Interdependenzen im absatzpolitischen Instrumentarium der Unternehmung: Ein Beitrag zur optimalen Kombination der Absatzmittel [1 ed.] 9783428432967, 9783428032969

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Interdependenzen im absatzpolitischen Instrumentarium der Unternehmung: Ein Beitrag zur optimalen Kombination der Absatzmittel [1 ed.]
 9783428432967, 9783428032969

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Betriebswirtschaftliche Schriften Heft 73

Interdependenzen im absatzpolitischen Instrumentarium der Unternehmung Ein Beitrag zur optimalen Kombination der Absatzmittel

Von

Helmut Linssen

Duncker & Humblot · Berlin

HELMUT

LINSSEN

Interdependenzen i m absatzpolitischen Instrumentarium der Unternehmung

Betriebswirtschaftliche

Heft 73

Schriften

Interdependenzen im absatzpolitischen Instrumentarium der Unternehmung E i n B e i t r a g z u r o p t i m a l e n K o m b i n a t i o n der

Absatzmittel

Von

Dr. Helmut Linssen

D U N C K E R

&

H U M B L O T

/

BERLIN

Alle Rechte vorbehalten © 1975 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1975 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3 428 03296 9

B u t such is the nature of the h u m a n understanding, that the very fact of attending w i t h intensity to one part of a thing, has a tendency to w i t h d r a w the attention from the other parts. John Stuart M i l l

Vorwort Die verschiedenen Teildisziplinen der Sozialwissenschaften haben — wie alles wissenschaftliche Bemühen — zunächst eine lange Phase durchgemacht, i n der einzelne Erscheinungen untersucht und klassifiziert wurden. M i t dieser enzyklopädischen Periode ging eine Zeit sozialphilosophischer und normativer Eskapaden einher, von der man zu Recht als dem „vorwissenschaftlichen" Stadium der Sozialwissenschaften spricht 1 . Aus dieser Ausgangsposition kristallisierte sich gerade i n jüngster Zeit folgendes klar heraus: einmal das Bemühen u m größtmögliche Exaktheit und Verläßlichkeit der erarbeiteten Ergebnisse, was nur durch eine enge Umgrenzung des Problems erreicht werden kann; zum anderen die Erweiterung des Blickfeldes über die — auf Grund heftiger Abgrenzungsdiskussionen ehedem zementierten — Zuständigkeitsbereiche einzelner Disziplinen hinaus. Dies ist ein Unterfangen, das i m Zuge der Spezialisierungstendenzen immer schwieriger geworden ist. Das zweitgenannte Konzept w i r d bestimmt durch den Verzicht auf einen wohlbestimmten Forschungsgegenstand zugunsten der „ A k t i o n " und des Algorithmus — also einer wachsenden Operationalität der gefundenen Ergebnisse. I n den Wirtschaftswissenschaften war es vor allem die Entscheidungstheorie, die eine völlig neue Blickrichtung, nämlich einen gewandelten Ansatzpunkt wissenschaftlichen Vorgehens brachte. Problemlösungen erweisen sich als der entscheidende Motor wissenschaftlichen Fortschritts, m i t der Konsequenz, „daß die Hauptprobleme i n der Weise zu Arbeitsgebieten einzelner Disziplinen zusammengefaßt werden, daß sich kein Niemandsland der Forschung ergibt" 2 . 1 Vgl. Hartfiel, G.: Wirtschaftliche u n d soziale Rationalität — Untersuchungen zum Menschenbild i n Ökonomie u n d Soziologie, Stuttgart 1968, S. 2. 2 Jöhr, A . : Nationalökonomie u n d Soziologie, i n : Wirtschaftstheorie u n d Wirtschaftspolitik, Festschrift f. A . Ammon, Bern 1953, S. 301.

6

Vorwort

Einen starken Impuls erhalten derartige Synthese- und Integrationsbemühungen durch das starke Vordringen der Marketing-Philosophie; entsprechend ihrer Problemstellung läßt sie ein Auswahlprinzip gelten, das zu einer Sprengung bestehender Bereichsgrenzen innerhalb der Sozialwissenschaften führen muß. Was Datum war, w i r d zum Problem — aus Konstanten der Untersuchung werden Variable, die bei einer problemorientierten Sichtweise einen entsprechend gravierenderen Einfluß ausüben. Uber die allgemeine Kenntnis von Zusammenhängen, über das Wissen u m die Relevanz einzelner Veränderlicher für das Ganze soll eine neue innere Einheit einer Problemlösungskonzeption gefunden werden. Marketing w i r d daher zu Recht „a multidimensional ,space'"3 genannt. Der interdisziplinäre Ansatz des Marketing bricht sich dabei mit einer Vehemenz Bahn, die dem aggressiven Charakter dieser Unternehmungs-Philosophie entspricht: I m Vergleich zu seinen Kollegen i m Produktions-, Finanz- oder Personalsektor der Unternehmung hat der für den Marketingbereich Verantwortliche mit weniger gesetzmäßigen Wirkweisen der i h m zur Verfügung stehenden Aktionsparameter zu tun. Das liegt einmal an den nur unzulänglich erforschten Kausalzusammenhängen, zum anderen aber auch an der ungeheuren Dynamik des Konsumpotentials als Ganzem und seiner internen Relationen. Alle Verhaltensschichten des Menschen werden von der „Konsumpflicht" der Gesellschaft als primärem sozialen Anliegen durchdrungen, die Wandlung des Individuums vom „innengeleiteten" zum „außengeleiteten" Typus 4 macht das Spektrum notwendigen Wissens noch breiter und jede Prognose sehr schwierig. Der „Primat des Absatzes" — vor langer Zeit bereits gesehen, artikuliert und durch äußere Einwirkungen nur i n seiner zeitlichen Determiniertheit, nicht jedoch i n seiner gesetzmäßig festzulegenden Zwangsläufigkeit gestört — korrespondiert m i t dieser „außengeleiteten" Sozietät; dagegen dominierte das Problem der industriellen Produktionssteigerung i n der „innengeleiteten" Gesellschaft, deren Verhaltensschemata eindeutiger und langfristiger als heute festzulegen waren. Mehr als i n anderen Bereichen der Unternehmung muß daher der marketingorientierte Manager die Relativität jeder wissenschaftlichen Aussage, die m i t Hilfe isolierender Betrachtung (z.B. ceteris-paribusKlausel) entstanden ist, i n Rechnung stellen. Der i h n interessierende, 3 Mackenzie, K . DJ Nicosia, F. M.: M a r k e t i n g Systems: T o w a r d Formal Descriptions and Structural Properties, i n : M a r k e t i n g and the New Science of Planning, hrsg. v. R. L . K i n g , A M A 1968, F a l l Conference Proceedings, Series No. 28, S. 14 - 23, S. 14. 4 Vgl. zu diesen Typen menschlicher »Charaktere 4 : Riesman, D./Denney, R./ Glazer, N.: Die einsame Masse, Reinbek b. Hamburg 1967.

Vorwort

größere und kompliziertere Realitätsausschnitt verlangt die Kenntnis aller Sach- und Problemzusammenhänge. Nicht das extreme Detailwissen allein, gespeichert i n separaten „Gehirnschubladen", reicht für die Behandlung eines komplexen Problems aus; erst seine Relativierung, die durch eine Gesamtsicht ermöglicht wird, befähigt zu jener Lösungsoptimierung, wie sie etwa m i t Hilfe von „case studies" erlernt werden kann und sollte. I n die Richtung dieses stark diskutierten Feldes — der Optimierung vieler voneinander abhängiger Variabler der Absatzpolitik — zielt die vorliegende Untersuchung. Die Führung der Unternehmung vom Markte her, jenes Marktes, der über ihr Sein- oder Nichtsein täglich neu abstimmt — diese Problemlösung verlangt Kenntnis einer außergewöhnlichen Vielfalt von Sachverhalten und ihrer Zusammenhänge. Während die erstgenannte Dimension (Vielfalt) bisher weitgehend eruiert wurde, behandelte man die zweite (Zusammenhänge) meist als Datum. Die Interdependenz der Absatzmaßnahmen w i r d zwar jeweils hervorgehoben, doch ist es bisher i m ganzen nur unzureichend gelungen, derartige Wechselbeziehungen so i n den Griff zu bekommen, daß eine wissenschaftlich haltbare, generalisierende Zusammenfassung der absatzwirtschaftlichen Aktivitäten als gesicherter Besitzstand der Absatztheorie gelten könnte. Es reizt, diese Lücke auszufüllen — ein noch „weißes Feld", i n dem jedoch der Schlüssel zu einer wesentlichen ökonomisierung der Absatzpolitik zu liegen scheint. Dem Wollen stehen allerdings große Schwierigkeiten entgegen: Zunächst die Forderung nach einer Synopsis, nämlich einem fundierten, systematischen, über den absatzwirtschaftlichen Bereich hinausgehenden Wissen, das Voraussetzung für das Angehen und Lösen von Problemen ist; darüber hinaus müssen bei der Bearbeitung eines solchen Projektes die sich i n Intervallen immer wieder als schier unüberwindliches H i n dernis erweisenden Argumente derer niedergekämpft" werden, die aufgrund der Komplexität des Sachverhaltes von einem kaum zu gliedernden Thema sprechen. Dennoch hat sich der Verfasser für die Durchführung der Untersuchung entschieden. Dabei kam i h m die fortschreitende Entwicklung nicht nur der Entscheidungstheorie, sondern vor allem der Systemtheorie sehr zustatten, deren gedankliches und begriffliches Instrumentarium ein „ i n den Griff Bekommen" möglich machte. Dem ersten Teil der Arbeit, den „Grundlagen", wurde ganz bewußt ein bedeutender Umfang zugemessen: nur aufgrund einer intensiven Beleuchtung der bei aller Gemeinsamkeit doch unterschiedlichen Eigenschaften (Synheteronomie) absatzwirtschaftlicher Instrumente und der theoretischen Fundierung des Begriffes „Interdependenz" w i r d deutlich,

8

Vorwort

daß allein eine interdisziplinäre Behandlung der Thematik — und damit eine qualitative Analyse — Fortschritte zu bringen verspricht. Dieser Teil der Arbeit erklärt auch, daß eine quantitative Behandlung der Interdependenzen nur i n Partialbereichen Anwendung finden kann. Das w i r t schaftliche Verhalten des Transaktionspartners der Unternehmung, seine auch sozial gebundene Rationalität und sein Agieren als „psychological man" 5 begründen i n erster Linie die Wechselbeziehung absatzpolitischer Instrumente. Ein quantitativer Ansatz würde es dagegen nur erlauben, einen spezifischen Menschen zu ratifizieren. Die amorphe Masse der Wechselbeziehungen verlangt es, i m zweiten und dritten Teil der Untersuchung unterschiedlich zu prozedieren: ein idealtypischer Aktor, der i n dieser „Reinheit" i n der Realität nicht anzutreffen ist, macht es möglich, Teile der Interdependenzenproblematik, die sich vor allem aus unterschiedlichen Graden unternehmerischer Rationalität ergeben, auszugliedern. M i t den so gewonnenen Kategorien von Wechselbeziehungen, die mehr die formallogische Stimmigkeit als die empirische Interessenrichtung betonen, lassen sich dann die besonderen Fälle der Realität angehen, von denen einige unter ganz bestimmten Aspekten i m dritten Teil der Arbeit aufgezeigt werden sollen. Es leuchtet ein, daß die Komplexität des Themas neben einem größeren Umfang notwendigerweise auch ein höheres Abstraktionsniveau bedingt, als es etwa der Behandlung von Interdependenzen zwischen nur vier Instrumenten angemessen wäre. Entsprechend der Popper'schen Reduktionshypothese 6 können nur so wissenschaftlich sinnvolle Aussagen gemacht werden, die es i n der Praxis ermöglichen sollen, i n entsprechender Weise auf das jeweils anstehende Problem angewendet zu werden. Der Verlauf der Arbeit strebt dabei keiner „Lösung" zu, wie sie sich etwa bei der Behandlung eines entscheidungstheoretisch orientierten Themas zum Schluß als Akkumulation einzelner Mosaiksteine ergeben sollte. Neben der Akzentuierung der unumgänglichen Notwendigkeit, dem interdisziplinären Denken i m Absatzbereich einen weiteren Raum zu schaffen, soll m i t der vorliegenden Untersuchung erreicht werden, das bisher i m Dunkel liegende Phänomen der Interdependenz ein wenig zu erhellen, Hinweise zu geben auf die „Daseinsursache" so unterschiedlicher Handelsformen 7 und industrieller Absatzsysteme. Der Verfasser ist sich dabei darüber i m klaren, daß bei einer so generellen Problemstellung auch nur generelle Aussagen möglich sind, daß 5 Vgl. Rief, Ph.: Freud — The Emergency of Psychological Man, New Y o r k 1960. 6 Vgl. Popper, K . R.: Logik der Forschung, 3. vermehrte Aufl., Tübingen 1969, S. 31 ff. 7 Vgl. Hirsch, J.: Der moderne Handel, seine Organisation u n d Formen und die staatliche Binnenhandelspolitik, 2. Aufl., Tübingen 1925, S. 46 - 71.

Vorwort

darüber hinaus eine ausreichende A n t w o r t und Orientierung für die Integration der absatzpolitischen Instrumente, die i n einem schlüssigen Marktmodell münden müßte, nicht gegeben werden kann. Vielmehr w i r d diese Arbeit präsentiert als eine „box of tools" 8 , als ein indirekter Beitrag zur Bewältigung einer aktuellen absatzpolitischen Situation — wie es der Untertitel der Themenstellung zum Ausdruck bringt. Es bleibt ein Wort des Dankes zu sagen: den akademischen Lehrern insgesamt, die die vorliegende Arbeit sicherlich über das Maß des Bewußten hinaus gefördert und beeinflußt haben, — unter ihnen an erster Stelle meinem verehrten Lehrer und Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Robert Nieschlag: zunächst für die Annahme als Doktorand und für das große Interesse, das er der vorliegenden Thematik entgegenbrachte. Darüber hinaus aber für die Fülle der Impulse, die sich aus Gesprächen und Diskussionen vor allem seiner Oberseminare ergaben, für die A n regungen, die aus der von i h m m i t großer Leidenschaft gesuchten und vermittelten Konfrontation m i t der Praxis herrühren. M i t diesem Bemühen korrespondiert auch seine stete Empfehlung, die dienende Funktion der Erklärungsaufgabe der Absatztheorie gegenüber der Gestaltungsaufgabe nicht aus dem Auge zu verlieren — eine Intension, für deren stete Realisierung der Schüler seinem Lehrer besonderen Dank schuldet. Es soll nicht versäumt werden, den Damen und Herren der Praxis, die sich der wenig griffigen Thematik i n zahlreichen Gesprächen m i t so großer Geduld annahmen, sehr herzlich zu danken, ebenso wie den Vertretern anderer sozialwissenschaftlicher Disziplinen an der Universität München und meinen Kollegen der absatzwirtschaftlichen Oberseminare für manche fruchtbare Diskussion.

8 Robinson, J.: The Economics of Imperfect Competition, 2. veränderte Aufl., London 1969, S. 1.

Inhaltsverzeichnis Erster Teil Grundlegung I. Das absatzpolitische Instrumentarium

15 15

1. Die materielle Gliederung des Instrumentariums

18

2. Die formelle Gliederung des Instrumentariums

39

3. Die Interpretation des Instrumentariums als System 31. Die Eigenschaften absatzwirtschaftlicher Systeme

44 45

32. Systeme u n d Subsysteme

50

33. Das Regelkreismodell

54

34. Absatzwirtschaftliche Systeme u n d Wirtschaftsordnung

56

I I . Begriff u n d Wesen der Interdependenzen 1. Allgemeine Definition 2. Spezieller Zuschnitt f ü r den Bereich des absatzpolitischen I n s t r u mentariums 21. M i t t e l - u n d unmittelbare Interdependenzen

61 61 70 70

22. Interdependenzen dichotomischer, modaler u n d zeitlicher A r t . .

77

23. Die notwendig interdisziplinäre Deutung der Interdependenzen

83

24. Interdependenzen u n d optimale K o m b i n a t i o n

91

I I I . Die Einordnung der Thematik 1. Die Bedeutung des Problems f ü r die Unternehmungspolitik 2. Die Bedeutung des Problems f ü r die Absatzpolitik

96 96 103

3. Die Bedeutung des Problems f ü r die absatzwirtschaftliche Forschung 108 I V . Z u r Methodik der Untersuchung

113

1. Die Relevanz v o n Partialbetrachtungen

113

2. Ablehnung einer kasuistischen Darstellung

116

3. Systembetrachtung u n d kybernetischer Deutungsversuch

117

12

Inhaltsverzeichnis Zweiter

Teil

Betrachtung der Interdependenzenproblematik unter idealtypischen Prämissen I. Die Steuerungsvoraussetzungen interdependenter licher Systeme

absatzwirtschaft-

122

122

I I . Die A r t e n von Interdependenzen i n absatzwirtschaftlichen Systemen 125 1. Die Extension der Wechselbeziehungen

125

11. Einfache Interdependenzen

125

12. M u l t i p l e Interdependenzen

128

2. Der Grad der Austauschbarkeit der Instrumente

129

21. Zwingende Komplementarität

130

22. Periphere Substitution

135

23. Totale Substitution

138

3. Wechselbeziehungen qualitativer A r t

142

31. Die mutuelle Wirksamkeitsveränderung

142

32. Treibende u n d gezogene Instrumente

148

4. Wechselbeziehungen quantitativer A r t

154

41. Die S t r u k t u r des absatzpolitischen Instrumentariums

155

42. Der qualitative Sprung

160

5. Die Intensität der Wechselbeziehungen 51. „ A c t i o i n distans" — Beziehung zu einem Entfernten

167 168

52. Intensitätsgrade von Interdependenzen u n d die Lage der Nachfragekurve 172 6. Exkurs: Das Brems-Modell

178

I I I . Der Zeithorizont der Interdependenzen

189

1. Das Modell des Konsumprozesses

190

2. „Carry-over-Effekte" u n d Instrumenteneinsatz

197

3. Veränderungen i m Fließgleichgewicht

202

I V . Das Ergebnis: Der synergistische Gehalt absatzwirtschaftlicher Systeme 209

Inhaltsverzeichnis Dritter

Teil

Betrachtung der Interdependenzenproblematik unter realtypischen Prämissen

213

I. Die M o d i i i k a t i o n idealtypischer A x i o m e

213

I I . Durchschnittstypische Betrachtung

217

1. Materielle Dimensionen

218

11. Die Zielbezogenheit der Interdependenzen

219

111. Der Zielinhalt als Determinante

220

112. Das Zielausmaß als Determinante

229

12. Die Strategiebezogenheit der Interdependenzen

232

121. Die Bestimmungsgröße „Sachziel"

232

122. Die Bestimmungsgröße „Zielgruppe"

236

13. Die Bedingungsrahmenbezogenheit der Interdependenzen 131. Endogene Wirkkomponenten

246 246

1311. Die unterschiedliche Variierbarkeit der Instrumente 246 1312. Die Unternehmungssituation 13121. 13122. 13123. 13124.

Der Das Der Der

249

Beschaffungssektor Leistungsprogramm Finanzsektor organisatorische Bereich

250 251 253 255

132. Exogene Wirkkomponenten

259

1321. Die Konkurrenzsituation

259

1322. Die normativen Determinanten

263

1323. Die gesamtwirtschaftlichen Bestimmungsgrößen

267

2. Informatorische Dimensionen 3. Zeitliche Dimensionen

,

272 278

Schlußbetrachtung

286

Literaturverzeichnis

288

Abkürzungsverzeichnis AMA

=

American M a r k e t i n g Association

BFuP

=

Betriebswirtschaftliche Forschung u n d Praxis

BGBl.

=

Bundesgesetzblatt

FAZ

=

Frankfurter Allgemeine Zeitung

HBE

=

H a r v a r d Business Review

HdB

=

Handwörterbuch der Betriebswirtschaft

HdO

=

Handwörterbuch der Organisation

HdW

=

Handbuch der Wirtschaftswissenschaften

iwS

=

i m weiteren Sinne

JoB

=

The Journal of Business

Handwörterbuch der Sozialwissenschaften

HdSW

JoIE

The Journal of Industrial Economics

JoM

=

Journal of M a r k e t i n g

JoME

=

Journal of Marketing Research

JoPE

=

The Journal of Political Economy

MJ

=

Marketing Journal

MS

=

Management Science

NB

=

Neue Betriebswirtschaft

NZZ

=

Neue Züricher Zeitung

QJE

=

The Quarterly Journal of Economics

RGBl.

=

Reichsgesetzblatt

SZ

=

Süddeutsche Zeitung

ZfB

=

Zeitschrift f ü r Betriebswirtschaft

ZfbF

=

Zeitschrift f ü r betriebswirtschaftliche Forschung

ZfhF

=

Zeitschrift f ü r handelswissenschaftliche Forschung

ZgesStw

=

Zeitschrift f ü r die gesamten Staatswissenschaften

Erster Teil

Grundlegung I . Das absatzpolitische I n s t r u m e n t a r i u m

Marketing macht Märkte. M i t diesem Titel akzentuierte R. Bossle1 einen Tatbestand moderner „Management-Philosophy", nämlich die gestaltende Einflußnahme auf den Markt. Sicherlich ist es i n erster Linie die einprägsame alliterative Sentenz, die diesen Buchtitel gemeinhin zur Interpretation des buntschillernden Begriffes „Marketing" werden ließ. Doch liegt die Verwirklichung dieser unternehmerischen Grundeinstellung, dieser beherrschenden Idee 2 , tatsächlich i n der Uberführung von Bedürfnissen i n kauf willige Nachfrage; dabei w i r d der „ K a u f w i l l e " durch Maßnahmen geschaffen, die i n Literatur und Praxis als absatzpolitische Instrumente 3 bzw. als Absatzmittel 4 oder Aktionsparameter 5 der A b satzpolitik bezeichnet werden. Das Marketing enthält neben dieser betont aggressiven Komponente jedoch weitere Aspekte, die i n der o. g. Definition nicht deutlich werden: Marketing als Maxime und als Methode . I n diesen Begriffen kommt der Einfluß der Entscheidungstheorie, welche die Betriebswirtschaftslehre i m vergangenen Jahrzehnt entscheidend beeinflußte und schließlich prägte 6 , deutlich zum Ausdruck. Ihre systematische Zielforschung, die möglichst 1

Vgl. Bossle, R.: M a r k e t i n g macht Märkte, Wiesbaden 1968. Vgl. Nieschlag, R.: Was bedeutet die Marketing-Konzeption f ü r die Lehre v o n der Absatzwirtschaft?, i n : ZfhF, N . F . , 15. Jg., 1963, H. 11/12, S. 549 - 559, S. 551 (Zitierweise: Marketing-Konzeption). 3 Die instrumental gesehene Absatzlehre Gutenbergs brachte diesen terminus technicus i n die L i t e r a t u r ; vgl. Gutenberg, E.: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, 2. Bd.: Der Absatz, 8. Aufl., Berlin —Heidelberg—New Y o r k 1965 (Zitierweise: Der Absatz). 4 Vgl. Beyeler, L.: Grundlagen des kombinierten Einsatzes der Absatzmittel, Bern 1964; vgl. auch die ethymologische Verwandtschaft zum Begriff der „Absatzmittler", jener Gruppe i n der Handelskette, deren spezifisches u n d hervorstechendes M e r k m a l der Einsatz v o n Absatzmitteln ist. 5 Z u diesem Begriff siehe: Frisch, R.: Monopole — Polypole, L a Notion de Force dans TEconomie, i n : Nationaloconomisk Tidsskrift, Bd. 71, Kopenhagen 1933, S. 241 - 259 (abgedruckt i n : Preistheorie, hrsg. v. A . E. Ott, K ö l n B e r l i n 1965, S. 17-32, S. 23); Albach, H.: Wirtschaftlichkeitsrechnungen bei unsicheren Erwartungen, K ö l n u n d Opladen 1959, S. 9; Ott, A . E.: M a r k t f o r m u n d Verhaltensweise, Stuttgart 1959, S. 92 ff. 6 Z u r Diskussion des betriebswirtschaftlichen Entscheidungsprozesses u n d der damit verbundenen Fragen siehe v o r allem: Kosiol, E.: Organisation des 2

16

1. Teil: I. Das absatzpolitische Instrumentarium

v o l l s t ä n d i g e u n d präzise F o r m u l i e r u n g des E n t s c h e i d u n g s p r o b l e m s u n d die A n a l y s e des Entscheidungsprozesses h a b e n a u ß e r o r d e n t l i c h b e f r u c h tend gewirkt. Z u m e r s t e n w i r d die B e d e u t u n g der Z i e l s e t z u n g u n t e r n e h m e r i s c h e r A b s a t z a k t i v i t ä t e n h e r v o r g e h o b e n , u n d z w a r die A u s r i c h t u n g a l l e r z u treffenden Entscheidungen an den Gegebenheiten u n d Erfordernissen d e r U m w e l t , d. h. eines D a t e n r a h m e n s , d e n d i e W i r t s c h a f t s t h e o r i e l a n g e Z e i t als „ S a m m e l b e c k e n m e t a - ö k o n o m i s c h e r F a k t o r e n " a l l z u s t i e f m ü t t e r lich behandelte7. Z u m z w e i t e n w i r d M a r k e t i n g als die wissenschaftlich f u n d i e r t e E i n f l u ß n a h m e a u f d e n K a u f a k t angesehen, ausgezeichnet d u r c h e i n s y s t e m a tisches V o r g e h e n , das sich b e m ü h t , d e m B e r e i c h d e r R a t i o n a l i t ä t w i r t schaftlichen V e r h a l t e n s s t ä n d i g größere D i m e n s i o n e n zu geben 8 . A u s dieser T r i a s v o n P r i n z i p i e n : M a r k e t i n g — M a x i m e , M i t t e l , M e t h o d e 9 h a t i n der a b s a t z w i r t s c h a f t l i c h e n L i t e r a t u r der P r o b l e m k r e i s „ M i t t e l " s i c h e r l i c h die i n t e n s i v s t e B e h a n d l u n g e r f a h r e n . A l s V o r l ä u f e r dieser i n s t r u m e n t a l e n Sichtweise k a n n die D a r s t e l l u n g der F u n k t i o n e n des H a n d e l s 1 0 gesehen w e r d e n , w e l c h e b e i der D i s k u s s i o n u m die v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e B e r e c h t i g u n g , also die P r o d u k t i v i t ä t des H a n d e l s , eine bedeutende R o l l e s p i e l t e 1 1 . Entscheidungsprozesses, B e r l i n 1959; Gäfgen, G.: Theorie der wirtschaftlichen Entscheidung, 2. durchges. u. erw. Aufl., Tübingen 1968; Hax, H.: Die Koordinat i o n von Entscheidungen, Köln—Berlin—Bonn—München 1965; Heinen, E.: Das Zielsystem der Unternehmung. Grundlagen betriebswirtschaftlicher E n t scheidungen, Wiesbaden 1966. 7 Vgl. Holzer, K . : Theorie des Datenrahmens, B e r l i n 1964. 8 Dies manifestiert sich v o r allem i n dem Versuch, die komplexen Entscheidungsverläufe i m Absatzsektor transparenter zu machen, wobei meist das Theorem der Entscheidungsphasen zugrunde gelegt w i r d . Vgl. hierzu die bei W i t t e angegebene, i n erster L i n i e amerikanische Manag ement-Literatur u n d die v o m gleichen Verfasser vorgenommene Falsifizierung dieses Theorems; Witte, E.: Phasen-Theorem u n d Organisation komplexer Entscheidungsverläufe, i n : ZfbF, N. F., 20. Jg., H. 10,1968, S. 625 - 647. 9 Vgl. Nieschlag, R.¡Dichtl, EJHörschgen, H.: M a r k e t i n g — E i n entscheidungstheoretischer Ansatz, 4. neubearbeitete u n d erweiterte Aufl. der E i n führung i n die Lehre von der Absatzwirtschaft, B e r l i n 1971, S. 78 ff. 10 Aus der zahlreichen L i t e r a t u r zu diesem Thema seien genannt: Seyffert, R.: Wirtschaftslehre des Handels, 4. Aufl., K ö l n u n d Opladen 1961; Lisowsky, A.: Z u r Theorie u n d Systematik der Handelsfunktionen, Berlin— Wien—Zürich 1937; Oberparieiter, K . : Funktionen u n d Risiken des Warenhandels, 2. Aufl., Wien 1955; Buddeberg, H.: Betriebslehre des Binnenhandels, Wiesbaden 1959; Marre, H.: Funktionen u n d Leistungen des Handelsbetriebes, K ö l n u n d Opladen 1960. 11 Lampe spricht w o h l zu Recht v o n der ,Unproduktivität des Produktivitätsstreits 4 , doch k l i n g t dieses Thema auch heute noch h i n u n d wieder i n einzelnen Abhandlungen an, w i e z. B. ein Besprechungsaufsatz v o n Gerth i n der ZfbF zeigt. Vgl. Lampe, A.: Umrisse einer Theorie des Handels, aus dem Nachlaß hrsg. v. R. Rohling, B e r l i n 1958, S. 18; vgl. Gerth, E.: Wettbewerb u n d Volkswirt-

I. Das absatzpolitische Instrumentarium

Funktionen, u m deren Begriffsintensionen „Leistung" bzw. „Aufgabe" sich i n der Literatur gleichsam ein „Parteienstreit" entwickelte 12 , verlangen einen Mitteleinsatz zu ihrer Bewältigung, womit der Weg von der verstehenden zur operationalen Absatztheorie beschritten wird. Diese Entwicklung läßt sich ebenfalls auf anderen Gebieten der Betriebswirtschaftslehre verfolgen, wo die Bemühungen u m anwenderorientierte Instrumenten-Systeme praxeologisch wertvolle Erhellungen lieferten 13 . I n allen Fällen entsteht dabei das Problem der optimalen Kombination dieser Mittel, das zu einer der schwierigsten und i n der in- und ausländischen Absatz-Literatur kaum behandelten Fragen gehört. Die Komplexität jedes Lösungsansatzes auf dem Gebiet der Absatzpolitik erhöht sich nämlich vor allem durch die psychischen Bedingungen, die den Markt beherrschen; sie lassen den „unvollkommenen" Markt zur Regel, die „vollkommene" Gesamtheit der ökonomischen Beziehungen zwischen einer Gruppe von Anbietern und Nachfragern 14 jedoch zur Ausnahme werden. Gerade die geringe Markttransparenz auf Seiten der Käufer und ihr beschränkt rationales Handeln machen den Einsatz auch solcher Instrumente möglich, die bei einer rein technisch bedingten Zusammenstellung 15 von Absatzmitteln keinen Platz hätten. Weitere Besonderheiten ergeben sich durch die Bedingungen individueller und autonomer unternehmerischer Aktivitäten, denen die Axiome des unvollkommenen Marktes 1 6 implizit zugrundeliegen; denn „,Vollkommenheit' des Marktes und autonome absatzwirtschaftliche Tätigkeit der Unternehmung schließen sich gegenseitig aus 17 ." schaftliche Produktivität der modernen Einzelhandelsformen (Rezension zu: Woll, A.: Der Wettbewerb i m Einzelhandel), i n : ZfbF, 19. Jg., 1967, S. 128 - 134. 12 Vgl. hierzu den guten Überblick unterschiedlicher Funktions-Interpretationen bei Worpitz, H. G.: Probleme der Funktionseinengung unter besonderer Berücksichtigung des Einzelhandels, K ö l n u n d Opladen 1960. 13 A u f dem Gebiet der Beschaffungspolitik wurde ein „Instrumentenkasten" v o r allem entwickelt v o n Treis, B.: Die Beschaffung landwirtschaftlicher Produkte durch Unternehmen der Ernährungswirtschaft, Diss., B e r l i n 1970, S. 116 ff.; ferner findet sich eine Gruppierung v o n beschaffungspolitischen Instrumenten bei Theisen, P.: Grundzüge einer Theorie der Beschaffungspolitik, B e r l i n 1970, S. 85 ff. I m Bereich der Personalpolitik steht dem Personalmarketing zur Realisation seiner Ziele ein Bündel v o n Maßnahmen zur Verfügung, u m deren Systematisierung sich v o r allem folgende A u t o r e n bemühten: Nieschlag, R.: Das Problem der Systematisierung personalpolitischer Maßnahmen, i n : V e r antwortliche Betriebsführung, hrsg. v. E. Gaugier, Prof. G. Fischer zum 70. Geburtstag, Stuttgart 1969, S. 197-209; Staudacher, F.: Die Informationspolitik — E i n Instrument betrieblicher Personalpolitik, Diss., München 1967. 14 So die „ M a r k t " - D e f i n i t i o n bei Schneider, E.: Einführung i n die W i r t schaftstheorie, 2. Teil, 10. Aufl., Tübingen 1965, S. 77. 15 Hierbei ist an die Erfordernisse einer n u r physisch bedingten Distribution gedacht. 18 Diese sind u . a . dargelegt bei Bongard, W.: „Nationalökonomie wohin?", Realtypen wirtschaftlichen Verhaltens, K ö l n u n d Opladen 1965, S. 19 ff. 2 Linssen

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1. T e i l : I . Das absatzpolitische Instrumentarium

Nur unter diesen genannten Prämissen ergibt sich die Vielfalt von Instrumentalvariablen, die i m Gegensatz zu den Trendvariablen 1 8 von der Unternehmung als Aktionsparameter benutzt werden können; die sie auszeichnenden Kriterien liegen i n der Ausrichtung auf den Absatzbereich und der gestaltenden Einflußnahme 19 . 1. Die materielle Gliederung des Instrumentariums

Nach dem ersten Versuch einer Systematisierung durch Gutenberg, der die Instrumente Absatzmethode, Produktgestaltung, Preispolitik und Werbung unterscheidet 20 , hat es nicht an Bemühungen gefehlt, diese Aufstellung abzuändern, zusammenzufassen, zu erweitern, zu verfeinern, zu klassifizieren und zu gewichten. Analog der Tendenz i n der MikroÖkonomik, i n der man heute z. B. für eine zusammenfassende Behandlung von Produktvariation und Werbung plädiert, w e i l hierbei die Problemstrukturen und Lösungen unter dem Aspekt der Theorie des Gleichgewichtes sehr ähnlich gelagert sind 21 , findet auch i m absatzwirtschaftlichen Schrifttum eine Kontraktion, d. h. Straffung des Instrumentariums, Befürworter. So plädiert Banse für eine Teilung der Vertriebspolitik 2 2 i n die beiden großen Bereiche der Preispolitik und des Qualitätswettbewerbs 23 , eine Zwei-Variablen-Betrachtung, die Kuhlo dann sehr wirkungsvoll, aber eben stark simplifizierend seiner modellhaften Aussage zugrundelegt 24 . Die Mehrzahl der amerikanischen Autoren reiht i n Form einer „checklist" — quasi enumerativ — einzelne Instrumente aneinander, wobei Weite und Tiefe der Gliederung m i t jeweils unterschiedlichen Zweck17 Angehrn, O.: Absatzwirtschaft als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung, i n : Beiträge zur Lehre v o n der Unternehmung, Festschrift f ü r K a r l Käfer, hrsg. v. O. A n g e h r n u n d H. P. Künzi, Stuttgart 1968, S. 21 - 33, S. 27. 18 Das sind „der allgemeine Wachstumstrend, der Trend der speziellen Entwicklung eines Produktions- oder Geschäftszweiges u n d der Unternehmungstrend"; Gutenberg, E.: Der Absatz, S. 47. 19 Vgl. ebenda, S. 48 f. 20 Vgl. ebenda, S. 50. 21 Vgl. z. B. Möller, H.: Kalkulation, Absatzpolitik u n d Preisbildung, Nachdruck m i t einer neuen Einführung über die Entwicklung der modernen Preistheorie, Tübingen 1962, S. X X X V ; Ott, A . E.: M a r k t f o r m u n d Verhaltensweise, S. 102, A n m . 199. 22 Der bei diesem A u t o r ebenso w i e bei Mellerowicz verwendete Begriff ist i n seiner Extension identisch dem der „Absatzpolitik"; vgl. Banse, K . : Stichw o r t „Vertriebs-(Absatz-)politik", i n : HdB, Begr. v. H. Nicklisch, 3. Aufl., Bd. I V , Stuttgart 1962, Sp. 5983 - 5994; vgl. Mellerowicz, K . : Unternehmenspolitik, 2. Aufl., Bd. I I , Freiburg i. B. 1963, S. 15 f. 28 Vgl. Banse, K . : S p . 5988. 24 Vgl. Kuhlo, K . Chr.: Die Qualität als Instrumentalvariable beim V o l l kostenprinzip, i n : Ifo-Studien 1956, S. 221 - 238.

1. Die materielle Gliederung des Instrumentariums

19

mäßigkeitserwägungen begründet werden. Unter Berücksichtigung der Erfordernisse und Möglichkeiten der Management-Science-Techniken behandeln Montgomery/Urban „the particular marketing problem areas of advertising, price, distribution, personal selling, and new product planning" 2 5 . Der Eindruck von „case histories" veranlaßt Borden, Product Planning, Pricing, Branding, Channels of Distribution, Personal Selling, Advertising, Promotions, Packaging, Display, Servicing, Physical Handling, Fact Finding and Analysis nebeneinanderzustellen 26 . MarketingMethoden und - M i t t e l werden hier i n undifferenzierter Weise i n einen Zusammenhang gebracht. Die Zweiteilung bei der Klassifikation herrscht wiederum vor bei Frey, der die Variablen des „Offering" (product, packaging, brand, price, service) und der „Methods and Tools" (distribution, channels, personal selling, advertising, sales promotion, publicity) unterscheidet 27 . M i t der Dreiteilung von Kelley/Lazer i n 1. Goods and service m i x 2. Distribution m i x 3. Communications m i x 2 8 nähern w i r uns der Klassifizierung von Nieschlag/Dichtl/Hörschgen, welche sich durch die gedankliche Zusammenfassung gewisser Leistungskomponenten zu 4 Teilgebieten auszeichnet, „die die Leistungsbereitschaft, die Leistungssubstanz, den monetären Bereich sowie die Kommunikation umfassen" 29 . I n dieser Systematik w i r d verschiedenen Einwänden gegen das Gutenbergsche Instrumentarium Rechnung getragen: einmal bewirkt die Ausweitung ui*d Verfeinerung der Instrumentalvariablen eine größere Operationalität des Ansatzes, womit ein deutlicher Hinweis auf die Vielfalt und Differenziertheit möglicher Strategien einhergeht; zum anderen w i r d die Forderung nach einer allgemeingültigen, nicht nur industriespezifischen Aufgliederung und nach didaktischer Adäquanz erfüllt 3 0 . 25 Montgomery , D. B./Urban, G. L.: Management Science i n Marketing, Englewood Cliffs, N. J. 1969, S. 26. 26 Borden, N. H.: The Concept of the M a r k e t i n g M i x , i n : Journal of A d v e r tising Research, Vol. I V , Nr. 2, J u n i 1964, S. 2 - 7 . 27 Vgl. Frey, A . W.: Advertising, 3. Aufl., New Y o r k 1961, S.30. Eine annähernd gleiche Aufstellung findet sich i n der Untersuchung des BattelleInstituts; vgl. Battelle-Institut e. V. (Hrsg.): Probleme u n d Methoden des M a r k e t i n g i n der Produktions- u n d Investitionsgüterindustrie, 6. Bd., F r a n k f u r t / M . 1968, Gliederung des I I . Teils. 28 Vgl. Kelley, E. J.ILazer, W. (Hrsg.): Managerial M a r k e t i n g : Perspectives and Viewpoints, 3. Aufl., Homewood/Ill. 1967, S. 415 ff. 29 Nieschlag et dl.: Marketing, S. 118. 80 Nieschlag begründet h i e r m i t den Ausbau der Lehre v o n den absatzwirtschaftlichen Instrumenten; vgl. Nieschlag, R.: Marketing-Konzeption, S. 554.

2*

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1. Teil: I. Das absatzpolitische Instrumentarium

Der Gruppierung der Absatzmittel i n vier Blöcke fehlt es jedoch i n einem Punkt an logischer Stringenz: der monetäre Bereich m i t den Instrumenten Preis- und Rabattpolitik, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, Kreditgewährung und Leasing dient sicherlich nicht nur der Abgeltung von Leistungsbereitschaft und Leistungssubstanz. Jedes Unternehmen w i r d versuchen, sich auch die Kosten der Informationsparameter wie Werbung, Sales Promotion und Public Relations i m Preis vergüten zu lassen, da diese Kommunikationsaufwendungen nicht i n allen Fällen eine Preiskonstanz durch Ausweitung der Nachfrage, d.h. die Erzielung von „economies of scale", gewährleisten. Die Möglichkeit zur Preisanhebung ergibt sich nämlich aus einem Phänomen, „das preistheoretisch als ein durch die Werbung hervorgerufener Elastizitätsrückgang bezeichnet w i r d " 3 1 . Die Konsequenz dieser Einsicht liegt darin, daß die Abgeltungspolitik nicht nur m i t der Leistungsbereitschaft und der Leistungssubstanz eines Unternehmens korreliert, sondern ebenso m i t der Informationspolitik. Schaubild 1 auf S. 22 macht diesen Sachverhalt deutlich. Die Interdependenz aller Absatzmittel muß also schon i n der gedanklichen Verdichtung der Instrumente zu vier Bereichen klar zum Ausdruck kommen. Unter Berücksichtigung der obengemachten Ausführungen wollen w i r der weiteren Abhandlung nunmehr folgenden Mittelkatalog zugrunde legen: 1. Die Leistungsbereitschaft — — — — —

Betriebsgröße Standort Distributionskanal Betriebsbereitschaft Ausstattung

2. Die Leistungssubstanz — — — —

Produktpolitik Sortimentspolitik und Diversifizierung Garantieleistungen Kundendienst

31 Telser hat i n einer umfassenden Studie den empirischen Nachweis erbracht, daß die Preise solcher Produkte, f ü r die i n starkem Maße geworben w i r d , tatsächlich höher liegen als die vergleichbarer, ohne Werbungsunterstützung auskommende Produkte; vgl. Telser, L . G.: Advertising and Competition, i n : JoPE, Vol. L X X I I , Nr. 6 (Dez. 1964), S. 537 - 562.

1. Die materielle Gliederung des Instrumentariums

21

3. Die Abgeltung von Leistungsbereitschaft, Leistungssubstanz und Information — — — —

Preispolitik Rabattpolitik Lieferungs- und Zahlungsbedingungen Kreditgewährung und Leasing

4. Die Information über Leistungsbereitschaft, Leistungssubstanz und Abgeltung — Werbung — Verkaufsförderung — Public Relations Auffallend ist an dieser Systematik der Aktionsparameter 32 die Vorwegnahme des vierten Instrumentenblocks („Information") i n der dritten Instrumentenkategorie. Ein solches Faktum ist zwar vom Ablauf her nicht optimal, jedoch unvermeidlich, w i l l man den o. g. Ausführungen hinsichtlich der Abgeltung von Informationskosten Rechnung tragen. Hiermit ist der — relativ — weite Bereich abgesteckt, dem diese Untersuchung gelten soll. Bei einer Herabsetzung der Zahl der Instrumente würde das Problem der Kombination sicherlich wesentlich einfacher liegen. Die Entwicklung der absatzpolitischen Instrumente von der Basis, welche die MikroÖkonomie m i t der Erweiterung der Preisvariablen um die Qualitätsstrategie geschaffen hatte 3 3 , ergab jedoch infolge der praktisch-normativen Ausrichtung der Betriebswirtschaftslehre 34 konsequenterweise die Vielzahl der Parameter, die ungewichtet nebeneinanderstehen. 32 Sie ist nahezu identisch m i t dem v o n Nieschlag et al: Marketing, S. 120 ff., entwickelten Merkmalskatalog. Es fehlt das Instrument „Betriebst y p " ; die Begründung hierfür findet sich auf S. 27/28. 33 Schumpeter nennt die dadurch begründete „Theorie monopolistischer Konkurrenz" einen der Hauptbeiträge zur Ökonomie der Nachkriegszeit. A l s Wegbereiter können Chamberlin u n d Robinson gelten. Vgl. Schumpeter, J. A.: Kapitalismus, Sozialismus u n d Demokratie, 2. erw. Aufl., Bern 1950, S. 131; Chamberlin, E. H.: The Theory of Monopolistic Competition, 7. Aufl., Cambridge/Mass. 1956; Robinson, J.: The Economics of Imperfect Competiton, 2. veränd. Aufl., London 1969. 34 Heinen fordert die Fundierung praktisch-normativer Empfehlungen durch deskriptive Modelle: „Die Empfehlungen der praktisch-normativen Betriebswirtschaftslehre sind n u r dann sinnvoll, w e n n die zugrunde gelegten Verhaltensannahmen den tatsächlichen entsprechen. Die Erklärungsaufgabe der Betriebswirtschaftslehre erfordert somit beschreibende Modelle des menschlichen Verhaltens i n Betriebswirtschaften." Heinen, E.: Einführung i n die Betriebswirtschaftslehre, 3. verb. Aufl., Wiesbaden 1970, S. 33. (Zitierweise: Einführung)

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1. Teil: I. Das absatzpolitische Instrumentarium Schaubild 1 Die Abgeltung eines nach Marktsegmenten unterschiedlich dimensionierten Instrumenteneinsatzes Consumers

Quelle: Harvard Business School: Marketing Programs, hektographiertes Manuskript zu einem Vortrag vor dem Universitätsseminar der Wirtschaft, St. Augustin/Bonn, am 15. 7. 1969, S. 4.

Gerade dieser Aspekt der Gleichwertigkeit der Instrumente 3 5 bleibt i n manchen Gliederungen außer Acht. So fügt Burkheiser den vier Instrumenten Gutenbergs noch sogenannte „Zusatzleistungen" (Verkaufsförderung, Service) an 36 , und auch die i n vielen Abhandlungen anzutreffende Aufteilung nach Haupt- und Nebeninstrumenten läuft der o. g. 85 Zumindest ex ante, d. h. v o r der Konkretisierung i n einer Absatzkonzeption. 36 Vgl. Burkheiser, H.: Produktorientierte Absatzpolitik, Frankfurt a. M.— Zürich 1970, S. 173 ff.

1. Die materielle Gliederung des Instrumentariums

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Intension zuwider. Selbst wenn die Berührungspunkte — wie sich i n den folgenden Ausführungen noch zeigen w i r d — zwischen einigen Instrumenten besonders stark ausgeprägt sind, so gilt dennoch die Forderung Hörschgens: „ I m System der Marketing-Instrumente ist grundsätzlich allen absatzpolitischen Instrumenten die gleiche Bedeutung zuzumessen 37 ." Der Heterogenität der Umweltbedingungen, auf die die Aktionsparameter einwirken, insbesondere der stark differierenden Reagibilität innerhalb der Konsumentenkreise auf einzelne Instrumente, kann nur ein solchermaßen gearteter Katalog gerecht werden. Die i n der Literatur anzutreffenden Vermutungen hinsichtlich der Bedeutung einzelner M i t t e l erscheinen daher als rein akademische Übungen 38 , solange nicht konkrete Untersuchungen vorliegen. M i t einer solchen konnte z. B. Udell nachweisen, daß die vielfach vermutete Dominanz der Preispolitik gegenüber der Qualitätsvariation (in weitestem Sinne) nicht zutrifft: „ I t appears, that business management did not agree w i t h the economic views of the importance of pricing — one half of the respondence did not select pricing as one of the five most important policy areas i n their firm's marketing success39." Bevor m i t den formalen Aspekten des Instrumentariums die „Arten, Weisen und Prinzipien der Ordnung des Erfahrungsmaterials" 40 näher beleuchtet werden, u m von da aus bereits Hinweise auf die Interdependenz zu erhalten, soll i n der gebotenen Kürze und unter Betonung neuerer Sichtweisen der materielle Gehalt der einzelnen Instrumente dargestellt werden, denn: „ I m Begriff des reinen Verstandes geht . . . die Materie der Form vor 4 1 ." M i t Hilfe disjunktiver Urteile 4 2 wurde das Instrumentarium gemäß dem Katalog auf S. 20/21 bestimmt. Dabei wurde von der Leistungsbe-

37 Hörschgen, H.: Der zeitliche Einsatz der Werbung, Bestimmungsfaktoren des T i m i n g i n der Absatzwerbung, Stuttgart 1967, S. 28. 38 So die bis heute i n erster L i n i e preis-orientierte mikroökonomische Theorie, aber auch z. B. die Aussage Gutenbergs, daß die Werbung „das bevorzugte Instrument absatzpolitischer Anstrengungen i n vielen Bereichen der modernen Industrie" geworden ist. Vgl. Henderson , J. NJQuandt, R. E.: M i c r o economic Theory, New Y o r k 1958; vgl. Gutenberg, E.: Die Absatzplanung als M i t t e l der Unternehmungspolitik, i n : Absatzplanung i n der Praxis, hrsg. v. E. Gutenberg, Wiesbaden 1962, S. 285 - 320, S. 291. 39 Udell , J. G.: H o w I m p o r t a n t is Pricing i n Competitive Strategy, i n : JoM, Vol. 28 (1964), Nr. 1, S. 44 - 48, S. 44. Die Aussagen beruhen auf der Befragung v o n 200 Produzenten der I n v e stitions- u n d Konsumgüterindustrie. Z u einem ähnlichen Ergebnis k o m m t der A u t o r i n einer neueren Untersuchung: vgl. ders.: The Perceived Importance of the Elements of Strategy, i n : JoM, Vol. 32 (1968), Nr. 1, S. 34 - 40. 40 Eisler, R.: K a n t - L e x i k o n , B e r l i n 1930, Stichwort „Form, formal", S. 154. 41 Ebenda, S. 155.

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1. Teil: I . Das absatzpolitische Instrumentarium

reitschaft eines Unternehmens ausgegangen, die durch die Menge und die A r t der betrieblichen Potentialfaktoren sowie deren zeitliche Einsatzbereitschaft bestimmt w i r d 4 3 . Dieser Definition entspricht i n erster Linie das Instrument Betriebsgröße. Sie hat für die Unternehmung einen hohen Akquisitionswert, verbinden doch die Kunden m i t der quantitativen Kapazität ihres Marktpartners gewisse Qualitätsvorstellungen. Dieser Assoziationskraft versuchen die Unternehmer dadurch Rechnung zu tragen, daß sie den „Umfang des Gesamteinsatzes d e r . . . kombinierten Produktionsmittel" 4 4 variieren, womit sowohl eine multiple als auch mutative Betriebsgrößenvariation 45 einhergeht. Die qualitative Kapazität eines Unternehmens drückt sich i n starkem Maße i n seinem Standort aus, von dem wichtige absatzwirtschaftliche Wirkungen ausgehen 46 . Häufig ist es jedoch so, daß die Tendenz zur Betonung der „Ortsbequemlichkeit des Verbrauchers" 47 bei der Alternativenbewertung möglicher Niederlassungen nicht als ausschlaggebendes K r i t e r i u m fungiert, vielmehr die Verhältnisse auf dem Beschaffungs-, Arbeitskräfte- und Finanzmarkt entscheiden 48 . Der Standort hat dann eher den Charakter eines gesamtbetrieblichen Faktors m i t absatzpolitischem Instrumentalcharakter 49 . Für die exakte Analyse der Einzelbeziehungen zwischen den Instrumenten ist es erforderlich, den Komplexcharakter des Standorts weiter aufzulösen. Dabei w i r d die Bedeutung des innerbetrieblichen Standorts als Bestimmungsgröße der Kaufhandlung deutlich. Gerade bei einer Betrachtung des Konsumprozesses 50 i m Einzelhandel, d. h. der zeitlichen 42 Eine der 3 A r t e n von Urteilen, bei denen K a n t v o n „Relation der Urteile" spricht; vgl. Kant, J.: K r i t i k der reinen Vernunft, tr. L o g i k §23 ( I V 114), i n : Kants Werke, Bd. I I I , 2. Aufl., 1787, B e r l i n 1911. 43 Vgl. Heinen, E.: Betriebswirtschaftliche Kostenlehre, Bd. I : Begriff u n d Theorie der Kosten, 2. Aufl., Wiesbaden 1965, S. 453 ff. 44 Koch, H.: Stichwort „Betriebsgröße", i n : HdSW, 2. Bd., Stuttgart—Tübingen—-Göttingen 1959, S. 82 - 87, S. 83. 45 Vgl. Gutenberg, E.: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, 1. Bd.: Die Produktion, 11. Aufl., Berlin—Heidelberg—New Y o r k 1965, S. 412 ff. (Zitierweise: Die Produktion). 46 Diese sind v o r allem f ü r den Ladeneinzelhandel außerordentlich wesentlich, oft lebenswichtig; vgl. Klein-Blenkers, F.: ökonomisierung der D i s t r i bution, K ö l n u n d Opladen 1964, S. 176. 47 Gross, H.: M a r k e t i n g heute u n d morgen, i n : Marketing i m Handel, Bern 1962, S. 99 - 112, S. 106. 48 Die Vielzahl der Einflußfaktoren w i r d i n der einschlägigen L i t e r a t u r ausführlich dargestellt. V g l Behrens, K . Chr.: Allgemeine Standortbestimmungslehre m i t einem Anhang über Raumordnung, K ö l n u n d Opladen 1961; ders.: Der Standort der Handelsbetriebe, K ö l n u n d Opladen 1965; Ruppmann, R.: Die Standortbestimmung f ü r Verkaufsstätten i m Einzelhandel, B e r l i n 1968. 49 Analog der Systematik bei Treis, B.: S. 121,

1. Die materielle Gliederung des Instrumentariums

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Abfolge i m Fühlen und Denken eines potentiellen Käufers, w i r d dieser Aktionsparameter als entscheidend angesehen. Denn: „Es geht vom bloßen Arrangement der verschiedenen Waren ein wahrer Zauber, eine sorgsam geregelte Faszination aus 51 ." Sowohl die qualitative als auch die quantitative Komponente unternehmerischer A k t i v i t ä t stehen i m Vordergrund bei der Käuferstimulation m i t Hilfe des Distributionskanals. Dieses Instrument entspricht i n seiner inhaltlichen Dimension der „Absatzmethode" Gutenbergs 52 , einem Sammelbegriff für unterschiedlichste Entscheidungen: die Wahl des Vertriebssystems, der Absatzform und der Absatzwege. W i r haben oben festgestellt, daß der materielle Gehalt des Instrumentariums Gegenstand der Erörterungen i n diesem Abschnitt sein soll — dieser kommt jedoch i n der Gutenbergschen Begriffsbildung nicht zum Ausdruck, da sie auf einer vollkommen anderen Ebene als der von Preis, Werbung usw. vorgenommen wurde. Die von anderen Autoren vorgeschlagene Interpretation dieses Absatzbereiches als „Verkaufs- oder Absatzorganisation" 53 erscheint zu eng, da sie schwerpunktartig den organisatorischen Aspekt der Distribution betont, den physischen Charakter jedoch weitgehend vernachlässigt. I n der amerikanischen Literatur findet sich gerade i n jüngerer Zeit eine starke Betonung der „Physical Distribution Decisions", die getrennt von den „Channel Decisions" behandelt werden 54 . Diese Entscheidungen über den Markt- und Distributionskanal beinhalten jedoch i n den meisten Fällen eine Aussage über die optimale physische Distribution; „ i n principle, channel alternatives and physical distribution alternatives should be considered simultaneously" 55 . Frey w i r d dieser Forderung gerecht, indem er die Zweiteilung vermeidet und i n seine Systematik nur die 50 Vgl. Gerth, E.: die Bedeutung des Konsumprozesses f ü r die Absatzpolitik, i n : ZfB, 36. Jg., 1966, Nr. 10, S. 632 - 646. 51 Fernand Léger: Conférence über die Schaubühne, zitiert nach: Rühle, G.: Das Warenhaus als Lustobjekt, i n : F A Z , Nr. 51 v. 1. 3.1969, o. S.; vgl. zu diesem Erlebnisbereich auch: Kaufmann, P.: Der Schlüssel zum Verbraucher, Wien— Düsseldorf 1969, insbes. S. 427 ff. 52 Vgl. Gutenberg, E.: Der Absatz, S. 123 ff. 53 Vgl. Ruberg, C.: Verkaufsorgariisation, Essen 1952; Schäfer, E.: Absatzwirtschaft, i n : HdW, Bd. I : Betriebswirtschaft, hrsg. v. K . H a x u n d Th. Wessels, 2. Überarb. u. erw. Aufl., K ö l n u n d Opladen 1966, S. 277 - 341, S. 320 ff.; Sundhoff, E.: Absatzorganisation, Wiesbaden 1968. 54 Vgl. Kelley, E. JJLazer, W. (Hrsg.): Managerial Marketing: Perspectives and Viewpoints, S. 415; Lewis, E. H.: M a r k e t i n g Channels: Structure and Strategy, New Y o r k usw. 1968; auch unter dem Begriff „ M a r k e t i n g Logistik" w i r d dieser Aspekt eingehend analysiert; vgl. Böcker, F.: Physische D i s t r i bution — Z w i t t e r aus M a r k e t i n g u n d Logistik, in: Markenartikel, H. 5, M a i 1971, S. 180 - 185. 55 Kotler, Ph.: M a r k e t i n g Management — analysis, planning and control, Englewood Cliffs/N. J. 1967, S. 419.

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1. Teil: I. Das absatzpolitische Instrumentarium

„ d i s t r i b u t i o n Channels" a u f n i m m t 5 6 , e i n V o r g e h e n , d e m w i r uns anschließen w o l l e n . D e r „ Z e i t b e q u e m l i c h k e i t des V e r b r a u c h e r s " 5 7 w i r d u. a. d a d u r c h Rechn u n g getragen, daß e i n U n t e r n e h m e n seine L e i s t u n g s b e r e i t s c h a f t z e i t l i c h v a r i a b e l g e s t a l t e t 5 8 . D i e Betriebsbereitschaft, die N i e s c h l a g / D i c h t l / H ö r s c h g e n i n erster L i n i e u n t e r d e m E i n d r u c k der L a d e n s c h l u ß - D i s k u s sion i m Einzelhandel59 i n i h r e n M i t t e l - K a t a l o g aufgenommen haben60, w ä r e a n h e r v o r r a g e n d e r S t e l l e geeignet, der „ A b n u t z u n g " e i n i g e r w e n i ger I n s t r u m e n t e e n t g e g e n z u w i r k e n . E i n e d e r a r t i g e E r w e i t e r u n g der A k t i v i t ä t e n p a l e t t e e n t s p r i n g t k o n s e q u e n t e m M a r k e t i n g - D e n k e n : die n i c h t a n w e n d e r - , s o n d e r n e r g e b n i s o r i e n t i e r t e Sichtweise der absatzpolitischen A k t i o n s p a r a m e t e r m a c h t k l a r , daß der K a u f w i l l e m i t der A r t der B e t r i e b s b e r e i t s c h a f t (als e i n e r w e s e n t l i c h e n e r k l ä r e n d e n V a r i a b l e n ) s t i muliert werden kann. D i e a n d e m G u t e n b e r g s c h e n B e g r i f f „ A b s a t z m e t h o d e " geübte K r i t i k m u ß auch a u f das v o n N i e s c h l a g / D i c h t l / H ö r s c h g e n i n d e n e r s t e n d r e i A u f l a g e n der „ E i n f ü h r u n g i n die L e h r e v o n der A b s a t z w i r t s c h a f t " ang e f ü h r t e A b s a t z m i t t e l „ B e t r i e b s t y p " 6 1 ü b e r t r a g e n w e r d e n , w e n n auch i n variierter Form. Hierzu ist ein kleiner E x k u r s notwendig.

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Frey, A . W.: S. 30. — Bei dieser Begriffsbildung ist die Analogie zu dem i n der Kommunikationstheorie üblichen terminus technicus unverkennbar: Die „Kanalkapazität" w i r d dort eingehenden Untersuchungen unterzogen. Diese Sichtweise erscheint als sehr fruchtbar u n d hat m i t der Betrachtung des Phänomens „Pipeline" auch i n die Praxis Eingang gefunden — so die I n f o r mation v o n Dr. R. Fuest, Leiter der Marktforschung der Deutschen Nestlé AG, Frankfurt/M., i n einem Gespräch m i t dem Verfasser am 18.12.1970 i n F r a n k furt/M. Vgl. auch: Cherry, C.: On H u m a n Communication, New Y o r k o. J.; dtsch. Ausgabe: Kommunikationsforschung — eine neue Wissenschaft, 2. erw. Aufl., Hamburg 1967, S. 76. 57 Gross, H.: Marketing heute u n d morgen, S. 106. 58 I n der Gutenbergschen Terminologie läßt sich hier von zeitlicher A n passung der betrieblichen Potentialfaktoren sprechen; vgl. Gutenberg, E.: Die Produktion, S. 344. 59 Vgl. Spree, H.: Z u r falschen Zeit geöffnet, i n : SZ, Nr. 64 v. 15./16.3.1969, S. 25; Gesetz über den Ladenschluß v o m 28.11.1956 (BGBl. I S. 875) m i t Änderungen. 60 Vgl. Nieschlag, R. et ah: Einführung i n die Lehre v o n der Absatzwirtschaft, 3. Aufl., B e r l i n 1970, S. 87 ff. (Zitierweise: Einführung). 81 Vgl. ebenda, S. 76; diese Begriffsbildung erfolgte f ü r praktische Zwecke, also m i t begrenztem Ziel u n d ist daher nicht zu vergleichen m i t der Charakterisierung des Betriebstyps bei Gutenberg, bei dem es sich „ u m eine A r t Wesensbestimmung der Unternehmung" handelt, gekennzeichnet „durch das Z u - u n d Ineinander von systemindifferenten Tatbeständen u n d systembezogenen Tatbeständen". Vgl. Gutenberg, E.: Die Produktion, S. 445 ff., hier S. 495. Eine gute, auch auf die damit verbundenen semantischen Pobleme eingehende Analyse der Gutenbergschen Systematisierungsbestrebungen findet sich bei: Köhler, R.: Theoretische Systeme der Betriebswirtschaftslehre i m

1. Die materielle Gliederung des Instrumentariums

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Das Instrumentarium wurde bisher von allen sich diesem Forschungsgebiet widmenden Analytikern i n seine Begriffselemente zerlegt. Dieses Vorgehen — auch Division von Begriffen genannt — ist „die Zerlegung eines Begriffes i n seine Artbegriffe zwecks Gewinnung eines Begriffssystems. Sie besteht i n der Aufzählung der Arten, die unter einen Begriff fallen und seinen Umfang ausmachen. Während also die Definition den Begriffsinhalt betrifft, geht die Division auf den Begriffsumfang" 62 . Nun w i r d aber deutlich, daß die Merkmale, die den Begriff „Instrumentarium" ausmachen, „ i n ihrer Ausprägung nicht unveränderlich starr, sondern veränderlich oder abstufbar" sind. Damit w i r d aus dem begrifflichen das typologische Verfahren, eine i n ihrer heutigen Form erst i n diesem Jahrhundert entwickelte Methode der logischen Erfassung von Tatsachen 88 . Das Instrumentarium einer jeden einzelnen Unternehmung stellt also mehr als einen starren, nämlich einen abstufbaren Begriff, einen „Typus", dar. „Typen werden nach Abweichungen i n den Merkmalen oder bei gleichen Merkmalen nach ihren Abstufungen voneinander getrennt. Zwischen Typen können fließende Ubergänge entstehen. Beim Typus können die Beziehungen der Merkmalsausprägungen zueinander Unterschiede aufweisen 64 ." Die Betriebsgröße, der Standort, auch Preis, Werbung usw. sind Merkmale dieses Typus; die Andersartigkeit des Betriebstyps i n dieser Enumeration w i r d deutlich: er stellt selbst eine Kombination von Eigenschaften dar 65 , liegt also auf einer völlig anderen Ebene als die zuerst Lichte der neueren Wissenschaftslogik, Stuttgart 1966, S. 119 ff. (Zitierweise: Theoretische Systeme) 62 Hessen, J.: Lehrbuch der Philosophie, l . B d . : Wissenschaftslehre, M ü n chen 1947, S. 167. 63 Die intensivsten Bemühungen u m die Erhellung des Typusbegriffs finden sich bei Haller, H.: Typus u n d Gesetz i n der Nationalökonomie, S t u t t gart u n d K ö l n 1950; Hempel, C. G.: Typological Methods i n the Social Sciences, i n : American Philosophical Association, Eastern Devision (Vol. 1). Science, Language, and H u m a n Rights, Philadelphia fl?enn.) 1952, wieder abgedruckt i n : Theorie u n d Realität (Hrsg. H. Albert), Tübingen 1964, S. 191 - 208; Hempel, C. GJOppenheim, P.: Der Typusbegriff i m Lichte der neuen Logik, Leiden 1936; Weber, M . : Wirtschaft u n d Gesellschaft, Grundriß der v e r stehenden Soziologie, I. Halbband, 4. neu hrsg. Aufl. (besorgt v. J. Winckelmann), Tübingen 1956. 64 Tietz, B.: B i l d u n g und Verwendung v o n Typen i n der Betriebswirtschaftslehre, dargelegt am Beispiel der Typologie der Messen u n d Ausstellungen, K ö l n u n d Opladen 1958, S. 25. 85 Durch K o m b i n a t i o n der Merkmale u n d Merkmalausprägungen entstehen die Typen. „Jeder Handelsbetrieb hat sich f ü r ein bestimmtes Leistungsbündel oder Leistungssortiment zu entscheiden, das den Betriebstyp gestaltet" (Rehmann). Die gleiche Auffassung v e r t r i t t Bidlingmaier: „ V o n »Betriebsform' bzw. .Betriebstyp 4 sprechen w i r i m m e r dann, w e n n die gesamte Betriebsgestalt u n g v o n einem spezifischen Geschäftsprinzip oder v o n einer Kombination v o n Prinzipien beherrscht w i r d . " Vgl. Rehmann, K . : Die M a r k t d y n a m i k des Discount, Frankfurt/Main. 1967, S. 167, inhaltlich gleichlautend auch S. 184;

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1. Teil: I. Das absatzpolitische Instrumentarium

genannten Instrumente. Ware, Dienste, Tradition und Atmosphäre — nach Nieschlag/Dichtl/Hörschgen Determinanten des Betriebstyps 66 — müssen also dem vorhandenen Merkmalskatalog angefügt werden oder — falls dieses Vorhaben abgelehnt w i r d — i n den bestehenden Instrumenten implizit enthalten sein. Ohne Schwierigkeiten lassen sich die ersten zwei genannten Bestimmungsgrößen den Absatzmitteln Sortiment, Distributionskanal und/oder Kundendienst zuordnen; die Tradition berührt Aspekte genetischer Betrachtungsweise, läßt sich also i n diese statische Analyse nicht integrieren. Sie deutet auf den Imagevorsprung eines Unternehmens hin, der durch zeitliche Dauer und Invarianz einer bestimmten absatzpolitischen Konzeption bzw. eines Instrumentes erreicht werden kann 6 7 . M i t der Atmosphäre moderner Kaufstätten w i r d jedoch ein Bereich angesprochen, von dem gerade i n prosperierenden Gesellschaften ein starker Kaufimpuls ausgeht. Psychologisch-anthropologische Kategorien sind da umgesetzt i n all das, was unter dem Begriff „Ausstattung" zu fassen ist: das Licht, die Form, Material, Farbe und die akustischen Eindrücke; „alle diese vom menschlichen Nervensystem aufgenommenen Wahrnehmungen beeinflussen eine komplexe Reaktion: unsere Stimmung" 6 8 . Die Ausstattung soll daher als Aktionsparameter gesondert herausgestellt werden. Die Leistungssubstanz einer Unternehmung hat i n erster Linie die Produktpolitik zum Inhalt. Die zunehmende Kaufkraft der Bevölkerung und die rasante technische Entwicklung dynamisieren die Nachfrage. Die Käufer werden wählerischer, wodurch einerseits einer Sättigung des Marktes entgegengewirkt, andererseits die unbegrenzte Entfaltung der Massenproduktion gehemmt wird. I n dieser Situation kommt es darauf an, die von den Materialien und deren Verarbeitung bestimmte technische Lösung des Produktes dem Fühlen und Denken der Kunden möglichst sinnfällig nahezubringen 69 . Bidlingmaier, J.: Geschäftsprinzipien u n d Betriebsformen des Einzelhandels, i n : ZfhF, N. F., 15. Jg., 1963, S. 590 - 599, S. 590, Fußn. 1. Eine Systematisierungsungenauigkeit ähnlicher A r t findet man häufig bei der Aufzählung v o n Produktmerkmalen; als ein solches gilt vielfach „Shopping good", das aber auch ein Konglomerat einzelner anderer Merkmale darstellt. Vgl. dazu diese v o n Schäfer der amerikanischen Absatzlehre entnommene Einteilung; Schäfer, E.: Absatzwirtschaft, S. 293. 66 Vgl. Nieschlag et al.: Einführung, S. 76. 67 Dieses Phänomen w i r d eingehender behandelt i n K a p i t e l I I I , 2 des zweiten Teils dieser Arbeit. 68 Krewinkel, H. W.: Psychologie als Gestaltungsmittel, i n : Moderner M a r k t , Heft 9,1969, S. 60 - 61, S. 61. 69 Vgl. Gerth, E.: Betriebswirtschaftliche Absatz- und Marktforschung, Wiesbaden 1970, S. 112 f.

1. Die materielle Gliederung des Instrumentariums

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Diese Aussage macht klar, daß zur produktionswirtschaftlichen Bedingungslage, zum Produkt als solchem, ein klarer Trennungsstrich zu ziehen ist 7 0 , daß es sich bei diesem Instrument vielmehr u m die absatzwirtschaftliche Produktgestaltung handelt m i t den Bereichen Formgebung (Design) und Verpackung. Aber auch die Entwicklung neuer Erzeugnisse, die Verbesserung bestehender Produkte, also der Bereich der Produktdifferenzierung, gehören zum Problemkreis Produktpolitik. A u f diesem Sektor hat der Einfluß der MikroÖkonomie lange Zeit progressive Forschungsergebnisse verhindert, da die Vorstellung homogener Güter, bei denen sich der Wettbewerb naturgemäß besonders i m Wege des Preiskampfes vollzieht, dominierte 7 1 ; gerade die Individualisierung der Käuferschichten jedoch läßt die Heterogenität der Waren zu einem schlagkräftigen, Präferenzen erzeugenden absatzpolitischen Argument werden. M i t der Gestaltung des Verkaufsprogrammes, d. h. seiner Kontraktion oder Expansion, verbinden sich die Fragen nach der Sortimentspolitik und Diversifizierung. Eine umfangreiche Literatur hat sich diesem Problemkreis gewidmet 7 2 , der mehr als andere die Interdependenz betrieblicher Teilbereiche akzentuiert. So beinhaltet das Schlagwort „Sortimentsverbund" die integrale Betrachtungsweise von Preispolitik (kalkulatorischer Ausgleich), Werbung (Problemloser) 73 , Distributions-

70 Das Produkt m i t seinen unveränderlichen Eigenschaften verweisen Nieschlag et al. daher sogar i n den Bereich der Umweltbedingungen, des Datenkranzes der Unternehmung. Auch Burkheiser weist auf die Notwendigkeit klarer Trennungslinien hin. Vgl. Nieschlag et al.: Marketing, S. 365 f.; Burkheiser, U.: S. 158 ff. 71 Vgl. Ott, A . E.: Preistheorie, i n : K o m p e n d i u m der Volkswirtschaftslehre, hrsg. v. W. Ehrlicher u. a., Bd. 1, Göttingen 1968, S. 125. 72 Vgl. z. B. Abromeit, G.: Erzeugnisplanung u n d Produktionsprogramm i m Lichte der Produktions-, Absatz- u n d Wettbewerbspolitik, Wiesbaden 1955; Brockhoff, K . : Unternehmenswachstum u n d Sortimentsänderungen, K ö l n u n d Opladen 1966; Gümbel, R.: Die Sortimentspolitik i n den Betrieben des Wareneinzelhandels, K ö l n u n d Opladen 1963; Meyer, W. M.: Sortimentsplanung u n d Sortimentskontrolle i n der Einzelhandelsunternehmung, Pfäffikon/ Z H . 1959; Penrose, E. T.: The Theory of the G r o w t h of the F i r m , Oxford 1959. 73 Das System- u n d Problemkreisdenken, dessen Vorteile sich v o r allem i n der zunehmenden Bedarfsorientierung der Sortimente niederschlagen — „hinkunftsbestimmt" i m Sinne Schäfers —, hat i n der deutschen L i t e r a t u r vor allem Gross i m m e r wieder herausgestellt. „Je mehr w i r i n Systemen denken, -desto mehr gelangen w i r auch zu neuen Problemlösungen auf der Grundlage unseres vorhandenen Wissens": Gross, H.: Das Geistkapital — Die vierte Dimension der wirtschaftlichen D y n a m i k , Düsseldorf—Wien 1970, S. 44; vgl. ders.: Neue Ideen i n der Wirtschaft, Düsseldorf 1960; ders.: Was verkaufen w i r morgen — Produkte oder Problemlösungen?, i n : Morgen v e r kaufen — was u n d wie?, Kongreß-Komitee des 2. Kongresses f ü r Vertrieb u n d Marketing, Düsseldorf 1964, S. 1 0 - 2 9 ; vgl. Schäfer, E.: Die Unternehmung, 7. Aufl., K ö l n u n d Opladen 1970, S. 14.

