Interessenausgleich und Sozialplan unter Berücksichtigung der besonderen Probleme bei der Privatisierung und Sanierung von Betrieben in den neuen Bundesländern [1 ed.] 9783428481118, 9783428081110

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Interessenausgleich und Sozialplan unter Berücksichtigung der besonderen Probleme bei der Privatisierung und Sanierung von Betrieben in den neuen Bundesländern [1 ed.]
 9783428481118, 9783428081110

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Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 130

Interessenausgleich und Sozialplan unter Berücksichtigung der besonderen Probleme bei der Privatisierung und Sanierung von Betrieben in den neuen Bundesländern

Von

Sebastian Biedenkopf

Duncker & Humblot · Berlin

SEBASTIAN

BIEDENKOPF

Interessenausgleich und Sozialplan unter Berücksichtigung der besonderen Probleme bei der Privatisierung und Sanierung von Betrieben in den neuen Bundesländern

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 130

Interessenausgleich und Sozialplan unter Berücksichtigung der besonderen Probleme bei der Privatisierung und Sanierung von Betrieben in den neuen Bundesländern

Von Sebastian Biedenkopf

Duncker & Humblot - Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Biedenkopf, Sebastian: Interessenausgleich und Sozialplan unter Berücksichtigung der besonderen Probleme bei der Privatisierung und Sanierung von Betrieben in den neuen Bundesländern / von Sebastian Biedenkopf. - Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht ; Bd. 130) Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss., 1993 ISBN 3-428-08111-0 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-08111-0

Vorwort Diese Arbeit wurde im Sommersemester 1993 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind bis Juni 1993 berücksichtigt. Angeregt und betreut hat die Arbeit Herr Professor Dr. Klaus Adomeit. Hierfür möchte ich ihm ebenso danken wie für sein großes Interesse und die Unterstützung, die mir durch ihn zuteil geworden ist. Danken möchte ich auch all denjenigen, die mir beim Erstellen dieser Arbeit mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben. Berlin, im März 1994

Sebastian Biedenkopf

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

17

Α . Rechtliche und wirtschaftliche Ausgangstage

19

I. Die rechtliche Ausgangslage

19

1. Das Arbeitsrecht der DDR

19

2. Der Erste Staatsvertrag

20

3. Der Einigungsvertrag

21

II. Die wirtschaftliche Ausgangslage

22

1. Die Entwicklung bis 1990

22

a) Systemmängel

22

b) Geringe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit

23

c) Der Arbeitsmarkt 2. Die Entwicklung seit 1990

24 25

a) Allgemein

25

b) Der Arbeitsmarkt

26

c) Tarifentwicklung und Tarifkonflikt

27

3. Fazit B. Unterrichtung?- und Beratungspflichten im Fall von Betriebsänderungen

I. Der sachliche Geltungsbereich von § 111 BetrVG

28 29

29

1. Betriebs- und Unternehmensbegriff

29

2. Treuhandbetriebe als Betriebe im Sinne von § 130 BetrVG ?

30

3. Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats

31

a) Die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für Betriebe ohne Betriebsrat.

32

b) Die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für Betriebe mit fünf bis zwanzig Arbeitnehmern

33

c) Ergebnis

35

8

nsverzeichnis

4. Begriff des Arbeitnehmers

36

5. Das Übergangsmandat des Betriebsrats im Zuge der Entflechtung

37

a) Die Entstehung des Übergangsmandats

37

b) Umfang des Übergangsmandats

38

c) Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats

40

6. Vorhandensein eines Betriebsrats

40

a) Maßgeblicher Zeitpunkt

41

b) Übergangsbetriebsräte nach dem Einigungsvertrag

42

aa) Das Übergangsmandat

42

bb) Die Amtszeit des Übergangsbetriebsrats

43

II. Der Regelungsbereich von § 111 BetrVG 1. Betriebsänderung a) Verhältnis von § 111 Satz 1 BetrVG zu Satz 2

46 46 46

aa) Meinungsstand

46

bb) Stellungnahme

47

cc) Ergebnis

49

b) Die Umwandlung als Betriebsänderung ?

49

c) Betriebsübergang als Betriebsänderung ?

50

aa) Meinungsstand

51

bb) Stellungnahme

51

cc) Das Verhältnis von § 613a BGB zu den §§ 111 ff. BetrVG

51

dd) Der Betriebsübergang als Betriebsänderung im Sinne von § 111 S. 2 BetrVG?

53

ee) Der Betriebsübergang als Betriebsänderung im Sinne von § 111 S. 1 BetrVG?

54

(1) Der Begriff der Betriebsänderung

54

(2) Die Möglichkeit wesentlicher Nachteile als weitere Voraussetzung

56

ff) Zwischenergebnis

57

gg) Privatisierung durch Anteilsverkauf als Betriebsänderung ?

57

hh) Ergebnis

58

d) Unternehmensspaltung und -entflechtung als Betriebsänderung ?

58

e) Abbau von Betriebseinrichtungen als Betriebsänderung ?

59

f) Personalabbau als Betriebsänderung ?

60

aa) § 112a Abs. 1 BetrVG

60

bb) Die Meßlatte des § 17 Abs. 1 KSchG

61

nsverzeichnis

cc) Ergebnis

9

61

g) Kurzarbeit Null als Betriebsänderung ?

62

h) Der Wechsel von Arbeitnehmern in Beschäftigungsgesellschaften als Betriebsänderung ?

64

i) Gesamtvollstreckung als Betriebsänderung?

64

aa) Die Regelung der Unternehmensinsolvenz im Beitrittsgebiet

64

bb) Der Konkursantrag als Betriebsänderung ?

65

cc) Ergebnis 2. Wesentliche Nachteile

67 67

a) Tatbestand

68

b) Einzelfälle

70

aa) Betriebsübergang bb) Spaltung und Entflechtung cc) Weitere Fälle 3. Planung der Betriebsänderung

70 70 71 71

a) Die Rechtsprechung des BAG

72

b) Die Meinung in der Lehre

72

c) Wortlaut

72

d) Entstehungsgeschichte

73

e) "Sozialer Schutzzweck"

74

f) Gesetzessystematik

74

g) Gesetzeszweck

76

h) Ergebnis

77

4. Planung und Transformation a) Auftrag und Arbeit der Treuhandanstalt

78 79

b) Die der Treuhandanstalt zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel

81

c) Die Kollision mit der Betriebsverfassung

81

d) Zulässigkeit der Einschränkung des Betriebsverfassungsgesetzes ?

82

e) Analogie zu § 118 Abs. 1 BetrVG ?

83

aa) Die Regelung des § 118 Abs. 1 BetrVG

84

bb) Zur Analogiefähigkeit des § 118 Abs. 1 BetrVG

84

cc) Der Gesetzeszweck des § 118 Abs. 1 BetrVG

85

dd) Fehlende Grundrechtsautonomie der Treuhandanstalt d) Ergebnis

86 86

10

nsverzeichnis

C. Interessen- und Nachteilsausgleich

I. Der Interessenausgleich 1. Die Stellung des Interessenausgleichs in der Systematik der § § 111 -113 BetrVG

87

87 87

2. Voraussetzungen des Interessenausgleichs

88

3. Inhalt des Interessenausgleichs

89

4. Das Fehlen planerischer Alternativen im Beitrittsgebiet

89

5. Das Fehlen des klassischen Interessenkonflikts II. Der Nachteilsausgleich 1. Der Tatbestand des Nachteilsausgleichs 2. Anforderungen an den Versuch eines Interessenausgleichs a) Meinungsstand b) Wortlaut und Teleologie des § 113 BetrVG c) Die Mißbrauchsgefahr

90 91 91 92 92 92 93

d) Schutz der Unternehmensautonomie

94

e) Ergebnis

95

3. Kein Nachteilsausgleich bei Unterlassung aus zwingendem Grund ?

95

4. Abweichung von einem Interessenausgleich aus zwingendem Grund

96

D. Der Sozialplan

I. Der Anwendungsbereich von § 112a Abs. 2 BetrVG 1. Die Umwandlung als Neugründung im Sinne von § 112a Abs. 2 BetrVG ?

99

99 99

a) Meinungsstand

99

b) Umwandlung als rechtliche Umstrukturierung ?

100

c) § 112a Abs. 2 BetrVG analog ? d) Ergebnis 2. Die Entflechtung als Neugründung im Sinne von § 112a Abs. 2 BetrVG ? 3. Privatisierung als Neugründung im Sinne von § 112a Abs. 2 BetrVG ?

101 103 103 104

a) Übertragung auf ein bestehendes Unternehmen

104

b) Übertragung auf ein neugegründetes Unternehmen

106

aa) Meinungsstand bb) Wortlaut des § 112a Abs. 2 Satz 1 BetrVG

106 107

cc) Gesetzeszweck

107

dd) Widerspruch zu § 613a BGB ?

108

nsverzeichnis

ee) Neugründung im Konzern c) Ergebnis 4. Beschäftigungsgesellschaften als Neugründungen im Sinne von § 112 a Abs. 2 BetrVG? 5. Die Reprivatisierung als Neugründung im Sinne von § 112a Abs. 2 BetrVG ?

11

109 110 111 113

a) Formen der Rückübertragung

113

b) Zwischenergebnis

114

c) Kritik

114

d) Analoge Anwendung des § 112a Abs. 2 BetrVG e) Ergebnis II. Der persönliche Geltungsbereich des Sozialplans

115 117 117

1. Arbeitnehmer

117

2. Leitende Angestellte

118

III. Das Sozialplanvolumen

119

1. Die Stellung des Sozialplans in der Systematik der §§ 111 -113 BetrVG 2. Abfindungsbedarf. a) Sozialplanzweck aa) Diskussionsstand

120 121 122 122

bb) Wortlaut

124

cc) Entstehungsgeschichte

125

dd) Gesetzessystematik

126

ee) Stellungnahme

128

(1) Betriebsverfassungsrechtliche Erklärung

128

(2) ökonomische Erklärung

129

(3) Ergebnis

131

b) Wirtschaftlicher Nachteil

131

aa) Tatsächliche wirtschaftliche Nachteile

131

bb) Zulässigkeit und Notwendigkeit der Pauschalierung

132

cc) Ergebnis 3. Wirtschaftliche Vertretbarkeit a) "Wirtschaftliche Vertretbarkeit" für wen ? aa) Die verbleibenden Arbeitnehmer bb) Eigentümer (1) Wortlaut

132 133 134 134 135 135

nsverzeichnis

12

(2) Gesetzessystematik

136

(3) Art 14 Abs. 1 GG

137

(4) Ökonomische Betrachtung

137

(5) Ergebnis

138

cc) Gläubiger

139

b) § 113 BetrVG als Obergrenze für Sozialplanansprüche ? c) Wirtschaftliche Vertetbarkeit und Unternehmensinsolvenz

139 140

aa) SozplKonkG

141

bb) Gesamtvollstreckungsordnung

142

d) Ergebnis

143

4. Mögliche Faktoren zur Ermittlung der "wirtschaftlichen Vertretbarkeit"

143

a) Der mit der Betriebsänderung verbundene wirtschaftliche Vorteil für das Unternehmen

143

b) Sozialplanerhöhende Faktoren

144

c) Sozialplanmindernde Faktoren

145

IV. Das Sozialplanvolumen in Treuhandunternehmen

145

1. Das zugrundezulegende Vermögen

145

a) Unternehmen Treuhandanstalt als Bezugsgröße ?

146

aa) Treuhandanstalt und Konzemrecht

147

bb) Kein Bemessungsdurchgriff ohne Haftungsdurchgriff.

147

cc) Das Fehlen konzemtypischer Risiken dd) Ergebnis

148 ;

b) Die zu berücksichtigenden Vermögenswerte 2. Leistungen der Treuhandanstalt als sozialplanmindernder Faktor

149 149 150

a) Arten der Leistungen

150

b) Leistungen der Treuhandanstalt als Subventionen

151

aa) Subventionsbegriff

152

bb) Subsumtion

153

cc) Ergebnis

154

c) Leistungen der Treuhandanstalt und Untemehmensinsolvenz V. Die Sozialplanpraxis der Treuhandanstalt

154 155

1. Mangelnde Berücksichtigung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit von Sozialplänen in den Treuhandunternehmen

155

2. Tarifvertragliche Regelung

156

nsverzeichnis

13

3. Die gemeinsame Erklärung.

157

4. Treuhandrichtlinie zu Sozialplänen

158

5. DieZweckzuwendung

159

a) Das Gebot der Gerechtigkeit

160

b) Die Begrenzung der Sozialplanansprüche

161

6. Kritik

162

a) Eingriff in die Betriebsautonomie ?

162

b) Aushebelung der Steuerungsfunktion

163

c) Mangelnde Gleichbehandlung von Arbeitnehmern in Betrieben mit weniger als 21 Arbeitnehmern

163

d) Die RückZahlungsverpflichtung

164

e) Der falsche Mitteleinsatz

165

f) Mögliche Alternativen

166

E. Ergebnisse

167

Literaturverzeichnis

171

Abkürzungsverzeichnis a. Α. a.a.O.

anderer Ansicht am angegebenen Ort

AB1EG

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen

ABM Abs. AFG AG AGB AiB AktG Anm. AO AP ArbuR Art.

Absatz Arbeitsförderungsgesetz Aktiengesellschaft Arbeitsgesetzbuch (DDR) Arbeitsrecht im Betrieb Aktiengesetz Anmerkung Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis Arbeit und Recht Artikel

AuA BAG

Arbeit und Arbeitsrecht Bundesarbeitsgericht

BAGE BB Beil. BeschFG BetrAVG

Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts

BetrVG

Der Betriebs-Berater Beilage Beschäftigungsförderungsgesetz Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Betriebsverfassungsgesetz

BGB BGBl. BGL

Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Betriebsgewerkschaftsleitung (DDR)

BGO

Betriebsgewerkschaftsorganisation (DDR)

BPersVG BR-Drucks. BT-Dnicks.

Bundespersonalvertretungsgesetz Drucksache des Deutschen Bundesrates Drucksache des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht

BVerfG BVerfGE bzw. DAG

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise Deutsche Angestellten Gewerkschaft

Abkürzungsverzeichnis

DB DDR ders. DGB DM DMBilG

Der Betrieb Deutsche Demokratische Republik derselbe Deutscher Gewerkschaftsbund Deutsche Mark D-Markbilanzgesetz

Dok. DtZ DWiR EG EGAktG EGBGB EVtr

Dokumentation Deutsch-deutsche Rechts-Zeitschrift Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Gemeinschaften Einführungsgesetz zum Aktiengesetz Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einigungsvertrag

EzA f. FDGB ff. Fn GBl. GesO GG GK

Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht folgende (Seite) Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (DDR) folgende (Seiten) Fußnote Gesetzblatt (DDR) Gesamtvollstreckungsordnung (DDR) Grundgesetz Gemeinschaftskommentar Betriebsverfassungsgesetz

GmbH GmbHG GPH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gesellschaft zur Privatisierung des Handels mbH

h.M. HO i.S.v. i.V.m. KO KreisG

herrschende Meinung Handelsorganisation (DDR) im Sinne von in Verbindung mit Konkursordnung Kreisgericht

KSchG LAG LAGE Mio.

Kündigungsschutzgesetz Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Million(en)

Mrd.

Milliarde(n)

m.w.N. NJW Nr. NZA RdA RegEntwurf

mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Recht der Arbeit Regierungsentwurf

Rn

Randnummer

15

Abkürzungsverzeichnis

16 RWS S. SED SGB s.o. SozPIKonkG SpTrUG st StGB s.u. SystDarst Tab. THA TreuhG u. VEB VermG VermRÄndG vgl. VIΖ WO z.B. ZfA ZGR ZIP ZPO

Recht Wirtschaft Steuern Satz / Seite Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Sozialgesetzbuch siehe oben Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren Gesetz über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen ständige Strafgesetzbuch siehe unten Systematische Darstellung Tabelle Treuhandanstalt Treuhandgesetz und Volkseigener Betrieb (DDR) Vermögensgesetz Vermögensrechtsänderungsgesetz vergleiche Zeitschrift für Vermögens- und Investitionsrecht Wahlordnung zum Beispiel Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozeßordnung

Einleitung "Mehr noch als für das in einem langen geschichtlichen Prozeß entstandene Bürgerliche Recht gilt für das Arbeitsrecht, daß es aus der Natur der Verhältnisse, aus den ökonomischen, sozialen und historischen Verhältnissen entsteht, und daß nicht umgekehrt das Arbeitsrecht diese Verhältnisse schafft" ^.

Mit dem Beitritt der DDR und der Herstellung der Rechtseinheit am 3. Oktober 1990 ist das westdeutsche Arbeitsrecht in ganz wesentlichen Teilen in den neuen Bundesländer in Kraft gesetzt worden. Es ist damit auf Verhältnisse übertragen worden, die denen, aus welchen es hervorgegangen ist, in keiner Weise entsprechen. Anders als in Ehmanns Darstellung des Verhältnisses von Recht und Wirklichkeit hat die Einführung des westdeutschen Arbeitsrechts insbesondere des Tarifrechts und -systems - rechtliche und ökonomische Daten gesetzt, die einen dramatischen Rückgang der industriellen Produktion nach sich zogen. Diese Übertragung des Modells "Westdeutschland" auf die von einer Struktur- und Anpassungskrise gezeichnete Wirtschaft der neuen Bundesländer fuhrt gleichzeitig zu einer Vielzahl von Anwendungsproblemen und damit verbundenen neuen Rechtsfragen. Für den Bereich der betrieblichen Mitbestimmung bei Betriebsänderungen soll deren Beantwortung Gegenstand dieser Arbeit sein. Die Privatisierung und Sanierung der ehemals staatlichen Betriebe erfolgte und erfolgt in allen bekanntgewordenen Fällen in Form von Betriebsänderungen, deren Planung und Durchführung auch in den neuen Bundesländern die im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehenen Rechte der Arbeitnehmer auslöst. Aus diesem Grunde sind dort die §§ 111 - 113 BetrVG von großer praktischer Bedeutung. Unabhängig von der Ausnahmesituation in den neuen Bundesländern muß dabei auf eine Reihe nach wie vor umstrittener Fragen im Zusammenhang mit der Mitbestimmung bei Betriebsänderungen eingangen werden, deren Beantwortung allgemein von Interesse ist. Gleichzeitig wird versucht - quasi mit

1 Ehmann, Der Sozialplan - Verwandler des ganzen Arbeitsrechts, Festschrift für Hermann Weitnauer, S. 52. 2 Biedenkopf

18

Einleitung

Hilfe des "Brennglases" Beitrittsgebiet - die Instrumente des §§ I I I - 113 BetrVG in einen sinnvollen Zusammenhang zu stellen - und zwar mit einer Akzentverschiebung weg vom bisher im Vordergrund stehenden Sozialplan hin zu den Informations- und Beratungsrechten und dem daran anknüpfenden Interessenausgleich. Letztlich wird auch versucht, Lösungen fur die Widersprüche anzubieten, die entstehen, wenn Normen einer Wirklichkeit übergestülpt werden, für die sie nicht erdacht wurden. In ihrem Gang orientiert sich die Arbeit an dem Aufbau der § § 1 1 1 - 1 1 3 BetrVG. Nach einer kurzen Beschreibung der rechtlichen und ökonomischen Ausgangslage werden die Tatbestandsvoraussetzungen für das Entstehen der Unterrichtungs- und Beratungspflichten des § 111 BetrVG untersucht. Dabei steht der Begriff der Betriebsänderung im Mittelpunkt. Anschließend wird auf Interessen- und Nachteilsausgleich eingegangen. Daran schließt sich eine Untersuchung von Voraussetzungen und Inhalt des Sozialplans an, dessen Bedeutung in der Praxis bekanntlich am größten ist. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Frage nach der Anwendbarkeit des Sozialplanprivilegs in § 112a Abs. 2 BetrVG sowie der wirtschaftlichen Vertretbarkeit von Sozialplänen im Hinblick auf die schlechte wirtschaftliche Lage der Betriebe in den neuen Ländern. Abschließend wird die Sozialplanpraxis der Treuhandanstalt dargestellt und kritisch gewürdigt.

Α. Rechtliche und wirtschaftliche Ausgangslage I. Die rechtliche Ausgangslage 1. Das Arbeitsrecht der DDR

Die Wirtschaftsverfassung der DDR war von staatlichem Eigentum geprägt. Die Wirtschaft wurde durch umfassende Planvorgaben vom Staat gelenkt, dem Staat oblag die Verteilung und Verwendimg der Produktionsfaktoren und des Sozialprodukts. Dadurch fehlte jede Form von Wettbewerb. Die Betriebe hatten keine eigenen ökonomischen Interessen. Dafür oblag den Betrieben die Erfüllung weitgehender sozialer Aufgaben 1 . Anders als das Grundgesetz sah die Verfassung der DDR in Art. 24 ein Recht auf Arbeit vor. Dieses wurde durch staatliche Lenkung und durch entsprechende Regelungen des Arbeitsrechts realisiert. Im Anschluß an das Gesetz der Arbeit 2 vom 1. Mai 1950 und an das Gesetzbuch der Arbeit 3 von 1961 galt seit 1977 das Arbeitsgesetzbuch (AGB) 4 . Auch dort wurde in § 2 Abs. 1 das Recht auf Arbeit garantiert. Dementsprechend enthielt das AGB kein echtes Kündigungsrecht. Nach § 54 AGB konnte der Arbeitsvertrag, der zwischen dem Werktätigen und dem Betrieb geschlossen worden war (§ 38 Abs. 1 AGB), nur dann gelöst werden, wenn der Betrieb dem Arbeitnehmer einen Ersatzarbeitsplatz verschaffte5. In der Rechtswirklichkeit spielten die Beschlüsse der SED eine übergeordnete Rolle 6 .

1 Z.B. Erholungsurlaub (§§ 189 ff. AGB), geistig-kulturelles Leben, Körperkultur und Sport (§§223 ff. AGB), soziale Betreuung (§§ 227 ff. AGB), Betreuung der Kinder von Betriebsangehörigen und sozialistische Erziehung der Schuljugend (§§ 233ff. AGB). 2 Gesetz der Arbeit vom 19. 5. 1950 zur Förderung und Pflege der Arbeitskräfte, zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und zur weiteren Verbesserung der materiellen und kulturellen Lage der Arbeiter und Angestellten (GBl. S. 349). 3 Gesetzbuch der Arbeit der DDR vom 12. 4. 1961 (GBl. I, S. 27). 4 Arbeitsgesetzbuch der DDR vom 16. 6. 1977 (GBl. I, S. 186). 5 Zum Kündigungsschutz des AGB: Ondrusch, AiB 90, 92(93); Autorenkollektiv, Arbeitsrecht von A-Z, S. 212. 6 "Die Arbeiterklasse kann ihre welthistorische Mission nur unter Führung ihrer marx leninistischen Partei verwirklichen. (...). Auch die Herausbildung, Durchsetzung und die

20

Α. Rechtliche und wirtschaftliche Ausgangslage

Das kollektive Arbeitsrecht war durch die beherrschende Stellung der staatlich gelenkten Gewerkschaften des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) geprägt. Gemäß § 97 Abs. 2 AGB wurden die Tariflöhne durch den Ministerrat gemeinsam mit dem Bundesvorstand des FDGB festgelegt. Darüber hinaus konnten nach §§ 10, 14 AGB zwischen den Gewerkschaften und den zuständigen staatlichen Organen Rahmenkollektiwerträge geschlossen werden. Solche existierten fiir die gesamte volkseigene Wirtschaft 7 , fur Betriebe "nichtsozialistischer Eigentumsformen" wurden sogenannte Tarifverträge vereinbart 8 . Betriebsräte existierten seit 1948 nicht mehr 9 . Dafür bildeten alle gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer 10 auf betrieblicher Ebene die Betriebsgewerkschaftsorganisation (BGO). Hauptaufgabe der BGO war nach § 22 Abs. 2 AGB die Verwirklichung der "verfassungsmäßigen Rechte" der Gewerkschaften im Betrieb. Entsprechend der Satzung des FDGB wählte die BGO die Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL) 1 1 . Diese konnte mit dem Betriebsleiter Betriebskollektivverträge abschließen, außerdem waren zahlreiche soziale und personelle Maßnahmen des Betriebsleiters von der Zustimmung der BGL abhängig (§ 24 A G B ) 1 2 . Diese starke Stellung der Gewerkschaften versuchte die Regierung Modrow über das Jahr 1989 hinaus zu sichern. Im März 1990 trat ein neues Gewerkschaftsgesetz13 in Kraft. Es gab den Gewerkschaften zum Beispiel ein Gesetzesinitiativrecht und umfassende Mitbestimmungsrechte in den Unternehmen 14 .

2. Der Erste Staatsvertrag

Am 18. Mai 1990 wurde zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR der Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und

kommnung des sozialistischen Rechts vollzieht sich daher stets auf der Grundlage und im der Parteibeschlüsse. Autorenkollektiv, Arbeitsrecht, (1984), S. 33. 7 Merz-Gintschel, BB 91, 1479. 8 Dazu Oetker in Rechtshandbuch, SystDarst III Rn 157; Merz-Gintschel, BB 91, 1479(1480). 9 Dazu Däubler, ArbuR 90, 149(151). 10 Der Organisationsgrad lag bei 95-100 %\Däubler, ArbuR 90, 149(151). 11 In größeren Betrieben gab es daneben noch Abteilungsgewerkschaftsleitungen. 12 Aus diesen Defiziten im kollektiven Arbeitsrecht schließt Adomeit, daß die DDR kein Arbeitsrecht in unserem Sinn hatte, Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, S. 19. 13 Gesetz über die Rechte der Gewerkschaften in der DDR vom 6. 3. 1990, GBl. I, Nr. 15, S. 110. 14 Einzelheiten bei Horn, Das Zivil- und Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet, S. 422.

I. Die rchtliche Ausgangslage

21

Sozialunion 15 geschlossen. Grundlage der Wirtschaftsunion bildete die Soziale Marktwirtschaft (Art. 1 Abs. 3 Satz 1), was die Einführung einer der Sozialen Marktwirtschaft entsprechenden Arbeitsrechtsordnung in der DDR erforderte (Art. 1 Abs. 4 Satz 2). Art. 17 bestimmte deshalb für die DDR die Geltung von Koalitionsfreiheit, Tarifautonomie, Arbeitskampfrecht, Betriebsverfassung, Unternehmensmitbestimmung und Kündigungsschutz. Konkretisiert wurde diese Verpflichtung im Gemeinsmen Vertragsprotokoll über verbindliche Leitsätze und die Anlage I (von der DDR einzuführende bundesdeutsche Rechtsvorschriften) und die Anlage I I (von der DDR aufzuhebende oder zu ändernde eigene Rechtsvorschriften). Für das hier interessierende Betriebsverfassungsrecht bestimmte Art. 3 Satz 2 in Verbindung mit Anlage I die Einführung des Betriebsverfassungsgesetzes. Dem kam die DDR mit dem sogenannten Mantelgesetz 16 , das das Betriebsverfassungsgesetz zum 1. Juli 1990 mit punktuellen Änderungen in Kraft setzte, nach. Das Gewerkschaftsgesetz vom März 1990 wurde gemäß Anlage I I durch das Änderungsgesetz vom 22. Juni 1990 beseitigt.

3. Der Einigungsvertrag

Die unvorhergesehen rasche Entwicklung hin zur deutschen Einheit schränkt die Bedeutung der Regelungen des Ersten Staatsvertrags und ihre Umsetzung durch die DDR stark ein. Art. 8 des Einigungsvertrages, der die Geltung von Bundesrecht in den neuen Bundesländern im ehemaligen Gebiet der DDR einschließlich Berlin-Ost mit Wirksamwerden des Beitritts der DDR anordnet, umfaßt grundsätzlich auch alle bundesdeutschen arbeitsrechtlichen Normen. Diese sind daher in der ehemaligen DDR am 3. Oktober 1990 in Kraft getreten. Ausnahmen enthalten lediglich die Anlagen I (Besondere Bestimmungen zur Überleitung von Bundesrecht) und II (Besondere Bestimmungen für fortgeltendes Recht der D D R ) 1 7 . Eine klare Regelung enthält der Einigungsvertrag für das Tarifvertragsrecht 18 . Danach gelten rechtswirksam abgeschlossene Rahmentarifverträge 15

BGBl. II, S. 537; S. 517 (Zustimmungsgesetz vom 25. 6. 1990). GBl I, S. 357, abgedruckt bei Horn,, RWS Dok. 1, Nr. 1.7. 17 Auf diese wird hier nicht näher eingegangen; ausführlich: Wlotzke/Lorenz, BB 90, Beil. 35, 1(3); Horn, Das Zivil- und Wirtschaftsrecht, S. 424ff.; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, S. 33 ff. 18 EVtr, Anlage I, Kapitel VIII, Sachgebiet A, Abschnitt III Nr. 14; Einzelheiten bei Oetker in Rechtshandbuch, SystDarst III Rn 172; Merz-Gintschel, BB 91, 1479(1482). 16

22

Α. Rechtliche und wirtschaftliche Ausgangslage

auch nach dem 3. Oktober 1990 bis zu ihrer Ablösung durch einen neuen Tarifvertrag fort 1 9 . Besonderheiten im Bereich der Betriebsverfassung ergeben sich nur hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten 20 und der Übergangszeit bis zur erstmaligen Wahl von Betriebsräten 21 . Zumindest in rechtlicher Hinsicht unterscheidet sich damit die Situation in den neuen Bundesländern von der in der alten Bundesrepublik nicht mehr.

I I . Die wirtschaftliche Ausgangslage 1. Die Entwicklung bis 1990

a) Systemmängel Die DDR war 1990 ein an westlichen Maßstäben gemessen veraltetes und zurückgebliebenes Industrieland. Die zentralistische Bürokratie mit ihrem starken Autarkiestreben behinderte den Strukturwandel zugunsten moderner Industrie- und Dienstleistungssektoren. Die meisten Anbieter waren in den Volkswirtschaftsplan eingebundene Monopolisten, es fehlte fast jede Form von Wettbewerb. Der hohe Grad der Verstaatlichung erstickte private unternehmerische Initiative 2 2 . In der DDR dominierte eine im internationalen Vergleich weit überdurchschnittliche Betriebsgröße mit einer überdimensionierten Fertigungstiefe und breite. Während 1950 noch knapp 26.000 Industriebetriebe existierten, ging ihre Zahl bis 1989 auf etwa 3.000 zurück 2 3 . Der Anteil der Arbeitnehmer, die in Betrieben mit mehr als 1000 Beschäftigten arbeiteten, war doppelt so hoch wie in der Bundesrepublik 24 . Ein Management im herkömmlichen Sinne gab es nicht. Zwar arbeiteten zuletzt über 30.000 Personen in den Plankommissio-

19 Zu den damit verbundenen Anwendungsproblemen Hanau/Preis in Das Arbeitsrecht der neuen Bundesländer, I.2., S. 10. 20 EVtr, Anlage I, Kapitel VIII, Sachgebiet A, Abschnitt III Nr. 12a; siehe auch unten Β.1.4. 21 EVtr, Anlage I, Kapitel VIII, Sachgebiet A, Abschnitt III Nr. 12b; Anlage II, Kapitel VIII, Sachgebiet A, Abschnitt III Nr. 4; siehe auch unten B.1.6. b). 22 1989 befanden sich 90 % der Landwirtschaft, 98 % der Industrie, 91 % des Baugewerbes und 89 % des Einzelhandels in "sozialistischem Eigentum"; Merkel/Wahl, Das geplünderte Deutschland, S. 78. 23 Merkel/Wahl, Das geplünderte Deutschland, S. 83. 24 Priewe/Hickel, Der Preis der Einheit, S. 73, i t l w . N .

II. Die wirtschaftliche Ausgangslage

23

nen der Zentrale, der Bezirke und der Kreise 2 5 , doch herrschte hier der Primat der Politik. Dieser Primat der Politik unterdrückte nicht nur den Wettbewerb, sondern führte teilweise zu unsinnigen volkswirtschaftlichen Folgen. So brachte der enorme Subventionsaufwand für den Grundbedarf der Bevölkerung die Verschwendung von billigen Erzeugnissen, die anderseits zu hohen Kosten produziert wurden, mit sich 2 6 . Als zweites Beispiel sei eine Folge der zentralen Planung genannt: Seit Ende der sechziger Jahre bildete der Materialverbrauch einen Faktor der Produktivitätsrechnung. Dadurch konnten Unternehmen mit mehr und teurerem Materialverbrauch eher ihre Pläne erfüllen, was zu einer immer ressourcenaufwendigeren Produktion führte 27 .

b) Geringe wirtschaftliche

Leistungsfähigkeit

Trotz gegenüber Westdeutschland geringerer unmittelbarer Kriegsschäden an Industrieanlagen litt die DDR besonders unter den Folgen des Krieges. Neben den Demontagen durch die sowjetische Besatzungsmacht - für die Industrie wird eine Demontagequote von 26 % geschätzt 28 - konnte die DDR im Machtbereich der ökonomisch schwachen Sowjetunion nicht mit gleicher Geschwindigkeit den wirtschaftlichen Anschluß erreichen wie die durch die USA unterstützte Bundesrepublik. Bereits 1950 war das Sozialprodukt je Einwohner in der DDR nur noch etwa halb so hoch wie im Westen 29 . Neben den Demontagen litt die DDR-Wirtschaft zusätzlich unter sowjetischen Entnahmen aus der laufenden Produktion und hohen Besatzungskosten30. Hinzu kam bis zum Mauerbau eine starke Abwanderung von DDR-Einwohnern, allein 10 % der Bevölkerung in den 50er Jahren 31 . Fehlgeleitete Investitionen und eine zurückgehende Investitionstätigkeit führten zu einem veralteten industriellen Kapitalstock. Ein Fünftel des Anlagekapitals bestand 1989 aus vollkommen abgeschriebenen Anlagen. 21 % der Industrieausrüstung waren 1989 älter als 20 Jahre, in der Bundesrepublik 25

Merkel/Wahl, Das geplünderte Deutschland, S. 80; Priewe/Hickel, Der Preis der Einheit, S. 66. 26 Wegen der Suventionierung des Brotpreises wurde Brot teilweise in der Schweinemast statt des üblichen Futtermittels verwendet Die Subvention der Verbraucherpreise machte 1988 knapp 20 % der Staatsausgaben aus; Merkel/Wahl, Das geplünderte Deutschland, S. 81. 27 Ende der siebziger Jahre wurde diese Form der Produktivitätsmessung wieder geändert; Merkel/Wahl, Das geplünderte Deutschland, S. 86. 28 Ausführlicher Überblick bei Merkel/Wahl, Das geplünderte Deutschland, S. 16. 29 Priewe/Hickel, Der Preis der Einheit, S. 72. 30 Merkel/Wahl, Das geplünderte Deutschland, S. 64. 31 Priewe/Hickel, Der Preis der Einheit, S. 72.

24

Α. Rechtliche und wirtschaftliche Ausgangslage

dagegen nur etwa 5 % 3 2 . Dementsprechend mußten hohe Reparaturaufwendungen geleistet werden, die sich 1987 auf etwa die Hälfte der Ausgaben für Investitionen beliefen 33 . Die Arbeitsproduktivität der DDR blieb hinter der der Bundesrepublik immer weiter zurück. Allerdings machen die verfälschte Währungsrelation und die geringere Produktqualität der DDR-Waren eine Einschätzung schwierig34. So schwanken die Angaben für Ende der achtziger Jahre zwischen knapp 30 % 3 5 und etwa 50 % 3 6 des westdeutschen Wertes. Dieser niedrige Wert ist auch auf längere Jahres- und Lebensarbeitszeiten sowie die hohe Erwerbsquote zurückzuführen 37 .

c) Der Arbeitsmarkt Der Arbeitsmarkt der DDR war gekennzeichnet durch eine extrem hohe Erwerbsquote. Diese stieg in den Jahren 1950 bis 1989 von 62 % auf 80 %. Bemerkenswert ist die hohe Frauenerwerbstätigkeit von 82 % für das Jahr 1989 38 . War diese hohe Erwerbsquote anfangs vor allen Dingen durch die ungünstige demographische Entwicklung bedingt 3 9 , spielten später zunehmend ideologische Gründe eine Rolle. Zu den Errungenschaften des Sozialismus gehörte die Vollbeschäftigung. Betriebe bekamen Arbeitnehmer teilweise einfach zugeteilt. Es wird davon ausgegangen, daß 1989 eine verdeckte Arbeitslosigkeit von 15 % herrschte 40 . Falsch ist es jedoch, die DDR als Entwicklungsland zu bezeichnen. Der Anteil der Erwerbstätigen ohne Berufsausbildung war 1988 mit 5,4 % wesentlich geringer als in der Bundesrepublik mit 16 %, gleichzeitig war der Facharbeiteranteil höher. Lediglich der Akademiker-Anteil lag unter dem der Bundes-

32

Priewe/Hickel, Der Preis der Einheit, S. 63. Priewe/Hickel, Der Preis der Einheit, S. 63. 34 Zu den unterschiedlichen Rechnungssystemen zwischen Bundesrepublik und DDR: Merkel/Wahl Das geplünderte Deutschland, S. 31. 35 Merkel/Wahl, Das geplünderte Deutschland, S. 76. 36 Priewe/Hickel, Der Preis der Einheit, S. 61, m.w.N. 37 Merkel/Wahl, Das geplünderte Deutschland, S. 74. 38 Merkel/Wahl, Das geplünderte Deutschland, S. 74. 39 Zahlen zu den Bevölkerungswanderungen von Ost nach West bei: Merkel/Wahl, Das geplünderte Deutschland, S. 68. 40 Vogler-Ludwig, Ifo-Schnelldienst 24/90, S. 7; in dieser Zahl sind auch die Arbeitnehmer enthalten, die für betriebsfremde Zwecke eingesetzt wurden (z.B. Betriebskampfgruppen). 33

II. Die wirtschaftliche Ausgangslage

25

republik 41 . Deutlich anders als in der Bundesrepublik verteilten sich die Beschäftigten auf die einzelnen Wirtschaftssektoren. Hohe Beschäftigungsziffern findet man zum Beispiel noch 1988 in den Bereichen Landwirtschaft, Bergbau, Maschinenbau, Textilverarbeitung und Eisenbahn 42 . Die Höhe der Löhne wurde in den Rahmenkollektiwerträgen festgelegt 43 , Vereinbarungen im Individualarbeitsvertrag waren bis zum 30. Juni 1990 unzulässig 44 . Die Löhne waren stark nivelliert, sie lagen wesentlich unter denen in Westdeutschland 45 . Ein Vergleich der Löhne in Ost- und Westdeutschland ist wegen der verfälschten Währungsrelation und des unterschiedlichen Warenkorbs schwierig. Hinzu kommt die Vielzahl der durch den Betrieb zu erbringenden Naturalleistungen.

2. Die Entwicklung seit 1990

a) Allgemein Der Einigungsprozeß war für die Industrie der neuen Bundesländer nicht mit einem schnellen Aufschwung, sondern mit einem Zusammenbruch der Produktion verbunden. Diese fiel bereits einen Monat nach der Wirtschaftsund Währungsunion auf 60 % und sank 1991 weiter bis auf ein Drittel des ehemaligen Niveaus 46 . Zu einer wesentlichen Erholung war es auch bis Frühjahr 1993 noch nicht gekommen 47 . Zusammengeschmolzen ist der Wert, den man für die ostdeutsche Wirtschaft angesetzt hatte. Ging man 1990 noch davon aus, daß die "volkseigenen" Betriebe einen Vermögenswert von 1,5 Billionen D M darstellten, der über eine Veräußerung zu erzielen sei, schließt die Eröffnungsbilanz der Treuhandanstalt vom Oktober 1992 mit einem Fehlbetrag von über 200 Mrd. D M 4 8 .

41 42 43 44 45 46 47 48

Übersicht bei: Priewe/Hickel, Der Preis der Einheit, S. 70. Übersicht bei: Sinn/Sinn, Kaltstart, S. 42. Hanau/Langanke, in Das Arbeitsrecht der neuen Bundesländer, 1.1, S. 9. Hanau/Langanke, in Das Arbeitsrecht der neuen Bundesländer, 1.1, S. 10. Sinn/Sinn, Kaltstart, Anhang I, S. 225. Sinn/Sinn, Kaltstart, S. 30. Für 1992 siehe Ifo Wirtschaftskonjunktur, Heft 10/92, A 14. FAZ vom 16.10.92, S. 11.

26

Α. Rechtliche und wirtschaftliche Ausgangsage

b) Der Arbeitsmarkt Von den 9,6 Mio. Erwerbstätigen, die es 1989 in der DDR gab, waren Ende 1991 noch 6 M i o . 4 9 geblieben, dieser Wert war 1992 noch nicht wieder angestiegen 50 . 1,3 Mio. von diesen Erwerbstätigen waren als Kurzarbeiter registriert, ein Drittel davon mit einem Arbeitsausfall zwischen 75 und 100 % 5 1 . Ein ebenfalls beträchtlicher Teil von ihnen arbeitete in Arbeitsbeschaflungsmaßnahmen, Ende 1992 allein über 400.000 52 . Halbiert man die Zahl der Kurzarbeiter 53 , und zieht die beiden anderen Gruppen ab, kommt man auf eine Erwerbslosenquote von über 35 % 5 4 . Besonders dramatisch vollzog sich die Entwicklung in den durch die Treuhandanstalt verwalteten Industriebetrieben. Von etwa 3,2 Mio. 1989 reduzierte sich die Beschäftigtenzahl bis Ende 1992 auf 1,2 M i o 5 5 . Daß es trotz dieses enormen Beschäftigungsabbaus nicht zu einem entsprechenden Anstieg der registrierten Arbeitslosigkeit kam, ist auf die Vielzahl arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen zurückzufuhren. Unter diesen nimmt neben Qualifizierungs- und AB-Maßnahmen vor allen Dingen die Kurzarbeit eine wichtige Rolle ein 5 6 . Trotz des Einbruchs der Industrieproduktion sind die Realeinkommen in den neuen Bundesländern seit 1990 gestiegen 57 . Dies ist auf die im Ersten Staatsvertrag vereinbarte Umstellung der Löhne im Verhältnis 1:1 5 8 sowie die anschließend begonnene Angleichung an die Westlöhne zurückzufuhren. Ermöglicht wurde und wird diese Steigerung durch erhebliche Transferzahlungen aus Westdeutschland.

49 Werte för 1990 und 1991 bei Priewe/Hickel Der Preis der Einheit, S. 32 mit weiteren Quellenangaben. 50 Ifo Wirtschaftskonjunktur, Heft 10/92, A 14. 51 Wahse, Beschäftigungsperspektiven, S. 44. « Ifo Wirtschaftskonjunktur, Heft 10/92, A 14. 53 Der durchschnittliche Arbeitsausfall betrug im Herbst 1991 mehr als 50 %, Priewe/Hickel, Der Preis der Einheit, S. 33. 54 Handelsblatt vom 8.3.93, S. 4; Tagesspiegel vom 2.4.93, S. 5. 55 Ifo Wirtschaftskonjunktur, Heft 10/92, A 16. 56 Übersicht bei: Priewe/Hickel, Der Preis der Einheit, S. 37. 57 Übersicht bei: Priewe/Hickel, Der Preis der Einheit, S. 39. 58 Dazu Sinn/Sinn, Kaltstart, S. 64; nach der Währungsumstellung lagen die Ostlöhne im Durchschnitt bei 33 % der Westlöhne, a.a.O., S. 225.

II. Die wirtschaftliche Ausgangslage

c) Tarifentwicklung

27

und Tarifkonflikt

Fast alle ostdeutschen Einzelgewerkschaften, die nach der Wende den FDGB beerbt hatten, lösten sich bis Ende 1990 auf. Den Mitgliedern wurde empfohlen, sich einer der Organisationen des DGB anzuschließen, welche durch westdeutsche Helfer innerhalb kürzester Zeit aufgebaut worden waren. So waren bis Januar 1991 zu den rund 8 Mio. westdeutschen Gewerkschaftsmitgliedern knapp 4 Mio. aus den neuen Ländern hinzugekommen 59 . Die nach dem Einigungsvertrag auch über den 3. Oktober 1990 hinaus gültigen Rahmenkollektiwerträge wurden schnell durch neue Tarifverträge abgelöst 60 . Bereits im Frühjahr 1991 wurde für die Metall- und Stahlindustrie ein Tarifvertrag abgeschlossen, der eine stufenweise Angleichung der Löhne an die Westtarife bis 1994 vorsah 61 . Damit wurde - anders als bisher in der Bundesrepublik üblich - der Lohn von der Produktivität abgekoppelt. Insbesondere die dadurch zwischen beiden Faktoren sich vergrößernde Diskrepanz 6 2 führte dazu, daß bereits im Frühsommer der MetalltarifVertrag wieder in Frage gestellt wurde 6 3 . Um einerseits die Unternehmen von Lohnzahlungen zu entlasten, anderseits aber ein Abwandern der Arbeitnehmer nach Westdeutschland zu begrenzen, wurden Alternatiworschläge gemacht. Diskutiert wurde über Lohnsubventionen und Investivlöhne. Als wegen der sich verschlechternden wirtschaftlichen Entwicklung eine Lösung immer dringlicher erschien, kam von der Bundesregierung der Vorschlag, die Tarifbindung in den neuen Bundesländern für einen begrenzten Zeitraum aufzuheben. Daran schloß sich eine noch anhaltende Diskussion über öfinungsklauseln an 6 4 . Nachdem Anfang 1993 die Revisionsverhandlungen über eine Anpassung des Tarifvertrags gescheitert waren, sprachen die Metall-Arbeitgeber zum 31. März 1993 die außerordentliche Kündigung des Tarifvertrags aus 65 . 59 Management, Heft 3/91, S. 40. Übersicht in Die Wirtschaft vom 12.11.92, S. 15. 61 FAZ vom 27.3.91, S. 15; nicht alle Tarifverträge sehen eine solche Stufenregelung vor, so ist zum Beispiel für die Chemieindustrie weiterhin eine jährliche Tarifrunde voreinbart, Handelsblatt vom 8.5.91, S. 4. 62 So stiegen die Lohnstückkosten zwischen Anfang 1990 und Anfang 1992 von 118 % auf 216 % des Westniveaus; FAZ vom 10.8.92, S.9. 63 Handelsblatt vom 8.7.91, S.3; die Angleichung der Löhne wurde durch hohe Tarifabschlüsse in Westdeutschland 1992 erschwert, da sich diese Steigerungen auch auf die Anpassung auswirkten. 64 Eine solche öfinungsklausel enthielt bereits 1992 der Tarifvertrag der Textilindustrie, der allerdings die Zustimmung der Gewerkschaft vorsieht. Tatsächlich war es Anfang 1993 so, daß in einer Reihe von tarifgebundenen Betrieben auf Grund von Betriebsvereinbarungen untertarifliche Löhne gezahlt wurden; Handelsblatt vom 24.3.93, S. 5. 65 Handelsblatt vom 19.2.93, S. 4. 60

28

Α. Rechtliche und wirtschaftliche Ausgangsage

3. Fazit "Bereits die Untersuchungen von Marx zum Akkumulationsprozeß des Kapitals lassen erkennen, daß die Vollbeschäftigung nur dem Sozialismus wesenseigen ist. Marx führte in diesem Zusammenhang aus, daß die Überbevölkerung und die durch sie gebildete disponible Reservearmee eine Existenzbedingung der kapitalistischen Produktionsweise ist. (...). Die 5. Etappe der Vollbeschäftigung wird mit den Jahren 1991/92 eingeleitet. (...). Voraussichtlich wird im Jahre 1991/92 die DDR über die höchste Zahl der Berufstätigen ihrer Geschichte verfügen. In dieser Etappe wird es darauf ankommen, solche Arbeits- und Vollbeschäftigungsbedingungen zu gestalten, die dem weiteren Fortschritt des Sozialismus adäquat sind und die bei höchstmöglichen Effektivitätszielen vom Menschen und seinen Bedürfnissen ausgehen."

Dieser Auszug aus dem Aufsatz eines DDR-Wissenschaftlers aus dem Jahre 1985 muß den Menschen in den neuen Bundesländern heute doppelt bitter erscheinen. Die Schärfe der Transformationskrise ist ohne Beispiel. Selbst die Weltwirtschaftskrise 1929-32 hat keine solche Wirkung gehabt 67 . Trotz massiver Subventionierung hat die Beschäftigungslosigkeit mit über 30 % ein bedrohliches Ausmaß erreicht. Weder den Tarifparteien noch der Politik ist es bisher gelungen, hier erfolgversprechende Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Um so notwendiger ist es, die in den neuen und alten Bundesländern formal gleichen Rechtsinstitute des Arbeitsrechts nicht unter den in Westdeutschland entwickelten Maßstäben, sondern unter Berücksichtigung der oben dargestellten Entwicklung im Beitrittsgebiet auszulegen und anzuwenden.

66

Schulz, Diethard: Das Wesen der Vollbeschäftigung im Sozialismus und Grundzüge ihrer Entwicklung in der DDR, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Hochschule für Ökonomie "Bruno Leuschner", 1985, Heft 2, S. 47 ff. 67 Eingehender Vergleich bei Sinn/Sinn, Kaltstart, S. 31.

Β. Unterrichtungs- und Beratungspflichten im Fall von Betriebsänderungen I. Der sachliche Geltungsbereich von § 111 BetrVG 1. Betriebs- und Unternehmensbegriff

Der Betrieb ist der Anknüpfungspunkt für die sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergebenden Rechte des Arbeitnehmer. Er ist die maßgebliche Organisationseinheit, um den Kreis der Arbeitnehmer abzugrenzen, die einen Betriebsrat wählen können, durch den sie anschließend vertreten werden. Eine eigene Bestimmung des Betriebsbegriffs enthält das Betriebsverfassungsgesetz nicht, es setzt ihn voraus. Definitionen aus anderen Rechtsgebieten können nicht ohne weiteres herangezogen werden. Das Arbeitsrecht hat einen eigenen Betriebsbegriff1, und selbst innerhalb des Arbeitsrechts wird dieser unterschiedlich gebraucht. So ist der Betriebsbegriff zugrunde zu legen, der in Rechtsprechung und -lehre zum Betriebsverfassungsgesetz herausgebildet worden ist. Danach ist der Betrieb die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen2. Der Betrieb als Organisationseinheit im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes wird also am mit ihm verfolgten arbeitstechnischen Zweck ausgerichtet. Neben dem Betrieb ist auch das Unternehmen Anknüpfungspunkt für Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer. So richten sich diese Beteiligungsrechte im Fall der §§ 111 ff. BetrVG gegen den Unternehmer3. Unternehmen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ist die organisatorische Einheit, mit der der

1 GK-Kraft, § 4 Rn 3ff.; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 1 Rn 30; Dietz/Richardi, § 1 Rn 57. 2 BAG, st. Rsp., zuletzt 14.9.88, AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972; GK-Kraft, § 4 Rn 5; Dietz/Richardi, § 1 Rn 58; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 1 RN 31. 3 In diesem Fall sind Unternehmer und Arbeitgeber identisch; BAG vom 15.1.91, AP Nr. 21 zu § 113 BetrVG 1972. Das Betriebsverfassungsgesetz trennt diese Begriffe nicht immer sauber.

30

Β. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

Unternehmer seinen wirtschaftlichen oder ideellen Zweck verfolgt 4 . Bei Personen« und Kapitalgesellschaften ist das Unternehmen identisch mit der Gesellschaft als Rechtsträger. Auch Betrieb und Unternehmen können identisch sein, allerdings kann ein Unternehmen auch aus mehreren Betrieben bestehen.

2. Treuhandbetriebe als Betriebe im Sinne von § 130 BetrVG ?

Für die Treuhandunternehmen ergibt sich die Nichtanwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes nicht bereits aus § 130 BetrVG, demzufolge das Betriebsverfassungsgesetz nicht auf öffentliche Betriebe Anwendung findet. Diese Norm dient der Abgrenzung der Regelungsbereiche von Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsgesetz. Entscheidend für die Abgrenzung sind streng formale Kriterien, es kommt auf die Rechtsform des Unternehmens an. Unternehmen mit privater Rechtform fallen auch dann unter das Betriebsverfassungsgesetz, wenn sie der öffentlichen Hand gehören5. Bei Treuhandbetrieben handelt es sich ausschließlich um Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung 6 , sie fallen daher nicht unter § 130 BetrVG 7 . Um eine nachteilige Beeinflussung der Arbeit der Treuhandanstalt durch die Ausübung der betriebsverfassungsrechtlichen Rechte in ihren Betrieben auszuschließen, wird vereinzelt vorgeschlagen8, § 130 BetrVG auf diese analog anzuwenden. Eine solche entsprechende Anwendung des § 130 BetrVG auf Treuhandbetriebe kommt jedoch trotz des besonderen Treuhandauftrags9 nicht in Betracht. Die durch § 130 BetrVG vorgenommene Differenzierung zwischen privaten und öffentlichen Betrieben geht nicht auf den Gedanken zurück, in letzteren die im Betriebsverfassungsgesetz gewährten Rechte einzuschränken. Die durch § 130 BetrVG vorgenommene Trennung ist

4 5

Rn 4. 6

BAG vom 7.8.86, AP Nr. 5 zu § 1 BetrVG 1972; Fitting/A uffarth/Kai ser/H either, § 1 Rn 72. BAG vom 7.11.1975, AP Nr. 1 zu § 130 BetrVG 1972; Fitting/.Auffarth/Kaiser/Heither, § 130

Das ergibt sich aus § 11 TreuhG. Etwas anderes gilt für die Treuhandanstalt, für die als Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 2 Abs. 1 TreuhG) das Betriebsverfassungsgesetz anstaltsintem keine Anwendungfindet Trotz Anwendbarkeit der Personalvertretungsgesetzes existierte überraschenderweise auch Anfang 1993 in der Treuhandanstalt noch kein Personalrat 8 Weimar/Alfes, BB 91, Beil. 9, 16(23). 9 Zu der Wirkung dieses Auftrags auf die Betriebsverfassung s.u. B.II.4. 7

I. Der sachliche Geltungsbereich von § 111 BetrVG

31

zum einen historisch bedingt 10 . Sie ist nach herrschender Lehre eine rein formale 11 und als solche für eine Analogie ungeeignet. Zum anderen beruht sie auf der sachlichen Unterscheidung zwischen erwerbswirtschaftlicher und nicht erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit. Grundsätzlich sind Treuhandunternehmen erwerbswirtschaftlich ausgerichtet, was zusätzlich gegen eine solche Analogie spricht.

3. Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats

Das Betriebsverfassungsgesetz beschränkt die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei Betriebsänderungen auf Betriebe mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern. Ausschlaggebend ist die Arbeitnehmerzahl des Betriebs, nicht des Unternehmens 12 . Diese Abgrenzung ist unproblematisch, solange Betrieb und Unternehmen identisch sind oder ein Unternehmen nur aus Betrieben besteht, die alle die Grenze der 20 Arbeitnehmer überschreiten. Schwierigkeiten ergeben sich, wenn es in einem Unternehmen, zu dem auch Betriebe mit weniger als 21 Arbeitnehmern oder solche, in denen die Arbeitnehmer einen Betriebsrat nicht gewählt haben, gehören, zu Betriebsänderungen kommt, die eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 1 BetrVG begründen 13 . Für diesen Fall ist die Frage umstritten, ob sich die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats auch auf diese Betriebe erstreckt. Aufgrund der Wirtschaftsstruktur der ehemaligen DDR und dem anfanglichen Fehlen vieler Betriebsräte wird es während der Entflechtung 14 und Privatisierung der ehemaligen Kombinate durch die Treuhandanstalt in einer Vielzahl von Fällen zu einer solchen Konstellation kommen, so daß auf die Frage der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats näher einzugehen ist 1 5 .

