Interaktivität als Spiel: Neue Perspektiven auf den Alltag mit dem Computer [1. Aufl.] 9783839413036

Wir alle sind Computerspieler. Um diese neue Perspektive ergänzt das Buch herkömmliche Sichtweisen, die den Umgang mit d

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Interaktivität als Spiel: Neue Perspektiven auf den Alltag mit dem Computer [1. Aufl.]
 9783839413036

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
1 Vorwort
2 Einleitung
3 Vom Umgang mit Medien
3.1 Der interaktiv benutzte Computer
3.1.1 Was heißt interaktiv?
3.1.2 Das interaktive Multimedium
3.1.3 Interaktionskonzepte
3.1.4 Eine kurze Geschichte der Interaktion
3.1.5 Gesellschaftliche Akzeptanz
3.2 Das Wissen um und die Teilnahme an Medien
3.2.1 Die Mediendarstellung der Postmoderne
3.2.2 Willing suspension of disbelief
3.2.3 Das Wissen um das und die Teilnahme am Spiel
3.3 Die ergänzende Teilnahme
3.3.1 Die aktive Wahrnehmung
3.3.2 Die Zuweisung von Bedeutung
3.3.3 Die Ergänzung fehlender Sinne
3.3.4 Die Ergänzung fehlenden Inhalts
3.4 Die entscheidende Teilnahme
3.4.1 Aktivitätslevel im Umgang mit Medien
3.4.2 Formen von Teilnahme und Kontrolle
4 Spiel
4.1 Kennzeichen des Spiels
4.1.1 Freiheit
4.1.2 Unendlichkeit und Wiederholbarkeit
4.1.3 Scheinhaftigkeit
4.1.4 Ordnung
4.1.5 Ambivalenz
4.1.6 Geschlossenheit
4.1.7 Zweckfreiheit
4.1.8 Gegenwärtigkeit
4.2 Eigenschaften des Spiels
4.2.1 Ernst
4.2.2 Moral und Gerechtigkeit
4.2.3 Gewalt
4.2.4 Macht
4.2.5 Zufall
4.3 Play und game
4.3.1 Definitionen
4.3.2 Das Verhältnis von play und game
4.3.3 Formen von play und game
4.4 Spieler und Zuschauer
4.4.1 Das Verhältnis von Spieler und Spiel
4.4.2 Das Erlebnis des Spiels
4.4.3 Die Teilnahme von Zuschauern
4.5 Spiel als Haltung und Perspektive
4.5.1 Spiel und Tätigkeit, Methode und System
4.5.2 Spiel als abstrakter Zustand und symbolischer Vorgang
4.5.3 Die Spielwelt
4.5.4 Spiel als primäre Lebenskategorie
4.5.5 Effekte des Spiels im Umgang mit dem Computer
5 Narrative
5.1 Zum Begriff der narrative
5.2 Story telling
5.2.1 Story generation
5.2.2 Hypertext
5.2.3 Interactive narrative
5.3 Narrative als Perspektive
5.3.1 Definition und Ziele
5.3.2 Anwendungen und Erfahrungen
5.4 Narrative und Spiel
5.4.1 Gegensätze von Spiel und story
5.4.2 Strategien zur Kombination von Spiel und story
5.4.3 Computerspiele und andere Medien
5.4.4 Der plot, die Regeln und die Rolle im Spiel
5.4.5 Die Hintergrundgeschichte
5.4.6 Die Geschichte im Nachhinein
5.4.7 Der kommerzielle Erfolg
6 Calm computing, Simulation und Kommunikation
6.1 Calm computing
6.1.1 Zu den Begriffen des calm und des ubiquitous computings
6.1.2 Anwendungen
6.1.3 Calm computing und Spiel
6.2 Simulation
6.2.1 Zum Begriff der Simulation
6.2.2 Der Computer als Simulation
6.2.3 Simulation und Spiel
6.3 Kommunikation
6.3.1 Zum Begriff der Kommunikation
6.3.2 Conversational/communication metaphor
6.3.3 Der Umgang mit dem Computer als Kommunikation
7 Konsequenzen
7.1 Abbildung
7.1.1 Die historische Entwicklung der Abbildung
7.1.2 Das Ziel der Abbildung
7.1.3 Die Gestaltung der Abbildung
7.2 Konsistenz
7.2.1 Zum Verhältnis von Konsistenz und Realität
7.2.2 Einschränkungen von Konsistenz
7.3 Interaktion
7.3.1 Graphics vs. game play
7.3.2 Die Erweiterung und die Reduktion der Welt durch Medien
7.3.3 Die mediale Darstellung als Teil der Welt
7.3.4 Eine Übertragung auf die HCI

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Daniel Cermak-Sassenrath Interaktivität als Spiel

2010-04-07 10-36-08 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02b8238417906090|(S.

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) T00_01 schmutztitel - 1303.p 238417906098

Daniel Cermak-Sassenrath (Dr. Ing.) ist Lehrbeauftragter im Fachbereich Informatik an der Universität Bremen. Seine Forschungsinteressen sind Computerspiele, Kunst und Spiel, Theorie digitaler Medien und »tangible interfaces«.

2010-04-07 10-36-08 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02b8238417906090|(S.

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Daniel Cermak-Sassenrath Interaktivität als Spiel. Neue Perspektiven auf den Alltag mit dem Computer

2010-04-07 10-36-08 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02b8238417906090|(S.

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) T00_03 titel - 1303.p 238417906146

Die hier in leicht gekürzter Fassung vorliegende Publikation wurde als Promotion im Fachbereich 3 – Mathematik und Informatik – der Universität Bremen angenommen. Gutachter: Prof. Dr. Frieder Nake, Bremen Prof. Dr. Claus Pias, Wien Datum des Promotionskolloquiums: 6. Februar 2009

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2010 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: © Anja Osterloh Lektorat & Satz: Daniel Cermak-Sassenrath Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1303-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

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Inhaltsverzeichnis

1 Vorwort

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2 Einleitung

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3 Vom Umgang mit Medien 3.1 Der interaktiv benutzte Computer . . . . . . . . . . 3.1.1 Was heißt interaktiv? . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Das interaktive Multimedium . . . . . . . . 3.1.3 Interaktionskonzepte . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 Eine kurze Geschichte der Interaktion . . . 3.1.5 Gesellschaftliche Akzeptanz . . . . . . . . . 3.2 Das Wissen um und die Teilnahme an Medien . . . 3.2.1 Die Mediendarstellung der Postmoderne . . 3.2.2 Willing suspension of disbelief . . . . . . . . 3.2.3 Das Wissen um das und die Teilnahme am Spiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Die ergänzende Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Die aktive Wahrnehmung . . . . . . . . . . 3.3.2 Die Zuweisung von Bedeutung . . . . . . . 3.3.3 Die Ergänzung fehlender Sinne . . . . . . . 3.3.4 Die Ergänzung fehlenden Inhalts . . . . . . 3.4 Die entscheidende Teilnahme . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Aktivitätslevel im Umgang mit Medien . . 3.4.2 Formen von Teilnahme und Kontrolle . . .

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19 20 21 27 34 38 43 47 49 52

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55 56 58 61 63 64 66 68 80

4 Spiel 4.1 Kennzeichen des Spiels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87 89 92

4.2

4.3

4.4

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4.1.2 Unendlichkeit und Wiederholbarkeit . . . . . . . 4.1.3 Scheinhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4 Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.5 Ambivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.6 Geschlossenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.7 Zweckfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.8 Gegenwärtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenschaften des Spiels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Ernst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Moral und Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5 Zufall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Play und game . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Das Verhältnis von play und game . . . . . . . . . 4.3.3 Formen von play und game . . . . . . . . . . . . Spieler und Zuschauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Das Verhältnis von Spieler und Spiel . . . . . . . 4.4.2 Das Erlebnis des Spiels . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Die Teilnahme von Zuschauern . . . . . . . . . . Spiel als Haltung und Perspektive . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Spiel und Tätigkeit, Methode und System . . . . 4.5.2 Spiel als abstrakter Zustand und symbolischer Vorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.3 Die Spielwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.4 Spiel als primäre Lebenskategorie . . . . . . . . . 4.5.5 Effekte des Spiels im Umgang mit dem Computer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5 Narrative 5.1 Zum Begriff der narrative . . . . . . . . . 5.2 Story telling . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Story generation . . . . . . . . . . 5.2.2 Hypertext . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Interactive narrative . . . . . . . . 5.3 Narrative als Perspektive . . . . . . . . . 5.3.1 Definition und Ziele . . . . . . . 5.3.2 Anwendungen und Erfahrungen 5.4 Narrative und Spiel . . . . . . . . . . . . .

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5.4.1 5.4.2

Gegensätze von Spiel und story . . . . . . . Strategien zur Kombination von Spiel und story . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Computerspiele und andere Medien . . . . Der plot, die Regeln und die Rolle im Spiel Die Hintergrundgeschichte . . . . . . . . . Die Geschichte im Nachhinein . . . . . . . Der kommerzielle Erfolg . . . . . . . . . . .

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6 Calm computing, Simulation und Kommunikation 6.1 Calm computing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Zu den Begriffen des calm und des ubiquitous computings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.2 Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.3 Calm computing und Spiel . . . . . . . . . . . . . 6.2 Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Zum Begriff der Simulation . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Der Computer als Simulation . . . . . . . . . . . 6.2.3 Simulation und Spiel . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Zum Begriff der Kommunikation . . . . . . . . . 6.3.2 Conversational/communication metaphor . . . . 6.3.3 Der Umgang mit dem Computer als Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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7 Konsequenzen 7.1 Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.1 Die historische Entwicklung der Abbildung . . . 7.1.2 Das Ziel der Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.3 Die Gestaltung der Abbildung . . . . . . . . . . . 7.2 Konsistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Zum Verhältnis von Konsistenz und Realität . . 7.2.2 Einschränkungen von Konsistenz . . . . . . . . . 7.3 Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1 Graphics vs. game play . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2 Die Erweiterung und die Reduktion der Welt durch Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.3 Die mediale Darstellung als Teil der Welt . . . . 7.3.4 Eine Übertragung auf die HCI . . . . . . . . . .

303 305 306 307 309 310 311 312 313 315

5.4.3 5.4.4 5.4.5 5.4.6 5.4.7

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271 273 274 276 277 281 282 287 288 289 295

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8 Schluß

321

Abbildungsverzeichnis

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Tabellenverzeichnis

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Literaturverzeichnis

331

Danksagung

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1 Vorwort

Claus Pias vermerkt zur Frage nach dem Verhältnis von Spielwelt und Computerwelt, dass »die Welt des Computers selbst immer schon eine Spielwelt ist.« (in der Einleitung zu Computer Spiel Welten, 2000) Die von Pias selbst gebrauchte Hervorhebung des Wörtchens ist mag man als eine indirekte Anspielung darauf lesen, dass jemand, der Umgang mit dem Computer pflegt, immer auch schon Spieler oder Spielerin ist. Zumindest scheint außer Frage zu stehen, dass wir uns in die Sphäre des Spielens begeben, wenn wir unser Notebook öffnen, es zärtlich mit den Fingern zu streicheln beginnen, ansonsten aber erwarten, dass etwas geschehe. Nun haben wir alle Gelegenheit genug gehabt, bei Schiller nachzulesen, was es mit dem Spielen auf sich haben soll. Doch wir werden das vermutlich nicht getan haben. Wir werden uns vielmehr damit begnügen, von einem Redner darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass jener getriebene Schriftsteller einen wichtigen, einen wesentlichen Zusammenhang zwischen Menschsein und Spielen annahm. Für Daniel Cermak-Sassenrath ist es von vornherein eine ausgemachte Sache, dass wir alle ganz alltäglich mit Computern umgehen (nun ja, der Tendenz nach alle, doch nie ganz alle). Jeder kann das leicht mit folgendem Test bestätigen. Man gehe in einer deutschen Stadt durch eine beliebige Straße und schaue durch die Fenster in die Stuben hinein; mit hoher Wahrscheinlichkeit wird man dabei in nahezu jeder Stube einen Computer entdecken. All die eingebetteten Computer in mobilen tragbaren Geräten, all die Uhren, Wecker, Unterhaltungsgeräte, die über eingeschränkte Rechenleistung verfügen, sind dabei noch nicht einmal mitgezählt.

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Interaktivität als Spiel

Ein solcher trivialer Spaziergang führt uns die Wirksamkeit der algorithmischen Revolution vor Augen, die stattgefunden hat, ohne dass es groß bemerkt wurde. Ist ein spielerisches Moment auch im alltäglich gewordenen Umgang eines jeden von uns mit Computern prominent vorhanden? Für mich persönlich möchte ich das nur ungern einräumen. Denn ich bilde mir ein, nur ernsthafte und gezielte Tätigkeiten am Computer auszuführen, sozusagen bewusst verantwortungsvolle Handlungen, die ich auch fremden Dritten gegenüber verantworten könnte, meinem Arbeitgeber etwa. Doch wie gut kenne ich mich eigentlich, dass ich das so behaupte? Wie sehr kann ich mir selbst über den Weg trauen? Und warum sollte Spielerisches der Ernsthaftigkeit widersprechen oder nicht gezielt sein? Ein literarischer Hinweis sei gestattet auf ein Werk des Philosophen Hans-Dieter Bahr, das er 1983 im Konkursbuchverlag hatte erscheinen lassen. Es trug den Titel Über den Umgang mit Maschinen. Das war knapp vor der großen und dann stürmischen Verbreitung der Notebooks und zehn Jahre vor der Explosion des WWW. (Im Jahr 1984 erschien der erste Apple Macintosh, der Computer for the rest of us. Mit ihm setzte der Prozess der Warenwerdung ein: Computer, bis dahin Invest-Güter zur Profitmaximierung, wurden nun zur Alltagsware.) Als Bahrs Buch erschien, war der Computer noch eine große Maschine, ein Automat, der die industrielle Produktion bereits umgewälzt hatte, im Büro damit aber erst anfing und in der Welt des Design und der schönen Dinge zwar kein Unbekannter, aber doch noch ein Exot war. Auf das Wörtchen »Umgang« kommt es mir an. Es ist der zunächst vielleicht überraschende Begriff für unser Verhältnis zum Computer, den Cermak-Sassenrath wählt und herausstellt, – und zwar im Sinne des alltäglichen Umgangs, nicht eines exzeptionellen. Das mag vielleicht für viele heutige Zeitgenossen gar nicht besonders der Erwähnung wert sein, da sie doch, wie jeder leicht sehen kann, ständig mit Computern Umgang haben. Zu Hause, in der Schule, bei der Arbeit, in der sog. Freizeit, gerade da, aber möglichst sonst auch: beim Spielen von Videospielen. Umgang also ständig, immer und problemlos, elegant, virtuos, unmerklich, selbstverständlich. Spielen? Na klar, was denn sonst? Spielerischer Umgang? Ja, doch, wie denn sonst, was soll das heißen, Spiele eben. Doch um das schlichte und oft genug süchtige Spielen von Spielen geht es nicht ausschließlich in der vorliegenden Schrift. Der spielerische Umgang ist umfassender gemeint.

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Vorwort

Übrigens mag es merkwürdig sein, dass (junge) Menschen einerseits keine großen Schwierigkeiten damit haben, sich selbst als mit dem Computer Umgang pflegend zu sehen, sich andererseits aber noch immer umstandslos als »user« abkanzeln zu lassen. Users are losers, hieß es einmal bei den interaction designern. Gemeint war damit, dass die Bezeichnung user für einen Menschen, der sich ernsthaft bemüht, mit seiner Software zurecht zu kommen, eine Prise von Menschenverachtung enthält. Eine Verachtung insofern nämlich, dass von allen Eigenschaften und Eigenheiten dieses Menschen abstrahiert wird, die ihn doch eigentlich erst zum Menschen machen, bis auf die eine: einem Computer gegenüber zu sitzen und diesen für einen Zweck verwenden zu wollen. Würde man das tun, die Menschen unterschiedslos als solche user abzustempeln, wenn die Bedeutung des schönen Wortes »mit etwas um-gehen, mit etwas Umgang haben« wirklich überall ins Bewusstsein eingedrungen wäre? Man würde das nicht, wette ich. Deswegen ist dieses Buch auf sehr zurückhaltende Weise in einer seiner Grundannahmen eine kleine Besonderheit. Umgang mit Computern haben, nicht auf user herabgestuft sein. Das Buch bezieht seine Thematik deutlich spürbar aus der Welt der Mensch-Computer-Interaktion. Insofern ist es recht traditionell. Doch führt die Betrachtung spielerischer Momente in diesem Verhältnis konsequenterweise dazu, mit der Begrifflichkeit des Umgangs (und Umgehens: Sache und Tätigkeit!) die übliche Orientierung auf die Arbeitstätigkeit zurückzudrängen. Mit Medium, Spiel und Umgang als dem Dreiklang, der das Buch durchweht, erörtert Cermak-Sassenrath einen Zustand, wie er durch die algorithmische Revolution, wie Peter Weibel wohl sagen würde, herbeigeführt worden ist. Die algorithmische Revolution hat auf den Trümmern der kapitalistischen Industrie-Produktion die medial geprägte Gesellschaft entstehen lassen. Alles erscheint jetzt doppelt: in seiner traditionell vertrauten, alltäglichen und auch altbackenen Form einerseits. Andererseits aber werden Dinge, Prozesse und Verhältnisse von algorithmischen Schatten begleitet, denen naturwüchsig die Tendenz innewohnt, sich in den Vordergrund zu drängen. Der Computer ist als Maschine die semiotische Maschine, diejenige also, der alles zum Zeichenprozess und – qua Maschine – im weiteren zum Signalprozess wird. Dort aber verweilt nichts. Vielmehr wandelt sich die Maschine in unserer Wahrnehmung, indem wir ihrer Fähigkeiten in der semiotischen Dimension immer mehr gewahr werden, zum 11

Interaktivität als Spiel

Medium. Der Prozess dorthin ist seit langem im Gange. Er ist noch nicht abgeschlossen, aber so weit fortgeschritten, dass hinter ihn nicht mehr zurückgefallen werden kann. Maschine, Zeichen und Medium bilden so einen zweiten Dreiklang, mit dem ersten verschränkt, auf unsere Wahrnehmung, unser Handeln wirkend. Wiederum fast beiläufig nur spricht Daniel Cermak-Sassenrath eine weitere Ebene an: Spiel ist Haltung. Wir begegnen der Welt gar nicht dezisionistisch als »jetzt wird gearbeitet« und im Gegensatz dazu dann »nun aber zum Spielen«. Vielmehr sind wir stets schon tätig, und Tätigsein ist unser Leben. Dieses Tätigsein aber ruht auf unseren Haltungen auf. Eine mögliche Haltung ist die des Spieles. Sie nimmt nichts bis in die letzte Verästelung als »ernst« an. Ihr bleibt immer noch ein Ausgang, eine Ironie, eine Rücknahme, eine Heiterkeit, und sei das auch in bitterer Situation. Eine spielerische Haltung kann auch im Gedanken eingenommen werden bei äußerlich anderem Anschein. Der Held von Stefan Zweigs Schachnovelle kommt in den Sinn. Eine spielerische Haltung der Welt des Computers gegenüber zu gewinnen, die Grausamkeiten und Zumutungen, die die rasenden Anwendungen der Informationstechnik in der Hand global agierender Mächte uns bieten, in spielerischer Grundhaltung abzufedern, zurückzuweisen und in pazifistische Waffen zu verwandeln, das scheint mir eine Perspektive zu bieten. Man mache sich jedoch keine Illusionen über die herrschenden Verhältnisse. Sie mit ein bisschen spielerischem Umgang knacken zu können, wird eine schöne Illusion bleiben. Auf eines aber dürften wir wohl hoffen, gerade auch vor dem Hintergrund der furchtbaren Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts: meine Haltung der Welt gegenüber, in Gemeinschaft mit anderen, kann einen großen Unterschied machen. Lassen wir uns also bewusst aufs Spielerische ein. Frieder Nake, Bremen im März 2010

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2 Einleitung

We are all players now. Roger Silverstone zit. n. [Küc04, S. 37]

Es geht in der vorliegenden Arbeit um mögliche Perspektiven, den alltäglichen Umgang mit dem Rechner zu sehen. Dieser Umgang wird verbreitet gesehen und in der Literatur u. a. beschrieben als interactive narrative, ubiquitous computing, Simulation und Kommunikation. Hier wird dargelegt, inwiefern der alltägliche Umgang mit dem Rechner dem Spiel ähnelt. Die Ausgangsfrage lautet also: Inwieweit entfaltet sich Spiel im alltäglichen Umgang mit dem Computer? Kann behauptet werden, der Computer eigne sich in besonderer Weise oder besser als andere technische Geräte zum Spielen? Zum einen ist der Computer unzweifelhaft ein Gerät wie jedes andere; Menschen benutzen es und gehen damit um, wie sie wollen. Zum anderen ist der Computer zwar kein besseres Gerät oder Medium als andere Geräte oder Medien, aber er ist ein anderes und hat bestimmte Eigenschaften, die ihn auszeichnen und gegenüber anderen Geräten und Medien abgrenzen. Mit dem Computer gehen seine user 1 offenbar anders um als mit anderen Medien, und dieser Umgang scheint einige Ähnlichkeit mit dem Spiel zu besitzen. Mit Umgang sei hier die alltägliche, produktive, zielgerichtete, explorative, kreative Benutzung von Anwendungssoftware gemeint, also »productivity application[s]« [BG03, S. 61]; nicht Computerspiel, der Bau von hardware oder die Programmierung von software. Computer user spielen anscheinend mehr als die Benutzer anderer Geräte. Sie spielen nicht immer und nicht mit allem, nicht bei allen Tätigkei1 | Als jemand, der mit dem Computer alltäglich umgeht

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Interaktivität als Spiel

ten am Computer in gleicher Weise und in gleichem Maße, nicht so sehr bei repetitiven Tätigkeiten wie bei kreativen. Der interaktive Computer bietet sich im Vergleich mit anderen technischen Medien offenbar zum Spielen an. Dieses Spiel äußert sich nicht nur explizit, sondern findet implizit beim Lernen und Ausprobieren, kreativen Aufgaben und als »internal drama created by [...] selfgambling« ([Dom98, S. 186], vgl. ebd., S. 187f.) statt, als Spiel, das zeitweise das notwendige und zweckvolle Handeln, die Produktion und die Arbeit in den Hintergrund drängt, machtvoll überstrahlt und für einen Moment eine andere Welt als die alltägliche und gewöhnliche Welt aufspannt, die durchaus real ist und in der frei gespielt werden kann. Dieser Wechsel der Perspektive hin zum Spiel geht schnell und weitgehend ohne gegenständliche Anhaltspunkte oder äußeren Ausdruck vor sich. Er wird in der vorliegenden Arbeit beschrieben, diskutiert und gegenüber anderen möglichen Perspektiven abgegrenzt. Es liegt auf der Hand, daß jede Perspektive ihre besondere Qualität aus der Hervorhebung einiger und Vernachlässigung anderer Aspekte bezieht. Spiel wird sich also nicht als die einzige Perspektive herausstellen, um den Umgang mit dem Computer zu sehen oder ihn etwa vollständig zu beschreiben, aber es wird sich, so soll hier vermutet werden, als eine mögliche Perspektive erweisen. Zunächst kann festgestellt werden, daß (Computer-)Spiele nicht länger eine verächtlich betrachtete Randerscheinung der Gesellschaft sind (vgl. [Nor04, S. 131]), sondern inzwischen ein gesellschaftliches Phänomen, ein Medium wie andere, mit dem sich mehr als die Hälfte der Bevölkerung (Zahlen von 2004 aus den USA) Erfahrung hat und das der Unterhaltungsindustrie Umsätze wie Hollywood-Filme beschert (ebd., S. 132). Auch der wissenschaftliche Diskurs der Informatik beschäftigt sich seit einiger Zeit unter verschiedenen Gesichtspunkten intensiv mit Spielen. Befinden wir uns also auf dem Weg in eine spielerische Zukunft? »Dass der Homo ludens heute alle Bereiche des Lebens und des Alltags erobert hat, legen Realtainment wie ›Big Brother‹, Sportberichterstattungen mit Helmkameras, die Überschüttung mit Rätsel- und Gewinnspielen oder interaktives Fernsehen, Internetspiele und Avatare [...] nahe.« [Buc05, S. 41] Die Grenzen zwischen »play and seriousness« seien »more permeable and less distinct these days« [Sil99, S. 62], und wir leben bereits, so wird uns gesagt, in einer Medien-, Spaß-, Spiel- oder ludischen Gesellschaft, »in einer konjunkturellen Hochphase des Spielens, in einer geradezu spieleuphorischen Epoche« [Rec05, S. 71], die Freizei14

Einleitung

torientierung der Gesellschaft nimmt zu, und das Spiel wird zum »Paradigma unserer Kultur« [Dib05, S. 99] erhoben. Wird also alles auf eine Art spielerisch, die Gesellschaft, die Arbeit, das Medium Computer? Ist dies mit Spiel im alltäglichen Umgang mit dem Rechner gemeint? Durch die Medien- und Spielgesellschaft gewinnt der Einzelne nicht automatisch mehr Freiheit oder Freiraum zum Spielen. »As society becomes less restrictive and industrial models of work become obsolete, the relationships between freedom and rules and between work and leisure are subject to renegotiation (see [Ger00]). [...] it can be said that the rules of society in regard to work, family life and religious matters have become much more flexible since the 1970s. However, as theorists as Gilles Deleuze have pointed out, this has not necessarily led to more freedom for the individual [Del92].« [Küc04, S. 30–2] Notwendigkeit, Verpflichtungen und Zwänge werden durch das Spiel nicht abgeschafft. Es trifft zwar zu, so scheint es, daß wir jetzt alle Spieler sind, wie Silverstone schreibt, aber das waren wir schon immer. Dies gilt für viele Bereiche des Lebens und nicht erst in jüngster Zeit. Gilt es auch für den Bereich des alltäglichen Umgangs mit dem Computer? Dieser Frage wird in der Arbeit nachgegangen. Um eine gewisse Trennschärfe zu erhalten, muß nunmehr gesagt werden, was hier als Spiel gilt. Offenbar ist nicht alles Spiel, denn dann wäre gar nichts Spiel. Für die folgende Betrachtung soll der Spielbegriff nach Huizinga und Scheuerl grundlegend sein, die als kennzeichnende Merkmale des Spiels die Freiheit, die Unendlichkeit und die Wiederholbarkeit, die Scheinhaftigkeit, die Ordnung, die Ambivalenz, die Geschlossenheit, die Zweckfreiheit und die Gegenwärtigkeit ausmachen. Huizinga beschreibt das Spiel als »eine Handlung, die innerhalb gewisser Grenzen von Zeit, Raum und Sinn verläuft, in einer sichtbaren Ordnung, nach freiwillig angenommenen Regeln, außerhalb der Sphäre materieller Nützlichkeit oder Notwendigkeit. Die Stimmung des Spiels ist Entrücktheit und Begeisterung, und zwar entweder eine heilige oder eine lediglich festliche, je nachdem das Spiel Weihe oder Belustigung ist. Die Handlung wird von Gefühlen der Erhebung und Spannung begleitet und führt Fröhlichkeit und Entspannung mit sich.« [Hui56, S. 129] Es wird auszuführen sein, wo und in welcher Form sich dieses Spiel im Umgang mit dem Rechner wiederfindet. Es soll hier an Hand des Spiels keine Anleitung propagiert werden, wie der Umgang mit dem Rechner in (vermeintlich) müheloses Wohlgefallen aufgelöst werden kann; auch soll er nicht nur oberflächlich wie ein Spiel aussehen gelassen oder mit Hilfe des Spiels effektiviert werden. Es 15

Interaktivität als Spiel

geht zunächst darum, einen offenbar wesentlichen Einfluß im Umgang mit dem interaktiven Computer und seiner Entwicklung aufzuzeigen. Die vorliegende Arbeit reflektiert eher über den alltäglichen Umgang mit dem Rechner als Vorschläge zu seiner Gestaltung zu machen oder gar Regeln dafür aufzustellen. Trotzdem scheinen sich schließlich einige Empfehlungen für die Gestaltung des Umgangs mit dem Rechner abzuzeichnen. Zum Aufbau der Arbeit Nach grundlegenden Bemerkungen zum Umgang mit Medien wird zur Beantwortung der Ausgangsfrage Spiel definiert und dargestellt, wie es plausibel im alltäglichen Umgang mit dem Rechner auftreten kann; danach wird Spiel gegenüber (anderen) Perspektiven der Human-Computer Interaction (HCI) abgegrenzt; schließlich werden einige Konsequenzen für die Gestaltung des Computers formuliert. Im Einzelnen: In Kapitel 3 werden die der Arbeit zugrundeliegenden Annahmen dargelegt: Kays Multimedium, Laurels Begriff und Maß von der Interaktivität des Computers, seine historische Entwicklung fokussiert auf den Zusammenhang mit dem Spiel, das sie stets begleiten, wenn nicht sogar treiben sollte, die zunehmende gesellschaftliche Akzeptanz des Computers exemplarisch gezeigt am Computerspiel, der auf Seiten des Konsumenten aktive Umgang mit Medien und seine gleichzeitige Wahrnehmung von Medien und insbesondere der Umgang des computer users mit dem Rechner. Spiel wird in Kapitel 4 an Hand der Merkmale des Spiels nach Huizinga und Scheuerl gekennzeichnet. Weitere Eigenschaften des Spiels werden diskutiert. Die Beziehungen von play und game sowie Spielern und Zuschauern werden untersucht. Spiel wird über das Ausüben einer spezifischen Tätigkeit hinausgehend als bestimmte Haltung dargestellt, bevor diskutiert wird, wie und in welcher Form es plausibel als Perspektive im alltäglichen Umgang mit dem interaktiven Rechner auftreten kann. Danach werden (andere) Perspektiven der HCI dargestellt und Spiel ihnen gegenüber abgegrenzt: Interactive narrative in Kapitel 5; calm computing, Simulation und Kommunikation in Kapitel 6. Einige mögliche Konsequenzen für die Gestaltung des Computers als Medium der Aktion werden abschließend in Kapitel 7 formuliert. Auf die Angabe grammatikalischer Endungen und Personalpronomen des Femininum wird zu Gunsten von Lesbarkeit, Kürze und Übersicht16

Einleitung

lichkeit verzichtet. Es wird die unter dem Begriff Alte Rechtschreibung bekannte und bis 1. August 1998 gültige Rechtschreibung verwandt.