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1. Teil: I. Das absatzpolitische Instrumentarium

k a n a l u n d B e t r i e b s b e r e i t s c h a f t 7 4 u s w . N e b e n diesen a b s a t z w i r t s c h a f t l i c h e n A s p e k t e n ergeben sich aber auch k o s t e n w i r t s c h a f t l i c h e P r o b l e m e , die i n der F r a g e nach der U m s a t z g e s c h w i n d i g k e i t des W a r e n l a g e r s kulminieren. D i e F r a g e der A u s n u t z u n g eines S y n e r g i e p o t e n t i a l s 7 5 aus a n d e r e n I n s t r u m e n t a l b e r e i c h e n s p i e l t ebenfalls eine R o l l e b e i der g e z i e l t e n A u s w e i t u n g des L e i s t u n g s p r o g r a m m s d e r U n t e r n e h m u n g 7 6 . Diese D e f i n i t i o n besagt, daß das T ä t i g k e i t s f e l d der D i v e r s i f i k a t i o n 7 7 a u f n e u e n G e b i e t e n l i e g t , n i c h t aber e i n e r einfachen A u s w e i t u n g v o n P r o d u k t i o n s p r o g r a m m oder M a r k t e n t s p r i c h t . A n s o f f m a c h t das i n f o l g e n d e r A b b i l d u n g d e u t lich, i n d e m er das L e i s t u n g s p r o g r a m m s o w o h l nach d e r A r t der P r o d u k t e als auch nach i h r e r F u n k t i o n k a t e g o r i s i e r t 7 8 : Schaubild 2 Abgrenzung zwischen Diversifikation u n d Expansion ^^-^Product Mis

Present

Present

Expansion

New

1

New » 11

Diversification

W e i t e r e M a r k e t i n g - E n t s c h e i d u n g s - V a r i a b l e n , „ w h i c h m a y be used t o s t i m u l a t e Company sales" 7 9 , s i n d die Garantieleistungen u n d der 74 z . B . die Realisierung dieses Gedankens i n dem seit einiger Zeit an Tankstellen praktizierten Verfahren, den Verkauf von Nahrungs- u n d Genußm i t t e l n u n d anderen problemlosen Waren neben dem eigentlichen Benzinabsatz zu forcieren, wobei der neue Vertriebsweg sowie die Variabilität der Ladenschlußzeiten reizen. So die entsprechenden Bemühungen v o n Kaufhof/ A r a l , Neckermann/Agip u n d der Shoptess-Marketing-Service G m b H & Co. K G i n Rheinberg. Vgl. o. V.: Test an der Tankstelle, i n : SZ Nr. 223 v. 17. 9.1970, S. 21; o. V.: „ B i g Bon" an Agip-Stationen, i n : F A Z Nr. 48 v. 26. 2.1971, S. 18; o. V.: Tankstellen-Sortiment aus einer Hand, i n : F A Z Nr. 104 v. 6. 5.1971, S. 16. 75 Vgl. zu diesem Begriff die Ausführungen i n K a p i t e l I V des zweiten Teils dieser Arbeit. 76 Diesen I n h a l t gibt Bartels seinem Begriff „Diversifizierung"; vgl. Bartels, G.: Diversifizierung — Die gezielte Ausweitung des Leistungsprogrammes der Unternehmung, Stuttgart 1966. 77 I n der angelsächsischen L i t e r a t u r ist dieser Terminus üblich; vgl. Gort, M.: Diversification and Integration i n American Industry, Princeton 1962; Ansoff, H. I.: Strategies for Diversification, i n : HBR, Vol. 35, 1957, Nr. 5, S. 113 - 124; Pfeifer, L . T.: Brunswick: A Study i n Planned Diversification, i n : Proceedings of the 43rd National Conference of the A M A , 1960, S. 523 ff. 78 Ansoff, H. I.: A Model for Diversification, i n : MS, Vol. 4, Nr. 4, 1958, S. 392 ff., hier S. 394. 79 So die Instrumenten-Definition v o n Kotler, Ph.: M a r k e t i n g Management, S. 264. I n w i e w e i t die Absatzmittel nicht n u r zur Steigerung der Verkaufs-

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Kundendienst, wobei mit diesem sowohl die technischen als auch die kaufmännischen Kundendienstleistungen gemeint sind 80 . I n die erste Kategorie fallen besonders Installations-, Inspektions-, Wartungs- und Reparaturdienste, während Beratungs- und Zustelldienste zu den Schwerpunkten des zweiten Teilaspektes gehören. Die Entscheidungen über die A r t der Kundenbedienung (z.B. Selbstbedienung), die Dichtl dem Gebiet der ,Absatzmethode 4 zuordnet 81 , dürften damit i n diesem Bereich zu treffen sein. Das i n der angelsächsischen Literatur und Praxis gebräuchliche Instrument des ,personal selling' 8 2 findet also hier seinen Niederschlag. Gerade i n Dienstleistungsbetrieben ist die Hilfsbereitschaft i n ihren vielfältigen Ausprägungen von entscheidender Bedeutung; von einem überdurchschnittlichen Niveau dieser auch als Service 88 bezeichneten produktbezogenen Nebenleistungen eines Verkäufers verspricht sich darum z.B. die Swissair ein „sichtbares Leistungsplus" gegenüber der Konkurrenz 8 4 . Wenn auch die Stellung der Preispolitik i m Verhältnis zu den sogenannten qualitätspolitischen Instrumenten des Marketing heute als nicht mehr so dominant wie früher gesehen wird, so ist doch nicht zu leugnen, daß diesem absatzpolitischen M i t t e l gerade durch seine Neuinterpretation weiterhin eine große Bedeutung zukommt: mehr und mehr w i r d seine Funktion als schöpferisches Marketingmittel erkannt, der kalkulatorische Preis — als Ergebnis der Kostenstruktur plus eines Unternehmergewinns — hat nur noch die Funktion einer Meßziffer m i t dem Ziel, diesen Preis dem tatsächlich erzielten Preis gegenüberzustellen. Umsätze, sondern auch z.B. zur Absicherung eines bestehenden Absatzvolumens Einsatz finden, w i r d i n K a p i t e l I I , 111. des d r i t t e n Teils dieser A r b e i t erörtert. 80 Vgl. hierzu v o r allem Bennewitz, H. I.: Die Eigenständigkeit des absatzpolitischen Instrumentes „Kundendienst" u n d seine Bedeutung i m modernen Marketing-Denken, Diss. München 1968; Löbel, V.: Kundendienst als absatzwirtschaftliche Leistung — Formen u n d Möglichkeiten, Nürnberg 1966; Ott, W.: Stichwort „Kundendienst", i n : HdB, Bd. 3, Stuttgart 1966, Sp. 3615 bis 3618. 81 Vgl. Dichtl, E.: Wesen u n d S t r u k t u r absatzpolitischer Entscheidungen, B e r l i n 1967, S. 39. 82 Vgl. z. B. Frey, A . W.: S. 30; Montgomery, D. B./Urban, G. L . : S. 243 ff. 88 Z u r Definition des Service vgl. Koch, W.: Grundlagen u n d Technik des Vertriebes, Bd. I, 2. Aufl., B e r l i n 1958, S. 56; Seyffert, R.: Wirtschaftslehre des Handels, S. 292; die weiteste Interpretation findet sich bei Henzler, der dem Warensortiment das Sortiment der Dienstleistungen zur Seite stellt u n d damit die Möglichkeitenpalette dieser Leistungsschicht deutlich macht, vgl. Henzler, R.: Funktionen u n d Institutionen i m Großhandel — Über den Wandel i m Distributionsmodell, i n : ZfhF, N. F., 15. Jg., 1963, S. 560 - 570, hier S. 564. 84 Scherrer, H.: M a r k e t i n g i m Luftverkehr, hektographiertes Manuskript der Swissair, Zürich 1969, S. 16 ff.

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1. Teil: I. Das absatzpolitische Instrumentarium

Der marktorientierte Preis basiert auf den Preisvorstellungen der anvisierten Käufergruppe, bestimmt also auch die Marktsegmente, welche die Unternehmung m i t selektiver Absatzpolitik 8 5 zu erreichen versucht. Das soziale Spektrum, das heute — dank allgemeiner Steigerung des Einkommensniveaus — nicht mehr einer Pyramide, sondern eher einer Zwiebel gleicht 86 , w i r d also i n seiner relevanten Schicht angesteuert. Aufgrund der entsprechenden Leistungsbereitschaft, Leistungssubstanz und der Informationspolitik ergeben sich dann Nutzenbewirkungen, aus denen die Preisstellung die Resultante bildet 8 7 . Zur Kategorie der Abgeltungsinstrumente gehört weiterhin die Rabattpolitik. Sie ist — abgesehen von der durch normative Beschränkungen bestimmten Variante des Verbrauchsrabatts 88 — i n den Formen des Funktions-, Mengen-, Treue- und Einführungsrabatts i n erster Linie ein Instrument der Industrie gegenüber dem Handel bzw. der Glieder der Handelskette 89 untereinander, die dem Endverbraucher vorgelagert sind und den Absatz an i h n organisieren. Man kann den Rabatt als ein M i t t e l auffassen, diese freiwilligen Mitglieder der Organisationskette zu Teilnahmeentscheidungen zu bewegen, die das angestrebte Ziel verwirklichen lassen. Damit sind die Kriterien erfüllt, welche die sogenannten Anreiz-Beitrags-Theorien i n ihren Mittelpunkt stellen 9 0 ; i m Sinne von Barnard-Simon handelt es sich hierbei u m „a theory of motivation — a statement of the conditions under which an Organization can induce its members to continue their participation and hence assure organizational survival" 9 1 . 85 Vgl. Geist, M.: Selektive Absatzpolitik auf der Grundlage der Absatzsegmentrechnung, Stuttgart 1963, S. 126 ff. 86 Diese Formation w i r d i n der soziologischen L i t e r a t u r eingehend interpretiert; vgl. Bolte, K . MJKappe, D.lNeidhardt, F.: Soziale Schichtung, 2. Aufl., Opladen 1968, S. 80 ff. 87 Vgl. Gerth, E.: Z u r Systematik der Absatztheorie, i n : ZfhF, N. F., 15. Jg., 1963, Nr. 11/12, S. 581 - 589, S. 589. 88 Vgl. Gesetz über Preisnachlässe (Rabattgesetz) v. 25.11.1933 (RGBl. I S. 1011) m i t Änderungen. 89 Vgl. zu diesem Begriff Seyffert, R.: Wirtschaftslehre des Handels, S. 575 - 659 (7. Teil: Die Handelsketten). 90 Die hauptsächlichen Vertreter dieser Gruppe organisatorischer Modelle sind Simon, H. A.: Administrative Behavior, 2. Aufl., New Y o r k 1958; Barnard, C. J.: The Functions of the Executive, Cambridge 1960; March, J. G./ Simon, H. A.: Organizations, 9. Aufl., New Y o r k 1967. 91 March, J. G./Simon, H. A.: S. 84. — Diese Theorie des OrganisationsGleichgewichts droht zur Leerformel zu erstarren, w e n n es nicht gelingt, sie vor der Falsifikation zu retten. Diese Gefahr sehen auch March u n d Simon, w e n n sie fordern: „The theory, like many theoretical generalizations, verges on the tautological. Specifically, to test the theory and especially the crucial postulate 3 (Verbleiben der Organisationsteilnehmer n u r i m F a l l gleich großer oder größerer Anreize als die v o n ihnen verlangten Beiträge, A n m . d. Verf.), we need independent empirical estimates of (a) the behavior of participiants

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Die Lieferungs- und Zahlungsbedingungen sind durch die Herausnahme aus dem schwer überschaubaren Komplex der Preisgestaltung als selbständiges Instrument erst richtig erkannt worden; sie stellen eine absatzpolitische Alternative dar, welche i n ihrer heutigen Ausprägung ein sehr deutlicher Ausdruck veränderter Marktbedingungen ist: m i t dem Erstarken des Handels, m i t dem Wachsen der Nachfragemacht auch i m Großanlagengeschäft (Hoch- und Tiefbau, Maschinenund Schiffsbau) 92 wurden Flexibilität und Konzessionen auf diesem Gebiet geradezu erzwungen. Der Verhandlungsprozeß über die Konditionen ist nämlich i n starkem Maße von den Machtpositionen der beiden Verhandlungspartner abhängig. Die zunehmende Ungleichgewichtigkeit (Asymmetrie der Verhandlungsprozesse) 93 aufgrund der o.g. Tendenz haben z. B. den Umtausch von Ware — wenn auch unter bestimmten Bedingungen — zur Regel werden lassen. Die enge Korrelation von Betriebsgröße und Verhandlungsmacht kann darüber hinaus eine bedeutende Finanzierungshilfe des Lieferanten gerade für Großabnehmer ermöglichen, so daß diesem eine finanzielle Manövriermasse für andere Aktionen zur Verfügung steht 94 . Liquiditätsaspekte sind es auch, die Kreditgewährung und Leasing i n vielen Fällen zu ausschlaggebenden Kriterien für die Wahl des Lieferanten werden lassen. Die Intensivierung der absatzwirtschaftlichen Bemühungen, die sich vor allem i n der Absicht manifestieren, engere und dauerhaftere Beziehungen zu den Abnehmern herzustellen 95 , hat diesem Instrument neue Dimensionen verliehen. i n joining, remaining in, or w i t h d r a w i n g f r o m organizations; and (b) the balance of inducements and contributions for each participant, measured i n terms of his »utilities 4 ." 92 Vgl. Tesmar, H.: Zahlungsbedingungen als M i t t e l des Wettbewerbs i m Großanlagengeschäft, B e r l i n 1964. 93 Vgl. Heinen, E.: Einführung S. 85; eine intensive Behandlung der Machtbeziehungen findet sich bei French, J. R. jr.¡Raven, B.: The Basis of Social Power, i n : Group Dynamics, Hrsg. D. Cartwright u. A. Zander, Evanston 1962, S.607 - 623. 94 Diesen Aspekt betonte z. B. F. Jahn, Inhaber der Wienerwald-Betriebe, i n einem Vortrag v o r Mitgliedern des Bundesverbandes Junger Unternehmer e. V., Arbeitskreis Südbayern — München am 22.1.1970 i n München. Die v o n den Lieferanten dieses Unternehmens eingeräumten langen Zahlungsziele ermöglichen einen beträchtlichen Zinsgewinn, da die Verkaufseinnahmen wesentlich schneller fließen. Diese Tatsache findet auch i n den K a l k ü l e n der Banken Berücksichtigung: als „ K u n d e n m i t überragender Verhandlungsmacht" können nämlich F i r m e n der o. g. A r t die Banken zu einem w e i t v o n der N o r m abweichenden absatzpolitischen Verhalten veranlassen; vgl. Krümmel, H. J.: Bankzinsen — U n t e r suchungen über die Preispolitik v o n Universalbanken, Köln—Berlin—Bonn— München 1964, S. 237 f. 95 Vgl. Nieschlag, R.: Die Intensivierung der absatzwirtschaftlichen Bemühungen als Gegenwartsaufgabe der Unternehmungen, i n : Betriebswirtschaft u n d M a r k t p o l i t i k , Festschrift f ü r R. Seyffert, hrsg. v. E. Kosiol u n d 3 Linssen

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Hatte die Krediteinräumung i m Funktionenschema Oberparieiters noch eine herausragende Stellung 96 , so rückte sie i n Seyffert s Aufgabenkatalog des Handels etwas i n den Hintergrund 9 7 — eine Folge der sich historisch entwickelnden Funktionsausgliederung an Banken und Spezialinstitute 98 . Eine Renaissance erlebte dieses Instrument besonders i m letzten Jahrzehnt durch die zunehmende Kapitalverflechtung z.B. innerhalb der Freiwilligen Ketten des Lebensmittelhandels 99 , durch die gerade i n jüngster Zeit anhaltende Diskussion u m die Einführung der Kreditkarte i m Einzelhandel 100 und durch die Möglichkeit, Kapital durch mietweise Nutzungsüberlassung zu ersetzen. Diese auch als Leasing bezeichnete „Sonderform des Mietgeschäftes" 101 gibt dem Leasinggeber während der Dauer der Verträge, also der zwischen zwei Käufen liegenden, sonst meist ohne besonderen Kundenkontakt verstreichenden Zeitspanne, neue Gelegenheit zu absatzpolitischer Einflußnahme. Bisher wurden Instrumente dargestellt, die die Leistungsbereitschaft, Leistungssubstanz und die Abgeltung der angebotenen Leistungen zum Inhalt haben. Die Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung des A b nehmers sind damit gegeben. Dieser muß i n seinem Auswahlprozeß jene Möglichkeiten aber auch i n Betracht ziehen können, d. h. ihre Existenz muß erinnert oder neu wahrgenommen werden. Die kognitiven Funk-

E. Sundhoff, K ö l n u n d Opladen 1968, S. 393 -408, hier S. 395. (Zitierweise: Intensivierung) 98 Nicht zuletzt unter dem Eindruck der immensen Bedeutung der L i e ferantenkredite auf dem Agrar-Sektor, die zur B i l d u n g v o n Genossenschaften inspirierte, u n d der Ausnutzung kreditbedürftiger Abnehmer anderer W i r t schaftszweige durch sogenannte Kreditgrossisten; vgl. dazu Hirsch, J.: Der moderne Handel, seine Organisation u n d Formen u n d die staatliche Binnenhandelspolitik, 2. Aufl., Tübingen 1925, S. 68 ff.; Oberparieiter, K . : Erster Teil. 97

Vgl. Seyffert, R.: Wirtschaftslehre des Handels, S. 9 ff. Lediglich i m Bereich des Handels m i t landwirtschaftlichen Produktionsm i t t e l n hat sich dieser T r e n d nicht i n dem allgemein zu beobachtenden Ausmaß durchgesetzt; vgl. Strecker, OJRoller, G./Saft, AJSchuch, W. H.: Die Landwirtschaft u n d ihre Marktpartner. Neue Formen der Zusammenarbeit, H i l t r u p bei Münster 1963, S. 33 u n d S. 114 ff. 99 Eine ausführliche Darstellung der Möglichkeiten aktiver Kreditfinanzierung auf diesem Sektor findet sich bei Knigge, J.: Richtige Finanzierung — Sichere Marktchancen. Absatzstrategie i n der Konzeption der freiwilligen Gruppen, F r a n k f u r t / M . 1970, S. 44 ff.; Ausführungen allgemeiner A r t auch bei Aengenendt, R.: Die freiwilligen Handelsketten i n der Bundesrepublik Deutschland, K ö l n u n d Opladen 1962. 98

100 Vgl. Fricke, K . : Die Kreditgewährung als absatzpolitisches Instrument i m Einzelhandel — unter besonderer Berücksichtigung der Kreditkarte, Diss. München 1971, insbes. S. 94 ff. 101 Kaminsky, S.: Mietweise Nutzungsüberlassung i n der modernen W i r t schaft, i n : Leasing-Handbuch, Entwicklung u n d Einsatzmöglichkeiten bei den Unternehmungen, hrsg. v. K . F. Hagenmüller, F r a n k f u r t / M . 1965, S. 63 - 167, hier S. 63.

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tionen des Käufers — Wahrnehmung, Denken und Gedächtnis 102 — müssen also von der Unternehmung — als dem Steuerungsorgan — beeinflußt werden. Äußere und innere Reize, welche die Wahrnehmung aufnimmt, liegen dabei vor allem i n der Information über die verschiedenen Leistungskategorien. Unter einer solchen Information verstehen w i r das Wissen u m all die Tatbestände, die zur Erreichung eines bestimmten Zwecks von Bedeutung sind 1 0 8 . Die Zweckorientierung ist das Unterscheidungsmerkmal zu einer einfachen Nachricht. Sowohl Nachricht als auch Information werden bei ihrer Übertragung von einem Sender zu einem Empfänger als Kommunikation i m technischen Sinne verstanden. Das Verhältnis der Unternehmung zur Umwelt entspricht diesem Modell. Werbung, Verkaufsförderung (Sales promotion) und Public Relations lassen sich damit als Formen der „aktiven informationsabgebenden Kommunikation" 1 0 4 bezeichnen. Das Steuerungsorgan erreicht das Steuerungsobjekt, den Kunden, erzielt die beabsichtigte Wahrnehmung und bemüht sich, durch gezielte Argumentation das Denken des Käufers zu beeinflussen, d.h. eine Strukturierung des bei i h m vorhandenen Datenmaterials nach der leitenden Idee zu erreichen 105 . Die Informationspolitik einer Unternehmung versucht aber auch, das Gedächtnis des Käufers über i n Gang gesetzte Lernprozesse mitzugestalten. Der Konsument soll das Gefühl erhalten, m i t einem Produkt oder einer Dienstleistung „gute Erfahrungen" gemacht zu haben, er soll gewohnheitsmäßiges (habituelles) anstelle von beschränkt rationalem Verhalten entwickeln 1 0 6 . I n dem Bündel von Informationsinstrumenten dürfte die Werbung einen herausragenden Platz einnehmen. Sie bedient sich i n erster Linie optischer und akustischer Kommunikationsmittel, die aufgrund der 102 Vgl. Bayton, J.: Motivation, Cognition, Learning — Basic Factors i n Consumer Behavior, i n : Understanding Consumer Behavior, hrsg. v. M. M. Grossack, Boston 1964, S. 77 - 91. 103 Vgl. Wittmann, W.: Unternehmung u n d unvollkommene Information, K ö l n u n d Opladen 1959, S. 14. 104 So die Definition der Werbung bei Kramer, R.: Information u n d K o m munikation, B e r l i n 1965, S. 99. 105 Vgl. Graumann, C. F. (Hrsg.): Denken, 5. Aufl., K ö l n 1971, insbes. S. 2 3 - 4 3 ; Rohracher, H.: Einführung i n die Psychologie, 8. umgearb. Aufl., Wien—Innsbruck 1963, S. 315 - 348. Z u r Definition des Begriffs „ S t r u k t u r " vgl. Hoffmeister, J. (Hrsg.): Wörterbuch der philosophischen Begriffe, 2. Aufl., H a m b u r g 1955, Stichwort „ S t r u k t u r " , S. 584; Dorsch, F.: Psychologisches Wörterbuch, 8. neubearb. u. erw. Aufl., Hamburg—Berlin 1970, Stichwort „ S t r u k t u r " , S. 401 f. 10« Ygi Katona, G.: Das Verhalten der Verbraucher u n d Unternehmer. Über die Beziehungen zwischen Nationalökonomie, Psychologie u n d Sozialpsychologie, Tübingen 1960, S. 57 ff.

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1. Teil: I. Das absatzpolitische Instrumentarium

Vielfalt und Intensität des Einsatzes einen Etat verlangen, der — zumindest i n den meisten Unternehmungen der Konsumgüterbranche — zum bedeutendsten innerhalb des gesamten Marketing-Budgets geworden ist. Nicht zuletzt aus diesem Grund wurde und w i r d der Analyse der durch Werbung vermittelten Botschaften i n Literatur und Praxis die größte Aufmerksamkeit geschenkt, wobei gerade i n jüngster Zeit die soziologische Sichtweise innerhalb der Werbewissenschaft einige beachtenswerte Darstellungen gefunden hat 1 0 7 . Dabei rückt die Informationstheorie stark i n den Vordergrund: die Lehre von den Zeichen und ihren Beziehungen — Semiotik — eröffnet neue Arbeitsbereiche: 1. die Syntaktik, das ist die Lehre von den Zeichen und ihren Beziehungen zu anderen Zeichen. 2. Die Semantik, die Lehre von den Zeichen und deren Beziehung zur Umwelt (Designata). 3. Die Pragmatik, die Lehre von den Zeichen und deren Beziehung zu den Benutzern, der wohl interessanteste Forschungsansatz. Innerhalb dieser von Colin Cherry entwickelten Systematik 1 0 8 wurde auf dem Gebiet der Pragmatik ein Faktum i n den Vordergrund der Betrachtung gerückt, das Nieschlag als Hypertrophie der Werbung bezeichnet, „die i n der Uberfülle von Werbeimpulsen zum Ausdruck kommt, der die modernen Menschen ausgesetzt sind und die sie nur i n bescheidenem Umfange aufzunehmen und zu verarbeiten vermögen" 1 0 9 . Die Möglichkeit, vermittels der Werbung „eine schwache Sache zur stärkeren zu machen" 110 , findet sowohl hier als auch i n der beschränkten Beeinflußbarkeit des potentiellen Käufers ihre Grenzen. Die Weiterentwicklung absatzpolitischer Aktionsparameter zeigt sich besonders deutlich am Beispiel der Verkaufsförderung m, die sich aus 107 v g l . u a Möller, C.: Die gesellschaftliche F u n k t i o n der K o n s u m w e r bung, Stuttgart 1970. 108 Vgl. Cherry, C.: On H u m a n Communication. New Y o r k o. J.; dtsch. Ausgabe: Kommunikationsforschung — eine neue Wissenschaft, 2. erw. Aufl., Hamburg 1967, S. 256 ff. 109 Nieschlag, R.: Intensivierung, S. 394. 110 Diesen Effekt erzielten bereits die Sophisten m i t ihren Beeinflussungsversuchen; vgl. Piaton: Sophistes, i n : Piaton. Sämtliche Werke, Bd. I V , Leck/ Schleswig 1969, S. 183 - 244; die Analogie zur Werbung liegt darin, daß auch hier eine bisher k a u m empfundene Mangellage einer Person bewußt gemacht w i r d — bis zur „Dominanzrolle eines Mangels" (Hofstätter). Ferner w i r d der Befriedigungswert eines Produktes bzw. einer Dienstleistung, der diesem(r) zur Sättigung eines vorhandenen Bedürfnisses zukommt, durch die Image-erzeugende Komponente der Werbung gesteigert. Vgl. zum Mangelerlebnis u n d Bedürfnisdruck: Lückert, H. R.: Konfliktpsychologie, München—Basel 1957, S. 61; Hofstätter, P. R.: Einführung i n die Sozialpsychologie, 4. Aufl., Stuttgart 1966, S. 200 f. Die Begriffe Aufforderungscharakter, Bedürfnisdruck u n d Befriedigungswert entstammen der Feldtheorie; siehe hierzu Lewin, K . : Field Theory i n Social Science, hrsg. v. D. Cartwright, New Y o r k 1951 (dtsch. Ausgabe: Feldtheorie i n den Sozialwissenschaften, Bern—Stuttgart 1963).

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ihrer früheren Randstellung heraus zu einem heute häufig ausschlaggebenden Mittel entwickelt hat. I h r wohnt ein besonderer Charakter inne, da ihr Ziel die „sachliche, organisatorische und personelle Unterstützung der Abnehmergruppen wie Großhandel, Einzelhandel, Großverbraucher usw. beim Vertrieb des Erzeugnisses, sowie eine Kontaktpflege zu Interessenten und Käufern" 1 1 2 ist. I m Mittelpunkt dieser A r t der Einflußnahme auf den Markt steht also der Verkäufer, der durch Schulung, Beratung, Hilfe bei der Warenpräsentation und DegustationsAktionen i n vielfältiger Weise m i t den Marktzielen 1 1 3 seines Lieferanten vertraut gemacht wird, u m deren gemeinsame Realisation es geht. Sales Promotion gilt als sinnfälligster Ausdruck jener Konzeption, die unter der Bezeichnung „Vertikales Marketing" ein koordiniertes Vorgehen von Hersteller und Handel propagiert. Aus einer Antinomie dieser Gruppen muß eine Kooperation entstehen, wenn die die Absatzwerbung ergänzenden Maßnahmen der Verkaufsförderung Erfolg haben sollen. Ihre Intensión liegt darin, das Gedächtnis des Kunden zu entlasten, u m seine Wahrnehmung am „Point of Purchase", also i n den Verkaufsstätten, zu treffen 114 . Die Wahrscheinlichkeit des Kaufaktes w i r d dadurch entscheidend erhöht. I n ähnlicher Weise wie beim Standort fällt es auch bei den Public Relations schwer, sie allein als absatzpolitisches Instrument zu bezeichnen. Betrachten w i r die Unternehmung entsprechend der Koalitionstheorie 115 als eine Koalition aller an ihr partizipierenden Gruppen, nämlich der — Mitarbeiter (employees) — Kapitalgeber (investors) — Lieferanten (suppliers) — Kunden (customers), so w i r d sofort deutlich, daß die Pflege der Beziehungen einer Unternehmung zur Öffentlichkeit 116 auf jede dieser vier großen Teilnehmer111

Vgl. Birkigt, K : Verkaufsförderung, Analyse eines absatzwirtschaftlichen Phänomens, dargestellt am Beispiel der Konsumgüterindustrie, Diss. Mannheim 1968. 112 Lili, Chr.: Verkaufsförderung, i n : Das Handbuch der Verkaufsleitung, München 1956, S. 415 - 556, hier S. 456. 113 Magyar, K . M.: Marktziele einer neuzeitlichen Unternehmungspolitik. Die V e r w i r k l i c h u n g der Unternehmungszwecke u n d der obersten Zielsetzungen durch kurzfristige Handlungsziele, Rorschach 1969. 114 Die weitgehende Substituierung der klassischen Werbemittel des E i n zelhandels, nämlich Schaufenster u n d Passagen, durch die Warenpräsentation i m Innern, läßt sich i n erster L i n i e auf diese Wertung der kognitiven Funktionen des Käufers zurückführen; vgl. die f ü r diesen Trend beispielhafte Konzeption der Magazine zum Globus A . G., Zürich, Bahnhofstraße, einem bekannten schweizerischen Warenhauskonzern. Die gleiche Entwicklung zeigt sich i n den Filialen des Lebensmittel-Filialbetriebes „Deutscher Supermarkt". 115 Vgl. Barnard, C. J.

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1. Teil: I . Das absatzpolitische Instrumentarium

gruppen gerichtet ist. Dabei ist die Stoßrichtung nicht direkt, sondern mehr vorbereitender A r t : finanzwirtschaftliche, beschaffungs-, personalund absatzpolitische Aktionen werden erleichtert. Die Rechtfertigung solcher mehr das Vertrauen dieser Kreise gewinnenden als unmittelbare Reaktionen auslösenden Bemühungen liegt auf der Hand: „ I n der Gegenwart ist der Betrieb nicht nur i n den Markt hineingestellt, sondern auch i n die Gesellschaft und deren Öffentlichkeit 117 ." Diese soziologische Komponente der Public Relations w i r d heute stark propagiert, die ,social Responsibility' der Unternehmung drängt dazu, diese Tätigkeit als informationspolitisches Instrument der Zukunft zu betrachten 118 . A u f dem Absatzsektor haben die Public Relations aus den o. g. Gründen nur den Charakter flankierender Bemühungen zu anderen absatzwirtschaftlichen Maßnahmen, ihnen w i r d die Funktion zuteil, „den Boden vorzubereiten" 1 1 9 . Wieder läßt sich ein Teilgebiet kognitiver Prozesse als Zielbereich dieses Mitteleinsatzes eruieren: das Gedächtnis des Käufers soll frei sein von evtl. die Geschäftsbeziehungen belastenden Momenten 120 , es soll i m Gegenteil das Unternehmen als ein i n vorbildlicher Weise seiner sozialen Verantwortung entsprechendes Gebilde bewußt werden lassen. Das Instrumentarium für Public Relations-Prozesse beinhaltet i n erster Linie das gesprochene und gedruckte Wort, wobei hier vor allem Werkzeitschriften, Geschäftsberichte und Jubiläumsschriften zu nennen sind 1 2 1 . Damit sind die Aktionsparameter, die gleichzeitig sowohl Variable i n einem Erklärungsmodell für menschliche Kaufhandlungen als auch Instrumente i n der Hand des Herstellers und/oder Händlers sind, genannt; i n den Umrissen wurde die Heterogenität eines solchen Merkmalskataloges schon deutlich. Jede „Typologie" als das System von Merkmalen hat nämlich einen schwachen Punkt: die Merkmalsauswahl. Sie bleibt der Fähigkeit und Erfahrung des Typologen, seiner Intuition,

116 So die Public Relations-Definition bei Fischer, G.: Die Betriebsführung, Bd. 2: Betriebliche Marktwirtschaftslehre, 3. Aufl., Heidelberg 1967, S. 191. 117 Fischer, G.: S. 187. 118 Z u diesem Ergebnis k o m m t R. Berger i n einer v o n der K o m m u n i k a t i o n K G , Bonn, veröffentlichten Studie über Umfang u n d Möglichkeiten der PR; vgl. o. V.: Public Relations u n d falsche Geheimniskrämerei, i n : SZ Nr. 234 v. 30. 9. 1970, S. 24. 119 Hörschgen, H.: S. 28. 120 Bei Gefährdung dieses postulierten Zustandes muß daher eine K o m bination anderer absatzpolitischer M i t t e l m i t PR erfolgen. Vgl. insbesondere die Ausführungen am Schluß v o n K a p i t e l I I , 1323 i m d r i t t e n T e i l dieser Arbeit. 121 Eine ausführliche Darstellung findet sich bei Hundhausen, C.: Public Relations-Theorie u n d Systematik, B e r l i n 1969, S. 70 - 124.

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melle Gliederung des Instrumentariums

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Gestaltidee usw. anheimgestellt 122 . Inwieweit durch eine unterschiedliche formale Zusammenstellung bereits Interdependenzen irgendeiner A r t präjudiziert werden, w i r d i m folgenden zu klären sein. 2. Die formelle Gliederung des Instrumentariums

I m Ablaufschema der Typen-Bestimmung nimmt die Feststellung der Interdependenz der Merkmale und der Merkmalsausprägungen den Platz zwischen den Phasen der Merkmalsbildung und der Darstellung der Typen ein. Da das absatzpolitische Instrumentarium einer jeden Unternehmung einen ganz bestimmten Typus darstellt, kommt der Themenstellung schon aus dem typologischen Blickwinkel große Bedeutung zu. Die Anzahl der Merkmale spielt hierbei eine entscheidende Rolle, löst doch schon die Variation eines einzigen Merkmales automatisch eine Umschichtung und Veränderung anderer Merkmale aus 123 . Hinsichtlich einer formalen Unterscheidung von Typenarten können w i r von einem totalen Typus sprechen, der herausgestellt werden soll, damit die Darstellung die wesentlichen Züge des Erkenntnisobjektes erfaßt und sich nicht auf einen Merkmalssektor beschränkt, was Zeichen eines Partialtyps ist. Der Merkmalskatalog w i r d so auch den unterschiedlichen Umfangsgraden des Instrumentariums i m Zeitablauf gerecht, umfaßt also Aspekte dynamischer Wirtschaftstheorie 124 . Gegenüber den sich wandelnden Absatzbedingungen hat die Unternehmung nämlich zeitliche Alternativen 1 2 5 , eine reine Zeitpunkt-Aufnahme des Instrumentariums würde diese bedeutsame Erweiterung außerachtlassen 128 . Ein solcher mehrdimensionaler Typus 1 2 7 , der als realer Typus verifizierbar ist und keinen fiktiven Charakter trägt wie die irrealen, da „gedanklich extrapolierten" Typen, muß daher auch „vom Materialen unterschiedlicher Fachwissenschaften her ,vollständig' durchleuchtet werden" 1 2 8 . Hiermit ist der qualitativ unterschiedliche Charakter der Merkmale angesprochen. Einige Instrumente setzen sich aus den Elementen „Mensch" und „Sachmittel" zusammen (Betriebsbereitschaft, Sales 122 v g l . Tietz,B.: Typen, S. 14-17. 123 Vgl. ebenda, S. 62 f. 124 Vgl. Ott, A . E.: Einführung i n die dynamische Wirtschaftstheorie, Göttingen 1963. 125 z. B. Sales Promotion, die n u r i n der Einführungsphase vorgenommen w i r d , P R - A k t i o n e n zu Sonderanlässen, Angebot von Leasing-Modalitäten erst seit kurzer Zeit. 126 Diese Ansicht findet sich auch bei Theisen, P.: S. 91 f. 127 Hempel, C. G./Oppenheim, P.: Der Typusbegriff i m Lichte der neuen Logik. S. 1 - 9. 128 Tietz, B.: Typen, S. 29.

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1. Teil: I. Das absatzpolitische Instrumentarium

Promotion usw.), andere wiederum akzentuieren lediglich den Sachmittelbereich (Standort, Ausstattung) oder den personalen Sektor (kaufmännischer Kundendienst). Daß sich hieraus Interdependenzen unterschiedlichster A r t ergeben, leuchtet unmittelbar ein. Das Instrumentarium läßt sich formal auch nach Eigenmerkmalen (inhärenten Merkmalen) und Beziehungsmerkmalen (relationeilen Merkmalen) differenzieren 129 . Die erste Kategorie beinhaltet strukturelle, funktionelle und institutionelle Merkmale, ein Bündel heterogener Eigenschaften, die es i m einzelnen nachzuweisen gilt. So gliedern strukturelle Typologien nach Gegebenheiten, die i n kurzen Zeiträumen unveränderlich erscheinen. Standort, Betriebsgröße, der Distributionskanal und die Sortimentsstruktur können als solche deklariert werden. Diese Instrumente zeichnen sich durch eine relativ hohe Dauerhaftigkeit aus. Zwar sind auch sie entwicklungsunterworfen, doch hat ein solcher Prozeß hier nur evolutionären Charakter. Sie stehen damit i n einer verlangsamten Bewegung 130 . Ihre verminderte Aktivierbarkeit und Flexibilität lassen sie zu Entscheidungstatbeständen langfristiger Entscheidungsmodelle werden 1 3 1 , zu Fragen vor allem betriebswirtschaftlicher Kapitaltheorie, die investitions-und finanzierungstheoretische Entscheidungsmodelle umfaßt. Die Bedeutung funktioneller Typologien wurde i m Zusammenhang m i t der Entwicklung des absatzpolitischen Instrumentariums aus der Funktionenlehre bereits kurz gewürdigt. Das Spannungsverhältnis, das zwischen Produktion und Bedarf existiert, muß gelöst werden. Funktionen aber, so schreibt H. Ulrich, sind „verschiedene A r t e n von Arbeitsleistungen, die zur Lösung einer einzigen Aufgabe aufgewendet werden" 1 3 2 . Etlichen Absatzmitteln kann innerhalb der sechs Funktionsgruppen, nämlich der Initiativ-, Planungs-, Entscheidungs-, Anordnungs-, Ausführungs- und Kontrollfunktionen, die Rolle ausführender 129 Diese Unterscheidung findet sich v o r allem bei warentypologischen Untersuchungen; vgl. u . a . Knoblich, H.: Betriebswirtschaftliche Warentypologie, Grundlagen u n d Anwendung, K ö l n u n d Opladen 1969, S. 51 f. 130 perroux definiert eine S t r u k t u r als Quantitäten i n verlangsamter Bewegung (quantités en mouvements ralentis); zitiert bei Marchai, A.: Systèmes et structures économiques, 3. Aufl., Paris 1963, S. 78. 131 Sie erfordern eine mehrperiodische Betrachtung u n d orientieren sich am Totalgewinn; zum Aufbau u n d zu den A r t e n betriebswirtschaftlicher E n t scheidungsmodelle vgl. Heinen, E.: Einführung, S. 223 ff.; hier S. 228; den strategischen Charakter dieser Instrumente, der sich k l a r von den k u r z fristig variierbaren (taktischen) M i t t e l n abhebt, betonen zahlreiche Autoren. Beispielhaft sei f ü r entsprechende Aussagen i m Bereich der Sortimentsgestaltung genannt: Dichtl, E.: Die Beurteilung der Erfolgsträchtigkeit eines Produktes als Grundlage der Gestaltung des Produktionsprogramms, Habil.Schrift, München 1970, S. 16. 132 Ulrich, H.: Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, Bern 1949, S. 108.

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Tätigkeit zugeschrieben werden. Preis und Werbung, Betriebsbereitschaft und Kundendienst, auch Zahlungsbedingungen und Public Relations lassen sofort Assoziationen zu den Uberbrückungs-, Warenund Makleramtsfunktionen Seyfferts wach werden 1 3 3 . Die funktionspolitische Ausrichtung des Instrumentariums ist eindeutig, jedoch als alleinige Interpretation nicht ausreichend. „Der Funktionsbegriif des Absatzes ist einkategorial gedacht (nach Raum bzw. Zeit bzw. Quantität bzw. Qualität) und ist damit nur ein Denkmittel theoretischer Analyse. Jede Gliederung der Maßnahmen dagegen muß sich auf so konkrete M i t t e l beziehen, daß diese notwendig vier Kategorien simultan aufweisen 134 ." Hinzu kommt, daß i n betriebswirtschaftlicher Sicht die Ausübung absatzwirtschaftlicher Funktionen nicht mehr ein Primärziel, sondern ein Unterziel darstellt, nämlich M i t t e l zur Erreichung des obersten Unternehmungsziels 135 . So mischen sich i n funktionelle Merkmale auch Elemente institutioneller Typologien, worunter ein Miteinander von materiellen und immateriellen Elementen verstanden wird, die eine koordinierte und organisierte Gesamtheit bilden 1 3 6 . Diese Vermengung w i r d deutlich bei dem Instrument „Distributionskanal"; während Gerth i n diesem schwergewichtlich die Eruierung geeigneter Träger der absatzwirtschaftlichen Aufgabe, der Institutionen sieht, die für die Absatz suchende Unternehmung i n mehrfacher Beziehung ein Datum darstellen 137 , betonen Montgomery/Urban den Funktionscharakter des Distributionskanals, „as defined i n the areas of availability, information and demand creation" 1 3 8 . Durch i h n soll das Instrumentenbündel an den Konsumenten herangetragen werden, wodurch gleichsam eine Dienstfunktion gegenüber den anderen absatzpolitischen Instrumenten begründet wird. M i t den Beziehungen zwischen gesellschaftlichen Bereichen befassen sich die relationalen Typologien 139 . Elemente dieser Spezies lassen sich 133

Vgl. Seyffert, R.: Wirtschaftslehre des Handels, S. 8 ff. Gerth, E.: Funktionen u n d Instrumente des Absatzes als Grundlagen der Absatztheorie, i n : ZfB, 36. Jg., 1966, Nr. 8, S. 507 - 516, S. 514. 135 Damit w i r d die Umstellung des Bezugs der Funktionen v o n der Volkswirtschaft auf die Betriebswirtschaft vollzogen. Die Absatzwirtschaft hat also i h r Forschungsgebiet an der Nahtstelle zwischen Volkswirtschaftslehre u n d Betriebswirtschaftslehre. Diese Auffassung vertreten v o r allem: Nieschlag, R.: Binnenhandel u n d Binnenhandelspolitik, B e r l i n 1959, V o r w o r t S. I X f.; Angehrn, O.: S. 26; Gerth, E.: Funktionen u n d Instrumente des A b satzes als Grundlagen der Absatztheorie, S. 508. 136 v g l . Duverger, M.: Methodes des sciences sociales, 3. Aufl., Paris 1964, S. 332 ff. 134

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Vgl. Gerth, E.: Z u r Systematik der Absatztheorie, S. 583. Montgomery, D. B.¡Urban, G. L.: S. 215. 139 Duverger spricht von der „typologie relationale", wobei es sich u m eine Typologie handelt, die auf einem aus Relationen gebildeten Merkmals138

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1. Teil: I. Das absatzpolitische Instrumentarium

ebenfalls i m absatzpolitischen Instrumentarium nachweisen. Die Zielgruppe für diese Maßnahmen setzt sich aus unterschiedlichsten Kreisen zusammen: während Rabatt und Sales Promotion ein Netz von Beziehungen i n erster Linie zu den Handelsmittlern legen, richten sich die übrigen Instrumente überwiegend an die Verwender von Produkten und Dienstleistungen. Besondere Relationen ergeben sich aus den Bemühungen der Unternehmung um Referenzgruppen 140 . Aktionen i n dieser Richtung bedienen sich ebenfalls eines Segmentes aus dem „Instrumentenkasten", u m Meinungsführer zu positiven Kommunikatoren zu machen. Die Ablösung des alten Kommunikationsmodells durch die These vom zweistufigen Kommunikationsfluß (two-step flow of communication) hat die Aufdeckung dieser informalen Kommunikationskanäle und damit neue Relationen der Instrumente zu systemfremden Gruppen gebracht 141 . Deren Einflüsse müssen bei einer theoretischen Analyse der Interdependenzen i n jedem Fall berücksichtigt werden. „Durch die Interdependenz der Merkmale w i r d die isolierte Betrachtung von umweltbezogenen Objekten bei Totalbetrachtung ausgeschlossen. Die Beziehungen zur Außenwelt werden mitberücksichtigt und erklären i n zahlreichen Fällen sogar die Ausprägung bestimmter Objektmerkmale.. . 1 4 2 ." Die formale Unterschiedlichkeit der Instrumente ist nunmehr evident. Fast wäre man geneigt, den Katalog von Merkmalen als ein zu heterogenes Konglomerat zu bezeichnen, als nicht systementsprechend; denn die Ansicht, „daß i m gleichen System nicht Erscheinungen wirken könnten, die einander wesentlich widersprechen" 148 , ist vollkommen berechtigt. Doch bleibt allen absatzpolitischen Aktivitäten die Zielsetzung

gefüge beruht. Bei Dienstbach w i r d v o n dem Begriff Relation der Ausdruck „relationale Eigenschaften" abgeleitet. Während dieser jedoch darin die Beziehungen zu anderen Elementen des gleichen Systems sieht, soll hier von der unterschiedlichen Merkmalsbildung i m H i n b l i c k auf die Beziehungen zu Elementen anderer Systeme gesprochen werden. Vgl. Duverger, M.: S. 333; vgl. Dienstbach, H.: Die Anpassung der Unternehmungsorganisation — Z u r betriebswirtschaftlichen Bedeutung der Konzeption des „Planned Organizational Change", Diss. München 1968, S. 160. 140 Vgl. KatZy E./Lazarsfeld, P.: Persönlicher Einfluß u n d Meinungsbildung, München—Wien 1962. 141 Die Diffusionsforschung u n d ihre Bedeutung f ü r die Theorie der A b satzpolitik w i r d sehr anschaulich dargestellt v o n Löber, W.: Diffusion bringt keine neue Konfusion, i n : absatzwirtschaft, Jg. 12, J u l i 1969, H. 13, S. 7 - 18. 142 Tietz, B.: Typen, S. 64. Die Notwendigkeit dieser Ausweitung der U n t e r suchung w i r d eingehend begründet i n den K a p i t e l n I I , 23. u n d I V , 3. des ersten Teils dieser Arbeit. 143 Schubert-Soldern, R.: Ganzheit u n d Individualität, i n : Philosophisches Jahrbuch, i m A u f t r a g der Görres Gesellschaft hrsg. von M. M ü l l e r u. M. Schmaus, Festschrift f. Alois Dempf, 68. Jg., München 1960, S. 343 - 360, S. 350 f.

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gemeinsam: die faktische Einwirkung auf Einstellung und Handlungsbereitschaft anderer Wirtschaftssubjekte 144 . Alewell unterstreicht diesen Aspekt, indem er den Absatzprozeß als einen mehrstufigen Aktionsprozeß kennzeichnet, „dessen ,Endprodukt' die umgeformte und befriedigte Nachfrage darstellt" 1 4 5 , die Instrumente also ,Produktionsfaktoren' gleichkommen. Zusammenhänge formaler A r t ergeben sich demnach auch über den gemeinsamen investitorischen Charakter der Instrumente, ist doch die Frage zu beantworten, was es bedeutet, wenn eine bestimmte Investition auf dem Gebiet der Produktpolitik, der Werbung oder beim Distributionskanal — einmalig oder periodisch — vorgenommen wird 1 4 6 . Gemeinsamkeiten und Unterschiede formaler A r t lassen es geraten erscheinen, von einer ,Synheteronomie' 147 der Instrumente zu sprechen, von einer Wesens Verbundenheit des einen m i t dem anderen: Dabei ist zu berücksichtigen, daß diese Synheteronomie auf der Ebene eines jeden einzelnen Instrumentes wieder auftaucht, daß Werbung, Preis, Distributionskanal usw. ihrerseits eine Zusammenfassung von Maßnahmen einheitlichen Charakters darstellen, wobei die Einheitlichkeit der Tätigkeit als K r i t e r i u m gilt. Jedes Instrument ist also ein Sammelbegriff 148 , dessen Untermerkmale jedoch aufgrund ihrer Vielzahl eine theoretische Behandlung von Interdependenzen als aussichtslos erscheinen lassen würde. Zur Typenbildung reichen die i m Merkmalskatalog auf S. 20/21 aufgeführten Instrumente vollends aus. Eine formale Schwierigkeit der Merkmalsgliederung soll zum Schluß erwähnt werden: das interferente Ineinander der Merkmale macht die Abgrenzung zu einem Problem. Viele Instrumente übernehmen Funktionen anderer Mittel, sind also mehrkategorial. So besitzen z. B. nicht nur die Werbung, sondern auch der Kundendienst, der Preis und auch 144 Vgl. Köhler, R.: Das Problem „richtiger" preispolitischer Entscheidungen bei unvollkommener Voraussicht, i n : ZfbF, 20. Jg., 1968, Nr. 5, S. 249 - 274, S.274. 145 Alewell, K . : Ansätze zu einer Konzeption einer ökonomischen Absatztheorie, i n : Betriebswirtschaft u n d M a r k t p o l i t i k , Festschrift f ü r R. Seyffert zum 75. Geburtstag, hrsg. v. E. Kosiol u n d E. Sundhoff, K ö l n u n d Opladen 1968, S. 1 - 15, hier S. 5. 148 Vgl. Weinhold-Stünzi, H.: Grundlagen wirtschaftlicher Absatzführung, i n : Schriftenreihe der Forschungsstelle f ü r den Handel an der Hochschule St. Gallen, Bd. 6, Bern 1964, S. 150. 147 Plenge, J.: Z u r Ontologie der Beziehung (Allgemeine Relationstheorie), i n : Aus dem Forschungsinstitut f ü r Organisationslehre u n d Soziologie bei der Universität Münster, Kleine Schriften, 2. Stück, Münster 1930, S. 11 - 30, hier S. 14. 148 Vgl. Nieschlag et al.: Marketing, S. 372. Ausführungen gleicher A r t finden sich bei Gerth, E.: Funktionen u n d Instrumente des Absatzes als Grundlagen der Absatztheorie, S. 512.

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1. Teil: I. Das absatzpolitische Instrumentarium

das Produkt Informationscharakter 149 . I n der angelsächsischen Literatur w i r d verschiedentlich auch der Distributionskanal dem kommunikativen Bereich der Unternehmung zugerechnet 150 . Die Sales Promotion bietet starke Uberschneidungsbereiche m i t anderen Instrumenten, bedient sie sich doch der Sonderrabatte, der Preisausschreiben, der MediaWerbung usw 1 5 1 . Interdependenzen können sich also schon durch eine ungenaue Merkmalsauswahl ergeben, doch erscheinen die von dort herrührenden Schwierigkeiten unvermeidlich und nicht so gravierend, als daß einer Analyse unüberwindliche Hindernisse entgegenstünden.

3. Die Interpretation des Instrumentariums als System

Bereits bei der Erörterung typologischer Merkmale wurde das Instrumentarium als ein System bezeichnet 152 . Diesen Brückenschlag von einer A r t methodischen Vorgehens zur Erfassung von Tatsachen ( = Typologie) bis h i n zu einer Sichtweise dieser Tatsachen, die i n hervorragendem Maß geeignet erscheint, die Vielschichtigkeit zu analysieren, ohne den Gesamtzusammenhang aus den Augen zu verlieren ( = System Vorstellung) 1 5 3 , vollziehen auch Theuer und Scheuch, wenn sie schreiben: „ I m Normalfall bilden die Merkmale der Typen Wirksysteme, d. h. sie stehen i n korrelativer Interdependenz 154 ." Die absatzpolitischen Instrumente sind also nicht mehr als einzelne Elemente Gegenstand des Studiums, sondern die Elemente i n ihren Wirkungen aufeinander. Die bisherige Sichtweise des Marketing hat die 149 p ü r den Bereich des Produktes macht Ellinger diese Tatsache sehr deutlich. Vgl. Ellinger, T.: Die Informationsfunktion des Produktes, i n : Produktionstheorie u n d Produktionsplanung, K . H a x zum 65. Geburtstag, hrsg. v. A . Moxter, D. Schneider, W. W i t t m a n n , K ö l n u n d Opladen 1966, S. 253 - 336. 150 Vgl. u. a. Montgomery, D. B.¡Urban, G. L.: S. 246. 151 Die Sales Promotion als ein T e i l der Non-Mediawerbung stellt die Praxis v o r das Problem der Kompetenzabgrenzung i m Bereich v o n MediaWerbung u n d Distributionskanal. Eine gesonderte Stellung w i r d i h r erst i n jüngster Zeit verstärkt eingeräumt. Vgl. zu dieser Problematik Gloor, M.: Die Einordnung der Werbung i n das Marketingkonzept, i n : Die Werbung i m Kräftefeld des Marketing, Ansprachen u n d Vorträge auf der Herbst-Tagung des Zentralausschusses der Werbewirtschaft e. V. i n Essen am 3.11.1965, Bad Godesberg 1965, S. 21 - 36, insbesondere S. 24, 27 u n d 33; Birkigt, K . : W a r u m kein separater Etat?, in: MJ, 1969, H. 5, S. 352 - 353. 152 Vgl. die Ausführungen am Schluß von K a p i t e l I, 1. i m ersten T e i l dieser A r b e i t ; ebenso bei Czayka, L.: Eine Typologie f ü r Subordinationsstrukturen i n Unternehmungen, i n : ZfbF, 19. Jg., 1967, Nr. 4, S. 257 - 278, S. 259. 153 So die Begründung f ü r den Systemansatz als Auswahlprinzip der Betriebswirtschaftslehre bei Ulrich, H.: Die Unternehmung als produktives soziales System, Bern 1968, S. 71. (Zitierweise: Die Unternehmung) 154 Theuer, GJ Scheuch, F.: Die Vertriebsmethoden des Einzelhandels i m typologischen Ansatz, i n : ZfB, 39. Jg., 1969, Nr. 10, S. 641 - 654, S. 651.

3. Die Interpretation des Instrumentariums als System

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zur Verfügung stehenden M i t t e l i n erster Linie als Menge angesehen, hat das „Beieinander" der Elemente mehr untersucht als ihre Relationen. Jedes System basiert zwar auf einer Menge, doch beinhaltet der Begriff eben mehr als diese einfache Häufung. „There are two qualities of the term system which underly our use of it. First we see a phenomenon such as marketing as being made of two classses of variables: (a) The components or elements; and (b) the relationships among these components. The relationships would not exist without the components and unrelated components form a heap, not a system 155 ." 31. Die Eigenschaften absatzwirtschaftlicher

Systeme

Ein System ist demnach — i n der allgemeinsten Formulierung — eine geordnete Gesamtheit von Elementen, zwischen denen irgendwelche Beziehungen bestehen oder hergestellt werden können 158 . Die Eigenschaften einer solchen Ganzheit stehen also zur Diskussion, die Struktur oder die Form; denn unter „ S t r u k t u r " muß ein Beziehungsnetz von Elementen oder von elementaren Prozessen verstanden werden. „Wo immer sich Elemente zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen, treten Strukturen auf, deren Aufbau bestimmten Gesetzen folgt 1 5 7 ." Element und Ganzheit sind nach einem ganz bestimmten Anordnungsmuster ineinander verwoben. Rombach macht diese Integration deutlich: „System ist weder das Ganze, unabhängig und abgelöst von den Dingen, noch die Summe der Dinge, unabhängig und abgelöst von der Ordnung; System ist die Einheit von beiden, das Ganze als entwickelt i n die Einzelheiten, die Einzelheiten als hervorgetrieben aus dem Kerngedanken einer notwendigen Einheit 1 5 8 ." Die Nützlichkeit der Systemtheorie für unsere Zwecke besteht darin, daß sie die A r t und die Eigenschaften von Relationen zwischen den Bestandteilen eines Systems untersucht 159 . Die 155 Mackenzie , K . D./Nicosia, F. M.: Marketing Systems: T o w a r d Formal Descriptions and Structural Properties, i n : M a r k e t i n g and the new science of planning, hrsg. v. R. L. K i n g , A M A , 1968, F a l l Conference Proceedings, Series No. 28, S. 14-23, S. 15; zur Unterscheidung von Menge u n d System siehe u.a. Flechtner, H. J.: Grundbegriffe der Kybernetik, 5. Aufl., Stuttgart 1970, S. 12; Brunnberg, JJKiehne, R.: Systeme — eine Begriffsanalyse, i n : ZfB, 39. Jg., 1969, Nr. 9, S. 605 - 608, S. 605. 156 Vgl. u. a. Ulrich, H.: Die Unternehmung, S. 105; Flechtner, H. J.: S. 228 f.; Klaus, G. (Hrsg.): Wörterbuch der Kybernetik, 2. Aufl., B e r l i n 1968, S. 634 ff.; Johnson, R. A./Kast, F. E./Rosenzweig, J. E.: The Theory and Management of Systems, 2. Aufl., New Y o r k usw. 1967, S. 4 f.; Churchman, C. W./Ackoff, R. C./ Arnoff, E. L.: Operations Research. Eine Einführung i n die Unternehmensforschung, 3. Aufl., Wien, München 1966, bes. S. 28 ff. u n d S. 571 ff. 157 Wieser, W.: Organismen, Strukturen, Maschinen, F r a n k f u r t / M . 1959, S. 12 f. 158 Rombach, H.: Substanz, System, Struktur, Bd. I I : Die Ontologie des Funktionalismus u n d der philosophische H i n t e r g r u n d der modernen Wissenschaft, Freiburg/München 1966, S. 35.

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1. Teil: I. Das absatzpolitische Instrumentarium

zwischen den einzelnen Variablen (absatzpolitischen Instrumenten) des Systems (Instrumentarium) bestehenden funktionalen Beziehungen müssen festgestellt bzw. Gesetzeshypothesen über derartige Beziehungen formuliert werden. Die Schwierigkeiten eines solchen Unterfangens treten offen zutage: wegen der UnVollständigkeit und der Vorläufigkeit sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse werden die Ergebnisse keinen eindeutigen Charakter haben, sie werden vielmehr nur prinzipielle Verknüpfungen aufdecken können. Diese Nicht-Eindeutigkeit der funktionalen Beziehungen zwischen den Variablen sind Zeichen dafür, daß das Instrumentarium ein probabilistisches System darstellt; die Einwirkung seiner Teile aufeinander läßt keine streng detaillierte Voraussage zu — i m Gegensatz zu einem deterministischen System, „dessen Teile i n vollständig voraussagbarer Weise aufeinander einwirken" 1 6 0 . Die Aktionsparameter der Absatzpolitik stellen aber auch ein vom Menschen geschaffenes, künstliches System dar, i n dem die Elemente „Mensch" und „Sachmittel" kombiniert werden. Diese schon erwähnte Mehrdimensionalität der Instrumente macht bereits jedes absatzpolitische M i t t e l i m einzelnen zu einem komplexen Gebilde; das gesamte Mensch-Maschine-System 161 jedoch ist so kompliziert, daß man es nicht mehr präzise und detailliert beschreiben kann; es läßt sich m i t Stafford Beer als ein äußerst komplexes System bezeichnen 162 . Dabei macht nicht die Zahl der Elemente, sondern der Reichtum ihrer Beziehungen den Unterschied zu den einfachen Systemen aus. Die Anzahl der unterschiedlichen Beziehungen läßt sich dabei m i t der Varietät ausdrücken, einem Begriff, der nicht ganz einheitlich definiert w i r d 1 8 3 . I m Falle statischer Systeme umgreift er den o.g. Aspekt; ist das System aber dynamisch, so liegt — aufgrund dieser Beziehungen — eine Fülle von Systemzuständen vor, die von Beer 1 6 4 ebenfalls als „Variety" bezeichnet werden. Diese Betrachtung des Systems als Vorgang, als 159 vgl Flechtner, H. J.: S. 228; die Möglichkeiten der Systemanalyse i m Marketing betont W. Lazer: „Die Lehre v o n den Systemen k o m m t der A b satzforschung sehr zustatten, denn M a r k e t i n g ist j a eine Gesamtkonzeption aller Bemühungen auf dem Verkaufsgebiet von der Vorbereitung bis zur Überwachung". Vgl. Lazer, W.: Die Entwicklungsrichtung des Marketing, in: Betriebswirtschaftliche Beilage der N Z Z v. 29.10.1965, Bl. 19/20. 160

Beer, S.: Kybernetik u n d Management, F r a n k f u r t / M . 1967, S. 27. Vgl. Grochla, E.: Systemtheorie u n d Organisationstheorie, i n : ZfB, 40. Jg., 1970, Nr. 1, S. 1 - 16, S. 12; Chapanis, A.: Man-Machine Engineering, Belmont (Calif.) u. London 1965, S. 15 ff.; Witte, E.: Stichwort „Entscheidungsprozesse", i n : HdO, hrsg. v. E. Grochla, Stuttgart 1969, Sp. 497 - 506, bes. Sp. 503. 162 Vgl. Beer, S.: Kybernetik u n d Management, S. 27. 163 Vgl. Ulrich, H.: Die Unternehmung, S. 116. 164 Vgl. Beer, S.: Decision and Control, London 1966, S. 251. 161

3. Die Interpretation des Instrumentariums als System

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Prozeß, bezieht die Zeitdimension mit ein — das System „verhält" sich. M i t solchen dynamischen oder kinetischen Systemen befaßt sich vorwiegend die Kybernetik, deren Zentralthema die Veränderung i n der Zeit, das „Anderswerden" der Relationen zwischen Systemelementen ist 1 6 5 . Die Dynamik läßt sich i n zwei große Gruppen einteilen: die sich i m Innern des Systems abspielende „innere" Dynamik und die „äußere" Dynamik des Systems, die sich i n seinem Verhalten gegenüber der Umwelt zeigt. Das System der absatzpolitischen Instrumente zeigt gerade auf diesem Gebiet seine größte „ A k t i v i t ä t " , ist doch der Austausch von Materie, Energie und Information, d. h. die Beziehungsaufnahme zu dem „Supersystem" Umwelt, sehr umfangreich und intensiv 1 6 8 . Damit erschließt sich uns eine weitere Systemeigenschaft, und zwar eine dichotomischen Charakters, d. h. sie ist entweder vorhanden oder nicht, es gibt also bei ihr keine Abstufungen. Gemeint ist die Unterscheidung zwischen offenen und geschlossenen Systemen 167 . Das Objekt unserer Betrachtungen gehört zweifelsfrei zu der erstgenannten Kategorie, vermag doch das Instrumentarium nur i n Wechselwirkung m i t einer ständig sich wandelnden Umwelt zu existieren. „Ein offenes System erhält sich dadurch, daß es dem Gesamt an Forderungen nachkommt, das seine Umwelt stellt 1 6 8 ." Dieser Zwang zum Uberleben des Systems — ein häufig als letztes Ziel einer Unternehmung dargestellter Sachverhalt 169 — manifestiert sich i n einer ständigen Stoff-, Energieund/oder Informationsaufnahme aus der Umwelt, dem Input des Systems. Nach einem Verarbeitungsprozeß i m Innern ( = Throughput) werden diese Strömungsgrößen 170 i n umgewandelter Form als Output an die Umwelt zurückgegeben. 165 Vgl. Ashby, W. R.: A n Introduction to Cybernetics, 5. Aufl., London 1963, S. 9. 166 Vgl. Ulrich, H.: Die Unternehmung, S. 113. 187 Bezüglich der Eigenschaften offener u n d geschlossener Systeme sowie ihrer gegenseitigen Abgrenzung siehe Bertalanffy, L . v.: The Theory of Open Systems i n Physics and Biology, i n : Science, Bd. I l l , 1950, S. 23; ders .: Z u einer allgemeinen Systemlehre, i n : Biologia Generalis, Bd. 19, H. 1, Wien 1949, S. 121 ff.; Fuchs, H.: Systemtheorie, i n : HdO, hrsg. v. E. Grochla, Stuttgart 1969, Sp. 1618 - 1630, Sp. 1620 f.; Rice, A . K : The Enterprise and its E n v i r o n ment, London 1963, S. 182 ff. 168 Bierfelder, W.: Unternehmungsführung als systemgestaltende Aufgabe, i n : Jahrbuch der Absatz- u n d Verbrauchsforschung, 11. Jg., 1965, H. 4, S. 314 bis 321, S. 319. 169 Die Operationalität dieses Ansatzes ist jedoch denkbar gering; vgl. zu dieser Sichtweise: Beer, S.: K y b e r n e t i k u n d Management, S. 266; Ulrich, H.: Die Unternehmung, S. 186; die Auflösung solcher ,Basisziele' i n operationale Handlungsziele w i r d sehr anschaulich dargestellt bei Magyar, K . M.: S. 105 f. 170 Vgl. zu diesem Begriff, der Materie, Energie u n d Information kennzeichnet, Fuchs, H.: Sp. 1620 f.; Lehmann, H.: Integration, i n : HdO, hrsg. v. E. Grochla, Stuttgart 1969, Sp. 768 - 774, Sp. 772.

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1. Teil: I. Das absatzpolitische Instrumentarium

Dieses lebende System 171 absatzpolitischer Instrumente besitzt durch den dauernden Fluß und die Transformation von Energie, Materie und /oder Information ein extrem hohes Maß an Varietät, also eine wesentlich größere Anzahl von Beziehungen als geschlossene Systeme; denn hier fehlen wechselseitige Transaktionsbeziehungen zur Umwelt, das System könnte also einer isolierten Betrachtung unterzogen werden 172 . Input und Output sind gleich null, die Geschlossenheit kann demnach auch als Sonderfall der offenen Systeme definiert werden 1 7 3 . Die Varietät der von außen einwirkenden Störungen macht die Hauptschwierigkeit bei der Analyse unseres Systems und seiner Beziehungen aus. Sie w i r d vergrößert durch die Varietät der internen Störungen und gemindert durch die Varietät der Abwehrmaßnahmen der Organisation. Geringer als diese Varietäts-Summe kann die Varietät der erforderlichen Ergebnisse einer Organisation nicht sein — ein Gesetz, das Mirow formulierte 1 7 4 . Die vorliegende Untersuchung kann folglich nur dann gültige Aussagen über die Beziehungsvielfalt machen, wenn sie auch auf diese internen Störungen eingeht, wenn z.B. die Schwierigkeiten i n ihren Auswirkungen dargelegt werden, „zunächst desorganisierte Hilfsquellen wie unsystematische Information (wirtschaftliches und technisches Wissen), Vermögensteile verschiedenster A r t , Arbeitskräfte unterschiedlichster Spezialisierung und Qualität systematisch auf Leistungen hin, die der Markt fordert, umzuformen. Der Gütegrad der jeweiligen Umformung hängt vor allem davon ab, inwieweit es gelingt, die offenen 171 Als solches läßt sich m i t M i l l e r jedes offene System bezeichnen, vgl. Miller, J. G.: L i v i n g Systems: Basic Concepts, i n : Behavioral Science, Bd. 10, 1965, S. 193-237, S. 203; ebenso: Chin, R.: The U t i l i t y of System Models and Developmental Models for Practitioners, i n : The Planning of Change, hrsg. von W. G. Bennis, K . D. Benne u n d R. Chin, New Y o r k usw. 1961, S. 201 - 214, S. 206. 172 Die „Dynamische Bilanz" Schmalenbachs ist sinnfälliger Ausdruck dafür, daß dieser — ebenso w i e andere namhafte Betriebswirtschaftler — den Systemcharakter der Unternehmung gründlich mißverstanden hat, daß n ä m lich die Einzelwirtschaft als geschlossenes System gedacht wurde: Diese sollte i n einer instabilen Gesamtwirtschaft stabil bleiben, da der K a u f k r a f t schwund durch die Zauberformel „Dynamische Bilanz" gebannt schien. Wie auch Churchman darlegt, läßt sich ein geschlossenes System i n organischen u n d höheren Ordnungen nicht nachweisen; geschlossene Systeme w ü r d e n letztlich der Zerstörung des menschlichen Geistes Vorschub leisten. Vgl. Schmalenbach, E.: Dynamische Bilanz, 13. Aufl., bearb. v. R. Bauer, K ö l n u n d Opladen 1963; Churchman, C. W.: A n Approach to General Systems Theory, i n : Mesaroviö, M . D. (Hrsg.): Views on General Systems Theory. Proceedings of the Second Systems Symposium at Case Institute of Technology, New York—London—Sydney 1964, S. 173. 173 Vgl. Miller, J. G.: L i v i n g Systems: Basic Concepts, S. 203. 174 v g i Mirow, H. M.: K y b e r n e t i k — Grundlagen einer allgemeinen Theorie der Organisation, Wiesbaden 1969, S. 76.

3. Die Interpretation des Instrumentariums als System

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Fragen einer Unternehmung rechtzeitig und m i t voller Klarheit zu erfassen, die bestgeeigneten Mitarbeiter auf die jeweils vordringlich zu lösende Aufgabe anzusetzen und das Zusammenwirken aller Teilsysteme 175 i m Sinne einer rationalen, systemgestaltenden Absicht zu verwirklichen" 1 7 6 . Eine solche systemgerechte Organisation muß sich am Gesamtziel orientieren. Die Aktionsparameter der Absatzpolitik haben also ein zielgerichtetes Systemverhalten; dabei ist dieses nicht systemimmanent, sondern von Menschen vorgegeben. Deren Absichten entsprechend sollen die von ihnen geschaffenen künstlichen Systeme funktionieren, es w i r d also ein anzustrebender „Sollwert" vorgegeben. Darüber hinaus w i r d auch das Verhalten des Systems beeinflußt, d.h. es w i r d „gesteuert". Denn während physische Systeme die Eigenschaft besitzen, „sich durch eine ihnen eingebaute Kontrollvorrichtung selbst zu regulieren 177 , bedarf die Absatzwirtschaft i n ihrem laufenden Vollzug der Regulierung durch die Lenkungsorgane der Unternehmung" 1 7 8 . Da jedoch i m absatzpolitischen System Menschen wirken, die als Elemente eines sozialen Systems eigene Zielvorstellungen entwickeln und durch ihr Verhalten zu erreichen suchen 179 , w i r d das Beziehungsnetz zwischen den Instrumenten auch durch solche Vorgänge bestimmt. Es existieren folglich zahlreiche Möglichkeiten zu Konflikten zwischen den von außen vorgegebenen und den vom System selbst entwickelten Zielen. Die Ausrichtung der Absatz-Instrumente auf einen spezifischen Endzustand h i n läßt sich als teleologisches Verhalten dieses Systems charakterisieren. Es setzt die Abstimmung und Koordination von Handlungen und Prozessen voraus 180 . Das Ziel ist dabei keine einfache „causa" für diese Tätigkeit; denn „ i m Unterschiede zu einer sogenannten Kausalerklärung bezeichnet man eine Erklärung als eine teleologische', i n welcher das zu Erklärende als zu einem gesetzten (angenommenen) Zweck dienend aufgefaßt wird. Die teleologische Erklärung soll die 175 Hierunter seien Teilsysteme (TS) des Informations- u n d Entscheidungssystems verstanden, v o n denen die wichtigsten sind: Beobachtungs-TS, informationsverarbeitendes TS, Entscheidungs-TS, K o n t r o l l - T S , informationsspeicherndes TS; vgl. Bierfelder, W.: Unternehmungsführung als systemgestaltende Aufgabe, S. 318. 176 Ebenda, S. 319 f. 177 I n der Sprache der K y b e r n e t i k spricht m a n hier v o n Regelung; vgl. zu den Begriffen Steuerung u n d Regelung: Flechtner, H. J.: S. 44. 178 Angehrn, O.: S. 29. 179 Vgl. z . B . Mayntz, R.: Soziales System, i n : Bernsdorf, W. (Hrsg.): W ö r terbuch der Soziologie, 2. neubearb. u. erw. Aufl., Stuttgart 1969, S. 1017 ff.; Irle, M.: Soziale Systeme, i n : HdO, hrsg. v. E. Grochla, Stuttgart 1969, Sp. 1505 - 1509; Keinen, E.: Einführung, S. 48 ff. 180 y g L Grochla, E., Systemtheorie u n d Organisationstheorie, S. 9.

