetzung, insbesondere über soziale Medien, besteht allerdings die Gefahr, dass Echokammern und Filterblasen entstehen, in denen immer eine ähnliche Meinung reproduziert wird, da die vernetzten Kontakte schlichtweg zu homogen sind (Abbildung 5.16).

65ähnlich

wie es sich mit der kommunikativen Absicherung durch die geführte Gruppendiskussion verhält.

278

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Abbildung 5.16   das Vernetzungsmodell intuitiver Managemententscheidungen. (Eigene Darstellung)

Die Wichtigkeit der Vernetzung soll mit dem hier dargestellten Vernetzungsmodell, welches die Prinzipien des Systems einer intuitiv getroffenen Managemententscheidung um die Vernetzung herum darstellt, verdeutlicht werden. Durch die Ansammlung von Wissen im vorbereiteten Geist wird eine Katalysatorfunktion in Gang gesetzt, um die Intuition zu triggern. Im Fokus steht dabei die Vernetzung. Der vorbereitete Geist braucht Anfütterung, vor allem durch Vernetzung mit der ganzen Welt. Informationen, Intention und Präsenz sind in diesem Modell die Voraussetzungen, um die Entscheidung zu treffen. Durch Wissensaufnahme kommt es schließlich zum Geistesblitz. Über die Rückmeldungen zu den Entscheidungen wird Selbstwahrnehmung erhalten. Diese Rückmeldung kann wiederum ebenfalls in der Vernetzung mit anderen erfolgen. Die Vernetzung kann auf egoistische und altruistische Weise als Ideenquelle genutzt werden. Jede von der kollektiven Intelligenz des Netzes verarbeitete Idee kann von verschiedenen Seiten egoistisch verwertet werden. In einer Erwartungshaltung, in welcher sehr viele Beteiligte konsumieren aber nur sehr wenige etwas hineingeben, kann nur schwer etwas Neues entstehen. Altruistische Intention und Vernetzung bilden eine Qualität des Hereingebens, welche dazu führt, dass gemeinsam etwas entsteht. Am Ende kann sich diese Informationskultur förderlich auf das Treffen einer intuitiven Managemententscheidung auswirken.

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

279

Managementansichten, welche der Vernetzung einen ähnlich hohen Stellenwert zuschreiben, stammen von Kruse (2004). Diesen Auffassungen zufolge stellt die Bildung von Netzwerken mit hoher Kopplungsdichte die zentrale Entwicklungsrichtung in Wirtschaft, Technik und Kultur dar.66 Diese Entwicklung hin zu virtuellen Organisationen und zur Netzwerkintelligenz wird nötig, um Problemlösungen höchster Komplexität generieren zu können.67 Netzwerkintelligenz entsteht dabei als kurzfristiges, aufgabenorientiertes Ineinandergreifen freier Kompetenzen.68 Es vollzieht sich ein freier Austausch von Wissen sowie uneingeschränkte Kooperation zwischen wechselnden Beteiligten im Netzwerk.69 Der Erfolg des Netzwerks begründet sich ausschließlich auf die freie Resonanzbildung zwischen den Netzwerkteilnehmer/innen.70 Je mehr Verknüpfungen in diesem Netzwerk vereint werden, desto größer ist die Wirkung der ins Netzwerk ausgesandten Impulse.71 Nachdem ein Netzwerk eine Aufgabenstellung erfüllt hat, zerfällt es und organisiert sich für die folgende Destination wieder erneut.72 Als Vorbild dieser Art der komplexen Netzwerkproblemlösung dient das menschliche Gehirn selbst. Auch in diesem Netzwerk sind nicht die Aktivitäten der einzelnen Nervenzellen ausschlaggebend für den Erfolg, sondern die Anzahl und Stärke deren Verbindungen.73 Neben dem Potential, Probleme höchster Komplexität zu lösen, tendieren derart vernetzte Systeme zu einer Eigendynamik exponentieller Entwicklungen.74 Mittels autokatalytischer Kreisläufe kann sich ein solches System bspw. nach einer Phase der Wirkungslosigkeit unvermittelt selbst verstärken und aufschaukeln.75 Die Kombination aus hoher Vernetzungsdichte und hoher Veränderungsgeschwindigkeit geht also einher mit einer hohen Wahrscheinlichkeit von unvorhersehbaren

66Vgl.

Kruse (2004), S. 14. Kruse (2004), S. 90 ff. 68Vgl. Kruse (2004), S. 146. 69Vgl. ebd. 70Vgl. Kruse (2004), S. 32. 71Vgl. Kruse (2004), S. 30. 72Vgl. Kruse (2004), S. 147. 73Vgl. Kruse (2004), S. 15. 74Vgl. Kruse (2004), S. 31. 75Vgl. Kruse (2004), S. 30. 67Vgl.

280

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Wirkungen und Rückwirkungen.76 Nach dem Vorbild des menschlichen Gehirns, welches mit Komplexität umgeht, indem es diese reduziert, lässt sich über die Unternehmenskultur die Verhaltensvielfalt reduzieren und damit die einzelnen beteiligten Individuen stabilisieren.77 Die Unternehmenskultur kann somit als wichtiger Erfolgsfaktor im Umgang mit globaler Komplexität und Marktdynamiken betrachtet werden.78 Auch Vertrauen könnte in diesen hochkomplexen Netzwerken regulierende Wirkung haben. Allerdings wird aufgrund des wechselhaften und temporären Charakters dieser Netzwerke eine neue Vertrauensgrundlage benötigt, welche nicht in den persönlichen Beziehungen der Teilnehmer/innen begründet ist.79 Diese Grundlage kann werteorientiert sein, denn gemeinsame Werte schaffen Vertrauen und auch Legitimität.80 Weitere begünstigende Faktoren für die Etablierung von Netzwerkintelligenz im Unternehmenskontext sind abgestimmte IT-Landschaften, ein einheitliches Wissensmanagement, frei zugängliche Kommunikationsmedien, ggf. eine Beteiligung am durch das Netzwerk entstehenden Erfolg, aufeinander abgestimmte Unternehmenswerte, ein minimaler Satz grundlegender Verhaltensregeln, an das Netzwerkprinzip angelehnte Vision sowie offene Bewertung der Attraktivität der Interaktionspartner/innen.81 Da diese Art der Vernetzung explizit kompetenzorientiert und nicht beziehungsorientiert ist, kann Gruppenidentität i.d.R. nicht als förderlich für die Entstehung von Netzwerkintelligenz betrachtet werden.82 Für die Manager/innen ergeben sich als Anforderungen hieraus ein bewusster Umgang mit Vernetzung, Veränderungsgeschwindigkeit, Selbstorganisation und Chaos.83 Beschreibung der Szenerie 2 – Die Elemente entwickeln sich im Spannungsfeld Die egoistische Intention wird zur altruistischen Intention. Die Elemente drehen sich um sich selbst und suchen einen Platz. Es herrscht eine große

76Vgl.

Kruse (2004), S. 15. Kruse (2004), S. 16. 78Vgl. Kruse (2004), S. 17. 79Vgl. Kruse (2004), S. 148. 80Vgl. ebd. 81Vgl. Kruse (2004), S. 147. 82Vgl. Kruse (2004), S. 146. 83Vgl. Kruse (2004), S. 38. 77Vgl.

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

281

Spannung, die von allen als anstrengend und negativ wahrgenommen wird. Es existiert ein unterschwelliger Konflikt. Die altruistische Intention und die Präsenz setzen sich auf den Boden. Die altruistische Intention fühlt sich wach und größer als alle anderen. Die Beziehung zwischen der Intention und der Präsenz hat eine andere Qualität angenommen. Der vorbereitete Geist versucht, damit klar zu kommen. Er macht sich Sorgen, dass der Geistesblitz unruhig wird. Der vorbereitete Geist reagiert auf den Geistesblitz. Es besteht ein ausgleichendes, schützendes Verhältnis. Der Geistesblitz fühlt sich blockiert von der sitzenden altruistischen Intention und der Präsenz (Sitzblockade). Dies sei aufmüpfiges Verhalten, arrogant und nerve. Der Geistesblitz muss die Gefahr aber im Blick behalten. Es ist gegen diese Gruppe nicht anzukommen, da diese Gruppe immer denkt, sie wäre im Recht. Das freie Element möchte Ordnung schaffen und alles neu sortieren. Die altruistische Intention und die Präsenz stehen auf und verlassen die Mitte, da das freie Element nun die Rolle im Mittelpunkt übernommen hat. Die altruistische Intention lebt in der Vorstellung, dass sie den Geistesblitz so sehr herausgefordert habe, bis dieser die Initiative ergriff und den Platz in der Mitte einnahm, sodass die altruistische Intention und die Präsenz sich wieder zurückhalten und entspannen könnten. Das freie Element verlässt die Mitte und geht zur digitalen Vernetzung, daraufhin kehren altruistische Intention und Präsenz zurück in die Mitte. Das freie Element ist enttäuscht und resigniert. Der Platz des freien Elementes ist bei der digitalen Vernetzung. Aber sobald das freie Element die Mitte räumt, kehren die altruistische Intention und die Präsenz zurück in die Mitte, ohne produktiv zu sein. Das freie Element hatte kurz für Ordnung gesorgt und hat dann auf Produktivität gehofft, diese kam aber nicht auf. Ihrer Ansicht nach wird nicht gearbeitet, sondern nur „rumgeeiert“. Auch die anderen Elemente und Pole nehmen das System als konflikthaft, provokant, brennend, störend, vandalisch, kindisch, angespannt, unzufrieden, chaotisch, festgefahren, einseitig, unruhig und unausgeglichen war. Die Selbstwahrnehmung fragt sich, was die Unruhe soll und hält die Entwicklung für unangemessen. Durch Konfliktsituationen geht es der Selbstwahrnehmung schlecht. Für die digitale Vernetzung wäre totale Symmetrie das Beste. Die Intuition kann den Geistesblitz nicht wahrnehmen. Das Verhalten der altruistischen Intention und der Präsenz sei unreif und nervig. Die Verantwortung kann es ertragen, dass die altruistische Intention und die Präsenz in der Mitte stehen, auch wenn viel Unruhe existiert und es nerve (Abbildung 5.17).

282

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Abbildung 5.17   die wichtigsten Bilder der zweiten Szene des dritten Kapitels. (Eigene Darstellung)

Kernelemente der Geschichte: Eine konkrete Schädigung besteht darin, dass eine Gruppe das System blockiert. Ein Element beseitigt diese durch Neuordnung. Nach dieser Neuordnung und dem Rückzug des Elements, kehren die blockierenden Kräfte zurück. Es entsteht eine weitere Schädigung.

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

283

Besonderheiten der Geschichte: Zwei Gruppen tragen den Konflikt um die Zukunft des Systems nun offen aus. Ein Element wirkt als Regulator. Zugrundeliegende Narrative: Auflösung eines Konfliktes durch die Entscheidung eines Dritten; Transformation durch Blockade; Verteidigung durch Ausweichen. Relevante Auszüge aus der Gruppendiskussion • Präsenz und altruistische Intention lassen sich zu einem Element (bspw. Managementgeist) zusammenfassen. Die altruistische Intention ist auf Verantwortung für andere ausgerichtet. • Präsenz und altruistische Intention sind ausbalanciert und entscheidungsfreudig (intuitive Entscheidungsfreudigkeit). Das freie Element ist die Instanz, die den Raum für Entscheidung gibt, bspw. eine Hierarchie, eine Managementschule, Managementphilosophie, Unternehmenskultur. • Die Gruppe Präsenz / Intention hat etwas von Energie, etwas, das Bewegung bringt. Die Gruppe vorbereiteter Geist / Geistesblitz / freies Element ist rational und kühl. • Der vorbereitete Geist und der Geistesblitz sind rationale Begebenheiten: entweder denken zur Vorbereitung oder ein Gedanke als Ergebnis. Präsenz und Intention dahinter sind eher Gefühle. Denken und Fühlen stehen sich gegenüber. • Denken und Fühlen sind Teil der Intention. • Die Präsenz ist untrennbar mit der Intention verbunden. Die Intention ist eine Vorstufe der Motivation, sie ist die Richtung. Präsenz ist Ausstrahlung und Körperlichkeit. • Altruistische Intentionen sind mit Managemententscheidungen schwer zu vereinbaren. • Die egoistische Intention und die Präsenz vermitteln das Gefühl, alles sei in Ordnung und alles ist möglich, während der vorbereitete Geist (die Ratio) zu Vorsicht und Vernunft mahnt. Diese Spannung macht den Geistesblitz zögerlich. • Der Geistesblitz ist das Produkt des Gesamten und muss sich als Produkt des Ganzen nicht bewegen. Er ist das Ergebnis. Keine Managemententscheidung wird ohne Grund getroffen. Der Geistesblitz ist die Brücke zwischen Intention und Lösung. Er verkörpert das Ergebnis ein Stück weit. • Die egoistische Entscheidung führt zu einer Gegenbewegung, d.h. die Entscheidung ist zeitlich entzerrt. Die altruistische Entscheidung ist eine Balance, in der alle Pole eine ähnlich starke Rolle spielen (nicht wie vorher).

284

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

• Normalen Egoisten sind potentielle Konsequenzen von Entscheidungen bewusst, was abschreckt. In dem Moment, in dem andere mit einbezogen werden, werden auch Wirkungen und Nebenwirkungen mit einbezogen und es wird daraus eine Handlung. • Präsenz und egoistische Intention bilden nur die Möglichkeiten ab, Altruismus und Präsenz hingegen direkte Handlungen. Handlungen führen dazu, das ganze System in den Blick zu nehmen. Intention und Präsenz versuchen, sich altruistisch an den Geistesblitz anzupassen. • Die Intention muss nicht handeln, nur zu einer Handlung führen. Intention ist der Motor, ohne Ziel gibt es keine Intention, ohne Intention keine Intuition. • Die Präsenz ist die Anbindung an die Zeit. Die Intention kann unabhängig von der Zeit sein (dies bedeutet: Präsenz versieht Intention mit Zeit). Entscheidungen müssen zu einem Zeitpunkt gefällt werden. Präsenz und Geistesblitz machen den Moment der Entscheidung aus. Der Rest ist eher grundlegend und fortlaufend. Die Intention kann schon lange vorliegen und der vorbereitete Geist kann schon lange vorbereitet sein. • Die Positionen sind stimmig: altruistische Intention und Präsenz müssen in der Mitte alles ausbalancieren, wenn eine altruistische Entscheidung getroffen wird. In solchen Entscheidungen muss alles im Blick behalten werden (bspw. die Selbstwahrnehmung, die Verantwortung für andere und die Vernetzung). Diese konflikthafte Abstimmung ist anstrengend und Entscheidungen zu treffen, ist immer anstrengend. Entscheidungen, die nicht nur die Entscheider/ in selbst betreffen, sondern auch noch für andere gut werden sollen, sind für unsere Gehirne ganz unangenehm. Die Verantwortung kann die Unruhe und Anstrengung ertragen. Es muss ertragen werden, um diese Entscheidungen treffen zu können. Die Spannungen müssen gelebt werden. • Es gibt zwei Arten von Geistesblitz: emotional (ich fühle, dass es richtig ist, weiß aber rational nicht, warum) und rational (ich sehe eine Formel, ich weiß rational, dass sie richtig ist und muss die jetzt begründen). • Die größte Verbindung hat der Geistesblitz zum vorbereiteten Geist. Der Geistesblitz ist eine analytische Geschichte. Es werden Vorbereitungen getroffen und Rahmenbedingen geschaffen, damit der Geistesblitz entsteht. Der Geistesblitz ist ein Resultat. • Vorbereiteter Geist und Geistesblitz gehen eher Richtung Logik und Fakten und Informationen. Im Geistesblitz geht es um Informationen, die in die Welt getragen werden können, mit denen weiter gearbeitet werden kann (bspw. These, Schlussfolgerung etc.). Das hat Bestand und lässt sich legitimieren.

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

285

• Die Vorbereitung des Geistes findet im Verborgenen statt. Intention oder Präsenz zeigen sich sichtbar. Deshalb hält der vorbereitete Geist sich im Hintergrund. • Der vorbereitete Geist ist eine große Ansammlung von Informationen (bspw. Erfahrungswissen). Meine Deutung dieser Gruppeninterpretation Aus diesen Interpretationen wurde die These abgeleitet, dass Präsenz und altruistische Intention einen Managementgeist bilden könnten, welcher sich durch intuitive Entscheidungsfreudigkeit auszeichnet. In dieser Konstellation ist die Präsenz untrennbar mit der Intention verbunden. Die Präsenz bildet zusammen mit den altruistischen Anteilen der Intention einen Managementgeist, welcher sich durch intuitive Entscheidungsfreudigkeit auszeichnet. Um Entscheidungsfreudigkeit an den Tag zu legen, ist die Intention in andere psychologische Komponenten eingebettet. Als konkrete Absicht gibt die Intention die Richtung vor, in welche sich die Entscheidung bewegen wird und lenkt damit die ihr vorgelagerte Motivation.84 Die Motivation drückt sich dabei als unkonkreter Wunsch aus, eine Entscheidung zu treffen bzw. mit der Entscheidung ein angestrebtes Ergebnis zu erzielen.85 Als Ausgestaltung des Wunsches der Motivation sowie der Richtung der Intention erfolgt die Umsetzung als handlungsgestaltender Vorgang der Volition.86 Alle drei Konstrukte sind eng miteinander verbunden und weisen einige förderliche Attribute auf, welche beim Treffen intuitiver Entscheidungen durchaus hilfreich sein könnten. Die Intuition impliziert eine gewisse Form von Verbindlichkeit und kann mentale Repräsentationen mit handlungsleitendem Charakter hervorrufen.87 Dies kann hilfreich sein, da somit vor dem geistigen Auge angestrebte Zielzustände visualisiert werden, welche Klarheit in der Entscheidungsfindung schaffen können. Der handlungsleitende Charakter ist ein Attribut, welches sich Intention und Intuition teilen. Die Intention setzt das psychische System unter Spannung, was auch Aufmerksamkeit und Achtsamkeit aktivieren kann.88 Es findet eine

84Vgl.

Heckhausen (1987), S. 16. Stangel (2018), o. S. 86Vgl. Heckhausen (1987), S. 17. 87Vgl. Heckhausen (1987), S. 214. 88Vgl. Lewin (1926) S. 42 ff. und 90 ff. 85Vgl.

286

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

als ‘Intentionsüberlegenheitseffekt’ bezeichnete Aktivierung statt, welche dafür sorgt, dass bestimmte Parts im Gedächtnis besonders zugänglich gemacht und bestimmte Reize besonders deutlich wahrgenommen werden, was zu einer möglichst raschen Realisierung der Intention führen soll.89 Die Bindung an ein Ziel führt also dazu, dass zielrelevante Informationen aus dem Gedächtnis besser abgerufen werden können als irrelevante Informationen. Übertragen auf den Entscheidungsprozess könnte dies bedeuten, besonders günstige Gelegenheiten leichter zu erkennen. Ohnehin bleibt die Intention während des Entscheidungsprozesses fest im Gedächtnis, bis sie abgearbeitet ist.90 Dieser Umstand könnte im Zusammenwirken mit der Motivation dabei helfen, fokussiert zu bleiben, was wiederum Ähnlichkeiten mit der Präsenz aufweist. Die altruistische Intention ist auf die Verantwortung für andere ausgerichtet, während die Präsenz die eigenen Befindlichkeiten abdeckt sowie Ausstrahlung und Körperlichkeit der Entscheidungsträger/innen nach außen trägt. Beide Elemente sind somit ausbalanciert und vorwärtsgewandt. Es handelt sich um eine energiegeladene Gruppe, in der alle Pole eine ähnlich starke Rolle spielen. In altruistisch geprägten Entscheidungen muss alles im Blick sein (bspw. die Selbstwahrnehmung, die Verantwortung für andere und die Vernetzung). Diese konflikthafte Abstimmung kann anstrengend sein. Es liegt in der Natur der Sache, dass es anstrengend ist, Entscheidungen zwischen verschiedenen konkurrierenden Optionen zu treffen. Ebenso wirkt es sehr nachvollziehbar, dass Entscheidungen, welche nicht nur die Entscheider/ in selbst betreffen, sondern auch noch für andere gute Ergebnisse liefern sollen, für das menschliche Gehirn noch unangenehmer erscheinen. Der Pol der Verantwortung hilft, diese Unruhe und Anstrengung zu ertragen und die Spannungen für die Entscheidungen zu nutzen. Präsenz und Intention verkörpern Emotionen und Gefühle und werden auch von diesen geleitet. Dem gegenüber bilden der vorbereitete Geist und der Geistesblitz eine eher rationale und kühle Gruppe. Der Modus dieser Gruppe wird vom Denken bestimmt. Einerseits vom Denken zur Vorbereitung des Geistes und andererseits von Gedanken als Ergebnis in Form eines Geistesblitzes. Denken und Fühlen stehen sich gegenüber und beide sind integrale Bestandteile der Intuition. Für eine erfolgreiche intuitive Managemententscheidung muss die Instanz, welche den Raum für die Entscheidung im Spannungsfeld bereitstellt, zwischen jenen Kräften die eher energiegeladen und progressiv sind und jenen Kräften, die eher rational sind und nach Sicherheit

89Vgl. 90Vgl.

Puca (2018), S. 242; Spektrum (2000), o. S. Puca (2018), S. 242.

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

287

streben, vermitteln. Der Geistesblitz ist das Produkt des intuitiven Prozesses und bildet die Brücke zwischen Intention und Problemlösung. In ihrem altruistischen Charakter können sich Intention und Präsenz an den Geistesblitz anpassen und verhindern so eine Blockadehaltung. In der Realität sind auch Egoist/innen die potentiellen Konsequenzen von Entscheidungen zumindest bis zu einem bestimmten Grad bewusst. Dieses Wissen kann abschrecken, Entscheidungen zu treffen. In dem Moment, in dem andere in die Intention der Entscheidung mit einbezogen werden, werden die Rück- und Nebenwirkungen aber auch mitberücksichtigt und es entsteht Handlungsfähigkeit. Während Präsenz und egoistische Intention also nur um die Möglichkeiten der Entscheidungen wissen, entwickeln Altruismus und Präsenz hingegen direkte Handlungen. Diese Handlungen führen dazu, das ganze System in den Blick zu nehmen. Die Intention gibt das Ziel vor und steuert über die Motivation den Motor der Handlungen. Ohne diese Dynamik könnte sicher keine Intuition entstehen. Die Intention und auch der vorbereitete Geist können unabhängig von der Zeit sein. So kann die Intention schon lange vorliegen und der vorbereitete Geist auch schon lange vorbereitet sein, während Entscheidungen zu einem real existierenden Zeitpunkt gefällt werden. Präsenz und Geistesblitz machen gemeinsam den Moment der Entscheidung aus und geben dem System eine Anbindung an das Prinzip von Zeit. Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die Präsenz jenen Teil des Egoismus kompensieren kann, welcher den rein altruistischen Entscheidungen fehlt. Beschreibung der Szenerie 3 – Die intuitive Konstellation im sozialen Spannungsfeld Die altruistische Intention wird zur holistischen Intention. Die Elemente suchen einen Platz. Das freie Element hatte dazu erst keine Lust. Sobald Bewegung entstand, kam aber der Impuls, sich hinter die digitale Vernetzung zu bewegen und ist jetzt entspannt. Mit dem System hat es nicht mehr viel zu tun, aber das ist in Ordnung. Es wird nur noch Wärme wahrgenommen. Die holistische Intention nähert sich dem Geistesblitz und nimmt den Platz des vorbereiteten Geistes ein. Sie hätte aber auch gern die Präsenz in der Nähe. Aber die holistische Intention ist ein reagierendes Element. Der Geistesblitz hat sich durchgesetzt. Nach den Störungen durch die egoistische und altruistische Intention kehrte Einsicht ein und das Feld wurde geräumt. Gleichzeitig ließ aber auch die Bindung zum vorbereiteten Geist und zum freien Element nach. Eine runde Sache, ein perfekter Kreis ist im System entstanden, ein Gefühl von Vollkommenheit. Der vorbereitete Geist fühlt sich ebenfalls gut und etwas außen vor. Er hat das Gefühl, einen Schritt nach vorn gemacht und das, was war, hinter sich gelassen zu

288

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

haben. Nach kurzer Trennung fanden Präsenz und Intention (dank des Geistesblitzes) wieder zusammen und die Welt ist wieder in Ordnung. Die Präsenz nimmt die Energie der Intentionen auf, egal welche Ausrichtung die Intention hat. Die Präsenz ist eine andere, je nach Intention. Die Selbstwahrnehmung freut sich über die Anwesenheit der Präsenz und der holistischen Intention. Die digitale Vernetzung strebt weiter nach Symmetrie. Die Intuition und die Verantwortung sind weitestgehend unbeeindruckt. Die Intuition bezeichnet den Geistesblitz als selbstverliebt. Der Geistesblitz hat kein Problem mit der Intuition und bezeichnet sich selbst als selbstsicher. Beide verstehen sich besser, wenn sie sich näherkommen. Das freie Element möchte die Intention von der Präsenz trennen und dem vorbereiteten Geist eine andere Zuweisung geben. Der vorbereitete Geist braucht eine vorgegebene Richtung (evtl. braucht der vorbereitete Geist einen Teil des freien Elements). Der Geistesblitz ist das Kind des freien Elements. Unabhängig von der Ausrichtung der Intention, müssen Präsenz und Intention sich trennen, damit etwas passieren kann (Abbildung 5.18).

Abbildung 5.18   abschließendes Bild der dritten Szene des dritten Kapitels. (Eigene Darstellung)

Kernelemente der Geschichte:  Es entsteht ein Mangel, da sich beide Gruppen auflösen und die Elemente getrennte Wege gehen. Nach kurzem Mangel findet eine Gruppe an einem anderen Platz wieder zusammen.

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

289

Besonderheiten der Geschichte: Die Dynamik verselbständigt sich und der Einfluss des freien Elements auf die Gruppen schwindet. Zugrundeliegende Narrative: Auflösung des Mangels durch Eigeninitiative; Transformation durch Vereinigung (Gruppe 1); Transformation durch Integration eines Teilaspektes. Relevante Auszüge aus der Gruppendiskussion • Es war ein perfekter Kreis um den Pol der digitalen Vernetzung herum. • Die Intention ist in allen drei Ausprägungen mit der Präsenz verbunden. Diese Gruppierung um die Vernetzung herum erzeugt Stabilität. Präsenz und Intention sind Musterbrecher. Instabilität und Stabilität treffen aufeinander. • Präsenz und Intention verkörpern den Entscheidungsträger. Der Entscheidungsträger besteht aus der Richtung (Intention) und seinem Körper. • Für den Geistesblitz sind Intention und Präsenz gar nicht wichtig, die sind nur zufällig da. Der Geistesblitz tritt nicht bei starker Präsenz auf, sondern schiebt sich zu gegebener Zeit einfach in den Vordergrund. Der Geist ist vorbereitet und dann kommt ein Geistesblitz. • Ohne Intention lässt sich der Geistesblitz nicht wahrnehmen bzw. zuordnen / bewerten. • Der Geistesblitz kommt, wenn Gedanken inkubieren (bspw. Waldspaziergang) können, dann ist die Intention nicht da. • Es hängt alles mit allem zusammen und irgendwann kommt ein Geistesblitz (bspw. beim Spazieren gehen, aber auch nicht jedes Mal, wenn man spazieren geht). • Das freie Element ist ein Instrument des Managements. Es versucht, zu strukturieren und den Prozess zu ordnen und zu steuern, stößt dabei aber an Grenzen (Intuition lässt sich nicht steuern). Das freie Element ist keine mächtige Figur, sondern wäre gern eine mächtige Figur. Jedes Element hat eine Eigenlogik. • Das freie Element ist ein Tool, welches intuitive und gute Entscheidungen garantieren soll (bspw. design thinking, Systemaufstellung, überhaupt das Prinzip eines Tools). • Wie können Bedingungen geschaffen werden, damit der Geistesblitz produktiv ist? Die anderen Elemente und Pole haben die Energie, aber es ist schwierig, diese zu kanalisieren. Alle haben Eigenlogiken. • Der Geistesblitz macht sich nicht abhängig von irgendjemandem oder irgendwas. Der Geistesblitz kommt und geht nach Belieben, er hat eine Eigendynamik.

290

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Meine Deutung dieser Gruppeninterpretation Aus diesen Interpretationen wurde die These abgeleitet, dass Präsenz und holistische Intention es ermöglichen könnten, Musterbrüche wahrzunehmen, was die Kreativität begünstigt. Im letzten Bild treffen Stabilität und Veränderung aufeinander. Um den Pol der digitalen Vernetzung herum entsteht eine feste Gruppierung, welche Stabilität erzeugt. Geistesblitz, vorbereiteter Geist und freies Element (resp. Management Instrument) sind eher logisch, strukturiert ausgerichtet und möchten auf geordnete Art und Weise den Intuitionsprozess abarbeiten. Die Intention ist in allen Ausprägungen mit der Präsenz verbunden. Diese Gruppe möchte Veränderung bringen und bestehende Muster brechen. Präsenz und Intention verkörpern den Entscheidungsträger. Dieser besteht aus der Richtung der Entscheidung (Intention) und dem Körper (Präsenz). Für den Geistesblitz sind Intention und Präsenz nicht wichtig, sondern nur zufällig auch da. Der Geistesblitz tritt nicht bei starker Präsenz in Erscheinung, sondern schiebt sich einfach in den Vordergrund, wenn der Geist vorbereitet ist und bringt dann Präsenz mit sich. Ohne Intention und Präsenz lässt sich der Geistesblitz aber nur schwer wahrnehmen bzw. zuordnen. Andererseits sind feste Muster und geübte Abläufe schwierig für Kreativität und Geistesblitze. Förderlich sind hingegen Brüche in den bekannten Mustern, nach einer ausreichenden Zeit, in welcher die Gedanken inkubieren konnten. Solcherlei Musterbrüche können als förderlich für die Intuition eingestuft werden, da Untersuchungen aufzeigten, dass ungewöhnliche Erfahrung die Kreativität erhöhen können.91 Der Ursprung dieser ungewöhnlichen Erfahrungen (bspw. das Beobachten von Abweichungen von Naturgesetzen) liegt in SchemataVeränderungen begründet, also Ablaufveränderungen der alltäglichen Tätigkeiten und Muster.92 Es liegt die Vermutung nahe, dass Schemata-Veränderungen entstehen, indem Erwartungen und mentale Fixierungen durchbrochen werden.93 Im Ergebnis konnte mittels Schemata-Veränderungen die kognitive Flexibilität erhöht werden.94 Unter kognitiver Flexibilität wird die Fähigkeit verstanden, flexible und multiple Wissensrepräsentationen zu entwickeln und in unterschied-

91Vgl.