10

Altvater, BPersVG, Einleitung Rn 5 ff. Galperin/Löwisch, § 130 Rn 3; Dietz/Richardi, § 130 Rn 3. 12 Zur Abgrenzung s.o. B.LI., ausführlich: Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 1 Rn 34 ff, m.w.N. 13 Zu den Voraussetzungen einer solchen Zuständigkeit: Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 50 Rn 17 ff. 14 Mit Entflechtung sind im weiteren sowohl die Spaltung nach dem SpTrUG als auch die Entflechtung nach § 6b VermG gemeint 15 Dabei wird nicht auf Betriebe mit weniger als fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern eingegangen, die nach § 1 BetrVG keinen Betriebsrat wählen können. Bei solchen Kleinstbeitrieben handelt es sich in der Regel um Nebenbetriebe, die nach § 4 S. 2 BetrVG in die Betriebsverfassung des Hauptbetriebes einbezogen werden; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 4 Rn 17. 11

32

Β. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

a) Die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsratsför

Betriebe ohne Betriebsrat

Der Gesamtbetriebsrat ist zuständig fur die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können 16 . Dabei ist der Gesamtbetriebsrat dem Einzelbetriebsrat weder übernoch untergeordnet. Der Gesamtbetriebsrat ist eigenständig und nach § 50 Abs. 1 BetrVG mit einer orginären gesetzlichen Zuständigkeit ausgestattet17. Wird der Gesamtbetriebsrat aufgrund dieser Zuständigkeit tätig, so erstreckt sie sich nach einer Ansicht auch auf betriebsratslose Unternehmen. Begründet wird dieser Standpunkt damit, daß der Gesamtbetriebsrat fur das gesamte Unternehmen errichtet wird und sich deshalb seine Zuständigkeit auch auf das gesamte Unternehmen erstrecken müsse 18 . Die Gegenansicht lehnt diese Ausdehnung ab. Der Gesamtbetriebsrat sei durch die betriebsratslosen Betriebe nicht legitimiert. Zwar sei der Gesamtbetriebsrat für die Behandlung von überbetrieblichen Angelegenheiten zuständig, doch könne das nicht dazu führen, das betriebsratslose Betriebe unter die Betriebsverfassung gezwungen würden 1 9 . Diese formale Betrachtungsweise verkennt Sinn und Wirkungsweise der Mitbestimmung durch den Gesamtbetriebsrat. Der Gesamtbetriebsrat nimmt Aufgaben wahr, die nicht durch die Einzelbetriebsräte erfüllt werden können. Seine Zuständigkeit stellt nicht bloß die Summe der Zuständigkeiten der Einzelbetriebsräte dar 2 0 , sonst könnten diese auch in den einzelnen Betrieben belassen werden. Voraussetzung für eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats ist aber gerade, daß die Einzelbetriebsräte ihre Rechte nicht wahrnehmen können. Wenn durch die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats auch keine orginären Mibestimmungsrechte begründet werden, so ist seine Zuständigkeit mehr als eine bloße Zuständigkeitsverlagerung. Dieses "mehr" ist die Notwendigkeit einer Regelung auf Unternehmensebene auf Grund des Sachzusammenhangs. Besteht die Notwendigkeit einer Regelung auf Unter-

16 Wann von einem "Nichtregelnkönnen" gesprochen werden kann ist umstritten. Eine Diskussion dieser Frage kann nicht Aufgabe dieser Arbeit sein. Zum Meinungsstand Dietz/Richardi § 50 Rn 5; Galperin/Löwisch, § 50 Rn 6. 17 GK-Fabricius/Kreutz, § 50 Rn 8. 18 Galperin/Löwisch, § 47 Rn 11; Dietz/Richardi, § 47 Rn 13; Fitting/Auffarth/Kaiser/H § 47 Rn 17, allerdings ohne Begründung. 19 GK- Fabricius/Kreutz, § 50 Rn 41; BAG vom 16.8.83, AP Nr. 5 zu § 50 BetrVG 1972. 20 Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 2. Band, S. \209\Mothes, ArbuR 74, 325(328).

e

I. Der sachliche Geltungsbereich von § 111 BetrVG

33

nehmensebene, sind also das ganze Unternehmen beziehungsweise mehrere Betriebe betroffen, so wäre es widersinnig, die Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte des Gesamtbetriebsrats nur auf einen Teil des betroffenen Unternehmens zu erstrecken. Durch die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats wird die betriebliche Mitbestimmung auf die Unternehmensebene verlagert. Dann muß sich ihre Ausübung auch auf das ganze Unternehmen erstrecken21. Dies widerspricht auch nicht dem betriebsverfassungsrechtlichen Grundprinzip, daß die Vertretungsorgane der Arbeitnehmer aus Wahlen der Betriebsbelegschaft hervorgegangen sein müssen 22 . Der Gesamtbetriebsrat setzt sich aus den Vertretern mindestens zweier Betriebsräte zusammen, die ihrerseits von den Belegschaften gewählt wurden. Das Nichtdurchführen einer Betriebsratswahl schließt den Betrieb nicht von einer Vertretung durch das Organ Gesamtbetriebsrat aus. Auch der einzelne Arbeitnehmer, der an der Betriebsratswahl nicht teilnimmt, wird durch den aus dieser Wahl hervorgegangenen Betriebsrat vertreten 23 . Für die Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten ergibt sich daraus, daß sie in den Fällen der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrat auch für betriebsratslose Betriebe von diesem wahrgenommen wird 2 4 .

b) Die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats fiir Betriebe mitßXnf bis zwanzig Arbeitnehmern Die Frage, ob ein Gesamtbetriebsrat auch für Betriebe mit Betriebsrat aber weniger als 20 Arbeitnehmern zuständig ist, stellt sich ausschließlich für den

21

Das wird durch § 2 Abs. 4 SpTrUG bestätigt, wonach der Spaltungsplan dem zuständigen Betriebsrat zuzuleiten ist Bei der Unternehmensspaltung wird im Zweifel der Gesamtbetriebsrat zuständig sein (so im Ergebnis auch Oetker/Busche, NZA 91, Beil. 1/91, 18 (25)), und dasfraglos auch dann, wenn ein betriebsratsloser Untemehmensteil abgespalten wird. Auch hier wäre es widersinnig, die Mitwirkungsrechte des Gesamtbetriebsrats nicht auf den abzuspaltenden Teil auszudehnen. 22 So aber BAG vom 16.8.83, AP Nr. 5 zu § 50 BetrVG 1972. 23 Nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG kann der Betriebsrat selbst dann nochför Arbeitnehmer, die ihn nicht gewählt haben, sprechen, wenn diese in der Oberzahl sind. 24 Im Ergebnis ebenso Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 111 Rn 4; Mothes, ArbuR 74, 325(328); Löwisch, der grundsätzlich auch eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrat für betriebsratslose Betriebe bejaht (Galperin/Löwisch, § 47 Rn 11), lehnt eine Anwendung der §§ 11 Iff. BetrVG auf betriebsratslose Betriebe ab; Galperin/Löwisch, § 111 Rn 8. Dabei wird übersehen, daß eine Betriebsänderung, die zu einer Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 BetrVG führt das ganze Unternehmen oder mehrer Betriebe betreffen muß, so daß es sich letztlich um eine "Unternehmensänderung" handelt. Dann muß der Gesamtbetriebsrat auch für das gesamte Unternehmen, also auch den betriebsratslosen Betrieb, zuständig sein. 3 Biedenkopf

34

Β. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

Bereich der §§ 111 ff. BetrVG. Zwar ist grundsätzliche Voraussetzung für ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei geplanten Betriebsänderungen eine Betriebsgröße von mindestens 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern. Doch für den Fall einer die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats begründenden Betriebsänderung stellt sich auch hier die Frage nach der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die bei Betriebsänderungen grundsätzlich wegen ihrer geringen Arbeitnehmerzahl von der Mitbestimmung ausgeschlossenen Betriebe. Anders als bei den betriebsratslosen Betrieben kommt es hier nicht auf das Mandat an, denn auch die Betriebe mit weniger als 21 Arbeitnehmern sind im Gesamtbetriebsrat vertreten 25 . Wie im Fall der betriebsratslosen Betriebe stehen sich auch hier zwei gegensätzliche Meinungen gegenüber. Während die die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats bejahende Ansicht dies mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung t u t 2 6 , lehnt die Gegenmeinung eine solche mit der Begründung ab, § 50 BetrVG enthalte lediglich eine Zuständigkeitsabgrenzung und lasse die Voraussetzungen der Mitbestimmungsrechte unberührt. Da die Voraussetzung "mehr als 20 Arbeitnehmer" in § 111 BetrVG auf den Betrieb bezogen sei, könne der Gesamtbetriebsrat nur für solche Betriebe zuständig sein, die diese Voraussetzung erfüllten 27 . Auch diese Begründung stützt sich auf ein formales Argument, und sie verkennt dabei den Sinn der Untergrenze des § 111 BetrVG. Die Festlegung einer Mindestgröße des Betriebes für die Beteiligungsrechte des Betriebsrates in wirtschaftlichen Angelegenheiten war bereits im Betriebsverfassungsgesetz 1952 enthalten. M i t welcher Begründung auf eine solche Mindestgröße abgestellt wurde, läßt sich aus den offiziellen Materialien zu den Gesetzgebungsverfahren (1952, 1972 und 1985) nicht entnehmen. Auch aus diesem Grund wird eingewandt, daß die häufig zufallige Betriebsgröße kein sachliches Kriterium für eine Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer desselben Unternehmens bei jeweils gleichem Tatbestand sei 2 8 . Die der Differenzierung zugrundeliegende Überlegung des Gesetzgebers könnte gewesen sein, Kleinbetriebe durch die sich aus den §§ 111 ff. BetrVG ergebende finanzielle

25

Das ergibt sich aus § 47 Abs. 2 S. 1 BetrVG. Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 111 Rn 4; Mothes, ArbuR 74, 325(329), Fuchs, De Sozialplan, S. 23. 27 Galperin/Löwisch, § 111 Rn 5a; Dietz/Richardi, § 111 Rn 7; Rumpff/Boewer, Mitbestimmun Rn 224, offengelassen in BAG vom 16.8.83, AP Nr. 5 zu § 50 BetrVG 1972. 28 Fuchs, Der Sozialplan, S. 23. 26

I. Der sachliche Geltungsbereich von § 111 BetrVG

35

Belastung nicht überfordern zu wollen 2 9 . Diese Überlegung läßt sich jedoch nicht auf Unternehmen mit mehreren Kleinbetrieben übertragen, kommt es doch zum Beispiel bei der Frage der wirtschaftlichen Vertretbarkeit des Sozialplans auf die Leistungsfähigkeit des Unternehmens an 3 0 . Damit entfällt der einzige denkbare Grund für eine Differenzierung, so daß der Ausschluß der Betriebe mit weniger als 21 Arbeitnehmern unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes unzulässig w i r d 3 1 . Eine Einbeziehung dieser Betriebe verstößt auch nicht gegen die Zuständigkeitsverteilung zwischen Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat. Zwar ist es richtig, daß ein Mitbestimmungsrecht nach § 111 BetrVG für den Einzelbetriebsrat erst dann entsteht, wenn der Betrieb mehr als 20 Arbeitnehmer hat. Doch der Gesamtbetriebsrat übt eben nicht nur die Rechte der Einzelbetriebsräte aus. Vielmehr besitzt er eine eigene Zuständigkeit, die sich auf die Behandlung von Angelegenheiten bezieht, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen. Dann können aber nicht Unternehmensteile ausgegrenzt werden, ohne daß es dafür einen überzeugenden sachlichen Grund gibt. Nur diese Lösung führt auch zu einem praktikablen und sozialpolitisch überzeugendem Ergebnis. Ist eine die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats begründende Betriebsänderung geplant, werden sich in den Beratungen für einen Interessenausgleich oder Sozialplan einzelne Betriebe nicht ausklammern lassen. Auch die Wahrung des Betriebsfriedens wird eine solche Einbeziehung erforderlich machen.

c) Ergebnis Sofern auf Unternehmensebene ein Gesamtbetriebsrat gebildet worden ist, erstrecken sich bei einer unter § 50 BetrVG fallenden Betriebsänderung die §§ 111 ff. BetrVG auch auf Betriebe ohne Betriebsrat und auf Betriebe mit weniger als 21 Arbeitnehmern. Dadurch wird in Treuhandunternehmen auch der Besonderheit Rechnung getragen, daß für die Betriebe erst seit kurzer Zeit

29

So spricht der Regierungsentwurf zum BetrVG 1952 (BT-Drucks. 1/1546) in der Begründung zu § 81 (S.62) von "wirtschaftlichen Opfern zugunsten der geschädigten Arbeitnehmer". 30 § 112 Abs. 5 S. 1 BetrVG. 31 Das BVerfG spricht, wenn auch nur in einem obiter dictum, davon, daß für die Einschränkung des § 111 BetrVG kein rechtlich einleuchtendes Differenzierungsmerkmal erkennbar wäre; BVerfGE 65,182(194).

36

Β. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

die Möglichkeit der Betriebsratswahl besteht und der Umgang mit der Betriebsverfassung noch ungeübt ist. Viele Arbeitnehmer, die dem nicht leicht zu durchschauenden Arbeitsrecht der alten Bundesrepublik unvorbereitet gegenüberstanden, haben die ihnen zustehenden Rechte nicht gleich in Anspruch genommen, für ausländische Arbeitnehmer fehlte anfänglich jede Beratung 3 2 . Auch wird nur so bei der Aufstellung eines Interessenausgleichs oder Sozialplans in den ehemaligen Kombinaten eine zusätzliche Ungleichbehandlung einzelner Arbeitnehmergruppen verhindert.

4. Begriff des Arbeitnehmers

Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes sind Arbeiter und Angestellte. Hinsichtlich der Ausklammerung der leitenden Angestellten aus dem Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes durch § 5 Abs. 3, 4 BetrVG gelten im Beitrittsgebiet andere Bezugsgrößen nach § 18 SGB I V in Verbindung mit § 5 Abs. 4 Nr. 4 BetrVG 3 3 . Grund fur diese Differenzierung ist das Lohngefalle 34 . Entsprechend der Angleichung der Entgeltentwicklung werden auch die Bezugsgrößen angeglichen. Die in § 6 BetrVG enthaltene Unterscheidimg zwischen Arbeitern und Angestellten, die an die sozialversicherungsrechtliche Unterscheidung anknüpft, wurde mit Einführung des Betriebsverfassungsgesetzes durch das Mantelgesetz vom 21. Juni 1990 im Gebiet der DDR nicht übernommen. Eine § 6 BetrVG entsprechende Rentenversicherung mußte im Beitrittsgebiet erst geschaffen werden 35 . Um die entstandene Lücke zu schließen, wurde mit § 30 Nr. 2 Mantelgesetz eine geänderte Fassung des § 6 BetrVG eingeführt, die die sozialversicherungsrechtliche Unterscheidung durch eine inhaltliche ersetzt 36 . Diese Neufassung wurde im Einigungsvertrag für das Beitrittsgebiet mit Geltung bis 31. Dezember 1991 übernommen 37 .

32 Funcke, Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für die Integration der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen, März 1991, S. 18. 33 Einzelheiten bei Däubler/Trümner, § 5 Rn 280. 34 s.o.A.IIJ.c)/2.b). 35 Das sechste Buch des SGB und damit auch die sozialversicherungsrechtliche Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten gilt im Beitrittsgebiet seit dem 1.1. 92; Rentenreformgesetz 1992 vom 18.12.89 (BGBl I 1989, S. 2261). 36 Abgedruckt bei Horn, RWS Dok. 1, 1.7, S. 6. Demnach ist Arbeiter, wer überwiegend manuelle und mechanische Tätigkeiten ausübt Angestellter ist, wer überwiegend kaufmännische oder büromäßige Tätigkeiten leistet oder andere bei der Arbeit beaufsichtigt. 37 EVtr, Anlage I, Kapitel VIII, Sachgebiet A, Abschnitt III Nr. 12a.

I. Der sachliche Geltungsbereich von § 111 BetrVG

37

5. Das Übergangsmandat des Betriebsrats im Zuge der Entflechtung

a) Die Entstehung des Übergangsmandats Um die Restitutions- und Privatisierungsverfahren beschleunigen zu können, hat der Gesetzgeber mit § 6b VermG und dem SpTrUG die Rechtsinstitute der Unternehmensentflechtung und Unternehmensspaltung geschaffen bzw. besonders geregelt. Dadurch wurde die Entflechtung ehemals volkseigener Wirtschaftseinheiten unter Verzicht der ansonsten erforderlichen Realteilung zugunsten des Prinzips einer partiellen Universalsukzession ermöglicht 3 8 . Durch beide Vorgänge können für Teile der Belegschaft die Betriebsräte wegfallen 39 , so daß sie in der für sie kritischen Übergangsphase nach der Spaltung oder Entflechtung ohne den Schutz der Beteiligungsrechte des Betriebsrats wären. Um eine solche betriebsratslose Zeit zu vermeiden 40 , wurde in § 13 SpTrUG und § 6b Abs. 9 VermG ein Übergangsmandat geschaffen 41 . Im Falle einer Betriebsaufspaltung zu Neubildung von zwei oder mehr Betrieben geht der alte Betrieb unter, sein Betriebsrat bleibt nach § 13 Abs. 1 SpTrUG jedoch im Amt und führt für die ihm bisher zugeordneten Betriebsteile die Geschäfte weiter. Bei der Betriebsabspaltung bleibt der alte Betrieb mitsamt dem Betriebsrat im Kern bestehen. Nach § 13 Abs. 1 SpTrUG behält der Betriebsrat seine Zuständigkeit für den abgespaltenen Betriebsteil weiter 4 2 . Das Übergangsmandat entfällt für die auf- oder abgespaltenen Betriebsteile, die in einen bestehenden Betrieb eingegliedert werden, für den ein Betriebsrat existiert. Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 SpTrUG endet das Übergangsmandat, sobald in den Betriebsteilen ein neuer Betriebsrat gewählt und das Wahlergebnis be-

38 Zur Spaltung siehe im Einzelnen: Haritz in Rechtshandbuch, Β 230, § 10 SpTrUG; zur Entflechtung: Wellhöfer in Rechtshandbuch, Β 200, § 6b VermG. 39 Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 21 Rn 35. 40 So die Begründung des Regierungsentwurfs vom 19.2.91 zu § 13 Abs. 1 SpTrUG, BT-Drucks. 12/105, S.14. 41 Da die Regelungen inhaltlich übereinstimmen, wird im weiteren nur auf § 13 SpTrUG eingegangen. 42 Zu diesem Widerspruch zu den betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätzen der Abhängigkeit des Betriebsrats in seiner Existenz vom Fortbestand des Betriebs, für den er gewählt worden ist, sowie der Abhängigkeit der Mitgliedschaft im Betriebsrat vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses des Betriebsratsmitglieds zum Arbeitgeber des zu betreuenden Betriebs siehe Engels, DB 91, 966 (967); Oetker/Busche, NZA91, Beil. 1/91, 18 (23).

38

Β. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

kanntgemacht ist, spätestens jedoch drei Monate nach Wirksamwerden der Spaltung der Gesellschaft 43 . Das Übergangsmandat des § 13 Abs. 1 SpTrUG erstreckt sich nach seinem Wortlaut nur auf den Betriebsrat als Organ. Fraglich ist, ob sich durch die Spaltung seine Zusammensetzung ändert. Wendet man die allgemeinen Vorschriften an, so würden die Betriebsratsmitglieder, die in einen abgespaltenen Betriebsteil zugeordnet werden, nach § 8 Abs. 1 BetrVG ihre Wählbarkeit im Kernbetrieb und damit nach § 24 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG die Betriebsratszugehörigkeit verlieren 44 . Würde man diese Auslegung konsequent auch auf den Fall der Aufspaltung anwenden, würden unter Umständen alle Betriebsratsmitglieder ihr Mandat verlieren, denn zumindest hinsichtlich eines der neuen Betriebe besitzt kein Betriebsratsmitglied ein passives Wahlrecht. Um dieses dem Zweck des § 13 SpTrUG entgegengesetzte Ergebnis zu vermeiden, gewährleistet die Regelung des § 13 Abs. 1 SpTrUG auch eine Kontinuität des Betriebsratsamtes45. Für dieses Ergebnis spricht auch, daß so für eine Betriebsbelegschaft, die sich durch einen fremden Betriebsrat vertreten sieht, die Möglichkeit besteht, zumindest durch die Mitgliedschaft eines aus dem Betrieb stammenden Betriebsratsmitglieds Einfluß auf die Arbeit des Betriebsrats zu nehmen.

b) Umfang des Übergangsmandats Nach § 13 Abs. 1 S. 1 SpTrUG führt der Betriebsrat die Geschäfte für die ihm bislang zugeordneten Betriebsteile weiter. M i t dieser dem § 22 BetrVG entsprechenden Formulierung stellt der Gesetzgeber klar, daß die Geschäftsführungsbefugnis des Betriebsrats grundsätzlich umfassend ist. Das Übergangsmandat steht bei der Ausübung der Beteiligungsrechte jedoch unter dem Vorbehalt strikter Wettbewerbsneutralität46. Das Übergangsmandat des Betriebsrats besteht für den auf- oder abgespaltenen Betrieb nur, wenn in diesem die für die Wahl eines Betriebsrates nach § 1 BetrVG erforderliche Zahl von Arbeitnehmern tätig ist. Der Regierungsentwurf zu § 13 SpTrUG wurde auf Empfehlung des Rechtsausschusses 43

Nach § 10 SpTrUG wird die Spaltung mit Eintragung der Spaltung im Handelsregister der übertragenden Gesellschaft wirksam. 44 Oetker/Busche, ΝΖΑ 91, Beil. 1/91, 18 (24). 45 So wohl auch Engels, DB 91, 966 (967). 46 § 13 Abs. 1 SpTrUG.

I. Der sachliche Geltungsbereich von § 111 BetrVG

39

um eine entsprechende Einschränkung ergänzt. Diese bezieht sich entgegen dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 S. 1 SpTrUG 4 7 auch auf einzelne Beteiligungsrechte, deren Geltendmachung von einer bestimmten Arbeitnehmerzahl abhängt. Das ergibt sich aus der Begründung des Rechtsausschusses, in der von der "nach allgemeinen Vorschriften erforderlichen Zahl von Arbeitnehmern" die Rede ist 4 8 . Eine solche Einschränkung ist auch geboten, da dem durch Spaltung neu entstandenen Betrieb sonst unter Umständen über das Obergangsmandat des alten Betriebsrats mehr Rechte zustehen würden, als wenn er bereits einen eigenen Betriebsrat gewählt hätte. Das widerspräche dem Gesetzeszweck von § 13 Abs. 1 SpTrUG. Daher kann der Übergangsbetriebsrat die Rechte aus §§ 111 ff. BetrVG nur fur Betriebe mit in der Regel mehr als 20 Arbeitnehmern ausüben 49 . Fraglich ist der Umfang des Übergangsmandats fur den Fall, daß ein Betriebsteil in einen betriebsratslosen Betrieb eingegliedert wird. Oetker/ Busche erstrecken das Übergangsmandat in diesem Fall nur auf den auf- bzw. abgespaltenen Betriebsteil, nicht auf den gesamten neuen Betrieb 50 . Sie begründen diese Ansicht mit dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 SpTrUG, wo es heißt "...ftXhrt die Geschäfte fur die ihm bislang zugeordneten Betriebsteile weiter", und dem Normzweck, da das Übergangsmandat nur eine betriebsratslose Zeit fur die in dem betreffenden Betriebsteil beschäftigten Arbeitnehmer verhindern soll. Beide Argumente vermögen nicht zu überzeugen. Schon der zeitliche Druck, unter dem das SpTrUG ins Leben gerufen wurde, verbietet eine streng am Wortlaut orientierte Auslegung. So wird in den Begründungen zum Regierungsentwurf und der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses nicht zwischen Betrieb und Betriebsteil unterschieden 51 . Auch praktisch ließe sich diese Ansicht wohl kaum verwirklichen, denn das Betriebsverfassungsgesetz kennt keinen Fall, wo Mitwirkungsrechte nur für einen Betriebsteil ausgeübt werden. Hauptaufgabe des Übergangsbetriebsrats

47 §13 Abs. 1 s. 1 SpTrUG: "Hat die Spaltung der Gesellschaft die Spaltung eines Betriebs Folge, so bleibt dessen Betriebsrat im Amt und ftXhrt die Geschäfte für die ihm bislang zugeordneten Betriebsteile weiter, soweit sie über die in § 1 des Betriebsverfassungsg genannte Arbeitnehmerzahl verfügen und nicht in einen Betrieb eingegliedert werden, in Betriebsrat besteht. " 48 Begründung Rechtsausschuß zu § 13 Abs. 1 Satz 1 SpTrUG, BT-Drucks. 12/254, S. 16. 49 Im Ergebnis ebenso Engels, DB 91, 966 (968). Der Unterschied zu dem für den Gesamtbetriebsrat gefundenen Ergebnis (s.o. B.I.3.) ist darin begründet, daß der Obergangsbetriebsrat stellvertretend nur die Rechte ausübt, die dem Einzelbetriebsrat zustehen würden, während der Gesamtbetriebsrat mit einer orginären Zuständigkeit ausgestattet ist. 50 Oetker/Busche, NZA 91, Beil. 1/91,18 (24). 51 Begründung Rechtsausschuß zu § 13 Abs. 1 Satz 1 SpTrUG, BT-Drucks. 12/254, S.16, Begründung des Regierungsentwurfs vom 19.2.91 zu § 13 Abs. 1 SpTrUG, BT-Drucks. 12/105, S. 14.

40

Β. Unterchtungs- und Beratungspflichten

wird außerdem vor allem die Vorbereitung der Wahl eines Betriebsrats in den neuen Betrieben sein. Auch diese läßt sich nicht auf einen Betriebsteil beschränken. Für den Fall, daß ein Betriebsteil in einen Betrieb ohne Betriebsrat eingegliedert wird, erstreckt sich daher das Übergangsmandat auf den gesamten Betrieb 52 .

c) Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats Auf- oder abgespaltene Betriebsteile werden für eine Übergangszeit vom Betriebsrat des Ursprungsbetriebs betreut. Für eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats bleibt hier kein Raum 5 3 . Anders ist der Fall zu beurteilen, daß der Betriebsteil in ein bestehendes Unternehmen eingegliedert wird und es dort zu einer die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats begründenden Betriebsänderung im Sinne von § 50 Abs. 1 BetrVG kommt. In diesem Fall erstreckt sich die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats auch auf den neuen, noch betriebsratslosen Betrieb 54 . Hier werden die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer durch den Gesamtbetriebsrat wahrgenommen, so daß die Notwendigkeit eines Übergangsmandats entfallt. Der Übergangsbetriebsrat wird im Gesamtbetriebsrat trotz Fehlen einer entsprechenden gesetzlichen Regelung repräsentiert sein.

6. Vorhandensein eines Betriebsrats

In wirtschaftlichen Angelegenheiten wird nur in solchen Betrieben mitbestimmt, in denen die Arbeitnehmer dem gesetzlichen Gebot zur Wahl eines Betriebsrats nachgekommen sind. Das Gebot, in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf wahlberechtigten Arbeitnehmern einen Betriebsrat zu wählen, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 1 BetrVG 5 5 . Kommt die Belegschaft dieser Pflicht nicht nach, so entfallen logischerweise auf der anderen Seite die sich für die Arbeitnehmer aus den §§ 111 ff. BetrVG bei einer Betriebsänderung ergebenden Rechte.

52

Im Ergebnis ebenso Engels, DB 91,966 (968). Oetker/Busche,, ΝΖΑ91, Beil. 1/91, 18 (25). 54 Und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen Betrieb mit mehr als 20 Arbeitnehmern handelt. Zur Begründung vergleiche oben B.I.2.a)/b)\ ablehnend Oetker/Busche, NZA 91, Beil. 1/91, 18(25). 55 "...werden Betriebsräte gewähltBAG vom 29.2.72, AP Nr. 9 zu § 72 BetrVG 1952. 53

I. Der sachliche Geltungsbereich von § 111 BetrVG

41

a) Maßgeblicher Zeitpunkt Planung und Durchführung einer Betriebsänderung stellen einen Prozeß dar, so daß ein Zeitpunkt zu bestimmen ist, in dem ein Betriebsrat spätestens gewählt sein muß. Gerade wegen der Vielzahl und der Geschwindigkeit der betrieblichen Veränderungen im Beitrittsgebiet ist die genaue Bestimmung dieses Zeitpunkts hier wichtig. Er ist fraglos überschritten, wenn der Unternehmer die Betriebsänderung bereits ausgeführt hat. Doch auch schon zum Zeitpunkt des unternehmerischen Entschlusses stehen Art und Weise der Durchführung der Betriebsänderung fest, so daß die Rechte aus § 111 BetrVG nicht mehr durch einen anschließend gewählten Betriebsrat geltend gemacht werden können. Auch für einen Interessenausgleich bleibt kein Raum 5 6 . Fraglich könnte nur sein, ob ein nach Beschluß der Betriebsänderung gewählter Betriebsrat die Aufstellung eines Sozialplans verlangen kann. Gegen eine solche Möglichkeit spricht schon der Wortlaut des § 112 BetrVG, der in der Legaldefinition des Sozialplans von der "geplanten Betriebsänderung" spricht. Dagegen spricht aber auch der Gesetzeszweck. Die Unterrichtungs- und Beratungspflichten des Unternehmers, seine Pflicht auf einen Interessenausgleich hinzuwirken sowie die erzwingbare Aufstellung eines Sozialplans stehen in einem systematischen und funktionalen Zusammenhang. Der Sozialplan stellt ein Korrektiv für den Fall dar, daß der Unternehmer bei seiner Entscheidung über eine Betriebsänderung die sozialen Belange der Belegschaft nicht oder nur unzureichend berücksichtigt. Kommt es zwischen Betriebsrat und Unternehmer nicht zu einem Interessenausgleich, bleibt für den Unternehmer wegen des erzwingbaren Sozialplans ein finanzielles Risiko. Dieses Risiko muß der Unternehmer vor seinem Entschluß aber kennen, er hat ein berechtigtes und schützenwertes Interesse daran, zu wissen, welche finanziellen Auswirkungen ein Sozialplan mit sich bringt, bevor er sich endgültig für eine Betriebsänderung entscheidet. Aus diesen Gründen kann es auch zu einem Sozialplan nur kommen, wenn die Belegschaft bereits vor der Entschlußfassung des Unternehmers einen Betriebsrat gewählt hat 5 7 .

« BAG vom 20.4.82, AP Nr. 15 zu § 112 BVerfG 1972; Fitting/AuffarthKaiser/Heither, § 111 Rn 5; Galperin/Löwisch, § 111 Rn 7; GK-Fabricius, § 111 Rn 55; Dietz/Richardi, § 111 Rn 11; Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S. 256. 57 BAG vom 20.4.82, AP Nr. 15 zu § 112 BVerfG 1972; Galperin/Löwisch, § 111 Rn 7; GKFabricius, § 111 Rn 55; undeutlich Dietz/Richardi, § 111 Rn 111; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 111 Rn 5 insoweit, als sie auf den Zeitpunkt der unternehmerischen Entscheidung und des Beginns der Durchführung der Betriebsänderung abstellen.

42

Β. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

In seiner Entscheidung vom 28. Oktober 1992 lehnt das BAG die Aufstellung eines Sozialplans mit einem nach Beginn der Durchführung der Betriebsänderung gewählten Betriebsrat sogar dann ab, wenn dem Unternehmer im Zeitpunkt seines Entschlusses bekannt war, daß ein Betriebsrat gewählt werden soll 5 8 . Ob sich diese Entscheidung auf das Beitrittsgebiet für die Zeit unmittelbar nach Einführung des Betriebsverfassungsgesetzes übertragen läßt, erscheint fraglich. Die Tatsache, daß zu dieser Zeit noch gar kein Betriebsrat bestehen konnte, darf sich nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer auswirken. Auch um ein "Ausnutzen" dieser Übergangsphase durch den Unternehmer auszuschließen, sollte man den Betriebsbelegschaften eine Kulanzzeit einräumen 59 . Nur in dem Fall, daß diese Zeit abgelaufen ist, ohne daß die Arbeitnehmer diese zur Wahl eines Betriebsrats genutzt haben, kann solch ein strenger Maßstab angelegt werden.

b) Übergangsbetriebsräte

nach dem Einigungsvertrag

aa) Das Übergangsmandat Der Einigungsvertrag bestimmt für die erstmaligen Betriebsratswahlen nach dem Betriebsverfassungsgesetz den Zeitraum bis zum 30. Juni 1991. Bis zu einer solchen Wahl, längstens aber bis zum 30. Juni 1991, sollten die vor dem 30. Oktober 1990 nach demokratischen Grundsätzen von der Belegschaft in geheimer Abstimmung gewählten Arbeitnehmervertretungen im Amt bleiben 60 . Diese Übergangsbetriebsräte sollten die den Betriebsräten nach dem Betriebsverfassungsgesetz zustehenden Rechte und Pflichten wahrnehmen, allerdings nicht in Betrieben, in denen nach dem Betriebsverfassungsgesetz kein Betriebsrat zu wählen war 6 1 . Das Amt der Übergangsbetriebsräte ist am 30. Juni 1991 erloschen, so daß die betreffenden Betriebe von diesem Zeitpunkt an betriebsratslos sind, wenn nicht zwischenzeitlich eine Neuwahl nach dem Betriebsverfassungsgesetz stattgefunden hat 6 2 . Diese Festlegungen zu § 13 BetrVG waren bereits gleichlautend in § 30 Nr. 3 des Mantelgesetzes ent-

58

BAG vom 28.10.92, RdA 93, 62. Eine solche Kulanzzeit bemißt sich nach der Zeit, die durchschnittlich für die Wahl eines Betriebsrats benötigt wird. 60 EVtr,Anlage II, Kapitel VIII, Sachgebiet A, Abschnitt III Nr. 4 i.V.m. der Verordnung zur Übergangsregelung bis zur erstmaligen Wahl der Betreibsräte nach dem Betriebsverfassungsgesetz vom 11. Juli 1990, GBl. Teil I Nr. 44, S. 715. 61 s.o .B.I.S.b). 62 Diese Regelung entspricht den §§ 21, 13 BetrVG. 59

I. Der sachliche Geltungsbereich von § 111 BetrVG

43

halten, durch das das Betriebsverfassungsgesetz am 1. Juli 1990 im Gebiet der damaligen DDR in Kraft gesetzt wurde 6 3 . Der darin enthaltene Begriff "Arbeitnehmervertretungen" wurde durch eine Verordnung dahingehend erläutert, daß darunter auch die gewählten betrieblichen gewerkschaftlichen Interessenvertretungen fallen 6 4 . Durch diese Regelung bestand die Möglichkeit, daß mehrere Arbeitnehmervertretungen in einem Betrieb nebeneinander existierten 65 . Durch oben genannte Verordnung wurde für diesen Fall klargestellt, daß dann diejenige Arbeitnehmervertretung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes legitimiert war, die nach dem Wahlprotokoll von der Mehrheit der Belegschaft in geheimer Abstimmung demokratisch gewählt worden war 6 6 . Prozessual bedeutet diese Übergangsregelung, daß ein Arbeitnehmer, der die Verletzung der §§ 111 ff. BetrVG geltend macht , nicht nur die Verletzung, sondern auch das Vorhandensein einer funktionsfähigen und hinreichend legitimierten Arbeitnehmervertretung im Sinne des Einigungsvertrags darlegen muß. Das wird - auch im Hinblick auf die Möglichkeit des Vorhandenseins verschiedener Vertretungen - für den Arbeitnehmer mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein 6 7 .

bb) Die Amtszeit des Übergangsbetriebsrats Schwierigkeiten ergeben sich auch hinsichtlich der Amtszeit der in der Übergangsphase nach den Regeln des Betriebsverfassungsgesetzes gewählten Betriebsräte. Gilt für diese, falls sie nach dem 1. Juli 1990, also nach dem Inkrafttreten des Betriebsverfassungsgesetzes, gewählt worden sind, zweifellos nach § 21 BetrVG eine vierjährige Amtszeit, so ist dies für vor dem 1. Juli 1990 gewählte Betriebsräte umstritten. Während Engels unter Heranziehung von Sinn und Zweck der Übergangsregelung den Betriebsräten, die in voller Anwendung der materiellen Wahlvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes 63 § 30 Nr. 3 des Gesetzes über die Inkraftsetzung von Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland in der DDR vom 21 Juni 1990, GBl. I Nr.34, S. 362. 64 Verordnung zur Übergangsregelung bis zur erstmaligen Wahl der Betreibsräte nach dem Betriebsverfassungsgesetz vom 11. Juli 1990, GBl. I Nr. 44, S. 715. 65 Zur Frage der Fortgeltung der durch die Übergangsbetriebsräte vor dem 1.7.90 abgeschlossenen Betriebskollektivverträge siehe Schaub, BB 91,685 ff. 66 Verordnung zur Übergangsregelung bis zur erstmaligen Wahl der Betreibsräte nach dem Betriebsverfassungsgesetz vom 11. Juli 1990, GBl. I Nr. 44, S. 715. 67 So auch Dörner/Widlak,, NZA 91, Beil. 1/91, S.43, 50.

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Β. Unterchtungs- und Beratungspflichten

und der dazu ergangenen Wahlordnung gewählt worden sind, auch dann eine vierjährige Amtszeit zusprechen will, wenn die Wahl vor dem 1. Juli 1990 stattgefunden hat 6 8 , lehnt die überwiegend vertretene Gegenansicht dies ab. Als Begründung wird angeführt, daß eine Wahl nach dem Betriebsverfassungsgesetz voraussetze, daß das Gesetz überhaupt zum Zeitpunkt der Wahl Anwendung finde, was bis zum 1. Juli 1990 nicht der Fall war 6 9 . Zur Lösung dieses Problems ist an erster Stelle vom Wortlaut der Übergangsregelung auszugehen: "Betriebsräte (...), die vor dem 31. Oktober 1990 nach demokratischen Grundsätzen (...) in geheimer Abstimmung gewählt worden sind, bleiben bis zur Wahl eines neuen Betriebsrates nach dem Betriebsverfassungsgesetz, längstens bis zum 30. Juni 1991, im Amt". Gegen die Ansicht von Engels spricht, daß die Formulierung "nach dem Betriebsverfassungsgesetz" voraussetzt, daß das Betriebsverfassungsgesetz zum Zeitpunkt der Wahl schon Anwendung findet70. Anderseits ist ihm darin zuzustimmen, daß sich eine rein förmliche Betrachtungsweise hier verbietet, da sie dem schwierigen und komplizierten Prozeß der Wiedervereinigung nicht angemessen ist 7 1 . Für eine großzügige Auslegung spricht auch die Tatsache, daß schon lange vor dem 1. Juli 1990 in der damaligen DDR die Übernahme des Betriebsverfassungsgesetzes feststand. Eine entsprechende Verpflichtung bestand mit Unterzeichnung des Staatsvertrages zur Schaflung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion am 18. Mai 1990. Um den Belegschaften zu ermöglichen, schnellstmöglich die bestehenden Betriebsgewerkschaftsleitungen durch demokratisch legitimierte Arbeitnehmervertretungen zu ersetzen, wurde trotzdem das vereinfachte Wahlverfahren nach "demokratische Grundsätzen" zugelassen, sogar über den Zeitpunkt der Einführung des Betriebsverfassungsgesetzes hinaus 72 . Die so in der Übergangszeit gewählten Betriebsräte sollten dafür nur eine begrenzte Zeit im Amt bleiben. Daher ist denkbar, daß der Gesetzgeber in der Übergangsregelung nur zwischen Wahlen nach den Maß68

Engels, DB 90,3139. Dänzer-Vanotti/Tyska, DB 90, 3186(3187); Dörner/Widlak, NZA, Beil. 1/91, 43(50); GKKreutz, Nachtrag zu Band I, Anhang zu § 13 Rn 7; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, Anhang zu § 13 Rn 11; im Ergebnis auch Däubler/Schneider, § 13 Rn 33. 70 Dänzer- Vanotti/Tyska, DB 90, 3186(3187); Dörner/Widlak, NZA 91, Beil. 1/91, 43(50); GKKreutz Nachtrag zu Band I, Anhang zu § 13 Rn 7. 71 Engels, DB 90, 3139(3140); dagegen bekräftigen Dänzer-Vanotti/Tyska, DB 90, 3186(3188) eine formale Betrachtungsweise, da es sich bei den Bestimmungen über die Betriebsratswahl um Formalrecht handele. 72 BT-Drucks. 11/7350, S. 125. 69

I. Der sachliche Geltungsbereich von § 111 BetrVG

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Stäben des Betriebsverfassungsgesetzes und nach einem einfacheren demokratischen Maßstab differenzieren wollte. Dann wäre die Formulierung "nach dem Betriebsverfassungsgesetz" so zu verstehen, daß auch Wahlen in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes, also auch solche vor dem 1. Juli 1990, darunter fielen. Gegen dieses Ergebnis spricht aber die Systematik des Gesetzes. Das Betriebsverfassungsgesetz kennt die Möglichkeit der Wahlanfechtung und damit verbunden die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Betriebsratswahl. Vor dem 1. Juli 1990 durchgeführte Wahlen unterlagen keiner gerichtlichen Kontrolle, so daß nicht die Möglichkeit bestand, sie in Bezug auf ihre rechtmäßige Durchführung nach den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes und der Wahlordnung zu überprüfen. Diese Einschränkung der Rechte von Arbeitnehmern und Arbeitgeber hat man mit Einführung der Übergangsregelung hingenommen, um eine möglichst rasche Wahl von demokratisch legitimierten Arbeitnehmervertretungen zu ermöglichen. Dann muß diese Einschränkung aber so gering wie möglich gehalten werden, was dadurch zu erreichen ist, daß es schnell zu einer erneuten Wahl kommt, deren rechtmäßige Durchführung gerichtlich überprüft werden kann. Genau dies bezweckt Satz 2 der Übergangsregelung, der die Amtszeit der Übergangsbetriebsräte beschränkt. Somit fallen auch die Betriebsräte unter die Übergangsregelung nach Satz 2 der Festlegung zu § 13 BetrVG im Einigungsvertrag, die vor dem 1. Juli 1990 unter voller Beachtung des Betriebsverfassungsgesetzes und der Wahlordnung gewählt worden sind. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn eine Betriebsratswahl unter voller Beachtung der materiellen Wahlvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes und der Wahlordnung vor dem 1. Juli 1990 eingeleitet worden ist, die Stimmabgabe aber erst am 1. Juli 1990 oder später erfolgt ist. Da in diesem Fall der Betriebsrat zu einem Zeitpunkt gewählt worden ist, in dem das Betriebsverfassungsgesetz bereits in Kraft gesetzt war und eine solche Wahl auch gerichtlich überprüfbar ist, handelt es sich nicht um einen Übergangsbetriebsrat im Sinne von Satz 2 der Festlegung zu § 13 BetrVG im Einigungsvertrag 73 .

73

Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither,

Anhang zu § 13 Rn 11.

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Β. Unterchtungs- und Beratungspflichten

I I . Der Regelungsbereich von § 111 BetrVG 1. Betriebsänderung

Ausgangspunkt für die Mitwirkungsrechte aus § 111 BetrVG - ebenso wie für die aus den §§ 112, 113 BetrVG - ist die Betriebsänderung. Im folgenden wird untersucht, welche der besonders gearteten wirtschaftlichen und rechtlichen Vorgänge, die mit der deutschen Einheit einhergingen, sich unter den Begriff der Betriebsänderung subsumieren lassen.

a) Verhältnis von § 111 Satz 1 BetrVG zu Satz 2 Die Gesetzestechnik des § 111 BetrVG erschwert angesichts der Mehrdeutigkeit des Wortlauts die exakte Bestimmung der vom Betriebsverfassungsgesetz erfaßten Betriebsänderungen. Aus diesem Grund ist eingangs die Streitfrage zu beantworten, ob es sich bei den in § 111 S. 2 BetrVG genannten Einzelfallen von Betriebsänderungen um eine Aufzählung von Beispielen oder einen abschließenden Katalog handelt 74 . Diese Frage ist durchaus nicht nur theoretischer Natur, wie teilweise mit der Begründung, alle denkbaren Betriebsänderungen im Sinne von § 111 S. 1 BetrVG ließen sich sowieso unter Satz 2 subsumieren, behauptet w i r d 7 5 . Gerade im Zusammenhang mit der Umwandlung und Umstrukturierung der ehemaligen Staatsbetriebe sind Fälle denkbar, die zwar unter Satz 1, nicht aber unter Satz 2 fallen 7 6 .

aa) Meinungsstand Getragen wird die Kontroverse von der undeutlichen Formulierung des § 111 S. 2 BetrVG, die nicht klar erkennen läßt, ob es sich bei der Aufzählung der mitbestimmungspflichtigen Betriebsänderungen um eine abschließende

74 Auf die einzelnen in § 111 Satz 2 BetrVG genannten Tatbestände von Betriebsänderungen wird in dieser Arbeit nicht eingegangen. Es wird insoweit verwiesen auf die umfangreiche Kommentierung bei GK-Fabricius, § 111 Rn 114 ff; Dietz/Richardi, § 111 Rn 26 ff. 75 Dietz/Richardi, § 111 Rn 19; Galperin/Löwisch, § 111 Rn 19a; Fitting/Auffarth/Kaiser/ Η either, § 111 Rn 15. 76 So zum Beispiel ein nicht unter § 112a Abs. 1 BetrVG fallender Personalabbau, nach dem die verringerte Betriebsbelegschaft die gleiche Arbeitsleistung wie bisher erbringen muß; in einem vergleichbaren Fall spricht das LAG Baden-Württemberg (LAGE § 111 BetrVG 1972 Nr. 6) von einer Betriebsänderung im Sinne von § 111 S. 1 BetrVG.

I . Der

eelungsbereich von § 111 BetrVG

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handelt. Von einem Teil der Lehre 7 7 und Rechtsprechung78 wird die Ansicht vertreten, der Katalog des Satz 2 sei abschließend, da das Wort "insbesondere" fehle, welches das Gesetz sonst stets verwende, wenn es eine beispielhafte Aufzählung kennzeichnen wolle. Das Gesetz stelle im Gegensatz zum Regierungsentwurf BetrVG 1972 nicht darauf ab, ob und in welchem Umfang eine bestimmte Zahl von Arbeitnehmern durch unternehmerische Maßnahmen nachteilig betroffen werde, sondern halte im Interesse der Rechtssicherheit daran fest, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Betriebsänderungen wie nach § 72 BetrVG 1952 an im einzelnen katalogmäßig umschriebene Maßnahmen des Unternehmers zu knüpfen. Diese Rechtssicherheit sei schon wegen der gravierenden Rechtsfolgen der Betriebsänderung wie Sozialplan und Nachteilsausgleich geboten. Schließlich sei eine Eingrenzung auch sinnvoll, da das Gesetz die unternehmerische Initiative nicht einschränken wolle. Die Gegenmeinung 79 ist der Auffassung, der Katalog des S. 2 zähle nur beispielhafte Fälle von Betriebsänderungen auf. Es würden die Betriebsänderungen aufgezählt, bei denen stets ohne besondere Prüfung vermutet werde, daß sie wesentliche Nachteile für die Belegschaft mit sich bringen könnten. Diese Form der gesetzlichen Fiktion ergebe sich aus der Formulierung "als Betriebsänderungen im Sinne des Satzes 1 gelten".

bb) Stellungnahme Allein aus dem Fehlen des Wortes "insbesondere" in § 111 S. 2 BetrVG kann nicht auf eine abschließende Aufzählung geschlossen werden. Bei Satz 2 handelt es sich sowohl um eine Klarstellung als auch um eine gesetzliche Fiktion 8 0 . Richtig ist, daß sich bei einer solchen der Gesetzgeber in der Regel der Worte "insbesondere" oder "auch" bedient, wenn es sich um keine ab-

77 Dietz/Richardi, § 111 Rn 19; Galperin/Löwisch, § 111 Rn 19; Vogt, Der Sozialplan, S. 47; Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 111 Rn 15; Hanau, ZfA 74, 89(93). 78 LAG Düsseldorf, DB 73, 2453. 79 Fittmg/Auffarth/Kaiser/Heither, § 111 Rn 15; GK-Fabricius, § 111 Rn 85ff.; Rumpff/Boe Mitbestimmung, S. 270; Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, S. 304; Konzen, Untemehmensaufspaltungen und Organisationsänderungen, S. 132; LAG Baden-Württemberg vom 16.6.87, LAGE § 111 BetrVG 1972 Nr. 6. 80 Das ergibt sich aus der Verwendung des Wortes "gelten", so auch GK- Fabricius, § 111 Rn 96; BAGE 40, 36; Hess ( in Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 111 Rn 18) lehnt eine Fiktion ab; von einer solchen könne nur gesprochen werden, wenn in den Fällen des Satzes 2 mit Sicherheit keine wesentlichen Nachteileför die Belegschaft zu befürchten seien, der Gesetzgeber dies für die dort aufgezählten Fälle aber so beinhaltet wissen wollte. Hess verkennt dabei, daß sich der Gesetzgeber der Fiktion auch bedienen kann, wenn Zweifel bestehen, ob ein bestimmter Tatbestand der Unterfall eines anderen ist. Siehe dazu auch Lorenz, Methodenlehre, S. 150.

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Β. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

schließende Aufzählung handelt. Allein aus dem Fehlen eines solchen Wortes kann aber nicht auf das Gegenteil geschlossen werden. Satz 2 enthält keine Definition der Betriebsänderung. Er bezieht sich auf den gesamten Satz 1, nennt also Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft zur Folge haben können 8 1 . Bedeutung erhält dieser Relativsatz in Satz 1 nur, wenn über den Katalog des Satz 2 hinaus Betriebsänderungen im Sinne des Satz 1 denkbar sind. Würde es sich bei Satz 2 um einen abschließenden Katalog handeln, wäre der Relativsatz in Satz 1 überflüssig, das Vorliegen der über Satz 2 definierten Betriebsänderung würde ausreichen. Deshalb muß es sich bei Satz 1 um eine über Satz 2 hinausgehende Generalklausel handeln, deren Tatbestand über die in Satz 2 genannten Fälle hinaus erfüllt sein kann 8 2 . Dem widerspricht auch nicht die Entstehungsgeschichte des BetrVG 1972. Zwar wurde die Regelung des Regierungsentwurfs, die Mitbestimmungsrechte davon abhängig zu machen, ob eine nach der Betriebsgröße gestaffelte Zahl von Arbeitnehmern durch unternehmerische Maßnahmen nachteilig betroffen ist, verworfen. Die Kritik richtete sich aber ausschließlich gegen das Kriterium als solches 83 , nicht gegen die fehlende Konkretisierung in einem abschließenden Katalog. So wurde anderseits auch der Entwurf der CDU/CSU-Fraktion 84 , der eine eindeutig abschließende Regelung enthielt, nicht übernommen. Auch das für einen abschließenden Katalog sprechende Argument der Rechtssicherheit vermag nicht zu überzeugen. Durch die Forderung nach einer eindeutigen Regelung werden die bei Grenzfällen immer auftretenden Schwierigkeiten lediglich vom Bereich des normativen Rahmens in den Bereich der Subsumtion verlagert. Auch der Einwand, ohne eindeutige Regelung sei der Unternehmer über Gebühr beschwert und einem hohen Risiko hinsichtlich der Folgen des § 113 BetrVG ausgesetzt, hat keine durchschlagende Kraft. Unsicherheiten in der Gesetzesauslegung können keine das Gesetz einschränkende Bedeutung haben. Sie sind ein allgemeines Phänomen, das durch Auslegung zu lösen ist 8 5 . Es darf auch nicht übersehen werden, daß für die eigentlich gravierenden Rechtsfolgen des Sozialplans die zusätzlichen in § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG enthaltenen Kriterien erfüllt sein müssen. Hinzu kommt, daß es sinn- und zweckwidrig wäre, Interessenausgleich und Sozial81

Anders Dietz/Richardi, § 111 Rn 21, danach ist in den Fällen des Satz 2 die Prüfung erforderlich, ob die Betriebsänderung wesentliche Nachteile für die Belegschaft zur Folge hat 82 GK-Fabricius, § 111 Rn 95, m.w.N. » BT-Drucks. W 2729, S. 8 u. 32. 84 BT-Drucks. VI/1806, S. 9, § 43 Abs. 2 Satz 2. 85 Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S. 272.

I . Der

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eelungsbereich von § 111 BetrVG

plan dann entfallen zu lassen, wenn im Rahmen einer Betriebsänderung, die nicht unter die in Satz 2 enthaltenen Tatbestände fällt, erhebliche Nachteile für die Belegschaft eintreten 86 .

cc) Ergebnis Bei § 111 S. 2 BetrVG handelt es sich nicht um eine abschließende Aufzählung der Betriebsänderungen, die die Rechte aus den §§ 111 ff. BetrVG auslösen. Fällt eine Betriebsänderung nicht unter Satz 2, ist sie aber gleichzeitig mit der Möglichkeit wesentlicher Nachteile für die Belegschaft verbunden, so kommt § 111 BetrVG trotzdem zur Anwendung.

b) Die Umwandlung als Betriebsänderung

?

Die Transformation der ehemals "volkseigenen" Wirtschaftseinheiten in die marktwirtschaftlich strukturierte Wirtschaftsverfassung der Bundesrepublik war und ist für diese mit einer Vielzahl von Maßnahmen verbunden, die sich problemlos unter den Betriebsänderungsbegriff des § 111 S. 2 BetrVG subsumieren lassen. Überlegenswert erscheint die Frage, ob auch die Transformation als solche eine Betriebsänderung darstellte. Rechtlich und unternehmensbezogen betrachtet vollzog sich dieser Vorgang in der Umwandlung der ehemaligen volkseigenen Kombinate in Kapitalgesellschaften87. Dadurch wurde das Kombinat, dessen Produktion sich zuvor an den staatlichen Planungsvorgaben und den "Bedürfnissen der Werktätigen der DDR" ausgerichtet hatte, zu einem Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsichten. Dienten die Kombinate mit ihren Betrieben vorher auch anderen, vor allen Dingen sozialen Zwekk e n 8 8 - Sinn/Sinn sprechen in diesem Zusammenhang von sozialen Clubs 8 9 kam es nun nur noch auf die Überlebens- und Konkurrenzfähigkeit und damit auf marktwirtschaftliche Effizienz an. Nicht alle dadurch ausgelösten betrieblichen Veränderungen lassen sich unter den Begriff der Betriebsänderung in § 111 BetrVG subsumieren. Trotzdem sind sie unter Umständen in ihren Aus86

Däubler, § 111 Rn 33; die Vertreter der Gegenansicht legen, um dieses Ergebnis zu vermeiden, die Fälle des Satz 2 ausdehnend aus oder ziehen sogar die Analogie heran, so Hanau, ZfA 1974, 89(96). 87 Diese erfolgte anfangs auf Antrag nach Maßgabe der Umwandlungsverodnung vom 1.3.1990 (GBl. I S.107), am 1.7.1990 wurde sie durch eine kraft Gesetzes (§ 11 TreuhG vom 17.6.1990, GBl. I S.300) eintretende Umwandlung abgelöst. 88 Hanau/Langanke, Das Arbeitsrecht der neuen Bundesländer, 1.1, S. 2. 89 Sinn/Sinn, Kaltstart, S. 35. 4 Biedenkopf

50

Β. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

Wirkungen für die Belegschaft nicht weniger belastend als die im Betriebsverfassungsgesetz genannten Fälle von Betriebsänderungen. Unter Berücksichtigung des mit den §§ 111 ff. BetrVG verfolgten Zwecks liegt es daher nahe, in der Umwandlung eine Betriebsänderung zu erblicken 90 . Zu denken wäre dabei an eine Zuordnung unter die grundlegende Änderung des Betriebszwecks bzw. der Betriebsorganisation oder unter die Generalklausel des Satz 1. Praktisch bleibt eine solche Einordnung allerdings ohne Bedeutung, denn der Vorgang der Umwandlung war mit dem 1. Juli 1990 abgeschlossen. Da das Betriebsverfassungsgesetz erst zu diesem Zeitpunkt in Kraft gesetzt wurde, bleibt für die Beteiligungsrechte kein Raum.

c) Betriebsübergang als Betriebsänderung

?

Hinsichtlich der Frage, ob der Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils eine Betriebsänderung darstellt, sind grundsätzlich zwei Fälle zu unterscheiden. Der Betrieb kann durch die Übernahme des gegenständlichen Betriebsvermögens im Wege der Einzelrechtsnachfolge (asset-deal) erworben werden, oder aber indem die gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen an dem juristischen Träger des Betriebsvermögens ganz oder teilweise übertragen werden (share-deal). Im letztereh Fall bleiben Unternehmen und Betrieb unverändert bestehen, lediglich die Eigentumsverhältnisse an der juristischen Person erfahren eine Änderung. Dementsprechend kann der Betriebsübergang im Wege des share-deals keine Betriebsänderung sein 91 . Eine solche kann allerdings vorliegen, wenn mit dem Übergang gleichzeitig Maßnahmen verbunden werden, die die Tatbestandsmerkmale des § 111 BetrVG erfüllen. Anders stellt sich die Situation beim asset-deal dar. Hier kommt es nicht nur zu rechtlichen Veränderungen, sondern immer auch zu solchen im tatsächlichen Bereich. Der Verkauf von Betriebsvermögen ist für die betroffenen Arbeitnehmer mit einem Wechsel des Unternehmers verbunden. Im folgenden wird daher untersucht, ob der Betriebsübergang im Wege des asset-deal als solcher eine Betriebsänderung darstellt, also auch dann, wenn mit ihm nicht gleichzeitig vom Betriebsübergang zu trennende Maßnahmen vorgenommen werden, die ihrerseits die Voraussetzungen des § 111 BetrVG erfüllen. 90

a.A Heinze, VIZ 92, 301 (306), der allerdings die Frage der Betriebsänderung mit der der Neugründung i.S.v. § 112a BetrVG zu vermischen scheint 91 Pottmeyer, Betriebsinhaberwechsel, S. 220; Heinze, VIZ 92, 301(306); Belling/Müsgen, 91, Beil 1/91,7(18).