4 Linssen

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1. Teil: I. Das absatzpolitische Instrumentarium

kausale ergänzen, berichtigen, ersetzen" 181 . Es leuchtet unmittelbar ein, daß der finale Charakter jeder absatzpolitischen Maßnahme erheblich zu der Vielfalt der Beziehungen beiträgt. Die außerhalb des Systems gesetzte Sollgröße, die vom System selbst als „Störung" wie jede andere Strömungsgröße von dem umgebenden Supersystem empfunden wird, trägt zur „Verindividualisierung" einer jeden Absatzkonzeption bei. Nur dadurch „lebt" diese und dieses Leben unterwirft sich das, was i h m an Stoffen zugeht, „Zielstrebigkeit oder Finalität ist eine Form der Kausalität, bei der die Wirkung i n der Ursache schon vorhanden ist" 1 8 2 . I m Falle zweier Absatzsysteme, bei denen die steuernde Instanz gleiche Ziele vorgegeben hat, deren sonstige Strömungsgrößen, die als Input eingehen, ebenfalls identisch sind und deren innere „Störungen" ein gleiches Ausmaß erreichen, kann dennoch das Beziehungsnetz starke Unterschiede aufweisen: dann nämlich, wenn die Anfangsbedingungen unterschiedlich sind. I n diesem Fall bezeichnet die „Äquifinalität" eines Systems 183 seine Fähigkeit, den gesetzten Sollwert auf verschiedenen Wegen und durch die Realisation unterschiedlicher Maßnahmen zu erreichen. Das Beziehungsnetz w i r d infolgedessen durch unterschiedliche Strukturen gekennzeichnet, ein Umstand, der den „Bedingungsrahmen" zu einem bedeutenden K r i t e r i u m der Interdependenzfeststellung werden läßt 1 8 4 . 32. Systeme und Subsysteme W i r haben nun verschiedene Eigenschaften des Instrumenten-Systems kennengelernt und dabei seinen komplexen und probabilistischen Charakter herausgestellt. Die Zielorientiertheit und Dynamik brachte Hinweise auf die grundsätzliche Offenheit des Systems, das sich gegenüber seiner Umwelt behaupten muß. I n diesem Zusammenhang verhalf der Begriff „Supersystem" zu der Erkenntnis, daß die Definition jedes besonderen Systems beliebig ist 1 8 5 ; denn i m System „ U m w e l t " verliert das absatzpolitische Instrumentarium seinen Systemcharakter, es w i r d Teil eines größeren Systems. Sein Elementcharakter besagt dann, daß es zu keiner weiteren Aufteilung kommen soll, daß das Instrumentarium die kleinste uns interessierende Einheit i m System ist. 181 Claudberg, K . W./Dubislav, W.: Systematisches Wörterbuch der Philosophie, Leipzig 1923, S. 462. 182 Schubert-Soldern, R.: S. 355. 183 Vgl. zu diesem Begriff Bertalanffy, L. v.: Z u einer allgemeinen Systemlehre, S. 123 f. u. S. 125; Miller, J. G.: L i v i n g Systems: Basic Concepts, S. 233; Beer, S.: K y b e r n e t i k u n d Management, S. 201. 184 Vgl. K a p i t e l I I , 13. i m dritten T e i l dieser Arbeit. 185 Vgl. Beer, S.: Kybernetik u n d Management, S. 24 f.

3. Die Interpretation des Instrumentariums als System

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Die Bildung verschiedener Systemebenen würde bei einem umgekehrten Vorgehen i n der Hierarchie von Systemen 186 sogenannte „Subsysteme" hervorbringen, i n unserem Fall z.B. das Subsystem „Kundendienst" oder „Sales Promotion" usw. Diese Systeme niederer Ordnung bilden gemeinsam ein System höherer Ordnung 1 8 7 . Beziehungen existieren jedoch nicht nur auf jeder einzelnen Ebene, sondern i m ganzen Supersystem. Es ist also erforderlich, ein sinnfälliges Abgrenzungskriterium zu finden. Hartmann sieht es i n dem „Ubergewicht der inneren Bindung" 1 8 8 und auch Chin zieht die Grenze nach dem Ausmaß an Interaktionen 189 . I n der absatzwirtschaftlichen Literatur w i r d das System der absatzpolitischen Instrumente häufig als Subsystem des Systems der Marketing-Mittel aufgefaßt, dem das Subsystem Absatzforschung zur Seite gestellt ist 1 9 0 . Andere Autoren machen diese Trennung von Realsphäre und informationeller Sphäre 191 innerhalb der Marketing M i t t e l nicht so deutlich und stellen — wie Gloor 1 9 2 — die Absatz- bzw. Marktforschung 193 ohne merkliche Trennung neben die Instrumente der Marktgestaltung, wie Preis, Produktgestaltung usw. Die Beziehungen zwischen den absatzpolitischen Instrumenten, welche also als Erkenntnisobjekt enger abgegrenzt sind als die Marketing-Mittel, lassen sich dennoch nicht ohne Betrachtung auch des Infor186

Die umfassendste denkbare Hierarchie v o n Systemen bildet eine Kette, die v o n den Elementarteilchen des Atoms bis zum Universum reicht; vgl. Boulding, K . E.: The Image, A n n A r b o r 1956, S. 20 if.; Johnson, R. A./ Kast, F. E./Rosenzweig, J. E.: S. 8 f.; Miller, J. G.: L i v i n g Systems: Structure and Process, i n : Behavioral Science, Bd. 10,1965, S. 337 - 379, S. 374. 187 Vgl. Kosiol, E./Szyperski, NJChmielewicz, K . : Z u m Standort der Systemforschung i m Rahmen der Wissenschaften, i n : ZfbF, 17. Jg., 1965, S. 337 - 378, S. 338 if. 188 Hartmann, N.: Der Aufbau der realen Welt, Meisenheim am Glan 1949, S. 332. 189 Chin, R.: S. 203. 190 So u. a. Nieschlag et ah: Marketing, S. 115 f. u n d Hörschgen, H.: S. 29. 191 Die Kombination dieser beiden Bereiche macht das System der M a r k e t i n g m i t t e l zu einem mehrschichtigen System. Grochla spricht i n diesem Z u sammenhang v o n „Idealsphäre" u n d „Realsphäre"; vgl. Grochla, E.: Betriebliche Planung, i n : HdSW, hrsg. v. E. v. Beckerath u. a., Stuttgart—Tübingen— Göttingen 1964, S. 314 ff. 192 Vgl. Gloor, M . : S . 22 ff. 193 Ä h n l i c h H a m m e l verwendet Gloor den Begriff Marktforschung (Market Research) i n inhaltlich gleich weiter Bedeutung, wie sie die Bezeichnung Absatzforschung (Marketing Research) umfaßt. A u f die begrifflichen U n t e r schiede soll hier aber nicht näher eingegangen werden. Vgl. dazu Hammel, W.: Das System des M a r k e t i n g — dargestellt am Beispiel der Konsumgüterindustrie, Freiburg/B. 1963, S. 33; Gloor, M.: S. 24; Geiger, SJHeyn, W.: L e x i k o n Marketing u n d Marktforschung, Düsseldorf—Wien 1968, S. 167 f. (Marketingforschung); Crisp, R. D.: Absatzforschung, Essen 1959, S. 6; Hobart, D. M. (Hrsg.): Praxis der Marktforschung, Essen 1952, S. 15. 4*

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1. Teil: I. Das absatzpolitische Instrumentarium

mationsbereiches darstellen. Denn der ständigen Veränderung und Entwicklung der Umwelt vermag das absatzpolitische System sich nur dann anzupassen, wenn sich die Beziehungen der Instrumente aufgrund neuer Informationen ständig verändern; i n einem solchen Falle gelingt es, ein dynamisches Gleichgewicht m i t der Umwelt herzustellen, also Ultrastabilität 1 9 4 zu beweisen. Die Abhängigkeit vom Verhalten außerbetrieblicher Systemelemente (Kunden usw.) macht demnach nicht nur den Einsatz der M i t t e l nötig, die zur Herbeiführung einer gewissen Zielübereinstimmung zwischen den Marktpartnern führen 1 9 5 , wie Produktgestaltung und Preisbildung. Auch die Aktionsparameter, die mittels spezieller Informationen die Entscheidungen Außenstehender beeinflussen (Werbung, Public Relations, Verkaufsgespräche usw.) bedingen noch nicht die Fähigkeit realer Systeme zur homöostatischen Anpassung 196 . Vielmehr sind dazu auch M i t t e l zur Erlangung von Rückmeldungen erforderlich, die hinsichtlich Inhalt, Form und Zeitpunkt festen Regularien unterliegen müssen (Werbeerfolgskontrollen, Meldungen über die Zufriedenheit der A b nehmer). Neben diesen Kontrollaufgaben müssen jedoch Möglichkeiten gesucht werden, den absatzpolitischen Mitteleinsatz „zu fundieren" 1 9 7 , d. h. es müssen Prognosen über den zukünftigen Bedarf und das künftige Verhalten der Abnehmer erstellt werden (Marktforschung, Simulationsmodelle). I m folgenden soll daher von einer Integration der Informations- und Leistungsbereiche i m absatzpolitischen Instrumentarium ausgegangen werden, ohne den auf einer höheren Systemebene liegenden Begriff der „Marketing-Mittel" zu verwenden. Die Beziehungen zwischen den Instrumenten ergeben sich dann aus einem System, das sich so darstellt:

194 I n der K y b e r n e t i k bezeichnet m a n m i t Ultrastabilität die Fähigkeit eines Systems, seinen Gleichgewichtszustand gegenüber sämtlichen Störungen aufrechtzuerhalten; vgl. Ashby, W. R.: S. 83 ff. u n d 123 ff.; Klaus, G.: S. 674; Beer, S.: K y b e r n e t i k u n d Management, S. 145; Wieser, G.: S. 52 ff. 195 Jeder Umsatzakt dient letzten Endes den Interessen beider Partner. 196 Dies ist die Fähigkeit ultrastabiler Systeme; zum Begriff der Homöostase vgl. Davis, R. C.: Die Domäne der Homöostase, i n : Die M o t i v a t i o n menschlichen Handelns, Hrsg. H. Thomae, K ö l n — B e r l i n 1965, S. 479-487; Klaus, G.: S. 254; Alexander, F.: Homöostase u n d überschüssige Energie, in: Die M o t i v a t i o n menschlichen Handelns, Hrsg. H. Thomae, K ö l n — B e r l i n 1965, S.474 - 478. 197 Behrens, K . Chr.: Demoskopische Marktforschung, 2. Aufl., Wiesbaden 1966, S. 143 ff.

3. Die Interpretation des Instrumentariums als System

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Schaubild 3 Der Informations- u n d Leistungsbereich des Systems „Absatzpolitisches Instrumentarium"

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Z)

Quelle: Battelle-Institut e . V . (Hrsg.): Probleme und Methoden des Marketing in der Produktions- und Investitionsgüterindustrie, 6. Bd., Frankfurt/. 1968, Abschnitt 20: Kybernetik im Marketing?, S. 7.

Das System-Konzept der Instrumente hat bereits lange vor der Einführung systemorientierter bzw. kybernetischer Modelle i n diesen Bereich der Unternehmungspolitik eine sinnvolle Verdeutlichung i n dem Begriff „Marketing M i x " gefunden. James Culliton prägte diesen Terminus i m Jahre 1948, der dann von Neil H. Borden i n die absatzwirtschaftliche Literatur eingeführt wurde 1 0 8 . Die o.g. informationelle Sphäre des Systems w i r d von diesen Autoren zwar ebenfalls i n ihrer Bedeutung als Entscheidungsgrundlage für den Instrumenteneinsatz erkannt, doch legen beide noch größeren Wert auf die Kreativität des M i x ' ; neben der Funktion des „decider" sehen sie deshalb i n den Len198 Culliton, J. W.: The Management of Marketing Costs, Boston: Division of Research, Graduate School of Business Administration, H a r v a r d U n i v e r sity, 1948, zitiert nach: Borden, N. H.: S. 2; folgerichtig müßte m a n eigentlich von einem „ M i x der absatzpolitischen Instrumente" sprechen, da die M i t t e l der Absatzforschung, deren Hinzutreten erst das System der MarketingInstrumente entstehen läßt, i n diesem Begriff nicht enthalten sind. W i r w o l len aber trotzdem den eingeführten Terminus beibehalten.

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1. Teil: I . Das absatzpolitische Instrumentarium

kungsorganen des Absatzsektors vor allem das schöpferische Element, das gleichkommt einem „,artist'- a ,mixer of ingredients', who sometimes follows a recipe prepared by others, sometimes prepares his own recipe as he goes along, sometimes adapts a recipe to the ingredients immediately available, and sometimes experiments w i t h or invents ingredients no one else has tried" 1 9 9 . Diese koordinierende Aufgabe ist i n einigen Bereichen des MarketingM i x ' besonders intensiv, d. h. zwischen gewissen Instrumenten bestehen besonders enge Beziehungen. Da die Intensität der Interaktionen oben als K r i t e r i u m für die System- und Subsystembildung genannt wurde 2 0 0 , lag es nahe, das Marketing-Mix i n Submixe aufzuteilen. Nahezu einheitlich nennen hier die angelsächsische und die deutsche Literatur die Produkt-, Distributions- und die Kommunikationsstrategie als Subsysteme, wobei der letztgenannte Bereich häufig auch als Promotion M i x bezeichnet w i r d 2 0 1 . Gerade auf diesem Sektor ist die Idee von der „Konzeption innerhalb der Konzeption" 2 0 2 sehr lebendig, getragen von der Vielzahl der hier tätigen Werbe- bzw. Kommunikationsagenturen 203 . Dennoch kommen aus der Beschäftigung m i t diesem Metier die stärksten Anregungen zur Verzahnung m i t den anderen Subsystemen, wie Borden bestätigt: „understanding of advertising usage by manufactures i n any case had to come from an analysis of advertising's place as one element i n the total marketing program of the f i r m " 2 0 4 . 33. Das Regelkreismodell Das Verhalten des absatzpolitischen Systems, seine Steuerungsinstanzen und Informationsprobleme hatten uns bereits kurz m i t der Kybernetik bekanntgemacht, jener von N. Wiener begründeten „Wis199

Borden, N . H . : S . 2. Vgl. S. 51 dieser Arbeit. 201 Vgl. u. a. Haller, P./Stempel, R. D.: Grundzüge einer kreativen M a r ketingplanung (II), i n : absatzwirtschaft, Jg. 13, 1970, H. 15/16, S . 3 7 - 4 9 ; Kelley, E. JJLazer, W. (Hrsg.): S. 415; Stern, M. E.: M a r k e t i n g Planning: a systems approach, New Y o r k usw. 1966, S. 13; o. V.: Promotion M i x , i n : MJ, 1970, H. 4, S. 311 -320. 202 So R. Berger, Mitinhaber der F i r m a Roland Berger & Partner, I n t e r national Management Consultants, München, i n einem Gespräch m i t dem Verfasser i m Dezember 1970 i n München. 203 Die Interdependenz der k o m m u n i k a t i v e n Instrumente findet zunehmend Ausdruck auch i n der Nomenklatur institutioneller Organe der Werbewirtschaft; vgl. Ortmeyer, F. W.: Der Wandel der Werbeagentur zur M a r k e t i n g - K o m m u n i k a t i o n s - I n s t i t u t i o n — Zellkuren zur Produktverjüngung, i n : absatzwirtschaft, Jg. 13,1970, H. 9, S. 44 - 48. 204 Borden, N. H.: S. 110; ebenso: Jacobi, H.: Werbung u n d Absatzpolitik, i n : Absatzpolitik u n d Distribution, K . Chr. Behrens zum 60. Geb., hrsg. v. J. Bidlingmaier, H. Jacobi u n d E. W. Uherek, Wiesbaden 1967, S. 63 - 76, S. 65; Gloor, M . : S . 25 if. 200

3. Die Interpretation des Instrumentariums als System

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senschaft von der Regelung und Kommunikation" 2 0 5 . Hierbei handelt es sich u m eine Formalwissenschaft 206 , die Einsichten i n alle zu regelnden „Systeme" vermitteln soll. Damit ist die Kybernetik Teil der allgemeinen Systemtheorie und hat — vor allem durch das umfassende Werk von H. Ulrich 2 0 7 — verstärkten Eingang i n die Betriebswirtschaftslehre gefunden. Das Regelkreismodell — K e r n der kybernetischen Betrachtungsweise — zeigt uns (vgl. Schaubild 4, S. 56) 208 i m hier interessierenden Absatzsektor einen Regler, als den w i r uns den „artist" oder „mixer of ingredients" i m Sinne Cullitons 2 0 9 vorstellen müssen. Die Steuerinstanz außerhalb des Regelkreises, welche die Führungsgrößen—sprich: Marktziele — vorgibt, hat also nur noch indirekten Einfluß auf das Systemverhalten, nämlich allein i m Fall von Soll-Ist-Differenzen. Diese treten dann auf, wenn zwischen den vorgegebenen Zielen und dem Istzustand Regelabweichungen festgestellt werden. Sie können einerseits durch Veränderung der Führungsgrößen, andererseits aber auch durch neue „Stellgrößen" behoben werden. Hiermit sind die absatzpolitischen Instrumente gemeint, die als Maßnahmen auf die „Regelstrecke", den Markt, einwirken. Als Stellgrößen sind aber auch Teil-Solls zu betrachten, die vom Regler vorgegeben werden. Implizit liegt dabei der Gedanke zugrunde, daß die Führungsgrößen i n operationale Anweisungen umgesetzt werden müssen, u m i n einer hierarchisch gegliederten Organisation Durchschlagskraft zu erhalten 210 . Die Störgrößen signalisieren Änderungen des Verhaltens der Kunden, der Konkurrenz und des gesamtwirtschaftlichen Prosperitätsniveaus; sie bedingen — neben den unter der ceteris-paribus-Klausel gemachten 205 v g l Wiener, N.: Cybernetics, or Control and Communication i n the A n i m a l and the Machine, New Y o r k 1949 (dtsch. Ausgabe: K y b e r n e t i k — Regelung u n d Nachrichtenübertragung i n Lebewesen u n d Maschine, 2. Aufl., Düsseldorf—Wien 1963, S. 74); ebenso ders.: Mensch u n d Menschmaschine — Kybernetik u n d Gesellschaft, 3. unveränderte Aufl., Frankfurt/M.—Bonn 1966, S. 20. 206 Vgl. Flechtner, H. J.: S. 10; Johnson et al. betonen den über- oder interdisziplinären Charakter dieser Wissenschaft, vgl. Johnson, R. AJ Kast, F. E./Rosenzweig, J. E.: Systems Theory and Management, i n : MS, Vol. 10, Nr. 2,1964, S. 367 - 384, insbes. S. 369. 207 Vgl. Ulrich, H.: Die Unternehmung. 208 I n eckigen K l a m m e r n sind die bekannten Grundbegriffe der Entscheidungstheorie eingetragen. 209 Vgl. S. 54 dieser Arbeit. 210 Lediglich i n einem holistischen Modell der Unternehmung — sie personifiziert sich gedanklich i n F o r m einer E i n - M a n n - U n t e r n e h m u n g — w ü r d e n diese Teil-Solls entbehrlich; vgl. zum Begriff der holistischen Modellkonzept i o n McGuire, J. W.: Theories of Business Behavior, Englewood Cliffs/N. J. 1964, S. 18; Fäßler, K . : Die betriebswirtschaftliche Mitbestimmungsdiskussion i m Licht sozialwissenschaftlicher Modelle der Unternehmung, Diss. München 1967, S. 46 ff.

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1. Teil: I. Das absatzpolitische Instrumentarium

Erfahrungen über die Wirkung der Instrumente (Verbesserungsvorschläge hinsichtlich einzelner Parameter bei gleichbleibendem Kundenverhalten usw.) — das Maß und den Gehalt der Informationen, die als Hegelgrößen einen Soll-Ist-Vergleich ermöglichen. Schaubild 4 Der Absatzsektor als Regelkreis Fuhr unqsqrößen (Soll ) CMarktziele) Ist - Vergleich

H Regelgrößen ( Ist ) C Kontrollinformation)

Stellgroßen (Teilsoll, Maßnahmen ) CAktions-bzw. Vorgabeinfor mation)

Regelstrecke C Entscheidungs - u Ausführungsfeld )

Störgrößen (Umwelteinflusse)

34. Absatzwirtschaftliche

Systeme und Wirtschaftsordnung

I n diesem Regelkreis kommt den Entscheidungen, die Führungsgröße und Stellgröße festlegen, eine große Bedeutung für die Struktur der Beziehungen zwischen den Instrumenten zu 2 1 1 . Es ist für unsere Betrachtung von immenser Wichtigkeit, daß das „Prinzip der Autonomie" 2 1 2 die kombinativen Akte bestimmt, d.h. daß das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Staat klar abgegrenzt ist. Denn die Regelstrecke, der Markt, soll i n erster Linie Bezugspunkt für die Ausrichtung der Instrumente sein — also der Wille der Mehrheit der Konsumenten. Sind diese Zentrum einer Wirtschaftsordnung, so sprechen w i r von einem marktwirtschaftlichen System 213 . Dagegen würden i m Betrieb 211

Die Interdependenz wirtschaftlicher Erscheinungen ist immer ein L e n kungsproblem; vgl. Eucken, W.: Grundsätze der Wirtschaftspolitik, gek. Ausgabe f ü r ,rowohlts deutsche enzyklopädie', o. 0.1967, S. 10 - 19. 212 Eucken betrachtet das Prinzip der Vertragsfreiheit als eines der 8 k o n stituierenden Prinzipien der Wettbewerbsordnung; vgl. ebenda, S. 160 ff., insbes. S. 170; Gutenberg sieht i m Autonomieprinzip eine entscheidende Determinante des Betriebstyps; vgl. Gutenberg, E.: Die Produktion, S. 448. 213 Vgl. Weinhold-Stünzi, H.: Grundlagen wirtschaftlicher Absatzführung,

S. 57»

3. Die Interpretation des Instrumentariums als System

57

eines planwirtschaftlichen Systems die Instrumente nach anderen Kriterien kombiniert werden. Die Abstimmung von Bedarf und Deckung ist zentralen Instanzen übertragen, das „Organprinzip" 2 1 4 ist determinierender Gedanke dieses Betriebstyps. Das Autonomieprinzip muß ergänzt werden durch das erwerbswirtschaftliche Prinzip, sollen i n den Betrieben marktwirtschaftlicher Prägung die Güterarten und -mengen hergestellt werden, für die Bedarf besteht. „Dieses erwerbswirtschaftliche Prinzip bildet die Maxime, nach der die Leiter autonomer Betriebe ihre geschäftlichen Maßnahmen treffen und an der sie feststellen, ob ihre Maßnahmen richtig oder falsch gewesen sind 2 1 5 ." Der Markt kann also „belohnen" und „bestrafen", die Macht liegt bei ihm 2 1 6 . Das Extremmaß der Bestrafung liegt dabei i n einer dauernd rezessiven Haltung der Kunden gegenüber dem Angebot der Unternehmung, was schließlich — über die Stellung als Grenzbetrieb i n der Vielzahl der Wettbewerber — zum Ausscheiden aus dem Markt führt. Die Gewinnerzielung ist daher auch konstituierendes Merkmal der Entscheidungsfindung 217 , ein Beziehungsgeflecht i m Instrumentarium ohne Berücksichtigung des erwerbswirtschaftlichen Prinzips nicht denkbar. Stanton definiert das Marketing unter Berücksichtigung der Komponenten „ M a r k t " und „Gewinn" wie folgt: „Die Ideologie des Marketing beruht auf zwei fundamentalen Grundsätzen: Erstens sollen Planung, Unternehmungspolitik und Geschäftsabwicklung am Kunden ausgerichtet sein; zweitens soll das Ziel der Unternehmung i n der Erreichung eines gewinnbringenden Absatzvolumens bestehen. I n ihrem vollen Sinn ist die Marketing-Ideologie eine Philosophie, die davon ausgeht, daß die Erfüllung der Wünsche des Kunden die wirtschaftliche und gesellschaftliche Rechtfertigung der Existenz einer Unternehmung darstellt. Daraus folgt, daß sich jede A r t von Tätigkeit einer Unternehmung i m Bereich der Produktion und Technik, des Finanzwesens und des Marketing den beiden Zielen unterzuordnen hat, erstens festzustellen, w o r i n die Wünsche der Kunden bestehen, und zweitens diese Wünsche zu erfüllen, und zwar unter Erzielung eines vernünftigen Gewinns 2 1 8 ." 214 Dieses Prinzip besagt, daß i m Grunde alle Betriebe organisatorisch unselbständige Teile, Organe, j a Filialen eines größeren Ganzen sind; vgl. Gutenberg, E.: Die Produktion, S. 450. 215 Ebenda, S. 453. 216 Die Konsumenten haben diese beiden A r t e n von Machtbasen: „ r e w a r d power" (Macht durch Belohnung) u n d „coercive power" (Macht durch Bestrafung) ; vgl. French, J. R. P., jrJRaven, B.: S. 607 ff. 217 „There is m a r k e t i n g for profit, or there is no marketing at a l l " ; vgl. Scherrer, H.: S. 2. 218 Stanton, W. J.: Fundamentals of Marketing, 2. Aufl., New Y o r k usw. 1967, S. 5 (übersetzt).

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1. Teil: I. Das absatzpolitische Instrumentarium

Diese beiden grundlegenden Prinzipien des Marketing lassen sich mit Gutenberg als systembezogene Sachverhalte bezeichnen, da sie i n den gesellschaftlichen und geistigen Wurzeln des Wirtschaftssystems verankert sind. Nur wenn die Betriebe müde werden, diese Probleme, die vom Markt ausgehen, zu lösen, wenn sie diese systemimmanenten Störungen als Last empfinden, dann räumen sie die letzten Bastionen vor einer i n die „Bresche" eindringenden „Marktbehörde" (Vershofen). I m Normalfall jedoch werden die Unternehmer versuchen, die W i r t schaf tssubjekte zu sein, „deren Funktion die Durchsetzung neuer Kombinationen ist und die dabei das aktive Element sind" 2 1 9 . Der „Pionierunternehmer" verdient nur dann diesen Namen, wenn er unablässig bemüht ist, Präferenzen für sich zu schaffen und dadurch Firmenmärkte aufzubauen, die den Trend des Marketing zur Monopolisierung bzw. Oligopolisierung der Märkte widerspiegeln. Dieses Streben kann jedoch nicht als Fehlentwicklung gedeutet werden, wirken doch das Regulativ der Konkurrenz sowie die ordnende Hand des Staates dem entgegen. Die Beziehungen zwischen den Instrumenten werden also durch die Antinomie zwischen egoistischem Gewinnmotiv und den Konkurrenzbzw. Staatseinflüssen als Gewinn begrenzenden „Störgrößen" bestimmt. Die Wettbewerbsordnung erfüllt dabei einen bedeutenden gesamtwirtschaftlichen Auftrag: die stete Verbesserung der Wohlfahrt des einzelnen 220 . Der sich aus dem Bündel absatzpolitischer Maßnahmen zusammensetzende A u f forderungschar akter eines jeden Meinungsgegenstandes (hier: Produkt oder Dienstleistung) muß aufgrund einer vorliegenden Konkurrenzsituation i n seiner Effektivität verstärkt werden. Das ist durch ein gegenüber der bisherigen Kombination von absatzpolitischen M i t t e l n verbessertes Zusammenspiel der Instrumente möglich, w i r d doch dadurch der den Aufforderungscharakter symbolisierende Pfeil i n Schaubild 5 auf S. 59 erhöht. Dieser Abbildung liegt die Gradienten-Vorstellung der Psychologie zugrunde 221 . Das Auftreten des Anbieters B, dessen Gradienten-Situation 219 Schumpeter, J. A.: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 5. Aufl., B e r l i n 1952, S. 111. 220 Die „welfare economics" sind Gegenstand einer breiten Literatur. Die i m Zusammenhang m i t der Marketing-Philosophie besonders interessierenden Bereiche sind gut dargestellt bei Dichtl, E.: Marketing u n d Wohlfahrtsökonomik, i n : Der M a r k t , Hrsg. österreichische Gesellschaft f ü r Absatzwirtschaft, H. 36,1970/4, S. 100 - 111. 221 Vgl. dazu: Hofstätter, P. R.: Psychotherapie u n d Theorie der L e r n v o r gänge, i n : Psyche, V I I . Jg., 1953, H. 6; der Gradient ist das Verhältnis zwischen Aufforderungsgröße des Meinungsgegenstandes u n d seiner Entfernung zum Konsumenten, d . h . der Tangens der W i n k e l a, ß u n d y. Der Gradient w i r d symbolisiert durch die Verbindungslinie zwischen Konsument (K) u n d Pfeilspitze. — Vgl. zu dieser Darstellung auch die Ausführungen u n d Abbildungen bei Spiegel, B.: Die S t r u k t u r der Meinungsverteilung i m sozialen Feld. Das psychologische Marktmodell, Bern u. Stuttgart 1961, S. 65 - 68.

3. Die Interpretation des Instrumentariums als System

59

derart ist, daß der Winkel ß > a ist, macht für den Anbieter A, dessen Produkt bisher m i t einem Mindest-Gradienten von a ausreichend Absatz finden konnte, ein Umdenken erforderlich: die Aktivitäten des Anbieters A werden freigesetzt; der sich durch diese ergebende höhere Aufforderungscharakter (Gradient = Tangens des Winkels y) signalisiert den Fortschritt für die Konsumenten (K). Dabei drückt er sich i n praxi z. B. i n einer Preisreduktion des Produktes A aus, wodurch das Budget der Konsumenten zugunsten der Befriedigung anderer Bedürfnisse entlastet w i r d ; der Zwang zur Innovation 2 2 2 oder Produktverbesserung ist häufig der letzte und einzige Weg zur Erhöhung des Aufforderungscharakters, wenn es einer verstärkten Werbung nicht gelungen ist, die Begehrlichkeit des Meinungsgegenstandes zu steigern. Schaubild 5 Die Gradienten-Situation des Anbieters A v o r dem Eintreten eines Konkurrenten (Winkel a) u n d nach der Abwehrreaktion (Winkel y)

Die Effizienz der Wettbewerbsordnung liegt nicht zuletzt darin, daß i n i h r „eine der mächtigsten Triebfedern zur Vervollkommnung des einzelnen und seiner Gruppe" 2 2 3 w i r k t : „der Wunsch, seiner Vortrefflichkeit wegen gepriesen und geehrt zu werden . . . Man w i l l die Genugtuung haben, daß man es gut gemacht hat. Es gut gemacht haben bedeutet, es besser gemacht zu haben als andere. U m der erste zu sein, muß man als der erste erscheinen, sich als der erste erweisen. Zur Ablegung des Beweises der Überlegenheit dient der Wetteifer, der Wettstreit 2 2 4 ." Huizinga liefert eine glänzende Rechtfertigung für das Konkurrenz222 Vgl. Levitt, Th.: Innovation i n Marketing — New Perspectives for Profit and Growth, New Y o r k usw. 1962. 223 Huizinga, J.: Homo ludens. V o m Ursprung der K u l t u r i m Spiel, Reinbek b. Hamburg 1969, S. 67. 224 Ebenda, S. 67.

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1. Teil: I. Das absatzpolitische Instrumentarium

p r i n z i p auch i n der W i r t s c h a f t , i n d e m er es als „ S p i e l agonaler A r t " 2 2 5 herausstellt. D i e D y n a m i k der B e z i e h u n g e n zwischen d e n I n s t r u m e n t e n r e s u l t i e r t i n h o h e m M a ß e aus diesem S a c h v e r h a l t ; r i c h t i g v e r s t a n d e n e s M a r k e t i n g ist daher als u n t e r n e h m u n g s p o l i t i s c h e K o n z e p t i o n der f r e i e n M a r k t w i r t s c h a f t zu v e r s t e h e n 2 2 6 . Dies g i l t aber n u r so lange, als das M a r k e t i n g die „ S p i e l r e g e l n " e i n h ä l t , also d e m Menschen w i r k l i c h nützt. A n dieser F o r d e r u n g h a b e n sich gerade i n j ü n g s t e r Z e i t l e b h a f t e D i s k u s s i o n e n e n t z ü n d e t : M i t t e l - K o m b i n a t i o n e n , die es verstehen, die schwachen S t e l l e n der K o n s u m e n t e n s o u v e r ä n i t ä t 2 2 7 schamlos zu n u t z e n , w e r d e n v o n d e n K r i t i k e r n des M a r k e t i n g herausgestellt, u m a n h a n d solcher A u s w ü c h s e das gesamte S y s t e m i n f r a g e z u stellen. Diese s i n d s e l b s t v e r s t ä n d l i c h abzulehnen, doch stehen d e m u n z w e i f e l h a f t so v i e l e V o r t e i l e , v o r a l l e m W a c h s t u m s t i m u l i e r e n d e r A r t entgegen, daß e i n v e r a n t w o r t u n g s b e w u ß t e s M a r k e t i n g sogar v o n L ä n d e r n p l a n w i r t s c h a f t l i c h e r P r ä g u n g i n t e n s i v s t u d i e r t u n d t e i l w e i s e p r a k t i z i e r t 2 2 8 u n d den 225 Ebenda, S. 52; u m diese menschliche Triebfeder zu nutzen, empfehlen einige Sozialtheoretiker, wie z. B. Lange u n d Schumpeter, auch i n einem Staat, i n dem Kollektiveigentum besteht, die Wettbewerbsordnung einzubauen. Die Undurchführbarkeit solcher Vorschläge legt Eucken dar. Vgl. Lange, O.: On the Ecomomic Theory of Socialism, i n : Review of Economic Studies IV/1936 - 7, Nr. 1, S. 53 ff. u n d Nr. 2, S. 123 ff.; Schumpeter, J.: Kapitalismus, Sozialismus u n d Demokratie, S. 267 ff.; Eucken, W.: Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S. 167. 226 v g l . Weinhold-Stünzi, H.: M a r k e t i n g — eine notwendige unternehmungspolitische Konzeption i n der freien Marktwirtschaft, i n : Betriebswirtschaftliche Probleme — Aus der „Betriebswirtschaftlichen Beilage" der NZZ, I I I . Aufl., Zürich 1964, S. 89 - 94. 227 Die Fragwürdigkeit der Konsumentensouveränität w i r d stark betont bei Galbraith, J. K . : Die moderne Industriegesellschaft, München 1968, S. 17 u. S. 223 ff.; ders.: Gesellschaft i m Überfluß, T i t e l der amerikanischen Originalausgabe: „The Affluent Society", übersetzt v o n R. Mühlfenzl, M ü n chen 1970; Schumpeter, J.: Business Cycles, A Theoretical, Historical and Statistical Analysis of the Capitalist Process, Vol. I, New Y o r k u n d London 1939, S. 72 ff.; Pareto, V.: Trattato d i Sociologica Generale, Vol. I + I I , Firenze 1916 (dtsch. Ausgabe: Allgemeine Soziologie, ausgewählt, eingeleitet u n d übersetzt v o n C. B r i n k m a n n , besorgt v o n H. W. Gerhard, Tübingen 1955); Riesman, D JDenney, R JGlazer, N.: Die einsame Masse. Eine Untersuchung der Wandlungen des amerikanischen Charakters, Reinbek bei H a m b u r g 1967. — Eine ausgezeichnete, speziell der Konsumfreiheit gewidmete Analyse findet sich bei Meyer-Dohm, P.: Sozialökonomische Aspekte der Konsumfreiheit, Bd. 1 der Beiträge zur Wirtschaftspolitik, hrsg. v. E. Tuchfeldt, Freiburg/B. 1965. 228 Die Notwendigkeit ergibt sich i n erster L i n i e aus der gebotenen Rücksicht dieser Länder auf den Außenhandel, der m i t den westlichen Industrienationen n u r bei marktbezogenem Denken funktionieren kann; vgl. dazu: Nieschlag, R./Dichtl t E./Hörschgen, H.: Schon spürt der Osten den Westwind — M a r k e t i n g i n Rumänien, i n : absatzwirtschaft, Jg. 10, 1967, H. 22, S. 1379 bis 1384; dies.: Die einzel- u n d gesamtwirtschaftliche Verankerung der M a r keting-Lehre, i n : Der M a r k t , Hrsg.: österreichische Gesellschaft f ü r AbsatzWirtschaft, H. 26, 1968/2, S. 1 - 4 ; Goldmann, M. J.: M a r k t u n d Marketing der Sowjets — Verbraucherversorgung i n der Sowjetunion, F r a n k f u r t / M . 1964.

1. Allgemeine Definition

61

Entwicklungsländern als Ausweg aus dem „Teufelskreis der A r m u t " angeraten wird 2 2 9 . Trotzdem ist Marketing ein Prärogativ der Marktwirtschaft. Eine Übertragung dieser Denkweise auf andere Systeme würde nämlich die Konvergenztheorie, jene These von der unaufhaltsamen Annäherung zwischen Ost und West, i n einem wesentlichen Teil erhärten 230 . Die Untersuchung bleibt also den Implikationen der Wettbewerbsordnung vorbehalten 231 , der Konsument steht als wesentlicher Bestimmungsfaktor i m Brennpunkt der Arbeit; die Steuerungsinstanzen des absatzpolitischen Systems besitzen die systembezogene Freiheit bei der Planung und Realisation von Absatzkonzeptionen. I I . Begriff und Wesen der Interdependenzen 1. Allgemeine Definition 1

Der gewählte systemtheoretische Ansatz zeichnet sich dadurch als für die vorliegende Untersuchung sehr geeignet aus, daß er schon definiert ist als formale Wissenschaft von der Struktur, den Verknüpfungen und dem Verhalten irgendwelcher Systeme. Das griechische Wort „to cruarrj^ia" bedeutet i n seinem Ursprung „das Zusammengestellte" und weist damit auf die Existenz von Teilen und einem Ganzen hin 2 . Zwischen diesen Teilen müssen bei einer derartig organisierten Ganzheit „Beziehungen" bestehen. Dieser Begriff, der auch i n seinem aus dem Lateinischen stammenden Synonym „Relation" 3 zur Charakterisierung von Systemen Verwendung findet, ist allgemeinster A r t . Er w i r d von den meisten Systemtheoretikern nicht verwandt, obwohl er etliche Komponenten 229

Vgl. Dichtl, E.: M a r k e t i n g u n d Wohlfahrtsökonomik, S. 107 f. Z u r Konvergenztheorie vgl. Preiser, E.: Die Z u k u n f t unserer W i r t schaftsordnung, 3. Aufl., Göttingen 1960; ferner die 3-teilige Untersuchung v o n Klepsch, K . : Der T r a u m v o n der Annäherung zwischen Sozialismus u n d Kapitalismus (I, I I , I I I ) , i n : Die Zeit, Nr. 44, 45, 46 v. 30.10., 6.11. u n d 13.11.1970. 231 Untersuchungen, die sich absatzwirtschaftlichen Problemen p l a n w i r t schaftlicher Systeme widmen, bleiben daher außerhalb der Betrachtung. Es sei aber auf die folgenden Arbeiten hingewiesen: William Wilkens Werbeagentur, GW A: Westwind auf Ostmärkten? Die Vertriebswege i n der Planwirtschaft, Hamburg usw. 1967; Model, H.: Der Absatz des sozialistischen Industriebetriebes. Stellung, Aufgaben u n d Organisation des Absatzes u n d der Absatzabteilung i m sozialistischen Industriebetrieb, B e r l i n 1962. 1 Wegen der i n späteren Teilen der A r b e i t unumgänglich notwendigen Rückgriffe auf die Ausführungen i n diesem K a p i t e l w i r d dieser P u n k t relativ breit dargestellt. 2 Vgl. Hoffmeister, J. (Hrsg.): Stichwort „System", S. 598 f.; ebenso Flechtner, H. J.:S. 228. 3 Vgl. Neuhäusler, A.: Grundbegriffe der philosophischen Sprache, 2. Aufl., München 1967, Stichwort „Relation", S. 187 f. 230

62

1. T e i l : I I . Begriff u n d Wesen der Interdependenzen

enthält, die auch i n den noch zu nennenden andersartigen Begriffen wieder auftauchen. Zwischen den Beziehungsgliedern oder Relata können symmetrische oder nicht-symmetrische Beziehungen existieren. Zu denen gehören solche der Ordnung (z.B. x ist rechts von y ), der Abhängigkeit (z.B. Grund — Folge, M i t t e l — Zweck) und der Intensión (z. B. x liebt y) 4 . Der Reichtum der Beziehungen w i r d hier deutlich, doch ist ein System durch eine ganz spezielle Ausprägung solcher Relationen — ein Ausdruck, der gewissermaßen als Oberbegriff angesehen werden kann — gekennzeichnet. Einige Autoren sprechen von „Interaktivität" der Elemente oder ihrem „Zusammenwirken"; S. Beer prägte den Ausdruck „Konnektivität", womit er „die Verbindung zwischen diesen Teilen, die dynamische Wechselwirkung innerhalb des Gesamtorganismus" meint 5 . Der Zusammenhang zwischen Gegenständen, Eigenschaften und Prozessen der objektiven Realität, diese allgemeinste Form der Beziehung, weicht also einem genau umschriebenen Begriff: dem der Wechselwirkung. Hierunter verstehen w i r die gegenseitige Abhängigkeit oder gegenseitige Wirkung zweier oder mehrerer Seiender 6 . Identisch hiermit ist der lateinische Ausdruck „Interdependenz", der die gegenseitige Kausalität irgendwelcher Erscheinungen beinhaltet. Diese Begriffsintension gibt i h m auch Kant, bei dem die Wechselw i r k u n g die dritte Kategorie i n der Gruppe der Relation ist 7 . Als reiner Verstandesbegriff, als apriorische Bedingung, als Konstituens der Erfahrung, die daher für alle mögliche Erfahrung notwendig gilt 8 , steht diese Kategorie neben denen der Substanz und der Kausalität. Die Wechselwirkung als Sonderbereich allgemeiner Beziehungen w i r d also auch i n diesem Schema deutlich. Kant bezeichnet sie als Gemeinschaft und nennt für beide synonym gebrauchten Begriffe „das Zugleichsein der Bestimmung der Einen m i t denen der Anderen (Substanzen, Anm. d. Verf.), nach einer allgemeinen Regel" 9 als Kriterium. „Zugleich sind Dinge, wenn i n der empirischen Anschauung die Wahrnehmung des einen auf die Wahrnehmung des anderen wechselseitig folgen kann (welches i n der Zeitfolge der Erscheinungen . . . nicht geschehen kann) 1 0 ." Diese Gemeinschaft drückt also auch das Ineinandergreifen zweier oder mehrerer Substanzen aus, betont den Synergie-Effekt 11 . 4

Ebenda, S. 187 f.; Hofmeister, J. (Hrsg.): Stichwort „Beziehung", S. 122. Beer, S.: Kybernetik u n d Management, S. 24. 6 Neuhäusler, A . : Stichwort „Wechselwirkung", S. 247 f. 7 Vgl. K a n t , J.: T r . Anal., 1. B., 1. H. 8 So die Definition der Kategeorie bei Eisler, R.: Stichwort „Kategorie", S. 282 ff. 9 Kant, J.: T r . Anal., 2. Bd., 1. H. 10 Kant, J.: Tr. Anal., 2. Bd., 2. H., 3. Abs., 3. Analogie. 5

1. Allgemeine Definition

63

Es wurde oben betont, daß solcherart i n Wechselwirkung stehende Erscheinungen ein System bilden, dessen Existenz, Struktur und Entwicklung durch die besondere A r t der Wechselwirkung bestimmt werden und das als Teilsystem i n ein System höherer Ordnung eingeht. Damit steht es auch i n einem Wechselwirkungszusammenhang höherer Ordnung m i t anderen Teilsystemen. Die gesamte materielle Welt bildet somit ein einziges System wechselwirkender Erscheinungen, Prozesse usw. Es wäre nun aber unsinnig, diese Tatsache zu verabsolutieren. Die Konsequenz wäre: es gäbe keine stabilen Gebilde i n der Wirklichkeit, es wäre Menschen unmöglich, planmäßig zu handeln, da irgendeine Voraussicht i n die Zukunft nicht stattfinden könnte. Darüber hinaus müßte jeder Erkenntnisakt alles berücksichtigen — eine Forderung, die das menschliche Erkenntnisvermögen bei weitem übersteigt. Die Wechselwirkung hat also ihre Grenzen 12 . I n absoluter Form sind sie darin zu erblicken, daß die Interdependenz zwischen zwei Ereignissen, die beliebig großen räumlichen Abstand voneinander haben, notwendigerweise beliebig klein wird. Relative Grenzen sind darin zu sehen, daß es wechselseitige Einwirkungen von sehr unterschiedlichem Rang gibt, nämlich wesentlicher und unwesentlicher A r t , m i t Notwendigkeits- und Zufalls-Charakter. Daneben besteht die Möglichkeit, daß Wechselwirkungen zwischen den Elementen nur zeitweilig i n A k t i o n treten, während der übrigen Zeit aber relative Unabhängigkeit vorherrscht 13 . Der zeitliche Aspekt bringt weitere interessante Einsichten i n die Struktur der Wechselbeziehungen: Die Einwirkungen der i m wechselseitigen Zusammenhang stehenden Objekte kann zeitlich nacheinander erfolgen, denn häufig bedarf es einer gewissen Zeit der Einwirkung des Elementes A auf B, bevor B seinerseits auf das Element A zurückwirkt. Gerade die Entwicklung der Kybernetik hat hier tiefere Einblicke in die Kategorie der Wechselwirkung ermöglicht. Die bereits o. g. „Regelung" entspricht der Wechselwirkung, während die „Steuerung" mit der Ursache-Wirkungs-Relation zu vergleichen ist 1 4 . E i n weiteres, für die Untersuchung von Wechselwirkungen wichtiges Phänomen hat die Kybernetik zutage treten lassen: Die A r t der Rückkopplung kann positiv oder negativ sein. I m ersten Fall greift die W i r kung so auf die Ursache zurück, daß sie diese Ursache verstärkt — das 11

Vgl. K a p i t e l I V i m zweiten T e i l dieser Arbeit. Vgl. Klaus, G./Buhr, M. (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch, Leipzig 1964, Stichwort „Wechselwirkung", S. 594 - 598, S. 597. 13 Dieses F a k t u m spielt i m absatzpolitischen System eine erhebliche Rolle, vgl. dazu S. 207 f. dieser Arbeit. 14 Vgl. daher Flechtner, H. J.: S. 34 ff. 12

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1. T e i l : I I . Begriff u n d Wesen der Interdependenzen

System neigt zur Instabilität; i m zweiten Fall ist die Rückwirkung auf die Ursache derart, daß sie diese abschwächt — das System ist stabil, es vermag äußere Störungen abzufangen. Die geschilderten Grenzen der Wechselwirkung machen es möglich, methodisch eine Isolierung i n reine Ursache-Wirkungs-Relationen vorzunehmen, d.h. die 3.Kategorie i m Kant'schen Sinne i n die bei i h m aufgeführte 2. Kategorie, also die der „Dependenz", überzuführen, wobei diese als Spezialfall der Wechselwirkungsrelation zu gelten hat. Eine kurze mathematische Darstellung macht diesen Sachverhalt klar 1 5 : Ein erstes System E 1 habe nur eine einzige Variable x, das System E 2 eine Variable y. A u f den Zustand x folgt bei E t der Zustand x', bei E 2 folge auf den Zustand y der Zustand y'. Es liegt zwischen beiden Systemen eine Wechselwirkung vor, wenn beispielsweise die Transformation der folgenden A r t gilt x = ax + by y = cx + dy Die Interdependenz würde sich durch eine reine Kausalrelation ersetzen lassen, wenn i n dieser Transformation b = N u l l ist x' = ax y' = cx + dy b = Null Nur annähernd würde sich die Wechselwirkung i n eine Kausalrelation verwandeln, wenn b nahezu N u l l ist und vernachlässigt werden darf. Dann hängt nämlich der Zustand von x nur von dem i h m vorangehenden Zustand x ab, wohingegen der Zustand y' sowohl durch y als auch von dem vorhergehenden Zustand x bestimmt wird. I n diesem Fall w i r k t E t auf E 2 , nicht aber umgekehrt. I n der Realität läßt sich dieser Sachverhalt häufig nachweisen. Sowohl die unwesentliche als auch die zeitlich verzögerte Rückwirkung geben dem Wissenschaftler das Recht, aus dem Geflecht von Wechselwirkungen das reine Kausalverhältnis zu „isolieren", wobei man sich jedoch stets vor Augen halten muß, daß die Ursache-Wirkungs-Relation m i t der zeitlichen Irreversibilität verknüpft ist, die Ursache also niemals der Wirkung zeitlich folgen kann. „ W i r k u n g und Gegenwirkung jedoch können durchaus reversibel sein 16 ." Die Kausalität bleibt also i n ihrer Darstellung als Sonderfall der Wechselwirkung bewußt; somit kann man auch Ulrich beipflichten, wenn 13 16

Vgl. Klaus, GJBuhr, M . (Hrsg.): S. 595 f. Ebenda, S. 596.

1. Allgemeine Definition

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er die Interdependenz als gegenseitige Abhängigkeit definiert, „wobei jedoch nicht jedes Element unmittelbar m i t jedem anderen i n Beziehung zu stehen und diese zwischen je zwei Elementen nicht notwendigerweise gegenseitig zu sein braucht. Anschaulicher w i r d es, wenn man ein dynamisches System i n seinem Verhalten betrachtet; die einzelnen Elemente können dann aktiv oder nicht-aktiv sein. Die Beziehungen zwischen den Elementen bewirken nun, daß die einzelnen Aktivitäten nicht unabhängig voneinander sind; die A k t i v i t ä t eines Elementes kann die Folge des Verhaltens eines andern sein und wiederum die A k t i v i t ä t eines dritten beeinflussen; das Verhalten des Systems als Ganzes ist vom Verhalten aller seiner Elemente abhängig" 17 . Gerade das absatzwirtschaftliche System entspricht i n seinem Verhalten diesen Ausführungen; i m folgenden soll daher von Interdependenz bzw. Wechselwirkung auch dann gesprochen werden, wenn die Rückwirkung nicht gesondert dargelegt wird, i m Grunde also reine Kausalrelationen beschrieben werden. Daneben soll der übergeordnete Begriff der Beziehung oder Relation Verwendung finden. I n der breiten angelsächsischen Literatur zur Systemtheorie findet man diese definitorischen Abgrenzungen nur selten eingehalten. Termini wie „connection", „correlation" und „relationship", die die Beziehung i n der sehr allgemeinen Bedeutung von „Zusammenhang" zum Inhalt haben, finden sich neben den Worten „interrelation", „interaction", „interconnection" und „interdependence", womit der von uns verwandte Begriff der „Wechselwirkung" wiedergegeben wird 1 8 . Insbesondere „interdependent" w i r d von Forschern verwandt, die das Ineinandergreifen verschiedener Elemente zu einem Wirkungsgesamt betonen, wobei sie Aspekte der Ganzheit einer Konzeption, der „Integration", i n den Vordergrund ihrer Betrachtung rücken 19 . Die große Zahl möglicher Wechselwirkungen zwischen zwei Elementen, die vergrößert w i r d durch die Tatsache multipler Interdependenzen, also die Einwirkung einer ganzen Reihe von Komponenten aufeinander, interessiert i m allgemeinen nicht i n allen ihren Formen. Wie sich anhand von Beispielen einiger Wissenschaftsbereiche zeigen läßt, sind nur bestimmte Wechselwirkungen praktisch und theoretisch interessant — ein 17

Ulrich, H.: Die Unternehmung, S. 109. Vgl. Langenscheidts Handwörterbuch, Englisch, T e i l I : Englisch-Deutsch, 12. Aufl., Berlin—München—Zürich 1969, S. 328. 19 Vgl. u . a . Stern, M. E.: S. 105ff.; Ansoff, H. I.: Corporate Strategy, New Y o r k usw. 1965, insbes. S. 75 ff.; Lazer, W.: The Systems Concept i n the Evolution of M a r k e t i n g Management Thought, i n : M a r k e t i n g Precision and Executive Action, Proceedings of the F o r t y - F i f t y National Conference of the A M A , Chicago/Ill. 1962, S. 115 - 120; Kotier, Ph.: M a r k e t i n g Management, S. 8. 18

5 Linssen

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1. T e i l : I I . Begriff u n d Wesen der Interdependenzen

Umstand, der es ermöglicht, auch i n sehr komplizierten Fällen oft ein praktisch und theoretisch brauchbares und ausreichendes Resultat der Untersuchung solcher Zusammenhänge zu erreichen. Dabei ist die Zielsetzung das ausschlaggebende Kriterium. I n den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen hat man dem Bereich der Interdependenz unterschiedliche Aufmerksamkeit gewidmet: So interessieren i n der Philosophie vor allem die Wechselwirkungen zwischen dem Bereich des Organischen und des Anorganischen, zwischen Organismus und Umwelt, zwischen Natur und Gesellschaft. Neben Kant ist es vor allem Hegel 20 , der durch eine neue, ontologische Konstruktion des ,Seienden' und seines ,Horizonts' die Interdependenz erläutert und über diesen Begriff zur Definition des Systems gelangt — er kann als einer der bedeutendsten Systemtheoretiker bezeichnet werden. I n der Physik, und zwar i m Bereich der klassischen Mechanik, ist das bekannte Newton'sche Prinzip actio = reactio sprachlicher Ausdruck der Existenz von Wechselwirkungen. Die Biologen und Psychologen haben sich intensiv m i t dem LeibSeele-Problem beschäftigt und die Fragen nach der Bedeutung beider füreinander zu lösen versucht 21 . Aus dieser Richtung kam manche A n regung für die Interdependenz-Klärung und das Systemdenken, da gerade auf diesem Wissenschaftssektor ,mechanistische' und ,ganzheitliche' Betrachtungsweise bei der Erklärung des organischen Lebens miteinander i m Streit lagen 22 . Namen wie Driesch, Ehrenfels, Köhler und Spann sind i n diesem Zusammenhang zu nennen, wobei vor allem Driesch durch seine „vitalistische" Sichtweise biologischer Probleme die Diskussion lange Zeit hindurch bestimmte 23 . Erst Bertalanffy 2 4 erklärte den Ganzheitscharakter organischer Gebilde ohne diese metaphysische und von i h m als „unwissenschaftlich" deklarierte Annahme Driesch', daß der seelenähnliche Faktor „Entele20 Vgl. hierzu Brockard, H.: Subjekt. Versuch zur Ontologie bei Hegel, Diss. München 1968, S. 86 ff. 21 Vgl. Neuhäusler, A.: Stichwort „Leib-Seele-Problem", S. 120 ff. 22 Die unterschiedlichen Standpunkte sind ausführlich dargelegt bei Ungerer, E.: Die Wissenschaft v o m Leben. Eine Geschichte der Biologie, Bd. I I I : Der Wandel der Problemlage der Biologie i n den letzten Jahrzehnten, Freiburg—München 1966, S. 17 ff. 23 Vgl. Driesch, H.: Das Ganze u n d die Summe; Rede, gehalten bei A n t r i t t der ordentlichen Professur f ü r Philosophie an der Universität Leipzig, L e i p zig 1921. 24 Vgl. Bertalanffy, L . v.: Theoretische Biologie, Bd. I : Allgemeine Theorie, Physikochemie, A u f b a u u n d Entwicklung des Organismus, B e r l i n 1932, S. 80.

1. Allgemeine Definition

67

chie" alle Vorgänge und Prozesse zielstrebig reguliere und steuere. Er ersetzte den Begriff „Ganzheit" durch den Systembegriff und definierte diesen als einen Komplex von untereinander i n Wechselwirkung stehenden Elementen. Die spezifisch biologische Systemauffassung verallgemeinerte und erweiterte er dann zu einer „Allgemeinen Systemtheorie" 25 , eine folgerichtige Entwicklung, die es Beer erlaubt, das Leib-SeeleProblem als ein i m Grunde kybernetisches Problem zu bezeichnen 26 . Die Wechselwirkung liegt darin, daß psychische Ursachen Wirkungen i m physischen Bereich auslösen (z.B. Willenshandlung) und psychische Wirkungen, wie z.B. Empfindungen, sich auf eine physische Ursache zurückführen lassen. I n den Sozialwissenschaften war es vor allem Pareto 27 , der m i t aller Schärfe darauf hingewiesen hat, die Relationen zwischen zwei Erscheinungen der Realität stets i n beiden Richtungen zu lesen: A ^ B . Dabei verdankt die Soziologie i n erster Linie L. v. Wiese eine exakte Abhandlung über die Beziehungen, die er als Prozesse bezeichnet, bei denen „zwei oder mehrere Größen miteinander so i n Verbindung kommen, daß jede als selbständige Größe bestehen bleibt, daß aber jede Veränderungen erfährt, und daß eine teilweise Ubereinstimmung oder Gemeinschaft i n Einzelheiten hervorgerufen wird. . . . die Größen, die hier i n Beziehung treten, sind Menschen oder aus Beziehungen abgeleitete Kollektivgebilde, die tätig aufeinander wirken" 2 8 . Auch hier ist die Leitregel Paretos beachtet, d. h. die Interdependenz w i r d als einzig richtig erkannt und nicht durch eine Kausalrelation ersetzt. Eine solche ,Nur-Dependenz-Erklärung' w i r d nämlich häufig nicht i m o. g. Sinne der Isolierung aus wissenschaftlichen Gründen angewandt, sondern zur propagandistischen Ausnützung soziologischer Halbwahrheiten. Hofstätter 29 berichtet hierzu von der alten Streitfrage der Relation zwischen dem ökonomischen Zustand einer Gesellschaft (Ö) und ihrer Ideologie (7). Die „materialistische Geschichtsauffassung" (K. Marx) liest die Relation i n einer Richtung (ö -» i); die „idealistische" i n der 25 Bertalanffy, L . v.: General System Theory, Foundations, Development, Applications, 2. Aufl., New Y o r k 1969, S. 2. 26 Vgl. Beer , S.: K y b e r n e t i k u n d Management, S. 90. 27 Vgl. Pareto, V. 28 Wiese , L . v.: Allgemeine Soziologie, T e i l I : Beziehungslehre, München 1924, S. 3; sehr ausführlich hat sich auch J. Plenge m i t der Theorie der Relationen auseinandergesetzt. Diesem Forscher verdanken w i r ein System von Tafeln, i n denen er Klassen v o n Beziehungen aufstellt; vgl. Plenge , J.: Z u r Ontologie der Beziehung (Allgemeine Relationstheorie), S. 11 - 30. 29 Vgl. Hofstätter , P. R.: Einführung i n die Sozialpsychologie, S. 31.

5*

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1. T e i l : I I . Begriff u n d Wesen der Interdependenzen

anderen (I -> ö ) ; eine ähnlich einseitige Beziehungslehre stellen manche mechanisch-materialistischen Milieutheorien dar, denen zufolge der Mensch das passive Resultat der Einwirkung des Milieus ist. Die Tatsache der Rückwirkung der Menschen auf das Milieu w i r d dabei i n unzulässiger Weise vernachlässigt. Die A r t der Rückkopplung von Wirkung auf Ursache wurde oben genauer beschrieben 30 . I h r positives und auch negatives Auftreten beschäftigt i n starkem Maße die Sozialpsychologie, welche innerhalb der von ihr aufgedeckten Systeme ebenfalls stabiles oder instabiles Verhalten deutlich herausstellt. E i n einfaches Beispiel, nämlich der Zusammenhang zwischen dem Kontakt zweier Gruppen und ihrer wechselseitigen Sympathie, soll diesen Sachverhalt verdeutlichen 31 : iSchaubild 6 Modell einer Interdependenz

Unter der Annahme steigender Sympathie bei Kontaktnahme und verstärktem Kontakt bei Sympathie tendiert dieses System durch ein lawinenartiges Anwachsen der Parameter zur Instabilität. (Aus K t entsteht St; das bringt den zusätzlichen Kontakt K\, so daß K ± 4- K\ zu K 2 und damit zu S2 führen usw.). Dagegen ist die fundamentale Relation zwischen Preis und Quantität, m i t der sich die Nationalökonomie beschäftigt, von der A r t , daß die Gegenläufigkeit von Angebots- und Nachfragefunktion diesem System ein gewisses Maß an Stabilität verleiht. 30 51

Vgl. S. 63 f. dieser Arbeit. Vgl. Hofstätter, P. R.: Einführung i n die Sozialpsychologie, S. 30.

1. Allgemeine Definition

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Generell spielen Interdependenzen i n den Wirtschaftswissenschaften eine herausragende Rolle. Als einer der ersten stellte Quesnay 32 die Abhängigkeit der Geld- und Güterströme voneinander m i t großer Eleganz dar; neben solchen gesamtwirtschaftlichen Wechselwirkungen ist jedoch die Interdependenz der Teilpläne innerhalb jeder einzelnen Betriebswirtschaft von großer Bedeutung: Aus den Umsatz-, Kosten- und Beschaffungsplänen ergibt sich unter Berücksichtigung der zugehörigen Terminpläne der Finanzplan; der Umsatz- ebenso wie der Kosten- und der Beschaffungsplan resultieren aus Mengen- und Preisplänen usw. 38 . I n der Investitionstheorie werden große Anstrengungen unternommen, das Interdependenzproblem zu lösen. Gerade hier tauchen immer wieder Schwierigkeiten auf, die sich vor allem aus der Akzentuierung von entweder modelltheoretischem Raffinement oder der Operationalität ergeben; dieses Dilemma bleibt vorläufig unausweichlich, obwohl gerade auf diesem Gebiet subtile Ansätze entwickelt wurden 3 4 . Der Berücksichtigung der generellen ökonomischen Interdependenz, die er als irreduzibles Moment bezeichnet, widmet daher auch Schneider einen besonderen Abschnitt i n seiner Theorie der Investition 3 5 . Hier spielen i n die Rechnung auch Faktoren hinein, die sich aus den Beziehungen der Unternehmung zum Staat und zur Volkswirtschaft ergeben. Dieses Faktum der Wechselwirkung von Staat und Wirtschaft ist Gegenstand der Forschungen, die sich an der Nahtstelle dieser beiden gewichtigen Sektoren ein gesondertes Gebiet erschlossen haben 36 . Die Problematik w i r d besonders deutlich z.B. bei der Festsetzung von Steuern, da man bei der Erhebung von Finanzsteuern möglichst so verfahren möchte, daß wirtschaftliche Wirkungen der Steuern, die bei der Erzielung des Steueraufkommens nicht beabsichtigt waren, vermieden werden (sog. „neutrale Steuern") 37 . I n einem allgemeineren Zusammenhang sind dagegen die Formen der Wirtschaftslenkung und die Ordnung 32

Vgl. Quesnay , F.: Tableau économique, Versailles 1758. Vgl. Bülow, Y .¡Langen, H. (Hrsg.): Wörterbuch der Wirtschaft, Stuttgart 1954, Stichwort „Interdependenz", S. 254. 54 Über den Stand der Forschung bezüglich der Behandlung v o n I n t e r dependenzen v e r m i t t e l t einen Überblick: Weingartner , H. M.: Capital B u d geting of Interrelated Projects: Survey and Synthesis, i n : MS, Vol. 12 (1966), S.485 - 516. 35 Schneider , E.: Wirtschaftlichkeitsrechnung, Theorie der Investition, 2. Aufl., Tübingen—Zürich 1957, S. 131 f. 36 Vgl. u . a . Bohret , C.¡Grosser, D. (Hrsg.): Interdependenzen v o n P o l i t i k u n d Wirtschaft. Beiträge zur politischen Wirtschaftslehre. Festgabe f. Gert v. Eynern, B e r l i n 1967; Eynern, G. v.: Grundriß der Politischen Wirtschaftslehre, Köln—Opladen 1968, insbes. S. 66 ff. 37 Vgl. Bülow, Y.¡Langen, H. (Hrsg.) : S. 254. 33

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1. T e i l : I I . Begriff u n d Wesen der Interdependenzen

der Gesellschaft zu sehen. Die ,Interdependenz der Ordnungen' 38 verlangt, daß die Rückwirkungen des Wirtschaftsprozesses auf den gesellschaftlichen Aufbau und umgekehrt einer Analyse zugänglich gemacht werden. „Ihre Erkenntnis ist eine Voraussetzung für das Verständnis aller Probleme sowohl der Wirtschaftspolitik als auch der Rechts- und Staatspolitik der Gegenwart 39 ." Gegenstand der vorliegenden Betrachtung ist ein kleiner Ausschnitt aus dieser Totalinterdependenz der Wirklichkeit. Das absatzpolitische Instrumentarium ist ein ausgegliederter Teilzusammenhang; seine i n i h m herrschenden Abhängigkeiten unterliegen schon i n ihren Grundlagen besonderen Umständen — sie sollen i m folgenden kurz dargestellt werden. 2. Spezieller Zuschnitt für den Bereich des absatzpolitischen Instrumentariums 21. Mittel-

und unmittelbare

Interdependenzen

Das absatzpolitische System wurde als vom Menschen bewußt geschaffen, als „künstlich" bezeichnet. Die Konsequenz dieser Erkenntnis liegt darin, daß ein solches System nicht eine ziellose Dynamik entwickeln kann, sondern bestimmten Absichten der sie beeinflussenden Menschen entsprechend funktionieren soll. Die gegenseitigen Abhängigkeiten und Ergänzungen entstehen also durch Steuerungsorgane, weshalb Flechtner 40 die Interdependenz als „Verknüpfungs-Operation" bezeichnet, u m die Möglichkeit der bewußten Systemgestaltung i n den Vordergrund zu rücken. Dennoch existieren Interdependenzen, die w i r i m Sinne einer statischen Betrachtung erfassen können: Verknüpfungen, die keine bewußt vorgenommene Zustands-Transformation beinhalten. Ein lebendes, künstliches System w i r d zwar m i t dieser A r t der Element-Verbindung, die stets unverändert bleibt, sein Überleben nicht gewährleisten können. Die Unternehmung unterscheidet sich daher z. B. von der Problematik des Leib-Seele-Zusammenhanges i n entscheidendem Maße: Die Wechselwirkungen erfolgen nicht i n einem als Naturgesetz deklarierten, festgelegten Ablauf. Die durch irgendwelche Umstände erfolgte Effektivitätsänderung der Werbung z. B. hat keine zwangsläufige, jedem Außenstehenden sofort erkennbare Wirkung auf z.B. den Preis. Eine solche unmittelbare, als Folge einer Interobjekt-Beziehung realisierbare 38 Euchen, W.: Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S. 124 ff. I m Gegensatz zu M a r x betont Eucken sehr stark die wechselseitige Abhängigkeit v o n W i r t schaft u n d Ideologie (staatliche Ordnung). 89 Ebenda, S. 126. 40 Vgl. Flechtner, H . J . : S . 231.

2. Spezieller Zuschnitt f ü r den Bereich des Instrumentariums

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Transformation ist nur vom Konsumenten her denkbar. Er mag infolge der Irradiation 4 1 , jenem Ausstrahlen von Teilqualitäten, d.h. einem Abfärben ihres Ausdrucks-, Stimmungs- oder Bedeutungsgehaltes auf das Gesamterlebnis, eine Änderung der Komplexqualität feststellen, ohne exakt sagen zu können, i n welchem Detail die Ursache zu suchen ist. Die Beeinflussung zwischen zwei Instrumenten rührt i n diesem Fall ausschließlich von ihrem gemeinsamen Vorhandensein i n einer Ganzheit 4 2 . Die mittelbare Beziehung ergibt sich über die Steuerzentrale, den verknüpfenden Unternehmer. Hier w i r d die o.g. abstrakte Veränderung anderer Instrumente infolge der Variation der W i r k u n g eines einzigen Mittels zur konkreten Transformation. Infolge von Störgrößen z. B. ändert der Unternehmer die Ausprägung eines Parameters, u m sein System m i t der Umwelt i m Gleichgewicht zu halten. Aus Interobjektbeziehungen ergeben sich Objektsubjektbeziehungen — die von J. Plenge 43 m i t diesem Terminus belegte Verfügungsmacht über Sachmittel —, wie folgendes Schaubild deutlich macht: Schaubild 7 Unmittelbare (Interobjekt-)Beziehungen (A) i m Vergleich zu mittelbaren (Objektsubjekt-)Beziehungen (B), dargestellt anhand v o n 5 absatzpolitischen Instrumenten Unternehmer

41 42 43

Z u m Phänomen der I r r a d i a t i o n vgl. Spiegel , B.: S. 38 if. Vgl. Katona, G.: Das Verhalten der Verbraucher u n d Unternehmer, S. 38. Vgl. Plenge, J.: S. 18.

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1. T e i l : I I . Begriff u n d Wesen der Interdependenzen

Die Interdependenzen zwischen absatzwirtschaftlichen Instrumenten resultieren folglich aus diesen beiden Spielarten von Wechselwirkungen: Die unmittelbare Beziehung ergibt sich aus einem Automatismus, den Gutenberg darin sieht, daß die Effizienz eines einzelnen Aktionsparameters schon allein durch die Stellung innerhalb eines Instrumentensystems beeinflußt wird, „daß die Wirkung von Preis Veränderungen eine andere ist, je nachdem, ob sie allein oder i n Verbindung m i t anderen absatzpolitischen Maßnahmen vorgenommen werden" 4 4 . Das Verhalten dieses Systems w i r d aber nicht allein durch die Verhaltensweise der einzelnen Elemente bestimmt, sondern hängt auch von der Struktur des Systems ab. Diese hat teleologischen Charakter, das „Kopplungsnetz der Elemente" 4 5 w i r d also i n mittelbarer A r t durch den Unternehmer geprägt. Sicherlich kann man behaupten, daß das Marktgeschehen nicht mechanischen Zusammenhängen unterliegt, vielmehr durch die laufenden freien Entscheidungen von Menschen bestimmt ist. Dennoch läßt sich nicht leugnen, „daß auch i m Absatzbereich bestimmte Beziehungen zwischen einzelnen Faktoren und Kräften bestehen, m i t dem Unterschied zu Naturvorgängen, daß w i r sie nicht v o l l zu erfassen und vorauszusehen vermögen, w e i l unsere Information ungenügend ist" 4 6 . Hier liegt die ,Crux' aller mittelbaren Interdependenzen: ihre Gesetzmäßigkeiten i m Zeitablauf muß der dispositive Faktor, u m den Gutenberg die drei Elementarfaktoren ,Arbeit', »Betriebsmittel' und ,Werkstoffe' erweitert 4 7 , erkennen, da die Kombination der Instrumente i h m obliegt 48 . Ein zweiter Aspekt mittelbarer Interdependenzen w i r d deutlich: auch Beyeler betont, daß der Zwang zur Kombination nicht äußerlich und technisch gegeben ist. „Er resultiert vielmehr aus der Notwendigkeit, m i t den M i t t e l n wirtschaftlich umzugehen 49 ." Während der erste Teilbereich mittelbarer Interdependenzen darauf abzielte, daß der koordinierende Unternehmer überhaupt erst einmal erkennt, m i t welcher Kombination der M i t t e l er seine Ziele erreichen kann, stehen hier finanzielle Rücksichten i m Vordergrund: Die beiden Varianten des 44

Gutenberg, E.: Der Absatz, S. 53. Lange, O.: Ganzheit u n d Entwicklung i n kybernetischer Sicht, 2. unveränd. Aufl., B e r l i n 1967, S. 34. 46 Angehrn, O.: S. 28 f. 47 Vgl. Gutenberg, E.: Die Produktion, S. 3 u. S. 130 ff. 48 Der Kombinationsprozeß bezieht sich, wie Gutenberg i n seiner E i n f ü h rung schreibt, nicht n u r auf den betrieblichen Teilbereich „ P r o d u k t i o n " : „Der gesamtbetriebliche Prozeß läßt sich als eine Kombination v o n Arbeitsleistungen u n d maschineller Apparatur zum Zwecke der Erstellung u n d Verwertung v o n Sachgütern oder Dienstleistungen auffassen"; Gutenberg, E.: Einführung i n die Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 1958, S. 27. 49 Beyeler, L . : S . 36. 45

2. Spezieller Zuschnitt f ü r den Bereich des Instrumentariums

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Wirtschaftlichkeitsprinzips bzw. des Prinzips des rationalen Wirtschaftens 50 müssen beachtet werden, d.h. es ist diejenige InstrumentenZusammenstellung zu wählen, die aus den vorhandenen M i t t e l n den größtmöglichen Ertrag zeitigt bzw. bei einem festgelegten Zielerreichungsgrad den Mittelaufwand minimiert. Alles, was von diesem Prinzip des größten Effekts bzw. der Sparsamkeit der M i t t e l abweicht, kann als Verschwendung der M i t t e l bezeichnet werden. Diese aber „ist der Ausdruck der Unrationalität des Handelns" 51 . Die mittelbaren Interdependenzen über das Kostendenken lassen sich i n unterschiedlicher Intensität feststellen: einmal die erwähnte allgemeine Wechselwirkung über die Budgetaufteilung, also die jeweilige Allokation nach der Effizienz der einzelnen Instrumente. Zum zweiten aber der sehr enge Zusammenhang bei nicht gesonderter Abgeltung einzelner Mittelkosten. „Je direkter und ausschließlicher die Kosten jeder einzelnen Kundendienstleistung demjenigen berechnet werden, der sie i n Anspruch nimmt, desto schwächer sind die Interdependenzen zwischen Kundendienst und Preispolitik 5 2 ." Analoges gilt für andere Instrumente, die i n dem allgemeinen Leistungsbündel der Unternehmung aufgehen und nicht nach der individuellen Inanspruchnahme i n Rechnung gestellt werden. Es leuchtet unmittelbar ein, daß gerade diese Wechselwirkung über die Kosten und ihre Folgerungen für die unternehmerische Preispolitik i n bezug auf die jeweilige Hauptleistung nach einem Zentrum der Willensbildung verlangen, das die Eigendynamik der Leiter einzelner Instrumentenbereiche, also z.B. des Produktplaners, des Werbechefs und des Leiters der Absatzorganisation „kanalisiert", u m den geforderten optimalen Gebrauch finanzieller Mittel zu gewährleisten. Mittelbare Interdependenzen zwischen den absatzpolitischen Instrumenten verlangen also „Autonomie nach innen" 5 3 , d.h. die alleinige endgültige Ver50 Vgl. hierzu u. a. Gutenberg, E.: Die Produktion, S. 10 u n d S. 460 ff.; hier zählt das Prinzip der Wirtschaftlichkeit zu den „systemindifferenten" T a t beständen; einen ausgezeichneten Überblick über die Interpretation dieses Prinzips aus kapitalistischer u n d sozialistischer Sicht gibt Lange, O.: Das Prinzip der wirtschaftlichen Rationalität, Ökonomie u n d Praxeologie, i n : ZgesStw., 120. Bd., Tübingen 1964, S. 193 - 242; das ökonomische Prinzip stellt Gäfgen dem Prinzip der Bewertung von A l t e r n a t i v e n entgegen u n d untersucht die sich durch ihren Informationsstand unterscheidenden M a x i m e n i n ihrer Bedeutung f ü r das Wirtschaftssubjekt i n der Entscheidungssituation; vgl. Gäfgen, G.: S. 102 ff. 51 Lange, O.: Das Prinzip der wirtschaftlichen Rationalität, Ökonomie u n d Praxeologie, S. 211. 52 Bennewitz, H. I.: S. 208. 53 Vgl. Gutenberg, E.: Die Produktion, S. 488 f. Zusammen m i t dem schon erwähnten Prinzip der „Autonomie nach außen" (vgl. K a p i t e l I, 34. i m ersten T e i l der vorliegenden Arbeit) u n d dem erwerbswirtschaftlichen Prinzip bildet die „Autonomie nach innen", das Alleinbestimmungsrecht, den Typus „Betrieb m i t kapitalistischer Wirtschaftsweise".