17

3 Vom Umgang mit Medien

In diesem Kapitel werden Annahmen über den Umgang mit Medien formuliert, insbesondere mit dem interaktiv benutzten Computer, deren sich die folgende Argumentation bedient. Der Computer läßt den user nicht nur in einer intensiven, von anderen Medien übernommenen Darstellung entscheidend teilnehmen und in Verlauf und Ergebnis eingreifen, sondern fordert diesen Eingriff vielmehr sogar obligatorisch. Das hebt ihn heraus im Vergleich mit anderen technischen Medien, die dem Teilnehmer zwar eine gewisse formale Kontrolle, aber keine inhaltliche Teilnahme ermöglichen. Dieser Umgang wird dabei von einer bestimmten Direktheit getragen, die sich sowohl auf die sinnliche Darstellung als auch auf den entscheidenden Eingriff zu bezieht. Das Spiel scheint die Entwicklung des interaktiven Computers wesentlich beeinflußt und später viel zu seiner gesellschaftlichen Verbreitung und Akzeptanz beigetragen zu haben. Der Teilnehmer weiß um ein Medium, während er teilnimmt. Dies ist kein Fehler oder Mangel, sondern wesentlicher Teil der Medienerfahrung. Eine Verheimlichung oder eine explizite Bekanntmachung des jeweiligen medialen Charakters ist i. d. R. nicht möglich oder nötig. Medien werden im Gebrauch sowohl unsichtbar als auch weisen sie stets auf sich selbst hin. Das Wissen um das Medium gehört untrennbar zur Teilnahme am Medium, die Erfahrung der medialen Vermitteltheit zum Eintauchen in den Inhalt. Medienbenutzer akzeptieren die Randbedingungen, die durch ein Medium gesetzt sind, indem sie sich auf das Medium einlassen, und sind bereit, innerhalb des so begrenzten Raum wahrzunehmen und zu handeln. Der Umgang mit Medien erscheint als ein aktiver Vorgang, der über das passive Rezipieren von dargebotenen Sinnesreizen oder eines dargestellten Inhalts deutlich hinausgeht. In Medien liegt keine Bedeutung in19

Interaktivität als Spiel

herent verborgen. Die Bedeutungsproduktion und -zuweisung an einen medialen Text ist ein interpretatorischer individueller Prozeß auf Seiten der Mediennutzer, abhängig sogar noch eher von der Relevanz, die er in ihrem Kontext besitzt, als von ihrer Präferenz. Mediendarstellungen sind in hohem Maße unvollständig. Bei allen Medien ist der Medienbenutzer deswegen gefordert, aktiv Ergänzungen der medialen Abbildung vorzunehmen. In der Art und Menge dieser Ergänzung unterscheiden sich Medien deutlich voneinander, und dieser Prozeß ist nicht etwa auf interaktive Medien beschränkt. Der Charakter von Medien wird bestimmt von den Möglichkeiten, die ihre Teilnehmer zur Teilnahme haben. An einigen Medien kann der Teilnehmer entscheidend teilnehmen, Verlauf und Ergebnis (mit-)bestimmen, an anderen nicht. Aktion und Reflektion finden stets zwar gleichzeitig, aber in unterschiedlichem Maße statt. Medien legen dem Teilnehmer bestimmte Arten der Teilnahme nahe, und damit ein bestimmtes Verhältnis von Aktion zu Reflektion, so auch der Computer. Der Begriff der Kontrolle im Sinne von Steuerung durch die Aktion des Medienteilnehmers ist eng mit dem Begriff der Interaktion verbunden, wie am Beispiel des Computerspiels deutlich wird. Spieler treffen Entscheidungen, die den Verlauf und den Ausgang des Spiels bestimmen; ohne sie und ihre Teilnahme fände kein Spiel statt. Auch der Computer ist ein solches interaktives Medium, dessen user über die Möglichkeit der inhaltlich entscheidenden Teilnahme verfügen und notwendigerweise eigene Kontrolle über Verlauf und Ausgang ausüben. Offenbar kann der computer user wie der Spieler nur eigenen, entscheidenden und inhaltlichen Eingriff ausüben auf Kosten einer potentiell wohlgeformten Erfahrung.

3.1 Der interaktiv benutzte Computer One of the unintended results of IT [Information Technology] is that it is particularly friendly to aesthetic applications. Noam Tractinsky [Tra05a, S. 35]

In diesem Abschnitt geht es um die besondere Qualität des interaktiven Computers gegenüber anderen Medien. Dazu wird Fragen wie nach dem Begriff der Interaktion, nach anderen interaktiven Medien und nach Konzepten zum Umgang mit dem Rechner nachgegangen. Der 20

Vom Umgang mit Medien

Umgang mit dem Computer wird dargestellt als Zusammenspiel von intensiver, medialer Darstellung eines Inhalts mit dem eigenen, entscheidenden Handeln und der differenzierten Reaktion des Rechners darauf. Heiligs Sensorama und Sutherlands Sketchpad stehen für diese beiden wesentlichen Merkmale des interaktiven Computers, die gemeinsam seine besondere Qualität begründen. Das Spiel scheint die Entwicklung des interaktiven Computers wenn nicht getrieben, so doch beeinflußt zu haben. Als technische Entwicklung steht der Computer in Wechselwirkung mit der ihn umgebenden Gesellschaft und Kultur. 3.1.1 Was heißt interaktiv? Since computer games are an interactive form of entertainment, design your game to feature lots of interactivity. I don’t believe that simply means lots of choosing and clicking. There needs to be a sense of cause and effect, action and response, and risk and reward between the user and the computer program. Eddie Dombrower [Dom98, S. 185]

Es wird zunächst umrissen, was hier mit interaktiv gemeint ist. Welche Medien sind interaktiv? Ist der Computer interaktiv, der Fernseher aber nicht? Ist der Videorecorder interaktiv? Ist die Teilnahme an allen Medien interaktiv, oder gibt es auch Medien, die passiv konsumiert werden? Steht partizipatives Theater zwischen interaktiven und passiven Medien? Zahlreiche Autoren betonen die wesentliche Relevanz von hoher Interaktivität im Umgang mit dem Rechner. Geringe Interaktivität sei dabei nicht immer »bad«, viel Interaktivität sei aber »better«: »Always ask, what does the user do? This is what [computer interaction] is [all] about.« [Cra03] Für Computerspiele gelte »the more interactive the system is, the better« [Joi98, S. 152]. Diese Aussagen beziehen sich dabei auf den Umgang mit dem Computer; andere Medien sind offensichtlich auch überaus erfolgreich, obwohl bzw. weil sie nicht oder nicht sehr interaktiv sind (vgl. Abschn. 3.4). Laurel [Lau93, S. 21] identifiziert drei wesentliche Variablen von Interaktivität im Umgang mit dem Rechner: Viel, regelmäßige oder andauernde Aktivität auf Seiten des users (»frequency«), eine breite Auswahl an möglichen Entscheidungen des users (»range«) und eine wesentliche 21

Interaktivität als Spiel

Auswirkung auf den inhaltlichen Fort- und Ausgang der Interaktion (»significance«). Wilson [Wil03] wählt eine ähnliche oder sogar analoge Einteilung von Interaktion mit dem Computer; er differenziert das timing der Interaktion, die Art des verlangten Eingriffs und die Auswirkungen von Auswahlmöglichkeiten. Er unterscheidet dabei folgende Charakteristika von Interaktion: ◦ »Rigid Sequential Structure: The program decides what choices

are available and when they are available – for example, some computer aided instruction lessons. ◦ Flexible Timing With Open Choice: The program allows the user

to active interactive choices at any time although the choices are limited by the particular location of the user – for example, some hypermedia systems and games. ◦ Total User Control: The program provides a mechanism so that

the user can decide at any time to make different choices out of all the possible choices available – for example, a CD-ROM encyclopedia that allows access to the global index at all times.« Die dem user angebotenen Möglichkeiten des Eingriffs müssen für hohe Interaktivität eine gewisse Breite aufweisen. Wenn sich die Eingriffsmöglichkeiten etwa darauf beschränken, »to choose one of three products available in an interactive shopping experience or the ability to decide when and how to kill the simulated enemy in a game« (ebd.), kann davon nicht gesprochen werden. Nach Wilson (ebd.) findet die Auswahl von Möglichkeiten im Umgang mit Medien wie dem interaktiven Computer auf verschiedenen Ebene statt (zum Prozeß des Auswählens von Aktionen zur Teilnahme an Medien vgl. Abschn. 3.3.1): ◦ »Presence: At the most fundamental level most media events call

for the basic decision to participate. Someone has to turn on the computer and start the program [or to take the book, start the movie etc.]. After this choice there is no other choice but to terminate or change selection. ◦ Simple Choice: The user can select a particular event to engage –

for example, which magazine article to read or which TV channel to watch. Analysts suggest that this choice process is at some times 22

Vom Umgang mit Medien

converted into an interactive experience – e. g. the channel surfers who use their remote controls to continuously change channels. ◦ Choice of Options: In these interactive events, the user is systema-

tically presented with arrays of choices – for example, in a branching program [or hypertext]. ◦ Search for Interaction Possibilities: In some systems, such as some

hypermedia, the user must actively search to find the gateways that lead to further events. ◦ Contributory: In these events, the user can add to the array of

choices available to the system – for example, by importing new materials or by establishing new links among system elements. ◦ Authoring: The user can actually add new capabilities to the sy-

stem«. Vorrausetzung für Interaktivität ist zwar die Aktivität des users oder des Spielers, Interaktivität kann jedoch nicht mit viel Aktivität gleichgesetzt werden, und es ist wohl ein Mißverständnis, davon auszugehen, »Interaction« hieße »freedom to do anything at anytime« [Mat02, S. 9]. Das Handeln des users scheint aber gleichzeitig eine entscheidende Rolle zu spielen; bei Computerspielen sei insbesondere das Zuschauen, ohne eingreifen zu können, ungünstig [Dom98, S. 185f.]. Allerdings muß der user nicht nur aktiv (vgl. [Mur97, S. 128]), sondern auch entscheidend eingreifen. Bei Spielen heißt dies, »ernsthafte, folgenreiche Handlungen in einer Als-Ob-Welt vor[zu]nehmen.« [Kel98, S. 58]. In diesem Sinne fordern Salen und Zimmerman [SZ04, S. 61] nicht nur »explicit interactivity«, sondern »meaningful choice« des Spielers. Spiele, etwa die MultimediaCD-ROM-Spiele der 1990er Jahre, bei denen der Spieler nur geringen Einfluß ausübt, werden etwa von Dombrower als »click n’ watch« Spiele kritisiert (vgl. [Man00b, S. 123]) und besitzen nur minimale Interaktivität. Wilson [Wil03] gibt an, daß die bloße Möglichkeit, eine Entscheidung zu treffen, noch keine Garantie für eine relevante Entscheidungsmöglichkeit des users sei. »The missing choices might be more important than the ›choices‹ offered.« Dunne und Raby [DR01, S. 45] bemerken, daß wir umgeben seien von »products that give us an illusion of choice and encourage passivity.« Interaktion definiert sich wesentlich über die aus ihr resultierenden Konsequenzen; es geht dabei nicht um Beliebigkeit, sondern um Bedeutung (vgl. Abschn. 4.1.1). 23

Interaktivität als Spiel Agency Agency is the satisfying power to take meaningful action and see the results of our decisions and choices. We expect to feel agency on the computer when we double-click on a file and see it open before us or when we enter numbers in a spreadsheet and see the totals readjust. Janet H. Murray [Mur97, S. 126]

Murray [Mur97, S. 146 und S. 187] und nach Murray auch Mateas [Mat02, S. 24f. und S. 27–9] bezeichnen als agency, was hier als Möglichkeit der entscheidenden Einflußnahme auf Verlauf und Ergebnis etwa eines Spiels gesehen wird. Laurel beschreibt diesen Zusammenhang als »tight coupling of kinesthetic input and visual response« ([Lau93, S. 20f.], vgl. auch [SZ04, S. 58]). In diesem Sinne ist agency das Gefühl des users von gelingender Interaktion. Agency hängt dabei einerseits an der Vermittlung von Eingriffsmöglichkeiten gegenüber dem user (»the communication of potential action« [Mat02, S. 146]) und andererseits an der Reaktion auf seine Aktion. Murrays Konzept der agency ähnelt in wesentlicher Hinsicht offenbar Laurels Konzept von Interaktivität (vgl. o.): »Although gamemakers sometimes mistakenly focus on the number of interactions per minute [i. e. Laurel’s frequency], this number is a poor indicator of the pleasure of agency afforded by a game. Some games, like chess, can have relatively few or infrequent actions but a high degree of agency, since the actions are highly autonomous, selected from a large range of possible choices [i. e. Laurel’s range], and wholly determine the course of the game [i. e. Laurel’s significance].« [Mur97, S. 128] Formen von Interaktion [Much or little] action and reaction is not the same as interaction. Chris Crawford [Cra03]

Offenbar kann Interaktion nicht angemessen als Paar von Aktionen und Reaktionen beschrieben werden [Sva99, S. 204]. Entsprechend läßt sich Interaktion auch mit dem Begriff des Dialogs (vgl. etwa [Tie95, S. 61]) nicht treffend charakterisieren. Der Begriff des Dialogs legt zudem die Existenz eines verbalen Austauschs oder gar einer Unterhaltung nahe, der selbstverständlich auf die Interaktion mit dem Computer nur in 24

Vom Umgang mit Medien

sehr eingeschränkter Weise anwendbar zu sein scheint (vgl. Abschn. 6.3, insbesondere Abschn. 6.3.3). Das, was der Computer zur Interaktion beiträgt, ist »the codified rendering of responsive behaviours.« [Mur97, S. 74] Auch die Beschreibung des Umgangs des users mit dem Rechner als (re-)aktive Teilnahme (»to participate, to act and react« [BG03, S. 22]), greift noch zu kurz und sagt zu wenig. Der Computer ist weder initiativ noch kreativ; geht ein user mit dem Computer um, geht er mit einem technischen Gerät um. Interaktion wird hier als Handeln des users mit dem Computer verstanden; die ineinandergreifenden Rollen sind dabei eindeutig verteilt: Der Computer als zwar dynamische, variable und programmierbare, aber eben deterministische und programmgesteuerte Maschine kann nur reagieren; der user reagiert und agiert initiativ und kreativ. Weiterhin heißt das, daß Interaktion ein ablaufender Vorgang ist, der als Prozeß gestaltet werden kann. Effekte von Interaktion A world that you can navigate but not manipulate is, in the VR [Virtual Reality] sense, not as ›real‹ as one where you can reach out a virtual hand, take the top off a virtual teapot, lean over, and look inside. Howard Rheingold [Rhe92, S. 146]

Der Begriff Interaktivität beschreibt eine Perspektive im Umgang mit dem Rechner; ein Teilnehmer hat eine andere Beziehung zu einer Welt, in der er handelnd eingreifen, als zu einer Welt, die er nur von außen betrachten kann. Das bedeutet aber nicht, daß ihm diese Welt automatisch als realer oder gar besser als die andere gilt; Interaktivität ist eine Frage der Perspektive auf seine eigenen Möglichkeiten und damit auf die Welt. Rheingold beschreibt zwar in dem o. angeführten Zitat ein zweifellos zutreffendes Phänomen; der Begriff der Realität1 erscheint allerdings sekundär gegenüber der Vermittlung von Handlungsmöglichkeiten und ihrer Inanspruchnahme, und damit der Interaktivität (s. Abschn. 7.3). Laurel formuliert dann genauer: »There is another, more rudimentary measure on interactivity [apart from the three variables interaction frequency, range, and significance]: You either feel yourself to be partici1 | Die Begriffe der Realität und der Wirklichkeit werden in der vorliegenden Arbeit synonym verwandt.

25

Interaktivität als Spiel

pating in the ongoing action of the representation or you don’t2. Successful orchestration of the variables of frequency, range, and significance can help to create this feeling, but it can also arise from other sources – for instance, sensory immersion and the tight coupling of kinesthetic input and visual response. [...] [The important thing is to enable the user] to act within a representation [...].« [Lau93, S. 20f.] Der Effekt von Interaktivität ist eine andere Art der Perspektive auf die medial vermittelte Welt, in der die eigenen Handlungsmöglichkeiten andere, wenn auch nicht automatisch bessere sind als bei nichtinteraktiven Medien. Hohe Interaktivität mündet in eine andere Art des Erlebnisses und des Umgangs als nicht-interaktive Medien wie das Kino oder das Buch. Interaktive und nicht-interaktive Medien You react to the book, the book does nothing. Chris Crawford [Cra03]

Offenbar kann nicht jede Art von Auseinandersetzung mit Medien treffend als interaktiv gekennzeichnet werden, denn wenn es interaktive Medien gibt, gibt es wohl auch nicht-interaktive Medien. Interaktion wird hier an ihrer »frequency, range, and significance« [Lau93, S. 21] beurteilt. Medien, die also einen entscheidenden, inhaltlichen Eingriff des Teilnehmers in ihren Verlauf und ihr Ergebnis erlauben oder sogar voraussetzen, sollen hier als interaktive Medien gelten, wie etwa das Spiel; wird hier von passiven Medien gesprochen, heißt das nicht, daß die Zuschauer etwa eines Films nicht in bestimmter, und durchaus aktiver Weise, an ihm teilnehmen, sie greifen aber nicht entscheidend ein (vgl. Abschn. 3.4). An Hand dieser Linie lassen sich Medien für den Bedarf der vorliegenden Arbeit hinreichend deutlich in interaktive und nicht-interaktive Medien differenzieren. Wird der interaktive Computer (hier VR bzw. Computerspiele) mit narrativen Medien wie dem Kino verglichen, erscheint der Unterschied in der Teilnahme des users bzw. Zuschauers offensichtlich: »Cinema typically is done on film, and film is not interactive. Cinema usually assumes passive audiences, seated and unmoving, while one of the central themes of VR is interaction.« [San98, S. 23] Der Computer hingegen kann seinem user fantastische Handlungen ermöglichen, die zuvor unausführbar waren [RA03, S. 30]. 2 | Vgl. Abschn. 4.1.8.

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Vom Umgang mit Medien

Beispiele für nicht-interaktive Medien sind »a photograph, painting, movie, book, or symphony« [Wil03], und viele der klassischen Medien fallen offenbar in diese Kategorie. Als Unterscheidungsmerkmale von interaktiven gegenüber nichtinteraktiven Medien faßt Wilson [Wil03] zusammen: ◦ »The adjustment/choice process is not optional; it is structured

into the events to the extent that some will not proceed without viewer [i. e. user or player] actions. ◦ The choice process is externalized so that the nature of user action

is obvious. ◦ Some forms of interactive events attempt to control the process

of choice by specifying elements such as the timing of choices and the array of decisions available. ◦ Non interactive events such as novels, movies and the like imply

strongly a preferred linear sequence even if internal adjustments such as those described earlier are being made. Most forms of interactive events avoid a suggested sequence.« 3.1.2 Das interaktive Multimedium Symbolic computation can be applied to [a] [...] broad range of tasks: routine numerical calculations, manipulation of textual data, automatic control of instrumentation, simulation of dynamic processes, statistical analyses, problem solving, game playing, information storage, retrieval, and display. Martin Greenberger [Gre64]

Wird gefragt, was Besonderes am Computer ist, wird offenbar nicht gefragt, was in der virtuellen Welt auch möglich ist, sondern welche spezifischen Möglichkeiten sie gegenüber der alltäglichen Welt bereithält, die sie von ihr unterscheiden, sie hervorheben, ihr eine besondere Qualität verschaffen (vgl. [Röt93a, S. 11]). Der auf seine Anwendung fokussierte Umgang mit dem interaktiven Computer mündet dort in eine neue Art der medialen Erfahrung, »wo die Medienerfahrung gerade nicht eine Alltagserfahrung zu wiederholen oder zu substituieren, sondern neuartige Erfahrungen auszulösen trachtet.« [Wel00, S. 209] Wiesing sieht die 27

Interaktivität als Spiel

Möglichkeit einer solchen neuen Erfahrung etwa in »de[m] epochale[n] Schritt [...] des wissenschaftlichen Experiments [...] als virtuelle[m] Ereignis« [Wie03]. In diesem Sinne »effektivieren [Apparate] nicht einfach das, was Menschen auch ohne Apparate schon tun, sondern erschließen etwas, für das es im menschlichen Tun kein Vorbild gibt – und das an diesem Tun vielleicht auch gar keinen Maßstab findet. Die Technik als Werkzeug erspart Arbeit; die Technik als Apparat aber bringt künstliche Welten hervor, sie eröffnet Erfahrungen und ermöglicht Verfahren, die es ohne Apparaturen nicht etwa abgeschwächt, sondern überhaupt nicht gibt. Nicht Leistungssteigerung, sondern Welterzeugung ist der produktive Sinn von Medientechnologien.« [Krä00a, S. 84f.] Als der Computer beginnt, sich von seiner Rolle als Rechenmaschine zu lösen, wird er zuerst als Medium in der Tradition anderer, bereits bestehender und etablierter Medien wahrgenommen und begriffen. Auch inhaltlich und von der Art der Darstellung her (vgl. u.) bedient sich der Computer, wie andere Medien vor ihm, zunächst bei anderen Medien: »New media take their initial content from the old media, and it takes a long time to discover what is new about what is new.« (Alan Kay in [Sym03], vgl. [Kay72]) Im programmierbaren Computer kommt die variable und intensive Darstellung von Inhalten aus anderen Medien in der Art anderer Medien aber mit einer hohen technischen Interaktivität zusammen. In dieser Verbindung liegt seine besondere und im Umgang mit technischen Geräten auch neue Qualität. In vielen Fällen hat inzwischen die Betrachtung der (medialen) Anwendungen die Betrachtung der (algorithmischen) Verfahren abgelöst. Natürlich sind Computer auch weiterhin »alles nur Turing-Maschinen« [Bru04], und das Paradigma der Informatik bleibt die Berechenbarkeit, jetzt allerdings eingebettet in die Anwendung [Nak05b]. Bepple [Bep04, S. 11] weist in diesem Sinne darauf hin, daß »die Informationstechnik« »ihre Wirksamkeit« nicht länger »durch ihre Rechenkapazität, sondern durch ihre Verwendung« entfalte (vgl. [BWS02, S. 11]), und für Laurel [Lau93, S. 1] liegt das »interesting potential« des Computers »not in its ability to perform calculations but in its capacity to represent action in which humans could participate.« In der Verbindung von Multimedium und Interaktivität im Computer scheint nun das Besondere gegenüber anderen Maschinen zu liegen, das ihn zu einem »truly revolutionary tool« [Lev94] macht.

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Vom Umgang mit Medien Der Computer als Rechenmaschine The circular arrangement of the axes of the Difference Engine round large central wheels led to the most extended prospects. The whole of arithmetic now appeared within the grasp of mechanism. Charles Babbage [Bab64]3

Der Computer, der in den 1930er und -40er Jahren (Zuses Z3 (1941) und Aikens Mark I (1939–44)) gebaut wurde, war eine Maschine – eine programmierbare, algorithmisch und deterministisch ablaufende Rechenmaschine. Dies war er auch noch für McLuhan, der ihn als Automaten beschreibt, der sich durch seine Programmierbarkeit von anderen Maschinen unterscheide [McL02, S. 387–9]. Als grundsätzliche Qualitäten hat der Rechner sich diese Eigenschaften erhalten. War der Computer der ersten Jahre »a machine – a very powerful machine« [Sta08], war sein Benutzer ein operator, »der die meiste Zeit wartend verbrachte, während der Computer Programme abarbeitete. Der Operator wurde vor dem Rechenvorgang aktiv und dann wieder danach. Während des Vorgangs blieb es inaktiv.« ([Huh05, S. 64], vgl. auch [Hel08, Abschn. 2]) Als Rechenmaschine konnte der Computer mit großer Präzision [Nak05c] »einfache Dinge über jedes menschliche Maß schnell und oft durchzuführen« [Pia02, S. 209]. Damit verbunden war u. a. die Möglichkeit des Duplizierens von Daten (vgl. auch u.), also die Erstellung verlustfreier Kopien. Dies zur Natur des Computers nur als Vorbemerkung. Für die hier verfolgte Fragestellung interessant im Sinne alltäglicher Anwendung wird der Computer als interaktives Multimedium.