NZA

I . Der

eelungsbereich von § 111 BetrVG

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aa) Meinungsstand Die wohl herrschende Meinung sieht im Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils keine Betriebsänderung 92 . Begründet wird der Ausschluß mit §613a BGB, wonach die Arbeitsverhältnisse durch den Betriebsübergang nicht berührt würden; durch § 613a BGB werde das fehlende Mitwirkungsrecht des Betriebsrats ersetzt. Der Gesetzgeber habe die mit dem Betriebsübergang auftretenden Probleme abschließend mit § 613 a BGB lösen wollen. Die Gegenansicht erblickt hingegen im Betriebsübergang eine Betriebsänderung93.

bb) Stellungnahme Die Begründung der herrschenden Meinung überzeugt nicht. Durch sie werden unterschiedliche Dinge gleichgesetzt. Zum einen ist zwischen Betriebsänderung als solcher und Betriebsänderung, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft zur Folge haben kann, zu unterscheiden. Zum anderen dürfen der Verlust des Arbeitsplatzes und die Nachteile im Sinne des § 111 BetrVG nicht gleichgesetzt werden 94 . Um zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen, ist daher zu prüfen, ob § 613a BGB gegenüber den §§ 111 BetrVG eine Ausschlußwirkung entfaltet. Falls nicht, ist zu untersuchen, ob der Betriebsübergang die Tatbestandsvoraussetzungen einer Betriebsänderung im Sinne des § 111 S. 2 oder S. 1 BetrVG erfüllt.

cc) Das Verhältnis von § 613a BGB zu den §§ 111 ff. BetrVG Die Vertreter der herrschenden Meinung stützen sich im wesentlichen auf die Entstehungsgeschichte des § 613a BGB. Der Einführung des § 613a BGB durch das BetrVG 1972 vorausgegangen waren Vorschläge der SPD 9 5 und des

92 BAG vom 4.12.79, AP Nr. 6 zu § 111 BetrVG 1972; Dietz/Richardi, § 111 Rn 84; Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 111 Rn 50; Galperin/Löwisch, § 111 Rn 19c; Fitting/ Auffarth/Kaiser/Heither, § 111 Rn 12; Staudinger/Richardi, § 613a, Rn 200; Rumpff/Boew Mitbestimmung, S. 292; Konzen, Unternehmensaufspaltungen und Organisationsänderungen, S. 133. Dies soll allerdings im Fall des Betriebsteilübergangs nur für den übergehenden Teil gelten, hinsichtlich der Restbelegschaft sollen die §§ 111ff. BetrVG anwendbar sein, BAG vom 24.7.79, DB 1980, S.164; Dietz/Richardi, § 111 Rn 96. 93 LAG Frankfurt, DB 85, 1999 (2001); GK-Fabricius, § 111 Rn 238 ff.; Pottmeyer, Betriebsinhaberwechsel, S. 175 ff. 94 Trotzdem begründet z.B. das LAG Düsseldorf DB 79, 114) den Ausschluß damit, daß wegen der Rechtsfolge des § 613a BGB wirtschaftliche Nachteile für die Belegschaft nicht eintreten. BT-Drucks. V/3658, S. 15.

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Β. Unterchtungs- und Beratungspflichten

DGB, den Wechsel des Betriebsinhabers als eigenständigen Tatbestand in § 72 BetrVG 1952, den Vorgänger des heutigen § 111 BetrVG, aufzunehmen. Diesen Vorschlägen ist im BetrVG 1972 nicht entsprochen worden. Statt dessen ist durch § 122 BetrVG 1972 der § 613a in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt worden. In der Begründung des § 123 des Regierungsentwurfs96, der als § 122 unverändert übernommen wurde, heißt es dazu: "Da gelegentlich Betriebe erworben werden, um sie alsbald stillzulegen, war gefordert worden, den Betriebsübergang als solchen der Mitbestimmung des Betriebsrats ausdrücklich zu unterwerfen. Der Entwurf ist diesem Vorschlag nicht gefolgt. Er sieht vielmehr die Einfügung eines neuen Paragraphen in das Bürgerliche Gesetzbuch vor, mit dem die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs für die Arbeitnehmer allgemein geregelt werden".

Daraus kann nicht geschlossen werden, der § 613a BGB enthalte für den Fall des Betriebsübergangs eine abschließende Regelung. Daß der Gesetzgeber es ablehnte, den Betriebsübergang ausdrücklich in den Katalog des § 111 BetrVG aufzunehmen, kann ebenso bedeuten, daß er davon ausging, daß der Betriebsübergang ohnehin schon dieser Norm unterfalle und folglich keiner ausdrücklichen Erwähnung bedürfe 97 . Die Begründung kann aber auch so zu verstehen sein, daß der Gesetzgeber nicht bei jedem Betriebsübergang das Vorliegen wesentlicher Nachteile fingieren wollte, sondern deren Vorliegen für jeden einzelnen Fall im Rahmen der Generalklausel des Satz 1 geprüft werden sollte. Auch der Begriff der "allgemeinen Regelung " läßt einen solchen Schluß nicht zu. Damit sollte lediglich zum Ausdruck gebracht werden, daß es sich bei § 613a BGB um eine weitergehende Regelung zum Schutz der Arbeitnehmer vor Entlassungen handelt. Ihr sollten alle Arbeitnehmer unterfallen, unabhängig von der Betriebsgröße oder dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 111 BetrVG. Dadurch sollte aber nicht ausgeschlossen werden, daß diese Voraussetzungen gleichzeitig vorliegen können 98 . Die Verfasser des Regierungsentwurfs wollten den Arbeitnehmerschutz erweitern, nicht einschränken 99 . Ein anderes Ergebnis läßt sich auch weder dem Wortlaut des § 613a BGB noch dem des § 111 BetrVG entnehmen.

96 97 98 99

BT-Drucks. VI/1786, S. 59. GK-Fabricius, § 111 Rn 278; ausführlich Pottmeyer, Betriebsinhaberwechsel, S. 182. Pottmeyer, Betriebsinhaberwechsel, S. 183. Kittner, Anm. zu BAG vom 17.2.81, AP Nr. 9 zu § 111 BetrVG 1972.

I . Der

eelungsbereich von § 111 BetrVG

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Gegen eine abschließende Regelung des § 613a BGB spricht auch die Gesetzessystematik100. § 613a BGB schützt den einzelnen Arbeitnehmer auf individualrechtlicher Ebene. Bei den §§ 111 ff. BetrVG handelt es sich dagegen um eine betriebsverfassungsrechtliche Regelung. Deutlich wird dieser Unterschied auch in Zielrichtung und Reichweite der jeweiligen Normen. Während die §§ 111 ff. BetrVG den Betrieb als Organisationseinheit im Blick haben und zu einem Ausgleich der mit einer Veränderung verbundenen Nachteile fuhren wollen, schützt § 613a BGB nur das einzelne Arbeitsverhältnis in seinem Bestand, schützt also vor dem Nachteil Kündigung 1 0 1 . Neben dem Verlust des Arbeitsplatzes sind aber noch eine ganze Reihe weiterer Nachteile denkbar, die dann unter § 111 BetrVG fallen. Schließt man diese über § 613a BGB aus, so verkürzt man den tatsächlichen Lebensvorgang des Betriebsübergangs, der eben nicht nur aus dem Übergang der Vermögenswerte und der Arbeitsverhältnisse bestehen muß. Darüber hinaus ist auch kein Grund ersichtlich, den Betriebsübergang nicht unter den Voraussetzungen des § 111 BetrVG zu prüfen. Eine unzulässige Einschränkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit kann darin nicht erblickt werden. Selbst wenn der Betriebsübergang eine Betriebsänderung darstellt, bedarf es fur eine Anwendung der §§ 111 ff. BetrVG weiterer Tatbestandsvoraussetzungen. Die (allgemeine) Betriebsänderung darf mit der Betriebsänderung, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft mit sich bringen kann, nicht gleichgesetzt werden. § 613a BGB stellt demnach gegenüber den §§ 111 ff. BetrVG keine abschließende Regelung dar. Lediglich faktisch wird § 613a BGB in der Regel die §§ 111 ff. BetrVG ausschalten, wenn durch ihn die für eine Anwendung der §§ 111 ff. BetrVG erforderlichen Nachteile - hier der Arbeitsplatzverlust ausgeschlossen werden und gleichzeitig andere Nachteile nicht auftreten.

dd) Der Betriebsübergang als Betriebsänderung im Sinne von § 111 S. 2 BetrVG ? Hinsichtlich der Frage, ob der Betriebsübergang unter § 111 BetrVG fallt, ist zuerst zu prüfen, ob er unter einen der Fälle des § 111 S. 2 BetrVG subsumiert werden kann. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem Übergang des ganzen Betriebs und dem nur eines Teils davon. Wird ein Betriebsteil 100 Das wird schon daran deutlich, daß das BetrVG und § 613a BGB von unterschiedlichen Betriebsbegriffen ausgehen, B AGE 32, 14(21); a. A GK-Fabricius, § 111 Rn 272 ff. »Ol LAG Frankfurt, DB 85, 1999(2001).

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Β. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

veräußert, so wird in der Regel ein Fall des § 111 S. 2 Nr. 2 oder 3 BetrVG vorliegen. Immer wird es zu einer Betriebseinschränkung nach Satz 2 Nr. 1 kommen 1 0 2 . Unerheblich ist, ob durch den Betriebsteilübergang nur die sächlich-gegenständliche oder personelle Substanz des Betriebs verringert wird, oder ob beide betroffen sein müssen 103 . Beides sind Elemente des Betriebsbegriffs 104 , eine Verringerung stellt eine Einschränkung dar. Lehnt man - wie hier vertreten - einen ausschließlichen Charakter des § 613 a BGB ab, so liegt im Fall der Betriebsteilsübertragung sowohl hinsichtlich des zu übertragenden Betriebsteils als auch bezüglich des Restbetriebs eine Betriebsänderung nach § 111 S. 2 Nr. 1 BetrVG vor. Die Übertragung eines ganzen Betriebs stellt keine Betriebseinschränkung dar. Betriebsanlagen und Betriebsbelegschaft105 gehen geschlossen über. Andere Tatbestände des Satz 2 können, müssen aber nicht vorliegen 106 .

ee) Der Betriebsübergang als Betriebsänderung im Sinne von § 111 S. 1 BetrVG ? Für die Frage, ob der Übergang des ganzen Betriebs unter § 111 S. 1 BetrVG fallen kann, kommt es entscheidend auf den Begriff der Betriebsänderung an. Erst wenn der Betriebsübergang sich hierunter subsumieren läßt, ist als zweite Frage zu beantworten, ob die Möglichkeit wesentlicher Nachteile für einen erheblichen Teil der Belegschaft besteht.

(1) Der Begriff der Betriebsänderung Das Betriebsverfassungsgesetz enthält für den Begriff der Betriebsänderung keine Definition. Dagegen zählt § 111 S. 2 BetrVG eine Reihe von Fällen auf,

102 Wann eine Betriebseinschränkung i.S.v. § 111 S. 2 Nr. 1 vorliegt, ist umstritten. Zum Meinungsstand siehe Pottmeyer, Betriebsinhaberwechsel, S. 206. 103 So die wohl herrschende Meinung: BAG vom 22.5.79, AP Nr. 4 zu § 111 BetrVG 1972; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 111 Rn 19; Dietz/Richardi, § 111 Rn 45, Galperin/Löwis § 106 Rn 60; Hanau, ZfA 74, 89(98). 104 Das ergibt sich schon aus § 112a BetrVG sowie der Formulierung "... in Betrieben mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern... " in § 111 BetrVG. 105 Der Übergang aller Arbeitnehmer ergibt sich zwingend aus § 613a BGB. Wird vor oder nach dem Übergang Personal abgebaut, so ist dies vom Betriebsübergang als solchem unabhängig zu beurteilen. 106 a. A GK-Fabricius, § 111 Rn 248, der bei Betriebsübergangen immer Satz 2 Nr. 4 als gegeben ansieht, ablehnend Pottmeyer, Betriebsinhaberwechsel, S. 215 ff.

I . Der

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die als Betriebsänderungen im Sinne des § 111 S. 1 BetrVG gelten. Die Vertreter eines materiellen Betriebsänderungsbegriffs folgern daraus, daß der Katalog des Satz 2 einen Rückschluß auf den Betriebsänderungsbegriff des Satz 1 erzwinge. Da Satz 2 nur Fälle nennt, die sich unmittelbar auf den Betrieb als Arbeitsorganisation auswirken, wird fur den allgemeinen Begriff der Betriebsänderung ebenfalls eine organisatorische Komponente gefordert 1 0 7 . Diesen Rückschluß lehnt die Gegenansicht ab und legt Satz 1 einen formellen Betriebsänderungsbegriff zugrunde. Danach handelt es sich bei Satz 1 um eine uneingeschränkte Generalklausel, die jede Abweichung vom bisherigen Erscheinungsbild des Betriebs erfaßt, insofern es sich bei dieser nicht um eine typische handelt 1 0 8 . Dementsprechend sehen die Vertreter des materiellen Betriebsänderungsbegrififs Veränderungen, die sich bloß im personellen Bereich vollziehen, nicht als Betriebsänderung. Legt man dagegen den formellen Betriebsänderungsbegriff an, so stellen auch Personalreduzierungen oder der Wechsel des Betriebsinhabers eine Betriebsänderung dar. Zur Lösung dieser Streitfrage ist vom Betriebsbegriff des Betriebsverfassungsgesetzes109 auszugehen. Dieser umfaßt als Bestandteile den Unternehmer als Inhaber des Betriebs 110 . Geht man also vom Wortlaut aus, wird ein Wechsel des Unternehmers, mit dem ein Betriebsübergang verbunden ist, vom Begriff der Betriebsänderung umfaßt. Gegen diese weite Auslegung könnte jedoch die Entstehungsgeschichte des § 111 BetrVG 1972 sprechen. Im Rahmen der Novellierungsarbeiten zum BetrVG 1972 unterbreitete der DGB den Vorschlag, in den Katalog der Betriebsänderungen den Wechsel des Betriebsinhabers aufzunehmen 111 . Diesem Vorschlag ist der Gesetzgeber nicht gefolgt. Daraus kann aber nicht der Gegenschluß gezogen werden, daß der Betriebsübergang als Betriebsänderung ausgeschlossen werden sollte. Auch hier würde dann der Begriff der

107 BAG vom 17.2.81 AP Nr. 9 zu § 111 BetrVG 1972; Dietz/Richardi, § 111 Rn 19; Galperin/Löwisch, § 111 Rn 19a; Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S. 306. los GK-Fabricius, § 111 Rn 248; Pottmeyer, Betriebsinhaberwechsel, S. 227; Engels, DB 79, 2227(2231). s.o. B.LI. 110 GK-Kraft, § 4 Rn 11 ; Dietz/Richardi, § 1 Rn 80; Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 1 Rn 6. 111 Synopse in BT-Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, Drucks. VI/18.

Β. Unterchtungs- und Beratungspflichten

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Betriebsänderung mit dem der Betriebsänderung, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft mit sich bringen kann, gleichgesetzt. Das widerspricht, wie oben dargestellt, der Gesetzessystematik des § 111 BetrVG. Der Katalog des Satz 2 enthält die Tatbestände, für welche die Möglichkeit des Eintritts wesentlicher Nachteile fingiert wird, weil sie typischerweise mit diesen Maßnahmen verbunden sind. Die Tatsache, daß der Gesetzgeber den Betriebsinhaberwechsel in diesen Katalog nicht aufgenommen hat, zeigt lediglich, daß er in diesem Fall die Möglichkeit des Nachteilseintritts nicht fingieren wollte. Gegen den formellen Betriebsänderungsbegriff spricht auch nicht die uferlose Ausdehnung der Mitbestimmung 1 1 2 . Die Rechte des Betriebsrats knüpfen nicht an den Tatbestand der Betriebsänderung an sich an, hinzu kommen müssen die Bedingungen des Relativsatzes in § 111 S. 1 BetrVG. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist kein Grund ersichtlich, dem Betriebsrats nicht auch für den Fall des Betriebsübergangs die in §§ 111 ff. BetrVG gewährten Rechte zuzugestehen. Sinn der Regelung ist doch gerade, daß der Unternehmer bei seiner Entscheidung die sozialen Belange der Belegschaft angemessen berücksichtigt. Ob solche sozialen Belange der Belegschaft durch eine unternehmerische Entscheidung betroffen sind, darf nicht, wie es die herrschende Meinung tut, über das Merkmal der Betriebsänderung festgelegt werden. Diese Frage beantwortet sich über den Relativsatz des § 111 S. 1 BetrVG.

(2) Die Möglichkeit wesentlicher Nachteile als weitere Voraussetzung Der Betriebsübergang löst demnach dann die Mitwirkungsrechte des § 111 BetrVG aus, wenn die Möglichkeit besteht, daß er mit wesentlichen Nachteilen für einen erheblichen Teil der Belegschaft verbunden ist. Die Beantwortung der Frage, wann eine solche Möglichkeit besteht, muß einer Prüfung im Einzelfall unterliegen. Da § 111 BetrVG nur ein Informationsrecht des Betriebsrats enthält, wird durch dieses Ergebnis die unternehmerische Entscheidimgsfreiheit nicht unzulässig eingeschränkt. Sie ist lediglich in dem Fall, daß wirtschaftliche Nachteile für die Arbeitnehmer entstehen, mit zusätzlichen finanziellen Belastungen verbunden.

112

Das befürchtet Dietz/Richardi,

§ 111 Rn 19.

I . Der eelungsbereich von § 111 BetrVG

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ff) Zwischenergebnis Der Betriebsübergang im Wege des asset-deal stellt eine Betriebsänderung dar, der Betriebsübergang im Wege des share-deal hingegen nicht. Für den Anteilsverkauf durch die Treuhandanstalt erscheint dieses Ergebnis widersprüchlich. Für die Arbeitnehmer wird es kaum einen Unterschied machen, ob der neue Eigentümer Gesellschaftsanteile oder Betriebsvermögen erworben hat.

gg) Privatisierung durch Anteilsverkauf als Betriebsänderung? Da sowohl der Betriebsübergang in Form des asset-deal als auch in Form des share-deal zu einem Herauslösen aus dem Treuhandvermögen führen, könnte man daran denken, in einem Privatisierungsverkauf durch die Treuhandanstalt in jedem Fall eine Betriebsänderung zu erblicken. In der Regel wird für den Betrieb erst nach einem solchen Verkauf der rauhe Wind der Marktwirtschaft richtig zu wehen beginnen, die Möglichkeit des Eintritts wesentlicher Nachteile besteht für die Belegschaft unabhängig von der rechtlichen Konstruktion des Verkaufs. Anderseits wird man sich hier nicht über den Wortlaut des § 111 S. 1 BetrVG hinwegsetzen können, der nun einmal eine Änderung des Betriebs verlangt. Durch den Anteilsverkauf wird eine solche Änderung aber nicht bewirkt, selbst das Unternehmen bleibt als solches unverändert 113 . Trotzdem müssen die Arbeitnehmer nicht ohne Information über einen geplanten Unternehmensverkauf bleiben. Denn für die Treuhandanstalt ergibt sich eine entsprechende Auskunfts- und Informationspflicht aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit in § 2 Abs. 1 BetrVG 1 1 4 . Dadurch besteht für den Betriebsrat in jedem Fall die wünschenswerte Möglichkeit, zu einer geplanten Privatisierung Stellung zu nehmen 1 1 5 . Es es ist nicht Gegenstand dieser Arbeit zu prüfen, ob bei § 613a BGB ein anderes Ergebnis vertreten werden müßte. Es spricht jedoch manches dafür, dort eine 100 prozentige gesellschaftsrechtliche Übertragung der Übertragung des Betriebsvermögens gleichzustellen.

113 114 115

s.o. B.IL1.C). Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 2 Rn 9; StegeAVeinspach, § 2 Rn 3. Soweit bekannt ist dies auch in der Praxis so gehandhabt worden.

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Β. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

hh) Ergebnis Nur der Betriebsübergang im Wege des asset-deal stellt eine Betriebsänderung dar. Die Anwendbarkeit des § 111 BetrVG wird nicht durch § 613a BGB ausgeschlossen. Die Übertragung eines Betriebsteils wird sich in der Regel unter § 111 S. 2 Nr. 1 BetrVG subsumieren lassen. Der Übergang des gesamten Betriebs ist dann eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 S. 1 BetrVG, wenn er mit der Möglichkeit des Eintritts wesentlicher Nachteile fur erhebliche Teile der Belegschaft verbunden ist. Im Fall der Privatisierung durch Anteilsverkaufs ergibt sich eine Informations- und Auskunftspflicht der Treuhandanstalt bzw. der Unternehmensleitung aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit.

d) Unternehmensspaltung und -entflechtung als Betriebsänderung

?

Die Entflechtung von Unternehmenseinheiten nach den §§ 2 ff. SpTrUG und die Entflechtung nach § 6b VermG sind gesellschaftsrechtliche Vorgänge. Als solche stellen sie nach herrschender Ansicht grundsätzlich keine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG d a r 1 1 6 . Wie beim Betriebsübergang soll es für die Beteiligungsrechte des Betriebsrats darauf ankommen, ob anläßlich der Spaltung oder Entflechtung Maßnahmen durchgeführt werden, die einen der Tatbestände des § 111 Satz 2 BetrVG erfüllen. Beide Sachverhalte sind aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht indes nicht anders zu beurteilen als ein rechtsgeschäftlicher Betriebsinhaberwechsel. Für die Betriebsbelegschaft stellen die Übertragung auf eine neue Kapitalgesellschaft nach dem SpTrUG oder die Entflechtung nach § 6 b VermG eine Betriebsänderung dar. Ob dabei dem Betriebsrat die Rechte aus § 111 BetrVG zustehen, hängt von der Möglichkeit des Eintritts wesentlicher Nachteile für die Belegschaft ab. Die ausdrücklich in § 14 SpTrUG zugelassene Abspaltung eines Betriebsteils fällt unter § 111 S. 2 Nr. 1 B e t r V G 1 1 7 . Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die in § 2 Abs. 4 SpTrUG enthaltene Verpflichtung des Vertretungsorgans der übertragenden Gesellschaft, den Spaltungsplan dem zuständigen Betriebsrat zuzuleiten. Aus dieser 116 Däubler, § 111 Rn 97; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 111 Rn 39a; Weimar/Alfes, 1991, Beil. 8, S. 22; Heinze, VIZ 92, 301(306); Oetker/Busche, NZA 91, Beil. 1/91, S. 18 (21); undeutlich Engels, DB 91, S. 966 (967). Welter, DWiR 92, 268(270); s.o. B.Ill.c) dd).

I . Der

59

eelungsbereich von § 111 BetrVG

Unterrichtungspflicht folgt kein Mitsprache- oder Beteiligungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich der Ausgestaltung der Spaltung. Eine dem § 2 Abs. 4 SpTrUG entsprechende Regelung enthält das Vermögensgesetz nicht.

e) Abbau von Betriebseinrichtungen

als Betriebsänderung

?

Eine Vielzahl der Kombinatsbetriebe der ehemaligen DDR verfügte über Betriebseinrichtungen, die man in westdeutschen Unternehmen in der Regel nicht vorfindet. Zu nennen wären hier vor allen Dingen die Betriebskindertagesstätten, Betriebskliniken, Betriebsferienheime oder Betriebssportstätten. Diese für die Struktur der ehemaligen DDR charakteristischen Einrichtungen, in denen sich auch ein Teil des sozialen Lebens der Arbeitnehmer abspielte, wurden im Zuge der Strukturanpassung aus den Betrieben ausgegliedert. Es stellt sich die Frage, ob in diesen Ausgliederungen Betriebsänderungen zu sehen sind. Grundsätzlich wird es sich nicht um wesentliche Betriebsteile gehandelt haben. Das ergibt sich schon daraus, daß solche Einrichtungen nicht unmittelbar der Verfolgung des arbeitstechnischen Zwecks dienten, also für den wirtschaftlichen und produktionstechnischen Status des Betriebs ohne Bedeutung waren 1 1 8 . Deshalb scheidet eine Betriebsänderung nach § 111 S. 2 Nr. 1 BetrVG aus. In Betracht käme nur eine unter Satz 1 fallende Betriebsänderung 119 . Dann müßte es sich bei der betreffenden Ausgliederung allgemein um eine Betriebsänderung handeln. Eine Betriebsänderung liegt dann vor, wenn durch die vorzunehmende Maßnahme die betriebliche Organisation, die Struktur, der Tätigkeitsbereich, die Arbeitsweise, der Standort oder ähnliches geändert werden, es also zu einer nicht ganz unerheblichen Veränderung des bisherigen Betriebsbestandes oder -ablaufs k o m m t 1 2 0 . Ob die Ausgliederung der hier aufgeführten Betriebseinrichtungen darunterfällt, wird eine Frage des Einzelfalls sein. Zumindest für Betriebskindertagesstätten, die die Mitarbeit der im Betrieb arbeitenden Mütter zum Teil erst ermöglichten, wird dies anzunehmen sein. Sieht man, wie hier vertreten, in den Tatbeständen des § 111 S. 2 BetrVG eine sich auf den Relativsatz des § 111 S. 1 BetrVG beziehende Fiktion, so ist auch die 118

Zum Kriterium "wesentlicher Betriebsteil" in § 112 Satz2 Nr. 1 BetrVG: Hess/Schlochauer/ Glaubitz, § 111 Rn 56; Dietz/Richardi, § 111 Rn 38; Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S. 286. 1,9 Zum Verhältnis von § 111 S. 1 zu S. 2 siehe obenB.ILl.a). 120 Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S. 306; Fitting/A uffarth/Kaiser/H either, § 111 Rn 7; Dietz/Richardi, § 111 Rn 17, m.w.N., der den Katalog des Satz 2 für erschöpfend hält.

60

Β. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

Stillegung eines nicht wesentlichen Betriebsteils eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG, wenn sie mit wesentlichen Nachteilen für erhebliche Teile der Belegschaft verbunden i s t 1 2 1 . Auch hier bedarf diese Frage der Einzelfallprüfung. Festzuhalten bleibt, daß es sich bei der Ausgliederung von Betriebseinrichtungen wie Betriebskindertagesstätten um eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG handeln kann.

J) Personalabbau als Betriebsänderung

?

Die wohl am häufigsten vorgenommene Sanierungsmaßnahme in den neuen Bundesländern ist der Personalabbau. Fraglich ist, ob der bloße Personalabbau auch ohne weitere Veränderungen der Betriebsorganisation eine Betriebsänderung darstellt.

aa) § 112a Abs. 1 BetrVG Diese Frage läßt sich beantworten, indem geklärt wird, ob und inwiefern der Bestand der Arbeitnehmer zum Betriebsbegriff gehört. Der hierüber geführte Streit 1 2 2 dürfte sich mit der Einführung des § 112a Abs. 1 BetrVG durch das Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 erledigt haben: Wenn eine Betriebsänderung nach dieser Vorschrift allein in der Entlassung von Arbeitnehmern bestehen kann, so müssen die Arbeitnehmer denknotwendig Bestandteil des Betriebs sein. § 112a Abs. 1 BetrVG setzt für das Vorliegen einer Betriebsänderung nicht voraus, daß die dort genannte Anzahl von Arbeitnehmern entlassen wird. Lediglich die Erzwingbarkeit des Sozialplans nach § 112 Abs. 4 und 5 BetrVG hängt davon a b 1 2 3 . Diese Einschränkung kann nur so verstanden werden, daß 121 Diese Möglichkeit nennt ausdrücklich BAG vom 6.12.88, AP Nr. 26 zu § 111 BetrVG 1972; Däubler, § 111 Rn 85. 122 Bejahend: BAG vom 22.5.79, AP Nr. 3 zu § 111 BetrVG 1972; Fitting/Auffarth/ Kaiser/Heither, § 111 Rn 19; GK-Fabricius, § 111 Rn 118ff. m.w.N.; verneinend: Bulla, RdA 1976, 233ff., m.w.N. 123 Warum der bloße Personalabbau in bezug auf die Erzwingbarkeit des Sozialplans anders behandelt wird als sonstige Betriebsänderungen, ist dogmatisch rätselhaft, zumal duch den Personalabbau wohl kaum die mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz angestrebten zusätzlichen Beschäftigungschancen eröffnet werden (so zurecht GK-Fabricius, § 112, 112a Rn 126). Die Regelung des § 112a Abs. 1 BetrVG kann zu dem unbefriedigenden Ergebnis führen, daß ein Personalabbau un-

I . Der

eelungsbereich von § 111 BetrVG

61

auch die Entlassung von weniger als der in § 112a Abs. 1 BetrVG genannten Zahl von Arbeitnehmern eine Betriebsänderung darstellen kann.

bb) Die Meßlatte des § 17 Abs. 1 KSchG Das BAG nimmt im Falle eines bloßen Personalabbaus immer dann eine Betriebseinschränkung im Sinne von § 111 S. 2 BetrVG und damit eine Betriebsänderung, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft mit sich bringen kann, an, wenn die Zahlen und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG erreicht s i n d 1 2 4 . Diese Praxis hat einige Stimmen in der Literatur dazu verleitet, für das Vorliegen einer Betriebsänderung allgemein die gleichen Voraussetzungen zu stellen 1 2 5 . Dabei wird wiederum die Betriebsänderung als solche mit der Betriebsänderung, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft zur Folge haben kann, gleichgesetzt. Diese Identifizierung von Betriebsänderung und "wesentliche Nachteile" widerspricht aber § 111 BetrVG, der seine Rechtsfolgen gerade von einer qualifizierten Betriebsänderung abhängig macht. Eine Betriebsänderung muß nicht mit Nachteilen verbunden sein, sie kann sogar Vorteile für die Belegschaft mit sich bringen 1 2 6 . Deshalb sind die Grenzwerte des § 17 Abs. 1 KSchG nur für die Frage erheblich, ob ein wesentlicher Betriebsteil eingeschränkt oder stillgelegt wird, was im Fall des bloßen Personalabbaus gleichbedeutend ist mit der Frage, ob wesentliche Nachteile für einen erheblichen Teil der Belegschaft zu befürchten s i n d 1 2 7 .

cc) Ergebnis Im Ergebnis bleibt festzuhalten, daß die Verringerung der Anzahl der Beschäftigten eine Betriebsänderung darstellt. Dabei ist unerheblich, in welcher Form der Personalabbau vor sich geht. Die Arbeitnehmer können gekündigt werden oder selbst aufgrund der Betriebsänderung kündigen, sie können einen Aufhebungsvertrag abschließen oder auch in einen anderen Betrieb verterhalb der Grenzen des Abs. 1 ohne sonstige Betriebseinschränkung nicht mit einem Sozialplan verbunden wird, während bei einer Betriebseinschränkung ohne Personalabbau ein solcher unter Umständen aufzustellen ist (Hierzu siehe auch Mummenhoff, Anm. zu BAG vom 2.8.83, EzA Nr. 16 zu §111 BetrVG 1972). 124 BAG in ständiger Rechtsprechung, AP 3-7 zu § 111 BetrVG 1972. 125 Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 111 Rn 19;Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S. 279. 126 GK-Fabricius, § 111 Rn 137. 127 GK-Fabricius, § 111 Rn 118ff.; Dietz/Richardi, § 111 Rn 46; Matthes, Betriebsändemngen, S. 398 ff.

Β. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

62

setzt werden 1 2 8 . Entscheidend für das Vorliegen einer Betriebsänderung ist die Auswirkung einer Maßnahme auf den Betrieb.

g) Kurzarbeit Null als Betriebsänderung

?

Die Kurzarbeit als vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit unterliegt grundsätzlich nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG der Mitbestimmung durch den Betriebsrat. Aus diesem Grund wird keine Notwendigkeit gesehen, in der Einführung der Kurzarbeit eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG zu sehen, zumal ein Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile über das Kurzarbeitergeld nach den §§ 63 bis 73 AFG erfolgt 1 2 9 . Diese Ansicht stößt hinsichtlich der Rechtslage im Beitrittsgebiet auf Bedenken, wird hier das Instrument der Kurzarbeit doch vor allen Dingen zum Hinausschieben des Personalabbaus eingesetzt. So waren zeitweise weit mehr als 1 Mio. Arbeitnehmer als Kurzarbeiter geführt, ein großer Teil von ihnen mit Kurzarbeit Null und ohne Aussicht auf Weiterbeschäftigung 130 . Setzt ein Unternehmer einen Teil seiner Betriebsbelegschaft auf Kurzarbeit Null in der Absicht, die betroffenen Arbeitnehmer auch nicht wieder in den Betriebsablauf einzugliedern, so nimmt er in der Regel eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 S. 2 Nr. 1 BetrVG v o r 1 3 1 . Dann bestehen auch die in den §§ 111 BetrVG vorgesehenen Beteiligungsrechte 132 . Dieses Ergebnis lehnt Hanau ab mit der Begründung, der Gesetzgeber habe durch die Gleichstellung aller Formen der Kurzarbeit zu erkennen gegeben, daß sie grundsätzlich gleichbehandelt werden sollten. Das Hinausschieben der Kurzarbeit solle gerade bewirken, daß die Unterbrechung der Arbeit noch nicht als ihre Beendigung angesehen werde 1 3 3 . Diese Gleichbehandlung bezieht sich aber in erster Linie auf die Gewährung von Kurzarbeitergeld 134 . Hinsichtlich der 128

Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 111 Rn 21, m.w.N. BAG vom 16.6.87, AP Nr. 20 zu § 111 BetrVG 1972; GK-Fabricius, § 111 Rn 237. »30 s.o. AJU.b). 131 Zu diesem Ergebnis kommt man unabhängig von der Frage, ob der Personalabbau als solcher schon eine Betriebsänderung im Sinne von Nr. 1 ist, denn mit der Kurzarbeit Null wird auch die Außerbetriebsetzung der Betriebsanlagen verbunden sein. 132 GK-Fabricius, § 111 Rn 237; a.A. Hanau, Sozialverträgliche Gestaltung, S. 103; Belling/Müsgen, NZA, Beil. 1/91 7(8, Fn 18). 133 Hanau, Sozialverträgliche Gestaltung, S. 104. 134 Bis zum 31.12.91 galt im Beitrittsgebiet die Sonderregelung des § 63 Abs. 5 AFG-DDR, die den Bezug von Kurzarbeitergeld auch dann vorsah, wenn die Kurzarbeit "auf betriebliche Strukturveränderungen oder betriebsorganisatorische Maßnahmen im Zusammenhang mit der Schaf 129

I . Der

eungsbereich von § 11 BetrVG

63

Frage der betrieblichen Mitbestimmung macht eine solche auf formale Argumente gestützte Gleichbehandlung keinen Sinn und ist auch sozialpolitisch nicht hinnehmbar. Es ist nämlich durchaus fraglich, ob die Einführung von Kurzarbeit Null mit anschließendem Personalabbau überhaupt unter das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 BetrVG fällt, denn in diesen Fällen läßt sich nicht mehr von einer vorübergehenden Verkürzung der betrieblichen Arbeitszeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG sprechen 135 . Unabhängig von dieser tatbestandlichen Frage paßt der Fall der Kurzarbeit Null auch vom Gesetzeszweck her eher unter die Regelung der §§ 111 ff. BetrVG. Denn schon zum Zeitpunkt der Einführung der Kurzarbeit werden die den betroffenen Arbeitnehmern nach Beendigung der Kurzarbeit entstehenden wirtschaftlichen Nachteile voraussehbar sein. Auch erscheint es sinnvoll, einen Interessenausgleich oder Sozialplan auszuarbeiten, solange die betroffenen Arbeitnehmer noch tatsächlich zur Betriebsbelegschaft gehören und auch dort noch anwesend sind. Aus diesen Gründen ist die Einführung von Kurzarbeit Null mit anschließendem Personalabbau eine Betriebsänderung nach § 111 S. 2 Nr. 1 BetrVG, allerdings nur, wenn davon mindestens ein wesentlicher Betriebsteil betroffen i s t 1 3 6 . Liegt diese Voraussetzung nicht vor, kann entsprechend dem unter B.II. l.f. Gesagten eine unter Satz 1 fallende Betriebsänderung vorliegen 1 3 7 .

einer Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion " beruhte. Seit dem 1.1.92 wird von der Sonderregelung des § 63 Abs. 4 AFG verstärkt Gebrauch gemacht Sie ermöglicht die Bewilligung von Kurzarbeitergeld auch dann, wenn die Arbeitnehmer zur Vermeidung von anzeigepflichtigen Entlassungen im Sinne von § 17 Abs. 1 KSchG in einer betriebsorganisatorischen Einheit zusammengefaßt sind. Diese Regelung gilt bis zum 31.12.95 (zu Einzelheiten dieser Regelungen siehe Oetker, Au A 91, S. 317ff.). Beide in diesen Fällen beschriebenen Formen der Kurzarbeit passen wohl kaum unter § 87 Abs. 1 BetrVG. Es handelt sich vielmehr um Strukturanpassungsmaßnahmen zur Vermeidung einer noch höheren Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern. 135 So wird ein solches Mitbestimmungsrecht für den Fall des vergleichbaren § 19 Abs. 1 KSchG mit dieser Begründung abgelehnt von Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 87, Rn 172; a.A. GK-Wieset § 87 Rn 163, m.w.N. 136 Nach herrschender Meinung handelt es sich um den wesentlichen Teil des Betriebes, wenn dort ein erheblicher Teil der Belegschaft beschäftigt ist Maßstab dafür, ob erhebliche Teile der Belegschaft betroffen sind, sind die Zahlen- und Prozentangaben des § 17 KSchG, mit der Modifikation, daß mindestens 5 % der Betriebsbelegschafl betroffen sein müssen; BAG vom 21.10.80, AP Nr. 8 zu § 111 BetrVG 1972; Dietz/Richardi, § 111 Rn 38 m.w.N.; ausführlich Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S. 277. 137 Dann stellt sich die Frage, ob aus der Einführung der Kurzarbeit Null für einen erheblichén Teil der Belegschaft wesentliche Nachteile entstehen können. Diese Frage ist von der in Satz 2 Nr. 1, ob ein erheblicher Teil der Belegschaft in dem stillzulegenden Betriebsteil beschäftigt ist, zu unterscheiden.

64

Β. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

h) Der Wechsel von Arbeitnehmern in Beschäftigungsgesellschaften als Betriebsänderung

?

Um die Zahl der Arbeitslosen zu begrenzen und den Arbeitnehmern den Weg in die Arbeitslosigkeit zu ersparen, wurden und werden in den neuen Bundesländern durch die Unternehmen, meist in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Arbeit sowie den Kommunen und Ländern, Beschäftigungsgesellschaften gegründet. Dadurch sollten die Unternehmen von Lohn- und Abfindungskosten befreit und für potentielle Käufer attraktiver werden 1 3 8 . Diese Form der Personalreduzierung wird in der Regel mit der Einschränkung oder Stillegung zumindest eines wesentlichen Betriebsteils 139 einhergehen. Dann ist der Eintritt der betroffenen Arbeitnehmer in eine Beschäftigungsgesellschaft zwar nicht für sich gesehen eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 S. 2 Nr. 1 BetrVG, aber mit einer solchen verbunden 140 . Das führt im Ergebnis dazu, daß in den meisten Fällen auch bei der Eingliederung von Arbeitnehmern in Beschäftigungsgesellschaften Interessenausgleich und Sozialplan aufzustellen sind, selbst wenn es nicht zu Fällen von Arbeitslosigkeit k o m m t 1 4 1 .

i) Gesamtvollstreckung

als Betriebsänderung?

aa) Die Regelung der Unternehmensinsolvenz im Beitrittsgebiet Das Insolvenzrecht der alten Bundesländer gilt als in hohem Maße reformbedürftig. Aus diesem Grund, und wegen seiner Kompliziertheit, wurde die Konkursordnung im Einigungsvertrag von dem Inkrafttreten Bundesdeutschen Rechts im Beitrittsgebiet ausgenommen 142 . Statt dessen gelten in den neuen Bundesländern die Gesamtvollstreckungsverordnung und die 2. Gesamtvoll-

138 Die Löhne werden durch die Bundesanstalt für Arbeit ganz oder teilweise finanziert über Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 2 AFG, für den Fall, daß nach §§ 91 ff AFG geförderte Maßnahmen durchgeführt werden auch mit ABM-Mitteln. Bis zum 31.12.91 wurde der gezahlte Lohn auch als Kurzarbeitergeld Null nach § 63 Abs. 5 AFG-DDR erstattet 139 Wann von wesentlich gesprochen wird siehe oben Fn 45 und B.II.l.J) bb). 140

Kaiser, NZA 92, 193(197), unerheblich ist, ob die Arbeitnehmer im gleichen Unternehmen (Beschäftigungsbetrieb) oder in einer selbstständigen Beschäftigungsgesellschaft weiterbeschäftigt werden, es kommt allein auf die Verhältnisse im Altbetrieb an. 141 Zu den denkbaren wirtschaftlichen Nachteilen für die Arbeitnehmer, die für die Aufstellung eines Sozialplans erforderlich sind, siehe unten B.II. 2. 142 EVtr, Anlage I, Kapitel III, Sachgebiet A, Abschnitt I Nr. 2.

I . Der

eungsbereich von § 11 BetrVG

65

streckungsverordnung 143 mit Änderungen und Ergänzungen weiter 1 4 4 . Die Rechtseinheit auf dem Gebiet des Insolvenzrechts soll in der 13. Legislaturperiode hergestellt werden 1 4 5 . Für die im Rahmen eines Gesamtvollstreckungsverfahren durchgeführten Betriebsänderungen gelten keine Besonderheiten. Die Eröffnung eines solchen Verfahrens hat auf die Stellung des Betriebsrats und seine Mitwirkungsrechte rechtlich keine Auswirkung 1 4 6 . Fraglich ist in diesem Zusammenhang nur, ob bereits die Stellung des Antrags nach § 2 GesO eine Betriebsänderung darstellt. Trotz starker Vereinfachungen und einiger Lücken entspricht das Gesamtvollstreckungsverfahren in weitesten Teilen dem Konkursverfahren 147 . In beiden Fällen ergeht der Beschluß über die Eröffnung des Verfahrens auf Antrag des Schuldners oder eines Gläubigers. Beide Verfahren dienen der Feststellung und Verteilung der Masse. Wegen der grundsätzlichen Übereinstimmung können der Frage, ob schon die Beantragung der Gesamtvollstreckung eine Betriebsänderung ist, die in der Literatur in Bezug auf den Konkursantrag angestellten Überlegungen zugrunde gelegt werden.

bb) Der Konkursantrag als Betriebsänderung ? Ob die Stellung des Konkursantrags eine Betriebsänderung darstellt, ist umstritten. Eine Ansicht lehnt dies ab mit der Begründung, der Konkursantrag beziehe sich nur auf das Unternehmen, nicht aber auf den Betrieb, so daß erst die im Zuge des Konkursverfahrens durchgeführten Maßnahmen Betriebsänderungen sein könnten 1 4 8 . Außerdem berge eine Beteiligung der Belegschaft die Gefahr der Konkursverschleppung in sich. Dagegen spräche außer-

143 Beide Verordnungen sind 1990 von der Volkskammer erlassen worden, schon zu diesem Zeitpunkt gab es eine aus dem Jahre 1975 stammende Gesamtvollstreckungsverordnung, der aber aufgrund der sozialistischen Wirtschaftsordnung keine Bedeutung zukam; ausführlich hierzu Hess/Binz, GesO, Einleitung, S. 9. 144 EVtr, Anlage II, Kapitel III, Sachgebiet A, Abschnitt II Nr. 1,2. »«* BR-Drucks. 605/90, S. 8. 146 Hess/Binz, GesO, § 9 Rn 288. »4? Einen Überblick bietet Schaub, NZA 91,785 ff. 148 Dietz/Richardi, § 111 Rn 78; Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 111 Rn 44; Fuchs, Der Sozial plan, S. 46; Beuthin, RdA 76, 147(148); Richardis Sozialplan und Konkurs, S. 36 ff. 5 Biedenkopf

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Β. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

dem, daß ansonsten auch der Konkursantrag eines Gläubigers die Rechte nach §§ 111 ff. BetrVG auslösen würde. Mit dieser Begründimg wird wiederum der Begriff der Betriebsänderung als solcher übersprungen und vom Ergebnis her argumentiert. Dabei löst allein die Feststellung, daß der Konkursantrag eine Betriebsänderung ist, noch nicht die Mitwirkungsrechte der §§ 111-113 BetrVG aus 1 4 9 . Dafür ist das Vorliegen weiterer Tatbestandsmerkmale erforderlich 150 . Auch hier ist deshalb ausschließlich auf den Begriff "Betriebsänderung" abzustellen. Da sich mit der Stellung eines Konkursantrags unbestritten das Unternehmen von einem wirtschaftlich-werbenden in ein wirtschafllichverwaltendes wandelt, ändert sich Unternehmensgegenstand und -zweck 1 5 1 . Deshalb ist die entscheidende Frage, ob eine solche Änderung des Unternehmenszwecks auf den Betrieb durchschlägt und dadurch zu einer Betriebsänderung führt. Der Betrieb ist stets organisatorischer Bestandteil eines Unternehmens. Seine Aufgabe ist die technische Verwirklichung des Unternehmenszwecks 152 . Ist der Zweck des Betriebs also auf die Verwirklichung des Unternehmensgegenstands gerichtet, muß eine Änderung dieses Gegenstands sich auch auf den Betrieb auswirken 1 5 3 , also zu einer Betriebsänderung führen 1 5 4 . Das wird durch die Stellung des Begriffs "Betriebsänderung" in den § 111-113 BetrVG untermauert. In der Begründung der Regierungsvorlage zum Betriebsverfassungsgesetz 1972 1 5 5 heißt es, daß § 111 BetrVG dem Betriebsrat schon im Stadium der Planung einer unternehmerisch-wirtschaftlichen Entscheidung ein Beratungs- und Informationsrecht einräumt. Der Betriebsrat kann sich also

149 Allerdings kann hier schon gesagt werden, daß eine Beratung zwischen Unternehmer und Betriebsrat vor Stellung eines Konkursantrags durchaus sinnvoll sein kann, weil sie unter Umständen zu einer Vermeidung eines solchen führt. Weniger sinnvoll erscheint die Lösung Richardis (Sozialplan und Konkurs, S. 38), den Betriebsrat nur an den Betriebsänderungen zu beteiligen, die der Unternehmer plant, um den Konkurs zu verhindern. Das setzt ein Tätigwerden des Unternehmers voraus und schränkt den Betriebsrat in seiner Initiative ein. 150 Zu den "wesentlichen Nachteilen" siehe unten B.II. 2., zur Frage der Planung einer Betriebsänderung siehe unten B.II. 3. 151 GK- Fabricius, § 111 Rn 335; Dietz/Richardi, § 111 Rn 78; Richardis Sozialplan und Konkurs, S. 37. 152 GK-Fabricius, vor § 106 Rn Dietz/Richardi, § 1 Rn 52 ff. 153 GK-Fabricius, § 111 Rn 335. 154 GK-Fabricius, § 111 Rn 335; Stege/Weinspach, §§ 111-113 Rn 25; a.A. Dietz/Richardi, § 11 Rn 78; Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 37. 155 BR-Drucks. 715/70, S. 22.

I . Der

eungsbereich von § 11 BetrVG

67

zur unternehmerisch-wirtschaftlichen Planung äußern, nicht nur zu technischen Fragen, die den Betrieb unmittelbar betreffen. Die §§ 106 ff. BetrVG wechseln als Mitbestimmungsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten von der Betriebs- auf die Unternehmensebene. Eine klare Trennung zwischen Betrieb und Unternehmen wird damit aufgehoben. Für die Einstufung des Konkursantrags als Betriebsänderung spricht auch die Vergleichbarkeit mit dem Wechsel des Unternehmensinhabers. Der Unternehmer verliert nach § 6 KO die Befugnis über sein Vermögen zu verfugen, an seine Stelle tritt der Konkursverwalter. Legt man wie hier den formellen Betriebsänderungsbegriff 156 zugrunde, ist in der Stellung des Konkursantrags schon deshalb eine Betriebsänderung zu sehen 157 .

cc) Ergebnis Aufgrund der Vergleichbarkeit von Konkursordnung und Gesamtvollstreckungsordnung ist auch der Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens nach § 2 GesO eine Betriebsänderung. Ob dem Betriebsrat die in §§ 111-113 BetrVG genannten Mitwirkungsrechte zustehen, hängt vom Vorliegen der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen a b 1 5 8 .

2. Wesentliche Nachteile

Die Betriebsänderungen müssen wesentliche Nachteile fur die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können 1 5 9 . Dem Tatbestandsmerkmal "Möglichkeit wesentlicher Nachteile" ist bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden, was wohl vor allen Dingen damit zusammenhängt, daß zu wenig zwischen Betriebsänderung an sich und Betriebsänderung im Sinne von § 111 S. 1 BetrVG unterschieden w i r d 1 6 0 .

156 s.o. B.II.l.c)ee)(l). 157 Keine Betriebsänderung ist der Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens, denn beim Vergleich handelt es sich um eine Abmachung zwischen dem Unternehmer und der Mehrheit seiner Gläubiger, die keine direkte Einwirkung auf den Betrieb hat 158 Zu der Frage, welche Anforderungen in einem solchen Fall an den Versuch des Interessenausgleichs zu stellen sind, siehe unten C.II. 2. 159 Die Vertreter der Ansicht, bei § 111 S. 2 BetrVG handele es sich um eine abschließende Aufzählung, sehen in dem Relativsatz des § 111 S. 1 BetrVG kein eigenständiges Tatbestandsmerkmal, sondern nur den Interpretationsmaßstab für Satz 2; Dietz/Richardi, § 111 Rn 23. »60 GK-Fabricius, § 111 Rn 137; Hunold, BB 84, 2275(2279).

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Β. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

a) Tatbestand Nachteil ist eine Verschlechterung gegenüber dem bestehenden Zustand. Dabei zielt § 111 BetrVG sowohl auf den materiellen als auch den immateriellen status quo der Arbeitnehmer a b 1 6 1 . Der möglicherweise eintretende Nachteil muß wesentlich sein. Zur Bestimmung dieses unklaren Tatbestandsmekmals ist unter Heranziehung der Grundsätze von Treu und Glauben und der Verkehrssitte als allgemeinem Rechtsgrundsatz danach zu fragen, ob in vergleichbarer Lage befindliche Menschen die bevorstehende Verschlechterung gegenüber ihrer jetzt bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Gesamtlage als so einschneidend und bestimmend ansehen, daß ein verständiger und vernünftiger Durchschnittsmensch sie nicht klaglos hinnehmen würde und könnte 1 6 2 . Dabei kann § 111 S. 2 BetrVG als Auslegungshilfe dienen, wenn auch nur begrenzt, denn mit Begriffen wie "wesentlich" oder "grundlegend" enthält er selbst eine Reihe unbestimmter, zu konkretisierender Tatbestandsmerkmale, für deren Konkretisierung wiederum Satz 1 herangezogen werden muß. Vorübergehende Nachteile, die in Einarbeitungs- und Eingewöhnungsphasen auftreten können, sind nicht als wesentlich anzusehen 163 . Die wesentlichen Nachteile müssen zumindest für erhebliche Teile der Belegschaft eintreten können. Die Belegschaft ist die Zusammenfassung der einzelnen Arbeitnehmer eines Betriebs. Um eine erheblichen Teil handelt es sich, wenn er gegenüber der Gesamtbelegschaft ins Gewicht fällt. Hier stellt sich das Problem, daß es sich tun keine feststehende Größe handelt, sondern diese für jeden Betrieb neu zu bestimmen ist. Das BAG, dem sich der Großteil der Literatur angeschlossen hat, wendet als Richtschnur die Zahlenangaben des § 17 Abs. 1 KSchG a n 1 6 4 . Dem ist im Ansatz zuzustimmen. Allerdings kann diese Vorgehensweise eine flexible Einzelfallprüfung nicht überflüssig machen 1 6 5 . Zwischen Tatbestand und Rechtsfolge des § 111 BetrVG besteht

161 GK-Fabricius, § 111 Rn 214; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 111 Rn 8; a. Galperin/Löwisch, § 111 Rn 20b; Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S. 309, die unter Nachteil i.S.v. § 111 BetrVG nur wirtschaftliche Nachteile verstehen. Dies widerspricht eindeutig dem Wortlaut und der Systematik der §§ 111 ff. BetrVG, wo zwischen Nachteilen (§ 111 S. 1) und wirtschaftlichen Nachteilen (§ 112 S. 2) unterschieden wird. 162 GK-Fabricius, § 111 Rn 214; Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S., 309. 163 GK-Fabricius, § 111 Rn 216; Galperin/Löwisch, § 111 Rn 20b. 164 BAG vom 7.8.90, AP 30 zu § 111 BetrVG 1972; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 111 Rn 11; Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 111 Rn 22; eingeschränkt GK-Fabricius, § 111 Rn 217. 165 So auch ausdrücklich Vogt, Der Sozialplan, S. 45.

I . Der

eungsbereich von § 11 BetrVG

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insoweit eine Wechselwirkung, als die Unterrichtungs- und Beratungspflichten des Unternehmers gegenüber dem Betriebsrat auch der Ermittlung der Zahl der betroffenen Arbeitnehmer und der Analyse der Folgen einer geplanten Betriebsänderung dienen werden. Daher sollte bei der Bestimmung des betroffenen Belegschaftsteils eher großzügig verfahren werden. Vollzieht sich eine Betriebsänderung in mehreren Abschnitten, so handelt es sich trotzdem um nur eine Betriebsänderung, so daß für die Bestimmung der Zahl der betroffenen Arbeitnehmer die einzelnen Abschnitte zusammengenommen zu sehen sind166. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hängt nicht davon ab, daß der Eintritt nachteiliger Folgen für die Belegschaft als sicher vorausgesehen werden kann. Vielmehr reicht die nicht ganz entfernte Möglichkeit ihres Eintritts aus 1 6 7 . Das folgt schon aus einem Vergleich mit § 90 BetrVG, der für mit dem Katalog des § 111 S. 2 BetrVG vergleichbare Fälle ein Unterrichtungs- und Beratungsrecht des Betriebsrats vorsieht, ohne daß die Möglichkeit eines Nachteilseintritts bestehen muß. Es muß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Betriebsänderung als Grund und den möglicherweise eintretenden wesentlichen Nachteilen für die Belegschaft als Folge bestehen. Zu fordern ist auch das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs. Die Rechte aus §§111 ff. BetrVG bestehen nicht schon immer dann, wenn sich aus der Betriebsänderung künftig unter Hinzutreten weiterer Umstände, beispielsweise einer erneuten Betriebsänderung, Nachteile ergeben können. Zu berücksichtigen sind allein unmittelbar aus einer Betriebsänderung resultierende Nachteile 1 6 8 . Sind die zuvor genannten Bedingungen erfüllt, stehen dem Betriebsrat die Informations- und Beratungsrechte aus § 111 BetrVG zu. Damit sind noch nicht automatisch die Voraussetzungen für die erzwingbare Aufstellung eines Sozialplans erfüllt. Hierfür ist zusätzlich erforderlich, daß den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung wirtschaftliche Nachteile entstehen (§112 Abs. 1 S. 2 BetrVG) 1 6 9 . 166

Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 111 Rn 11 ; Fuchs, Der Sozialplan, S. 79. BAG vom 22.5.79, AP Nr. 3 zu § 111 BetrVG 1972; GK-Fabricius, § 111 Rn 232; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 111 Rn 9; Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 111 Rn Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S. 310. 168 LAG Frankfurt vom 12.2.85, DB 85, 1999(2000); Konzen, Untemehmensaufspahungen und Organisationsänderungen, S. 134. 169 Diese gesteigerten Anforderungen an den Sozialplan werden oft außer acht gelassen, wenn der Anwendungsbereich des § 111 BetrVG mit dem Argument eingeschränkt wird, ansonsten käme es zu 167

70

Β. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

b) Einzelfälle aa) Betriebsübergang Durch den bloßen Betriebsübergang verschlechtern sich normalerweise weder die Arbeitsbedingungen noch die materielle Lage der betroffenen Arbeitnehmer. Nach § 613a BGB tritt der neue Betriebsinhaber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Doch stellt die Möglichkeit der weniger guten Solvenz des neuen Betriebsinhabers gegenüber seinem Vorgänger und die damit einhergehende Gefährdung der Begleichung der Verbindlichkeiten aus dem Arbeitsverhältnis einen wesentlichen Nachteil d a r 1 7 0 . Dieser Verdacht wird wohl bei den meisten Betriebsübergängen vorliegen. Zwar trifft den alten Betriebsinhaber nach § 613a BGB für bestimmte Forderungen eine Mithaftung, doch sind davon nur Ansprüche erfaßt, die vor dem Betriebsübergang entstanden sind. Da die Möglichkeit eines solchen wesentlichen Nachteils ausreicht, und die Arbeitnehmer ein Interesse daran haben, daß der Verdacht einer schlechteren Solvenz ausgeräumt wird, hat der Betriebsrat in Fällen des Betriebsübergangs grundsätzlich ein Unterrichtungs- und Beratungsrecht 171 .

bb) Spaltung und Entflechtung Bei der Gesellschaftsspaltung besteht der mögliche Nachteil fur die von ihr betroffene Belegschaft darin, daß sich ihre Situation insofern verschlechtern kann, als die Belegschaft im Wege einer Spaltung des Unternehmens in ein Anlage- und ein Produktionsunternehmen einer finanziell schwächeren Gesellschaft zugeordnet w i r d 1 7 2 . Durch die Spaltung kann dem Produktionsunternehmen ein wesentlicher Teil des Haftungsvermögens entzogen werden. Dadurch würde bereits im Zeitpunkt der geplanten Spaltung praktisch bewirkt, daß die Rechte des Betriebsrats nach §§ 111 ff. BetrVG bei einer späteren

unzumutbaren Belastungen für den Unternehmer, so aber Galperin/Löwisch, § 111 Rn 19; Dietz/ Richardis § 111 Rn 19. 170 Pottmeyer, Betriebsinhaberwechsel, S. 212. 171 Engels, DB 79, 2227(2231); Konzen, Unternehmensaufspaltungen und Organisationsänderungen, S. 135 für wirtschaftliche Nachteile; anders die h.M.: BAG vom 4.12.79, AP Nr. 6 zu § 111 BetrVG 1972; Dietz/Richardi, § 111 Rn 84; Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 111 Rn 50; Galperin/Löwisch, § 111 Rn 19c; Fitting/A uffarth/Kaiser/H either, § 111 Rn 12; Rumpff/Boe Mitbestimmung, S. 292. 172 So geschehen zum Beispiel im Fall der VEB HO; übersichtlich dargestellt bei Welter, DWiR 92, 268(269).