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1. T e i l : I I . Begriff u n d Wesen der Interdependenzen

abschiedung einer Marketing-Konzeption durch einen Entscheidungsträger, der die Verflechtung der Instrumente und ihre kostenmäßigen Konsequenzen übersieht 54 . Zur Lösung dieser Aufgabe ist erhebliches ontologisches und nomologisches Wissen erforderlich 55 . Der Handelnde muß eine Vorstellung von der Ausgangssituation haben (ontologisches Wissen), muß also u m seinen „Datenkranz" wissen. Gleichzeitig soll er aber auch Gesetzmäßigkeiten erkennen (nomologisches Wissen), d.h. er muß die Entwicklung der Umweltkonstellation aus sich selbst heraus, aber auch unter dem Einfluß der i h m zur Verfügung stehenden alternativen Aktionen einschätzen können. Dieses Wissen ist i n seiner erstgenannten Komponente durch einfache Beobachtung bzw. einmalige Analyse, also die Bereiche der Marktforschung 56 , zu erlangen. Prognosen und Erwartungen als Resultat der Anwendung von nomologischem Wissen auf die ontologische Information bereiten jedoch erhebliche Schwierigkeiten. Deduktiv ist ein Beweis für die Existenz von bestimmten Mittel-Zusammenhängen aufgrund des Fehlens eines hinreichend genauen Wirkungsmodells (der Instrumente) kaum zu führen. Die Hypothesenbildung hat vielmehr auf induktivem Wege zu geschehen, und zwar i n der Form einer Wenn-Dann-Aussage 57 . Dabei w i r d der Informationsgehalt eines generellen Wenn-Dann-Satzes als Ganzes i n ausschlaggebender Weise von seiner durch die Wenn-Komponente bedingten Allgemeinheit sowie durch seine von der Dann-Komponente abhängigen Präzision bestimmt 5 8 . I n der vorliegenden Arbeit muß daher versucht werden, die sich über das Steuerungsorgan „Unternehmer" ergebenden mittelbaren Interdependenzen i n der Form von möglichst allgemeingültigen Hypothesen darzulegen, d. h. durch eine möglichst weitgehende Allgemeinheit des Wenn-Satzes die Gültigkeit des Dann54 H i e r m i t w i r d keineswegs einem patriarchalischen Führungsstil das Wort geredet; vielmehr w i r d die Autonomie so verstanden, daß ein Team keine demokratische A b s t i m m u n g über eine K o m b i n a t i o n der M i t t e l trifft, sondern ein „primus inter pares", also z. B. der verantwortliche Product-Manager, die Entscheidung letztendlich fällt. Diese Instanz muß also nicht einmal hierarchisch, sondern n u r funktionell übergeordnet sein; vgl. Gloor, M.: S. 26. 55 Vgl. zu dieser Kategorisierung des Informationssystems eines Aktors: Gäfgen, G.: S. 97 f. 58 I n dieser Weise unterteilt Schäfer die Möglichkeiten der Informationsgewinnung; vgl. Schäfer, E.: Grundlagen der Marktforschung, M a r k t u n t e r suchung u n d Marktbeobachtung, 4. neubearb. u. erw. Aufl., Köln/Opladen 1966. 57 Vgl. zum Problem der Induktion, der Wenn-Dann- u n d der All-Sätze: Popper, K . R.: Logik der Forschung, 3. Aufl., Tübingen 1969, S. 3 ff. u n d S. 39 ff. 58 Vgl. ebenda, S. 34 f.; ebenso: Albert, H.: Probleme der Theoriebildung, Entwicklung, S t r u k t u r u n d A n w e n d u n g sozialwissenschaftlicher Theorien, i n : Theorie u n d Realität (Hrsg. H. Albert), Tübingen 1964, S. 3 - 70, hier S. 25 f.

2. Spezieller Zuschnitt f ü r den Bereich des Instrumentariums

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Satzes weniger einzuschränken. Darum ist darauf zu achten, daß der Bereich von ceteris-paribus-Klauseln — wenn er auch nicht ganz neglegiert werden kann — eine explizite Aussage darüber enthält, welche Bedingungen gleich bleiben sollen, anderenfalls würden Aussagen hinsichtlich der zu erörternden Interdependenzen nur Gehaltlosigkeit demonstrieren. A u f dem Wege zu sog. nomologischen Hypothesen, „deren WennKomponente keinen einengenden Bezug auf bestimmte räumliche Gebiete und zeitliche Daten enthält" 5 9 , spielt die Erfahrungsbildung des Unternehmers eine entscheidende Rolle. Gewisse Kombinationen, hinsichtlich derer man exakte Prognosen aufgestellt hatte, erweisen sich als Fehlschlag, andere wiederum, die nur zum Teil auf logischen A b leitungen aus Wahrgenommenem und Gelerntem beruhen, die also nicht durch ein genaues logisches K a l k ü l erstellt wurden, werden als besonders wirksam erkannt. Hier beruhen die Erfolge auf dem „Prognosetypus unseres Alltagslebens, den w i r üblicherweise einfach als Bildung von Erwartungen bezeichnen" 60 . Der Lernprozeß der Unternehmung 6 1 erfolgt also meist eine Zeitlang nach der Methode des „ t r i a l and error" 6 2 — dann aber w i r d die Kombination der Instrumente gefunden, welche das Selbstimage der Konsumenten, d. h. die Vorstellung, wie ein Konsument seine Bedürfniskonstellationen jeweils zu befriedigen wünscht, am ehesten m i t der Wertvorstellung, die ein Konsument von einem Produkt bzw. einer Firma hat, — dem Produkt-(Geschäfts-)Image 63 —, zur Deckung bringt. Trotzdem bleibt uns sicheres Wissen versagt. „Unser Wissen ist ein kritisches Raten; ein Netz von Hypothesen, ein Gewebe von Vermutungen 64 ." A m dichtesten scheint die Erkenntnis auf dem Gebiet der Markenartikel-Politik zu sein. Man spricht hier von einem „Absatzsystem

59

Köhler , R.: Theoretische Systeme, S. 19 f. Gäfgen, G.: S. 98. 61 Vgl. Kappler , E.: Der Lernprozeß der Unternehmung. E i n Ansatz zu einem kybernetischen Grundmodell der Betriebswirtschaft, Diss. München 1970. 62 Stark i n die Diskussion gebracht wurde dieses Prinzip durch Popper , K . R.: Das Elend des Historizismus, 2. unveränd. Aufl., Tübingen 1969, S. 53, der den „Stückwerk-Ingenieur" kreiert. 60

63 Z u r Analyse der S t r u k t u r u n d der Bedeutung v o n Images dieser A r t vgl. u. a. Berth, R.: Imageforschung i m Dienste der Absatzpolitik, i n : M a r k e n artikel, 1960, H. 3, S. 131 ff.; Staudt , Th. A./Taylor, D. A.: A Managerial I n t r o duction to Marketing, Englewood Cliffs/N. J. 1965, S. 59; Moore , HJKleining , G.: Das B i l d der sozialen Wirklichkeit. Analyse der S t r u k t u r u n d der Bedeutung von Images, i n : Kölner Zeitschrift f ü r Soziologie u n d Sozialpsychologie, 1959, S. 353 if. 64

Popper, K . R.: Logik der Forschung, S. X X V .

76

1. Teil: I I . Begriff u n d Wesen der Interdependenzen

Markenartikel" 6 5 , wobei die Integration dieses Systems gegenüber relevanten anderen Erscheinungen auf dem Produkt- und Dienstleistungssektor am weitesten fortgeschritten ist. Dennoch ist die hier vorhandene Stabilität nicht weitgehend genug; die Evolution auch des „echten" Markenartikels i m Sinne Gutenbergs 66 verleiht dem Wissen über die Interdependenzen i n diesem Bereich nur vorläufigen, da statischen Charakter 67 . Es gilt folglich, die Struktur unmittelbarer Interdependenzen aufzudecken, indem die vorliegenden Inter Objektbeziehungen dem Unternehmer klar vor Augen geführt werden; die Reaktionen der Konsumenten, die diese Interobjektbeziehungen bestimmen, verlaufen sowohl i n ihrer Richtung als auch i n ihrem Ausmaß und ihrer Schnelligkeit unterschiedlich, so daß diese heterogenen Objektsubjektbeziehungen, die letztendlich Grundlage jeder Marktsegmentierung und Nischentheorie 68 sind, ebenfalls offengelegt werden müssen. Eine Objektsubjektbeziehung liegt schließlich auch der Koordinierungstätigkeit des Unternehmers zugrunde, der zwar den Reiz-Reaktions-Ablauf, also den Stimulus durch die Instrumente und die A n t w o r t des angesprochenen sozialen Feldes kennen mag, es aber nicht versteht, diese Erkenntnisse i n die richtig abgestimmte A k t i o n umzusetzen. Das kann daran liegen, daß die entscheidende Instanz ihre Informationen einem Informationssystem entnimmt, das organisationale Verzerrungen beinhaltet. Mittelbar wirksam werdende Interdependenzen können also auch durch diese sog. Intersubjektbeziehungen (zwischen den Organisationsteilnehmern) beeinflußt werden. Die Komplizierung des Untersuchungsgegenstandes w i r d durch diese „vereinigte Dreiheit" 6 9 von Beziehungen besonders deutlich. 65 Bergler, R.: Gestaltwandel des Markenartikels, i n : Jahrbuch der Absatzu n d Verbrauchsforschung, 1. Jg., 1955, H. 3, S. 157 - 195. 86 Gutenberg versuchte, durch strenge Merkmals-Vorschriften die K o n stanz der Erscheinung „ M a r k e n a r t i k e l " v o r einem dauernden Gestaltwandel zu retten; vgl. Gutenberg, E.: Der Absatz, S. 387. 67 So verliert z. B. die lange Zeit hindurch als unumgängliches K r i t e r i u m angesehene Preisbindung der 2. H a n d ihren Interdependenz-Charakter zur Produktpolitik. F ü r diese u n d ähnliche Kombinationsverschiebungen sind i n erster L i n i e Veränderungen i m Gewicht einzelner Selbstimage-Dimensionen verantwortlich. Vgl. u. a. Sommer, R.: Die Marketing-Konzeption u n d i h r E i n fluß auf das absatzwirtschaftliche Instrumentarium des Markenartikels, Diss. München 1968, S. 210 f. 88 Die Nische ergibt sich aus der Distanz zwischen konkurrierenden M e i nungsgegenständen, die sich an verschiedenen Orten i m Modell des sozialen Feldes ansiedeln. Der Begriff ist äquivalent dem der „Lücke", lediglich der B l i c k w i n k e l ist einmal v o m Verbraucher aus, einmal v o n der Anbieterseite aus festgelegt; vgl. dazu Spiegel, B.: S. 102 ff. 89 Die genannte Systematisierung der Beziehungen findet sich bei Plenge, J.: S. 19.

2. Spezieller Zuschnitt f ü r den Bereich des Instrumentariums 22. Interdependenzen

dichotomischer,

modaler

und zeitlicher

77 Art

Analog den allgemeinen Ausführungen zum Wesen der Interdependenzen lassen sich i n der Absatzwirtschaft Zusammenhänge unterschiedlicher A r t kennzeichnen. So wie i n einem Typus die Ausprägung eines Merkmals den Wert 0 oder aber irgendeine positive Größe zwischen 0 und 100 auf einer bestimmten Meßskala erreichen kann 7 0 , so kann auch ein Instrument (als ein Merkmal) das andere M i t t e l bedingen oder nicht. Der dichotomische Charakter der Interdependenzen liegt also darin, daß Wechselwirkungen vorliegen oder nicht, d.h. der Einsatz eines anderen Instrumentes überhaupt i n Erwägung gezogen bzw. von vornherein abgelehnt w i r d 7 1 . Interdependenz w i r d hier interpretiert als „das die gegenseitige Existenz Bedingen". W i r d ein M i t t e l nicht eingesetzt, so kann man davon ausgehen, daß es durch andere kompensiert wurde, d. h. nicht periphere, sondern totale Substitution stattgefunden hat. Voraussetzung für ein solches — als rational angesehenes — Vorgehen ist, daß der Entschluß gefaßt wurde, nur kognitive Aussagen abzugeben, deren Falschheit bzw. Zutreffen von jedem fachlich Ausgebildeten i m Prinzip nach allgemein zugänglichen Kriterien festgestellt werden kann. Es muß also auf die Formulierung oberster Maximen und entsprechender Werturteile (als Ausdruck wissenschaftlicher Erkenntnis) verzichtet werden 7 2 . Denn andernfalls würde — ähnlich den (folgenden) Aussagen über die Soseins-Komponente der Interdependenzen — die Existenz oder die Neglegierung von Wechselwirkungen aufgrund von Aussagen über Aussagen ( = Metasprache) festgestellt (z.B. „Werbung darf nicht sein"). I n der vorliegenden Untersuchung wollen w i r aber i n erster Linie Theorien über ausgewählte reale Sachverhalte erörtern — diese aber gehören einer anderen Sprachstufe an, nämlich der Objektsprache 78 . 70 Diese Skalierung ist i n der Typologie üblich; vgl. hierzu auch die a l l gemeinen Ausführungen i n K a p i t e l I, 2 dieser Arbeit. 71 Die Tatsache, daß trotz Totalinterdependenz aller Instrumente — wie oben festgestellt — einige nicht i n das M a r k e t i n g - M i x einbezogen werden, liegt daran, daß die Wechselbeziehungen so schwach sind, daß sie vernachlässigt werden. 72 Das hindert nicht daran, i n einem späteren P u n k t den Einfluß solcher Wertungen auf die K o m b i n a t i o n der Instrumente darzulegen; vgl. dazu S. 226 ff. dieser Arbeit. 73 Z u der Bedeutung der Sprachanalyse bei der Untersuchung wissenschaftlicher Theorien siehe v o r allem Carnap f R.: I n d u k t i v e L o g i k u n d W a h r scheinlichkeit (bearb. v. W. Stegmüller), W i e n 1959; Albert, H.: Wissenschaft u n d Politik. Z u m Problem der Anwendbarkeit einer wertfreien Sozialwissenschaft, i n : Probleme der Wissenschaftstheorie. Festschrift f. Victor K r a f t (Hrsg. E. Topitsch), W i e n 1960, S. 201 -232; Stegmüller, W.: Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie, Tübingen 1960.

78

1. T e i l : I I . Begriff u n d Wesen der Interdependenzen

Der Verzicht auf Wertungen als Voraussetzung der Analyse befähigt dann zu der Erkenntnis, daß die Struktur des Instrumentariums i n verschiedenen Wirtschaftsbereichen und Branchen außerordentlich differiert. Die Ja-Nein Entscheidung für den Einsatz bestimmter M i t t e l läßt es zu, Tabellen anzulegen, die das Anwendungsfeld der Instrumente der Marktgestaltung zeigen 74 . M i t solchen Entscheidungen ist dann praktisch der Schwierigkeitsgrad der Optimierung festgelegt, da das Entscheidungsfeld 75 der Unternehmung viele oder wenige Aktionsparameter umfassen kann. Die Entscheidungen dichotomischer A r t lassen sich auch als strategische Gestaltungsprozesse interpretieren, und zwar sowohl i m üblichen, i m Sinne der Dauerhaftigkeit der Entscheidung gemeinten Sinne 76 , als auch i n der von Ansoff 77 gebrauchten Bedeutung. Zum ersten läßt sich unschwer erkennen, daß die Auswahl bestimmter Instrumente den (meist) langfristigen Rahmen für sog. kurzfristig zu treffende — also taktische — Entscheidungen über die Ausgestaltung dieser Instrumente abgibt. Zum zweiten sind es Prozesse, die sich mehr als die Durchführungsentscheidungen m i t einer Analyse des Marktes befassen müssen. Ist die Phase der Allokation der Instrumente vorüber, so gilt es, den modalen Charakter eines jeden Instrumentes m i t dem der anderen abzustimmen. Für jeden Teilbereich der Absatzstrategie, die als aus Produkt-, Distributions- und Kommunikationsstrategie zusammengesetzt gesehen werden kann, ergibt sich also die Diskussion über die Nützung der Instrumente als Voraussetzung jeder integrierten Strategie (Schaubild 8, S. 79). Hier liegen rein taktische Entscheidungen vor, Durchführungsaktionen, die die Konzeption der Konkretisierung näherbringen. Der Interdependenzbegriff erfährt die Ausdeutung des „Wirkungszusammenhangs", der „gegenseitigen Ergänzung". 74 So etwa bei Sommer, R.: Die Marketing-Konzeption u n d i h r Einfluß auf das absatzwirtschaftliche Instrumentarium des Markenartikels, Diss. M ü n chen 1968, S. 212; Nieschlag et al.: Marketing, S. 370. 75 Vgl. zum Begriff des Entscheidungsfeldes Engels, W.: Betriebswirtschaftliche Bewertungslehre i m Licht der Entscheidungstheorie, K ö l n u n d Opladen 1962, S. 94. 76 So u.a. Albach, H.: Das optimale Investitionsbudget bei Unsicherheit, i n : ZfB, 37. Jg. 1967, S. 503 - 518, insbes. S. 503 f.; Hanssmann, F.: Operations Research Techniques for Capital Investment, New Y o r k usw. 1968, S. 7. 77 Vgl. Ansoff, H. I.: Corporate Strategy, S. 5, Fußnote 2. Dieser sieht mehr den Aspekt der Bedeutung v o n Entscheidungen als „strategisch" an, wobei seine Definition noch darüber hinausgeht: Sie umfaßt alle sich m i t der Unternehmung u n d ihrer Umgebung beschäftigenden Wahlhandlungen u n d steht damit i m Gegensatz zu den sog. Verwaltungs- u n d den Durchführungsentscheidungen.

2. Spezieller Zuschnitt f ü r den Bereich des Instrumentariums

79

Schaubild 8 Berücksichtigung dichotomischer u n d modaler Interdependenzen als Voraussetzung zur Optimierung; dargestellt am Beispiel der Produktstrategie

Quelle: Haller, P./Stempel, R. O.: S. 39. Tntfru^ g ments 1

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Auspräg. Instr. 3

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. . . . Auspräg., ' Instr. n '

Die Gestaltungskraft der Interdependenzen reicht dabei von maximaler Stärke bis zu minimalem Einfluß, sind doch für jedes Merkmal (Instrument) nunmehr — nach Ausscheiden des Ausprägungsgrades 0 = keine Existenz dieses Merkmals — alle Grade des Vorkommens (praktisch von 1 bis 100 auf einer 100er Skala) und damit die Stellung als dominantes oder unbedeutendes Instrument möglich. I n jedem Fall w i r d die Akquisitionskraft eines jeden Parameters verändert, die A r t seiner Gestaltung, also z. B. der Markenname, das Packungsbild, die Preishöhe usw., erfährt komplementäre oder substitutive Impulse. Die finanzielle Abstimmung, die i n erster Linie den Umfang, aber auch die Intensität des Instrumenteneinsatzes bestimmt, w i r d auf dem Wege wiederholender Substitution versuchen, den Grenznutzen der einzelnen M i t t e l einzuebnen, d. h. dem Ideal einer Gleichheit aller sog. Differentialrenten nahezukommen. Dabei muß m i t der Untersuchung der monetären Seite des Instrumenteneinsatzes die Analyse der Kreativität einer jeden Instrumentenkonzeption einhergehen, w e i l die Effizienz heute i n starkem Maße von einer solchermaßen gearteten modalen Variation des Mitteleinsatzes abhängt. Es ist „die Kreativität, als problemorientierte Neuerung, die neue Produkte oder Konzeptionen der Nachfrageproduktion schafft" 78 .

80

1. T e i l : I I . Begriff u n d Wesen der Interdependenzen

Die Wechselwirkung liegt insbesondere i n diesem taktischen Bereich der Entscheidung. Hier haben sich gewisse „Standards" herausgebildet, also gewisse A r t e n von Zusammenhängen, die gleichsam stark besetzte Intervalle i n der Abstufungsskala der Interdependenzmöglichkeiten darstellen. Erinnert sei hier nur an den schon erwähnten Fall des Markenartikels, ebenso aber auch an den des Herstellers von Massenware oder die häufig dargestellte Systematik der Betriebsformen 78 , die den Einblick i n gewisse Kombinations-Typen gewährt. Diese vielfach starren Strukturen von Interdependenzen müssen immer wieder neu überdacht werden — es gilt, subtilere Strategien zu entwickeln, jedes einzelne Instrument muß wirksamer genutzt werden, u m dadurch der Kombination neue Impulse zu verleihen 80 . Nur auf diese Weise können die sog. Erwartungseinheiten der Konsumenten, die i n erster Linie auf Gewöhnung beruhen, durchbrochen, d.h. neue „Standards" fixiert werden 81 . Wo diesem hohen Anspruch nicht Genüge geleistet werden kann, läßt sich zumindest innerhalb eines bestehenden „Standards" die Marktposition durch entsprechenden Mitteleinsatz verbessern. Die Interdependenz absatzpolitischer Instrumente ergibt sich notwendigerweise aus der Tatsache, daß das gesamte Instrumentarium i n seiner Komplexität von keinem Menschen zugleich wahrgenommen werden kann, da jedes menschliche Erkennen und Beschreiben notwendig selekt i v ist 8 2 . Jeweils ein Teilaspekt w i r d bewußt und — obwohl die einzelnen Substanzen i m Räume zugleich sind 83 — eine Wahrnehmung folgt auf die andere, wenn auch wechselseitig. Diese zeitliche Komponente der Wechselwirkung hat i n der absatzwirtschaftlichen Literatur bisher ansatzweise i n der Konzeption des Konsumprozesses ihren Niederschlag gefunden. Es w i r d untersucht, i n 78 Gross, H.: Die Synthese v o n Effizienz u n d Kreativität, i n : Handelsblatt, Nr. 237 v. 10.12.1970, S. 10. 79 Vgl. u . a . Nieschlag, R.: Stichwort „Handelsbetriebsformen", i n : HdSW, Stuttgart—Tübingen—Göttingen 1964, Sp. 780 - 788. 80 Eine solche P o l i t i k b e w i r k t jene Evolution, die es erlaubt, z. B. i m H a n del v o n einer „ D y n a m i k der Betriebsformen" zu sprechen. Vgl. Nieschlag, R.: Die D y n a m i k der Betriebsformen i m Handel, i n : Rheinisch-Westfälisches Institut f. Wirtschaftsforschung, Schriftenreihe, Neue Folge, Nr. 7, Essen 1954. 81 Das Prinzip des „Standards" w i r d ausführlich dargestellt bei Beyeler, L.: S. 88 ff. 82 Vgl. Popper, K . R.: Das Elend des Historizismus, S. 62. F ü r den w i r t schaftlichen Bereich findet sich die Betonung dieses Sachverhalts bei Eucken, W.: Die Grundlagen der Nationalökonomie, 8. Aufl., Berlin—Heidelberg—New Y o r k 1965, S. 18 ff., S. 147, S. 178 f.; ders.i Grundsätze der W i r t schaftspolitik, S. 16. 83 Dies ist die Voraussetzung f ü r die Existenz v o n Wechselwirkungen; vgl. Kant, J.: transz. Logik, 2. B., 2. H., 3. Abs., 3. Analogie.

2. Spezieller Zuschnitt f ü r den Bereich des Instrumentariums

81

welcher Phase welches Instrument eingesetzt werden muß. Gerth hat hierfür eine exakte Systematik vorgelegt 84 . Die Instrumente bedingen sich also i n ihrem Timing. Ihre einzelne Wirkungsdauer differiert erheblich, weshalb die Effizienz-Kurve eines jeden absatzpolitischen Mittels genau beobachtet werden muß, u m die verschiedenen Maxima nicht phasenverschoben dem M a r k t zu „präsentieren". Die Frage, wann über welches M i t t e l entschieden werden muß, gehört ebenfalls zu diesem Problemkreis. Die simultane Beurteilung einzelner Ausprägungen wäre zwar wünschenswert, bleibt aber Ideal. Real geht die Initiierung immer von irgendeinem Instrument aus — die Bestimmung der anderen folgt als „Actio", die „Reactio" ergibt sich über den Weg der Rückkopplung. Darüber hinaus ist jede augenblickliche Marketing-Konzeption durch einen früheren Mitteleinsatz präjudiziert, d. h. das instrumentale Konzept der Vorperioden hat eine gewisse Ausstrahlungskraft bis i n die Gegenwart. So können z.B. Erwartungsstrukturen der Konsumenten positiv oder negativ geprägt worden sein — eine Tatsache, die zu Konsequenzen i m momentanen Marktstadium führen muß. Sowohl die „spill-over"-Effekte 8 5 der Vorperioden als auch die Notwendigkeit eines Einsatzes von Mitteln, deren W i r k u n g sich erst i n späteren Perioden entfaltet, lassen es angeraten erscheinen, den ökonomischen Horizont 8 6 , der die Kombination bestimmt, nicht zu eng zu fassen. I n jeder dynamischen Entscheidungssituation lassen sich Planungszeitpunkte periodisieren; bei der hier geforderten „Organisierung" der Entscheidung gilt es folglich, die Horizontsetzung, das Abschneiden oder die Zerlegung der Perioden soweit hinauszudehnen, wie irgendeine Prognosemöglichkeit noch existiert. Das theoretisch erstrebenswerte Zeitintervall läge bei Firmenmärkten zwischen der Entstehung einer Unternehmung und ihrem Ausscheiden aus dem Markt, bei Produktmärkten sollte der Lebenszyklus der Produkte 8 7 — also die Einführungs-, Marktdurchdringungs-, Marktsätti84 Vgl. Gerth, E.: Die Bedeutung des Konsumprozesses f ü r die Absatzpolitik. 85 Vgl. zu diesem Begriff McKean, R. N.: Efficiency i n Government Through Systems Analysis, New Y o r k 1964, S. 38 ff. u. S. 134 ff.; Nieschlag et ai.: M a r k e ting, S. 334 f.; vgl. auch K a p i t e l I I I i m zweiten T e i l dieser Arbeit. 86 Tinbergen prägte diesen Begriff, worunter die Ausdehnung des B l i c k feldes eines jeden Analytikers i n einer bestimmten Situation zu verstehen ist; vgl. Tinbergen, J.: The Notions of Horizon, and Exspectancy i n Dynamic Economics, i n : Econometrica, Vol. 1,1933, S. 247 - 264. 87 Diese Modellvorstellung der Marketingtheorie hat i n zahlreichen A b handlungen ihren Niederschlag gefunden; vgl. u. a. Buzzell, R. D.: Compe-

6 Linssen

82

1. T e i l : I I . Begriff u n d Wesen der Interdependenzen

gungs- und Degenerationsphase — Gegenstand der Analyse sein. Denn ebenso wie jeder Mensch i n seinem momentanen Stadium durch Einflüsse und Handlungen früherer Lebensabschnitte bestimmt ist, hat z.B. die Werbung vergangener Perioden das Image eines mittels der Momentaufnahme untersuchten Produktes i n seiner Marktstellung entscheidend geprägt, worauf jeder Instrumenteneinsatz Rücksicht zu nehmen hat. Sicherlich haben diese Analogien aus dem biologischen Bereich 88 ihre Berechtigung, doch w i r d es i n der Praxis unmöglich sein, nach dem „Principle of Commitment" zu planen, das heißt: so weit alle Soll- und Ist-Größen zu eruieren, wie die unmittelbaren Konsequenzen der gestern getroffenen und heute abzugebenden Entscheidung reichen 89 . Dennoch muß auf diese A r t zeitlicher Interdependenzen i m absatzpolitischen Instrumentarium eingegangen werden, ebenso wie auf die i m Zeitablauf variierende Richtung, Intensität und Dauer der Wechselwirkungen, also auf Aspekte der notwendigen „Reoptimierung" 9 0 einer jeden Absatzkonzeption. Fragen der Systemanpassung und/oder der gestaltenden Einflußnahme der Unternehmung auf den Markt stehen hier i m Vordergrund. Der Einfluß der Rahmenbedingungen auf das W i r k samwerden der Interdependenzen, also zeitliche Invarianz der Kombination aufgrund systemimmanenter Begrenzungsfaktoren (z. B. Liquiditätsgesichtspunkte) oder zeitliche Verschiebung i m Einsatz aufgrund von Informationsrückständen gehören zu diesem Problemkreis, der i m Wege abnehmender Abstraktion geklärt werden muß. D.h. daß der präskriptive Charakter einer Interdependenzen-Untersuchung ergänzt w i r d durch deskriptive Erörterungen; eine Isomorphie 91 , also eine Strukturgleichheit zwischen Wirklichkeit und Modell, ist nämlich nur dann gegeben, wenn der Zeitablauf i m Modell entsprechende Berücksichtigung findet. Die vorliegende Analyse muß also statt eines

t i t i v e Behavior and Product Life Cycles, i n : Proceedings of the 1966 W o r l d Congress, A M A , Chicago 1966; Levitt, Th.: Exploit the Product Life Cycle, i n : HBR, Vol. 43, Nr. 6, Nov./Dez. 1965, S. 8 1 - 9 4 ; Kotier, Ph.: Competitive Strategies for New Product — M a r k e t i n g over the Life Cycle, i n : MS, Vol. 12, Nr. 4, 1965, S. 104 ff.; Cox, W. E.: Product Life Cycles as M a r k e t i n g Models, i n ; JoB, Vol.40, Nr. 4, Okt. 1967, S. 375-384; Heuss, E.: Allgemeine M a r k t theorie, Tübingen—Zürich 1965. 88 Vgl. Penrose, E. T.: Biological Analogies i n the Theory of the F i r m , in: The American Economic Review, Vol. X L X X (1952), S. 804 - 819. 89 Vgl. zu diesem Prinzip: Lloyd, L. E.: Planning for Action: F r o m Business Forecast to Company Program, i n : A M A , No. 167, 1953, S. 3 ff.; Koontz, H.: Planning Principles, i n : Long-Range Planning for Management (Hrsg. D. W. Ewing), New Y o r k 1958, S. 456. 90 Vgl. Beyeler, L.: S. 105 ff. 91 Vgl. Kosiol, E.: Modellanalyse als Grundlage unternehmerischer Entscheidungen, in: ZfhF, N. F., Jg. 12,1961, S. 318 - 334, S. 321.

2. Spezieller Zuschnitt für den Bereich des Instrumentariums

83

Zustandsmodells 92 Modellaussagen dynamischer A r t enthalten. Nur hierbei w i r d die Veränderung der Modellgrößen explizit als ein Phänomen betrachtet, das sich i m Zeitablauf vollzieht. So würden z. B. allen Arten von „time-lags", die i m Absatzsektor eine so große Rolle spielen, auch kinetische Modelle nicht gerecht werden, da i n der K i n e t i k lediglich die zeitliche Entwicklung einer abhängigen Variablen bei Konstanz der einwirkenden unabhängigen Variablen betrachtet w i r d 9 3 . I n der Praxis findet die zeitliche Interdependenz der absatzpolitischen M i t t e l bisher relativ geringe Berücksichtigung. Lediglich die großen, hinsichtlich ihrer Marketing-Ausrichtung den Ton angebenden Firmen besitzen das notwendige Planungswissen, u m z.B. dem i n der Einführungsphase eines Produktes einzusetzenden Werbevolumen abgezinste Einnahmen aus den nächsten Perioden i m Vergleich entgegenzustellen, die aufgrund der z. B. i n der Wachstums- und Reifephase zu erwartenden Preispolitik resultieren. Ebenso sind auch die jährlichen Imageuntersuchungen 94 , die z.B. über kumulative Effekte einzelner Maßnahmen Aufschluß geben und die Ausstrahlungskraft besonderer Aktionen auf die übrigen Aktionsparameter eruieren, noch nicht zum Allgemeingut der meisten Marketingabteilungen i n den Unternehmungen geworden.

23. Die notwendig

interdisziplinäre

Deutung

der

Interdependenzen

Die Verknüpfung materiell so unterschiedlicher Subsysteme wie Produkt-, Distributions- und Kommunikationsstrategie zu einem absatzpolitischen System hat die Abkehr vom einzelwissenschaftlichen Denken zur Folge. I m Marketingsektor wurde die Forderung nach einer Kooperation verschiedener Wissenschaften bereits 1948 von Wroe Alderson und Reavis Cox erhoben: „ . . . h e r e and there i n the literature of several intellectual disciplines are appearing the elements from which an adequate theory of marketing w i l l be constructed" 95 . I m deutschen Sprachbereich war es vor allem Nieschlag, der die Entwicklung der Absatzforschung und der gesamten Betriebswirtschaftslehre als durch folgende Tatsachen charakterisiert schilderte: 92

Vgl. Heinen, E.: Betriebswirtschaftliche Kostenlehre, S. 157. Vgl. Herrn, R.: Über dynamische Wirtschaftsmodelle, Stuttgart 1957, S. 32. 94 F ü r die verschiedenen Sorten der Marke „Nescafé" existiert z. B. ein periodisierter Plan v o n Marktforschungsuntersuchungen befragender A r t , u m m i t Hilfe solcher rückkoppelnder Maßnahmen die Entscheidungen f ü r die kommende Periode zu treffen. So die Aussagen von Dr. R. Fuest, Leiter der Marktforschung der Deutschen Nestlé AG, Frankfurt/M., i n einem Gespräch m i t dem Verfasser am 18.12.1970 i n F r a n k f u r t / M . 95 Alderson, W./Cox, R.: T o w a r d a Theory of Marketing, i n : JoM, Vol. 13, Okt. 1948, S. 137 - 152, S. 142. 93

6*

84

1. T e i l : I I . Begriff u n d Wesen der Interdependenzen

„1. durch eine wesentliche Vertiefung der nach traditionellen Vorstellungen dem Fach zugehörigen Wissensbereiche und durch enge Kontakte zur Volkswirtschaftslehre sowie 2. durch Ausweitung i n Richtung auf eine Reihe von Nachbargebieten, wobei freilich sogleich vermerkt werden muß, daß der erstgenannte Vorgang — die Vertiefung — zum Teil erst durch den zweiten — die Ausweitung — möglich geworden ist 9 8 ." Wie alle wissenschaftlichen Disziplinen ist auch die Marketing-Forschung ein „offenes" System, d. h. kein i n sich geschlossenes Aussagengefüge, das von anderen wissenschaftlichen Disziplinen streng abgegrenzt ist. Das zeigt sich schon bei der Frage nach dem wirklichen Wesen eines Produktes und seiner Bedeutung für den Konsumenten, bei der, wie Lazer/Kelley schreiben, eine nur betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise als Problemlösung völlig versagt: „Firms often tend to conceptualize their products i n terms of technical, physical and manufacturing considerations. The more crucial considerations for company operations may be those of consumer perceptions of the want-satisfying characteristics of the product. Marketing management must be concerned w i t h such problems as consumer-product expectations, channel and brand image conveyed and the biological and psychological needs satisfied 97 ." Das bisher von der homo-oeconomicus-Prämisse fingierte wirtschaftliche Verhalten sowohl der Verbraucher als auch der Unternehmer akzentuierte lediglich das A d j e k t i v „wirtschaftlich", während Psychologie und Soziologie den Schwerpunkt auf das Substantiv „Verhalten" legen. Es leuchtet ein, daß eine Verhaltenstheorie, welche Regelmäßigkeiten des Verhaltens beschreibt, nicht leicht gefunden werden kann. Würden nur „ökonomische Sachzwänge" herrschen — wie z. B. dort, wo das Einkommen sich am Rande des Existenzminimums bewegt und Verhaltensänderungen meist eindeutig auf ökonomische Veränderungen zurückgeführt werden können — so stünden einer Prognose keine allzu großen Schwierigkeiten entgegen; die Formalisierung des Begriffs „economic man", die i n der auf Pareto zurückgehenden Theorie der Wahlakte ihren Höhepunkt erreicht hat, nachdem bereits die Grenznutzentheorie das Rationalkalkül immer stärker verfeinert hatte, gäbe ein brauchbares Modell ab. M i t der größeren individuellen Freiheit einer „Gesellschaft i m Überfluß" 9 8 erschweren sich jedoch die Voraussagen der Verhaltensforschung. 96

Nieschlag, R.: Marketing-Konzeption, S. 549. Lazer, W./Kelley, E. J.: S. 675 f. 98 Vgl. dazu die gleichlautende Veröffentlichung v o n Galbraith, J. K . : Die gesamtwirtschaftliche Bedingungslage ist v o n so großem Einfluß auf die 97

2. Spezieller Zuschnitt f ü r den Bereich des Instrumentariums

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Jegliche Wechselbeziehung zwischen den absatzpolitischen Instrumenten und damit jeder planvolle Marketing-Einsatz beruht nun i n starkem Maße auf Ergebnissen psychologischer Forschung — Oswald Spengler bezeichnet diese als ,Gegen-Physik' 99 —, seien es die Reiz-ReaktionsModelle, die eine direkte Verbindung zwischen Stimulus und ausgelöstem Verhalten unterstellen 10 °, oder die Vorstellungen der Gestaltpsychologie 101 , die die mechanische Verhaltensbetrachtung verwarf und ein differenziertes Modell aufstellte: das, was ein Individuum wahrnimmt, ist von der Organisation seiner Wahrnehmung abhängig, wobei die wichtigsten Strukturelemente Einstellungen, Erwartungen und Motive sind. Diese sog. „intervenierenden Variablen" erweitern das Reiz-ReaktionsSchema: Reiz — intervenierende Variable — Verhalten. Bei der Kombination der Absatzmittel sind daher nur solche Ausprägungen von Instrumenten „optimal", welche diese intervenierenden Variablen berücksichtigen, u m so einander zu unterstützen. Eine die Einstellung des Konsumenten verletzende Werbung würde den Aufforderungscharakter eines noch so günstigen Preises i n gravierender Weise ermäßigen. Die Nachfrage träte — als Funktion der Kauffähigkeit 1 0 2 — zwar auf, da aber die Kaufwilligkeit (als Sammelausdruck für psychologische Faktoren) ebenfalls bestimmendes Element der Nachfrage ist 1 0 8 , wäre durch einen solch antagonistischen Instrumentenverbund der Kaufakt i n Frage gestellt. Die Psychoanalyse, vertreten vor allem durch das Freudsche Modell 1 0 4 , hat i m Absatzsektor ebenfalls große Beachtung gefunden. Von den bei Interdependenzen, daß ihre Einflüsse i n einem gesonderten Abschnitt dieser Arbeit festgehalten werden müssen; vgl. dazu S. 267 ff. 99 Z i t i e r t nach: Hofstätter , P. R.: Gruppendynamik. Die K r i t i k der Massenpsychologie, H a m b u r g 1970, S. 181; diese Definition gibt einen deutlichen Hinweis auf die methodische Behandlung des vorliegenden Themas: die schwergewichtlich nicht quantifizierbaren u n d kalkulierbaren menschlichen Verhaltensweisen machen es unmöglich, eine i n starkem Maße auch auf den Erkenntnissen der Psychologie beruhende Deutung der Interdependenzen i m absatzpolitischen Instrumentarium i n einem mathematischen Modell vorzustellen. 100 E i n allgemein bekanntes Beispiel sind die Tierversuche v o n P a w l o w ; vgl. Thomae, HJFeger, H.: Hauptströmungen der neueren Psychologie, i n : Einführung i n die Psychologie, hrsg. v. C. F. Graumann, Bd. 7, Bern/Stuttgart 1970, S. 36 ff.' 101 Die Berliner Schule der Gestaltpsychologie baut w i e die anderen ganzheitlich orientierten psychologischen Schulrichtungen auf der v o n Chr. v. Ehrenfels entwickelten Lehre v o n der ,Gestaltqualität' auf; vgl. Jacobi, H.: Werbepsychologie. Ganzheits- u n d gestaltpsychologische Grundlagen der W e r bung, i n : Betrieb u n d M a r k t — Studienreihe — hrsg. v. K . Chr. Behrens, Bd. V I I , Wiesbaden 1963, S. 32 ff. 102 Diese ergibt sich aus dem Einkommen zuzüglich dem Vermögensverzehr u n d dem i n Anspruch genommenen Konsumkredit. 103 Diese Zwei-Komponenten-Betrachtung der Nachfrage findet sich bei Katona, G.: Das Verhalten der Verbraucher u n d Unternehmer, S. 348.

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1. T e i l : I I . Begriff u n d Wesen der Interdependenzen

Freud genannten drei Schichten der menschlichen Seele verkörpert die weitgehend unterbewußte „Es"-Schicht die Triebwelt, deren wichtigste Komponenten der Sexualtrieb und der Aggressionstrieb sind. I n Ausnutzung dieser Erkenntnisse vermag i n der Marketing-Praxis z. B. die Gestaltung eines Produktes unter Berücksichtigung entsprechender Symbolgehalte 105 dem Preis einen solchen Spielraum zu schaffen, daß er sich — ceteris paribus — über dem der i n der Produkt-Gestaltung anders agierenden Konkurrenz ansiedeln kann. Eine deskriptive Theorie der Interdependenz muß auch die Ergebnisse der Psychologie für das Verhalten des Unternehmers, der die Wechselwirkungen steuert, berücksichtigen. Die Theorie des Anspruchsniveaus (level of aspiration) 108 bedeutet den Abschied von der klassischen Maximierungshypothese und ist für die Erklärung der Interdependenzen insofern von großer Bedeutung, als der teleologische Charakter der Instrumente mehrere Zielsetzungen berücksichtigen und eine Kombination mit einem befriedigenden (satisfizierenden) 107 Zielerreichungsgrad auch schon „optimal" sein kann. Würde z. B. der Distributionskanal aus Gründen der Gewinnverbesserung die Aufnahme eines neuen Produktes ins Produktionsprogramm ermöglichen bzw. verlangen (etwa aus Gründen der Uberkapazität i m Vertreternetz), damit aber das Aspirationsniveau i m Hinblick auf das Ziel „Sicherheit" unterschritten, so würde eine entsprechende Interdependenz nicht ausgewählt bzw. hergestellt. Das Anspruchsniveau ist demnach eine intervenierende Variable, d.h. ein erklärendes Konzept, das eine logische Lücke zwischen Umweltbedingungen (stimulus) und darauf folgender Reaktion schließt 108 . Wenn es auch eine feststehende Tatsache ist, daß Marketing i m heutigen Stadium der Anregungen interdisziplinärer Forschungen dringend bedarf, sollen Fortschritte überhaupt noch erzielt werden, so bedeutet das nicht, daß die Psychologie die einzige oder entscheidende ergänzende Theorie wäre. Sie kann nämlich „nicht die Grundlage der Sozialwissenschaften sein. Erstens, w e i l sie selbst nur eine von den Sozialwissenschaf104 Vgl. Freud, S.: A b r i ß der Psychoanalyse, Frankfurt/M.—Hamburg 1971; ders.: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, F r a n k f u r t / M . 1961 (Die Psychoanalyse stellt die Grundlage der Motivforschung dar). 105 K o t l e r berichtet v o n dem Fall, daß ein Seifenfabrikant aus diesen Motiven heraus, nicht aber aus funktionellen Gesichtspunkten, das Seifenstück r u n d statt eckig gestaltet. Vgl. Kotler, Ph.: M a r k e t i n g Management, S. 88. 106 Vgl. u . a . Lewin, KJDembo, T./Festinger, LJSears, P. S.: Level of Aspiration, i n : Hunt, J. M. (Hrsg.): Handbook of Personality and Behavior Disorders, Bd. 1, New Y o r k 1944, S. 333 - 378. 107 Z u m Modell des ,satisficing man' hat sich besonders H. A . Simon geäußert; vgl. ders.: A Behavioral Model of Rational Choice, i n : Models of Man, Social and Rational, New Y o r k 1957, S. 241 - 260, insbes. S. 252 ff. 108 Vgl. Carnap, R.: Philosophy and Logical Syntax, London 1935, S. 89.

2. Spezieller Zuschnitt f ü r den Bereich des Instrumentariums

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t e n i s t : ,die menschliche N a t u r 4 v a r i i e r t b e t r ä c h t l i c h m i t d e n sozialen I n s t i t u t i o n e n , d a h e r setzt i h r S t u d i u m K e n n t n i s dieser I n s t i t u t i o n e n v o r aus. Z w e i t e n s w e i l die Sozialwissenschaf ten sich w e i t g e h e n d m i t d e n u n b e a b s i c h t i g t e n F o l g e n oder R ü c k w i r k u n g e n menschlicher H a n d l u n g e n befassen" 1 0 9 . D a m i t e r r e i c h e n w i r das G e b i e t der Sozialpsychologie u n d der Soziologie. W i e die N a t i o n a l ö k o n o m i e h a b e n auch diese Wissenschaften das A n l i e g e n , A t t i t ü d e n z u messen. I n der N a t i o n a l ö k o n o m i e h a b e n jedoch der R a t i o n a l i s m u s u n d I n d i v i d u a l i s m u s i h r e r M e t h o d e n „ u n d die d a n n einsetzende F o r m a l i s i e r u n g u n d E n t l e e r u n g v o n e m p i r i s c h e n G e h a l t e n die E n t f r e m d u n g b e i d e r D i s z i p l i n e n v e r u r s a c h t " 1 1 0 . A l s gebräuchliche, w e n n auch mechanische E r k l ä r u n g zeigen n u r die T h e o r i e der „ c o n s p i cuous c o n s u m p t i o n " 1 1 1 , die das P r e s t i g e m o t i v als b e s t i m m e n d e Größe des K ä u f e r v e r h a l t e n s h e r a u s s t e l l t , u n d E r s c h e i n u n g e n w i e der Snobeffekt — es w i r d n i c h t g e k a u f t , w e i l andere k a u f e n — oder der B a n d w a g g o n E f f e k t — es w i r d g e k a u f t , w e i l andere k a u f e n — die N a t i o n a l ö k o n o m i e als „ p a r t i e l l e Soziologie, n ä m l i c h die Soziologie der M a r k t b e z i e hungen"112. 109 Popper, K . R.: Das Elend des Historizismus, S. 123 f. Ebenso w i e die „ L o g i k der Forschung" des gleichen Autors ist die genannte Arbeit i n einer Schriftenreihe erschienen, die sich unter dem T i t e l „Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften" den Studien i n den Grenzbereichen der Wirtschaftsund Sozialwissenschaften w i d m e t (hrsg. v. E. Boettcher, unter M i t w i r k u n g von H. Albert, K . Borchardt, H. K . Schneider, R. Wildenmann, E. Witte). Diesem programmatischen Anspruch, der v o n der Marketingtheorie entscheidend gestützt werden muß, dürften auf anderen Gebieten als ,Vorreiter* w o h l am ehesten die von der Biologie her kommenden Wissenschaften, w i e Biochemie, Biokybernetik usw. gerecht werden, also an der Grenze v o n Belebtem u n d Unbelebtem, „ w o die sich lawinenartig entwickelnde interdisziplinäre F o r s c h u n g . . . i n die bisherige A u t a r k i e der Disziplinen entscheidende Breschen schlägt u n d die einzelnen Fächer zu einer neuen Einheit verbindet." (Bertaux) Die Gemeinsamkeit u n d Zusammenarbeit betont auch W i t t m a n n , w o h i n gegen Henzler die Gefahr des Dilettantismus bei Überschreiten der Grenzen eigener Zuständigkeit sieht. Der Kantschen These, daß es nicht Vermehrung, sondern Verunstaltung der Wissenschaften sei, w e n n man ihre Grenzen i n einanderlaufen läßt, können w i r uns i m vorliegenden F a l l nicht anschließen, da selbst ein bescheidener Versuch, die Interdependenzen i m absatzpolitischen Instrumentarium zu klären, auf interdisziplinäre Forschungsergebnisse nicht verzichten kann. Vgl. Bertaux, P.: Innovation als Prinzip, i n : Das 198. Jahrzehnt. Eine TeamPrognose f ü r 1970 bis 1980, H a m b u r g 1969, S. 479 - 493, S. 487 f.; Wittmann, W.: Entwicklungsweg u n d Gegenwartsauftrag der Betriebswirtschaftslehre, i n : ZfhF, N. F., 15. Jg., 1963, H. 1, S. 1 - 12; Henzler, R.: Der kulturelle Bezug w i r t schaftlicher Gegenstände, i n : Wirtschaft u n d Erziehung, 15. Jg., H. 2, 1963, S. 49 - 56. 110 Gäfgen, G.: S. 13. 111 Vgl. Vehlen, Th.: The Theory of the Leisure Class, N e w Y o r k 1899 (dtsch. Ausgabe: Theorie der feinen Leute — Eine ökonomische Untersuchung der Institutionen, K ö l n — B e r l i n o. J.).

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1. T e i l : I I . Begriff u n d Wesen der Interdependenzen

Weit aufschlußreichere, w e i l differenziertere Ergebnisse brachte die Sozialpsychologie, die ausschließlich das menschliche Verhalten i m Rahmen einer mitmenschlichen Umwelt zu ihrem Untersuchungsobjekt machte. Die Kenntnisse der Gruppentheorie und der Gruppendynamik, so z. B. das Wissen u m Probleme der Beziehungsgruppen (Referenzgruppen), haben der Marketingtheorie wertvolle Impulse verliehen. Die Ergebnisse der Diffusionsforschung 113 sind für die optimale Kombination der Instrumente unentbehrlich geworden. M i t den Beiträgen der Anthropologie, der Kulturökologie und der Wissenschaft von der Politik 1 1 4 schließt sich der Kreis der Teildisziplinen der Verhaltenswissenschaften, die i m modernen Marketingdenken eine ausschlaggebende Rolle spielen. Die Variablen, welche die Kaufwilligkeit der Konsumenten und damit die Interdependenz der Instrumente bestimmen, lassen sich jetzt als aus der Wahrnehmung, Erfahrung, Gruppenzugehörigkeit, den Motiven, Einstellungen und Erwartungen zusammengesetzt festlegen 115 . Einem solchen synthetischen Ansatz entspricht die schon mehrfach erwähnte „Feldtheorie" von K u r t L e w i n 1 1 6 ; diesem Lehrgebäude wurde durch E. Ch. Tolman ein ähnliches Verhaltensmodell zur Seite gestellt 1 1 7 : die intervenierenden Variablen des „Verhaltensraumes" — Inbegriff der Interaktionen zwischen der aktuellen Reizsituation und dem „Vorrat" an Kategorisierungen, Annahmen und Bewertungen, welche der Handelnde dieser aktuellen Reizsituation entgegenbringt. Es bleibt ein Wort zu sagen zu der häufig geäußerten Ansicht, ein solches Käuferverhalten müsse passiv hingenommen werden, wodurch die Wechselbeziehungen i n ihrer Ausprägung nahezu festgelegt wären. 112 Albert, H.: Marktsoziologie u n d Entscheidungslogik, ökonomische Probleme i n soziologischer Perspektive, Neuwied/Rh.—Berlin 1967, S. 256. — Dieser A u t o r schlägt vor, die Wirtschaftswissenschaft i n eine Soziologie des Verhaltens münden zu lassen. Vgl. Albert, H.: Der logische Charakter der theoretischen Nationalökonomie, i n : Jahrbücher f. Nationalökonomie und Statistik, 171. Bd., 1959, S. 1 - 13. 113 Sie beruht i n erster L i n i e auf einer Analyse der Rolle von Meinungsführern (opinion leaders) i m Kommunikationsprozeß; vgl. Rogers, E. M.: D i f fusion of Innovations, New Y o r k 1965. 114 Diese i m Rahmen der vorliegenden Arbeit weniger bedeutungsvollen Disziplinen behandelt i n ihrem Einfluß f ü r die Handelsforschung eingehend Tietz, B.: Grundlagen der Handelsforschung. Marketing-Theorie, l . B d . : Die Methoden, Rüschlikon—Zürich 1969, S. 46 ff. 115 Vgl. Bohn, P.: M a r k e t i n g u n d Verhaltensforschung. Wie w i r d aus dem Verhaltensspielraum der Konsumenten Marktgewinn? E i n entscheidungstheoretischer Ansatz der Sozialpsychologie, i n : absatzwirtschaft, Jg. 13, Febr. 1970, H. 3, S. 22 - 31, hier S. 26. 116 v g l . Fußnote 110 auf S. 36. 117 Vgl. zu diesen beiden Formen der Integration verschiedener Arbeitsansätze i n der Psychologie Thomae, HJFeger, H.: S. 142 ff. u n d S. 147 ff.

2. Spezieller Zuschnitt f ü r den Bereich des Instrumentariums

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„However, i n accepting such a multi-dimensional approach, we must guard against the possible error of viewing human conduct as merely a passive adaption to entironmental conditions. I t may be w e l l to recall that from a management point of view, the job of the marketer is to stimulate the consumer to an action response compatible w i t h marketing and corporate goals 118 ." Diese aktive Einflußnahme w i r d das Beziehungsgeflecht der absatzpolitischen Instrumente verändern, müssen doch Gewohnheiten der Konsumenten durch i n Gang gesetzte Lernprozesse durchbrochen werden. Hier sagt uns die Psychologie, daß nur dann eine Verhaltensänderung erreicht werden kann, wenn die Kräfte, die auf eine Änderung des Verhaltens hinwirken, stärker sind als der Wille, an einer Gewohnheit festzuhalten. Neben diesen quantitativen und/oder qualitativen Erfordernissen an die Instrumente muß auch ihr zeitlicher Einsatz (Timing) beachtet werden, wenn die erzielte Verhaltensweise von Dauer sein soll: die A k t u a l i tät der Information verlangt einen wiederholten Einsatz bestimmter Absatzmittel. Die Optimierung über mehrere Perioden hinweg kann darüber hinaus nur erreicht werden, wenn die gewählte Kombination dem Konsumenten ein Lernen aufgrund von Einsicht ermöglicht, nicht als Folge von Überredung, da dies nur von kurzer Dauer sein kann 1 1 9 . Der deskriptive Teil vorliegender Untersuchung läßt die Bedeutung der sog. „Diagonalwissenschaften" 120 , also Systemtheorie und Mathematik, sichtbar werden. Die Aufhebung der Prämisse vollkommener Information verlangt ausgewählte Meßtechniken, u m über den Weg „optimaler Einsatz eines Instrumentes" auch die Ausprägung anderer absatzpolitischer Instrumente bestimmen zu können. Die Wandlung des Marketing i m methodischen Ansatz drückt sich vor allem aus i n der zunehmenden Verwendung mathematischer Entscheidungsmodelle, insbesondere aktivitätsanalytischer und spieltheoretischer A r t 1 2 1 , deren Kalkülstruktur der absatzpolitischen Problematik stärker 118

Lazer, W./Kelley, E. J.: S. 690. Die Lerntheorie liefert damit einen deutlichen Hinweis auf die N o t wendigkeit, die Folgen von Innovationsprozessen zu überdenken, u m nicht kurzfristig Marketingerfolge zu „feiern", die langfristig — z. B. i m F a l l des Umweltschutzes — an einer sich wandelnden Einstellung bzw. dem „ A u f m e r ken" des Verbrauchers scheitern müssen. Die ,social responsibility* verlangt daher ein gestärktes soziales u n d ökologisches Bewußtsein des K o m b i n a t i o nen „kreierenden" Unternehmers; vgl. Hilgard, E. R J Bower, G. H.: Theorien des Lernens, Bd. I + I I , Stuttgart 1970. 120 Dieser Begriff umfaßt den Bereich, der auch als formalistische Wissenschaft bezeichnet w i r d ; vgl. Bertaux, P.: S. 487. 121 Vgl. u . a . Menges, G.: Grundmodelle wirtschaftlicher Entscheidungen. Einführung i n moderne Entscheidungstheorien, unter besonderer Berücksichtigung volks- u n d betriebswirtschaftlicher Anwendungen, Köln—Opladen 119

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1. T e i l : I I . Begriff u n d Wesen der Interdependenzen

angemessen ist als die der herkömmlichen Marginalanalyse neoklassischmikroökonomischer Prägung. Der interdisziplinäre Ansatz geht noch weiter: gewisse institutionelle Gegebenheiten — Bestandteile des Bedingungsrahmens einer Unternehmung — sind i n der Wirtschafts- und Rechtsordnung eines Landes verankert. Ihre Berücksichtigung läßt i n manchen Fällen ein normativ gegebenes Beziehungsgeflecht i n seinen Dimensionen noch variieren. Rabattgesetz, Zugabeverordnung und die i m Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen abgegrenzte Preisbindung sind nur einige der Rechtsnormen, die Instrumenten-Komplementarität und -Substitution beeinflussen. Selbst wenn die Ergebnisse anderer Wissenschaftsgebiete für das Marketing als angewandter Wissenschaft nur selektiv verwendbar sind 122 , so w i r d doch deutlich, daß der System-Ansatz eine solche Vielzahl von Einflüssen aller Schattierungen auf die Kombination der Instrumente aufzeigt, daß i m Sozialsystem der Unternehmung marketing-orientierte Fachleute eine besondere Stellung innehaben; da sie besondere Fähigkeiten aufweisen müssen, gehören sie zu den gesuchtesten Kräften einer jeden Unternehmung 1 2 3 . Die Tatsache, daß jede Interpretation existierender Interdependenzen vom derzeit realisierbaren Stand unseres interdisziplinären Wissens abhängt, zeigt die UnVollkommenheit eines solchen Versuchs. Die Offenheit eines jeden auf dem Marketing-Sektor Tätigen gegenüber neuen Ergebnissen der Forschung und Praxis ist unabdingbare Voraussetzung für ein i n Zukunft erfolgreiches Marketing; denn „the rate of acceleration of marketing knowledge confronting marketing managers over the next 25 years c o u l d . . . be nearly as great as that of the past Century" 124 .

1969, S. 123 ff. u n d S. 227 ff. Die A n w e n d u n g solcher Modelltechniken i m Bereich des M a r k e t i n g läßt sich studieren u.a. bei Bass, F. M . et al. (Hrsg.): Mathematical Models and Methods i n Marketing, Homewood/Ill. 1961; Buzzell, R. D.: Mathematical Models and M a r k e t i n g Management, Boston 1964. 122 Weil die wirtschaftlich relevanten Bereiche dieser Disziplinen häufig sehr schmal sind und/oder die von dort zu erwartenden Beiträge aufgrund unterschiedlichster, i n ihren Ergebnissen häufig voneinander abweichenden Forschungsrichtungen (z. B. die verschiedenen psychologischen „approaches") n u r bei besonderer Experimentierfreude A n w e n d u n g finden können. 123 Z u diesem Ergebnis k o m m t eine Studie der Unternehmensberatung Kienbaum, die den Bedarf an Führungskräften untersuchte; vgl. Witt, M.: Der M a r k t hat noch Reserven, i n : Die Zeit, Nr. 36 v. 4. 9.1970, S. 42. Die „Bestückung" der marketingorientierten Organisation m i t Fachleuten verschiedener Wissenschaftsgebiete ist i n Großunternehmungen u n d Beratungsfirmen bereits seit langem üblich. 124 Lazer, W./Kelley, E. J.: S. 675.

2. Spezieller Zuschnitt f ü r den Bereich des Instrumentariums 24. Interdependenzen

und optimale

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Kombination

Als das Kernproblem absatzwirtschaftlicher Fragen hat die optimale Kombination i n der Literatur relativ geringe Beachtung gefunden. Lösungsversuche beschränken sich aufgrund der offen zutage tretenden Komplexität dieses Themas auf Ansätze rein formaler A r t , wie etwa der Gutenbergs, der zum ersten postuliert, daß bei gegebenem Ertrag die Kosten minimiert werden müssen, zum zweiten dann fordert, daß bei gegebenem Absatzkostenaufwand der maximale Ertrag bestimmt wird 1 2 5 . Hier haben sich lediglich die beiden Varianten des Rationalprinzips expressis verbis niedergeschlagen. I m Grunde handelt es sich u m ein Entscheidungsmodell, das als statisches Zustandsmodell i n seiner funktionalen Struktur zwar einen nicht linearen Verlauf der Wirkungsparameter unterstellt, die funktionalen Abhängigkeiten zwischen den Instrumenten aber i n keiner Weise berücksichtigt. Die Wirksamkeit eines Absatzmittels ist aber gleichzeitig immer eine Funktion der Kombination, i n der es eingesetzt wird. Das beschränkt-rationale Verhalten des Wirtschaftssubjektes verbietet es aber, für das angestrebte Optimierungsmodell den komplizierten Sachverhalt „auf ein relativ einfaches System der hauptsächlichen W i r kungsgrößen zu reduzieren m i t dem Zweck, die Verständlichkeit dadurch zu erhöhen und allgemeine ökonomische Zusammenhänge und Denkformen darzustellen" 120 . Diese Zusammenhänge tragen dann nämlich i n keiner Weise mehr der postulierten relativen Isomorphie zwischen Modell und Realität Rechnung, die Aussagen wären nicht operational bzw. würden ein so vergröbertes B i l d der Optimalkombination liefern, daß die absatzwirtschaftliche Forschung durch ein solches „Modell" keinen Beitrag zur praktischen Realisation von Absatzkonzeptionen leisten würde. Gerade diese Zusammenhänge, Interdependenzen, werden immer wieder als einer der Hauptgründe für die Schwierigkeiten angeführt, die das Streben nach einer optimalen Kombination der absatzpolitischen Instrumente bereitet 127 . Während die anderen Bestimmungsfaktoren des absatzwirtschaftlichen Kombinationsprozesses 128 — wie Wirtschaftssystem und betriebliche Zielsetzung, A r t der Betriebsleistung (Produkt, Ware, Dienstleistung), Branche, Betriebsgröße ( = Quantität der Produktionsfaktoren einschließlich der vorhandenen finanziellen Mittel) und Qualität 125

Vgl. Gutenberg, E.: Der Absatz. S. 497 ff. Wittmann, W.: Betriebswirtschaftslehre u n d Operations Research, i n : ZfhF, N. F., Jg. 10,1958, S. 285 - 297, hier S. 292 f. 127 So u.a. Dichtl, E.: Wesen u n d S t r u k t u r absatzpolitischer Entscheidungen, S. 142; Montgomery, D. B./Urban , G. L.: S. 4; Kotler, Ph.: M a r k e t i n g Management, S. 172. 128 Die Aufzählung folgt Banse, K . : Sp. 5990. 126

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1. T e i l : I I . Begriff u n d Wesen der Interdependenzen

der Produktivfaktoren, vertragliche und gesetzliche Regelungen, die Struktur und Situation auf dem Beschaffungs- und Absatzmarkt sowie der Beschäftigungsgrad — i n ihrem Einfluß zu objektivieren sind, gibt es kein geeignetes Rechenverfahren, um die Abhängigkeit der Instrumente voneinander zu erfassen. Weder die partielle Differentiation noch die Methode des Lagrangeschen Multiplikators oder die verschiedenen Verfahren der linearen und dynamischen Programmierung 1 2 9 können als Lösungsalgorithmen infrage kommen. Als Bestimmungsgröße der Optimalkombination kann die Interdependenz der Instrumente nur über die Konsumentengegebenheiten erfaßt werden, wobei die gesamte andere absatzwirtschaftliche Bedingungslage Berücksichtigung finden muß. Der Begriff der Interdependenz ist dabei wesentlich weiter als der der optimalen Kombination: Aus der Fülle möglicher Interdependenzen zieht diese — da entscheidungsorientiert 1 3 0 — eine ganz bestimmte „ S t r u k t u r " heraus, die i m konkreten Fall genau das richtige Maß an Substitution und Komplementarität zwischen den Absatz-Mitteln darstellt. Somit ist jede Beschreibung von Interdependenzen nur möglich, wenn eine exakte Definition dieser „konkreten Fälle" gegeben w i r d ; denn aus der unüberschaubaren Zahl von Wechselbeziehungen i n der Realität interessieren nur die, die i n bestimmten Absatzsituationen gegeben sind. Somit werden die Bestimmungsfaktoren der optimalen Kombination auch Einflußfaktoren der InterdependenzDarstellung, da sie praktisch die Momentaufnahme dieser Wechselbeziehungen durch ein Herausgreifen unter diesen bestimmten Aspekten ermöglichen. Von Situation zu Situation variieren diese Beziehungen, die i m übrigen nur aus praktischen Gründen, nämlich zur Verdeutlichung der Erfordernisse i m Optimierungsprozeß, als Einflußfaktor der Optimalkombination herausgestellt werden können. Es leuchtet ein, daß jegliche Zusammenstellung bestimmter Absatz-Instrumente Interdependenzen berücksichtigt bzw. unbewußt entstehen läßt. Denn „das Ganze ist Verwebung des Einzelnen i n eine Ordnung, die nicht nachträglich die vorhandenen 129 Dieses Verfahren wurde von R. B e l l m a n n konzipiert u n d dient zur Lösung sog. mehrstufiger Entscheidungen. Die vorgeschlagene A r t sukzessiver Optimierung wäre zwar ein gangbarer Weg, doch ist die dem Modell zugrundeliegende Prämisse, daß die Nutzenbewirkungen der einzelnen absatzpolitischen Instrumente sowohl unabhängig als auch addierbar sind, so u n realistisch, daß die Forderung, Wechselwirkungen zu berücksichtigen, auch hier nicht erfüllt w i r d . Vgl. Bellmann, R. E.: Dynamic Programming, Princeton/ N . J . 1957; Bellmann, R. E.¡Dreyfus, S. E.: A p p l i e d Dynamic Programming, Princeton/N. J. 1962; Ferschl, F.: Grundzüge des Dynamic Programming, i n : Unternehmensforschung, Bd. 3 (1959), S. 70 - 80; Howard, R. A.: Dynamic Programming and M a r k o v Processes, New Y o r k 1960. 130 Die K o m b i n a t i o n ist Ausdruck einer Tätigkeit, während die I n t e r dependenzen Zustandscharakter haben.

2. Spezieller Zuschnitt f ü r den Bereich des Instrumentariums

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Dinge zurechtrückt, sondern überhaupt erst sie i n ihre Bestimmtheit auseinandertreibt" 131 . D . h . daß die strategische Planung, die lediglich als Kombination der Instrumente ohne Berücksichtigung von Wechselbeziehungen dargestellt w i r d 1 3 2 und auf die als Element taktischer Planung die sog. „Feinabstimmung" der Instrumente folgt, auch schon Interdependenzen berücksichtigt; denn keine Zusammenstellung von Systemelementen ist ohne Wechselbeziehungen denkbar. Es ist eine andere Frage, daß i n praxi nur dann keine Abstraktion vom Menschen und den Determinanten seiner Verhaltensweisen i m Arbeitsund Problemlösungsprozeß gegeben ist, wenn der Optimierungsprozeß i n der o. g. A r t und Weise getrennt dargestellt wird. Denn die Kombination einer bestimmten Produktpolitik m i t der gleichzeitigen Aufstellung eines Kundendienstes erscheint dem i n der Praxis Tätigen noch nicht als „Abstimmung", obwohl eindeutig die Tatsache, daß der K u n dendienst einer bestimmten Produktpolitik komplementär ist und er wiederum i n seiner Existenz nur durch die Produktpolitik bedingt wird, ein Zeichen für Interdependenz-Berücksichtigung ist. Betrachten w i r die relevanten Phasen des Entscheidungsprozesses, also Such-, Optimierungs- und Durchführungs- bzw. Kontrollphase, so w i r d deutlich, daß sich das Problem der Interdependenz nicht auf einen Teilbereich dieses Phasenschemas festlegen läßt. So wie die Kombination ein kontinuierlicher Prozeß ist, so verändern sich die bei der Optimierung berücksichtigten Interdependenzen aufgrund der „Offenheit" des absatzwirtschaftlichen Systems dauernd; ja, sie können als die eigentliche Ursache des „kontinuierlichen" Kombinationsprozesses gelten. Die Kontrollphase w i r f t also ebenso wie die Suchphase (Beispiel: Produktpolitik — Kundendienst wie oben) das Problem der Wechselwirkung auf. Es läßt sich denken, daß diese Zweiteilung des Kombinationsprozesses, der i n seinem ersten Stadium nur „Suboptima" realisiert, darauf zurückzuführen ist, daß jedem Instrument ein bestimmter Grundnutzen und ein Zusatznutzen zugeschrieben werden können. Diese „Kraftkomponenten" lassen sich vektoriell darstellen (vgl. Schaubild 9, S. 94), wobei der Vektor A (Grundnutzen) auf den M a r k t zielt (z. B.Werbung als informierender, zunächst einmal nur aufmerksam machender Impuls), während der vom gleichen Instrument ausgehende Vektor B (Zusatznutzen) auf das i h m zur Seite gestellte Instrument i m Absatzsystem hinzielt und dieses verändert (z. B. die Werbung, die das Produkt-Image verbessert, u m es nach Möglichkeit m i t dem Selbst-Image der zu umwerbenden Personen zur Deckung zu bringen). Jedes Absatzmittel besteht nämlich aus 131 132

S. 16.

Rombach, H.: S. 35. So stellt sich der A b l a u f der Marketing-Planung dar bei Stern, M. D.:

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1. T e i l : I I . Begriff u n d Wesen der Interdependenzen

einem Wesenskern, den man — analog der Beziehungslehre i n der Soziologie 1 3 3 — als unveränderlich kennzeichnen kann, wohingegen die „Schale" durch das Geflecht der Wechselbeziehungen m i t anderen Elementen des gleichen Systems verändernde Einwirkungen erfährt 1 3 4 . Schaubild 9

Grund- und Zusatznutzen von Instrumenten, dargestellt am Beispiel der „Werbung" und der „Produktpolitik"

Werbung

Produktpolitik

Die Optimierung der Absatzkonzeption verlangt also ein Studium der Effizienzkriterien einzelner Instrumente bzw. Submixe, um vor allem die Frage ihrer inneren stilmäßigen Ubereinstimmung zu klären. Denn der Vektor B kann die „Schale" des anderen Aktionsparameters und damit dessen Ausstrahlungskraft sowohl verbessern als auch beeinträchtigen. Darüber hinaus vermag der Vektor A eine solche Kraft darzustellen, daß die von i h m ausgehende A t t r a k t i v i t ä t für den Konsumenten die unterstützende Hilfe des Vektors B eines anderen Instrumentes nicht benötigt, i m Gegenteil auch den Vektor A des anderen Instrumentes entbehrlich macht, d. h. i h n v o l l substituiert. Ein bestimmter Absatzerfolg kann also m i t unterschiedlicher Verwendung absatzpolitischer Instrumente erreicht werden, was nichts anderes besagt, als daß für diesen Fall ein „Indifferenzsystem von Instrumentalvariablen" 1 3 5 existiert. Aus der Vielzahl möglicher Interdependenzen ist nur i m Fall idealtypischer Steuerungsvoraussetzungen ein einziges solches System tatsächlich optimal: dasjenige, welches der Minimal133 Ygi wiese, L . v.: Allgemeine Soziologie, S. 143 f. 134 Die gleiche Ansicht findet sich i n der Ontologie, wo die Substanz als der Wesenskern eines Subjektes herausgearbeitet w i r d , i n der Empirie aber nicht anzutreffen ist, da die Isolation aus einem System n u r theoretisch gelingt: „ A b s t r a k t ist die Substanz deshalb, w e i l sie apriorischer Horizont bleibt, der der Konkretion, der F ü l l u n g bedarf — es genügt nicht, daß (irgend) Etwas (überhaupt) gewußt w i r d , es muß vielmehr Bestimmtes gewußt w e r d e n . . . " ; Brockard, H., S. 58 ff.