Ritter (2012), S. 126; Nidiaye / Gottwald / Hormann / Besser-Anthony (1997), S. 165 ff. 92Vgl. Ritter (2012), S. 126. 93Vgl. ebd. 94Vgl. ebd.

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

291

lichen Situationen anwenden zu können.95 Auf diese Weise können kreative Lösungen auf komplexe Fragen in unbekannten Situationen gefunden werden. Intention und Präsenz könnten dabei unterstützend wirken, indem sie helfen, Musterbrüche wahrzunehmen. Musterbrüche können aber auch das Ergebnis des kreativen Prozesses / der intuitiven Entscheidung sein. Im Gegensatz zur Funktionsoptimierung, also der schrittweisen Verbesserung bestehender Verhaltensmuster, zeichnen sich solche kreativen Prozessmusterwechsel durch eine völlig neue Form des Verhaltens aus.96 Solche Prozessmusterwechsel können deutlich erfolgreicher sein als die Verbesserung bestehender Funktionalitäten, da sie bestehende Verhaltensweisen in Frage stellen, sind aber auch ungleich risikoreicher und bewirken oftmals Abwehrreaktionen.97 Aufgrund der Tendenzen zur Beibehaltung bestehender Verhaltensweisen und zur Reproduktion bestehender Verhältnisse bedarf es Instabilität, um einen Musterwechsel vollführen zu können.98 Das Erkennen von Instabilität kann also auch dazu beitragen, bevorstehende Prozessmusterbrüche wahrzunehmen bzw. Chancen für diese Musterbrüche zu deuten. Ein Indiz zum Nutzen von Musterbrüchen könnte auch aus der Informationstechnologie entliehen werden. Da das Brechen von Naturgesetzen ein wichtiger Bestandteil des Musterbruchprozederes ist, könnte dies im Umkehrschluss bedeuten, dass ohne Naturgesetze keine Musterbrüche möglich sind. In der Informationstechnologie hingegen gelten prinzipiell keine Naturgesetze. Einer Software können jenseits aller Naturgesetze jegliche Prinzipien, Verfahren und Regeln beliebig einprogrammiert werden. In dieser von Menschen gestalteten und nicht von Naturgesetzen bestimmten Umgebung hätten Musterbrüche also eine ganz andere Wirkung. Eine weitere These könnte also besagen, dass die Intuition Naturgesetze benötigt. Übergreifende Thesen Beim Ableiten von Thesen aus den einzelnen Szenen stellt sich heraus, dass auch szenenübergreifend ähnliche und aufeinander aufbauende Thematiken vorkommen. Hierbei handelt es sich insbesondere um die Themen Vertrauen und Intention.

95Vgl.

Mandl / Kopp / Dvorak (2004), S. 22. Kruse (2004), S. 20. 97Vgl. Kruse (2004), S. 22. 98Vgl. Kruse (2004), S. 54. 96Vgl.

292

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Zwei Thesen verweisen auf die förderliche Wirkung von Vertrauen für intuitive Managemententscheidungen. Im Einzelnen bringen die genannten Thesen den inneren, unbewussten Prozessen, dem Zeitpunkt der Entscheidung, dem Umfeld der Entscheidungen und den anderen der Entscheidung beteiligen Elementen Vertrauen entgegen. Weiter verweisen die Thesen auf die Existenz von impliziten Intuitionstheorien (bereichsspezifische, normative Erwartungen an potentiellen Erfolg von Intuition, etc.) und Intuitionstendenzen (bereichsspezifische, subjektive Überzeugung, dass Intuition prinzipiell realisierbar und sinnvoll ist). Die förderlichen Aspekte eines vertrauensvollen Umfelds wurden in dieser Arbeit bereits mehrfach angedeutet.99 Was sind aber nun die Gründe, warum Vertrauen förderlich für intuitive Managemententscheidungen sein könnte? Hierzu ist vor allem die komplexitätsreduzierende und die selbstwirksamkeitssteigernde Wirkung von Vertrauen zu nennen. Vertrauen vermag es, Entscheidungsprozesse, bspw. Kaufentscheidungen, zu vereinfachen, indem jegliche nicht handhabbare Informationen und Eventualitäten außer Acht gelassen werden und sich auf den Kern der Entscheidung konzentriert wird.100 Kaufentscheidungen werden bspw. getroffen, weil auf die Qualität und die Funktionalität eines Produktes vertraut und dem Versprechen einer Marke Glauben geschenkt wird.101 Dies lässt sich auf andere Arten von Entscheidungen übertragen. Mit der Vereinfachung der Entscheidung durch die Vergabe von Vertrauen geht aber auch der Verzicht auf Kontrolle sowie Handlungs- und Entscheidungskompetenzen einher. Durch Vertrauen wird auf bestimmte Informationen verzichtet oder es werden ganze Teile der Entscheidung im Vertrauen an andere Personen abgegeben. Entscheider/ innen, denen sehr viel an umfassender Kontrolle gelegen ist oder bei denen die eigenen Kompetenzen eine wichtige Rolle für die Selbstdefinition spielen, könnte diese Einschränkung durchaus Überwindung kosten. Der zweite entscheidende Punkt ist die Selbstwirksamkeit, welche mit dem Vertrauen in die eigenen Entscheidungen einhergeht. Die Selbstwirksamkeit bzw. die Selbstwirksamkeitsüberzeugung spiegeln die Überzeugung wider, eine bestimmte Handlung (bspw. eine Managemententscheidung zu treffen) durchführen zu können. Durch das Vertrauen in die eigene Selbstwirksamkeit, eine Handlung erfolgreich ausführen können, setzen sich Menschen in Bewegung, diese Handlung auch tatsächlich in die Tat umzusetzen.102

99Siehe

insbesondere Abschnitt 4.3. Neumaier (2010), S. V. 101Vgl. Neumaier (2010), S. 1. 102Vgl. Psychomeda (2018), o. S. 100Vgl.

5.1  Systemaufstellungen, Nacherzählungen ...

293

Nach Bandura (1997) existieren vier unterschiedliche Quellen zur Förderung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung:103 Eigene Erfahrungen: Den wichtigsten Einfluss auf die Ausprägung von Selbstwirksamkeit haben die eigenen Erfahrungen. Durch Erfolgserlebnisse, welche aufgrund eigener Anstrengungen erreicht werden, wird auch für die Zukunft das Vertrauen darin geschaffen, durch eigenes Handeln eigenständig Ziele erreichen zu können. Besonders wirkmächtig sind dabei sogenannte ‘mastery experiences’, also Situationen, in denen eine Person auf sich allein gestellt nach anfänglichen Schwierigkeiten, Stück für Stück durch eigene Anstrengungen eine erfolgreiche Lösungsstrategie entwickelt. Wiederholter Misserfolg hingegen kann die Selbstwirksamkeitsempfinden schwächen. Modelllernen: Selbstwirksamkeit kann auch durch das Beobachten anderer erfolgreich handelnder Personen entstehen, sofern diese Personen die beobachtende Person der Zielperson ähnliche Kompetenzen zuschreibt wie sich selbst. Ist die beobachtete Person erfolgreich, entsteht bei der beobachtenden Person eine stellvertretende Erfahrung, welche das Gefühl vermittelt, eine ähnliche Leistung erbringen zu können. Soziale Überzeugung: Zuspruch von anderen steigert das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Die von außen aktivierte Überzeugung muss jedoch zu irgendeinem Zeitpunkt mit der Realität übereinstimmen, d.h. realer Erfolg muss sich einstellen, damit die Selbstwirksamkeitsüberzeugung sich etabliert. Negativer Einfluss sozialer Gruppen kann die Selbstwirksamkeitsüberzeugungen aber auch schwächen. Physiologische Zustände: Durch positive Reaktionen auf physiologische Begleiterscheinungen von Entscheidungssituationen (wie bspw. Herzklopfen, feuchte Hände, Zittern etc.), wird Selbstwirksamkeit ausgelöst. Die eigene Stärke aber auch die eigene Schwäche werden angesichts dieser Reaktionen gewahr. Eine negative Deutung dieser Zeichen können sich negativ auf die Selbstwirksamkeit auswirken. All die genannten Quellen lassen sich hervorragend mit dem Konzept der Intuition in Managemententscheidungen vereinbaren, da sie Mechanismen (bspw. Erfahrungen, Suggestion, Achtsamkeit) tangieren, welche in ähnlicher Form mit dem Intuitionsphänomen einhergehen.

103Vgl.

Stangl (2018), o. S.; Psychomeda (2018), o. S.

294

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Direkt mehrere Thesen befassen sich mit der Intention hinter der intuitiv getroffenen Managemententscheidung. Diese Thesen gehen dabei in verschiedene Richtungen und heben die förderlichen Potentiale jeglicher Intentionsausrichtung hervor, ebenso wie die Möglichkeit einer hemmenden Wirkung der Intention. Diese Thesen wirken im ersten Moment erst einmal im Widerspruch zueinander stehend. Es soll aber verdeutlicht werden, dass alle Thesen sich unabhängig voneinander bewahrheiten könnten und in der Welt gleichzeitig völlig unterschiedliche Ausprägungen von ähnlichen Gesetzmäßigkeiten existieren. Es wäre dann so, dass in einer prototypischen Konstellation ein bestimmter Faktor in eine bestimmte Richtung wirken würde und in einer anderen prototypischen Konstellation in die komplett gegensätzliche Richtung und beide Konstellationen würden in der realen Welt nebeneinander existieren. In jedem Fall kann die Intention ein Ansatzpunkt für die Legitimation sein. Die Kenntnis der zugrunde liegenden Intention sowie der Motivation hinter Entscheidungen könnte die Legitimität fördern, indem sie die Entscheidungen für Dritte nachvollziehbarer macht. Darüber hinaus könnte auch ein Bezug der Intentionsthesen zu den Vertrauensthesen existieren. Da die Entstehung von Vertrauen stets mit einem Vertrauensvorschuss einhergeht, könnte dies bedeuten, dass Unternehmen sich nicht nur egoistisch als Empfänger von Legitimation betrachten sollten, sondern über die Intention auch die eigene Rolle im Großen und Ganzen zu begreifen haben und dann altruistisch Vertrauen und Legitimation für intuitive Entscheidungen anderer verleihen, ohne selbst etwas als Gegenleistung zu erwarten. Auf diese Weise würden in praktischer Manier neue gemeinsame Werte im System etabliert. Gemeinsame Werte wiederum schaffen weiteres Vertrauen und auch Legitimität.104 Was können wir mitnehmen? • Es fanden Systemaufstellungen statt, bei denen das System intuitiver Managemententscheidungen visualisiert wurde. • Die relevanten Elemente (Geistesblitz, vorbereiteter Geist, Präsenz, Intention, das freie Element) wurden im kontextfreien Raum sowie im Dilemmaquadrat aus Intuition, Transparenz, Freiräumen und Effektivität sowie im Dilemmaquadrat aus Intuition, Verantwortung, Vernetzung und Selbstwahrnehmung in Beziehung zueinander gesetzt. In den Settings wurden verschiedene Systeme visualisiert, jeweils mit einer Intention in egoistischer, altruistischer und holistischer Ausprägung.

104Vgl.

Kruse (2004), S. 148.

5.2  Einzelbefragungen der Expert/innen

295

• Aus der Visualisierung des Systems wurde ein Video produziert. • Dieses Nacherzählungsvideo diente als Grundlage für die gemeinsame Interpretation in den Expert/innengruppen. • Diese Gruppendiskussionen wiederum wurden aufgezeichnet und transkribiert,- um das entstandene Datenmaterial zu analysieren. • Inhaltlich werden Ansatzpunkte insbesondere bei den Punkten ‘Vernetzung’, ‘Intention’ und ‘Vertrauen’ gesehen.

5.2 Einzelbefragungen der Expert/innen Im Zeitraum von August bis Dezember 2018 lief eine Online-Befragung verschiedener Expert/innen zum Thema Intuition in Managemententscheidungen. Der Expert/innenstatus kann den Befragten zugeschrieben werden, da es sich um Personen handelte, die im Arbeitsalltag Managemententscheidungen treffen und dies zumindest gelegentlich auch intuitiv tun. Befragt wurden 40 Manager/ innen. Inhalt der Befragung war es, eine Selbsteinschätzung zu den verschiedenen Einflussfaktoren auf intuitiv getroffene Managemententscheidungen abzugeben. Hierzu wurden die in den Mindmaps des Abschnitt 4.3. aufgeführten Einflussfaktoren in einen Online-Fragebogen zur Selbsteinschätzung übertragen. Ein Ausdruck dieses Selbsteinschätzungsbogens befindet sich im Anhang dieser Arbeit. Ziel dieser Expert/innenbefragung war es, prototypische Konstellationen von Einflussfaktoren zu identifizieren, weitere Einblicke in die Spannungsfelder intuitiver Managemententscheidungen zu erhalten und dabei die Rolle der Manager/ innen beim Treffen intuitiver Managemententscheidungen besser zu verstehen. Um prototypische Faktorenkonstellationen identifizieren zu können, wurden die erhobenen Daten sowohl individuell betrachtet als auch in der Gesamtheit einander gegenübergestellt. Es wurde verglichen, mit welchen anderen Faktoren die Ausprägungen einzelner Faktoren einhergehen. Zur lückenlosen Nachvollziehbarkeit befinden sich im Anhang auch die entstandenen Rohdaten der Selbsteinschätzungen. Die ermittelten prototypischen Konstellationen kombinieren situationelle Faktoren sowie personale Faktoren miteinander. Da bestimmte Konstellationen für eine Gruppe von Personen in bestimmten Situationen funktionieren können und in anderen nicht, können auch mehrere gegensätzliche prototypische Konstellationen gleichzeitig existieren. Im Zuge der Online-Befragung gaben 40 Personen Selbsteinschätzungen zu den von ihnen intuitiv getroffenen Managemententscheidungen ab. Mit den folgenden Ausführungen sollen die Ergebnisse der Online-Befragung beschrieben und erste Interpretationsmöglich-

296

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

keiten vorgestellt werden. Die Teilnehmer/innen kamen aus verschiedenen Branchen und Bereichen, von Coaching und Beratung über klassische Bereiche wie Handwerk, Großhandel, Immobilienwirtschaft, Logistik und IT bis hin zum Medizinsektor (siehe Tabelle 5.2). Dabei blicken die Teilnehmer/innen auf durchschnittlich 14 Jahre Erfahrung im Treffen von Managemententscheidungen zurück. Die Erfahrung rangiert dabei von wenigen Jahren bis hin zu 40 Jahren (Abbildung 5.19). Tabelle 5.2   Unternehmensbrachen der Teilnehmer/innen. (Eigene Darstellung) Unternehmensbranchen in denen die Managemententscheidungen getroffen werden Coaching und Unternehmensberatung Design Großhandel Handwerk Immobilienwirtschaft IT Logistik Marketing Medizin und Pflege öffentlicher Dienst Sport Textil Wissenschaft und Bildung

Die Einschätzungen hinsichtlich des Einflusses auf die herrschenden Rahmenbedingungen zeigen, dass die Manager/innen den eigenen Einfluss in allen zur Auswahl stehenden Bereichen als eher hoch einschätzen (siehe Abbildung 5.20). Der Mittelwert aller Items dieser Einschätzung liegt entsprechend bei 6.5. Überdurchschnittlich hoch wird der Einfluss auf die Werte und das Arbeitsklima um die Entscheidungssituation herum eingeschätzt. Der Einfluss auf Ort und Zeitpunkt der Entscheidung wird am geringsten eingeschätzt. Dies könnte daran liegen, dass Managemententscheidungen noch immer in alt hergebrachten Strukturen getroffen werden, in denen Ort und Zeit vom Umfeld vorgegeben werden. Abgesehen davon, ist es schwer, Einfluss auf Ort und Zeitpunkt auszuüben, an dem ein Geistesblitz erscheint. Hinsichtlich weicher Faktoren wird der Einfluss höher wahrgenommen. So wird geglaubt, Werte aktiv mitgestalten zu können und es besteht ein Gefühl dafür, dass das eigene Handeln Auswirkungen auf das Arbeitsklima hat. Diese Faktoren lassen sich allerdings weniger konkret festmachen als Zeit und Ort.

5.2  Einzelbefragungen der Expert/innen

297

Abbildung 5.19   Erfahrung beim Treffen von Managemententscheidungen. (Eigene Darstellung)

Die Einschätzungen hinsichtlich der Arbeitsatmosphäre zeigen, dass die meisten Faktoren eher im Mittelfeld rangieren. So ergibt sich über alle Faktoren dieser Gruppe ein Mittelwert von 6.1. Die meisten Manager/innen gaben an, persönlich und direkt miteinander zu kommunizieren. Auch die Kommunikation über verschiedene Kanäle wurde vermehrt als hoch angegeben. Entgegen wahrgenommener Trends wurde digitale Kommunikation eher niedrig angesetzt. Im

298

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Abbildung 5.20    Einschätzungen des Einflusses auf die herrschenden Rahmenbedingungen beim Treffen von Managemententscheidungen. (Eigene Darstellung)

Laufe des Forschungsprozesses wurde eine Konstellation diskutiert, in welcher sich Präsenz, Intention (jeweils als egoistisch, altruistisch oder holistisch) und digitale Vernetzung sammeln (Abbildung 5.21). Da nun bei den Selbsteinschätzungen keine hohe Relevanz digitaler Vernetzung deutlich wurde, in der Diskussion dieser aber eine hohe Relevanz zugeschrieben wurde, wäre es interessant, noch einmal zu überprüfen, wie Menschen, die nicht viel persönlich kommunizieren, intuitiv Entscheidungen treffen. Weitere Arbeitsweisen, die als wichtig eingestuft wurden, sind Verantwortung sowie Raum für Offenheit, Abweichungen und Spontaneität. Verantwortung geht auf Managementebene mit vielen Entscheidungen einher, da stets eine gewisse Tragweite vorliegt. Trotz dieser Verantwortung scheint eine Leichtigkeit, verkörpert durch die Offenheit, Abweichungstoleranz und Spontaneität, wichtig, um intuitiv zu sein. Auch wurden sowohl Individualismus als auch Kooperation als hoch eingestuft. Vielfach wurden von den Teilnehmer/ innen direkt beide Faktoren als hoch eingestuft, was damit keinen Widerspruch darstellt, sondern eine Koexistenz dieser beiden Gegensätze.

5.2  Einzelbefragungen der Expert/innen

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Abbildung 5.21   Einschätzungen der Arbeitsatmosphäre beim Treffen von Managemententscheidungen. (Eigene Darstellung)

Die Einschätzungen hinsichtlich des Abwechslungsreichtums im Entscheidungsprozess zeigen, dass auch hier die meisten Einschätzungen auf das Mittelfeld deuten. Dementsprechend liegt der Mittelwert aller Abwechslungsitems bei 6.2. Lediglich die Abwechslung zwischen verschiedenen Projekten und Projektteilen wurde als eher hoch angegeben (Abbildung 5.22).

300

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Abbildung 5.22    Einschätzungen des Abwechslungsreichtums Managemententscheidungen. (Eigene Darstellung)

beim

Treffen

von

Diese Werte ergaben sich daraus, dass zwar viele Teilnehmer/innen die Abwechslung als hoch angaben, aber auch einige diese sehr niedrig bewerteten. Es deutet also alles darauf hin, dass in der Praxis die Ausprägungen des Abwechslungsreichtums in beiden Varianten vorkommen. Als mittelmäßig werden die genannten Abwechslungsausprägungen nur selten eingestuft. Die Einschätzungen hinsichtlich des persönlichen Bezugs zeigen, dass dieser als besonders hoch wahrgenommen wird. Der Mittelwert beträgt 7,2 und nur in sehr wenigen Fällen wurden Ausprägungen des persönlichen Bezugs als gering eingestuft. Besonders häufig als hoch eingestuft wurden die Faktoren persönliche Erfahrungen, persönliches Interesse, Sinnhaftigkeit des Themas und intrinsische Motivation (Abbildung 5.23). Es deutet also einiges darauf hin, dass es sich bei intuitiven Managemententscheidungen um einen sehr persönlichen Prozess handelt. Die persönlichen Faktoren dienen als Motivation hinter den intuitiven Entscheidungen und bringen wichtige Informationen für den Entscheidungsprozess mit sich. Von daher sind diese hohen Werte für alles Persönliche sehr nachvollziehbar. Die Einschätzungen hinsichtlich der Arbeitsweise zeigen ein sehr gemischtes Bild. Der Mittelwert dieser Faktorengruppe ist mit 7.1 eher hoch. In den seltensten Fällen werden die Faktoren mit einem niedrigen Wert versehen, vielen Arbeitsweisefaktoren wird dafür aber ein mittlerer Wert zugeschrieben.

5.2  Einzelbefragungen der Expert/innen

301

Abbildung 5.23   Einschätzungen des persönlichen Bezugs zu den intuitiv getroffenen Managemententscheidungen. (Eigene Darstellung)

Insbesondere die Fähigkeit, mit Unstimmigkeiten umzugehen sowie Offenheit und Kooperation werden von vielen Teilnehmer/innen als hoch eingeschätzt. Es kann davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei um wichtige Arbeitsweisen beim Treffen intuitiver Managemententscheidungen handelt. Der Fokus liegt nach diesen Angaben sowohl auf dem Unternehmenserfolg als auch auf dem gesellschaftlichen Nutzen. Häufig wurden direkt auch beide Faktoren als besonders zutreffend angegeben. Damit könnte gemeint sein, dass Unternehmenserfolg mit gesellschaftlichem Nutzen einhergeht. Es scheint so, als hätten die Manager/innen das Gefühl, eine Entscheidung im Sinne einer Win-Win-Situation zu treffen oder aber es handelt sich um Unternehmen, deren Zweck es ist, einen gesellschaftlichen Nutzen zu schaffen. In diesem Fall wären Unternehmenserfolg und gesellschaftlicher Nutzen identisch. In jedem Fall wirft diese gleichzeitige Nennung die Frage auf, in welchem Umfang am Ende wirklich ein gesellschaftlicher Nutzen entstand oder ob an dieser Stelle evtl. sozial erwünscht geantwortet wurde. Andere konträre Positionen wurden weniger widersprüchlich bewertet. So wurde Kooperation i.d.R. höher bewertet als Individualität und die Achtsamkeit eher als nach außen gerichtet beschrieben, als nach innen. Von vielen Teilnehmer/ innen wurde die Achtsamkeit für die emotionalen Befindlichkeiten, Bedürfnisse und Stimmungen der Umgebung als ein wichtiger bzw. sogar sehr wichtiger Faktor genannt. Auch der Punkt Vertrauen wurde von vielen Teilnehmer/innen als wichtig eingestuft (Abbildung 5.24).

302

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Abbildung 5.24   Einschätzungen der Arbeitsweise während intuitiver Managemententscheidungen. (Eigene Darstellung)

Die als wichtig eingestuften Faktoren Offenheit, Kooperation und nach außen gerichtete Achtsamkeit verbindet die Informationskomponente. Alle genannten Faktoren bieten die Möglichkeit, Information aufzunehmen. Hinzu kommt die Fähigkeit, mit Unstimmigkeiten umzugehen, was hinsichtlich der Teils widersprüchlich wirkender Einschätzungen äußerst sinnvoll wirkt.

5.2  Einzelbefragungen der Expert/innen

303

Die Einschätzungen, wie sinnvoll und akzeptiert Intuition als Entscheidungsgrundlage ist, zeigen, dass die Intuition von den meisten Teilnehmer/innen als durchaus sinnvolle Entscheidungsgrundlage angesehen wird. Auch wird die eigene Intuition als ziemlich zutreffend eingestuft. Der Mittelwert dieser beiden Faktoren liegt bei 7.3. Die Komponenten ‘zutreffend’ und ‘sinnvoll’ gehen miteinander einher und werden von den Teilnehmer/innen häufig gleichzeitig genannt. Teilnehmer/innen, welche die Intuition als sinnvoll einstufen, geben auch ein hohes Vertrauen ins eigene Unterbewusstsein und einen persönlichen Bezug zur getroffenen Entscheidung an. Dies unterstützt die im Forschungsprozess aufkommende These, dass Vertrauen einen wichtigen Einflussfaktor bildet. Mit der Vertrauensthese geht eine Konstellation, bestehend aus vorbereitetem Geist und der Einschätzung, dass Intuition prinzipiell sinnvoll ist sowie der Einstellung, dass Intuition zutreffend sein wird, einher. Auch diese Vermutung wird durch die Selbsteinschätzungen bestärkt (Abbildung 5.25).

Abbildung 5.25   Einschätzungen wie sinnvoll und zutreffend die Intuition beim Treffen von Managemententscheidungen ist. (Eigene Darstellung)

Die Akzeptanz der Intuition wird wesentlich geringer eingestuft. Hier liegt der Mittelwert lediglich bei 6.6. Die Einschätzung der Akzeptanz der Intuition in der Kindheit und Jugend geht nicht unbedingt mit der Einschätzung für Sinnhaftigkeit oder Zuverlässigkeit einher. Ungeachtet dessen, ob in der Kindheit die Intuition akzeptiert oder nicht akzeptiert war, wird die Intuition als sinnvoll und zutreffend angegeben. Insgesamt gibt es zu diesem Punkt auch zu wenig relevante Angaben, um eine Konstellation zu erkennen (Abbildung 5.26).

304

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Abbildung 5.26    Einschätzungen scheidungen. (Eigene Darstellung)

über

die Akzeptanz

intuitiver

Managementent-

Die Akzeptanz für Intuition als Entscheidungsgrundlage wurde als höher eingestuft als dies die in der Literatur105 zum Thema ausgedrückte Skepsis gegenüber Intuition in Managemententscheidungen erwarten lässt. Hohe Akzeptanz im gegenwärtigen Umfeld geht auch damit einher, die Intuition als sinnvoll einzuschätzen. Über diese Angaben hinaus wurden 49 weitere Einflussfaktoren genannt. Diese sind hier thematisch zusammengefasst dargestellt. Bei diesen lockeren Bündeln handelt es sich nicht um trennscharfe Dimensionen, sondern es existieren Überschneidungen, bspw. zwischen Ausdauer und Veränderung oder Informationen und Zeit. Genannte Faktoren ließen sich je nach Betrachtungsweise also mehreren Themen zuordnen. Häufiger genannte Faktoren wurden entsprechend größer dargestellt (Abbildung 5.27).

105Siehe

u. a. Gigerenzer / Gaissmaier (2015).

5.2  Einzelbefragungen der Expert/innen

305

Abbildung 5.27   thematische Bündel genannter Einflussfaktoren. (Eigene Darstellung)

Am häufigsten (12 Mal) wurden Faktoren genannt, die sich mit Informationen befassen (Erfahrung, Fachwissen, Sachkenntnisse oder umfassende Information zur Situation). Informationen sind allgemein wichtig, um Entscheidungen zu treffen. Eine Voraussetzung, um intuitiv zu sein, ist es, auf Erfahrungen zurückgreifen zu können. Auch Faktoren, welche die Sinnhaftigkeit oder den Nutzen der Entscheidung betreffen (Sinnhaftigkeit, Werte, Verantwortung, gesellschaftlicher Nutzen aber auch Nutzen fürs Unternehmen) wurden vielfach (6 Mal) genannt. Als Antrieb hinter der Entscheidung ist alles von Bedeutung, was Sinn stiftet. Allerdings führen alle Überlegungen zu Sinn und Sinnhaftigkeit dazu, zu hinterfragen, warum wir Menschen leben und was der Zweck der Menschen hier auf Erden ist. Ebenso häufig (6 Mal) wurden Faktoren der Zeit (Zukunftsvision, Ruhe, Schnelligkeit) genannt. Die Anbindung an die Zeit erfolgt durch eine Vorstellung der Zukunft oder bestimmte Geschwindigkeiten, in welcher die Zeit ausgefüllt wird. Ersteres könnte ebenfalls als Antrieb hinter der Entscheidung verstanden werden und Letzteres eher als Gestaltung der Umsetzung. Auch ‘Feeling’-Faktoren (Bauchgefühl, Emotionen, Menschenkenntnis) wurden (6 Mal) genannt. Diese Faktoren teilen die unbewusste Ebene mit der Intuition. Ähnlich häufig (5 Mal) wurden Faktoren des Vertrauens (Selbstbewusstsein, Selbstsicherheit, Mut, Vertrauen in die eigene Intuition) genannt. Dieses Vertrauen zielt hauptsächlich auf die eigenen inneren Fähigkeiten ab.

306

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Ebenfalls (5 Mal) wurden Faktoren genannt, welche auf eine gewisse Ausdauer hindeuten (Durchhaltevermögen, Fokus, Fehlertoleranz, Kritikfähigkeit). Es wird angegeben, dass für eine intuitive Managemententscheidung Durchhaltevermögen vonnöten ist. Aus Fehlern und Kritik ist zu lernen, ohne sich vom fokussierten Ziel abbringen zu lassen. Des Weiteren (3 Mal) wurden Faktoren der Veränderung (Offenheit, Veränderungsbereitschaft, Flexibilität) genannt. Bestandteile intuitiver Managemententscheidungen sind die Offenheit für alle Arten von Informationen sowie die Anpassungsfähigkeit an veränderliche Bedingungen. Auch die Faktoren der Legitimität (Akzeptanz, Legitimität) wurden im Hinblick auf das Treffen von erfolgreichen intuitiven Managemententscheidungen (3 Mal) genannt. Damit wird noch einmal bestätigt, dass die Akzeptanz seitens der Kooperationspartner/ innen für die Intuition in Managemententscheidungen eine Rolle spielt. Darüber hinaus erfolgten weitere Einzelnennungen (Kreativität, logische Entwicklungsketten, Austausch in Peer Group). Im Großen und Ganzen handelt es sich bei den genannten Faktoren um eben jene Einflussfaktoren, die auch in den vorherigen Kapiteln thematisiert wurden. Aus diesen gesammelten Daten sollen nun prototypische Faktorenkonstellationen herausgearbeitet werden. Hierzu wurden jene Faktoren, deren Einfluss von vielen Teilnehmer/innen als hoch eingeschätzt wurde, betrachtet und dann verglichen, mit welchen weiteren hoch eingeschätzten Faktoren diese einhergingen. Ebenso wurden die Faktoren auf besonders niedrige Einschätzungen hin betrachtet. Als Ergebnis entstand eine Übersicht, in der aufgeführt ist, welche als wichtig eingestufte Faktoren miteinander einhergehen. Diese Werte wurden auf die Summe aller hohen Einschätzungen bezogen, um die relevantesten Verbindungen herauszuarbeiten. Die umfassenden Listen mit allen Werten und Arbeitsschritten stehen im Anhang zum Nachvollziehen zur Verfügung. Da bestimmte Faktoren von vielen Teilnehmer/innen als besonders bedeutend eingestuft wurden, kamen diese Faktoren in mehreren Konstellationen vor. Aufgrund dieser parallel vorkommenden Faktorenverbindungen konnten fünf übergreifende prototypische Konstellationen situationeller und personaler Einflussfaktoren identifiziert werden: In der ersten Konstellation stehen Kommunikation und Interaktion im Fokus. Diese wurden prototypisch als persönlich und gleichzeitig direkt angegeben. In weiteren Verbindungen wurde in diesem Zusammenhang auch ein hoher Einfluss auf die Werte und das Arbeitsklima in der Arbeitssituation genannt. Personale Faktoren, die in diesem Zusammenhang als wichtig eingestuft wurden, sind Individualität in der persönlichen Arbeitsweise (Abbildung 5.28).