3 | Zit. n. [GS03, S. 356]

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Interaktivität als Spiel Der Computer als Multi-/Metamedium der universalen Repräsentation [Steve Jobs and I] originally saw [the computer] as a very useful tool for various tasks. Word processing was one that stood out, but it was also for solving different kinds of problems – and for games. It has emerged, though, also as a tool that is very useful for communication and for access to information. Steve Wozniak in [Rup02, S. 26]

Der Computer, den Kay als Multimedium beschreibt, ist zweifellos ein ungemein vielseitiges und variables Repräsentationsmedium (vgl. [Cad98, S. 76–82 und S. 101–7, insbesondere S. 102–4]). Dabei wird der Computer hier nicht nur als eine Art Simulator für den Inhalt und die Darstellungsformen anderer Medien gesehen, »als Meta-Medium, [das] viele Medien [enthält]« (Mihai Nadin, Diskussionsbeitrag zu [Her03], eig. Mitschr.), sondern als ein eigenes Medium: »Das Medium ist der Computer.« [Rob03] Kays Multimedium »can be all other media, if the embedding and viewing methods are sufficiently well provided« ([KG77, S. 31] zit. n. [Pia02, S. 244]), »a holder of all the media you can think of, as well as ones you haven’t thought of yet« (Alan Kay in [Sym03]). Er simuliert oder integriert dazu als »technisches Medium« ([Coy92, S. 5] zit. n. [Tie95, S. 32]) »Text-, Bild- und Tonmedien« [Krä00b, S. 10]. Bolter und Gromala halten ihn für den möglicherweise »most vigorous and ecelctic remediator of all the various media that we still use« [BG03, S. 90]. Für Manovich [Man03b, S. 16] zeichnet sich bereits ab, wie »[...] all culture, past and present, is being filtered through the computer«, der als »new form« fungiere, »through which all older forms of cultural production are being mediated«. Illich [Ill91, S. 9] formuliert schlicht, daß der Bildschirm das Buch als »Grundmetapher unseres Zeitalters« abgelöst habe. Selbstverständlich ist der Computer dabei mehr als nur ein Mittel der Repräsentation. Seine hohe Interaktivität unterscheidet ihn grundlegend von anderen Medien. Wenn Cadoz [Cad98, S. 11] im Computer »nichts anderes als ein Mittel zur Repräsentation« sieht, wenn auch »das universellste, das der Mensch je entwickelt hat«, bei dem »[d]as Neue [...] der Grad der Vollständigkeit der Repräsentation [...] und der Nutzen« sei, sich darüber hinaus aber nicht wesentlich von »frühgeschichtlichen Höhlenmalereien« unterscheide, charakterisiert er ihn m. E. nach 30

Vom Umgang mit Medien

nicht treffend. Auch die im Computer repräsentierte oder simulierte Anzahl der medialen Dimensionen wie »bodily engagement with a virtual world«, »the involvement of other senses beside vision« und »the accuracy of the simulation of physical objects« ist nicht der qualitative Unterschied zu alten Medien, wie Manovich [Man00b, S. 166] angibt. Der Computer ist nicht nur »first and foremost a representational medium, a means for modeling the world that adds its own potent properties to the traditional media it has assimilated so quickly« [Mur97, S. 284]. Vielmehr verbindet sich im Computer eine ungewöhnlich vielseitige Art der medialen Repräsentation mit hoher Interaktivität zu einem neuen Medium: »[...] this new ›metamedium‹ is active [i. e. interactive or reactive] – it can respond to queries and experiments – so that the messages may involve the learner in a two-way conversation.«4 [Gro76, S. 4] Diese besondere Eigenschaft ist es, die den Computer von anderen Medien unterscheidet. Der Computer kann auch als Kommunikationsmedium fungieren, und zweifellos hat der Computer die Art verändert, in der Menschen miteinander kommunizieren [Man00b, S. 43]. Er verbindet in sich zahlreiche Kommunikationsmedien wie das Telephon, das Fernsehen, den Hörsaal, die Bibliothek, das Museum, die Anzeigetafel, das Radio, das Spielbrett und das Manuskript [Mur97, S. 27]. Er kann deshalb Empfänger und Sender von Massen-Kommunikation sein genauso wie von Individualkommunikation. Der Einsatz des Rechners als Kommunikationsmedium hat offenbar auch die Wahrnehmung des Computers als Medium gefördert, worauf Schelhowe [Sch00] hinweist. Winograd und Flores bezeichnen den Computer als »structured dynamic communication medium« [WF86, S. 176]. Der Computer als Kommunikationsmedium zwischen Menschen ist allerdings nur eine bestimmte Anwendung des Rechners, sie charakterisiert ihn nicht vollständig, und er kann darauf nicht angemessen reduziert werden. Der Umgang mit ihm ist in nur sehr eingeschränktem Maße treffend als Kommunikation anzusehen (s. Abschn. 6.3). Der Computer bedient sich, was seinen Inhalt angeht, genau wie andere Medien, bei anderen Medien. Als technische Entwicklung ist er sicherlich ein Kind der Druckerpresse [Mur97, S. 8] und steht damit in einer 4 | Die Andeutung, die in diesem Zitat mitschwingen mag, daß der Umgang mit dem interaktiven Computer conversational sei, wird in der vorliegenden Arbeit allerdings für problematisch gehalten, denn der Computer erscheint für den Menschen nicht als Gegenüber (s. Abschn. 6.3.3).

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Interaktivität als Spiel

bestimmten Weise in ihrer Tradition. Beide gehen mit Text um, und von der äußeren Anmutung her besteht anscheinend eine Verbindung zwischen (Text in) Büchern und (Text auf) Computern. Vielleicht ist es hilfreich, zum Verstehen des Computers Analogien mit Büchern und der Geschichte der Druckerpresse zu ziehen, wie auch Kay [Kay96] vorschlägt; aber offensichtlich ist, daß sich der Computer deutlich von diesen alten Medien unterscheidet und »qualitatively different« [WF86, S. 176] ist. Als technische Entwicklung ist er nicht aus »Rechen- und Schreib- und Kommunikations-Maschinen heraus entstanden« [Hel08, S. 20]. Außer, daß der Computer genauso wie die Druckerpresse ein Gerät ist, das das Leben der Menschen verändert hat und noch verändert und beide dabei auch die Schrift einsetzen, vermag hier keine engere Verwandtschaft erkannt zu werden, und erst recht zweifelhaft erscheint das Propagieren einer tiefen Verbindung zwischen heutigen alltäglichen Computeranwendungen und der Literatur (s. Abschn. 5.3). Der Computer als interaktives Medium

Der Begriff der Interaktivität scheint zentral zu sein, wenn der Computer beschrieben wird. Eine besonders hohe Interaktivität scheint ihn zu kennzeichnen und gegenüber anderen Medien auszuzeichnen. Die Interaktivität das Computers ist offensichtlich von entscheidender Bedeutung für seine Anwendung [WF86, S. 137]. Für Norman etwa ist interaction »[t]he key word in finding an illuminating path through the technological maze« (Don Norman im Vorwort von [Lau93, S. xii]). Für Krueger [Kru93, S. 291] ist die Interaktivität das definierende Moment des Mediums Computer und »das Einzigartige an den durch den Computer eröffneten Möglichkeiten«, »der fundamental neue Bestandteil«: »Reaktion war das Medium!« – für Crawford [Cra03] die ihn von anderen Medien abhebende originäre Qualität: »Every medium has its own strength, and the strength of the computer is interactivity.« Ein Irrtum scheint allerdings vorzuliegen, wenn allen Vorgängen auf dem Computer gleichsam automatisch Interaktivität zugebilligt wird, nur weil sie auf dem Computer passieren. »[T]he concept of interactivity« und »[m]odern human-computer interface[s]« sind eben keine »tautology« [Man00b, S. 71]. Es erscheint zweifelhaft, daß ein Objekt, sobald es im Computer repräsentiert wird, automatisch interaktiv wird, wie Manovich (ebd.) annimmt: »Once an object is represented in a computer, it automatically becomes interactive.« 32

Vom Umgang mit Medien

Die Interaktivität des Computers wird auch mit dem Bild eines CoAutors beschrieben. Insofern als der Computer seinem user den entscheidenden Eingriff in Verlauf und Ergebnis ermöglicht und ihn sogar voraussetzt, wird der user von einem Medienkonsumenten auch zu einem Produzenten; und zweifellos geht es beim Umgang mit dem Computer nicht um »stupor consumption« [Ame05], sondern um die »improvisational [and] creative ›practice‹ of changing the world« (Douglas Kellner zit. n. [Ame05]). Dies stellt den computer user dann in eine Reihe mit anderen Medienproduzenten [Wil03]. Auch bei Kays Idee des Dynabooks ist das Bild des computer users als Autor naheliegend (Alan Kay in [Sym03]). Übersehen werden sollte in diesem Bild des Co-Autors nicht, daß es bei der Interaktion mit dem Rechner i. d. R. weder um einen verbalen oder textuellen Autausch oder gar um eine Unterhaltung geht, noch das Produkt oder ein »unique work« [Man00b, S. 66], auf das ein Autor wohl stets zielt, beim Umgehen mit dem Computer stets im Vordergrund steht. Auch wird dem user als nur Co-Autor nicht die volle Entscheidungsfreiheit und -kompetenz zugestanden, die er im Umgang mit dem Rechner besitzt (vgl. ebd., S. 116–8). Kay fordert für diesen Umgang, daß seine user so selbstverständlich mit ihm umgehen können sollen wie mit einem geschriebenen Text o. ä., ihn also auch programmieren, und nicht nur benutzen (vgl. [Rob05b]), »that any owner can mold and channel its power to his own hands« [Gro76, S. 5]. Dies führe nicht nur zu einem für Medien neuen Umgang, sondern auch zu einem »qualitative change in thought and argument« [Kay04, S. 2] Die Beherrschung des Computers als interaktives Medium würde in diesem Sinne die Art verändern, in der Menschen mit der Welt umgehen, über sie reden und nachdenken. Schon jetzt ist der Computer nicht nur Darstellungs- oder Zugriffsmedium für die Inhalte anderer und älterer Medien, sondern längst hat er begonnen, auf seine Inhalte einzuwirken ([Man00b, S. 63f.], vgl. [McL02]). Dazu kommt die beim Computer offenbar in einer außerordentlich hohen Qualität vorliegende Möglichkeit des users, in den Inhalt verändernd einzugreifen ([Nak93] n. [Tie95, S. 32]). Die mediale Darstellung von Inhalten, die gelesen, angeschaut oder angehört werden ([Gil99], vgl. [BW01, S. 2]), ist fraglos Teil des Umgangs mit dem Rechner (oder auch eines Spiels). Verglichen mit der bei technischen Medien herausragenden Möglichkeit des aktiven und entscheidenden Eingriffs des computer users in den Inhalt scheint die Dar33

Interaktivität als Spiel

stellung jedoch nicht im Mittelpunkt zu stehen. Es geht beim Umgang mit dem Computer nicht auch [Gil99] um den Eingriff des users, sondern wesentlich. Für Crawford [Cra03] überwiegt die Möglichkeit der Interaktion mit dem Rechner seine Fähigkeiten als Rechenautomat und Darstellungsmedium bei weitem: »[...] the revolutionary essence of computing is interactivity.« 3.1.3 Interaktionskonzepte Wie kann der Umgang mit dem interaktiven Computer gestaltet werden, bei dem der user in einer für den Umgang mit technischen Medien qualitativ neuen Weise teilnimmt oder vielmehr eingreift? Auf diese Frage soll nun keine abschließende Antwort gegeben werden, denn offenbar stellt die angemessene Gestaltung »of the relationship between the computer and the user« (Alan Kay in [Sym03]) noch immer eine Herausforderung dar, und die Erforschung dieses Bereichs kann nicht als abgeschlossen gelten (ebd.). Festgestellt werden kann zunächst, das computer user sich, wie andere Medienbenutzer auch, auf ihre Medien einstellen und einlassen. Parallelen in der Teilnahme an bekannten (alten) Medien bestehen dabei [Lau93, S. 115], scheinen jedoch nicht in allen Aspekten auf den Umgang mit dem Computer übertragen werden zu können. Im Umgang mit dem interaktiven Rechner scheint das initiative und inhaltlich eingreifende Handeln des users zusammen mit der differenzierten Reaktion des Rechners (vgl. [McL02, S. 387–9]) eine neue Art der Interaktion zu begründen, die über die von anderen Maschinen und alten Medien übernommenen Interaktionsmöglichkeiten hinausgeht. Dieser Umgang wird dabei offenbar von einer bestimmten Intensität und Direktheit getragen, die sich sowohl auf die sinnliche Darstellung als auch auf den entscheidenden Eingriff bezieht. Alte Medien It is striking how many digital devices, particular Web sites, make a nostalgic appeal to ›simpler‹ technologies from ›simpler‹ times. Jay David Bolter, Diane Gromala [BG03, S. 91]

Wie bei allen Medien findet auch beim Computer eine Übertragung des Inhalts von anderen Medien statt (vgl. o.) und damit verbunden auch

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Vom Umgang mit Medien

eine Übertragung von ihren Interaktionskonzepten ([Cra92], vgl. den Begriff der »remediation« bei [BG03, S. 83ff.]). Das Potential des interaktiven Computers, das wesentlich von seiner Zugänglichkeit für seine user abhängt, wird allerdings nur teilweise durch Umgangsformen erschlossen, die originär aus anderen Medien stammen [Man00b, S. 95]. Der Computer als »media access machine« (ebd.) kann in diesem Sinne zweifellos nur ein Zwischenstadium sein, was auch Borchers [Bor04b] anmerkt: »Wieso sieht QuickTime 6 immer noch aus wie ein Bandrecorder aus den 50er Jahren? Die technische Leistungsfähigkeit moderner Computersysteme würde eine Vielzahl neuartiger Manipulationsund Interaktionsformen im Umgang mit Audio- und Videoströmen erlauben, die aber durch Verharren in traditionellen Interaktionsmetaphern aus der Zeit des Desktop Computing kaum genutzt werden.« Manovich [Man00b, S. 116] nennt als Beispiele dafür den Windows Media Player und den RealPlayer, die die Schnittstellen von »linear media machines such as a VCR« emulierten. »They provide such commands as play, stop, eject, rewind and fast forward. In this way, they make new media simulate old media, hiding its new properties such as random access.« Die direkte Interaktion

Obwohl der Inhalt des Computers offenbar künstlicher Natur ist und dem Zugriff seines users augenscheinlich zunächst entzogen zu sein scheint, scheint der Umgang mit ihm doch von einer bestimmten Intensität und Direktheit getragen zu sein, die den Umgang mit dem Rechner von dem mit anderen technischen Geräten unterscheidet. Die Direktheit im Umgang mit dem Computer scheint sich dabei sowohl auf die sinnliche Darstellung als auch auf den entscheidenden Eingriff in Inhalt und Verlauf zu beziehen und ist ein individueller Eindruck, den der users durch seine Teilnahme gewinnt [HHN86, S. 106]. Für die inzwischen klassischen Konzepte der HCI aus den 1980er Jahren ist der Begriff der Direktheit zentral. Dieser wird in diesem Abschnitt definiert; danach werden die Konzepte der direct manipulation, des direct engagements und der first-personness vorgestellt und diskutiert. Dazu wird zunächst festgestellt, daß die Begriffe der »direct manipulation« und des »direct engagement[s]« als »head and tail of the same coin« gelten können: »one focussing on the qualities of action and the other focussing on subjective response.« [Lau93, S. 8] 35

Interaktivität als Spiel

Der interaktive Computer scheint sich in dieser Hinsicht deutlich von z. B. programierbaren Automaten zur Prozeßsteuerung abzuheben. Statt seine Wünsche verbal, also i. d. R. schriftlich zu formulieren und dem Computer zur anschließenden Abarbeitung zu übergeben, konnte der user nun selbst die gewünschten Dinge tun (vgl. [Tie95, S. 27]). Hutchins et al. nennen als Aspekte der Direktheit im Umgang mit dem Rechner die »distance between one’s thoughts and the physical requirements of the system under use« [HHN86, S. 93] und das »qualitative feeling of engagement, the feeling that one is directly manipulating the objects of interest.« (ebd., S. 94) Sie verbinden mit dem Begriff der Direktheit das Vorhandensein von geringer kognitiver Last auf Seiten des computer users (ebd., S. 95, vgl. auch ebd., S. 92f.). Diese Aspekte möchte ich analog zu der obigen Differenzierung der medialen Darstellung des Computers und des interaktiven Umgangs mit ihm als sinnliche bzw. manipulative Direktheit bezeichnen. Im Computer als interaktiven Multimedium kommen offenbar beide Arten auf bisher unbekannte Art und in für technische Geräte bisher unerwartet hohem Maße zusammen (vgl. o.). Direct manipulation

Die direct manipulation gibt dem computer user das Gefühl, nicht eine Maschine zu bedienen oder Anweisungen zu geben, sondern unmittelbar mit den für ihn relevanten Inhalten (vgl. den Begriff der domain of interest bei [WF86]) umzugehen ([HHN86, S. 95], vgl. auch [Lau86a]). Das Interaktionskonzept der direct manipulation zeigt sich etwa in »CRT-text-editing, drawing, and playing music. [...] changes of state caused by the interaction with the medium are immediately perceived (seen, heard). The programs can be corrected if the state changes are different from expectation« [Gro76, S. 41]. Shneiderman kennzeichnet direct manipulation entsprechend folgender Merkmale: 1. »Continuous representation of the object of interest. 2. Physical actions or labeled button presses instead of complex syntax. 3. Rapid incremental reversible operations whose impact on the object of interest is immediately visible [Shn87].« ([Lau93, S. 8], vgl. auch [Nak94a]) 36

Vom Umgang mit Medien

Dabei ist selbstverständlich, daß mit direct manipulation ein phänomenologisch direkter Zugang zum Inhalt eines Mediums gemeint ist, während und obwohl dieser Zugang natürlich medial vermittelt wird [ND86, S. 65]. Direct engagement

Mit der direct manipulation zusammenhängend ist das Konzept des direct engagements. »Direct Engagement occurs when a user experiences direct interaction with the objects in a domain. Here, there is a feeling of involvement directly with a world of objects rather than of communicating with an intermediary. The interactions are much like interacting with objects in the physical world. Actions apply to the objects, observations are made directly upon those objects, and the interface and the computer become invisible.« ([HHN86, S. 114], vgl. auch ebd., S. 114–6) Für Laurel betont »[d]irect engagement [...] emotional as well as cognitive values. It conceives of human-computer activity as designed experience, and it reconfigures the design of applications and interfaces as a single integrated process.« [Lau93, S. xviii] Dieses Gefühl der direkten Erfahrung einer mimetischen Welt (ebd., S. 116), das aus dem Einlassen des Medienbenutzers auf das betreffende Medium und seiner Akzeptenz der damit verbundenen Konventionen resultiert, vergleicht Laurel mit Coleridges Konzept der »willing suspension of disbelief« (ebd., S. 113, s. Abschn. 3.2.2) und führt es als direct engagement in den Diskurs der HCI ein [Lau86a]. Interessanterweise scheint das Konzept der willing suspension of disbelief tatsächlich auf verschiedene Arten von Medien (vgl. Abschn. 3.4) anwendbar zu sein [HHN86, S. 99]. Der Begriff bezieht sich allerdings ursprünglich auf eine reflektive Art der Medienteilnahme, während der Umgang mit dem Computer unzweifelhaft von der Aktivität und Initiative seines users wesentlich geprägt wird. Als das verbindende Element scheint sich das Gefühl der Teilnahme und -habe durch das willige Einlassen und Eingelassen-Sein auf das Medium zu erweisen; in diesem Sinne, aber auch nur in diesem Sinne, ist der interaktive Umgang mit dem Computer tatsächlich Coleridges Konzept der willing suspension of disbelief verwandt. Während das Gefühl, sich auf ein Medium eingelassen zu haben, für einen computer user dasselbe zu sein scheint wie für einen Theaterzuschauer, wird das Phänomen der willing suspension in Abschnitt 3.2.2 eher der Reflektion als der Aktion zugeordnet.

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Interaktivität als Spiel

Die Konzepte der direct manipulation und des direct engagements erfordern, daß der computer user sich selbst als unmittelbar handelnde Person wahrnimmt. Es gibt nun keine handelnde dritte Person oder phänomenologisch wahrgenommene den Inhalt vermittelnde mediale Instanz mehr, sondern nur den user, der direkt mit und in seinem Computer handelt und eine »›immediate‹ experience« [BG03, S. 25] erlebt. Er sieht dabei weder sich noch anderen zu, noch führt er einen Dialog [Lau86a, S. 76–9]. Norman et al. [NDB86, S. 490f.] bezeichnen dies als first-personness. 3.1.4 Eine kurze Geschichte der Interaktion Um 1950 beginnt die Entwicklung des interaktiven Computers zuerst im (US-)militärischen, etwas später im zivilen Bereich [Hel08]. Seit mindestens den frühen 1960er Jahren [Tra05b] speist sie sich dann deutlich aus zwei Quellen, der Tradition der illusionistischen Medien und der Entdeckung der algorithmischen Interaktivität (vgl. Abschn. 3.1.2), zwischen deren Polen sie stets pendelt. Entsprechend wird hier exemplarisch auf zwei relevante Entwicklungen in diesen Bereichen hingewiesen, auf Heiligs Sensorama (1962) und auf Sutherlands Sketchpad (1962/3). Sensorama ist ein Beispiel dafür, wie das neue Medium Computer zunächst den Inhalt und die Interaktionsmethoden alter Medien übernimmt. Sketchpad verwirft kurz darauf etablierte Formen sinnlicher Darstellung und stellt die (graphische) Interaktion zwischen user und Computer in den Mittelpunkt. Weiterhin wird die historische Beziehung zwischen Spiel und der Entwicklung des interaktiven Computers kurz skizziert. Computergestützte militärische und wirtschaftliche Planspiele seit den 1950er Jahren, frühe action games seit etwa 1958 und der zunehmend verbreitete Umgang mit Video- und Computerspielen seit den 1980er Jahren mögen als Hinweise auf eine bemerkenswerte Parallelität oder gar eine wechselseitige Beeinflussung gewertet werden. Eine weitergehende Betrachtung der historischen Entwicklung und der (hier zunächst nur vermuteten) Zusammenhänge von medialer Abbildung, Interaktion und Spiel wird in der vorliegenden Arbeit nicht unternommen. Für eine (kurze) allgemeine Geschichte des Computers s. [Tie95, S. 4–35]; für eine auf die Interaktion als Maß der Entwicklung des Computers fokussierte Betrachtung s. [Wal88], vgl. auch [Mor02, S. 13]. Auf einen sich wandelnden Umgang mit dem Rechner weist auch Nake [Nak94b] hin, der eine Entwicklung im Umgang mit dem Compu38

Vom Umgang mit Medien

ter von der »Komputabilität« bei der »Maschine« über die »Interaktivität« bei dem »Werkzeug« zur »Performativität« bei dem »Medium« sieht [Nak07]. Sensorama

Heiligs Sensorama (Abbildung 3.1) wird hier exemplarisch als illusionistisches und viele Sinne ansprechendes Anzeigemedium betrachtet, das nicht auf Interaktion basierte. Für einen historischen Überblick über die Entwicklung von illusionistischen Medien s. Rheingold [Rhe92, S. 62–7] und Grau (etwa [GraoJ, S. 43–9] und [Gra00]).

Abbildung 3.1: Heiligs Sensorama [Car03, Kap. 17]

Sensorama wurde seit ungefär 1958 von Morton Heilig entwickelt (s. etwa [Rhe92] und [Pia02, S. 65]), der dafür 1962 ein Patent erhielt ([Hei98, S. 347–51], vgl. [Dod98a, S. 346]). Technisch durfte seine Vorrichtung, linearen Inhalt multimedial erfahrbar zu machen, als sehr fortschrittlich gelten [San98, S. 8]. Heiligs Ziel bei der Entwicklung von Sensorama war allerdings die sinnliche Stimulation des Zuschauers, nicht das Ermöglichen seiner interaktiven Teilnahme oder inhaltlichen Eingriffs (Morton Heilig in [Rhe92, S. 55], vgl. [Hei62] n. [Rhe92, S. 49], zu perfekter medialer Abbildung s. auch Abschn. 7.1) Sensorama bot zweifellos eine eindrucksvolle multimediale Darstellung und stellt einen Meilenstein auf dem Weg der technischen Entwicklung von sinnlich erfahrbarer virtueller Realität dar. Geradezu prototypisch 39

Interaktivität als Spiel

wird beim »Sensorama display« [Rhe92, S. 94] allerdings das sinnliche Überlisten eines passiven Zuschauers durch die perfekte Imitation der Realität versucht (ebd., S. 55), was die Entwicklung des Computers noch lange begleiten sollte. Den Weg zur Ermöglichung von technischer Interaktivität hat Heilig mit Sensorama nie beschritten (ebd., S. 94). Es blieb damit eine Art sinnlich eindrucksvolles ein-Personen-Kino. Sketchpad

Ungefär zur selben Zeit wie Sensorama entwickelt, verfolgte Sutherland mit »SKETCHPAD: A Man-Machine Graphical Communication System« (1963) ein ganz anderes Ziel: »[...] [Sketchpad] widely publicized the idea of interactive computer graphics. With Sketchpad, a human operator could create graphics directly on computer screen by touching the screen with a light pen [Abbildung 3.2]. Sketchpad exemplified a new paradigm of interacting with computers: by changing something on the screen, the operator changed something in the computer’s memory. The real-time screen became interactive.« [Man00b, S. 104]

Abbildung 3.2: Sutherlands Sketchpad [PaioJ, S. 6 und S. 8]

Der Computer ist natürlich nicht erst seit Sketchpad interaktiv; Sketchpad gilt allerdings als Beginn der interaktiven Computergraphik und der direkten Manipulation im Umgang mit dem Rechner (vgl. [Rhe92, S. 85] und [HHN86, S. 91]) indem es zeigte, wie die sinnliche (in diesem Falle graphische) Darstellung auf dem Computer ein Vehikel für eine ausgefeilte Interaktion darstellen kann. Parallelen zu Computerspielen sind offensichtlich.

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Vom Umgang mit Medien Der Einfluß von Spielen Der Computer konnte nicht nur Geld zählen und Menschen überwachen, er war auch in der Lage, Schönheit zu schaffen, Bilder, Töne, Träume, Action. Recht besehen, hatte er die Menschen schon seit geraumer Zeit auch zum Spielen aufgefordert. Georg Seeßlen in [SR84, S. 21]

Die Entwicklung des interaktiven Computers verlief nicht nur parallel mit der Entwicklung von Computerspielen, sondern beide Entwicklungen beeinflußten sich naheliegenderweise wohl auch gegenseitig. Die Beziehungen zwischen Spiel und der Entwicklung des interaktiven Computers auf zeitlicher, technischer und konzeptioneller Ebene nachzuzeichnen, verlangt allerdings nach einer eigenen, ausführlichen Betrachtung, die hier nicht angestrebt wird. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf die Skizzierung einiger Entwicklungen, die als Hinweis auf vorhandene Wechselwirkungen gewertet werden mögen. Grundsätzlich kann sicherlich davon ausgegangen werden, daß »Spiele [...] die Entwicklung der Mikrochips vorwärts getrieben« [Dib05, S. 99] haben. Um nachzuvollziehen, wie die Wechselwirkungen zwischen der Entwicklung des interaktiven Computers und Computerspielen auch auf durchaus höherer Ebene bestanden und wohl noch bestehen, werden hier exemplarisch einige Verbindungsstellen aufgezeigt. Computerspiele entdecken früh die Interaktivität des Computers für sich. Mehrere Jahre vor Sketchpad existieren so bereits action games wie Higinbothams Tennis For Two von 1958, »a simple two-player tennis game« [Mou02] where »[a]n analogue computer showed trajectories of bouncing balls drawn as ghostly blips on an oscilloscope, controlled by a button and a knob.« ([Poo00, S. 30] zit. n. [Mou02], vgl. auch [Pia02, S. 9f.], zur Frage, ob Tennis For Two das erste computer game war s. [Win06]) Weitere Computerspiele seit 1958 sind etwa Tennis, Space War, Odyssey, Pong, Space Invaders, Asteroids, Galaxian, Defender, Donkey Kong und Zaxxon ([SR84, S. 29f., S. 78–81, S. 85–7], zu Computerspielen seit 1975 s. ebd., S. 30–33). Die Entwicklung von Space War beschreibt etwa Levy [Lev94, part 1, section 3]. Eine kurze Darstellung der Geschichte der Computerspiele findet sich bei Dombrower [Dom98, S. 21–8].