2. Spezieller Zuschnitt f ü r den Bereich des Instrumentariums

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kostenkombination entspricht. „Theoretically, given perfect knowledge about the needs and preferences of specific target customers, uncontrollable variables and the interaction of the four P's (place, price, product, promotion 1 3 6 , Anm. d. Verf.), one marketing m i x w i l l be best. . . . If all the necessary information were available and the marketing manager could act like a giant computer — weighing the advantages and disadvantages of all combinations or possible combinations — then a single best m i x would be specified 137 ." W i r wollen i m Verlauf der Untersuchung eine Vielzahl möglicher Interdependenzen, die jeweils einer bestimmten absatzwirtschaftlichen Bedingungslage entsprechen, behandeln. Somit w i r d über die Bestimmungsfaktoren der Kombination, die die Komplexität der Realität i n ihren wichtigsten Dimensionen erfassen sollen, auch das Netz der Beziehungen sichtbar. W i r d unter dem Aspekt einer ganz bestimmten anzusteuernden Zielgruppe ein Instrument zum „Schwingen" gebracht, so sollen die Folgewirkungen auf andere Elemente des absatzpolitischen Systems eruiert und ebenso deren „Reactio" dargestellt werden. Natürlich wäre i n Anbetracht einer homogenen Zielgruppe — ceteris paribus — die Interdependenz festgelegt; unter Aufgabe dieser Prämisse existieren jedoch i m Hinblick auf die Vielzahl möglicher Zielgruppen eine Vielzahl von Interdependenzen und eine Vielzahl von optimalen Kombinationen. Die Berücksichtigung anderer Unternehmungs- und Marktbedingungen, wie verschiedene Zielsetzungen, unterschiedlicher Liquiditätsstatus oder alternative Konkurrenzlagen 1 3 8 , verändert immer wieder die Interdependenzsituation. Die Aufgabe einer Ein-PeriodenBetrachtung zugunsten eines weiteren Planungshorizontes macht erst recht deutlich, daß nicht eine Kombination maximaler Ausschöpfung der Marktmöglichkeiten gegeben ist, sondern nur optimale Lösungen i m Hinblick auf mehrere Einflußvariable, also Ziele und Nebenbedingungen, existieren.

135 Gutenberg, E.: Der Absatz, S. 109 136 y g i McCarthy, J. E.: Basic Marketing. A Managerial Approach, 2. Aufl., Homewood/Ill. 1964, S. 38. 137

McCarthy, J. E.: S. 872. Hierbei w i r d nicht so sehr an Marktformenschemata gedacht, die als K r i t e r i e n die Anzahl der Marktteilnehmer u n d die Vollkommenheit des M a r k tes wählen (Möller), sondern an die „Theorie der Verhaltensweisen" (Frisch, Schneider), die besagt, daß die morphologische S t r u k t u r des Angebots u n d der Nachfrage f ü r den A b l a u f des Wirtschaftsprozesses i n der Zeit nicht entscheidend, vielmehr allein die Verhaltensweise der Wirtschaftssubjekte relevant ist; vgl. Möller, H.: Kalkulation, Absatzpolitik u n d Preisbildung, S. 39; Frisch, R.: Monopole — Polypole. L a notion de forcé dans l'économie; Schneider, E.: Einführung i n die Wirtschaftstheorie, 2. Teil, S. 59 - 85. 138

96

1. T e i l : I I I . Die Einordnung der Thematik

i n . Die Einordnung der Thematik 1. Die Bedeutung des Problems für die Unternehmungspolitik

Unter Berücksichtigung der oben gemachten Ausführungen über Systemhierarchien 1 fällt es nicht schwer, das absatzpolitische System als Subsystem der Unternehmung zu bezeichnen. Diese ist als künstliche Einheit aus personalen und materiellen Elementen zusammengesetzt, deren Koordination weitgehend durch den Informationsstand und die Zielkomponenten „Inhalt" und „Ausmaß" determiniert ist. I n der betriebswirtschaftlichen Literatur hat sich diese Anwendung des Formalkonzepts der Systemtheorie auf die Unternehmung weitgehend durchgesetzt 2 . Dabei werden jedoch die Klassifikationskriterien zur Bildung der Systemhierarchien sehr unterschiedlich gewählt. Die ältere betriebswirtschaftliche Forschung neigt überwiegend zur funktionalen Einteilung der Unternehmung, die als aus den Subsystemen Absatz, Finanzierung, Produktion und Beschaffung zusammengesetzt gedacht wird. Diese Untersysteme sind allerdings Abstraktionen. „Sie ergeben sich, indem man alle Handlungen und Entscheidungen, die der Erfüllung einer bestimmten Systemfunktion dienen, zu einer Kategorie zusammenfaßt und mehr oder weniger isoliert von anderen Kategorien untersucht 3 ." Entgegen diesem Konzept zielen strukturelle Subsysteme der Unternehmung darauf ab, konkrete Gruppen m i t formalem oder informalem Charakter vorzustellen; deren Mitglieder sind nicht durch das Prinzip der Partialinklusion 4 nur einer A r t eines sozialen Systems zugeteilt, sondern werden i n der Totalität ihrer „Rollen" gesehen — also i n all den unterschiedlichen Aufgaben, die einem Individuum i n der Unternehmung obliegen. Da i n der Praxis eine Zusammenschau beider Gliederungsprinzipien intendiert wird, liegt es nahe, das absatzpolitische System als funktional-strukturelles Subsystem zu betrachten, dessen Konkretisierung i m Verhältnis zu anderen Subsystemen i n einer Systematik von Katz und 1

Vgl. K a p i t e l I, 32 i m ersten T e i l dieser Arbeit. Die Veröffentlichungen des Tavistock Institute of H u m a n Relations k ö n nen als Initialzündung i n dieser Richtung angesehen werden; vgl. Miller, E. J./ Rice, A . K . : Systems of Organizations, London usw. 1967. 3 Kirsch, W.: Entscheidungen u n d Entscheidungsprämissen i n der U n t e r nehmungsorganisation — Elemente einer deskriptiven Theorie der I n d i v i d u a l entscheidung, unveröffentlichte Habilitationsschrift, München 1968, S. 14. 4 Hierbei w i r d n u r ein T e i l des „Rollenrepertoires" eines Individuums beansprucht. Das Prinzip basiert also auf der psychologischen Rollenkonzeption, wobei die Rollen spezifische Verhaltenserwartungen, die m i t bestimmten A u f gaben i n Verbindung gebracht werden, beschreiben; vgl. Katz, DJ Kahn, R. L.: The Social Psychology of Organizations, New Y o r k usw. 1966, S. 37 ff. 2

1. Die Bedeutung des Problems f ü r die U n t e r n e h m u n g s p o l i t i k 9 7

Kahn sinnfällig wird. Diese teilen die Unternehmung i n fünf Subsysteme ein 5 : (1) das „productive or technical subsystem" m i t der Aufgabe der Leistungsprogrammerstellung, (2) das „supportive subsystem", das die Beziehungen zum Beschaf fungs- und Absatzmarkt sowie zur nicht unmittelbar am Transformationsprozeß beteiligten Umwelt (Public Relations) herzustellen und aufrechtzuerhalten hat, (3) das „maintenance subsystem", das i m großen und ganzen m i t dem Bereich der Personalwirtschaft gleichgesetzt werden könnte, (4) das „managerial subsystem", dem die Koordinationsfunktion obliegt und (5) das „adaptive subsystem", dessen Aufgabe darin besteht, das Uberleben der Unternehmung zu sichern. Der Absatzbereich gehört m i t seinen Transaktionsbeziehungen zur Umwelt eindeutig zum „supportive subsystem", die Klärung der Interdependenzen ist eine Funktion des „managerial subsystems". Diese Koordinierungstätigkeit w i r d i n allen anderen Subsystemen praktiziert und kehrt dann auf einer höheren Hierarchiestufe wieder, nämlich der der gesamten Unternehmungspolitik. Unser Analyseziel liegt darin, den besonderen Einfluß eines nicht nur auf Koexistenz, sondern auf Kooperation von Produkt-, Distributionund Kommunikationsstrategie beruhenden Marketing-Mix' auf diese Unternehmungspolitik darzustellen. Welche Impulse gehen von einer derartigen „ökonomisierung" der Teilpolitik „Absatz" auf die anderen Subsysteme der Unternehmung aus 6 ? Ist sie bestimmendes Element i n den Entscheidungen der zielbildenden Kerngruppe 7 oder können die i m Absatzbereich festgestellten Wechselwirkungen unter Rücksichtnahme auf andere Teilpolitiken nicht realisiert werden, weil aus übergeordneten Interessen Modifikationen erforderlich sind? Die wachsende Größe heutiger Unternehmungseinheiten und ihre damit zwangsläufig korre5

Ebenda, S. 39 - 47 u n d S. 85 ff. I n sehr kasuistischer Weise hat sich Schwarz diesem Problem zugewandt, wodurch jegliche Möglichkeit genereller Aussagen verbaut w i r d — E r k l ä r u n gen möglicher Fälle i m Sinne v o n Poppers Reduktionshypothese anstelle v o n Katalogen möglicher Fälle werden nicht geliefert; vgl. Schwarz, H.: G r u n d fragen der A b s t i m m u n g v o n Materialbeschaffung, Fertigung u n d Vertrieb, Freiburg i . B . 1959; Popper, K . R . : L o g i k der Forschung, S.31 ff. (Die analytische Wissenschaftstheorie verlangt die Reduktion v o n speziellen Hypothesen auf solche höherer Allgemeinheit.) 7 Vgl. zu diesem Begriff Heinen, E.: Das Zielsystem der Unternehmung, S. 201 ff. 6

7 Linssen

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1. Teil: I I I . Die Einordnung der Thematik

lierende weitere Entfernung vom Markt machen solche Informationen für das „Uberleben" des Gesamtsystems unentbehrlich. Die festgestellten Wechselbeziehungen zwischen dem Preis und anderen Absatzinstrumenten prägen die Erlösseite des Absatz-Finanzplans. Alle Nicht-Preis-Parameter beeinflussen die Kostenseite, so daß die Notwendigkeiten, die sich aus der Absatzsituation der Unternehmung ergeben, festliegen. Das Allokationsproblem der Finanzen w i r d hierdurch entscheidend beeinflußt, da bei gegebenem Budget ein expandierendes Finanzvolumen beim Absatzplan die Investitionsvorhaben anderer Teilpolitiken beeinträchtigen muß und vice versa. Das „supportive subsystem" Finanzierung w i r d auch von absatzpolitisch notwendigen Modalitäten bei den Zahlungsbedingungen und/oder die Ausgestaltung der Kreditbedingungen stark betroffen, da die Existenzvoraussetzung aller Betriebe, die Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts 8 , berührt wird. Die A k t i v i t ä t der Finanzabteilung ist hier meist abgeleitet aus den Plandaten des Subsystems „Absatz". Sieht man die Öffentlichkeitsarbeit als ein Instrument der Unternehmungspolitik an 9 , da sie sich nicht nur auf den Absatzbereich, sondern auch auf den der Finanzierung, der Produktion und der Personalpolitik erstreckt, so w i r d deutlich, daß die absatzwirtschaftliche Relevanz dieses Mittels seine Ausprägung auch bei Interaktionen auf anderen Gebieten mehr und mehr bestimmt 1 0 . Die erkannte absatzpolitische Bedeutung des Standorts, d.h. seine komplementäre bzw. substituierende Funktion gegenüber anderen Instrumentalvariablen lassen weitere Schlußfolgerungen zu: Die z. B. aufgrund traditioneller Machtstrukturen i n der Unternehmung einseitige Orientierung des Standorts nach beschaffungspolitischen Gesichtspunkten (Arbeitskräfte, Rohstoffe) — ein Ausfluß der Entscheidungen anderer „supportive subsystems" — bedarf der Veränderung; denn die Schwierigkeiten auf diesen Sektoren werden häufig nur deshalb als entscheidungsdeterminierend angesehen, w e i l der Dienstleistungsbedarf des Kunden i m Hinblick auf die „Raumüberbrückung" durch den Lieferanten nicht deutlich genug erkannt wurde 1 1 . 8 M i t Gutenberg läßt sich dieses Prinzip als „systemindifferent" bezeichnen, da es allen Betrieben — gleich i n welcher Wirtschaftsordnung sie sich befinden — gemeinsam ist; vgl. Gutenberg, E.: Die Produktion, S. 446 f. 9 Vgl. Meissner, G.: Öffentlichkeitsarbeit als Instrument der Unternehmenspolitik, i n : Betriebswirtschaft u n d M a r k t p o l i t i k , Festschrift f. R. Seyffert zum 75. Geburtstag, K ö l n u n d Opladen 1968, S. 353 - 371. 10 E i n gutes Beispiel bietet die Veröffentlichung der Bilanzdaten v o n 1970 durch die Bayerische Motoren Werke A G , München, i n allen führenden deutschen Tageszeitungen. Die kommentierte A b b i l d u n g eines ihrer Produkte begleitet die ansonsten nüchterne Darstellung des Zahlenwerkes. Vgl. SZ Nr. 162 v. 8. 7.1971, S. 23.

1. Die Bedeutung des Problems f ü r die Unternehmungspolitik

99

Das „ p r o d u c t i v e o r t e c h n i c a l s u b s y s t e m " w i r d v o n d e n I n t e r d e p e n d e n zen i m a b s a t z p o l i t i s c h e n S y s t e m i n g r a v i e r e n d e r Weise t a n g i e r t . D i e m o d e l l m ä ß i g e B e t r a c h t u n g des L e b e n s z y k l u s eines P r o d u k t e s zeigt d e n M a r k e t i n g - F a c h l e u t e n d e u t l i c h , ab w a n n es n i c h t m e h r m ö g l i c h ist, e i n bestehendes P r o d u k t d u r c h sog. „ V e r l ä n g e r u n g s s t r a t e g i e n " 1 2 v o r der V e r a l t e r u n g u n d d e m N i e d e r g a n g z u r e t t e n , ab w a n n also eine S u b s t i t u t i o n des I n s t r u m e n t e s „ P r o d u k t p o l i t i k " d u r c h w e r b e - oder p r e i s p o l i t i s c h e Maßnahmen keinen Erfolg m e h r zeitigen kann. I n e i n e m solchen S t a d i u m z u n e h m e n d e r M a r k t s ä t t i g u n g v e r m a g n u r eine P r o d u k t m o d i i i k a t i o n oder P r o d u k t i n n o v a t i o n 1 3 die G e w ä h r f ü r e i n „ U b e r l e b e n " b z w . „ W a c h s t u m " a m M a r k t z u geben 1 4 . D i e K o n f l i k t s i t u a t i o n m i t d e n I n t e r e s s e n d e r „ P r o d u k t i o n " v e r l i e r t i n solchen F ä l l e n i h r e n ansonsten m e i s t l a t e n t e n C h a r a k t e r : Das i n erster L i n i e a n e i n e r l a n g e n L a u f z e i t seines P r o d u k t e s ( w e g e n der A m o r t i s a t i o n s z e i t der spez i e l l angeschafften technischen A n l a g e n ) u n d e i n e m s c h m a l e n S o r t i m e n t interessierte „ p r o d u c t i v e s u b s y s t e m " w i r d versuchen, die aus der I n t e r 11 I n seiner Theorie des Lebensstandards u n d dem Versuch einer Prognose weist Fourastié sehr eindringlich auf die steigende Tendenz „tertiärer" Bedürfnisse hin. Dieser Sektor der Volkswirtschaft, der den gesamten Bereich der Dienstleistungen umfaßt, „erobert die Wirtschaft". „ D e r Mensch m e r k t sehr schnell, daß die Zeit nicht dehnbar ist u n d beginnt m i t i h r hauszuhalten. Deshalb zieht er bei der Einteilung seiner Ausgaben eine Dienstleistung einem nicht unmittelbar nützlichen materiellen Gut vor, w e i l die Dienstleistung i h m Zeit spart. E r läßt sich die Waren lieber ins Haus bringen, als selbst den Gang zum K r ä m e r zu machen." Fourastié , J.: Die große Hoffnung des zwanzigsten Jahrhunderts, 2. Aufl., K ö l n 1969, S. 225 u n d S. 244 f.; vgl. auch Bittorf, W.: Das Verbraucherparadies m i t Problemen, i n : Die Gesellschaft der nächsten Generation, hrsg. v. H.-J. Netzer, 2. Aufl., München 1969, S. 76 - 92. 12 Diese sollen eine Stabilisierung der Produkte i n der Reifephase oder eine zeitliche Streckung der Degenerationsphase b e w i r k e n u n d manifestieren sich meist i m besonderen Einsatz des Werbe- oder Preisparameters; vgl. Hammel, W.: S. 143; vgl. auch Levitt, T.: Exploit the Product Life Cycle, S. 432 ff. 13 „ A u f den elementaren Stufen volkswirtschaftlicher Analyse setzt m a n voraus, daß zwar der Grenznutzen der einzelnen Ware, einem unbestreitbaren Gesetz folgend, abnimmt, daß aber der Nutzen neuer u n d anderer Güter oder die Befriedigung, die sie gewähren, durchaus keinen merklichen Rückgang zeigt"; Galbraith, J. K : Gesellschaft i m Überfluß, S. 155. M i t dem Einsatz dieser Absatzparameter w i r k t der Vertriebsbereich nicht n u r auf die Produktion, sondern — u n d zwar heute m i t ständig zunehmender Intensität — auch auf einen Teilbereich des „adaptive subsystem", nämlich den v o n „Forschung u n d Entwicklung", ein; Gross prognostiziert daher eine Uberrundung der Werbeausgaben durch die Forschungsaufwendungen. Vgl. dazu: Marr, R.: Industrielle Forschung u n d E n t w i c k l u n g — entscheidungsu n d systemtheoretische Aspekte, Diss. München 1970, S. 48; Gross, H.: M a r k e t i n g heute u n d morgen, S. 99 ff. 14 Während das erste Z i e l sich durch sog. „defensive" Forschung bei der Ausgangslage „Bedrohung der Unternehmung" ergibt, liegt die „Chance der Unternehmung" i n einer offensiven Forschung, welche das Wachstum begründet. Vgl. dazu Hanssmann, F.: Skripten zur Vorlesung „Unternehmensforschung I I I : Produktion, Absatz u n d E n t w i c k l u n g i n quantitativer Behandlung", München SS 1970, K a p i t e l V. 1.1.

7*

100

1. Teil: I I I . Die Einordnung der Thematik

dependenz der Absatzinstrumente zwangsläufig resultierende Intensivierung der Produktpolitik als nicht so unumgänglich darzustellen. I n den „bargaining-Prozessen" 15 der Verantwortlichen beider Unternehmungsbereiche vermag daher nur die genaue Kenntnis der Grenzproduktivitäten der einzelnen absatzpolitischen Aktionsparameter die sehr deutliche, da kostenrechnerisch exakt zu belegende Argumentation der „Produktion" an Wirksamkeit zu übertreffen. Der Verbrauch zwingt also die Produktion unablässig zu Umstellungen. Er kann es auch i n der Weise, daß technologische Ergebnisse und Zielsetzungen, die ohne entsprechende Marktrelevanz zu überhöhten Kosten und Mißerfolgen führen, ohne Durchführung bleiben. So würde beispielsweise ein extrem hoher Reinheitsgrad bei chemischen Produkten i m Falle seiner Nichtbenötigung vom Markt nicht honoriert werden 18 , die Verbesserung gegenüber einem Durchschnittswert brächte keine Differentialrente. Die Klärung der Wechselbeziehungen i m absatzpolitischen Instrumentarium w i r k t sich auch auf das „maintenance subsystem", also die Personalplanung aus. Hierbei ist vor allem an den zeitlichen Einsatz des Instrumentes „Sales Promotion" gedacht, das — i n seinem Timing durch eine Werbeaktion oder die Auslieferung eines neuen Produktes bedingt — bestimmte Personalanforderungen zu festgelegten Zeiten nötig macht 17 . Engpässe i m Distributionskanal, bedingt durch einen dem Werbevolumen und der Durchschlagskraft eines Produktes nicht adäquaten Vertreterstab, sind auslösende Momente für Personaldispositionen dieses Subsystems der Unternehmung. Der dispositive Faktor Gutenbergs, das Äquivalent zum „managerial subsystem" von Katz und Kahn, w i r d i n seinen sich als Planung, Organisation und Kontrolle niederschlagenden Funktionen heute i n erster Linie durch die Erfordernisse eines abgestimmten Einsatzes der Absatzinstrumente bestimmt. Die Marketing-Programme, seien sie nun als Diversifikations- und Expansionspläne langfristiger Natur (3, 5 oder mehr 15 Der organisatorische Entscheidungsprozeß der Unternehmung w i r d durch die auf spieltheoretischer Basis entwickelten „Bargaining-Theorien" als kooperatives Spiel interpretiert, vgl. Nash, J. F.: The Bargaining Problem, i n : Econometrica 1950, S. 155 ff.; ebenso: Shubik, M.: Spieltheorie u n d die Untersuchung des sozialen Verhaltens: Eine einführende Darstellung, in: Shubik, M. (Hrsg.): Spieltheorie u n d Sozialwissenschaften, Hamburg 1965, S. 13 - 85, S. 59 ff. 16 Dieses Beispiel findet sich bei Liertz, R.: Der M a r k e t i n g - u n d Verkaufsleiter als Manager, i n : M a r k e t i n g - u n d Verkaufsleiter Handbuch, München 1970, S. 13 - 35, S. 18. 17 Die Dominanz der Marketing-Programme f ü r dieses Subsystem der Unternehmung betonen Rathmell, J. M.: Managing the M a r k e t i n g Function: Concepts, Analysis and Application, New Y o r k usw. 1969, S. 315 u n d Kotier, Ph.: Marketing Management, S. 155.

1. Die Bedeutung des Problems für die Unternehmungspolitik

101

J a h r e ) 1 8 oder als k u r z f r i s t i g e Jahres-, Saison- oder K a m p a g n e v o r h a b e n r e l a t i v schnell z u b e s t i m m e n , p r ä g e n i m m e r s t ä r k e r das B i l d der gesamt e n U n t e r n e h m e n s p l a n u n g . I h r E i n f l u ß i s t , w i e sich aus e i n e r A n a l y s e d e r V o l k s w a g e n - W e r k A G , W o l f s b u r g , e r g i b t , gerade a u f die oberste Entscheidungsebene der U n t e r n e h m u n g sehr groß: Schaubild 10 Einfluß der Marketing-Planung auf die drei wesentlichen Entscheidungsebenen des Unternehmens Einfluß der MarketingPlanung

Ebenen

Entscheidungsbefugnis

„Strategie Level" (Vorstand) „Managerial Level" (z. B. Leiter der Zentralbereiche, Vertriebsdirektoren) „Operating Level" (z. B. Leiter der operationellen A b teilungen i n Zentral- und Vertriebsbereichen)

Festlegung v o n langfristigen U n t e r Sehr groß nehmenszielen u n d - p o l i t i k Entscheidungen über den optimalen Bedeutend Mitteleinsatz zur Erreichung der Unternehmensziele

Entscheidung über die zweckmäßigste Durchführung der beschlossenen Maßnahmen

Klein

Quelle: Hektographiertes Manuskript zum Vortrag „Internationale Marketing-Planung" von Peter Weiher, Leiter der Marketing-Planung der Volks wagen-Werk AG, Wolfsburg, gehalten vor dem Absatzwirtschaftlichen Seminar der Universität München am 20.10.1970 in Wolfsburg.

D e n strategisch d o m i n a n t e n C h a r a k t e r der M a r k e t i n g - P l a n u n g f ü r die U n t e r n e h m e n s p o l i t i k b e t o n e n auch A n s o f f u n d U l r i c h 1 9 . D o r t , w o eine homogene A b s a t z k o n z e p t i o n e x a k t a u f eine homogene Z i e l g r u p p e zuges c h n i t t e n ist, k a n n eine A u s d e h n u n g der K ä u f e r k r e i s e n u r ü b e r eine Ä n d e r u n g dieser K o n z e p t i o n g e l i n g e n . D a g e g e n v e r m a g die hohe E i n schätzung des P r o b l e m l ö s u n g s p o t e n t i a l s der e i g e n e n U n t e r n e h m u n g (z.B. b e i der W e r b u n g , der S a l e s - P r o m o t i o n u n d der P r e i s p o l i t i k speziell i n H i n b l i c k a u f die V e r w e n d e r v o n K o n s u m g ü t e r n ) die E n t s c h e i d u n g d e r 18

Vgl. Rathmell, J. M.: S.315; Battelle-Institut e.V. (Hrsg.): Abschnitt 15, S. 7 ff.; die IBM-Deutschland unterteilt diese Planung i n die strategischer (6 Jahre — Vorgabe bestimmter Absatzziele [Umsatz]) u n d operativer A r t (Mittelplanung); vgl. Vortrag v o n Dr. Bunselmeyer (IBM) v o r Teilnehmern des absatzwirtschaftlichen Oberseminars der Universität München, W S 1970/71. 19 Vgl. Ansoff, H. I.: Corporate Strategy, S. 5 ff.; Ulrich, H.: Gedanken zur Unternehmungspolitik, Bern 1960, S. 64: „Die Auffassung v o m ,Primat des A b s a t z e s 4 . . . ist meines Erachtens durchaus richtig f ü r die langfristige Betrachtungsweise, wie sie der Unternehmenspolitik eigen ist."

102

1. Teil: I I I . Die Einordnung der Thematik

Unternehmensleitung dahingehend zu beeinflussen, daß eine Expansionspolitik m i t neuen Produkten bei gleichem Käuferkreis versucht werden soll. Die integrative Sichtweise der Absatzinstrumente hat den derivativen Produktionsfaktor „Organisation" 2 0 i n sehr starkem Maße geprägt. Aus der „Interdependenz der Marketing-Funktionen" fordert Hammel, der als einer der ersten den Systemansatz unter starker Betonung des Beziehungsgeflechtes zwischen Produktion und Vertrieb herausstellt 21 , die Realisation dieses Gedankens i n den organisatorischen Maßnahmen. Der Trend zur Bildung von Profit- und Investment-Centers oder die Einführung eines Product-, Project-, Program- oder Systems-Management i n der Praxis 2 2 hat diese Sichtweise bestätigt. Die Ordnung aller Aktivitäten, welche die Planung entwirft und die Organisation realisiert 23 , verlangt jedoch immer nach einer Kontrolle, u m die Effizienz zu überprüfen und gegebenenfalls verbessern zu können. Wie gezeigt werden sollte, beeinflußt der „Output" anderer Subsysteme der Unternehmung i n erheblichem Maße den „Output" des Marketing-Subsystems. Die Kontrolle des Leiters dieses Unternehmensbereiches erstreckt sich darum auch auf die benachbarten Sektoren, wobei i h m die Marketing-Philosophie ein stark unterstützender Impetus ist. „The marketing concept has been a weapon i n the struggle for more control over other Company activities affecting marketing. This has led to no small amount of interorganizational conflict 2 4 ." Das Subsystem „Absatz" als führende Kontrollinstanz der gesamten Unternehmenspolitik bedarf also zur Erfüllung seiner Informations wünsche hinsichtlich der Ergebnisse und Vorhaben anderer Subsysteme einer ausgebauten Kommunikationsstruktur i m Unternehmen und institutionalisierter Zusammenkünfte, u m die Vielzahl möglicher Konflikte 2 5 nicht zum Ausbruch kommen zu lassen.

20 Nach Gutenberg leitet er sich wie die „Planung" aus dem Produktionsfaktor „Geschäfts- u n d Betriebsleitung" ( = dispositiver Faktor) ab; er ist damit Teilaspekt der Betriebswirtschaft, charakterisiert durch die Aussage: „Die Betriebswirtschaft hat eine Organisation". Demgegenüber steht die v o l l ständige Einbeziehung des Organisationsphänomens i n das Modell i n der neueren betriebswirtschaftlichen Literatur. I h r entspricht die Aussage: „Die Betriebswirtschaft ist eine Organisation"; vgl. Gutenberg, E.: Die Produktion, S. 7 f.; Keinen, E.: Einführung, S. 46. 21 Vgl. Hammel, W. : S. 165 if. 22 Vgl. Wild, J.: Organisationstheorie: Die Führungsstruktur wandelt sich, i n : Wirtschaftswoche — Der V o l k s w i r t , 25. Jg., 1971, Nr. 24, S. 49 - 52. 23 Vgl. Gutenberg, E., Die Produktion, S. 232. 24 Kotler, Ph.: M a r k e t i n g Management, S. 564. 25 Eine Zusammenstellung findet sich bei Kotler, Ph.: M a r k e t i n g Management, S. 139.

. Die Bedeutung des Problems f ü r die

spolitik

103

Als Fazit der vorstehenden Ausführungen kann die Notwendigkeit gesehen werden, daß die i m „supportive subsystem" ,Absatz' existierenden Wechselwirkungen durch Steuerungsmaßnahmen der Unternehmungsführung tatsächlich realisiert werden müssen. Das Top-Management darf sich der Einsicht nicht verschließen, daß i n einem Käufermarkt die frühere Problematik der Produktion einer weitgehend größeren Problematik des Absatzes gewichen ist. Die Konkurrenzstrategien haben sich verfeinert, die Bedürfnisse müssen nicht nur befriedigt werden; vielmehr sind latente Bedürfnisse erst offenkundig zu machen. Die einer so differenzierten Vorgehensweise entsprechende Abstimmung absatzpolitischer Instrumente kreiert zu Recht einen „Primat des Absatzes" 20 . Steigenden Vertriebskosten, bedingt vor allem durch die starke Zunahme des Werbevolumens und der Anlageintensität i m Handel 2 7 , steht ein sinkender Produktions-Aufwand gegenüber. Das „Zeitalter des Verkäufers" 28 , Ausdruck jenes von Fourastié gezeichneten Anschwellens des tertiären Sektors 29 , zwingt die Unternehmensleitung zu einer immer stärkeren Berücksichtigung der Erfordernisse integrativer Absatzpolitik, die eine A r t „regulativer Prominenz" 8 0 innerhalb der gesamten Unternehmung erhalten muß. 2. Die Bedeutung des Problems für die Absatzpolitik

Während die Interdependenzen i m Bereich der Beschaffungspolitik kaum eine Rolle spielen 31 , da ein Käufermarkt vorherrscht, und diese Situation auch auf eine Absatzpolitik unter derartigen Vorzeichen übertragen werden kann 3 2 , w i r d die Absatzpolitik innerhalb einer ,Gesellschaft des Uberflusses' i n erheblichem Maße von Wechselbeziehungen 26 Lisowsky, A.: Primat des Absatzes? i n : ZfB, X I I I . Jg., 1936, H. 1, S. 11 bis 36; hierbei muß jedoch berücksichtigt werden, daß dieser „ P r i m a t " i n seiner Ranghöhe von Unternehmung zu Unternehmung schwankt. Diese graduellen Unterschiede ergeben sich aus der A r t der Marktleistung, dem Unternehmungstypus (Handel oder Industrie), der Marktlage (Käufer- oder Verkäufermarkt, k o n j u n k t u r e l l e Entwicklung), der M a r k t f o r m u n d der besonderen Situation (wirtschaftsfriedliches Verhalten oder K a m p f situation usw.), vgl. Weinhold-Stünzi, H.: Grundlagen wirtschaftlicher Absatzführung, S. 32 ff. 27 Vgl. u . a . Plehn, A.: Betriebswirtschaftliche Probleme der zunehmenden Anlageintensität i m Handel, Diss. München 1969; ebenso: Schade, C.: Planvolle Absatzförderung. Werkzeug erfolgreichen Marketings, München 1964, S. 381 ff. 28 Riesmann et al.: S. 223. 29 Vgl. Fourastie, J.: S. 241 ff. 30 Luhmann, N.: Funktionen u n d Folgen formaler Organisation, B e r l i n 1964, S. 87. 31 Vgl. Treis, B.: S. 117. 32 Hier lassen sich ohne jegliche M a r k t i n f o r m a t i o n „vernünftige" Ergebnisse erreichen; vgl. Battelle-Institut e. V. (Hrsg.): Abschnitt 16, S. 11.

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1. Teil: I I I . Die Einordnung der Thematik

beeinflußt. Grundlagen des Instrumenteneinsatzes — Albert bezeichnet i h n als die „Außenpolitik" einer Unternehmung 3 3 — bilden die Hypothesen über die existierenden Interdependenzen, das sogenannte „Explanans", allgemeine Gesetze, welche unter der Berücksichtigung singulärer Anfangsbedingungen oder Prämissen den Eintritt eines Phänomens (Explanandum) erklären 34 . Der Absatzpolitik obliegt es also, diese Aussagen der Theorie i n ihrer Erklärungskraft zu bestätigen bzw. durch die Zerlegung dieser Theorie i n m i t ihr konforme und zu ihr konträre Fälle 3 5 zu relativieren. Viele Annahmen über die Interdependenz leiden unter der ,Crux' jeglicher Theoriebildung, nämlich der zu geringen Allgemeinheit, die den informativen Gehalt stark herabsetzt, da die Festlegung der Randbedingungen m i t den Prämissen der Praxis nicht übereinstimmen. Diese „besonderen Sätze" sind damit ernsthaften Widerlegungsversuchen ausgesetzt, die ein echtes Risiko für die betreffende Theorie enthalten, an den Tatsachen zu scheitern 38 . Eine Theorie mag nämlich i n sich widerspruchsfrei und einleuchtend sein, diese bloße Erkenntnis des Seienden stößt aber bei der Realisation auf Eingriffe aller A r t i n das soziale Geschehen, worauf Theorien nur durch eine Umwandlung i n sozialtechnologische Aussagesysteme „vorbereitet" werden können 37 . Diese Systeme berücksichtigen die menschlichen Wirkungsmöglichkeiten und schieben sich damit zwischen Theorie und Politik. Das eigentliche politische Element hebt sich dabei vor allem durch die individuelle Zielsetzung und die freie Mittelwahl von dem technologischen Aussagesystem ab. Die Lehre von der Absatzpolitik ist also „eine Lehre vom Handeln der verantwortlichen Menschen, von Führung und Verantwortung i m Betrieb unter selbst oder von anderen gesetzten Zielen, von den Führungsentscheidungen i n der Erkenntnis der Tatsache, daß m i t unternehmerischem Handeln der Entscheidungsbereich anderer Menschen, insbesondere anderer Betriebe und Unternehmun33

Vgl. Albert, H.: Marktsoziologie u n d Entscheidungslogik, S. 418 ff. Vgl. zum Problem der Explanation: Hempel, C. G./Oppenheim, P.: The Logic of Explanation, i n : Readings i n the Philosophy of Science, hrsg. v. H. Feigl u n d M. Brodbeck, New Y o r k 1953; Popper, K . R.: Naturgesetze u n d theoretische Systeme, i n : Theorie u n d Realität (Hrsg. H. Albert), Tübingen 1964, S. 87 - 102, insbes. S. 95; Stegmüller, W.: S. 446 ff. 35 Vgl. Albert, H.: Probleme der Theoriebildung, S. 56. 30 Vgl. Popper, K . R.: L o g i k der Forschung, S. 15, 32 u n d 198. 37 Diese Form der E r k l ä r u n g macht die praktische Relevanz sozialwissenschaftlicher Theorien i n bezug auf bestimmte Probleme explizit; vgl. Albert, H.: Probleme der Theoriebildung, S. 66 f.; ders.: Wissenschaft u n d Politik, S. 213; Köhler versteht dabei unter „technologisch": »mögliche M i t t e l angebend' u n d ,zweckentsprechendes Vorgehen weisend'; vgl. Köhler, R.: Theoretische Systeme, S. 59 - 63. 34

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gen, berührt wird, so daß deren mögliche Aktionen und Reaktionen einbezogen werden müssen" 38 . Die Bedeutung der Interdependenzen für die Absatzpolitik liegt also vor allem darin, daß ihre erfahrungswissenschaftlich begründete Kenntnis eine gute Basis der Entscheidungen darstellt 3 9 . Das bedeutet aber noch keinen Ersatz für Politik, deren Aufgabe es ist, den verzerrenden Einfluß von realtypischen Beschränkungen, wie eingeschränkte Variierbarkeit einzelner Instrumente, Existenz von Informationslücken, Pluralismus der Zielsetzungen und die Verwendung von Werturteilen i n aller Deutlichkeit herauszustellen; nur so kann die Schlußfolgerung vermieden werden, daß — aufgrund eines Scheiterns der Theorie an der Praxis — ein solches nomologisches Wissen entbehrlich sei, der Bereich der Absatzpolitik eben weitestgehend der Intuition des schöpferischen Unternehmers unterliege. Tatsächlich ist man i m ersten Moment geneigt, diesem Argument stattzugeben, wenn man an die hohe Zahl der „Flops", jener Scheiterungsquote von Markenartikeln denkt, die sich i m Ausscheiden von etwa 92 °/o neueingeführter Marken innerhalb des ersten Jahres ausdrückt 40 . Häufig ergibt sich dieses Phänomen trotz eines wohlabgestimmten Einsatzes der Instrumente, der zudem noch den Testmarkt erfolgreich durchstanden hatte. Das mag zum einen an der häufig mangelnden Repräsentanz der Wettbewerbs Verhältnisse auf diesem Markt liegen 41 , kann aber auch i n einer Homogenität der Käuferschichten des Testmarktes begründet sein, welche die berücksichtigte Interdependenz als richtig erscheinen läßt. Die Heterogenität der Zielgruppe auf dem Gesamtmarkt hätte es jedoch erforderlich gemacht, die nicht deckungsgleichen Selbstimages innerhalb einer solchen Zielgruppe auf dem Wege der Durchschnittsberechnung erst einmal zu „homogenisieren", woraus sich ein Durchschnitts-Selbstimage dieser Gruppe hergeleitet hätte 42 . A u f dieses wäre dann das Produktimage abzustimmen gewesen, woraus sich eine Variation der 38 Sandig, C.: Betriebswirtschaftspolitik, 2. v ö l l i g neu bearb. Aufl. v o n „Die Führung des Betriebes. Betriebswirtschaftspolitik", Stuttgart 1966, S. 29. 39 Eingriffe i n einen bestimmten Betriebstyp, welche zu der vielzitierten „ D y n a m i k " i n diesem Bereich führen, beruhen auf einem solchen tieferen Eindringen i n die Interdependenz-Verhältnisse. 40 Z u diesem Ergebnis k o m m t eine Untersuchung v o n Rasche, der die V e r hältnisse i n den U S A analysiert hat; vgl. Rasche, H. O.: Marketing, aber m i t System, Heidelberg 1969, S. 18. 41 Die Hochrechnung der Ergebnisse des Testmarktes auf das vorgesehene größere Absatzgebiet ist vielfach deshalb problematisch, w e i l Gegenmaßnahmen der Konkurrenz hier erst zum Zuge kommen; vgl. Köhler, R.: Das Problem „richtiger" preispolitischer Entscheidungen bei unvollkommener Voraussicht, S. 265 f. 42 F ü r den F a l l des Markenartikels legt Sommer dieses Verfahren eingehend dar; vgl. Sommer, R.: S. 209 f.

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1. Teil: I I I . Die Einordnung der Thematik

Absatzmittel hinsichtlich qualitativer und/oder quantitativer Aspekte gegenüber der Testmarkt-Konzeption ergeben hätte. Das Bemühen, den Bereich der Rationalität absatzpolitischen Vorgehens durch eine exakte Analyse der Interdependenzen zwischen den Instrumentalvariablen immer weiter hinauszudehnen, findet auch i n der Tatsache seine Rechtfertigung, daß die Dynamik der Absatzmärkte die Führungskräfte dazu zwingt, vermehrt voraus zu disponieren und weiter i n die Zukunft zu blicken als bisher 43 . Ein Vorgehen nach der Methode des „rekursiven Anschlusses", also eine einfache Extrapolation von Daten der Vergangenheit i n die Zukunft, gelingt kaum noch. Dabei w i r d es immer schwieriger, die Kontrolle über den Beitrag einzelner Instrumente zum Gesamterfolg zu behalten. Das Streben nach geschlossenen Konzeptionen muß planmäßig die Voraussetzungen erschweren, einen isolierten Zusammenhang zwischen dem Aufwand und dem Erfolg z. B. der Werbung herauszuarbeiten. Das theoretische Postulat, die Interdependenz sei dann v o l l erkannt, wenn die Grenzerlöse der Instrumente gleich seien, scheitert bei der Verifizierung i n der Praxis an Informationsschwierigkeiten. Die Position, die einem Instrument vom Produktmanager i m Mittel-Verbund eingeräumt würde, läßt sich eventuell anhand einer Messung der M i t t e l w i r k u n g rechtfertigen, die enge Verklammerung der Teilbereiche des Marketing-Mix' läßt eine Erfolgsbeurteilung jedoch nicht zu 44 . 43 Ernest Dichter vergleicht i n diesem Zusammenhang die heutigen U n t e r nehmungsleitungen m i t einem Autofahrer: Bei einem Fahrtempo v o n 120 Stundenkilometern muß der Lenker annähernd die dreifache v o r i h m liegende Strecke überblicken als bei einer Geschwindigkeit v o n 60 Stundenkilometern; vgl. Dichter, E.: Was verkaufen w i r 1970?, i n : absatzwirtschaft, Jg. 7, 1964, H. 7, S. 375 - 378, hier S. 375. 44 Z u r Verdeutlichung dieses Tatbestandes f ü h r t Scheele folgendes Beispiel an: „Nehmen Sie den eklatanten F a l l eines Produktmanagers f ü r eine Chemiefaser: Er w i r d eine als Verbraucherwerbung erscheinende Anzeige m i t Pullovern durch Eindruck v o n Adressen wichtiger Vertriebsstellen gleichzeitig zur Händlerwerbung verwenden, i m Sinne des Pre-Merchandising dieses Werbemittel benutzen, u m Stricker zu interessieren, die er gleichzeitig durch Propagandierung bestimmter Modetrends beeinflußt, beim Spinner genau die Farben zu ordern, die später i n der Publikumswerbung erscheinen. N u r der Spinner aber ist der eigentliche Käufer der Rohfaser v o m Produzenten. Verkaufs- u n d Werbemaßnahmen gehen also über sämtliche Stufen hinweg. Wie soll man da noch eine sinnvolle Isolierung der Werbung zustande b r i n gen? Alles ist darauf ausgerichtet, Produktplanung, Preisgestaltung, Rabattpolitik, Public Relations, Verkaufsförderung, Reisenden- u n d Vertreterarbeit, den Verkauf selbst u n d schließlich die Werbung v ö l l i g unaufknüpfbar m i t einander zu verketten." Scheele, W.: Wechselbeziehungen zwischen Werbeaufwand u n d Werbeerfolg, i n : Bericht über die X I . Werbewirtschaftliche Tagung i n Wien v o m 17. - 20.11.1964, hrsg. von der österreichischen Werbewissenschaftlichen Gesellschaft, S. 43 - 51, hier S. 51; vgl. auch Gerth, E.: Die Probleme der Erfolgskontrolle der Werbung f ü r Konsumgüter i n absatzpolitischer Sicht, i n : ZfbF, 20. Jg., M a i 1968, Nr. 5, S. 275 - 290, insbes. S. 278.

. Die Bedeutung des Problems f ü r die

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Bei der Vertriebserfolgsanalyse macht diese Multikausalität z. B. eines bestimmten erwirtschafteten Deckungsbeitrages große Schwierigkeiten. Der Beitrag mag positiv sein, w e i l die Spill-over-Effekte einer vergangenen Periode den Marketingaufwand i n der Abrechnungsperiode trotz seines zu geringen Ansatzes als ausreichend erscheinen lassen; er mag negativ sein, w e i l ein Instrument falsch dimensioniert war und damit so stark auf den ansonsten optimalen Mittelverbund ausstrahlte, daß das Produkt als „bereinigungsverdächtig" 45 eingestuft werden mußte. Politische Entscheidungen müssen diese Irradiation berücksichtigen: Fehler der Vertriebserfolgsanalyse können aufgrund von Interdependenzen sowohl bei der kausalen Erklärung auftauchen, also i n der Begründung für Versagen oder Erfolg einer Absatzkonzeption, sie lassen aber auch das zweckorientierte Denken, das sich i n einer Prognose z. B. über die Preispolitik zukünftiger Kampagne-Zeiträume niederschlägt, als falsch „kanalisiert" erscheinen. Der Zufall, der immer eine wesentliche Erklärungskomponente bei sozialen Phänomenen ist, läßt sich also nur durch eine Verlagerung unternehmerischer A k t i v i t ä t „aus der rein intuitiven Sphäre auf die rationale Ebene diskursiven Denkens und Handelns" 4 6 i n seinem Ausmaß verringern. Das Netz von Wechselbeziehungen zu durchdenken scheint hierbei ein wesentlicher Beitrag zu sein. Manipulationen am Ergebnis solcher Bemühungen müssen dann zwangsläufig aufgrund von Meta-Entscheidungen oder der Einflußnahme anderer Entscheidungseinheiten der Umwelt, über die der Unternehmer keine vollkommene Kontrolle ausübt 47 , erfolgen. Daneben kann es Ausdruck rationalen politischen Handelns sein, die durch eine Verbesserung des Informationsstandes hinsichtlich der Exi45 Eine p r o d u k t - oder sortimentspolitische Entscheidung k a n n daher nur aus einer engen Zusammenarbeit der Bereiche Rechnungswesen u n d Absatzforschung erwachsen. Eine rein kostenrechnerische Untersuchung, w i e sie etwa M a j e r durchführt, muß i n ihrem begrenzten Informationsgehalt erkannt werden. Vgl. Majer, W.: Z u m Problem der E r m i t t l u n g bereinigungsverdächtiger Erzeugnisse i m Programm, i n : BFuP, 19. Jg., Sept. 1967, S. 492 - 512; Wartmann, W.: Verkaufspolitik m i t Deckungsbeiträgen, in: Der Volkswirt, 22. Jg., 1968, Nr. 12, S. 36 - 3 7 ; Dichtl, E.: Grenzen der Deckungsbeitragsrechnung, i n : Der V o l k s w i r t , 22. Jg., 1968, Nr. 18, S. 32 - 34. 46 Kosiol, E.: Modellanalyse als Grundlage unternehmerischer Entscheidungen, S. 333 f. I n gleicher Weise äußert sich auch Buzzell y R. D.: Mathematical Models and M a r k e t i n g Management, S. 24. 47 H i e r m i t sind i n erster L i n i e die K o n k u r r e n t e n gemeint, an deren Wünsche u n d Fähigkeiten sich der Entscheider anpassen muß, obwohl seine Zielsetzung v ö l l i g anders ist. Sein Problem ist damit das der Optimierung widerstreitender Interessen — ein Problem der Spieltheorie; vgl. Shubik, M.: Spieltheorie u n d die Untersuchung des sozialen Verhaltens: Eine einführende Darstellung, S. 18 ff.; vgl. auch die Ausführungen zu den Konkurrenzeinflüssen auf die Kombination i n K a p i t e l I I , 1321. des dritten Teils dieser Arbeit.

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1. Teil: I I I . Die Einordnung der Thematik

Stenz von Wechselbeziehungen zu erreichende „höhere Rationalität" 4 8 abzulehnen. Diese ceteris-paribus-Wertung vernachlässigt nämlich die kostenverursachende Wirkung jeglicher Marktforschung, die Rationalität i n Irrationalität umschlagen lassen kann 4 9 . Während die Informationskosten noch einigermaßen exakt abzuschätzen sind 50 , läßt sich diese Aussage hinsichtlich des Ertragskriteriums nicht machen. Das politisch tätige Element der Unternehmung schätzt also die Wirksamkeit der Interdependenz-Bestimmung auf seine Entscheidungen richtig ein, wenn es hinsichtlich der Ergebnisse weiterer und intensiverer Forschungen m i t heuristisch orientierten „trade-offs" 51 arbeitet, die eine gedankliche Gegenüberstellung von Grenzkosten und -ertrag der Informationsgewinnung und -Verarbeitung ermöglichen. 3. Die Bedeutung des Problems für die absatzwirtscfaaftliche Forschung

I m Gegensatz zu einem theoretischen Wissenschaftsziel, das i n dem Streben nach wahren Aussagesystemen von möglichst hohem Informationsgehalt, unabhängig von konkreten Zwecken, besteht, verfolgt die absatzwirtschaftliche Forschung ein pragmatisches Wissenschaftsziel, das sich i n einer Aufstellung teleologisch-instrumentaler ( = praxeologischer) Aussagesysteme zur Erreichung vorgegebener Ziele manifestiert 52 . Wenn Popper meint, daß es wissenschaftlicher Zweck sei, „befriedigende Erklärungen zu finden für alles, was uns einer Erklärung zu bedürfen scheint" 63 , so sind damit i m Absatzsektor i n erster Linie die Optimierungsprobleme angesprochen, die i n den Vordergrund des Interesses gerückt sind 5 4 ; es gilt zu eruieren, wie die absatzpolitischen Entscheidungen gefällt werden müssen, u m ein Höchstmaß an Treffsicherheit zu erreichen. 48 Bidlingmaier, J.: Unternehmerziele u n d Unternehmerstrategien, Wiesbaden 1964, S. 176. 49 Vgl. Hornaus, G. C.: Social Behavior, London 1961, S. 82. 50 Vgl. Wittmann, W.: Unternehmung u n d unvollkommene Information, S. 90. 51 Z u m Betriff des „trade-off", der ganz allgemein die Austauschrelation zwischen Entscheidungsvariablen (hier Kosten u n d Ertrag) kennzeichnet, vgl. u. a. Emery, J. C.: Organizational Planning and Control Systems: Theory and Technology, London 1969, S. 29; Hanssmann, F.: Unternehmensforschung I. W a r u m die Deutschen i m Rückstand sind, i n : Der V o l k s w i r t , 23. Jg., 1969, Nr. 47, S. 39 - 42, hier S. 42. 52 Vgl. Kosiol, E.: Die Unternehmung als wirtschaftliches Aktionszentrum. Einführung i n die Betriebswirtschaftslehre, Reinbek bei H a m b u r g 1966, S. 241. 53 Vgl. Popper, K . R.: Die Zielsetzung der Erfahrungswissenschaft, i n : Theorie u n d Realität (Hrsg. H. Albert), Tübingen 1964, S. 73 - 86, S. 73. 54 Diese Auffassung bestimmt das Werk v o n Gutenberg. Sie findet sich auch explizit bei Gutenberg, E.: Betriebliche Entscheidungen als Gegenstand der neueren Betriebswirtschaftslehre, i n : Marktforschung i m Unternehmen, 2. Jg., 1962, Nr. 6, S. 69 - 76, hier S. 76.

3. Die Bedeutung f ü r die absatzwirtschaftliche Forschung

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Eine solche Möglichkeitsanalyse hat sich bisher i n einer intensiven Erforschung der W i r k u n g einzelner Instrumentalvariablen niedergeschlagen; das Wissen u m ihre isolierte Effizienz prägt i n entscheidendem Maße ihren Stellenwert i n der Kombination. U m jedoch die Optimierung zu erreichen, gilt es vor allem, die Kenntnis u m die Interdependenz über die Erforschung der empirischen Elemente „Personen und Institutionen" und „Objekte" der Absatzwirtschaft zu vertiefen 55 . Dabei kann der Forschungsansatz induktiver oder deduktiver Natur sein; d. h. es w i r d entweder ein Schluß von besonderen Sätzen, z. B. Beobachtungen, Experimenten usw. auf allgemeine Sätze, auf Hypothesen oder Theorien gezogen, oder aber aus dem Einfall, der vorläufig unbegründeten Antizipation, dem theoretischen System werden auf logischdeduktivem Weg Folgerungen abgeleitet, deren Prüfung durch „empirische Anwendung" erfolgt 5 8 . Aufhellungen über Wechselbeziehungen lassen sich am ehesten über die Erforschung jenes Personenkreises erreichen, der Zielpunkt aller absatzpolitischen Maßnahmen des Unternehmens ist. Die Aufgabe der absatzwirtschaftlichen Forschung liegt aber — soll sie ein Spektrum von Alternativen für die Praxis aufzeigen — auch darin, diese Möglichkeiten • i n Abhängigkeit von den Zielen des Unternehmers darzustellen; jede A r t der technologischen Einflußnahme ist nämlich von der Beurteilung der Ziele abhängig, so daß das technische Grundproblem jeglicher Forschung „Was können w i r tun?" nur auf dem die Ergebnisse der Zielforschung einschließenden Wege zu lösen ist. Das sogenannte ethische Grundproblem, ausgedrückt i n der Formel „Was sollen w i r tun?" 5 7 , läßt sich allein durch praktisch-normative Aussagen lösen, nicht aber durch eine Wertbezogenheit i m Sinne etwa von Nicklisch 58 . 55 Neben den Tätigkeiten des Handels nennt Tietz diese beiden Bereiche als Gegenstand der Handelsforschung; vgl. Tietz, B.: Grundlagen der Handelsforschung, S. 10. 56 Vgl. Popper, K . R.: Logik der Forschung, S. 3 - 8. 57 Diese Differenzierung findet sich bei Albert, H.: ökonomische Ideologie u n d politische Theorie, Göttingen 1954, S. 15. 58 Dieser bemühte sich, Vorstellungen aus der deutschen idealistischen Philosophie i n seine betriebswirtschaftliche Konzeption einzufügen; vgl. Nicklisch, H.: Die Betriebswirtschaft, 7. Aufl. der Wirtschaftlichen Betriebslehre (1922), Stuttgart 1932; Adorno sieht den bei „Wertfreiheit" n u r partiellen Forschungsbereich des Sozial Wissenschaftlers deutlich, jedoch auch realistisch, w e n n er betont: „ M a n resigniert, w o m a n doch keine Macht hat gegenüber den Zielen, u n d beschränkt sich . . . darauf, herauszubekommen, wie m a n v o r gegebene Aufgaben, den Verkauf einer Ware, die Beeinflussung einer Menschengruppe, am wirkungsvollsten u n d ökonomischsten lösen k a n n . . . Die Gefahr der Technifizierung unserer Wissenschaft, der Abspaltung der Methoden von ihrem Gegenstand r ü h r t aber nicht her v o n einer innerwissenschaftlichen Fehlentwicklung, sondern gerade v o n der Beschaffenheit ihres Gegenstandes u n d der Stellung, die i h r i n der heutigen Gesellschaft angewiesen w i r d . " Adorno, Th. W.: Z u r gegenwärtigen Stellung der empirischen Sozialforschung

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1. Teil: I I I . Die Einordnung der Thematik

Die heutigen Bemühungen der Betriebswirtschaftslehre sind nun darauf gerichtet, den Menschen i n den Mittelpunkt der Untersuchung zu rücken 59 . Die Abkehr von der Betrachtung reiner Produktivitätsbeziehungen zwischen Faktoreinsatz und Faktorertrag zeigt sich i n dem handelnden Menschen als Erkenntnisobjekt der Entscheidungstheorie, wodurch der Betrieb als ein System partiell koordinierter Entscheidungen vieler Menschen erfaßt w i r d ; sie manifestiert sich aber auch i n dem Versuch, das Verhalten der Kunden auf den Umweltreiz „Instrumenteneinsatz" differenzierter zu betrachten, d.h. nicht einfach Stimulus und Reaktion zu vergleichen. Dieses Modell, das für den Behaviorismus Watsons kennzeichnend ist 60 , betrachtet den Menschen als „black box" 6 1 , über psychische Vorgänge w i r d keine Aussage gemacht; es wurde abgelehnt durch Tolman (1936) und H u l l (1943), die als erste sog. „intervenierende Variable" konstruierten 6 2 , welche die Modifikation der Stimuli i n der Persönlichkeit zu erfassen suchen. Die Übernahme dieser Ergebnisse des Neobehaviorismus bzw. ihre Korrektur hinsichtlich ihrer ökonomischen Relevanz verspricht als ein erfolgreicher Forschungsansatz die Problematik der Interdependenzen zu erhellen. Denn i n erheblichem Maße sind es die intrapersonalen Vorgänge, die konfliktäre oder komplementäre Instrumentenverbindungen entstehen bzw. zerfallen lassen. Die „intervenierenden Variablen", die dazu verhelfen sollen, aus dem Individuum eine „transparent box" zu machen, sind von den verschiedensten Wissenschaftlern i n unterschiedlichster Weise „gelistet" worden 03 . Für die absatzwirtschaftliche Forschung scheint es bedeutsam zu sein, gerade die kognitiven Prozesse des Kunden näher zu analysieren. Dieser sich aus Wahrnehmung, Denken und Gedächtnis zusammensetzende Terminus bezeichnet die verschiedenen Aspekte des „Wissens" und der „Erkenntnis" des Menschen. Die Interdependenz absatzpolitischer Instrumente kann sich z. B. daraus ergeben, daß die Verkaufsförderung am „Point of Purchase" die i n Deutschland, i n : Wickert-Institute (Hrsg.): Empirische Sozialforschung, Meinungs- u n d Marktforschung, Tübingen 1962, S. 27 - 39, S. 38 f. 50 Vgl. Albach, H.: Stand u n d Aufgaben der Betriebswirtschaftslehre heute, i n : ZfbF, 19. Jg., 1967, Nr. 7/8, S. 446 - 469, insbes. S. 448. 00 Vgl. Thomae,H./Feger,H.:S.41ff. 61 Z u m Konzept der „black b o x " vgl. Beer, S.: K y b e r n e t i k u n d Management, S. 67 - 77; Flechtner, H.-J.: S. 205 ff. 62 Vgl. Thomae, HJFeger, H.: S.44ff., S. 147 ff.; Hull, C. L . : The Problem of Intervenian Variables i n Molar Behavior Theory, i n : Psychological Review, Vol. 50,1943, Nr. 3, S. 273 - 291. 63 Eine sehr ausführliche Zusammenstellung gibt u . a . Tolman, E. Ch.: A Psychological Model, i n : Parsons, TJShils, E. A . (Hrsg.): T o w a r d a General Theory of Action, New Y o r k 1962, S. 279 - 361.

3. Die Bedeutung f ü r die absatzwirtschaftliche Forschung

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Wahrnehmung des potentiellen Kunden trifft, damit aber sein Gedächtnis, das Werbeimpulse speicherte, entweder entlastet oder aber die Intensität der Erinnerung verstärkt. Ähnliche Überlegungen lassen sich hinsichtlich der Instrumente „Kundendienst" und „Werbung" anstellen: die Beratung als Form des kaufmännischen Kundendienstes beeinflußt das Denken eines potentiellen Kunden, indem sie ihm die Strukturierung des vorhandenen Datenmaterials erleichtert und damit die Argumentation der Werbung, die i m Gedächtnis konserviert wurde, aktualisiert und unterstützt. I n dieser Richtung öffnet sich ein großes Forschungsgebiet, das leicht zu der These verleiten könnte, Interdependenzen ließen sich aus der oben gewonnenen Systematik kognitiver Funktionen herleiten. Die Annahme, nur solche Instrumente stünden i n Wechselwirkung, die unterschiedliche Funktionen der Kognition beträfen, ist irrig, da z. B. auch zwei die Wahrnehmung treffende Absatzmittel i n gegenseitiger Abhängigkeit sind, da sie die Chance der Wahrnehmung eines Instrumentes verstärken oder auch beeinträchtigen. Darüber hinaus läßt sich die Interdependenz auch aus motivationalen und Lernprozessen des Individuums bestimmen 64 , da beide intervenierende Variable und wesentliche Erklärungsparameter i n einem Erklärungsmodell des Kaufaktes sind. Es scheint erforderlich — w i l l die Absatztheorie ihre Prognosefähigkeit erhöhen 05 —, daß die bisher vorherrschenden, nur kostentheoretisch orientierten Modelle zur Erklärung der optimalen Kombination 6 6 durch diese die Ertragsseite des Instrumenteneinsatzes wesentlich bestimmenden wissenschaftlichen Ansätze ergänzt werden. Nur so kann die Forschung der Praxis Wege zur Einschränkung intuitiven Verhaltens weisen und damit das B i l d des sich von Problem zu Problem „durchwurstelnden" Entscheidungssubjekts 67 i n seiner empirischen Relevanz ein wenig abmildern. Ansätze dieser Forschungsrichtung schlagen sich i n absatz- bzw. handelsorientierten Unternehmensplanspielen nieder. Während das von 84 Zusammen m i t den kognitiven Funktionen sind diese i n ihrer Bedeutung f ü r das Konsumenten-Verhalten dargestellt bei Bayton, J. 65 Unentbehrliche Charaktereigenschaft einer Theorie ist ihre „prognostische Relevanz"; vgl. Stegmüller, W.: S. 465; Heinen, E.: Das Zielsystem der Unternehmung, S. 151. 66 Vgl. u.a. den neuesten Aufsatz dieser A r t : Selchert, F. W.: Der Absatz i n kostentheoretischer Sicht — ein Beitrag zur K o m b i n a t i o n der absatzpolitischen Instrumente, i n : ZfB, 41. Jg., 1971, Nr. 4, S. 235 - 256. 67 L i n d b l o m bezeichnet die deskriptive Theorie der offenen Modelle als Wissenschaft des Durchwursteins; vgl. Lindblom, C. E.: The Science of „ M u d d l ing Through", i n : Leavitt, H. JjPondy, L. R. (Hrsg.): Readings i n Managerial Psychology, Chicago—London 1964, S. 61 ff.

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1. Teil: I I I . Die Einordnung der Thematik

IBM-Deutschland entwickelte „Topic l " 6 8 zwar von plausiblen Hypothesen ausgeht, die gegenseitige Abhängigkeit der absatzpolitischen Aktionsparameter aber vor allem durch eine Aufteilung i n strategische und taktische Maßnahmen i n der Vielfalt zu verringern sucht, nimmt das Teilmodell „Vertrieb" i m speziell auf die Gegebenheiten des Handels zugeschnittenen Unternehmensplanspiel „Delphi" 6 9 einen wesentlich größeren Raum ein. Die Generalisierung der Schlüsselvariablen und ihrer Beziehungen — Zeichen jeder Anwendung der „management sciences" i m Marketing — ist zwar auch für dieses Spiel essentiell, w i r d jedoch nicht zu weit getrieben 70 . Die mathematische Basis läßt sich durch die Verwendung von ArcusTangens-Funktionen und Differenzbuße-Funktionen kennzeichnen. Die letztgenannte Gattung wurde dabei entwickelt, u m die zeitliche Interdependenz von Instrumenten berücksichtigen zu können, d. h. jene Wirkungen zu simulieren, die sich aus der verzögerten Einflußnahme quantitativer Parameteränderungen ergeben 71 . Bei der Werbung und der Verkaufsförderung beeinflussen diese Daten der Historie i n erheblichem Maße die Mittel-Effizienz einer bestimmten Periode. Die Wechselwirkung der Instrumente wurde weiter erfaßt durch die funktionale Abhängigkeit z. B. der Rabattstellung von der Sortimentsbreite (wegen der notwendig höheren „Abverkäufe"), der PreisniveauWirkung von der Werbung, der W i r k u n g aller Instrumente von der Lie68 Vgl. Miottke, P.: Das Marktmodell des Unternehmungsspieles Topic 1, I B M Fachbibliothek, I B M F o r m 81534 - 3.67. 89 Dieses Unternehmensplanspiel w u r d e v o n der Siemens A G , München, entwickelt u n d i m Rahmen des Absatzwirtschaftlichen Oberseminars an der Universität München i m WS 1969/70 zum ersten M a l an einer Hochschule durchgespielt. Die folgenden Ausführungen beruhen i m wesentlichen auf mündlichen u n d schriftlichen Mitteilungen v o n H e r r n H. K . Stubenrauch, Bereich Datenverarbeitung der Siemens A G , München, sowie einem unveröffentlichten Manuskript zum „Spielleiterbuch Delphi". 70 Obwohl die Interdependenz der Instrumente zu einem der Hauptgründe f ü r die Schwierigkeiten des Modellbaues u n d des Einsatzes von OperationsResearch-Techniken i m M a r k e t i n g zählt (Montgomery /Urban, Kotler), ist sowohl f ü r „ D e l p h i " als auch f ü r das B u l l - S p i e l „ O m n i l o g I I I " der K o m plexitätsgrad derartig, daß die Isomorphie Modell-Realität, abgesehen von der Unmöglichkeit, qualitative Faktoren abzubilden, f ü r verschiedene B r a n chen als ausreichend bezeichnet werden kann. Vgl. Montgomery , D. B.¡Urban, G. L.: S. 4 f.; Kotler, Ph.: M a r k e t i n g Management, S. 172; Göppl, H.: Was k a n n Omnilog I I I i m Marketing?, i n : absatzwirtschaft, Jg. 14,1971, H. 1, S. 7 - 10. 71 H i e r m i t sind die der angesetzten Budgetsteigerung nicht proportionalen Wirkungsverstärkungen gemeint, da das Trägheitsmoment jeglicher Organisation Berücksichtigung finden muß. Ebenso haben Budgetkürzungen nicht proportionale W i r k u n g e n zur Folge, da das Modell auch hier dynamisch k o n zipiert ist: i n der Periode t getätigte Werbeausgaben rufen z. B. i n den folgenden Perioden auch noch Werbeeffekte hervor (exponentielle Glättung); vgl. hierzu auch K a p i t e l I I I , 2. i m zweiten T e i l dieser Arbeit.

1. Die Relevanz v o n Partialbetrachtungen

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ferfähigkeit der letzten Periode usw. Die Kommunikations-Parameter, also Werbung und Sales Promotion, unterstützen dabei die Anziehungskraft des Sortiments i n unterschiedlicher Weise: sie sind i n ihrer W i r k samkeit stark von den Kommunikationsaufwendungen der Konkurrenz abhängig, wodurch der realen Bedingungslage Rechnung getragen wird, wonach ein Produkt bzw. Sortiment ein geringeres Werbevolumen erfordert, wenn sich die Bedürfnisse der potentiellen Käufer schon zum Bedarf verdichtet haben. Das Fazit dieser kurzen Ausführungen liegt darin, daß die Eignung der Planspiele zur Ausbildung von Marketing- und UnternehmensNachwuchs steht und fällt m i t der Anzahl vorgenommener ParameterVerknüpfungen, die erst eine erhöhte Aufmerksamkeit des Lernenden erzeugt 72 ; dieser w i r d sich nur dann nicht wie i n einer Labor-Situation fühlen, sondern Aspekte quasi-biotischer Situationen vermittelt bekommen, wenn es gelingt, weitere Interdependenzen i m Modell zu berücksichtigen. I V . Zur Methodik der Untersuchung 1. Die Relevanz von Partialbetrachtungen

Da dem Experiment i n der wirtschaftlichen Praxis wegen seiner nachteiligen, oft sogar irreparablen Folgen nur ein enger Anwendungsbereich zukommt, verwenden die Wirtschaftswissenschaften und die Wirtschaftspraxis zur Durchleuchtung interdependenter Probleme bevorzugt die Modellanalyse, die ein spezielles Verfahren der deduktiven Problemanalyse ist 1 . I n ihren verschiedenen Erscheinungsformen — implizite, verbale, logical flow und mathematische Modelle 2 — hat diese A r t , reale Erscheinungen abzubilden, auch i n der Absatzwirtschaft eine starke Resonanz gefunden. I n dem Streben nach formallogischer Widerspruchslosigkeit bestimmt aber gerade bei den „Kalkülmodellen" der verfügbare Lösungsalgorithmus häufig die Problemstellung 3 . Dennoch haben 72 Die unterschiedliche Gewichtung einzelner Instrumente (die additiv oder m u l t i p l i k a t i v v e r k n ü p f t sind) je nach Branche u n d Absatzmärkten bringt die Möglichkeit, eine Vielzahl v o n Substitutions- u n d Komplementaritätsbeziehungen während eines Spiels kennenzulernen. 1 Vgl. Kosiol, E.: Modellanalyse als Grundlage unternehmerischer Entscheidungen, S. 318. 2 Vgl. Montgomery , D. B./Urban, G. L . : S. 9. 3 Vgl. Kuehn, A. A.: Heuristic Programming: A Useful Technique for Marketing, i n : M a r k e t i n g Precision and Executive Action, Proceedings of the F o r t y - F i f t h National Conference of the A M A , Chicago/Ill. 1962, S. 162 - 170, S. 164; eine w i r k l i c h am Problem orientierte Lösungshilfe k a n n — so K u e h n — i m Marketing n u r die der Simulation verwandte heuristische Programmierung bieten.

8 Linssen

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1. Teil: I V . Z u r Methodik der Untersuchung

sie als M i t t e l der Denkschulung ebenso ihre Berechtigung wie als „ A n schauungsbehelfe" zur Prüfung von Hypothesen. Hinsichtlich einzelner absatzpolitischer Instrumente besteht eine Unzahl von Modellen, die unter mehr oder weniger strengen ceteris-paribus-Bedingungen die Optimierung der Parameter-Effizienz anstreben. Der Wert dieser analytischen Verfahren, die nur quantifizierbare Größen erfassen und deren Payoff-Funktionen mit Hilfe von Entscheidungsregeln durch eine Ziffer vollständig ausgedrückt werden, ist unbestreitbar 4 ; doch ist die K r i t i k der Marketing-Fachleute, die die Beachtung von mutatis-mutandis-Klauseln verlangen 5 , allzu berechtigt. Denn die W i r kung einzelner absatzpolitischer M i t t e l w i r d so entscheidend durch die Kombination m i t anderen Aktionsparametern der Absatzpolitik beeinflußt 6 , daß jedes Modell, das diese Interdependenzen vernachlässigt, als empirisch leer gelten muß. Einmal ist es nämlich die Wirkungserhöhung durch den Verbund bei gleicher Ausprägung der Instrumentalvariablen, zum anderen aber auch die Effizienzverbesserung durch eine infolge des Einflusses anderer Instrumente verbesserte Mittelgestaltung 7 . Für Entscheidungen i m Absatzbereich können aufgrund dieser Erkenntnisse immer nur Suboptima realisiert werden, wenn die Grenzen der Partialbetrachtung nicht gesprengt werden. Häufig widersprechen sich nämlich die Nutzenkriterien der verschiedenen Alternativen, so daß hier eine Abstimmung erfolgen muß, wenn nicht die Maximierung eines Teilbereichs der Absatzkonzeption andere Gebiete so i n Mitleidenschaft ziehen soll, daß ein Uberleben der gesamten Unternehmung nicht mehr gesichert ist. Hinsichtlich der Flexibilität einzelner Instrumente, deren Einsatz optimiert wurde, geht man häufig von Wahrscheinlichkeitswerten aus, die — gemäß der Risikofreudigkeit des Aktors — einen bestimmten Wert nicht überschreiten dürfen. Gerade auf diesem Gebiet wäre eine Partialbetrachtung von negativen Auswirkungen, da die empirisch ermittelte Substitutionskraft anderer Instrumente den Flexibilitäts-Spielraum er4 Hierbei sei v o r allem an die auf einem Teilgebiet der Werbung — dem der Media-Selektion — existierenden, praktisch sehr erfolgreichen mathematischen Optimierungsmodelle gedacht; eine Übersicht über die Anwendung der Modelltechnik auf Entscheidungsprobleme i m Absatzbereich findet sich bei Buzzell, R. D.: Mathematical Models and M a r k e t i n g Management; auch McKean betont die Effizienz analytischer Modelle, weist aber gleichzeitig auf die immanenten Gefahren h i n ; vgl. McKean, R. N.: S. 4 ff. 5 Die durch den Einsatz v o n Computern heute mögliche Auflockerung der Restriktionen jeder Partialanalyse hat diese Stimmen jedoch etwas gedämpft. 6 Mathematisch läßt sich die Abhängigkeit dadurch veranschaulichen, daß die Kovarianz jeweils zweier Aktionsparameter verschieden v o n N u l l ist. 7 So ermöglicht z. B. die Kreditkundenkartei eine gezieltere Werbung durch Auswertung des verfügbaren Adressenmaterials.