5.2  Einzelbefragungen der Expert/innen

307

Abbildung 5.28   prototypische Konstellation 1. (Eigene Darstellung)

In dieser Konstellation fallen auf den ersten Blick die Kommunikationswege des klassischen Managements (persönlich und direkt) ins Auge. Diese Kommunikationswege sind besonders geeignet, um im engeren Umfeld möglichst nachdrücklich und rasch zu kommunizieren. Es wird auf Umwege verzichtet, was eine Kommunikation auch unter Zeitdruck ermöglicht. Diese Art der Kommunikation wirkt daher stimmig für Managemententscheidungen. Auch die Kombination mit Individualität und dem Einfluss auf die Werte und das Arbeitsklima wirken passend zu dem Bild eines direkt kommunizierenden Managers. Die Art der Kommunikation ist frei und ohne technische Begrenzungen. Damit lässt sie mehr Raum für individuelle Noten. Auch Einflussfaktoren auf das Arbeitsklima, wie bspw. Wertschätzung, lassen sich durch direkt persönliche Kommunikation gut vermitteln. In der zweiten Konstellation sammelt sich eine große Gruppe personaler und situationeller Faktoren, die gleichzeitig als wichtig eingestuft wurden. Auf situationeller Seite sind dies ein hoher Einfluss auf die Werte und das Arbeitsklima im Entscheidungsprozess sowie eine Atmosphäre, in der Raum für Offenheit, Abweichungen und Spontaneität herrscht und die Möglichkeit gegeben ist, die eigene Individualität auszuleben. Die Kommunikation in dieser Konstellation erfolgt direkt und persönlich und die getroffenen Entscheidungen sind von hoher Tragweite geprägt, wobei Verantwortung für andere übernommen wird und der

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5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Fokus auf dem gesellschaftlichen Nutzen liegt. In den Faktoren ‘Sinnhaftigkeit des Themas’ und ‘Verantwortungsbewusstsein für andere’ liegt eine Überschneidung zu den personalen Faktoren. An weiteren personalen Faktoren wurde ein persönlicher Bezug in Form von ‘persönlichen Erfahrungen’, ‘persönlichem Interesse am Thema’ sowie ‘intrinsischer Motivation’ genannt. Ebenso wurden in dieser Konstellation eine ‘kooperative Haltung’, ‘Offenheit’ und eine ‘unkonventionelle Herangehensweise’ sowie die ‘Fähigkeit, mit Unstimmigkeiten und Zweifeln umzugehen’, als wichtig eingestuft. All dies ging einher mit dem Gefühl, dass es sinnvoll ist, Managemententscheidungen mithilfe von Intuition zu treffen (Abbildung 5.29).

Abbildung 5.29   prototypische Konstellation 2. (Eigene Darstellung)

Bei der zweiten prototypischen Konstellation handelt es sich um eine umfangreiche Gruppierung, in der die Faktoren gedanklich sehr gut zusammenpassen. Die Kommunikation wirkt – wie in den Ausführungen zur ersten Konstellation beschrieben – als stimmig. Auch das Zusammenspiel zwischen den Elementen ‘Fokus auf gesellschaftlichen Nutzen’, ‘Entscheidungen von hoher Tragweite mit Verantwortung für andere’, ‘Sinnhaftigkeit des Themas’, ‘Verantwortungsbewusstsein’ und ‘Kooperatio’ wirken sehr passend. All diese Faktoren spiegeln die Verantwortung wider, die mit der Entscheidung einhergeht und versehen die Entscheidung mit einem höheren Sinn. Dies könnte auch darauf wirken, wie sinnvoll die Intuition selbst wahrgenommen wird. Da aufgrund der Tragweite des Themas

5.2  Einzelbefragungen der Expert/innen

309

eine Stimmung der Sinnhaftigkeit vorliegt, überträgt sich diese evtl. auch auf den Gegenstand der eigenen Intuition. Auch dass sowohl auf situationeller als auch auf personaler Seite Raum für Offenheit, Abweichungen und Spontaneität bzw. eine offene und unkonventionelle Herangehensweise genannt wurde, wirkt stimmig. Lediglich die gleichzeitige Nennung von hoher persönlicher Kooperationsbereitschaft und der Wichtigkeit, die eigene Individualität ausleben zu können, wirkt etwas disparat. Evtl. lässt sich dies durch die hohe Einschätzung der Fähigkeit, mit Unstimmigkeiten umzugehen, erklären. Intuitive Managemententscheidungen bleiben ein Feld, in dem zahlreiche Widersprüche wirken. Die gleichzeitige Erwartung von Individualität und Kooperation könnte so ein Widerspruch sein. Die dritte Konstellation zeichnet sich auf der situationellen Seite durch eine gewisse Fürsorge für Dritte aus. So wurden ‘Entscheidungen von hoher Tragweite’, ‘Verantwortung für andere’, eine besondere ‘Sinnhaftigkeit des Themas’ und der ‘Fokus auf gesellschaftlichem Nutzen’ als wichtig genannt. Hinzu kam die Möglichkeit, die Werte und das Arbeitsklima mitzugestalten. Auf personaler Seite wurden wieder ‘persönliche Erfahrungen’, ‘persönliches Interesse am Thema’ und ‘intrinsische Motivation’ genannt. Hinzu kamen neben der ‘Fähigkeit, mit Unstimmigkeiten und Zweifeln umzugehen’, auch noch ‘Kooperationsfähigkeit’, ‘Offenheit’ und eine ‘unkonventionelle Herangehensweise’. Die Achtsamkeit ist nach außen gerichtet, um die emotionalen Befindlichkeiten, Bedürfnisse und Stimmungen der Umgebung aufnehmen zu können (Abbildung 5.30).

Abbildung 5.30   prototypische Konstellation 3. (Eigene Darstellung)

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5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Die dritte Konstellation beinhaltet einen starken persönlichen Bezug (‘persönliche Erfahrungen’, ‘Interesse am Thema’, ‘intrinsische Motivation’). Dieser geht einher mit Komponenten der Verantwortung (‘Entscheidungen von hoher Tragweite’, ‘Sinnhaftigkeit des Themas’, ‘Fokus auf gesellschaftlichem Nutzen’) und Elementen der Offenheit (‘Offenheit für unkonventionelle Herangehensweise’, ‘Einfluss auf Werte’ und ‘Arbeitsklima’). Das Zusammenspiel dieser drei Blöcke wirkt passend auf die Anforderungen intuitiver Managemententscheidungen. Um den Anspruch der Verantwortungskomponenten aushalten zu können, kann es hilfreich sein, sich auf die intrinsische Motivation und Sinnhaftigkeit des Vorhabens zu berufen. Die persönliche Erfahrung sorgt gemeinsam mit der Offenheit für die nötige Informationsversorgung. Darüber hinaus kann die intuitive Entscheidung dank der ‘Offenheit’ Gestalt annehmen. Hinzu kommt eine ‘nach außen gerichtete Achtsamkeit’ sowie die ‘Fähigkeit, mit Unstimmigkeiten und Widersprüchen’ umzugehen. Vermutlich werden durch die nach außen gerichtete Achtsamkeit in der Außenwelt neben den für die intuitive Managemententscheidung nötigen Informationen auch jede Menge Widersprüche und Unstimmigkeiten erkannt, mit denen es umzugehen gilt (Abbildung 5.31).

Abbildung 5.31   prototypische Konstellation 4. (Eigene Darstellung)

Die Faktoren der vierten Konstellation befinden sich hauptsächlich auf der personalen Seite. Hier wurden eine ‘systematisierte Herangehensweise’ gleichzeitig mit ‘persönlichen Erfahrungen’ und der ‘Sinnhaftigkeit des Themas’ als wichtige Einflussfaktoren benannt. Die ‘Sinnhaftigkeit des Themas’ ­ entsteht

5.2  Einzelbefragungen der Expert/innen

311

zwar auf der personalen Seite, die Voraussetzungen hierfür sind aber auf der situationellen Seite zu finden, von daher ist dieser Faktor als Verbindung zwischen den beiden Faktorentypen anzusehen. Die vierte Konstellation bildet sich um den Faktor der systematisierten Herangehensweise. Auch wenn die Relevanz jedes einzelnen Faktors sehr nachvollziehbar ist, handelt es sich hierbei um drei Faktoren, deren Verbindung auf den ersten Blick nicht deutlich wird. ‘Sinnhaftigkeit’ und ‘Erfahrungen’ ist gemein, dass in beiden Fällen auf Informationen im Inneren des Individuums zugegriffen wird und beide auch eine wertende bzw. moralische Ebene aufweisen können. Die ‘systematisierte Arbeitsweise’ könnte hierzu als Ausgleich vorliegen, bspw. um diffuse Erfahrungen und Sinnzusammenhänge zu ordnen. Die fünfte Konstellation befasst sich mit der vielfach als wichtig genannten ‘Fähigkeit, mit Unstimmigkeiten und Zweifeln umzugehen’. Dieser personale Faktor geht in den Einschätzungen einher mit ‘persönlichen Erfahrungen’, ‘einem persönlichen Interesse am Thema’ und ‘intrinsischer Motivation’ sowie ‘einer kooperativen, offenen und unkonventionellen Herangehensweise’. Als situationelle Faktoren wurden ‘ein hoher Einfluss auf die Werte und das Arbeitsklima im Entscheidungsprozess’ sowie ein ‘Thema von Sinnhaftigkeit’ genannt (Abbildung 5.32).

Abbildung 5.32   prototypische Konstellation 5. (Eigene Darstellung)

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5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Die fünfte Konstellation rückt diese ‘Fähigkeit, mit Unstimmigkeiten und Zweifeln umzugehen’, noch einmal in den Fokus. Diese geht einher mit Komponenten des Nutzens (‘Sinnhaftigkeit’, ‘Kooperation’), persönlichem Bezug (‘persönliche Erfahrungen’, ‘Interesse am Thema’, ‘intrinsische Motivation’) und Elementen der Offenheit (‘Offenheit für unkonventionelle Herangehensweise’, ‘Einfluss auf Werte und Arbeitsklima’). All diese Elemente könnten dabei unterstützen, mit Unstimmigkeiten umzugehen. So entsteht durch Sinnhaftigkeit eine starke Motivation, trotz Widersprüchlichkeiten nicht aufzugeben. Durch Kooperation entsteht die Möglichkeit, eine andere Sichtweise einzunehmen, was wiederum Widersprüche aufzeigen kann. Die persönlichen Elemente hingegen bieten die Möglichkeit, diese Widersprüche einzuordnen und mit sich selbst abzugleichen und die Offenheit schafft die Möglichkeit, Widersprüche im Arbeitsalltag zu gestalten. Was können wir mitnehmen? • Es fanden Online-Befragung statt, in denen Manager/innen ihre Erfahrungen zum Thema Intuition in Managemententscheidungen schilderten. • In den erhobenen Daten wurden verschiedene prototypische Faktorenkonstellationen identifiziert. • Die inhaltlich wichtigsten Punkte, die genannt wurden, waren der persönliche Bezug zur Entscheidung sowie persönlicher Einfluss auf den Entscheidungsprozess

5.3 Forschungsmemos, Reflexion des Forschungsprozesses und kreatives Forschen Im Gegensatz zu den verschiedenen Formen der Expert/innenbefragungen wird in dieser Arbeit auch ein weiterer eher nichtlinearer Ansatz des Erkenntnisgewinns verfolgt. Hierbei handelt es sich um den fortwährenden Forschungsreflexionsprozess, welcher parallel zum kompletten Forschungsprozess verläuft. Während des gesamten Forschungsprozesses, von der Entwicklung der Forschungsfrage über die Literaturrecherche und Datenerhebung bis hin zur Ausformulierung der Ergebnisse, vollzieht sich nicht nur ein themenbezogener Verstehensprozess, sondern auch ein Entwicklungsprozess der eigenen Person im Forschungskontext. Dieser Entwicklung soll mittels prüfendem, vergleichendem Nachdenken über die eigenen geistigen Tätigkeiten nachgespürt werden, wovon sich weitere Erkenntnisse erhofft werden. Die Grundlage hierzu bildet eine ­Selbstbeobachtung

5.3  Forschungsmemos, Reflexion des Forschungsprozesses und ...

313

in Form von Forschungsmemos, in welchen das beobachtete eigene Verhalten sowie die eigenen Gedanken und Gefühle während des Forschungsprozesses aufgenommen wurden. Diese Selbstbeobachtung soll mittels einiger Reflexionsfragen überdacht werden. Auf diese Weise soll auch dem Einfluss des Beobachtungsvorgangs auf das Forschungsergebnis Rechnung getragen werden. Da davon ausgegangen wird, dass die Welt sich den Forscher/innen stets so zeigt, wie sie angefragt wird, sollen insbesondere die Art der Datenerhebung sowie die eigene Sichtweise auf die Dinge Berücksichtigung finden. Ebenso wichtig ist die Reflexion von Vorannahmen bzw. Grundannahmen. Diese können aus wissenschaftlichen Theorien abgeleitet oder eher alltagstheoretischer Natur sein, in jedem Fall vermögen sie, die Perspektive der Forschenden zu verzerren. Auch die eigene Position im Forschungskontext, also die eigene Persönlichkeit bzw. die kulturell soziale Position in Bezug auf den Forschungsprozess, die Organisation und das Ergebnis (Hierarchielevel, Hautfarbe, Ethnie, Geschlecht etc.) soll dargelegt und transparent gemacht werden, da auch diese Faktoren einen Einfluss haben können. Darüber hinaus wird den folgenden Reflexionsfragen106 nachgegangen: • Welche Annahmen, Axiome, Grundsätze wirkten bei der Wahl des Forschungsthemas und der Konzeption der Arbeit? • Welches erkenntnisleitende Interesse lag bei der Durchführung der Forschung vor und wie könnte dies beeinflussend wirken? • Gibt es Vorgaben seitens der Forschungsorganisation, die beeinflussend wirken? • Welche Eigenschaften der Forscherpersönlichkeit könnten den Forschungsprozess (Datenerhebung, Datenanalyse) beeinflussen? Die Beantwortung der Reflexionsfragen erfolgt ohne empirische Evidenz, summarisch aus der eigenen Erfahrung heraus. Dennoch wird dem Reflexionsprozess im Zuge einer Forschungsarbeit eine hohe Sinnhaftigkeit, zunehmende Verwendungshäufigkeit und Erkenntniswert attestiert.107

106Siehe 107Vgl.

Jungmeister (2016). Jungmeister (2016), S. 84; Turner / Ingrisch (2007), S. 97.

314

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Somit kann davon ausgegangen werden, dass der Reflexionspart dazu beiträgt, durch den Forschungsprozess neue Erkenntnisse zu erlangen und die Ebene der bloßen Bestätigung von bereits implizit Gewusstem zu überschreiten. Auf den folgenden Seiten werden die einzelnen Phasen des Forschungsprozesses durchgegangen und die eigene Rolle in diesem anhand verschiedener Reflexionsfragen bewusstgemacht. Phase des Forschungsprozesses:  Bestimmung des Forschungsfelds Reflexionselemente:  Relevanz, Adäquatheit, Realitätsnähe, Praxisbezug Beschreibung der Situation:  Die Bestimmung des Forschungsfelds erfolgte Anfang Mai 2015. In einem ersten Sondierungsgespräch im Büro meines Doktorvaters wurden mögliche Themen der Doktorarbeit diskutiert. Zu den infrage kommenden Themen wurde anschließend eine erste Literaturrecherche durchgeführt. Einschätzung der Situation: Sinnvollerweise erfolgte die Bestimmung des Forschungsfeldes (Intuition im Kontext von Unternehmen mit Bezug zur Legitimation) zu Beginn des Forschungsprozesses. Trotz der relativ kurzen Zeitspanne, welche für die Eingrenzung des komplexen Themenfeldes aufgewandt wurde, stellte sich das Forschungsfeld als den ganzen Forschungsprozess hindurch konstant heraus und wurde nicht noch einmal angepasst. Der Einstieg ins Themenfeld erfolgte über die Abfrage, welche Themen von persönlichem Interesse sind. In meiner beruflichen Vergangenheit und während der Studienzeit spezialisierte ich mich auf die beiden Themenfelder Vertrauensforschung und Kreativitätsforschung. Aufbauend auf meiner Beschäftigung mit dem Thema Kreativität während meiner Masterarbeit fiel die Wahl auf das Phänomen der Intuition. Intuition wurde dabei als Teil der Kreativität wahrgenommen und kreative und unbewusste Prozesse übten bereits in jener Zeit eine Faszination aus. Darüber hinaus nimmt der kreative Schaffensprozess auch im Privaten einen hohen Stellenwert ein. Um im Forschungsfeld den seitens der Forschungsorganisation des Lehrstuhls gefordert betriebswirtschaftlichen Bezug herzustellen, wurde das Intuitionsphänomen in den Unternehmenskontext eingebettet. Als ein erkenntnisleitendes Interesse, sowohl von persönlicher als auch von institutioneller Seite des Lehrstuhls, kann das Handlungsprinzip Nachhaltigkeit genannt werden. Das Forschungsfeld wurde also so gewählt, dass sich ein Bezug zur Nachhaltigkeit herstellen lässt. Dieser Bezug wurde u.a. mit der Annahme hergestellt, mit der Intuition die herrschenden Rahmenbedingungen (hohe Anforderungen, Optionenvielfalt, Leistungsdruck und Wettbewerb, Entfremdungstendenzen) für die Mitarbeiter/innen von Unternehmen

5.3  Forschungsmemos, Reflexion des Forschungsprozesses und ...

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zu verbessern. Die komplexitätsreduzierende Wirkung der Intuition soll helfen, diese negativen Bedingungen abzumildern und die zunehmende Erschöpfung bei Mitarbeiter/innen zu vermeiden. Hier spielen auch zwei Annahmen hinein, welche sich aus den Erfahrungen erster wissenschaftlicher Auseinandersetzungen mit dem Thema (Ergebnisse aus der Masterarbeit / Literaturüberblick zur Dissertation) ergaben. Zum einen handelt es sich um die Annahme, dass Arbeitsbedingungen einen Einfluss auf den kreativen Prozess haben. Zum anderen handelt es sich um die Annahme, dass die Intuition eine wichtige Rolle beim Treffen von Managemententscheidungen spielt. In der Erleichterung von Arbeitsbedingungen und der Entlastung von Unternehmen und gesellschaftlichen Systemen kann sowohl eine gesellschaftliche Relevanz als auch ein betriebswirtschaftlicher Nutzen gesehen werden. Diese liegen in der Kostenreduktion sowohl für Unternehmen als auch für Krankenkassen. Diese Einschätzungen basieren auf den Grundannahmen, dass die genannten Arbeitsbedingungen negativer Natur sind und dass die komplexitätsreduzierende Wirkung groß genug ist, um dieser Dynamik positiv entgegenzuwirken. Diese Annahme wird durch den persönlichen und soziokulturellen Bezug verstärkt. Diese gestalten sich derart, dass ich als Arbeitnehmer in der westlichen Industriegesellschaft in einer weitestgehend globalisierten und liberalisierten Arbeitswelt tätig bin und mich im täglichen Leben mit einem unbegrenzt wirkenden Informationsaufkommen konfrontiert finde. Hinzu kommt, dass jede Entscheidung für eine Option die Konsequenz nach sich zieht, die andere Optionen nicht wahrnehmen zu können und somit die Gefahr, dass sich unter den nicht gewählten Optionen eine noch bessere verbirgt. Dies lässt sich zu der Annahme zusammenfassen, dass die zur Verfügung stehende Zeit begrenzt ist, während die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten unbegrenzt sind. Übertragen auf Managementsituationen ergibt sich die Annahme, dass das Treffen von Managemententscheidungen mit zunehmender Optionenvielfalt schwieriger geworden ist. Der Wunsch nach Sicherheit und Orientierung in dieser Welt könnte eine Übertragung auf die komplexitätsreduzierende Wirkung der Intuition auslösen. Bei aller Verbindung zur Nachhaltigkeit ist auch im Hinterkopf zu behalten, dass das gesteigerte Interesse am Thema Intuition auch aufgrund der kapitalistischen Verwertungslogik zustande kommt, da diese versucht, die förderlichen Aspekte der Intuition nutzbar zu machen. Hinsichtlich der dritten Komponente des Forschungsfelds, der Legitimationsthematik existiert ebenfalls ein teils ambivalenter persönlicher Bezug. Einerseits fiel die Wahl auf die Legitimation als zu betrachtendes Prinzip aufgrund der thematischen Nähe zum Thema Vertrauen. In erster Linie besteht aber auch ein persönliches Interesse darin, mit der vorliegenden Forschung über die Intuition aufzuklären und den

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5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Weg zu bereiten für die positiven Effekte der Intuition zugunsten einer nachhaltigeren Entscheidungsweise. Mit dieser Intention im Hinterkopf wurde bei jedem Schritt umso mehr auf eine wissenschaftlich neutrale Haltung geachtet und darauf, den Nutzen der Intention nicht zu überhöhen und undifferenziert die Freigabe der Legitimation für die Intuition einzufordern. Ein weiterer ambivalenter Punkt, welcher sich an diese Stelle einfügen könnte, stellt die Legitimation intuitivem Führungsverhaltens dar. Wie eingangs beschrieben, vollzog sich eine Verschiebung im Verständnis von guter Mitarbeiter/innenführung hin von Hardskills zu Softskills. Persönlich vertrete ich eine ambivalente Meinung hierzu. Selbstverständlich wünsche ich mir Führungskräfte, die über emotionale Intelligenz, Einfühlungsvermögen, Sensibilität und/ oder Empathiefähigkeit verfügen und intuitiv wissen, wie zu führen ist. Auf der anderen Seite erfüllt es mich aber auch mit großer Sorge, in den Führungspositionen lediglich charismatische Menschen ohne Fachexpertise vorzufinden. Auch wenn ein wenig mehr Legitimation zugunsten einer angenehmeren Arbeitswelt durchaus wünschenswert ist, so erschwert die Furcht vor den schädlichen Auswirkungen willkürlicher Entscheidungen ein komplettes Einlassen auf die Macht der Intuition. Phase des Forschungsprozesses:  Formulierung der Forschungsfrage Reflexionselemente:  Adäquatheit, Alternativen, Innovation Beschreibung der Situation: Die Forschungsfrage kristallisierte sich nach Sichtung der Literatur heraus und wurde mit zunehmend tieferem Eintauchen in das Thema nachjustiert. Die konkrete Formulierung der Forschungsfrage war ein iterativer Prozess, in welchem mehrere Feedbackschleifen stattfanden. Rückkopplungen vollzogen sich während der Sichtung des Standes der Forschung (Juni 2015 bis Juli 2016), nach Feedbackgesprächen mit dem Doktorvater (September 2015 und Februar 2016) und nach einer Systemaufstellung zur Themensondierung (Februar 2016). Einschätzung der Situation: Da hinsichtlich der Forschungsfrage keine Vorgaben seitens der Forschungseinrichtung gemacht wurden, herrschte weitestgehend Freiheit bei der Formulierung der Forschungsfrage. Aus persönlichem forscherischen Interesse entstand der Wunsch, das Legitimationsproblem intuitiver Entscheidungen besser zu verstehen. Nach eingängiger Recherche hierzu konnte die fehlende Erklärung dieses Problems als jene Lücke in der Forschung identifiziert werden, welche für die Forschungsarbeit benötigt wurde. Das Interesse an der Legitimationsproblematik begründet sich zum Teil auf der damit einhergehenden ­Widersprüchlichkeit. Es löst

5.3  Forschungsmemos, Reflexion des Forschungsprozesses und ...

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durchaus eine Faszination aus, wenn ein Verhalten von nahezu allen Beteiligten an den Tag gelegt wird, im Gegenzug aber von kaum einem der Beteiligten öffentlich legitimiert wird. Solcherlei Dynamiken außerhalb oder am Rande geltender Normen treffen einen gewissen Nerv, etwa vergleichbar mit dem Erfolg von True Crime Formaten. Es handelt sich um eine Problematik, welcher sich kein/e beteiligte/r Akteur/in entziehen kann, deren Mechanismen auf den ersten Blick einleuchtend wirken, wobei die Frage nach dem Warum doch äußerst schwierig zu beantworten ist. Aus diesem Interesse heraus sollte also das Legitimationsproblem in die Forschungsfrage mit einfließen und tut dies auch als forschungsleitendes Interesse. Ein anderes forschungsleitendes Interesse findet sich in den Einflussfaktoren, welche auf den intuitiven Entscheidungsprozess wirken. Der Fokus der Arbeit sollte auf den herrschenden Rahmenbedingungen (bspw. Arbeitsbedingungen) liegen, welche bei intuitiv getroffenen Managemententscheidungen vorliegen, da dieser Themenaspekt definitiv die größten Überschneidungen zu der alltäglichen Lebenswelt der meisten Menschen aufweist und hier die ergiebigsten Ergebnisse vermutet wurden. Weiterhin wichtig für die Entscheidung sich mit Einflussfaktoren auseinanderzusetzen war die bereits erwähnten Annahmen, dass Rahmenbedingungen einen Einfluss auf den kreativen / intuitiven Prozess haben. Aus meinem wissenschaftlichen Verständnis der differenziellen Psychologie heraus, folge ich bei der Ermittlung der Einflussfaktoren der Annahme, dass es keine generellen Faktoren gibt, welche alle Individuen in jeder Situation eine erfolgreiche intuitive Entscheidung treffen lassen. Vielmehr entsteht dies aus dem Zusammenspiel verschiedener variierender situationeller und personaler Faktoren. Ferner wird angenommen, dass bestimmte prototypische Konstellationen verschiedener Faktoren auftreten. Es existierte eine gewisse Unsicherheit ob diese prototypischen Konstellationen als Gelingensbedingungen bezeichnet werden können. Einerseits sollen per Definition jene Konstellationen bestimmt werden, welche in einem förderlichen Arbeits- und Geschäftsklima, in welchem konstruktiv mit der Intuition umgegangen wird, vorliegen. Andererseits stellte sich aber die Frage, in wieweit dies möglich und zielführend ist. So wurde bei tiefergehender Beschäftigung mit dem Thema (siehe nächster Reflexionspunkt) klar, dass es nicht möglich ist, die Intuition mit dem Verändern bestimmter Faktoren gelingen zu lassen, sondern lediglich wiedergegeben werden kann, welche Rahmenbedingungen beim Gelingen vorlagen. Eine Garantie für ein erneutes Gelingen kann hingegen nicht gegeben werden. Mit der Arbeit sollte eher ein Verständnis für die Mechanismen der Intuition im Managementkontext geschaffen werden und bestenfalls ein Gespür für den eigenen Umgang mit der Intuition vermittelt werden. Von daher musste die Forschungsfrage dementsprechend zugunsten der Formulierung des Möglichkeitsraums abgemildert werden. In diesem Möglichkeitsraum sind, wie der Name suggeriert, intuitive Managemententscheidungen der Möglichkeit nach

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5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

vorhanden. Auch wurde rasch klar, dass einige Faktoren im Möglichkeitsraum intuitiver Managemententscheidungen mit anderen Faktoren Spannungsfelder bilden. Diese Erkenntnis vollzog sich aufgrund des systemischen Backgrounds, welcher allen Mitwirkenden des Lehrstuhls vermittelt wurde. Dadurch sind wir bei der Betrachtung von Zusammenhängen besonders auf das Erkennen von systemischen Komponenten, wie bspw. Dilemmata oder Spannungsfelder, geprimed. Die relevanten Spannungsfelder ließen sich somit leicht aus der Analyse der vorliegenden Literatur zum Themengebiet ableiten. Somit lagen verschiedene Komponenten vor, welche nun miteinander zu einer schlüssigen und prägnanten Forschungsfrage zu verbinden waren: Welche differenziellen Einflußfaktoren existieren im Möglichkeitsraum intuitiver Management-entscheidungen?

Phase des Forschungsprozesses:  Orientierung im Forschungsprozess Reflexionselemente:  Adäquatheit, Eigenschaften von Einflussfaktoren und Spannungsfeldern Beschreibung der Situation: Nach einiger Beschäftigung mit dem Thema wurde im Februar 2016 zur weiteren Orientierung im Forschungsprozess eine Systemaufstellung durchgeführt. Einschätzung der Situation: Nachdem im Prozess der Literaturrecherche ein Überblick zum Stand der Forschung verschafft wurde und auch bereits einige Einflussfaktoren identifiziert wurden, stand eine erste Systemaufstellung zur weiteren Orientierung im Forschungsfeld an. Testweise wurden einigen Elementen jeweils einzelne Arbeitsbedingung zugewiesen, welche sie verkörpern sollten.