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Interaktivität als Spiel

Im militärischen Bereich wird der Computer schon lange zum (Strategie-)Spielen eingesetzt; dabei übernimmt der Rechner zuerst die Aufgaben, die zuvor durch Menschen erledigt werden mußten (Berechnung des Siegers eines Kampfes etc.): Ein Beispiel dafür ist das Schachspiel, seit ca. 1800 gibt es daraus (weiter-)entwickelte Strategiespiele (vgl. [Pia02, Teil 3]). Seit den 1950er Jahren werden ähnliche (Strategie-)Spiele auch in der Wirtschaft zu Trainings- und Planungszwecken eingesetzt (vgl. ebd., S. 214). Eine frühe militärische Anwendung des interaktiven Computers in Verbindung zum Computerspiel ist der Flugsimulator. Schon der wohl erste technische Flugsimulator, der aber noch ohne Computer auskam, Links Flugsimulator von 1930, wurde etwa in seiner Patentschrift als »Combination Training Device for Student Aviators and Entertainment Apparatus.« ([Woo92, S. 39, S. 43] zit. n. [Man00b, S. 236]) bezeichnet. Spätere Flugsimulatoren bedienen sich gekonnt des interaktiven Potentials des Computers, etwa der »first full color real time interactive flight simulator for NASA« [DrioJ] von General Electric (1967). Die Computer- und Konsolenspiele der frühen 1980er Jahre führen schließlich einer stetig breiter werdenden Öffentlichkeit die Möglichkeiten des (Heim-)Computers vor Augen und tragen wohl auch maßgeblich zu seiner Verbreitung und Akzeptanz bei (s. u.). Noch 1988 gebrauchen »[n]ach Untersuchungen der Stiftung Warentest [...] 45% der Besitzer ihren Computer lediglich zum Spielen [Fri88, S. 44–6].« [RP90, S. 26] Dabei war die Interaktivität, die die ersten Computerspiele auszeichnete, nur eine der vielen Möglichkeiten des neuen Mediums, das dann Stück für Stück entdeckt und den eigenen Zwecken zugeführt wurde [SR84, S. 20]. Das Spiel zeigte exemplarisch und möglicherweise auch paradigmatisch, wozu der Computer in der Lage war und wie sein user mit ihm umgehen konnte (ebd., S. 22f.). Für Steve Russel, einen der Programmierer von Space War (1961/2), war war es das Gefühl von Macht über ein technisches System, das die user des nun interaktiven Computers faszinierte ([Lev94], vgl. Abschn. 3.4.2).

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Vom Umgang mit Medien

3.1.5 Gesellschaftliche Akzeptanz Innerhalb der relativ kurzen Zeit von fünfzig Jahren ist [der Computer] zu einer häufigen Erscheinung [in der abendländischen Kultur] geworden. Oft nehmen wir sie gar nicht mehr wahr, worin ich ein Indiz für des Computers kulturelle Bedeutung sehe. Kulturell wirksam wird eine Sache u. a. ja dadurch, daß wir ihr Vorhandensein und Wirken als selbstverständlich unterstellen. Frieder Nake [Nak96]

Wenn hier behauptet wird, daß der alltägliche Umgang zahlreicher user mit dem Computer längst dem Spiel ähnelt, ist es wohl zunächst naheliegend zu zeigen, daß es viele user gibt, und daß nicht nur Experten mit dem Computer umgehen. Am Beispiel des Computerspiels wird in diesem Abschnitt also die inzwischen breite gesellschaftliche Akzeptanz des Computers nachvollzogen5. Ein großer Teil der Bevölkerung hat heute privat Zugang zu Computern und spielt mehr oder weniger häufig oder regelmäßig Computerspiele. Gegenüber anderen (narrativen) Medien scheint das Spiel dabei an Boden zu gewinnen (vgl. dagegen [HA71, S. 123]): »This is the year [2003] that video games step up alongside movies, music, books and theater to become a legitimate, pervasive and persuasive part of the fabric of America. Games are moving to the center of our living rooms.... They’re becoming a force in other types of entertainment, spawning books and movies – not the other way around. And the ins and outs of games – their subjects, features and release dates – are increasingly pushing traditional media out of the entertainment headlines.« ([NS03] zit. n. [Ass04]) Als technische Entwicklung steht der Computer in Wechselwirkung mit der ihn umgebenden Gesellschaft; er hat Eingang gefunden in die Populärkultur und beginnt, sie zu beeinflussen. Deutlich sichtbar ist die zunehmende Relevanz des Computerspiels im wissenschaftlichen Diskurs. Trotz aller inzwischen bei weiten Teilen der Bevölkerung vorliegenden Erfahrung mit Computerspielen ist offenbar noch nicht klar, als was 5 | Die Grundlage für diese Betrachtung bilden Zahlen aus den USA und der Bundesrepublik, die dabei natürlich auch zunächst nur Aussagen über diese Gesellschaften zulassen.

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Interaktivität als Spiel

sie angesehen werden können und was ihr Beitrag zur Entwicklung des interaktiven Computers war und noch immer ist: »So are video games a massive drain on our income, time and energy? A new form of ›cultural pollution,‹ as one U.S. senator described them? The ›nightmare before Christmas,‹ in the words of another? Are games teaching our children to kill, as countless op-ed pieces have warned? No. Computer games are art – a popular art, an emerging art, a largely unrecognized art, but art nevertheless. Over the past 25 years, games have progressed from the primitive twopaddles-and-a-ball Pong to the sophistication of Final Fantasy, a participatory story with cinema-quality graphics that unfolds over nearly 100 hours of play. The computer game has been a killer app for the home PC [...].« [Jen00] Es wird viel gespielt

Während Anfang der 1980er Jahre Computer in Privathaushalten sehr selten waren, hat sich das Bild heute deutlich gewandelt. Und das ist natürlich nicht nur oder sogar in erster Linie ein technisches Phänomen, sondern ein gesellschaftliches, eine Frage der Wahrnehmung des Computers, seiner Anwendungen und der Akzeptanz, die ihm entgegengebracht wird. Ungefär zu der Zeit, als der IBM PC und der Apple Macintosh als zunehmend erschwingliche Geräte für den Privatanwender auf den Markt kamen, war die Wahrnehmung des Computers in der Gesellschaft noch auf einen relativ kleinen Personenkreis beschränkt und seine Beurteilung bestenfalls ambivalent: »[Im Jahr 1984 ergab eine Repräsentativumfrage von] 2000 Personen über 14 Jahre[n] [...] [durchgeführt von MARPLAN, daß] [...] in jedem 20. Haushalt ein Mikro- oder Heimcomputer (einschließlich programmierbarer Telespielgeräte) [steht,] [...] jeder 10. Bürger der BRD [...] 1983 [...] einen [Mikro- oder Heimcomputer] bedient oder ausprobiert [hat,] [...] jeder 30. [...] mehr als einmal wöchentlich an einem solchen Gerät [arbeitet, und] [...] jeder vierte [...] der Verwendung von Computern in Privathaushalten negativ oder sogar scharf ablehnend gegenübersteht.« [SR84, S. 196] Inzwischen hat sich die Wahrnehmung des Computers in der Gesellschaft stark gewandelt. Computerspiele stellten offenbar für viele user den Einstieg in den Umgang mit dem Rechner dar und leisteten einen wesentlichen Beitrag zu seiner Verbreitung. Für Bob Albrecht verströmten Spiele den »seductive scent that would lure kids to programming and hackerism« ([Lev94], 44

Vom Umgang mit Medien

vgl. ebd., Teil 2, Abschn. 8 und 14–16). Um 1982 waren Spiele etwa für den Apple II »by sheer volume of floppy disks sold, the bestselling computer applications« [Lev94]. Computerspiele haben zusammen mit der Verbreitung von Computers Einzug in viele Haushalte gehalten; in vielen Fällen sind wohl auch die Spiele als der Einstieg in die Welt des Computers anzusehen (vgl. o.). Inzwischen sind der Kauf, der Besitz und das Spielen von Computerspielen für einen großen Personenkreis selbstverständlich geworden; zuerst für Jugendliche ([Ari03] n. [Ass04, S. 6]), danach für Erwachsene: Im Jahr 2003 spielten 60% der Einwohner der USA regelmäßig Computerspiele, 37% davon 35 Jahre alt oder älter ([Jør03, S. 3], vgl. [Nor04, S. 131]). Und auch für Kinder: Die Chance, daß im Jahr 2005 ein vierbis sechsjähriger Junge in den USA täglich video games spielte, betrug 25% ([Fou05] zit. n. [Mag05]). Längst sind Computerspiele ein vielleicht weitgehend unbeachteter Wirtschaftsfaktor, der den Vergleich mit Hollywood-Filmen jedoch nicht zu scheuen braucht ([Dee03] n. [Ass04, S. 10]). Schon im Jahr 1999 lag »[d]er Gesamtumsatz der Computerspielbranche [...] mit mehr als zehn Milliarden US-Dollar weltweit bereits vor dem der Filmindustrie Hollywoods. Die Vereinigung amerikanischer Unternehmen für Unterhaltungssoftware [wohl IDSA/ESA] veröffentlichte im Mai dieses Jahres [1999] eine Umfrage, wonach nur noch 26,5 Prozent der Amerikaner Fernsehen als liebste Freizeitbeschäftigung betrachten, 42,6 Prozent hingegen Computerspiele vorziehen.« [SS99, S. 82] Das Phänomen der Computer- und Konsolenspiele bezieht sich offenbar nicht nur (und nicht mehr) auf eine kleine Gruppe von freaks, sondern inzwischen auf einen großen Teil der Bevölkerung [Wad04]. Wurden 1996 schon 74,1 Mill. Computer- und Konsolenspiele in den USA ver- bzw. gekauft, waren es zehn Jahre später 240,7 Mill., mit einem zwischenzeitlichen Hoch von sogar 250 Mill. im Jahr 2004 [Ass07]. Umgesetzt wurden dabei 1996 2,6 Mrd. US-Dollar, im Jahr 2006 7,4 Mrd. US-Dollar (ebd.). Gesellschaftliche Auswirkungen

Es scheint naiv zu sein, davon auszugehen, daß Technologien nicht das Leben von Menschen veränderten (vgl. [McL02]). Menschen leben in ihren Technologien, Apparaten und Medien. Eine technische Entwicklung, die eine solche Verbreitung wie der Computer erfahren hat und 45

Interaktivität als Spiel

zu einer solch großen Bandbreite von Anwendungen eingesetzt wird, hat auch Relevanz für die Gesellschaften (vgl. Abschn. 4.5.5). In diesem Sinne ziehen »technological tools« als »tools of social change« (Resource One zit. n. [Lev94]) stets auch soziale Veränderungen nach sich [Lev94]. Es ist wohl nicht davon auszugehen, daß die sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen von Computertechnologie »marginal« seien, wie Watt und Policarpo [WP98, S. 541f.] (im Hinblick auf VR) äußern (vgl. auch Norman in [Lau93, S. xii–xiii]). Es geht dabei aber offenbar nicht darum, was der Computer tut, was Menschen nicht tun können, sondern darum, was Menschen mit dem Computer tun. Das kann heißen, daß bestimmte Dinge nun einfacher oder schneller zu machen sind, was sicherlich der Fall ist, oder auch daß einige Dinge überhaupt erst durch Verwendung des Computers praktisch realisierbar werden [Krä00a, S. 84f.]. Eine umfassende Behandlung dieses Aspekts wird in der vorliegenden Arbeit nicht angestrebt. Computerspiele und Kultur Video games shape our culture. It’s time we took them seriously. Henry Jenkins [Jen00]

Das Computerspiel scheint in der gesellschaftlichen Wahrnehmung des Computers, seiner langjährigen Ablehnung und auch in seiner nun seit längerem zunehmenden Akzeptanz eine möglicherweise wesentliche, aber mindestens doch relevante Rolle zu spielen. Er beginnt, die ihn aufnehmende (Populär-)Kultur mitzuprägen. Die Computerspiele sind inzwischen, wie schon das Buch, der Film, der Comic etc. vor ihnen, in der Kultur angekommen [Wes99, S. 94], während die Anfänge dieses Prozesses sich offenbar auch bereits 1984 begannen abzuzeichnen [SR84, S. 7]. Es ist m. M. nach allerdings noch nicht absehbar, ob der Einzug von Computerspielen in die Populärkultur zu einer allgemeinen Renaissance und Anerkennung des Spiels in den heutigen Gesellschaften führt, wie Kuecklich [Küc04, S. 2] annimmt, und wie es zu anderen Zeiten der Fall war (zum Verhältnis von Spiel und alltäglicher Welt s. Abschn. 4.1.3, zur Wechselwirkung von Spiel und Kultur s. Abschn. 4.1.6).

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Vom Umgang mit Medien Computerspiele im wissenschaftlichen Diskurs

Der wissenschaftliche Diskurs etwa der Informatik entdeckt Computerspiele als ernstzunehmendes Forschungsgebiet, dem er zunehmend Beachtung schenkt (s. etwa [ACM03] und [top04]). Möglicherweise liegen die Gründe dafür, daß Fragen nach Computerspielen in der Informatik lange Zeit offenbar nicht ernsthaft erwogen wurden, ähnlich wie etwa bei der Ästhetik: »HCI texts hardly make any reference to matters of aesthetics. Whenever aesthetic issues are discussed, they are likely to be qualified by warnings against its potentially detrimental effects. There may be a couple of reasons for the neglect of aesthetics in the computing disciplines. One reason may stem from resentment of attempts by some in the computer industry to oversell glitz and fashion in lieu of substance and usefulness. Another reason may lie in the computing disciplines’ origins in disciplines that emphasize hard science, efficience and utility. Thus, other aspects of the interaction were not recognized as belonging in the field.« [Tra05a, S. 30] Möglicherweise wird das Spiel aber schließlich als eine weitere Disziplin neben »literature, music and art« aus der momentanen Phase des Umbruchs hervorgehen [Wad04].

3.2 Das Wissen um und die Teilnahme an Medien Good designs oscillate between hiding and revealing themselves. Jay David Bolter, Diane Gromala [BG03, S. 68]

Das Wissen des Benutzers um ein Medium und sein gleichzeitiges Umgehen mit diesem Medium ist ein Phänomen, das bei jedem Medium in einem bestimmten Maß selbstverständlich und ohne Widerspruch oder Bruch in Wahrnehmung oder Handlung auftritt. Das Eintauchen und das in-Anspruch-Nehmen der Möglichkeiten eines Mediums ertragen offensichtlich diese Spannung ([BG03, S. 53], vgl. auch Abschn. »The myth of transparency« (ebd., S. 48ff.)). Die hier als klassische Mediendarstellung diskutierte Variante weist in aller Regel nicht explizit auf das Medium hin, wie dies die postmoderne Variante manchmal tut. In beiden Fällen wird aber fraglos davon ausgegangen, daß der Medienbenutzer die Konventionen des Mediums kennt und es durchschaut. Für ein reflektiertes oder analytisches Umgehen mit dem Inhalt eines Mediums ist eine gewisse Distanz notwendig. 47

Interaktivität als Spiel

Auf der einen Seite streben Medien nach realitätsnaher und illusorischer Repräsentation, auf der anderen Seite weisen sie mehr oder weniger offen auf sich selbst hin; das ist kein Gegensatz oder Mangel, sondern wesentliches Charakteristikum von Medien: »On one hand, media participate in what Bolter and Grusin [BG99] call immediacy, the ability to authentically reproduce the world and create an alternative reality. At the same time, media also remind their audiences that they are constructed and artificial, a characteristic that Bolter and Grusin call hypermediacy.6« [SZ04, S. 452] Beide Eigenschaften von Medien hängen zusammen und verweisen aufeinander. »Like other media since the Renaissance – in particular, perspective painting, photography, film, and television – new digital media oscillate between immediacy and hypermediacy, between transparency and opacity. Although each medium promises to reform its predecessors by offering a more immediate or authentic experience, the promise of reform inevitably leads us to become aware of the medium. Thus, immediacy leads to hypermediacy.« ([BG99, S. 16] zit. n. [SZ04, S. 452]) Medien weisen in diesem Sinne stets auch auf sich selbst hin, sonst wüßte der Teilnehmer nicht, ob und wie er an ihnen teilnehmen könnte. Neu ist (in den letzten Jahrzehnten) allenfalls, das dieser Hinweis nicht implizit gegeben wird, sondern selbstreferentiell und augenzwinkernd explizit im Inhalt untergebracht und etwa offen ausgesprochen wird. Das Medium färbt den Inhalt, den es vermittelt, wird aber auch selbst dabei unsichtbar, sonst könnte es nichts vermitteln: »If we only look through the interface, we cannot appreciate the ways in which the interface itself shapes our experience.« [BG03, S. 9] Eine perfekte mediale Abbildung oder das vollständige Vergessen des Mediums etwa durch die Kinozuschauer ist in diesem Sinne weder möglich noch nötig; eine partielle mediale Abbildung schafft durchaus eine vollständige Erfahrung auf der Seite der Medienbenutzer. Verglichen mit anderen Medien wird im Spiel allerdings der Doppelcharakter von Medien sinnliche und durchaus realistische Darstellung sowie als Möglichkeit zur eigenen Teilnahme besonders deutlich.

6 | Zu Bolters und Grusins Konzept der »immediacy« und »hypermediacy« [BG99] vgl. auch Langes »Hin- und Heroszillieren zwischen Schein und Wirklichkeit« ([Lan01, S. 27] zit. n. [Sch65, S. 82]), das eine »Zweiheit der Vorstellungsreihen« (ebd., S. 31) im, wie es heute heißt, Umgang mit Medien erzeugt.

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Vom Umgang mit Medien

3.2.1 Die Mediendarstellung der Postmoderne Star Wars didn’t kill the film industry, or infantilize it. George Lucas zit. n. [Bis99, S. 344]

Besonders deutlich tritt das Phänomen des gleichzeitigen Umgehens des Medienbenutzers mit dem Inhalt eines Mediums und den formalen Möglichkeiten des Mediums auf, wenn der Inhalt des Mediums selbst auf seinen medial-vermittelten Charakter hinweist. Beispiele bei Filmen dafür sind Musik, die kommentierend (aus dem off ) ertönt plötzlich und unerwartet diegetisch wird, Cameo-Auftritte und die direkte Ansprache des Zuschauers [Wul04]. Dieses Spiel mit der Grenze der Fiktion und das Ansprechen der Ränder der Diegese macht Teilnehmern offenbar Spaß (vgl. dagegen [Ada04]), doch sie bewegen sich auf einem schmalen Grad, denn »die Ränder der Diegese sind fragil« [Wul04]. Der Zuschauer weiß zwar, daß er z. B. einen Film anschaut, will jedoch i. d. R. nicht explizit daran erinnert werden und wird es in vielen Fällen auch nicht. So bemerkt zwar ein Charakter des Films Alle sagen: I love you von Woody Allen (1996) aus dem off zur Einleitung, daß der Film ein (fiktives) Musical wäre, dies wird dann allerdings nicht wieder erwähnt, obwohl die Kommentierung die ganze Zeit anhält, bis ganz zum Schluß in Form eines weiteren Kommentars noch einmal darauf hingewiesen wird. Weiterere Regisseure, die sich in ihren Filmen auch mit der Beziehung zwischen Inhalt und Medium auseinandersetzen, sind Arthur Penn und Robert Altman [Bis99, S. 81f.]. Der so offen ausgetragene Diskurs beschränkt sich nicht auf Kunstfilme, die oft nur geringe Verbreitung erfahren, sondern findet durchaus Eingang in den kommerziellen mainstream. So sprechen in Wayne’s World (1992) die beiden Hauptdarsteller Wayne und Garth den Zusschauer nicht nur dierekt an, sie spulen auch den Film, dessen Darsteller sie sind, ein Stück zurück, um einen anderen inhaltlichen Ausgang zu erreichen. Ein frühes Beispiel mag auch Vertovs Film Man with a Movie Camera (1929) sein, der seine medialen Charakteristika (noch) offen mitteilt und auch mit ihnen spielt. Aber auch in anderen Medien findet diese Auseinandersetzung statt. Harriet Beecher Stowe erinnert die Leser von Uncle Tom’s Cabin explizit (etwa »our readers may not be unwilling to glance back« [Sto81, S. 251], »at this time in our story« (ebd., S. 258) und »Of our other characters we have nothing very particular to write, except a word relating to Miss Ophelia and Topsy, and a farewell chapter, which we shall de49

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dicate to George Shelby.« (Ebd., S. 432)) und implizit (etwa »turning a summerset or two« (ebd., S. 237)) daran, daß sie ein Buch lesen, einen fiktionalen Roman, der einen gewissen, bestimmten Bezug zur Realität hat. Ein weiteres Beispiel für das Phänomen sind Bilder, die »Dinge sichtbar werden [lassen], die nicht anwesend sind. Es ist diese Eigenschaft, die dem Bildbewusstsein eine Zwischenstellung zwischen der Wahrnehmung und der Imagination gibt. Wie bei der Wahrnehmung glaubt der Bildbetrachter etwas zu sehen, aber wie bei der Imagination glaubt er doch nicht an die Anwesenheit des Gesehenen.« [Wie03] Eine besondere Art Bild ist nach Wiesing ein immersives Bild, das eine illusionäre Darstellung anstrebt. »[Ein] immersives Bild [versucht den Eindruck zu erwecken, es] sei wirklich anwesend. [...] [Der] Betrachter glaubt wirklich, dort [d. h. an einem anderen Ort] zu sein [als hier].« (Ebd.) So sei das Head Mounted Display (HMD) eine »unerkennbare Wahrnehmungssimulation«; daß das gezeigte nicht die Realität ist, sei »nur noch [zu] wissen, aber nicht mehr wahr[zu]nehmen«. Dabei mache es für die Arbeit mit Bildern keinen praktischen Unterschied für den Betrachter, wenn der Unterschied erkennbar ist. Das sei kein Nachteil oder weniger faszinierend. Vorläufer dieser immersiven Bilder seien das (Stadt-)Panorama und das Stereoskop (ebd., vgl. zu Panoramen des 19. Jhds., zum Stereoskop und zum HMD auch [Wie05, S. 107f.]). Auf einen Doppelcharakter7 von Bildern verweist auch SachsHombach, der auf zwei Modi der Rezeption von Bildern hinweist, den symbolischen und den dezeptiven (täuschenden). »Eine bei Virtuellen Realitäten relevante Sonderform des symbolischen Rezeptionsmodus ist der immersive Modus, bei dem sich eine Person so verhaelt, als waere das im Bild Dargestellte tatsaechlich anwesend, ohne aber die Unterscheidung von Bild und Abgebildetem zu verlieren.« ([SH03, S. 243] zit. n. Frieder Nake, pers. Komm., 23. Mär 2004) Das Phänomen des selbstreferentiellen Bezugs scheint weder auf klassische (Massen-)Medien wie Filme, Bücher oder Bilder beschränkt zu sein, noch erfährt der Medienteilnehmer dabei tatsächlich etwas Neues: Bei Figuren aus Schokolade weiß der Betrachter, daß es sich um Schokolade handelt, hat aber trotzdem Spaß daran, wenn sie so aussieht wie der Osterhase oder der Nikolaus. Ein Kind, das mit einem Spielzeugauto spielt, weiß, daß es mit einem Spielzeug spielt, das bloß Abbild der Realität ist. Dasselbe trifft auch auf Computerspiele wie first-person 7 | Nicht gemeint ist der Doppelkörper von Medien (Debray).

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Vom Umgang mit Medien

shooter zu; konzeptionell scheint an dieser Stelle kein Unterschied zu bestehen. Es ist offenbar ein Fehler entweder in der Darstellung oder der Rezeption von Medien, wenn sie ihren medienhaften Charakter verlieren oder verschleiern; so etwa Schockeffekte in Horrorfilmen, die von Zuschauern, die den Film nicht Genre-angemessen decodieren, unmittelbar erlebt werden und vorgeblich authentische Darstellungen, die tatsächlich nicht authentisch sind. Als das klassische bzw. naive Ziel einer medialen Darstellung wird hier die perfekte, illusionäre Abbildung angenommen, die offenbar von einem passiven Zuschauer ausgeht, der ohne »critical awareness« [McL02, S. 311] und »critical reflection« (Pauline Kael zit. n. [Bis99, S. 344]) den Medieninhalt konsumiert. Weixler wünscht sich in diesem Sinne »[a]ls Künstler [...], daß [die Zuschauer] alles vergessen und nur bei uns sind.« [Wei05] Unter dieser Perspektive mag es als postmoderne Mode oder »the product of a certain flavor of modern literary theory« [Ada04] abgetan werden, selbst-referentiell in einem Medium auf das Medium hinzuweisen. Eine sicherlich zutreffende Beobachtung ist, daß der »compelling sense of presence« [Bio97] in medialen Darstellungen, der instabil und anfällig für Störungen ist (ebd.), durch »this business of self-reference and winking at the audience« [Ada04] gefährdet wird. Adams beschreibt diesen Vorgang für Computerspiele: »Every element that the players’ experience must contribute to the whole. [...] Everything that he sees, hears, and feels from that point on – every audio, visual, and interactive element – must strive to convince him that the only thing that exists [eher: matters] is the game. This is not the easiest of goals to archieve; any slight discord can jar the players out of their illusion8.« [RA03, S. 147] Als Beispiele für diesen medialen Ansatz können Hollywood-Filme gelten, für die gilt, wie Susan Sontag in The Decay of Cinema feststellt: »[...] the essential movie experience lay in the desire ›to be kidnapped by the movie . . . overwhelmed by the physical presence of the image‹ [...]. They took the audience by force. It was little better than rape.« [Bis99, S. 404f.] »[George Lucas and Steven Spielberg] were, as Kael first pointed out, infantilizing the audience, reconstituting the spectator as child, then 8 | Es sollte hier wohl nicht von einer »illusion« gesprochen werden, der die Spieler eines Spiels aufsitzen, sondern eher von einem state of mind, in dem sie sich wissentlich und willentlich befinden (s. Abschn. 4.1.3).