1. Die Relevanz v o n Partialbetrachtungen

115

heblich auszudehnen vermag 8 . Auch die aufgrund eines angenommenen gleichbleibenden Konsumentenverhaltens prognostizierte Effizienz eines Instrumentes muß ein Suboptimum bleiben, da nicht i n Rechnung gestellte „Ermüdungserscheinungen" des Instrumentes sich z. B. durch andere Mitteleinsätze kompensieren lassen. Diese wenigen Beispiele mögen verdeutlichen, daß der m i t dem Partial-Modell vorgenommene Eingriff i n das Beziehungsgefüge der Realität meist zu „kräftig" ist, da gerade i m Absatzsektor die Empfindlichkeit jeder Modellösung sehr groß ist. „Es gibt stets Lösungen, die bereits bei geringfügigen Veränderungen eines oder mehrerer Modellelemente ihre Optimalität verlieren und dann durch häufig völlig anders strukturierte Lösungen zu ersetzen sind 9 ." Diese „Sensitivität" basiert sowohl auf der Entdeckung von Ungenauigkeiten und Fehlern bei der Datenerfassung als auch auf Datenveränderungen i m Zeitablauf. I n erster Linie muß hierbei an die Tatsache gedacht werden, daß meist m i t der Unterstellung gearbeitet wird, der Käufer verhalte sich gegenüber A r t und Stil des einmal gewählten Einsatzes der Absatzinstrumente gleich; auf quantitative Änderungen einer als optimal gedachten Kombination reagiert er jedoch i n stark unterschiedlicher Weise, da er nicht als Individuum m i t homogenem Bedarf angesehen werden kann. Die angenommene Konstanz leidet vor allem darunter, daß der Käufer nicht mehr als „ i n nengeleitetes" 10 Individuum gesehen werden kann, dessen persönliche, verinnerlichte Werthaltung prinzipieller A r t dem dynamischen Wechsel der sozialen Situationen gegenüber durch ihre Abstraktheit ein relativ gleichbleibendes Faktum darstellt. Vielmehr ist der M a r k t von heute durch einen „außen-geleiteten" Konsumententyp gekennzeichnet, der sein Verhalten — wie Riesman sagt — sozusagen durch ein MeinungsRadargerät dauernd orientiert. „Der außen-geleitete Mensch... muß i n der Lage sein, Signale von nah und fern zu empfangen, es gibt viele Sender und häufigen Programmwechsel 11 ."

8 Dieses Argument trifft v o r allem f ü r den Versandhandel zu, bei dem die besondere Technik des Angebots eine Preisfestlegung f ü r regelmäßig ein halbes Jahr m i t sich bringt. Droht die gestellte Preisforderung einen M i ß erfolg zu bringen, so k a n n v o r allem die Werbung diese Konsequenz u n v o l l kommener Voraussicht verhindern bzw. i h r Ausmaß abmildern. Vgl. zu diesem Problem Köhler, R.: Das Problem „richtiger" preispolitischer Entscheidungen bei unvollkommener Voraussicht, S. 271 f.; vgl. auch Meffert, H.: Z u m Problem der betriebswirtschaftlichen Flexibilität, i n : ZfB, 39. Jg., 1969, Nr. 12, S. 779 bis 800. 9 Kern, W.: Operations Research, 2. Aufl., Stuttgart 1966, S. 75. 10 Die antinomistische Darlegung v o n innen- u n d außengeleiteten Charakteren beruht auf einer v o n Riesman entwickelten Typologie sozialer V e r haltensweisen; vgl. Riesman et al.: S. 20 ff. 11 Ebenda, S. 41.

8*

116

1. Teil: I V . Z u r Methodik der Untersuchung

M i t dieser i n m o d e l l t h e o r e t i s c h e n A b h a n d l u n g e n k a u m e r f a ß t e n z e i t l i c h e n V a r i a n z der V e r h a l t e n s w e i s e n g e h t e i n h e r die N e g l e g i e r u n g v o n U n t e r n e h m u n g s e i n f l ü s s e n a u f die o p t i m a l e K o m b i n a t i o n . D i e w e n i g e n sich diesem T h e m a w i d m e n d e n U n t e r s u c h u n g e n — e t w a die B e y e l e r s 1 2 — sehen die I n t e r d e p e n d e n z e n als a l l e i n v o n der M a r k t s e i t e h e r b e s t i m m t . A u c h h i e r k a n n m a n v o n e i n e r P a r t i a l b e t r a c h t u n g sprechen, da die n o r m a t i v sicherlich r i c h t i g e D a r l e g u n g der I n t e r d e p e n d e n z - B e i spiele i n f o l g e Z i e l s e t z u n g u n d B e d i n g u n g s l a g e d e r U n t e r n e h m u n g eine solche V a r i a t i o n e r f ä h r t 1 3 , daß diese F a k t o r e n n i c h t i n d e n „ D a t e n r a h m e n " v e r w i e s e n w e r d e n k ö n n e n , s o l l die empirische R e l e v a n z der U n t e r suchung gesichert sein. 2. Ablehnung einer kasuistischen Darstellung D e r h ä u f i g g e w ä h l t e A u s w e g aus d e m o b e n geschilderten D i l e m m a l i e g t i n der W a h l e i n e r r e i n kasuistischen D a r s t e l l u n g v o n I n t e r d e p e n d e n z e n z w i s c h e n d e n I n s t r u m e n t e n 1 4 . H i e r w i r d der Tatsache, daß i m A b s a t z bereich n u r G l o b a l e n t s c h e i d u n g e n eine o p t i m a l e L ö s u n g g a r a n t i e r e n 1 5 , 12 Vgl. Beyeler, L.: Burkheiser versucht, die Interdependenz zwischen den Instrumenten über die Darlegung der Produktmerkmale zu erfassen, wobei er Konsumentencharakteristika i n die Merkmale m i t einbezieht. Abgesehen davon, daß dieses Unterfangen sehr selektiv bleiben muß, gelingt es m i t Hilfe einer solchen Methodik nicht, die anderen f ü r die Kombination der Absatzm i t t e l relevanten Determinanten w i e Zielsetzung, Konkurrenzeinfluß, Budgetknappheit usw. zu erfassen. Wiederum handelt es sich also u m eine Partialbetrachtung. Vgl. Burkheiser, U.: S. 103 ff. 13 Es entspräche nicht einer rationalen Absatzpolitik, das Produkt- oder Firmenimage m e h r m i t dem Selbstimage der Konsumenten zur Deckung zu bringen als z. B. aufgrund der Konkurrenzverhältnisse nötig ist. „ D e n n auch diejenigen Personen, die verhältnismäßig w e i t v o m nächsten Meinungsgegenstand entfernt liegen, wenden sich dann unter dem Druck des Bedürfnisses dem nächsterreichbaren Meinungsgegenstand m i t seiner mächtigen Aufforderungsgröße zu, auch w e n n er ihnen keineswegs v o l l entspricht." Die Nische bleibt also nicht manifest, sondern n u r latent, vgl. Spiegel, B.: S. 103; die Losung des „to please customer" hat i m m e r die Relevanz der „profit goals" zu berücksichtigen. 14 Vgl. u. a. die Untersuchungen v o n Bennewitz u n d Fricke, die jeweils den Kundendienst bzw. die Kreditgewährung anderen absatzpolitischen Instrumenten gegenüberstellen. Auch hier w i r d der Reduktionshypothese Poppers nicht Rechnung getragen; vgl. Fußnote 6 auf S. 97; vgl. Bennewitz, H. I.: S. 185 ff.; Fricke, K . : S. 133 ff.; die Arbeit v o n Linnert, die jeweils ein Instrument i n seinem Verhältnis zum gesamten M a r k e t i n g - M i x beurteilt, ist insofern methodisch angreifbar, als z. B. die Beurteilung der Preispolitik i m Rahmen des M a r k e t i n g - M i x Interdependenzen zur Produktpolitik aufgreift, diese sich dann aber bei der Darstellung der Produktpolitik i n Relation zum gesamten Instrumentarium wiederholen; vgl. Linnert, P.: MarketingM i x , i n : Marketing- u n d Verkaufsleiter-Handbücher, München 1970, S. 759 bis 822, insbes. S. 795 ff. 15 Vgl. Kühn, R.: Möglichkeiten rationaler Entscheidung i m Absatzsektor unter besonderer Berücksichtigung der Unsicherheit der Information, B e r n 1969, S. 229 f.

3. Systembetrachtung u n d kybernetischer Deutungsversuch

117

dadurch versucht Rechnung zu tragen, daß eine begrenzte Anzahl von Instrumenten untersucht wird. Bei der Hypothesenbildung verfährt man dabei so, daß die Wenn-Komponente der Erklärung dauernd wechselt und so intendiert wird, die Vielzahl der Fälle i n der Realität zu erfassen. Die Interdependenz zwischen Preis und Werbung w i r d z. B. derartig dargelegt, daß sie einmal unter dem Aspekt unterschiedlicher Käuferschichten (qualitative Abstimmung), dann wieder i m Hinblick auf unternehmerische Zielsetzungen (quantitative Abstimmung bei Expansions- oder Gewinnzielen), Stärke des Konkurrenzeinflusses oder sonstige Bestimmungsgrößen untersucht wird. Dies wiederholt sich bei jedem Instrument, wobei der jeweils für besonders relevant erachtete Aspekt herausgegriffen wird. Für unser Vorhaben verbietet es sich, derartig zu prozedieren: einmal wäre es aufgrund der Vielzahl der Instrumente schwer möglich und auch ermüdend, die 16 der Absatzpolitik zur Verfügung stehenden Aktionsparameter i n ihrer gegenseitigen Abhängigkeit darzustellen 18 . Zum anderen würden die so gewonnenen Aussagen zur Erkenntnis nur wenig beitragen. Denn nach dem hier vertretenen wissenschaftstheoretischen Standpunkt ist das Erkennen kein Abbilden der Wirklichkeit, sondern ein Umbilden 1 7 . 3. Systembetrachtung und kybernetischer Deutungsversuch

U m „sich auf dem ungeheueren Meere der empirischen Tatsachen zurechtzufinden" 18 , müssen „Nothäfen" gesetzt werden. Diese sind darin zu sehen, daß durch eine abstrahierende Zusammenfassung dessen, was mehreren konkreten Erscheinungen gemeinsam ist, kausale Erklärungen 16

Nach den Regeln der Kombinatorik ergäben sich

(n) = 7~7~—TT- = = 120 Kombinationen, mJ ml (n-m)! 2! 14! deren I n h a l t zu erörtern wäre. Dieser setzt sich aus der A n z a h l unterschiedlicher Instrumenten-Ausprägungen zusammen. A l l e i n die Annahme, pro Instrument seien n u r fünf unterschiedliche „Zustände" möglich, ergäbe die Z u 80! sammenstellung von 2 | 78! = 3160 „Wenn-Dann"-Erklärungen; vgl. zu den Begriffen „ K o m b i n a t i o n " u n d „Permutation" Flechtner, H. J.: S. 80 - 83. 17 Vgl. Ammon, A.: Objekt u n d Grundbegriffe der Theoretischen Nationalökonomie, Wien—Leipzig 1911, S. 17 ff.; Weber, M.: Die „ O b j e k t i v i t ä t " sozialwissenschaftlicher u n d sozialpolitischer Erkenntnis, i n : Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, 3. Aufl., Tübingen 1958, S. 146 - 214, S. 207; Richert, H.: Kulturwissenschaft u n d Naturwissenschaft, 6. u. 7. Aufl., Tübingen 1926, S. 30 ff. 18 Weber, M.: Die „ O b j e k t i v i t ä t " sozialwissenschaftlicher u n d sozialpolitischer Erkenntnis, S. 206.

118

1. Teil: I V . Z u r Methodik der Untersuchung

individueller Erscheinungen möglich werden. Sie bringen Ordnung in das „Chaos von Existenzialurteilen" (M. Weber), so daß die Fülle empirischer Tatsachen anhand nur jeweils weniger Beispiele Verdeutlichung findet. I n concreto bedeutet das, daß zunächst (im 2. Teil der Arbeit) ein idealtypischer A k t o r als „Steuermann" der Interdependenzen angenommen wird. Dadurch werden die größten Schwierigkeiten jeder absatzpolitischen Analyse — Nicht-Existenz eines Ziel-Monismus, einer holistischen Organisation, einer vollkommenen Transparenz und unendlich schneller Reagibilität — umgangen: Die Charakteristika der Interdependenzen werden i n aller Deutlichkeit sichtbar. U m jedoch zwischen den Extremen des absolut Allgemeinen und des absolut Individuellen zu „vermitteln", u m vor allem die für die Praxis relevanten Probleme der Wechselbeziehungen sichtbar werden zu lassen, muß eine Annäherung dieser Betrachtung an die Realität — wenn auch i n knapper Form — durch die Bildung eines „realtypischen" 19 Aktors vorgenommen werden (3. Teil der Arbeit). Was bisher Datum war, w i r d zum Problem. Die verfügbaren wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Kenntnisse über die Zielgruppe und über die Eigenarten des Sachziels der Unternehmung, also des Produkts und der Dienstleistung, müssen dargelegt werden, u m aus ihnen Aufschlüsse über Interdependenzen zu erhalten. Der Datenrahmen w i r d ebenfalls weiter gefaßt durch die Einbeziehung der Bedingungslage der Unternehmung als Determinante des Wirksamwerdens bestimmter Wechselwirkungen. So ist z. B. Gutenberg zuzustimmen, wenn er schreibt, daß nicht die absatzpolitischen Instrumente als solche, sondern die Reaktionen, die der Einsatz der absatzpolitischen Instrumente auslöst, das Absatzvolumen einer Unternehmung bestimmen 20 . Die Reaktionen der Konkurrenten sind dabei ein ebenso ausschlaggebendes Faktum wie z.B. die Branchen- bzw. gesamtwirschaftliche Situation 2 1 . Während letztere ex ante m i t einem hohen Ge19 Ohne auf die v o r allem v o n Bäthge angeregte Diskussion u m den Euckenschen Begriff des „Realtypus" einzugehen, sei hier dieser Terminus i m Sinne von „empirischer bzw. historischer Durchschnittstypus" v e r w a n d t ; vgl. Bäthge, G.: Die logische S t r u k t u r der Wirtschaftsstufen. W i r k l i c h k e i t u n d Begriffsbild i n den Stufentheorien, Meisenheim am Glan 1962, S. 48 ff.; Euchen, W.: Die Grundlagen der Nationalökonomie, S. 41 f.; S. 226 f.; Weber, M.: Wirtschaft u n d Gesellschaft, S. 2 ff.; das Verfahren abnehmender Abstraktion zur Gewinnung v o n Erklärungen empfiehlt auch Haller, H.: S. 106. 20 Vgl. Gutenberg, E.: Der Absatz, S. 51. 21 B u r i a n hat i n seiner A r b e i t diese Bestimmungsgrößen (neben dem Produkt) stark herausgearbeitet, doch bleibt auch sein Ansatz sehr partiell, da z. B. jegliche Fundierung des Mitteleinsatzes aufgrund der Einbeziehung psychologischer bzw. sozialpsychologischer Erkenntnisse unterbleibt. Vgl. Burian, F.: Die Wechselwirkung zwischen Wirtschaftswerbung u n d Preisgestaltung, Diss., Wien 1954,

3. Systembetrachtung u n d kybernetischer D e u t u n g s v e r s u c h 1 1 9

wißheitsgrad zu bestimmen sind, lassen sich sichere Aufschlüsse über das Konkurrenzverhalten — trotz möglicher Erfolge spieltheoretischer Kalküle — erst ex post erlangen. A n dieser Stelle löst sich der systemtheoretische Ansatz i n einen kybernetischen auf. Das Modell des rational handelnden Menschen, das als geschlossenes Modell idealtypischen Charakter trägt, hatte keine Verbindungen zur Umwelt (Randelemente), es besaß keine „Oberfläche". Nunmehr w i r d das Modell offen 22 , sein Endzustand ist nicht vom Anfangszustand, sondern auch von den Umweltbeziehungen abhängig. Es muß evident gemacht werden, wie die Informationen gewonnen werden und wie die Umwelt den Prozeßablauf beeinflußt, also das dauernd wechselnde Netz von Interdependenzen bestimmt. Rückkopplungen sind das entscheidende Signum dieses offenen Systems, das durch seine probabilistischen Züge nur subjektiv rationale Entscheidungsprozesse ermöglicht. Dabei heißen alle Entscheidungen subjektiv rational, die i n der verfügbaren Zeit nach sorgfältigem Abwägen aller bekannt gewordenen Alternativen getroffen werden 23 . Probleme der menschlichen Verarbeitungskapazität, der Reagibilität, rücken durch die Einschränkung „ i n der verfügbaren Zeit" i n den Blickpunkt des Interesses, während das A d j e k t i v „bekanntgewordene" (Alternativen) das Transparenzaxiom akzentuiert. Der Mensch ist auch i m weiteren Sinn ein Problem der Rückkopplung: Organisationale Prozesse machen die Abweichung soziologischer Systeme von denen physikalischer oder biologischer A r t dadurch augenscheinlich, daß der Servo-Mechanismus, d. h. die zwangsläufige Selbstregulierung, einem Quasi-Servo-Mechanismus weicht 24 . Es bleibt festzuhalten, daß das meta-ökonomische Problem der Methodik wissenschaftlichen Vorgehens 25 i m vorliegenden Fall durch eine System-Betrachtung und ihre besondere Erscheinungsform des kybernetischen Zugriffs einer Klärung nähergebracht werden soll 2 0 . Dabei wer22 Z u m Begriff u n d Wesen offener u n d geschlossener Modelle vgl. u. a. Alexis, M ./Wilson, Ch. Z.: Organizational Décision Making, Englewood Cliffs/N. J. 1967, S. 158ff.; Kirsch, W.: Entscheidungen u n d Entscheidungsprämissen i n der Unternehmungsorganisation, S. 69 ff.; Flechtner, H. J.: S. 230. 23 Ähnliche Definitionen finden sich bei Bongart, W.: „Nationalökonomie, wohin?", S. 82; Hartfiel, G.: Wirtschaftliche u n d soziale Rationalität, S t u t t gart 1968, S. 56; Bierfelder, W.: Ansätze zu einer Typologie der unternehmerischen Entscheidungen, i n : ZfB, 31. Jg., 1961, S. 520 - 530. 24 Vgl. Kulhavy, E.: Operations Research — Die Stellung der Operationsforschung i n der Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 1963, S. 141; K u l h a v y legt eingehend dar, daß der Mensch immer ein „Element der Rückkopplung" bleiben w i r d . 25 Vgl. Albert, H.: Marktsoziologie u n d Entscheidungslogik, S. 246. 28 Auch Nieschlag/Dichtl/Hörschgen weisen darauf hin, daß f ü r eine eingehende Betrachtung der optimalen K o m b i n a t i o n der absatzpolitischen Instrumente die Beziehungen zwischen den Elementen einer marktorientier-

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1. Teil: I V . Z u r Methodik der Untersuchung

d e n — entsprechend d e m M e r k m a l r e a l t y p i s c h e r S i c h t w e i s e 2 7 — b e i der A n n ä h e r u n g a n die R e a l i t ä t sinnstörende, s i n n f r e m d e E l e m e n t e n i c h t ausgeschieden; die K o m p l e x i o n des M o d e l l s s o l l d e n W e r t d e r U n t e r s u c h u n g als G e s t a l t u n g s h i l f e steigern. I m r e a l t y p i s c h e n B e r e i c h der A r b e l t w i r d also entsprechend f o l g e n d e m k y b e r n e t i s c h e n S y s t e m v e r fahren: Schaubild 11 Die f ü r die Interdependenzen relevanten Elemente des Regelkreises

RÜCKKOPPELUNG: Informatorische und zeitliche Dimensionen

D i e V o r t e i l e des Systemansatzes l i e g e n v o r a l l e m i n d e m g u t e n l o g i schen B e z u g s r a h m e n , d e n dieser a b g i b t 2 8 . Seine S t r u k t u r v e r m a g der ten Entscheidung dynamisiert werden müssen, d. h. das statische Gefüge i n ein kybernetisches System zu überführen sei; vgl. Nieschlag et al.: Marketing, S. 78. E i n ähnliches methodisches Vorgehen findet sich i n jüngster Zeit verstärkt auch i n anderen wissenschaftlichen Disziplinen. Vgl. u. a. Narr, W.-D./ Naschold, F.: Einführung i n die moderne politische Theorie, Bd. I u. I I , Stuttgart 1969; f ü r die Pädagogik: Zimmer, J.: Noch einmal: Curriculum, i n : SZ, Nr. 201, v. 22./23. 8.1970, o. S. 27 Vgl. die v o n Bäthge herausgearbeiteten Unterscheidungsmerkmale des Realtypus' (historischer Durchschnittstypus) gegenüber dem Idealtypus u n d dem Modell; vgl. Bäthge, G., S. 42 ff. 28 Vgl. Lazer, W.: The Systems Concept i n the Evolution of Marketing Management Thought, S. 118 ff. Grochla sieht den Nutzen des Systemansatzes i n seiner terminologischen u n d heuristischen F u n k t i o n ; vgl. Grochla, E?: Systemtheorie u n d Organisationstheorie, S. 11 ff.

3. Systembetrachtung u n d kybernetischer D e u t u n g s v e r s u c h 1 2 1

intendierten Totalbetrachtung Rechnung zu tragen, die i n der vorliegenden Untersuchung lediglich dadurch eingeschränkt werden soll, daß der Einfluß der Produktionssphäre auf die Interdependenzen ausgeklammert bleibt. Die starken Wechselwirkungen zu diesem Subsystem der Unternehmung wurden oben beleuchtet 29 ; der A k t o r hat i n jedem speziellen Fall zu prüfen, ob sich die vom Absatzbereich als relevant angesehenen Interdependenzen m i t dem Gesamt-Rentabilitätsziel der Unternehmung decken. Das Thema enthält den Satzbestandteil „der Unternehmung"; dieser deutet darauf hin, daß nur i m Rahmen marktwirtschaftlicher Systeme relevante Gesichtspunkte 30 erörtert werden sollen, daß aber auch Interdependenzen i m Hinblick auf das gesamte Produktionsprogramm bzw. Sortiment der Unternehmung Gegenstand der Untersuchung sind und nicht nur die für den Absatz eines Produktes relevanten Wechselwirkungen 31 . Die Kombinationsmöglichkeiten innerhalb eines Instrumentes, also Probleme der Media-Auswahl oder der optimalen Allokation innerhalb des Verkaufsstabes usw., bleiben außer acht; dagegen w i r d von einer nur produktorientierten Betrachtung abgesehen32, da der Dienstleistungsbereich m i t seiner Vielfalt der Erscheinungsformen 33 gerade durch die Emanzipation des „tertiären Sektors" ständig an Bedeutung gewinnt.

29

Vgl. S. 99 f. dieser Arbeit. Die Autonomie-Prämisse gehört damit zu den Meta-Entscheidungen der vorliegenden Untersuchung; vgl. auch K a p i t e l I, 34. i m ersten Teil dieser Arbeit. 31 Die von Dichtl ausführlich dargestellten Spill-over-Effekte innerhalb der P r o d u k t - L i n i e (also z. B. die Frage komplementärer bzw. substitutiver Produkte) bleiben also i m Problembereich der A r b e i t ; vgl. Dichtl, E.: Die Beurteilung der Erfolgsträchtigkeit eines Produktes als Grundlage der Gestaltung des Produktionsprogramms, S. 24 ff. 32 Eine solche selektive Sichtweise bestimmt den „Versuch einer Weiterentwicklung der Absatztheorie" von Burkheiser; vgl. Burkheiser, U.: S. 105. 33 Diese werden bei den Bemühungen u m eine Systematik der Dienstleistungen deutlich, vgl. Linhardt, H.: Das Dienstleistungsunternehmen: Genealogie — Topologie — Typologie, i n : Dienstleistungen i n Theorie u n d Praxis, Otto H i n t n e r zum 70. Geb., hrsg. v. H. L i n h a r d t , P. Penzkofer, P. Scherpf, Stuttgart 1970, S. 3 - 15, insbes. S. 9 ff. 30

Zweiter Teil

Betrachtung der Interdependenzenproblematik unter idealtypischen Prämissen I n dem von uns vorgeschlagenen Verfahren abnehmender Abstraktion zur Erfassung der vielfältigen Aspekte der Interdependenzen soll i n einer ersten Stufe eine bewußte und willkürliche, aber dennoch zweckmäßige Abweichung von der Realität vorgenommen werden: Die Verwendung eines idealtypischen Aktors als Steuerungssubjekt der Interdependenzen w i r d es ermöglichen, Arten von Wechselwirkungen aufzuzeigen, die i n dieser isolierten, reinen Form nur durch einen solchen wissenschaftlichen „Hilfsgriff" kenntlich gemacht werden können. I n der Komplexität der Wirklichkeit kann nämlich lediglich eine Überlappung dieser modalen Kriterien festgestellt werden. Die axiomatischen Festlegungen für dieses Vorgehen sollen i m folgenden vorgenommen werden. I. Die Steuerungsvoraussetzungen interdependenter absatzwirtschaftlicher Systeme Während das Auslösen i n seiner reinen Form eine ungerichtete A r t der Beeinflussung des Systemverhaltens ist, läßt sich von Steuern sprechen, wenn ein Auslöser zugleich richtend auf den ausgelösten Vorgang einwirkt 1 . Dabei setzt die Steuerung grundsätzlich ein Ziel voraus — die Zielfixierung selbst ist also nicht als Steuerungsaufgabe zu begreifen. Interdependente absatzwirtschaftliche Systeme lassen sich nun am ehesten erfassen, wenn die dominante Prämisse des vollkommenen Marktes, das zentrale Phänomen der klassischen Nationalökonomie, nämlich das Maximumprinzip, als Verhaltensleitschnur des Wirtschaftssubjektes angenommen wird. Dieses Prinzip erfährt zwei Interpretationen: als Gewinn- oder als Nutzenmaximierung; dabei entzieht sich die Nutzenmaximierungshypothese als Leerformel jeder realwissenschaftlichen Prüfung, denn m i t dieser Theorie wäre jedes Verhalten des Unternehmers und jede Gewinnhöhe vereinbar 2 . 1

Vgl. Flechtner, H.-J.: S. 27.

I. Die Steuervoraussetzungen

123

Die Gewinnmaximierung soll daher i n diesem Abschnitt als Zielfunktion möglicher Kombinationen von Instrumenten gelten, wobei unterstellt wird, daß für den Unternehmer multivariable Zielfunktionen nicht existieren; weiterhin: daß er die Fähigkeit hat, ein Maximum zu erkennen, und den Willen, es anzustreben. Ein solches Verhalten läßt sich als objektiv rational bezeichnen, denn „Rationalität ist m i t . . . zieladäquatem Handeln identisch" 3 . Die Verhaltensprämisse erfährt eine weitere Ausdehnung durch die schon erwähnte Annahme eines organisationslosen Modells, wodurch die Fiktion eines einzigen Entscheidungsträgers gegeben ist. Sowohl der Hinweis auf die Notwendigkeit, ein Maximum zu erkennen, als auch der Begriff der Rationalität verweisen auf eine der nachgeordneten Prämissen, die der homo oeconomicus erfüllt: M i t der Transparenzannahme w i r d unterstellt, daß der Aktor alle potentiell vorhandenen Informationen aufnimmt, sie weiterverarbeitet und zur Entscheidungsgrundlage macht. Das Beziehungsgeflecht zwischen den Aktionsparametern der Absatzpolitik liegt also offen, da m i t der Kenntnis aller denkbaren Alternativen und aller denkbaren Konsequenzen das Wissen u m eine eindeutige Zuordnungsvorschrift der Konsequenzen auf die Alternativen einhergeht 4 . Der Informations-Level ist somit „auf der Höhe der Zeit" 5 ein Zustand, der dadurch erreicht wird, daß — wie Engels anmerkt — das generell „unsterbliche" Entscheidungsfeld einer Unternehmung i n ein „sterbliches" umgewandelt wird. Denn „das Gewinnmaximierungsprinzip bezieht sich auf das gesamte Entscheidungsfeld des Individuums" 8 . Die Wechselwirkungen zwischen Absatzinstrumenten werden jedoch nur dann i n einer Absatzkonzeption richtig berücksichtigt, wenn nicht nur auf kurze Sicht geplant wird, sondern diejenige Mutation gewählt wird, die weitreichende Voraussicht und Selektivität gebieten. 2 Ähnlicher Auffassung sind Kade, G.: Die Grundannahmen der Preistheorie. Eine K r i t i k an den Ausgangssätzen der mikroökonomischen Modellbildung, B e r l i n — F r a n k f u r t / M a i n 1962, S. 35; Hess, K . : Befriedigender Gewinn u n d betriebswirtschaftliche Preistheorie, Diss., K ö l n 1961. 3 Bidlingmeier, J.: Unternehmerziele u n d Unternehmerstrategien, S. 174. Der Begriff der Rationalität w i r d i n der L i t e r a t u r i n vielfältigster Weise klassifiziert u n d interpretiert; vgl. v o r allem Weber, M.: Wirtschaft u n d Gesellschaft, S. 12 f.; Hartfiel, G.: Gäfgen, G., S. 102; Euchen, W.: Grundlagen der Nationalökonomie, S. 328 f.; Lange, O.: Das Prinzip der wirtschaftlichen Rationalität, Ökonomie u n d Praxeologie, S. 201 ff.; Möller, H.: Rationalität der wirtschaftlichen Handlungen, i n : Jahrbücher f ü r Nationalökonomie u n d Statistik, Bd. 156,1942, S. 241 - 257, S. 247 ff. 4 I n Anlehnung an Simon, H. A.: A Behavioral Model of Rational Choice, S. 245 f. 5 Ortega y Gasset, J.: Der Aufstand der Massen, Reinbek b. H a m b u r g 1958, S. 19 f. 6 Engels, W.: S. 58,

124

2. Teil: I. Die Steuervoraussetzungen

Das i n der Sprache mathematischer Entscheidungsmodelle als „Gewißheit" gekennzeichnete Transparenzaxiom ermöglicht auch simultane Entscheidungen 7 , die allein die optimale Berücksichtigung von Interdependenzen ermöglichen. Wenn man behaupten kann, daß sich i n der Bevorzugung eines bestimmten Produktes und i m Ablehnen eines anderen eine bestimmte Meinung des Konsumenten manifestiert, so muß dabei doch berücksichtigt werden, daß diese „Meinung" nicht explizit zu werden braucht 8 . Der Unternehmer als homo oeconomicus kann jedoch die W i r k u n g aller Parameter, auch jener, über die — wie Werbemittel oder Packungen — häufig keine besondere Meinung geäußert wird, abschätzen und ihre gegenseitige Unterstützung so klar erfassen, daß eine simultane Abstimmung möglich ist. Undenkbar ist ein dauerndes Gleichgewicht zwischen absatzpolitischem System und Umwelt ohne Einhaltung der Reaktionsprämissen. Reagibilität, d. h. eine unendlich hohe Reaktionsgeschwindigkeit der Wirtschaftsubjekte, meint dabei die Fähigkeit zu sofortiger, völliger und normaler Anpassung und Umstellung 9 . Die Länge der „individual periods of registration" ist gleich N u l l — irgendwelche Probleme der Informationsgewinnung und -Verarbeitung tauchen nicht auf. Neben diesem psychologischen Teil des Reagibilitätsaxioms verlangt die Änderung eines absatzpolitischen Instrumentes — sollen die W i r kungen auf andere Instrumente und deren Reaktionen unmittelbar erfolgen — auch technische Reagibilität, d.h. eine unendlich schnelle Anpassung einzelner Instrumentalvariablen, die wiederum auf einer beliebigen Teilbarkeit der Faktoren (Instrumente) basieren muß. Beide Komponenten der Reaktionsprämisse müssen zusammenwirken, u m Interdependenzen störungsfrei realisierbar werden zu lassen. Nunmehr lassen sich die Arten der Wechselwirkungen darstellen: durch das A x i o m eines idealtypischen Aktors sind sie nämlich nicht mehr entscheidungsträger-, sondern nur noch entscheidungsfeldbedingt, und zwar i n der engen Auslegung der Markt-Abhängigkeit.

7 „Simultaneität setzt voraus, daß i n einem System jede Variable jeden beliebigen Wert annehmen kann, u n d zwar i n gegenseitiger Abhängigkeit v o n der anderen Variablen." Gutenberg, E.: Die Produktion, S. 162. 8 Vgl. Spiegel, B.: S. 12. 9 Vgl. Bongard, W . : S . 22.

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der Wechselbeziehungen

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I I . D i e A r t e n von Interdependenzen i n absatzwirtschaftlichen Systemen 1. Die Extension der Wechselbeziehungen

Es ist eine bereits erwähnte Tatsache, daß i m System der Absatzinstrumente jedes m i t jedem korreliert, wenn auch m i t der Einschränkung, daß sich wesentliche Interdependenzen m i t solchen kaum merklicher A r t vermischen 1 . Sehen w i r einmal von dieser rein theoretischen Sichtweise ab, so lassen sich die Wechselbeziehungen eines einzelnen Aktionsparameters der Absatzpolitik i n ihrer Anzahl als einfach oder multipel bezeichnen, wobei „multiple" Interdependenzen die Interaktion zwischen mehr als zwei Systemvariablen meinen. 11. Einfache Interdependenzen Wenden w i r uns zunächst den Wechselwirkungen einfacher A r t zu: Ist ein Beziehungsgeflecht immer das Ergebnis eines Prozesses 2, so läßt sich diese Kategorie der Interdependenzen nur bei prozeßhafter Betrachtung erkennen, d. h. w i r stellen uns die Änderung z. B. des Preises und seine Auswirkungen auf andere absatzpolitische Instrumente vor. M i t Brockard 3 lassen sich zwei A r t e n von „Bewegungen" des Systems unterscheiden: das „sich-Verlaufen" und die „Kettenreaktion". Während die letztgenannte Dimension ein Weitergeben des Impulses über ein nächstgelegenes Instrument (z.B. Werbung) hinaus beinhaltet — eventuell sogar noch i n verstärkter Weise — und damit zu multiplen Interdependenzen führt, bedeutet ein „sich-Verlaufen" des Impulses, daß i m vorliegenden Beispiel die Preisvariation allenfalls 4 noch die Werbung beeinflußt und vice versa, daß danach aber die Kraft dieser A k t i o n nachläßt, sie „gedämpft" w i r d und keine Reaktionen mehr zeitigt. Derartige Interdependenzen lassen sich eigentlich nur bei eingeführten Absatzkonzeptionen denken, bei denen h i n und wieder eben nur an zwei Parametern „gedreht" wird 5 , die übrigen aber „mittelbar" 6 keine Ver1

Vgl. hierzu K a p i t e l I I , 1 i m ersten T e i l dieser Arbeit. Vgl. Wiese, L. v.: Allgemeine Soziologie, T e i l I : Beziehungslehre, S. 151. 3 Vgl. Brockard, H.: S. 154. 4 Der Impuls k a n n selbstverständlich so schwach sein, daß sich seine K r a f t schon v o r dem „Erreichen" des (in einem imaginären Instrumenten-„Feld") nächstgelegenen Instrumentes verläuft — die Interdependenz k a n n als unwesentlich klassifiziert werden; zum Begriff des „Feldes" vgl. Lewin, K . : Feldtheorie i n den Sozialwissenschaften, S. 273. 5 Bei einem „Standard", w i e der schon erwähnten Markenartikel-Konzeption, wäre das z. B. denkbar bei einer Umstrukturierung des Distributionskanals (etwa einer Ausdehnung des Frischdienstes eines Dauerbackwarenherstellers), die n u r Korrelationen m i t der Betriebsgröße offenbar werden läßt. Dagegen würde eine Änderung des Produktes, zu dessen objektiver Beschaffenheit der Zugang des Individuums gering ist, infolge der notwen2

126

. Teil: II.

i e n

Interdependenzen

änderung erfahren. Diese als „einfach" gekennzeichnete A r t verliert bei nicht prozeßhaftem Denken natürlich sofort ihre Berechtigung, da „unmittelbar" z. B. die o. g. Preisänderung auch den Distributionskanal beeinflußt: Die hier tätigen Organisationsteilnehmer werden durch eine solche Maßnahme i n ihren Verkaufsanstrengungen beeinträchtigt oder aber — via Motivierung — unterstützt. Es kommt jedoch zu keiner vom A k t o r bewußt vorgenommenen Änderung des absatzpolitischen Instrumentes „Distributionskanal". Durch die idealtypischen Prämissen sind auch die i n der Praxis häufig auftretenden „einfachen" Interdependenzen, die bei vollkommener Transparenz und unendlich schneller Reagibilität eigentlich „multipel" wären, ausgeschaltet. Der idealtypische A k t o r erkennt — wiederum unser Preis-Werbung-Beispiel — möglicherweise einen durch die Preisvariation hervorgerufenen weitergehenden Impuls, sieht aber — bei marginaler Analyse von Effizienz und Kosten — von einer zusätzlichen Instrumentenänderung ab: Die Interdependenz erscheint als „einfach". Anhand dieser Wechselwirkungs-Kategorie läßt sich sehr deutlich erkennen, wie z.B. Preis und Werbung „Schöpfer" und „Geschöpf" des jeweils anderen Instrumentes zugleich sind. Der Preis kreiert i n vielfältiger Weise den Parameter Werbung: er „leiht" sich ihr als Argument und bestimmt durch seine Höhe die Intensität und Zielrichtung der Werbeappelle, da die Beeinträchtigung des Aufforderungscharakters einer Ware durch den Preis groß oder klein sein kann, d. h. die durch die Werbung zu erzeugende „Bedürfnisspannung" bedeutend oder geringer erscheint. Der Preis beeinflußt i n erheblichem Maße auch die Werbung i n ihrem Ausdrucksgehalt: sie muß eine innere stilmäßige Ubereinstimmung mit dem Preisniveau aufweisen, sie muß „kongruent" sein, u m den Prozeß der Selbstharmonisierung i n Gang setzen zu können. Dieser besteht darin, daß die einzelnen objektiven und subjektiven Beschaffenheiten eines Meinungsgegenstandes nicht beziehungslos nebeneinanderstehen, ja vielleicht sogar divergieren, sondern „sich i m Erlebnis des potentiellen oder faktischen Anhängers i m Laufe der lang sam wachsenden Bekanntheit immer mehr einander anpassen und schließlich sich gewissermaßen fein verzahnen, womit die Zuordnungen der Beschaffenheiten immer sinnfälliger, immer eindeutiger, immer digen Plastizität i n der Image-Bildung eine generelle Konzeptions-Änderung nötig machen: Werbung, Preis, Distributionskanal usw. müssen diesem neuen Vorstellungsbild angepaßt werden, damit die „Überprägnanz" überwältigend w i r d ; vgl. Hofstätter, P. R.: Die Psychologie der öffentlichen Meinung, Wien 1949, S. 30 ff.; ders.: Gruppendynamik, S. 100. 6 Vgl. zu den Wechselwirkungen mittelbarer u n d unmittelbarer A r t K a p i t e l I I , 21 i m ersten T e i l dieser Arbeit.

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der Wechselbeziehungen

127

überzeugender werden und am Ende dieses Prozesses u . U . geradezu zwingend sind" 7 . Die Lernbemühungen des Konsumenten dürfen also durch Ungereimtheiten irgendwelcher A r t zwischen Preisniveau und Werbung nicht erschwert, seine Kritikbereitschaft nicht erhöht werden. Bei diesen letzten Ausführungen zeigte sich schon, inwieweit auch der Preis ein „Geschöpf" der Werbung ist. Deutlicher noch manifestiert sich diese Tatsache darin, daß die Werbung eine Elastizitätsverminderung der Nachfrage hervorzurufen vermag, was sich i n einer Drehung der üblichen Preisnachfragekurve i m Uhrzeigersinn, also i n einer Minderung ihres negativen Steigungsmaßes, ausdrückt. Dadurch w i r d der Preisstellung ein quasi-reaktionsfreier Raum geschaffen 8. Die determinierende Funktion der Werbung i m Hinblick auf den Preis ergibt sich aber vor allem daraus, daß die Akquisitionskraft einer günstigen Preisstellung erst durch den Informationscharakter der Werbung frei werden kann — denn wo keine Unterrichtung, da auch keine W i r kung. Wenn w i r bei der Neu-Organisation des absatzpolitischen Instrumentariums aus irgendeinem Anlaß heraus nur eine einfache Interdependenz zwischen zwei Instrumenten analysieren, so bedeutet das auch, daß nur i n diesem Fall „Abhängigkeit" vorliegt, bei den übrigen Instrumenten aber relative „Selbständigkeit" vorherrscht. Bei diesen eine gewisse Tendenz ausdrückenden Termini vergißt man häufig, daß die negativen bzw. positiven Aspekte einer solchen Kategorisierung nicht durchgehend sind: Abhängigkeit beinhaltet auch „Verbundenheit", Selbständigkeit auch „Isoliertheit" 9 . Die Freude des Aktors an einer nicht dauernden generellen Neufestsetzung aller Instrumente bei Vorliegen einfacher Interdependenz ist daher kritisch zu beurteilen. Die bei multiplen Interdependenzen notwendige Abstimmung mehrerer oder aller Aktionsparameter der Absatzpolitik gewährt nämlich eine größere Verbundenheit, eine weitgehende Unangreifbarkeit der Konzeption und damit für potentielle Konkurrenten geringere Ausschaltungsmöglichkeiten 10 . Die „Mächtigkeit" des Systems nimmt erheblich zu, 7

Spiegel, B.: S. 70. Vgl. dazu Gutenberg, E.: Der Absatz, S. 238 ff.; vgl. auch die ausführlichen Anmerkungen zu diesem Phänomen der Absatzpolitik i m Verlauf v o n K a p i tel I I , 52 i m zweiten T e i l dieser Arbeit. 9 Vgl. Wiese, L.: Schauweise u n d Verfahren der Beziehungslehre, i n : A b hängigkeit u n d Selbständigkeit i m sozialen Leben, 1. Teil, hrsg. v. L. v. Wiese, K ö l n u n d Opladen 1951, S. 3 - 22, S. 3. 10 Vgl. dazu Nieschlag, R.: Der Binnengroßhandel u n d seine Stellung i m Rahmen einer modernen absatzwirtschaftlichen Konzeption, i n : Der M a r k t , H. 12, 1964/4, S. 89-96, insbes. S. 89: „die Konzeption darf keine Löcher erkennen lassen, die es dem Umworbenen leicht machen, dem Angebot auszuweichen, u n d den Wettbewerbern die Ansatzpunkte f ü r den Gegenangriff vorzeichnen." 8

128

2. T e i l : I I . Die A r t e n von Interdependenzen

ein jedes Instrument zieht die Erfahrung und Unterstützung aus jedem anderen und kann diese auch deutlich machen, da die Fähigkeit zur Verarbeitung (aufgrund des idealtypischen Aktors) vorliegt. Die „selbständigen" Instrumente jedoch „leiden" unter ihrer Isoliertheit, sie sind stets gefährdete Glieder des Ganzen; die Konkurrenz kann hier leicht i m i tieren, da eine besondere A r t von „expert power" 1 1 des ursprünglichen Konzeptions-Schöpfers nicht vorliegt. 12. Multiple

Interdependenzen

Die zwischen zwei Elementen als reflexiv zu bezeichnende Relation (a R b; b R a) läßt sich bei multiplen Interdependenzen zwischen einer ganzen Reihe von Instrumenten beobachten. Der Preis ist nunmehr nicht mehr allein das „Geschöpf" der Werbung, sondern w i r d i n vielfältiger Weise auch von anderen absatzpolitischen Instrumenten beeinflußt. Montgomery/Urban sehen diese eigentlich notwendige Ausweitung ihres m i t großer Akribie vorgestellten Preis-Werbung-Maximierungsmodells 12 sehr deutlich, wenn sie schreiben: „ I n addition to advertising effects, price determination should also reflect price interaction w i t h other elements of the marketing mix. Channels of distribution, for example, may affect price decisions. The price established for middlemen has to reflect the expected function of the middlemen and his policies i n setting the final retail price. Price also interacts w i t h personal selling intensity 1 3 ." Dieses „Drehen" an allen Instrumenten, die simultane Variation (fast) aller Parameter findet sich vor allem bei Unternehmungs-Neugründungen, Filialaufbau, Einführung neuer Produkte oder saisonalen Kampagnen; weiterhin dann, wenn verfestigte Erwartungsstrukturen der Konsumenten geändert werden sollen 14 , wenn die Abhebung von der Konkurrenzstrategie nicht durch Preis-, sondern durch Qualitätskonkurrenz 15 beabsichtigt ist. Multiple Interdependenzen ergeben sich folglich immer dann, wenn der A k t o r durch die Änderung von 2 Variablen nur ein Teilgleichgewicht, 11 Hierunter sind Informationsvorteile des A gegenüber dem B zu verstehen; vgl. French , J. R. P. jr./Raven, B.: S. 612 f. 12 Vgl. Montgomery, D. B.¡Urban, G. L.: S. 166 ff. — E i n ähnliches Beispiel findet sich bei Kotler, Ph.: M a r k e t i n g - M i x Decisions for New Products, i n : JoMR, Nr. 1, Febr. 1964, S. 43 - 49. 13 Montgomery, D. B./Urban, G. L.: S. 170 f. 14 Portugall weist auf diese m u l t i p l e n Interdependenzen hin, w e n n er die dem Werbeziel „Gewohnheitsänderung" adäquaten Strategien beschreibt; vgl. Portugall, V.: Die Rolle der Absatzwerbung bei der Festigung u n d Veränderung von Konsumgewohnheiten, Diss., München 1971, S. 147 ff. 15 Vgl. Abbott, L.: Qualität u n d Wettbewerb, München—Berlin 1958. Es ist eine gesicherte Erkenntnis, daß ein preisbetonter Aufforderungscharakter den Gegenaktionen der Konkurrenz stärker ausgesetzt ist als ein werbedominanter.

2. Der Grad der Austauschbarkeit der Instrumente

129

nicht aber ein Totalgleichgewicht des Absatzsystems m i t dem Markt erreichen kann. Durch die i n diesem Fall partielle Variation verfiele er nämlich einer ,ceteris-paribus'-Betrachtung, obwohl allein ,mutatismutandis'-Annahmen gerechtfertigt wären. Neben den zahlreichen reflexiven Beziehungen lassen sich die m u l t i plen Interdependenzen auch als teilweise transitive Relationen 16 interpretieren: a R b ; b R c - » a R c . A n einem Beispiel soll dieser Sachverhalt klar gemacht werden: wenn die Produktgestaltung (a) nur m i t der Werbung (b) korreliert, die Werbung wiederum aber m i t der Sales Promotion (c) i n Zusammenhang steht (die Werbung benötigt z.B. deren Unterstützung, die Verkaufsförderung verwendet die Werbekonstanten 17 ), dann bestehen auf diesem indirekten Weg auch Beziehungen zwischen der Sales Promotion und der Produktgestaltung: die Verpackung des Produktes muß z. B. stapelgerecht sein, sie muß die Möglichkeit für Sonder-Anhänger bieten usw 1 8 . Der bei einfacher Interdependenz durchaus zu bildende partielle Korrelationskoeffizient muß bei solch multiplem Ineinandergreifen der Instrumente aufgegeben werden: die Multikollinearität 1 9 macht seine Errechnung unmöglich. Der Umfang der Wechselwirkungen im Instrumentarium hat für den steuernden A k t o r erheblich zugenommen. Seine Aufgabe, diese Extension zu erkennen, reicht für eine Optimallösung jedoch nicht aus: Es gilt, vor allem die Frage nach der unabdingbaren Notwendigkeit (Komplementarität) bzw. möglichen Entbehrlichkeit und des Ersatzes einzelner Instrumente (Substitution) innerhalb einer Konzeption zu stellen.

2. Der Grad der Austauschbarkeit der Instrumente

Die von einem idealtypischen Aktor vorgenommene Kombination der absatzpolitischen Instrumente w i r d immer nur diejenigen Aktionsparameter auf den Markt einwirken lassen, die sich gegenseitig i n ihrer Existenz bedingen bzw. i n ihrer K r a f t der Stimulation und Auslösung des Kaufwillens gegenseitig unterstützen, also einander komplementär sind. Erst i n dem Moment, wo nicht der Kostenaspekt der Mittel, sondern nur ihr Vermögen, ein bestimmtes Umsatzziel zu erreichen, i n das unternehmerische K a l k ü l einbezogen wird, ergibt sich eine Vielfalt von Sub16

Vgl. dazu Menges, G.: S. 6 u. 46; Flechtner, H. J.: S. 228. Vgl. dazu: Nieschlag, R. et al.: Marketing, S. 272 u. 282. 18 Diese aus den Regalplatz- u n d Raumproblemen der Händler resultierende Forderung ist eingehend dargestellt bei Birkigt, K . : Verkaufsförderung, S. 118. 19 Vgl. zur m u l t i p l e n Korrelation: Anderson, O.: Probleme der statistischen Methodenlehre, 4. Aufl., Würzburg 1963, S. 218 if. 17

9 Linssen

130

2. T e i l : I I . Die A r t e n von Interdependenzen

stitutionsmöglichkeiten; sie reichen von einer Substitution i m Kernbereich der Instrumentenwirkung, also einer totalen Substitution, bis zur „partiellen Substitution am Rande" 20 . Diese Ersetzbarkeit eines Elementes i n bestimmten Grenzen w i r d von Gutenberg als periphere Substitution 2 1 bezeichnet, bei der die Verminderung des produktiven Beitrages des einen Faktors durch die Zunahme des produktiven Beitrages eines anderen Faktors ausgeglichen wird. 21. Zwingende

Komplementarität

Wenden w i r uns zunächst der zwingenden Komplementarität von absatzpolitischen M i t t e l n zu. Der Katalog der 16 Instrumente 2 2 läßt sich — basierend auf nur wenigen Überlegungen — i n sogenannte konstitutive oder akzessorische bzw. akzidentelle M i t t e l des Verkaufsprozesses einteilen. Konstitutive Elemente des Systems sind dabei diejenigen, welche keinen N u l l w e r t haben können. Dies sind zum ersten diejenigen, bei denen eine gegenseitige technische Abhängigkeit besteht, die „physisch" notwendig sind. Hierzu gehören Produktgestaltung (das Produkt muß irgendwie gestaltet sein), Preis (in einem marktwirtschaftlichen System sind „Geschenke" nicht systemkonform) und Distributionskanal (dieser kann zwar minimal sein, ist aber immer existent). Auch Betriebsbereitschaft und -große einer Unternehmung gehören zu diesen absatzpolitischen Mitteln, deren „Dasein" unverzichtbar ist 2 3 . Unterschiedlich w i r d dagegen i n der Literatur der Instrumentalkomplex „Werbung" hinsichtlich des o. g. Kriteriums beurteilt. Während z. B. Beyeler dieses M i t t e l als fakultativ einstuft 2 4 und damit seine totale Substitution durch andere Instrumente der Absatzpolitik eingesteht, verneint Schnutenhaus diese Möglichkeit 25 . Entscheidungskriterium i n dieser Frage dürfte die Tatsache sein, daß zwingend komplementären Charakter i n einer Konzeption nur ein Instrument besitzt, das i n seiner inhaltlichen Fülle durch kein anderes ersetzt werden kann. „Erst die Negation alles anderen bringt dem Subjekt seine eigene Position 28 ."

20

Gerth, E.: Z u r Systematik der Absatztheorie, S. 587. Vgl. Gutenberg, E.: Die Produktion, S. 300. 22 Vgl. K a p i t e l 1,1 i m ersten T e i l dieser Arbeit. 23 Vgl. Beyeler, L . : S . 36. 24 Aus diesem Grunde k a n n einem Kombinationenschema Jacobis nicht zugestimmt werden, da er diesen Tatbestand außer acht läßt; vgl. Jacobi, H.: Werbung u n d Absatzpolitik, S. 68 f. 25 Vgl. Schnutenhaus, O. R.: Absatzpolitik u n d Unternehmensführung, Freiburg i. Br. 1961, S. 629. 26 Brockard, H.: S. 67. 21

2. Der Grad der Austauschbarkeit der Instrumente

131

Während diese für die o. g. fünf M i t t e l gegeben ist, läßt sich hinsichtlich der Werbung feststellen, daß ihre Aufgabe, nämlich „zum Aufnehmen, Erfüllen und Weiterpflanzen eines dargebotenen Zweckes" 27 zu veranlassen, auch von anderen Aktionsparametern übernommen werden kann. So vermag der Konsument auf der Einzelhandelsstufe durch mündliche Empfehlung und durch die Präsentation des Angebotes i m Laden zum Kauf bewegt zu werden; eine günstige Preisstellung kann einen so hohen Aufforderungscharakter schaffen, daß sie die nachfolgenden Käufe besonders fördert, d. h. sogar die Erinnerungswerbung substituiert, und das Produkt selbst kann ein so befriedigendes Produkterlebnis vermitteln 2 8 , daß es außergewöhnlich schnell diffundiert. Hier sind es die „Besitzerinformationen" 29 , welche die Werbeinformation ersetzen. Aus all dem läßt sich der Schluß ziehen, daß die Werbung nicht zu den konstitutiven Elementen eines absatzwirtschaftlichen Systems gehört. Trotzdem läßt sich nicht leugnen, daß auf der Ausprägungsskala des Merkmals „Werbung" ein Nullwert kaum vorgefunden werden kann, da dieses Instrument zu einer zweiten A r t zwingend komplementärer M i t t e l i n einer Konzeption gehört: Hier ist das K r i t e r i u m nicht die technische Notwendigkeit, sondern die Unentbehrlichkeit i m Hinblick auf die Erzielung eines bestimmten Umsatzerfolges. Der idealtypische A k t o r besitzt die Erkenntnis, daß z. B. ohne den Einsatz von Informationsparametern gerade heute Marktbedeutung kaum erlangt werden kann. Das liegt zum einen an der zunehmenden Problemlosigkeit der Waren, die sich zudem immer mehr angleichen und damit gesonderte Produktinformationen nur i n wenigen Fällen zulassen: sie brauchen zu ihrer Unterstützung eine Werbung, die nicht nur originäre Produktwirkungen nachahmt, also „Surrogat-Information" 3 0 darstellt, sondern außer dieser Bekanntmachungsfunktion eine Akquisitionsfunktion erfüllt, indem sie Persönlichkeitsmerkmale der Zielgruppe anvisiert, d. h. die Ware durch eine „Legierung m i t seelischen Werten" 3 1 veredelt. Z u m anderen ist die Werbung deshalb bei fast allen denkbaren Zusammenstellungen von Instrumenten ein zwingend erforderliches Mittel, 27 Seyffert, R.: Werbelehre. Theorie u n d Praxis der Werbung, 1. Bd., S t u t t gart 1966, S. 5. 28 Dies ist möglich, w e n n der Bedarf f ü r ein Produkt bereits besteht, darüber hinaus aber auch eine — durch mangelnde Konkurrenzfabrikate erzeugte — überdurchschnittliche A k t u a l i t ä t des Bedarfs vorherrscht. 29 Sie sind neben den Produktinformationen diejenigen zweckorientierten Nachrichten, welche die größten Ausstrahlungswirkungen besitzen; vgl. Ellinger, Th.: S. 259 ff.; vgl. auch die Ausführungen zum „two-step f l o w of communication" auf S. 42 dieser Arbeit. 30 Vgl. ElUnger, Th.: S. 260. 31 Kleining t G.: Markenartikelwerbung als Suggestion?, i n : Der M a r k e n artikel, 1956, H. 8, S. 363 ff., hier S. 366. 9*

132

2. Teil: I I . Die A r t e n von Interdependenzen

w e i l sie durch die Verwendung von Medien i n erster Linie die K r a f t besitzt, die kognitiven Funktionen des Konsumenten zu treffen. Die Fülle der auf diesen einströmenden Informationen hat seine naturgegebene Anlage nur selektiv wahrzunehmen 32 , noch verstärkt. Diese Eigenschaft des Menschen läßt sich m i t der Theorie der kognitiven Dissonanzen 33 erklären. Hierunter versteht man innere Konflikte, die dadurch entstehen, daß verschiedene kognitive Elemente (z. B. Wissen, Meinungen, Haltung) nicht übereinstimmen. Der Mensch versucht, derartige Dissonanzen — da sie i h m psychologisch „unkomfortabel" sind — zu vermeiden. Er reduziert also die Situationen und Informationen, die seine Dissonanzen möglicherweise vergrößern könnten bzw. nimmt bevorzugt jene Informationen wahr, die sein bisheriges Handeln unterstützen, d. h. „konsonant" sind. Das bevorzugt habituelle Verhalten des Konsumenten beim Kauf von Produkten und Dienstleistungen kann also — und das ist bei dem Versuch einer Umsatzsteigerung, d. h. bei dem Bekanntmachen neuer K u n denkreise m i t dem eigenen Produkt, immer der Fall — nur durchbrochen werden, wenn die Wahrnehmung des Menschen an einem hohen werblichen Aufwand einfach nicht vorbeigehen kann. Die zwingende Komplementarität der Werbung w i r d noch deutlicher, wenn der zweite Aspekt kognitiver Dissonanzen bedacht w i r d : selbst wenn die Wahrnehmungsschwelle „genommen" würde, besteht die Gefahr, daß die Tendenz des Menschen zur Verdrängung 3 4 diese Informationen trotz ihrer Relevanz erfaßt, sie nicht speichert und sie damit auch nicht zum „evoked set" 3 5 gehören — ein Argument für die Notwendigkeit der Wiederholung von Werbeimpulsen 86 . Es läßt sich aus den bisherigen Ausführungen das Fazit ziehen, daß die Zusammengehörigkeit bestimmter Instrumente zur Erreichung eines 32 Unter Hinweis auf Simons Modell des „satisficing man" betont auch Shubik diesen Mangel; v o n seiner Berücksichtigung, d. h. der Einbeziehung der Information als Veränderliche i n die Betrachtung, hänge eine Weiterentwicklung der Wirtschaftstheorie entscheidend ab; vgl. Shubik, M.: Object i v e Functions and Models of Corporate Optimization, i n : QJE, Vol. 75, 1961, Nr. 3, S. 345 - 375, S. 354. 33 Vgl. Festinger, L.: A Theory of Cognitive Dissonances, New Y o r k 1957. 34 Hierunter versteht man i n der Psychoanalyse einen Abwehrmechanismus, der einer Lebenstechnik gleichkommt u n d durch den Konflikte zwischen L u s t - u n d Realitätsprinzip aus dem Bewußtsein ins Unbewußte verlagert werden. Vgl. Brenner, Ch.: Grundzüge der Psychoanalyse (dtsch. Ausgabe von: A n Elementary Textbook of Psychoanalysis), F r a n k f u r t / M . 1970, S. 98 ff. 35 March, J. GJSimon, H. A.: S. 53. 36 M a n n i m m t nämlich an, daß „das verdrängte Material w e i t e r h i n m i t einer gewissen Besetzung von Triebenergie aufgeladen ist, die ständig nach Befriedigung drängt". Es gilt also, die durch das „ I c h " des Konsumenten aufgewandte psychische Energie zur Verdrängung durch wiederholte Impulse zu verringern; vgl. Brenner, Ch.: S. 98 f.

2. Der Grad der Austauschbarkeit der Instrumente

133

Umsatzerfolges eine Frage strategischer Entscheidungen des Aktors darstellt. Der Zwang zum ständigen Einsatz dieser M i t t e l aus Ertragsgesichtspunkten heraus — die Frage der Ausprägung der einzelnen Instrumente soll unten geklärt werden — ist jedoch nicht das einzige zu berücksichtigende K r i t e r i u m : von der ökonomischen Seite, der w i r t schaftlichen Vernunft her, läßt sich zwingende Komplementarität ebenfalls bestimmen. So korrelieren aus Gründen der Kalkulation überdurchschnittliche Produktqualität m i t überdurchschnittlichem Preis, technisch anspruchsvolle Produktgestaltung m i t dem Kundendienst, und auch die Werbung läßt sich aus der wirtschaftlichen Zwangsläufigkeit heraus als unentbehrlich einstufen: sollen technische Neuerungen überhaupt Verbreitung finden, so ist vielfach Massenerzeugung unumgänglich. Die Produktionsweise ist hier auf die Hilfe der Informationsparameter zwingend angewiesen, da allein bestimmte, durch sie erzielte Umsatzgrößen zur Kostendegression führen, was wiederum eine realistische Preisstellung zur Folge hat. Werbung kann also auch als unentbehrlicher „Aüfbaufaktor von degressionsbedingter Preissenkung" 37 bezeichnet werden. Es wäre eine zu formelle — und dann noch nicht einmal richtige — Aussage, wollte man alle die absatzpolitischen M i t t e l als zwingend komplementär betrachten, die das Produktimage m i t dem Selbstimage zur Deckung bringen 3 8 . I m vorliegenden Fall m i t der Zielsetzung „Gewinnmaximierung" muß ein gewisser „Bodensatz" von Instrumenten entsprechend den o. g. Kriterien für unentbehrlich erklärt werden, darüber hinaus können jedoch unterschiedlichste Mittelausprägungen möglich sein. Abweichungen der beiden Images voneinander sind dabei der M a x i mierungsprämisse adäquat, wenn die Entfernung der konkurrierenden Meinungsgegenstände i m sozialen Feld es erlaubt 3 9 . Uber die existentielle Notwendigkeit hinaus vermag eine bestimmte Skalenbreite i n der Ausprägung eines jeden Instrumentes durch die entsprechende Ausprägungsverstärkung eines anderen Mittels substituiert zu werden, doch lassen sich solche negativen Kreuzelastizitäten 40 innerhalb des Instrumentariums nicht i n allen Fällen nachweisen: das „Sosein" der Instrumente kann auch i n gleicher Richtung variieren, die Kreuzelastizität ist positiv, es existiert auch hinsichtlich der Ausprägungsver37

Burian, F.: S. 212. Den entsprechenden Darlegungen Sommers k a n n daher nicht zugestimmt werden; vgl. Sommer, R.: S. 198. 39 Vgl. die Ausführungen u n d die Darstellung dazu i n K a p i t e l I, 34 i m ersten Teil dieser Arbeit. 40 Diese lassen sich i n Analogie zu den aus der Haushaltstheorie bekannten Kreuz-Preiselastizitäten bilden; vgl. Schneider, E.: Einführung i n die W i r t schaf tstheorie, S. 43 f. 38

134

2. T e i l : I I . Die A r t e n v o n Interdependenzen

änderungen zwingende Komplementarität. Zwei Beispiele mögen diese Aussage verdeutlichen: Bei einer vom Produzenten beabsichtigten Preisminderung — für die Produktionsverhältnisse gilt die ceteris-paribus-Prämisse — werden Einsparungen an der Werbung oder der Produktgestaltung bzw. an beiden unumgänglich sein 41 ; i m Handel läßt sich eine Preisniveau-Erhöhung — ceteris paribus — nur bei gleichzeitiger Verbesserung des Standorts und/oder Vertiefung des Sortiments bzw. Anhebung des AusstattungsLevels durchsetzen. I n beiden Fällen ist die Richtung auf der Ausprägungsskala der Instrumente gleichläufig, i m ersten Beispiel negativ, i m zweiten positiv. Jedesmal ergibt sich eine positive Kreuzelastizität zwischen jeweils zwei der Mittel. Interpretieren w i r dagegen die Veränderungen der Instrumente als Variation der Nachfrage produzierenden Faktoreinsatzmengen 42 , so zeigt sich, daß die Preisminderung einer Vermehrung der Faktoreinsatzmenge, eine Preiserhöhung aber einer Verminderung der Faktoreinsatzmenge ( = geringere Ausgabe von Geldeinheiten für dieses absatzpolitische Mittel) entspricht. Folglich würden i n beiden genannten Fällen die Mengenveränderungen zwischen der Preisaktivität und den anderen M i t t e l n nunmehr gegenläufig sein, doch läßt sich eine positive Kreuzelastizität bei dieser Betrachtungsweise immerhin noch bei den „anderen Mitteln" feststellen. Es bleibt allerdings anzumerken, daß für die Vermehrung oder Verminderung der Faktoreinsatzmengen ein einheitlicher Multiplikator nicht genannt werden kann, dieser vielmehr situationsbedingt schwankt. I n einem zweidimensionalen Koordinatensystem ergäbe sich demnach ein nichtlinearer Verlauf der (positiv geneigten) Linie, welche die Punkte der verschiedenen Aktivitätsniveaus der Instrumente miteinander verbindet. E i n interessanter Aspekt komplementärer Instrumente tut sich weiterh i n auf: Die konstitutiven Elemente einer Absatzkonzeption sind i n allen Fällen zwingend komplementär zueinander; die Relation zwischen ihnen kann als symmetrisch bezeichnet werden: a R b; b R a. Der Preis (a) verlangt einen Distributionskanal (b) — der Distributionskanal (b) setzt einen Preis (a) voraus, die Beziehung ist also die gleiche. Dagegen läßt sich die Relation zwischen Preis und Kreditgewährung oder Produktgestaltung und Werbung als asymmetrisch deklarieren: 41 Erinnert sei hier an die i n der letzten Rezession auf diese A r t u n d Weise erfolgte Einführung des „Spar-Käfers" durch die Volkswagen-Werke AG, Wolfsburg. 42 Diese Sichtweise findet sich bei Alewell, K . : S. 5 ff,

2. Der Grad der Austauschbarkeit der Instrumente

135

während z. B. die Werbung (x) immer ein Produkt (y) voraussetzt, ist dieser Zusammenhang umgekehrt nicht herzustellen: x R y ; y R ' x . 22. Periphere

Substitution

I m vorangehenden Kapitel konnte konstatiert werden, daß Instrumente aufgrund ihres (vom Verkaufsakt her gesehen) technisch notwendigen Charakters und von ihrer ökonomischen Unentbehrlichkeit her obligatorisch sein können, daß sie also i m Kernbereich ihrer Wirkungen komplementär sind; darüber waren auch i n der Variation der Ausprägung gleichlaufende Richtungen festzustellen. Dennoch bleibt ein weiter Bereich für die gegenseitige Substitution. Ohne Berücksichtigung der Kostenseite lassen sich gleiche Verkaufserfolge erzielen durch einen perfektionierten Distributionskanal, der die Werbung weitgehend ersetzt, oder durch einen i n seiner Akquisitionskraft minimalen Absatzweg, aber eine dominierende Werbung (etwa die Konzeption des Versandhandels). Die Ursache liegt i n den unterschiedlichen Selbstimages der Konsumenten 43 , aber auch i n den kompensatorischen Fähigkeiten der Instrumente, die bei gleichen Selbstimages quantitative bzw. qualitative Mängel anderer M i t t e l aufzuheben oder zu mildern vermögen. Dieser Kompensationscharakter ergibt sich aus den „Potenzen" 44 der Mittel, welche aufgrund der bereits erörterten materiellen und formellen Gemeinsamkeiten die Umproportionierungen i m Faktoreinsatz ermöglichen. Dieser Tatbestand legt Analogien zum System des menschlichen Organismus nahe: so, wie beim Fehlen der linken Körperhälfte i m Embryonalzustand die rechte Hälfte die linke „produziert" 4 5 , so vermag z. B. das dem Vertretereinsatz innewohnende kommunikative Element die Werbung i n hohem Maße zu ersetzen 4*; die von einem i n der Degenerationsphase befindlichen Produkt ausgehende geringe oder sogar negative Produktinformation kann durch außergewöhnlichen, d.h. hinsichtlich seiner kreativen Komponente und der Zahl der Werbeberührten überdurchschnittlichen Werbeeinsatz kompensiert werden. Die Zahl der Substitutionsmöglichkeiten ist unendlich; ihre Darlegung entsprechend nur den wesentlichsten Wenn-Komponenten des Unternehmer-„Alltags" erfolgt i m realtypischen Teil dieser Abhandlung, da 43 Nicht alle potentiellen Käufer reagieren auf ein quantitatives Zuwenig einzelner Instrumente i n gleicher Weise bzw. werden von i h m ungleich stark betroffen. Vgl. Gerth, E.: Z u r Systematik der Absatztheorie, S. 587. 44 Schubert-Soldern versteht darunter „das, was die Stoffe bieten"; Schubert-Soldern y R.: S. 355. 45 Vgl. Schubert-Soldern, R.: S. 350. 46 Vgl. Montgomery, D. B.¡Urban, G. L.: S. 211 ff.

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2. T e i l : I I . Die A r t e n von Interdependenzen

unter den idealtypischen Prämissen allein die generalisierenden Aussagen zu den Arten der Interdependenzen interessieren. Betrachtet man die Substitution von Instrumenten nutzenaxiomatisch 47 , so läßt sich feststellen, daß beim Konsumenten Indifferenz gegenüber den bzw. Äquivalenz der verschiedenen Kombinationen vorliegen muß, soll die günstigste Absatzkonzeption realisiert sein. Das ist jedoch meist nicht der Fall — es werden nicht alle möglichen Käufer gewonnen. Darüber hinaus ist es eine Frage der Zeit, wie lange die „Mächtigkeit" 4 8 einzelner Instrumente derartige Disproportionen zu verdecken vermag. Bei Substitutionen innerhalb der einzelnen Submixe, bei denen die Intensität der Beziehungen besonders eng ist 4 9 , dürfte diese Zeitspanne — aufgrund der geringeren Sensibilität des Konsumenten gegenüber einem solchen „Mangel" und der daraus verzögerten Umorientierung seiner habituellen Verhaltensweise — generell länger sein als bei Substitutionen zwischen diesen Teilbereichen der Absatzkonzeption. I n jedem Fall ist die Frage der Substitution eine Frage der Fähigkeit des Aktors zur marginalen Vergleichsanalyse: Mindererlös durch Umsatzrückgang und Kostenersparnis aufgrund von Beibehaltung einer nicht ertragsoptimalen Instrumenten-Ausprägung müssen gegenübergestellt werden — unter idealtypischen Annahmen ohne Problematik. Diese marginale Betrachtung ist für ein weiteres Substitutionsfeld unentbehrlich: Es leuchtet ein, daß Homogenität der Selbstimages nur bei sehr kleinen Zielgruppen anzutreffen ist. Das bedeutet, daß jede Durchschnittsbildung der Selbstimages verschiedener Zielgruppen als Voraussetzung der Konzipierung des Produktimages eine Abweichung vom Optimum darstellt. Würde die Absatzkonzeption nicht derartig einheitlich, sondern auf die einzelnen Gruppensegmente gesondert abgestimmt, so müßte sich eine Reihe von Instrumenten-Substitutionen ergeben: Bei der einen Gruppe liegt ein höheres Bedürfnis nach Beratung durch den Außendienst vor, dafür ist der Grenznutzen einer günstigeren Preisstellung bei i h r geringer; bei der anderen ist die A k t i v i t ä t der Informationssuche sehr gering, hier findet die Werbung ein weiteres, offenes Feld, wo47

Vgl. zu dieser A r t der Sichtweise Menges, G.: S. 46, 48 u. 61. I n Analogie zu Bierfelder, W.: Optimales Informationsverhalten i m Entscheidungsprozeß der Unternehmung, S. 120; wie w i r versteht er darunter unterschiedliche Grade einer Fähigkeit, hier allerdings des Handlungswissens. Als „mächtig" k a n n z. B. die Kreditgewährung eingeschätzt werden, da sie es i n vielen Fällen vermag, negative Ausstrahlungen eines hohen Preises — der natürlich die Prämie f ü r das Bonitätsrisiko enthält — zu kompensieren (in den Fällen, wo die eigenen finanziellen M i t t e l der Kreditnehmer u n d i h r Potential an Besicherungsmitteln den Banken gegenüber erschöpft sind). 48

49 Vgl. die Ausführungen am Schluß von K a p i t e l I, 32 i m ersten Teil dieser Arbeit,

2. Der Grad der Austauschbarkeit der Instrumente

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h i n g e g e n preisliche V o r z i e h u n g s w ü r d i g k e i t erst g a r n i c h t o f f e n k u n d i g w i r d . E i n e n z a h l e n m ä ß i g w o h l g r ö ß e r e n U m f a n g h a t die G r u p p e , w e l che M a r k t t r a n s p a r e n z zu besitzen g l a u b t , d a n n aber doch d e m P h ä n o m e n der I r r a d i a t i o n 5 0 v e r f ä l l t , i n d e m sie v o n der G ü n s t i g k e i t sog. „ o p t i s c h e r " Preise a u f das gesamte „ G e s i c h t " des U n t e r n e h m e n s schließt. G ü m b e l h a t diesen v o n i h m als „ k r i t i s c h e n S o r t i m e n t s b e r e i c h " bezeichneten T e i l ausschnitt des Gesamtangebots — A r t i k e l , die h ä u f i g e i n g e k a u f t u n d h i n sichtlich derer der K ä u f e r große V e r w e n d u n g s e r f a h r u n g besitzt — e i n g e h e n d u n t e r s u c h t 5 1 . D i e p e r i p h e r e S u b s t i t u t i o n der W e r b u n g d u r c h d e n Preis ist i n diesem F a l l offensichtlich 5 2 . Das E r g e b n i s dieser k u r z e n D a r l e g u n g ist, daß aus der Sicht der E r l ö s v e r b e s s e r u n g eine S e g m e n t i e r u n g des M a r k t e s 5 3 i n m ö g l i c h s t k l e i n e T e i l a u s s c h n i t t e o p t i m a l w ä r e , d a b e i jedoch die K o s t e n des P a r a m e t e r Einsatzes steigen, da jede I n d i v i d u a l i s i e r u n g der A b s a t z k o n z e p t i o n V e r zicht a u f Degressionsseffekte b e i d e n K o s t e n b e i n h a l t e t . D e r i d e a l t y p i s c h e A k t o r h a t also G r e n z n u t z e n u n d - k o s t e n gegeneinander a b z u w ä g e n 5 4 u n d d a n n die E n t s c h e i d u n g zu treffen.