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Diese Elemente wurden dann zur intuitiven Managemententscheidung in Beziehung gestellt. Ziel war es, zu sehen, welche Arbeitsbedingungen sich so positionieren, dass eine erfolgreiche intuitive Managemententscheidung zustande kommt. Leider bildete sich kein solches, förderliches Bild heraus. Also wurden einige Arbeitsbedingungen miteinander in Verbindung gestellt, um zu diskutieren, welche Bedingungen möglicherweise zusammenwirken könnten. Vermeintlich zusammenpassende Faktoren wurden dann zu Clustern zusammengefasst und erneut mit der intuitiven Managemententscheidung in Beziehung gesetzt. Auch hier entstand kein eindeutiges Bild mit Konstellationen von Arbeitsbedingungen, welche möglicherweise das intuitive Treffen von Managemententscheidungen begünstigen könnte. Die gesamte Aufstellung bestand aus eher chaotischen Bewegungen, sodass kein stabiles Bild entstehen konnte. Zwischen den aufgestellten Elementen wurden kaum Beziehungen und Verbindungen wahrgenommen. Es schien so, als hinge nichts miteinander zusammen und als wäre kein Element oder keine Beziehung von Wichtigkeit. Während die meisten Elemente völlig uninteressiert und uninteressant wirkten, wurde das Element, welches als Arbeitsbedingung das inspirierende Arbeitsfeld darstellte vom System sogar aktiv abgelehnt. Ebenfalls wurde die Verantwortung als Prinzip in diesem System abgelehnt. Trotz der weitestgehenden Wirkungslosigkeit konnten aus den erzeugten Bildern einige thesenartige Erkenntnisse für den weiteren Forschungsprozess abgeleitet werden: 1. Die Intuition lässt sich nicht instrumentalisieren und der Erfolg des Unternehmens steht weiterhin im Vordergrund. Diese Aussage zeigte sich im Aufstellungsbild insgesamt durch die Ablehnung der einzelnen Arbeitsbedingungen, insbesondere aber durch die Ablehnung des inspirierenden Arbeitsumfelds. Das inspirierende Arbeitsumfeld steht sinnbildlich für den Versuch, die Intuition für den Unternehmenserfolg zu vereinnahmen. Dieser Versuch, innerhalb der strikten erfolgsorientierten Regeln eines Unternehmens, die Umgebung physikalisch so zu gestalten, dass Kreativität und Intuition entstehen können, klingt wenig erfolgversprechend. Meiner Meinung nach ist die Intuition ein freiheitsliebendes Phänomen, welches sich nicht durch die oberflächliche Gestaltung des Arbeitsumfelds einfangen lässt. Dies soll aber nicht bedeuten, dass die Intuition nicht mit einem inspirierenden Arbeitsumfeld einhergehen kann. Dieses Arbeitsumfeld schaffen sich kreativ-intuitive Menschen aber auf natürliche Weise selbst und bekommen es nicht vom Unternehmen bereitgestellt. Die Aussage, die Intuition lasse sich nicht instrumentalisieren, ist auch immer wieder in der Fachliteratur zu finden. 108 108Vgl.

Küpers (2015), S. 88.

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5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Darüber hinaus deckt sich diese Aussage aber auch mit meiner persönlichen Einstellung zu Arbeitsbedingungen und zur Frage danach, ob es Richtiges (gute Arbeitsbedingungen) im Falschen (streben nach Gewinnmaximierung als übergreifende Rahmenbedingungen) geben kann. Von daher ist meine Wahrnehmung stets besonders offen für Anzeichen, die darauf hindeuten, dass es sich bei der Intuition um eine jener letzten Erscheinungen handelt, welche sich nicht steuern oder kaufen lassen und darauf, dass sich die übergreifenden Rahmenbedingungen komplett ändern müssen, um die Intuition zugänglicher zu machen. 2. Situationelle Faktoren lassen sich nicht getrennt von personalen Faktoren betrachten. Auch diese Aussage wird der Wirkungslosigkeit der betrachteten situationellen Arbeitsbedingungen auf die Intuition entnommen. Als Erklärung hierfür könnte angegeben werden, dass der Eingebung zur intuitiven Erkenntnis ohne die Person der Bezug fehlt. Intuitive Entscheidungen können somit also nicht erfolgen. In realen Managemententscheidungen wirken stets auch personale Faktoren mit hinein. Diese Entscheidungen werden ja schließlich von Personen getroffen. Aber auch die personalen Faktoren lassen sich prinzipiell nicht isoliert betrachten. Vielmehr lässt sich die Intuition als ein Zusammenspiel von verschiedenen personalen und situationellen Faktoren begreifen. Von daher wurde aufgrund dieser Erkenntnis die Forschungsfrage noch einmal angepasst. Die prototypischen Konstellationen, welche ermittelt werden sollen, berücksichtigen beide Sorten von Einflussfaktoren. Persönlich bin ich aufgrund meiner differenziellen Prägung der Meinung, dass diese Sichtweise sehr sinnvoll ist. 3. Intuition und Legitimation sind keine Gegenpole. Bei der direkten Gegenüberstellung der Elemente Intuition und Legitimation entstand ein Bild, in welchem beide Elemente zwar keine Verbindung zueinander aufwiesen, die Elemente aber auch nicht, wie vermutet, komplett konträre Positionen einnahmen. Als Erklärungsansatz zu dieser Erkenntnis ließe sich anführen, dass sich kognitive Legitimation für Intuition nicht herstellen lässt, da sie nachvollziehbarer Rationalität bedarf. Dies ist bei nicht nachvollziehbaren Vorgängen aber unmöglich. Es wird also eine andere Art der Legitimation benötigt oder es müsste etwas zwischengeschaltet werden, was nachvollziehbar ist, bspw. eine Erzählung oder Bildsprache. Diese Überlegungen flossen dann auch in die weiteren Ausführungen dieser Arbeit mit ein.

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4. Es sind nicht einige wenigen wichtige Faktoren, welche den Großteil des Einflusses ausüben, sondern ein übergreifendes Zusammenspiel aller Faktoren. Diese Aussage ist eine Symbiose aus der ersten und zweiten Aussage. Aufbauend auf der zweiten Aussage wird postuliert, dass ein Zusammenspiel von situationellen und personalen Einflussfaktoren stattfindet, wenn intuitiv eine Managemententscheidung getroffen wird. Hinzu kommt die Komponente der Gewichtung. Ungeachtet, ob es sich um situationelle oder personale Faktoren handelt, so ist stets das Zusammenspiel der Faktoren ausschlaggebend und nicht die Wichtigkeit einzelner Faktoren. Es wird fortan davon ausgegangen, dass nicht aufgrund der Tragweite einzelner Faktoren andere Faktoren komplett vernachlässigt werden können. Mit Blick auf die erste Aussage kommt allein der Versuch, die Faktoren einzugrenzen, einem Instrumentalisierungsversuch gleich. Diese Erkenntnisse flossen ins Forschungsdesign in der Form ein, dass für die späteren Aufstellungen ein Ansatz gewählt wurde, bei dem nicht versucht wurde, bestimmte Einflussfaktoren nach Wichtigkeit zu bewerten oder aus allen möglichen Einflussfaktoren eine Konstellation abzuleiten. Vielmehr wurde sich bei den nachfolgenden Aufstellungen auf die Spannungsfelder konzentriert und versucht, die prototypischen Konstellationen der Einflussfaktoren nicht direkt als System abzubilden, sondern von den Expert/innen zu erfragen, welche Managemententscheidungen treffen. 5. Intuition wird schwieriger und weniger Legitim, sobald ein Beitrag an den Kollektivzielen zu leisten ist. Diese Aussage ergab sich aus dem Bild der Gegenüberstellung des Intuitionselements mit dem Element der Arbeitsbedingung kollektiver Zielsetzung. Diese Kollektivziele schienen die Intuition auszubremsen. Da Kollektivziele im Gegensatz zu persönlichen Zielen mit einer Verantwortung gegenüber Dritten einhergehen, kam also der Gedanke auf, dass eben jene Verantwortungskomponente die Intuition einschränken könnte. In meiner persönlichen Erfahrung und auch in zahlreichen bekannten Erzählungen über berühmte Intuitionserlebnisse handelt es sich meist um Fragestellungen, zu denen die intuierenden Personen einen engen persönlichen Bezug hatten. Kollektive Zielsetzungen müssten eine andere Qualität aufweisen, da diese oft Aushandlungsprozessen oder Verteilungsproblemen gleichkommen. Für die weitere Gestaltung der Forschung ergab sich die Anforderung, die Verantwortung und die Zielebene stärker zu berücksichtigen. Mit diesen Informationen im Hinterkopf wurde im Nachhinein ein Spannungsfeld identifiziert, in welchem die Verantwortung eine Rolle spielt und auch die Intention hinter den Entscheidungen

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berücksichtigt. In diesem Zusammenhang kam auch ein Interesse an der Rolle der Person im großen Ganzen auf. Mir persönlich stellte sich u.a. die ethische Frage, ob Menschen, die in Unternehmen tätig sind, welche die Welt offensichtlich zu einem schlechteren Ort machen (wie bspw. Unternehmen, die Rüstungsgüter oder Tabakwaren herstellen), den gleichen Zugang zur Kreativität und Intuition haben wie Künstler/innen oder Wissenschaftler/innen, die versuchen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Als überzeugter Pazifist wirkte es auf mich befremdlich, dass die Entwicklung von Produkten, die Menschenleben gefährden, ebenso ein persönliches Ziel sein kann, wie die Entwicklung eines Impfstoffes, welcher viele Menschenleben retten kann. Ebenso befremdlich wirkte es auf mich, dass beide Ziele in gleichem Maße der persönlichen Intuition zugänglich sein sollen. Aus diesem Grund wurde die Ebene der Intention ins Forschungsdesign eingeführt. 6. Das Phänomen der Intuition kann als Forschungsthema nicht losgelöst von der eigenen Intuition betrachtet werden. Unmittelbar nach dieser ersten sehr chaotischen und uneindeutigen Systemaufstellung fühlte sich mein Bewusstsein leer an und ich konnte überhaupt keine Zusammenhänge erkennen. Bereits am nächsten Morgen aber waren für mich die Zusammenhänge, wie sie in den Aussagen 1 bis 6 beschrieben sind, erkennbar. Es stellte sich ein intuitionsartiges Gefühl ein, welches handlungsleitend genug war, um diese Aussagen aufzuschreiben und später auch mit anderen Menschen zu diskutieren. Begleitet wurde dieses Gefühl von einer nicht formulierbaren aber doch deutlichen Vorstellung des Gesamtzusammenhangs des Intuitionsphänomens in Managemententscheidungen. Die Beobachtung der eigenen Intuition während des Forschungsprozesses und auch außerhalb des Forschungsprozesses erschien mir als wichtiger Bestandteil, um dieses Phänomen besser verstehen zu können. Diese Betrachtung der eigenen Intuition soll im nächsten Reflexionspunkt erfolgen. Alle hier genannten Erkenntnisse flossen in das weitere Vorgehen im Forschungsprozess ein und wurden teilweise auch auf die Forschungsfrage zurückgespiegelt (siehe vorherigen Punkt). Phase des Forschungsprozesses:  retrospektive Bewertung der eigenen Intuition Reflexionselemente:  Ablauf und Rahmenbedingungen eigener Intuitionsprozesse Beschreibung der Situation:  Betrachtet wurden verschiedene Situationen intuitiver Erkenntnis und intuitiv getroffener Entscheidungen während des Forschungsprozessen und in der Vergangenheit. Vom Kontext her betraf die Intuition sowohl

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private als auch dienstliche Projekte wie auch das Promotionsprojekt selbst. Da es sich tatsächlich nur um ein Nebenprodukt dieser Forschungsarbeit handelt, soll die beispielhafte Auswahl intuitiver Situationen auch nur ganz kurz umrissen werden: erste Situation mit intuitiven Tendenzen: frühmorgendliches Erwachen am Tag nach der ersten Aufstellung Zu dem bereits im vorherigen Punkt beschriebenen Setting der ersten Aufstellung kam eine Nacht mit sehr festem Schlaf hinzu und ein frühes Erwachen ohne äußere Einflüsse. Umgehend nach dem Aufwachen visualisierten sich vor meinem geistigen Auge die im vorherigen Punkt genannten Zusammenhänge und Erkenntnisse. zweite Situation mit intuitiven Tendenzen: frühmorgendliches Erwachen in einem Hotel in Berlin Nach einer Phase längerem Schreibens an verschiedenen Texten führte mich eine Dienstreise nach Berlin. Das Wochenende vor der Dienstreise verbrachten meine Frau und ich ebenfalls bereits in der Stadt, um alte Bekannte, die wir längere Zeit nicht gesehen hatten, zu treffen. Wir verbrachten den Abend in einem jener Stadtteile, in welchem ich bisher eher selten unterwegs war. Wir führten unterhaltsame Gespräche privater Natur bis spät in die Nacht und wieder erwachte ich nach tiefem Schlaf ohne äußere Einwirkung am frühen Morgen. Weitere direkte Rahmenbedingungen waren ein inspirierendes Umfeld des Hotelzimmers mit seichten visuellen Irritationen und zeitlicher Freiraum. In diesem Umfeld begannen die Ideen zu fließen und es erschienen mir Bilder und Textpassagen für verschiedene private Projekte, an denen ich zu dieser Zeit gerade werkelte. dritte Situation mit intuitiven Tendenzen: unvorhergesehener Spaziergang ins Büro Da ich am Vortag eine Mitfahrgelegenheit für den Heimweg aus dem Büro nutzte, befand sich mein Fahrrad noch an der Universität. Aus diesem Grund lief ich an diesem Morgen zu Fuß zur Bahnhaltestelle und weil es ein so schöner, sonniger Morgen war, direkt durch bis ins Büro. Hierdurch hatte ich erzwungenermaßen eine Stunde Ruhe und Zeit, in welcher ich nichts anderes machen konnte als zu gehen und nachzudenken. Die Umgebung wechselte nach 30 Minuten von innenstädtischer Architektur zu semi-natürlichen Parkanlagen. Allein mit meinen Gedanken kamen mir Eingebungen zu einer Videoproduktion, an welcher ich grade arbeitete. Einzelne Szenen, bspw. wie bestimmte Bestandteile darzustellen sind, erschienen sehr konkret vor meinem geistigen Auge.

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vierte Situation mit intuitiven Tendenzen: Sichtung eines Papers Nach Fertigstellung des Teils über den Stand der Forschung in dieser Arbeit leitete mir mein Doktorvater ein Paper weiter, welches neu veröffentlicht wurde. In diesem Paper wurde ebenfalls die Rolle der Intuition in strategischen Managemententscheidungen thematisiert. In dem Moment, in dem ich die Mail erhielt, trat die Gewissheit in mein Bewusstsein, alle Informationen bereits in meinem Stand der Forschung berücksichtigt zu haben. Selbstverständlich las ich den Artikel trotzdem und mit Freude stellte ich fest, dass es sich um einen sehr lesenswerten Artikel handelt und alle beschriebenen Sachverhalte bereits in meinem Stand der Forschung berücksichtigt wurden. Somit wurde aus der intuitiven Gewissheit eine evidenzbasierte Gewissheit. weitere Situation mit intuitiven Tendenzen: diverses Erwachen Sämtliche Situationen, in denen die intuitive Erkenntnis in den Minuten nach dem Aufwachen ins Bewusstsein trat, waren einigermaßen ähnlich aufgebaut. Häufig gingen Vorabende mit Veranstaltungen (bspw. Familientreffen) voraus, auf denen viele ungewöhnliche Gespräche geführt wurden oder ungewöhnliche Vorträge angehört wurden. Auch war es stets erholsamer, fester Schlaf und ein ruhiges Aufwachen ohne Fremdeinwirkungen. Die intuitive Erkenntnis trat ohne logisch abgeleiteten Denkprozess, meist in Form von Bildern oder auditiven Textpassagen, ins Bewusstsein, stets begleitet vom Erkennen eines größeren Zusammenhangs. Inhaltlich handelte es sich um bspw. um eine Idee, wie eine analoge Entwicklung in ein digitales Format umgesetzt werden kann, die Konzeption zu einer Veranstaltung an der Uni oder die Struktur eines Videobeitrags. Es kommt mir so vor, als könne die Intuition aufgrund eines winzigen bewussten Inputs und eines immensen unbewussten Inputs wie beim Schach viele Züge voraus denken. Die intuitive Erkenntnis kann dann wirken wie eine Nachricht aus der Zukunft. Einschätzung der Situation:  Die reflexive Einschätzung der erlebten intuitiven Momente soll anhand eines Abgleichs mit den intuitiven Kompetenzen nach Hänsel, Zeuch & Schweitzer (2002) erfolgen. Zukunftsgestaltung:  Tatsächlich richtet sich jede intuitive Erfahrung auf die Durchführung in der Zukunft liegender Tätigkeiten und dort insbesondere auf die Gestaltung verschiedener bis dato ungeklärter Formate. Konkret handelte es sich u. a. um Bilder, die ich zu verschiedenen Gelegenheiten an Freunde und Verwandte verschenken wollte, einen Videobeitrag, den ich

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für ein dienstliches Projekt zu gestalten hatte und Textpassagen, die ich ebenfalls für ein privates Projekt anfertigen wollte. In allen Situationen erschien mir die gestaltete Zukunft in Form kurzer Bilder der fertigen Produkte. Beziehungsgestaltung:  Als direkt beziehungsgestaltend kann die Intuition nicht beschrieben werden, allerdings waren viele gestaltete Medien nicht für mich gedacht, sondern als Geschenk für andere, wodurch die Beziehungsebene schon etwas mit hinein spielte. Förderung von Synergien: Diesen Punkt entdeckte ich am Rande des Gruppeninterpretationsprozesses. Für die Gruppendiskussion existierten zwar einige Regeln (insbesondere die impliziten Verhaltensregeln wertschätzender Kommunikation unseres Seminars) und ein vorgesehener Ablaufplan (bspw. wurden die Szenen in einer bestimmten Reihenfolge interpretiert), es wurde aber der Intuition der Gruppe auch Freiraum gelassen. Möglicherweise entstand durch diese etwas offene Kombination aus planvoller Zusammenarbeit und spontaner Intuition ein Synergieeffekt besonderes ertragreicher Gruppendynamik. Sinn fürs Wesentliche: Es kam ein Punkt, an dem sich all die vielen komplizierten Einzelbestandteile zu einem zwar komplexen, aber für mich schlüssigen Gesamtbild zusammenfügten. Es stellte sich das Gefühl ein, dass mein Gesamtbild mit dem der anderen Wissenschaftler/innen, die sich mit dem Thema beschäftigten, auf gewisse Weise übereinstimmt. Problemlösung und Entscheidungsfindung: Nahezu alle intuitiven Eingebungen betrafen konkrete Probleme oder Teilprobleme und beinhalteten Entscheidungen darüber, wie die Problemlösung zu gestalten ist. Umgang mit Komplexität: Insbesondere die intuitive Erscheinung eines schlüssigen Gesamtbildes half im Umgang mit Komplexität. Dabei wurde Komplexität nicht direkt reduziert, sie blieb erhalten, wurde aber handhabbar. Auch die Gestaltungsaspekte drückten sich darin aus, dass Komplexität durch bestimmte Lösungen in gut verträglicher Form abgebildet wurde. Entwicklung neuer Ideen: In den meisten Fällen war die Intuition Teil eines schöpferischen Einfalls, welcher Ideen zur Gestaltung bevorstehender Projekte produzierte. Es handelte sich also hauptsächlich um Gestaltungsideen.

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Gespür für das richtige Timing:  Um die zeitliche Koordination ging es bei der erlebten Intuition eher selten. Lediglich in der Komponente des Sinns für das Wesentliche war die zeitliche Komponente darin enthalten, indem klar wurde, dass der Zeitpunkt erreicht war, an dem ausreichend Informationen aufgenommen wurden und die Vorbereitung des Geistes abgeschlossen ist. In diesen Erlebnissen lassen sich einige wiederkehrende Ansätze erkennen, denen ähnliche Prinzipien zugrunde liegen: 1. Chaos und Irritation (Musterbrüche) können im Nachhinein Quellen des Erkenntnisgewinns sein. Dies kann bspw. dann der Fall sein, wenn ein beobachteter Realitätsabschnitt von dem eigenen mentalen Modell, also der Vorstellung, wie dieser Realitätsabschnitt gewöhnlicherweise ablaufen sollte, abweicht. Auf diese Weise kann nach Beendigung der chaotischen Situation die Inspiration zu einer neuen Sichtweise entstehen. Weitere Hintergrundinformationen zu der Wirkung von Musterbrüchen kamen bereits bei der Interpretation der Gruppendiskussion auf. 2. Ortswechsel können Quellen des Erkenntnisgewinns sein. Dieser Ansatz ist eng mit dem Irritations-Ansatz verwandt und beruht ebenfalls auf Musterbrüchen. Diese müssen nach dem Ortswechsel-Ansatz aber nicht zwingend irritierend oder chaotisch sein. Eine andere Umgebung kann ebenso gut ruhig und friedlich oder ereignislos sein, die Erkenntnis wird nach diesem Ansatz von der Andersartigkeit im Gegensatz zum Gewohnten getriggert. Der Ortswechsel kann die Intuition aber auch durch den Übergang von einer hektischen Phase in eine ruhige Phase locken, wie der nächste Punkt zeigt. 3. Halbwache Zustände können Quellen des Erkenntnisgewinns sein. Insbesondere die Übergänge vom Schlafzustand zum Wachbewusstsein können einen Zugang zur Intuition schaffen. Die Bedeutung des Schlafes wird auch dahingehend betont, dass Schlafmangel sich negativ auf die Impulskontrolle und allgemein auf die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, auswirkt.109 Ausreichend erholsamer Schlaf dürfte somit zur Verbesserung der Entscheidungsfindung beitragen. Darüber hinaus existiert ein expliziter Ansatz, die unbewussten Phasen des Schlafs direkt für das Treffen von Entscheidungen zu nutzen.

109Vgl.

McGonigal (2014), o. S.

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Nach diesen Überlegungen kann der Schlaf mittels konditionierter Gerüche, welche mit der Entscheidung verknüpft sind und während der Schlafphase auf die schlafende Person einwirken, aufgabenbezogen nutzbar gemacht werden.110 Diese Überlegungen werfen erneut die moralisch-ethische Frage auf, inwieweit es vertretbar ist, diesen letzten Rückzugsort und geschützten Raum des Individuums den Unternehmen bzw. der Wirtschaft zugänglich zu machen. Neben dem Übergang zwischen Schlafzustand und Wachbewusstsein lassen sich noch andere ähnliche Übergänge identifizieren. Bei diesen könnte es sich bspw. um die Übergänge zwischen Meditation und Wachbewusstsein sowie dem Übergang vom Zustand repräsentierender Wahrnehmung111 zum Wachbewusstsein oder die Phase des Übergangs vom kindgerechten Chaos in eine ruhigere, eher bewusstseinsorientierte Phase der Erwachsenenwelt handeln. Das Übergangsstadium zwischen Wach und Schlafen (nicht zwischen Schlafen und Wach) ähnelt dem meditativen Zustand.112 Die mit der Meditation oft einhergehenden Gefühle der Entkoppelung von Geist und Körper sowie der Zeit- und Grenzenlosigkeit können neurowissenschaftlich mit jenen bei Nahtoderfahrungen verglichen werden. Die Meditation ist im Grunde eine willentliche Veränderung des Bewusstseinszustandes mit allen den dazugehörigen Veränderungen im Gehirn (bspw. Absenken der Aktivitäten im Schläfenlappen und Amygdala, Sichtfeldverengung). In eindrucksvollen Laborexperimenten wurde gemessen, wie in der Kunst der Meditation versierte Proband/innen, willentlich die eigenen Hirnaktivitäten mittels Meditation, signifikant variierten.113 Beschrieben werden die meditativen Erlebnisse gesteigerten Bewusstseins als weit offen, klar, präsent und vorbereitet auf was immer kommen möge.114 Auf diese Weise kann das Bewusstsein durch Meditation zum Spiegel der Erkenntnis werden.

110Vgl.

Ritter (2012), S. 126. dieser Stelle soll noch einmal die Ähnlichkeit zwischen Intuition und repräsentierender Wahrnehmung hervorgehoben werden, da sich beide Phänomene in sehr ähnlichen Prinzipien äußern: In beiden Phänomenen kann nach einer bewussten Beschäftigung mit einem Thema und der unbewussten Aufnahme großer Informationsmengen plötzlich eine Erkenntnis ins Bewusstsein treten und in beiden Fällen kann diese Erkenntnis sich in Form körperlicher Reaktionen, bildhafter Sprache oder durch einen kurzen Satz äußern. 112Vgl. Gottwald (2015), S. 110. 113Siehe Jones (2018); Bodart et al. (2018). 114Vgl. ebd. 111An

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5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Diese Erkenntnisse lassen sich nun ebenfalls zu weiteren Thesen verdichten. Im Einzelnen handelt es sich um die Thesen, dass Musterbrüche eine Quelle der intuitiven Erkenntnis sein können, dass Ortswechsel nach der Vorbereitung des Geistes die intuitive Managemententscheidung begünstigen können, dass die Übergänge von verschiedenen Formen der Stille auf verschiedene Formen der Aktivierung die intuitive Managemententscheidung begünstigen können und dass die Übergänge von verschiedenen Formen der Aktivierung zu verschiedenen Formen der Stille die intuitive Managemententscheidung begünstigen können. Darüber hinaus flossen die Erkenntnisse des kreativen Forschens auch in die Expert/innenbefragungen mit ein. In jedem Fall werde ich nach Abschluss aller Datenanalysen den Selbsteinschätzungstest machen und sehen, wo ich mit meiner eigenen Intuition stehe. Phase des Forschungsprozesses:  Literaturrecherche Reflexionselemente:  Vollständigkeit und Relevanz existierender Literatur, Transparenz Beschreibung der Situation: Direkt nach dem ersten Gespräch zum geplanten Dissertationsthema begann ich mit der Literaturrecherche. Der Großteil dieser Recherche fiel in die Zeit von Juni 2015 bis Juli 2016. Ausgehend von der Literatur zur wirtschaftswissenschaftlichen Sichtweise auf das Intuitionsphänomen wurden im Stand der Forschung all jene Perspektiven der verschiedenen wissenschaftlichen Fachdisziplinen, welche sich mit dem Thema Intuition befassten, vereint. Einschätzung der Situation: Dieses Vorgehen erschien mir sehr sinnvoll, da es in dieses sehr komplexe und verwobene Thema eine Art linearer Ordnung zu bringen vermag. In Anbetracht der vielen nicht linearen Schauplätze im Forschungsprozess kam mir diese Insel der strukturellen Gradlinigkeit sehr gelegen. Außerdem wurde das Intuitionsthema von der Autorenschaft auf einem sehr breiten Spektrum bearbeitet. Die Auseinandersetzung mit dem Thema war inhaltlich ziemlich divers und erfolgte nicht immer direkt. In jeder einzelnen Fachdisziplin gab es manchmal nur wenig Autor/innen, welche sich mit dem Thema befassten, dafür aber unter grundverschiedenen und sehr spannenden Gesichtspunkten. Neben den Basisgrundlagen war es mir auch wichtig, Sichtweisen zur Intuition aufzunehmen, welche dem gegenwärtigen Zeitgeist entsprechen. Auch zum zentralen Punkt der Nachhaltigkeit wurde versucht, ein Bogen zu schlagen, da diese Aspekte für mich von besonderem Interesse sind. Phase des Forschungsprozesses:  Spannungsfelder

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Reflexionselemente:  Schlüssigkeit, wissenschaftliche Anschlussfähigkeit Beschreibung der Situation: Im Zuge der Literaturrecherche (Juni 2015 bis Juli 2016) identifizierte ich mehrere Spannungsfelder, in denen intuitive Managemententscheidungen getroffen wurden. Die inhaltliche Beschreibung der Spannungsfelder erfolgte im Anschluss. Einschätzung der Situation: Bereits bei den Überlegungen zur Forschungsfrage verbreitete sich die Ahnung, dass Spannungsfelder in dieser Arbeit eine zentrale Rolle einnehmen sollten. Ausschlaggebend für diesen Eindruck war die Auseinandersetzung mit der Legitimationsproblematik. Bei der Betrachtung der Dynamik des Problems zeigte sich eine Dilemmasituation, welche ich als Spannungsfeld auffasste. Mit zunehmender Auseinandersetzung mit der Literatur zum Themenbereich verstärkte sich der Wunsch, Spannungsfelder in meiner Arbeit zu betrachten und dementsprechend wurden nach weiteren Dilemmasituationen gesucht und es wurden mehrere identifiziert. Bei der Betrachtung der Spannungsfelder fiel auf, dass verschiedene Polen Verbindungen zu anderen Spannungsfeldern aufweisen und somit kam der Gedanke auf, diese zu Doppelspannungsfeldern, sogenannten Dilemmaquadrate zusammenzufassen. Meiner Meinung nach werden offene Fragen und unerforschte Flecken nahezu aller Themengebiete bei der Betrachtung der Spannungsfelder deutlich. Diese rührt daher, dass keine Handlung im kontextfreien Raum stattfindet und jeder Kontext meist auch mit Dilemmasituationen einhergeht. Insbesondere bei der Suche nach Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren, die zu diesem Kontext gehören, erscheint mir diese Herangehensweise sinnvoll. Beeinflusst wurde die Entscheidung für die Untersuchung von Spannungsfeldern durch meine systemische Sichtweise. Diese schult den Blick für Spannungsfelder, Dilemmata u. ä. sowie darüber hinaus passt dieses Vorgehen hervorragend in die systemische Lehrstuhlkonvention, in welche ich als Forschender involviert bin. Phase des Forschungsprozesses:  Einflussfaktoren Reflexionselemente:  Stimmigkeit, Ordnung, wissenschaftliche Anschlussfähigkeit Beschreibung der Situation: Die Identifizierung der Einflussfaktoren erfolgte im Zuge der Literaturrecherche (Juni 2015 bis Juli 2016). Im Anschluss daran wurden die erkannten Faktoren ausführlich beschrieben, thematisch geclustert, im Einzelnen in Beziehung gesetzt und hinsichtlich der Wirkrichtung bewertet.