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Interaktivität als Spiel

overwhelming him [...] with sound and spectacle, obliterating irony, aesthetic self-consciousness, and critical reflection.« (Ebd., S. 344) John Milius nennt dies »a cheap amusement park ride« (ebd.), Robert Altman einen »one big amusement park« (ebd., S. 345). Wird auf eine perfekte mediale Repräsentation gezielt, erscheint es in höchstem Maße unpraktisch, im Medium auch noch auf das Medium hinzuweisen. Diese Argumentation scheint dabei zu übersehen, daß eine perfekte mediale Darstellung weder möglich noch nötig ist: »[...] the new meta-realism is based on oscillation between illusion and its destruction, between immersing a viewer in illusion and directly addressing her.« ([Man00b, S. 188], vgl. Abschn. 3.4.1). Und dies gilt nicht nur für die sog. Neuen Medien. Mediale Beschränkungen in der Darstellung und eine bestimmte Auswahl in einem künstlerischen Repertoire waren und sind stets selbstverständlich. Das Ziel einer perfekten medialen Repräsentation wurde natürlich nicht erst etwa nach der Renaissance aufgegeben, sondern noch nie erreicht (vgl. Abschn. 7.1). Neu sind allenfalls die offen vorgetragenen Hinweise darauf. Wie können nun Medien unter solchen Bedingungen überhaupt funktionieren? Und sie scheinen ja durchaus zu funktionieren, trotz aller technischen Schwierigkeiten und sogar absichtlicher Hinweise auf das Medium selbst. 3.2.2 Willing suspension of disbelief Die erwachsenen und im üblichen Maße lebenskundigen Leute aber, die sich so willig, ja gierig [vom Theaterschauspieler] betören ließen, mußten sie nicht wissen, daß sie betrogen wurden? Oder achteten sie in stillschweigendem Einverständnis den Betrug nicht für Betrug? Thomas Mann [Man00a, S. 35]

Offenbar sind Abbildungen in Medien sinnlich unvollständig und inhaltlich fragmentartig. Wie kommt es, daß Medienbenutzer mühelos an Medien teilnehmen und die Auslassungen anscheinend nicht bemerken bzw. selbstverständlich und als Teil ihres Umgangs mit Medien ergänzen? Das Phänomen scheint nicht nur bei Medien wie Gemälden oder Kinofilmen aufzutreten, sondern auch etwa bei Wandkritzeleien und Spielen. Medienbenutzer akzeptieren die relativen Randbedingungen des Mediums und sind bereit, innerhalb des so begrenzten Raum wahrzuneh52

Vom Umgang mit Medien

men und zu handeln. Das Wissen um das Medium gehört untrennbar zur Teilnahme am Medium, die Erfahrung der medialen Vermitteltheit zum Eintauchen in den Inhalt. Der Begriff der willing suspension of disbelief geht auf Coleridge zurück [Lau93, S. 113]. Laurel beschreibt sein Konzept als Voraussetzung zur Teilnahme an (narrativen) Medien. »As an audience member, I know that the people on the stage are actors and that the castle parapets are cardboard, but I choose, in order to have the pleasure of unencumbered emotional and rational participation, to suspend that knowledge for the duration of the play. My experience will be clobbered if I am constantly reminded of what I have choosen to disregard – I do not wish to watch the stage manager pulling the curtain und calling the clues.« ([Lau86a, S. 76], vgl. auch [RA03, S. 58]) Mann [Man00a, S. 36] nennt die stillschweigende Komplizenschaft zwischen Darsteller und Zuschauern »eine hochzeitliche Begegnung seiner und ihrer Begierden«; für Marret ([Mar09, S. 41–4] zit. n. [Hui56, S. 29f.]) »ist [man] selbst zugleich wissend und betrogen«, »[o]b man nun Zauberer oder Bezauberter ist«. »Aber man will der Betrogene sein.« (Meine Hervorhebung, vgl. [ArnoJ, S. 25]) Wiesing [Wie03] bezeichnet das Konzept als »Selbst-Verleugnung des Mediums«, bei der »nicht die Leinwand, sondern das Bild [...] betrachtet [wird]«: »For the audience member who is engaged by and involved in the play, the action on the stage is all there is [...].« [Lau93, S. 15f.] Willing suspension of disbelief als Prozeß

Zunächst kann festgestellt werden, daß jede Wirkung von Medien von dem Einlassen ihrer Teilnehmer auf sie abhängt. Das, was Arnheim [ArnoJ, S. 25] von entertainment sagt, trifft in diesem Sinne auch auf Medien allgemein zu: »All forms of entertainment strive to create suspension of disbelief, a state in which the player’s mind forgets that it is being subjected to entertainment and instead accepts what it perceives as reality.« Wulff nennt diesen Prozeß der Reduzierung der Distanz zwischen Zuschauer und medialem (Film-)Inhalt die »Ablösung der ersten durch die zweite Realität [d. h. die mediale Darstellung].« (Hans-Jürgen Wulff in der Diskussion nach [Str04], eig. Mitschr.) Die Distanz des Mediums zum Zuschauer wird dabei unterlaufen (vgl. [Bis99, S. 404f.]), und das Bewußtsein, mit einem Medium umzugehen, für einen Moment zurückgedrängt. »The business of the writer or the film-maker is to transfer the reader or viewer from one world, his own, 53

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to another, the world created by typography and film. This is so obvious, and happens so completely, that those undergoing the experience accept it subliminally and without critical awareness.« [McL02, S. 311] Das kann im Falle von unerwarteten Vorgängen wie technischen Fehlern oder Unfällen, die analytische Distanz des Betrachters erfordern, auch problematisch sein (vgl. [Suc87, Per99] und Abschn. »The dangers of transparency« in [BG03, S. 53ff.]). Um den Vorgang des Einlassens des Teilnehmers auf das Medium in Gang zu setzen, bedarf es nicht der Abdeckung aller Sinne oder einer perfekten Darstellung (vgl. Abschn. 3.2 und 7.1): »[T]he illusion is only partial« [ArnoJ, S. 25], die Erfahrung des Zuschauers aber vollständig (vgl. ebd., S. 33; zum Begriff der »partiellen Illusion« s. ebd., S. 24–6). Dieses Phänomen scheint darauf zu beruhen, daß der Mensch von der Realität oder der medialen Darstellung nicht alles aufnimmt, sondern nur das für ihn Wesentliche (vgl. ebd., S. 3), das seinen Eindruck trägt: »[...] in order to get a full impression it is not necessary for it to be complete in the naturalistic sense. All kinds of things may be left out which would be present in real life, so long as what is shown contains the essentials.« (Ebd., S. 33) Zu beobachten ist offenbar, daß Medienbenutzer bei jeder Wahrnehmung stark das wahrnehmen, was ihren Eindruck des Mediums verstärkt und das unterdrücken, was sie an ihnen zweifeln läßt9. Die Konstruktion dieser Wahrnehmung ist unzweifelhaft ein aktiver Vorgang; negativ, durchaus im Sinne von suspension of disbelief, als Zensur von Störendem: »Der Trick, [in sich selbst] eine solche Immersion [»in eine andere Welt, in einen anderen Körper«] hervorzurufen, besteht darin, die dabei auftretenden Inkohärenzen zu zensieren, also das Wissen und das Gefühl, gleichzeitig an zwei oder drei Orten zu sein, auszuschalten und die Situation durch Projektion bzw. Identifikation eindeutig zu machen.« [Röt00, S. 156] Und auch positiv, als Konzentration auf Interessierendes, den kohärenten Eindruck verstärkendes oder doch stützendes: »[...] we focus our attention on the enveloping world and we use our intelligence to reinforce rather than to question the reality of the experience.« [Mur97, S. 110] Jede Teilnahme an Medien muß gelernt werden. Der Umgang mit einem Medium wird erst mühelos und selbstverständlich, wenn seine Benutzer die Konventionen der Teilnahme an ihm erlernt haben. Mit zahlreichen Medien haben sie allerdings schon so lange und ausgiebig Übung, daß 9 | Ein ähnliches Phänomen scheint auch die Wahrnehmung der Welt und die Erinnerung kohärent zu glätten.

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ihnen dies nicht mehr auffällt. Bis Medienbenutzer allerdings diese Fähigkeiten der Decodierung erlernt haben, können sie mit Medien ggf. wenig anfangen, etwa mit bestimmten Fernsehserien, Filmgenres oder Sportübertragungen. Willing suspension of disbelief und Spiel

Bei Umgang mit Medien wie dem Spiel und dem (narrativen) Film weiß der Spieler bzw. der Zuschauer, daß er etwas tut bzw. sieht, was außerhalb der gewöhhnlichen Welt liegt, also nicht real (im Sinne von gewöhnlich) ist. Die Enden und Unzulänglichkeiten der künstlichen Welten sind ihm klar sichtbar und bewußt [DH01, S. 163]. Soll ein Unterschied in der medialen Wahrnehmung von Spiel und story benannt werden, ist es wohl der, daß Spieler ein Spiel spielen, solange sie selbst handelnd und entscheidend eingreifen und sich jederzeit überzeugen können, daß es real existiert (s. auch u.), während Zuhörer einer story folgen, eben während sie nicht inhaltlich entscheidend eingreifen können [Küc04, S. 22]. Weil es Theater ist, kann der Zuschauer sich ganz zurücklehnen, weil es Spiel ist, kann der Spieler sich ganz einsetzen. In beiden Fällen kann ein Teilnehmer nicht trotz, sondern nur wegen des Mediums teilnehmen, und dessen ist er sich auch bewußt. Der entstehende Effekt des Eingelassen-Seins der Teilnehmer ist bei allen Medien offenbar identisch. 3.2.3 Das Wissen um das und die Teilnahme am Spiel Wie in anderen Medien ist auch dem Teilnehmer an Spielen bewußt, daß er spielt, während er spielt. Im Spiel ist dies, verglichen mit anderen Medien wie dem Film, umso erstaunlicher, weil der Spieler selbst handelt und in die Spielwelt eingreift und sie dabei aber nicht beschädigt oder unglaubwürdig macht, sondern sie, gerade im Gegenteil, aufbaut und auf ihre fortgesetzte Existenz kontinuierlich überprüft. Während ein Spieler sich selbst im Spiel weiß, weiß er auch um die Existenz des Spiels ([McC03], vgl. [SZ04, S. 526]). Spielen kann ein Spieler nur, weil er unterscheiden kann, was Spiel ist und was nicht. Damit sind an dieser Stelle keine Wechsel zwischen Aktion und Reflektion gemeint wie bei Manovich [Man00b], sondern das Wissen um das Spiel und seine herausgehobene Stellung aus der alltäglichen Welt [Wal02]. Das verbindet die Erfahrung von Spielern mit der von Teilnehmern anderen Medien (vgl. [ArnoJ, S. 25]). 55

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Wird von dem Wissen des Spielers über die Existenz des Spiels ausgegangen, ist seine Teilnahme am Spiel auch nicht als Illusion zu sehen, der er sich hingibt oder die er (etwa darstellend) erschafft (vgl. Abschn. 4.1.3); der Spieler weiß stets um das Spiel, auch während er spielt (Huizinga n. [Sch05b, S. 50]). Finden sich aber »Spielformen mehr oder weniger bewußt angewendet [...], um eine Absicht der Gesellschaft oder der Politik zu verdecken« [Hui56, S. 194], hat man es mit Falschspiel zu tun (ebd.), mit Täuschung und Betrug. Das gleichzeitige Wissen um und Handeln im Spiel impliziert einerseits eine gewisse Distanz zum Spiel, andererseits geben sich Spieler dem Spiel vollständig hin und gehen ganz darin auf, was auf große Nähe schließen läßt. Ein Spieler weiß während des Spiels, daß es Spiel ist, das schadet aber seiner Teilnahme nichts, er kann sich ganz hineinwerfen und handeln. Ein Spieler tut nicht so, als ob er spielte (vgl. dagegen [Kel98]); aber seine Handlungen sind offensichtlich nicht real im Sinne der alltäglichen Welt, und das empfindet ein Spieler durchaus auch selbst so [Hui56, S. 29]. Damit ist aber im Sinne des Spiels nicht etwa eine Abwertung verbunden: »Das Kind spielt in vollkommenem – man kann mit vollem Rechte sagen – heiligem Ernst. Aber es spielt und weiß, daß es spielt. Der Sportsmann spielt mit hingebendem Ernst und mit dem Mut der Begeisterung. Er spielt und weiß, daß er spielt. Der Schauspieler geht in seinem Spiel auf. Trotzdem spielt er und ist sich bewußt, daß er spielt. Der Geiger erlebt heiligste Erregung, er erlebt eine Welt außerhalb und über der gewöhnlichen, und dennoch bleibt sein Tun ein Spiel. Der Spielcharakter kann den erhabensten Handlungen eigen bleiben.« (Ebd., S. 25)

3.3 Die ergänzende Teilnahme Mediendarstellungen sind in hohem Maße unvollständig. Bei allen Medien ist der Medienbenutzer gefordert, aktiv Ergänzungen der medialen Abbildung vorzunehmen. In der Art und Menge dieser Ergänzung unterscheiden sich Medien deutlich voneinander, und dieser Prozeß ist nicht etwa auf interaktive Medien beschränkt. In Medien werden nur bestimmte Sinne des Medienbenutzers angesprochen. Fehlende Sinne ergänzt er i. d. R. mühelos. In Mediendarstellungen fehlender Inhalt wird vom Medienbenutzer erkannt und von ihm 56

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an Hand bekannter Muster oder Konventionen selbstverständlich und unwillkürlich mental vervollständigt. Dieses Phänomen der Ergänzung des Fehlenden führt offenbar sogar dazu, daß sinnliche Auslassungen des Mediums zur inhaltlichen Ausfüllung durch den Teilnehmer führen; die sinnliche Ergänzung ufert dann aus in den Bereich der inhaltlichen Ergänzung. Die Bedeutung eines medialen Textes wird nicht oder mindestens nicht in erster Linie von seinem Autor definiert, sondern in einem aktiven, produktiven, interpretatorischen und individuellen Prozeß von den Lesern abhängig von der Relevanz zugewiesen, die er in ihrem (etwa sozialen) Kontext besitzt; dieser Prozeß beschränkt sich nicht auf ein Auf- oder Entdecken von etwas Vorhandenem, denn in einem Medium liegt keine Bedeutung inherent verborgen. Ein medialer Text konstituiert sich erst durch aktive Teilnahme seiner Leser: »[R]eaders create texts as they read them; the meaning of a text is always indefinite.« ([Den89, S. 144] zit. n. [Win95, S. 116]) Dies gilt offenbar nicht nur für den Umgang etwa mit Massenmedien, sondern für alle Medien der Kultur und Natur. Eine Betrachtung eines Textes ohne die Berücksichtigung dieses Vorgangs ist als unvollständig anzusehen. Der Charakter eines Mediums und sein jeweiliger spezieller Reiz wird bestimmt von den Möglichkeiten, die seine Teilnehmer zur Teilnahme haben; bei jedem Medium sind die Medienbenutzer in unterschiedlichem Maße und auf unterschiedliche Weise gefordert. Jedes Medium muß von seinen Benutzern decodiert werden, um verstanden und genutzt zu werden, es hat dabei seine spezielle Codierung, die es für kundige Medienbenutzer zu (er-)kennen gilt. Verschiedene Medien erlauben bzw. fordern verschiedene Arten der aktiven Teilnahme, und dabei unterscheiden sie sich wesentlich und erheblich – bei einigen steht die Reflektion im Vordergrund (z. B. bei Büchern, Kinofilmen und Theaterstücken), bei anderen die Aktion (z. B. beim Spiel). In interaktiven Medien wählt der Benutzer i. d. R. seine Aktionen aus einer Anzahl möglicher Aktionen aus. Über die Interkativität eines Mediums sagt dies allerdings zunächst wenig aus. Alles, was Medienbenutzer durch ein Medium erleben, produzieren sie selbst. Dies beschränkt sich nicht auf interaktive Medien wie den Computer, sondern gilt für alle Medien – jede Medienteilnahme ist aktiv.

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3.3.1 Die aktive Wahrnehmung Der Umgang mit Medien ist aktiv auf Seiten der Medienbenutzer; bei jedem Medium sind sie in unterschiedlichem Maße und auf unterschiedliche Weise gefordert. Das, was sie in einem Medium tun und nicht tun können, zeichnet es aus und grenzt es gegenüber anderen Medien ab. Die Möglichkeit zur Teilnahme ist sein jeweiliges Kennzeichen und das, was seinen speziellen Reiz ausmacht; sie muß vom Medienbenutzer genutzt werden. Jedes Medium hat dabei seine spezielle Codierung, die es zu (er-)kennen gilt. Der Benutzer ist aktiv nicht nur bei interaktiven Medien wie dem Computer, und dies setzt kein initiatives, entscheidendes inhaltliches Eingreifen voraus. Alles, was Medienbenutzer durch ein Medium erleben, produzieren sie selbst. Bei der Aktion und Identifikation beim Umgang mit einem Medium ist der Benutzer manchmal auch emotional involviert. Medien rufen allerdings Reaktionen hervor, die deutlich über Mitfühlen und relevantes Eingreifen ins Medium hinausgehen. Im Umgang mit Medien wählt der Benutzer i. d. R. nur aus einer bestimmten Auswahl an möglichen Aktionen aus. Die Anzahl der Aktionen sagt Über die Güte, Angemessenheit oder Interkativität eines Mediums allerdings zunächst wenig aus. Der aktive Umgang As an entertainment form linked to online network data flow, computer gaming is at the present time more open than television ever was to reinvention and rearticulation of its genres and modes of interactivity, sign systems and politics of representation. Anne-Marie Schleiner [Sch98]

Der Umgang mit Medien durch ihre Benutzer ist grundsätzlich als aktiv zu kennzeichnen und erfordert »psychological processes of fillingin, hypothesis forming, recall and identification« [Man00b, S. 71f.]. Barthes (ebd., S. 152) nennt diese Medienteilnahme »collaboration«: »Like a postserial musical score which makes a performer into its co-author, ›text‹ ›asks of the reader a practical collaboration‹ [...].« (Vgl. die Begriffe cool und hot bei McLuhan) Winter zeigt für den Horrorfilm, daß »Horrorfans [...] keine passiven Konsumenten [sind], sondern [sich] [...] die 58

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Filme aktiv und partizipatorisch« [Win95, S. 149] aneignen, während sie über den Akt des Filmanschauens hinaus aktiv sind (ebd., S. 147). Es bleibt die Frage, was mit dem Begriff der Aktivität auf Seiten der Medienbenutzer gemeint ist. Offensichtlich können Medienteilnehmer in einer Vielzahl Medien, etwa »photograph, painting, movie, book, or symphony« [Wil03], nicht inhaltlich entscheidend oder interaktiv in Verlauf und Ergbenis eingreifen ([Cos94, S. 3] n. [Mou02]) Und das ist offenbar für einen auf Seiten des Medienbenutzers aktiven Umgang mit einem Medium auch keine Voraussetzung. Diese Medien erscheinen also durchaus unveränderlich (»fixed«), but »the act of engaging them can be highly interactive. [...] For example, the reader of a novel or the viewer of a movie is constantly adjusting attention, internal references, identifications, emotional responses, and willingness to engage internal associations that come from personal experience, social/ethnic/gender positions, previous experience with the art form, etc. Some analysts would go so far as to claim there is no successful art or media without this level of engagement interactivity.« [Wil03] Zwei Möglichkeiten der aktiven Teilnahme an solchen Medien, die sinnliche und inhaltliche Ergänzung, werden in den folgenden Abschnitten 3.3.3 und 3.3.4 diskutiert. Offensichtlich müssen Medien nicht interaktiv sein, um erfolgreich zu sein – wenn jemand einen Film anschaut oder ins Theater geht, will er nicht unbedingt Interaktivität, sondern zuschauen (Jörg Richard, pers. Komm., 22. Okt 2004). Und dies ist kein Fehler oder Nachteil eines Mediums, sondern seine definierende Eigenschaft und Teil des Reizes, mit ihm umzugehen. Jedes Medium hat seine Art, nach der die Teilnehmer gefordert werden, aktiv zu werden. Mediendecodierung

Die Abbildung in allen Medien ist im Wesentlichen abstrakt, denn Medien haben stets ein begrenztes Repertoire an Vermittlungskanälen und können keine vollständige oder umfassende Vermittlung ihres Inhalts erreichen. Der Teilnehmer ist also bei jedem Medium auf unterschiedliche Weise gefordert, das zu decodieren, was das Medium darstellt. Jedes Medium hat dabei seine spezielle Codierung, die es für den kundigen Medienbenutzer zu (er-)kennen gilt. Ein Beispiel für eine spezielle Codierung eines Mediums sind die Spielregeln eines Spiels. Bevor ein Spieler an diesem Spiel teilnehmen kann, muß er die Spielregeln dieses Spiels kennen (d. h. i. d. R. explizit erklärt 59

Interaktivität als Spiel

bekommen) und akzeptieren. Genauso ist es bei anderen Medien: Ein Teilnehmer muß lernen, mit dem Telephon, dem Buch und dem Fernsehen umzugehen, dann kann er sich daran machen, etwa Fernsehshows, Serien oder Spielfilme bestimmter Genres zu decodieren und so an ihnen teilzunehmen. Decodierungen implizieren eine gewisse Distanz des Medienbenutzers zum Inhalt des Mediums, denn er setzt dann explizit sein Wissen um das Medium ein (vgl. Abschn. 3.2); jede Medienteilnahme besteht jedoch aus solchen Decodierungen, denn eine Mediendarstellung muß in jeden Fall entschlüsselt werden, um verstanden und interpretiert zu werden, denn sie ist nicht die tatsächliche Handlung (vgl. Abschn. 4.1.3). D. h. nicht unbedingt, daß Medienteilnahme nur reflektiv ist, denn in einem Spiel, in das ein Teilnehmer aktiv und entscheidend eingreift, decodiert er den Inhalt genauso wie in anderen Medien [Man00b, S. 199]. Snap to grid

Nimmt jemand als Teilnehmer an einem Medium teil, läßt er sich auf das Medium ein, denkt in den Begriffen des Mediums und handelt nach seinen Angeboten. D. h., daß einige Vorkommnisse geschehen können und daß der Teilnehmer bestimmte Dinge tun kann; nicht alles kann geschehen, nicht alles kann er tun (vgl. dagegen [Mat02, S. 9f.], zum Auswählen von Handlungsmöglichkeiten beim interaktiven Computer vgl. den Begriff der »range« bei Laurel und s. Abschn. 3.1.1). Medien unterscheiden sich und sind wesentlich gekennzeichnet durch die Handlungsund Eingriffsmöglichkeiten und -angebote an ihre Teilnehmer. Im Umgang mit Medien wählt der Benutzer i. d. R. seine Aktionen aus einer Anzahl möglicher Aktionen aus. Wird hypertext als Beispiel gewählt, kann die Interaktion des users als der Prozeß eines (Co-)Autors angesehen werden, der durch seine Auswahlen ein »unique work« [Man00b, S. 66] schafft (zum MedienTeilnehmer als Co-Autor vgl. Abschn. 3.1.2): »If a complete work is a sum of all possible paths through its elements, then the user following a particular path only accesses a part of this whole. In other words, the user is only activating a part of the total work that already exists. [...] It does [...] fit perfectly with the logic of advanced industrial and postindustrial societies, where almost every practical act involves choosing from some menu, catalog, or database. In fact [...], new media is the best available expression of the logic of identity in these societies: choosing values from a number of pre-defined menus.« [Man00b, S. 123f.] 60

Vom Umgang mit Medien

Es kann dabei durchaus einen Unterschied, wenn nicht sogar einen Widerspruch zwischen den tatsächlich möglichen Aktionen und den durch den Benutzer wahrgenommenen Aktionen geben; dieser Unterschied kann sein, daß etwa ein unerfahrener Benutzer nicht alle seine Möglichkeiten kennt, aber auch, daß nicht alle die Möglichkeiten vorhanden sind, von denen der Benutzer es unterstellt. Die bloße Anzahl der Aktionen gibt nur einen ersten Hinweis auf die Möglichkeiten, die dem Benutzer zur Verfügung stehen (vgl. Abschn. 3.1.1) und weist nicht automatisch auf hohe Interaktivität eines Mediums hin. Die Frage scheint nun nicht zu sein, in welchem Medium dem Teilnehmer nun die besten Eingriffsmöglichkeiten zur Teilnahme angeboten werden, sondern darum, welche Eingriffsmöglichkeiten jeweils zur Verfügung gestellt werden. Was festgestellt werden kann (vgl. ebd.), ist, daß es je nach Medium verschieden ist, wie oft und ob der Benutzer oder Teilnehmer entscheidende Handlungen ausführen und Entscheidungen, die Konsequenzen nach sich ziehen, treffen kann. I. d. R. heißt das aber stets, daß er aus einer Palette von Möglichkeiten wählt. 3.3.2 Die Zuweisung von Bedeutung Erst die aktive, aber oft stillschweigende Interpretation von Medien durch die Teilnehmer führt zu ihrer bzw. überhaupt einer Bedeutung [Win95, S. 115]. Es scheint in Medien keine Bedeutung verborgen zu liegen, die »gegen den historischen Wandel resistent und so mehr oder minder stabil« (Edmund Husserl n. [Win95, S. 110f.]) ist, die in diesem Prozeß nur (wieder-)entdeckt wird [Win95, S. 112]. Die Bedeutungsproduktion und -zuweisung an einen medialen Text ist ein aktiver, interpretatorischer individueller Prozeß auf Seiten der Medienbenutzer, abhängig sogar noch eher von der Relevanz, die er in ihrem Kontext besitzt, als von ihrer subjektiven Präferenz. Dieser Prozeß kann eher als ein Prozeß der Produktion als einer des Auf- oder Entdeckens gesehen werden; nicht der Autor eines medialen Textes definiert seine Bedeutung, sondern seine Leser. Es wird deutlich, »daß der passive Konsument ein Mythos ist [und] daß die Annahme, vom Inhalt eines medialen Textes ließen sich seine Wirkungen linear ableiten, falsch ist.« (Ebd., S. 222) Für den Film heißt dies etwa, daß »[e]rst im Akt der Rezeption [...] ein Film als ein kulturelles Objekt mit einer je besonderen Bedeutung konstituiert [wird].« (Ebd., S. 137) Die Interpretation und die Zuweisung von Bedeutung beschränkt sich nicht auf klassische (Massen-)Medien oder »Kulturwaren« ([Wil91, 61

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S. 162] zit. n. [Win95, S. 114]), sondern ist ein kontinuierlicher und aktiver Prozeß im Umgang mit allen Medien (vgl. ebd., S. 116); Künstliches und Natürliches wird vom Betrachter i. d. R. unwillkürlich in Beziehung zu ihm gesetzt, zum eigenen Kontext, der eigenen Erfahrung, der eigenen Situation und auch zum eigenen Körper ([BG03, S. 129 und S. 169]). Diese Zumessung von Bedeutung geschieht nicht erst nach, sondern sofort, schon bei der Wahrnehmung ([Tho90, S. 153] n. [Win95, S. 115]). Der Kampf um Bedeutung

Die Zuweisung von Bedeutung ist ein individueller Prozeß in Verbindung mit der jeweiligen Situation des Interpretierenden, seinem Kontext; nicht der Autor bestimmt über Interpretation oder Bedeutung seines Textes, sondern seine Leser, »die in dessen Gebrauch [vgl. [Eco87, S. 43]] ihre eigenen Interessen und Absichten verfolgen.« [Win95, S. 222] Die Bedeutung eines Textes kann also weder eindeutig festgestellt, festgeschrieben oder für andere Personen festgelegt werden; sie ist nicht inhärent in einem Werk abrufbar vorhanden, und der Prozeß der Bedeutungszuweisung ist einer der Produktion, nicht des Auf- oder Entdeckens (ebd., S. 220). Diese Aneignung von medialen Texten wird nicht in erster Linie durch die Präferenz der Leser bestimmt, sondern durch die Relevanz, die sie für sie in ihrer etwa sozialen Situation besitzen (ebd., S. 108). Je nach Perspektive kann der Prozeß der Bedeutungszuweisung bei Medien auch als »Auseinandersetzung« oder »Kampf« (ebd., S. 127, Anm. 215) angesehen werden, der Konfliktpotential birgt: »The meaning of a text is always the site of a struggle.« ([Gro86, S. 86] zit. n. [Win95, S. 127]) Der Kontextbezug

Während die Bedeutung eines Textes vom Leser innerhalb seines subjektiven Kontextes produktiv zugewiesen und nicht etwa nur eine in einem Werk vom Autor festgelegte Bedeutung aufgedeckt wird, geschieht diese Interpretation individuell, aber durchaus nicht zufällig [Win95, S. 222]. Weitgehend bestimmt wird die erfolgende Interpretation von dem Kontext des Interpretierenden und der Relevanz, die der Text in diesem Zusammenhang besitzt; die subjektive Präferenz scheint dabei eine geringere Rolle zu spielen (ebd., S. 221 und vgl. o.).