I . Der

eungsbereich von § 11 BetrVG

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Betriebsänderung in einem Betrieb des Produktionsunternehmens leerlaufen, weil sich Ansprüche aus einem dann aufzustellenden Sozialplan mangels Masse nicht verwirklichen ließen 1 7 3 . Selbst bei einer "gleichmäßigen" Spaltung besteht die Möglichkeit einer solchen Verschlechterung. Ein weiterer Nachteil kann darin liegen, daß sich durch die Spaltung die Zahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer soweit reduziert, daß der Betrieb nicht mehr in den sachlichen Geltungsbereich der §§ 111 flf. BetrVG fallt. Wegen dieser drohenden Nachteile besteht auch im Fall der Spaltung und Entflechtung von Treuhandunternehmen ein Unterrichtungs- und Beratungsrecht des Betriebsrats. Ähnlich stellt sich die Situation der Belegschaft beim Übergang auf Beschäftigungsgesellschaften dar.

cc) Weitere Fälle Daß im Fall des Antrags auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens mit dem Eintritt wesentlicher Nachteile fur die Belegschaft gerechnet werden muß, liegt auf der H a n d 1 7 4 . Auch der Personalabbau oder die Einfuhrung von Kurzarbeit Null sind mit solchen Nachteilen verbunden. Hier stellt sich fur eine Anwendung des § 111 BetrVG jedoch noch die Frage, ob ein erheblicher Teil der Belegschaft betroffen i s t 1 7 5 .

3. Planung der Betriebsänderung

Zu prüfen bleibt, welche Bedeutung dem Wort "geplant" in § 111 BetrVG beizumessen ist. Handelt es sich um ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal oder hat es lediglich die Funktion, den Zeitpunkt zu bestimmen, in dem der Unternehmer den Betriebsrat zu informieren hat? Dieser Frage kommt für die Unternehmen in den neuen Bundesländern große Bedeutung zu, da wegen des oft ungesteuert verlaufenden Anpassungsprozesses nicht davon ausgegangen werden kann, daß alle dort vorgenommenen Betriebsänderungen auf unternehmerischer Planung basieren. Es sind daher Zweifel angebracht, ob auch die auf höhere Gewalt - als welche der Zusammenbruch des politischen Systems der ehemaligen DDR bezeichnet werden kann - zurückzuführenden Betriebsänderungen eine Beteiligung des Betriebsrats notwendig machen. 173 GK-Fabricius, § 111 Rn 312; Pottmeyer, Betriebsinhaberwechsel, S. 228; Engels, DB 79, 2227(2232). 174 StegeAVeinspach, §§ 111-113 Rn 25. 175 Zu den hierfür maßgeblichen Kriterien: GK-Fabricius, § 111 Rn 217ff., m.w.N.

72

Β. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

a) Die Rechtsprechung des BAG Die Diskussion über die Frage nach der Bedeutung des Wortes "geplant" wurde durch die Rechtsprechung des BAG ausgelöst. In seinem Urteil vom 17. September 1974 führte der 1. Senat aus, das Wort "geplant" in § 111 BetrVG sei kein selbständiges Tatbestandsmerkmal, von dessen Vorhandensein die Beteiligungsrechte des Betriebsrats abhingen. Es habe nur eine rein zeitliche Bedeutung, mit der sichergestellt werden solle, daß der Betriebsrat bei einer geplanten Betriebsänderung schon in einem möglichst frühen Stadium der Planung zu beteiligen sei. Das ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm und ihrem sozialen Schutzzweck 176 . Diese Auffassung hat das BAG in der Folgezeit wiederholt bekräftigt 1 7 7 .

b) Die Meinung in der Lehre Der Auslegung des BAG ist der überwiegende Teil der Lehre gefolgt, ohne dies allerdings weiter zu begründen 178 . Gegen die Ansicht des BAG wird von anderer Seite vorgebracht, sie decke sich nicht mit dem Wortlaut der Vorschrift. Die zeitliche Komponente sei in dem Wort "rechtzeitig" enthalten. Außerdem verbiete es der Sinn der betrieblichen Mitbestimmung, auch Betriebsänderungen einzubeziehen, die dem Einflußbereich des Unternehmers entzogen seien 1 7 9 .

c) Wortlaut Ausgehend vom Wortlaut kann das Wort "geplant" unterschiedlich zu verstehen sein. Es kann umgangssprachlich im Sinne der Auslegung des BAG dahingehend verstanden werden, daß die Betriebsänderung erst noch geplant werden soll. Es kann aber auch, wie die Gegenmeinung annimmt, sachlich gedeutet werden und damit so zu verstehen sein, daß ein planvolles Vorgehen 176

BAG vom 17.9.74, AP Nr. 1 zu § 113 BetrVG 1972. BAG vom 14.9.76, AP Nr. 2 zu § 113 BetrVG 1972; vom 18.12.84, AP Nr. 11 zu § 113 BetrVG 1972, BAG Großer Senat, Beschluß vom 13.12.78, AP Nr. 6 zu § 112 BetrVG 1972. 178 Galperin/Löwisch, § 111 Rn 21; Dietz/Richardi, § 111 Rn 74; Hess/Schlochauer/Glaubitz § 111 Rn 24; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 111 Rn 35; Däubler, § 111 Rn 103, der "geplant" als "vom Unternehmer entschieden" auffaßt; Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S. 308; Fuchs, Der Sozialplan, S. %\\Beuthiny RdA76, 147(148). 179 GK-Fabricius, § 111 Rn 66; Vogt, Der Sozialplan, S. 34; Ehmann, Der Schutzzweck des Sozialplans, S. 34ff.; Beuthin, RdA 76, 147(148). 177

I . Der

eungsbereich von § 11 BetrVG

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erforderlich ist. Die dritte Möglichkeit besteht in einer zeitlichen Auslegung mit der Bedeutung einer abgeschlossenen Planung. Hierfür spricht die Verwendung des Wortes "geplant" in § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG, wo von dem "Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen" gesprochen w i r d 1 8 0 . Diese Nachteile können nur festgestellt und ausgeglichen werden, wenn Inhalt und Ablauf der Betriebsänderung festgelegt sind. Dafür muß zuvor die Planung abgeschlossen sein. Aus der Verwendimg des gleichen Wortlauts in § 112 BetrVG kann jedoch nicht auf eine identische Bedeutung in § 111 BetrVG geschlossen werden, wenn davon auch eine Indizwirkung ausgeht. Die grammatikalische Auslegung führt also zu keinem eindeutigen Ergebnis 181 .

d) Entstehungsgeschichte Bei seiner Argumentation beruft sich das BAG auch auf die Entstehungsgeschichte des § 111 BetrVG 1972. § 111 des Regierungsentwurfs BetrVG 1972 wollte die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats für den Fall einschränken, daß die Beschäftigungsmöglichkeiten infolge einer wirtschaftlichen Zwangslage eingeschränkt werden müßten 1 8 2 . Der Bundestagsauschuß für Arbeit und Sozialordnung lehnte diese Einschränkung als zu unbestimmt a b 1 8 3 . Gleichzeitig wurde für die in § 111 BetrVG 1972 enthaltene Neuregelung an § 72 BetrVG 1952 angeknüpft, ohne allerdings den Teil des § 72 BetrVG 1952 zu übernehmen, der bis dahin in bestimmten Fällen einer Anpassung an die Marktlage oder den technischen Fortschritt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausschloß 184 . Daraus kann nicht gefolgert werden, daß der Gesetzgeber dem Wort "geplant" keine tatbestandliche sondern nur eine zeitliche Funktion beimessen wollte 1 8 5 . Der Gesetzgeber fügte in § 111 BetrVG 1972 im Gegensatz zu § 72 BetrVG 1952 das Wort "rechtzeitig" ein, das sich unstreitig auf den Zeitpunkt der Unterrichtungspflicht des Unternehmers bez i e h t 1 8 6 , was überflüssig gewesen wäre, wenn das zeitliche Element bereits in

180 Gleiches gilt für die Verwendung in § 111 Abs. 3 BetrVG, wo von der "Durchführung der geplanten Betriebsänderung" die Rede ist 181 Ehmann, Betriebsstillegung und Mitbestimmung, S. 23. 182 BT-Drucks. VI/1786, S. 23, 54. 183 Bericht des 10. Ausschusses, BT-Drucks. zu VI/2729, S. 32. 184 Bericht des 10. Ausschusses, BT-Drucks. zu VI/2729, S. 32. 185 GK-Fabricius, § 111 Rn 70; a.A. Dietz/Richardi, § 111 Rn 74; Teichmüller, Die Betriebsflnderung, S.61. 186 GK-Fabricius, § 111 Rn 68; Ehmann, Betriebsstillegung und Mitbestimmung, S. 22.

74

. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

dem Wort "geplant" enthalten gewesen wäre. Daher kann die Bedeutung des Wortes "geplant" auch nicht über die historische Auslegung ermittelt werden.

e) "Sozialer Schutzzweck" Ein weiteres Argument dafür, daß "geplant" kein Tatbestandsmerkmal des § 111 BetrVG ist, sieht das BAG im "sozialen Schutzzweck" der N o r m 1 8 7 . Es führt dabei allerdings nicht aus, worauf sich dieser soziale Schutzzweck gründet und worin er besteht. Auch der Große Senat beschränkt sich in seinem Beschluß darauf, den sozialen Schutzzweck darin zu erblicken, daß alle in § 111 BetrVG aufgezählten nachteiligen Maßnahmen für die Belegschaft erfaßt werden sollen, die dem unternehmerischen Verantwortungsbereich zuzurechnen s i n d 1 8 8 . Dies wird ebensowenig begründet wie die anschließend folgende Feststellung, daß alle Maßnahmen, die ein Unternehmer durchführt, seinem Verantwortungsbereich zuzuordnen sind.

j) Gesetzessystematik Um zu einem befriedigenden Ergebnis zu gelangen, ist weiter auszuholen und die Systematik der §§ 111-113 BetrVG zu untersuchen. Gegenstand dieser Normen sind die unternehmerisch-wirtschaftlichen Maßnahmen, von denen die Arbeitnehmer nachteilig betroffen sein können. Dabei bezieht sich § 111 BetrVG auf die Maßnahmen, nicht auf die damit verbundenen Folgen 1 8 9 . Nicht die Folgen wie Entlassung, Versetzung oder Lohneinbußen sind Gegenstand der Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, sondern die den Folgen vorgelagerten Entscheidungen 190 . Das kommt auch darin zum Ausdruck, daß durch die §§ 111 ff. BetrVG die Mitbestimmung von der Betriebsauf die Unternehmensebene verlagert w i r d 1 9 1 . Aus dieser Systematik der §§ 111 ff. BetrVG folgt, daß der Unternehmer den Betriebsrat nur über eine geplante Betriebsänderung informieren kann,

187 s.o. Fn 103\ zur Kritik an diesem Begriff siehe GK-Fabricius, § 111 Rn 69; Ehmann, Betriebsstillegung und Mitbestimmung, S. 18. 1 88 BAG vom 13.12.78, AP Nr. 6 zu § 112 BetrVG 1972. »» Vogt, Der Sozialplan, S. 37. 190 Was nicht ausschließt, daß die Betriebsänderung nur aus einem Personalabbau besteht, vgl. § 112 a Abs. 1 BetrVG. 191 Vogt, Der Sozialplan, S. 38; ausführlich GK-Fabricius, vor § 106 Rn 1 ff.

I . Der

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eungsbereich von § 11 BetrVG

wenn er zwischen Ausführung und Nichtausführung der zugrundeliegenden unternehmerischen Entscheidung wählen kann. Brennt eine Fabrik bis auf die Grundmauern nieder, oder w i r d sie v o n staatlicher Seite stillgelegt, so stellt sich nicht mehr die Frage, ob der Unternehmer eine Betriebsänderung i m Sinne v o n § 111 S. 2 B e t r V G plant, die Betriebsänderung hat bereits stattgef u n d e n 1 9 2 . Dementsprechend erübrigt sich die Notwendigkeit einer Unterrichtung des Betriebsrats.

Das B A G hingegen stellt nicht auf die Betriebs-

änderung, sondern auf die damit verbundenen Folgen ab, wenn es trotzdem zu einer A n w e n d i m g des § 111 B e t r V G k o m m t 1 9 3 . Das aber widerspricht der Systematik des Gesetzes. N i c h t die m i t der Stillegung der Fabrik verbundenen E n t l a s s u n g e n 1 9 4 sind die Betriebsänderung, sondern die Stillegung der Fabrik an s i c h 1 9 5 . Demnach ist "geplant" so zu verstehen, daß die Betriebsänderung auf einem Willensentschluß

des Unternehmers

beruhen muß, der

noch

zwischen verschiedenen Alternativen wählen kann. Deshalb ist sogar die Stellung eines Konkursantrags "geplant" i m Sinne v o n § 111 B e t r V G 1 9 6 . D e n n auch hier liegt eine bewußte, finale H a n d l u n g des Unternehmers vor, die i n einer marktwirtschaftlichen O r d n u n g zu seinem Risikobereich g e h ö r t 1 9 7 .

1 92 GK-Fabricius, § 111 Rn 70. 193 Däubler, § 111 Rn 103 spricht unter Heranziehung der BAG-Rechtsprechung vom "Verhandlungsspielraum" hinsichtlich unterschiedlicher "Bewältigungsstrategien", stellt also auch nicht mehr auf die Betriebsänderung sondern auf ihre Folgen ab. 194 Die Entlassungen selbst sind nach § 112a BetrVG nur dann eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung, wenn der Unternehmer nur die Entlassungen vornimmt, ohne sonst an der betrieblichen Struktur etwas zu ändern. 195 In der dem Bundesrat durch die Regierung zugeleiteten Regierungsvorlage BetrVG 1972 heißt es zu §§ 111-113 BetrVG: "Dabei sind zwei Bereiche zu unterscheiden, nämlich die unternehmerisch-wirtschaftliche Entscheidung als solche und die Auswirkungen dieser Entsche die Arbeitnehmer. Hinsichtlich der unternehmerisch-wirtschaftlichen Entscheidung als räumt der Entwurf dem Betriebsrat schon im Stadium der Planung ein umfassendes Inform und Beratungsrecht ein" (BR-Drucks. 715/70, S. 53). 196 GK-Fabriciusy § 111 Rn 336; Ehmann, Betriebsstillegung und Mitbestimmung, S. 36; a. A. Vogt, Der Sozialplan, S.42, wobei diese Ansicht mit Einführung des SozplKonkG am 20.2.85 nicht mehr aufrechtzuerhalten sein dürfte. Etwas anderes gilt ftlr die Antragstellung durch einen Gläubiger, hier liegt keine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG vor, GK-Fabricius, § 111 Rn 337. 197 Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß bei Oberschuldung die Verpflichtung besteht, den Konkursantrag zu stellen (§ 42 BGB, § 92 AktG, § 64 GmbHG). Es ist sozialpolitisch äußerst wünschenswert, vor Antragstellung den Betriebsrat einzuschalten, unter Umständen kann dieser zur Abwendung des Konkurses beitragen (Dietz/Richardi, § 111 Rn 78, der trotzdem Unterrichtungs- und Beratungsrechte ablehnt) Zu einer unzulässigen Verzögerung der Antragstellung kommt es nicht, wenn man wie hier einen geringeren Maßstab an den Versuch eines Interessenausgleichs anlegt, als dies die wohl herrschende Meinung tut (dazu C.II.2.).

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. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

g) Gesetzeszweck Zum gleichen Ergebnis gelangt man auch, wenn man Sinn und Zweck der §§ 111 ff. BetrVG heranzieht. Um die unausgewogene Machtverteilung zwischen Unternehmer und Arbeitnehmern auszugleichen, enthält § 111 BetrVG ein Informations- und Beratungsrecht des Betriebsrats. Dieses wird durch § 112 BetrVG dahingehend ausgebaut, daß zwischen beiden Parteien eine Vereinbarung über die Durchfuhrung der Betriebsänderung gefunden werden soll, welche allerdings nicht erzwingbar ist. Der Arbeitgeber ist lediglich aufgefordert, die Arbeitnehmer an seiner wirtschaftlichen-unternehmerischen Entscheidung zu beteiligen. Versucht er dies erst gar nicht, droht ihm mit § 113 BetrVG die Sanktion des Nachteilsausgleichs. Weil der Unternehmer letztlich allein über eine Betriebsänderung entscheiden kann, ist nicht gewährleistet, daß er bei seiner Entscheidung die sozialen Belange der Belegschaft angemessen berücksichtigt. Um dies trotzdem zu erreichen, sieht § 112 BetrVG den erzwingbaren Sozialplan vor, der dazu fuhrt, daß die unternehmerische Entscheidung unter Umständen mit entsprechenden finanziellen Belastungen für das Unternehmen verbunden i s t 1 9 8 . Dadurch soll erreicht werden, daß die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit des Unternehmers erhalten bleibt, anderseits aber auch den sozialen Belangen der von den Auswirkungen dieser Entscheidung betroffenen Arbeitnehmer Rechnung getragen w i r d 1 9 9 . Die §§ 111 ff. BetrVG enthalten demnach eine Art Risikoausgleich. Während der Arbeitnehmer das Risiko trägt, von einer wirtschaftlich-unternehmerischen Entscheidung nachteilig betroffen zu sein, trägt der Unternehmer dafür, daß er in seiner Entscheidung frei bleibt, zumindest ein finanzielles Risiko. Dieses finanzielle Risiko wird ihn bei seiner Entscheidung beeinflussen. Eine ähnliche Motivationslage schafft der Nachteilsausgleich des § 113 BetrVG in Bezug auf den Versuch eines Interessenausgleichs. Den Unternehmer sowohl das Risiko des Sozialplans als auch des Nachteilsausgleichs tragen zu lassen, obwohl er auf die Betriebsänderung keinerlei Einfluß nehmen konnte, widerspricht diesem Grundgedanken des Gesetzes. Das BAG selbst sagt: "Auch der Unternehmer hat ein berechtigtes und schützenwertes Interesse daran, zu wissen, welche finanziellen Auswirkungen ein Sozialplan mit sich bringt, bevor er sich endgültig filr eine Betriebsänderung ent198 So ausdrücklich BAG vom 22.5.79, AP Nr. 4 zu § 111 BetrVG 1972; BAG vom 20.4.82, AP Nr. 15 § 112 BetrVG 1972. 199 BAG vom 20.4.82, AP Nr. 15 § 112 BetrVG 1972.

I . Der

eungsbereich von § 11 BetrVG

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scheidet'*200. Dann ist es aber widersprüchlich, den Tatbestand der §§ 111 ff. BetrVG als erfüllt anzusehen, wenn es für den Unternehmer nichts zu entscheiden gab. Mit dem Interessenausgleich soll erreicht werden, daß der Unternehmer den Betrieb nicht oder nicht so wie ursprünglich geplant ändert 2 0 1 . Schließt man wie das BAG die Fälle, in denen eine Betriebsänderung durch höhere Gewalt verursacht wird, nicht von der Anwendung der §§ 111-113 BetrVG aus, so kommt man im Fall der von hoheitlicher Seite stillgelegten Fabrik entsprechend § 113 BetrVG zu dem absurden Ergebnis, daß der Unternehmer einen Nachteilsausgleich zu leisten hat, ohne daß er dies hätte verhindern können. Über Systematik und Sinn des Gesetzes setzten sich das BAG und mit ihm ein Großteil der Lehre offenbar hinweg, weil sie die Notwendigkeit empfanden, zu einem Sozialplan für die betroffenen Arbeitnehmer zu kommen. Ein solcher Weg ist indes abzulehnen, wenn das Mitbestimmungsrecht nicht zu einem Abfindungsrecht verkommen soll. Schon heute stehen weniger die Vermeidung der Betriebsänderung oder ihrer nachteiligen Folgen im Vordergrund der betrieblichen Mitbestimmung, sondern fast ausschließlich die Aufstellung eines Sozialplans 202 . Indem man dem Unternehmer unkalkulierbare Risiken und unerfüllbare Pflichten auferlegt, will man nicht mehr sein Handeln beeinflussen, sondern einen generellen Entschädigungsanspruch der Arbeitnehmer begründen 203 . Das aber widerspricht Sinn und Zweck der §§ 111-113 BetrVG.

h) Ergebnis Demnach ist das Wort "geplant" in § 111 BetrVG ein selbstständiges Tatbestandsmerkmal. Geplante Betriebsänderung und damit die Beteiligungsrechte des Betriebsrats setzen eine Willensentschluß des Unternehmers voraus 2 0 4 . Unerheblich ist, worauf dieser beruht. Ursachen können auch äußere Zwänge wie veränderte Marktbedingungen sein, sie fallen in den Risikobereich des Unternehmers. Ansonsten würde der vorausschauend planende Unternehmer gegenüber dem sich passiv verhaltenden benachteiligt. Ein Willensentschluß

200

BAG vom 20.4.82, AP Nr. 15 zu § 112 BetrVG 1972. Beuthin, RdA 76, 147(148). 202 Dazu ausführlich: Ehmann, Betriebsstillegung und Mitbestimmung, S. 20. 203 Ehmann, Betriebsstillegung und Mitbestimmung, S. 23. 204 GK-Fabricius, § 111 Rn 66; Ehmann, Betriebsstillegung und Mitbestimmung, S. 36. 201

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. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

fehlt lediglich in Fällen höherer physischer Gewalt oder hoheitlicher Eingriffe, mit denen sich die Betriebsänderung ohne Zutun des Unternehmers vollzieht 2 0 5 .

4. Planung und Transformation

Es stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dieses Ergebnis auf die Beurteilung des wirtschaftlichen Anpassungsprozesses in den neuen Ländern hat. Der Vollzug der staatlichen Einheit und die damit verbundene sofortige Geltung des Rechts der Bundesrepublik bei einem gleichzeitigen fast vollständigen Außerkrafttreten des DDR-Rechts bedeutete fur eine Reihe von ostdeutschen Betrieben das Aus. Bis auf die wenigen Fälle, in denen zum Beispiel stark umweltgefährdende Betriebe sofort stillgelegt wurden, wird den unternehmerischen Maßnahmen ein Willensentschluß zugrundegelegen haben. Denn trotz der völlig veränderten äußeren Bedingungen und trotz des hohen Anpassungsdrucks kann man selbst in den Fällen, wo Anpassungsmaßnahmen wie Personalabbau unumgänglich erschienen, nicht vom Fehlen unternehmerischer Planung ausgehen. Auch in solchen Fällen bleibt dem Unternehmer ein Rest Gestaltungsspielraum, der eine Einbeziehung des Betriebsrats sinnvoll macht. Gleiches gilt fur die Betriebsänderungen, die im Rahmen der Aufgabenerfüllung der Treuhandanstalt in den Treuhandbetrieben durchgeführt werden. Zwar handeln die Vorstände und Geschäftsführer hier oft auf Grund von Weisungen 206 , doch liegt den Betriebsänderungen trotzdem ein Willensentschluß zugrunde. Daß die Eigentümer von Kapitalgesellschaften auf die Unternehmensleitung Einfluß ausüben, ist an sich nichts Ungewöhnliches und führt nicht zu einer Einschränkung der betrieblichen Mitbestimmung. Anderseits wird mit der Einräumung von Mitwirkungsrechten an Betriebsräte die staatliche Aufgabenerfüllung der Treuhandanstalt von der Mitwirkung und Mitbestimmung Privater abhängig. Es stellt sich daher die Frage, ob die im Rahmen dieser Aufgabenerfüllung durchgeführten Maßnahmen nicht mitbestimmungsfrei bleiben müssen. Zur Beantwortung dieser Frage sind an 205 GK-Fabricius, § 111 Rn 66; Vogt, Der Sozialplan, S. 39. 206 Auf die verschiedenen Möglichkeiten der gesellschaftsrechtlichen Einflußnahme der Treuhandanstalt auf ihre Unternehmen kann im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden; siehe hierzu: Weimar, DtZ 91, 105 ff.

I . Der

eungsbereich von § 11 BetrVG

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erster Stelle Auftrag und Arbeit der Treuhandanstalt kurz darzustellen. Anschließend ist auf die ihr zur Durchfuhrung ihres Auftrags durch den Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Mittel einzugehen.

a) Auftrag und Arbeit der Treuhandanstalt Schon im ersten Staatsvertrag brachten die Parteien den Willen zum Ausdruck, die staatlichen Unternehmen der ehemaligen DDR so rasch wie möglich umzustrukturieren und soweit wie möglich zu privatisieren 207 . Dieser Wille fand seine Umsetzung im Treuhandgesetz vom 18. Mai 90, nach dem es oberstes Ziel der Treuhandanstalt ist, "die Strukturanpassung der Wirtschaft an die Erfordernisse des Marktes zu fördern'*208. Zu diesem Zweck hat die Treuhandanstalt gemäß § 2 Abs. 1 TreuhG das volkseigene Vermögen zu privatisieren und verwerten. Privatisierung 209 bedeutet dabei die Übertragung bzw. Veräußerung von öffentlichem Vermögen an private Personen oder Unternehmen 210 . Nicht sanierungs- beziehungsweise privatisierungsfähige Betriebe sind zu verwerten, was deren vorhergehende Stillegung voraussetzt 211 . Sanierungs- aber noch nicht privatisierungsfähige Wirtschaftseinheiten sind durch die Treuhandanstalt zu sanieren 212 . Am Ende der Sanierung soll die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens stehen, was gleichbedeutend mit Veräußerbarkeit i s t 2 1 3 . Das Treuhandgesetz geht von einem weiten Sanierungsbegriff aus. Dieser umfaßt nicht nur Maßnahmen zur finanziellen Gesundung eines Unternehmens, sondern auch solche der Umorganisation

207 Art 1 Abs. 3, 11 des Vertages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, BGBl. II 1990, 532, 537, abgedruckt bei Horn, RWS-Dok. 1, Nr. 1.1. 208 § 2 Abs. 6 TreuhG, GBl. I Nr. 33 S.300, abgedruckt bei Horn, RWS-Dok. 1, Nr. II.3.1. 209 Der Rechtscharakter der Privatisierungsmaßnahmen der THA ist umstritten. Die inzwischen wohl herrschend Meinung geht von einem zweistufigen Verwaltungsverfahren i.S. der Zwei-StufenTheorie aus, Busche in Rechtshandbuch, Β 200, § 2 TreuhG Rn 6, m.w.N. 210 Weimar, DB 1991, 373(374), der ausdrücklich daraufhinweist, daß die bloße Umwandlung der ehemaligen Kombinate und Kombinatsbetriebe in private Rechtssubjekte nach § 11 TreuhG noch keine Privatisierung im Sinne des TreuhG ist 211 Der Begriff Stillegung wird in § 8 Abs. 1 TreuhG genannt; siehe auch Reiner Schmidt, Aufgaben und Struktur der Treuhandanstalt, S. 24. 212 § 2 Abs. 6 Satz 1 TreuhG, Präambel TreuhG und Art 25 Abs. 1 S. 1 EVtr sprechen von der "wettbewerblichen Strukturierung". 213 Busche in Rechtshandbuch, Β 200, § 2 TreuhG Rn 37.

80

Β. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

bzw. Restrukturierung 214 . Die Treuhandanstalt wirkt auch bei der Restitution der enteigneten Vermögenswerte m i t 2 1 5 . Neben der Privatisierung und Verwertung des ehemals volkseigenen Vermögens kommen der Treuhandanstalt noch weitere Aufgaben zu. Nach § 2 Abs. 6 TreuhG wirkt sie darauf hin, daß "eine effiziente Wirtschaftsstruktur entsteht". Das bedeutet, daß die Treuhandanstalt bei ihren Privatisierungsmaßnahmen darauf zu achten hat, daß fehlender Wettbewerb ermöglicht und bestehender Wettbewerb nicht behindert wird. Damit nimmt die Treuhandanstalt in den neuen Bundesländern eine Steuerungs- und Ordnungsfunktion w a h r 2 1 6 . Die durch die Arbeit der Treuhandanstalt erzielten Einnahmen sind zur Strukturanpassimg der noch verbliebenen Unternehmen sowie fur Beiträge zum Staathaushalt und zur Deckung der laufenden Ausgaben der Treuhandanstalt vorgesehen; § 5 Abs. 1 TreuhG. Gleichzeitig sieht das Treuhandgesetz die heute unrealistisch erscheinende Möglichkeit vor, verbleibende Erlöse zur Entschädigung der Sparer zu verwenden, deren Guthaben nicht zur Gänze im Verhältnis 1:1 umgestellt wurden 2 1 7 . Letztlich hat die Treuhandanstalt also auch die Aufgabe, Einnahmen zu erzielen 2 1 8 . Die Treuhandanstalt wird demnach sowohl wirtschaftlich-unternehmerisch als auch ordnungs- und strukturpolitisch tätig. Ein Teil der Arbeiten deckt sich dabei mit denen eines gewöhnlichen Konzerns, weswegen dieser Vergleich auch häufig herangezogen w i r d 2 1 9 . Trotzdem ist die Treuhandanstalt mit einem Konzern - wenn überhaupt - nur formaljuristisch zu vergleichen, die Anstalt selbst lehnt diesen Vergleich a b 2 2 0 . Die Mittel, denen sich die Treuhandanstalt bei der Aufgabenerfüllung bedient sind vielfältig. Das Treuhandgesetz räumt ihr dabei weitestgehende Freiheit ein.

2,4 So spricht § 2 Abs. 6 TreuhG von der " Entflechtung von Unternehmensstrukturen" zur Herausbildung "marktfähiger Unternehmen"; wie hier Reiner Schmidt, Aufgaben und Struktur der Treuhandanstalt, S. 23; Busche in Rechtshandbuch, Β 200, § 2 TreuhG Rn 38. 2 »5 Hierzu: Liebsfi>reuy DB 91, 145(150 ff.). 216 Kerber/Stechow, DWiR 91, 105(111); Busche in Rechtshandbuch, Β 200, § 2 TreuhG Rn 34. 217 § 5 Abs. 2 TreuhG, zur Entstehungsgeschichte siehe Busche in Rechtshandbuch, Β 200, Vor § 1 TreuhG Rn 50. Möschel, ZGR 91, 175(181). 2,9 Ausführlich zu diesem Thema: Weimar, Nachprivatisierungsprobleme, m.w.N. 220 Bah, ZIP 92, 446 ff.; die Anwendbarkeit des Konzemrechts auf die Treuhandanstalt ist Mitte 1992 gesetzlich ausgeschlossen worden; dazu s.u. D.IV.l.a) aa).

I . Der

eungsbereich von § 11 BetrVG

81

b) Die der Treuhandanstalt zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel Die Darstellung von Auftrag und Arbeit der Treuhandanstalt hat gezeigt, daß es sich um einen einmaligen Vorgang handelt, der ohne Präjudiz ist. Trotz der Einmaligkeit ihrer Arbeit bewegt sich die Treuhandanstalt nicht in speziellen rechtlichen Strukturen. Der Gesetzgeber hat der Treuhandanstalt zwar einen Auftrag erteilt und sie mit scheinbar unerschöpflichen Finanzmitteln ausgestattet, er hat ihr aber - von wenigen Ausnahmen abgesehen 221 keine neuen rechtlichen Instrumentarien zur Seite gestellt. Durch die entsprechenden Regelungen des Einigungsvertrags hat sich der Gesetzgeber vielmehr dazu entschlossen, die Treuhandanstalt in das private Wirtschaftsrecht einzubinden. Ein solches Vorgehen wäre nicht zwingend gewesen, denn die Arbeit der Treuhandanstalt stellt eine Mischung aus hoheitsrechtlichen und privatrechtlichen Vorgängen dar. Statt die Treuhandunternehmen in Kapitalgesellschaften umzuwandeln hätte man aus ihnen zum Beispiel auch Eigenbetriebe machen können 2 2 2 . Doch nach dem Willen des Gesetzgebers muß die Treuhandanstalt bei ihrer Arbeit auf die Normen des Privatrechts zurückgreifen und ist an diese auch gebunden 223 .

c) Die Kollision mit der Betriebsverfassung Die sich aus dem zuvor Gesagten ergebende grundsätzlich uneingeschränkte Anwendimg der §§ 111 ff. BetrVG führt zu einer Behinderung der Aufgaben der Treuhandanstalt. Zwar können die dort eingeräumten Rechte die Arbeit der Treuhandanstalt nicht verhindern, im Hinblick auf die Informations- und Mitwirkungsrechte des Betriebsrats können sie aber zu erheblichen Zeitverlusten fuhren 2 2 4 . Zu berücksichtigen ist auch § 2 Abs. 1 BetrVG, der die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern postuliert. § 111 BetrVG stellt eine Konkretisierung dieser Generalklausel dar. Für die Treuhandanstalt wird diese Vorgabe bei der Erfüllung ihres Auftrags ein

221 222

Dazu zählt zum Beispiel das SpTrUG. Die betriebliche Mitbestimmung wäre dann über § 130 BetrVG ausgeschlossen gewesen; s.o.

B.I.2. 223

Eine bedeutende Ausnahme bildet der Ausschluß der Anwendung des Konzernrechts auf die THA durch § 28a EGAktG; s.u. D.IV.l.a) aa). 224 Diese Sorge äußern auch: Weimar/Alfes, BB 91, Beil. 9, 16(23); allgemein Adomeit/Eiden/Schack, Au A 91, 5 ff. 6 Biedenkopf

82

. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

Erschwernis sein. So wird sie zum Erreichen der ihr vorgegebenen Ziele zum Teil sogar gegen das Wohl einzelner Betriebe handeln müssen. Andererseits konnte der Fall der Privatisierung einer ganzen Volkswirtschaft durch den Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes keine Berücksichtigung finden, da er für diesen nicht voraussehbar war. Selbst die Parteien des Wiedervereinigungsprozesses scheinen dieses Problem nicht gesehen zu haben, zumindest findet sich dazu in den Materialien kein Hinweis 2 2 5 . Mit der Übernahme des Betriebsverfassungsgesetzes durch die beiden Staatsverträge wurde die Arbeit der Treuhandanstalt in den Wirkungsbereich dieses Gesetzes einbezogen, obwohl die Möglichkeit der Einflußnahme der Arbeitnehmer auf staatliches Handeln, wie von der Treuhandanstalt ausgeführt, nicht Regelungsabsicht dieses Geseztes ist. Das Betriebsverfassungsgesetz enthält Lösungen für den Interessenkonflikt zwischen Arbeitnehmern und Unternehmer in einzelnen Unternehmen, nicht aber für die bei der durch den Staat vollzogenen Transformation einer ganzen Volkswirtschaft auftretenden Konflikte. Es fragt sich deshalb, ob hinsichtlich der Arbeit der Treuhandanstalt eine teleologische Reduktion des § 111 BetrVG zulässig und geboten ist.

d) Zulässigkeit der Einschränkung des Betriebsverfassungsgesetzes

?

Zweifel an der Zulässigkeit einer solchen Einschränkung ergeben sich schon aus dem Willen des Gesetzgebers. Zwar kann wegen der Kürze der für den Wiedervereinigungsprozeß zur Verfügung stehenden Zeit nicht davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber sich aller möglichen Kollisionen bewußt war. Er wird sich jedoch sicher der Tatsache bewußt gewesen sein, daß mit Herstellung der Rechtseinheit Normen auf eine Wirklichkeit übertragen wurden, für die sie nicht erdacht worden waren. Trotzdem hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidimg getroffen 226 . Dort, wo er unlösbare Schwierigkeiten gesehen hat, wurden durch den Einigungsvertrag Ausnahmen vorge-

225 Lediglich die Übernahme der Sozialplanregelung war umstritten; Belling/Müsgen, NZA 91, Beil. 1/91, 7(9); siehe auch: Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum SpTrUG, BT-Drucks. 12/254, S. 16. 226 So heißt es in der Denkschrift zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschaftsund Sozialunion: "Die Menschen in der Deutschen Demokratischen Republik sollen teilhaben können an den Chancen einer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die (...) überragende Leistungsfähigkeit auch flr den sozialen Ausgleich bewiesen hat" (BT-Druc 11/7350, S. 98). Dem entspricht auch diefrühe Übernahme des § 613a BGB durch den wortgleichen § 59a AGB.

I . Der

eungsbereich von § 11 BetrVG

83

sehen 2 2 7 oder Beschränkungen eingeführt 228 . Die Tatsache, daß eine solche Ausnahme oder Beschränkung für die Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes nicht vorgesehen ist, läßt nur den Schluß zu, daß eine solche nicht einmal für die Arbeit der Treuhandanstalt gewollt war. Der Gesetzgeber hat vielmehr die Arbeit der Treuhandanstalt unter das Privatrecht gestellt. Dazu gehören die Normen der Unternehmensverfassung und damit das Betriebsverfassungsgesetz. Die in § 111 BetrVG zum Ausdruck kommende Sozialpflichtigkeit des Unternehmenseigentums trifft damit auch die Treuhandanstalt 229 . Auch das Gebot der Rechtssicherheit verlangt ein solches Ergebnis. Wenn es zum Grundkonsens der Wiederherstellung der Einheit gehörte, die ostdeutschen Arbeitnehmer in den Regelungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes fallen zu lassen, ist es ohne gesetzliche Grundlage ausgeschlossen, dieses Gesetz wieder einzuschränken 230 . Das wird durch die Notwendigkeit, in den neuen Bundesländern das Vertrauen in das bundesdeutsche Rechtssystem noch zu schaffen, unterstrichen 231 .

e) Analogie zu § 118 Abs. 1 BetrVG ? Nach dem bisherigen Ergebnis kann sich die Lösimg für die Kollision zwischen staatlicher Aufgabenerfüllung und den auf dem Sozialstaatsprinzip beruhenden Mitwirkungsrechten der Arbeitnehmer nur aus dem Betriebsverfassungsgesetz selbst ergeben. Dieses bietet mit § 118 Abs. 1 BetrVG die Lösung für einen unter Umständen vergleichbaren Konflikt.

227 So die Außerkraftsetzung des § 613a BGB bei Betriebsübergängen im Rahmen des Gesamtvollstreckungsverfahrens; § 5 EGBGB. 228 Als Beispiele seien genannt der eingeschränkte Kündigungsschutz im Rahmen der Warteschleifenregelung für den öffentlichen Dienst (EVtr, Anlage I, Kapitel XIX, Sachgebiet A, Abschnitt III; dazu BVerfG vom 24.4.91, abgedruckt bei Hanau, Das Arbeitsrecht der neuen Bundesländer, III.9) und der Ausschluß der Rückgängigmachung von "besatzungsrechtlichen'1 Enteignungen (Art. 4 Nr. 5 EVtr, dazu BVerfG vom 23.4.91, NJW 91, S. 1597). 229 KreisG Erfurt, ZIP 91, 1233(1251); für die Anwendung des § 613a BGB im Ergebnis ebenso Richard*, NZA 91,289(290). 230 Dag KreisG Erfurt spricht in diesem Zusammenhang von einer "Bewährungsprobe" für den neuen Rechtsstaat; ZIP 91, 1233(1247). 231 Schon aus diesen Gründen ist auch der Vorschlag von Adomeit/Eiden/Schack, AuA91, 5, abzulehnen, die eine Anwendung der §§ 111 ff. BetrVG ausschließen nach der Regel "cessante ratione legis cessât lex ipsa" (fällt der Sinn einer Norm fort, dann auch diese Norm); wie hier Richardi, NZA 91, 289. Hinzu kommt, daß zu einer solchen Derogierung einer Norm nur der Gesetzgeber befugt ist (Canaris, Die Feststellung von Lücken, S. 189), dieser sich aber im Gegenteil für die Geltung der §§ 111 BetrVG auch im Beitrittsgebiet entschieden hat

84

Β. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

aa) Die Regelung des § 118 Abs. 1 BetrVG § 118 Abs. 1 BetrVG macht für sogenannte Tendenzunternehmen mit Rücksicht auf deren Eigenart Ausnahmen von den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes. Auf die unter § 118 Abs. 1 BetrVG fallenden Unternehmen und Betriebe sind die §§ 111 - 113 BetrVG nur insoweit anzuwenden, als sie den Ausgleich oder die Minderung der wirtschaftlichen Nachteile infolge einer Betriebsänderung regeln. Daraus folgt, daß auch in Tendenzbetrieben eine Unterrichtungs- und Beratungspflicht des Unternehmers nach § 111 BetrVG besteht, nicht jedoch die Pflicht, den Abschluß eines Interessenausgleichs über die Betriebsänderung zu versuchen 232 . Der Betriebsrat hat lediglich das Mitbestimmungsrecht über die Aufstellung eines Sozialplans. Keine Anwendung findet § 113 BetrVG, der sich auf den Interessenausgleich bezieht 2 3 3 . Die wesentliche Einschränkung, die die § 111- 113 BetrVG durch § 118 Abs. 1 BetrVG erfahren, ist der Ausschluß des Betriebsrats von einer Mitwirkung an der wirtschaftlich-unternehmerischen Entscheidung. Von der Rechtsfolgenseite her scheint daher die entsprechende Heranziehung des § 118 Abs. 1 BetrVG geeignet, die Kollision zwischen Auftrag der Treuhandanstalt und den Mitbestimmungsrechten der Arbeitnehmer in den Treuhandbetrieben zu lösen 2 3 4 .

bb) Zur Analogiefähigkeit des § 118 Abs. 1 BetrVG Allerdings halten Teile der Lehre § 118 Abs. 1 BetrVG nicht für analogiefähig 2 3 5 . Sie begründen dies mit der schärferen Umschreibung des Ausnahmetatbestands des § 118 Abs. 1 BetrVG gegenüber § 81 Abs. 1 BetrVG 1952 und der Streichung des Hinweises auf "ähnliche Bestimmungen" durch das Betriebsverfassungsgesetz 1972. Zu Recht lehnt die Gegenansicht diese Einschränkung a b 2 3 6 . Durch die Streichung des Auffangtatbestandes "ähnliche

232

Fitting/A uffarth/Kaiser/Heither, § 118 Rn 46; Dietz/Richardi, § 118 Rn 147 m.w.N. Dietz/Richardi, § 118 Rn 149; Galperin/Löwisch, § 118 Rn 53; Hess/Schlochauer/Glaubitz § 118 Rn 29; a.A. Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 118 Rn 46; GK-Fabricius, § 118 Rn 533. 234 Eine direkte Anwendung des § 118 Abs. 1 BetrVG auf Beschäftigungsbetriebe nimmt an Kaiser, NZA 1992,193(200). 235 Fitting/A uffarth/Kaiser/H either, § 118 Rn 5; Galperin/Löwisch, § 118 Rn 30; He Schlochauer/Glaubitz, § 118 Rn 12. 236 Dietzmichardi, § 118 Rn 43; GK-Fabricius, § 118 Rn 363. 233

I . Der

eungsbereich von § 11 BetrVG

85

Bestimmungen" hat der Gesetzgeber lediglich den Ausnahmecharakter der Vorschrift betont und zum Ausdruck gebracht, daß sie nicht auf Offenheit hin angelegt ist. Ein Analogieverbot kann daraus nicht abgeleitet werden. Außerdem verbietet sich ein solches für den Prozeß der Wiedervereinigung schon wegen der Ausnahmesituation in den neuen Bundesländern und der Unvorhersehbarkeit für den Gesetzgeber.

cc) Der Gesetzeszweck des § 118 Abs. 1 BetrVG Eine Analogie wäre indes nur dann zulässig, wenn der Tatbestand des §118 Abs. 1 BetrVG und die Situation der Treuhandanstalt gleich zu bewerten wären, also beide Tatbestände in der für die rechtliche Bewertung maßgeblichen Hinsicht übereinstimmen würden 2 3 7 . Zur Beantwortung dieser Frage muß auf den Grundgedanken des § 118 Abs. 1 BetrVG zurückgegangen werden. Nach ganz überwiegender Ansicht wird der Normzweck des § 118 Abs. 1 BetrVG in der Gewährung von Grundrechtsentfaltungen für Unternehmen gesehen, die politischen und geistig-ideellen Zielen dienen 2 3 8 . Absatz 1 enthält eine Güterabwägung zwischen dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 GG und den Freiheitsgrundrechten der Tendenzträger 239 . Dieser Meinung ist zuzustimmen. Der Grundrechtsbezug des § 118 Abs. 1 BetrVG ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift, die auf Art. 5 GG Bezug nimmt, aber auch aus der Neugestaltung der Vorschrift durch das Betriebsverfassungsgesetz 1972 2 4 0 . § 118 Abs. 1 BetrVG ist eine grundrechtsausgestaltende Regelung 2 4 1 , die die Verwirklichung von durch das Grundgesetz besonders geschützten Zwecken vor Beeinträchtigungen schützt, die von der Ausübung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats ausgehen können.

237

Lorenz, Methodenlehre, S. 269. BAG vom 22.4.75, AP Nr. 2 zu § 118 BetrVG 1972; Fitting/Auffarth/ Kaiser/Heither, § 118 Rn 4; Dietz/Richardi, § 118 Rn 13; Galperin/Löwisch, § 118 Rn 3; ablehnend GK-Fabricius, § 118 Rn 102. 239 Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung , zu BT-Drucks. VI/2729, S. 17. 240 Dazu ausführlich Dietz/Richardi, § 118 Rn 6 ff. 238

2

*1 BVerfG 52, 283(299).

86

Β. Unterrichtungs- und Beratungspflichten

dd) Fehlende Grundrechtsautonomie der Treuhandanstalt Auch der Privatisierungsauftrag der Treuhandanstalt kann solchen Beeinträchtigung ausgesetzt sein, doch fehlt es hier im Gegensatz zu den von § 118 Abs. 1 BetrVG erfaßten Fällen an der Möglichkeit einer Grundrechtsbeeinträchtigung. Die Arbeit der Treuhandanstalt unterliegt keinem Schutz durch die Grundrechte oder durch das Grundgesetz 242 . Die Möglichkeit der Grundrechtsbeeinträchtigung ist aber das bestimmende Element des § 118 Abs. 1 BetrVG. Das Fehlen einer solchen hinsichtlich der Treuhandarbeit schließt eine Analogie zu § 118 Abs. 1 BetrVG aus.

d) Ergebnis Trotz der einmaligen Aufgabe der Treuhandanstalt als Treuhänderschaft sui generis ist die Treuhandanstalt bei ihrem Wirken uneingeschränkt an das Privatrecht und damit die Betriebsverfassung gebunden. Auch die Arbeit der Treuhandanstalt unterliegt der Sozialpflichtigkeit des Unternehmenseigentums. Eine Einschränkung der Mitwirkungsrechte aus § 111 BetrVG kommt weder generell noch unter entsprechender Anwendung des § 118 Abs. 1 BetrVG in Betracht.

242

Das wird man selbst dann nicht annehmen können, wenn man entgegen der h.M. dem Einigungsvertrag Verfassungsrang einräumt

C. Interessen- und Nachteilsausgleich I. Der Interessenausgleich 1. Die Stellung des Interessenausgleichs in der Systematik der §§ 111-113 BetrVG

Nach § 111 BetrVG hat der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung mit dem Betriebsrat zu beraten. Für den Fall, daß der Betriebsrat mit der Planung des Unternehmers nicht einverstanden ist, bietet § 112 BetrVG das Intrument des Interessenausgleichs. Dieser soll zu einer Angleichung zwischen Änderungsinteresse des Unternehmers und Erhaltungsinteresse1 der Belegschaft führen. Um den Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit in zulässigen Grenzen zu halten, sind weder die Aufstellung noch die Einhaltung eines Interessenausgleichs erzwingbar. Es handelt sich hier nur um ein Mitwirkungsrecht des Betriebsrats2. Findet das Erhaltungsinteresse der Arbeitnehmer in den Verhandlungen über einen Interessenausgleich keine oder keine ausreichende Berücksichtigung, so setzt es sich als Kompensationsinteresse im Sozialplan fort 3 . Da der Sozialplan keinen direkten Einfluß auf die unternehmerische Entscheidung hat, sondern nur Regelungen in Bezug auf die Folgen der Betriebsänderung für die Arbeitnehmer enthält, ist er erzwingbar und beruht deshalb auf einem echten Mitbestimmungsrecht 4 . Als Ausgleich für die fehlende Erzwingbarkeit und Durchsetzbarkeit des Interessenausgleichs enthält des Betriebsverfassungsgesetz das Instrument des Nachteilsausgleichs. Weicht ein Unternehmer von einem Interessenausgleich ohne zwingenden Grund ab oder versucht er erst gar nicht die Aufstellung eines solchen, so hat er an die Arbeitnehmer, die infolge der Betriebsänderung ihren Arbeitsplatz verlieren oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden,

1

Diese treffende Terminologie geht zurück aufFabricius, GK § 112, 112a Rn 8. Dietz/Richardi, § 112 Rn 4. 3 GK-Fabricius, § 112, 112a Rn 8. 4 Zur Verfassungsmäßigkeit des § 112 BetrVG siehe: Dietz/Richardi, § 112 Rn 5 m.w.N. 2

88

C. Interessen- und Nachteilsausgleich

Ausgleichszahlungen zu leisten. Neben einem Sanktions- und Ausgleichszweck hat der Nachteilsausgleich die Funktion, präventiv den Versuch eines Interessenausgleichs sicherzustellen5. Die §§ 111-113 BetrVG bilden somit ein inhaltlich aufeinander abgestimmtes, in sich abgestuftes Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats 6 . Ausgangspunkt für die Regelungen im Bereich der Mitbestimmung bei Betriebsänderungen ist der Interessenausgleich. Zwar baut er auf die Unterrichtungs- und Beratungsrechte des § 111 BetrVG auf, doch bildet der Interessenausgleich das eigentliche betriebsverfassungsrechtliche Instrument, das eine zu erarbeitende Willensübereinstimmung zwischen Betriebsrat und Unternehmer voraussetzt. Was der Interessenausgleich in die Einigung zwischen Unternehmer und Betriebsrat nicht einzubeziehen vermag, wird durch den Sozialplan aufgefangen und kompensiert. Versucht sich der Unternehmer diesem zu entziehen, finden die Interessen der Arbeitnehmer durch den Nachteilsausgleich Berücksichtigung.

2. Voraussetzungen des Interessenausgleichs

§ 112 Abs. 1 BetrVG spricht lediglich von dem Interessenausgleich über "die geplante Betriebsänderung". Daher ist nicht klar, ob weitere Voraussetzung für einen Interessenausgleich die Möglichkeit wesentlicher Nachteile für die Belegschaft ist. Das wird man bejahen müssen, denn wenn der mögliche Eintritt wesentlicher Nachteile schon Voraussetzung der Unterrichtungsund Beratungspflichten in § 111 BetrVG ist, so muß er es erst recht für den weitergehenden Interessenausgleich sein 7 . Denknotwendige Voraussetzung ist weiter, daß die Betriebsänderung noch nicht durchgeführt wird. Die Möglichkeit, seitens des Betriebsrats auf die unternehmerische Entscheidung zugunsten der Belegschaft einzuwirken, besteht sonst nicht mehr und ist auch nicht mehr nachholbar8.

5

GK-Fabricius, § 113 Rn 1; Dietz/Richardi, § 113 Rn 2; Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S. 340 Schäfer, AuR 82, 120. 6 Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, zu BT-Drucks. VI/2729, S. 8; Heinze, NZA 87,41. 7 GK-Fabricius, § 112, 112a Rn 6; zum Grad der Wahrscheinlichkeit siehe oben B.II.2.a)\ a.A. GK-Fabricius, der eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit verlangt. 8 Dietz/Richardi, § 112 Rn 12; Galperin/Löwisch, § 112 Rn 9; Rumpff/Boewer, Mitbestimmung S. 347.

I. Der Interessenausgleich

89

3. Inhalt des Interessenausgleichs

Anders als für den Sozialplan umschreibt das Gesetz den Inhalt des Interessenausgleichs nicht. Unter Zuhilfenahme der Beschreibung des Sozialplans hält deshalb eine in Literatur und Rechtsprechimg vertretene Ansicht für den Inhalt des Interessenausgleichs all das für zulässig, was nicht von einem Sozialplan erfaßt werden kann 9 . Diese weite Fassung ist jedoch zu unbestimmt. So gehören die Regelungen nicht in einen Interessenausgleich, die unter die von der Mitwirkung des Betriebsrats bei Betriebsänderungen unabhängigen Mitbestimmungsrechte fallen, wie zum Beispiel die Beteiligungsrechte in personellen Angelegenheiten 10 . Hier sollte schon deshalb eine klare Trennung vorgenommen werden, weil solche Mitbestimmungsrechte an andere Voraussetzungen geknüpft sein können. Der Betriebsrat hat im Interesse der gesamten Belegschaft ein Mitspracherecht hinsichtlich der geplanten Betriebsänderung. Um diese Interessen wirksam zu vertreten, wird er in erster Linie bemüht sein, bei der Frage der Notwendigkeit, also dem "ob" der betriebsändernden Maßnahme, anzusetzen. Soweit er hier kein Erfolg hat, wird es um die Durchführung, das "wie" der Betriebsänderung, gehen. Dabei ist die Planung des Unternehmers unter unternehmerisch-wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu erörtern. Der Betriebsrat wird Lösungsvorschläge anbieten, die für die Belegschaft mit weniger Nachteilen als der vom Unternehmer geplante Weg verbunden sind. In diesem Zusammenhang besteht dann die Möglichkeit, daß der Betriebsrat seine personellen Beteiligungsrechte ausübt, allerdings ohne daß diese Bestandteil des Interessenausgleichs werden 11 .

4. Das Fehlen planerischer Alternativen im Beitrittsgebiet

Je freier ein Unternehmer also in seiner Planung ist, desto leichter wird es sein, einen Interessenausgleich zu finden, und umso geringer wird der Umfang eines Sozialplans ausfallen müssen. Anderseits wird ein Interessenausgleich dort kaum möglich sein, wo die äußeren Zwänge keinen Spielraum lassen. Seine Regelungen können sich dann nur noch auf das "wie" der Betriebsänderung beziehen. Die darin zum Ausdruck kommende Begrenztheit der

9 Diese sogenannte Subtraktionsmethode wenden an: BAG vom 20.10.83, AP Nr. 13 zu § 1 KSchG 1969; Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, S. 311; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, §112 112a Rn 5; Däubler, § 112, 112a Rn 13; Fuchs, Der Sozialplan, S. 17. 10 Ohl, Der Sozialplan, S. 147; a.A. Galperin/Löwisch, § 112 Rn 6; Vogt, Der Sozialplan, S. 71 m.w.N. 11 GK-Fabricius, § 112,112a Rn 20; Ohl, Der Sozialplan, S. 147.

90

C. Interessen- und Nachteilsausgleich

Einflußnahme durch den Betriebsrat findet ihren Ausgleich in der Erzwingbarkeit des Sozialplans. Besonders deutlich wird diese wechselseitige Abhängigkeit zwischen tatsächlicher Entscheidungsfreiheit des Unternehmers und Interessenausgleich bzw. Sozialplan in den zu privatisierenden Unternehmen in den neuen Bundesländern. Dort, wo die äußeren Zwänge besonders groß sind, beschränkt sich der Interessenausgleich fast ausschließlich auf die Modalitäten der Betriebsänderung 12 . So wird vor allen Dingen geregelt, ob ein Betrieb nicht doch Arbeitnehmer weiterbeschäftigen oder in Umschulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen überführen kann. Auch Bestimmungen über den Zeitpunkt der Entlassungen spielen eine große Rolle. Letzlich können deshalb die §§ 111-113 BetrVG während der wirtschaftlichen Anpassungsphase im Beitrittsgebiet ihre Funktion nur begrenzt erfüllen. Der beste Interessenausgleich ist der, der für die Arbeitnehmer erst gar keine Nachteile entstehen läßt 1 3 . Das setzt einen Spielraum voraus, der in den neuen Bundesländern noch nicht vorhanden ist. Das Fehlen dieses Spielraums führt gleichzeitig zu einer Störung des aufeinander abgestimmten Systems der §§ 111-113 BetrVG. Der Sozialplan deckt hier Nachteile ab, die der Unternehmer nicht vermeiden kann. Er erfüllt nicht mehr die ihm zugedachte Funktion, den Unternehmer nach Alternativen zum Beispiel zum Belegschaftsabbau suchen zu lassen. Dadurch reduzieren sich der § 112 BetrVG zu einer Abfindungsregelung, ein Problem, auf das im Rahmen der Untersuchungen zum Sozialplan noch näher einzugehen sein wird.