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5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Einschätzung der Situation:  Da der Forschungsgegenstand die Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen während des intuitiven Managemententscheidungsprozesses beinhaltet, handelte es sich bei der Entscheidung dazu, die o.g. Schritte durchzuführen, um einen logischen Schritt. Dennoch wurde das Vorgehen von dem Wunsch begleitet, aus den zahlreichen Bestandteilen der komplexen Gemengelage ein geordnetes Bild zu formen. Insbesondere die Fertigstellung der visuell übersichtlichen Darstellung rief in mir das positive Gefühl hervor, der Durchdringung des Themengebietes einen entscheidenden Schritt näher gekommen zu sein. Die Beschäftigung mit den Einflussfaktoren zeigten mir aber auch persönliche Grenzen auf. So realisierte ich bspw., dass es auf Grund der Vielzahl der Faktoren nicht möglich sein wird, alle Faktoren in einer einzigen Systemaufstellung einzubeziehen. Offen blieb auch die Frage nach der Gewichtung der Faktoren, da die Situation zu komplex ist, um alle Wirkungen, Nebenwirkungen und Rückwirkungen abzubilden und somit die Einflussgröße einzelner Faktoren zu bestimmen. Herauszufinden, wie dieses Problem genannt wird und dass es sich um ein zentrales Problem einiger Wissenschaften handelt, stellte in diesem Zusammenhang die einzige Abmilderung dar. Bei der Betrachtung der Einflussfaktoren, insbesondere der Arbeitsbedingungen, wird auch noch einmal die Auseinandersetzung mit der eigenen Person nötig. Zum einen handelt es sich um Arbeitsbedingungen, welche ich persönlich für sinnvoll halte und welche ich auch persönlich gerne vorfinden würde. Zum anderen wird mir noch einmal schmerzlich bewusst, dass ich diese Forschungsarbeit aus der ‘white privilage’ Perspektive schreibe und die genannten Arbeitsbedingungen für die meisten Menschen der Welt vermutlich absoluten Luxus darstellen. Besonders die Menschen des globalen Südens haben unter viel existenzielleren Problemen zu leiden. Phase des Forschungsprozesses:  Methodenwahl Reflexionselemente:  Stimmigkeit, wissenschaftliche Anschlussfähigkeit Beschreibung der Situation: Die Entscheidung darüber, welche Methoden in dieser Arbeit zur Datenerhebung und Auswertung genutzt werden sollen, fiel im Laufe der Literaturrecherche und nach der Orientierungsaufstellung im Februar 2016. Einschätzung der Situation:  Bei der Wahl einer adäquaten Methode folgte ich der in meinem Bachelorstudium der Gesundheitsökonomie verinnerlichten Prämisse ‘form follows function’. In diesem Fall bedeutet dies, die Methode so zu

5.3  Forschungsmemos, Reflexion des Forschungsprozesses und ...

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wählen, dass sie zum Thema der Arbeit passt, sich mit den behandelten Inhalten verbinden lässt, die Rahmenbedingungen des Forschungsprozesses berücksichtigt und dabei optimal das Ziel der Forschungsarbeit verfolgt. Die relativ offen formulierte Forschungsfrage und der Wunsch, mit dieser Arbeit ein Ordnungsangebot für die komplexen Zusammenhänge intuitiver Managemententscheidungen zu schaffen, führte dazu, dass die Forschung im Entdeckungsmodus qualitativer Methoden erfolgte. In dieser Entscheidung bestärkte mich die deutlich höhere Vorerfahrung mit qualitativen Methoden gegenüber quantitativer Methoden sowie die am Lehrstuhl gebündelte Expertise zu diesen Methoden. Thematisch bringt es der nicht rational erklärbare Charakter der Intuition mit sich, eine qualitative Forschungsmethode zu wählen, welche ebenfalls im hohen Maße die Intuition berücksichtigt und zu Interpretationen anregt. Von daher fiel die Wahl auf die Methode der Systemaufstellung. Auch bei der konkreten Wahl dieser Methode spielten wieder meine eigenen Erfahrungen mit dieser Methode sowie die Forschungstradition des Lehrstuhls hinein. Insbesondere die Expertise meines Doktorvaters mit dieser Methode gab mir die nötige Sicherheit, um den Forschungsprozess in dieser Form durchführen zu können. Um die Leitfragen im Forschungsprozess sukzessiv zu beantworten und die subjektiven Wirklichkeiten der Akteure hinsichtlich der Spannungsfelder und der personalen und situationellen Bestandteile der Intuition abbilden zu können, war es mir äußerst wichtig, die Methode rund um die zentralen Figuren der Expert/ innen anzulegen. Meiner Meinung nach ist es bei Forschungsfragen stets zielführend, Expert/innen zu befragen, da nur diese direkt betroffenen Personen verlässliche Daten erzeugen können. Hiermit soll meinem Wunsch nachgekommen werden, die betriebliche Realität hinsichtlich der Intuition in Managemententscheidungen abzubilden. Die Einbeziehung von Expert/innen gibt zusätzliche Sicherheit in diesem sehr offenen und teilweise schwer greifbaren Themenkomplex. Hinzukommend wird der innovativen Methode der Systemaufstellung durch die etablierte Methode der Expert/ innenbefragung Anschlussfähigkeit verliehen an den wissenschaftlichen Mainstream. Phase des Forschungsprozesses:  Datenerhebung Reflexionselemente:  Qualität der Daten, wissenschaftliche Anschlussfähigkeit Beschreibung der Situation: Die Datenerhebung erfolgte hauptsächlich in den Systemaufstellungen im Januar 2017 und August 2017 sowie in den Einzelbefragungen zwischen August und Dezember 2018. Einschätzung der Situation In jedem Forschungsprozess beeinflussen sich die Forschenden und die Forschungsobjekte /-subjekte gegenseitig. Auch in den

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5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

d­urchgeführten Systemaufstellungen ist es möglich, dass die Beobachtung eine Wirkung auf die Repräsentantinnen hatte. Um diese möglichst gering zu halten, war weder den Repräsentant/innen noch dem Aufstellungsleiter bekannt, wer welches Element repräsentierte. Lediglich das Oberthema ‘Intuition in Managemententscheidungen’ und die Legitimationsproblematik war allen Beteiligten bekannt. Ansonsten verhielt ich mich während der Systemaufstellungen sehr zurückhaltend, um möglichst wenig Einfluss auszuüben. Des Weiteren wurden die Systemaufstellungen mit zwei Kameras und diversen Mikrophonen aufgezeichnet, um die Daten möglichst unverfälscht zu erheben. Im Rahmen der Datenerhebung mittels Einzelbefragungen wurde versucht, bei der Selbsteinschätzung möglichst neutral jene Kategorien abzufragen, welche bei der Auflistung der Einflussfaktoren Verwendung fanden und dazu Raum für weitere Faktoren zu geben. Dennoch hat diese Vorgabe zur Folge, dass die befragten Expert/innen nicht mehr komplett frei Daten liefern, sondern von den vorgegebenen Kategorien beeinflusst wurden. In jedem Fall hat die theoriegeleitete konzeptionelle Vorstrukturierung des Feldes (Ausarbeitung des Aufstellungsdesigns, Auswahl der Liste mit Einflussfaktoren zur Selbsteinschätzung) die Datenerhebung dahingehend beeinflusst, dass eben nur Daten aus diesen bestimmten Bereichen entstanden. Die mengenmäßige Einschätzung der Bestandteile durch die Selbsteinschätzung soll lediglich unterstützend erfolgen, um Übersichtlichkeit zu schaffen und evtl. zu neuen Ideen anzuregen. Es ist nicht das Ziel, mit diesen Daten bestimmte Zusammenhänge zu beweisen oder zu widerlegen. Hierzu wäre die Stichprobengröße auch nicht umfangreich und repräsentativ genug. Phase des Forschungsprozesses:  Aufbereitung der Daten Reflexionselemente:  Orientierung am Original, Nachvollziehbarkeit Beschreibung der Situation:  Die Aufbereitung der Daten erfolgte im Anschluss an die Systemaufstellungen in den Monaten Januar und Februar 2017 sowie von September 2017 bis Februar 2018. Die Rohdaten aus Video- und Tondateien wurden in einem ersten Interpretationsschritt zu strukturierten Nacherzählungen der Aufstellungen aufbereitet. Einschätzung der Situation In diesem ersten Interpretationsschritt wurde das umfangreiche Datenmaterial durch selektive Transkription und Paraphrasieren handhabbarer gemacht. Bei der Wortwahl orientierte ich mich zwar sehr an den Originaläußerungen der Repräsentant/innen, um die Veränderung der Daten minimal zu halten. Dennoch legte ich besonderes Augenmerk auf jene Passagen, in welchen

5.3  Forschungsmemos, Reflexion des Forschungsprozesses und ...

333

sich unvorhergesehene Brüche und widerspruchsgeladene Interaktionen ausdrückten. Hierdurch wurde das Datenmaterial in eine gewisse eher konflikthafte Richtung geleitet. Eher harmonische Elemente wurden dadurch weniger intensiv betrachtet. Die Entscheidung dafür, die Daten zur Interpretation in Form einer Nacherzählung im Videoformat bereitzustellen entwickelte sich aufgrund zweier wesentlicher Punkte. In erster Linie war es mir wichtig, die Interpretation der Daten nicht alleine ‘im stillen Kämmerlein’ durchzuführen, sondern gemeinsam mit einer Gruppe von Expert/innen. Als Gründe hierfür sind sicherlich die hohe wissenschaftliche Anschlussfähigkeit von Gruppendiskussionen sowie damit einhergehende kommunikative Absicherung zu nennen. In den Überlegungen, in welcher Form den Expert/innen die Daten zur Interpretation vorgelegt werden sollen, spielte der Wunsch hinein, eine der innovativen Methode der Systemaufstellungen angemessene, ebenso innovative Auswertungsmethode hinzuzufügen. Auch bin ich großer Freund von Visualisierungen und weiß aus meiner beruflichen Erfahrung sowie aus privaten Projekten um die Möglichkeiten, Material hoher Komplexität mit Videos anschaulich darzustellen. Der zweite wichtige Punkt überzeugte mich dahingehend, das Video als Nacherzählung zu gestalten. Nach einem dienstlichen Seminar zum Thema ‘Zukunft der Bildung für Nachhaltige Entwicklung’ analysierten wir gemeinsam verschiedene Erzählungen anhand eines Auswertungsrasters. Diesen Prozess empfand ich als derart überzeugend, dass ich direkt beschloss, dieses Tool in meine Forschungsarbeit zu integrieren. Im Vorfeld war ich längere Zeit auf der Suche nach einem passenden Rahmenmodell anhand dessen die Datenauswertung vollzogen werden kann. Von daher vermittelte mir diese Entdeckung zusätzliche Sicherheit. Die Aufbereitung der Daten der Selbsteinschätzung erfolgte nach den Prämissen, mit diesen Daten die Einschätzungen der Teilnehmer/ innen in einfacher Weise zu beschreiben, die relevantesten Verbindungen zu ermitteln und all diese Informationen auf übersichtliche Weise zu visualisieren. Phase des Forschungsprozesses:  Interpretation der Daten Reflexionselemente:  Setting, bereiteten Daten

Gruppendynamik,

Interpretierbarkeit

der

auf-

Beschreibung der Situation: Zur weiteren Interpretation wurde das Nacherzählungsvideo einer Expertengruppe vorgeführt. Szene für Szene wurden in einem Gruppendiskussionsverfahren Interpretationen für das Gesehene gesammelt und bewertet. Dies erfolgte sowohl in Form einer Präsenzveranstaltung als auch auf einer online Videoplattform in virtueller Form. Einschätzung der Situation: Mit der Gruppeninterpretation der aufbereiteten Daten sollte rekonstruiert werden, welche Mechanismen in den untersuchten

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5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Spannungsfeldern wirken. Die Interpretation gemeinsam mit einer Expert/innengruppe wurde zur Auswertung der Daten gewählt, da somit Raum gegeben wurde, um eine Vielzahl an Einschätzungen abzufragen, was die Chance einer plötzlichen weiterführenden Erkenntnis erhöht. Darüber hinaus strebte ich nach der Sicherheit und der Plausibilität, welche in der Gruppe durch die gegenseitige kommunikative Absicherung der Äußerungen erwachsen. Durch meine Rolle als Forschender sowie meine Persönlichkeit beeinflusste ich den Interpretationsvorgang an einigen Stellen mit. So wirkte ich bei der Zusammenstellung der Expert/innengruppen mit, indem ich einzelne Menschen, von denen ich wusste, dass sie sich thematisch mit äquivalenten Themen beschäftigen, bat, an der Gruppendiskussion teilzunehmen und auf die Online-Umgebung einlud. Auch die O ­ nline-Befragung zur Selbsteinschätzung wurde von Teilnehmer/innen durchgeführt, die zu einem bestimmten Netzwerk gehörten und erfolgte nicht zufällig. Darüber hinaus habe ich die Gruppendiskussionen moderiert und war auch als Erzähler im Video zu sehen. In all diesen Abläufen wirkte nicht nur meine Einschätzung der Expertise dieser Personen, sondern auch meine hohe persönliche Wertschätzung diesen Menschen gegenüber. Diskutiert wurden im Endeffekt fast ausschließlich die einzelnen von mir im Vorfeld aufbereiteten Szenen und weniger die übergreifende Gesamtgeschichte. Auch wurde das Augenmerk hauptsächlich auf spannungsgeladene Situationen gelegt. Wie sich herausstellte, wurde in der Diskussion viel Energie auf die unterschiedlichen Komponenten der Intentionen aufgewandt. Im Nachhinein betrachtet war diese Unterscheidung nach egoistisch, altruistisch und holistischer Intention für die Gruppendiskussion eher ablenkend und nicht so hilfreich. Es wurde sehr intensiv über die Abgrenzung diskutiert, wobei sich herausstellte, dass es sehr schwer ist, diese Abgrenzung vorzunehmen. Von der Aufteilung in PräsenzDiskussionen und Online-Diskussionen erhoffte ich mir, dass eher zurückhaltenden Teilnehmer/innen (wie mir selbst) in der schützenden Online-Atmosphäre verstärkt etwas beitragen, was in der Präsenzveranstaltung verschwiegen wurde. In Hinblick auf die Häufigkeit der Kommentare halten sich beide Formate aber die Waage. Bezüglich der Nachvollziehbarkeit der Nacherzählungen wurden diese von den Teilnehmer/innen als gutnachvollziehbar eingeschätzt, sodass es in diesem Prozess auch nicht zu Verwirrungen kam. Die Daten wirkten gut interpretierbar, sodass mit den Gruppendiskussionen eine Vielzahl neuer Daten aufgenommen wurden (wieder in Form von Video- und Tondateien), welche in einem nächsten Schritt also erneut ausgewertet werden konnten. Phase des Forschungsprozesses:  Aufbereitung der Ergebnisse Reflexionselemente:  Nachvollziehbarkeit der Thesen, Nachvollziehbarkeit der Beschreibung der Spannungsfelder

5.3  Forschungsmemos, Reflexion des Forschungsprozesses und ...

335

Beschreibung der Situation:  Datengrundlage der Ergebnisaufbereitung waren die Video- und Tonaufnahmen sowie die Transkripte und Kommentare der Gruppendiskussionen vom Februar 2017 und Februar 2018 plus jene Nacherzählungsvideos, die dort interpretiert wurden. Die Aufbereitung der Ergebnisse erfolgte in zwei Phasen. In der ersten Phase (März 2018 bis April 2018) wurden die Gruppendiskussionen transkribiert, die Aussagen und Online-Kommentare paraphrasiert und die Paraphrasen den einzelnen Szenen zugeordnet. In der zweiten Phase (Mai 2018) wurden Szene für Szene noch einmal im Video betrachtet und mit den verschiedenen Paraphrasen aus den Diskussionen in Beziehung gesetzt. Hieraus wurden dann Thesen gebildet, welche im Anschluss zu einer Theorie verdichtet wurde. Einschätzung der Situation: Die erste Phase stellte eine Leistung reiner Fleißarbeit dar und ich genoss es, zur Abwechslung anhand eines vorgegebenen Ablaufes Aufgaben einfach Stück für Stück abzuarbeiten. Hin und wieder kamen bei dieser ersten Sichtung des Materials aber auch bereits weiterführende Ideen auf, weshalb ich zu diesem Zweck an die umfangreiche Excel Tabelle mit Aussagen direkt eine Spalte für Kommentare anfügte, um diese dort direkt zu notieren. Für den zweiten Part quartierte ich mich für drei Tage in einem Raum in der Uni ein, um meine Notizen an einem Whiteboard zu arrangieren und Thesen abzuleiten. Diese dort erfahrene Ruhe nach der langen Beschäftigung mit dem Thema half mir, in mich zu gehen und die dort verborgenen Thesen ans Tageslicht zu bringen. Als Gründe für die Entscheidung, die Ergebnisse als Thesen aufzubereiten, sprachen der qualitative Charakter der in dieser Forschungsarbeit angewandten Forschungsmethoden und damit einhergehend die betrachtete ‘Fokus Group’. Darüber hinaus war es mein Wunsch, mit dieser Arbeit eine neue Sichtweise in die Welt zu bringen und dies kann durch das Generieren von Thesen wesentlich detaillierter erfolgen als durch das Überprüfen bestehender Hypothesen. Bei der Formulierung der Thesen habe ich mich von den Interpretationen leiten lassen, gleichzeitig bin ich aber auch meiner Neigung dazu, Sachverhalte zu visualisieren, nachgegangen und habe versucht, einen Bogen zu bekannten Ansatzpunkten zu schlagen. Insbesondere jene Thesen, welche mit Intentionsarten zu tun haben, wirken im ersten Moment erstmal widersprüchlich zueinander. Es soll aber verdeutlicht werden, dass beide Thesen sich bewahrheiten könnten und in der Welt gleichzeitig zwei völlig unterschiedliche Ausprägungen von Gesetzmäßigkeiten existieren. Die Integration der Inhalte der verschiedenen Thesen in einem zusammenhängenden Bezugsrahmen und die Visualisierung dieses in einem Übersichtsbild schufen bei mir das Gefühl von Übersichtlichkeit und Stimmigkeit. Sie sorgten abschließend noch einmal für ein tieferes Verständnis des Themenfeldes und der herrschenden Zusammenhänge, verbunden mit der Hoffnung, dieses Verständnis auch bei den Leser/innen aufkommen zu lassen.

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5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

Phase des Forschungsprozesses:  Diskussion der Ergebnisse Reflexionselemente:  Hintergründe, Folgen und Einschränkungen der Ergebnisse und Ausblick auf weitere Forschungsmaßnahmen Beschreibung der Situation:  Nachdem alle Ergebnisse formuliert und strukturiert sind, wurden diese noch einmal betrachtet und hinsichtlich der Hintergründe, Folgen und Einschränkungen und eines Ausblicks diskutiert. Einschätzung der Situation: Mit der Frage nach Ursachen, Hintergründen und Folgen der einzelnen Ergebnisse wirkt die Diskussion der Ergebnisse sehr ähnlich wie der Reflexionspart zur Interpretation der Daten und zur Aufbereitung der Ergebnisse. Somit wurde darauf geachtet, Redundanz möglichst gering zu halten, aber zu jedem Ergebnisteil Einschätzungen abzugeben. Bei der Diskussion der Ergebnisse kamen zwei wichtige übergeordnete Punkte zum Vorschein. Zum einen ist es wichtig, bei den Ergebnissen zwischen Korrelation mit Kausalität zu unterscheiden. Teilweise wird postuliert, dass bestimmte Faktoren gleichzeitig vorkommen und teilweise, dass bestimmte Faktoren bestimmte Effekte mit sich bringen. Zum anderen ist es wichtig, zu beachten, dass weite Teile der Ergebnisse Ansatzpunkte zur Gestaltung eines erfolgreichen intuitiven Entscheidungsprozesses mit sich bringen, während eigentlich jeder Versuch die Intuition zu instrumentalisieren zum Scheitern verurteilt sein sollte. Mit dieser Spannung gilt es, umzugehen. Phase des Forschungsprozesses:  retrospektive Einschätzung Reflexionselemente:  Stimmigkeit des Forschungsprozesses, Motivation Beschreibung der Situation:  Als Gesamtbild begleitete mich der Forschungsprozess und das Anfertigen dieser Dissertation über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren, von Mai 2015 bis April 2019. Dabei wurden folgende Phasen in iterativen Schleifen durchlaufen: • Bestimmung des Forschungsfelds • Formulierung der Forschungsfrage • Orientierung im Forschungsprozess • retrospektive Bewertung der eigenen Intuition • Literaturrecherche • Identifizierung der Spannungsfelder • Identifizierung der Einflussfaktoren

5.3  Forschungsmemos, Reflexion des Forschungsprozesses und ...

337

• Methodenwahl • Datenerhebung • Aufbereitung der Daten • Interpretation der Daten • Aufbereitung der Ergebnisse • Diskussion der Ergebnisse Einschätzung der Situation:  In den einzelnen Phasen gab es verschiedene Einsichten und Einschätzungen, die mich bewegten und motivierten: Bestimmung des Forschungsfelds:  Es herrschte von Anfang an großes Interesse am Forschungsfeld, begleitet von dem Gefühl, an einem bedeutenden Thema mitzuwirken sowie dem Gefühl, etwas Angefangenes fortzusetzen. Die Motivation war dabei anfangs hoch und pendelte sich dann mit zunehmender Konkretisierung auf mittlerem Niveau ein. Formulierung der Forschungsfrage: Die Formulierung der Forschungsfrage war ein Prozess fortlaufender Präzisierung. Anfangs war die Forschungsfrage eher weit gefasst, dann wurde sie zunehmend vereinfacht mit dem Ziel, die gewünschten Komponenten einzubeziehen, aber trotzdem die nötige Offenheit zu bewahren. Orientierung im Forschungsprozess: In dieser Phase ergab sich die Erkenntnis, dass es sich um ein extrem weites Forschungsfeld mit zahlreichen Wirkmechanismen handelt, in dem vieles nur schwer verbalisierbar ist. Einher ging diese Phase mit dem Gefühl, selbst Teil des Forschungsfeldes zu sein. Die Motivation zu Beginn dieser Phase war hoch. Es gab jedoch auch immer wieder Phasen geringer Motivation, insbesondere, wenn sich die Orientierung in zu hoher Komplexität verlor. Literaturrecherche:  In dieser Phase wurden viele in der Literatur beschriebene Komponenten in bisherigen Erfahrungen wiedererkannt. Es stellte sich ein Gefühl der Stimmigkeit, das große und ganze Gesamtbild erfasst zu haben, ein. Die Motivation bei dieser Recherche war nicht übermäßig hoch, da es sich um eine Aufgabe handelte, die sich durch langsames und stetiges Arbeiten auszeichnete. An einigen Punkten, die als besonders relevant empfunden wurden, stieg die Motivation punktuell an. Spannungsfelder:  Die Zusammenhänge des Forschungsfelds wurden in dieser Phase klarer. Die Spannungsfelder sowie die vielen darin wirkenden Mechanismen ließen sich durch logisches Nachdenken aus der Literatur ableiten, diese

338

5  Datenentstehung, Aufbereitung und Interpretation

lagen aber nicht explizit formuliert vor. Die Motivation war aufgrund des Interesses durchweg hoch. Einflussfaktoren:  Zahlreiche Einflussfaktoren werden in der Literatur genannt und viele ließen sich durch logisches Nachdenken ableiten und clustern. Begleitet wird dieser Prozess von der Erkenntnis, dass wir in Europa mit unseren Arbeitsbedingungen in einer ‘Seifenblase’ leben, während der Rest der Welt viel existentiellere Probleme hat. Die Motivation, Einflussfaktoren zu identifizieren, war durchweg hoch. Methodenwahl:  Die Expertise und die Forschungstradition des Lehrstuhls legte qualitative Forschungsmethoden, in denen Systemaufstellungen vorkommen, nahe. Bei der Ausgestaltung der konkreten Details der Forschung flossen eigene Präferenzen, verschiedene weitere Ansätze der Sozialforschung und Innovationswillen mit ein. Bis es an die konkrete Gestaltung der Methoden ging war die Motivation mittel und in der konkreten Gestaltung hoch. Datenerhebung:  Die Umsetzung der Methoden war eine Phase starker sozialer Interaktion sowie starkem Involvements. Die Motivation in dieser Phase war hoch, da sich viel entwickelte. Aufbereitung der Daten: Nach den vielen explorativen Phasen, in denen prinzipielle Offenheit herrschte und wichtige grundlegende Entscheidungen getroffen wurden, erfreute diese Phase damit, strukturiert abarbeiten zu können. Die Motivation zu diesem Schritt war erst hoch, da es sich um etwas Neues handelte, dann aber mittel, da der Prozess sich ziemlich lange hinzog. Interpretation der Daten:  Nach Abschluss der Gruppendiskussionen musste ein Plan für das weitere Vorgehen gefasst werden. Dabei halfen kleinere Zwischengespräche mit den Doktorand/innenkolleg/innen. Dieser Austausch brachte Absicherung durch Vernetzung und wirkte beruhigend. Die Motivation war aufgrund des Abwechslungsreichtums und der Interaktion hoch. Nach Abschluss der Gruppendiskussionen musste ein Plan für das weitere Vorgehen gefasst werden. Dabei halfen kleinere Zwischengespräche mit den Doktorand/innenkolleg/innen. Dieser Austausch brachte Absicherung durch Vernetzung und wirkte beruhigend. Die Motivation war aufgrund des Abwechslungsreichtums und der Interaktion hoch. retrospektive Bewertung der eigenen Intuition: Retrospektiv war die eigene Intuition schwer zu rekonstruieren und vor allem zu verbalisieren. Viele Details

5.1  Electronic supplementary material

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gehen verloren und vieles wirkt im Nachhinein nicht mehr so bedeutend. Die Motivation für diese geistige Archivarbeit war eher gering. Reflexion des Prozesses:  Es war oft schwer auszuhalten, dass der nächste Schritt oftmals nicht genau definiert war oder dass kein klares übergreifendes theoretisches Modell existierte, an welchem entlang gearbeitet wurde. Die Forschung vollzog sich sehr intuitiv und die einzelnen Schritte sowie die Ergebnisse entwickelten sich sehr organisch. Es fiel manchmal schwer, dies im Reflexionspart deutlich zu machen. Die Motivation für diesen ambivalenten Schritt war mittelmäßig. Aufbereitung der Ergebnisse: Für das Zusammenführen der Ergebnisse und deren strukturierte Aufbereitung waren sowohl die inhaltliche Ebene als auch die Form der Ergebnisse sowie deren Wechselwirkung zu berücksichtigen. Die Motivation, die Ergebnisse aufzuarbeiten und den Forschungsprozess langsam zum Abschluss zu bringen, war sehr hoch. Diskussion der Ergebnisse:  Einige Bestandteile wurden bereits in der Reflexionsphase oder in der Interpretation der Ergebnisse vorweggenommen. Um Redundanz zu vermeiden, wurde versucht, auch die Metaebene einzubeziehen. Die Motivation für diesen Schritt war weder besonders hoch noch überdurchschnittlich gering. Was können wir mitnehmen? • Der Forschungsprozess wurde von einer permanenten Reflexion und der Beobachtung der eigenen Intuition begleitet. • Die eigenen Erfahrungen aus Kreativitätsforschung und Vertrauensforschung wirkten auf den Erkenntnisprozess. • Die Forschungstradition des Lehrstuhls wirkte auf den Forschungsprozess. • Musterbrüche, Ortswechsel und halbwache Zustände wurden als weitere Einflussfaktoren identifiziert. • Hinsichtlich der Faktoren ist das übergreifende Zusammenspiel aller Faktoren zu betrachten. • Die Intuition lässt sich nicht für den Unternehmenserfolg instrumentalisieren. • Als Phänomen ist das Große und Ganze hinter der intuitiv getroffenen Managemententscheidung zu betrachten.

6

Ergebnisse des eigenen Forschungsprozesses zur Intuition in Managemententscheidungen

Mit dieser Etappe ist der Endpunkt der bewegten Forschungsreise erreicht. Die vorangegangenen Kapitel zeichneten den Erkenntnisprozess nach und bilden die Vielzahl der darin enthaltenen Informationen und Erkenntnisse ab. Um das ‘Neue’, welches im Laufe des Forschungsprozesses in die Welt gebracht wurde, einmal systematisch und prägnant darzustellen, sollen die relevantesten Erkenntnisse dieser Forschungsarbeit explizit als Ergebnisse ausgewiesen werden. Die Ergebnisse bestehen aus einer Reihe Thesen (Abschnitt 6.1), welche sich zum Bezugsrahmen des Möglichkeitsraums intuitiver Managementspannungsfelder arrangieren lassen (Abschnitt 6.2) und einige andere zu prototypische Konstellationen situationeller und personaler Einflussfaktoren (Abschnitt 6.3). Eine Diskussion der Ergebnisse (Abschnitt 6.4) schließt dieses Kapitel ab.

6.1 Entstandene Thesen zur Intuition in Managemententscheidungen Aus den interpretierten Daten ließen sich die folgenden Thesen gewinnen: 1. Intuitive Managemententscheidungen können nach dem ‘dynamischen ­Eisberg-Modell’ getroffen werden. 2. Es könnte sein, dass ohne egoistischen Anteil keine intuitive Managemententscheidung möglich ist. 3. Mit einer holistischen Intention könnten bei der Vorbereitung des Geistes die Potentiale egoistischer und altruistischer Komponenten erkannt und in die Entscheidung integriert werden. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 O. Ahel, Intuition im Management, Systemaufstellungen in Wissenschaft und Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31144-5_6

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6  Ergebnisse des eigenen Forschungsprozesses …

4. Die Intention hinter der Entscheidung zurückzunehmen und auf die inneren, unbewussten Entscheidungsprozesse zu vertrauen, könnte das intuitive Treffen von Managemententscheidungen erleichtern. 5. Übersteigt die Vorbereitung des Geistes den reinen Selbstzweck, könnte dies förderlich für die Legitimität von intuitiv getroffenen Managemententscheidungen sein. 6. Uneindeutigkeit im Entscheidungsprozess könnte die intuitive Managemententscheidung gefährden. 7. Vertrauen in das Umfeld sowie in den Zeitpunkt der Entscheidung und in die Elemente der Entscheidung könnten förderlich für das Treffen intuitiver Managemententscheidungen sein. 8. Die Vernetzung könnte die wichtigste Energiequelle sein, um erfolgreich intuitive Managemententscheidungen zu treffen. 9. Präsenz und altruistische Intention könnten einen Managementgeist bilden, welcher sich durch intuitive Entscheidungsfreudigkeit auszeichnet. 10. Präsenz und holistische Intention könnten es ermöglichen, Musterbrüche wahrzunehmen, was die Kreativität begünstigt. 11. In Managemententscheidungen könnten Musterbrüche eine Quelle der intuitiven Erkenntnis sein. 12. Ortswechsel nach der Vorbereitung des Geistes könnten die intuitive Managemententscheidung begünstigen. 13. Die Übergänge von verschiedenen Formen der Stille auf verschiedene Formen der Aktivierung könnten die intuitive Managemententscheidung begünstigen. 14. Die Übergänge von verschiedenen Formen der Aktivierung zu verschiedenen Formen der Stille könnten die intuitive Managemententscheidung begünstigen. 15. Intuitiven Managemententscheidungen liegt eine implizite Intuitionstheorie (bereichsspezifische, normative Erwartung an potentiellen Erfolg von Intuition, etc.) sowie eine Intuitionstendenz (bereichsspezifische, subjektive Überzeugung, dass Intuition prinzipiell realisierbar und sinnvoll ist) zugrunde. 16. Einen Legitimationsvorschuss für intuitive Managemententscheidungen anderer Unternehmen zu erteilen, könnte dazu führen, das System dahingehend zu verändern, dass Intuition als Entscheidungsgrundlage langfristig allgemein verstärkt anerkannt wird. 17. In den Spannungsfeldern intuitiver Managemententscheidungen kommen bestimmte Kombinationen personaler und situationeller Faktoren vor, wie sie unter Punkt 7.3 beschrieben sind.