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Vom Umgang mit Medien

Der Umgang mit einem medialen Text ist also ein »aktiver Prozeß der Bedeutungsproduktion«, denn »[e]rst in den kulturellen und sozialen Kontexten des Alltags gewinnen nämlich ›Medienbotschaften‹ ihren Sinn.« (Ebd., S. 15) Die Bedeutung eines medialen Textes existiert erst und nur bei aktiver Aneignung in einem subjektiven Kontext, durch die Interaktion des Lesers mit dem Werk (ebd., S. 221, zum Filmzuschauer als aktivem Leser vgl. ebd., S. 214, zur Integration des persönlichen Kontextes bei der aktiven Aneignung von Medien vgl. ebd., S. 214ff.). Es kann auch argumentiert werden, daß die Leser (und nicht der Autor) eines medialen Textes so großen Anteil an der kontextuellen Bestimmung seiner Bedeutung haben, daß sie ihn erst erschaffen (ebd., S. 108, vgl. o.). Ein Leser kann einen Text offenbar überhaupt nur verstehen, wenn er ihn in einem bestimmten Zusammenhang versteht. Die Frage nach der Bedeutung eines Textes ist also in diesem Sinne auch stets die Frage nach dem Kontext, innerhalb dessen er verstanden werden soll ([BW87, S. 262] n. [Win95, S. 105]). 3.3.3 Die Ergänzung fehlender Sinne Given only the sound of a play, we have to fill in all of the senses, not just the sight of the action. Marshall McLuhan [McL02, S. 331]

Im Umgang mit der Welt werden i. d. R. nicht immer alle Sinne in gleichem Maße angesprochen. Die mentale Ergänzung von fehlenden und die Vervollständigung von unvollständigen Sinneseindrücken ist also kein auf den Umgang mit (etwa (Massen-)Medien beschränktes Phänomen. Es ist ein i. d. R. stillschweigender und müheloser, aber zweifellos aktiver Vorgang, der über das Rezipieren dargebotener Sinnesreize offenbar deutlich hinausgeht [McL02, S. 291]. Dies impliziert dabei nicht, daß der Leser oder Zuhörer die fehlenden Sinne, die er ergänzt, zunächst vermißt (vgl. [ArnoJ, S. 33]). Die zu ergänzenden Sinne vervollständigen sich gegenseitig [McL02, S. 292]. McLuhan beschreibt dieses Phänomen mit den Begriffen der low und high definition von Medien (ebd., S. 24f. u. a.) etwa am Beispiel des Fernsehens: »Not unlike the character of the woodcut and the cartoon is the TV image, with its very low degree of data about objects, and the resulting high degree of participation by the viewer in order to complete what is only hinted at in the mosaic mesh of dots.« (Ebd., S. 174) 63

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Die Quantität und Qualität der in einem Medium einbezogenen Sinne ist natürlich charakteristisch für dieses Medium und grenzt es als Unterscheidungskriterium gegenüber anderen Medien ab (ebd., S. 263). Im Umgang mit Medien ergänzt der Medienbenutzer aktiv, aber i. d. R. unwillkürlich seine Sinneseindrücke um die dem Medium fehlenden. Der Umgang mit Medien ist in dieser Hinsicht ein aktiver Vorgang, der über das Rezipieren von dargebotenen Sinnesreizen hinausgeht. Es scheint sogar so zu sein, daß je größer der mediale Abstand zwischen Betrachter und Inhalt ist, desto eher und stärker der Medienbenutzer bereit ist, dem Medium (etwa dem Radio) zu glauben. Die Unzulänglichkeiten des Mediums, die er automatisch und unwillkürlich und mühelos ausgleicht, kaschieren dann bis zu einem gewissen Grad auch die inhaltlichen Unzulänglichkeiten. 3.3.4 Die Ergänzung fehlenden Inhalts [...] reading and viewing are not passive experiences at all but require us to construct the story in an active manner. Janet Murray [Mur97, S. 294, Anm. 7]

Mediendarstellungen sind offensichtlich inhaltlich unvollständig in dem Sinne, daß sie keine komplette Beschreibung ihres Inhalts liefern, sondern abstrahieren. Die Abstraktion wird von z. B. den Filmzuschauern erkannt, und die inhaltlichen Auslassungen werden von ihnen unwillkürlich ausgefüllt10 [McL02, S. 31]. Voraussetzung dafür ist eine Aktivität auf Seiten der Betrachter, die über das passive Rezipieren des gebotenen Inhalts deutlich hinausgeht. Diese erfordert auf Seiten der Teilnehmer eine informierte Decodierung, die im Falle bekannter Medien wie dem Film durch lange Medienerfahrung meist implizit und scheinbar mühelos durch das Lernen von Konventionen erworben wird, bei neuen, unbekannten oder unkonventionellen Medien aber durchaus eine bewußte Anstrengung erfordert. Zuschauer ergänzen, was inhaltlich fehlt [Sta98, S. 426]. Selbstverständlich ergänzen sie auch nur, was inhaltlich fehlt (Roger Avery in [Ave03]). Obwohl Manovich [Man00b, S. 71] darauf hinweist, daß Ellipsen in »modern media« verglichen mit klassischen Medien in offenbar zuneh10 | Zum Medien-Teilnehmer als Co-Autor vgl. Abschn. 3.1.2.

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mendem Maße vorkommen, findet die inhaltliche Ergänzung bruchstückhafter Informationen zu einem schlüssigen Ganzen selbstverständlich schon immer im Umgang mit Medien statt; die mediale inhaltliche Ergänzung hat nicht die Moderne erfunden. Für die inhaltliche Ergänzung von Medien ist der Zuschauer auf (i. d. R. verinnerlichte) Konventionen angewiesen, fehlende Sinne kann er auch ohne einen solchen Rückgriff ergänzen (vgl. Abschn. 3.3.3). Ein Beispiel für eine Ergänzung durch den Zuschauer ist der narrative Film, bei dem inhaltliche Auslassungen, vom Zuschauer i. d. R. mühelos und stillschweigend ergänzt werden. Die Konventionen, an Hand derer eine mediale Darstellung inhaltlich ergänzt wird, betreffen Medien wie (narrative) Filme, Bücher oder Spiele, aber auch verschiedene Genres in Filmen. Menschen sind sehr geübt darin, bekannte Genres oder Muster in Medien zu erkennen und ihren Inhalt entsprechend zu interpretieren ([Mur97, S. 156], vgl. auch Abschn. 3.3.1). Ein blasser, junger Mann in einem unordentlichen Anzug wird natürlich unterschiedlich wahrgenommen und interpretiert, wenn er in einer Musikerbiographie wie Walk the Line (2005) oder in einem Horrorfilm wie Night of the Living Dead (1968) auftaucht. Filmzuschauer etwa haben die Konventionen, nach denen populäre Filme bestimmter Genres zu interpretieren sind, längst soweit verinnerlicht, daß sie ihnen nicht mehr bewußt sind. Eine der klassischen Konventionen, nach denen Inhalt in der medialen Darstellung ausgelassen und mental von den Zuschauern ergänzt wird, ist etwa das Rauchen einer Zigarette statt Sex wie z. B. in Chinatown (1974). Dieser Rückgriff auf Konventionen erfordert nun die Einhaltung von gewissen Genretypischen Konventionen, nach denen der Zuschauer ja einen Film anschaut, bewertet und auch versteht. Werden die Konventionen nicht ausreichend eingehalten oder wird dies dem Zuschauer nicht ausreichend deutlich mitgeteilt, kann er sich nicht (länger) auf den Film einlassen (vgl. [Spi05, S. 164] zum Film Entre las piermas (1999), dt. Die Last mit der Lust). Damit ist nicht gemeint, daß die Konventionen nicht veränderbar sind; manchmal fällt Zuschauern auch eine unabsichtliche oder absichtliche Verletzung der Konventionen auf. Eine Bombenexplosion wird z. B. oft so dargestellt, daß zuerst die Bombe plaziert wird, der Zuschauer also Bescheid weiß; später wird dann in Großaufnahme gezeigt, wie der Zündmechanismus betätigt wird (Herumdrehen des Autozündschlüssels, Öffnen des Aktenkoffers, der auf null springende Zeitzünder 65

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o. ä.), dann optional das Gesicht des Opfers (je nachdem, ob es weiß, was jetzt passiert), und zuletzt eine Totale des Objekts, das nun in die Luft fliegt (ein Auto auf einem Parkplatz, ein Hochaus von der Straße aus gesehen etc.). In A Life Less Ordinary (1997) wird nun absichtlich genau gegen diese Konvention verstoßen, indem der Protagonist eine Bombe in einem Kofferraum findet, der Zeitzünder in Großaufnahme auf null springt, das erschreckte Gesicht des Protagonisten gezeigt wird, auf eine Totale des Autos gewechselt wird und – nichts passiert, denn die Bombe war nur eine Attrappe.

3.4 Die entscheidende Teilnahme Action is indeed the primary component of human-computer activity – not environments, interfaces, or objects. Brenda Laurel [Lau93, S. 135]

An einigen Medien kann der Teilnehmer inhaltlich entscheidend teilnehmen, Verlauf und Ergebnis (mit-)bestimmen, an anderen nicht. Es scheint verschiedene Arten oder Modi des Umgangs mit Medien zu geben, die je nach Medium unterschiedlich und spezifisch sind. Die eine Art wird hier als Aktion, die andere als Reflektion bezeichnet. In der alltäglichen Welt gehen Aktion und Reflektion ineinander über in der Art, daß Handelnde sich manchmal reflektiv in sich zurückziehen, überlegen etc. und nur in geringem Maße eingreifen; manchmal sind sie aktiv und wirken verändernd auf ihre Umwelt ein und reflektieren wenig oder hinterher. Aktion und Reflektion finden also stets zwar gleichzeitig, aber in unterschiedlichem Maße statt. Traditionelle Medien scheinen tendentiell entweder eher der Aktion oder der Reflektion zugeneigt zu sein, so etwa das Spiel und das Theater. Aktiv sind beide Vorgänge als Handlungen des Teilnehmers [Mur97, S. 111f.], und beides tritt stets in Maßen auf. Aktion ist dabei fast vollständig initiativ und kreativ auf Veränderung zielend nach außen gerichtet; Reflektion richtet sich i. d. R. nach innen, etwa auf Einsicht und Vergleich. In diesem Sinne widersprechen sich Aktion und Reflektion offenbar, denn Medienteilnehmer können nicht gleichzeitig aktiv handelnd eingreifen und sich reflektiv zurücknehmen. Aktion und Reflektion sind nicht in erster Linie bestimmte Tätigkeiten, sondern vielmehr willentlich eingenommene Zustände oder Perspektiven der Teilnahme. Wechsel der Rolle zwischen Aktion und Re66

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flektion oder zwischen verschiedenen Aktionen können auch als Wechsel zwischen verschiedenen Körpern im Sinne von Möglichkeitsräumen angesehen werden. Diese Wechsel in der Rolle von Zuschauer und Akteur scheinen im Interesse einer intensiven Teilnahme möglichst zu unterlassen zu sein (vgl. [Dom98, Juu98] und dagegen [Man00b, S. 187f.]). Dies gilt sowohl für die story als auch für das Spiel. Je länger kein Wechsel von einem Modus in den anderen stattfindet, desto leichter, angenehmer und tiefer scheint sich diese Teilnahme zu vollziehen (vgl. den Begriff des flows bei Csikszentmihalyi). Die Teilnahme an einem Medium scheint durch eine konsequent verfolgte und durchgehaltene entschiedene Perspektive erleichtert zu werden. Es erscheint zweifelhaft, daß »[t]he area of immersive enchantment« in der Schnittmenge (»overlap«) zwischen »a world that is more given [...] and a world that is more improvised« [Mur97, S. 267] zu finden ist, im Gegenteil: Diejenigen Medien sind erfolgreich, die extreme Positionen des Umgangs besetzen. Dabei ist entweder nichts gegeben, und der Teilnehmer kann und muß alles entscheiden (im Spiel), oder es ist alles gegeben, und der Teilnehmer kann und muß nichts entscheiden (in der story). Medien legen dem Teilnehmer bestimmte Arten der Teilnahme nahe, und damit ein bestimmtes Verhältnis von Aktion zu Reflektion, so auch der Computer. In ihm kommen ein oszillierender aktiver und reflektiver Umgang zusammen11, ohne sich allerdings graduell zu mischen. Der Begriff der Kontrolle im Sinne von Steuerung durch die Aktion des Medienteilnehmers ist eng mit dem Begriff der Interaktion verbunden, wie am Beispiel des Computerspiels deutlich wird. Spieler treffen souveräne Entscheidungen, und sie wollen sie auch treffen, die den Verlauf und den Ausgang des Spiels bestimmen; ohne sie, ihr Tun und ihre Teilnahme fände kein Spiel statt. Auch der Computer ist ein solches interaktives Medium, dessen user über die Möglichkeit der inhaltlich entscheidenden Teilnahme verfügen und notwendigerweise eigene Kontrolle über Verlauf und Ausgang ausüben. Der Umgang des users mit dem Computer scheint in dieser Hinsicht nun nicht nur aktiv zu sein, wie aller Umgang mit Medien ist, sondern interaktiv: »[...] new media moves us from identification to action.« [Man00b, S. 167] Dies ist das Neue am interaktiven Computer, das möglicherweise auch eine ganz neue mediale Perspektive eröffnet: »In11 | Diese Oszillation zwischen Aktion und Reflektion ist natürlich eine andere als die von Valéry beschriebene zwischen etwa Praxis und Ästhetik (vgl. [Sch65, S. 76]).

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teractivity’s promise is that the experience of culture can be something you do rather than something you are given.« [Rok98, S. 27] Und dies gilt nun nicht mehr nur für etwa Künstler. »While the existing theories of illusionism assume that the subject acts strictly a viewer, the new media more often than not turns the subject into the user. The subject is expected to interact with a representation [...].« [Man00b, S. 185] Dabei kann durchaus davon ausgegangen werden, daß es auf Seiten des Medienbenutzers zu einer Abwägung zwischen den Garantieen einer etwa von einem Autor orchestrierten story und den Möglichkeiten eines offenen Umgangs mit dem Computer kommt (vgl. Abschn. 5.4). Das kann heißen, daß ein eigener, entscheidender und inhaltlicher Eingriff einer potentiell wohlgeformten Erfahrung und eindrucksvollen Darstellung vorgezogen wird. 3.4.1 Aktivitätslevel im Umgang mit Medien Ein Medienbenutzer ist offenbar stets aktiv und nimmt in unterschiedlichem Maß und in spezifischer Weise an verschiedenen Medien teil. Dabei sind verschiedene (Inter-)Aktivitätslevel (vgl. Abschn. 3.1.1) und die Gewöhnung an bestimmte Abläufe von Interaktion (s. [Win95, S. 20] bzw. [HA71, S. 123]) zu beobachten. Zwei deutlich unterscheidbare Ausprägungen dieser medialen Teilnahme werden hier mit den Begriffen (participatory) Aktion und (vicarious) Reflektion beschrieben (vgl. [New02, S. 415]). Wechsel von Aktion zu Reflektion und umgekehrt hindern ein selbstverständliches und bruchloses Umgehen mit Medien; sie machen eine Neueinschätzung der eigenen Möglichkeiten im Bezug auf das Medium auf einer konzeptionellen Ebene notwendig, die den Umgang unterbricht. Zwar ist Medienbenutzern bewußt, daß sie Medien benutzen, Wechsel ihrer Rolle stören sie jedoch in ihrer Teilnahme. Bei aller technischen und optischen Konvergenz spielen Aktion und Reflektion zur strukturellen Unterscheidung zwischen Medien eine wesentliche Rolle. Es erscheint naheliegend, eine Verbindung von der Aktion etwa zum Computer [Mur97, S. 181] und Spiel sowie von der Reflektion zum Theater, Kino und Konzert zu ziehen. Als Beispiel für das Zusammentreffen von aktiver und reflektiver Teilnahme am Computer werden hier die als kurze, filmartige Zwischensequenzen in Computerspielen vorkommenden cut scenes näher betrachtet. An ihnen läßt sich der Unterschied zwischen Aktion (in diesem Fall dem game play) und der Reflektion (der cinematischen Darstel68

Vom Umgang mit Medien

lung) besonders deutlich beobachten, sie begegnen sich hier unmittelbar und wechseln sich komplementär ab, ohne sich jedoch zu mischen. Der Wechsel zwischen Aktion und Reflektion scheint im alltäglichen Umgang mit dem Rechner so selbstverständlich vorzukommen, daß Manovich [Man00b, S. 189] sogar vermutet, er sei als »typical of [...] modern computer use in general« anzusehen. Schließlich wird die Identifikation des Benutzers mit dem Inhalt diskutiert, die offenbar in allen medialen Darstellungen eine wesentliche Rolle spielt, denn sie dient sowohl als Ausgangspunkt für Reflektion als auch für Aktion. Ohne Identifikation bliebe der Teilnehmer äußerer, distanzierter Beobachter. Cut scenes

Als cut scenes werden in Computerspielen kurze Filme bezeichnet, die als Zwischensequenzen eingeblendet werden und ein Stück Hintergrundgeschichte o. ä. darstellen; sie sind »linear, prescripted, noninteractive, and story-driven« [SZ04, S. 408]. Während die cut scene läuft, ist das game play ausgesetzt und kann der Spieler nicht eingreifen, außer ggf. die Darstellung der cut scene abzubrechen [Juu98]. Begonnen hat der Trend zur durchaus eindrucksvollen cineastischen Darstellung in Computerspielen mit »lavish opening cinematic sequences (called in the game business ›cinematics‹) to set the mood, establish the setting and introduce the narrative« [Man00b, S. 90]. Eines der ersten Spiele, das cut scenes in der »oscillation between interactive fragments requiring user’s input and non-interactive cinematic sequences« (ebd.) einsetzte, war Wing Commander (1990); es wurde dem Spieler nun schnell klar, daß es einen wesentlichen Unterschied und Wechsel zum Spiel bzw. game play gab: »We ooh and aah over the cinematic techniques used in Wing Commander [but we can’t do nothing but watch, just like in Hollywood movies].« ([Cra92], vgl. auch [Dom98]) I. d. R. sind cut scenes deutlich als solche zu erkennen; der Spieler merkt nicht erst, daß er nichts tun kann, wenn er es versucht. Üblich ist etwa in der Imitation eines breiten Kinobildes die Einblendung eines schwarzen Balkens oben und unten im Bild und i. d. R. das Verschwinden eines ggf. vorhandenen Mauspfeils oder Fadenkreuzes. Diese Definition von cut scenes ist selbstverständlich nur sinnvoll, wenn ein Unterschied zwischen narrative und game play vorausgesetzt wird: »Although cutscenes are often described as being ›out-of-game‹ narratives that cut into game play, this distinction is only useful if we limit 69

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the definition of game play to those moments when players take action within the game world.« [SZ04, S. 408] Manovich [Man00b, S. 185–9, insbesondere S. 186f.] beschreibt das Verhältnis von cut scene und game play als Gegensatz von »representation and control« (ebd., S. 187). Er weist auf Anatoly Prokhorov hin, der den Wechsel zwischen game play und cut scene als einen Wechsel zwischen den »two different identities of a computer screen« (ebd.) benennt: »The screen keeps shifting from being transparent to being opaque – from a window into a fictional 3D universe to a solid surface, full of menus, controls, text and icons.« (Ebd., vgl. auch [BG03]) Der Computerspieler ist gezwungen, diese »periodic shifts« [Man00b, S. 186] mitzumachen; entweder fühlt er sich dabei genötigt oder davon abgehalten einzugreifen: »The subject is forced to oscillate between the roles of viewer and user, shifting between perceiving and acting, between following the story and actively participating in it. During one segment the computer screen presents the viewer with an engaging cinematic narrative. Suddenly the image freezes, menus and icons appear and the viewer is forced to act: make choices; click; push buttons. [...] Three-dimensional space becomes surface; a photograph becomes a diagram; a character becomes an icon. [...] What at one moment was a fictional universe becomes a set of buttons which demand action.« (Ebd., S. 186f.) Das Ziel von cut scenes in Computerspielen ist offenbar, dem Spiel mit filmischen Mitteln Intensität zu verleihen [Mor05]: »It would seem like this approach makes sense, but there’s a problem. Games aren’t film.« (Ebd.) Ein vielleicht offensichtliches Problem bei der Verwendung von cut scenes ist, daß der Spieler die cut scene einerseits deutlich erkennen können muß, während die cut scene sich andererseits möglichst fugenlos in die graphische Darstellung und den Inhalt des Spiels einfügen soll. Wird der Spieler nicht deutlich genug auf diesen Wechsel hingewiesen, ist ihm nicht klar, welches Verhalten von ihm zur Teilnahme an diesem Medium gefordert ist, und was er tun kann. House of the Dead III (Demo, 2005) zerrt den Spieler auf festgelegtem Pfad, Blickrichtung und -winkel durch eine unheimliche Umgebung und hält immer wieder nahtlos an, wenn es etwas abzuschießen gibt, dann erscheint auch das Fadenkreuz. Es kann eine ganze Weile dauern, bis der Spiel merkt und sich darauf eingestellt hat, wann er etwas tun und wann er nur zuschauen kann. Ein weiteres Beispiel dafür ist Abe’s Oddysey (1994): »[...] we did these in-game cinematics that introduced Abe and blended straight into the game and surprised the players. So we like breaking 70

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down the barriers between those two worlds. Watching something passively and then suddenly being involved in it is like bringing the Matrix into the game.« (Scott Easley in [Kre06d, S. 50]) In Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs (2003) wird ebenfalls mittels graphischer Darstellung eine essentielle konzeptionelle Grenze überdeckt; für Korn [Kor06, S. 78] »ein herausragendes Beispiel für Medienfusion und Medienkonvergenz«: »Zum Teil verschmelzen im Spiel Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs (2003) nahtlos die Übergänge filmischer und computergestützter Sequenzen. Intropassagen der jeweiligen Missionen starten mit Originalsequenzen aus dem erfolgreichen Kinofilm. Das letzte Filmbild bleibt gewissermaßen als Standbild stehen und verwandelt sich nahezu unmerklich vom Pixelbild zur CAD-Szene des Computerspiels. Der Spieler kann ohne Zäsur den Film selbst weiterspielen [...].« Während Medien stets von ihren Benutzern erkannt werden müssen, damit sie an ihnen angemessen teilnehmen können, und dies also kein spezielles Problem von cut scenes darstellt, ist der Einsatz von cut scenes in Computerspielen aus einem anderen Grund überhaupt in Frage zu stellen. Die Teilnahme an Medien durch ihre Benutzer beruht auf der gekonnten Wahrnahme von Möglichkeiten, auf dem Ausfüllen einer bestimmten Rolle, auf dem Einnehmen einer speziellen Perspektive. Was einen Medienbenutzer aus der Teilnahme an Medien herausreißt, sind Wechsel von der einen Rolle zur anderen, wie sie etwa durch cut scenes ausgelöst werden [Man00b, S. 189]. Ein Beispiel, wie eine cut scene einen Spieler aus einem Spiel hinaus- und in eine Zuschauerrolle hineindrängt, gibt Morton: »I’m actively participating in the character’s fate. Then comes the cut scene. Suddenly I’m not in control of my character anymore. And what’s more, those black bars have closed in on the top and bottom of the screen, signifying to me that this is, indeed, a cut scene. What does a player do next? They revert immediately to ›film mode‹ as well. They sit back and watch things happen to the characters on screen, soaking in the great visuals and thundering orchestral music. You’ve just lost your player. Regardless of how attached they were to the character they were controlling, that character is no longer an extension of the player once the cut scene begins. They’re ›taking a break‹ from their role in the gameworld reality, and even if the cut scene has the best stuff in the world in terms of video and music, your player’s emotional involvement will never be as high as it would have been had they remained involved in some way.« [Mor05]

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Das medial erzwungene Wechseln der Rolle des Teilnehmers geht deutlich etwa über selbstreferentielle Hinweise auf die Natur der medialen Darstellung hinaus (s. Abschn. 3.2.1), wie sie etwa Robert Altman in seinen Filmen unterbringt (vgl. [Bis99, S. 81f.]), und ist deutlich auch von einer zyklischen Änderung einer Aktivität (z. B. in einem Gruppenprozeß) innerhalb einer eingenommenen und fortbestehenden Rolle, die durchaus normal und erstrebenswert ist (etwa Diskussion, Evaluation) [Hor04] zu unterscheiden. Unterbrechungen und Grenzen eines Mediums werden offenbar von seinen Teilnehmern hingenommen und akzeptiert. Beispiele dafür sind etwa Spielunterbrechungen wie Aus- oder Halbzeiten und Werbeunterbrechungen von Fernsehfilmen. Diese Eigenheiten der Medien erfordern keine störende Änderung der Rolle der Teilnehmer, etwa vom aktiven Modus in den reflektiven. Ein solcher Wechsel zwischen einer aktiven und einer reflektiven Rolle in Medien wird hervorgerufen durch einen Wechsel im Maß der Kontrolle, die der Teilnehmer ausüben kann (s. u.). Diese Wechsel stören das Gefühl der medialen Teilnahme, weil sie eine Neueinschätzung der eigenen Rolle im Bezug auf den Kontext notwendig machen. Einen Hinweis darauf mag auch geben, daß solche Wechsel in einigen Medien, wo möglich, offenbar vermieden werden; etwa wird in Unterbrechungen wie (Halbzeit-)Pausen bei Fußballspielen in Stadien oft sofort Musik eingespielt; vermutlich nicht, weil die Zuschauer sich sonst gleich langweilen würden, sondern damit sie im reflektiven Modus verbleiben und sich ihrer selbst nicht (wieder) bewußt werden und beginnen zu handeln. Wechsel »between illusionary segments and interactive segments« kommen im Umgang mit dem interaktiven Computer zweifellos vor [Man00b, S. 189]. Diese Positionen von Aktion und Reflektion wechseln sich dabei ab, vermischen sich aber nicht. Manovichs Folgerungen, daß dieses Oszillieren notwendig zur Teilnahme wäre und ein wesentliches Merkmal des Umgangs mit dem interaktiven Computer darstellt (ebd., S. 187f.), bleiben hier zunächst dahingestellt. Die Beispiele, die Manovich zum Wechsel der Rolle des users zwischen aktiv und reflektiv anführt (»The user analyses the quantitative data; next she is using a search engine; next she starts a new application; next she navigates through space in a computer game; next she may go back to using a search engine; and so on.« (Ebd., S. 189)), sind jedoch alle (inter-)aktiv, nicht reflektiv; diese Beobachtungen sagen wenig über peri72

Vom Umgang mit Medien

odische Wechsel zwischen den Perspektiven der Aktion und der Reflektion aus. Der auf bestimmte Zeiten oder Gelegenheiten beschränkte Eingriff des users oder Spielers etwa im Wechsel von Perioden der Aktion und der Reflektion besitzt im Sinne Laurels (vgl. Abschn. 3.1.1) keine besonders hohe Interaktion. In Abschnitt 3.4 wird die Ansicht vertreten, daß die möglichst entschiedene Umsetzung und das Durchhalten einer der Positionen günstig sei (vgl. auch Abschn. 5.4.1). Wenn sich der Einsatz von cut scenes in Computerspielen als ungünstig für die intensive und andauernde Teilnahme der Spieler erweist, stellt sich die Frage, ob sie ersetzt oder auf sie zugunsten von etwa Dialogboxen verzichtet werden kann [Mor05]. Dialogboxen erscheinen allerdings selbstverständlich ebenso als Unterbrechung des game plays wie cut scenes, die Art der medialen Darstellung scheint dabei unerheblich zu sein [Bor04a]. Das, was innerhalb eines Spiels relevant ist, sollte auch innerhalb des Spiels vorkommen ([Cha04, S. 72] unter Bezug auf [Lau86a], zum Lernspiel s. Abschn. 4.5.5), und nicht anderweitig als cut scene oder als Dialogbox eingebracht werden, schon gar nicht in einer Weise, die das Spiel unterbricht und hemmt. Aktion [...] Markku Eskelinen [...] points out, drawing on Espen Aarseth’s well-known typology of cybertexts, that playing a game is predominantly a configurative practice, not an interpretative one like film or literature. Rune Klevjer [Kle02]12