5. Das Fehlen des klassischen Interessenkonflikts

Ein zentraler Gedanke des Betriebsverfassungsgesetzes ist die Aufhebung der Spannung zwischen Eigentümer- und Arbeitnehmerinteressen. Die natürlichen Interessengegensätze zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern können zwar nicht ausgeschlossen werden, das Betriebsverfassungsgesetz will hier aber zumindest einen Ausgleich schaffen 14 . Dieses Ziel findet seinen Aus-

12 Beispiele bei Fitting/A uffarth/Kaiser/H either, § 112, 112a Rn 5d; Schaub, ArbeitsrechtsHandbuch, S. 1799. 13 Fitting/A uffarth/Kaiser/H either, § 112, 112a Rn 5a. 14 Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 2 Rn 9; Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 2 Rn 24; Ru Boewer, Mitbestimmung, S. 36.

I . Der

tesausgleich

91

druck auch im Interessenausgleich, der eine spezielle Ausformung der Generalklausel des § 2 Abs. 1 BetrVG darstellt 15 . Dieser typische Interessenkonflikt fehlt zumindest in einem Teil der Treuhandunternehmen. Geschäftsführung und Arbeitnehmer sehen sich im Verhältnis zur Treuhandanstalt, deren Arbeit als Bedrohung der eigenen wirtschaftlichen Existenz empfunden wird, als Verbündete 16 . In den Verhandlungen über einen Interessenausgleich oder auch einen Sozialplan ringen aus diesem Grund nicht zwei Parteien um eine Kompromiß, oft wird es eher um eine gemeinsame Strategie gegen die Pläne der Treuhandanstalt gehen 17 . Dadurch gerät das ausbalancierte System der Betriebsverfassung aus den Fugen. Anderseits darf nicht verkannt werden, daß faktisch auch die Treuhandanstalt Unternehmer ist. Durch ihre intensive Einflußnahme bestimmt sie die Entwicklung von manchen Unternehmen stärker als das dort eingesetzte Management. Durch das "Bündnis" zwischen den Betriebspartnern wird der Interessenkonflikt deshalb nicht aufgehoben, sondern lediglich verlagert. Daß die Konflikte auf diesem Weg in die Treuhandanstalt getragen werden, ist insoweit zu begrüßen, als sie dort auf die ebenfalls verlagerten Entscheidungsprozesse einwirken können. Die Tatsache, daß die Treuhandanstalt Unternehmerfunktionen wahrnimmt, obwohl sie dazu nur in wenigen Fällen personell in der Lage sein dürfte, läßt diese Verlagerung wünschenswert erscheinen.

I I . Der Nachteilsausgleich 1. Der Tatbestand des Nachteilsausgleichs

§ 113 BetrVG ahndet das Verhalten des Unternehmers in zwei Fällen mit dem Nachteilsausgleich: Weicht der Unternehmer von einem bestehenden Interessenausgleich ohne zwingenden Grund ab, hat er den Arbeitnehmern, die infolge der Abweichung entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden, einen Ausgleich zu zahlen. Gleiches gilt für den Fall, daß der Unternehmer den Abschluß eines Interessenausgleichs erst gar nicht versucht.

15

Dietz/Richardi, § 2 Rn 9. Balz, VIZ 92, 41(45), der das Beispiel des "in einem Boot sitzen" gebraucht 17 Ausdruck einer solchen Strategie sind die zum Teil stark überzogenen Sozialpläne; hierzu auch Balz, VIZ 92,41(45). 16

92

C. Interessen- und Nachteilsausgleich

Hier kann nicht erörtert werden, wann von einer Abweichung zu sprechen i s t 1 8 und was die Voraussetzungen für das Vorliegen eines zwingenden Grundes sind 1 9 . Interessieren soll lediglich die Frage, welche Anforderungen an den Versuch eines Ausgleichs zu stellen sind, und ob der Unternehmer den Versuch zur Aufstellung eines Interessenausgleichs in bestimmten Fällen unterlassen darf.

2. Anforderungen an den Versuch eines Interessenausgleichs

a) Meinungsstand § 113 Abs. 3 BetrVG läßt offen, welche Erfordernisse erfüllt sein müssen, damit der Versuch eines Interessenausgleichs vorliegt. Nach überwiegender Ansicht hat der Unternehmer alle Möglichkeiten einer Einigung zu nutzen 20 . Er muß also nicht nur mit dem Betriebsrat beraten, sondern gegebenenfalls gemäß § 112 Abs. 2 BetrVG auch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts um Vermittlung ersuchen oder die Einigungsstelle anrufen. Begründet wird dies mit dem sozialen Schutzzweck des § 113 BetrVG und mit Praktikabilitätserwägungen. Die Gegenmeinung lehnt diese weitgehenden Anforderungen ab 2 1 . Der Betriebsrat könne von dem ihm zustehenden Initiativrecht ebensogut Gebrauch machen, tue er es nicht, könne der Unternehmer darauf vertrauen, daß der Betriebsrat keine Einwände mehr erhebe.

b) Wortlaut und Teleologie des §113 BetrVG Beide Ansichten vermögen von ihrer Begründung her nicht zu überzeugen. Dem Wortlaut des § 113 Abs. 3 BetrVG nach genügt es, wenn der Unternehmer über die Betriebsänderung mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich

18 Dazu GK-Fabricius, § 113 Rn 6 f.; Dietz/Richardi, § 113 Rn 7; Galperin/Löwisch, § 113 Rn 5 f.; vom Abweichen von einem vereinbarten Sozialplan ist die Planung einer neuen Betriebsänderung zu unterscheiden. 19 Dazu GK-Fabricius, § 113 Rn 8 ff.; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 113 Rn 3ff.; Diet Richardi, § 113 Rn 8ff.; Galperin/Löwisch, § 113 Rn 7ff.; Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S. 413. 2° BAG vom 18.12.84, BAGE 47, 329(333); Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 113 Rn 8; GKFabricius, § 113 Rn 24; Dietz/Richardi, § 113 Rn 20; Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S. 419. 21 Galperin/Löwisch, § 113 Rn 46; Stege/Weinspach, §§ 111-113 Rn 116; Hanau, ZfA 74, 89(111); Ehmann, Betriebsstillegung und Mitbestimmung, S. 62; Beuthin, ZfA 88, 1(28).

I . Der

tesausgleich

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versucht. Der Interessenausgleich findet seine Regelung in § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Unbestritten ist dabei die Anknüpfung an die Unterrichtungs- und Beratungspflicht des § 111 S. 1 BetrVG 2 2 . Vom Wortlaut her beginnt der Versuch eines Interessenausgleichs mit der Aufnahme der Beratungen zwischen Unternehmer und Betriebsrat nach § 111 S. 1 BetrVG 2 3 . Bestätigt wird diese Auslegung durch § 112 Abs. 2 BetrVG. Danach können im Falle des Nichtzustandekommens eines Interessenausgleichs der Präsident des Landesarbeitsgerichts oder die Einigungsstelle um Vermittlung ersucht werden. § 112 Abs. 2 BetrVG setzt also voraus, daß bereits Verhandlungen stattgefunden haben, also der Versuch eines Interessenausgleichs unternommen wurde. Sonst könnte nicht von einem NichtZustandekommen oder von Vermittlung gesprochen werden. Das wird weiter dadurch unterstrichen, daß beide Verfahrensabschnitte beschritten werden "können", also nicht beschritten werden müssen 24 . Nur dieses Ergebnis entspricht auch der Logik der §§ 111 flf. BetrVG. Ist der Interessenausgleich sowieso nicht erzwingbar, erscheint es überflüssig, den Unternehmer unter Androhung des Nachteilsausgleichs selbst dann in ein zeitaufwendiges, kostenintensives Einigungsstellenverfahren zu zwingen, wenn der Betriebsrat nicht von sich aus die Initative ergreift 25 . Dies läßt sich jedenfalls nicht mit der Sorge begründen, nur so könne die neutrale Atmosphäre der Einigungsstelle genutzt werden 26 . Denn auch der Betriebsrat hat die Möglichkeit, die Einigungsstelle anzurufen. Tut er dies, muß der Unternehmer mit der Durchführung der Betriebsänderung bis zum Ende des Verfahrens warten 27 . Daß, wie das BAG meint 2 8 , § 113 Abs. 3 BetrVG den Unternehmer gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer verpflichtet, die Einigungsstelle anzurufen, läßt sich dem Betriebsverfassungsgesetz nicht entnehmen.

c) Die Mißbrauchsgefahr Realitätsfremd muten die Praktikabilitätserwägungen des BAG an. Aus der mit der Protokollierung des Einigungsstellenverfahrens verbundenen Nachweisbarkeit eines Ausgleichsversuchs eine entsprechende Verpflichtung des 22

s.o. C./.7.; Heinze, NZA 87,41. Beuthin, ZfA 88, 1(28). 24 StegeAVeinspach, § 111-113 Rn 116a. 25 Hanau, ZfA 74, 89(111). 26 So aber BAG vom 18.12.84, BAGE 47,329(335). 27 Galperin/Löwisch, § 113 Rn 45 m.w.N. 2 ® BAG vom 18.12.84, BAGE 47,329(333). 23

94

C. Interessen- und Nachteilsausgleich

Unternehmers herzuleiten 29 , erscheint sehr unwirtschaftlich gedacht. Auch die Hoffnung, mit einer solchen Pflicht werde die Durchführung nicht unzumutbar verzögert 30 , täuscht. Damit leugnet das BAG eine Mißbrauchsgefahr, die von anderen Stimmen gesehen 31 und sogar begrüßt w i r d 3 2 . Wenn das BAG diese mit dem Argument bestreitet, das Einigungsverfahren dauere schließlich genauso lange, wenn der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufe 33 , so verkennt es, daß der Betriebsrat, der aus eigenem Antrieb die Einigungsstelle anruft, weniger Möglichkeiten hat, dieses Verfahren zu verzögern, als wenn er von dem unter Druck stehenden Unternehmer in ein solches Verfahren einbezogen werden muß 3 4 . Zu einem solchen gegen § 2 Abs. 2 BetrVG verstoßenden Mißbrauch fordert die Ansicht des BAG und der herrschenden Lehre geradezu heraus. Vor allen Dingen dort, wo der Verhandlungsspielraum eng und der Zeitdruck groß sind, wird der von einem Einigungsstellenverfahren ausgehende zeitliche und finanzielle Druck benutzt werden, um Sozialplanleistungen in die Höhe zu treiben. Gerade in den neuen Bundesländern, wo Zeit für die Unternehmen besonders kostbar ist, läßt sich die Rechtsprechung des BAG nicht halten 35 . Schon das Argument, der Unternehmer könne Verzögerungen vermeiden, indem er den Betriebsrat frühzeitig einschaltet 36 , läuft hier leer. Es handelt sich durchweg um Unternehmen, für die eine Planung wegen der Geschwindigkeit der Veränderungen kaum möglich ist. Hinzu kommt, daß die Arbeit zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat noch nicht richtig eingespielt sein wird.

d) Schutz der Unternehmensautonomie In der praktischen Konsequenz führen die Anforderungen des BAG an den Ausgleichsversuch des Unternehmers für den Betriebsrat zu einem Unter-

29 BAG vom 18.12.84, BAGE 47, 329(337). 3° BAG vom 18.12.84, BAGE 47, 329(337). 31 Heinze, ZfA 88, 53(86); Stege/Weinspach, m

§§ 111-113 Rn 116d; Federlin, ZfA 88, 99(104).

Ohl, Der Sozialplan, S. 150, der im langwierigen Einigungsstellenverfahren ein Druckmittel zur Durchsetzung sozialer Leistungen sieht 33 BAG vom 18.12.84, BAGE 47, 329(337). 34 Anschauliche Beispiele einer Verzögerungstaktik bieten: Federlin, ZfA 88, 99 ff.; Walter, AuA 91,357(359). 35 Kritisch zur allgemeinen Anwendbarkeit der BAG-Rechtsprechung in den neuen Bundesländern Adomeit, NZA 93, 433(435); Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, S. 28; Böcker, Die Anwendbarkeit ausgewählter Rechtsprechung des BAG, S. 264. 36 BAG 18.12.84, BAGE 47,329(338); Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S. 420.

I . Der

tesausgleich

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lassungsanspruch auf Zeit. Ein solcher bedeutet einen unzulässigen Eingriff in die Unternehmensautonomie 37 , der der grundsätzlichen Wertentscheidung des Betriebsverfassungsgesetzes, durch die dem Betriebsrat gewährten Rechte nicht in die eigentliche unternehmerische Entscheidung einzugreifen 38 , zuwiderläuft. Die §§ 111-113 BetrVG sollen dem Unternehmer bei Betriebsänderungen seine Entscheidungsfreiheit belassen, nur für die sozialen Folgen seiner Entscheidung muß er gegenüber den Arbeitnehmern einstehen. § 113 BetrVG kommt die Funktion zu, den Unternehmer zu veranlassen, die Belegschaft in seine Entscheidung einzubeziehen, nicht aber die Entscheidung zu blockieren.

e) Ergebnis Deshalb hat der Unternehmer einen Interessenausgleich im Sinne von § 113 Abs. 1 BetrVG versucht, wenn beide Parteien in ihren Beratungen zu keinem Ergebnis gekommen sind, und der Betriebsrat sich erkennbar nicht um eines der Vermittlungsverfahren des § 112 Abs. 2 BetrVG bemüht oder aber ein solches verschleppt.

3. Kein Nachteilsausgleich bei Unterlassung aus zwingendem Grund ?

Grenzt man den überzogenen Anspruch an den Versuch, den der Unternehmer nach § 113 Abs. 3 BetrVG unternehmen muß, um dem Nachteilsausgleich zu entgehen, wie oben geschehen ein, so entfällt gleichzeitig ein Teil der Gründe für die Diskussion über die Frage, ob der Unternehmer den Versuch eines Nachteilsausgleichs unterlassen darf, wenn zwingende Gründe vorliegen. Diese Frage wird von einem Teil der Literatur bejaht mit der Begründung, der Unternehmer könne auch im Fall des § 113 Abs. 3 BetrVG unter entsprechender Anwendung des Abs. 1 geltend machen, daß er aus einem zwingenden Grund von der Einigung ohnehin hätte abweichen dürfen 39 . Der Grund für das Einräumen einer solchen Ausnahme 40 ist zum Teil in den ho-

V Beuthin, ZfA 88, 1(21); Zander, AuA 91, 221. Gesetzesmaterialien zum BetrVG 1972, BR-Drucks. 715/70, S. 31. 39 Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 113 Rn 18; Dietz/Richardi, § 113 Rn 22; M ei sei, Anmerkungen zu BAG vom 23.1.79, AP Nr. 4 zu § 113 BetrVG 1972; ablehnend GK-Fabricius, § 113 Rn 26 ff.; Galperin/Löwisch, § 113 Rn 47. 40 Die Ansicht, Abs. 3 sei nicht nur eine Rechtsfolgenverweisung, so daß wegen der Formulierung "entsprechende Anwendung" die Einschränkung "ohne zwingenden Grund" in Abs. 1 unmittelbar gelte, wird nicht mehr vertreten. 38

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C. Interessen- und Nachteilsausgleich

hen Anforderungen an den Versuch des Interessenausgleichs zu erblicken. Je höher diese Anforderungen sind und je schwieriger sie für den Unternehmer zu erfüllen sind, desto eher wird man geneigt sein, ihm eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 113 Abs. 3 BetrVG zuzubilligen 41 . Legt man jedoch den oben herausgearbeiteten Maßstab an, so fallen all die Fälle aus dem Anwendungsbereich einer möglichen Ausnahme heraus, in denen dem Unternehmer der Versuch eines Interessenausgleichs wegen der drohenden Verzögerung der Betriebsänderung durch das Einigungsstellenverfahren nicht möglich war. Übrig bleiben die Situationen, in denen die Durchführung eines Interessenausgleichs sinnlos wäre. Eine solche ist zum einen gegeben, wenn die Betriebsänderung durch höhere Gewalt schon vollzogen wurde 4 2 , aber auch dann, wenn die Verhandlungen über einen Interessenausgleich sich eher nachteilig für die Arbeitnehmer auswirken würden 43 . Unter Zugrundelegung des Gesetzeszwecks und seines sozialen Schutzzwecks sind diese Fälle von der Anwendung des § 113 Abs. 3 BetrVG auszunehmen.

4. Abweichung von einem Interessenausgleich aus zwingendem Grund

Nach § 113 Abs. 1 BetrVG trifft den Unternehmer die Sanktion des Nachteilsausgleichs nicht, wenn er aus einem zwingenden Grund von einem Interessenausgleich abweicht. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine Ausformung der Grundsätze vom Wegfall der Geschäftsgrundlage44. Wann ein zwingender Grund vorliegt, läßt sich mit Hilfe dieser Grundsätze beantworten 45 . Durch § 113 Abs. 1 BetrVG wird bestätigt, daß auf Betriebsvereinbarungen die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anzuwenden sind 4 6 . Anders als bei den übrigen Betriebsvereinbarungen kann und muß beim 41

So vermischt Schäfer, AuR 82, 120 ff., die Kriterien für "Versuch" und eine Ausnahme von § 113 Abs. 3 BetrVG miteinander. 4 2 s.o. B.II.3. 43 Für diesen zweiten Fall lehnt die ganz herrschende Meinung eine Anwendung des § 113 Abs. 3 BetrVG ab: BAG vom 23.1.79, AP Nr. 4 zu § 113 BetrVG 1972; GK-Fabricius, § 113 Rn 35 ff, Dietz/Richardi, § 113 Rn 22; Galperin/Löwisch, § 113 Rn48; Rumpff/Boewer, Mitbestimmung S. 419. 44 GK-Fabricius, § 113 Rn 10. 45 Ausführlich GK-Fabricius, § 113 Rn 10. 46 So die wohl herrschende Meinung: BAG vom 17.2.81, AP Nr. 11 zu § 112; GK-Kreutz, § 77 Rn 325; Dietz/Richardi, § 77 Rn 141; Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 77 Rn 118; Hilger, Vertragsauslegung und Wegfall der Geschäftsgrundlage, S. 250.

I . Der

tesausgleich

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Interessenausgleich nicht nachverhandelt werden, wenn die Betriebsänderung bereits ausgeführt w i r d 4 7 . Deshalb stellt § 113 Abs. 1 BetrVG hinsichtlich der Rechtsfolge einen Sonderfall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage dar: Hier kann der Unternehmer von einer Betriebsvereinbarung abweichen, ohne daß es zu der sonst notwendigen Vertragsanpassung kommt 4 8 .

47

s.o. Β.Ι.ό.α). Zur Notwendigkeit der Vertragsanpassung: BAG vom 17.2.81, AP Nr. 11 zu § 112 BetrVG; Hilger, Vertragsauslegung und Wegfall der Geschäftsgrundlage, S. 251. 48

7 Biedenkopf

D. Der Sozialplan I. Der Anwendungsbereich von § 112a Abs. 2 BetrVG Nach § 112a Abs. 2 BetrVG erfahren neugegründete Unternehmen1 insoweit eine Privilegierung, als in ihren Betrieben in den ersten vier Jahren nach der Unternehmensneugründung keine Sozialplanpflicht besteht. Diese Privilegierung ist auf echte wirtschaftliche Neugründungen beschränkt, bloße rechtliche Neugründungen im Zusammenhang mit einer Umstrukturierung werden nicht erfaßt. Die Vielzahl der im Zuge der Privatisierung der DDR-Wirtschaft vorgenommenen Neugründungen im Beitrittsgebiet machen eine detaillierte Untersuchung im Hinblick auf den Ausnahmetatbestand des § 112a Abs. 2 BetrVG erforderlich.

1. Die Umwandlung als Neugründung im Sinne von § 112a Abs. 2 BetrVG ?

a) Meinungsstand Vereinzelt wird die Ansicht vertreten, schon die Umwandlungen der sozialistischen Wirtschaftseinheiten der ehemaligen DDR in Kapitalgesellschaften nach der Umwandlungsverordnung oder nach § 11 TreuhG stellten eine unter die Privilegierung des § 112a Abs. 2 BetrVG fallende Neugründung dar 2 . Dies wird von der wohl überwiegenden Meinung mit der Begründung abgelehnt, bei diesen Umwandlungen handele es sich - wenn überhaupt - um Neugründungen im Zusammenhang mit rechtlichen Umstrukturierungen3.

1

Bei Kapitalgesellschaften ist die Gesellschaft identisch mit dem Unternehmen (Fitting/A uffarth/Kaiser/H either, § 1 Rn 72). Das ist bei den in Kapitalgesellschaften umgewandelten DDR-Wirtschaftseinheiten grundsätzlich der Fall; s.o. B.I.L 2 Adomeit, FAZ vom 17.12.90; Weimar/Alfes, BB 91, Beil. 9, S. 16(23); im Ansatz auch Horn, Das Zivil- und Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet, S. 431. 3 Schon eine Neugründeung lehnen ab: Oetker in Rechtshandbuch, SystDarst III Rn 302; Oetker/Busche, NZA, Beil 1/91, 18(25); Heinze, VIZ 92, 301(307); von einer nur rechtlichen Neugründung gehen aus: Belling/Müsgen, NZA, Beil. 1/91, 7(9), ohne Differenzierung: Fitting/Auffarth/ Kai ser/Heither, § 112, 112a Rn 18c; Hanau/Preis, Das Arbeitsrecht der neuen Bundesländer, S. 23; Oberhofer, Treuhandunternehmen im Umbruch, S. 128.

100

D. Der Sozialplan

Auch fur neugegründete Unternehmen bleibt die Sozialplanpflicht nach § 112a Abs. 2 S. 2 BetrVG bestehen, wenn es sich um Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen handelt. Unabhängig von der äußerst umstrittenen Frage, ob es sich bei den Umwandlungen nach der Umwandlungsverordnung und dem Treuhandgesetz um Neugründungen gehandelt hat 4 , käme eine Privilegierung schon dann nicht in Frage, wenn eine rechtliche Umstrukturierung vorgelegen hätte. Daher ist diese Frage vorrangig zu beantworten5.

b) Umwandlung als rechtliche Umstrukturierung

?

Rechtliche Umstrukturierung bedeutet die rechtliche Umgruppierung oder Umorganisation bereits vorhandener Unternehmensteile. Da die Gestaltungsformen, in denen dies geschehen kann, vielfältig sind, verwendet das Gesetz nur eine allgemeine Umschreibung 6 . Die Begründung des Regierungsentwurfs nennt in einer beispielhaften Aufzählung auch den Fall der Umwandlung auf ein neugegründetes Unternehmen 7 , doch können die hier in Frage stehenden Umwandlungsvorgänge unabhängig davon, ob es sich um formwechselnde oder übertragende handelte, nicht darunter subsumiert werden, da der Gesetzgeber den Sonderfall der Transformation einer sozialistischen Wirtschaft nicht voraussehen konnte 8 . Entscheidend für die Anwendung des § 112a Abs. 2 S. 2 BetrVG ist, ob es zu einer echten wirtschaftlichen Unternehmensneugründung oder nur zu einer rechtlichen kommt 9 . Die Einfuhrung des § 112a Abs. 2 BetrVG sollte der Förderung unternehmerischer Initative und damit der Schaffung neuer Beschäfti4 Zu dieser Frage ausführlich Oetker in Rechtshandbuch, SystDarst III Rn 12ff, m.w.N.; zu § 11 TreuhG: Busche in Rechtshandbuch, Β 200, § 11 TreuhG Rn 2ff., m.w.N.; Schmidt, Karsten, Gesellschaftsrecht, S. 24. 5 Dabei soll eine allzu formale gesellschaftsrechtliche Betrachtungsweise vermieden werden, da sich diese Vorgänge nur bedingt mit den gängigen Instrumentarien untersuchen lassen. Abzustellen ist auf Sinn und Zweck dieser "Ausnahme von der Ausnahme" in § 112a Abs. 2 BetrVG. Das ist hier insofern problemlos möglich, als der Gesetzgeber in § 112a Abs. 2 BetrVG bewußt offengelassen hat, was unter "Umstrukturierung" zu subsumieren ist Auch bei der Beantwortung der Frage, ob es sich bei den Umwandlungen um formwechselnde oder übertragende gehandelt hat (oben Fn 5), wird oft übersehen, daß eine Umwandlung von einer Planwirtschaft zur Marktwirtschaft nicht einfach mit der Umwandlung einer einzelnen Gesellschaft innerhalb einer Maktwirtschaft verglichen werden kann, bisher gültige Maßstäbe also nur bedingt angelegt werden können. * RegEntwurf BeschFG 1985, BT-Drucks. 10/2102, S. 28. 7 RegEntwurf BeschFG 1985, BT-Drucks. 10/2102, S. 28. 8 So auch Horn, Das Zivil- und Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet, S. 430. 9 Willemsen, Anmerkungen zu BAG vom 13.6.89, AP Nr. 3 zu § 112a BetrVG 1972.

I. Der Anwendungsbereich von § 112a Abs. 2 BetrVG

101

gungsmöglichkeiten dienen 10 . Eine Sozialplanprivilegierung entfällt deshalb nach § 112a Abs. 2 S. 2 BetrVG immer dann, wenn die Neugründung nicht mit einer Investitionstätigkeit des Unternehmers verbunden ist, die eine wirtschaftliche Neugründung im Sinne einer Aufbauleistung beinhaltet. Weder der Umwandlung durch die Umwandlungsverordnung noch derjenigen durch das Treuhandgesetz lag eine solche unternehmerische Aktivität zugrunde. In beiden Fällen handelte es sich um rein rechtliche Vorgänge, die der Verwirklichung der deutschen Rechtseinheit dienten. Notwendige Voraussetzung sowohl für die Schaffimg der Wirtschaftsunion als auch für die Verwirklichung des Privatisierungsauftrags der Treuhandanstalt war, die Grundlagen für die Anwendbarkeit des westdeutschen Wirtschaftsrechts zu schaffen. Dazu gehörte auch, den ehemals sozialistischen Wirtschaftseinheiten eine entsprechende Rechtsform zu geben. Selbst wenn es sich also bei der Umwandlung der volkseigenen Betriebe um eine Neugründung gehandelt haben sollte, geschah dies im Rahmen einer rechtlichen Umstrukturierung im Sinne von § 112a Abs. 2 S. 2 BetrVG, so daß das Sozialplanprivileg des Abs. 2 S. 1 grundsätzlich nicht greift.

c) § 112a Abs. 2 BetrVG analog ? Im Schrifttum wird auch der Versuch unternommen, auf die umgewandelten Kapitalgesellschaften § 112a Abs. 2 BetrVG entsprechend anzuwenden 1 1 . Für diese Unternehmen sei das Gründungsdatum im Sinne von § 112a Abs. 2 BetrVG der Tag der Deutschen Einigung als "Geburtsstunde der Privatwirschaft". Gestützt wird diese Ansicht mit dem Argument, nach § 112a Abs. 2 S. 3 BetrVG sei als Gründung die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Sinne des § 138 AO anzusehen, die umgewandelten Unternehmen seien aber erst ab dem 1. Juli 1990 steuerpflichtig und damit auch erst zu diesem Zeitpunkt gegründet gewesen 12 . Außerdem seien diese Unternehmen bisher nicht in der Lage gewesen, für mögliche Sozialpläne eine Risikovorsorge durch Bildung auflösbarer Rücklagen zu schaffen 13 .

10 RegEntwurf BeschFG 1985, BT-Drucks. 10/2102, S. 17, 28; Zweifel an einer solchen Wirkung der Regelung äußert Otto, ZfA 85,71(75). 11 Weimar/Alfes, BB 91, Beil. 9, S. 16(23). 12 Horn, Das Zivil- und Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet, S. 431. 13 Weimar/Alfes, BB 91, Beil. 9, S. 16(23); allgemein zu diesem Argument Hess/Schlochauer/ Glaubitz, § 112a Rn 11.

102

D. Der Sozialplan

Diese Argumente vermögen indes nicht zu überzeugen. § 112a Abs. 2 S. 3 BetrVG enthält lediglich eine genaue Zeitbestimmimg, um Streitigkeiten über den Zeitpunkt der Gründung auszuschließen14. Diese Konkretisierung kann nicht zur Bedingung für eine Neugründung gemacht werden. Das gilt insbesondere für den Fall, daß die Abgabenordnung überhaupt keine Anwendung findet, wie dies bis zum 3. Oktober 1990 im Beitrittsgebiet der Fall war. Für eine Sozialplanprivilegierung spricht auch nicht die Tatsache, daß die ostdeutschen Unternehmen mit der deutschen Einheit erstmalig dem rauhen Wind der Marktwirtschaft ausgesetzt wurden. Zweck des § 112a Abs. 2 BetrVG ist es nicht, bestehende Unternehmen in Extremsituationen von Lasten zu befreien, sondern ausschließlich, neue unternehmerische Initiative zu fördern15. Zu einer solchen ist es durch die Umwandlungen aber nicht gekommen. Auch soll nicht durch § 112a Abs. 2 BetrVG eine ungestörte Zeit zur Schaffung einer Risikovorsorge ermöglicht werden 16 . Ob Rücklagen für mögliche Sozialplanansprüche geschaffen werden, obliegt der freien Entscheidung eines jeden Unternehmers, unabhängig vom Alter des Unternehmens. Gegen eine Sozialplanprivilegierung der umgewandelten Unternehmen spricht auch ihre Treuhandzugehörigkeit. Der Übergang in die Marktwirtschaft war für die betroffenen Unternehmen zwar mit hohen wirtschaftlichen Risiken verbunden, doch sind diese nicht Ausfluß unternehmerischer Entscheidungen, sondern Folge des Vereinigungsprozesses. Bis zum Abschluß des Privatisierungsverfahrens trägt der Staat das unternehmerische Risiko. Die Treuhandanstalt wird auch nicht bloß wirtschaftlich tätig, sondern erfüllt ihren gesetzlichen Auftrag. Im Rahmen dieses Auftrags besteht für eine Privilegierung, die auf die Förderung unternehmerischer Initiative abstellt, keine Notwendigkeit. Ein anderes Ergebnis widerspräche auch dem Willen des Gesetzgebers. Das Vorhaben der Bundesregierung, Treuhandunternehmen eine entsprechende Begünstigung einzuräumen, konnten in den Verhandlungen über den Einigungsvertrag nicht durchgesetzt werden 17 . Auch die Überlegung, die Erzwingbarkeit von Sozialplänen im Fall der Spaltung von Unternehmen nach dem SpTrUG auszuschließen, wurde verworfen 18 . 14 15 16 17 18

S. 16.

Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 112, 112a Rn 18. s.o. D.LI.b). So aber Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 112a Rn 11 \Weimar/Alfes, BB 91, Beil. 9, S. 16(23). BellingMüsgen, NZA, Beil. 1/91, 7(9). Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum SpTrUG, BT-Drucks. 12/254,

I. Der Anwendungsbereich von § 112a Abs. 2 BetrVG

103

d) Ergebnis Die Umwandlungen nach der Umwandlungsverordnung und dem Treuhandgesetz führen nicht zu einer Privilegierung nach § 112a Abs. 2 BetrVG. Auch eine entsprechende Anwendung dieser Norm scheidet aus. Der in solchen Versuchen zum Ausdruck kommende rechtspolitische Wunsch, wegen der fehlenden Leistungsfähigkeit der Ost-Unternehmen den Einigungsprozeß von der Last der Sozialplanleistungen zu befreien, kann nicht auf einem solchen - dem Willen des Gesetzgebers entgegenstehenden - Weg erfüllt werden. Die Leistungsfähigkeit der ostdeutschen Unternehmen darf keinen Einfluß auf das Bestehen einer Sozialplanpflichtigkeit haben, sie ist erst bei der Frage nach der wirtschaftlichen Vertretbarkeit eines Sozialplans zu berücksichtigen.

2. Die Entflechtung als Neugründung im Sinne von § 112a Abs. 2 BetrVG ?

Das SpTrUG nennt als Möglichkeiten der Entflechtung die Aufspaltung und die Abspaltung. In beiden Fällen werden im Wege der partiellen Universalsukzession Unternehmensteile auf neu gegründete Unternehmen übertragen. Das gleiche rechtliche Instrumentarium bietet § 6b VermG für die Fälle der Unternehmensrestitution 19 . Alle hier beschriebenen Fälle waren und sind also mit Unternehmensneugründungen verbunden 20 . Für die auf diese neu gegründeten Unternehmen übertragenen Treuhandbetriebe besteht jedoch bei anschließend durchgeführten Betriebsänderungen trotzdem eine Sozialplanpflicht, da § 112a Abs. 2 S. 2 BetrVG Anwendung findet21. Die bewußt allgemein gehaltene Formulierung dieser Ausnahmevorschrift umfaßt unstreitig die Auflösung eines Unternehmens im Wege der Einzelrechtsnachfolge, die Aufteilung des Vermögens auf mehrere neu gegründete Unternehmen sowie die Abtrennung von Unternehmensteilen auf neu gegründete Unternehmen 22 . Wegen der weiten Fassung dieses Tatbestands fällt auch die Spaltung von Unternehmen, bei denen das Betriebsvermögen im Wege der partiellen Universalsukzession auf die neuen Gesellschaften übergeht, unter § 112a Abs. 2 S. 2 BetrVG 2 3 .

19 Wellhöfer in Rechtshandbuch, Β 100, § 6b VermG Rn 4, 30 ff. 20 a.A. Heinze, VIZ 92, 301(307). 21 Oetker/Busche,, NZA 91, Beil. 1/91, 18(26); Oetker in Rechtshandbuch, SystDarst III Rn 305; Oberhofer, Treuhandunternehmen im Umbruch, S. 128. 22 RegEntwurf BeschFG 1985, BT-Drucks. 10/2102, S. 28; Rumpff/Boewer, Mitbest., S. 361.

104

D. Der Sozialplan

Demnach findet das Sozialplanprivileg des § 112a Abs. 2 BetrVG keine Anwendung auf die Unternehmensneugründungen im Zuge der Entflechtung nach dem SpTrUG und dem Vermögensgesetz.

3. Privatisierung als Neugründung im Sinne von § 112a Abs. 2 BetrVG ?

Wie bei der Frage, ob der Betriebsübergang eine Betriebsänderung darstellt, ist auch hier zwischen dem Verkauf von Unternehmensanteilen und dem Verkauf von Betriebsvermögen zu unterscheiden. Der share-deal läßt die Identität des Unternehmens als Rechtsträger unberührt, dementsprechend bleibt es bei der Erzwingbarkeit des Sozialplans gemäß § 112 Abs. 4 BetrVG 2 4 . Schwieriger stellt sich die Rechtslage beim asset-deal dar. Hier ist zwischen zwei Fällen zu unterscheiden: Dem Erwerb und der Übertragung auf ein bereits bestehendes oder auf ein neu gegründetes Unternehmen.

a) Übertragung auf ein bestehendes Unternehmen Beteiligt sich der Käufer nicht als Gesellschafter, sondern erwirbt er das zu einem Betrieb gehörende Vermögen, so tritt er nach § 613a BGB in die durch den Betriebsübergang betroffenen Arbeitsverhältnisse kraft Gesetz als Arbeitgeber e i n 2 5 . Wird der erworbene Betrieb auf eine bestehende Gesellschaft übertragen, so entfällt im Falle einer Betriebsänderung die Anwendbarkeit des § 112a Abs. 2 BetrVG, da es hierfür ausschließlich auf das Alter des Unternehmens ankommt, und es sich bei diesem nicht um eine Neugründung handelt 26 . Nach Sinn und Zweck der Regelung des § 112a Abs. 2 BetrVG spricht jedoch die besondere Situation im Beitrittsgebiet für ihre Anwendung. M i t § 112a Abs. 2 BetrVG soll der Unternehmer, der sich zu einer Unternehmens-

23 Davon ging wohl auch der Gesetzgeber aus, als er den Vorschlag, befristet für einen Zeitraum von drei Jahren die Erzwingbarkeit von Sozialplänen im Fall der Spaltung nach dem SpTrUG auszuschließen, im Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages ablehnte (BT-Drucks. 12/254, S. 16). 24 Richardis NZA 91,289(290). 25 Wann im einzelnen ein Betriebserwerb i.S.v. § 613a BGB stattgefunden hat, kann hier nicht erörtert werden, siehe hierzu Rie hardi, NZA 91, 289 ff. m.w.N.; ebenso kann nicht auf die Ausnahme von § 613a BGB im Gesamtvollstreckungsverfahren eingegangen werden, hierzu Oetker in Rechtshandbuch, SystDarst III Rn 35 ff. 26 Im folgenden wird davon ausgegangen, daß das bestehende Unternehmen älter als vier Jahre ist.

I. Der Anwendungsbereich von § 112a Abs. 2 BetrVG

105

neugründung entschließt, insoweit privilegiert werden, als er für eine Übergangszeit bei durch Fehlplanungen bedingten Entlassungen von Sozialplankosten befreit wird. Durch diese Begünstigung soll neue unternehmerische Initiative angeregt werden, wodurch sich der Gesetzgeber die Schaffung neuer Arbeitsplätze verspricht 27 . Der Fall des Erwerbs von zu privatisierenden Betrieben ist unter diesem Aspekt mit einer Neugründung vergleichbar. Der Käufer ist zum Teil mit Problemen konfrontiert, die sich selbst bei einem völligen Neubeginn nicht stellen würden. Schon aus personellen Gründen war und ist es der Treuhandanstalt vor dem Verkauf nicht möglich, alle notwendigen Anpassungsmaßnahmen, die die Unternehmen wettbewerbsfähig machen, durchzuführen. Zwar hat schon die Treuhandanstalt den zu diesen Maßnahmen gehörenden Personalabbau eingeleitet 28 , doch werden in den meisten Fällen die Käufer weitere Arbeitsplätze abbauen. Aus diesem, aber auch aus anderen Gründen beinhaltet der Betriebskauf für den Unternehmer unter Umständen ein höheres Risiko als eine echte Neugründung 29 . Warum also sollte der Unternehmer, der einen ostdeutschen Betrieb übernimmt, nicht ebenso vom Sozialplanrisiko befreit werden, wie derjenige, der auf der grünen Wiese neu beginnt? Gerade dem schon bestehenden Unternehmen bieten sich neben dem Kauf eines Treuhandbetriebs auch andere Möglichkeiten, seine Aktivitäten auszudehnen. Zu denken ist hier an einen Kapazitätsausbau in den bestehenden Betrieben in den alten Bundesländern oder an Neugründungen im Beitrittsgebiet. Zu berücksichtigen ist auch, daß durch den Erhalt bestehender Betriebe oft mehr Arbeitsplätze gerettet werden können, als durch Neugründungen geschaffen würden, da in modernen Betrieben die Herstellungsprozesse in der Regel weniger arbeitskräfteintensiv sind. Dann ist es wenig einleuchtend, den Anreiz zum Kauf von zu privatisierenden Betrieben nicht durch das Sozialplanprivileg des § 112a Abs. 2 BetrVG zu erhöhen 30 .

27

RegEntwurf BeschFG 1985, BT-Drucks. 10/2102, S. 28. Am 1.1.93 arbeiteten in Treuhanduntemehmen noch 55 % der im Oktober 1991 dort Beschäftigten; Wahse, Beschäftigungsperspektiven, S. 9. 29 So kaufte die FAG Kugelfischer Georg Schäfer KGaA Ende 1990 von der Treuhandanstalt die Deutsche Kugellagerfabriken GmbH. 1991 machte diese bei einem Umsatz von 113 Mio DM einen Verlust von 142 Mio DM. Der mit der Sanierung der inzwischen in erhebliche Schwierigkeiten geratenen FAG beauftragte frühere Hoesch-Chef Kajo Neukirchen sprach von der Möglichkeit, "daß ein Konzern wegen eines ostdeutschen Engagements über die Wupper geht", (FAZ vom 30.1.93, S 30 Das hiergegen vorgebrachte Argument, bestehenden westdeutschen Unternehmen sei eine Risikovorsorge für die Anlaufphase im Gegensatz zu neugegründeten Unternehmen möglich (IWeimar/Alfes, BB 91, Beil. 9, 16(23)), mag zwar stimmen. Jedoch werden deshalb von diesen Unternehmen noch lange keine Treuhandbetriebe gekauft, was aber wünschenswert wäre. 28

106

D. Der Sozialplan

Der Lösungsweg dieses Problems ist jedoch weniger ein rechtlicher als ein betriebswirtschaftlicher. Der Unternehmenserwerber wird vor einem Kauf die voraussichtlichen Sozialplankosten abschätzen und in die Verkaufsverhandlungen mit der Treuhandanstalt einbringen. Als Ergebnis wird ein entsprechender Abzug vom Kaufpreis oder eine Kostenübernahmegarantie der Treuhandanstalt herauskommen, so daß der Käufer die Kosten für voraussehbare Entlassungen nicht trägt 3 1 . Übrig bleibt das Risiko der Fehleinschätzung des Arbeitskräftebedarfs. Dieses Risiko hat jeder Unternehmer zu tragen, so daß die Einbeziehung in das Privileg des § 112 a Abs. 2 BetrVG wirtschaftlich an Bedeutung verliert. Damit entfällt für eine entsprechende Anwendung des § 112a Abs. 2 BetrVG das entscheidende Argument.

b) Übertragung auf ein neugegründetes Unternehmen Umstritten ist die Frage, ob § 112 a Abs. 2 BetrVG Anwendung findet, wenn ein neu gegründetes Unternehmen einen Betrieb übernimmt, der älter als vier Jahre ist, und in diesem innerhalb des Vieijahreszeitraums Betriebsänderungen durchführt. Dieser Fall ist im Beitrittsgebiet immer dann gegeben, wenn ein westdeutsches Unternehmen den erworbenen Treuhandbetrieb nicht in das Mutterunternehmen eingliedert, sondern eine neue Trägergesellschaft gründet, in die dieser Betrieb eingebracht wird.

aa) Meinungsstand In Teilen der Lehre wird in diesen Fällen eine Privilegierung mit der Begründung abgelehnt, die Begünstigung dürfe nur dem Unternehmer zukommen, der auch neue Arbeitsplätze schaffe, was mit der Übernahme eines bereits bestehenden Betriebs jedoch nicht geschehe32. Bei einer solchen Übernahme könne der Unternehmer bestehende Chancen und Risiken beurteilen und brauche deshalb auch nicht vom Sozialplanrisiko befreit zu werden. Eine gegenteilige Auslegung stehe auch mit der Vorschrift des § 613a BGB in Widerspruch, nach der das neu gegründete Unternehmen mit der Übernahme eines älteren Betriebs in die Rechte und Pflichten der im Zeitpunkt der Über-

31 So wird in der Praxis auch verfahren, Horn, Das Zivil- und Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet, S. 431. 32 Fitting/A uffarth/Kaiser/H either, §§ 112,112a Rn 18b; Däubler, §§ 112,112a Rn 35; Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S. 361.

I. Der Anwendungsbereich von § 112a Abs. 2 BetrVG

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nähme bestehenden Arbeitsverhältnisse eintrete 33 . Dazu gehöre auch ein erst später zu erfüllender Sozialplananspruch 34 . Die Gegenmeinung in Literatur und Rechtsprechung begründet eine Anwendbarkeit des § 112 a Abs.2 BetrVG damit, daß Wortlaut und Gesetzesmaterialien klar für eine solche sprächen 35 . Ein Widerspruch zu § 613a BGB bestehe nicht, da ein Sozialplananspruch zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs überhaupt noch nicht bestehe.

bb) Wortlaut des § 112a Abs. 2 S. 1 BetrVG Auszugehen ist vom Wortlaut der Vorschrift: Wenn es in § 112a Abs. 2 BetrVG heißt "...in den ersten vier Jahren nach seiner Gründung", so bezieht sich dies ausschließlich auf das Unternehmen. Hier wird es sich auch nicht um ein redaktionelles Versehen gehandelt haben 36 , denn in der Einzelbegründung des Regierungsentwurfs zu § 112a Abs. 2 BetrVG heißt es: "Die Ausnahmeregelung knüpft an die Neugründung des Unternehmens, nicht des Betriebes an.,ßl. Eine solche Differenzierung ergibt nur dann einen Sinn, wenn das neugegründete Unternehmen auch einen Betrieb übernehmen kann, der bereits besteht.

cc) Gesetzeszweck Offenbar wollte der Gesetzgeber nicht nur die direkte Schaffung neuer Arbeitsplätze privilegieren, sondern schon die Unternehmensneugründung als solche. Wäre es ihm nur auf die direkte Schaffung neuer Arbeitsplätze angekommen, hätte er auch Betriebsneugründungen in bereits bestehenden Unternehmen in den Bereich des § 112a Abs. 2 BetrVG mit einbeziehen müssen 38 .

33

Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, §§ 112,112a Rn 18b. Däubler, §§ 112, 112a Rn 35, der andernfalls sogar einen Verstoß gegen die EG-Richtlinie vom 14.2.77 über die Wahrung erworbener Rechte beim Obergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (AB1EG v. 5.3.77, Nr. L 61/26) annimmt 35 BAG vom 13.6.89, AP Nr. 3 zu § 112a BetrVG 1972; Willemsen, Anmerkungen zu BAG, AP Nr. 3 zu § 112a BetrVG 1972; Heinze, NZA 87, 41(49), Fn 76; v. Hoyningen-Huene, NJW 85, 1802; Vogt, BB 85, 2328(2333). 36 Das vermutet hingegen Willemsen, Anmerkungen zu BAG vom 13.6.89, AP Nr. 3 zu § 112a BetrVG 1972. 37 BT-Drucks. 10/2102 S. 28. 38 BAG vom 13.6.89, AP Nr. 3 zu § 112 a BetrVG 1972, Bl. 100. 34

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D. Der Sozialplan

Eine weiteres Motiv könnte gewesen sein, daß oftmals gerade nur durch eine Betriebsübernahme bisher bestehende Arbeitsplätze erhalten werden können, die sonst verloren gingen 3 9 . Entgegen der eine Befreiung ablehnenden Ansicht geht der Unternehmer auch im Falle der Übernahme eines bereits bestehenden Betriebs ein Sozialplanrisiko ein. Der Betrieb und damit auch die Risiken sind für den Unternehmer neu. Oft wird es sich sogar bei dem Betrieb um einen notleidenden handeln, mit dessen Übernahme dann ein besonders hohes Risiko verbunden ist 4 0 .

dd) Widerspruch zu § 613a BGB ? Nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB tritt ein Betriebserwerber in die Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Damit wird der Schutz des einzelnen Arbeitnehmers bezweckt. Der Betriebsübergang soll für ihn keine Verschlechterung mit sich bringen. Aus diesem Grunde bleiben im Zeitpunkt des Übergangs bestehende Anwartschaften - zum Beispiel auf eine Altersversorgung - bestehen 41 . Fraglich ist, ob durch § 613a BGB auch die Aussicht auf Teilhabe an einem später aufzustellenden Sozialplan geschützt w i r d 4 2 . Hanau spricht in diesem Zusammenhang sogar von einer Anwartschaft 43 . Entfiele im Fall des Erwerbs eines bestehenden Betriebs durch ein neu gegründetes Unternehmen für die ersten vier Jahre die Erzwingbarkeit des Sozialplans, so würde sich durch den Betriebsübergang die Lage der Arbeitnehmer insoweit verschlechtern, als sie bei Verbleib im alten Unternehmen im Fall einer Betriebsänderunge einen Sozialplananspruch gehabt hätten. Andererseits handelt es sich bei der Erwartung, im Falle einer Betriebsänderung durch den erzwungenen Sozialplan einen Ausgleich oder eine Minderung der wirtschaftlichen Nachteile zu erhalten, lediglich um eine rechtlich nicht geschützte Aussicht 44 . Dafür spricht nicht nur die mangelnde Voraussehbarkeit einer diese Leistung auslösenden Betriebsänderung. Was würde aus der Anwartschaft, wenn der Arbeitnehmer mit Erreichen der Altersgrenze aus dem 39 Heinze, NZA 87, 41(49); das gilt in besonderem Maße für die Arbeit der Treuhandanstalt: Hier werden Betriebe vorangig verkauft, um Arbeitsplätze zu erhalten. 40 BAG vom 13.6.89, AP Nr. 3 zu § 112 a BetrVG 1972. 41 Soergel/Kraft, § 613a Rn 32. « So Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, §§ 112,112a Rn 18b; Däubler, §§ 112,112a Rn 35. 43 Hanau, Sozialverträgliche Gestaltung, S. 107. 44 BAG vom 13.6.89, AP Nr. 3 zu § 112 a BetrVG 1972.

I. Der Anwendungsbereich von § 112a Abs. 2 BetrVG

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Betrieb ausschiede? Auch der Charakter der Sozialplanleistung spricht gegen eine Subsumtion unter § 613a BGB. Der Anspruch auf Teilhabe an einem Sozialplan ist weder individualisiert noch konkretisiert. Schon der Ermessensspielraum der Einigungsstelle nach § 112 Abs. 5 BetrVG verbietet es, von einer Anwartschaft zu sprechen. So kann die Einigungsstelle - vorbehaltlich der Grenzen des Gleichbehandlungsgrundsatzes - unter Umständen bestimmte Arbeitnehmer von einem Sozialplan ganz ausklammern. Entscheidend aber ist, daß die Teilhabe an einem Sozialplan nicht nur vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses abhängt, sondern auch von einer bestimmten Betriebsgröße. Nur in Betrieben mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern besteht die Pflicht zur Aufstellung eines Sozialplans. Auch diese Regelung würde gegen den Rechtsgedanken des § 613a BGB verstoßen, wenn man den Sozialplananspruch als subjektives Recht im Sinne dieser Vorschrift einstufen würde. Geht die Zahl der Arbeitnehmer eines Betriebs durch Verkauf desselben oder aus anderen Gründen unter die Zahl von 21 zurück, so haben auch die verbleibenden Arbeitnehmer im Falle einer Betriebsänderung keinen Anspruch auf Aufstellung eines Sozialplans mehr 4 5 . Unstreitig ist, daß in diesem Fall keine Sozialplananwartschaft bestehen bleibt 4 6 . Demnach fallt die Aussicht auf Teilhabe an einem Sozialplan nicht unter § 613a BGB, so daß das oben gefundene Ergebnis nicht im Widerspruch zu dieser Regelung steht 47 .

ee) Neugründung im Konzern In den meisten Fällen wird eine Unternehmensneugründung zur Übernahme eines Treuhandbetriebs von einem westdeutschen Unternehmen durchgeführt werden. Es stellt sich daher die Frage, ob sich die Privilegierung des § 112a Abs. 2 BetrVG auch auf Neugründungen innerhalb eines Konzerns bezieht. Dagegen spricht die wirtschaftliche Verflechtung zwischen neugegründetem Unternehmen und Muttergesellschaft. Nach Ansicht Däublers macht es nach dem Zweck des § 112a Abs. 2 BetrVG keinen Unterschied, ob 45

So auch Willemsen, Anmerkungen zu BAG vom 13.6.89, AP Nr. 3 zu § 112 a BetrVG 1972. Hansen (NZA 85, 609(612)) bejaht das Vorliegen einer Anwartschaft für den Fall, daß die Betriebsänderung bereits ausgeführt wird und die Entstehung des individuellen Sozialplananspruchs nur noch von der Erfüllung eines befristeten negativen Tatbestands abhängt Dieser Ansicht ist zuzustimmen, sie ändert jedoch nichts an dem hier gefundenen Ergebnis. 47 Entgegen der Ansicht Däublers (Fn 34) entfällt damit auch ein möglicher Verstoß gegen die EG-Richtlinie vom 14.2.77 über die Wahrung erworbener Rechte beim Obergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (AB1EG vom 5.3.77, Nr. L 61/26). 46

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D. Der Sozialplan

ein bestehender Konzern einen neuen Betrieb oder ein neues Unternehmen gründet 48 . Da im ersten Fall ein Sozialplanprivileg nicht bestehe, müsse dieses auch für den zweiten entfallen. Damit setzt sich Däubler über den Wortlaut des § 112a Abs. 2 BetrVG hinweg. In Satz 1 wird ausschließlich auf die Neugründung eines Unternehmens, also eines neuen Rechtsträgers49, abgestellt. Die Gründung einer Tochtergesellschaft zur Übernahme eines fremden Betriebs ist auch keine Umstrukturierung im Sinne von § 112a Abs. 2 S. 2 BetrVG. Umstrukturieren kann man nach der grammatikalischen Bedeutung des Wortes nur bereits Bestehendes50. Die Übernahme eines fremden Betriebs auf eine neue Tochtergesellschaft erweitert hingegen das Mutterunternehmen. Dem widerspricht auch nicht der Zweck des § 112a Abs. 2 BetrVG. Auch mit einer Unternehmensneugründung im Konzern lassen sich positive Beschäftigungseffekte erreichen, die nicht weniger förderungswürdig erscheinen als die mit der konzernunabhängigen Unternehmensneugründung verbundenen 51 . Deshalb ist auch in bereits bestehenden Betrieben, die von durch Konzernunternehmen gegründeten Tochtergesellschaften übernommen werden, innerhalb der ersten vier Jahre nach der Gründung ein Sozialplan nicht erzwingbar 52 .

c) Ergebnis Übernimmt ein bestehendes Unternehmen einen Betrieb aus dem Treuhandvermögen, so kommt trotz der besonderen wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Beitrittsgebiet ein Sozialplanprivileg entsprechend § 112a Abs. 2 BetrVG

« Däubler, §§ 112, 112a Rn 37. 49 Zum Unternehmensbegriff des BetrVG s.o. B.Ï. 1. 50 So auch Willemsen, Anmerkungen zu BAG AP Nr. 3 zu § 112a BetrVG 1972 Bl. 104. 51 BAG vom 8.11.88, AP Nr. 3 zu § 112a BetrVG 1972; Willemsen, Anmerkungen zu BAG AP Nr. 3 zu § 112a BetrVG 1972 Bl. 104. 52 Dadurch erhöht sich auch nicht die Gefahr, daß Betriebe zum Zwecke der kostengünstigeren Stillegung oder Ausschlachtung zuvor auf neugegründete Unternehmen übertragen werden. Bei diesem sogenannten "asset stripping" wird entweder § 112a Abs. 2 S. 2 BetrVG ein Sozialplanprivileg ausschließen, oder man wird der Berufung auf dieses mit dem Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegen treten können (ebenso BAG a.a.O.) Gleiches muß gehen, wenn das übernehmende Unternehmen den Betrieb zwar fortführen will, schon vor der Übernahme aber feststand, daß ein Teil der Arbeitnehmer betriebsbedingt gekündigt werden muß. Auch hier wäre es widersinnig und rechtsmißbräuchlich, sich auf die Begünstigung des § 112a Abs. 2 BetrVG zu berufen. Allerdings ergeben sich hier noch größere Beweisschwierigkeiten als im Fall des asset-stripping

I. Der Anwendungsbereich von § 112a Abs. 2 BetrVG

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nicht in Betracht. Für die Frage, ob ein neugegründetes Unternehmen von der Erzwingbarkeit eines Sozialplans ausgenommen ist, kommt es ausschließlich auf das Alter des Unternehmens an. Unerheblich ist, ob das neue Unternehmen bereits längere Zeit bestehende Betriebe übernimmt. Eine Neugründung im Konzern schließt eine Privilegierung nach § 112a Abs. 2 BetrVG ebenfalls nicht aus.

4. Beschäftigungsgesellschaften als Neugründungen im Sinne von § 112a Abs. 2 BetrVG ?

Grundsätzlich müssen auch in Beschäftigungsbetrieben53 die den Arbeitnehmern durch eine Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile durch einen Sozialplan ausgeglichen oder gemindert werden 54 . Da es sich bei den im Beitrittsgebiet entstandenen Beschäftigungsgesellschaften ausschließlich um Neugründungen handelt, stellt sich die Frage, ob sie in den ersten vier Jahren ihres Bestehens unter das Sozialplanprivileg des § 112a Abs. 2 BetrVG fallen 5 5 . Die Beschäftigungsgesellschaften werden in der Regel als gemeinnützige GmbHs im Sinne des § 52 AO gegründet. Damit fallen sie unter den Unternehmensbegriff des Betriebsverfassungsgesetzes, so daß einer Anwendbarkeit des § 112a Abs. 2 BetrVG grundsätzlich nichts entgegensteht. Es könnte sich jedoch um Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen handeln, was nach § 112a Abs. 2 S. 2 BetrVG eine Privilegierung ausschließen würde. Zur Beantwortung dieser Frage muß nicht danach differenziert werden, ob die Beschäftigungsgesellschaft eine 100 % Toçhter des Ursprungsunternehmens ist, ob diese an der Beschäftigungsgesellschaft nur einen Teil hält oder aber gar nicht beteiligt ist 5 6 . Denn selbst das Unternehmen, das eine Beschäftigungsgesellschaft als 100 prozentige Tochtergesellschaft gründet, nimmt nicht lediglich eine Umstrukturierung vor. In wohl keinem Fall werden bestehende Betriebs-

53 Das gilt selbst dann, wenn es sich bei den Beschàftigungsgesellschaften um Tendenzbetriebe i.S.v. § 118 BetrVG handeln würde; dazu Kaiser, NZA 92, 193(200). 54 Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, § 118 Rn 46. 55 Für Beschäftigungsbetriebe (zur Unterscheidung siehe oben B.II.l.h)) eines bestehenden Unternehmens stellt sich diese Frage nicht, da es sich nicht um Untemehmensneugründungen handelt; Kaiser, NZA 92, 193(200). « a. A. Kaiser, NZA 92, 193(200).