6.2  Beschreibung des Möglichkeitsraums intuitiver …

343

Aus diesen Thesen konnten folgende übergeordnete Thesen gewonnen werden: 1. Vertrauen in den eigenen Entscheidungsprozess könnte sich förderlich auf das Treffen von intuitiven Managemententscheidungen auswirken. 2. Es könnte sein, dass – je nach Entscheidung – verschiedene Intentionsausrichtungen förderlich oder hinderlich auf die intuitive Managemententscheidung wirken.

6.2 Beschreibung des Möglichkeitsraums intuitiver Managementspannungsfelder In diesem Ergebnisabschnitt sollen die generierten Thesen zu einem Bezugsrahmen zusammengefasst werden. Dieser Bezugsrahmen bildet den Möglichkeitsraum der Spannungsfelder intuitiver Managementscheidungen ab. Es soll strukturiert beschrieben werden, was Aufstellungen, Befragungen, Diskussionen und kreatives Forschen zum Verständnis über den Möglichkeitsraum und die darin existierenden Spannungsfelder beigetragen haben. Im Folgenden sollen die Prinzipien und Mechanismen in den Spannungsfeldern zusammengefasst werden. Wie sich herausstellte, sind die relevantesten Elemente dabei Geistesblitz, vorbereiteter Geist, Präsenz, Intention (in den Ausprägungen egoistische Intention, altruistische Intention und holistische Intention), Management sowie Vertrauen. Im Nachfolgendem wird kurz dargestellt, wie die zentralen Bestandteile dieses Raums der Spannungsfelder begrifflich verstanden wurden: Der Geistesblitz ist der unmittelbare Akt, in dem eine Information oder eine Erkenntnis im Bewusstsein auftaucht. Der vorbereitete Geist ist die bewusste Beschäftigung mit einem Thema, welche den Geistesblitz vorbereitet. Präsenz ist das körperliche und geistige ‘im Hier und Jetzt Sein’. Intention ist die beabsichtigte Wirkrichtung der Entscheidung. Management ist jene Instanz, welche den Raum für Entscheidung gibt. Vertrauen ist die subjektive Überzeugung von der Richtigkeit von Handlungen und Einsichten. Diese Elemente bewegen sich in den Hashtag-förmigen Spannungsfeldern aus Intuition, Transparenz, Effektivität, Freiraum, Verantwortung, Vernetzung und Selbstwahrnehmung (siehe Abbildung 6.1).

344

6  Ergebnisse des eigenen Forschungsprozesses …

Abbildung 6.1   das Hashtag-Spannungsfeld. (Eigene Darstellung)

Intuition ist Wissen, ohne komplett nachvollziehen zu können, wie dieses Wissen zustande kommt. Verantwortung ist die moralische und/oder rechtliche Verpflichtung, für Dritte Sorge zu tragen bzw. für die Konsequenzen, welche Dritten durch eine Entscheidung entstehen, einzustehen. Vernetzung ist die digitale Verbundenheit während des Entscheidungsprozesses. Selbstwahrnehmung ist die Achtsamkeit für die persönlichen Komponenten, Informationen und Bezüge. Transparenz ist die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungsprozessen und der zugrunde liegenden Information. Freiräume sind Komponenten organisatorischer Freiheiten (bspw. Ressourcen, Geld, Zeit, etc.). Effektivität ist die Wirkung, welche durch Entscheidungen erzielt wird und welche diese Entscheidungen anerkennenswert macht. Die Spannungsfelder liegen dabei zwischen der Intuition auf der einen Seite und der Transparenz sowie der Verantwortung auf der gegenüberliegenden Seite. Orthogonal dazu liegen die Spannungsfelder zwischen der Vernetzung und der

6.2  Beschreibung des Möglichkeitsraums intuitiver …

345

Selbstwahrnehmung und die Spannungsfelder zwischen den Freiräumen und der Effektivität. An der Verbindung zwischen Intuition und Transparenz tritt die Spannung in Form eines Legitimationsproblems von fehlender Begründung und Nachvollziehbarkeit bei zunehmender Intuition auf. Die Verbindung zwischen Intuition und Verantwortung bringt ein Verantwortungsproblem mit sich, in welchem die Gefahr von Kollektivität und Willkür zunimmt, je stärker die Intuition ausgeprägt ist. Auf der Verbindung zwischen Effektivität und Freiräumen treten die Spannungen als Kontrollproblem auf, in welchem zunehmende Sicherheit zu Lasten der Bewegungsfreiheit geht und umgekehrt. Die Achse zwischen medialer Vernetzung und Selbstwahrnehmung zeichnet sich durch ein Aufmerksamkeitsproblem aus, in welchem eine begrenzte Aufmerksamkeit zwischen der Ausrichtung auf dem persönlichen Bezug und der Ausrichtung auf Informationen aus anderen Systeme zu verteilen ist. In diesem Spannungsfeldgebilde bringen prototypische intuitive Managemententscheidungen einige Mechanismen und Prinzipien mit sich (Abbildung 6.2).

Abbildung 6.2   Hashtagraum intuitiver Management-Spannungsfelder. (Eigene Darstellung)

346

6  Ergebnisse des eigenen Forschungsprozesses …

Im Mittelpunkt des Hashtags, in gleichem Abstand zu allen Polen, befindet sich der vorbereitete Geist und dessen Vorbereitung. Dieser Faktor ist auch Kernkomponente des Konzepts des ‘dynamischen Eisberg-Modells’ (zur Erinnerung noch einmal als kleine Abbildung 6.3 dargestellt), welches ebenfalls im Zentrum des Hashtags angelegt ist. Bei diesem Modell handelt es sich um eine Kombination aus kreativem Entscheidungsmodell und Modellen eisbergförmiger Bewusstseinsebenen. In diesem Modell geht dem Geistesblitz eine Vorbereitung des Geistes und eine Inkubationszeit voraus. Es handelt sich beim Geistesblitz um einen unbewussten Wahlakt, infolge einer Vorbereitung des Geistes. In der Phase der Vorbereitung des Geistes werden Informationen unbewusst und bewusst, multimodal aus der Außenwelt aufgenommen und ins innere System überführt und auch auf interne Informationen, wie Erfahrungswissen, zugegriffen.

Abbildung 6.3   das dynamische Eisberg Modell nochmal. (Eigene Darstellung)

Die Intention befindet sich an der Schwelle zum Bewusstsein, da Zweck und Antrieb der Entscheidung stets ein Stück weit bewusst sind, aber auch Teile davon im Unbewussten liegen. Über die Intention wird der Geistesblitz mit einem Nutzen versehen und kann so zur Entscheidung beitragen. Beim Inkubieren kann die Präsenz vom ursprünglichen Thema der Beschäftigung abdriften, sodass der Geistesblitz erscheint, wenn sich gerade nicht mit dem Thema beschäftigt wird. Der Geistesblitz vermittelt zwischen der Präsenz und dem vorbereiteten Geist.

6.2  Beschreibung des Möglichkeitsraums intuitiver …

347

Der Geistesblitz kann flexibel in alle Richtungen (Innen- und Außenwelt, bewusst und unbewusst aufgenommene Informationen) zugreifen und diese integrieren. In diesem Moment dreht sich der Eisberg und der Geistesblitz tritt in die bewusste Welt über. Dies wird von einem Gefühl der Präsenz begleitet und der/die Entscheidungsträger/in kann den Geistesblitz über dieses Gefühl und die Intention hinter der Entscheidung an die bewusste Außenwelt weiterleiten. Der Zeitpunkt, zu dem der Eisberg sich dreht und in die zweite Phase eingeht, ist ein schwer definierbarer Gleichgewichtspunkt. Eine zu starke Beschäftigung mit einem Thema blockiert den Geistesblitz und eine zu starke Ablenkung vom Thema verhindert, dass der Geistesblitz wahrgenommen wird. In der zweiten Phase ist der vorbereitete Geist nun primär nicht mehr mit der bewussten Welt verbunden, sondern erfasst unbewusst die Tiefe des Themas und verinnerlicht diese in den Entscheidungsträger/innen. Aus den Informationen des vorbereiteten Geistes wird implizites Wissen, welches unbewusst abgerufen werden kann, einhergehend mit dem Gefühl des Wissens, dessen Herkunft nicht erklärbar ist. Beim Treffen der Entscheidung verbinden die Manager/innen über die Präsenz das Thema mit der Außenwelt. Über die eigene Präsenz sind sie zu diesem Zeitpunkt sowohl mit dem zugrunde liegenden Thema als auch mit der Außenwelt verbunden. Im Feld herrscht eine konstruktive Spannung zwischen Intuition und Transparenz, dazwischen liegt der vorbereitete Geist. Der vorbereitete Geist ist das Medium, welches alle Faktoren (Elemente und Pole) miteinander verbindet und Kommunikation unter diesen ermöglicht. Alle Faktoren können Informationen in den vorbereiteten Geist hineingeben und Informationen von diesem erhalten. Besonders aufnahmefähig ist der bewusste vorbereitete Geist für strukturierte Informationen. Bei genügender Vorbereitung wechselt der vorbereitete Geist auf eine andere Bewusstseinsebene und lässt Informationen vom Geistesblitz zu. Sofern die Vorbereitung des Geistes den Selbstzweck der Vorbereitung übersteigt, kann hieraus Legitimation erwachsen. Eine Möglichkeit, die Vorbereitung des Geistes als Legitimationsmaßnahme zu nutzen, wäre es bspw., der intuitiven Managemententscheidung eine symbolische Dimension hinzuzufügen. Im intuitiven Prozess könnte hierdurch mehr Transparenz entstehen, da die Vorbereitung des Geistes die intuitive Entscheidung nachvollziehbar macht. Eine Ausdrucksform für die Transparentmachung der Geistesvorbereitung könnte die Symbolsprache sein. In diesem Bild ist die Vorbereitung des Geistes ein Vermittlungsprozess, einerseits bewusst zugänglich, da er bewusst mit Informationen versorgt werden kann, andererseits verborgen und unbewusst und damit die Brücke zur Intuition und zur Transparenz. Eine besondere Verbindung existiert zwischen dem vorbereiteten Geist und dem Pol der Vernetzung. Die Vernetzung ist für den intuitiven Managementprozess

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6  Ergebnisse des eigenen Forschungsprozesses …

aus zweierlei Gründen eine wichtige Energiequelle. Zum einen werden in der Vernetzung mit anderen Personen inhaltliche Informationen aufgenommen und damit die kollektive Intelligenz genutzt sowie zum anderen die Vernetzung zur Legitimitätsgewinnung genutzt. Die kollektive Vernetzung bietet wertvolle Informationen zum Thema sowie Rechtfertigung und Sicherheit für die anstehenden Entscheidungen. Darüber hinaus birgt eine zu homogene Vernetzung aber die Gefahr der Reproduktion ähnlicher Meinungen in Echokammern und Filterblasen. Der Pol der digitalen Vernetzung weist auch Bezüge zu anderen Faktoren auf. Es handelt sich um die energetische Kombination aus egoistischer Intention und Präsenz, die bewahrende Kombination aus vorbereitetem Geist und Geistesblitz oder des regulierenden Managements, welches für den Unternehmenserfolg, die Vernetzung der Selbstwahrnehmung vorzieht. Je nach Faktorenkombination führt die Vernetzung zu einer anderen Ausrichtung des Systems intuitiver Managemententscheidungen. Diese Mechanismen werden im Vernetzungsmodell intuitiver Managemententscheidungen (zur Erinnerung noch einmal als kleine Abbildung 6.4 dargestellt) zusammengefasst. Nach diesem Modell wird durch die

Abbildung 6.4   das Vernetzungsmodell intuitiver Managemententscheidungen nochmal. (Eigene Darstellung)

Ansammlung von Wissen im vorbereiteten Geist eine Katalysatorfunktion in Gang gesetzt und im Endeffekt die Intuition ausgelöst. In der Vernetzung mit der Welt nimmt der vorbereitete Geist Informationen auf, was später den Geistesblitz auslöst. Intention und Präsenz sind in diesem Modell die Voraussetzungen, um die Entscheidung zu treffen. Über die Rückmeldungen zu den Entscheidungen, welche in der Vernetzung mit anderen erfolgen kann, wird Selbstwahrnehmung erhalten.

6.2  Beschreibung des Möglichkeitsraums intuitiver …

349

Die Vernetzung lässt sich in jeder Intentionsausrichtung als Ideenquelle nutzen. Für Entscheidungen höchster Komplexität ist die Vernetzung und Netzwerkintelligenz unerlässlich. Dies kann bspw. in virtuellen Organisationen erfolgen. Mit der hohen Veränderungsgeschwindigkeit vernetzter Organisationen geht aber auch eine hohe Wahrscheinlichkeit von unvorhersehbaren Wirkungen und Rückwirkungen einher. Als Stabilisatoren in dieser Umgebung können eine positive Unternehmenskultur mit gemeinsamen Werten und Vertrauen, eine abgestimmte IT-Landschaft, ein einheitliches Wissensmanagement, frei zugängliche Kommunikationsmedien, eine Beteiligung am Erfolg des Netzwerks, ein minimaler Satz grundlegender Verhaltensregeln, an das Netzwerkprinzip angelehnte Visionen, bewusster Umgang mit Vernetzung und Veränderungsgeschwindigkeit sowie Selbstorganisation und Chaos, wirken. Insbesondere das Schaffen gemeinsamer Werte bringt weiteres Vertrauen und auch Legitimität mit sich. Einer der umfangreichsten Blöcke im Hashtagraum bildet die Intention. Sie ist die antreibende Kraft hinter intuitiven Managemententscheidungen. Ohne Intention käme keine Intuition zustande und ohne Ziel keine Intention. Die Intention gibt dem noch unkonkreten Handlungswunsch der Motivation eine Richtung vor und mündet in den handlungsleitenden Charakter der Volition. An diesem, Handlungen erzeugenden Punkt, vereinen sich Intention und Intuition. Die Visualisierung von Zielzuständen hilft dabei, Klarheit in der Entscheidung zu schaffen und begünstigt den Intentionsablauf. Eine starke Intention führt zu einem Intentionsüberlegenheitseffekt, welcher sich in erhöhter Aufmerksamkeit und Achtsamkeit für entscheidende Informationen sowie in geschärften Gedächtnisprozessen für relevante Erinnerungen und Erfahrungen auszeichnet. Dieser Effekt begünstigt die Geistesvorbereitung im Intuitionsprozess. Anders ausgedrückt hilft die Intention dabei, fokussiert zu bleiben, was wiederum Überschneidungen zur Präsenz aufweist. Je nach Intentionsausrichtung wirken im Spannungsraum andere förderliche oder hinderliche Potentiale. Die egoistische Intention ist stark auf das ‘Jetzt’ und das ‘Innere’ ausgerichtet und weniger stark auf zukünftige Möglichkeiten und andere Optionen von außen. Egoismus geht mit wenigen klar definierten Bedürfnissen einher, was die Entscheidungsfindung erleichtert. Ebenso geht Egoismus mit einer permanenten Achtsamkeit für sich selbst und Gefahren von außerhalb einher, was die Entscheidungsträger/innen besonders aufmerksam für Geistesblitze macht. Hinderlich hingegen wirken die hohe Belastung und die Fremdbestimmung, welche aus den permanenten Konkurrenzkämpfen des Egoismus resultieren. Sobald Egoismus als Anreizfunktion entfällt, rückt Altruismus an diese Stelle. Die altruistische Intention bringt dabei bestimmte Stärken aber auch bestimmte Defizite mit sich. So verfügt die altruistische

350

6  Ergebnisse des eigenen Forschungsprozesses …

Intention über eine kraftvolle Energie, welche aus der Freiheit der Selbstaufgabe resultiert. Die altruistische Intention hat einen starken Bezug zum vorbereiteten Geist. Ohne die Zwänge des Egoismus kann mit mehr Leichtigkeit und Positivismus entscheiden werden und auch andere können wohlwollend in den Entscheidungsprozess integriert werden. Zu den Defiziten altruistischer Intention zählt vor allem fehlende Offenheit, ein hoher Verantwortungsdruck und zu starke Normativität. Damit ein Geistesblitz entstehen kann, ist Offenheit wichtig, aber die hohe Anzahl an Bedürfnissen lässt den Geistesblitz schwammig und ungenau werden. Auch geht die altruistische Intention mit viel Verantwortung für andere einher und die Chance ist viel größer, falsche Entscheidungen zu treffen. Aufgrund der Vielzahl von Bedürfnissen, welche von der altruistischen Intention auf die Entscheidungssituation übertragen werden, entsteht Uneindeutigkeit. Konkrete und somit eindeutig definierte Ziele sind eine wichtige Stütze im Entscheidungsprozess. Um diese Unsicherheit auszugleichen, bedarf es einer hohen Dosis Ambiguitätstoleranz sowie der Fähigkeit zum systemischen Denken und Ungewissheit zu ertragen. Da Managemententscheidungen meist eine egoistische Logik zugrunde liegen, ist es schwer, eine altruistische Intention mit diesen zu vereinbaren. Auch schwächt das Fehlen der Komponente der Selbstbezogenheit die altruistische intuitive Entscheidung. Im egoistischen Modus findet eine permanente Beschäftigung mit dem Selbst statt, wodurch der Geistesblitz schneller wahrgenommen und bemerkt wird. Die holistische Intention spielt eine integrative Rolle im System. Sie ist eine starke Kraft, welche starken Einfluss auf die Vorbereitung des Geistes hat. Mit einer holistischen Intention lassen sich bei der Vorbereitung des Geistes die Potentiale egoistischer und altruistischer Komponenten erkennen und in die Entscheidung integrieren. Die erwähnten Vorteile, wie von Egoismus und Altruismus, wie bspw. Stärke, Achtsamkeit fürs Selbst, Empathie und Weitsicht, lassen sich mit dieser Intention nutzen und negative Aspekte, wie fehlende Weitsicht und Empathie oder Mangel an Selbstbezug, werden ausgeglichen. Dem vorbereiteten Geist werden somit alle Möglichkeiten geboten. Da alle möglichen Komponenten und Richtungen berücksichtigt werden, ist die holistische Intention gut geeignet, um in der Entscheidung Orientierung zu geben. Allerdings geht dies insbesondere im Management auch mit einem hohen Abstimmungsaufwand einher. Da im Management und im globalen Wirtschaftssystem der Egoismus als Intention überwiegt, würde ein Wechsel zum Holismus als Entscheidungsgrundlage der Umgestaltung der Prinzipien der kompletten Weltwirtschaft gleichkommen. Diese Transformation der Managementstrukturen der einzelnen Unternehmen sowie der Interaktion der Unternehmen untereinander bringt eine ­Transformation der zugrunde liegenden Denkweisen und Glaubenssysteme mit sich. Es handelt

6.2  Beschreibung des Möglichkeitsraums intuitiver …

351

sich um eine Transformation von einem degenerativen System hin zu einem regenerativen System, von der Subsistenzebene zur Seiensebene. Hierzu bedarf es der Überwindung des Paradigmas des „alten Managements“ hin zum systemischen neuen Paradigma des „wechselnden Fließens“.1 Konkret zeichnet sich der holistische Zustand durch ein tiefes Verständnis des Gesamtbildes, Verantwortung für das gesamte System, hohe Kollektivität, die Wahrnehmung des Selbst als Teil des Großen und Ganzen sowie ein gesteigertes Maß an Spiritualität, Emotionalität und Intuition aus. Ansatzpunkte zur Transformation könnten in den Arbeitsprozessen (bspw. Agilität), der Identität und im Selbstverständnis sowie in der Kooperativität (im Sinne des Fortschrittes für das komplette System) zu finden sein. Transformatives Potential ist eine Kombination aus Regression (Verständnis der Vergangenheit) und Progression (Sog der Zukunft, bspw. bei Flow-Erleben, Salutogenese oder Resilienz). Die richtige Einstellung bezüglich der Intention ist im ‘Möglichkeitsraum intuitiver Managementspannungsfelder’ ein wichtiger Faktor. Ebenso ist in diesem Raum aber auch die Überwindung der Intention ein positiver Faktor. Hierzu sind verschiedene Ansätze denkbar. Eine zu starke Ausrichtung auf die unmittelbare Gegenwart der egoistischen Intention kann die Intuition bremsen und den Geistesblitz blockieren. Die Intention stark in den Vordergrund zu rücken und zu instrumentalisieren, kann vom Geistesblitz ablenken und dafür sorgen, dass vom vorbereiteten Geist nichts mehr aufgenommen wird. Nach anfänglicher Bewegung im System folgt Stagnation und Stille. Diese Stagnation kann dann mit einer Zuwendung zu den Faktoren Stille und Ruhe aufgelöst werden. Aspekte wie Meditation, Reflexion und Metakognition können diese Phase aktiv gestalten und erneute Bewegung bringen. Auch Ortswechsel wirken, wie die Abwechslung zwischen Stille und Aktivierung, belebend auf den intuitiven Entscheidungsprozess. Die Intention zurückzustellen verweist wiederum auf das beschriebene ‘dynamische Eisberg-Modell’. In dem ist die Intention anfangs wichtig, um einen Grund zu liefern, Ideen entstehen zu lassen und diese umzusetzen. Nachdem der Geistesblitz aber eingetreten ist, verliert die Intention an Bedeutung und an Einfluss auf den entstandenen Geistesblitz und die Idee kann für jegliche Intention genutzt werden. Der Faktor Intention wird an dieser Stelle vom Faktor Vertrauen ersetzt. Im Einzelnen vom Vertrauen auf die inneren, unbewussten Prozesse, dem Vertrauen in die eigenen intuitiven Fähigkeiten sowie Vertrauen ins Umfeld und den Zeitpunkt. Das zentrale Konstrukt des Vertrauens in die inneren und

1Vgl.

Beck / Cowan (2017), S. 20–21.

352

6  Ergebnisse des eigenen Forschungsprozesses …

unbewussten Prozesse ist das Vertrauen in die Intuition selbst. Dieses Vertrauen setzt sich aus den impliziten Intuitionstheorien (bereichsspezifische, normative Erwartung an potentiellen Erfolg von Intuition, etc.) und den Intuitionstendenzen (bereichsspezifische, subjektive Überzeugung, dass Intuition prinzipiell realisierbar und sinnvoll ist) zusammen. Bezüglich des Vertrauens in Zeit und Umfeld sind die beiden Komponenten Chronos (das Vergehen der Zeit, aber auch die aus der Zeit resultierende Erfahrung) sowie Kairos (der richtige Augenblick) miteinander zu verbinden. Dies geschieht über die aktive und bewusste Beschäftigung mit einem Thema und mit sich selbst, also neben der thematischen Auseinandersetzung auch indem über die eigenen Ängste, Eitelkeiten, Egoismen, Aggressionen reflektiert wird. Vertrauen in die Zeit benötigt Ruhe, Gelassenheit, aber auch Konzentration und die nötige Aufmerksamkeit fürs Wesentliche sowie Entschlossenheit. Vertrauen erleichtert den intuitiven Entscheidungsprozess aus drei Gründen. Zum einen reduziert es Komplexität, zum anderen bringt es Selbstwirksamkeitsüberzeugung mit sich und drittens beugt es den Gefahren negativer Heuristiken vor. Die empfundene Selbstwirksamkeit wiederum lässt sich durch eigene Erfahrungen, Modelllernen, soziale Überzeugung und die Achtsamkeit für physiologische Zustände steigern. An dieser Stelle liegen starke Bezüge zu den Faktoren Erfahrungswissen und Präsenz vor. Entgegengesetzt ist die Intention auch ein direkter Ansatzpunkt für die Legitimation von intuitiven Managemententscheidungen. Die Kenntnis der zugrundeliegenden Intention sowie der Motivation hinter Entscheidungen könnten die Legitimität fördern, indem sie die Entscheidungen für dritte nachvollziehbarer machen. Somit verbindet die Intention an dieser Stelle die Intuition mit der Transparenz. Darüber existiert eine weitere Verbindung der Intention zum Vertrauen. Eine holistische Sichtweise einnehmend und die eigene Rolle im großen und ganzen Gesamtbild begreifend verfügen die Stakeholder über genügend Einsicht, um dem System einen Vertrauensvorschuss zu gewähren. Dieser Vertrauensvorschuss erfolgt in Form eines Legitimationsvorschusses für intuitiv getroffene Managemententscheidungen anderer Stakeholder. Auf diese Weise werden gemeinsame Werte geschaffen und weiteres Vertrauen und auch Legitimität entsteht. Während der Faktor Intention weitestgehend unabhängig vom Faktor Zeit existieren kann, bindet der Faktor Präsenz den Faktor Zeit ein. In der Kombination versieht die Präsenz die Intention mit Zeit. Die Kombination aus Präsenz und holistischer Intention ermöglichen es, Musterbrüche wahrzunehmen, was wiederum die Intuition begünstigt. Zu den Musterbrüchen zählen ungewöhnliche Erfahrungen (bspw. das Beobachten von Abweichungen von Naturgesetzen), Schemata-Veränderungen und Ablaufveränderungen der alltäglichen Tätigkeiten. Durch Musterbrüche werden Erwartungen und mentale Fixierungen durchbrochen und die kognitive Flexibilität erhöht.

6.3  Erkannte Prototypische Konstellationen …

353

Hieraus können flexible und multiple Wissensrepräsentationen entwickelt werden. Prozessmusterwechsel gehen mit Instabilität einher, von daher ist eine Achtsamkeit für Instabilität hilfreich, um bevorstehende Brüche zu erkennen. Aus der Kombination von altruistischer Intention und Präsenz entspringt eine intuitive Entscheidungsfreudigkeit. Diese beiden Faktoren führen dazu, das ganze System in den Blick zu nehmen und auszubalancieren. Es fließen sowohl Faktoren der Vernetzung, der Verantwortung für andere aber auch der Selbstwahrnehmung ein. Die altruistische Intention ist dabei auf die Verantwortung für andere ausgerichtet, während die Präsenz die eigenen Befindlichkeiten abdeckt. Präsenz und Intention verkörpern Emotionen und Gefühle und werden auch von diesen geleitet. Dem gegenüber bilden der vorbereitete Geist und der Geistesblitz eine eher rationale und kühle Faktorengruppe. Als Outcome existieren im Möglichkeitsraum zwei Arten von Geistesblitzen, ein eher rationaler und ein eher emotionaler. Beim emotionalen Geistesblitz fühlt die Person, dass eine Entscheidung richtig ist, weiß aber rational nicht, warum. Beim rationalen Geistesblitz wird ein Zusammenhang als rational korrekt erkannt, ohne dass einem begründeten Lösungsweg gefolgt wurde. Der Zusammenhang zwischen der emotionalen und der rationalen Ebene liegen dabei in der Form vor, dass die Faktoren Präsenz und Intention energetisch eher emotional aufgeladen sind und die Faktoren des vorbereiteten Geistes und die Faktoren des Managements eher rational. Die Intuition kann sich also in Gefühlen ausdrücken (bspw. das Gefühl der Präsenz oder das Gefühl der Richtigkeit der Intention) oder in Form von Gedanken (bspw. als Gedanken zur Vorbereitung des Geistes, oder Gedanken als Produkt des Geistesblitzes). Aus den Komponenten Denken und Fühlen kann eine Diskrepanz, bspw. zwischen dem Wunsch nach Bewegung und dem Wunsch nach Sicherheit, erwachsen. Faktoren, die eher für Sicherheit stehen, sind bspw. Transparenz, Effektivität und egoistische Intention. Die Diskrepanz zwischen Bewegungswunsch und Sicherheitsdenken kann zu Stagnation im intuitiven Spannungsfeld führen. Stagnation lässt sich demnach auflösen, indem bewusst der Faktor Stille einbezogen wird.

6.3 Erkannte Prototypische Konstellationen in Intuitiven Managemententscheidungen In den verschiedenen Stationen des Erkenntnisprozesses wurden bestimmte ­pro­totypische Konstellationen sichtbar. Diese bestehen aus situationellen und per­ sonalen Faktoren und bezogen Teile der Spannungsfelder mit ein (siehe Tabelle 6.1). Diese prototypischen Konstellationen setzen sich wie folgt zusammen:

354

6  Ergebnisse des eigenen Forschungsprozesses …

Tabelle 6.1   prototypische Konstellationen situationeller und personaler Einflussfaktoren auf intuitiv getroffene Managemententscheidung. (Eigene Darstellung) #

situationelle Faktoren

Konstellation 1

• persönliche Kommunikation und • Individualität Interaktion • direkte Kommunikation und Interaktion • Werte und Arbeitsklima

personale Faktoren

Konstellation 2

• Werte und Arbeitsklima • Raum für Offenheit, Abweichungen und Spontanität • Individualität • persönliche und direkte Kommunikation und Interaktion • Entscheidungen von hoher Tragweite / Verantwortung für Andere • Fokus auf den gesellschaftlichen Nutzen • Sinnhaftigkeit des Themas

• persönliche Erfahrungen • p ersönliches Interesse am Thema • intrinsische Motivation •F  ähigkeit mit Unstimmigkeiten und Zweifeln umzugehen •O  ffenheit und unkonventionelle Herangehensweise • Kooperativität • Verantwortungsbewusstsein •E  instellung, dass Intuition im Management sinnvoll ist

Konstellation 3

• Werte und Arbeitsklima • Entscheidungen von hoher Tragweite / Verantwortung für Andere • Sinnhaftigkeit des Themas • Fokus auf den gesellschaftlichen Nutzen

• persönliche Erfahrungen • persönliches Interesse am Thema • intrinsische Motivation • Fähigkeit mit Unstimmigkeiten und Zweifeln umzugehen • Offenheit und unkonventionelle Herangehensweise • Kooperativität • nach außen gerichtete Achtsamkeit

Konstellation 4

• Sinnhaftigkeit des Themas

• persönliche Erfahrungen • systematische Herangehensweise

Konstellation 5

• Werte und Arbeitsklima • Sinnhaftigkeit des Themas

• Fähigkeit mit Unstimmigkeiten und Zweifeln umzugehen • persönliche Erfahrungen • persönliches Interesse am Thema • intrinsische Motivation • Offenheit und unkonventionelle Herangehensweise • Kooperativität (Fortsetzung)

6.4  Diskussion der Entstandenen Ergebnisse

355

Tabelle 6.1   (Fortsetzung) #

situationelle Faktoren

personale Faktoren

Konstellation 6

• digitale Vernetzung

• Präsenz • Intention (egoistisch oder altruistisch oder holistisch)

Konstellation 7

• Freiraum • Management

• egoistische Intention

Konstellation 8

• Vorbereitung des Geistes • Vertrauen, dass Intuition tendenziell sinnvoll ist • Vertrauen, dass Intuition zutreffend ist

Konstellation 9

• Transparenz

• Intuition • Vorbereitung des Geistes als Legitimation

Konstellation 10

• Transparenz • Effektivität • Sicherheit

• egoistische Intention • Schwächung der Intuition

6.4 Diskussion der Entstandenen Ergebnisse In diesem Part soll zum Abschluss der Arbeit noch einmal abwägend auf die formulierten Ergebnisse eingegangen werden. In diesem Zusammenhang werden auch die Erwartungen, mögliche Ursachen und Folgen der Ergebnisse besprochen. Eventuelle Einschränkungen werden erläutert und Empfehlungen für weiterführende Untersuchungen dargelegt. Um den Managementkontext der Forschungsfrage noch einmal hervorzuheben, sollen die Ergebnisse der Arbeit auch noch einmal explizit hinsichtlich der verschiedenen Entscheidungstypen2 diskutiert werden. Die Ergebnisse in Form von Thesen zu formulieren bringt den Vorteil mit sich, die vielen neuen Eindrücke und Erkenntnisse auf den Datenerhebungen relativ offen und kreativ weiterverarbeiten zu können. Von daher gingen die Ergebnisse nicht mit Erwartungen in Richtung Bestätigung oder Widerlegung von Behauptungen einher, sondern die Hoffnungen lagen darin,

2‘Jetzt-für-jetzt-für-selbst-Entscheidungen’,

­‘Jetzt-für-jetzt-für-andere-Entscheidungen’, ‘Jetzt-für-dann-für-selbst-Entscheidungen’ und ‘Jetzt-für-dann-für-andere-Entscheidungen’ siehe Abschnitt 2.1.2. Managemententscheidungen.