Es erscheint nun naheliegend, eine Verbindung von der Aktion zum Spiel und von der Reflektion zur Theatervorstellung, zum Film oder zur narrative zu ziehen. Bei aller inhaltlichen, technischen und optischen Ähnlichkeit miteinander scheint die konzeptionelle Unterscheidung zwischen Aktion und Reflektion dabei eine wesentliche Rolle zu spielen. In diesem Abschnitt wird nun der Zusammenhang von Spiel und Aktion am Beispiel des Computerspiels diskutiert. Dabei wird das Handeln des Spielers als Vorgang gekennzeichnet, der das Spiel für ihn konstituiert und von dem er nicht zurücktreten kann, wenn er Spieler bleiben will. 12 | Zit. n. [Fra03, S. 4]

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Interaktivität als Spiel

Es ist offensichtlich, daß jeder Umgang mit Medien aktiv auf Seiten der Medienbenutzer ist; aber die Aktivität eines Lesers ist von anderer Art als die Aktivität eines Spielers [Mur97, S. 294, Anm. 7]. Ein Anschauen eines Films etwa »is a passive form of entertainment. When one sits down to watch a film, one expects to be taken on a ride of sorts and be moved in some way by simple observation. Games are different.« [Mor05] In Spielen läßt »man sich nicht im Sofaplüsch versunken vom Fernsehen berieseln [...], sondern [ist] selbst Teil der Handlung [...]. Meist muß man ein Rätsel lösen. [...] man [bekommt] die Handlung nicht serviert [...], sondern [muss] selbst entdecken und entwickeln [...].« [Kra05, S. 26] In Spielen geht es offenbar in erster Linie um die Möglichkeiten des inhaltlich entscheidenden Eingriffs, nicht etwa wie bei Filmen um eine (innere) Reflektion. In diesem Sinne entspricht das Spiel Lashs »postmodernistisch figurale[n]«, der Film seiner »modernistisch diskursive[n] Sensibilität« ([Las90, S. 175ff.] zit. n. [Win95, S. 56]): »The key question for game designers and digital media is not, What is it?« [SZ04, S. 87] Oder: Was stellt es dar? Oder: »[W]as geht hier vor?« (Roland Barthes zit. n. [Ebe97, S. 8]) Oder gar: Was bedeutet es? Die Frage lautet: Was kann man hier machen? Oder anders: »What can it do?« [SZ04, S. 87] Wenn ein Spiel für einen Spieler beschrieben wird (und das kann genauso eine bestimmte Variante von Fußball sein (wie Hoch-Hinein) wie ein neues Computerspiel), ist offenbar primär interessant, was er tun kann und muß, während das setting, die Hintergrundgeschichte, die Art der Darstellung etc. dabei sekundär sind. Während also in gewisser Ausführlichkeit beschrieben wird, was der Spieler etwa in Maze Of Galious tun kann, wird kein Wort über eine Hintergrundgeschichte verloren, die erklären würde, warum die Helden Popolon und Aphrodite in dem CASTLE sind oder warum sie soviele Feinde haben: »MOG [Maze Of Galious] is a very ad[d]ictive game where you have to kill thousands of enemies, collect items in order to obtain new powers, and defeat some really great guys at the end of each level. [...] In MOG you are free to go everywhere you want from the begining of the game, you have to choose very carefully the order in which you visit all the rooms in the HUGE map if you want to keep your character alive. The map is structure[d] in a main map (called the CASTLE), and 10 submaps (called the WORLDS), initially you are in the castle, and you have to find the keys that open the doors to go to each of the worlds. To complete the game, you have to defeat the boss at the end of each one of the 10 worlds. You are free to revisit each world as often as you want, in order to see 74

Vom Umgang mit Medien

if you have missed something. To defeat all 10 beasts, you control two characters: POPOLON and APHRODITE, and each one have special abilities, i. e. Popolon has a greater ability to jump and Aphrodite is able to dive.« [Maz05] Wenn es nun ein Computerspiel-Genre gibt, bei dem es augenscheinlich fraglich ist, ob in ihm die Aktion oder die Reflektion überwiegen, ist es wohl das des adventure games. Im Anschluß an die Definition von Adams [Ada99b] ist mit adventure hier ein Computerspiel »with characters, puzzles, and a plot to be unfolded, usually without any twitch elements« gemeint: »Adventure games are those that require thinking over reflexes, tell a story, and have a clear-cut beginning and end.« [GamoJ] In diesem Sinne typische adventures sind etwa die (text) adventures Guild of Thieves (1987) und Fish (1988), aber auch die (graphic) adventures Larry (1987) und Monkey Island (1990). Im Spiel geht es aber stets um die Handlung des Spielers, sein aktives und entscheidendes Eingreifen, nicht um das reflektive Aufnehmen oder Nachvollziehen einer story; selbst bei adventure games scheint dies unzweifelhaft zu sein (vgl. auch Abschn. 5.4.2). »Im Zentrum des Adventurespiels steht die Handlung: Einen Weg wählen, einen Gegenstand benutzen, einen Feind töten.« [Pia02, S. 104] Und dies trifft selbverständlich auf adventure games wie auf alle Spiele zu; das Spielen eines Spiels ist (in erster Linie) aktiv und nicht reflektiv (vgl. [Kel98, S. 190 und S. 196f.]): »Vorbei ist die Zeit des untätigen Gaffens auf Leinwand oder Fernsehschirm, des Hoffens auf die Fähigkeiten eines fernen Helden. Interaktivität ist gefragt und jeder selbst ein Held.« [Wes99, S. 94] Reflektion scheint das Spielen von Spielen sogar in gewissem Grade zu stören, da natürlich jede Reflektion die Aktion erschwert [Fri99, S. 93]: »Reflection kills« (Timothy Druckrey, pers. Komm., 19. Nov 2008). Die unmittelbare, subjektive Erfahrung des Spiels, das völlige und rückhaltlose Eintauchen, den völligen Einsatz der zur Verfügung stehenden (d. h. spielerischen) Mittel und die vollständige Identifikation mit Spielfigur und -ziel litt unter etwa analytischer oder kritischer Distanz. Nicht die Reflektion während des Spiels oder nach dem Spiel ist das Ziel, sondern das Tun und das Moment der Aktion selbst [Gla01, S. 58]. Die Aktion ist es, die Spiele interessant macht; während Murray dieses Phänomen aus eigener Anschauung wohl kennt, es selbst erlebt hat und es eindrücklich beschreibt, ist sie dennoch der Meinung, an dem Spiel Mad Dog McCree hätte sie die (triviale) story fasziniert [Mur97, 75

Interaktivität als Spiel

S. 146]: »[...] the moment of self-confrontation it provoked, the moment in which I was suddenly aware of an authentic but disquieting side of myself, seems to me to be the mark of a new kind of dramatic experience.« (Ebd., S. 54) Diese »new kind of dramatic experience« (ebd.) ist das aktive Eintauchen ins Spiel und kein neues Phänomen. Ein Spieler bewahrt sich keine Distanz zum Spiel, er taucht in es ein, ist Teil von ihm und handelt gleichzeitig in ihm [Röt05, S. 105]. In diesem Sinne ist der Spieler sein Spiel. Ein Spieler handelt im Spiel nicht mittelbar oder distanziert, er handelt direkt und unmittelbar; wenn er spielt, spielt er selbst, und er spielt mit sich (Régis Debray n. Bernard Robben in der Veranstaltung »Theorie digitaler Medien«13, eig. Mitschr.). Es gibt in diesem Prozeß des aktiven, unmittelbaren und vollständigen Eintauchens ins Spiel mehrere Ebenen der Teilnahme. Adams [Ada04] benennt die »[t]actical immersion« und die »[s]trategic immersion«. Die tactical immersion definiert er als den »moment-by-moment act of playing the game«, typischerweise in schnellen Actionspielen: »It’s what people call being ›in the zone‹ or ›in the groove.‹ It’s physical and immediate. When you’re tactically immersed in a game, your higher brain functions are largely shut down and you become a pair of eyes directly communicating with your fingers. It’s an almost meditation-like state – the Tetris Trance.« Als strategic immersion bezeichnet er ein »cerebral kind of involvement with the game. It’s about seeking a path to victory, or at least to optimize a situation. The highest, most abstract form of strategic immersion is experienced by chess masters, who concentrate on finding the right move among a vast number of possibilities. When you’re strategically immersed, you’re observing, calculating, deducing.« Diese Teilhabe am Spiel kommt auf anderem Wege zu Stande als etwa am Kinofilm. »Newman [New02, S. 415] claims that the pleasure of the game is not vicarious as in traditional media but participatory [...].« [Küc04, S. 35] Glassner vermutet, daß der Unterschied in den Handlungen in der Art der mentalen Planung liegt: »[C]onsider the situation« und »weigh the consequences« bei Teilnehmern reflektiver Medien bzw. »immediate [...] action« und »no time for deliberation« [Gla01, S. 58f., vgl. auch Abschn. 4.2] bei Spielern. »In Computerspielen ist der Spieler [...] in Aktivität gefangen und kann nicht zum Nachdenken kommen.« ([Huh05, S. 67], zur Identifikation, die sowohl in reflektiven als 13 | Bernard Robben, Daniel Cermak-Sassenrath, Hochschule Bremen, Medieninformatik, WS2006/7

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Vom Umgang mit Medien

auch in aktiven Medien vorkommt, s. u.) Gegenüber narrativen Medien markiert das Computerspiel in diesem Sinne den »Beginn einer neuen Ästhetik, deren Grundlage nicht mehr der distanzierte, passive Rezipient, sondern der involvierte, handelnde (Mit)Spieler ist.« [Röt05, S. 106] Das Teil-Sein seiner eigenen Handlung scheint nicht auf Medien wie etwa das Spiel beschränkt zu sein; nach Heidegger können Menschen auch beim Handeln in der alltäglichen Welt nur in begrenztem Maße sich selbst betrachten oder zurücktreten von ihrem Tun, denn sie bleiben Teil der Welt und stellen ihr Handeln nicht ein [WF86, S. 71]. Reflektion Der Konzertabend mit seinen Ritualen ist Relikt einer Welt, die längst vergangen ist und vollkommen anders tickte. Fremdkörper in einer Kultur, die sich aufs Visuelle, auf Entertainment, auf virtuelle Knallerei eingeschossen hat. Christiane Tewinkel [Tew04, S. 55]

Der Umgang mit allen Arten von Medien muß erlernt werden; dies gilt auch für Medien wie das Theater oder das Konzert, an denen die Teilnehmer nicht aktiv eingreifend teilnehmen. Dion Chrysostomos (um 40–112 n. Chr.) empfahl seinen griechischen Landsleuten in seiner Mahnrede an Rhodos, sich u. a. durch »Ruhe im Theater« und »das Maßhalten im Klatschen« (Dion Chrysostomos. 31, 161ff. Übersetzung Th. Mommsen zit. n. [Chr05, S. 545]) auszuzeichnen (und nicht länger den durch die Eingliederung in das römische Imperium verlorenen außenpolitischen Freiheiten nachzuhängen). »Dass Komponisten es sich erlauben konnten, die Geduld ihrer Zuhörer stundenlang zu strapazieren, wurde erst um 1800 möglich, als sie begannen, mit dem Roman und dem großen Theater zu konkurieren. Parallel entwickelten sich Verhaltensnormen, welche die Gesellschaft nach und nach mit sanfter Gewalt durchsetzte: Stillsitzen, [z]uhören, kein Essen, keine Handarbeiten und auf gar keinen Fall zwischendrin [h]inausgehen! [...] Das Klassikritual hat sich entwickelt, damit viele Menschen zur selben Zeit aufmerksam zuhören.« [Tew04, S. 56] I. d. R. wissen die Medienteilnehmer, was ein Medium von ihnen verlangt und was es ihnen ermöglicht; auch die ersten Kinozuschauer hatten schon verstanden, daß sie im Kino nicht handeln mußten (und konnten); es lief also niemand vor der auf der Leinwand herannahenden Lokomotive weg, zumindest gibt es davon 77

Interaktivität als Spiel

offenbar keine zeitgenössischen Berichte (vgl. [Gun89] n. [Mur97, S. 65, Anm. 1 bzw. S. 289]). Die Teilnahme an Medien wie Theatervorstellungen, Kinofilmen und Konzerten scheint im Gegensatz zu Spielen darauf zu beruhen, daß die aktive Teilnahme der Zuschauer und -hörer auf Reflektion beschränkt ist (vgl. [Lan53]): »One of the most important ways [all narrative art forms] have [developed »conventions to sustain« »the liminal [immersive] trance«] has been to prohibit participation.« [Mur97, S. 100] Der reflektive Medienteilnehmer glaubt der Illusion, weil es ihm gerade verboten ist, sie selbst zu überprüfen und in der fiktiven Welt zu handeln. »The book reader has always tended to be passive, because that is the best way to read.« [McL02, S. 215] Im Unterschied dazu glaubt der (aktive) Spieler der Spielwelt gerade so lange, wie er ihr Verhalten erfolgreich selbst überprüfen kann (s. Abschn. 5.4.1). Identifikation Engagement and identification with the protagonist are necessary in order for an audience to experience catharsis. Michael Mateas [Mat02, S. 24]

Aktion und Reflektion scheinen Kriterium einer Unterscheidung von Spiel und story zu sein; die Identifikation kommt hingegen anscheinend im Umgang mit allen Medien vor und spielt dabei eine relevante Rolle, indem sie einem Teilnehmer die Teilnahme erst ermöglicht. Dieses Phänomen der Identifikation in Medien wird hier nur kurz umrissen. Adams [Ada04] bezeichnet Identifikation als »[n]arrative immersion« und stellt fest, daß sie in Medien wie Spielen, Büchern und Filmen nahezu identisch sei. Voraussetzung für eine Identifikation mit dem Inhalt eines Mediums ist, daß der Teilnehmer genug von sich selbst im Inhalt des Mediums (wieder-)erkennt, um sich zumindest ein stückweit hineinversetzen zu können; bei reflektiven Medien sind das z. B. nachvollziehbare rationale oder emotionale Handlungen des Protagonisten ([Gla01, S. 53], vgl. Abschn. 4.1.2). Dazu gehört auch eine gewisse emotionale oder empathische Involviertheit, die vielleicht nicht treffend mit »fühlen«, sondern eher mit »mitfühlen« beschrieben wird, nicht nur mit der Hauptperson, sondern mit allen Figuren [Wul04] und mit der Filmwelt. Murray [Mur97, S. 292, Anm. 4] beschreibt diesen Zustand als 78

Vom Umgang mit Medien

»threshold state, [during which the spectators are] filled with real sensations and emotions for imaginary objects« und als »immersive trance.« (Zum Umgang mit Medien als ein bewußtes Eintauchen in die und ein Sich-Verlieren in der Menge, etwa bei Massenveranstaltungen, vgl. Abschn. 4.4, zur Personifizierung des Computers vgl. [Tie95].) Dabei kann beobachtet werden, daß je mehr ein Teilnehmer an etwas teilnimmt (vgl. Abschn. 3.1.1), desto mehr er hineingezogen wird, desto mehr sich sein Blickwinkel verengt, desto größeren Einsatz er zeigt, desto interessanter und wichtiger es ihm wird. Identifikation befördert die mediale Teilnahme eines Teilnehmers. Ein Teilnehmer reflektiver Medien wie ein Leser oder ein Theaterzuschauer erkennt ihm bekannte Situationen, Personentypen etc. wieder und identifiziert sich mit ihnen: »A player14 gets immersed in a narrative when he or she starts to care about the characters and wants to know how the story is going to end.« [Ada04] Dieser Prozeß schafft eine tiefe und unmittelbare Verbindung zwischen dem Teilnehmer und dem Inhalt eines Mediums ([DN86, S. 3], vgl. den Begriff der first-personness in Abschn. 3.1.3). Alles, was ein Medienbenutzer durch ein Medium erlebt, produziert er selbst. Das mediale Sich-Einsaugen-Lassen, Versinken oder Mitfühlen geht natürlich stets aktiv vom Zuschauer aus (vgl. [Gla01, S. 53]), und es erscheint irreführend, davon zu sprechen, daß dieser »deep state of absorption« [Mur97, S. 292, Anm. 4] etwa durch einen Geschichtenerzähler hervorgerufen werden kann (ebd.). Es ist vielmehr von einer Kollaboration von Teilnehmer und Werk auszugehen (ebd., S. 54f.). Im Theater dient die so erreichte Identifikation als Ausgangspunkt für Reflektion; im Spiel findet die Identifikation des Spielers mit der (eigenen) Mannschaft, mit der Spielfigur, mit dem Spielziel etc. statt und ist so Voraussetzung für das eigene, inhaltliche und entscheidende Handeln: »If I’ve been playing a game for an hour or so, I’ve learned to identify with the character I’m controlling. It goes beyond identification with a film character.. it’s an extension of me. [...] I’m [...] attached because I’m in control.« ([Mor05], zu Kontrolle in Spielen s. u.) Ohne Identifikation bleibt ein Teilnehmer äußerer, distanzierter Beobachter, der sich dem Medium bedient, sich ihm aber nicht hingibt und es formal (und nicht inhaltlich) analysiert ([Fri99, S. 93], vgl. zur Decodierung von Horrorfilmen [Win95]) 14 | Damit ist wohl an dieser Stelle ein Teilnehmer reflektiver Medien wie ein Leser oder Filmzuschauer gemeint.

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Interaktivität als Spiel

3.4.2 Formen von Teilnahme und Kontrolle Der Begriff der Kontrolle im Sinne von Steuerung durch die Aktion des Medienteilnehmers scheint eng mit dem Begriff der Interaktion verbunden zu sein. Interaktion im Sinne Laurels (s. Abschn. 3.1.1) besteht für den Teilnehmer geradezu darin, Kontrolle in Form des eigenen, entscheidenden Eingriffs in Verlauf und Ausgang zu haben; die Konsequenzen kann und muß er dabei selbst tragen. Das Computerspiel dient hier als Beispiel für ein Medium, bei dem die inhaltliche Kontrolle klar auf Seiten des Teilnehmers liegt. Spieler treffen Entscheidungen, die den Verlauf und den Ausgang des Spiels bestimmen; ohne sie und ihre Teilnahme fände kein Spiel statt. Nachdem diskutiert wird, wie Interaktion und das Besitzen von Kontrolle zusammenhängen, wird an Hand des Computerspiels gezeigt, daß sowohl der player als auch der user als Benutzer interaktiver Medien über die Möglichkeit der inhaltlich entscheidenden Teilnahme verfügen und notwendigerweise eigene Kontrolle in ihrer Interaktion ausüben. Der Begriff der Kontrolle

Der Begriff der Kontrolle ist hier im (englischen) Sinne von control als Steuerung gemeint, und nicht im Sinne von Überprüfung. Es geht dabei um Kontrolle im Medium, um Kontrolle über den Inhalt, seinen Verlauf und Ausgang, nicht um Kontrolle über das Medium15. Kontrolle zu haben heißt für einen Medienbenutzer, die Möglichkeit des entscheidenden Eingreifens zu besitzen, Handlungen mit Konsequenzen auszuführen, oft, viel und wesentlich aus einem großen Entscheidungsspielraum auszuwählen (vgl. Abschn. 3.1.1 und [Lau93, S. 21]), kurz: Inhaltliche Möglichkeiten zur medialen Teilnahme wahrzunehmen. Das Ausüben von Kontrolle ist Voraussetzung für den interaktiven Umgang mit einem Medium. Als interaktiv gilt hier ein solcher Umgang, bei dem der Teilnehmer entscheidend inhaltlich eingreifen kann. Der Vorgang der reflektiven Betrachtung gilt in diesem Sinne hier nicht als interaktiv, obwohl der Zuschauer natürlich in gewissem Sinne durchaus Kontrolle ausübt und fraglos aktiv handelt ([Cam95] n. [SZ04, S. 58f.]). Ein Videorecorder ist in diesem Sinne nicht interaktiv, denn während sein Benutzer Kontrolle über in ihn ausübt und auch entscheiden 15 | Levy [Lev94] berichtet allerdings von den Hackern der ersten Stunde, daß sie danach strebten, den ganzen (Groß-)Rechner unter ihre Kontrolle zu bringen und sich nicht mit dem technisch durchaus bereits adäquaten time-sharing begnügten.

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kann, welchen Film er einlegt und welche Stelle er etwa mehrfach, als Standbild oder in Zeitlupe anschaut16, hat er natürlich keine Möglichkeit, inhaltlich entscheidend einzugreifen [Joi98, S. 152]. Deutlich wird der Gegensatz auch beim Vergleich von Fernsehen und Computerspiel [Mou02]. Die Kontrolle im Spiel

Ein Medium, bei dem die inhaltliche Kontrolle klar auf Seiten des Teilnehmers liegt, ist das Spiel. Spieler treffen Entscheidungen, die den Verlauf und den Ausgang des Spiels bestimmen, sie sind »in control« [Wei98, S. 464]; ohne sie und ihre Teilnahme fände kein Spiel statt. Dombrower weist auf die Kontrolle hin, die ein Spieler über sein Spiel hat und offenbar auch haben muß, wenn er schreibt: »The core of any great entertainment experience, interactive or otherwise, is great rhythm. [...] Interactive entertainment is no different, but [...] the users are in control of the rhythm of their own experience. This makes the design task difficult, not impossible. Ignoring this key principle is, in my opinion, the main reason why most designs fail to lead to compelling interactive titles.« [Dom98, S. 149] Die Möglichkeit und auch Notwendigkeit des inhaltlichen Eingriffs hebt das Spiel aus der Menge der reflektiven Medien (»both narrated and conventionally dramatized events« [Mur97, S. 170]) deutlich heraus: Das Spiel ist eigenes Handeln und führt zu eigenen Erfahrungen (ebd.). Die Voraussetzung für das Ausüben von Kontrolle durch einen Spieler ist die Möglichkeit seines entscheidenden Eingriffs in Verlauf und Ergebnis des Spiels ([Pie98, S. 455], [SZ04, S. 33]) Ein solcher Eingriff eines Spielers in ein Spiel muß nicht nur möglich sein, sondern auch relevant, d. h., er muß Konsequenzen haben, den Verlauf und den Ausgang des Spiels verändern. Ein solches Spiel nennen Salen und Zimmerman [SZ04, 156f.] meaning ful. Diese Beziehung müsse eng sein und zu einem »discernable and integrated outcome« (ebd., S. 137) führen. Entscheidend scheint dabei in erster Linie die Erfahrung der Spieler von subjektiv gefühlter Kontrolle zu sein (ebd., S. 225f.). Als Beispiel können etwa first-person shooter dienen, an denen Murray ([Mur97, S. 146] diesen Zusammenhang von »action and outcome« [SZ04, S. 157] beobachtet (zum Begriff der agency vgl. Abschn. 3.1.1). 16 | Möglichkeiten, die beim Erscheinen der ersten Videorecorder völlig neu waren, heute aber selbstverständlich erscheinen

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Interaktivität als Spiel

»Arbitrary play, in which actions seem unrelated to each other« [SZ04, S. 157], ist in diesem Sinne kein Spiel und läuft ins Leere. Die Kontrolle, die Spieler im Spiel besitzen und ausüben, besitzt niemand außerhalb des Spiels (vgl. [RP90, S. 31]) – nicht die Zuschauer, nicht der Schiedsrichter, nicht der Autor oder der Programmierer eines Spiels [Mur97, S. 151]. Ein Spiel, in dem ein Spieler nicht die inhaltliche Kontrolle besitzt, ist nicht vorstellbar. Es ist offenbar ein Problem, einem Spieler Kontrolle abzunehmen oder vorzuenthalten. Im first-person shooter House of the Dead III (Demo, 2005) sind die cut scenes (vgl. o.) so ins Spiel integriert, daß der Spieler übergangslos von Situationen, in denen er eingreifen kann und auch muß, in Situationen geleitet wird, in denen er nicht eingreifen kann. Das Fadenkreuz verschwindet dann, die Kamera fährt zurück oder dreht sich, er sieht die Spielfigur, und zwar seine Spielfigur, in der Szene stehen und mit einem Mit-Kämpfer reden und handeln, bis dann die Figur und der Mit-Kämpfer übergangslos aus dem Bild geraten und ebenso unvermittelt das Fadenkreuz wieder auftaucht. Diese graphische Integration der cut scenes ins Spiel irritiert in höherem Maße als es klar abgegrenzte, gekennzeichnete und sofort erkennbare Phasen vermögen, denn Spiel und cut scene unterscheiden sich bei aller optischen Ähnlichkeit konzeptionell fundamental in der Interaktion. Im Spiel liegt die Kontrolle beim Spieler, in der cut scene beim Computer. Durch die übergangslose Darstellung fühlt sich der Spieler der Kontrolle enthoben, bis er sie ebenso unmittelt plötzlich, überraschend und ansatzlos wiedererlangt. So elegant diese Lösung auch erscheinen und so visuell überzeugend sie gelöst sein mag, dem Spiel dient sie nicht. Freiheit und plot [...] how can an interactive experience have the experiential properties of classical, Aristotelian drama [...] while giving the player the interactive freedom to have a real effect on the story? Michael Mateas [Mat02, S. 22]

In diesem Abschnitt wird der evidente Zusammenhang zwischen Interaktivität und Kontrolle diskutiert. Dabei erscheint es als ein konzeptioneller Widerspruch auf Seiten etwa eines Autors, Teilnehmern eines Mediums Interaktivität bieten zu wollen, die Kontrolle über den Verlauf und das Ergebnis dabei aber nicht aus der Hand zu geben. Um ein 82

Vom Umgang mit Medien

Spiel zu spielen, begehrt und braucht der Spieler die volle Kontrolle, auch auf die Gefahr eines Scheiterns, eines Fehlgehens oder einer langweiligen Erfahrung hin. Wird dem Spieler diese Kontrolle vorenthalten, kann er sich nicht mit der Spielfigur identifizieren, ins Spiel eintauchen und ein Spiel zu seinem Spiel machen. Bei stories ist dies offenbar genau entgegengesetzt, dort geschieht keine Aktion, sondern Reflektion. Tiefes Eintauchen kann die Folge sein, wobei die Kontrolle über den Handlungsverlauf und den Ausgang beim plot der story liegt. Aufforderungen zum Eingreifen zerstören diesen reflektiven Charakter der story und stören die Erfahrung (vgl. Susanne Langers Bericht über eine solche Peter Pan-Aufführung in [Lan53, S. 318f.]). Das Spiel und die story scheinen bezüglich ihres Interaktionsmusters unvereinbar zu sein (s. Abschn. 5.4.2). Die Freiheit der Entscheidung und der plot einer story widersprechen sich (vgl. [Mat02, S. 9f., S. 15, S. 19f. u. a.]). Wechsel der Perspektive zwischen aktivem Spieler und reflektivem Beobachter stören die Teilnahme am Spiel und auch an der story fundamental. Stories brauchen und vertragen keine inhaltliche Einmischung oder Interaktivität, etwa durch einen Spieler; nachdem der Autor den plot festgelegt hat, sind konzeptionell daran keine Änderungen mehr vorgesehen. Charaktere innerhalb der story unterstützen den plot und treiben ihn voran ([Ada99a], vgl. [Joi98, S. 153]). In einer interaktiven story wäre ein Spieler in seiner Handlung nicht frei wie in einem Spiel; his »ability to take action is not completely free; it is constrained from below by material resources and from above by authorial formal causation from the level of plot.« ([Mat02, S. 26], vgl. ebd., S. 27) Es ist wohl zutreffend, »the audience’s sense of having agency within the story« (ebd., S. 24) wäre »a genuinely new experience enabled by interactivity« (ebd., S. 24f.), aber sie scheint weder möglich, noch überhaupt erwünscht zu sein, wenn die story mit ihren wesentlichen Eigenschaften erhalten bleiben soll. Eine story erfordert konzeptionell einen Zuhörer, der auf einen inhaltlichen Eingriff verzichtet; sie fiele sofort auseinander, brächte ein Spieler ihren plot durch eigene Aktion durcheinander [Ada99a]. Andererseits kann sich auch das Spiel keinem plot unterordnen, denn ein Spieler läßt sich seine Entscheidung in einem Spiel nicht diktieren, weder von innerhalb des Spiels noch von außerhalb (ebd., vgl. Abschn. 4.1.1). Medien, die die Aktion des Teilnehmers höher schätzen als seine Reflektion, dulden offenbar keine externe Kontrolle, wie sie 83

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in anderen Medien durchaus angemessen funktionieren mag. Laurel et al. [LST98, S. 182] zeigen dies am Beispiel VR: »Even for a small audience, VR is inimical to the kind of passive receptivity that is appropriate in films and amusement park rides. [...] In VR, one is not done unto, but doing. If [...] the goal is to create a technologically mediated environment where people can play – as opposed to being entertained – then VR is the best game in town.« Das heißt aber auch, daß Versuche, von außerhalb des Spiels auf das Spiel Einfluß nehmen zu wollen, etwa in einem interactive drama mit einem »drama manager«, which »tries to guide the experience of the user in order to make a story happen« [Mat02, S. 7], keinen Erfolg haben können. Entweder gelingt nämlich diese Einflußnahme, dann ist der Spieler nicht frei in seinem Spiel und wird dies unweigerlich auch bemerken, oder die Einflußnahme mißlingt, dann mißlingt der dramatische plot. Neben einem kaum zu überschauenden Aufwand [MS02, S. 6] ist es auch konzeptionell kaum vorstellbar, Aktionen von Spielern vorhersehen zu wollen und sie so in einen narrativen plot integrieren zu können. Das Prinzip der Interaktion scheint geradezu auf der Unbestimmtheit der Aktionen des Teilnehmers zu beruhen ([Cra87], vgl. Abschn. 3.1.1). Mit der Unvorhersehbarkeit von Aktionen von Spielern ist allerdings nicht etwa völlige Zufälligkeit gemeint; es wird hier bezweifelt, daß in der alltäglichen Welt und in Spielen »events [...] in a willy-nilly fashion« [Mat02, S. 9f.] passieren und auch, daß mit »Interaction [...] generally [...] the freedom to do anything at anytime« (ebd., S. 9) oder »doing whatever you want« (ebd., S. 32) gemeint ist (vgl. Abschn. 3.3.1). Der Unterschied oder Gegensatz zwischen story und Spiel ist, wer die Erfahrung des Spielers kontrolliert, ein Autor bzw. ein plot oder der Spieler selbst. Murray [Mur97, S. 187] fragt: »How can the author retain control over the story yet still offer interactors the freedom of action, the sense of agency, that makes electronic engagements so pleasurable?« Solange es nicht realisierbar erscheint, die Erfahrung des Spielers befriedigend zu steuern oder zu inszenieren, behält der Regisseur, Autor oder Dirigent die Kontrolle über ein Theaterstück, einen Film oder ein Konzert, während dem Spieler die Kontrolle eines Spiels überlassen werden muß, denn »you subordinate the player to the plot at your peril« [Ada99a].