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D. Der Sozialplan

teile, zum Beispiel Lehrwerkstätten, ausgegliedert werden. Vielmehr werden neue, auf die Ausbildung hin zu zukunftsorientierten Berufen ausgerichtete Betriebe geschaffen. Die Umstrukturierung schließt aber schon begrifflich die Entstehung etwas tatsächlich Neuen aus. Daraus ergibt sich auch als Antwort auf die oben gestellte Frage, daß in der Gründung einer Beschäftigungsgesellschaft nicht die "Ausnahme von der Ausnahme" nach § 112a Abs. 2 S. 2 BetrVG gesehen werden kann 5 7 . Eine Privilegierung der Beschäftigungsgesellschaften weckt aber insoweit Zweifel, als die Regelung von ihrem Sinn und Zweck her nicht auf diese Unternehmen paßt. Die Gründung einer Beschäftigungsgesellschaft ist nicht Ausfluß unternehmerischer Initative, sondern der Versuch, von der Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmern eine Qualifizierungmöglichkeit zu geben oder einfach ihr Arbeitslosigkeit hinauszuzögern. In der Regel wird es auch an einem unternehmerischen Risiko fehlen, denn die Kosten trägt zum großen Teil die Allgemeinheit 58 . Gerade deshalb ist es anderseits nicht sinnvoll, eine Beschäftigungsgesellschaft mit Sozialplankosten zu belasten. Der Hauptgrund für einen Sozialplan, der Arbeitsplatzverlust, liegt bereits mit dem Verlassen des Ursprungsbetriebs vor, es sei denn, der betreffende Arbeitnehmer hat eine Rückkehrgarantie. Die Sozialplanlast sollte aber von demjenigen getragen werden, der die Ursache für das Entstehen des Anspruchs setzt. Das ist hier das Ursprungsunternehmen. Nach dem Verlust des bisherigen Arbeitsplatzes stellt die Beschäftigungsgesellschaft für den betroffenen Arbeitnehmer nur ein Durchgangsstadium auf dem Weg zu einer neuen Stelle oder in die Arbeitslosigkeit dar. Trotzdem das Ende der Qualifizierung oder Beschäftigungsmaßnahme als Grund für einen Sozialplananspruch zu nehmen, erscheint verfehlt, zumal auch hier die Kosten größtenteils von der Allgemeinheit getragen würden. Deshalb ist es zweckmäßig und vertretbar, die Privilegierung des § 112a Abs. 2 BetrVG auch neu gegründeten Beschäftigungsgesellschaften zukommen zu lassen 59 . 57

a.A. für den Fall der 100 prozentigen Tochter: Kaiser, NZA 92, 193(200). Der Löwenanteil kommt dabei von der Bundesanstalt für Arbeit. In Form von Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 2 AFG oder Kurzabeitergeld nach § 63 Abs. 5 AFG-DDR finanziert sie die Löhne, nach §§ 50 ff. AFG werden Zuschüsse zum Aufbau der Einrichtunge gewährt Führt die Gesellschaft nach §§91 ff. AFG geförderte Maßnahmen durch, werden auch ABM-Mittel gezahlt 59 Ein für die Arbeitnehmer unbefriedigendes Ergebnis wird dann vermieden, wenn man wie hier im Wechsel in eine Beschäftigungsgesellschaft eine Betriebsänderung erblickt, in deren Rahmen auch ein Sozialplan aufzustellen sein wird (s.o. B.I.J.h)). 58

I. Der Anwendungsbereich von § 112a Abs. 2 BetrVG

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5. Die Reprivatisierung als Neugründung im Sinne von § 112a Abs. 2 BetrVG ?

Zu den Aufgaben der Treuhandanstalt gehört neben der Privatisierung auch die Mitwirkung 6 0 bei der Rückübertragung von Vermögenswerten auf vormalige Eigentümer 61 . Bezieht sich die Reprivatisierung auf ein Unternehmen oder einen Betrieb, so bedeutet dies für den Alteigentümer die Neuentfaltung eines unternehmerischen Engagements. Zu prüfen ist daher, ob in den Fällen der Unternehmensrestitution das Sozialplanprivileg des § 112a Abs. 2 BetrVG eingreift. a) Formen der Rückübertragung Die Rückübertragung kann auf unterschiedlichem Wege erfolgen. Nach § 6 Abs. 5a lit. a), c) VermG können Anteile oder Mitgliedschaftsrechte an dem zu restituierenden Unternehmen auf den Berechtigten, oder, falls es sich bei dem Berechtigten um eine juristische Person handelt, auf Mitglieder oder Gesellschafter des Berechtigten übertragen werden. Wie beim share-deal handelt es sich hier um eine Anteilsübertragung, die das Unternehmen als Rechtsträger unberührt läßt. In diesen Fällen fehlt es schon an einer Unternehmensgründung. Die Rückübertragung kann nach § 6 Abs. 5a lit b) VermG außerdem im Wege der Vermögensübertragimg auf den Berechtigten durch Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge vorgenommen werden 62 . Berechtigter kann dabei sowohl eine natürliche Person als auch eine Kapital- oder Handelsgesellschaft sein. Letzteres ist auch dadurch möglich, daß § 6 Abs. la VermG die Firma, die vor dem schädigenden Ereignis im Register eingetragen war, als in Auflösung befindlich fortbestehen läßt 6 3 . Wegen der Übertragung auf den Berechtigten kommt es auch hier nicht zu einer Neugründung. Nicht anders zu beurteilen sind die außerdem im Vermögensgesetz vorgesehenen Restitutionsformen der einvernehmlichen Regelung in § 30 Abs. 1 60 Die Rückübertragung erfolgt durch die Vermögensämter. Am Reprivatisierungsverfahren ist die Treuhandanstalt jedoch maßgeblich beteiligt; dazu: Liebs/Preu, DB 91,145(150). 61 Erfaßt sind davon nicht nur Enteignungen, sondern alle in § 1 VermG genannten Vorgänge. Deshalb wird im weiteren nicht von enteigneten, sondern von geschädigten Eigentümern gesprochen. 62 In einem solchen Fall gehen die Arbeitsverhältnisse auf den Alteigentümer nicht nach § 613a BGB, sondern nach § 16 Abs. 2 VermG über, hierzu ausführlich Oetker in Rechtshandbuch, SystDarst III Rn 72 ff.; Heinze, VIZ 92, 301(305); Weimar/Alfes, BB 91 Beil.9, 16(19); a.A. Commandeur, NZA 91, 705(709). 63 Für Einzelheiten siehe: Wellhöfer in Rechtshandbuch Β 100, § 6 VermG Rn 183 ff. Biedenkopf

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D. Der Sozialplan

S. 2 VermG 6 4 , die Aufhebung der staatlichen Verwaltung entsprechend § 11 VermG 6 5 oder die vorläufige Einweisung nach § 6a VermG 6 6 .

b) Zwischenergebnis Die mit den einzelnen im Vermögensgesetz vorgesehen Wegen der Reprivatisierung verbundenen gesellschaftsrechtlichen Vorgänge fuhren in keinem Fall zu einer Unternehmensneugründung, so daß grundsätzlich eine Anwendung des Sozialplanprivilegs nach § 112a Abs. 2 BetrVG ausscheidet.

c) Kritik Für den Alteigentümer bedeutet dieses Ergebnis, daß er im Fall von Betriebsänderungen, die er im Zuge der Unternehmenssanierung durchfuhrt, Sozialplanleistungen zu zahlen hat. Das ist insofern unbefriedigend, als der Alteigentümer in der Regel nicht die Ursachen für die Notwendigkeit solcher Sanierungsmaßnahmen gesetzt haben wird; durch die Entziehung des Unternehmens war er in den Jahren vor der Wiedervereinigung von der Leitung desselben ausgeschlossen. Der Restitutionsberechtigte erhält nur bedingt das zurück, was ihm genommen worden ist. Zwar sieht das Vermögensgesetz in § 6 Abs. 1 fur den Fall der Verschlechterung des Unternehmens einen Ausgleich durch die Treuhandanstalt vor, doch wird als Maßstab ausschließlich die Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens zum Zeitpunkt der Rückgabe herangezogen67. Damit erhält der Alteigentümer für den Fall, daß sein Unternehmen in der Planwirtschaft "abgewirtschaftet" wurde, eine Ausgleichsleistung, doch dient diese in erster Linie dazu, das Überleben des Betriebs zu sichern 68 . Nicht abgedeckt werden Sanierungskosten wie zum Beispiel Sozialplanleistungen, zumal diese zum Zeitpunkt der Rückgabe nur bedingt feststellbar sein werden 69 .

64 Die einvernehmliche Regelung kann nur als share- oder asset-deal erfolgen, Oetker in Rechtshandbuch, SystDarst III Rn 68. 65 Hierzu Oetker in Rechtshandbuch, SystDarst III Rn 82 ff. 66 Zu den Rechtsfolgen der vorläufigen Einweisung Wellhöfer in Rechtshandbuch, Β 100, § 6a VermG Rn 50 ff. 67 Einzelheiten zu diesem Verfahren bei Wellhöfer in Rechtshandbuch Β 100, § 6 VermG Rn 73 ff. 68 So werden hinsichtlich der Verschlechterng der Vermögenslage nur Überschuldung oder Unterdeckung ausgeglichen; Wellhöfer in Rechtshandbuch, Β 100, § 6 VermG Rn 79.

I. Der Anwendungsbereich von § 112a Abs. 2 BetrVG

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Der Alteigentümer trägt also Lasten, obwohl er die Ursachen für diese nicht gesetzt hatte. Die darin enthaltene Ungerechtigkeit wird dadurch verstärkt, daß im Fall der Privatisierung durch Verkauf die Treuhandanstalt gegenüber dem Käufer einen Großteil der Sanierungskosten übernimmt 70 . Diese auf Angebot und Nachfrage basierende "wirtschaftliche" Lösimg funktioniert im Fall der Reprivatisierung nicht. Die Treuhandanstalt wird keine Veranlassung sehen, fur den Alteigentümer Sozialplankosten zu tragen oder vor einer Restitution selbst teure Sanierungsmaßnahmen durchzuführen. Es stellt sich daher die Frage, ob zur Vermeidung dieser Ungerechtigkeit eine rechtliche Lösung im Wege der Analogie gefunden werden kann.

d) Analoge Anwendung des § 112a Abs. 2 BetrVG Die Normen über den erzwingbaren Sozialplan enthalten keine Regelung hinsichtlich der Restitution von Unternehmen. Andererseits kann dieser Fall der Reprivatisierung ehemals volkseigener Betriebe nicht einfach unter die allgemeine Regel der Erzwingbarkeit subsumiert werden, weil ihn der Gesetzgeber beim Erlaß des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1985 nicht voraussehen und berücksichtigen konnte. Die §§ 111-113 ff. BetrVG sind insoweit lückenhaft. Zu prüfen ist, ob diese Lücke durch eine analoge Anwendung des § 112a Abs. 2 S. 1 BetrVG geschlossen werden kann. Wie bereits oben dargestellt wurde, soll durch die vier Jahre währende Befreiung neu gegründeter Unternehmen von der Sozialplanpflicht neue unternehmerische Initiative geweckt werden, von der positive Beschäftigungseffekte ausgehen sollen. Voraussetzung für eine analoge Anwendung wäre, daß unter Zugrundelegung dieses Gesetzeszwecks die Situation des Alteigentümers mit der des Neugründers soweit vergleichbar ist, daß aus Gründen der Gerechtigkeit auch jenem das Sozialplanprivileg zusteht. Nach der Regelung des Vermögensgesetzes muß ein berechtigter Alteigentümer innerhalb einer bestimmten Frist zwischen Restitution oder Entschädigung wählen. Der Berechtigte, der eine Rückübertragung vorzieht, entscheidet

69 Unbestritten gehen mit der Rückgabe des Unternehmens auch die Arbeitnehmer auf den Berechtigten mit über, umstritten, für das vorliegende Problem jedoch irrelevant, ist lediglich der Grund für diesen Übergang, zum Streitstand siehe Oetker in Rechtshandbuch, SystDarst III Rn 63 ff. 70 Sozialplankosten werden entweder durch Abzüge vom Kaufpreis ausgeglichen, oder dadurch, daß die Treuhandanstalt den Personalabbau selbst vor einem Verkauf durchführt

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D. Der Sozialplan

sich für die Wiederaufnahme seiner unternehmerischen Betätigung. In der Regel wird eine solche Entscheidung fur den Betroffenen mit einem Neuanfang verbunden sein. Das unternehmerische Risiko wird dabei nicht geringer sein, als bei einer Neugründung. Diese Initative des Alteigentümers ist besonders forderungswürdig. Durch sie erhält ein Treuhandbetrieb eine neue Perspektive. Im Zweifel ist sogar das Erhaltungsinteresse des Alteigentümers größer als das eines Käufers, zum Beispiel bedingt durch Tradition oder persönliche Bindungen. Von einer Reprivatisierung werden langfristig auch positive Beschäftigungseffekte ausgehen, die sofortige Schaffung neuer Arbeitsplätze ist auch bei echten Neugründungen für eine Privilegierung nicht erforderlich 7 1 . Die Reprivatisierung eines Unternehmens ist mit der Unternehmensneugründung so weit vergleichbar, daß eine Gleichbehandlung geboten erscheint. Im Gegensatz zum Neugründer erhält der Alteigentümer aber ein bestehendes Unternehmen mit entsprechender Substanz zurück, was gegen die Notwendigkeit einer Privilegierung sprechen könnte. Dieses Unternehmen wird jedoch in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht wettbewerbsfähig, also sanierungsbedürftig sein. Die mit der Rückübertragung verbundenen Lasten und Risiken können höher sein als die im Fall einer Neugründung übernommenen. Auch das auf Erwerberseite beliebte "Rosinenpicken" ist dem Alteigentümer nicht möglich. Die Tatsache, daß der Alteigentümer ein bestehendes Unternehmen zurückerhält, spricht deshalb nicht gegen die Gleichbehandlung mit dem Neugründer. Hinzu kommt, daß auch das Vermögensgesetz selbst dem Alteigentümer eine Möglichkeit eröffnet, in den Anwendungsbereich des § 112a Abs. 2 BetrVG zu gelangen: Nach § 6 Abs. 5a lit b) VermG kann der Berechtigte auch die Rückübertragung eines einzelnen Betriebs verlangen. Bringt er diesen in ein neu gegründetes Unternehmen ein, so braucht er innerhalb der ersten vier Jahre keine Sozialpläne aufzustellen 72 . Trotz des Bestehens dieser Möglichkeit den Alteigentümer, der sich für die Rückübertragung des ganzen Unternehmens entscheidet, vom Sozialplanprivileg auszuschließen, wäre unbefriedigend.

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Privilegiert ist auch die Übernahme eines bereits bestehenden Betriebs durch das neugegründete Unternehmen; s.o. D.I.S.a). 72 Hier wird man nicht von einem der oben (Fn 52) beschriebenen Mißbrauchsfälle ausgehen können.

II. Der persönliche Geltungsbereich des Sozialplans

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e) Ergebnis Es erscheint daher zulässig und geboten, reprivatisierte Unternehmen in den ersten vier Jahren nach der Rückgabe unter entsprechender Anwendung des § 112a Abs. 2 BetrVG von der Sozialplanpflicht des § 112 Abs. 4 BetrVG zu befreien.

I I . Der persönliche Geltungsbereich des Sozialplans 1. Arbeitnehmer

Der persönliche Geltungsbereich eines Sozialplans erstreckt sich auf alle Arbeitnehmer, die durch den Betriebsrat repräsentiert werden, also unter § 5 Abs. 1 BetrVG fallen 7 3 . In diesen Kreis gehören nicht die Arbeitnehmer, die bereits vor Aufstellung des Sozialplans aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, auf diese erstreckt sich grundsätzlich nicht mehr die rechtliche Kompetenz des Betriebsrats oder der Einigungsstelle. Trotzdem fallen bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer unter den Geltungsbereich eines Sozialplans, wenn ihr Ausscheiden in Zusammenhang mit der Betriebsänderung steht 74 . Sie auszuklammern wäre ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Außerdem würden die von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer gezwungen, auf den Abschluß des Sozialplans zu warten, obwohl sie aufgrund eigener Initative unter Umständen bereits eine neue Arbeitsstelle finden könnten 7 5 . Gerade im Beitrittsgebiet werden sich Arbeitnehmer angesichts einer bevorstehenden Betriebsänderung gedrängt fühlen, von sich aus ein Unternehmen zu verlassen und von Vorruhestandsregelungen Gebrauch zu machen oder einen Arbeitsplatz in den alten Bundesländern zu suchen 76 . Eine solche Entscheidung darf nicht durch Sozialplanansprüche beeinflußt werden.

73 Dietz/Richardi, § 112 Rn 70; GK-Fabricius, §§ 112, 112a Rn 41; Fuchs, a.a.O., S. 26; zum Kreis dieser Arbeitnehmer ausführlich Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S. 257. 74 BAG AP vom 15.1.91, Nr. 57 zu § 102 BetrVG 1972; BAG vom 28.10.92, NZA 93, 62; Dietz/Richardi, § 112 Rn 70; GK-Fabricius, §§ 112, 112a Rn 41; Galperin/Löwisch, § 112 Rn 33; Ohl, Der Sozialplan, S. 74; Fuchs, Der Sozialplan, S. 26; Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S. 374. 75 Davon hat sich die Treuhandanstalt nicht beeindrucken lassen, mit ihrer Richtlinie zu Sozialplänen schließt sie bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer von ihren Zweckzuwendungen aus; Richtlinie zu Sozialplänen, 2. Auflage Juli 92, Nr. III 8.), s.u. D.V.5.c). 76 Bis Ende 1991 haben etwa 15 % der aus Treuhandunternehmen geschiedenen Arbeitnehmer Altersruhe oder -Übergangsgeld in Anspruch genommen; Wahse, Beschäftigungsperspektiven, S. 5.

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D. Der Sozialplan

2. Leitende Angestellte

Auf leitende Angestellte erstreckt sich der Geltungsbereich eines Sozialplans nicht 7 7 . Das ergibt sich schon aus dem Betriebsverfassungsgesetz, wo es in § 5 Abs. 3 heißt, daß das Gesetz auf leitende Angestellte 78 nur dann Anwendung findet, wenn dies ausdrücklich bestimmt ist. Eine solche Bestimmung fehlt aber für den Bereich des Sozialplans. Diese Herausnahme der leitenden Angestellten aus dem Geltungsbereich des Sozialplans wird mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Art. 3 GG für vereinbar gehalten 79 . Dementsprechend besteht für den Arbeitgeber auch keine Verpflichtung, aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes leitende Angestellte in einen Sozialplan mit einzubeziehen 80 . Eine solche Verpflichtung kann nur hinsichtlich freiwillig gewährter Leistungen entstehen, sonst würde sie auf eine unzulässige Korrektur des Gesetzgebers hinauslaufen 81 . Diese Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern und leitenden Angestellten ist für das Beitrittsgebiet insofern problematisch, als es eine entsprechende Unterscheidung dort bis zur Einführung des Betriebsverfassungsgesetzes am 1. Juli 1990 nicht gab. Zwar kannte auch das Arbeitsrecht der DDR Differenzierungen, doch lassen sich diese wegen der Andersartigkeit der Leitungsstrukturen nicht übernehmen 82 . Hinzu kommt, daß sich mit dem Zusammenbruch der SED-Herrschaft in vielen Betrieben ein schwer einzuordnender Personalwechsel vollzog. Belastete Führungskräfte wurden von ihren Plätzen verdrängt oder gingen von sich aus, während zum Teil einfache Arbeitnehmer Leitungsfunktionen übernahmen.

77 Galperin/Löwisch, § 112 Rn 72; Ohl, Der Sozialplan, S. 73; Fuchs, Der Sozialplan, S. 26; Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S. 372. 78 Zum Begriff des leitenden Angestellten ausführlich: Richardi/Wlotzke, Handbuch zum Arbeitsrecht, S. 363 ff. 79 BAG vom 16.7.85, AP 32 zu § 112 BetrVG 1972; Löwisch, Sozialplanleistungen und Gleichbehandlungsgebot, S. 307. 80 BAG vom 16.7.85, AP 32 zu § 112 BetrVG 1972; Fitting/AuffartWKaiser/Heither, §§ 112, 112a Rn 26. 81 BAG vom 16.7.85, AP 32 zu § 112 BetrVG 1972; GK-Fabricius, §§ 112, 112a Rn 65; Ohl, Der Sozialplan, S. 73; Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S. 373; Löwisch, Sozialplanleistungen und Gleichbehandlungsgebot, S. 303; Däubler, §§ 112, 112a Rn46; Dietz/Richardi, § 112 Rn 70, hier wird sogar die Zulässigkeit einerfreiwilligen Vereinbarung zugunsten Dritter abgelehnt, da dem Betriebsrat in einem solchen Fall als Vertreter ohne Vertretungsmacht handele. 82 Das Arbeitsrecht der DDR kennt neben dem Betriebsleiter noch die leitenden Mitarbeiter, deren Aufgaben aber vor allen Dingen politscher Natur gewesen zu sein scheinen; hierzu Autorenkollektiv, Die Anforderungen an den Betriebsdirektor und an die leitenden Mitarbeiter bei der Leitung von Kollektiven, Arbeitsrecht der DDR, S. 97; Autorenkollektiv, Arbeitsrecht von A-Z, S. 220.

III. Das Sozialplanvolumen

119

Bei dem in solche Veränderungen werwickelten Personenkreis stellt sich die Frage, auf welchen Zeitpunkt es ankommt, wenn ein Sozialplan aufgestellt wurde und zu prüfen iwar, wer in den Geltungsbereich desselben fiel. Grundsätzlich kommt es auf den Status zum Zeitpunkt der Sozialplanaufstellung an. Doch fiele damit der Arbeitnehmer, der in unruhigen Zeiten Verantwortung übernommen hat, zuvor aber langjährig als Arbeiter im Betrieb tätig war, aus dem Geltungsbereich des Sozialplans heraus. Noch weniger befriedigend erscheint der Fall, daß eine Führungskraft, die wegen ihrer belasteten Vergangenheit zum einfachen Mitarbeiter herabgestuft wurde, nun in den Genuß von Sozialplanleistungen käme. Einen überzeugenden Lösungsvorschlag fur solche Grenzfalle bietet Hanau83, der anregt, entsprechend der Rechtsprechung zu § 17 BetrAVG nicht auf den Status des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Betriebsänderung, sondern auf den gesamten Verlauf seiner Tätigkeit im Betrieb abzustellen 84 . Wenn man die Parteien des Sozialplans zu einem solchen Vorgehen auch nicht zwingen kann, sollte in den wenigen Grenzfällen dieser Weg beschritten werden 85 . Allerdings wird man so nur ehemalige Arbeiter, die jetzt leitende Angestellte sind, einbeziehen können, nicht aber umgekehrt frühere Führungskräfte, die "degradiert" wurden, ausschließen dürfen. Hier kann eine gerechte Lösung nur im Bereich der Berechnungsgrößen fur das individuelle Sozialplanvolumen gefunden werden. Allerdings wird die Einigungsstelle, die hier an das anderslautende Gesetz gebunden ist, in keinem Fall leitenden Angestellten in einen Sozialplan einbeziehen dürfen. Ein solches Vorgehen ist nur durch freiwillige Vereinbarungen zwischen Unternehmer und Betriebsrat möglich.

I I I . Das Sozialplanvolumen Mit zu den umstrittensten Fragen des Arbeitsrechts in den neuen Bundesländern gehört die nach einem vertretbaren Sozialplanvolumen in Treuhandbetrieben. Der Konflikt beruht dabei in erster Linie auf der Kollision zwischen

83

Hanau, Sozialverträgliche Gestaltung, S. 110. Hierzu BAG vom 1.6.81, AP Nr. 7 zu § 17 BetrAVG m.w.N. 85 Den vom BAG (BAG vom 16.7.85, AP 32 zu § 112 BetrVG 1972) erwähnten Interessenkonflikt, in den leitende Angestellte kommen würden, wenn sie auf Arbeitgeberseite über einen Sozialplan verhandeln müßten, in dessen Genuß sie selber kommen sollen, wird man in diesen wenigen Fällen hinnehmen können. 84

120

D. Der Sozialplan

grundsätzlichem Anspruch der Arbeitnehmer und der fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Unternehmen, solche Ansprüche zu erfüllen 86 . Doch auch für die alten Bundesländern war und ist die Frage nach dem Sozialplanvolumen wegen der undeutlichen gesetzlichen Regelung des § 112 BetrVG umstritten. Im folgenden wird versucht, im Lichte des Sozialplanzwecks die einzigen im Gesetz für eine Ermittlung des Sozialplanvolumens genannten Kriterien "wirtschaftliche Nachteile" - was dem Abfindungsbedarf entspricht - und "wirtschaftliche Vertretbarkeit" herauszuarbeiten und zu konkretisieren. Daran anschließend wird die Frage der "wirtschaftlichen Vertretbarkeit" speziell für Treuhandunternehmen untersucht.

1. Die Stellung des Sozialplans in der Systematik der §§ 111-113 BetrVG

Nach der Legaldefinition des § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG ist der Sozialplan "eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der Betriebsänderung entstehen" 87 . Der Sozialplan erfaßt dabei die sozialen Auswirkungen solcher unternehmerisch-wirtschaftlicher Entscheidungen, die zuvor Gegenstand des Interessenausgleichs waren oder zumindest gewesen sein sollten 88 . Der Interessenausgleich ist somit Basis für den Sozialplan 89 . Arbeitnehmer und Unternehmer haben es durch ihn in der Hand, die wirtschaftlichen Nachteile abzufangen und auf diese Weise das Sozialplanvolumen zu beeinflussen90. Bei der Aufstellung eines Sozialplans läßt das Betriebsverfassungsgesetz den Betriebspartnern Handlungsfreiheit. Können sich die Parteien trotz oder gerade wegen dieser Handlungsfreiheit nicht einigen, kann die Einigungsstelle angerufen werden, welche dann verbindlich über einen Sozialplan entscheidet. Diese Möglichkeit besteht auch dann, wenn zuvor ein Interessenausgleich nicht zustandegekommen ist. In diesem Fall ist für die Einigungstelle die "geplante Betriebsänderung" allein Basis für den Sozialplan.

86 Insofern ähnelt die Situation deijenigen beim Sozialplan im Konkurs, deren Behandlung nach wie vor äußerst umstritten ist, dazu s.u. D.III.3.C). 87 Zum möglichen Inhalt von Sozialplänen Beispiele bei GK-Fabricius, §§ 112, 112a Rn 48 ff. 88 Amtliche Begründung zum Entwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. VI/1786, S. 33, 55. 89 Heinze, NZA 87, 41(42). 90 Trotzdem sind in fast allen Sozialplänen betriebsbedingte Kündigungen vorgesehen, vgl. Hemmer, Sozialplanpraxis, S. 72, Tab. 27.

III. Das Sozialplanvolumen

121

Auch die Einigungsstelle hat bei der Ausgestaltung des Sozialplans große Freiheit. § 112 Abs. 5 BetrVG verlangt lediglich eine Abwägung zwischen den sozialen Belangen der betroffenen Arbeitnehmer und der wirtschaftlichen Vertretbarkeit für das Unternehmen. Damit schreibt das Gesetz eine Selbstverständlichkeit fest, die auch bei einem freiwillig zustandegekommenen Sozialplan berücksichtigt werden wird, denn kein Unternehmer wird sich normalerweise auf einen Sozialplan einlassen, der fur das Unternehmen wirtschaftlich nicht vertretbar ist 9 1 . In beiden Fällen geht es um den Ausgleich zwischen dem Interesse der Arbeitnehmer, für die mit der Betriebsänderung für sie verbundenen nachteiligen Folgen einen Ausgleich zu erhalten, und dem Interesse des Unternehmers, in einer wirtschaftlich angespannten Situation duch den Sozialplan möglichst wenig Liquidität entzogen zu bekommen. Verhandeln Unternehmer und Betriebsrat unmittelbar miteinander, ergibt sich die Pflicht zu einer Abwägung bereits aus § 2 Abs. 1 BetrVG, der von den Parteien eine Zusammenarbeit zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs verlangt 92 . Da in der Einigungsstelle die subjektiven Interessen der Parteien nicht immer so durchgesetzt werden wie in direkten Verhandlungen zwischen diesen, formuliert § 112 Abs. 5 BetrVG differenziertere Abwägungskriterien. Letztlich holt die Einigungsstelle so nach, was die Betriebspartner zuvor nicht erreicht haben, ihr Spruch ersetzt die fehlende Einigung 9 3 .

2. Abfindungsbedarf

Ausgangspunkt für die Ermittlung des Sozialplanvolumens sind die wirtschaftlichen Nachteile 94 , die den durch die Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmern entstehen, denn diese sollen durch den Sozialplan ausgeglichen oder zumindest gemildert werden. Erst wenn dieser Abfindungsbedarf feststeht, kann er in Relation zu der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens gestellt, also hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Vertretbarkeit überprüft werden. Ausgangspunkt für die Ermittlung des Sozialplanvolumens ist demnach der Abfindungsbedarf.

91 v. Hoyningen-Huene, RdA 86, 102(103); Fuchs, Der Sozialplan, S. 109; Beuthin, ZfA 88, 1(15) sieht in der "wirtschaftlichen Vertretbarkeit" sogar eine sachlichrechtliche Begrenzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats. 92 GK-Fabricius, §§ 112, 112a Rn 76. 93 v. Hoyningen-Huene, RdA 86, 102(103). 94 Im folgenden wird von den mit einem Arbeitsplatzverlust verbundenen Nachteilen ausgegangen.

122

D. Der Sozialplan

Auf den ersten Blick scheint dieser Abfindungsbedarf leicht zu ermitteln zu sein, bildet er nach der Legaldefinition des § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG doch einfach die Summe der wirtschaftlichen Nachteile fur die betroffenen Arbeitnehmer. Doch gehören die Fragen, was unter den Begriff des wirtschaftlichen Nachteils im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG fällt und welche dieser wirtschaftlichen Nachteile von einem Sozialplan erfaßt werden sollen, zu den am heftigsten diskutierten des Sozialplanrechts überhaupt. Um sie beantworten zu können, muß zunächst ermittelt werden, aus welchem Grund und mit welchem Ziel Sozialplanleistungen gewährt werden.

a) Sozialplanzweck Hinsichtlich des Sozialplanzwecks existiert trotz der klaren Formulierung "Ausgleich oder Milderung wirtschaftlicher Nachteile" in § 112 Abs. 1 BetrVG eine Vielfalt von Meinungen. Dies liegt vor allen Dingen an dem Widerspruch, in dem die Sozialplanregelung mit dem übrigen System des Arbeitsrechts steht. Entsprechend dem Grundgedanken, daß das Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis durch Kündigung beendet werden kann, erhalten Arbeitnehmer, die von einer Kündigung betroffen sind, gemäß §§9, 10 KSchG nur bei ungerechtfertigten Kündigungen eine Geldzahlung. Dagegen erhalten die von einer Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG betroffenen Arbeitnehmer eine Geldleistung, obwohl ihre Entlassungen auf gerechtfertigten Kündigungen beruhen. Der aus dieser Ungleichbehandlung resultierende Widerspruch macht die Festlegung des Sozialplanzwecks so schwierig.

aa) Diskussionsstand Unstreitig sind Sozialplanleistungen zukunftsorientiert. Sie sollen die Kosten, die für den Arbeitnehmer mit dem Arbeitsplatzverlust verbunden sind, ausgleichen oder mildern. Dadurch soll der Sozialplan eine Überleitungs- und Vorsorgefunktion erfüllen 95 . Begründet wird dieser Sozialplanzweck unterschiedlich. So soll er nach einer Ansicht auf dem Gedanken der betrieblichen Risikoteilung beruhen 96 . Die betroffenen Arbeitnehmer erhalten die Sozial-

95 BAG vom 13.12.78 AP Nr. 6 zu § 112 BetrVG 1972; GK-Fabricius, § 111 Rn 28; Dietz/Richardi, § 112 Rn 27 ff.; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, §§ 112, 112a Rn 19; Galper Löwisch, § 112 Rn 3; Beuthin, ZfA 82, 181(202); Hanau,, ZfA 74, 89(102). 96 Beuthin, RdA 76, 147(154).

III. Das Sozialplanvolumen

123

planleistung, weil sie zum Erhalt der verbleibenden Arbeitsplätze ihren Arbeitsplatz opfern. Andere sehen die Begründung in einer kollektivrechtlichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers 97 . Ein Teil der Lehre hält die Überleitungs- und Vorsorgefunktion fur den ausschließlichen Sozialplanzweck 98 . Die wohl noch herrschende Meinung mißt dem Sozialplan neben der Überleitungs- und Vorsorgefunktion auch eine Entschädigungsfunktion zu. Der Arbeitnehmer erleide durch den Arbeitsplatzverlust einen Rechtsverlust, für den er zu entschädigen sei 9 9 . Logischerweise sehen die Vertreter dieser Ansicht schon in dem Arbeitsplatzverlust als solchem einen wirtschaftlichen Nachteil 1 0 0 . Auch für die Entschädigungsfunktion von Sozialplänen existieren unterschiedliche Begründungen. Nach der Ansicht Richardis soll der Arbeitnehmer einen Ausgleich für seine Arbeitsleistung erhalten, mit der er einen Beitrag zum Erfolg des Unternehmens geleistet hat, ohne daß dieser mit dem Arbeitsentgeld abgegolten worden wäre 1 0 1 . Dem gegenüber sieht Dorndorf den Grund für eine Entschädigung in der mit einer Entlassimg verbundenen Entwertung der durch den Arbeitnehmer geleisteten Eingliederungsleistung, die erst durch den Sozialplan honoriert werde 1 0 2 . Eine von der Frage der wirtschaftlichen Nachteile unabhängige Funktion des Sozialplans arbeiten die Vertreter der Steuerungstheorie heraus. Danach dient der Sozialplan der Steuerung unternehmerischen Handelns im Allgemeininteresse 103 . Durch den Sozialplan sollen die sozialen Folgekosten der Betriebsänderung internalisiert werden. Die Rechtsprechung des BAG ist einem Wandel unterworfen. Hatte nach Ansicht des Großen Senats der Sozialplan den doppelten Zweck der Entschädigung und der Überleitungs- und Vorsorgefunktion 104 , hält der 1. Senat in einer späteren Entscheidung den Velust des Arbeitsplatzes als solchen nicht 97

Hanau, ZfA 74, 89(102); ähnlich Galperin/Löwisch, § 112 Rn 3. Beuthin, RdA 76, 147(155); ders. ZfA 82, 181(203); Hanau, ZfA 74, 89(102); Drukarczyk, RdA 86, 115(117). 99 Fitting/A uffarth/Kaiser/Heither, §§ 112, 112a Rn 19; Dietz/Richardi, §112 Rn 27 f Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 13; Dorndorf, Sozialplan im Konkurs, S. 15; Heinze, DB 74,1814(1817); Fuchs, Der Sozialplan, S. 14; v. Hoyningen-Huene, RdA 86, 102(104). 100 Dietz/Richardi, § 112 Rn 52 m.w.N.; Dorndorf, Sozialplan im Konkurs, S. 16. 101 Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 13. 102 Dorndorf, Sozialplan im Konkurs, S. 15; nach der gesellschaftsrechtlichen Interpretation des Arbeitsverhältnisses von Adomeitwürde es sich bei der Sozialplanleistung um ein Auseinandersetzungsguthaben handeln, Adomeit, Gesellschaftsrechtliche Elemente im Arbeitsverhältnis. 103 Reuter, Sozialplan, S. 22 ff; Drukarczyk, RdA 86, 115(117). 104 BAG vom 13.12.78, AP Nr. 6 zu § 112 BetrVG 1972. 98

124

D. Der Sozialplan

für ausgleichsfahig 105 . Neben der Vorsorgefiinktion wird in dieser Entscheidung die Bedeutung des Sozialplans für eine sozialverantwortungsbewußte Planung des Unternehmers, also seine Steuerungsfunktion betont 1 0 6 .

bb) Wortlaut Ausgangspunkt für die Suche nach dem Sozialplanzweck ist der Wortlaut des § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG. "Wirtschaftlicher Nachteil" ist die ungünstige Veränderung eines Bestandes an materiellen, Vermögenswerten Gütern 1 0 7 . Da §112 Abs. 1 S. 2 BetrVG von wirtschaftlichen Nachteilen für die Arbeitnehmer spricht, bezieht sich diese Norm auf den Vermögensbestand des einzelnen Arbeitnehmers. Führt eine Betriebsänderung zu einer Verschlechterung dieses Vermögensbestandes, hat der Unternehmer die Verschlechterung auszugleichen oder zu mildern. Nach dem Wortlaut ausgeschlossen sind demnach immaterielle Nachteile, die der Arbeitnehmer infolge einer Betriebsänderung erleidet. Eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes, Ausgangspunkt der Entschädigungstheorie, käme daher nur in Betracht, wenn im Arbeitsplatzverlust als solchem eine Vermögensverschlechterung zu sehen wäre 1 0 8 . Diese Frage ist indes umstritten 1 0 9 . Vertreter der Entschädigungstheorie bejahen sie unter Verweis auf §113 Abs. 2, 3 BetrVG, der von der Entlassung oder "anderen wirtschaftlichen Nachteilen" spricht 1 1 0 . Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. § 113 Abs. 1 BetrVG sanktioniert die Entlassung infolge der Abweichung von einem Interessenausgleich. § 113 Abs. 2 BetrVG hält die gleiche Sanktion für den Fall bereit, daß Arbeitnehmer zwar nicht entlassen werden, aber andere wirtschaftliche Nachteile erleiden. Daraus kann lediglich geschlossen werden, daß der Gesetzgeber im Fall der Entlassung das Entstehen wirtschaftlicher Nach-

105 BAG vom 23.4.85, AP Nr. 26 zu § 112 BetrVG 1972. 106 BAG vom 23.4.85, AP Nr. 26 zu § 112 BetrVG 1972. i° 7 GK-Fabricius, § 111 Rn 27. 108 Hanau, ZfA 74, 89(101). ,09 Dafür Dietz/Richardi, § 112 Rn 27; Fuchs, Der Sozialplan, S. 14; Domdorf, Sozialplan im Konkurs, S. 16; Gamillscheg, Zur Abfindung bei Verlust des Arbeitsplatzes, S. 220; v. HoyningenHuene, RdA 86, 102(104); ablehnend Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S. 365; Löwisch, Sozialplanleistungen und Gleichbehandlungsgebot, S. 306; Willemsen, ZIP 81, 1058(1059); Richardi (Sozialplan und Konkurs, S. 14) sieht im Arbeitsplatz sogar ein eigentumsähnliches Recht; ablehnend Beuthin, ZfA 82, 181(189ff.); Zöllner, Begründung und Beendigung der Arbeitsverhältnisse, S. 148. HO Dietz/Richardi, § 112 Rn 35; Richardi, RdA 79, 193(196); Dorndorf, Sozialplan im Konkurs, S. 16; v. Hoyningen-Huene, RdA 86,102(104); einschränkend Hanau, ZfA 74, 89(102).

III. Das Sozialplanvolumen

125

teile als selbstverständlich voraussetzte. Mit der undeutlichen Gleichsetzung von Entlassung und wirtschaftlichem Nachteil sollte zum Ausdruck gebracht werden, daß der Arbeitnehmer, der wirtschaftliche Nachteile erleidet, ohne entlassen zu werden, genauso zu entschädigen ist, wie derjenige, der solche Nachteile aufgrund der Entlassung erfährt 1 1 1 . Besser würde es in § 113 Abs. 3 BetrVG deshalb heißen: "(...) Arbeitnehmer infolge ihrer Entlassung oder aus anderen Gründen wirtschaftliche Nachteile erleiden". Selbst wenn man dieser Auslegung nicht folgt, kann aus § 113 BetrVG nicht geschlossen werden, daß der Arbeitsplatzverlust als solcher einen wirtschaftlichen Nachteil im Sinne des § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG darstellt. § 113 BetrVG ist ein individueller, an das Kündigungsschutzgesetz angelehnter Anspruch mit Sanktionszweck, während es sich bei § 112 BetrVG um eine kollektivrechtliche Regelung handelt 1 1 2 . Aus der Verwendung des Wortes "infolge" in § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG kann umgekehrt nicht geschlossen werden, daß der Sozialplan lediglich zukunftsorientiert ist, der Arbeitsplatzverlust von ihm also nicht erfaßt w i r d 1 1 3 . Denn auch der Arbeitsplatzverlust ist eine Folge der Betriebsänderung. Dem Wortlaut des § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG ist somit weder zu entnehmen, ob der Sozialplan vergangenheits- oder zukunftsorientiert ist, noch ob er Individual- oder Allgemeininteressen schützt. Bei der Ermittlung des Sozialplanzwecks verhilft der Wortlaut zu keinem klaren Ergebnis.

cc) Entstehungsgeschichte In den Gesetzesmaterialien zum Betriebsverfassungsgesetz 1972 finden sich keine Anmerkungen zum Zweck des Sozialplans. Anders jedoch beim Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 sowie dem SozplKonkG. In der Begründung zu den Änderungen des § 112 und der Einführung des § 112a BetrVG ist dort von der Bedeutung des Sozialplans für den sozialen Frieden in den Betrieben sowie davon die Rede, daß Sozialpläne die "sozialen Folgen wirtschaftlicher Entscheidungen ftir die betroffenen Arbeitnehmer" ab-

111

Rn 41. 112 113

Zu diesem Ergebnis kommen selbst Vertreter der Entschädigungstheorie; Dietz/Richardi,

§ 113

Auf diesen Unterschied weist in diesem Zusammenhang auch Hanau (ZfA 74, 89(102)) hin. Anders Willemsen (ZIP 81, 1058(1059)) der daraus eine reine Zukunftsorientierung ableitet

126

D. Der Sozialplan

federn 1 1 4 . In der Begründung des SozplKonkG wird mehrfach auf die "besonders schutzwürdige Überbrückungsfunktion" von Sozialplänen hingewiesen 1 1 5 . Der Gesetzgeber bezog sich also auf die Überleitungs- und Vorsorgefunktion sowie auf die Steuerungsfunktion von Sozialplänen. Hingegen taucht der Begriff der Entschädigung nicht auf. Daraus wird man allerdings nicht den Schluß ziehen können, daß der Gesetzgeber dem Sozialplan eine Entschädigungsfunktion nicht zuerkennnen wollte, zumal sich die hier angeführten Begründungen lediglich auf Änderungen des bereits bestehenden Rechtsinstituts beziehen.

dd) Gesetzessystematik Zu prüfen bleibt, ob sich der Sozialplanzweck mit Hilfe der Gesetzessystematik der §§ 111 - 113 BetrVG und von deren gesetzlichen Umfeld ermitteln läßt. Auffallend ist, daß in § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG vom Ausgleich oder der Milderung wirtschaftlicher Nachteile die Rede ist, während nach §113 Abs. 2 BetrVG nur ein Ausgleich vorgenommen werden kann. Diese Flexibilität in § 112 BetrVG spricht gegen die Entschädigungstheorie. Sieht man im Arbeitsplatz an sich ein eigentumsähnliches Recht oder ein aus dem Persönlichkeitsrecht resultierendes sonstiges Recht, fur dessen Verlust der Arbeitnehmer zu entschädigen ist, so läßt sich nicht erklären, warum eine solche Entschädigung unter Umständen nicht in vollem Umfang zu erfolgen h a t 1 1 6 . Auch eine Konstruktion wie die Einbeziehung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit für das Unternehmen durch § 112 Abs. 5 BetrVG ist dem Schadensrecht fremd 1 1 7 . Gegen die Entschädigungstheorie spricht auch der Charakter des Betriebsverfassungsgesetzes. Dieses Gesetz schafft nicht in erster Linie individuelle Ansprüche der Arbeitnehmer, sondern regelt vorrangig das Zusammenspiel zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern. Die Tatsache, daß der einzelne Arbeitnehmer einen Sozialplananspruch nur durch den Betriebsrat verwirklichen kann, läßt sich kaum mit einer Entschädigungsfunktion des Sozialplans in Einklang bringen. Diese kollektivrechtliche Natur des Betriebsverfassungs»»« BT-Drucks. 10/2102, S. 17. »15 BT-Drucks. 10/2129, S. 6, 8. 1,6

Im Ergebnis ebenso Beuthin, ZfA 82, 181(187). Dementsprechend enthält § 113 BetrVG, der wegen seines Sanktionscharakters mit einer schadensrechtlichen Regelung eher zu vergleichen ist, weder eine Möglichkeit der bloßen Milderung noch ist hier die wirtschaftliche Vertretbarkeit für das Unternehmen zu berücksichtigen. 117

III. Das Sozialplanvolumen

127

gesetzes spricht vielmehr für eine Steuerungsfunktion des Sozialplans. Hätte der Gesetzgeber eine Abfindung für den Arbeitsplatzverlust einführen wollen, so wäre der § 112 BetrVG dafür ein denkbar ungeeigneter Ort gewesen. Die Entschädigungstheorie widerspricht außerdem dem Rechtscharakter des Arbeitsverhältnisses. Auch wenn diese Tatsache zunehmend in den Hintergrund tritt, so ist das Arbeitsverhältnis immer noch ein Dauerschuldverhältnis, das einseitig gekündigt werden kann. Ein Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers besteht dementsprechend nur für die Dauer des Arbeitsverhältnisses. Der Bestandsschutz des Arbeitnehmers beschränkt sich auf die Beachtung der für die Kündigung bestehenden gesetzlich Schranken. Zu diesen gehören auch die §§ 111 - 113 BetrVG. Die Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses schließt hingegen eine Abfindung wegen des Arbeitsplatzverlust begrifflich aus 1 1 8 . Ungeeignet ist die Entschädigungstheorie, um die mit § 112 BetrVG verbundene Ungleichbehandlung zwischen kollektiver und individueller Kündigung zu erklären. Warum sollte außerdem der Aibeitnehmer in einem Betrieb mit weniger als einundzwanzig Arbeitnehmern oder ohne Betriebsrat keine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes erhalten? Die in der Regelung des § 112 BetrVG enthaltene Ungleichbehandlung läßt sich mit einer Entschädigungsfunktion des Sozialplans nicht vereinbaren. Gleichzeitig bedarf diese Ungleichbehandlung einer Begründung, will man eine Verletzung des in Art. 3 Abs. 1 GG enthaltenen Gleichheitssatzes vermeiden 119 . Dieser verlangt insbesondere vom Gesetzgeber für den Fall der Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte einen vertretbaren Grund. Ein solcher kann aber nur in der Steuerung unternehmerischen Handelns im Allgemeininteresse, also der Steuerungsfunktion des Sozialplans, gesehen werden 1 2 0 . Die Internalisierung der gerade im Fall von Massenentlassung besonders hohen sozialen Lasten stellt einen vertretbaren Grund für die Sozialplanpflichtigkeit des Unternehmers nur in bestimmten Fällen d a r 1 2 1 . Gleichzeitig soll der durch Betriebsänderungen besonders gefährdete soziale Frieden bewahrt werden 1 2 2 .

118 Beuthin, ZfA 82, 181(190); auch die "Eingliederungsleistung", für die Dorndorf (Sozialplan im Konkurs, S. 12 ff.) entschädigen will, paßt nicht in das Arbeitsverhältnis, eine solche gehört zu den durch den Arbeitnehmer zu erbringenden und mit dem Arbeitslohn abgegoltenen Leistungen. 119 Reuter, Sozialplan, S. 12; in einem obiter dictum mahnt das BVerfG eine Begründung für die Ungleichbehandlung an, BVerfGE 65, 182(194). 120 Reuter, Sozialplan, S. 23; GK-Fabricius, § 111 Rn 30. 121 Die Legitimation für diese Beschränkung des Sozialplans auf Maßnahmen, die wesentliche Nachteile für erhebliche Teile der Belegschaft mit sich bringen, sieht Reuter (Sozialplan, S. 18) darin,

128

D. Der Sozialplan

ee) Stellungnahme Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, daß sich der Sozialplanzweck weder aus dem Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte des § 112 BetrVG ermitteln läßt. Eine Untersuchung anhand der Gesetzessystematik spricht gegen eine Entschädigungs- und für eine Steuerungsfunktion des Sozialplans.

(1) Betriebsverfassungsrechtliche

Erklärung

Die Vertreter der Entschädigungstheorie übersehen, daß das Institut des Sozialplans in erster Linie einer betriebsverfassungsrechtlichen Erklärung bedarf. Hätte der Gesetzgeber im Betriebsverfassungsgesetz den richtigen Ort gesehen, um eine allgemeine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes ins Leben zu rufen, so wäre dafür der Abschnitt "Personelle Angelegenheiten" geeigneter gewesen als der Bereich der Betriebsänderungen. Dann hätte auch die mit der Entschädigungsfunktion nicht vereinbare Ungleichbehandlung vermieden werden können. Der Gesetzgeber wollte aber keine allgemeine Entschädigung für den Arbeitsplatzverlust. Eine solche ist dem deutschen Arbeitsrecht nach wie vor fremd. Zweck des Sozialplans ist, trotz gewährter unternehmerischer Entscheidungsfreiheit auf die unternehmerisch-wirtschaftliche Entscheidung des Unternehmers einzuwirken. Die grundrechtlich geschützte Unternehmensautonomie bleibt dadurch erhalten, daß die§§ 111- 113 BetrVG dem Betriebsrat, einen wichtigen, aber auf soziale Aufgaben beschränkten Auftrag hat, keinen Eingriff in die eigentliche unternehmerische Entscheidung gestatten. Anderseits sollen die mit dem erzwingbaren Sozialplan verbundenen Lasten den Unternehmer veranlassen, die sozialen Folgen seiner Entscheidung - und damit die Entscheidung selbst - unter dem Gesichtspunkt der Arbeitnehmerinteressen zu überdenken. Durch den Sozialplan ist es dem Betriebsrat letzlich doch möglich, auf die wirtschaftlich-unternehmerische Entscheidung einzuwirken. Das ist in den Fällen, in denen sich die wirtschaftliche und die soziale Seite einer unternehmerischen Entscheidung nicht trennen lassen, auch notwendig und berechtigt 123 . Der Nachteilsausgleich für alle betroffenen und auch den einzelnen Arbeitnehmer ist dabei nur das Mittel zum Zweck.

daß die "soziale Umweltverschmutzung" erst ab dieser Schwelle die Opfergrenze der Allgemeinheit überschreitet 122 BT-Drucks. 10/2102, S. 17; GK-Fabricius, § 111 Rn 30. Beuthin, ZfA 88, 1(10).

III. Das Sozialplanvolumen

129

Schon der kollektivrechtliche Charakter des § 112 BetrVG sowie die systematische Anknüpfung an den freiwilligen Interessenausgleich machen deutlich, daß es nicht um eine Entschädigung des Einzelnen geht, sondern um die Schaffung eines Instruments der Mitwirkung für den Betriebsrat 124 . Dadurch erhält der Sozialplan seine Steuerungsfunktion.

(2) Ökonomische Erklärung Für die Steuerungsfunktion des Sozialplans spricht auch die ökonomische Betrachtung dieses Instruments. Eine solche, die oft vernachlässigt wird, ist unverzichtbar. Eine Begründung für das Rechtsinstitut Sozialplan kann nur dann überzeugen, wenn sie nicht den allgemeinen marktwirtschaftlichen Grundprinzipien unserer Volkswirtschaft widerspricht. Ein Irrtum ist die Annahme, Sozialpläne wären für sich gesehen immer eine wirtschaftliche Belastung für das Unternehmen, da ein Gegenwert nicht erkennbar s e i 1 2 5 . Die wirtschaftliche Belastung besteht bereits in der Unrentabilität der betroffenen Arbeitsplätze, die mit den Entlassungen ausgeglichen werden soll. Durch die Entlassungen wird angestrebt, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens trotz Sozialplan zu verbessert. Wäre dies nicht der Fall, würde der Unternehmer, der letztlich in seiner Entscheidung frei ist, die Entlassungen nicht vornehmen 1 2 6 . Die betriebswirtschaftlichen Kosten eines Sozialplans liegen unter der mit der Betriebsänderung verbundenen erwarteten Gewinnsteigerung bzw. der erwarteten Verringerung des Verlusts. Beide Größen verkehren sich vom Prinzip her durch die Aufstellung eines Sozialplans nicht ins Negative, sondern werden nur verringert. Auch wenn kein Sozialplan aufzustellen wäre, müßte der Unternehmer abwägen, ob die mit dem Erhalt der Beschäftigungsmöglichkeit verbundenen Anpassungskosten 127 geringer sind als der mit einer Entlassung verbundene Verlust an Humankapital. Durch das Institut des Sozialplans wird er veran-

124 Windbichler (ZfA 91, 35(46)) spricht von einem "diskursiven Prozeß mit einem Vertrag Ziel, in dem jede Seite ihre Interessen einbringt und einen gemeinsamen Ausgleich anstreb Interesse des Unternehmers an einem solchen Ausgleich entstünde durch die Erzwingbarkeit des Sozialplans und § 113 BetrVG, würde also "qua Rechtsnorm" hergestellt. 125 So aber v. Hoyningen-Huene, RdA 86, 102(103). >26 Drukarczyk, RdA 86, 115(117); Schellhaaß, ZfA 89, 167(188). 127 Den Idealfall der kostenneutralen Umsetzung von Mitarbeitern auf Ersatzarbeitsplätze wird es in der Praxis kaum geben. In der Regel entstehen Kosten schon durch den Ausgleich von Qualifikationsdefiziten. Noch teurer und daher eher unwahrscheinlich ist die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen. 9 Biedenkopf

130

D. Der Sozialplan

laßt, in diese Rechnung auch einen Teil der Kosten mit einzubeziehen, die außerhalb des Betriebs anfallen 1 2 8 . Bei diesen Kosten handelt es sich in erster Linie um die dem Arbeitnehmer oder der Allgemeinheit entstehenden Wiedereingliederungskosten. Durch den Sozialplan werden solche Kosten nicht nur entsprechend dem Verursacherprinzip internalisiert 129 . Zusätzlich unterbleibt eine Entlassung in den Fällen, in denen die Wiedereingliederungskosten höher wären als die internen Anpassungskosten. Neben der Internalisierung der mit der Entlassung außerhalb des Unternehmens entstehenden Kosten besteht die Steuerungsfunktion des Sozialplans auch darin, daß die Differenz zwischen vermiedenen Wiedereingliederungskosten und betriebsinternen Anpassungskosten für die Volkswirtschaft einen Gewinn darstellt 1 3 0 . Auch unter langfristigen Gesichtspunkten kommt dem Sozialplan eine Steuerungsfunktion zu. Durch drohende Sozialplankosten entsteht für den Unternehmer ein Anreiz, sozialplanpflichtigen Betriebsänderungen durch frühzeitige Vermeidungsstrategien aus dem Weg zu gehen 1 3 1 . So wie eine ökonomische Betrachtung des Sozialplans dessen Steuerungsfunktion erklärt, so spricht sie gegen die Entschädigungstheorie. Durch einen entschädigenden Sozialplan findet eine Umverteilung zwischen Unternehmer und Arbeitnehmern statt 1 3 2 . Für eine solche Umverteilung kann der Unternehmer aber keine Vorsorge treffen. Die finanzielle Basis für die Erfüllung entschädigender Sozialplanansprüche kann nur in Zeiten der Gewinnerzielung erwirtschaftet werden. Doch hohe Gewinne führen zu gesteigerten Löhnen, während gleichzeitig Rückstellungen für zukünftige Sozialplanverbindlichkeiten steuerlich nicht anrechenbr s i n d 1 3 3 . In der Phase, in der Arbeitsplätze unrentabel werden, fehlt vielen Unternehmen dann die Kraft, notwendige 128 Ein Sozialplan kann dem Unternehmer auch interne Anpassungskosten zuordnen, so z.B. durch einen Ausgleich der mit einer Umsetzung verbundenen Einkommensminderungen. 129 Drukarczyk,, RdA 86, 115(117); Schellhaaß, ZfA 89, 167(176); kritisch zur Heranziehung des Verursacherprinzips Windbichler, ZfA 91, 35(48). 130 Schellhaaß, ZfA 89, 167(195); Zöllner, Begründung und Beendigung der Arbeitsverhältnisse, S. 148. 131 Schellhaaß, ZfA 89, 167(192), sieht diesen Anreiz nur bei Sozialplänen, die über den Effiziensrahmen hinausgehen, also auch besitzstandswahrenden Charakter haben. Dabei übersieht er, daß überhaupt kein Sozialplan fur den Unternehmer immer noch gewinnversprechender ist als ein "günstiger". 132 Dementsprechend sehen die Vertreter der Entschädigungstheorie in Sozialplanleistungen einen Ausgleichför vorenthaltenen Lohn (.Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 16) oder ftlr die Investition in Humankapital (Dorndorf, Sozialplan im Konkurs, S. 15). 133 Das fährt gleichzeitig zu dem widersprüchlichen Ergebnis, daß in wirtschaftlich schlechten Zeiten die Sozialplanabfindung geringer ist als in wirtschaftlich guten, obwohl umgekehrt för die Arbeitnehmer die Chance einen neuen Arbeitsplatz zu finden gering bzw. groß ist Zur Rückstellungsproblematik Ehmann, Betriebsstillegung und Mitbestimmung, S. 5.