356

6  Ergebnisse des eigenen Forschungsprozesses …

möglichst innovative Leitsätze zu entwickeln. Um diese Offenheit managen zu können, wurde immer wieder darauf geachtet, die Abläufe und Erkenntnisschritte möglichst strukturiert und nachvollziehbar darzustellen. Die einzelnen Thesen sowie der entwickelte Bezugsrahmen werden in den folgenden Absätzen hinsichtlich der o. g. Punkte strukturiert durchleuchtet und mit den verschiedenen Entscheidungstypen in Beziehung gesetzt, um mögliche Ansatzpunkte dort aufzuzeigen. Im Sinne der Praktikabilität werden abschließend die wichtigsten Implikationen für Manager/innen in aller Kürze aufgeführt. 1. Intuitive Managemententscheidungen können nach dem ‘dynamischen ­Eisberg-Modell’ getroffen werden. Ursächlich für die Entstehung dieser These ist der Wunsch, alle Komponenten des unmittelbaren intuitiven Entscheidungsprozesses sowie die damit verbundene Dynamik in einem neuartigen Modell mit etabliertem Design zu vereinigen. Sofern sich diese These bewahrheitet, bietet das Modell für Manager/innen, die intuitiv Entscheidungen treffen möchten, Orientierung und die Möglichkeit, achtsam zu sein für die verschiedenen Phasen des Entscheidungsprozesses. Beim Generieren der These wirkten auch bestimmte Einschränkungen. So beschränken sich die Bestandteile des Modells größtenteils auf die vorher identifizierten Elemente. Hinsichtlich der unterschiedlichen Entscheidungstypen scheint dieses Modell prinzipiell für alle Entscheidungstypen gleichermaßen anwendbar. Eine Anbindung an einen bestimmten Entscheidungstypen ist lediglich über den im Modell enthaltenen Punkt ‘Intention’ denkbar, welche eher auf egoistische ‘fürselbst-Entscheidungen’ oder altruistische ­‘für-andere-Entscheidungen’ ausgerichtet sein könnte. Allerdings ist diese Richtung der Intention im Modell erstmal nicht vorgegeben. 2. Es könnte sein, dass ohne egoistischen Anteil keine intuitive Managemententscheidung möglich ist. Hintergrund dieser These ist die Betrachtung der Intention hinter der Entscheidung. In der bisherigen Betrachtung findet der Charakter der Intention wenig Beachtung und insbesondere der Bezug zur Nachhaltigkeit erfordert, dieses zu hinterfragen. Sollte der egoistische Anteil die vermutete Kraft enthalten, könnte dies zur Folge haben, dass Manager/innen sich im bestehenden Egoismus bestärkt fühlen und sich auf diesen fokussieren. Einer nachhaltigen Entwicklung wäre ein Erstarken des Egoismus sicher nicht zuträglich. Hier liegt auch die Verbindung zu den unterschiedlichen Entscheidungstypen. Im Sinne dieser These wäre der ‘für-selbst’-Part der ­ ‘Jetzt-für-jetzt-für-selbst-Entscheidungen’ sowie der ‘Jetzt-für-dann-für-selbst-

6.4  Diskussion der Entstandenen Ergebnisse

357

Entscheidungen’ integraler Bestandteil intuitiver Entscheidungen. Die anderen Entscheidungstypen ließen sich intuitiv nur dann treffen, wenn diese am Ende doch eine Verbindung zum ‘Selbst’-Anteil aufweisen. Einschränkungen in dieser Einschätzung existieren dahingehend, dass lediglich die Extremausprägungen Egoismus und Altruismus sowie die Kombination des Holismus zur Wahl standen. Es wurden keine anderen Abstufungen dieser Logiken betrachtet und es wurden keine Optionen außerhalb dieses Intentionskontinuums angeboten. Die Vorgabe von Optionen erschwerte möglicherweise das Einbringen von Einschätzungen zu weiteren Intentionsmöglichkeiten. Als Ergänzung zum erforschten Bereich wären auf jeden Fall die komplizierte Beziehung zwischen Altruismus und Egoismus noch ausführlicher zu betrachten. 3. Mit einer holistischen Intention könnten bei der Vorbereitung des Geistes die Potentiale egoistischer und altruistischer Komponenten erkannt und in die Entscheidung integriert werden. Neben der vorherigen These hatte auch die Vorstellung, dass zur Vorbereitung des Geistes permanent Informationen aufgenommen werden, Einfluss auf diese These. In dieser These werden die beiden Komponenten Intention und Information zusammengeführt. Folgen dieser These wären, im Gegensatz zur vorherigen These, ein durchaus positives Signal in Richtung einer holistischen Intention, die auch zu einer nachhaltigen Entwicklung führen kann, sowie die Empfehlung zu einer besonderen Achtsamkeit für die Intention. Hinsichtlich der Entscheidungstypen ließen sich in dieser These ‘selbst’- und ‘andere’-Bestandteile miteinander abstimmen und selbst langfristige Ent­ scheidungen mit aller damit einhergehenden Komplexität wären möglich. Als Einschränkungen gelten dieselben Faktoren wie bei der vorherigen These. Zur Überprüfung dieser These in der Praxis müssten bei einer großen Anzahl intuitiver Entscheidungen mit holistischer Intention dahinter, die Charaktereigenschaften der einzelnen aufgenommenen Informationen verglichen werden. 4. Die Intention hinter der Entscheidung zurückzunehmen und auf die inneren, unbewussten Entscheidungsprozesse zu vertrauen, könnte das intuitive Treffen von Managemententscheidungen erleichtern. Neben den anderen, ebenfalls die Intention betreffenden Thesen, fließt in diese These insbesondere auch das Vorwissen über Vertrauen hinein sowie die damit verbundene Achtsamkeit für alles, was mit Vertrauen zu tun hat. Das Inkrafttreten dieser These könnte die anderen Intentionsthesen derart berühren, dass diese außer Kraft gesetzt würden oder alle Intentionsthesen könnten nebeneinander existieren

358

6  Ergebnisse des eigenen Forschungsprozesses …

und jede für sich für verschiedene Gruppen von Personen und Situationen Gültigkeit besitzen. Explizite Konsequenz dieser These wäre eine Erhöhung des Intuitionspotentials durch eine Stärkung des Vertrauens und vertrauensfördernde Maßnahmen. Hinsichtlich der Entscheidungstypen wird die Frage aufgeworfen, inwiefern ein ‘für-selbst’- oder ‘für-andere’-Bezug noch relevant ist, wenn Egoismus, Altruismus oder Holismus der Intention in den Hintergrund treten. Ein Selbstbezug ist weiterhin gegeben, da auf die eigenen Prozesse vertraut wird. Ebenfalls fraglich ist in dieser These dann auch der Bezug zu den ‘anderen’. Eine Einschränkung kann darin gesehen werden, dass das Vertrauen in dieser These entweder vorhanden oder nicht vorhanden ist, also quasi wie ein Lichtschalter anoder ausgeschaltet ist, während Abstufungen nicht vorgesehen sind. Auch die in dieser These genannten Zusammenhänge wären in der Praxis zu überprüfen. 5. Übersteigt die Vorbereitung des Geistes den reinen Selbstzweck, könnte dies förderlich für die Legitimität von intuitiv getroffenen Managemententscheidungen sein. Hintergrund dieser These ist das Legitimationsproblem intuitiver Managemententscheidungen und der Wunsch, dieses zu thematisieren. Im Zentrum der Aussage stehen die Vorbereitung des Geistes und die damit verbundene Informationsaufnahme. Beides wird die ganze Arbeit hindurch als die Schlüsselfunktion intuitiver Managemententscheidungen betrachtet. Dieses Priming auf eines der vorher festgelegten Elemente kann auch als Einschränkung dieser These gesehen werden. Stellt sich diese These als zutreffend heraus, würde sich damit erstmals ein Ansatzpunkt zur Legitimation intuitiv getroffener Managemententscheidungen abzeichnen und die Art, wie Entscheidungen kommuniziert werden, könnte sich hierdurch verändern. Hinsichtlich der Entscheidungstypen scheint diese These für alle Typen gleichermaßen möglich. Die Legitimität wird zwar von anderen verliehen, dies ist aber durchaus für Entscheidungen mit jeder Reichweite für ‘selbst’ und ‘andere’ denkbar. Bei zunehmender Entscheidungslaufzeit wird es vermutlich schwieriger, Legitimität zu erfahren, da diese mit mehr Unsicherheit verbunden sind und dies auch mit Offenlegung der Vorbereitung des Geistes bleiben werden. Zur Überprüfung wäre eine Abfrage von Legitimitätszuschreibungen zu dieser Kommunikation angemessen. 6. Uneindeutigkeit im Entscheidungsprozess könnte die intuitive Managemententscheidung gefährden. Die Ursachen für die Entstehung dieser These liegen wieder in der Intention hinter der Managemententscheidung sowie der Komplexität, mit der das gesamte

6.4  Diskussion der Entstandenen Ergebnisse

359

Thema einhergeht. Intuition, Managemententscheidungen und Nachhaltigkeit sind alles Bereiche, in denen mit komplexen, nicht eindeutigen und sogar widersprüchlichen Informationen umgegangen wird. Da sich die Informationsgrundlage nur wenig beeinflussen lässt, könnte dieser These lediglich durch die Anpassung seitens der Entscheidungsträger/innen begegnet werden, bspw. durch entsprechende Schulung. Hinsichtlich der Entscheidungstypen werden Uneindeutigkeiten besonders in ‘jetzt-für-dann-für-andere-Entscheidungen’ vermutet, da mit den Stakeholdern der Entscheidung unter Umständen nicht kommuniziert werden, bzw. dass diese noch gar nicht bekannt sind und da der Entscheidungshorizont derart langfristig sein kann, dass Entwicklungen rund um die Entscheidung gar nicht absehbar sind. Hinsichtlich der anderen Entscheidungstypen treten Uneindeutigkeiten vermutlich entsprechend in geringerem Umfang auf. Einschränkungen des Blickwinkels, die zu dieser These geführt haben könnten, wären in der systemischen Sichtweise zu suchen, welche im Forschungsprozess Anwendung fand. Diese Sichtweise ergibt sich aus der Forschungstradition des Lehrstuhls und dem des Themengebietes. Teil der systemischen Sicht ist u. a. eine besondere Empfänglichkeit für Widersprüche, Dilemmata, Spannungen und Uneindeutigkeiten aller Art. Diese fließt auch in die Interpretation der Daten und die Generierung der Thesen mit ein. 7. Vertrauen in das Umfeld, den Zeitpunkt der Entscheidung und die Elemente der Entscheidung könnten förderlich für das Treffen intuitiver Managemententscheidungen sein. Ebenso wie bei These Nr. 4 ist die vorherige Beschäftigung mit der Vertrauensforschung eine Ursache für die Entstehung dieser These. Hinzu kommt eine zeitliche Komponente, welche sich vor allem in der Gruppendiskussion herausstellte. Von daher wären die Folgen dieser These eine intensivere Beschäftigung mit dem Faktor Zeit im Entscheidungsprozess. Für ein positives Entscheidungserlebnis wäre eine Einstellung anzustreben, in der Zeit nicht als limitierender Faktor gesehen wird, sondern als eine schöpferische Komponente, der es zu vertrauen gilt. Bei Manager/innen wäre stärker die Gefühlsebene zur positiven Wahrnehmung der Zeit zu schulen. Hinsichtlich der Entscheidungstypen existieren verschiedene Beziehungen. Es ist hervorzuheben, dass Vertrauen in das Umfeld auch als Vertrauen in ‘andere’ gesehen werden könnte. Weiter stellt sich die Frage ob diese These variiert, je nachdem ob der Zeitpunkt Entscheidungen mit einem ‘jetzt’- oder ‘dann’-Entscheidungshorizont betrifft. Weiter stellt sich die Frage ob diese These variiert, je nachdem ob Vertrauen in das aktuelle Umfeld zu geben ist oder ob Vertrauen in ein weitaus langfristigeres nicht erreichbares oder noch nicht existentes Umfeld zu geben ist. Eingeschränkt wurde der Entstehungsprozess dieser These durch die schwere

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6  Ergebnisse des eigenen Forschungsprozesses …

Formulierbarkeit der zeitlichen Komponente. Die These drückt zwar aus, der Zeit zu vertrauen, kann aber nicht das damit einhergehende Gefühl für das richtige Timing erfassen. Als nächster Schritt wäre eine weiterführende Beschäftigung mit Forschungsansätzen zur Ermittlung guten Timings angemessen, um den Zusammenhang mit dem Vertrauen langfristig überprüfen zu können. 8. Die Vernetzung könnte die wichtigste Energiequelle sein, um erfolgreich intuitive Managemententscheidungen zu treffen. Ebenso wie bei These Nr. 3 lag die Ursache für diese These in der Idee der Informationsaufnahme zur Vorbereitung des Geistes. Hinzu kommt der alltägliche und allgegenwärtige Umgang mit digitalen Vernetzungsmedien. Die Folgen dieser These wären die konsequente Fortführung derzeit ohnehin praktizierter Tendenzen, also eine stärkere Förderung der Vernetzung im Managementalltag, der vermehrte Einsatz digitaler Medien zur Vernetzung, sprich die Globalisierung und Digitalisierung der Welt. Hinsichtlich der Entscheidungstypen wirkt es so, als sei der Inhalt dieser These auf alle Entscheidungstypen anwendbar. Insbesondere aber könnte die Vernetzung mit anderen wichtig sein, um die Bedürfnisse anderer aufzunehmen und in diese Infos in den ­‘für-andere-Entscheidungen’ zu nutzen. Es liegt aber auch Einschränkungen in dieser These vor, da sie lediglich bestehende Trends und deren Auswirkungen beschreibt, ohne aufzuzeigen, auf welche noch nicht dagewesene Weise Vernetzung ebenfalls erfolgen kann. Als Ausblick bleibt zu beobachten, wie sich das Vernetzungsverhalten weiterhin verändert. 9. Präsenz und altruistische Intention könnten einen Managementgeist bilden, welcher sich durch intuitive Entscheidungsfreudigkeit auszeichnet. Auf diese These wirken sowohl die anderen, die Intention betreffenden, Thesen als auch der Wunsch danach, Konstellationen von Einflussfaktoren abzubilden. Von daher war die Empfänglichkeit für aufkommende Konstellationen hoch und der Blick geschärft. Die Bestätigung dieser These brächte das Wissen mit sich, woraus sich ein intuitiver Managementgeist zusammensetzen könnte. Von daher ließen sich durch eine entsprechende Achtsamkeit für diese Komponenten Entscheidungen besser nachvollziehen. Hinsichtlich der Entscheidungstypen wird direkt deutlich, dass der Altruismuspart der These nicht gut mit ‘­ selbst-Entscheidungen’ vereinbaren lässt. Doppelt problematisch wirkt die ‘für-selbst-für-dann-Entscheidungen’, da hier zusätzlich der Langfristigkeitscharakter schwer mit dem ­ ‘Präsenz-imhier-und-jetzt’-Charakter der These vereinbar wirkt. Auf den Entscheidungstyp ­‘jetzt-für-jetzt-für-andere’ hingegen wirkt die These am besten anwendbar, da

6.4  Diskussion der Entstandenen Ergebnisse

361

sich in diesem Entscheidungstypen Altruismus und ‘hier-und-jetzt’ verbinden. Fraglich bleibt, ob ‘für-dann-Entscheidungen’ genug im ‘hier-und-jetzt’ verankert sind, um dieser These folgen zu können. Als Einschränkungen bleibt in dieser These das Fehlen von Ansatzpunkten für Maßnahmen. Es wird lediglich beschrieben, wie die Konstellation beschaffen ist, die intuitiv entscheidungsfreudig ist. Inwiefern es möglich ist, diese Zustände herbeizuführen und ob dies die Chance auf eine intuitive Entscheidung erhöht, bleibt fraglich. Ein Ansatzpunkt zur Untersuchung dieser Konstellation wäre die systematische Betrachtung von intuitiven Managemententscheidungen, der zugrunde liegenden Intention und dem Präsenzempfinden der Manager/innen. 10. Präsenz und holistische Intention könnten es ermöglichen, Musterbrüche wahrzunehmen, was die Kreativität begünstigt. Ähnlich wie die vorangegangene These ist auch der Ursprung dieser These der Wunsch, Konstellationen von Einflussfaktoren abzubilden. Hinzu kommen die Vorkenntnisse zum Thema Kreativität und eine damit einhergehende Sensibilität für damit verbundene Vorgänge. Auch diese These bringt gewisse Konstellationen mit sich, die über Achtsamkeit bei der Informationsaufnahme zur Vorbereitung des Geistes helfen. Hinsichtlich der Entscheidungstypen wirkt es so, als würde der in der These postulierte Holismus alle ‘für-selbst’- und ‘für-andere’-Komponenten mit einbeziehen. Fraglich ist wie in der vorherigen These auch, ob ‘für-dann-Entscheidungen’ genug im ‘hier-und-jetzt’ verankert sein können. Einschränkungen liegen wieder darin, dass es sich um eine Kombination aus mehr oder weniger beeinflussbaren Faktoren handelt, die während einer intuitiven Entscheidung vorliegen und eine bestimmte Achtsamkeit mit sich bringen. Auch für diese Konstellation wäre systematisch zu untersuchen, inwiefern die genannte Konstellation die Achtsamkeit für Musterbrüche stärkt und ob diese gestärkte Achtsamkeit für Musterbrüche die Chance intuitiver Einsicht erhöht. 11. In Managemententscheidungen könnten Musterbrüche eine Quelle der intuitiven Erkenntnis sein. Auch diese These geht auf die vorherige These ein und greift die darin enthaltenden Musterbrüche auf. Diese These formuliert die Zusammenhänge von Musterbrüchen und Intuition wesentlich allgemeiner, ohne auf die Rahmenbedingungen einzugehen. Damit sind auch die Folgen der These weiter gefasst. Sollten Musterbrüche prinzipiell eine Quelle intuitiver Erkenntnis sein, eröffnet sich hierdurch die Möglichkeit, Musterbrüche jedweder Art und Weise zu nutzen.

362

6  Ergebnisse des eigenen Forschungsprozesses …

Hinsichtlich der Entscheidungstypen wirkt diese These prinzipiell für alle Entscheidungstypen anwendbar, da weder Adressaten der Entscheidungen noch der Entscheidungshorizont Bestandteil dieser These sind. Die Einschränkungen sind entsprechend geringer. Um die These zu beweisen, wäre bspw. durch Experimente systematisch zu untersuchen, ob Musterbrüche wirklich zu einer höheren Anzahl von Intuitionserfahrungen führen. 12.  Ortswechsel nach der Vorbereitung Managemententscheidungen begünstigen.

des

Geistes

könnten

intuitive

Auch diese These begründet sich auf den Erfahrungen aus der Kreativitätsforschung. In der These werden Maßnahmen, die als Kreativitätsfördernd gelten, auf die Intuition übertragen. Damit wäre die Folge dieser These, dass sich mit bestimmten Kreativitätsmaßnahmen die Intuition begünstigen ließe. Hinsichtlich der Entscheidungstypen wirkt diese These prinzipiell für alle Entscheidungstypen anwendbar, da weder Adressaten der Entscheidungen noch der Entscheidungshorizont Bestandteil dieser These sind. Allerdings sind in dieser These die entsprechenden Arbeitsbedingungen selbstbestimmt, d. h. diese haben einen höheren ‘selbst’-Bezug und einen geringeren Bezug zu ‘anderen’. Die These ist mit der Einschränkung verbunden, dass Intuition und Kreativität zwar verbunden sind (Intuition als Teil der Kreativität), es sich bei Kreativität und Intuition aber nicht um das selbe Phänomen handelt. Im nächsten Schritt wäre dann zu überprüfen, ob Ortswechsel nach der Vorbereitung des Geistes gleichermaßen die Intuition begünstigen, wie sie dies mit der Kreativität tun. 13. Die Übergänge von verschiedenen Formen der Stille auf verschiedene Formen der Aktivierung könnten intuitive Managemententscheidungen begünstigen. Diese These erwuchs aus den Beobachtungen der eigenen intuitiven Einsichten und kreativen Arbeit. Ein Zusammenhang existiert zu den Musterbrüchen, da ähnliche Prinzipien angesprochen werden. Die Bestätigung dieser These hätte die Entdeckung eines sehr konkreten Anhaltspunkts zur Folge, über welchen Einfluss auf intuitive Managemententscheidungen genommen werden kann. Die Arbeitsweise von Manager/innen ließe sich entsprechend dieser Punkte anpassen. Hinsichtlich der Entscheidungstypen wirkt diese These prinzipiell für alle Entscheidungstypen anwendbar, da weder Adressaten der Entscheidungen noch der Entscheidungshorizont Bestandteil dieser These sind. Allerdings sind in dieser These die entsprechenden Arbeitsbedingungen selbstbestimmt, d. h. diese haben einen höheren ‘selbst’-Bezug und einen geringeren Bezug zu ‘anderen’. Eingeschränkt wird die These dadurch, dass sie auf Selbstbeobachtung beruht und die diversen anderen Einflussfaktoren bisher ausgeblendet sind. Zur

6.4  Diskussion der Entstandenen Ergebnisse

363

systematischen Überprüfung der These wäre also nicht nur zu schauen, ob, sondern auch unter welchen Voraussetzungen diese verschiedenen Formen der Übergänge erfolgversprechend sind. 14. Die Übergänge von verschiedenen Formen der Aktivierung zu verschiedenen Formen der Stille könnten die intuitive Managemententscheidung begünstigen. Diese These ist synonym zur vorherigen These zu betrachten, wobei die Wirkrichtung von Aktivierung und Stille vertauscht sind. Von daher gelten Ursache, Folgen, Bezug zu Entscheidungstypen, Einschränkungen und Ausblick der vorherigen These auch für diese These. 15. Intuitiven Managemententscheidungen liegt eine implizite Intuitionstheorie (bereichsspezifische, normative Erwartung an potentiellen Erfolg von Intuition, etc.) sowie eine Intuitionstendenz (bereichsspezifische, subjektive Überzeugung, dass Intuition prinzipiell realisierbar und sinnvoll ist) zugrunde. Hintergrund dieser These sind wieder die vorausgehenden Auseinandersetzungen mit der Vertrauensforschung. Hinsichtlich der Entscheidungstypen wirkt diese These prinzipiell für alle Entscheidungstypen anwendbar, da weder Adressaten der Entscheidungen noch der Entscheidungshorizont Bestandteil dieser These sind. Allerdings sind in dieser These die entsprechenden Arbeitsbedingungen selbstbestimmt, d. h. diese haben einen höheren ‘selbst’-Bezug und einen geringeren Bezug zu ‘anderen’. Die Art und Weise, wie Vertrauen in der Forschung betrachtet wird, fand teilweise auch bei der Betrachtung der Intuition in dieser Arbeit Anwendung. Der Blick fiel häufig auf das Vertrauen, da in der Intuitionsforschung die Kernprozesse der Intuition nicht nachvollzogen werden können und diese fehlende Nachvollziehbarkeit über Vertrauen umgangen werden kann. Dies wirkt natürlich auch einschränkend. Da Vertrauen bei erfolgreicher Intuition eine starke Rolle zu spielen scheint, könnten die für das Konstrukt Vertrauen geltenden Komponenten auch auf die Intuition anwendbar sein. Die Folge wäre eine ziemlich genaue Vorstellung der persönlichen Einstellungen intuitiver Manager/innen. Diese Einstellung ließe sich mit einem psychologischen Test untersuchen. 16.  Einen Legitimationsvorschuss für intuitive Managemententscheidungen anderer Unternehmen zu erteilen, könnte dazu führen, das System dahingehend zu verändern, dass Intuition als Entscheidungsgrundlage langfristig allgemein verstärkt anerkannt wird. Mit dieser These wird über das Vertrauen eine Brücke zur Legitimation geschlagen.

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Als Ursache für die These kommen also das bekannte Terrain des Vertrauens und der Wunsch nach Ansätzen zur Legitimation zusammen. Die Folge dieser These wäre es, dass die Legitimationslücke des nicht nachvollziehbaren Parts intuitiver Entscheidungen mit Vertrauen gefüllt würde. Hinsichtlich der Entscheidungstypen fällt die Einschätzung dieser These unterschiedlich aus. Eine Anwendung dieser These auf ‘jetzt-für-jetzt-für-selbst-Entscheidungen’ würde keinen kurzfristigen Nutzen bringen. Vielmehr handelt es sich bei der These um eine ‘jetzt-für-jetzt-fürandere-Entscheidung’, da anderen jetzt von der gegebenen Legitimität profitieren können. Es handelt sich aber auch um eine ‘jetzt-für-dann-für-selbst-Entscheidung’, da künftig auch ‘selbst’ von Legitimität profitiert werden könnte. Dementsprechend könnten langfristig auch ‘andere’ von der Entscheidung profitieren. Auch wenn hierdurch die Legitimation erhöht würde, bliebe doch die Einschränkung, dass noch immer keine Nachvollziehbarkeit existiert. Positiv hervorzuheben ist allerdings, dass es sich nicht um blindes Vertrauen handelt, sondern eher um ein Vertrauen, welches durch die systemische Perspektive gewachsen ist. Im Vordergrund dieser These stehen auch eher die allgemeinen Vertrauensaustauschbeziehungen, die zu Legitimität führen, als die Nachvollziehbarkeit einzelner intuitiver Entscheidungsprozesse. Diese These zu bestätigen geht mit hoher Komplexität und einem hohen Aufwand einher, da auf Systemebene überprüft werden müsste, inwiefern die Legitimität steigt, nachdem ein Legitimitätsvorschuss ins System gegeben wird. Es sind also nicht einzelne Entscheidungsträger/innen im Tagesgeschäft zu beobachten, sondern eine Vielzahl von interagierenden Unternehmen, deren Wertesystem verändert werden müsste. Auch stellt sich die Frage, von wem der Legitimationsvorschuss ausgehen müsste. 17. In den Spannungsfeldern intuitiver Managemententscheidungen kommen bestimmte Kombinationen personaler und situationeller Faktoren vor, wie sie unter Punkt 7.3 beschrieben sind. Im Forschungsprozess zeigten sich auch einzelne prototypische Konstellationen situationeller und personaler Faktoren. Auch diese Konstellationsergebnisse sollen besprochen werden. Hinsichtlich der Entscheidungstypen haben die verschiedenen Konstellationen unterschiedliche Bezüge. Konstellation 1 zeichnet sich durch die Attribute persönlich, direkt und individuell aus, was eine Verbindung zu den Entscheidungstypen erschweren könnte, welche ‘für-dann’ und ‘für-andere’ sind. Diese Entscheidungstypen könnten mit Langfristigkeit und schwer erreichbaren anderen Kommunikationspartner/innen verbunden sein, was eben indirekte und persönliche Kommunikation erschwert. Konstellation 2, welche persönliche / direkte Kommunikation und intrinsische Motivation sowie Verantwortung für andere und

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Gesellschaft, Sinnhaftigkeit und Kooperation plus den Umgang mit Unstimmigkeiten und Zweifeln umfasst, könnte eher auf ‘­für-andere’ ausgerichtet sein bzw. eine Verbindung von persönlichem Bezug und ‘für-andere-Entscheidungen’ beinhalten. Konstellation 3 geht mit gesellschaftlicher Verantwortung für andere, Sinnhaftigkeit und nach außen gerichteter Aufmerksamkeit sowie persönlichen Bezügen einher. Von daher könnte auch dort der Fokus auf ‘für-andere’ liegen. Konstellation 4 beinhaltet Sinnhaftigkeit und Systemik, was einen Anhaltspunkt geben könnte für einen Bezug zu ‘für-andere-Entscheidungen’ und ‘für-dann-Entscheidungen’, da alle genannten Punkte sich zukunftsgewandt mit übergeordneten Zwecken bzw. komplexen Zusammenhängen beschäftigen. Konstellation 5 vereint Sinnhaftigkeit mit persönlichen Bezügen und Kooperativität, von daher könnte diese Konstellation sowohl zu ‘für-andere’- als auch zu ‘für-selbst’-Typen passen. Konstellation 6 enthält die Komponenten digitale Vernetzung und Präsenz, was zu der Einschätzung führen könnte, dass ‘jetzt-für-andere-Entscheidungen’ besonders gut in diese Konstellation passen. Die genannten Komponenten stellen einen Bezug zum ‘hier und jetzt’ her und sind mit anderen vernetzt. Konstellation 7 beinhaltet Freiraum, welcher egoistisch genutzt wird. Von daher wirkt diese Konstellation wie ein klassisches Beispiel des ‘für-selbst’-Entscheidungstypen, in Verbindung mit geringer Impulskontrolle sogar des ‘für-jetzt-für-selbst’-Typus. Konstellation 8 umfasst Vertrauen und die Vorbereitung des Geistes. Hierbei handelt es sich um allgemeine Ausdrücke, welche prinzipiell in allen Entscheidungstypen vorkommen könnten. Konstellation 9 verbindet Transparenz mit der Intuition und der Legitimität, da Transparenz Prozesse für andere nachvollziehbar macht und Legitimität von anderen verliehen wird, liegt ein Bezug zum ‘für-andere’-Entscheidungstypen nahe. Konstellation 10 enthält die Bestandteile Effektivität, Transparenz, Sicherheit und Egoismus. All diese Komponenten zeichnen sich durch Kurzfristigkeit und Eigennutz aus, was auch für ­‘jetzt-für-selbst-Entscheidungen’ gilt. Hinsichtlich der Entstehung der Konstellationen ist besonders zu beachten, dass diese einigen Limitierungen unterlagen. So wurden die Konstellationen lediglich aus den vorgegebenen, zur Bewertung zur Verfügung gestellten Einflussfaktoren gebildet. Diese Faktoren wurden zwar nach einer intensiven Literaturrecherche ausgewählt, dennoch könnte es aber sein, dass in die Konstellationen weitere nicht bedachte Faktoren gehören. Da die meisten Konstellationen auf den Ergebnissen der Selbsteinschätzungen beruhen, ist auch deren Erhebung zu berücksichtigen. Dabei schätzten die Teilnehmer/innen die Einflussfaktoren beim intuitiven Treffen von Managemententscheidungen ein. Allerdings lässt sich nicht mit abschließender Sicherheit feststellen, ob wirklich eine intuitive Entscheidung beschrieben wurde oder ob es sich um allgemeine Angaben zu Managemententscheidungen handelt, da nicht objektiv bewertbar ist, welche Entscheidung die Teilnehmer/innen beschrieben.