50 Vgl. hierzu die Ausführungen zu Beginn v o n K a p i t e l I I , 21 i m ersten T e i l dieser Arbeit. 51 Vgl. Gümbel, R.: Die Sortimentspolitik i n den Betrieben des Wareneinzelhandels, S. 176 f. 52 Eine starke Dominanz des preislichen Aktionsparameters bei diesem „kritischen Sortimentsbereich" vermag auch die Akquisitionskraft eines w e i ten Sortiments u n d des absatzpolitischen Instrumentes „Ausstattung" w e i t gehend zu kompensieren. A u f dieser Erkenntnis beruht i m Grunde auch der Erfolg der Albrecht-Filialkette: ein auf 400 „Schnelldreher" begrenztes Sortiment sorgt bei knappster K a l k u l a t i o n u n d ohne die stimulierende W i r k u n g eines ausgeprägten Kauferlebnisses (abgesehen von der Genugtuung des Käufers, besonders „rational" zu handeln) f ü r einen Massenabsatz, der i m Jahre 1969 eine Umschlagshäufigkeit von 16 m i t sich brachte u n d einen Quadratmeterumsatz von fast 9000 D M ermöglichte; vgl. Eglau, H.-O.: Die verheimlichte Milliarde, i n : Die Zeit, Nr. 27, v. 3. 7.1970, S. 21. 53 Vgl. Geist, M.: Selektive Absatzpolitik auf der Grundlage der Absatzsegmentrechnung. 54 Anstelle einer solchen Marginalrechnung läßt sich auch eine Durchschnittsrechnung aufmachen, die durch folgenden Quotienten dargestellt werden kann:

Bruttoerfolg / . Umsatzabwicklungskosten des Teil-Absatzsegmentes Kosten der Umsatzerzielung des Teil-Absatzsegmentes Diese Kennzahl läßt sich m i t Riebel auch als „spezifischer Deckungsbeitrag" bezeichnen. Zusammen m i t der Marginalanalyse stellt dieser eine Form der „Ergiebigkeitsrechnung" dar (Geist); vgl. Riebel, P.: Das Rechnen m i t relativen Einzelkosten u n d Deckungsbeiträgen als Grundlage unternehmerischer E n t scheidungen i m Fertigungsbereich, i n : NB, Jg. 14, 1961, S. 145 ff., hier S. 147 f.; Geist, M . : S . 108 f.

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2. T e i l : I I . Die A r t e n von Interdependenzen

23. Totale Substitution Wenn oben 55 die Aktionsparameter als Variable i n einem Erklärungsmodell für menschliche Kaufhandlungen bezeichnet wurden, so bedeutet das, daß alle Instrumente i n gewisser Beziehung — von sehr starkem bis zu sehr schwachem Intensitätsgrad — zueinander stehen; dies würde die Aussage Sommers stützen, wonach „Substituierbarkeit der Absatzmittel nur innerhalb eines, wenn auch unterschiedlichen Bereiches möglich und wirtschaftlich sinnvoll" 5 6 sei. M i t der Abhandlung über periphere Substitutionsmöglichkeiten wäre daher der Abschnitt „Grad der Austauschbarkeit der Instrumente" erschöpfend behandelt. Die absatzpolitischen M i t t e l sind aber auch Instrumente i n der Hand des Unternehmers, der bei den Aktionsparametern, die weder konstitutiven Charakter haben, noch aus ökonomischen Gründen zwingend komplementär sind, durchaus eine totale bzw. alternative Substitution 5 7 vornehmen kann. Das Handeln und Wählen des Konsumenten, das von seinen Wertvorstellungen abhängt, kann nämlich so „kanalisiert" werden, daß er eine i n einem Punkt nicht seinen Wertvorstellungen entsprechende Mittelkombination denoch als i h m adäquat ansieht; dann nämlich, wenn es gelingt, diesen „Mangel" als völlig unbedeutend hinzustellen, wenn klargemacht werden kann, daß bei einer geringfügigen Verhaltensänderung ein Vorteil eingehandelt wird, der als ein Weg zu einem i m eigenen Interesse liegenden Ziel erkannt und akzeptiert wird. Diese Situation ist für den Unternehmer vor allem bei den Instrumenten gegeben, bei denen er erhebliche Leerkosten 58 vermuten bzw. feststellen kann. Beschäftigungsbedürfnisse solcher Instrumentalsektoren wie z. B. Kundendienst (in der Form der Beratung, der Zustellung und der Reparatur-Entgegennahme) und Kreditabteilung verhelfen zu der Einsicht, daß hier häufig i n erheblichem Maße fixe Kosten „produziert" werden, die möglicherweise vermieden werden können. Sie lassen sich aber auch nachweisen bei einer Werbung, die allzu hohe Streuverluste m i t sich bringt, und bei einem Sortiment, das akquisitorische Unterstützung kaum gewährt.

55 Vgl. die Ausführungen am Schluß von K a p i t e l I, 1 i m ersten T e i l dieser Arbeit. 56 Sommer, R.: S. 198. 57 Vgl. Busse v. Cölbe, W.: Die Planung der Betriebsgröße, Wiesbaden 1964, S. 67; Gutenberg, E.: Die Produktion, S. 289. 58 Z u r Unterscheidung der Kosten i n die Kategorien Nutz- u n d Leerkosten siehe: Schneider, E.: Industrielles Rechnungswesen — Grundlagen und Grundfragen, 4. Aufl., Tübingen 1963, S. 134 ff.

2. Der Grad der Austauschbarkeit der Instrumente

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Dieser Tendenz, vermeidbare Leerkosten i n Nutzkosten zu verwandeln, entspricht das Bemühen der Unternehmer, einige Instrumente durch die Variation anderer total zu substituieren. Ihr Vorhandensein würde ansonsten einen Mittelkonflikt heraufbeschwören, und zwar i m Hinblick auf die Gewinnmaximierungshypothese. Mittel, die i n ihrer Kosten-Ertrags-Relation nicht dem Marginaldenken genügen, sind daher aus der Konzeption zu eliminieren, ebenso wie eins der Instrumente, die einander ausschließen: etwa die Produktgestaltung und eine Sortimentspolitik, von der nur negative „spill-over"-Effekte ausgehen, die also Imageverluste bewirkt. Für den idealtypischen Autor bereitet die Feststellung der Leerkosten ebensowenig Schwierigkeiten wie die Quantifizierung der korrespondierenden Nutzenmengen, welche i n der Praxis als problematische Größen meist aus dem K a l k ü l ausgeklammert werden. Es ist jedoch ein Gebot rationaler Entscheidungen, die absatzpolitische „Relevanz der Aufrechterhaltung nur teilweise i n Anspruch genommener Dienstbereitschaft zu taxieren" 5 9 . So beruht die Konzeption der Cash- und Carry-Märkte auf der Erkenntnis, daß sich die Kreditgewährung ebenso wie der Kundendienst „Zustellung der Ware" durch eine günstige Preisstellung vollständig ersetzen lassen. Das dem Distributionskanal „Handel" streng komplementäre Instrument Sales Promotion läßt sich bei qualitativ und quantitativ anderer Ausgestaltung des Distributionskanals ersatzlos streichen, da die Substitutionselastizität bei diesem M i t t e l groß ist. Der sicherlich Präferenzen erzeugende Service z. B. der BuchhandelsLäden läßt sich vollständig substituieren, wenn Standort und Sortiment so gewählt werden, daß ihre Akquisitionskraft Beratung und Besorgungsgeschäfte für den Geschäftserfolg entbehrlich werden läßt 60 . Daß man Bücher nicht wie Seife verkaufen kann — wie Röpke einmal sagte 61 —, diese Gewißheit gehört damit der Vergangenheit an. Uberhaupt sind es vielfach diese Umbewertungen „naturaler" 8 2 Instrumentenbetrachtung, welche solche tiefgreifenden Änderungen von „Na59 Oettle, K : Die Dienstbereitschaft i n einzelwirtschaftlicher u n d gesamtwirtschaftlicher Sicht, i n : Dienstleistungen i n Theorie u n d Praxis, Otto H i n t ner zum 70. Geb., hrsg. v. H. Linhardt, P. Penzkofer, P. Scherpf, Stuttgart 1970, S. 16 - 36, S. 20. 80 Dieses Konzept praktizieren m i t Erfolg die von dem Frankfurter Bahnhof sbuchhändler Hermann Montanus entwickelten „montanus aktuell"-Läden, von denen der erste 1969 i n München, Leopoldstraße, eröffnet wurde; vgl. Mörmann, C.: A l l e reden v o n Kettenläden. Z u r schwierigen Situation des Sortimentsbuchhandels, in: Die Zeit, Nr. 39 v. 25. 9.1970, S. 13 f. 61 Zitiert nach Holzer, K . : S. 83. 62 Oettle trifft die Unterscheidung i n naturale u n d Kosten-Nutzen-Betrachtung absatzpolitischer Substitutionselastizitäten, wobei die erstgenannte

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2. Teil: I I . Die A r t e n von Interdependenzen

turkonstanten" 63, wie m a n m i t K r ü m m e l bestimmte „Standards" von I n s t r u m e n t e n k o m b i n a t i o n e n bezeichnen k a n n , m ö g l i c h machen. B e i t o t a l e r T r a n s p a r e n z der B e z i e h u n g e n zwischen d e n absatzpolitischen M i t t e l n sieht m a n , daß die k o l l e k t i v e n R e a k t i o n s e l a s t i z i t ä t e n b e s t i m m t e n M i t t e l ä n d e r u n g e n gegenüber so schwach sind, daß F l e x i b i l i t ä t i n a n d e r e n B e reichen e i n e n A u s g l e i c h schaffen k a n n 8 4 . D i e i n t e n s i v e B e t r e u u n g eines b e s t i m m t e n K u n d e n k r e i s e s z. B . der I n v e s t i t i o n s g ü t e r i n d u s t r i e d u r c h den A u ß e n d i e n s t l ä ß t die F u n k t i o n e n der W e r b u n g als e n t b e h r l i c h erscheinen, höchstens i n der F o r m der G e f ä l l i g k e i t s w e r b u n g 6 5 m a g sie noch i n E r s c h e i n u n g t r e t e n , v e r l i e r t d a m i t aber i h r e n e i g e n t l i c h e n C h a r a k t e r . D i e K o n z e n t r a t i o n f i n a n z i e l l e r M i t t e l a u f die P r o d u k t g e s t a l t u n g h a t z w e i e r l e i W i r k u n g : I m F a l l des n i c h t e r k l ä r u n g s b e d ü r f t i g e n 6 6 P r o d u k t e s ersetzt seine psychologisch geschickte A u f m a c h u n g 6 7 die B e d i e n u n g i m H a n d e l ; die technische V e r v o l l k o m m u n g eines P r o d u k t e s k a n n d e n E i n satz der I n s t r u m e n t e K u n d e n d i e n s t u n d G a r a n t i e l e i s t u n g e n überflüssig machen, der „ B e r e i t h a i t u n g s n u t z e n " 6 8 i n diesen B e r e i c h e n w ä r e n ä m l i c h für den K u n d e n gering 69.

A r t die Quantifizierung des Instrumentenbeitrages zu einem bestimmten Käuferverhalten meint; vgl. Oettle, K . : Die Dienstbereitschaft i n einzelwirtschaftlicher u n d gesamtwirtschaftlicher Sicht. S. 28. 83 Vgl. Krümmel, H. J.: S. 167; dieser versteht unter diesem Begriff jene absatzpolitischen Leistungen bzw. Nicht-Leistungen einer Unternehmung, die gegenüber den K u n d e n als generell festliegend gelten u n d nicht Gegenstand v o n Aushandlungsprozessen sind. 64 I m Grunde beruht die von Nieschlag f ü r den Handel i n die Diskussion gebrachte, gleichsam einem langfristig gültigen „Gesetz" folgende „ D y n a m i k der Betriebsformen" auf dieser „Umbewertung" von „Naturkonstanten"; vgl. Nieschlag, R.: Die D y n a m i k der Betriebsformen i m Handel. 65 Allenfalls k a n n man diese noch als akzidentelle Werbung bezeichnen, vgl. dazu Gutenberg, E.: Der Absatz, S. 412. 66 Z u den Klassifikationen absatzwirtschaftlicher Produktmerkmale vgl. Kapferer, CJDisch, W. K . A.: Absatzwirtschaftliche Produktpolitik, in: K o m pendium der Absatzwirtschaft, Bd. 2, Köln—Opladen 1967, S. 17 ff.; ebenso Burkheiser, U.: S. 109 ff. 87 Diese muß die Unterscheidbarkeit des Produktes u n d Impulskäufe ermöglichen; vgl. Kotler, Ph.: Marketing Management, S. 332. 68 Vgl. Oettle, K . : Die Dienstbereitschaft i n einzelwirtschaftlicher u n d gesamtwirtschaftlicher Sicht. S. 21. 89

Die „Weg-werf-Generation" läßt sich sowohl m i t diesem Hinweis auf verbesserte Fertigungsqualitäten u n d reduzierten Wartungsaufwand erklären als auch m i t dem Argument, daß Neupreis u n d Reparaturkosten gänzlich andere Relationen als i n früheren Jahrzehnten haben. Dennoch läßt sich dieser Trend nicht f ü r alle Produktbereiche endlos extrapolieren: das m i t dem K u n dendienst als wesentlichem Grund motivierte Franchise-System i m A u t o mobilhandel w i r d z. B. f ü r die absehbare Z u k u n f t unersetzbar sein, wobei allerdings eine Verlagerung innerhalb der Kundendienst-Palette eintreten w i r d ; vgl. Weiher, P.: Vertriebsnetz-Köder für Kunden, i n : absatzwirtschaft, H. 17,1970, S. 20 - 23, vor allem S. 22 f.

2. Der Grad der Austauschbarkeit der Instrumente

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Deutlich w i r d die Notwendigkeit der Änderung von Wertvorstellungen der Verbraucher als Voraussetzung für totale Substitution am Beispiel der Rabattmarken des Einzelhandels: die Werbung vermag eine solche Erhöhung der Markttransparenz für den Kunden zu erreichen, daß die geänderte Preisgestaltung den akquisitorischen Wert des Rabatts kompensiert. Wo das nicht der Fall ist, wo also diese „naturale" Betrachtung beider Instrumente für eine Aufrechterhaltung des Rabatts spricht, w e i l der Nutzenentgang sonst zu groß wäre, kann die ursprüngliche Absicht dennoch Verwirklichung finden: wenn die Kosten-Nutzen-Betrachtung ein Plädoyer für eine Streichung des Instrumentes notwendig macht 70 . W i r d dem Kunden eine größere Rationalität als gemeinhin einem Konsumenten unterstellt, so w i r d seine Preisreagibilität auch relativ höher sein. Die Konzessionen, die von Lieferantenseite hinsichtlich der Ausgestaltung einzelner Instrumente dann gemacht werden, sind jedoch nicht einheitlich, sondern müssen als weiteren Aspekt die Stärke der Verhandlungsmacht des Kunden berücksichtigen. Diese individuelle Beurteilung eines jeden Verkaufsabschlusses läßt sich vor allem i m Dienstleistungsgeschäft, hier i n erster Linie auf dem Bankensektor, nachweisen. K r ü m m e l interpretiert den Zusammenhang zwischen Angebotsform und Verhandlungsmacht nach drei Kategorien von Kundengruppen, nämlich denen ohne Verhandlungsmacht, denen mit mäßiger und solchen m i t überragender Verhandlungsmacht 71 . I m letztgenannten Fall kann es zu einer totalen Substitution eines absatzpolitischen Mittels kommen, das bisher als konstitutiv gegolten hat: der Preis. Während bei dem verhandlungstaktisch als zweite Gruppe eingestuften Kundenkreis das „Standing" der Banken vielfach die Verhandlungsmacht des Kunden vollständig zu „verbrauchen" vermag, läßt sich bei dieser potenten dritten Gruppe ein solcher Effekt z. B. nur durch das Angebot von Gratisleistungen bei einem Bestandteil des insgesamt i n Anspruch genommenen Sortimentes erzielen. Ob man die Substitution hierbei als durch den Preis eines anderen Sortimentsteils oder aber durch einen 100°/oigen Rabatt erfüllt sieht, ist dabei zweitrangig — a matter of taste. Die Grenzen einer totalen Substitution werden bei der dynamischen Betrachtung einer Instrumentenkombination, also ihrer Verfolgung über den Lebenszyklus 72 hinweg, deutlich. Gelang es einem Pionierunter70

Das ist der Fall, wenn z. B. die Kosten der Erstellung, Ausgabe u n d Einlösung der Rabattmarken größer sind als der quantifizierte Saldo aus Nutzenentgang eines vollständig substituierten Instrumentes „Rabatt" u n d Nutzenzuwachs einer Netto-Preisstellung. 71 Vgl. Krümmel, H . J . : S . 233. 72 Diese Untersuchung w i r d ausführlich vorgeführt am Schluß von K a p i tel I I , 3 i m dritten T e i l dieser Arbeit.

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2. Teil: I I . Die A r t e n von Interdependenzen

nehmer, durch z. B. preisliche A k t i v i t ä t andere Instrumente zu negieren, d. h. als entbehrlich zu erachten, so läßt sich diese „Abstinenz" m i t dem Eintreten neuer Konkurrenten meist nicht mehr verantworten. Das „trading u p " 7 3 beinhaltet daher i n allen Fällen eine Erweiterung der Leistungspalette, ein Hinzunehmen weiterer Instrumente, damit das Angebot der (des) hinzugekommenen Wettbewerber(s) keine bessere Alternative bietet. Beanspruchungs- und Bereithaltungsnutzen für den Konsumenten werden erhöht; die vordem durch die totale Substitution erfolgte Rationalisierung würde nämlich i m Falle ihrer Beibehaltung nunmehr so empfunden, als sei sie auf Kosten Dritter erfolgt 7 4 : die Sanktionen der Konsumenten wären unvermeidlich.

3. Wechselbeziehungen qualitativer Art

M i t der „Lage" eines Instruments innerhalb der Kombination bezeichnen w i r eine ganz bestimmte Eigenschaft des Beisammenseins, die sowohl quantitative als auch qualitative Aspekte beinhaltet. Bevor mit der Quantität diejenige Eigenschaft von Instrumenten dargelegt wird, die — aus der Wechselwirkungsrelation m i t anderen Instrumenten folgend — i n ihnen nur durch ihr unmittelbares gleichzeitiges Beisammensein oder durch ihre gleichzeitige Wahrnehmung erkannt werden kann, soll die Qualität interdependenter Instrumente untersucht werden. 31. Die mutuelle Wirksamkeitsveränderung W i r hatten oben gesehen, daß die Aktionsparameter der Absatzpolitik sich i n unterschiedlichem Maße substituieren können, daß z. B. die werbende K r a f t einer Preisermäßigung die Werbung peripher ersetzt 75 . Diese Beobachtung trifft jedoch nur einen partiellen Bereich der Interdependenz, werden doch wechselseitige Ansprüche der Instrumente hinsichtlich qualitativer Ausprägungen nicht beachtet. Es sind drei Grade 73 Vgl. Nieschlag, R.: Die D y n a m i k der Betriebsformen i m Handel, S. 9 f.; Nieschlag et al.: Marketing, S. 121. 74 Vgl. Oettle, K . : Die Dienstbereitschaft i n einzelwirtschaftlicher u n d gesamtwirtschaftlicher Sicht, S. 35. 75 Henzler spricht i n diesem Zusammenhang v o n der unbedingten Notwendigkeit, den Verlust bei sog. Lock- oder Z u g a r t i k e l n als Werbekosten aufzufassen; vgl. Henzler, R.: Funktionen u n d Institutionen i m Großhandel — Über den Wandel i m Distributionsmodell, S. 567; E i n gutes Beispiel f ü r solche imageverbessernde Maßnahmen bietet der von der Neckermann Versand K G a A unter den Selbstkosten verkaufte F i l m über die erste Mondlandung — ein Angebot, das aufgrund seiner A k t u a l i t ä t starke Ausstrahlungseffekte auf alle Bereiche dieser Unternehmung hatte; Information v o n Dr. K . Rehmann, Stellv. Vertriebsleiter der Neckermann Versand K G a A , Frankfurt/M., i n einem Gespräch m i t dem Verfasser i m März 1970 i n München.

. Wechselbeziehungen q u a i t a t i v e r A r t

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hierbei zu berücksichtigen: Die Qualität z. B. des Produktes verlangt eine bestimmte Qualität z.B. der Werbung, sie ermöglicht diese oder aber sie erhöht eine einmal gewählte Qualitätsausprägung i n ihrer Wirkung. I n dem eben genannten Preis-Werbung-Beispiel ist der Austausch häufig nicht möglich, da die Auffassung der Konsumenten, die Qualität des Produktes spiegele sich i m Preis 76 , dem entgegensteht. So zeigt gerade die Praxis der vertikalen Preisbindung, daß bekannte Markenartikel, als „Lockvögel" eingesetzt, sehr schnell i n ihrem Image verlieren 77 . Gewisse Preisklassen, die als qualitative Ausprägung dieses Instrumentes gelten können, lassen sich jedoch nur dann schwer wechseln, wenn andere Qualitätskomponenten des Produktes vom Konsumenten nicht wahrgenommen werden können, wenn er davon ausgehen muß, daß der i n einer Marktwirtschaft entrichtete Preis der „angemessene" Gegenwert für die gebotene Qualität darstellt, zumal i h n „alle anderen" ja auch bezahlen. Dieser „homo sociologicus" 78 , der also ganz anders als der „ModellMensch" der Nationalökonomie handelt, unterschreitet auch aufgrund von Prestigedenken eine gewisse Preisschwelle nicht — es sei denn, die i h m zur Verfügung stehende Kaufkraft erlaubt i h m diesen „Luxus" nicht. Er w i r d z.B. auf das einen gewissen Konsum-Level repräsentierende Markenzeichen nicht verzichten wollen, m i t dem er — als Folge seiner „Außenlenkung" 7 9 — Schaffung bzw. Sicherung seines sozialen Status' erreichen kann. Unter diesen Gesichtspunkten wäre es verfehlt, bei Produkten eines bestimmten Qualitätsniveaus und einer entsprechenden Werbung diese Irradiation des Preises nicht zu berücksichtigen. Zudem ist aufgrund des Statuscharakters eines bestimmten Konsums nur bei gleichbleibendem Preislevel m i t einer Umsatzausweitung durch sog. Aufsteiger, jene Exponenten der sozialen Mobilität 8 0 , zu rechnen. 76 Unter A n f ü h r u n g der Forschungsergebnisse bekannter amerikanischer Marketing-Experten legt Shapiro diesen Zusammenhang sehr deutlich dar, wobei er auf die Vielzahl v o n Gründen f ü r diesen Sachverhalt eingeht; vgl. Shapiro , B. P.: The Psychology of Pricing, i n : HBR, Nr. 4, J u l i - August 1968, S. 14 ff.; i n einer m e h r mathematischen, aber sehr anschaulichen Weise i n t e r pretieren Gabor u n d Granger diese Interdependenz; vgl. Gabor , AJGranger, C. W. J.: Price as an Indicator of Quality, i n : Economica, Febr. 1966, S. 43 ff. 77 Die A u s w i r k u n g e n können sogar so gravierend sein, daß es zu einer Schädigung des Goodwill des Produzenten k o m m t ; vgl. Mellerowicz, K . : Was ist M a r k e t i n g - M i x ? , i n : Markenartikel, Heft 5, M a i 1970, S. 205 - 216, S. 212. 78 Diesen stellt Dahrendorf dem „Homo oeconomicus" zur Seite, u m anzuzeigen, daß auch die Soziologie nicht den ganzen Menschen, sondern ein ihren Wissenschaftsinteressen entsprechendes Modell beleuchtet; vgl. Dahrendorf, R.: Homo Sociologicus, 9. Aufl., K ö l n u n d Opladen 1970. Dieses Konzept hat allerdings starken Widerspruch ausgelöst; vgl. u. a. Hartfiel, G.: S. 251 ff. 79 Vgl. S. 115 dieser Arbeit. 80 Z u diesem Problemkreis haben u. a. ausführlich Stellung genommen: Bolte , K . M./Kappe, D./Neidhard, F.; Glass, D. V./König, R. (Hrsg.): Soziale

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2. T e i l : I I . Die A r t e n von Interdependenzen

Neben diesen psychischen Kräften, die das Verhalten des Verbrauchers beeinflussen und die sozial determiniert, d.h. normiert sind 81 , eignen sich die psychischen Funktionen des Konsumenten 82 als Erklärungsparameter für Interdependenzen qualitativer A r t . Hier ist es besonders das Denken, das durch eine qualitative Abstimmung der Instrumente entlastet wird. Die Strukturierung des dem potentiellen Käufer gebotenen Datenmaterials, das sich aus dem Produkt, einem bestimmten Distributionskanal und einem abgestimmten Preis zusammensetzen mag, gewinnt z. B. durch die A r t der Werbung einen neuen Charakter. Ihre Aussage kann eine solche Entlastungsfunktion haben, daß dem Verbraucher, bei dem „ein Ubermaß an Arbeitsteilung leicht zu einer gewissen Verkümmerung der vitalen K r a f t . . . führt" 8 3 , die Unsicherheit genommen wird. Sein „Erfahrungsverlust", den Gehlen beklagt, da er zum Konsumpassivismus führe 8 4 , w i r d ausgeglichen durch eine Werbung, die i h m ein bedarfsorientiertes Sortiment erklärt 8 5 und die darauf achtet — i n Übereinstimmung m i t ihrer jeweiligen Zielsetzung — Konsumgewohnheiten, also Attitüden und Einstellungen, zu festigen oder zu verändern. Das läßt sich aber nur durch eine qualitative Ubereinstimmung von Produktb i l d und typischer Motivstruktur i n der realisierten Werbekonzeption erreichen. Der idealtypische A k t o r ist hierzu i n der Lage. Das „creative selling", das aufgrund der „Hypertrophie" der Werbung gerade auf diesem Sektor und dem der Sales Promotion 8® eine immer gewichtigere Holle spielt, stellt für ihn kein Problem dar. Schichtung u n d Mobilität, i n : Kölner Zeitschrift f ü r Soziologie u n d Sozialpsychologie, Sonderheft 5, 4. Aufl., K ö l n u n d Opladen 1970; Tumin, M. M.: Schichtung u n d Mobilität, 2. Aufl., München 1970, insbes. S. 94 ff. u n d S. 138 ff.; Wiese, L . v.: Gesellschaftliche Stände u n d Klassen, München 1950, S. 9 f.; Marchai , A.: S. 176 ff. 81 Vgl. Wiswede, G.: Motivation u n d Verbraucherverhalten, Grundlagen der Motivforschung, München—Basel 1965, S. 150 ff.; Die Normierung der psychischen Kräfte durch soziale Gruppen entspricht dem T e i l des „psychischen Apparates" des Menschen, den Freud m i t dem „Über-Ich" kennzeichnet, die Mobilisation der psychischen Kräfte dagegen zum Teil dem Bereich des „Es". A u f dessen Bedeutung f ü r die Interdependenzen qualitativer A r t soll jedoch hier nicht näher eingegangen werden. Vgl. zu den genannten Kategorien: Rohracher, H.: S. 63 f.; Freud, S.: A b r i ß der Psychoanalyse, S. 10 f.; Brenner, Ch.: S. 138 ff. 82 Vgl. S. 110 f. dieser Arbeit. 83 Röpke, W.: Explication économique du monde moderne, Trad. de Paul Bastier, Paris 1940, Kap. „Contexture de la division du travail", S. 53 (Übersetzung v o m Verfasser). 84 Vgl. Gehlen, A.: Die Seele i m technischen Zeitalter — Sozialpsychologische Probleme i n der industriellen Gesellschaft, Hamburg 1970, S. 44 ff. 85 So hat z. B. die F i r m a C & A Brenninkmeyer m i t dieser Gestaltung ihrer Werbung, bei der geschmacklich-ästhetische A u f k l ä r u n g über Hauptprodukt u n d Akzessoires geliefert wurde, großen Erfolg erzielt.

. Wechselbeziehungen q u a i t a t i v e r A r t

145

Neben diesen diffizilen Bereichen qualitativer Instrumentenabstimmung lassen sich aber auch leichtere erkennen, die sogar häufig eher qualitativ-technischer A r t sind. Die Güte des Kundendienstes, vor allem aber die Garantieverbürgung, irradieren sehr stark i m Hinblick auf Produkt und Preis. Der Eignungswert des Produktes ist ebenfalls nicht alleiniger Maßstab bei der Beurteilung seiner Bedürfnisbefriedigung, was sich bei intensiverer Betrachtung des Distributionskanals erkennen läßt: Die Qualität des beratenden Händlers spielt eine erhebliche Holle, wenn die Informationsfunktion des Produktes nach Ergänzung verlangt. Die unterschiedliche Reputation einzelner Betriebsformen des Handels i m Urteil der Konsumenten muß bedacht werden, wenn eine Wirksamkeitserhöhung des propagierten Produktes erzielt werden soll. Die Energie-Übertragung durch qualitative Kopplung der Instrumente w i r d sichtbar i n den Hilfsmitteln, die ein Instrument dem anderen liefert: die Werbung m i t den ihr angehängten Coupons, deren Rücklaufquote die Informationsgrundlage für einen gezielten Vertretereinsatz bildet 8 7 , die Kreditabteilung durch Hergabe von Adressenmaterial für Direkt-Werbekampagnen, die Produktgestaltung durch „Ausleihe" der Verpackung als optischer Blickfang der Werbung 8 8 usw. Die Reihe der Beispiele für alle genannten Bereiche qualitativer Interdependenzen ließe sich beliebig verlängern. Da uns jedoch an generalisierenden Aussagen gelegen ist, läßt sich feststellen, daß für die Ausgestaltung der einzelnen Instrumente neben technischen Gesichtspunkten vor allem die Motivstruktur des dem Unternehmer gegenüberstehenden Wirtschaftssubjektes entscheidend ist. Daß jeder A k t o r bei seinen absatzpolitischen Bemühungen von einem bestimmten Menschenbild ausgeht, ist einleuchtend. Der Grad von dessen Kongruenz m i t dem ganzen Menschen, „wie er leibt und lebt" 8 9 , entscheidet über die erreichte Rationalität der Absatzkonzeption.

86 Weitere Bereiche der K r e a t i v i t ä t i m M a r k e t i n g sind eingehend dargestellt bei Kotler, Ph.: M a r k e t i n g Management, S. 246 ff. A u f dieses Problem w i r d näher eingegangen am Schluß v o n K a p i t e l I I , 13124 i m d r i t t e n T e i l dieser Arbeit. 87 Vgl. hierzu: Cash, H. CJCrissy, W. J. E.: Comparison of Advertising and Selling, i n : Kelley , E. JJLazer, W. (Hrsg.): Managerial Marketing. Perspectives and Viewpoints, 3. Aufl., Homewood/Ill. 1967, S. 549 - 560. 88 Vgl. Margulies, P.: Soll m a n die Verpackung i n der Werbung zeigen, i n : Markenartikel, H. 5, M a i 1970, S. 243 - 244. s» perroux beklagt zu Recht die Nachteile wirtschaftswissenschaftlicher Modelle, w e n n er schreibt: „l'homme total et v i v a n t c'est retiré de la science économique"; vgl. Perroux, S.: Science de l'homme et science économique, Paris 1943, S. 10.

10 Linssen

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2. T e i l : I I . Die A r t e n von Interdependenzen

I m Rahmen dieser Ausführungen soll auf einen qualitativen Aspekt integrierten Marketings aufmerksam gemacht werden, der i n jüngster Zeit erheblich diskutiert w i r d : das Design als einheitliche Klammer über allen Bereichen der Unternehmung, wodurch nicht so sehr das Produkt als vielmehr sein „Zuhause" herausgestellt werden soll. Es handelt sich i n erster Linie nicht u m die qualitative Abstimmung von zwei oder drei Instrumenten, sondern um einen visuell-emotionale Anregung und Befriedigung verschaffenden Komplex. Markenbild und Firmenstil, das Erscheinungsbild der Absatzorganisation, die visuellen Werbe- und Informationsmittel sowie die Formgestaltung des Produktes und seiner Verpackung sollen eine Marketing-Kommunikation von großer Einheitlichkeit ermöglichen. Ziel dieser Anstrengungen ist eine gegenseitige Wirksamkeitserhöhung der absatzpolitischen Maßnahmen durch Koordination ihrer jeweiligen visuellen „Nachricht" — m i t dem Ergebnis eines „Corporate Image" 9 0 . Diese Gesamtheit von B i l d und Idee einer Unternehmung kann nur dadurch erreicht werden, daß die Bestandteile des durch Design-Synthese entstandenen Systems als untrennbar voneinander erscheinen. Der Inhalt der Design-Synthese 91 ergibt sich aus einer Zusammenfassung der verschiedenen Teilbereiche dieser Gestaltungsart: Die vorwiegend i n der Ästhetik verankerte Blickrichtung, die visuelle Kommunikation, die sich als materialisierte Semantik interpretieren läßt 9 2 , die funktionale Formgebung und die wirtschaftliche Beeinflussung der K u n denaktionen vereinigen sich zu einem unauflöslichen Ganzen, wie folgende Darstellung zeigt: Die i n unserem Zusammenhang vor allem interessierenden Segmente der Produktgestaltung 93 , der Marketing-Kommunikation, des Firmenstils und der Distribution lassen sich anhand praktischer Fälle exemplifizieren: Die Erfordernisse erfolgreicher Kommunikation schlagen sich i n der Produktgestaltung nieder, wohingegen deren qualitatives Niveau die Werbeaussagen bestimmt. Die Erkenntnisse hinsichtlich kommunikativer Produktelemente lassen sich heute aufgrund technischer Fertigungsmethoden leichter als früher verwirklichen, als deren Bedeutung allerdings kaum gesehen wurde. So war der i n der Werbekonzeption entwickelte „auffallende Bezugspunkt" Datum für Technik und Design bei der Entwicklung der Agfa90 Vgl. o. V.: Geplante Identität, i n : SZ, Nr. 11 v. 13.1.1971, Beilage „ Z e i t gemäße Form", o. S. 91 Vgl. Beck, R.: Design — Was bedeutet es f ü r Sie?, i n : SZ, Nr. 11 v. 13.1.1971, Beilage „Zeitgemäße Form", o. S. 92 Ebenda. 93 Z u m Produkt-Design vgl. u.a. Kotler, Ph.: M a r k e t i n g Management, S.347.

3. Wechselbeziehungen qualitativer A r t

147

Schaubild 12 Die Elemente der Design-Synthese

Quelle: Beck, R.

G e v a e r t - K a m e r a s e r i e 9 4 . D e r als F a z i t dieser B e m ü h u n g e n entstandene S e n s o r - P u n k t m i t d e r e x a k t e n K r e i s f o r m u n d i n r o t e r F a r b e e r w i e s sich als solides D e s i g n - E l e m e n t u n d als i n h e r v o r r a g e n d e r Weise k o m m u n i z i e r b a r 9 5 , da m i t i h m psychologischen M o t i v e n w i e G e l t u n g s n u t z e n , Assoz i a t i o n e n , O r i g i n a l i t ä t , A t t r a k t i v i t ä t , Sensation, d e m N e u e n u n d der Spielfreude Rechnung getragen w e r d e n konnte. Die A b s t i m m u n g aller I n s t r u m e n t e a u f dieses q u a l i t a t i v e M e r k m a l l i e ß die D i f f u s i o n i m M a r k t 94 Die folgenden Aussagen beruhen i m wesentlichen auf Informationen von H e r r n H. Molter, M i t g l i e d der Geschäftsleitung der Werbeagentur D o r land G m b H & Co. KG., München, i n verschiedenen Gesprächen m i t dem V e r fasser u n d auf: o. V.: Der A r m r e i f der Römerin oder Die Kamera m i t dem roten P u n k t — Industrial Design als Komponente erfolgreichen Marketings, in: SZ, Nr. 277 v. 19.11.1969, Beilage „Zeitgemäße Form", o. S. 95 Behrens spricht i n diesem Zusammenhang von dem sog. „ t a l k i n g point", den ein Produkt, das auf übersetzten M ä r k t e n ankommen soll, unbedingt benötigt. N u r so können Werbeappelle eine besondere Nachricht herausstellen; vgl. Behrens, K . Chr.: Die Koordination der absatzwirtschaftlichen Tätigkeiten des Unternehmens, i n : Die Werbung i m Kräftefeld des Marketing, Bad Godesberg 1965, S. 9 - 20, S. 17.

10*

148

2. T e i l : I I . Die A r t e n von Interdependenzen

dementsprechend schnell erfolgen, denn „innovations that lend themselves to better demonstration or description of advantage 98 w i l l diffuse faster i n the social system" 97 . Die Interpretation des absatzpolitischen Instrumentariums unter kommunikationstechnischen Gesichtspunkten dürfte ein Weg sein, qualitative Interdependenzen deutlicher zu erkennen. Fassen w i r die Instrumente als „Zeichen" auf, deren semantischer Gehalt zu eruieren ist 9 8 , so lassen sich sachlich-inhaltliche von formal-gestalterischen Komponenten trennen. Ihre gegenseitige Abstimmung und Durchdringung erscheint unentbehrlich, soll Identität von Firmen- und Produktbild 9 9 erzielt werden. Ändern sich die Daten der Marktforschung oder der internen Quellen, jene Formen der „aktiven informationsauf nehmenden Kommunikation", so ändert sich auch — zumindest teilweise — die „aktive informationsabgebende Kommunikation" 1 0 0 . Dabei muß es gelingen, die Informationsfunktion z. B. des Produktes 101 , des Preises, der Organe des Distributionskanals, der Werbung, der Sales Promotion usw. i n ihrer K r a f t zur Apperzeption durch Dritte einzustufen, sie gleichnamig zu machen, u m dadurch einmal Frustrationen beim Kunden infolge von Dissonanzen zu vermeiden, zum anderen aber durch die artgleiche Bündelung der „Zeichen" kumulative Effekte zu erzielen. 32. Treibende und gezogene Instrumente Die qualitative Differenzierung von Interdependenzen läßt sich vertiefen: Gerade beim absatzpolitischen Instrumentarium w i r d offenkundig, daß das System i n „treibende", d. h. richtungsgebende, und „gezogene" Elemente geschieden werden kann. Während die ersten originäre Kräfte sind, die eine Ausgestaltung anderer Instrumente erzwingen, ist der Impuls „gezogener" Instrumente geringer, ja vielleicht sogar zu vernachlässigen. Sie haben derivativen Charakter. I m Extremfall der Praxis ist es ein absatzpolitisches Mittel, das innerhalb der Konzeption eine so starke Position inne hat, daß es quasi mono96 Die Verbalisierung aller Produktvorteile k a n n niemals gelingen. Es heißt daher, eine Konzentration auf ein wesentliches Element zu erreichen u n d dieses sowohl i n der Produktgestaltung als auch i m gesamten K o m m u n i k a t i o n s - M i x zu akzentuieren. 07 Vgl. Kotler, Ph.: M a r k e t i n g Management, S. 347. 98 Vgl. Cherry, C.: S. 219 ff. I m Marketingbereich findet sich ein Hinweis auf einen solchen Ansatz z. B. i m Verständnis des Instrumentes „Preis" bei Shapiro, B.: S. 20 u. S. 160. 99 Vgl. zu diesem Problemkreis: Bergler, R.: Psychologie des M a r k e n - und Firmenbildes, Göttingen 1963. 100 Vgl. zu diesen Definitionen Kramer, R.: S. 99 ff. 101 Vgl. Ellinger, Th. u n d die Ausführungen am Schluß von K a p i t e l I, 2 i m ersten T e i l dieser Arbeit.

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149

polartig anderen Instrumenten ihren Platz anweist. Es entsteht also eine Ungleichheit, eine Asymmetrie i n der gegenseitigen Abhängigkeit; die Interdependenz läßt sich i m Grenzfall als Dependenz darstellen 102 . I n einem solchen einzigen dominierenden M i t t e l drückt sich die beherrschende Idee einer Unternehmung aus; die unternehmerische Gestaltung der Absatzpolitik hat damit eine Konzentration der i m gesellschaftlichen Bereich wirkenden Antriebskräfte 1 0 8 auf ein „Medium" vorgenommen. Nehmen w i r als Beispiel jene absatzpolitische Konzeption, die den Standort als ausschlaggebendes Element aufbaut und den restlichen Instrumenteneinsatz danach ausrichtet: den Verbrauchermarkt. Sein hervorstechendes typologisches Merkmal gewinnt dadurch seine Bedeutung, daß z. B. die impulsgebenden Kräfte „Technik" (zunehmende Motorisierung), „Bevölkerung" (Verlagerung der Wohnungen i n die Außenbezirke der Stadt), „Änderung der Ideen" (der tägliche Einkauf weicht dem wöchentlichen Großeinkauf, die Zahl erklärungsbedürftiger Produkte hat abgenommen, Präferenzen persönlicher A r t weichen dem anonymen Einkauf — wiederum eine Folge größerer Ballungsgebiete) und „Änderung i n der Einkommensverteilung" (die „Exklusivität" bestimmter Sortimentsbereiche hat abgenommen) den Standort als am meisten ertragsmaximierend erscheinen lassen. Der treibende Charakter dieses Instrumentes w i r d auch bei anderen Betriebsformen des Einzelhandels deutlich: Der neu entstehende Konkurrent der Verbrauchermärkte, die von der Karstadt AG, Essen, initiierten Selbstbedienungs-Warenhäuser 104 , ist ganz nach den bestimmenden Impulsen des Standorts ausgerichtet; dieses treibende Element ist ebenfalls erkennbar bei der Veränderung bestehender Konzeptionen: der „Seifen-Platz" weiß um die miteinander konkurrierenden Einflüsse von Standort und Sortiment — die Unterordnung des letzteren soll durch 102

Vgl. S. 64 f. dieser Arbeit. A k e r m a n n nennt i n seiner Abhandlung 8 treibende Kräfte, die als Wandlungen induzierend gelten können: a) die Technik b) die Bevölkerung c) die Änderung der Ideen d) die politischen Veränderungen e) die Entwicklung des Kreditwesens f) das Wachstum v o n Gruppen g) die Entwicklung der Beziehungen zwischen Industrie u n d Landwirtschaft h) die Änderungen i n der Einkommensverteilung Vgl. Akermann, J.: Structures et cycles économiques, T e i l I + I I , Paris 1955 u. 1957; er w i d m e t jeder der hier aufgeführten Kräfte ein eigenes Kapitel. 104 Vgl. Eglau, H. O.: „Flachmänner" f ü r die Provinz — Warenhaus m i t Selbstbedienung: Karstadts Waffe gegen Verbrauchermärkte, i n : Die Zeit, Nr. 41 v. 9.10.1970, S. 28. 103

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2. T e i l : I I . Die A r t e n von Interdependenzen

ein Franchise-System ermöglicht werden, da die Vorteile dieses Partnergeschäfts i n der größeren Beweglichkeit liegen, auf die örtlichen Marktbedürfnisse einzugehen 105 . Die gleiche Intention liegt — dies als drittes Beispiel — der Konzeption des Lebensmittel-Filialunternehmens Adolph Schürmann OHG, Remscheid, zugrunde 106 . Auch hier werden die Sortimente der Filialen nach den Standorten reguliert. Kommt i n den genannten Fällen die Bewegung i n das absatzpolitische System durch den Standort, liegt also sog. „Eigenbewegung" vor 1 0 7 , so zeigt sich die Interdependenz daran, daß der Standort auch zum „fremdbewegten", zum gezogenen Instrument werden kann: Das Filialunternehmen Albrecht KG, Mülheim/Herten, erzielt z. B. seine Erfolge damit, daß es sich für eine starre Konzeption m i t praktisch festem Sortiment passende Standorte sucht 108 . Dieses Gesetz der Mutualität läßt den Schluß zu, daß i n der Praxis der erste frei gefaßte Entschluß das Nachfolgende determiniert: „Das Erste steht uns frei, beim Zweiten sind w i r Knechte" (Goethe). Auch Sandig sieht die Ungleichwertigkeit der absatzpolitischen Instrumente i m Falle ihrer Konkretisierung, wenn er ausführt, daß „ein sehr großer Teil der Entscheidungen... durch die grundlegenden Verhältnisse der Unternehmung, also durch ihren Aufbau, von vornherein i n eine bestimmte Richtung gedrängt" 1 0 9 wird. Der Januskopf der Instrumente — einmal treibend, einmal gezogen — läßt sich ebenfalls i m Falle sukzessiver Entscheidungen 110 über die Aktionsparameter der Absatzpolitik nachweisen. Das folgende Schaubild macht dies deutlich: Schaubild 13 Treibende u n d gezogene Instrumente i m Falle einer Entscheidungssequenz

Treibend

Gezogen

Gezogen

+

+

Treibend

Treibend

105 Vgl. o. V.: „Seifen-Platz" wächst n u n auch nach Süden, i n : SZ, Nr. 83, v. 7. 4.1971, S. 29. 106 Vgl. Osel, W.: Doch Schürmann bleibt Lebensmittel-Filialist, i n : H a n delsblatt, Nr. 156 v. 18. 8.1969, S. 11. 107 Z u r „Totalbeweglichkeit" von Systemen vgl. Brockard, H.: S. 102 f. 108 Vgl. Eglau, H. O.: Die verheimlichte Milliarde, S. 21. 109 Sandig, C.: Betriebswirtschaftspolitik, S. 148.

. Wechselbeziehungen q u a i t a t i v e r A r t

151

I m Handel finden w i r diese idealtypische Trennung von Primärvariationen und Sekundärvariationen 111 der Instrumente deutlich bei der Betrachtung der Betriebsformen: Ihre Systematisierung i n der herkömmlichen A r t und Weise stellte die dominierenden Instrumente als Kennzeichen heraus 112 — eine Bemühung, die den heutigen Strukturen nicht mehr gerecht wird, da die monopolartige Stellung eines Instrumentes nicht generalisiert werden kann — streng voneinander isolierte Typen sind nicht mehr existent. I n neuerer Zeit erlebt die produktorientierte Sichtweise der Absatzpolitik eine überraschende Renaissance 113 . Hierbei w i r d i m Grunde konstatiert, daß die Produktpolitik das einzig „treibende" Element i m System der absatzpolitischen M i t t e l sei. Sicherlich gilt die Aussage, daß das Produkt „raison d'être" bei der Bedürfnisbefriedigung ist. Doch würde man mit der zentralen Stellung des Produktes — wohl resultierend aus der organisatorischen Verankerung des Product-Managements — dem gleichen Fehler verfallen wie diejenigen Marktformen-Analytiker, die empirische Unterschiede bei der Handhabung absatzpolitischer Instrumente auf die Vielzahl möglicher Marktkonstellationen zurückführen. Da man deren monokausale Theorie „belächelt" 1 1 4 , fällt dieses Argument wie ein Bumerang zurück. Gerade die Erkenntnisse interdisziplinären Denkens lassen den Schluß zu, daß z. B. die Ergebnisse der Kommunikationstheorie nicht auch noch als Produktmerkmal „verpackt" werden können, nur u m dem einmal gewählten Ansatz genüge zu tun. Hier würde die Methode das Problem bestimmen. 110 Diese (vor allem bei dezentralen Entscheidungsprozessen anzutreffen) sind immer dann optimal, w e n n die den E i n w i r k u n g e n auf andere Instrumente simultanen Re-Aktionen wegen ihrer Geringfügigkeit vernachlässigt werden können. 111 Diese Unterscheidung findet sich generell bei synthetischen Erklärungsgleichungen; vgl. Heinen, E.: Einführung, S. 165. 112 So etwa den Preis beim Kleinpreisgeschäft, den Standort beim V e r sandhandel u n d den stationären Geschäften, das Sortiment zur Differenzierung i n Fachgeschäfte u n d Kaufhäuser usw.; vgl. Nieschlag, R.: Stichwort „Handelsbetriebsformen"; Buddeberg , H.: Betriebslehre des Binnenhandels, insbes. S. 158 ff. 113 Sie schließt i m Grunde an die Erkenntnisse der traditionellen warenkundlichen Betriebswirtschaftslehre an, indem sie die Z a h l v o r allem der sachlich-qualitativen, aber auch der sachlich-quantitativen Produktmerkmale ausweitet. Aus der umfangreichen L i t e r a t u r zu diesem Thema sollen genannt werden: Aspinwall, L . V.: The Characteristics of Goods Theory, i n : Managerial Marketing, hrsg. v. W. Lazer u. E. J. Kelley, 2. Aufl., Homewood/Ill. 1962, S. 633- 643; Miracle, G. E.: Product Characteristics and M a r k e t i n g Strategy, i n : JoM, Vol.29, 1965, S. 1 8 - 2 4 ; Burkheiser, U.: insbes. S. 106ff.; Schäfer, E.: Absatzwirtschaft, S. 292 ff. 114 Vgl. Burkheiser, U.: S. 109.

152

2. T e i l : I I . Die A r t e n von Interdependenzen

W i r haben oben 115 gesehen, daß z. B. die Erfordernisse der Kommunikation durchaus die Produktgestaltung beeinflussen können, daß auch die Sortimentspolitik Sekundärvariation sein kann als Ausfluß der Preisbzw. Standortimpulse. „Treibendes" Element können w i r auch den Distributionskanal m i t seiner Kapazität nennen 116 , da — u m eine allgemeine Erkenntnis als Fazit zu formulieren — stets die Politik der Disparitäts-Beseitigung auf dem Instrumenten-Sektor 1 1 7 oberste Leitschnur sein muß. Marktorientierte Unternehmenspolitik kann daher nur durch einen methodischen Ansatz verdeutlicht werden, der — ausgehend von der Interdependenz aller Instrumente — die Dynamik des Marktes berücksichtigt und den alternierenden Charakter der Eigenschaften „treibend" und „gezogen" bei jedem Instrument zum Ausdruck bringt. Deutliches Zeichen dieser Sichtweise ist etwa die Beurteilung der Betriebsform des Versandhandels: Die Distribution m i t Hilfe des Katalogs „trieb" das Sortiment i n gewaltige Dimensionen — seine zunehmende Erklärungsbedürftigkeit und sein stark erweitertes Volumen machten schließlich den Distributionskanal zu einem „gezogenen" Instrument. Die „Pipeline" zum Konsumenten erwies sich als zu eng: Stationäre Warenhäuser halfen diesen Engpaß zu beseitigen, der Minimumsektor verlagerte sich i n einen anderen Bereich. Der idealtypische A k t o r vermag diese Akzentverschiebung sofort zu erkennen und das „Fließgleichgewicht" 1 1 8 wieder herzustellen. Die Dauerhaftigkeit des einmal gewählten Konzepts und damit die Quasi-Institutionalisierung von „treibenden" und „gezogenen" Instrumenten läßt sich i n der Praxis dennoch häufig beobachten. Vernachlässigen w i r die Tatsache ungenügender Transparenz als Hauptbegründung, so lassen sich sehr einleuchtende Erklärungen finden. Möller 1 1 0 schreibt z.B., daß die Politik des festen Preises durchaus rationaler Absatzpolitik entsprechen kann. Technische Gründe, wie die Schwierigkeit der Zahlweise bei einer Preisstellung von 18 statt 20 Pfen115

Vgl. S. 146 ff. dieser Arbeit. So „verlangt" geradezu der Vertriebsapparat der Bremer F i r m a Joh. Jacobs & Co., m i t 1500 Verkaufsfahrern u n d r u n d 250 Verkaufsförderern der schlagkräftigste seiner Branche, nach einer Ausweitung der Sortimentspalette; vgl. Eglau, H. O.: A m Kaifee-Clan gescheitert, i n : Die Zeit, Nr. 34, v. 21. 8.1970, S. 21. 117 E i n „ Z u v i e l " k a n n als positives, ein „ Z u w e n i g " als negatives SynergiePotential interpretiert werden; vgl. Ansoff, H. I.: Corporate Strategy, S. 81. 118 Vgl. zu diesem Begriff K a p i t e l I I I , 3 i m zweiten T e i l dieser Arbeit. 119 Vgl. Möller, H.: Kalkulation, Absatzpolitik u n d Preisbildung, S. 160 ff. Ähnliche Ausführungen finden sich bei Burkart, A . J.: Some Managering Influences on a Firm's Pricing Policy, i n : JoIE, Vol. 17, Nr. 3, J u l i 1969, S. 180 bis 187, insbes. S. 184. 110

. Wechselbeziehungen q u a i t a t i v e r A r t

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nigen, können die beabsichtigte Wirkung der Preisvergünstigung i n ihr Gegenteil umschlagen lassen; die Umstellungskosten von Automaten zehren den Gewinn einer minimalen Preiserhöhung gegebenenfalls mehr als vollständig auf; die Preise wurden i n der Werbung genannt, so daß eine Änderung das gewollte und erreichte habituelle Verhalten des Konsumenten beim Kaufakt nur stören würde. I n all diesen Fällen bleibt die Preispolitik gestaltendes Element, da Änderungen — wenn überhaupt — bei anderen Instrumenten vorgenommen werden müssen. Preisstabilität bedingt nämlich ceteris paribus bei schwankender Nachfrage ständig schwankende Beschäftigung, deren ungünstige Auswirkungen auf die Kostensituation eigentlich Preisschwankungen verlangen würden. Ein kurzfristiger Ausgleich kann jedoch durch die Intensivierung der nicht-preisgebundenen absatzpolitischen Bemühungen erzielt werden. Der Preis bleibt treibendes Element, da er z. B. die Werbung als antizyklisch wirkenden Parameter forciert 1 2 0 . Eine rational zu motivierende Politik der Preisstabilität läßt sich auch auf oligopolistischen Märkten nachweisen. Diese Marktform hat eine Fülle von „gezogenen" Instrumenten zur Folge 121 , die alle eins ermöglichen sollen: feste Preise, u m Kampfstrategien auf dem Preissektor zu vermeiden 122 . Das Verhältnis zwischen „treibenden" und „gezogenen" Instrumenten läßt sich vergleichen m i t der Relation von Unabhängigkeit und Bedingtheit. Das impulsgebende absatzpolitische M i t t e l (Jj) bildet dabei den Verzweigungspunkt eines Ereignisbaumes 123 , während die „gezogenen" M i t t e l (J 2 , J 3 , J 4 ) Äste des Ereignisbaumes darstellen. Sie sind damit „bedingte Ereignisse", die nur dann eintreten können, wenn eine bestimmte Ausprägung des „treibenden" Instrumentes vorliegt. Eine Darstellung macht diesen Sachverhalt, der aus der Interdependenz reine DependenzVerhältnisse herauslöst, deutlich:

120

Vgl. Hörschgen , H.: S. 51 ff. Erinnert sei an die Vielfalt kommunikationstechnischer Parameter, welche z. B. die Waschmittel-Industrie einsetzt. 122 Die ruinöse W i r k u n g praktizierter Preiskonkurrenz hat die Oligopoltheorie eingehend untersucht; vgl. u. a. die Ausführungen zur Verdrängungsp o l i t i k bei Gutenberg , E.: Der Absatz, S. 318 ff.; ebenso: Machlup, F.: W i r alle schlagen nicht hart zu — Wie Oligopolisten Wettbewerb treiben, i n : F A Z , Nr. 123 v. 28. 5.1966, S. 5. 123 Vgl. hierzu u. a. Menges, G.: S. 30 f. Der „decision tree" hat als formales H i l f s m i t t e l zur Darstellung sequentieller Entscheidungsprozesse starke V e r breitung gefunden; vgl. Magee, J. F.: Decision Trees for Decision Making, i n : HBR, J u l i - Aug. 1964, S. 126 - 138. 121

154

2. Teil: I I . Die A r t e n von Interdependenzen Schaubild 14 Die bedingten Ereignisse i n einem Ereignisbaum

4. Wechselbeziehungen quantitativer Art

Von der qualitativen K r a f t absatzpolitischer Instrumente hängt in erster Linie auch ihre notwendige quantitative Dimension ab. Lange Zeit wurde die erstgenannte Komponente vernachlässigt, da man glaubte, mit entsprechendem Finanzmittel-Einsatz jedes Problem meistern zu können, also z. B. einem i n seiner Gestaltung vom Optimum abweichenden Produkt durch massive Werbeimpulse doch noch zum Durchbruch am Markt zu verhelfen, bzw. seine vorhandene Stellung zu festigen. Die Intensivierung absatzpolitischer Bemühungen liegt aber vor allem i n dem Versuch, i n allen Bereichen der Konzeption Kreativität zu zeigen 124 . Die auf ein anderes Instrument übergreifende K r a f t bzw. diejenige, die einen Teil von dessen Einsatz substituiert 1 2 5 , bedarf daher zunächst einer Messung ihrer qualitativen Erfolgskomponente, bevor die Quantität exakt gesteuert werden kann. Die Umwandlung ordinaler i n kardinale Nutzengrößen 126 ist dabei unabdingbar. W i r d ein bestimmter Aufmerksamkeitswert einer Werbekampagne durch einen ausgezeichneten Werbeslogan erreicht, so mag das bedeuten, daß die Verschiebung der Nachfragekurve ebenso bemessen ist wie bei massierterem Media-Einsatz, aber geringerer Durchschlagskraft der Werbegestaltung. Diese Umwandlung qualitativer Tatbestände macht das Meßniveau der einzelnen Instrumente „gleichnamig". Während nämlich die Investition finanzieller Mittel i n Bereiche wie z. B. den der Preispolitik sehr eng mit der Wirksamkeit korreliert, läßt sich dieser direkte Schluß von der Höhe des Budgets z. B. für den Vertriebsapparat auf seine Effizienz nicht 124 Die Notwendigkeit w i r d eingehend dargelegt bei Steiner, G. A . (Hrsg.): The Creative Organization, Chicago—London 1965. 125 Vgl. die Ausführungen auf S. 93 f. dieser Arbeit. 126 Vgl. zu diesen Formen der Messung u . a . Gäfgen, G.: S. 144ff.; Coombs, C. H.: Theory and Methods of Social Measurement, i n : Research Methods i n the Behavioral Sciences, hrsg. v. L . Festinger u n d D. Katz, New Y o r k 1953, S. 471 - 535, hier S. 472; Adam, A.: Messen u n d Regeln i n der Betriebswirtschaft, Würzburg 1959.

4. Wechselbeziehungen quantitativer A r t

155

immer machen. So wäre die Unterstellung konstanter Intensität bei der Leistungsabgabe auf diesem Sektor nicht berechtigt; Montgomery/ Urban 1 2 7 weisen außerdem darauf hin, daß gerade bei diesem Aktionsparameter der Absatzpolitik z. B. die Zahl der zur Verfügung stehenden Verkäufer i n Anbetracht des Zieles, des Produktes und anderer Bedingungsfaktoren zwar richtig sein kann, die Aufteilung auf Neu- und Alt-Kunden aber nicht dem Postulat gleichen Grenznutzens bei beiden Gruppen entspricht. Die Folge ist, daß z. B. Preiskonzessionen bei einer bestimmten Kundenschicht als ausgleichendes Äquivalent notwendig werden. Unterstellen w i r unserem idealtypischen Aktor eine gleichbleibende, qualitativ nicht zu verbessernde Ausgestaltung seiner Aktionsparameter, deren quantitative Dimension zusätzlich kontinuierliche Veränderungen erlaubt 1 2 8 , so läßt sich feststellen, daß die Wirkung eines einzelnen absatzpolitischen Instrumentes i n erheblichem Maße von der Quantität der i n der Kombination auftretenden anderen Instrumente abhängig ist. 41. Die Struktur

des absatzpolitischen

Instrumentariums

Nach Beseitigung der eben genannten Probleme kann die Struktur des Instrumentariums dargestellt werden als ein kreisrundes Gebilde, dessen Elemente — ausgerichtet auf das Ziel der Gewinnmaximierung — entsprechend ihrem Anteil am Absatzbudget 129 ein mehr oder weniger großes Segment innehaben. Ein Schaubild soll diese nach Branche, Konkurrenzlage und zeitlicher Fixierung schwankenden Anteile der absatzpolitischen Aktivitäten am Gesamt-Absatzbudget verdeutlichen (S. 156). Die quantitative Entsprechung der M i t t e l untereinander ergibt sich sowohl aus quantitativen als auch qualitativen Ausprägungen des jeweils „treibenden" Instrumentes; bevor also — und das ist eine generelle Regel der Interdependenz-Feststellung — die Mengenkomponente eines Instrumentes m i t der anderer Instrumente abgestimmt wird, bevor „synthetisiert" wird, muß das (müssen die) „treibende(n)" absatzpolitische(n) M i t t e l „analysiert" werden. 127 Vgl. Montgomery , D. B.lUrban, G. L.: S. 255 ff. — Ebenso: Hanssmann, F.: Skripten zur Vorlesung „Unternehmensforschung I I I " , K a p i t e l I V . 3. 128 Das Problem sprungfixer Kosten t r i t t also nicht i n Erscheinung, 129 I n dem rein formalen Lösungsversuch der optimalen Kombination f ü h r t auch Gutenberg die absatzpolitischen Instrumente auf ein systemfremdes Element, nämlich die Kosten zurück; vgl. Gutenberg, E.: Der Absatz, S. 496 ff. Dieser gemeinsame Nenner liegt i n der T r a d i t i o n der Grenznutzenschule, die sich von den Physiokraten (1) u n d den Klassikern (2) der Nationalökonomie vor allem dadurch unterscheiden, daß sie bei der Kombination der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden u n d K a p i t a l keine Reduktion aller F a k toren auf einen von ihnen vornehmen [Anm.: (1) wählen den Boden, (2) die Arbeit als Kostengrundlage].

156

2. Teil: I I . Die A r t e n von Interdependenzen Schaubild 15 W i l l k ü r l i c h gewählte Anteile einzelner Aktionsparameter der Absatzpolitik am Gesamt-Absatz-Budget

ij = Betriebsgröße ¡2 = Standort ¡3 = Betriebsbereitschaft

leistunqsbereitschaft

= Ausstattung 15 = Sortimentspolitik 16 = Kundendienst

j 1 leistungsJ substanz

¡7 = Preispolitik ig = Rabattpol itik ¡9 = Lieferungs-und

Abgeltung

Zahlungsbedingungen i 1 0 = Kreditgewährung i-p = Werbung

}• Information

Die Kommunikationspartner der Werbung sind hinsichtlich ihrer regionalen Verteilung meist exakt festzustellen, da die Werbemedien entsprechend gewählt sind. Ihrem quantitativen Einsatz muß auch die „Größe" des Distributionskanals entsprechen, um dort, wo Motive aktualisiert und Bedürfnisse zum Bedarf verdichtet wurden, die auftretende Nachfrage entsprechend befriedigen zu können. Wo quantitative Verbreitungsmängel vorliegen, entstehen Frustrationen, die auch durch nachträgliche Ausfüllung solcher „weißen Stellen" manchmal nicht beseitigt werden können, da das Produktbild verzerrt wurde. Ein weiteres, einfaches Beispiel: Das aufgrund der Produkt-Variation der Produzenten und der Ausdehnung der Beschaffungsmärkte stark erweiterte Sortiment des Handels läßt sich nur durch wachsende Betriebsgrößen entsprechend „präsentieren" — eine zu geringe Bemessung dieses streng komplementären Mittels der Absatzpolitik würde den Trend zum Grenzbetrieb unaufhaltsam werden lassen 130 . Die Analyse qualitativer Eigenschaften einzelner Parameter führt ebenfalls zu quantitativen Interdependenzen, ohne die ein Ganzes nicht denkbar ist. So löst die Verpackungsgestaltung des Produktes erhebliche Bedienungsprobleme: die Unterbringung selbst von Kleinstgegenständen (wie z. B. Radiergummi, Nägel und Modeschmuck) auf Karton unter Klarsichtfolie hat neben anderen, bisher für nicht möglich erachteten „VorVerpackungen" den quantitativen Einsatz des Ladenpersonals 130 Tatsächlich trägt diese Interdependenz, deren Steuerung vielen K l e i n unternehmern infolge Kapitalmangels verwehrt ist, zu einer gravierenden Z a h l von Geschäftsaufgaben bei. Vgl. o. V.: 15 000 Lebensmittelhändler haben aufgegeben, i n : SZ, Nr. 47 v. 24. 2.1970, S. 8.

4. Wechselbeziehungen quantitativer A r t

157

erheblich verringert; der Verlegung von Standorten der Handelsbetriebe an die Peripherie der Städte entspricht die Reduzierung z.B. des normalen Warenhaus-Sortimentes 131 ; das nur i n der Ergänzung mit einem Kundendienst denkbare Produkt eines Herstellers bestimmt m i t seiner Reparatur-Anfälligkeit die Größe eines solchen technischen Service. Wie bei allen Disparitäten quantitativer A r t zwischen zwei oder mehr Instrumenten ergibt sich eine Verärgerung des Konsumenten, wenn die Produktnutzung infolge Uberbelastung des Kundendienstes längere Zeit unterbleiben muß. Das durch Überdimensionierung eines absatzpolitischen Mittels erhöhte Anspruchsniveau des Konsumenten w i r d — nach dem Erlebnis einer befriedigenden Situation — nunmehr m i t einer unbefriedigenden Lage konfrontiert 1 3 2 . Bevor eine AnspruchsniveauAnpassung nach unten vorgenommen wird, erfolgt i n den meisten Fällen eine weitergehende Informationssuche. Erst wenn auch andere Alternativen die Mißerfolgsmeidung 133 unmöglich machen, ist die Realanpassung unausweichlich. Das Maß der Vorziehungswürdigkeit eines Produktes bzw. einer Dienstleistung kann also durch ständige quantitative Anpassung der Minimumsektoren i m System der absatzpolitischen Instrumente begründet sein bzw. werden. Dabei ist die langfristig steigende Tendenz des Anspruchsniveaus der Käufer 1 3 4 ein wichtiges Datum für den kombinatorisch tätigen Unternehmer: sie ist ständiger Anreiz zur Verbesserung der Verhältnisse, zur Invention und Innovation 1 3 5 ; nur so kann Quantität durch Qualität ersetzt werden, d. h. können die Relationen zwischen der veränderten Mengenkomponente eines Instrumentes und der durch sie induzierten Quantitätsänderung anderer Instrumente verschoben werden.

131 So berichtet die Karstadt A G i m Zusammenhang m i t ihren neuerbauten Selbstbedienungs-Warenhäusern i n den Vorstädten von einem „Sortimentsauszug" i m Vergleich zu den Häusern konventionellen Typs, da Waren relativ geringer Bedarfsdichte bzw. Kaufhäufigkeit, also Möbel, Teppiche, ElektroGroßgeräte usw. nach wie vor i m Z e n t r u m der Städte gekauft werden. Vgl. Eglau, H. O.: „Flachmänner" f ü r die Provinz, S. 28. 132 Das Wissen u m einen möglichen höheren Zielerreichungsgrad auf diesem Sektor bei W a h l eines anderen Lieferanten w i r d diesen Effekt noch verstärken; vgl. u. a. Simon , H. A.: A Behavioral Model of Rational Choice, S. 254. 133 Diese strebt jedes I n d i v i d u u m an. Sie ist eines der drei v o n Heckhausen genannten Motive, die das Anspruchsniveau bestimmen; vgl. Heckhausen, H.: Motivation der Anspruchsniveausetzung, i n : Thomae, H. (Hrsg.): Motivation menschlichen Handelns, K ö l n 1965, S. 231 - 250. 134 135

Vgl. u. a. Heinen, E.: Das Zielsystem der Unternehmung, S. 37. Vgl. March , J. G./Simon, H. A. : S. 163.

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2. T e i l : I I . Die A r t e n v o n Interdependenzen

Das eben angeführte Kundendienst-Beispiel macht ein weiteres Phänomen deutlich: U m ein endgültiges Urteil über die Bemessung eines solchen Instrumentes zu fällen, müssen die „Systemstörungen" exakt eruiert sein, d. h. sowohl exogene als auch endogene. Die letztgenannten können einen Großteil des festgelegten Budgets vor einer Umsetzung i n marktwirksame K r a f t aufzehren. Die innerbetriebliche Organisation mag so schwerfällig sein, daß der direkte Schluß von dem aufgewandten Finanzvolumen auf die Instrumentalwirkung nicht möglich ist 1 3 8 . Unter den exogenen „Störungen" muß vor allem der Grad der M i t arbeit anderer selbständiger Glieder der Handelskette berücksichtigt werden. Die Zwitter-Natur eines so gearteten Distributionskanals hat Beyeler 137 sehr eindeutig dargestellt. Der Handel — Förderer oder destruktives Element i m integrierten, vertikalen Marketing — muß hinsichtlich seiner an den Kunden herangetragenden „Efforts" 1 3 8 ins K a l k ü l m i t einbezogen werden. Dabei interessiert nicht allein die qualitative Abstimmung der von Hersteller und Handel eingesetzten Maßnahmen, sondern auch die quantitative Dimension der beiderseitigen Bemühungen. Das Anliegen jeder Unternehmung, durch ständig wiederholten Einsatz von Kommunikations-Instrumenten bei seinen Kunden ein positives Stereotyp 139 zu erzeugen, das sowohl seinen Produkten als auch seinem Vertriebsapparat gegenüber gilt, kann selbst bei Fehlen dieser quantitativen Ausprägung der Werbung i n einzelwirtschaftlicher Betrachtung trotzdem Verwirklichung finden; dann nämlich, wenn die gesamten am Markt wirksam werdenden Impulse, also inklusive der Aktivitäten des Handels, den richtigen Häufigkeits-Rhythmus ergeben. Der idealtypische A k t o r w i r d auch — u m das oben genannte Beispiel wieder aufzunehmen — die Kundendienst-Leistungen der nachgeordneten Wirtschaftsstufen bei Engpässen seiner eigenen Organisation i n Rechnung stellen. Erst die qualitative Diskrepanz beider Leistungen 140 136

A u f die Problematik solcher Störungen w i r d i m 3. T e i l dieser Arbeit, K a p i t e l I I , 13124 näher eingegangen. 137 Vgl. Beyeler, L.: S. 33 f. 138 Z u r Definition u n d Abgrenzung dieses Ausdrucks, der sehr gut die Marketing-Aufwendungen als „inputs" i n den M a r k t verdeutlicht, vgl. Kotler, Ph.: Marketing Management, S. 267. 139 I m Gegensatz zum „Image", das i n erster L i n i e f ü r nicht-personelle Kommunikatoren i n Gebrauch ist, w i r d der Begriff „Stereotyp" f ü r beide Gruppen verwendet, allerdings n u r i m F a l l von weniger differenzierten Ausprägungen des Meinungsgegenstandes; vgl. Spiegel, B.: S. 34 f.; vgl. auch Bohn, P.: S. 27. 140 Dies ist das meistgebrauchte Argument der Hersteller bei der quant i t a t i v e n Ausdehnung eigener A k t i v i t ä t e n . Bei den Initiatoren der „ f r e i w i l l i g e n Gruppen" des Handels w i r d eine ähnliche Entwicklung sichtbar. Da-

4. Wechselbeziehungen quantitativer A r t

159

kann — trotz quantitativ genügender Gesamtaufwendungen — zu einer Vergrößerung der eigenen Kundendienst-Organisation führen, womit eine Funktionsausgliederung bzw. -rückgliederung von Handelsfunktionen einhergeht 141 . Die Struktur des absatzpolitischen Instrumentariums der einzelnen Unternehmung muß i n diesem Lichte gesehen werden, d.h. über eine quantitative Dimensionierung interdependenter Instrumente kann nur nach einer Klärung der Phasenlänge und Phasenbreite, m i t der sich die jeweilige Unternehmung i n die Volkswirtschaft einfügt 1 4 2 , entschieden werden. Ist diese Frage entschieden, ist also der Aktivitätsbereich von Hersteller und Handel abgesteckt und „zementiert", so bleibt dem Produzenten die Möglichkeit, i n der quantitativen Dimensionierung eines oder mehrerer seiner Aktionsparameter zurückzustecken und dieses Quantum seinem Marktpartner zu übertragen. Dabei spielt die Gewißheit eine Rolle, daß durch eine Rabatterhöhung der Handel derartig zu einem Beitrag absatzpolitischer Bemühungen bewegt werden kann, daß die von i h m übernommene quantitative Ausfüllung der Strategie (z. B. i n der Werbung, dem Kundendienst usw.) — trotz geringerer Dimensionierung — den gleichen bzw. einen größeren Effekt erzielt. I n diesem Fall profitieren nämlich die Absatzanstrengungen auf einem bestimmten Sektor von dem Image des Einzelhandelsgeschäftes; seine „Ladenpersönlichkeit" verbessert z. B. die Wirkung gegenüber einer nur als „Pull-Strategie" 1 4 3 zu bezeichnenden Konzeption. Aus der Sicht des Konsumenten w i r d dem Einzelhändler „expert power" unterstellt, d. h. sein M i t w i r k e n an Teilelementen der Marketing-Konzeption macht diese glaubwürdiger. Die Tendenz, „Push-Effekte" durch verstärkte Beteiligung des Handels auszunutzen, beruht daher nicht nur auf einer Konzession gegenüber den realen Machtverhältnissen am Markt. A m Ende all dieser Überlegungen ergibt sich die betriebsindividuelle Allokation der Finanzmittel auf die einzelnen Instrumente der Marketing-Konzeption. Sie erst macht den Unterschied i n Haupt- und Nebenmittel deutlich. Die zahlenmäßig kennzeichenbaren Realerscheinungen, also Größe, Menge, Anzahl, Umfang und Stärke der Instrumente drücken sich i n dieser Differenzierung aus. Sie gibt allerdings nicht zu erkennen, gegen bleibt es i m vertikalen Marketing bei einer Arbeitsteilung beider Glieder der Handelskette — die Antinomie w i r d durch i n erster Linie qualitative Abstimmungen überwunden. 141 Vgl. Worpitz, H. G. 142 Vgl. Schäfer , E.: Die Unternehmung, S. 4. 143 Hierunter versteht m a n das „Durchziehen" eines Produktes, wobei die aktive „Rolle" durch z. B. Sprungwerbung direkt dem Konsumenten angetragen w i r d . Bei der Push-Strategie w i r d das Produkt mehr durch die „Pipeline" durchgedrückt, d. h. Hersteller u n d Handel tragen die Last der A k t i o n .