III. Das Sozialplanvolumen

131

Betriebsänderungen mit den damit verbundenen Entschädigungen vorzunehmen. Er wird solange warten, bis ein Kapazitätsabbau unumgänglich ist, dadurch wird eine schonender Strukturwandel verhindert 134 . Gleichzeitig verringert sich durch die Aussichten auf eine einer Versicherung entsprechende Entschädigung für die Arbeitnehmer die Motivation, von sich aus vorausschauend Maßnahmen zu ergreifen 135 .

(3) Ergebnis Sozialpläne stellen von ihrem dogmatischen Zweck her keinen Abfindungsersatz für den Arbeitsplatzverlust dar. Sie sind ein betriebsverfassungsrechtliches Instrument, um auf die wirtschaftlich-unternehmerische Entscheidung im Interesse der Arbeitnehmer einwirken zu können. Gleichzeitig setzen Sozialpläne durch den ihnen vorausgehenden Kostenvergleich zwischen internem und externem Arbeitsplatzwechsel für den Unternehmer einen Anreiz zu einem gesamtwirtschaftlich optimalen Entlassungsverhalten. Zu dieser Steuerungsfunktion des Sozialplans gesellt sich seine Vorsorge- und Überbrückungsfunktion für den einzelnen Arbeitnehmer, für den die mit der Betriebsänderung verbundenen zukünftigen wirtschaftlichen Nachteile ausgeglichen oder gemildert werden sollen.

b) Wirtschaftlicher

Nachteil

aa) Tatsächliche wirtschaftliche Nachteile Die Untersuchungen zum Sozialplanzweck haben gezeigt, daß wirtschaftliche Nachteile im Sinne von § 112 Abs. 2 BetrVG nur solche Vermögenswerte Nachteile sind, die tatsächlich und unmittelbar durch die Betriebsänderung entstehen, wobei der Arbeitsplatzverlust als solcher kein wirtschaftlicher Nachteil ist. Die wirtschaftlichen Nachteile müssen nicht unbedingt mit einer Entlassimg zusammenhängen, sie können sich für den betroffenen Arbeitnehmer auch aus anderen Maßnahmen ergeben 136 . Der Umfang der wirtschaftlichen Nachteile für den einzelnen Arbeitnehmer errechnet sich durch 134 Schellhaaß, ZfA 89, 167(202); Windbichler, ZfA 91, 35(49). 135 Dieses "schadenserhöhende" Verhalten stellt Schellhaaß (ZfA 89, 167(199)) überzeugend dar, ebenso Deregulierungskommission, Marktöflhung und Wettbewerb, S. 153. 136 Dietz/Richardi, § 112 Rn 57; Beispiele für solche wirtschaftlichen Nachteile bei Dietz/Richardi, § 112 Rn 55; Hanau, ZfA 74, 89(100).

132

D. Der Sozialplan

einen Vergleich der realen Vermögenslage des Arbeitnehmers nach der Betriebsänderung mit dem der hypothetischen Vermögenslage, die ohne Durchfuhrung der Betriebsänderung eingetreten wäre. Dadurch fließen auch mögliche materielle Vorteile, die für den Arbeitnehmer mit der Betriebsänderung verbunden sind, insoweit in den Sozialplananspruch ein, als sie nach dem Prinzip der Vorteilsausgleichung abgezogen werden 1 3 7 . Daß der Sozialplan nur tatsächlich entstehende wirtschaftliche Nachteile ausgleichen soll, ergibt schon der Vergleich mit § 111 Satz 1 BetrVG, der es genügen läßt, daß Nachteile für die Belegschaft eintreten können. Dem gegenüber spricht § 112 Abs. 2 BetrVG von den Nachteilen, die infolge der Betriebsänderung entstehen. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch § 112 Abs. 5 Nr. 1 BetrVG, nach dem der Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile den Gegebenheiten des Einzelfalls Rechnung tragen s o l l 1 3 8 .

bb) Zulässigkeit und Notwendigkeit der Pauschalierung Das Betriebsverfassungsgesetz enthält jedoch insoweit eine konstrutive Schwäche, als der Sozialplan vor Durchführung der Betriebsänderung aufzustellen ist, zu einem Zeitpunkt also, zu dem ein Teil der wirtschaftlichen Nachteile noch nicht abzusehen ist. Aus diesem Grund ist es zulässig, ja sogar unvermeidbar, auf die typischerweise zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteile abzustellen und die Höhe der Zahlungen in begrenztem Maße zu pauschalieren 139 . Dadurch wird die Erfassung der konkreten Schadensentwicklung keineswegs überflüssig, sondern nur erleichtert 140 .

cc) Ergebnis Der wirtschaftliche Nachteil für den Arbeitnehmer, der durch den Sozialplan auszugleichen oder zu mildern ist, besteht in der Summe der materiellen Nachteile, die als Folge der Betriebsänderung typischerweise und mit hoher «37 So auch die h.M.: GK-Fabricius, §§ 112, 112a Rn 39; Dietz/Richardi, § 112 Rn 48; Galperin/Löwisch, § 112 Rn 21 ; Hanau, ZfA 74, 89(103); Fuchs, Der Sozialplan, S. 28. 138 GK-Fabricius, §§ 112, 112a Rn 96; Stege/Weinspach, Ergänzungsband §§ 111 - 113, Rn 131. 139 GK-Fabricius, §§ 112, 112a Rn 96; Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S. 364; Reuter, Sozialplan, S. 28, jedoch mit Kritik an der gängigen Pauschalierungspraxis; Heinze (NZA 87, 41(47)) hält Pauschalierungen im Rahmen der §§ 315, 317 BGB für zulässig, aber auch für gerichtlich überprüfbar, zu weitgehend BAG vom 13.12.78, AP Nr. 6 zu § 112 BetrVG 1972. 140 Willemsen (ZIP 81,1058(1060)) sieht darin eine entsprechende Anwendung des § 287 ZPO.

III. Das Sozialplanvolumen

133

Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Nicht in allen Fällen, in denen Verhandlungen über einen Interessenausgleich stattzufinden haben, kommt es demnach zur Aufstellung eines Sozialplans. Denn anders als beim Interessenausgleich reicht die Möglichkeit des Nachteilseintritts nicht aus.

3. Wirtschaftliche Vertretbarkeit

§ 112 BetrVG geht nicht von einer grenzenlosen Belastung des Unternehmens durch den Sozialplan aus. Das folgt bereits daraus, daß unter Umständen die wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer nicht auszugleichen, sondern nur zu mildern s i n d 1 4 1 . Die Einigungsstelle hat bei der Festlegung des Sozialplanvolumens auf "die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten". Beschränkte sich dieses Gebot in § 112 Abs. 4 BetrVG 1972 alte Fassung auf diese Formulierung, so hat der Gesetzgeber 1985 versucht, es durch § 112 Abs. 5 Nr. 3 BetrVG zu konkretisieren. Danach darf der Sozialplan "den Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchfuhrung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährden". Trotz § 112 Abs. 5 Nr. 3 BetrVG bleibt der Ermessensspielraum für die Einigungsstelle erhalten, er wird lediglich nach oben eingegrenzt. In der Kommentarliteratur wird der Begriff der wirtschaftlichen Vertretbarkeit lediglich gestreift 142 . Dabei ist diese relative Obergrenze des Sozialplans von größter praktischer Bedeutimg. Allerdings machen es das Ermessen der Einigungsstelle, die Vielzahl möglicher Beurteilungskriterien sowie die Verschiedenheit der Einzelfälle so schwierig, allgemeine Kriterien für die wirtschaftliche Vertretbarkeit eines Sozialplans festzulegen 143 . Im folgenden wird trotzdem versucht, eine Obergrenze für das Sozialplanvolumen zu finden. Wo diese Grenze liegt, ist entscheident davon abhängig, wessen Interessen durch sie geschützt werden sollen, wer also hinter dem Unternehmen steht, wenn von der "wirtschaftlichen Vertretbarkeit" für dieses gesprochen wird.

142

GK-Fabricius, §§ 112, 112a Rn 76. Fitting/A uffarth/Kaiser/H either, §§ 112, 112a Rn 37; Dietz/Richardi, §112 Rn 6 Galperin/Löwisch, § 112 Rn 101; ausführlicher GK-Fabricius §§ 112, 112a Rn 113. 143 Nick, Konzernbetriebsrat und Sozialplan im Konzern, S. 224; erschwert wird die Untersuchung der "wirtschaftlichen Vertretbarkeit" durch die fehlende gerichtliche Überprüfung von Sozialplänen in der Praxis. Denn eine solche kann nach Ansicht des BAG nicht im Individualprozeß des einzelnen Arbeitnehmers vorgenommen werden (BAG vom 17.2.81, AP Nr. 11 zu § 112 BetrVG 1972), sondern 142

134

D. Der Sozialplan

a) "Wirtschaftliche

Vertretbarkeit"

für wen ?

Dem Gesetzestext kann nicht klar entnommen werden, wer sich hinter dem "Unternehmen" in § 112 Abs. 5 S. 1 BetrVG verbirgt 1 4 4 , wer mit dieser Formulierung also geschützt werden soll. Eine solche Konkretisierung ist für die Beantwortung der Frage, wann die Grenzen der wirtschaftlichen Vertretbarkeit erreicht sind, von entscheidender Bedeutung. Sieht man hinter dem Unternehmen die verbleibenden Arbeitnehmer 145 , so ist die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit dann überschritten, wenn der Sozialplan zu weiteren Entlassungen führt. Stellt man auf die Eigentümer ab, so wird man die Grenze schon dort ziehen müssen, wo das Unternehmen seine Rentabilität verliert 1 4 6 , beim Unternehmensgläubiger kommt es darauf an, ob diesem Zahlungsausfälle drohen 1 4 7 . Die Frage, ob hinter dem Unternehmen die verbleibenden Arbeitnehmer und/oder die Eigentümer stehen, ist nur dann sinnvoll, wenn das Unternehmen nicht aufgelöst wird oder in Konkurs gefallen ist. Im folgenden wird deshalb davon ausgegangen, daß das Unternehmen nach der Betriebsänderung bestehen bleibt.

aa) Die verbleibenden Arbeitnehmer Daß das Sozialplanvolumen im Hinblick auf die verbleibenden Arbeitsplätze wirtschaftlich vertretbar sein soll, ergibt sich bereits aus § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BetrVG, welcher der Konkretisierung des Satz 1 dient. Die Entscheidung der Einigungsstelle ist dann nicht mehr wirtschaftlich vertretbar, wenn durch sie die verbleibenden Arbeitsplätze gefährdet werden. Die Höchstgrenze für einen Sozialplan ist also immer dann erreicht, wenn der Erhalt der verbleibenden Arbeisplätze gefährdet i s t 1 4 8 . Durch den Sozialplan dürfen dem nur im Rahmen einer Klage des Arbeitgebers oder Betriebsrats nach § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG. Eine solche konnte in der veröffentlichten Rechtsprechung nicht gefunden werden. 144 Daß § 112 Abs. 5 S. 1 BetrVG auf das Unternehmen und nicht auf den Betrieb abstellt, folgt aus der Berücksichtigung der Unternehmen, die aus mehreren Betrieben bestehen. Werden in diesen Fällen von der Unternehmensebene aus Umstrukturierungsmaßnahmen zu Lasten der Arbeitnehmer einzelner Betriebe angeordnet, läßt sich die Steuerungsfunktion des Sozialplans nur dann verwirklichen, wenn auf die Vertretbarkeit für das ganze Unternehmen abgestellt wird; Windbichler, ZfA 91, S. 35(46). 145 Fuchs, Der Sozialplan, S. 109; Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 89. 146 Auch die Eigentümerinteressen berücksichtigen GK-Fabricius, §§ 112, 112a Rn 92; Galperin/Löwisch, § 112 Rn 99,101; Beuthin, ZfA 88,1(14); Spinti, Sozialplan und Nachteilsausgleich bei Insolvenz, S. 59; Nick, Konzembetriebsrat und Sozialplan im Konzern, S. 224. 147 Drukarczyk, RdA 86, 115(117). 148 Stege/Weinspach, §§ 111-113 Rn 142; Wlotzke, NZA 84, 217(221); Spinti, Sozialplan und Nachteilsausgleich bei Insolvenz, S. 59; Fuchs, Der Sozialplan, S. 110.

III. Das Sozialplanvolumen

135

Unternehmen deshalb weder seine Wettbewerbsfähigkeit noch seine Liquidität bzw. Kreditwürdigkeit genommen werden 1 4 9 .

bb) Eigentümer Ob ein Sozialplan auch für den Eigentümer des Unternehmens wirtschaftlich vertretbar sein muß, läßt sich dem § 112 Abs. 5 BetrVG nicht unmittelbar entnehmen. Obwohl es einleuchtend erscheint, die wirtschaftliche Vertretbarkeit an den Interessen der Partei zu messen, die den Sozialplan finanziert 1 5 0 was in der Regel der Eigentümer sein dürfte - ist diese Frage umstritten 1 5 1 . Das Ergebnis dieser Frage kann deshalb nur durch Auslegung ermittelt werden. Anzusetzen ist beim Wortlaut des § 112 Abs. 5 S. 1 BetrVG.

(1) Wortlaut "Wirtschaftlich" bedeutet unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsprinzips. Dieses verlangt, mit geringstmöglichen Mitteln einen bestimmten Erfolg oder mit bestimmten Mitteln einen größtmöglichen Erfolg zu erzielen 152 . Der angestrebte Erfolg ist beim Wirtschaftsunternehmen die Rentabilität, also der Gewinn im Verhältnis zum eingesetzten Kapital 1 5 3 . "Wirtschaftlich vertretbar" in § 112 Abs. 5 S. 1 BetrVG bedeutet deshalb unter Einschränkung, nicht aber unter Ausschaltung des Wirtschaftlichkeitsprinzips 154 . Die Einschränkung wird durch die Berücksichtigung der sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer verursacht. Die Berücksichtigung dieser Belange darf nicht wirtschaftlich unvertretbar sein, was bei einem Wirtschaftsunternehmen dann anzunehmen wäre, wenn der 149 Diese Kriterien zieht auch die wohl überwiegende Ansicht im Schrifttum heran: Galperin/ Löwisch, § 112 Rn 101, GK-Fabricius, §§ 112, 112a Rn 92; Spinti, Sozialplan und Nachteilsausgleich bei Insolvenz, S. 59; Nick, Konzernbetriebsrat und Sozialplan im Konzern, S. 224; eine positive Vermögens-, Finanz- und Ertragslage verlangt Targan, Au A 93, 42(44). 150 Drukarczyk, RdA 86, 115(117). 151 Für eine Berücksichtigung der Eigentümerinteressen Galperin/Löwisch, § 112 Rn 101b; GKFabricius, §§ 112, 112a Rn 92; Drukarczyk, RdA 86, 115(117); Spinti, Sozialplan und Nachteilsausgleich bei Insolvenz, S. 59; dagegen Richardi, Sozialplan und Konkurs, S.89; Fuchs, Der Sozialplan, S. 109. 152 Gabler Wirtschaftslexikon Band II, S.2275, Stichwort "Wirtschaftlichkeitsprinzp"; GKFabricius, §§ 112, 112a Rn 90. 153 Gemeinwirtschaftliche Unternehmen und Tendenzunternehmen werden hier ausgeklammert. 154 GK-Fabricius, §§ 112, 112a Rn 90.

136

D. Der Sozialplan

wirtschaftliche Erfolg und damit die Rentabilität, ausgeschlossen wäre 1 5 5 . In diesem Fall würde außerdem die fehlende Verzinsung des eingesetzten Kapitals zu einer Gefahrdung des Unternehmens führen, was § 112 Abs. 5 S. 2 Nr. 3 BetrVG gerade ausschließen will.

(2) Gesetzessystematik § 112 Abs. 5 S. 1 BetrVG berücksichtigt nicht nur das Interesse der verbleibenden Arbeitnehmer am Erhalt des Unternehmens und damit der Arbeitsplätze 1 5 6 , sondern muß auch das Interesse der Unternehmenseigentümer schützen. Ansonsten ließe sich nicht erklären, warum § 112 Abs. 5 S. 2 Nr. 3 BetrVG neben dem Erhalt der verbleibenden Arbeitsplätze den Fortbestand des Unternehmens nennt. Denn der Erhalt der Arbeitsplätze setzt einen solchen Fortbestand voraus, eine zusätzliche Erwähnung wäre überflüssig. Eine allgemeine Schranke für den Ermessensspielraum der Einigungsstelle enthält § 76 Abs. 5 S. 3 BetrVG. Danach sind die Belange des Betriebs angemessen zu berücksichtigen. Wenn § 112 Abs. 5 S. 1 BetrVG eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit für das Unternehmen verlangt, so enthält er damit eine speziellere Regelung 157 . Diese wird dadurch erforderlich, daß sich der Sozialplan als betriebsverfassungsrechtliche Folge einer unternehmerischen-wirtschaftlichen Entscheidung darstellt. Da die eigentlichen unternehmerischen Entscheidungen grundsätzlich nicht der Mitbestimmung unterliegen 158 , darf ein Sozialplan nicht soweit gehen, daß er die Unternehmensautonomie berüht. Ein Sozialplan, der eine Betriebsänderung unwirtschaftlich werden ließe, würde den Unternehmer an der Durchführung derselben hindern und damit unzulässig in die Entscheidungsautonomie des Unternehmers eingreifen 159 .

155 v o n diesem Gedanken läßt sich wohl auch das BAG leiten, wenn es einen Einschnitt in die Ertragslage des Unternehmens für zulässig hält (BAG voml7.10.89, AP Nr. 29 zu § 111 BetrVG 1972) oder einen Sozialplan dort noch für vertretbar hält, wo er die durch die Betriebsänderung erreichten Einsparungen für etwa drei Jahre aufzehrt (BAG vom 27.10.87, AP 41 zu § 112 BetrVG 1972); ähnlich Däubler, §§ 112, 112a Rn 82. 156 So aber Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 87; ders. RdA 79, 193(194). >57 GK-Kreutz, § 76 Rn 98. Beuthin, ZfA 88, 1(3). Löwisch (ιGalperin/Löwisch, § 112 Rn 99) stellt deshalb bei der wirtschaftlichen Vertretbarkeit des Sozialplans darauf ab, ob sie aus Sicht "eines vernünftigen Unternehmers" gegeben ist 159

III. Das Sozialplanvolumen

137

(3) Art. 14 Abs. 1 GG Für die Berücksichtigung der Eigentümerinteressen spricht auch eine verfassungskonforme Auslegung des § 112 Abs. 5 BetrVG. Grundsätzlich fuhrt der eigennützige unternehmerische Einsatz der menschlichen Arbeitskraft der Belegschaft zu einer Sozialbindung des Unternehmenseigentums gegenüber dieser 1 6 0 . Diese sich aus Art. 14 Abs. 2 GG ergebende Sozialbindung findet ihre Konkretisierung unter anderem in der Sozialplanregelung des § 112 BetrVG. Die Sozialbindung des Eigentums muß jedoch mit der Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG in einen verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden 1 6 1 . Die Bestandsgarantie erfordert nicht nur die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der gesetzlichen Ausgestaltung der Sozialbindung, sondern in jedem Fall den Substanzerhalt des Eigentums 1 6 2 . Die der Sozialpflichtigkeit durch die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gesetzte Grenze ist dann überschritten, wenn es zu einer ins Gewicht fallenden Beeinträchtigung des Vermögenswerts des Anteilsrechts oder zu einer Funktionsunfähigkeit des Unternehmens k o m m t 1 6 3 . Der Sozialplan überschreitet diese Grenze, wenn er dem Eigentümer die Möglichkeit nimmt, aus seinem Unternehmensanteil Nutzen zu ziehen. Die Sozialpflichtigkeit darf die Nutzung des Eigentums einschränken, aber nicht ausschließen. Primäres Nutzungsziel des Unternehmenseigentümers ist die Gewinnerzielung. Durch den Sozialplan darf ihm diese Nutzungsmöglichkeit nicht verschlossen werden.

(4) Ökonomische Betrachtung Für eine Berücksichtigung der Eigentümerinteressen spricht auch die Untersuchung der "wirtschaftlichen Vertretbarkeit" unter ökonomischen Gesichtspunkten. Wie bereits oben dargelegt 164 müßte der Sozialplan in einem Unternehmen, das nicht aufgelöst werden soll, immer wirtschaftlich vertretbar sein, da der Unternehmer eine Betriebsänderung unterlassen würde, wenn es durch sie nicht trotz Sozialplans zu einer Ertragssteigerung oder einer Verringerung der laufenden Verluste käme. Doch im Fall des defizitären

160 Beuthin, ZfA 88, 1(7). 161 BVerfGE 50, 290(340), = NJW 79, 699 ff. BVerfGE 42, 263(295); 50, 290(341). 163 BVerfGE 50,290(351 f.); Rumpff/Boewer, 164 D.III.2.a) ee) (2).

Mitbestimmung, S. 341.

138

D. Der Sozialplan

Unternehmens muß unter Gesichtspunkten der langfristigen Planung die Betriebsänderung auch durchgeführt werden, wenn die Sozialplankosten den erwarteten positiven wirtschaftlichen Effekt übersteigen. Andernfalls würde mit der Zeit die Substanz des Unternehmens aufgezehrt. Daher können die finanziellen Lasten eines Sozialplans die Position der Eigentümer derart schmählern, daß diese es vorziehen, mit ihrem Kapital in Branchen abzuwandern, die eine entsprechende Verzinsung bieten. Dadurch werden mehr Arbeitsplätze abgebaut, als nur zur Herstellung der Rentabilität notwendig gewesen wäre, wodurch die Lasten des Sozialplans auf die verbleibenden Arbeitnehmer übergewälzt werden 1 6 5 . Diese Überwälzung durch weiteren Abbau des Beschäftigungsvolumens ist nach § 112 Abs. 5 S. 2 Nr. 3 BetrVG jedoch unzulässig 166 . Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmern auf Dauer nur den Lohn zahlen, der durch den gemeinsam erwirtschafteten Unternehmensertrag gedeckt ist. Dabei würde der Erhalt des Unternehmens gefährdet, wenn der Unternehmensertrag nach Deckung dieser Kosten aufgezehrt wäre. Gleiches gilt für Sozialplanleistungen, die für den Unternehmer Lohnnebenkosten darstellen 1 6 7 . Der Fortbestand des Unternehmens setzt auch die fortdauernde Anlagebereitschaft der Unternehmenskapitaleigner voraus 1 6 8 , die bei fehlender Gewinnaussicht verlorengeht.

(5) Ergebnis Wenn § 112 Abs. 5 S. 1 BetrVG von der "wirtschaftlichen Vertretbarkeit för das Unternehmen" spricht, so dient diese Formulierung nicht nur dem Schutz der verbleibenden Arbeitnehmer. Auch die Interessen der Unternehmenseigentümer am Erhalt des Unternehmens und an der Rentabilität des von ihnen eingesetzten Kapitals werden geschützt, das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 112 Abs. 5 S. 2 Nr. 3 BetrVG und der Gesetzessystematik, insbesondere aber auch aus der Berücksichtigung von Art. 14 Abs. 1 GG. Hinzu kommt, daß die Beachtung der Rentabilität des Unternehmens indirekt auch dem Erhalt des Unternehmens und damit der verbleibenden Arbeitsplätze dient. 165 Eine Überwälzung auf den Preis der hergestellten Produkte kommt in defizitären Unternehmen in der Regel nicht in Betracht, Schellhaaß, ZfA 89, 167(188). 166 Drukarczyk, RdA 86, 115(117); Schellhaaß, ZfA 89, 167(188). 167 Schellhaas, ZfA 89, 167(190). 168 Beuthin, ZfA 88, 1(14).

III. Das Sozialplanvolumen

139

cc) Gläubiger Die Frage, ob es bei der "wirtschaftlichen Vertretbarkeit" auch auf die Gläubigerinteressen ankommt, stellt sich in den hier untersuchten Fällen n i c h t 1 6 9 . Gläubigerinteressen wären durch einen Sozialplan erst dann gefährdet, wenn der Unternehmer die Sozialplankosten auf die Gläubiger überwälzen würde. Der damit verbundene Forderungsausfall brächte die Gefahr eines Insolvenzverfahrens mit sich, woran der Unternehmer kein Interesse haben k a n n 1 7 0 . Die Frage nach dem Schutz der Gläubigerinteressen im Rahmen der wirtschaftlichen Vertretbarkeit eines Sozialplans stellt sich daher erst im Insolvenzfall, der unten zu behandeln sein wird.

b) § 113 BetrVG als Obergrenze för Sozialplanansprüche ? Zum Teil wird die Auffassung vertreten, die in § 113 Abs. 1 BetrVG genannte Abfindungsregelung des § 10 KSchG bilde für Sozialplanansprüche eine absolute Obergrenze 171 . Als Begründung wird ausgeführt, der Unternehmer, der das betriebsverfassungsrechtlich vorgeschriebene Verfahren beachte, dürfe nicht schlechter gestellt werden als der, der das Mitbestimmungsrecht verletze. Wenn außerdem die Abfindungen nach § 113 BetrVG trotz ihres Sanktionscharakters eine Höchstgrenze hätten, so müsse diese erst recht für die Abfindungen nach § 112 BetrVG, die einen solchen Sanktionscharakter nicht hätten, gelten 1 7 2 . Andere Autoren sehen aus den gleichen Gründen eine mittelbare Begrenzung, die nur für die Einigungsstelle gelte 1 7 3 . Dem Unternehmer stehe es frei, höhere Summen zu vereinbaren. Eine solche Obergrenze lehnt die wohl herrschende Meinung unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 a b 1 7 4 . 169 Bisher wurde davon ausgegangen, daß das Unternehmen nach der Betriebsänderung bestehen bleiben soll; s.o. D.III.3. a). 170 Drukarczyk,, RdA 86, 115(117). 171

v. Hoyningen-Huene, RdA 86, 102(107). 2 v. Hoyningen-Huene, RdA 86, 102(107), der den fehlenden Sanktionscharakter sogar mit einem Drittel das Abfindung des § 10 KSchG in Abzug bringt und so zu einer geringeren Höchstgrenze för Sozialplanabfindungen kommt. 173 Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 19; Dietz/Richardi, § 112 Rn 61; Heinze, DB 74, 1814,(1819). »74 BAG vom 27.10.87, AP Nr. 41 zu § 112 BetrVG 1972; GK-Fabricius, §§ 112, 112a Rn 107; Galperin/Löwisch, § 112 Rn 24a; Fitting/A uffarth/Kaiser/H either, §§ 112, 112a Rn 3 Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 112 Rn 93; Däubler, §§ 112, 112a Rn 88; Fuchs, Der Sozialplan, S. 31; Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S. 395; Hanau, ZfA 74, 89(104). 1?

D. Der Sozialplan

140

Außerdem verbiete sich der Erst-recht-Schluß der Gegenansicht wegen der unterschiedlichen Funktion von Sozialplan und Nachteilsausgleich. Der herschenden Meinung ist zuzustimmen. Gegen eine Obergrenze entsprechend § 10 KSchG spricht schon die Entstehungsgeschichte des Betriebsverfassungsgesetzes 1972. Den durch den Bundesrat eingebrachten Vorschlag, die für den Nachteilsausgleich geltende Obergrenze auch auf von der Einigungsstelle aufgestellte Sozialpläne auszudehnen 175 , hatte die Bundesregierung ausdrücklich als unausgewogen zurückgewiesen 176 . Das Gegenargument, daß die Sozialplanabfindung ohne Sanktionscharakter erst recht eine Höchstgrenze haben müsse, wenn bereits die Abfindung mit Sanktionscharakter eine solche habe, verkennt die unterschiedliche Bedeutung von Sozialplan und Nachteilsausgleich. Während § 113 BetrVG als Sanktion verhindern soll, daß der Unternehmer von einem Interessenausgleich abweicht oder eine Betriebsänderung ohne Beteiligung des Betriebsrats durchfuhrt, soll der Sozialplan tatsächlich fur die Arbeitnehmer entstehende Nachteile ausgleichen und somit die sozialen Folgelasten der Betriebsänderung internalisieren. Begrenzt wird dieser Ausgleich ausschließlich durch das Kriterium der wirtschaftlichen Vertretbarkeit. Der Schluß, der Unternehmer würde ohne Obergrenze bei Sozialplänen dazu verleitet, die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats zu mißachten geht fehl, da der Unternehmer dadurch nicht bessergestellt wird. Mißachtet er die §§ 111, 112 BetrVG, so trifft ihn neben der Sanktion des § 113 BetrVG zusätzlich die Verpflichtung zur Aufstellung eines Sozialplans 177 . Festzuhalten bleibt demnach, daß das Betriebsverfassungsgesetz für die vom Unternehmer auszugleichenden wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer keine absolute Höchstgrenze enthält.

c) Wirtschaftliche

Vertetbarkeit

und Unternehmensinsolvens

Unbestritten gelten die §§ 111 - 113 BetrVG auch im Konkurs des Unternehmens uneingeschränkt. Äußerst umstritten war jedoch die Frage, wie Sozialplanleistungen konkursrechtlich zu behandeln sind 1 7 8 . Untrennbar damit

175 BR-Drucks. 715/1/70, S. 16; BT-Drucks. VI/1786, S. 66. Zu BT-Drucks. VU1786, Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, S. 2. 177 Galperin/Löwisch, § 112 Rn 24a; Hanau, ZfA 74, 89(104); ein solcher Anreiz besteht selbst dann nicht, wenn man wie Fabricius 0GK-Fabricius, §§ 112, 112a Rn 110) bei der Aufstellung des Sozialplans Leistungen im Rahmen eines Nachteilsausgleichs anrechnet

III. Das Sozialplanvolumen

141

verbunden ist die Frage nach der angemessenen Beachtung der Gläubigeransprüche und damit auch der wirtschaftlichen Vertretbarkeit des Sozialplans im Konkurs. Die vor allen Dingen durch eine wechselnde Rechtsprechung 179 ausgelöste Unsicherheit beseitigte der Gesetzgeber durch das Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren vom 20. Februar 1985. Dieses wurde jedoch von dem Inkrafttreten des Bundesrechts im Beitrittsgebiet nach Art. 8 des Einigungsvertrags ausgenommen 180 . Statt dessen gilt im Beitrittsgebiet bis zur Ablösung durch die neue Insolvenzordnung die Gesamtvollstreckungsordnung vom 6. Juni 1990 in der Fassimg vom 23. Mai 1991. Trotz Vergleichbarkeit der jeweiligen Regelung zu Sozialplanansprüchen in den beiden Gesetzen soll auf diese getrennt unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Vertretbarkeit eingegangen werden.

aa) SozplKonkG Das SozplKonkG setzt die uneingeschränkte Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetz auch im Konkurs des Unternehmens voraus 1 8 1 . Auch der Sozialplan bleibt im Fall von Betriebsänderung erzwingbar, durch das SozplKonkG werden Sozialpläne, die nicht früher als drei Monate vor Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens oder danach aufgestellt werden, sowohl absolut als auch relativ begrenzt 182 . Absolut wird der nach Eröffnung des Konkursverfahrens aufgestellte Sozialplan nach § 2 SozplKonkG dadurch begrenzt, daß seine Wirksamkeit davon abhängt, daß sein Volumen den Gesamtbetrag von bis zu zweieinhalb Monatsverdiensten der von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer nicht überschreitet 183 . § 4 SozplKonkG stellt 178 Grundlegend Richardi, Sozialplan und Konkurs, 1975; Beuthin, RdA 1976, 147 ff; ders. Sozialplan und Unternehmensverschuldung, 1980; Dorndorf, Sozialplan im Konkurs, 1978. 179 Nachdem der Große Senat des BAG 1978 inrichterlicher Rechtsfortbildung Sozialplanansprüche ein Vorrecht vor den nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO bevorrechtigten Forderungen eingeräumt hatte (sog Rang "null"; AP Nr. 6 zu § 112 BetrVG 1972), wurde dieser Beschluß vom Bundesverfassungsgericht durch Beschluß vom 19.10.83 als mit der Verfassung für unvereinbar erklärt (BVerfGE 65, 182). Daraufhin behandelte das BAG Sozialplanansprüche als Konkursforderungen mit dem Rang des § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO (AP Nr. 23 zu § 112 BetrVG 1972). Ausführlich Spinti, Sozialplan und Nachteilsausgleich bei Insolvenz, S. 16 ff. 180 EVtr, Anlage I, Kapitel III, Sachgebiet A, Abschnitt I Nr. 5. 181 Fitting/A uffarth/Kaiser/Heither,, Anhang 3a, SozplKonkG § 1 Rn 7. 182 Einzelheiten bei GK-Fabricius, §§ 112, 112a Rn 154ff; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, Anhang 3 a; Balz, Das neue Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren, S. 45 ff; Spinti, Sozialplan und Nachteilsausgleich bei Insolvenz, S. 60 ff. 183 Sozialpläne, die vor Konkurseröffnung aufgestellt werden, können dieser Schranke nicht unterliegen. Um eine Gleichstellung der später als drei Monate vor Antragstellung aufgestellten Sozialpläne zu erreichen, werden diese nach § 3 SozplKonkG in dem Ober den Rahmen des § 2 Sozpl-

142

D. Der Sozialplan

die nach den §§ 2, 3 SozplKonkG wirksamen Sozialplanforderungen unter den Rang des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO, wobei für eine Berichtigung der Forderungen nicht mehr als ein Drittel der für die Verteilung an die Gläubiger zur Verfugung stehenden Masse verwendet werden darf. Dadurch erhält der Sozialplan im Konkurs eine relative Begrenzung 184 . Mit Einfuhrung des SozplKonkG hat der Gesetzgeber das Ärgernis aus der Welt geräumt, daß Arbeitnehmer im Konkurs oft leer ausgingen, weil dem Gesetzgeber bei der Abfassung der Konkursordnung im Jahr 1877 das Institut des Sozialplans noch nicht bekannt w a r 1 8 5 . Mit der Begrenzung der Ansprüche aus einem Sozialplan wollte er indes nicht nur die Interessen der Konkursgläubiger angemessen berücksichtigen. Er hat damit auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit fur das Unternehmen geachtet. Denn je höher die Wahrscheinlichkeit ist, daß Gläubiger im Falle eines Konkurses wegen hoher Sozialpläne leer ausgehen, desto eher und nachdrücklicher werden sie auf die Begleichung ihrer Forderungen drängen 1 8 6 . Dadurch wird das Unternehmen unter Umständen in den Konkurs getrieben, obwohl es überlebensfähig gewesen wäre. Durch die abstrakte Begrenzimg des Sozialplanvolumens im Konkurs wird die wirtschaftliche Vertretbarkeit eines zukünftigen Sozialplans sichergestellt, im Interesse der Gläubiger, aber auch der Arbeitnehmer und Unternehmenseigentümer. Über die abstrakte Begrenzung durch das SozplKonkG hinaus muß auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit im konkreten Fall geachtet werden. Mit dem Konkurs ist nicht automatisch die Auflösung des Unternehmens verbunden. Oft besteht die Möglichkeit, das Unternehmen oder einzelne Betriebe zu veräußern; diese Möglichkeit darf nicht durch zu hohe Sozialpläne ausgeschlossen werden 1 8 7 .

bb) Gesamtvollstreckungsordnung Für Sozialplanansprüche entspricht die Regelung der Gesamtvollstreckungsordnung weitestgehend der des SozplKonkG. Auch § 17 Abs. 3 Nr. KonkG hinausgehenden Umfang den Konkursgläubigem gegenüber relativ unwirksam, Fitting/ A uffarth/Kaiser/Heither, Anhang 3 a, § 3 SozplKonkG Rn 2. 184 Da der Gesamtbetrag von zweieinhalb Monatsverdiensten der von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer in der Regel mehr als ein Drittel der Konkursmasse betragen wird, dürfte § 4 SozPIKonkG die tatsächlich wirksame Obergrenze darstellen; Schellhaaß, ZfA 89, 167(203), m.w.N. 185 vgl. hierzu BT-Drucks. 10/2129, S. 6. 1 86 Schellhaaß, ZfA 89, 167(203). 187 v. Hoyningen-Huene, RdA 86, 102(114); a.A. Dietz/Richardi, § 112 Rn 99; Beuthin, RdA 76, 147(153), eher ablehnend wohl auch GK-Fabricius, §§ 112, 112a Rn 122.

III. Das Sozialplanvolumen

143

1 c) GesO stellt Forderungen aus Sozialplänen unter den ersten Rang und begrenzt das Sozialplanvolumen sowohl relativ als auch absolut. Der Hauptunterschied besteht darin, daß nur nach Eröffnung der Gesamtvollstreckung aufgestellte Sozialpläne unter Rang eins fallen, und daß die absolute Grenze beim Gesamtbetrag von drei Monatsverdiensten der von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer liegt. Daß § 17 Abs. 3 Nr. 1 c) nur von "vom Verwalter vereinbarten Sozialplänen" spricht, ändert nichts daran, daß seine Grenzen auch für den durch Einigungsstellenspruch zustandegekommenen Sozialplan gelten 1 8 8 . Denn der Einigungsstellenspruch ersetzt auch hier nur die Vereinbarung zwischen Betriebsrat und - in diesem Fall - Verwalter. Eine gesetzliche Begrenzung des Verhandlungsspielraums des Verwalters muß in gleichem Maße für die Einigungsstelle gelten.

d) Ergebnis Bei der Frage der wirtschaftlichen Vertretbarkeit eines Sozialplans für das Unternehmen sind neben dem Interesse der verbleibenden Arbeitnehmer am Erhalt ihre Arbeitsplätze die Interessen der Unternehmenseigentümer an einer angemessenen Verzinsung ihres eingesetzten Kapitals zu berücksichtigen. Durch den Sozialplan dürfen deshalb die Wettbewerbsfähigkeit, die Liquidität, die Kreditwürdigkeit und die Rentabilität des Unternehmens nicht gefährdet werden 1 8 9 . Die Interessen der Unternehmensgläubiger werden in der Regel erst im Fall der Insolvenz des Unternehmens berührt sein. In diesem Fall finden sie durch das SozplKonkG und in den neuen Bundesländern durch die GesO Berücksichtigung.

4. Mögliche Faktoren zur Ermittlung der "wirtschaftlichen Vertretbarkeit"

a) Der mit der Betriebsänderung verbundene wirtschaftliche Vorteil für das Unternehmen Nachdem die Obergrenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit eines Sozialplans fur das Unternehmen abstrakt gezogen wurde, sollen abschließend einige 188 Hess/Binz, GesO, § 17 Rn 38; allerdings wird wegen der Begrenzung des Sozialplanvolumens eine Einigung zwischen Verwalter und Betriebsrat in den meisten Fällen Zustandekommen. 189 Ebenso Galperin/Löwisch, § 112 Rn 101; GK-Fabricius, §§ 112, 112a Rn 92; Nick, Konzembetriebsrat und Sozialplan im Konzern, S. 224; Spinti, Sozialplan und Nachteilsausgleich bei Insolvenz, S. 59.

144

D. Der Sozialplan

Faktoren zur Bestimmung dieser wirtschaftlichen Vertretbarkeit genannt werden. Auszugehen ist von dem wirtschaftlichen Vorteil, der für das Unternehmen mit der Betriebsänderung verbunden ist. Der Sozialplan kann seine Steuerungsfunktion nur erfüllen, wenn die Betriebsänderung für den Unternehmer trotz der zu zahlenden Sozialplanleistungen wirtschaftlich sinnvoll beziehungsweise wirtschaftlich vertretbar bleibt. Dabei tritt die Schwierigkeit auf, daß es sich bei den Sozialplanleistungen um eine einmalige Belastung handelt, während der aus der Betriebsänderung resultierende wirtschaftliche Vorteil sich nicht sofort realisiert, anderseits aber auch eine Langzeitwirkung entfaltet. Es wird deshalb sinnvoll sein, wie das BAG danach zu fragen, wie lange der Sozialplan das Greifen der Einsparungen hinausschiebt 190 . Einen verbindlichen Wert wird man hier nicht festlegen können, die Vertretbarkeit für das Unternehmen hängt auch von seiner sonstigen wirtschaftlichen Lage ab. Von den in Bezug auf die wirtschaftliche Lage für das Sozialplanvolumen zu berücksichtigenden Faktoren sollen im folgenden noch einige genannt werden. Die Berücksichtigung weitere Faktoren neben der durch die Betriebsänderung zu erwartenden Ersparnis ist vor allen Dingen deshalb notwendig, weil sich der positive Effekt der Betriebsänderung nur im Betrieb selbst einstellt, bei der wirtschaftlichen Vertretbarkeit aber auf das Unternehmen abzustellen ist. Dieses Unternehmen ist nicht immer mit dem Betrieb identisch, so daß sich seine wirtschaftlihe Lage anders darstellen kann als die des einzelnen Betriebs.

b) Sozialplanerhöhende Faktoren Ein maßgeblicher sozialplanerhöhender Faktor ist der Gewinn des Unternehmens. Dabei ist auf den aktuell zu erwarenden Gewinn abzustellen 191 , der durch die mit der Betriebsänderung verbundenen wirtschaftlichen Vorteile beeinflußt wird. Ebenso zu berücksichtigen ist die Dividenden- und Gewinnausschüttung an Gesellschafter und Aktionäre, denen zuzumuten ist, die mit der Betriebsänderung verbundenen Lasten anteilig zu tragen. Auch die frei verfügbaren Geldbestände des Unternehmens sind einzubeziehen. Fraglich ist, wieweit das sonstige Vermögen des Unternehmens zur Erfüllung von Sozialplanansprüchen herangezogen werden kann. Zwischen 190 BAG vom 27.10.87 AP Nr. 41 zu § 112 BetrVG 1972, hier hielt das BAG die Aufeehr einer "Jahreserspamis" für vertretbar, zustimmend Däubler, §§ 112, 112a Rn 82, Rumpff/Boewer, Mitbestimmung, S. 395. 191 v. Hoyningen-Huene, RdA 86, 102(109).

IV. Das Sozialplanvolumen in Treuhandunternehmen

145

notwendigen und nützlichem Vermögen unterscheidet v. Hoyningen-Huene, der notwendige Vermögenswerte unberücksichtigt lassen will, bei nützlichen Vermögenswerten eine Veräußerung jedoch für zulässig h ä l t 1 9 2 . Dieser Differenzierung ist zuzustimmen. Es wird in der Regel für das Unternehmen wirtschaftlich vertretbar sein, sich von nicht notwendigen Vermögenswerten zum Ausgleich der Nachteile, die den von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmern entstehen, zu trennen. Auch bei den Rückstellungen des Unternehmens ist zu unterscheiden. Sind diese für notwendige Investitionen vorgesehen, können sie bei der Ermittlung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit keine Berücksichtigung finden, da solche Investitionen dem Erhalt der verbleibenden Arbeitsplätze dienen 1 9 3 . Unberücksichtigt müssen auch Rückstellungen für betriebliche Sozialleistungen wie Altersversorgung bleiben, da hieran die einzelnen Arbeitnehmer schon Anwartschaften erworben haben.

c) Sozialplanmindemde Faktoren Wie sich die Gewinne sozialplanerhöhend auswirken, sind Verluste sozialplanmindernt zu berücksichtigen 194 . Gleiches gilt für offenstehende Verbindlichkeiten und Kreditschwierigkeiten im Verhältnis zu den Geldreserven 195 . Entsprechend dem oben Gesagten können Investitionsvorhaben nur sozialplanmindernt berücksichtigt werden, wenn sie als solche notwendig sind. Ansonsten hätte es der Unternehmer in der Hand, durch zusätzliche Investitionsvorhaben die Sozialplanansprüche zu verkürzen 196 .

IV. Das Sozialplanvolumen in Treuhandunternehmen 1. Das zugrundezulegende Vermögen

Grundsätzlich gilt auch in Treuhandbetrieben die in § 112 Abs. 5 BetrVG niedergelegte Regel, daß die Höhe von Sozialplanabfindungen nur durch die

192

V. Hoyningen-Huene,, RdA 86, 102(109); Däubler, §§ 112, 112a Rn 85 v. Hoyningen-Huene, RdA 86, 102(109). 194 Dabei kann nur der tatsächliche Jahresverlust, nicht aber der durch das Unternehmen beeinflußbare Bilanzverlust maßgeblich sein. 195 Einen zu strengen Maßstab legt Targan (AuA 93, 42(44)) an, der bei negativer Vermögensoder Ertragslage die Aufstellung eines Sozialplans für ausgeschlossen hält. 19 * v. Hoyningen-Huene„ RdA 86, 102(108); Däubler, §§ 112, 112a Rn 85. 193

10 Biedenkopf

146

D. Der Sozialplan

auf das jeweilige Unternehmen bezogene wirtschaftliche Vertretbarkeit beschränkt ist. Die Anwendung dieses Grundsatzes in den neuen Bundesländern muß - zumindest bis zum Abschluß der wirtschaftlichen Anpassungsphase insoweit zu unbefriedigenden Ergebnissen führen, als es in der Regel vom Zufall abhängt, ob ein Arbeitnehmer in einem Unternehmen mit guter Finanzausstattung und erheblichem Anlagevermögen oder in einem eher "armen" Unternehmen beschäftigt ist. Aus diesem Grunde ist die Frage, auf welches Vermögen bei der Bemessung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Rahmen der Dotierung eines Sozialplans abzustellen ist, umstritten.

a) Unternehmen Treuhandanstalt

als Bezugsgröße ?

Im Vordergrund steht die Frage, ob bei der Ermittlung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit auf die Leistungsfähigkeit der Treuhandanstalt abzustellen ist. Ein solcher Bemessungsdurchgriff 197 birgt seinen Reiz für die Arbeitnehmer in den neuen Bundesländern darin, daß die Leistungsfähigkeit der Treuhandanstalt unerschöpfbar erscheint 198 . Für den Konzern besteht in der Literatur weitgehend Einigkeit darüber, daß bei Sozialplänen eines Konzernunternehmens die wirtschaftliche Lage des Konzernverbands beziehungsweise der Konzernspitze zu berücksichtigen i s t 1 9 9 . Die Rechtsprechung hat sich diesem Problem noch nicht angenommen. Lediglich im vergleichbaren Fall des § 16 BetrAVG hat das BAG entschieden, daß es wegen der wirtschaftlichen Verflechtung von Konzerngesellschaften bei der Beurteilung der Ertragskraft auf die wirtschaftliche Lage des Konzerns ankommen könne 2 0 0 .

197 Oetker in Rechtshandbuch SystDarst III Rn 308; Konzen (RdA 84, 65(77)) spricht von " BerechnungsdurchgrifF'. 198 Diese Überlegung beruht auf der fehlenden Insolvenzfähigkeit des Staates und damit auch der Treuhandanstalt; Wolter, Treuhandanstalt und Treuhand-Unternehmen, S. 17. Sie läuft aber schon insofern fehl, als die hohe Verschuldung der Treuhandanstalt und ihr dauerhaft negative Bilanz auch eine wirtschaftliche Vertretbarkeit von Sozialplänen für die Treuhandanstalt fraglich erscheinen lassen; ähnliche Kritik äußert Hanau, a.a.O., S. 112. Haushaltsrechtliche Erwägungen finden im übrigen auch in der Rechtsprechung des BAG Berücksichtigung, so z.B. bei der Frage nach der Zulässigkeit einer Befristung von Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst, dazu Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 39 II 8 b). 199 Dietz/Richardi, § 112 Rn 173, Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, §§ 112, 112a Rn 32b; Fu Der Sozialplan, S. 112; Konzen, RdA 84, 65(77); v. Hoyningen-Huene, RdA 111, 102(111); ausführlich Nick, Konzernbetriebsrat und Sozialplan im Konzern, S. 223 ff. 200 BAG vom 14. 2 89 AP Nr. 22 zu § 16 BetrAVG, die Übertragbarkeit dieser Entscheidung auf § 112 BetrVG erscheint jedoch insoweit fraglich, als es anders als bei der Anpassung von Betriebs-

IV. Das Sozialplanvolumen in Treuhandunternehmen

147

aa) Treuhandanstalt und Konzernrecht Die Frage, ob es sich bei der Treuhandanstalt um das herrschende Unternehmen eines Konzerns handelt, war äußerst umstritten 2 0 1 . Dabei ging es jedoch nicht um die Frage des Bemessungsdurchgriffs, sondern um eine Einstandspflicht 202 der Treuhandanstalt für die Sozialpläne ihrer Beteiligungsunternehmen 203 . Im Rahmen des 2. VermRÄndG hat der Gesetzgeber diese Frage verneint. Durch die Einfügung des § 28a in das Ergänzungsgesetz zum Aktiengesetz wurde klargestellt, daß die Vorschriften des Aktiengesetzes über herrschende Unternehmen auf die Treuhandanstalt nicht anzuwenden s i n d 2 0 4 .

bb) Kein Bemessungsdurchgriff ohne Haftungsdurchgriff Aus der Tatsache, daß die Treuhandanstalt für die in ihren Beteiligungsunternehmen aufgestellten Sozialpläne keine Einstandspflicht trifft, kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, daß bei der Bemessung solcher Sozialpläne nicht trotzdem auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit für die Treuhandanstalt abgestellt werden darf. Allerdings müssen diese beiden Fragen durchaus im Zusammenhang gesehen werden. Auf die Leistungsfähigkeit eines anderen als des Einzelunternehmens kann es nur ankommen, wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Einzel-

renten nicht um die Überprüfung eines festen Anspruchs, sondern um die Begründung eines Anspruchs im Rahmen des Ermessensspielraums in § 112 Abs. 5 BetrVG geht, Konzen, RdA 84, 65(77). 201 ausführlich Busche in Rechtshandbuch, Β 200, § 1 TreuhG Rn 31 ff. m.w.N.; Weimar/Alfes, ZIP 91, S. 1529 ff. 202 Zur Unterscheidung zwischen Haftungs- und Bemessungsdurchgriff siehe: Wolter, Treuhandanstalt und Treuhand-Unternehmen, S. 16. 203 Eine solche Einstandspflicht bejahen Weimar/Alfes, ZIP 91, 1529; KreisG Erfurt, Urteil vom 29.7.91 (nicht rechtskräftig), abgednicks in ZIP 91, 1233 ff; Weisemann, AuA 92, 41(42); ablehnend Oetker in Rechtshandbuch, SystDarst III Rn 316. 204 In der Begründung zu § 28a EGAktG (BT-Drucks. 12/2944, S.66) heißt es: "Es ist in der Rechtswissenschaft umstritten, ob die Treuhandanstalt als herrschendes Unternehmen Konzerns anzusehen ist. Diese Frage hat wegen der Haftungsrisiken, die bei einer Beja aufgrund des Konzernrechts för die Treuhandanstalt und damit letztlich för die öffentlich entstehen könnten, außerordentliche Bedeutung. Der Treuhandanstalt sind durch Gesetz A zugewiesen, deren Erfüllung sich von der Betätigung eines Unternehmens oder auch eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers als herrschendes Konzernunternehmen grund unterscheidet Deshalb soll durch Satz 1 gesetzlich klargestellt werden, daß die Vorschri Aktiengesetzes über herrschende Unternehmen auf die Treuhandanstalt nicht anzuwenden Aus dieser Begründung und dem Wort "klarstellen" ergibt sich, daß § 28a EGAktG deklaratorische Bedeutung hat, die Treuhandanstalt also auch vor Erlaß des 2. VermRÄndG kein herrschendes Unternehmen war. Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich § 28 a EGAktG äußert Weimar, VIΖ 93, 47(49).

148

D. Der Sozialplan

Unternehmens nicht ausreicht, um die wirtschaftlichen Nachteile, die den von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmern entstehen, auszugleichen. In einem solchen Fall auf die Vertretbarkeit für ein übergeordnetes Unternehmen abzustellen und dadurch den finanziellen Rahmen des Sozialplans zu erweitern, wäre nur dann sinnvoll, wenn dieses Oberunternehmen für den erweiterten Sozialplan anschließend auch einzustehen hätte 2 0 5 . Andernfalls würde man dem Einzelunternehmen Leistungen abverlangen, die seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit doch gerade überfordern, wodurch unter Umständen die verbleibenden Arbeitsplätze gefährdet würden. Darin läge ein Verstoß gegen § 112 Abs. 5 B e t r V G 2 0 6 .

cc) Das Fehlen konzerntypischer Risiken Dieses Ergebnis wird für Treuhandunternehmen bestätigt, wenn man nach dem Grund für einen Bemessungsdurchgriff fragt. Die wirtschaftliche Vertretbarkeit eines Sozialplans ist in einem konzernfreien Unternehmen von dessen finanzieller Gesamtlage abhängig, insbesondere auch vom erzielten Gewinn. Diese wirtschaftliche Gesamtlage wird beim abhängigen Unternehmen durch die Konzernführung beeinflußt. Die Beeinflussung des abhängigen Unternehmens durch die Konzernspitze stellt für die Arbeitnehmer ein konzernspezifisches Risiko dar, daß bei der Aufstellung des Sozialplan zu berücksichtigen i s t 2 0 7 . Allerdings kann die Konzernzugehörigkeit nur im Rahmen ihres Einflusses berücksichtigt werden, das heißt, es ist danach zu fragen, wie das abhängige Unternehmen dastehen würde, wenn es als ein unabhängiges geführt worden wäre 2 0 8 . In Treuhandunternehmen wird die finanzielle Gesamtlage aber nicht durch die Treuhandanstalt in konzerntypischer Weise zum Beispiel durch Gewinnabführungsverträge - negativ beeinflußt. Im Gegenteil erhalten gerade die wirtschaftlich schwachen Unternehmen erhebliche Unterstützungsleistungen wie Liquiditätskredite oder Ausgleichszahlungen.

205

Für den einfachen faktischen Konzern z.B.folgt das aus § 311 AktG. Diesen Zusammenhang sieht auch v. Hoyningen-Huene, RdA 86, 102(111); a.A. offenbar Hanau, Sozialverträgliche Gestaltung, S. 112. 207 Konzen, RdA 84, 65(77); v. Hoyningen-Huene, RdA 86,102(113). 208 Konzen, RdA 84, 65(77); v. Hoyningen-Huene, RdA 86, 102(113), der konsequenterweise Investitionen des herrschenden Unternehmens, für die keine rechtliche Verpflichtung bestand, sozialplanmindemt berücksichtigen will. 206

IV. Das Sozialplanvolumen in Treuhandunternehmen

149

Stellt sich der Einfluß der Treuhandanstalt fur ein Unternehmen bzw. die betroffenen Arbeitnehmer doch negativ dar, so ist dies nicht Ausfluß des konzerntypischen Risikos, sondern des gesetzlichen Auftrags der Treuhandanstalt. Nach § 2 Abs. 6 TreuhG soll diese zum Zwecke der Privatisierung und Sanierung Einfluß auf die Unternehmen ausüben, im Gegensatz zur üblichen Konzernlage ist die Fremdbestimmimg gewollt 2 0 9 . Wenn aber das, was das Konzernrecht verhindern will, gewollt ist, so muß bei der Lösung des Zielkonflikts zwischen Treuhandauftrag und Arbeitnehmerinteressen das Konzernrecht zurücktreten 210 .

dd) Ergebnis Da ein Bemessungsdurchgriff nur zulässig sein kann, wenn auch eine Einstandspflicht besteht, und diese Einstandspflicht für die Treuhandanstalt gesetzlich ausgeschlossen ist, ist bei der Aufstellung von Sozialplänen in Treuhandunternehmen ein Bemessungsdurchgriff nicht zulässig. Ein solcher ist wegen der fehlenden konzernspezifischen Risiken auch nicht erforderlich bzw. zulässig.

b) Die zu berücksichtigenden

Vermögenswerte

Grundsätzlich ist bei der Dotierung von Sozialplänen in Treuhandunternehmen genauso auf die wirtschaftliche Gesamtlage abzustellen wie in anderen Unternehmen 211 . Gegen die Anwendung dieser Grundsätze auch auf Unternehmen, die in der Planwirtschaft hinsichtlich Ausstattung mit Kapital und Anlagevermögen begünstigt worden waren, wird eingewandt, Vermögenswerte, die Unternehmen unentgeltlich erlangt hätten, dürften keine Berücksichtigimg finden212. Dieser Einwand läuft indes leer. Durch die §§ 24, 25 DMBilG wird dem Umstand Rechnung getragen, daß sowohl die Überschuldung als auch die großzügige Kapitalausstattung der ehemaligen volkseigenen Betriebe vielfach ihre Ursache in Umständen haben, die außerhalb des Einflußbereichs des Unternehmens liegen. Durch Ausgleichsverbindlichkeiten und -forderungen der betreffenden Unternehmen, auszuweisen in der Eröfif209 Schuppen, ZGR 92, 454(470). 21° Schuppert, ZGR 92, 454(471). 21 1 Siehe dazu die oben unter D.III.3. 212 So argumentierte die Treuhandanstalt in dem Verfahren vor dem KreisG Erfurt, ZIP 91, 1233(1245); Bedenken äußert auch Hanau, Sozialverträgliche Gestaltung, S. 113.