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Einige Faktoren wurden, von zu wenigen Teilnehmer/innen ausgewählt, so dass diese nicht in die Konstellationen eingebunden wurden. Dies könnte auch daran liegen, dass für diese Faktoren zu wenig Angaben gemacht wurden, was bei einer größeren Stichprobe evtl. nicht der Fall gewesen wäre. Von daher besteht die Möglichkeit, dass die Konstellationen unvollständig sind. Auch jene Faktoren, welche in den entstandenen Konstellationen Verwendung fanden, könnten einer leichten Verzerrung unterliegen. So könnte es sein, dass Teilnehmer/innen sozial erwünscht geantwortet haben, was den hohen Teil positiv aufgeladener Faktoren (bspw. Verantwortung für Andere, Fokus auf gesellschaftlichen Nutzen usw.) an den Konstellationen erklären würde. Andererseits könnte es auch denkbar sein, dass Personen den positiven Nutzen des eigenen Handelns überhöhen, um das eigene Gewissen zu beruhigen. Mit Blick auf die wichtige Rolle, welche der Vernetzung im Laufe des Forschungsprozesses zugeschrieben wurde, überraschte es etwas, dass der digitalen Kommunikation von den Teilnehmer/innen relativ wenig Relevanz zugeschrieben wurde. Folglich wäre es interessant, noch einmal zu überprüfen, wie Menschen, die nicht viel persönlich kommunizieren, intuitiv Managemententscheidungen treffen, um diesen Faktor zu berücksichtigen. Hinzuweisen ist auch noch einmal auf die eingeschränkte Gültigkeit der Ausführungen. Diese ergibt sich einerseits aus dem geringen Umfang der betrachteten Fälle und andererseits aus der Tatsache, dass die Befragten nicht repräsentativ nach dem Zufallsprinzip ausgesucht worden sind, sondern einem lokalen Expert/innennetzwerk angehörten. Die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse sind daher allesamt unbestätigte Zusammenhangsvermutungen. Auch soll noch einmal das in der Arbeit erwähnte Frame-Problem aufgegriffen werden. Durch den Forschungsprozess wurden die zahlreichen Einflussfaktoren systematisiert, was dem Gesamtbild eine gewisse Struktur brachte. Auch wurde die Anzahl an Faktoren dadurch reduziert, dass einige besonders relevant erscheinende Faktoren in den Fokus gerückt wurden. Dennoch verhält es sich so, dass aus einer größeren Menge von Faktoren der Hinweis zur Achtsamkeit auf bestimmte Komponenten erwuchs, um die Intuition besser wahrnehmen zu können. Explizit kommt die Empfehlung zur Achtsamkeit in dieser Arbeit 45 Mal vor, prinzipiell gilt das Achtsamkeitsgebot aber für nahezu alle Einflussfaktoren. Dies würde im Umkehrschluss aber auch bedeuten, dass Manager/ innen prinzipiell für Alles achtsam sein müssten. Diese Achtsamkeit für Alles ist allerdings äußerst unpraktikabel und wirkt dem gewünschten Komplexitätsreduktionseffekt der Intuition entgegen. Von daher wäre es wohl angebracht, sich auf einzelne Faktoren zu konzentrieren oder zu schauen, bei welchen Faktoren individuelle Defizite liegen. Jene Thesen, die ähnliche Komponenten beinhalten, wurden zu übergeordneten Thesen zusammengefasst.

6.4  Diskussion der Entstandenen Ergebnisse

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1. Vertrauen in den eigenen Entscheidungsprozess könnte sich förderlich auf das Treffen von intuitiven Managemententscheidungen auswirken. 2. Es könnte sein, dass – je nach Entscheidung – verschiedene Intentionsausrichtungen förderlich oder hinderlich auf die intuitive Managemententscheidung wirken. Ursache für die zusammengefassten Thesen ist in beiden Fällen die Ähnlichkeit der Komponenten. Was in den einzelnen Thesen etwas konkreter beschrieben wird, gilt in diesen Thesen verallgemeinert. Hier liegt natürlich auch die Einschränkung der Thesen, da durch die Verallgemeinerung der spezifische Charakter der Thesen verloren geht. Von daher weisen die zusammengefassten Thesen auch Bezüge zu allen Entscheidungstypen auf, da sie sehr allgemein formuliert sind und somit viele unterschiedliche Komponenten mit einbeziehen. Maßnahmen lassen sich durch die Thesen weniger konkret ableiten und somit gelten die Thesen eher als Intuitionsleitplanken. Sofern die Einzelthesen bewiesen oder widerlegt sind, wäre hinsichtlich der übergeordneten Thesen als nächster Schritt evtl. zu prüfen, ob dadurch evtl. Widersprüche zu den Einzelthesen entstehen. Hinsichtlich aller genannten Thesen ergibt sich auch eine übergreifende Einschätzung. So entstanden die Thesen aus der Motivation heraus, die Zusammenhänge intuitiv getroffener Managemententscheidungen in den damit einhergehenden Spannungsfeldern zu verstehen und erklären zu können. Alle Thesen beziehen gewisse Vorkenntnisse mit ein und es existieren Einschränkungen durch die Vorauswahl von Elementen, die in diesem Kontext eine Rolle spielen. Alle Thesen würden durch die Bestätigung oder Widerlegung gesicherte Erkenntnisse über das Forschungsfeld erzeugen und in vielen Fällen würden Ansatzpunkte für Achtsamkeit oder andere Maßnahmen entstehen, die helfen, intuitive Entscheidungsprozesse erfolgreicher zu gestalten. Die Eigenschaft von Thesen bringt es mit sich, dass es sich um nicht überprüfte Zusammenhänge handelt. Von daher bestünde der nächste Schritt in allen Fällen daraus, die Thesen in irgendeiner Form zu überprüfen. Dies könnte entweder in Form von Experimenten, durch Befragungen oder durch Beobachtungen erfolgen. Die thesenhaften Ergebnisse noch einmal im Möglichkeitsraum intuitiver Managementspannungsfelder zusammenzufassen und in Beziehung zu setzen, ist ein hilfreicher Schritt, um das Gesamtbild der Erkenntnisse besser überblicken zu können. Während bei den Thesen eher das ‘Was’ behandelt wird, gibt der entwickelte Bezugsrahmen auch Einschätzungen zum ‘Wie’ und zum ‘Inwiefern’ ab. Der Bezugsrahmen identifiziert die wichtigsten Einflussfaktoren aus den generierten Thesen, gibt die Zusammenhänge wieder und positioniert diese in

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einem Rahmenmodell. Das Rahmenmodell entspricht einer Zusammenfassung der untersuchten Spannungsfelder zu einem ästhetischen und symmetrischen Hashtag. Hintergrund dieser Darstellungsweise ist der Wunsch danach, die diversen Bestandteile der Thesen sowie die dazugehörigen Erklärungen zu ordnen. Prinzipiell lassen sich die Ursachen für die Thesen und die einzelnen Möglichkeitsraumbestandteile hauptsächlich zusammenfassen in bestimmte Wunschvorstellungen (bpsw. bestimmte Konstellationen identifizieren) oder Vorkenntnisse (bspw. zum Thema Kreativität oder Vertrauen). Ein Stück weit werden mit dem ‘Hashtagraum’ und den darin enthaltenen ‘Eisberg- und Vernetzungsmodellen’ weitere Modelle zu einer Vielzahl bereits bestehender Modelle hinzugefügt. Allerdings nimmt kein bisher existierendes Modell konkreten Bezug auf Managemententscheidungen oder allgemein einen Managementkontext. Um das Ordnungsangebot des ‘Hashtagraums’ entstehen zu lassen, wurde das zentrale Element intuitiver Managemententscheidungen (der vorbereitete Geist) in die Mitte des Modells positioniert. Ausgehend von diesem Faktor wurden die weiteren Faktoren positioniert, je nach den Beziehungen zu den anderen Faktoren. Auch die Verbindung der verschiedenen Bewusstseinsstufen während des intuitiven Entscheidungsprozesses sowie die Kommunikation der Faktoren untereinander sind Bestandteile des Bezugsrahmens. Das Resultat ist ein Möglichkeitsraum, welcher voller Ansätze zur Gestaltung intuitiver Managemententscheidungsprozesse steckt und auch Ansätze zur Legitimationssteigerung bietet. Sollte diese Vorstellung des Möglichkeitsraums sich bewahrheiten, würde dies nicht nur mit einem besseren Verständnis des Forschungsfeldes einhergehen, sondern auch viel Gestaltungsspielraum mit sich bringen. Damit öffnet dieser Möglichkeitsraum nun aber ein weiteres Spannungsfeld. Da sich die Intuition nicht instrumentalisieren lässt (bspw. durch ein bestimmtes Arbeitsumfeld während des Entscheidungsprozesses), entstehen Spannungen zwischen dem Versuch das Arbeitsumfeld ansprechender zu gestalten und der intuitiven Erkenntnis. Einige Ergebnisse sind nun so formuliert, als können sie den intuitiven Erkenntnisprozess beeinflussen oder bilden ab, welche Einflussfaktoren nebeneinander existieren. Auch wenn bei der Intuition vielleicht nicht mit abschließender Sicherheit von direkter Einflussnahme gesprochen werden kann, so kann doch wenigstens davon ausgegangen werden, dass in irgendeiner Form einladende Bedingungen geschaffen oder abschreckende Bedingungen vermieden werden können. Das Für und Wider der wichtigsten, im entwickelten Bezugsrahmen verwendeten, Ansatzpunkte soll an dieser Stelle noch einmal abgewogen werden.

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Hinsichtlich der Entscheidungstypen lassen sich an verschiedenen Bereichen im Hashtag-Spannungsfeld unterschiedliche Bezüge zu jeweils anderen Entscheidungstypen herstellen.

Abbildung 6.5   Bezüge zu den Entscheidungstypen im Hashtag-Spannungsfeld. (Eigene Darstellung)

Wie die Abbildung 6.5 zeigt, gibt es an manchen Stellen Überschneidungen, da dort stärkere Bezüge zu mehreren bzw. sogar allen Entscheidungstypen vorliegen. Selbstverständlich können im kompletten Spannungsfeld prinzipiell Verbindungen zu allen Entscheidungstypen vorliegen, zur besseren Nachvollziehbarkeit wurden aber jene Felder eingezeichnet, in denen die Bezüge zu einem bestimmten Entscheidungstypen am stärksten sind. Die stärksten Bezüge zum ‘für-andere’-Part der Entscheidungstypen werden dort vermutet, wo es um Vernetzung, Verantwortung, Kollektivität, Gemeinsamkeit, Altruismus und Holismus geht. All diese Komponenten teilen eine soziale Komponente. Bezüge zum ‘für-selbst’Bereich werden eher dort gesehen, wo es um Attribute wie Emotionalität, Freiräume und Selbstwahrnehmung geht. All diese Elemente beziehen sich eher auf das Selbst. Der Pol der Effektivität wird als Bereich mit starkem Bezug zum ‘fürjetzt’ gesehen, da der Effektivität ein sofortiger Nutzen innewohnt. Alle Bestandteile rund um das Thema Vertrauen werden dem ‘­für-dann’-Bereich zugeordnet,

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da diese häufig mit Vorschussleistungen für die Zukunft verbunden sind. Es ergeben sich auch zahlreiche Überschneidungen. Am stärksten sind diese im Bereich der Intention ausgeprägt, da diese je nach Ausrichtung alle Entscheidungstypen berühren kann. Auch die Vorbereitung des Geistes wird als ein solch universeller Schritt gesehen, dass dieser alle Typen berührt. Ein Part des Bezugsrahmens postuliert, dass sich die Legitimation für intuitive Managemententscheidungen steigern lässt, wenn die Vorbereitung des Geistes (bspw. auf symbolischer Ebene) kommuniziert wird. Rein gedanklich sprechen durchaus Argumente dafür. Die Tatsachen, dass Nachvollziehbarkeit die Legitimation erhöht und die Vorbereitung des Geistes der am stärksten nachvollziehbare Bestandteil der Intuition ist. Bei den Erinnerungen an die Erzählungen großer intuitiver Leistungen der Vergangenheit wird darüber hinaus häufig von symbolhaften Eingebungen berichtet, um die Geschichten nachvollziehbarer zu machen. Ohnehin ist die symbolhafte Dimension ein Erfolgsfaktor für interessante Geschichten. Dem gegenüber stehen Ergebnisse aus einem anderen Kontext, die nahelegen, dass symbolhafte Sprache keinen Mehrwert an Legitimation schafft. An anderer Stelle postuliert der Bezugsrahmen, dass die Vernetzung ein wichtiger Faktor (der wichtigste Faktor) im intuitiven Managementprozess ist. Diese Vernetzung wirkt dabei auf zwei Arten. Zum einen in der Vernetzung mit anderen Personen, um inhaltliche Informationen auszutauschen und zum anderen in der kommunikativen Absicherung der Vernetzung, um einen Legitimitätsgewinn zu erzielen. Diese Mechanismen werden im ‘Vernetzungsmodell intuitiver Managemententscheidungen’ dargestellt. Als Hinweis für die Stimmigkeit dieses Modells werden die gegenwärtigen Megatrends (Globalisierung, Digitalisierung etc.) gesehen, da diese hauptsächlich auf dem Prinzip der Vernetzung beruhen. Die hohe Anzahl an Publikationen, in denen die Wichtigkeit von Vernetzung, Netzwerken und dergleichen für Management und Unternehmensführung betont wird, stützen diese Ansicht. Es stellt sich allerdings die Frage, inwiefern sich diese Mechanismen übertragen lassen. Intuitive Entscheidungen sind auch eine sehr persönliche Angelegenheit und diese persönliche Komponente passt möglicherweise gar nicht so gut mit der Vernetzungskomponente zusammen. Auch möchten Manager/innen diese persönliche Komponente möglicherweise für sich behalten und nicht über die Vernetzung teilen. Die förderlichen und hinderlichen Auswirkungen verschiedener Intentionsausrichtungen werden ebenso postuliert, wie der Verzicht auf Intention zugunsten von Vertrauen und die Verwendung der Intention als direkten Ansatzpunkt für die Legitimation. Dies wirkt auf den ersten Blick widersprüchlich, da für jede Ausrichtung verschiedene Konsequenzen beschrieben werden.

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Der Widerspruch wird damit gerechtfertigt, dass alle Ausrichtungen und Konsequenzen in verschiedenen Entscheidungen vorkommen können, wenn auch nicht gleichzeitig in einer Entscheidung. In diesem Fall gibt es also kein richtig oder falsch. Jede Ausrichtung wird eine wie auch immer geartete Konsequenz haben oder auch nicht. Welcher Ausrichtung zu folgen ist, bleibt dabei den Entscheider/innen überlassen. Ob einige Ausrichtungen häufiger vorkommen, bleibt ebenfalls offen. In jedem Fall ist für den Nachhaltigkeitsbezug insbesondere die holistische Ausprägung interessant. In welch reiner Form diese in der Realität vorkommen, bleibt fraglich. Ebenso ob Intuition die Entscheidungen und Entscheidungsträger/innen über holistische Intentionen näher an das Thema Nachhaltigkeit heranholt oder ob das Thema Nachhaltigkeit und der holistische Aspekt durch eine inflationäre Verwendung der Intuition unter dem Deckmantel holistischer Intention eher vom Ursprung des Nachhaltigkeitsverständnisses entfernt werden. Am Ende könnte es sein, dass holistische Intention und Nachhaltigkeit lediglich als Worthülsen verbleiben, während intuitiv sehr unnachhaltige Entscheidungen getroffen werden. In diesem Fall würde die Legitimation der Intuition sogar eine Gefahr für die nachhaltige Entwicklung darstellen. Jener Part, der sich mit Nachhaltigkeit und holistischer Intention beschäftigt, postuliert gewisse Ansätze zur Transformation hin zu einem holistischen Systemzustand. Ebenso wie die Erklärungen zu den anderen Bestandteilen des Möglichkeitsraums, sind auch diese Erklärungen lediglich Möglichkeiten. Es handelt sich allerdings um nachvollziehbar gewählte und schlüssige Erklärungen, auch wenn diese Erklärungen wiederum teilweise selbst auf Theorien beruhen. Trotz aller theoretischen Erklärungen ist der ‘Transformation-zum-Holismus-Part’ der bei weitem am schwierigsten in die Praxis übertragbare Part des kompletten Bezugsrahmens. Eine beschriebene Transformation ist sehr komplex und die damit verbundenen Konsequenzen sind äußerst weitreichend. Auch wenn die Transformation aus Nachhaltigkeitssicht sehr wünschenswert ist, existiert eine Vielzahl von Kräften, die dieser Transformation entgegenwirken. Auf diese Kräfte wurde im Möglichkeitsraum nur am Rande eingegangen. Auch fehlt der auslösende Aspekt für diese Transformation. Hierbei handelt es sich vorwiegend um Ansätze, welche von den einzelnen Systembestandteilen (sprich den Teilnehmer/innen im Wirtschaftssystem) umzusetzen sind.3 Es wird allerdings kein systemischer

3Mögliche

Veränderungsimpulse könnten bspw. in der irreversiblen Erschöpfung systemkritischer Ressourcenquellen begründet sein oder in einer übergreifenden zivilgesellschaftlichen Gegenbewegung (wie bspw. Fridays for Future) diesbezüglich.

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Veränderungsimpuls explizit sichtbar, welcher im System den Veränderungsimpuls auslöst. Von daher stellt sich die Frage, wie hilfreich es ist, zu wissen, wie die Transformation sich vollziehen könnte und welche Komponenten sich dazu in welche Richtung bewegen müssten, ohne zu wissen, wie dieser Prozess anzustoßen ist. Wie sich in der Weltgeschichte zeigte, ist das gegenwärtige, höchst instabile System sehr langlebig und gegen tiefgreifende Transformationen resistent. Ohne eine entsprechende Initiation wird vermutlich keine Bewegung zustande kommen. Ein weiteres diskussionswürdiges Postulat ist die Anbindung des intuitiven Entscheidungsprozesses an die Zeit. Dies erfolgt im gewählten Bild durch die Präsenz und den Geistesblitz. Hinzu kommen die beiden Komponenten Chronos (das Vergehen der Zeit, aber auch die aus der Zeit resultierende Erfahrung) sowie Kairos (der richtige Augenblick). All diese zeitlichen Komponenten spielen eine wichtige Rolle für den Erfolg der intuitiven Entscheidung. Es kommt allerdings auch die Frage auf, inwiefern diese schwer greifbaren Konstrukte sich im Endeffekt durch die genannten Indikatoren oder die entsprechende Geisteshaltung beeinflussen lassen. Möglicherweise handelt es sich auch hier wieder um Faktoren, die mit der Intuition einhergehen, energetisch aber viel stärker von der Intuitionsseite beeinflusst werden als umgekehrt. Das Postulat impliziter Intuitionstheorien und individueller Intuitionstendenzen verbindet die Vertrauenskomponente mit dem Intuitionsphänomen. Möglicherweise handelt es sich hierbei um die bedeutendste Aussage der gesamten Arbeit. Dieses Postulat fügt den gängigen Erklärungen der psychologischen Mechanismen intuitiver Entscheidungen eine neue bisher so nicht formulierte Erkenntnis hinzu. Damit erweitert sich das Verständnis des Forschungsfeldes auf sehr konkrete Weise und ein bisher verborgener Teil des Intuitionsphänomens wird beleuchtet. Erfahrungen aus der differenziellen Psychologie legen die Existenz impliziter Theorien und individueller Tendenzen in vielen verschiedenen Bereichen nahe. Von daher ist es ein logischer Schritt, in Erwägung zu ziehen, diese Prinzipien auf die psychologischen Hintergründe des Intuitionsphänomens zu übertragen. Unterstützt wird diese Annahme von der engen Verbindung zwischen den beiden Konstrukten Intuition und Vertrauen, wie es in der Interpretation der Daten und in der Literatur ersichtlich wurde. Die beiden Konstrukte weisen eine starke Ähnlichkeit hinsichtlich des Aufbaus, der Bestandteile und der Wirkungen auf. Unterstützt wurde dieses Postulat auch von den Selbsteinschätzungen der Teilnehmer/innen der Online-Befragung. Von daher erscheint das Postulat einigermaßen plausibel. Die Existenz impliziter Intuitionstheorien und individueller Intuitionstendenzen bietet weitere veränderliche Faktoren, die

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Einfluss auf die individuelle Intuitionskompetenz ausüben können. Allerdings ist in dem Zusammenhang auch eine sehr wichtige Grenze zu thematisieren. Sollte das Vertrauen in die prinzipielle Sinnhaftigkeit von Intuition und in die eigenen intuitiven Fähigkeiten tatsächlich zu einem besseren Zugang zur Intuition führen, so ist dabei zu beachten, dass es sich nicht um das Prinzip der Autosuggestion handelt, sondern eher um eine gesteigerte Gelassenheit oder Achtsamkeit im Umgang mit der Intuition. Das Prinzip der Autosuggestion bringt ein Dilemma mit sich, wie es bspw. auch im Schamanismus, bei Seminaren zur Steigerung des Selbstbewusstseins oder bei Wunderheilungen auftritt. Es darf nicht davon ausgegangen werden, dass der reine Glaube an die eigenen Fähigkeiten diese auch in dem Umfang steigern kann, dass sich ein Erfolg in jedem Fall einstellen muss und andernfalls einfach nicht stark genug an die eigenen Fähigkeiten geglaubt wurde. Auch wenn ein Glaube an die eigenen Fähigkeiten hilfreich sein kann, so existieren doch weiterhin begrenzende Naturgesetze und zahlreiche andere hinderliche Faktoren. ‘Sky’ ist nicht immer ‘the limit’, sondern allzu häufig limitieren viel profanere Faktoren den eigenen Erfolg. Weiterführend gilt es, die Bedingungen dieser interindividuellen Merkmalsdifferenzen hinsichtlich der Intuition zu untersuchen, um herauszufinden, wie dafür Sorge getragen werden kann, die begrenzten positiven Effekte der Vertrauenskomponenten zu nutzen und um zu überprüfen, ob die Vertrauenskomponenten wirklich in der beschriebenen Art und Weise zusammenwirken. Bei der Auseinandersetzung mit den Ergebnissen ist es besonders wichtig, zwischen Korrelation und Kausalität zu unterscheiden. Die genannten Thesen beruhen alle auf dem gleichzeitigen Vorhandensein verschiedener Faktoren. Viele Thesen postulieren aber auch einen positiven oder negativen Effekt für den intuitiven Entscheidungsprozess. Das Vorhandensein bestimmter Faktoren (stets neben anderen Faktoren, die nicht genannt werden oder bekannt sind) wirkt sich also in irgendeiner Form aus. Bei den Ergebnissen, welche in prototypischen Konstellationen formuliert sind, geht es nicht um eine bestimmte angenommene Wirkung, sondern lediglich um die Feststellung, dass bestimmte Konstellationen vermehrt vorkommen. Ob daraus eine Regelmäßigkeit oder Gesetzmäßigkeit abgeleitet werden kann, ist noch zu überprüfen. Auch ist bezüglich der Ergebnisse allgemein noch einmal auf die Rolle der Gruppe im Managemententscheidungsprozess zu verweisen. All die genannten Ergebnisse schließen das individuelle Verhalten in Gruppenentscheidungen mit ein oder berücksichtigen explizite Gruppenprozesse (bspw. Vernetzung, Kollektivität etc.). Eine explizite Untersuchung des Aushandlungsprozesses, wie gemeinsam in einer Gruppe die Intuition in beim Treffen von Managemententscheidungen zum Ausdruck gebracht wird, erfolgte allerdings nicht. Hieraus ergibt sich der zusätzliche

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Bedarf für nachfolgende Forschungsarbeiten, bspw. Alleinstellungsmerkmale von Gruppenintuition in Managemententscheidungen zu untersuchen. Aus den vielen eher theoretischen Erkenntnissen und modellhaften Ordnungsangeboten lassen sich aber auch einige konkrete Implikationen für Manager/innen ableiten. Diese Empfehlungen sollen hier noch einmal in aller Kürze wiedergegeben werden: • Es existiert kein Fahrplan für eine gelingende intuitive Managemententscheidung. • Bringen Sie Ihre persönliche Kombination von personalen und situationellen Einflussfaktoren in den Möglichkeitsraum ein. • Seien Sie achtsam für eigene Emotionen und die Signale der Intuition. • Beschäftigen Sie sich mit einem Thema von Interesse und nutzen Sie die kreative Kraft eines Ortswechsels. • Machen Sie sich die Hintergründe der Intention ihrer Entscheidungen bewusst. • Geben Sie intuitiven Entscheidungen einen Vertrauensvorschuss und einen Legitimationsvorschuss. • Nutzen Sie die kreative Kraft der globalen digitalen Vernetzung. Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass, auch wenn vieles darauf hindeutet, dass die in dieser Arbeit beschriebenen Mechanismen intuitiver Managemententscheidungen in dieser Form auch in der realen Welt vorliegen, an dieser Stelle auch noch einmal auf eines der wichtigsten Systemgesetze verwiesen werden soll: Es könnte aber auch alles ganz anders sein. Was können wir mitnehmen? • Aus den interpretierten Daten ließen sich 17 Thesen gewinnen. – Übergeordnete Mechanismen in diesen Thesen sind ‘Vertrauen’, ‘Intention’ und ‘Vernetzung’. • Die 10 ermittelten prototypischen Konstellationen wurden ebenfalls in Form einer These zusammengefasst. – Die am häufigsten vertretenen Faktoren sind der persönliche Bezug zur Entscheidung sowie der persönliche Einfluss auf den Entscheidungsprozess. • Die generierten Thesen ließen sich zum Bezugsrahmen des hashtagförmigen Möglichkeitsraums ‘intuitiver Management-Spannungsfelder’ verdichten. Die folgenden Bullet Points stellen die wichtigsten Erkenntnisse dieses Möglichkeitsraums zusammen.

6.4  Diskussion der Entstandenen Ergebnisse

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• Die Spannungsfelder, in denen intuitive Managemententscheidungen getroffen werden, bilden die Form eines Hashtags. • Intuitive Managemententscheidungen werden nach dem ‘dynamischen ­Eisberg-Modell’ getroffen. • der vorbereitete Geist ist das Medium, welches alle Faktoren im hashtagförmigen Möglichkeitsraum miteinander verbindet. • Symbolsprache könnte eine Ausdrucksform sein, um die Vorbereitung des Geistes transparenter zu machen. • Die Mechanismen der Vernetzung im intuitiven Managemententscheidungsprozess lässt sich im Vernetzungsmodell intuitiver Managemententscheidungen zusammenfassen. – Eine positive Unternehmenskultur mit gemeinsamen Werten und Vertrauen können die Vernetzung förderlich gestalten und Legitimität ermöglichen. • Je nach Intentionsausrichtung wirken im Spannungsraum andere förderliche oder hinderliche Potentiale. – Die Intention gibt dem intuitiven Entscheidungsprozess eine Richtung. Eine starke Intention kann zu einem Intentionsüberlegenheitseffekt führen, welcher sich positiv auswirken kann. – Die egoistische Intention geht mit wenigen klar definierten Bedürfnissen und nach innen gerichteter Achtsamkeit einher, was die Entscheidungsfindung erleichtert. – Die altruistische Intention hat einen starken Bezug zum vorbereiteten Geist mit Leichtigkeit und Positivismus. – Die holistische Intention kombiniert bei der Vorbereitung des Geistes die Potentiale egoistischer und altruistischer Komponenten. Für holistische Intentionen bedarf es der Transformation vom Managementstrukturen und Wirtschaftssystem. – Intention kann überwunden und durch Vertrauen (Vertrauen auf die inneren, unbewussten Prozesse, Vertrauen in die eigenen intuitiven Fähigkeiten, Vertrauen ins Umfeld und den Zeitpunkt) ersetzt werden. – Vertrauen in die Intuition setzt sich aus den impliziten Intuitionstheorien (bereichsspezifische, normative Erwartung an potentiellen Erfolg von Intuition, etc.) und den Intuitionstendenzen (bereichsspezifische, subjektive Überzeugung, dass Intuition prinzipiell realisierbar und sinnvoll ist) zusammen. – Für intuitives Timing sind die Komponenten Chronos (das Vergehen der Zeit, aber auch die aus der Zeit resultierende Erfahrung) sowie Kairos (der richtige Augenblick) miteinander zu verbinden.

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– Die Kenntnis der zugrunde liegenden Intention ist auch ein direkter Ansatzpunkt für die Legitimation von intuitiven Managemententscheidungen. • Ein Legitimationsvorschuss für intuitiv getroffene Managemententscheidungen anderer Stakeholder kann gemeinsame Werte geschaffen und weiteres Vertrauen und auch Legitimität im gesamten System entstehen lassen. • Stagnation kann mit Stille und Ruhe (bspw. Meditation) begegnet werden. • Die Kombination aus Präsenz und holistischer Intention ermöglichen es, Musterbrüche wahrzunehmen, was wiederum die Intuition begünstigt. • Es existieren zwei Arten von Geistesblitzen, ein eher rationaler und ein eher emotionaler. • Jede These und die verschiedenen Bereiche im Bezugsrahmen bieten unterschiedliche Ansatzpunkte für die verschiedenen Entscheidungstypen ‘Jetzt-fürjetzt-für-selbst-Entscheidungen’, ‘Jetzt-für-jetzt-für-andere-Entscheidungen’, ‘Jetzt-für-dann-für-selbst-Entscheidungen’ und ‘Jetzt-für-dann-für-andere-Entscheidungen’. • Es könnte aber auch alles ganz anders sein.

Quellen

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