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2. T e i l : I I . Die A r t e n von Interdependenzen

ob der Schaden, der durch den Ausfall eines Haupt- oder Nebenmittels entsteht, unterschiedlich ist. So mögen die Aufwendungen für den Kommunikationsetat weitaus größer sein als für die Aufrechterhaltung eines technischen Kundendienstes, die Bedeutung der KommunikationsInstrumente für die Individualisierung des Produktes mag unentbehrlich sein, und die gegebenen Informationen mögen auch entsprechend aufgenommen werden — ein solcher Beanspruchungsnutzen 144 für den Kunden kann durch quantitative Unterdimensionierung des Kundendienstes entscheidend beeinträchtigt werden; der Bereithaltungsnutzen 144 eines solchen Nebenmittels ist also für das Gelingen der Gesamtkonzeption ebenso entscheidend. 42. Der qualitative

Sprung

I n zahlreichen absatzwirtschaftlichen Lehrbüchern w i r d bei der Behandlung der optimalen Kombination absatzpolitischer Instrumente Linearität der Wirkungsparameter unterstellt. I n der Praxis sind jedoch i n vielen Fällen S-förmige Reaktionsfunktionen vorherrschend, wie der Bereich der Werbung sehr deutlich zeigt: „ . . . when promotion is first started, the response is very small, but once the required ,softening up' process has been performed there is a ränge i n which response rises r a p i d l y . . , 1 4 5 ." Dieser Umstand rührt daher, daß m i t kontinuierlicher Vermehrung des Mitteleinsatzes kein Kontinuum innerhalb der Wirksamkeitsfunktion gegeben ist, daß i n dieser Kurve vielmehr mehr oder weniger starke „Sprünge" existieren. Dabei ist zu beachten, daß sich dieses Phänomen nicht nur bei dynamischer Betrachtung der Kombination ergibt, sondern auch i n einer bestimmten, relativ kurzen Periode diese Beobachtungen gemacht werden können. Hegel hat i n eleganten theoretischen Formulierungen die Begründung für diesen Sachverhalt geliefert. Er schreibt u.a.: „Aber es t r i t t ein Punkt der Änderung dieses Quantitativen ein, auf welchem die Qualität geändert wird, das Quantum sich als spezifizierend erweist, so daß das veränderte quantitative Verhältnis i n ein Maß und damit i n eine neue Qualität, ein neues Etwas umgeschlagen ist 1 4 6 ." I m gleichen Zusammenhang konstatiert er, daß die „Allmählichkeit des nur vermeh144

Vgl. zu diesen Begriffen S. 142 dieser Arbeit. Zentler, A . P./Ryde, D.: A n O p t i m u m Geographie Distribution of Publicity Expenditure i n a Private Organization, i n : MS, Vol. I I (1956), S. 337 bis 352; wieder abgedruckt, i n : Bass, F. M. et al. (Hrsg.): S.410-435, hier S. 413. 148 Hegel, G. W. F.: Wissenschaft der Logik, ed. Lasson, 3. Aufl., Hamburg 1963, Bd. I, S. 380. 145

4. Wechselbeziehungen quantitativer A r t

161

renden Fortgangs" unterbrochen, abgelöst w i r d durch einen qualitativen Sprung, der das Gesamtbild schlagartig umstrukturiert 1 4 7 . M i t anderen Worten läßt sich auch von einer quantitativen Schwelle sprechen, bei deren Uberschreiten sich die Umstrukturierung ergibt. I m Bereich der Marketing-Theorie hat dieser Gedanke seinen Niederschlag i n den sog. „Threshold-Effekten" 1 4 8 gefunden: die Verstärkung eines auf den Konsumenten einwirkenden Impulses bringt nicht nur eine Vermehrung seines „alten" Wissens, sondern bei Erreichung gewisser Schwellenwerte „neues" Wissen, eine Modifizierung seiner bisherigen kognitiven Struktur. Der qualitative Sprung 1 4 9 kann sich dabei i n positiver, aber auch i n negativer Auswirkung manifestieren. I n der Mehrzahl der Fälle w i r d der ertragsgesetzliche Verlauf der Wirksamkeitsfunktion gegeben sein, den — neben anderen Funktionsverläufen 1 5 0 — folgende Abbildung zeigt: Schaubild 16 Wirksamkeitsfunktionen absatzpolitischer Instrumente

Aktionsparameters

147 Dieses v o n Friedrich Engels f ü r den Bereich der Nationalökonomie fruchtbar gemachte Theorem w i r d auch heute wieder i n Anspruch genommen: Die Verteidiger der marktwirtschaftlichen Ordnung konstatieren bei einer „Ubersteigerung" v o n Reformen u n d der resultierenden sozialen u n d politischpsychologischen „Überbürdung" der Volkswirtschaft eine Aushöhlung der Volkswirtschaft m i t systemüberwindender W i r k u n g — also ein „Umschlagen v o n Quantität i n Qualität" (nämlich eine andere „ Q u a l i t ä t " der Wirtschaftsordnung); vgl. Szöllösi, A.: Sozialdemokratie u n d Soziale Marktwirtschaft, i n : F A Z , Nr. 52 v. 3.3.1971, S. 15. 148 Vgl. Kotler , Ph.: M a r k e t i n g Management, S. 172. 149 Dieses Phänomen k a n n als Begründung f ü r das n u r eng begrenzte Anwendungsfeld der linearen Programmierung i m Bereich der A b s a t z w i r t schaft angeführt werden. 150 Die wesentlichsten abweichenden Kurvenverläufe sind i n gestrichelter L i n i e dargestellt.

11 Linssen

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2. T e i l : I I . Die A r t e n von Interdependenzen

Die positive Effizienzveränderung w i r d vor allem bei einem Kurvenverlauf vom Typ C deutlich: Einer Vermehrung des Faktoreinsatzes über die Menge x hinaus entspricht eine stark progressive Verbesserung seines Erfolges, die „Macht" des Instrumentes nimmt rapide zu, neue Qualität ist hier durch vermehrte Quantität gegeben. Verstehen w i r unter Macht eine Beziehung, eine relationale Eigenschaft, die sich i n der Fähigkeit einer Einheit ausdrückt, den Widerstand der anderen Einheit(en) teilweise oder ganz zu überwinden 1 5 1 , so läßt sich feststellen, daß i n unserem Beispiel die Überwindungsfähigkeit i n dem Punkt x beginnt. Hier erst w i r d der Marktwiderstand, m i t dem sich solche Grenzen zwischen unterproportionaler und überproportionaler Veränderung von Wirkungsrelationen erklären lassen, gebrochen. Gutenberg bezeichnet als „Marktwiderstand" das Ausmaß habitueller Verhaltensweisen der Kunden, i n erster Linie repräsentiert durch die Stärke der Bindungen, die sie zu den bisher bevorzugten Konkurrenzunternehmungen haben, und die Stärke der Präferenzen 152 . Hierunter läßt sich der Grad an Ab-/Zuneigung verstehen, den ein Wirtschaftssubjekt einem Angebot entgegenbringt — es ist die „willentliche Entfernung" des Nachfragers, ein Produkt zu erwerben 153 . Der qualitative Sprung i n der Wirksamkeitsfunktion läßt sich demnach dort lokalisieren, wo das Wirtschaftssubjekt beginnt, den Kauf bei der Impulse gebenden Unternehmung nicht mehr abzulehnen, wo sein Widerstandsgrad auf einen Level absinkt, der die individuelle Fehlerfüllung gegen N u l l gehen läßt 1 5 4 . Investitionen i n die Werbung lassen diesen Schwellenwert sehr deutlich zutage treten. Empirische Untersuchungen auf diesem Gebiet haben ergeben, daß eine (ins Gewicht fallende) Wirkung von Werbeaufwendungen erst bei einem bestimmten Werbebudget zu erwarten ist, daß über diesen Sachverhalt sogar eine Marktausschließung potentieller Wettbewerber möglich ist 1 5 5 . 151 Diese Macht-Definition ist eine der i n der Soziologie gebräuchlichen Interpretationen; vgl. u . a . Etzioni, A . : Elemente einer Makrosoziologie, i n : Theorien des sozialen Wandels, hrsg. v. W. Zapf, 2. Aufl., K ö l n — B e r l i n 1970, S. 147 - 176, hier S. 151 f. 152 Vgl. Gutenberg, E.: Der Absatz, S. 458. 153 Vgl. Sommer, R.:S. 71. 154 Vgl. Clausen, L.: Elemente einer Soziologie der Wirtschaftswerbung, K ö l n u n d Opladen 1964, S. 19. Der Marktwiderstand ist i n einer Marktlücke, einer „Nische" oder „Oase", naturgemäß am geringsten; denn die Nische ist „die weichste Stelle des Feldes, an der sich eben am ehesten noch ein E i n bruch m i t einem neuen Meinungsgegenstand erzielen ließe"; vgl. Spiegel, B.: S.108. 155 Erinnert sei an die Werbefeldzüge der Waschmittelproduzenten; man vermutet die Wirkungsschwelle hier als so hochliegend, daß bei einer Neueinführung m i t bundesweitem nachhaltigen Erfolg Budgets von etwa 20 Mio

4. Wechselbeziehungen quantitativer A r t

163

Auch der Akquisitionswert des Instrumentes „Betriebsgröße" kann erst von einer gewissen Schwelle an als wesentlich m i t ins K a l k ü l gezogen werden: Einem Kleinbetrieb gelingt es nur selten, beim Publikum spontan die Vorstellung von Leistungsfähigkeit, Fortschrittlichkeit und rationeller Betriebsweise zu erzeugen. Diese Assoziationen werden erst ab einer bestimmten Betriebsgröße geweckt, weshalb Werbung und Public Relations i n diesem Punkt häufig nachhelfen müssen. Investitionen i n den Preisparameter zeigen einen ähnlichen Wirksamkeitsverlauf: hier existieren Preisschwellen, die sich von dem Konkurrenzangebot, der Höhe des frei manövrierbaren Teils des Realeinkommens und der Psyche des Käufers her bestimmen. Die psychologisch motivierten „Sprünge" zeigen sich sowohl bei dem progressiv ansteigenden Teil der Kurve (Typ C i n Schaubild 16) als auch bei dem negative Zuwächse aufweisenden Abschnitt (Typ G i n Schaubild 16). Während der erstgenannte Fall immer dann zu registrieren ist, wenn der Aufforderungscharakter eines Gutes durch einen zu hohen Preis ( = zu geringer Einsatz des Nachfrage produzierenden Faktors „Preis") i n Mitleidenschaft gezogen wird, die Kongruenz der Teileigenschaften also nicht erreicht wird, läßt sich bei einem „Zuviel" an Preisaktivität eine ähnliche Beobachtung machen: Der niedrige Preis irradiert so sehr i m Hinblick auf die Qualität, daß seine Effizienz abnimmt, das Käuferverhalten somit negativ beeinflußt wird 1 5 6 . Der qualitative Sprung manifestiert sich hier i n einer Störung, die aufgrund von zu großen Impulsen an bestimmten Punkten des absatzpolitischen Systems entsteht. Auch Überfluß kann demnach eine zerstörerische Wirkung haben — diese generalisierende Feststellung ist eine Konsequenz des Gleichgewichtsbegriffs; sie ist i n vielen Fällen bestätigt worden, obwohl sie häufig dem gesunden Menschenverstand zu widersprechen scheint. Aus dem Bereich der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sei hier einer der wohl bekanntesten Fälle angeführt: das Keynes'sche Argument über den Zusammenhang von Ubersparen und Arbeitslosigkeit. Aber auch an den positiven Zusammenhang zwischen steigendem wirtschaftlichen Wohlstand und steigenden Selbstmordraten — eine Verallgemeinerung Dürkheims 1 5 7 — soll erinnert werden. E i n drittes Beispiel wären die pathogenen Folgen der Uberprotektion eines Kindes durch seine Mutter. I n der Absatzwirtschaft lassen sich negative Folgen übergroßer InputRaten auch auf anderen Gebieten als dem der Preispolitik nachweisen. D - M a r k als unumgänglich erscheinen (so z. B. bei der Einführung von Persil 70 durch die Henkel & Cie GmbH, Düsseldorf). 156 Vgl. hierzu auch K a p i t e l I I , 31. i m zweiten T e i l dieser Arbeit. 157 Vgl. Dürkheim, E.: Le Suicide — Etüde de sociologie, Paris 1969, S. 264 ff. Ii*

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2. T e i l : I I . Die A r t e n von Interdependenzen

Der Scheitelpunkt der Wirkungsfunktion z.B. des Vertretereinsatzes w i r d dann überschritten, wenn die Häufigkeit der Besuche zu „dicht" wird, wenn der Repräsentant der Unternehmung „lästig" fällt. Der Begriff der „Hypertrophie" der Werbung läßt ähnliche Assoziationen aufkommen: Bei der Allgegenwart von Werbeimpulsen treten ihre Informations-, Motivations- und Rationalisierungsfunktion gegenüber einer vermuteten Manipulationsaufgabe zurück. Das Wirtschaftssubjekt fühlt sich m i t dem „großen Bruder" aus Orwells Roman „Neunzehnhundertvierundachtzig" konfrontiert und reagiert entsprechend negativ. Neben dieser generellen Aussage können Folgerungen auch aus der unterschiedlichen Struktur eines sozialen Feldes abgeleitet werden: Ein zu massierter Werbeaufwand innerhalb einer Periode kann die Ablehnungsfront, die einer Produkt- bzw. Dienstleistungs-Neueinführung entgegensteht, verstärken. Zurückhaltung, d. h. eine „sanfte" Einführungswerbung, vermag gegebenenfalls eine günstigere Zahlenrelation zwischen Anhängern und Ablehnern zu schaffen als eine heftigere Kampagne 158 , es gelingt ein „Einschleichen" i n den Markt. Der schicht- bzw. produktspezifisch auszurichtende Aktionsparameter „Ausstattung" verträgt ebenfalls kein „Zuviel" an Investitionen. Gewisse Schichten fühlen sich i n einer nicht ihrem Genre entsprechenden Kaufatmosphäre, also i n für sie zu luxuriös ausgestatteten Ladenlokalen, unwohl; aus einem derartig gestalteten gesellschaftlichen Bereich ziehen sie sich zurück, da er frustriert 1 5 9 . Hauptmotive für dieses Verhalten dürften Unsicherheit und Apathie sein 180 . Auch bei diesem Beispiel läßt sich der Kurventyp G aus Schaubild 16 als gegeben analysieren. Verfolgen w i r die kontinuierliche Vermehrung der Input-Raten bei der Produktgestaltung, so w i r d auch hier ein ertragsgesetzlicher Verlauf ihrer Wirksamkeitsfunktion manifest. Investitionen etwa i n die Verbesserung von Automobilen bewirken nach einem Effizienz-Maximum negative Nachfrage-Zuwächse, da die akquisitorische K r a f t z.B. vermehrter Zylinderzahl, vergrößerter Innenräume usw. ab einer bestimmten Schwelle abnimmt 1 6 1 . 158

Vgl. zu dieser A r t v o n Reaktionen i m Feld: Spiegel, B., S. 60. Die lange Zeit enttäuschenden Bilanzzahlen des Globus-Warenhauses i n Zürich lassen sich u . a . als Folge derartiger Kundenreaktionen interpretieren: Ausstattung u n d Atmosphäre hatten i n diesem F a l l einen Level erreicht, welcher der breiten Kundenschicht — dem Fundament eines jeden Warenhauses (Massenvertriebsform) — nicht mehr adäquat w a r ; vgl. hierzu: Jeske, J. J.: Das Warenhaus als Erlebnisbühne — Nachbemerkungen zum F a l l Globus, i n : F A Z , Nr. 177 v. 4. 8.1971, S. 15. 160 Vgl. zu einer derartigen schichtspezifischen Verhaltensdifferenzierung Bolte, K . M .¡Kappe, DJ Neidhardt, F.: S. 105. 159

4. Wechselbeziehungen quantitativer A r t

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Das gleiche Phänomen läßt sich bei einem Blick auf den Aktionsparameter „Betriebsgröße" beobachten. Nicht selten verbinden sich mit einer Großunternehmung negative Vorstellungen, die m i t den Begriffen „zu geringe individuelle Leistung" und „übermäßige wirtschaftliche Macht" nur i n Umrissen verbalisiert werden sollen. Das i n den letztgenannten Beispielen offenkundige Umschlagen von positiver i n negative Qualität w i r d bedingt durch den Bedeutungslevel, den das entsprechende Instrument nach Erreichen seines Scheitelpunktes gegenüber den anderen Elementen des absatzpolitischen Systems erreicht hat. Das System verliert hier sein Gleichgewicht, es w i r d instabil. Das Ausmaß der Störung variiert dabei m i t der Wichtigkeit des funktionalen Beitrags des jeweiligen Elementes; die resultierende „Dysfunktion" kann also ein starkes oder schwaches Oszillieren des Systems bedingen. Die vorstehenden Ausführungen waren erforderlich, u m eine Eigenschaft der Interdependenz deutlich machen zu können: die Verschiebung der Sprungstellen i n den Wirksamkeitsfunktionen einzelner absatzpolitischer Instrumente durch die Steuerung des quantitativen Einsatzes anderer Aktionsparameter der Absatzpolitik. Die verstärkende Funktion eines Instrumentenverbundes liegt darin, daß der „Threshold-Effekt" früher erreicht wird. Mehr A k t i v i t ä t auf dem Preissektor vermag den „Take-off" z.B. der Werbung vorzuverlagern, intensive Werbung von hohem Aufmerksamkeitswert ist i n der Lage, über die Bildung eines Sonder-Images die geringe Preisaktivität i n ihrer Wirksamkeit über den Schwellenpunkt zu bringen. Den gleichen Effekt erzielt eine Ausdehnung der Kundendienstleistungen, da die Käufer bei einem hohen Preis diese Forderung unter Umständen erheben 182 . Wie i n der Theorie wirtschaftlicher Wachstumsprozesse fordert der „Take-off" die Veränderung gegebener Relationen 183 . Diese kann sich manifestieren i n der veränderten kreativen Komponente eines einzelnen Mittels, w i r d aber i n der Mehrzahl der Fälle erreicht über die Variation anderer Mittel: über die i m System i n unmittelbarer Nähe liegenden Elemente, die — wie etwa die Preisaktivität bei einem begrenzten Sortiment — der Akquisitionskraft eines Instrumentes schon vor dem selbständigen Erreichen des kritischen Punktes zur vollen Entfaltung verhelfen. 161 Vgl. hierzu die F u n k t i o n dieses Beispiels i m A b l a u f der Modellbetrachtung zu Schaubild 20 u n d 21 dieser Arbeit. 162 Vgl. Göppl, H . : S . 10. 163 Vgl. Rostow, W.W.: Die Phase des Take-off, i n : Theorien des sozialen Wandels, hrsg. v. W. Zapf, 2. Aufl., K ö l n — B e r l i n 1970, S. 286 - 311.

166

2. T e i l : I I . Die A r t e n von Interdependenzen

Die Notwendigkeit einer Umstrukturierung i m System w i r d bei einem „Zuviel" eines Mitteleinsatzes deutlich. Der fortlaufend negative Zuwachses des Kurventyps G i n Schaubild 16 auf S. 161 kann durch das quantitative Mehr eines anderen Mittels ausgeglichen, die Effizienzkurve gegebenenfalls sogar i n eine Richtung überführt werden, die dem K u r ventyp E entspricht. Das oben genannte Beispiel der luxuriösen Ladenausstattung macht diesen Sachverhalt deutlich: Investitionen i n das Sortiment oder den Standort können die verminderte Ladenfrequenz egalisieren 184 , können eventuell sogar noch degressiv wachsende Zuwächse des Parameters „Ausstattung" bewirken, wenn z. B. die Begünstigungen durch eine geschickt gewählte Standort-Agglomeration 1 6 5 gesehen und wahrgenommen werden. Als Fazit der vorstehenden Überlegungen läßt sich festhalten, daß aufgrund quantitativer Interdependenzen der Komplementaritätsbereich zwischen zwei Instrumenten ausgedehnt werden kann. Wie Schaubild 17 zeigt, endet die Phase der Indifferenz (c^ — a2) durch einen vorverlegten „Take-off" des einen Instrumentes (T') früher (bei a 2 ') als bei isolierter Betrachtung der Wirksamkeitsfunktion; der Entscheidungsträger ist weiterhin i n der Lage, die Investitionen i n ein M i t t e l länger fortzusetzen, da der Scheitelpunkt S, der das Umschlagen von positiver i n negativer Qualität ankündigt, sich weiter nach rechts verlagert (S') — auch dadurch w i r d die Komplementaritätszone (a 2 — a 3 ) weiter ausgedehnt (nämlich bis a' 3 ). Der Bereich der Konkurrenz des Mitteleinsatzes (a3 — a 4 ), der sich anschließt und sich aus der Tatsache nunmehr divergierender Instrumentalqualitäten ergibt, bleibt i n seinen Dimensionen gleich (a 3 ' — a 4 '), endet dadurch jedoch auch weiter rechts. Es leuchtet ein, daß aufgrund der Erörterungen dieses Kapitels — in Analogie zu den vor allem aus der Produktionstheorie her bekannten Beziehungen — ein limitationaler Charakter zwischen zwei Instrumenten Besonderheiten aufweist. Während innerhalb der Komplementaritätszone der Multiplikator beider M i t t e l bei vermehrtem/vermindertem Einsatz gleich sein mag, also sogenannte lineare Limitationalität vorliegt, wandelt sich dieses Verhältnis bei der Annäherung an die Schwellenwerte der Wirksamkeitsfunktion: Lineare Limitationalität wandelt sich i n nichtlineare 166 , d. h. exemplifiziert: Während die Investitionen i n den Preis noch beträchtlich gesteigert werden, ist eine Intensivierung des Kundendienstes nicht mehr möglich, da dieser bereits den Scheitel184 Die Frage, ob eine solche Strategie auch wirtschaftlich sinnvoll ist, soll hier ausgeklammert bleiben. 165 Vgl. zu den V o r - u n d Nachteilen v o n Agglomeration bzw. E v i t a t i o n Seyjfert, R.: Wirtschaftslehre des Handels, S. 277. 166 Y g i z u diesen Kategorien: Busse von Cölbe, W.: S. 65.

5. Die Intensität der Wechselbeziehungen

167

Schaubild 17 Verlagerung v o n Indifferenz-, Komplementaritätsu n d Konkurrenzzone zweier absatzpolitischer Instrumente infolge quantitativer Interdependenz

punkt S' erreicht hat. I m umgekehrten Fall sind i n Anbetracht einer exorbitant guten Produktgestaltung Einsparungen i m KundendienstEtat zielkonform, während eine proportionale Verminderung der Werbung konfliktär zum Ziel der Gewinnmaximierung (d. h. ihr Einsatz hinsichtlich der Ausstrahlung auf andere M i t t e l indifferent) wäre, da der Wirksamkeitsgrad unterhalb des „Take-off "-Punktes (T) läge. 5. Die Intensität der Wechselbeziehungen

I m Gegensatz zu der oben erläuterten Extension von Interdependenzen, bei der die Größe der Ausdehnung der Wechselwirkungen, also die Zahl der miteinander i m System verbundenen Instrumente betrachtet wurde, liegt das Augenmerk dieses Kapitels auf folgendem: M i t der Intensität soll die Größe der Qualität oder die Höhe des Anteils untersucht werden, die ein Element an der Gesamt-Beschaffenheit der absatzpolitischen Konzeption hat 1 6 7 . Dabei ergibt sich ein interessanter Zusammenhang: es zeigt sich, daß Extension und Intensität gekoppelt sind, daß ein Instrument nur dann intensiver gestaltet werden und wirken kann, wenn es die Erfahrung aus möglichst vielen anderen Absatzmitteln zieht und/oder von diesen unterstützt wird. Umgekehrt ist die Fähigkeit zur Intensivierung eines Instrumentes Voraussetzung für die Verbin167 Vgl. die Definition der Intensität bei Brugger, W. (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch, 13. Überarb. u. erw. Aufl., Freiburg—Basel—Wien 1967, S. 180.

168

2. T e i l : I I . Die A r t e n v o n Interdependenzen

dung mehrerer Instrumente zu einem interdependeten System — ansonsten ergäbe sich lediglich eine Aggregation von absatzpolitischen Mitteln, keine Integration. „Jede neue Stufe des Außersichgehens, d. h. der weiteren Bestimmung, ist auch ein In-sich-gehen und die größere Ausdehnung ebenso höhere Intensität 1 6 8 ." Quantität der Extension und Qualität der Intensität, Tiefe und Ausbreitung, bestimmen sich also wechselseitig, sie sind „identisch". I m praktischen Vorgehen der Absatzpolitik bedeutet diese Erkenntnis nicht, daß die Intensität einer Konzeption nur bei Einsatz vermehrter Instrumente zunimmt; die qualitative Verstärkung — wie oben ausgeführt — kann nämlich auch durch die Verarbeitung der Erkenntnisse aus einem Instrument, das nicht i m Mittelkatalog erscheint, gewährleistet werden. Exemplifiziert heißt das, daß der Kundendienst wegfällt, w e i l die Produktgestaltung entsprechend modifiziert wurde; die nicht anwender-, sondern ergebnisbezogene Sichtweise der absatzpolitischen Instrumente zeigt i n diesem Fall, daß sich an den Instrumenten als Erklärungsvariable für menschliche Kaufhandlungen nichts geändert hat: der Aufforderungscharakter des Produktes vereinigt nunmehr i n sich auch den A u f forderungschar akter des Instrumentes Kundendienst; das für dessen Einsatz ausschlaggebende Sicherheitsbedürfnis des Konsumenten (als Kaufmotiv) w i r d also anderweitig befriedigt. Die Verzahnung des Instrumentariums nach seinem jeweiligen Intensitätsgrad drückt sich aus i n der Existenz unterschiedlichster Abweichungen von den ursprünglichen Preis-Nachfragekurven, die i n einem späteren Punkt dieses Kapitels behandelt und interpretiert werden sollen. Zunächst aber wollen w i r auf das Problem eingehen, das die Verzahnung der Instrumente im einzelnen aufwirft. Dabei w i r d zu prüfen sein, ob die generelle Behauptung, es existierten stark, mäßig und überhaupt nicht (d. h. i n ihrer Minimalität vernachlässigbar) korrelierende Merkmale, aufrechterhalten werden kann. 51. „Actio in distans" — Beziehung zu einem Entfernten

169

W i r haben bereits oben 170 darauf hingewiesen, daß die Subsystembildung i m absatzpolitischen System nach dem K r i t e r i u m der Enge der Beziehung vorgenommen wurde, d.h. Submixe wie Produkt-, Distributions- und Kommunikationsmix eine Konkretisierung dieses Gedankens bilden. I m Laufe der Abhandlung wurde deutlich, daß die Konnektivität zwischen diesen Bereichen sehr stark sein kann, daß lediglich die 168 169 170

Hegel, G. W. F.: Bd. I I , S. 502. Vgl. hierzu Brockard, H.: S. 155 f. Vgl. K a p i t e l 1,32 i m ersten T e i l dieser Arbeit.

5. Die Intensität der Wechselbeziehungen

Vielfalt gleichartiger Sektoren größer ist.

absatzpolitischer

Bemühungen innerhalb

169

der

Legen w i r diese A r t einer topologischen Betrachtung von Instrumenten, die gleichsam die Entfernung einzelner Absatzmittel des Systems voneinander darstellt, unseren Betrachtungen zugrunde, so ergibt sich zwangsläufig die Frage, wie die Beziehungen zwischen am Rande unterschiedlichster Submixe liegenden Instrumenten zu beurteilen sind. Nehmen w i r als Beispiel die Sales Promotion als erst spät i n den Blickpunkt der Absatzpolitik gerückten Teil der Kommunikationsstrategie und die Betriebsgröße als Element der Leistungsbereitschaft oder aber die Produktgestaltung und den Vertretereinsatz. Variationen einzelner M i t t e l scheinen sich i n ihrer Wirkung „zu verlaufen", der ausgehende Impuls droht — nach Auswirkungen auf nächstgelegene Instrumente — zu verpuffen. Ein idealtypischer A k t o r verspürt jedoch die seismographische Empfindlichkeit des Systems, denn „die Bewegung an jedem beliebigen Punkt ruft Veränderungen i n der Gesamtstruktur hervor" 1 7 1 . Ein Element kann also auch auf entferntere Ursachen reagieren —, und zwar heftiger als auf eine näherliegende Causa. Der Vertretereinsatz mag i n seiner geographischen Verteilung, i m Timing seiner Kundenbesuche usw. dem Optimum entsprechen, er mag auf den bereits genannten engen Zusammenhang zur Preispolitik — Preissenkung als motivierendes, die Verkaufsanstrengungen forcierendes Instrument — nur schwach reagieren — eine grundlegende Änderung der Produktgestaltung erschüttert seine Effizienz i n gravierendster Weise 172 . Hier liegt „actio i n distans" vor, wenn auch i n der Form direkter Verursachung. Von indirekter Causa spricht man, wenn Zwischenglieder die Bewegung weitertragen. Ein sehr deutliches Beispiel dürfte die nicht physische Konnektivität von Instrumenten darstellen. Hierbei existiert die Wechselwirkung nicht aufgrund der Unausweichlichkeit, z.B. ein Produkt durch einen Vertreterstab erklären lassen zu müssen, sondern z.B. auf dem Bindeglied „Kosten": Der sich steigernde akquisitorische Effekt von Werbung und Sales Promotion macht eine Ausdehnung der Betriebsgröße möglich, da die Mengenkonjunktur eines Artikels bzw. des gesamten Sortimentes ein solches Vorgehen verlangt. Dieses — oben bereits genannte — Beispiel und andere erklären, daß „actio i n distans" 171

Brockard, H.: S. 155. Hier sei an ein Beispiel aus der Computer-Fertigung erinnert: Die Einführung der 3. Computer-Generation bedingte bei der F i r m a I B M eine weitgehende Auswechslung des Verkaufspersonals, da dieses den Anforderungen einer den neuen Modellen äquivalenten Beratungstätigkeit nicht gewachsen war. 172

170

2. Teil: I I . Die A r t e n von Interdependenzen

darin bestehen kann, daß ein Instrument als die hervorbringende Ursache für die Variation eines anderen nicht genügt, daß vielmehr eine bedingende Ursache hinzutreten muß, ein Umstand, der notwendig ist, damit eine an sich wirkfähige Ursache i n Kraft treten kann. I n praxi heißt das: Die Eigenarten des Kunden, die Besonderheiten der Ware, der Einfluß der Zeit sind diejenigen Bindeglieder, die sonst kaum korrelierende Instrumente i n einen intensiven Zusammenhang bringen. Die Intensität eines absatzpolitischen Mittels w i r d nur dann gewährleistet, wenn der A k t o r bei jedem Entscheidungsakt jedes Instrument mit jedem i n Verbindung bringt, alternative Seinsweisen sich vorstellt und Konsequenzen projiziert, also aus allen Erfahrungen zieht. Diese Argumentation verstärkt die Notwendigkeit der von Nieschlag et al. vorgenommenen Erweiterung des absatzpolitischen Mittelkatalogs 1 7 3 : Nur eine ständige Präsenz aller Instrumentalvariablen kann auch den Nutzen eines Mittels für das andere verdeutlichen. Es läßt sich also kaum sagen, daß z.B. die i n der Unternehmung organisatorisch getrennten Bereiche der Absatzpolitik, etwa Produktgestaltung und Werbung, eine geringere Intensität der Beziehung aufweisen als die ungesondert von der Werbung existierende Verkaufsförderung m i t dieser. Die Verpackungsgestaltung, die zum erstgenannten Bereich gehört, korreliert weit enger mit der Werbung als m i t dem Bereich der Produktgestaltung. Die Intensität des Lernens beider Bereiche voneinander ist darum besonders groß — diese Erkenntnis hilft auch dem realtypischen Aktor, der durch Vorstellung und Projektion auf diesem Sektor (wie i n der gesamten Simulation der absatzpolitischen Konzeption) manche Markttests sparen kann 1 7 4 . Es geht also immer darum, die Aufforderungscharaktere auch von einander fernen Instrumenten zur Deckung zu bringen, sie so miteinander zu verzahnen, daß sie überhaupt nicht mehr zu trennen sind 1 7 5 . Der intensive Zusammenhang zwischen organisatorisch gekoppelten Bereichen, also der oben genannten Werbung und der Verkaufsförderung, aber auch z.B. der Absatzorganisation und des Kundendienstes, des 173

Vgl. S. 19 ff. dieser Arbeit. E i n anschauliches Beispiel für die Tatsache, daß der menschliche Geist aus der Vorstellung lernen k a n n u n d dadurch empirische Ergebnisse v o r wegnimmt, wurde bei einem Besuch von Teilnehmern des absatzwirtschaftlichen Oberseminars der Universität München bei der Margarine-Union GmbH, Hamburg, am 22.10.1970 deutlich: Die Fallstudie zur Einführung eines neuen Speiseöls führte — bei einer Konfrontation der theoretischen m i t der tatsächlich realisierten Konzeption — v o r Augen, daß die Interdependenz von Werbung u n d Verpackung i m voraus nicht k l a r genug gesehen wurde, daß sie sich erst i m Markttest als gravierend herausstellte, so daß eine K o r r e k t u r vorgenommen werden mußte. 175 Vgl. Spiegel, B.:S. 82. 174

5. Die Intensität der Wechselbeziehungen

171

Preises und der Rabattgestaltung 176 , ist manifest; latente Wechselwirkungen verlangen gerade deshalb ein besonderes Augenmerk. Häufig liegen diese i n den Bereichen der Absatzpolitik, die eher als strategische Sektoren angesehen werden, deren Variation nur i n größeren Zeitabständen erfolgt. Sicherlich ist die Häufigkeit des Miteinander-in Beziehung-Tretens ein Kennzeichen von Intensität, diese A r t jedoch nur bei taktischen Instrumenten zu sehen, dürfte fehlerhaft sein. M i t einer solchen Teilung würde innerhalb eines Systems gleichsam ein Subsystem gebildet, dessen Grenzen nur i n größeren Zeitabständen (nämlich der Dauerhaftigkeit strategischer Instrumente entsprechend) gesprengt würden. Spannungen zwischen den Instrumenten bestehen jedoch über diese Grenzen hinweg: die Werbekonzeption beeinflußt nicht nur die momentane Rabattgestaltung 177 , sondern auch den langfristig festgelegten Distributionskanal. Indem sie Mitglieder des Handels oder ein Handelsunternehmen selbst i n der Werbung herausstellt, u m die „expert power" dieser quasi neutraleren „Wertungsstelle" und ihre W i r k u n g auf das Kaufverhalten zu nutzen, beeinflußt sie ein Detail eines strategischen Instrumentes. Dieses M i t t e l verwertet wiederum einen Ausstrahlungseffekt der Werbung des Herstellers, da dessen Image (etwa Leistungsfähigkeit, Betriebsgröße) die Stellung des einzelnen Handelsunternehmens zu verbessern vermag 178 . Die Identifizierung eines jeden Instrumentes m i t dem anderen nimmt auf diese Weise zu. Intensität von Interdependenzen manifestiert sich deshalb auch i n dem Uberschreiten des unternehmungsspezifischen Rahmens: i n dem „Erfahrung-Ziehen" auch aus den absatzpolitischen Mitteln, die i n der „Regie" anderer Glieder der Handelskette sind, i n der Reintegration solcher Funktionen oder aber i n der Aufhebung der Antinomie durch vertikales Marketing 1 7 9 . Die Arten der „actio i n distans" sind i n ihrer Häufigkeit nicht zu unterschätzen. Jede A k t i o n des Herstellers i n einem Bereich der Absatzpolitik verursacht Spannungen. Ihr Nichtvorhandensein deutet auf geringe A k t i v i t ä t des kombinierenden Aktors, auf eine trügerische, da 176

Vgl. Nieschlag et dl.: Marketing, S. 118. Etwa i n der F o r m v o n Einführungsrabatten. 178 Beispiele f ü r diesen Sachverhalt sind etwa die Werbung der B r a u n A G , Frankfurt/M., i n der von renommierten Fachhändlern i n argumentierender Weise Aussagen zu den Eigenschaften der Trockenrasierer gemacht werden; oder aber die Werbung führender deutscher Markenartikelhersteller m i t dem Kaufhauskonzern Karstadt A G , Essen — etwa folgender A r t : Siemens & K a r stadt, Bosch & Karstadt usw. 179 Vgl. Nieschlag, R.: Die Intensivierung der absatzwirtschaftlichen Bemühungen als Gegenwartsaufgabe der Unternehmungen, S. 402 ff. 177

172

2. Teil: I I . Die A r t e n von Interdependenzen

auf die Dauer nicht lebensfähige gegenseitige Entsprechung der Mittel. Spannung ist deshalb für jedes System wünschenswert, da sonst jede schöpferische Kraft, jede Originalität der Beziehungen fehlt 1 8 0 . Die ständige Neuerung bei einem Element steigert i m idealtypischen Fall die Intensität der gesamten Konzeption, da diese Erfahrung sofort i n die anderen Elemente „hinein"-verarbeitet w i r d 1 8 1 . Die Schilderung eines Systemzustandes ist i n diesem Fall immer die Schilderung einer Vergangenheitsepisode, weshalb vor allem Systemtheoretiker die Offenlegung solcher Daten vor Konkurrenten und sonstigen Interessenten für unbedenklich erklären. Systemkonstanz würde diesen Anspruch natürlich unrealisierbar machen, da es sich i n diesem Fall eben nicht u m „alte Daten" handelt, die preisgegeben werden. 52. Intensitätsgrade von Interdependenzen und die Lage der Nachfragekurve Die generelle betriebswirtschaftliche Preis-Absatz-Funktion unterstellt einen eindeutigen funktionalen Zusammenhang zwischen gefordertem Preis und möglichem Mengenabsatz; sie vermutet i m Grunde genommen ein bestimmtes Konsumentenverhalten: auf einen Reiz (z. B. Preiserhöhung) folgt stets die gleiche Reaktion der Konsumenten (weniger kaufen). Anstelle des Verbraucherverhaltens t r i t t also das „Verhalten" von Preisen und Absatzmengen, so, als stünden da nicht handelnde und entscheidende Menschen dazwischen 182 — „l'individu peut disparaître" (Pareto). W i r müssen jedoch m i t aller Deutlichkeit daran erinnern, „daß unsere Wissenschaft eine Wissenschaft vom Menschen ist" 1 8 3 . Dementsprechend haben Psychologie, Soziologie, Sozialpsychologie und Anthropologie ihren festen Platz i n der Marketingtheorie, da sich ihre jeweiligen Erkenntnisobjekte überschneiden.

180 v g l Boulding, K . E.: Beitrag zu einer Friedenstheorie, i n : Friedensforschung, hrsg. v. E. Krippendorf, K ö l n — B e r l i n 1968, S. 68 - 86, S. 71. 181 I n der Praxis w i r d häufig v o n der Änderung eines Elementes Abstand genommen, da ihre A u s w i r k u n g e n i n den letzten Konsequenzen nicht bekannt sind — statt eines Systemzustandes höherer Stufe würde n u r die Destruktion eines bestehenden relativen Gleichgewichts herbeigeführt. Spannungen muß man sich also „leisten" können, d. h. ihre Kontrolle u n d A b s t i m m u n g m i t anderen Systemelementen muß beherrscht werden. 182 Y g i z u r Bedeutung der A k t o r e n u n d ihrer A t t i t ü d e n für die M i k r o theorie Gäfgen, G.: S. 18 ff. 183 Zwiedineck-Südenhorst, O. v.: Von der älteren zur neueren politischen Ökonomie, München 1952, S. 15; i n ähnlicher Weise kritisieren die Vertreter der verstehenden Nationalökonomie den Ausschluß des Menschen aus der Wirtschaftstheorie, den die mathematisch-funktionalistische Richtung der Nationalökonomie betreibt; vgl. u. a. Sombart, W.: Die drei Nationalökonomien, München—Leipzig 1930.

5. Die Intensität der Wechselbeziehungen

173

Anderenfalls müßte man von einer „taxonomischen Theorie" 1 8 4 sprechen, da die verwendeten ceteris-paribus-Klauseln eine Prüfbarkeit ihrer Hypothesen verhindern würden. Die negative Preis-Absatz-Funktion bleibt tatsächlich i n der Empirie vielfach unbestätigt, bedingt durch die Tatsache, daß das Feld der Käufer nicht nur Preise, sondern auch andere (tatsächliche oder vermeintliche) Eigenschaften des Produkts und anderer Produkte 1 8 5 , die soziale Stellung des Individuums, seine momentane Stimmung und vieles andere mehr als mögliche Einflußfaktoren der Kaufentscheidung enthält. Die Kombination der Absatz-Instrumente muß diesen Phänomenen Rechnung tragen. Ihre für die theoretische Analyse sehr wesentliche Unterscheidung Banses 186 i n Preispolitik i. w. S. und Präferenzenpolitik ermöglicht es zu zeigen, daß die Preispolitik den Operationen auf einer gegebenen Preis-Absatz-Funktion entspricht, wohingegen die Präferenzenpolitik gerade auf die Verschiebung oder die Änderung i m Verlaufe dieser Preis-Absatz-Funktion abzielt. Banse trägt hiermit einer Entwicklung Rechnung, die als einer der Hauptbeiträge zur Ökonomie der Nachkriegszeit gewertet werden muß: die Theorie der „Monopolistischen Konkurrenz" 1 8 7 . Er variiert die aus der volkswirtschaftlichen Theorie des Marktgleichgewichts her bekannte Parallele: Die Cournotschen Aktionsparameter — Preis und Menge — gehen eine Verbindung ein m i t den Chamberlinschen Aktionsparametern, der Qualitätsstrategie i m weitesten Sinne und der Werbung. Die Enge dieser Konnektivität schlägt sich i n der tatsächlichen Lage der Preis-Absatz-Funktion nieder, sie erklärt Verschiebungen und Elastizitätsveränderungen ebenso wie Schwellenwerte 188 innerhalb einer gegebenen Nachfragekurve. 184 Friedmann kennzeichnet eine taxonomische Theorie durch ihre starke Vereinfachung der W i r k l i c h k e i t ; sie verwendet Klassifikationen (besonders Namen), die offensichtlich empirische Bedeutung haben, aber — auf die ganze Analyse h i n betrachtet — so definiert sind, daß i h r direkter empirischer Gehalt verschwindet; vgl. Friedmann, M.: The Methodology of Positive Economics, i n : Readings i n Microeconomics, hrsg. v. W. Breit u. H. M . Hochmann, London 1969, S. 23 - 47. 185 A u f diesen P u n k t weist besonders Schneider hin, der i n einer kritischen Untersuchung postuliert, die Preis-Absatz-Funktion „als Nachfragekurve f ü r verbundene Güter zu definieren"; vgl. Schneider, D.: Die Preis-Absatz-Funktion u n d das Dilemma der Preistheorie, i n : ZgesStw., 122. Bd., Tübingen 1966, S. 587 - 628, hier S. 596. 186 Vgl. Banse, K . : Sp. 5988 ff.; vgl. auch den Beginn v o n K a p i t e l I, 1 i m ersten T e i l dieser Arbeit. 187 Vgl. Chamberlin, E. H.; Robinson, J. 188 H i e r m i t sind Anpassungsschwellen gemeint, die — nach einem Bereich relativer Unelastizität der Nachfragekurve — den Übergang zu größerer Elastizität andeuten. K r e l l e spricht i n diesem Zusammenhang, der weiter unten eingehender erörtert w i r d , v o n „Grenzen der F ü h l b a r k e i t " bzw. dem „Schwellenwert der F ü h l b a r k e i t " ; vgl. Krelle, W.: Preistheorie, Tübingen—Zürich 1961, S. 12 f.

174

2. T e i l : I I . Die A r t e n von Interdependenzen

Da die unvollkommene Konkurrenz i n der Gesamtwirtschaft die Regel ist, also Präferenzen sachlicher, örtlicher, persönlicher und zeitlicher A r t den Transaktionspartner des Konsumenten i n starkem Maße bestimmen, müssen die Erkenntnisse aller sozialwissenschaftlichen Disziplinen zur Erklärung der Intensität der Interdependenzen dienen. So siedelt die Werbung u m die Ware herum ein ganzes Bündel zusätzlicher, oft ganz abstrakter Eigenschaften an, die den Verbraucher i n erster Linie i n seiner A r t als „psychological man" bzw. als „homo sociologicus" treffen. Nach der Intensität der Abstimmung der Präferenzenpolitik m i t dem Preis richtet sich die Parallelverschiebung der Preis-Absatz-Funktion (Abb. 1 i n Schaubild 18 auf S. 179), bei der sich die Elastizität nicht verändert. Zeuthen 1 8 9 hat bereits 1935 auf diesen Sachverhalt hingewiesen, bei dem der Gewinn des Unternehmens sich um die bisher übliche Spanne, multipliziert m i t den zusätzlich verkauften Mengeneinheiten, abzüglich der Werbekosten erhöht. Ähnliche Überlegungen lassen sich auch für die Variation anderer Faktoren, etwa der Produktgestaltung, des Distributionskanals, des Kundendienstes, der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen usw. anstellen, all dieser, oft rational gar nicht faßbaren Umstände, die zu einer Einheit, die das „akquisitorische Potential" eines Unternehmens genannt sei, verschmelzen 190 . Die Veränderung der betriebsindividuellen Preis-Absatz-Kurve drückt sich jedoch auch i n anderen als der oben geschilderten Formation aus. Die Präferenzenpolitik des Aktors vermag z. B. die Elastizität der Nachfrage i n erheblichem Maße zu verringern, indem sie die NichtPreis-Parameter so einsetzt, daß eine Drehung der Preis-Absatz-Kurve um den Abszissenschnittpunkt erfolgt, Preiserhöhungen also einen geringeren bzw. gar keinen Nachfragerückgang zur Folge haben (Abb. 2 i n Schaubild 18 auf S. 179). I m umgekehrten Fall ist eine Vergrößerung der Elastizität denkbar, also eine Drehung der Preis-Absatz-Funktion u m den Ordinatenschnittpunkt — ein wünschenswerter Effekt i m Fall von Preissenkungen, da die Nachfrage stärker steigt als bei einer Konzeption, die auf eine Präferenzenpolitik verzichtet (Abb. 3 i n Schaubild 18 auf S. 179). Den wohl deutlichsten Beweis für die unterschiedlichen Intensitätsgrade von Interdependenzen i m absatzpolitischen Instrumentarium führte Gutenberg 191 m i t der Interpretation der doppelt geknickten iss v g l . Zeuthen, F.: Kosten u n d W i r k u n g e n der Reklame i n theoretischer Beleuchtung, i n : Archiv f ü r mathematische Wirtschafts- u n d Sozialforschung, Bd. 1 1935, S. 159 ff. 100 Vgl. Gutenberg, E.: Der Absatz, S. 238. 191 Vgl. Gutenberg, E.: Der Absatz, S. 233 ff.

5. Die Intensität der Wechselbeziehungen

175

Preis-Absatz-Funktion (Abb. 4 i n Schaubild 18 auf S. 179). Diesen für die atomistische Konkurrenz auf unvollkommenen Märkten (polypolistische Konkurrenz) angestellten Überlegungen liegt die Annahme zugrunde, daß die akquisitorischen Potentiale der einzelnen Anbieter für jeden von ihnen ein mehr oder weniger großes Preisintervall entstehen lassen, den sogenannten monopolistischen Abschnitt auf einer von links oben nach rechts unten geneigten Absatzkurve. A n diesen schließen sich zwei sogenannte atomistische Kurventeilstücke an. Innerhalb des genannten Intervalls kann die Preisforderung für ein Gut bestimmten Verwendungszweckes variiert werden, ohne daß Kunden abwandern und zu Konkurrenten überwechseln 192 . Lediglich eine Preiserhöhung bzw. -Senkung über die Grenzen bzw. Schwellen hinaus führt zu einem erheblichen Kundenverlust bzw. -Zuwachs. Es leuchtet ein, daß die Intensität der Beziehungen zwischen den Instrumenten, die Enge der Verzahnung, die Breite des monopolistischen Bereiches der Preis-Absatz-Kurve bestimmen. Werbung, Produktgestaltung, Kundendienst usw. sind bei ihrer Integration entsprechend einer einheitlichen Idee i n der Lage, Reaktionen der Konsumenten auf Preisveränderungen zu verhindern. Diesen Instrumenten ist es gelungen, den Absatzmarkt zu individualisieren, die Substituierbarkeit der miteinander konkurrierenden Waren als i n den Augen der Nachfrager nicht möglich darzustellen. Die Marktübersicht ist unvollkommener geworden und m i t dieser zunehmenden Intransparenz des Sozialgebildes auch die Warenkenntnis der Käufer. Die Homogenitätsbedingungen sind nicht mehr existent. A u f diese A r t und Weise werden Güter- und Leistungsströme habitualisiert, sie kümmern sich wenig um die Preishöhe 193 . Je enger die Aufforderungscharaktere der Instrumente des einen Lieferanten miteinander verzahnt sind, desto länger bleibt der ökonomische Vorteil eines anderen Lieferanten unerheblich. Intervallverkleinernde und -vergrößernde Veränderungen wechseln dabei ständig; während die allgemeine Mobilität den Standort als präferenzbildendes M i t t e l der 192

frage.

Eine Preissenkung b e w i r k t lediglich die Mobilisierung latenter Nach-

193 Vgl. Holzer, K . : S. 54; diese Habitualisierung des Leistungsstromes beruht i n erster L i n i e auf einer Bindung der Käufer an das Produkt. Sie w i r d bestimmt durch den aufgrund des Nicht-Preis-Parameter-Einsatzes erzielten Grad der Übereinstimmung v o n Meinungsgegenstand u n d Selbstimage der Käufer, aber auch durch das vorherrschende Preisbewußtsein u n d die Appetenz zu anderen konkurrierenden Meinungsgegenständen. I n einer bemerkenswerten empirischen Untersuchung während der Jahre 1970 u n d 1971 hat der Burda-Verlag diese Habitualisierung, d. h. die Weite des autonomen Bereiches der Nachfragekurve, f ü r die führenden deutschen Zeitschriften i n operationale Größen zu fassen versucht. Dabei ergaben sich weit

176

2. T e i l : I I . Die A r t e n von Interdependenzen

A b s a t z p o l i t i k i n seiner Effizienz e t w a s v e r m i n d e r t 1 9 4 , w i r d die H e t e r o g e n i t ä t des M a r k t e s d u r c h eine V i e l z a h l gegenläufiger T e n d e n z e n v e r s t ä r k t : D e r K u n d e b e g e h r t i m m e r w e n i g e r n u r r e i n e W a r e 1 9 5 , i n seinen S c h w i e r i g k e i t e n , die a n g e b o t e n e n P r o d u k t e h i n s i c h t l i c h i h r e r Q u a l i t ä t z u unterscheiden, g r e i f t er nach a l l e n i h m a n g e b o t e n e n I n f o r m a t i o n e n . D e r W e g f a l l der B e d i e n u n g i m H a n d e l , die diesem B e d ü r f n i s nachk o m m e n k o n n t e , f o l g t die A u f w e r t u n g der V e r p a c k u n g , der W e r b u n g , der B e t r i e b s g r ö ß e u s w . D e r z u n e h m e n d e E r f a h r u n g s v e r l u s t v e r l a n g t nach H i l f s k o n s t r u k t i o n e n : F ü r i m m e r m e h r W a r e n w e r d e n V e r g a n g e n h e i t s e r f a h r u n g e n v o n g e r i n g e m Interesse, d a technologische u n d m o d i s c h e 1 9 6 V e r ä n d e r u n g e n sie gleichsam „ n e u " w e r d e n lassen. I n diesem F a l l e r g i b t sich zwangsläufig, daß „ c o n s i d e r a b l e p r o p o r t i o n s of t h e subjects t r u s t e d p r i c e r a t h e r m o r e t h a n t h e e v i d e n c e of t h e i r senses", w i e Gabor u n d Granger i n ihrer empirischen Untersuchung feststellten 197. N e b e n d e m v o n T h o r s t e i n V e b l e n schon 1899 k o n s t a t i e r t e n „ S n o b a p p e a l " 1 9 8 i s t h i e r b e i i n erster L i n i e die V e r m e i d u n g v o n R i s i k e n d e t e r m i n i e r e n d : der G e f a h r , e i n b e i b i l l i g e r e m E i n k a u f auch s i g n i f i k a n t schlechteres P r o d u k t z u e r w e r b e n , w i r d ausgewichen — e i n A s p e k t , der v o r a l l e m b e i der B e s o r g u n g v o n Geschenken f ü r andere eine ausschlagauseinander liegende Schwellenwerte, wobei naturgemäß der oberen Begrenzung des Intervalls (Möglichkeit der Preiserhöhung!) verstärkte A u f m e r k samkeit gewidmet wurde. Die prognostische Sicherheit u n d Validität des gewählten Modells erwies sich nach einer f ü r verschiedene Burda-Objekte vorgenommenen Preiserhöhung, da die Kaufbereitschaft i n ihrer Reaktion den Erwartungen entsprach. Vgl. schriftliche u n d mündliche Informationen der Abteilung M a r k e t i n g Research der Burda Druck u n d Verlag GmbH, M ü n chen. 194 K i l g e r bestimmt am Beispiel der W i r k u n g solcher räumlichen Präferenzen den monopolistischen Bereich polypolistischer Preis-Absatz-Funktionen; vgl. Kilger, W.: Die quantitative A b l e i t u n g polypolistischer Preis-AbsatzFunktionen aus den Heterogenitätsbedingungen atomistischer Märkte, i n : Z u r Theorie der Unternehmung, Festschrift zum 65. Geburtstag v o n E. Gutenberg, hrsg. v. H. Koch, Wiesbaden 1962, S. 269 — 309. 195 Dem i n einer prosperierenden Gesellschaft i m m e r stärker werdenden Verlangen nach einem „Einkaufserlebnis" (und anderen Ursachen) trugen z. B. die Versandhandels-Unternehmen dadurch Rechnung, daß sie zusätzlich einen stationären Handel aufbauten, der auch m i t bisher nicht übernommenen Dienstleistungen aufwarten konnte. 106

Nieschlag hat diesem Phänomen große Aufmerksamkeit gewidmet; vgl. Nieschlag, R.: Binnenhandel u n d Binnenhandelspolitik, S. 23 ff. I m Z u sammenhang m i t mangelnder Markttransparenz u n d abnehmender Warenkenntnis spricht er von einer „Emanzipation der Ware"; vgl. ebenda, S. 73 f.; wesentliche Erkenntnisse i m H i n b l i c k auf den Zusammenhang v o n Mode u n d Absatzpolitik lassen sich auch aus der A r b e i t v o n Lorenz gewinnen; vgl. Lorenz, K . : Die 8 Todsünden der zivilisierten Menschheit, i n : Sozialtheorie u n d soziale Praxis, E. Baumgarten zum 70. Geburtstag, hrsg. v. H. Albert, Meisenheim am Glan 1971, S. 281 - 340, insbes. S. 331 ff. 197 Vgl. Gabor, AJGranger, ios v g l . vebien, Th.

C. W. J.: S. 43.

5. Die Intensität der Wechselbeziehungen

177

gebende Rolle spielt 1 9 9 . Es leuchtet ein, daß dieser Effekt nur erzielt werden kann, wenn die zusätzlichen informativen Impulse, welche die vom Preis ausgehenden Informationen „sicherer" machen sollen, i n ihrer Qualitätskomponente m i t diesem übereinstimmen: Werbung, Packungsgestaltung, Distributionskanal usw. vermögen also selbst bei höherem Preis die Unelastizität der Nachfragekurve herbeizuführen. Die mangelnde Flexibilität der Konsumenten hinsichtlich ihrer Kaufentscheidungen läßt sich auch erklären m i t den Bemühungen der Absatzpolitik, der absatzwirtschaftlichen Konzeption einen stark emotionalen Aspekt zu überlagern 200 . Starke Emotion bewirkt, daß die Fähigkeit zu Einsicht und Voraussicht „primitiviert" w i r d 2 0 1 . „ I m Ergebnis neigen erhöhte Emotion und erhöhter Trieb dazu, Stereotype i n der Wahrnehmung, der Interpretation und der Assoziation wie auch i m offenen Verhalten hervorzurufen. Werden w i r emotional getrieben, so neigen w i r dazu, die Dinge entsprechend unseren wahrscheinlichsten Erwartungen zu sehen, die Dinge entsprechend der größten Gewohnheit zu entscheiden .. . 2 0 2 ." Die Intensivierung des Marketing-Mix' kann also — abhängig von Kunden- und Produktspezies — auch i n einer solchen Betonung der Gefühlskomponenten liegen. Die doppelt geknickte Absatzkurve Gutenbergs m i t ihrem reaktionsfreien Raum ist auch i n der Praxis bekannt, wie Fog 2 0 3 nachgewiesen hat. Der kombinierende Unternehmer ahnt jedoch nur die Schwellenwerte, bei denen Disproportionen zwischen Preis- und Präferenzenpolitik auch für den Kunden merkbar werden. So erlischt bei einer Überschreitung des oberen Grenzpreises das akquisitorische Potential, die Interdependenz der Instrumente beschränkt sich auf eine Zerstörung der Effizienz der Nicht-Preis-Parameter durch den Preis. Die Intensität der Verzahnung der Instrumente w i r d i n besonderem Maße erhellt bei Betrachtung einer oligopolistischen Nachfragekurve. Diese zuerst von Sweezy 204 entwickelte „ k i n k y demand curve" (Abb. 5 i n Schaubild 18 auf S. 179) zeigt deutlich, daß die Variation des Preises eingeschränkt ist, da die Konkurrenzanbieter auf Preissenkungen sofort reagieren, Preiserhöhungen dagegen nicht mitmachen. Diese Verände199

Vgl. Shapiro, B. P.: S. 24. 200 v g l , Brandwynne, J.: Emotion i m Marketing, in: Gabler-Mitteilungen, H. 1/1970, S. 10 ff.; ebenso: Kaufmann, P.: Der Schlüssel zum Verbraucher, S. 344 ff. 201 Vgl. Osgood, Ch. E.: Wechselseitige Initiative, i n : Friedensforschung, hrsg. v. E. Krippendorf, K ö l n — B e r l i n 1968, S. 357 - 392, insbes. S. 378. 202 Ebenda, S. 378. 203 Vgl. Fog, B.: Industrial Pricing Policies, Amsterdam 1960, S. 39 ff. 204 Vgl. Sweezy, P. M.: Demand under Conditions of Oligopoly, i n : JoPE, Bd. 47, 1939, S. 568-573; neu erschienen i n : Readings i n Price Theory, L o n don 1953, S. 404 - 409.

12 Linssen

178

2. T e i l : I I . Die A r t e n von Interdependenzen

rung der Nachfrageelastizitäten ab einem Punkt P macht die Marketing-Entscheidungen des Oligopol-Unternehmers besonders weitreichend i n ihrer Bedeutung. Er muß versuchen, die Elastizität auch oberhalb des Punktes P zu verringern, was nur durch eine exakte Abstimmung der absatzpolitischen Instrumente, nur durch eine besonders kreative Kombination möglich ist. I n jedem Fall bleibt die Operationalität eines instrumentalen Ansatzes i n der Absatzpolitik von dem sicheren Wissen u m den Einfluß der Absatzmittel auf Form und Lage der Nachfragekurve abhängig. Der idealtypische A k t o r bemißt die Investitionen i n die einzelnen M i t t e l so, daß der Grenzertrag durch Nachfrageausdehnung bei gleichem Preis bzw. durch Preiserhöhung oder Preissenkung dem Grenzaufwand gleich wird. Nur die Berücksichtigung aller M i t t e l kann Gewißheit über die Nachfragekurve geben, welche auch Voraussetzung für den Einsatz von Techniken der Management Science i m Marketing ist 2 0 5 . 6. Exkurs: Das Brems-Modell

I m Jahre 1948 veröffentlichte H. Brems i n „The Quarterly Journal of Economics" einen Aufsatz, der — da i n mathematisch eleganter Form dargeboten — hervorragend geeignet scheint, die bisher gemachten Ausführungen zu vertiefen und die nur am Rande behandelten — sich aus dem Kostencharakter der M i t t e l ergebenden — Probleme zu erhellen 2 0 6 . Modellhaft w i r d das Problem der Interdependenzen anhand von drei absatzpolitischen Instrumenten dargestellt, wobei das zuerst genannte als ein ausgesprochenes Sammelinstrument 2 0 7 zu gelten hat: „selling effort" — zu diesen „Verkaufsanstrengungen" zählen die gesamte Werbung, der Vertriebsapparat usw. 2 0 8 ; die „Produktqualität" und der „Preis" sind weitere Variable. 205 Montgomery u n d U r b a n schreiben dazu: „Future developments i n the use of experimentation, regression, and questionaire techniques should i m prove the marketing manager's ability to obtain reasonably good estimates of the price-quantity relationship. These estimates of the firm's demand function w i l l provide useful input to analytical pricing models." Vgl. Montgomery , D. B./Urban, G. L.: S. 201. 208 Die folgende A b h a n d l u n g basiert i m wesentlichen auf diesem A r t i k e l ; vgl. Brems, H.: The Interdependence of Quality Variations, Selling Effort and Price, i n : QJE, Vol. 62 (Mai 1948), S. 418 - 440. 207 I n noch ausgeprägterem Maße als das normalerweise schon bei jedem Instrument der F a l l ist; vgl. dazu die Ausführungen am Schluß von K a p i t e l I, 2 i m ersten T e i l dieser Arbeit. 208 Vgl. hierzu die bei K u h l o zu analytischen Zwecken vorgenommene E i n engung der Instrumental-Variablen auf zwei, nämlich Preis u n d Qualität, wobei unter Qualität alle Eigenschaften eines Produktes verstanden w e r den, die sich sowohl i n der Nachfrage - als auch i n der Kostenfunktion auswirken. Vgl. Kuhlo, K . Chr.: S. 223.

6. Exkurs: Das Brems-Modell

180

2. T e i l : I I . Die A r t e n von Interdependenzen

Unter weitgehender Anwendung der von Chamberlin entwickelten Diagrammtechnik 209 und den Annahmen einer einheitlichen Produktqualität sowie einer Ein-Perioden-Rechnung 210 werden i n einem Koordinatenkreuz auf der Abszisse die verkaufte Menge (q) und auf der Ordinate der Preis (p) und die Kosten (c) abgetragen. I n Schaubild 19 werden i n der Abbildung 1 diese Daten sichtbar. Die Gerade mc 0 zeigt die Höhe der Grenzkosten, welche bei der Produktion einer ganz bestimmten (beliebigen) Grundqualität 2 1 1 eines Artikels entstehen; diese ist — da die Auswirkungen einer Qualitätsverbesserung auf Mengen und Kosten (und damit letztendlich auf den Preis) dargelegt werden sollen — von möglichst niedrigem Niveau. Die Qualität der Verkaufsanstrengungen, die ebenfalls (wegen der Steigerungspossibilität) so gering wie möglich sein soll, w i r d der Einfachheit halber gleich n u l l gesetzt: z. B. holen die Autofahrer ihre Fahrzeuge, deren Akquisitionswert nicht durch irgendeine Form der Werbung erhöht wurde, direkt am Fließband ab. Die Nachfragekurve AME für dieses Grundprodukt läßt sich nun zeichnen. Schaubild 19

10

20

30 40

50 60 Gross Profits

Abb. 1

Abb 2

-5

0

+5

Marginal Gross Profits

Abb 3

Quelle: Brems, H.: S. 421. 209

Vgl. Chamberlin, E . H . : S . 142. A l l e weiteren Annahmen entsprechen den bereits gemachten idealtypischen Prämissen. 211 Der Frage, was passieren würde, w e n n eine von der hier eingezeichneten Grundqualität abweichende Güteklasse w i l l k ü r l i c h gewählt würde, geht Brems i n einem A n h a n g zu seiner Modellentwicklung nach; er k o m m t — auf das Problem soll jedoch hier nicht näher eingegangen werden — zu dem Schluß, daß — genau genommen — die m c - K u r v e schon nach der ersten v e r 210

6. Exkurs: Das Brems-Modell

181

Die fiktive Unternehmung setzt einen Preis von p = 6 fest (der Preisparameter w i r d erst später variabel). Für den Absatz einer über die durch die Nachfragekurve AME angezeigte Menge hinausgehenden Anzahl von Produkteinheiten sind dann Qualitätsverbesserungen notwendig — sowohl am Produkt als auch bei den Verkaufsanstrengungen. Sie schlagen sich i n einer Grenzkostenkurve mc 6 nieder; d.h.: die Verstärkung der Anstrengungen u m den Betrag: vertikaler Abstand mc 6 — mc 0 macht den Preis p = 6 möglich. Wie aber kommt diese Kurve mc 6 zustande? Schon aus den eben gemachten Ausführungen geht hervor, daß die Änderung der beiden Nicht-Preis-Instrumente simultan behandelt wurde: die Arten, bei denen diese Variation sich ereignen kann, wollen w i r daher für beide gemeinsam „Kriterien" (Je) nennen. Zunächst soll die Annahme gelten, daß jedes „ K r i t e r i u m " unabhängig vom anderen veränderlich ist; es existieren quantitativ meßbare und nicht meßbare „Kriterien". Die Schaubilder 20 und 21 (S. 182) zeigen die Zusammenhänge zwischen ganz bestimmten Ausprägungen von „Kriterien" (quantitativ meßbare Qualitätsstandards) 212 , der Nachfrage und den Kosten. Die Menge (jeweils produziert und verkauft), q, ist auf beiden horizontalen Achsenrichtungen abgetragen. Kosten (c) und Preis (p) werden vertikal aufwärts gemessen, während verschiedene Werte der „ K r i t e rien", k r bzw. k s, abwärts aufgetragen sind. I m dritten Quadranten zeigt die Nachfragekurve, wie eine Veränderung von k r (oder k s) die verkaufte Menge beeinflußt. Offensichtlich haben w i r i m Verhältnis q zu k zunächst eine positive, dann aber — vom Sättigungspunkt S an — eine negative Elastizität. Wenn w i r z. B. an quantitativ meßbare Qualitätskriterien i m Automobilbau denken (Hubraum-, Innenraumentwicklung usw.), so erscheint diese Nachfrage-Entwicklung wohl berechtigt 213 . I m vierten Quadranten stellen sowohl die geschwungenen (Schaubild 20) als auch die gerade Linien (Schaubild 21, i n beiden kräftig gezeichnet) Iso-Kosten-Kurven dar, d. h. sie zeigen Kombinationen von q

kauften Einheit ein bestimmtes Steigungsmaß zeigen müßte. Ä h n l i c h den nicht weiter interessierenden Bereichen einer normalen Nachfragekurve bei extrem hohen u n d äußerst niedrigen Preisen ist jedoch auch diese Frage f ü r den Modellablauf ohne Belang. Vgl. Brems, H.: S. 438 ff. 212 Die Behandlung nicht quantitativ meßbarer „ K r i t e r i u m s " - V a r i a t i o n e n erfolgt auf S. 185 f. 213 Vgl. die theoretische Begründung für dieses Phänomen auf S. 160 ff. dieser Arbeit.

182

2. T e i l : I I . Die A r t e n von Interdependenzen

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6. Exkurs: Das Brems-Modell

und k m i t jeweils identischen Kosten liche Linienform?

214

183

. W a r u m jedoch die unterschied-

Die Begründung finden w i r bei der Betrachtung von Schaubild 22. I n diesen drei-dimensionalen Graphiken sind die totalen variablen Kosten als eine Funktion von produzierter und verkaufter Menge und den einzelnen „Kriteriums"-Werten dargestellt (einige mögliche Fälle). Den Zusammenhang erkennen w i r , wenn w i r die Abbildungen 1 - 3 wie Kästen sehen, i n die w i r von oben hineinschauen. Schaubild 22 Mögliche Relationen zwischen Kosten (c), Mengen (q) u n d „ K r i t e r i u m s " - W e r t e n (k) p

Quelle: Brems, H.: S. 426.

Z u Abb. 1: Bei einem konstanten „Kriteriums"-Wert (k) steigen die gesamten variablen Kosten (c) proportional q. Die gleiche Proportionalität des Kostenanstiegs läßt sich auch bei konstant gehaltener Menge, jedoch variiertem Je, erkennen. Zu Abb. 2: Hier läßt sich bei konstantem „Kriteriums"-Wert ein gegenüber dem Mengenzuwachs progressiv ansteigender Kostenverlauf beobachten. Ebenfalls steigen die Kosten bei konstant 214

Z u den Iso-Kosten-Kurven, auch Isotimen (v. Stackelberg) genannt,

vgl. Gutenberg, E.: Die Produktion, S. 301 if.

184

2. T e i l : I I . Die A r t e n von Interdependenzen

gehaltener Menge, jedoch erhöhtem fc-Wert, diesem gegenüber überproportional. Zu Abb. 3: Zwischen den Kosten und der Menge besteht wie i n Abb. 1 eine proportionale Abhängigkeit, die funktionale Verknüpfung zwischen den Kosten und dem k-Wert ist jedoch die gleiche wie i n Abb. 2. Die Frage nach der Form der Kostenkurve i n den Schaubildern 20 und 21 läßt sich nun beantworten. Die i n Schaubild 21 dargestellte geradlinige Iso-Kosten-Kurve deckt sich m i t dem funktionalen Zusammenhang i n Abb. 1 (Schaubild 22), also der strengen Proportionalität zwischen den totalen variablen Kosten einerseits und der „Kriteriums"-Änderung bzw. Mengenvariation andererseits, Schaubild 20 dagegen entspricht den i n Abb. 2 (Schaubild 22) abgehandelten Fällen der Realität: eine Steigerung der Menge ist — ceteris paribus — nur mit progressiv steigenden totalen variablen Kosten zu erreichen, ebenso eine „Kriteriums"-Verbesserung. I n beiden Schaubildern drehen w i r nun die Nachfragekurve um 180 Grad u m die „Kriteriums"-Achse, wobei uns die Schnittpunkte dieser gekrümmten Linie m i t den jeweiligen Iso-Kosten-Kurven die Frage beantworten: I n welcher Weise beeinflussen „Kriteriums"-Änderungen (k r und k s) die Kosten der produzierten und verkauften Mengen? M i t dem Bekanntsein der Kostenwerte der jeweiligen Lso-KostenKurven ist dieses Problem gelöst: i m ersten Quadranten der Schaubilder ergibt sich die Gesamt-Kosten-Kurve, die i n dem Moment die Vertikale erreicht, i n dem unsere Nachfragekurve i m vierten Quadranten den Sättigungspunkt S passiert. Die Kostenkurve hat da ihr Maximum, d. h. sie erreicht exakt die Horizontale, wo die Nachfragekurve die entfernteste Iso-Kosten-Kurve tangiert (D). Es sind jetzt die Voraussetzungen bekannt, welche es erlauben, die Grenzkosten zu finden; sie errechnen sich wie folgt: Es lassen sich variieren: k u m d k (wobei stetige, nicht diskrete Veränderlichkeit des Kriteriums angenommen wird 2 1 5 , da sonst eine NullAnnäherung und damit Differenzierung nicht möglich ist), q u m A q und c um d c. Da die Nachfragefunktion q =