150

D. Der Sozialplan

nungsbilanz, soll erreicht werden, daß es zu einem Ausgleich innerhalb des früher "volkseigenen" Vermögens kommt, ohne daß dadurch der Staatshaushalt zusätzlich belastet w i r d 2 1 3 . Wenn aber ein Unternehmen für seine besonders gute Vermögensausstattung Ausgleich zu leisten hat, kann diese bei der Aufstellung von Sozialplänen keine Berücksichtigung finden214. Schwierigkeiten ergeben sich nur dort, wo ein Unternehmen als nicht sanierungswürdig eingestuft und deshalb aufgelöst wird. In einem solchen Fall sind nach § 25 Abs. 5 DMBilG Beteiligungen oder Immobilien, die nach § 11 Abs. 2 Satz 2 TreuhG unentgeldlich auf das Unternehmen übergegangen sind, an die Treuhandanstalt zu übertragen. Hier stellt sich die Frage, ob diese Vermögenswerte bei der Aufstellung des Sozialplans nicht doch Berücksichtigung finden können 2 1 5 . Unter Zugrundelegung des Rechtsgedankens von §§ 24, 25 DMBilG wird man das verneinen müssen. Denn danach sollen die im planwirtschaftlichen System eher zufällig zugeteilten Vermögenswerte nicht bei den Unternehmen verbleiben, sondern der Treuhandanstalt zur Erfüllung ihrer Aufgaben, insbesondere der Sanierung und Privatisierung der ehemals volkseigenen Betriebe, dienen 2 1 6 . Im Unternehmen verbleiben und damit bei der Sozialplandotierung berücksichtigt werden können nur solche Vermögenswerte, die das Unternehmen erwirtschaftet hat.

2. Leistungen der Treuhandanstalt als sozialplanmindernder Faktor

a) Arten der Leistungen Die Treuhandanstalt gewährt ihren Unternehmen eine Reihe von Leistungen. Zu den wichtigsten gehören die Liquiditätskredite, Schuldendiensthilfen und die Übernahme von Bürgschaften. Zum einen soll damit die Überlebensfähigkeit der Unternehmen bis zur Prüfung der Sanierungsfähigkeit gewahrt werden 2 1 7 , zum anderen sollen die sanierungsfähigen Unternehmen

213 Stern/Schmidt-Bleibtreu, Verträge und Rechtsakte, Band II, S. 911; KreisG Erfurt, ZIP 91, 1233(1245). 2 4 » Welter, DWiR 92, 268(270). 215 Das bejahen Weisemann, AuA 92,41(42)\ Däubler, AiB 91,322(324). 216 Stern/Schmidt-Bleibtreu, Verträge und Rechtsakte, Band II, S. 912; die Notwendigkeit der Übertragung solcher Vermögenswerte sieht auch das KreisG Erfurt (ZIP 91, 1233(1245)) das hier versucht, über § 419 BGB (Vermögensübernahme) zu einer Einstandspflicht der Treuhandanstalt zu kommen. 2X1 Balz, VIZ 92, 41(43).

IV. Das Sozialplanvolumen in Treuhandunternehmen

151

die Möglichkeit erhalten, eine Ausgangsposition zu erreichen, die ihnen die Teilnahme am Wettbewerb überhaupt erst möglich macht.

b) Leistungen der Treuhandanstalt

als Subventionen

Durch die Treuhandanstalt gewährte Kredite wird man schon deshalb sozialplanmindernt zu berücksichtigen haben, weil sie fur das Unternehmen zu entsprechenden Verbindlichkeiten fuhren 2 1 8 . Leistungen seitens der Treuhandanstalt an ihre Unternehmen würden eine solche Wirkung zusätzlich auch dann entfalten, wenn sie Subventionen darstellten. Denn grundsätzlich wird man Subventionen, die ein Unternehmen bezieht, sozialplanmindernd berücksichtigen müssen. Schon die Notwendigkeit von Subventionen zeigt, daß das Unternehmen bereits ohne Sozialplan die Grenze seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erreicht h a t 2 1 9 . Würde man Subventionen bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit berücksichtigen, hätte letztlich die Allgemeinheit die Kosten des Sozialplans zu tragen, und das Kriterium der wirtschaftlichen Vertretbarkeit würde sinnentleert 220 . Fraglich ist jedoch, ob die Leistungen der Treuhandanstalt an ihre Unternehmen den Rechtscharakter von Subventionen haben. Zwar wird insbesondere seitens der Treuhandanstalt immer wieder angeführt, hier handele es sich um bloße Zahlungen des Gesellschafters an ein Unternehmen, die rein privatrechtlich zu beurteilen seien 2 2 1 , doch kann dies angesichts der Rechtsform der Treuhandanstalt und ihres Auftrages nicht so verkürzt gesehen werden. Schon das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligungsunternehmen und der Treuhandanstalt ist umstritten, es wird sowohl dem öffentlichen als auch dem privaten Recht zugeordnet 222 . Unstreitig hat die Treuhandanstalt einen öffentlichen Auftrag. Sie dient der Privatisierung und Verwertung des volkseigenen Vermögens nach den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft 223 . Vergibt sie an Beteiligungsunter218

s.o. D.III. 4. c). 219 v. Hoyningen-Huene, RdA 86, 102(109). 220 Beuthin, Sozialplan und Untemehmensverschuldung, S. 80; v. Hoyningen-Huene, RdA 86, 102(108). 221 HB vom 21.4.92, S. 3. 222 Für das öffentliche Recht spricht sich Horn (Das Zivil und Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet, S.385) aus, a.A. Kerber, DWiR 92, S.93 fif. 223 § 2 Abs. 1 Satz 2 TreuhG.

152

D. Der Sozialplan

nehmen Kredite, so tut sie dies im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags als Maßnahme der Strukturanpassung 224 oder der Sanierung 225 . Schon aus diesem Grunde kann eine Kreditgewährung durch die Treuhandanstalt nicht mit der zwischen privatrechtlichen Konzerngesellschaften verglichen werden 2 2 6 . Hinzu kommt die Tatsache, daß die Bilanz der Treuhandanstalt am Ende eine negative sein w i r d 2 2 7 , so daß es auch um die Verwendung von Steuergeldern geht.

aa) Subventionsbegriff Auszugehen ist vom Subventionsbegriff. Eine Definition des Begriffs Subvention im wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Sinne existiert nicht, was auch darauf zurückzuführen ist, daß das Subventionsrecht bisher keine abschließende Normierung erfahren hat. Eine Legaldefinition enthält allerdings § 264 Abs. 6 StGB: "Subvention im Sinne dieser Vorschrift ist eine Leistung aus öffentlichen Mitteln nach Bundes- oder Landesrecht oder nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaften an Betriebe oder Unternehmen, die wenigstens zum Teil 1. ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt wird 2. der Förderung der Wirtschaft dienen soll. Betrieb oder Unternehmen im Sinne des Satzes 1 ist auch das öffentliche Unternehmen."

Diese strafrechtliche Definition wird von Teilen der Lehre auch für den wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Subventionsbegriff herangezogen 228 . Um diese Definition herum existieren eine Reihe weiterer, die vom strafrechtlichen Subventionsbegriff ausgehend diesen einschränken oder erweitern 229 . Diese darzustellen und zu diskutieren kann nicht Aufgabe dieser Arbeit sein.

224 §§ 2 Abs. 6; 5 Abs.l TreuhG. 225 § 2 Abs. 6,7 TreuhG. 226 Die Liquiditätskredite sind selbst nach Ansicht desfrüheren Rechtsdirektors der Treuhandanstalt Balz nicht mit durch den gewöhnlichen Gesellschafter gewährten Krediten zu vergleichen, VIZ 92, 41(43). 227 s.o. A.II. 2.a). 228 Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 110 II 2, S.1224. 229 Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 110 II 2, S.1224 m.w.N.

IV. Das Sozialplanvolumen in Treuhandunternehmen

153

Im folgenden soll deshalb von dem eher engen, an die Definition des § 264 Abs. 6 StGB angelehnten Subventionsbegriff Bachofs ausgegeangen werden. Danach sind Subventionen Vermögenswerte Zuwendungen, die ein Träger öffentlicher Verwaltung privaten Unternehmen unmittelbar oder durch Dritte unentgeltlich gewährt, um sie instandzusetzen, öffentlichen Bedürfhissen zu entsprechen 230 .

bb) Subsumtion Die Treuhandanstalt ist eine bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts, so daß die Zahlungen an die Treuhandunternehmen durch einen Träger öffentlicher Verwaltung erfolgt. Die Treuhandunternehmen ihrerseits sind juristische Personen des Privatrechts. Fraglich erscheint, ob sie schon dadurch das Kriterium des "privaten Unternehmens" erfüllen. So ist umstritten, ob Unternehmen, die zwar privatrechtlich verfaßt sind aber der öffentlichen Hand gehören, Empfänger von Subventionen sein können. So wird dies von einer Meinung mit der Begründung abgelehnt, auch privatrechtlich organisierte Gesellschaften seien ihrem öffentlich-rechtlichen Trägern zuzurechnen, so daß sie schon begrifflich nicht die Eigenschaft eines Subventionsempfängers besitzen könnten 2 3 1 . Zum gegenteiligen Ergebnis kommt Bleckmann für den Fall, daß der Staat eine über die aus dem Gesellschaftsverhältnis resultierenden Verpflichtungen hinausgehende Leistung gewährt 2 3 2 . Dieser wirkungsbezogenen Betrachtungsweise von Bleckmann ist zuzustimmen. Von der Korrektur- und Lenkungsfunktion der Subvention her gesehen macht es keinen Unterschied, ob sie einem Privatunternehmen oder einem Unternehmen der öffentlichen Hand zufließt. Die Wirkung ist in beiden Fällen die gleiche. Die Leistung wird auch an die Treuhandunternehmen bewirkt 2 3 3 . Weiter ist der Zweck der Leistungen in einem öffentlichen Interesse begründet. Die 230 Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Band III, § 154 I a, S.302\ Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17 Rn 5, S. 394. 231 Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 110 II 1, S. 1222; Wolff7Bachof, Verwaltungsrecht, Band III, § 154 la, S.303, allerdings einschränkend. 232 Bleckmann, Subventionsrecht, § 1 4b, S. 14. 233 Das gilt sogar für die an die Unternehmen gezahlten Zweckzuwendungen (s.u. D.V.2.). Zwar sollen die Zweckzuwendungen an zu entlassende Arbeitnehmer ausgezahlt werden, doch werden sie damit noch nicht zu Transferzahlungen. Unabhängig von der Frage, ob solche Transferzahlungen auch unter den Subventionsbegriff fallen (das bejaht Bleckmann, Subventionsrecht, § 1 4c), S. 15), handelt es sich hier nicht um solche. Die Unternehmen erhalten die Zweckzuwendungen zwar zur Erfüllung

154

D. Der Sozialplan

Liquiditätskredite sollen den betreffenden Unternehmen befristet die Überlebensfähigkeit sichern. Sie erfüllen damit klassische Subventionszwecke 234 . Die Leistungen erfolgen auch unentgeltlich, eine Gegenleistung wird nicht erbracht. Zwar werden die Liquiditätshilfen grundsätzlich als Kredite gewährt, doch liegt deren Sinn, wenn es sich nicht sogar um verlorene Zuschüsse handelt, darin, daß sie sich von marktmäßigen Krediten in der Weise unterscheiden, daß sie für das Unternehmen mit Vorteilen verbunden sind 2 3 5 . Der Subventionseffekt der Übernahme von Bürgschaften liegt in der Regel darin, daß nur so die Finanzierung überhaupt sichergestellt werden kann oder aber die Bedingungen für die Bürgschaftsübernahme Vorteile enthalten 236 .

cc) Ergebnis Leistungen der Treuhandanstalt wie Liquiditätskredite oder Bürgschaften haben Subventionscharakter. Bei der Bemessung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit eines Sozialplans dürfen sie schon aus diesem Grund keine Berücksichtigung finden.

c) Leistungen der Treuhandanstalt

und Unternehmensinsolvenz

Nach §§ 32a, b GmbHG hat ein Gesellschafter, welcher der Gesellschaft zu einem Zeitpunkt ein Darlehen gewährt, in dem die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute stattdessen Eigenkapital zugeführt hätten, im Konkurs der Gesellschaft keinen Anspruch auf Rückgewähr eines solchen Darlehens. Wegen dieser Vorschriften stand die Treuhandanstalt vor dem Problem, bei Sanierungshilfen in Form von Krediten an ein schließlich doch nicht zu sanierendes Unternehmen zugunsten der Gläubiger ihren RückZahlungsanspruch zu verlieren.

von Sozialplanansprüchen, doch sind sie in der weiteren Gestaltung und Verfügung frei. Etwas anderes würde gelten, wenn die Treuhandanstalt die Zweckzuwendungen direkt an die berechtigten Arbeitnehmer auszahlen würde. Nach Ansicht von Wolff/Bachof (Verwaltungsrecht, Band III, S. 304) würde es sich dann um eine sozialpolitische Leistung und damit um eine Sozialleistung handeln. 234 Wolff/Bachofy Venvaltungsrecht, Band III, S. 304 . 235 Dickertmann, Öffentliche Finanzierungshilfen, S. 50; Wolff/Bachof Verwaltungsrecht, Band III, S. 306 Rn 11. 236 Dickertmann, öffentliche Finanzierungshilfen, S. 58; Wolff/Bachof Verwaltungsrecht, Band III, S. 306 Rn 12.

V. Die Sozialplanpraxis der Treuhandanstalt

155

Durch die Ergänzung des DMBilG um den § 56e im Zuge des 2. Vermögensrechtsänderungsgesetzes237 ist diese Gefahr verringert worden. Danach sind die §§ 32a, b GmbHG nicht anzuwenden auf Kredite, die vor dem 30. Juni 1990 aufgenommen worden sind oder auf solche, die die Treuhandanstalt der Gesellschaft gewährt hat. Letzteres gilt nach § 56e Satz 2 DMBilG nur für Kredite, die vor einer Neufestsetzung der Kapitalverhältnisse gewährt worden s i n d 2 3 8 . Da das Sozialplanvolumen im Insolvenzfall durch die zur Verfügung stehende Masse relativ begrenzt w i r d 2 3 9 , führt die Regelung des § 56e DMBilG für die betroffenen Arbeitnehmer in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle zu einer Verringerung der zu erwartenden Sozialplanabfindung, wenn die Treuhandanstalt die durch sie gewährten Kredite zurückverlangt.

V. Die Sozialplanpraxis der Treuhandanstalt 1. Mangelnde Berücksichtigung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit von Sozialplänen in den Treuhandunternehmen

Schon sehr früh wurde in den neuen Bundesländern deutlich, daß der Mehrzahl der Treuhandunternehmen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Aufstellen von Sozialplänen fehlte 2 4 0 . Trotzdem kam es immer wieder zum Abschluß von Sozialplänen, die relativ hohe Abfindungen für ausscheidende Mitarbeiter vorsahen 241 . Dies wurde dadurch begünstigt, daß in den Treuhandunternehmen oft nicht der übliche Gegensatzes zwischen Eigentümer· und Arbeitnehmerinteressen herrschte 242 , sondern eine Art Solidarpakt gegen die Treuhandanstalt geschlossen wurde, begünstigt durch den Glauben, die Treuhandanstalt werde schon für die Forderungen einstehen 243 . Diese

237

BGBl I 1992, S. 1257(1284). Da §§ 32a, b GmbHG im Bereich der Aktiengesellschaft entsprechend zur Anwendung kommen, gilt der Ausschluß des § 56e DMBilG auch für die Treuhand-AGs. Für Einzelheiten siehe Weimar, VIZ 93, 47(48), der wie bei § 28a EGAktG verfassungsrechtliche Zweifel äußert 23 * s.o. D.IIL3.C) bb). 240 Das zuständige Direktorat der Treuhandanstalt geht davon aus, daß der Anteil der Unternehmen, fur welche Sozialplanleisungen wirtschaftlich vertretbar gewesen wären, bei unter 10 % liegt 241 Nach Auskunft der Treuhandanstalt kam es 1990 zu einzelnen Sozialplänen, die Abfindungen von bis zu 90.000,- DM vorsahen; siehe auch Der Spiegel Heft 10/91, S. 124. 242 s.o. C.I.5. 243 Balz, VIZ 92; 41(45); das KreisG Erfurt spricht in diesem Zusammenhang von der Möglichkeit, daß "betriebliche Seilschaften" zum Nachteil der Treuhandanstalt handeln, ZIP 91, 1233(1246). 238

156

D. Der Sozialplan

Situation führte unter anderem dazu, daß in Sozialplänen häufig Leistungen auch fur Geschäftsführer und leitende Angestellte vorgesehen wurden 2 4 4 . In einem Rundschreiben an die Unternehmen wies die Treuhandanstalt deshalb bereits im Dezember 1990 darauf hin, daß sie die Verantwortung für die Finanzierung von Sozialplänen ablehne 245 .

2. TarilVertragliche Regelung

Wegen der damals noch ungeklärten Fragen nach dem Haftungsdurchgriff für Sozialpläne und dem Bemessungsdurchgriff herrschte in dieser Phase eine große Unsicherheit in den Betrieben, aber auch bei der Treuhandanstalt. Um auf wirtschaftlich vertretbare Sozialpläne hinzuwirken, aber auch um die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer ausreichend zu berücksichtigen, unternahm die Treuhandanstalt den Versuch einer tarifvertraglichen Regelung der Sozialplanansprüche. Für den Bereich der Handelsbetriebe gründete sie eine eigenständige Tochtergesellschaft, die Gesellschaft zur Privatisierung des Handels mbH (GPH). Diese regelte als Vertreter der einzelnen Gesellschaften die Sozialplanabfindungen mit der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen tarifVertraglich. Der im Januar 1991 geschlossenen Tarifvert r a g 2 4 6 enthält eine Berechnungsformel für Sozialplanansprüche und bestimmt Auszahlungsmodalitäten. Unabhängig von der Frage nach der Wirksamkeit dieses Tarifvertrages 247 konnte ein solches Vorgehen wegen § 112 Abs. 1 S. 4 BetrVG keinen Erfolgt haben. Nach dieser Regelung sind Sozialpläne vom Tarifvorrang des § 77 Abs. 3 BetrVG freigestellt 248 . In den betroffenen Unternehmen konnten deshalb trotz des Tarifvertrages Sozialpläne aufgestellt werden, die über die tarifvertragliche Regelung hinausgingen 249 .

244 Balz, VIZ 92; 41(45). 245 FAZ vom 29.1.91, S. 15. 246 Unveröffentlicht. 247 Die Wirksamkeit lehnen mangels Tarifvertragsfähigkeit der GPH bzw. der Treuhandanstalt ab: KreisG Erfurt, ZIP 91, 1233(1244); Weimar/Alfes, ZIP 91, 1529(1530). 248 FMng/AuffarXh/Kaiser/Heither, § 77 Rn 65ff.; GK-Fabricius, § 77 Rn 78 ff. 249 Allgemein Fitting/Aujfarth/Kaiser/Heither, §§ 112, 112a Rn 27; GK-Fabricius, §§ 112, 112a Rn 68; zu diesem Fall KreisG Erfurt, ZIP 91, 1233(1242); unrichtig Weimar/Alfes, ZIP 91, 1529( 1530 Fn 13), die Tarifvorbehalt und Tarifvorrang verwechseln.

V. Die Sozialplanpraxis der Treuhandanstalt

157

3. Die gemeinsame Erklärung

Einen anderen Weg beschritt die Treuhandanstalt, als sie mit dem DGB und der DAG am 13. April 1991 eine gemeinsame Erklärung unterzeichnete 2 5 0 . In dieser gemeinsamen Erklärung bekennen sich Treuhandanstalt, DGB und DAG zu sowohl wirtschaftlich als auch sozial vertretbaren Sozialplänen. Zur Konkretisierung wird zwischen leistungsfähigen und leistungsunfähigen Unternehmen unterschieden. In leistungsfähigen Unternehmen wird ein Sozialplanvolumen, das pro betroffenem Arbeitnehmer eine Summe von vier Monatsbruttoeinkommen vorsieht, als "im Regelfall angemessen" betracht e t 2 5 1 . Gegenüber den leistungsunfähigen Unternehmen verpflichtet sich die Treuhandanstalt, Mittel (sogenannte Zweckzuwendungen) zur Verfugung zu stellen, wenn der jeweilige Sozialplan das in der Gemeinsamen Erklärung genannte Volumen nicht überschreitet 252 . Dieses Volumen errechnet sich aus einem Betrag von 5.000 D M je betroffenem Arbeitnehmer, der sich auf 3.000 D M reduziert, wenn der Arbeitnehmer für die Dauer von mindestens einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Leistungen im Rahmen von Qualifizierungs- oder Arbeitsbeschaflungsmaßnahmen bezieht, bzw. 2.000 DM, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses rentenberechtigt w i r d 2 5 3 . Sowohl für leistungsfähige wie leistungsunfähige Unternehmen wird betont, daß die Verteilung des Sozialplanvolumens ausschließlich den Betriebspartnern überlassen bleibt 2 5 4 . Auch wenn diese Gemeinsame Erklärung allgemein begrüßt wurde 2 5 5 , so bleibt sie doch nur eine Empfehlung. Da sie weder normative noch schuld250

Abgedruckt in: RdA 91, 289 f.; ZIP 91,690 f.; Übersicht in Handelsblatt vom 9.4.91, S. 4. In einer 1988 veröffentlichten Untersuchung wird die durchschnittliche Abfindungssumme mit dem 4,6fachen des durchschnittlichen Bruttolohns angegeben, Hemmer, a.a.O., S. 62. 252 Das Bundesfinanzministerium stellt der Treuhandanstalt zur Zahlung der Zweckzuwendung einen Betrag von 10 Mrd. DM zur Verfügung. 253 Da in der Regel erst jüngere Arbeitnehmer entlassen wurden und das Lebensalter in die Berechnung der individuellen Abfindung einfließt, stellten viele Unternehmen, als sie begannen, auch ältere Arbeitnehmer zu entlassen, fest, daß das Gesamtvolumen bei gleichbleibender Abfindungsformel nicht eingehalten werden konnte. Um hier Unbilligkeiten zu vermeiden, beschloß die Treuhandanstalt in einer Rahmenvereinbarung mit den Gewerkschaften 1992, die Zweckzuwendung auf6.200,- DM zu erhöhen. Weitere 600,- DM je Arbeitnehmer können in Anspruch genommen werden, wenn der Sozialplan die Unterstützung arbeitsfördernder Maßnahmen und einen entsprechenden Eigenbetrag des Arbeitnehmer vorsieht. 254 Die Summe der Zweckzuwendungen fließt in einen betrieblichen Fonds, aus dem sie nach dem im individuellen Sozialplan vorgesehenen Schlüssel verteilt werden. 255 Däubler, AiB 91, 179ff.; Hanau, Sozialverträgliche Gestaltung, S. 103. 251

158

D. Der Sozialplan

rechtliche Wirkung entfaltet, werden in den Unternehmen Arbeitgeber und Betriebsrat genauso wenig durch sie gebunden wie die Einigungsstelle 256 .

4. Treuhandrichtlinie zu Sozialplänen

Um die Umsetzung der Gemeinsamen Erklärung trotzdem zu erreichen, wurden von der Treuhandanstalt für die Treuhandunternehmen Richtlinien erarbeitet 257 . Darin wird die Auszahlung der Zweckzuwendung vom Einhalten des vorgegebenen Maximalvolumens abhängig gemacht, so daß die Treuhandanstalt immer den gesamten Sozialplan und nie nur einen Teil davon finanziert. Außerdem wird erneut darauf hingewiesen, daß die Sozialpläne der Zustimmung bedürfen 258 . Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, wurde an die Geschäftsführungen ein Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte versandt, in dem auch der Abschluß des Sozialplans aufgeführt ist. Grundsätzlich kann die Treuhandanstalt die Auszahlung der Zweckzuwendungen von Bedingungen abhängig machen, denn hierbei handelt es sich um Subventionen 259 und als solche um freiwillige Zahlungen 2 6 0 , auf die weder die Unternehmen noch die Arbeitnehmer einen Anspruch haben. Schwieriger stellt sich die Situation hinsichtlich des Genehmigungsvorbehalts dar. Zum einen ist der Treuhandanstalt eine unmittelbare Einflußnahme nur bei den ihr direkt zugehörigen GmbHs möglich 2 6 1 . Zum anderen stellt sich die Frage, ob ohne Zustimmung abgeschlossene Sozialpläne das Unternehmen im Außenverhältnis zu den Arbeitnehmern nicht trotzdem binden. Eine solche Bindung entfalten in jedem Fall die durch die Einigungsstelle aufgestellten Sozialpläne, denn die Einigungsstelle ist lediglich an die Ermessensgrenze^ des § 112

256 Oetker in Rechtshandbuch, SystDarst III Rn 310; Däubler, AiB 91, 179(180); Weimar/Alfes, ZIP 91, 1529(1530). 257 Richtlinie zu Sozialplänen vom Juni 1991, Teilweise abgedruckt in RdA 91, 290 f., überarbeitet in einer zweiten Auflage vom Juli 1992 und einer 3. Auflage vom Februar 1993. 258 Die Geschäftsführer der GmbHs ohne Aufsichtrat müssen die Zustimmung der Treuhandanstalt einholen. Die Geschäftsführer der GmbHs mit Aufsichtsrat und die Vorstände der AGs müssen die Zustimmung der Aufsichtsräte, die Geschäftsleitungen der konzernabhängigen Gesellschaften diejenige der Muttergesellschaft einholen. 259 s.o. D.IV.2.b). 260 Um Kollisionen mit EG-Recht zu vermeiden und die Zweckzuwendungen "konkurssicher" zu gestalten, sind sie unter bestimmten Voraussetzungen zurückzuzahlen, man wird hier von Zuschüssen mit Darlehenscharakter sprechen können. Ab 1995 wird die Treuhandanstalt im einzelnen prüfen, ob die Zweckzuwendungen zurückzuzahlen sind 261 Zu den einzelnen Möglichkeiten der Treuhandanstalt, auf die Leitung ihrer Gesellschaften Einfluß auszuüben, siehe: Weimar DtZ 91,105 ff.

V. Die Sozialplanpraxis der Treuhandanstalt

159

Abs. 5 BetrVG gebunden 262 . Aber auch die Beschränkung der Geschäftsführerbefügnisse lassen nach § 37 Abs. 2 GmbHG die Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers gegenüber Dritten - und damit auch gegenüber dem Betriebsrat - unberührt. Ob ein Sozialplan nach den Regeln des Mißbrauchs der Vertretungsmacht 263 trotzdem unwirksam ist, weil der Betriebsrat die veröffentlichte Anweisung der Treuhandanstalt kennen mußte, erscheint zweifelhaft. Vor oder nach der Gemeinsamen Erklärung abgeschlossene Sozialpläne, die das empfohlenen Maß überschreiten, versucht die Treuhandanstalt aus der Welt zu schaffen, indem sie an die Betriebspartner appeliert, diese zu kündigen beziehungsweise zu ändern 2 6 4 . Dabei kann sie das Faustpfand der Zweckzuwendung einsetzen, die nur gewährt wird, wenn der abgeschlossene Sozialplan im vorgegebenen Rahmen bleibt. Würde trotzdem an alten Sozialplänen festgehalten, widerspräche das sowohl aus Sicht der Geschäftsführung als auch aus Sicht des Betriebsrats der wirtschaftlichen Vernunft 2 6 5 . Dementsprechend ist es in der Mehrzahl der Fälle von überhöhten Sozialplänen zu Korrekturen auf das Niveau der Zweckzuwendungen gekommen.

5. Die Zweckzuwendung

M i t der Zweckzuwendung wurde durch die Treuhandanstalt ein neues Instrument geschaffen, daß zwei Mängel der Sozialplanpraxis in den neuen Bundesländern zu beseitigen versucht: Erstens soll durch die Gewähr der Zweckzuwendung unabhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens dem Gebot der Gerechtigkeit genügt, und zweitens durch die 262 Hanau, Sozial verträgliche Umgestaltung, S. 112; theoretisch stellt sich dieses Problem nur bei den leistungsfähigen Unternehmen, wenn hier die Grenze des vierfachen Bruttomonatseinkommens überschritten wird. In leistungsunfähigen Unternehmen kann die Einigungsstelle nicht mehr ansetzen, als dem Unternehmen über die Zweckzuwendung zukommt. Oberschreitet die Einigungsstelle ihr Ermessen, kann die Treuhandanstalt die Unternehmensleitung anweisen, nach § 76 Abs. 5 BetrVG vorzugehen. 263 Hierzu näher Fischer/Lutter, § 35 GmbHG, Rn 12 ff. 264 Zu den hier bestehenden Möglichkeiten siehe: Däubler, Nachträgliche Kürzung von Sozialplanansprüchen?, NZA 85, 545 ff; Naendrup, Einseitige Kürzung von Sozialplänen, ArbuR 1984, 193 ff; Oberhofer, Anmerkungen zu KreisG Suhl, Urteil vom 4.12.91, AiB 92, 102(103). 265 Nach der hier vertretenen Auffassung handelt es sich auch bei den Zweckzuwendungen um Subventionen (s.o. D.IV.2.b)). Wird die Auszahlung von der Kündigung oder Änderung eines alten Sozialplans abhängig gemacht, erfolgt die Subventionierung unter einer Auflage. Auf die Zulässigkeit einer solchen Auflage kann im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegeangen werden. Hierzu Zechlin, Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit durch Subventionsauflagen, NJW 85, 585 ff, der sich mit der Subventionsgewährung im Fall ARBED-Saarstahl GmbH auseinandersetzt Hier vergab die Bundesregierung ihre Hilfen nur unter der Auflage, daß ein bereits bestehender Sozialplan gekündigt wurde.

160

D. Der Sozialplan

mit der Zweckzuwendung verbundenen Begrenzung ein der wirtschaftlichen Vertretbarkeit in § 112 Abs. 5 BetrVG vergleichbares Korrektiv eingeführt werden.

a) Das Gebot der Gerechtigkeit Allgemein wurde es als Ungerechtigkeit empfunden, daß im Rahmen des in fast allen Unternehmen stattfindenden Personalabbaus manche Arbeitnehmer Sozialplanleistungen erhalten hätten und manche mangels wirtschaftlicher Vertretbarkeit fur das Unternehmen nicht. Dabei ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmen in den neuen Bundesländern nicht Ausdruck wirtschaftlichen Erfolges oder Versagens, sondern Folge des planwirtschaftlichen Systems. In diesem wurden erwirtschaftete Gewinne den Unternehmen genauso willkürlich abgezogen wie ihnen Kredite aufgezwungen wurden. Hinzu kommt die mit der Wiedervereinigung verbundene "Verteilung" von Grund und Boden, der Produktionsfaktor, der für viele Unternehmen das "Startkapital" in die Marktwirtschaft darstellt 2 6 6 . Hochtechnologieunternehmen wurden arm gegenüber Unternehmen mit geringer Produktivität aber hoher Landnutzung. Entsprechend unterschiedlich hätte sich die Aussicht der jeweiligen Arbeitnehmer auf eine Sozialplanabfindung dargestellt. Die Übertragung des § 112 Abs. 5 BetrVG auf diese Wirklichkeit mußte insofern zu unbefriedigenden Ergebnissen fuhren, als das Kriterium der "wirtschaftlichen Vertretbarkeit" auf Unternehmen abstellt, die ihre Situation zuvor beeinflussen konnten. Durch die Schaffung der Zweckzuwendung wurde dieses im Beitrittsgebiet untaugliche Kriterium überbrückt. Dadurch kommt es zu einer höheren Gerechtigkeit für die von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer 2 6 7 . Nicht vergessen werden darf dabei, daß die Idee der Zweckzuwendung auch der Sicherung des sozialen Friedens in den neuen Bundesländern dienen sollte. Verständlicherweise ging die Übertragung der Sozialplanregelung auf

266 Balz, VTZ 92, 41(43). 261 Bereits ein Jahr nach der Gemeinsamen Erklärung hatten mehr als 1,2 Mio. Arbeitnehmer Zweckzuwendung erhalten. Anzumerken ist, daß die Treuhandanstalt auch das Volumen bereits vor der Gemeinsamen Erklärung abgeschlossener Sozialpläne aufiùllte, und zwar selbst dann, wenn die entsprechenden Unternehmen bereits aufgelöst waren. In keinem Fall wurde für vor dem 1. 7. 1990 abgeschlossene Sozialpläne gezahlt. Mangels Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes sind solche Sozialpläne unwirksam, BAG vom 26.5.92, NZA 92, 1135; dazu Ascheid, NZA 93, 97(100); Däubler (BB 93, 427 ff.) hingegen versucht, für vor dem 1.7.90 abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen eine Fortgeltung zu konstruieren.

V. Die Sozialplanpraxis der Treuhandanstalt

161

das Beitrittsgebiet einher mit einem gewissen Anspruchsdenken bei den Betroffenen, das mit Hilfe der Zweckzuwendung zumindest teilweise erfüllt werden kann.

b) Die Begrenzung der Sozialplanansprüche Die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Treuhandunternehmen hätte zu einem Leerlaufen des eben erst eingeführten Rechtsinstituts des Sozialplans im Beitrittsgebiet geführt. Gerade dieses Leerlaufen führte in manchen Betrieben dazu, daß Kriterium der "wirtschaftlichen Vertretbarkeit" außer acht zu lassen und unvertretbar hohe Sozialpläne abzuschließen 268 . Auch hier wirkt sich die Zweckzuwendung korrigierend aus. Wenn sie in der Höhe auch weit unter der durchschnittlichen Sozialplanabfindung in den alten Bundesländern l i e g t 2 6 9 , so versucht sie doch einen Kompromiß zwischen den Bedürfnissen der Arbeitnehmer und der wirtschaftlicher Vertretbarkeit für den Staat zu finden. Sie entspricht insoweit den Regelungen für den Fall der Insolvenz, die durch ihre Begrenzung der Sozialplanansprüche ebenfalls versuchen, einen Ausgleich herzustellen, nur daß an der Stelle des Staates hier die übrigen Gläubiger stehen 270 . So wie das SozPIKonkG versucht, einerseits über den Rang des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO die Realisierung von Sozialplanansprüchen in begrenzter Höhe sicherzustellen und anderseits durch die Begrenzung für das Unternehmen eine Erleichterung zu schaffen 271 , versucht die Treuhandanstalt dieses Ergebnis über die Zweckzuwendung zu erziehlen 272 . Auch die Notwendigkeit der Begrenzung ist Ausdruck der Tatsache, daß in den neuen Bundesländern das Kriterium der "wirtschaftlichen Vertretbarkeit" keine Anwendung finden kann, anderseits aber mit Herstellung der Rechtseinheit die Sozialplanregelung auch hier zur Anwendung kommen muß.

268

s.o. V.l.-, Balz, VIZ 92,41(45), spricht in diesem Zusammenhang von "Enthemmung". Diese lag bereits Mitte der 80er Jahre bei 13.360 DM, Hemmer, Sozialplanpraxis, S. 62. 270 Der in der GesO vorgesehene Höchstbetrag von drei Monatsverdiensten (§ 17 Abs. 3 Nr. 1 c) GesO) liegt bei einem durchschnittlichen Monatsbruttoeinkommen von etwa 2.000,- DM für das Jahr 1991 (Wahse, Beschäftigungsperspektiven, S. 6) mit dem Zweckzuwendungsbetrag nicht weit auseinander. 271 v. Hovningen-Huene, RdA 91, 327(331). 272 Dieser Vergleich paßt auch zu dem immer wieder zitierten Bild der "gesamtstaatlichen Konkurssituation"; Horn, Das Zivil- und Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet, S. 370; Schuppen, ZGR 92, 454(471). 269

D. Der Sozialplan

162

6. K r i t i k

a) Eingriff

in die Betriebsautonomie ?

Die Gemeinsame Erklärung und die dazu ergangenen Richtlinien fuhren in den neuen Bundesländern zu einem Einheitssozialplan. Unternehmer und Arbeitnehmer bestimmen hier nicht zuerst den Abfindungsbedarf, um ihn dann mit dem Kriterium der wirtschaftlichen Vertretbarkeit zu begrenzen, ihre Aufgabe besteht nur noch darin, für das zugewiesene Volumen einen Verteilungsschlüssel zu entwickeln. Das hat einige Stimmen in Literatur und Rechtsprechung dazu veranlaßt, in dem Vorgehen der Treuhandanstalt eine Ausheblung der betrieblichen Mitbestimmung zu sehen 273 . Bei dieser Kritik werden mehrer Dinge übersehen. Zum einen kann dem Mitbestimmungsrecht über den Sozialplan nur dort die Grundlage entzogen werden, wo eine solche vorhanden ist. Grundlage für den Sozialplan ist nicht nur der abstrakte Rechtsanspruch, sondern konkret auch eine entsprechende Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Einen Anspruch auf Abfindung für den Arbeitsplatzverlust, der in jedem Fall zu erfüllen wäre, gibt es (noch) nicht. Daß die Treuhandanstalt für den überwiegenden Anteil der Arbeitnehmer, nämlich die, die in leistungsunfähigen Unternehmen arbeiten, eine solche Abfindung schafft, kann nicht als Aushebelung der betrieblichen Mitbestimmung verstanden werden. Sollte ein Unternehmen in einer wirtschaftlich so starken Position sein, daß es über die Zweckzuwendung hinausgehende Leistungen an Arbeitnehmer zahlen kann, so steht ihm auch nach der Treuhandrichtlinie diese Möglichkeit offen 2 7 4 . Daß die Treuhandanstalt den Nachweis verlangt, daß das Vermögen des Unternehmens durch dieses erwirtschaftet wurde, erscheint unter Gerechtigkeits- und Gleichbehandlungsgesichtspunkten nur recht und billig. Mit der Einführung der Zweckzuwendung beseitigt die Treuhandanstalt zudem eine Reihe von Unsicherheitsfaktoren, auch für die Arbeitnehmer. Vor allen Dingen in der Phase unmittelbar nach Vollzug der Einheit herrschte Unklarheit über die Vermögenslage der Treuhandunternehmen. Es gab keine Bilanzen und oft noch nicht einmal Klarheit über die vorhandenen Vermögenswerte. Diese Unklarheit hätte Sozialplanverhandlungen erschwert und

273 Däubler, §§ 112, 112a Rn 118; Weisemann,, AuA 92,41; KG Erfurt, ZIP 91, 1233(1240). 274 Richtlinie zu Sozialplänen vom Juni 1991, Nr. IV 1.).

V. Die Sozialplanpraxis der Treuhandanstalt

163

für die betroffenen Arbeitnehmer zu einer großen Unsicherheit geführt. Selbst heute noch herrscht in vielen Unternehmen diese Unsicherheit, die vor allen Dingen durch noch nicht geklärte offene Vermögensfragen bedingt i s t 2 7 5 .

b) Aushebelung der Steuerungsfunktion Durch die Zweckzuwendung verliert das Rechtsinstiut des Sozialplans einen seiner Hauptzwecke, die Steuerungsfunktion. Sollte die Elastizität der Sozialplanansprüche normalerweise dazu führen, daß zwischen den Kosten der Weiterbeschäftigung und der Wiedereingliederung abgewogen wird, läßt die Zweckzuwendung diese Abwägung entfallen. Statt die sozialen Kosten der Betriebsänderung zu internalisieren, wird die Steuerungsfunktion des Sozialplans in das Gegenteil verkehrt: Der Unternehmer wird enthemmt. Die Entlassung ist für das Unternehmen nicht mehr mit einem wohl zu kalkulierenden finanziellen Opfer verbunden, sondern wird "fremdfinanziert". Allerdings darf auch hier nicht übersehen werden, daß es nicht um die Korrektur falscher unternehmerischer Planung und Entscheidungen geht, sondern um die Beseitigung der Folgen der Planwirtschaft. Die Unternehmen stehen nicht vor der Wahl , ob sie Arbeitskräfte entlassen oder anders einsetzen. Der Sozialplan kann seine Steuerungsfunktion aber nur dort erfüllen, wo eine solche Wahlmöglichkeit besteht.

c) Mangelnde Gleichbehandlung von Arbeitnehmern in Betrieben mit weniger als 21 Arbeitnehmern Durch die Zweckzuwendung hat die Treuhandanstalt in den neuen Bundesländern eine Art Abfindung für den Arbeitsplatzverlust geschaffen. Bis auf die "Betroffenheit von der Betriebsänderung" werden alle Tatbestandsmerkmale des Sozialplans in § 112 BetrVG vernachlässigt 276 . Daß anderseits auf die 275 Auf knapp 1,2 Mio. Grundstücke sind Restitutionsansprüche angemeldet. Anfang März 1993 waren davon erst 14 % erledigt worden (FAZ vom 19.4.93, S. 15). Das Ergebnis der jeweiligen Prüfung des Vermögensamtes wird för viele Unternehmen von Bedeutung sein, stellen die Immobilien für sie doch oft das wichtigste Kapital dar. 276 Nach der Richtlinie der Treuhandanstalt sind solche Arbeitnehmer in die Berechnung der Zweckzuwendung nicht einzubeziehen, die das Arbeitsverhältnis von sich aus gekündigt haben, Richtlinie zu Sozialplänen, 2. Auflage Juli 92, Nr. III 8.). Das widerspricht der neueren Rechtsprechung des BAG, wonach ein solcher Ausschluß gegen § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG verstoßen kann, BAG 15.1.91, AP Nr. 57 zu § 112 BetrVG 1972; zuletzt BAG vom 28.10.92, RdA 93, 62; hierzu auch Hanau, Sozialverträgliche Umgestaltung, S. 109.

164

D. Der Sozialplan

Erfüllung der Tatbestandsmerkmale außerhalb des § 112 BetrVG Wert gelegt wird, führt zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung. Die Tatsache, daß er in einem Betrieb mit mehr oder weniger als 21 Arbeitnehmern arbeitet, hängt für den einzelnen Arbeitnehmer genauso vom Zufall ab, wie die, ob er von einem "reichen" oder einem "armen" Unternehmen entlassen wird. Warum aber die Treuhandanstalt die Zweckzuwendung bei Betriebsänderungen in Betrieben mit weniger als 21 Arbeitnehmern nicht zahlt, wird man den betroffenen Arbeitnehmern kaum begreiflich machen können. Mit den gleichen Argumenten, mit denen Leistungen an Arbeitnehmer bewirkt werden, die von der Leistungsfähigkeit des Unternehmens her gesehen leer ausgehen würden, lassen sich solche Zahlungen auch an Arbeitnehmer begründen, deren Betrieb nicht die notwendige Größe erreicht. Gleichzeitig verlieren die Argumente, welche die Ungleichbehandlung im Normalfall zu begründen vermögen, ihre Kraft. Entfällt wie bei der Zweckzuwendung die Steuerungsfunktion der Sozialplanleistungen, so bleibt nur die Überbrückungsfunktion für den Arbeitnehmer. Daneben werden zur Begründung auch der Erhalt des sozialen Friedens und die Tatsache, daß es sich bei der Abfindungsfrage um die erste Erfahrung der Arbeitnehmer mit dem neuen Rechtsstaat handelt 2 7 7 , angeführt. Hinsichtlich all dieser Gründe ist der Arbeitnehmer, der im Kleinbetrieb arbeitet, nicht weniger schutzbedürftig 278 .

d) Die RückZahlungsverpflichtung Grundsätzlich ist ein Unternehmen, dem durch die Treuhandanstalt Zweckzuwendungen gewährt werden, zur Rückzahlung verpflichtet 279 . Diese Verpflichtung tritt ein, wenn das Unternehmen Veräußerungserlöse erzielt, ab 1995 auch, wenn Gewinn erzielt w i r d 2 8 0 . Solange das Unternehmen zum Treuhandvermögen gehört, ist eine solche RückZahlungsverpflichtung nicht zu beanstanden. Anders allerdings, wenn es verkauft wird. Dann erhält der Käufer ein Unternehmen mit einer Verbindlichkeit, die auf einer Art Insichgeschäft der Treuhandanstalt beruht. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten hätte das Unternehmen eine solche Verpflichtung nicht eingehen dürfen. Der 277

So KreisG Erfurt, ZIP 91, 1233(1247). Eine Gleichbehandlung mahnt auch das BVerfG an, BVerfGE 65,182(194). Ob allerdings in dem oben beschriebenen Verhalten der Treuhandanstalt, die als Anstalt des öffentlichen Rechts in ihrem Handeln an die Grundrechte gebunden ist, ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu erblicken ist, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geprüft werden. 279 s.o. Fn 260. 280 Blatt 6, Nr. 11 des Antrags auf Zweckzuwendung. 278

V. Die Sozialplanpraxis der Treuhandanstalt

165

private Käufer steht hier für eine Verbindlichkeit ein, die auf die Großzügigkeit der öffentlichen Hand zurückzuführen ist. Mit dieser Großzügigkeit den Käufer des Unternehmens zu belasten, dürfte keine verkaufsfördernde Wirkung haben.

e) Der falsche Mitteleinsatz Den durch Treuhandgesetz und Einigungsvertrag auf die Treuhandanstalt übertragenen Unternehmen lasteten bei ihrem Eintritt in die Marktwirtschaft Kredite in Höhe von über 100 Mrd. D M auf den Schultern 281 . Zu Recht hat man sich dazu entschlossen, die Arbeitnehmer in den neuen Bundesländern für diese Schulden nicht zusätzlich zürn Arbeitsplatzverlust dadurch einstehen zu lassen, daß sie bei strenger Anwendung der §§ 111 ff. BetrVG im Fall des Arbeitsplatzverlustes keine Abfindungen erhalten. Mit der Zweckzuwendung ist ein sozialversicherungsartiges Instrument geschaffen worden, das einen Teil der mit dem tausendfachen Arbeitsplatzverlust verbundenen finanziellen Lasten auf die Allgemeinheit überträgt 282 . Doch gerade das riesige Volumen dieser Zahlungen auf der einen und die vereinigungsbedingte Knappheit der Mittel auf der anderen Seite stellen eine wirksame Verwendung dieser öffentlichen Gelder in Frage. Zum einen werden die entlassenen Arbeitnehmer durch ein soziales Netz aufgefangen, in dem die Differenz zwischen Sozialleistung und Arbeitslohn noch geringer ist als in den alten Bundesländern 283 . Zum anderen erhalten diese Zweckzuwendung im Zweifel auch die Arbeitnehmer, die einen neuen Arbeitsplatz gefunden haben und sich manchmal wirtschaftlich sogar besser stellen. Nicht geholfen wird im Ergebnis denen, die keinen neuen Arbeitsplatz finden, die Abfindung verblaßt neben dem existenziellen Problem der Arbeitslosigkeit. Nicht die Arbeitsplatzabfindung, sondern der Arbeitsplatzerhalt hätten im Vordergrund stehen müssen. Die Zweckzuwendung aber fließt in den Konsum und damit in die alten Bundesländer. So wird den neuen Bundesländern Kapi281

Balz, VIZ 92,41(43). Diese "Überwälzung" geschieht bei der Privatisierung über den Kaufpreis. Bei der zu sanierenden Unternehmen trägt die Allgemeinheit die Kosten der Sozialpläne, weil sie durch Leistungen der Treuhandanstalt (deren Bilanz eine negative sein wird) und damit mit Steuergeldern finanziert werden. Dazu auch Horn, Das Zivil- und Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet, S. 431. 283 Ein Vier-Personen-Haushalt mit einem Bruttoeinkommen von 2.993 DM hat in den neuen Ländern 1991 2.112 DM zur Verfugung gehabt - im Vergleich zu 2.279 DM an Sozialhilfe. Bei einem Alleinstehenden standen einem Nettoeinkommen von 1.341 DM 850 DM Sozialhilfe gegenüber, FAZ vom 7.1.93, S. 11. 282

11 Biedenkopf

166

D. Der Sozialplan

tal entzogen, das dorthin für den "Aufschwung Ost" transferiert w u r d e 2 8 4 und nun nicht mehr zum Erhalt oder zur Schaflung von Arbeitsplätzen bereitsteht.

j) Mögliche Alternativen Gerade in den neuen Bundesländern, wo die Deindustrialisierung ganzer Regionen droht, besteht die Notwendigkeit, Arbeitslosigkeit nicht nur zu verwalten, sondern zu vermeiden. Die Zweckzuwendungen, die in ihrer Summe immerhin einen Betrag von 10 Mrd. D M bilden, bewirken in diese Richtung nichts 2 8 5 . Das ist um so bedauerlicher, als schon frühzeitig Alternativen aufgezeigt wurden. So wollten Adomeit/Eiden/Schack den Arbeitnehmern eine "Abfindungsmitgift" mitgeben 2 8 6 . Diese sollte bei Erhalt eines neuen Arbeitsplatzes im Unternehmen als Investivkapital angelegt werden, und zwar zu Gunsten des Arbeitnehmers mit entsprechender Gewinnbeteiligung. Ein solches Beteiligungsmodell wäre zugleich ein Schritt hin zu einer wünschenswerten Mitarbeiterbeteiligung gewesen. Das es sich bei solchen Modellen nicht um Phantastereien handelt, haben Arbeitnehmer des Motorradwerks Tschopau bewiesen, die einen Anteil ihrer Gehälter in Höhe von 750.000 D M als zinsloses Darlehen in das Unternehmen einbrachten und so die schon beschlossenen Stillegung abwenden konnten. Aus der Treuhandanstalt selbst kam der Vorschlag, mit dem durch das Bundesfinanzministerium zur Verfügung gestellten Geld einen Fonds zu bilden, an dem jeder entlassene Art>eitnehmer, dessen Unternehmen zur Zahlung einer Sozialplanabfindung nicht in der Lage ist, eine Art Anteil erhalten hätte. Dieser wäre bei Erhalt eines neuen Arbeitsplatzes unter der Bedingung ausgezahlt worden, ihn dem neuen Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Dadurch wäre ein Abfluß des Geldes in den Konsum vermieden worden, gleichzeitig hätte man Ost-Unternehmen stärken und den Unternehmer zu Einstellung von Arbeitskräften motivieren können. 284

Adomeit/Eiden/Schack, AuA 91, 5. In der Gemeinsamen Erklärung haben Treuhandanstalt und Gewerkschaften den Willen bekundet, Sozialplanmittel zur Verstärkung der Wirkungsmöglichkeiten von Gesellschaften zur Arbeitsförderung, Beschäftigung und Strukturentwicklung (ABS) einzusetzen. Da hierfür jedoch die Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer erforderlich ist, blieb dieser Versuch eher wirkungslos. Lediglich die während der Beschäftigung des Arbeitnehmers in einer ABS-Gesellschaft auf den Abfindungsanspruch anfallenden Zinsen werden der Gesellschaft in jedem Fall zur Verfügung gestellt. 286 Adomeit/Eiden/Schack, AuA 91, 5 ff. 285

Ε. Ergebnisse Die Darstellung der rechtlichen und wirtschaftlichen Ausgangslage in den neuen Bundesländern hat die enormen Unterschiede zwischen den Lebensverhältnissen in Ost- und Westdeutschland aufgezeigt. Trotzdem müssen die Menschen dort auch die Aufbauphase mit dem hoch entwickelten Recht einer so komplexen Gesellschaft wie der der alten Bundesrepublik meistern. Besonders im Arbeitsrecht kann es dadurch zu Wertungswidersprüchen kommen. Die Unterschiede im tatsächlichen Bereich - aber auch das Auftreten völlig neuer Rechtsfragen - machen eine kritische Auslegung und Anwendung des Rechts erforderlich. Für den Bereich der betrieblichen Mitbestimmung bei Betriebsänderungen kommt die vorangegangene Untersuchung zu folgenden Ergebnissen: -

Der Begriff der Betriebsänderung ist unabhängig von § 111 BetrVG zu definieren. Betriebsübergang, Unternehmensentflechtung, Personalreduzierung, die Einführung von Kurzarbeit Null sowie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fallen unter diesen Begriff. Nur wenn mit einer dieser Maßnahmen die Möglichkeit des Eintritts wesentlicher Nachteile für die Belegschaft verbunden ist, stehen dem Betriebsrat die Informations- und Beratungsrechte des § 111 Abs. 1 BetrVG zu.

-

Durch eine extensive Anwendung des § 111 BetrVG erreicht man eine stärkere Beteiligung der Arbeitnehmer an den Anpassungsmaßnahmen in den neuen Bundesländern, ohne jedoch in den Bereich der unternehmerischen Entscheidungen mehr Mitbestimmung einzuführen. Eine derartige Beteiligung ist nicht zuletzt wegen des noch ungewohnten Umgangs mit der Betriebsverfassung wünschenswert. Dem entspricht es, den Zuständigeitsbereich des Gesamtbetriebsrats weit zu ziehen.

-

Eine Beteiligung des Betriebsrats ist nur dann sinnvoll, wenn dem Unternehmer verschiedene Handlungsalternativen zur Verfügung stehen. Dem entsprechend entfällt eine solche Beteiligung, wenn die Betriebsänderung nicht auf einem Willensentschluß des Unternehmers beruht. Das Wort "geplant" in §§ 111-113 BetrVG ist Tatbestandsmerkmal.

168

Ε. Ergebnisse

-

Der gesetzliche Auftrag der Treuhandanstalt schließt eine "Planung" der Betriebsänderungen durch ihre Unternehmen nicht aus. Auch sonst unterliegen die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes in Treuhandunternehmen keiner Einschränkung.

-

Die begrenzten unternehmerischen Handlungsspielräume in den neuen Bundesländern lassen das Rechtsinstitut des Interessenausgleichs weitgehend leerlaufen. Schon deshalb muß die Sanktion des Nachteilsausgleichs zurückhaltend eingesetzt werden. Grundsätzlich dürfen an den Versuch des Interessenausgleichs keine zu hohen Anforderungen gestellt werden.

-

Von großer praktischer Bedeutung ist in den neuen Bundesländern der Sozialplan. Trotz der martwirtschaftlichen Transformation der ostdeutschen Unternehmen in das System der Marktwirtschaft ist das Sozialplanprivileg des § 112a Abs. 2 BetrVG nur auf solche Betriebe anzuwenden, die auf neu gegründete Unternehmen übergehen. Für reprivatisierte Betriebe erscheint eine analoge Anwendung des § 112a Abs. 2 BetrVG geboten.

-

Der Sozialplan stellt keinen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes dar. Neben seiner Vorsorge- und Überleitungsfunktion kommt ihm vor allen Dingen eine Steuerungsfunktion zu. Deshalb errechnen sich die dem Arbeitnehmer aus der Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile aus der Differenz zwischen der materiellen Situation des Arbeitnehmers mit und ohne Betriebsänderung. Dabei sind etwaige, durch die Betriebsänderung bedingte Vorteile in Abzug zu bringen.

-

Die Summe der wirtschaftlichen Nachteile aller betroffenen Arbeitnehmer bildet den Abfindungsbedarf. Dieser wird durch die wirtschaftliche Vertretbarkeit für das Unternehmen begrenzt. Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit ist nicht nur auf den Erhalt der verbleibenden Arbeitsplatz zu achten, sondern auch auf die berechtigten Interessen der Unternehmenseigentümer und der Unternehmensgläubiger.

-

Trotz der transformationsbedingten, eher zufälligen Vermögensverteilung auf Treuhandunternehmen ist bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit von Sozialplänen für diese nicht auf die Leistungsfähigkeit der Treuhandanstalt abzustellen. Das verbietet sowohl der Wortlaut des § 112 BetrVG als auch der Wille des Gesetzgebers, den durch den Einigungsvertrag geschaffenen status-quo anzuerkennen. Leistungen der Treuhandanstalt an ihre Unternehmen dürfen nicht sozialplanerhöhend berücksichtigt werden.

Ε. Ergebnisse

Für den ganz überwiegenden Teil der Treuhandunternehmen sind Sozialpläne wirtschaftlich nicht vertretbar. Deshalb finanziert die Treuhandanstalt durch Zahlung von Zweckzuwendungen die Aufstellung von Sozialplänen im Fall des Personalabbaus. Diese an Sozialversicherungsleistungen erinnernden Zahlungen dienen dem Ausgleich der zufälligen Vermögensverteilung zwischen den einzelnen Unternehmen, aber auch einer Begrenzung des Sozialplanmißbrauchs. Die Begrenzung dieser Leistungen auf Unternehmen, die von ihrer Größe her unter die §§ 111 ff. BetrVG fallen, stellt eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots dar.

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