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Vom Umgang mit Medien Die Kontrolle durch den computer user One of the really fun things about computers is that you have control over them[.] Tom Knight zit. n. [Lev94]

In interaktiven Medien begehren die Teilnehmer die Kontrolle über ihre Handlungen. Sie wollen (und müssen) selbst die Konsequenzen derselben tragen. Spieler von Computerspielen und computer user sind solche Teilnehmer interaktiver Medien. Wenn Teilnehmern die Möglichkeit angeboten wird, aktiv teilzunehmen, wird sie offenbar gerne angenommen ([PST+ 98, S. 363], [Wei98, S. 476]). Dieser Wunsch der Teilnehmer nach Kontrolle geht einher mit dem Wunsch zu spielen [Sta98, S. 437]. Verglichen mit anderen, etwa narrativen Medien, scheint in der Interaktivität und der damit zusammenhängenden, inhaltlichen Kontrolle eine große Attraktivität des Computers für seinen user zu liegen, die in der Gesellschaft offenbar verbreitet wahrgenommen und formuliert wird. So nennen 1999 »nur noch 26,5 Prozent der [wohl US-] Amerikaner Fernsehen als liebste Freizeitbeschäftigung« [SS99, S. 82], während 42,6% Computerspiele nennen (ebd.). Bereits 1984 ziehen Kinder im Alter von acht bis 14 Jahren Computerspiele dem Fernsehen vor: »They were unanimous in preferring the games to television. They were also unanimous about the reason: active control.« ([Gre84, S. 91] zit. n. [Mou02]) Ein computer user geht mit einem Medium um, in dem er, verglichen mit anderen technischen Medien, große Möglichkeiten der inhaltlich entscheidenden Teilnahme hat und notwendigerweise eigene Kontrolle über Verlauf und Ausgang ausübt, er ist »the master of information and lawgiver to a new world« [Lev94]. Seine Macht erschöpft sich nicht in der Bedeutungszuweisung (Abschn. 3.3.2), seine Aktivität nicht in der Ergänzung fehlender Sinne (Abschn. 3.3.3) oder dem Füllen inhaltlicher Lücken (Abschn. 3.3.4): Computer sind »controllable media« [Gro76, S. 49]. Dieses Angebot des Computers von Kontrolle für seinen user in Form von Interaktivität scheint eines seiner wesentlichen Merkmale zu sein (s. Abschn. 3.1.2) und über das hinauszugehen, was einige andere Medien ihren Teilnehmern anbieten ([Wal90] n. [Rhe92, S. 192]). Medienproduzenten sind sich i. d. R. bewußt, daß sie mit dem Computer andere mediale Wünsche der Teilnehmer erfüllen [Ada99a] als etwa Regisseure. Wo Teilnehmer am Theater und Film mittelbar, etwa durch Identifikation und Reflektion, medial teilnehmen, sind computer 85

Interaktivität als Spiel

user (etwa bei VR-Anwendungen) selbst handelnde, die durch eigene Aktion Erfahrungen machen ([Wal90] n. [Rhe92, S. 286]). Der Computer besetzt so eine andere mediale Perspektive als etwa das Theater oder der Film und bietet diese seinem user an. Computer user unterscheiden sich in ihrer Teilnahme am Medium wesentlich von anderen Medienbenutzern, etwa »people as viewers (let me see)« und »[people as] readers (let me know)« (ebd.) – computer user ähneln in dieser Hinsicht »gamers (let me explore).« ([BW01, S. 2], zum Begriff des Erkunden vgl. [Wal05] und [Gil99])

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4 Spiel

In der Sphäre eines Spiels haben die Gesetze und Gebräuche des gewöhnlichen Lebens keine Geltung. Wir ›sind‹ und wir ›machen‹ es ›anders‹. Johan Huizinga [Hui56, S. 20]

In diesem Kapitel wird Spiel an Hand seiner Merkmale nach Huizinga und Scheuerl gekennzeichnet. Einige Eigenschaften des Spiels, das Verhältnis von play und game sowie von Spielern und Zuschauern werden diskutiert. Es wird dargelegt, wie die Spielhaltung als Perspektive von usern im Umgang mit dem Rechner eingenommen werden kann und welche Effekte sie dabei hervorbringt. Zu den Merkmalen des Spiels nach Huizinga und Scheuerl zählen die Freiheit, die Unendlichkeit und die Wiederholbarkeit, die Scheinhaftigkeit, die Ordnung, die Ambivalenz, die Geschlossenheit, die Zweckfreiheit sowie die Gegenwärtigkeit, die im Spiel zusammenkommen, sich gegenseitig stützen und kontinuierlich vom Spieler auf ihre Existenz überprüft werden. Es existiert dabei kein Automatismus oder eine Zuweisung von außen; es kommt darauf an, ob ein Mensch sein eigenes Handeln als Spiel ansieht. Spiel ist immer nur Spiel für jemanden. Eine mit dem Spiel verbundene Eigenschaft ist der Ernst. Spiel kann nur mit aller Aufmerksamkeit und vollem Einsatz ernsthaft betrieben werden, sonst hört es überhaupt auf. Die Begriffe der Moral, der Gerechtigkeit, der Gewalt und der Macht entstammen allerdings der alltäglichen Welt und sind dem Spiel äußere Begriffe. Spiel und Zufall widersprechen sich konzeptionell – wo Zufall herrscht, kann nicht bedeutungsvoll gespielt werden, es sei denn, es wird mit dem Zufall gespielt. Play und game sind zwei unterschiedliche Ausprägungen von Spiel, die an der Existenz einer Gewinnbedingung differenziert werden kön87

Interaktivität als Spiel

nen und jeweils eine bestimmte Art der Teilnahme am Spiel bezeichnen. Während das play seinen Zuschauer durch seine mimetische, naturalistische und oft auch narrative Darstellung begeistert, fasziniert das game fast komplementär durch seine Abstraktion und Beschränkung auf das Moment der Konfrontation seines Spielers mit einer symbolischen Herausforderung. Play und game sind allerdings keine Gegensätze, sondern treten zusammen und miteinander durchmischt auf; play findet innerund außerhalb von game statt. Der interaktive Umgang mit dem Computer scheint in diesem Sinne auch Elemente von play zu enthalten, in erster Linie aber dem game zu ähneln. Ein user setzt sich Ziele und Teilziele und sucht sie in einem Wettstreit mit dem Computer bzw. mit sich selbst zu erreichen. Wird von Spiel im Umgang mit dem Rechner gesprochen, ist nicht jenes Spiel gemeint, das sich in Nachmachen oder Darstellen erschöpft, sondern dieses, das sich der Herausforderung mit ungewissem Verlauf und offenem Ausgang stellt. Zahlreiche Spiele haben Zuschauer. Aus Sicht eines games sind Zuschauer entbehrlich; ein play wird für sie aufgeführt. Sie nehmen am Spiel durch Identifikation anteil und greifen nicht ins Spiel ein. Dabei bedienen sie sich entweder einer in sich selbst gekehrten, beurteilenden, analytischen, verbalen, sich selbst abgrenzenden oder einer nach außen gekehrten, enthusiastischen, körperlichen, emotionalen, sich selbst verlierenden und einbringenden Art der Teilnahme. Spiel kann allerdings nur begrenzt miterlebt, antizipiert und geplant werden. Ein Spiel ist immer nur Spiel für die Spieler; wer Spiel erleben möchte, muß selbst spielen. Spiel nimmt seinen Ausgang in der Spielhaltung der Spieler (auch state of mind, attitude oder psychological frame). Konkrete Ausprägungen von Spiel als Tätigkeit, Methode oder System sind Folge und Ausdruck dieser Perspektive. Je mehr sich die Spieler eines Spiels bewußt werden, desto geringere Relevanz besitzt für sie seine konkrete Darstellung. Ein solches Spiel beschränkt sich nicht auf bestimmte Inhalte, Gegenstände, Zeiten oder Plätze und zielt nicht auf ein gegenständliches Ergebnis oder die Herstellung eines Produkts. Das Spiel bietet sich als naheliegende Metapher für die HCI an, indem es wesentliche Merkmale betont, die auch den Umgang mit dem interaktiven Computer kennzeichnen. Das Spiel im Umgang mit dem Computer scheint sich im Ausprobieren, Probehandeln und explorativen Lernen zu zeigen; je mehr sich der Computer als Medium erweist, mit dem kreative Tätigkeiten durchgeführt werden, zeigt sich hier eine Verbindung zum Spiel. Zwar beweisen user mit ihrem Spiel eine gewis88

Spiel

se Souveränität gegenüber der alltäglichen Welt und ihrer Situation, sie spielen allerdings nicht aus Protest. Das Spiel schafft zwar den Zweck offensichtlich nicht ab, überwindet ihn aber für die Dauer des Spiels; das Spiel bestimmt dann den Umgang mit ihm und gestaltet ihn als Spiel. Während also etwa der Profisport ein Spiel ist, das sich tendenziell zunehmend aus der Spielsphäre hinausbewegt, kann der Vorgang offenbar auch in umgekehrter Richtung ablaufen: »Beschäftigungen, die in einem materiellen Interesse, in einer Notwendigkeit oder einem Bedürfnis ihre Ursache haben« und als Nichtspiel gelten, bewegen sich dann in die Spielsphäre hinein und »entwickeln sekundär einen Charakter, den man schwerlich anders als Spielcharakter nennen kann.« [Hui56, S. 189]

4.1 Kennzeichen des Spiels Welche Momente gehören notwendig zusammen, wenn von Spiel die Rede sein soll? Hans Scheuerl [Sch65, S. 69]

Wenn untersucht wird, inwieweit der Umgang mit dem Computer dem Spiel ähnelt, muß gesagt werden, was unter Spiel verstanden werden soll; es wird davon ausgegangen, daß dies möglich ist. Das Spiel wird hier an Hand bestimmter Merkmale nach Huizinga und Scheuerl identifiziert; Huizinga nennt sie auch Kennzeichen, Scheuerl auch Momente des Spiels. Verbindungen zum Umgang mit dem Computer werden jeweils aufgezeigt, Effekte des Spiels in diesem Umgang in Abschnitt 4.5.5 diskutiert. Nicht ein einziges Kennzeichen definiert monokausal das Spiel, sondern das Zusammenkommen mehrerer Kennzeichen. »Wie die ›Freiheit‹ und die ›innere Unendlichkeit‹ nur zwei Seiten ein und derselben Sache sind, so sind auch die gleichsam schwebende Scheinhaftigkeit, mit der alle Ziele angestrebt und doch sogleich wieder verlassen werden, die Ambivalenz, die Geschlossenheit und die zeitlose Gegenwärtigkeit, die außerhalb der Kontinuität der Zeitreihe steht, nur verschiedene Weisen, in denen sich das gleiche Phänomen darstellt.« [Sch65, S. 79] Die Kennzeichen wirken in diesem Sinne zusammen, bauen aufeinander auf, hängen voneinander ab und steigern sich gegenseitig zu einem Ganzen. Scheuerl sagt von Spiel, es wäre »frei, in sich unendlich, scheinhaft, ambivalent, geschlossen und an eine lebendig erfüllte Gegenwärtigkeit gebunden.« [Sch65, S. 105] Huizinga nennt das Spiel »[d]er Form nach 89

Interaktivität als Spiel

betrachtet [...] zusammenfassend eine freie Handlung [...], die als ›nicht so gemeint‹ und außerhalb des gewöhnlichen Lebens stehend empfunden wird und trotzdem den Spieler völlig in Beschlag nehmen kann, an die kein materielles Interesse geknüpft ist und mit der kein Nutzen erworben wird, die sich innerhalb einer eigens bestimmten Zeit und eines eigens bestimmten Raums vollzieht, die nach bestimmten Regeln ordnungsgemäß verläuft und Gemeinschaftsverbände ins Leben ruft, die ihrerseits sich gern mit einem Geheimnis umgeben oder durch Verkleidung als anders als die gewöhnliche Welt herausheben.« [Hui56, S. 20] Zu den Merkmalen des Spiels nach Huizinga und Scheuerl werden nun die Freiheit, die Unendlichkeit und die Wiederholbarkeit, die Scheinhaftigkeit, die Ordnung, die Ambivalenz, die Geschlossenheit, die Zweckfreiheit und die Gegenwärtigkeit gezählt. Die Freiheit ist eines der wesentlichen Kennzeichen des Spiels. Ohne Freiheit ist Spiel nicht vorstellbar. Wird von Freiheit und Spiel gesprochen, können drei Arten von Freiheit gemeint sein: Die Freiheit zu spielen, die Freiheit von der alltäglichen Welt und die Freiheit der Entscheidung innerhalb des Spiels. Die Unendlichkeit bzw. die Wiederholbarkeit des Spiels ist ein weiteres seiner Kennzeichen. Das Spiel ist unendlich. Erst von außen wird es begrenzt und endlich gemacht. Jedes Spielen eines Spiels ist einzigartig, als Spiel kann es jedoch wiederholt werden. Spiel ist sowohl scheinhaft als auch konkret. Das Spiel äußert sich gleichzeitig in einem etwa beobachtbaren oder gegenständlichen Geschehen und in einer schwebenden, nicht am Materiellen oder »Faktischen« (Scheuerl) interessierten Haltung. Es kann aber keinesfalls wesensmäßig in die Nähe etwa der Illusion gerückt werden [Sch65, S. 83], von der es sich deutlich unterscheidet. Die Scheinhaftigkeit ist also ein weiteres Kennzeichen. Das Spiel erfordert eine gewisse Ordnung und bringt sie auch selbst hervor. Die Ordnung des Spiels nimmt ihren Ausgang und findet ihren ersten Ausdruck in den Spielregeln, ist aber nicht auf sie beschränkt, sondern manifestiert sich auf höherer Ebene in einem dem Spiel innewohnenden »Rhythmus und [einer] Harmonie« aus »Spannung, Gleichgewicht, Auswägen, Ablösung, Kontrast, Variation, Bindung und Lösung, Auflösung« [Hui56, S. 18]. Die Ambivalenz kennzeichnet das Spiel als eine Handlung, deren Verlauf und Ergebnis im Vorhinein nicht feststehen und über deren Ausgang es einerseits genügend Zweifel gibt, andererseits eine genügend große Chance, daß sie gelingt. Ambivalenz kann ein freies und leichtes 90

Spiel

Schwanken oder Pendeln zwischen mehreren Polen bezeichnen, insbesondere auch das Gewinnen oder Verlieren, Gelingen oder Mißlingen eines Spiels. Für das Spiel ist es wesentlich, sich von der alltäglichen Welt abzugrenzen. Dies geschieht in erster Linie in den Köpfen der Spieler und in zweiter Linie durch sichtbare Trikots und abgeteilte Spielfelder. Ein weiteres Kennzeichen des Spiels ist also die Begrenztheit bzw. die Geschlossenheit. Die Zweckfreiheit des Spiels ist ein Kennzeichen des Spiels, das es deutlich aus der Sphäre von Not, Zwang und Nutzen und damit aus Zusammenhängen der alltäglichen Welt heraushebt. Die Gegenwärtigkeit als das Heraustreten aus dem gewöhnlichen Leben und ganz Eintreten ins Spiel ist ein weiteres seiner Kennzeichen. Medien-Teilnehmer wissen sehr wohl um die künstliche und mittelbare Natur des Mediums, während i. d. R. keine überzeugende oder glaubhafte sinnlich wahrnehmbare Illusion geboten wird. Eine solche erscheint im Umgang mit Medien weder nötig noch möglich. Das Phänomen von Gegenwärtigkeit scheint also in erster Linie etwas mit dem Gefühl von Teilnahme durch eigenes Eingreifen zu tun zu haben und erst in zweiter Linie mit sensorischer Stimulation. Wenn und während diese Kennzeichen positiv auf das Spiel zutreffen, kann es für einen Spieler Spiel sein; ein Automatismus existiert hier jedoch nicht; ob etwas für jemanden Spiel ist, entscheidet er individuell und subjektiv. Spiel stellt sich für einen Spieler unmittelbar, plötzlich, von einem Augenblick zum anderen ein, wenn für ihn die Kennzeichen des Spiels erfüllt sind und er sich zu spielen entscheidet. Während sein Spiel andauert, überprüft er kontinuierlich die Existenz der Kennzeichen des Spiels (vgl. Abschn. 5.4.1); genauso schnell, wie es begonnen hat, endet sein Spiel auch, wenn er sich entscheidet, zu spielen aufzuhören oder wenn für ihn die Kennzeichen nicht mehr erfüllt sind ([SnioJa, S. 2] n. [SZ04, S. 94]). Ist nun ein solcher Versuch einer Definition des Spiels überhaupt erfolgreich zu unternehmen oder kann nur allgemein von einer Familienähnlichkeit [Wit58] verschiedener Arten von Spielen oder von Spiel als einem »Begriff mit verschwommenen Rändern« (Ludwig Wittgenstein zit. n. [Sch05b, S. 49]) gesprochen werden? Zunächst kann festgestellt werden, daß jede Definition von ihrer jeweiligen Perspektive abhängt und geprägt ist. In allem sieht der Betrachter zunächst, was er zu sehen erwartet, sehen will oder zu sehen glaubt, auch in Spielen ([Ave71, S. 438] 91

Interaktivität als Spiel

n. [SZ04, S. 1]). Das ist aber offenbar immer der Fall und kein Grund, überhaupt keine Definition zu versuchen, wie Parlett [Par99] vorschlägt, sondern stellt im Gegenteil den Wert einer bestimmten Definition dar. Wird Spiel allerdings an Hand einzelner Ähnlichkeiten und Parallelen mit Tätigkeiten und Vorgängen der alltäglichen Welt definiert, besteht die Gefahr, das besondere Wesen des Spiels aus den Augen zu verlieren; in einer solchen Erklärung kann es dann in einzelne, voneinander unabhängig erscheinende Facetten zerfallen ([Sch65, S. 113], zur Zweckfreiheit des Spiels vgl. Abschn. 4.1.7). So erkennt Wittgenstein ([Wit58] n. [Küc04, S. 39]) kein verbindendes Merkmal verschiedener Ausprägungen des Spiels. 4.1.1 Freiheit Die Freiheit ist eines der wesentlichen Kennzeichen des Spiels [Sch65, S. 195]. Ohne Freiheit ist Spiel nicht vorstellbar. Wird von Freiheit und Spiel gesprochen, können drei Arten von Freiheit gemeint sein: Die Freiheit zu spielen, die Freiheit von der alltäglichen Welt und die Freiheit der Entscheidung innerhalb des Spiels. Spielt jemand, so entscheidet er sich freiwillig dazu. Spieler beginnen zu spielen und hören wieder auf; das ist ihre eigene, freie und unanfechtbare Entscheidung. Freiheit von der alltäglichen Welt wird im Spiel gewonnen. Im Spielraum verliert die alltägliche Welt ihre Bedeutung und Macht; die Spieler werden frei von ihr. Diesen Freiraum können sich die Spieler auch spontan und bei Gelegenheiten, die nicht dafür eingeplant oder reserviert gewesen sind, selbst erschaffen. Spiel erfordet auch Freiheit; nicht gespielt wird etwa in Situationen der Gefahr für Leib und Leben. Die Spieler besitzen innerhalb des Spiels die Freiheit, sich frei zu entscheiden; sie sind niemandem, der außerhalb des Spiels steht, Rechenschaft schuldig über ihre Handlungen im Spiel, und sie sind nicht zu einer bestimmten Handlung im Spiel verpflichtet. Freiheit im Spiel heißt dabei nicht Beliebigkeit, sondern Handlungen mit Konsequenzen. Freiheit ist in erster Linie eine Frage der Wahrnehmung; entscheidend ist die Erfahrung des Spielers von Freiheit – nicht, ob er tatsächlich frei ist ([Rok98, S. 28], [Wil03]). Spieler lassen sich allerdings nicht dauerhaft täuschen: Die Merkmale des Spiels werden von ihnen kontinuierlich auf ihr Vorhandensein getestet. Wenn Salen und Zimmerman davon schreiben, daß Spiel »voluntary« [SZ04, S. 79] sei, beschreiben sie nur einen bestimmten Teil von 92

Spiel

Freiheit, nämlich die Freiwilligkeit zu spielen, nicht aber die freie Entscheidung des Spielers innerhalb des Spiels und nicht die Freiheit, die der Spieler von der alltäglichen Welt gewinnt, wenn er spielt. Ohne darauf einzugehen vermuten sie, daß die Freiwilligkeit zu spielen noch nicht einmal auf alle Spiele zuträfe (ebd., S. 79f.). Bei Huizinga und Scheuerl ist jedoch die Freiheit das erste Kennzeichen des Spiels: »Alles Spiel ist zunächst und vor allem ein freies Handeln. Befohlenes Spiel ist kein Spiel mehr. Höchstens kann es aufgetragenes Wiedergeben eines Spiels sein. Schon durch diesen Charakter der Freiheit sondert sich das Spiel aus dem Lauf eines Naturprozesses heraus. [...] Das Kind und das Tier spielen, weil sie Vergnügen daran haben, und darin eben liegt ihre Freiheit.« [Hui56, S. 15] Freiheit zu spielen

Spielt jemand, so entscheidet er sich freiwillig dazu. Er kann sich frei entscheiden anzufangen und aufzuhören. Es wird ihm nicht befohlen zu spielen, er ist keinem externen Druck ausgesetzt, der ihn dazu zwingt (vgl. dagegen Scheuerl [Sch65, S. 205], der dies bezweifelt: »Freiwilligkeit des Eintritts in das Spiel ist keine notwendige Bedingung des Spiels.«). Es wird von ihm nicht gefordert zu spielen: Das Spiel »wird nicht durch physische Notwendigkeit auferlegt und noch viel weniger durch sittliche Pflicht. Es ist keine Aufgabe.« [Hui56, S. 15]. Spieler beginnen zu spielen und hören wieder auf; das ist ihre eigene, freie und unanfechtbare Entscheidung. Spiel erfordert eine gewisse Freiheit, um stattfinden zu können. Dieser Freiraum muß nicht für das Spiel eingeplant gewesen sein; oft ergibt er sich spontan und bei Gelegenheiten, die nicht dafür gedacht sind. In Situationen der Gefahr für Leib und Leben etwa, in denen kein Freiraum zur Verfügung steht, wird nicht gespielt. »Soll [das Spiel eines Spielers] gelingen, so muß er sich ihm widmen können, als gäbe es nichts außer diesem Spiel auf der Welt.« [Sch65, S. 70] Der für das Spiel nötige Spielraum kann vorgefunden oder erst (etwa durch die Spieler) geschaffen werden (ebd., S. 72). Dann erst kann gespielt werden, »denn solange die Not gebietet und das Bedürfnis drängt, ist die Einbildungskraft mit strengen Fesseln an das Wirkliche gebunden; erst, wenn das Bedürfnis gestillt ist, entwickelt sie ihr ungebundenes Vermögen.« [Sch60b, S. 71] Dies ist allerdings nicht so zu verstehen, daß etwa die Arbeit erst erledigt sein muß, damit Spiel entstehen kann. Gespielt wird offensichtlich nicht erst, wenn die Arbeit getan ist; es wird 93

Interaktivität als Spiel

nicht zuerst gearbeitet und dann gespielt, wie Arendt ([Are89, S. 116] n. [Kel98, S. 35]) angibt. Freiheit gegenüber der Welt

Steht kein Freiraum zum Spiel zur Verfügung, muß, kann und wird sich das Spiel diesen Raum selbst schaffen. Spiel läßt sich Menschen nicht austreiben wie versucht wird, es einer Maschine auszutreiben. In diesem Spielraum verliert die alltägliche Welt alle Bedeutung; die Spieler werden frei von ihr; dies ist dabei keine Illusion oder Selbsttäuschung der Spieler. Für die Dauer des Spiels ist die Macht der alltäglichen Welt wirksam außer Kraft gesetzt. »Hält man sich rein an das phänomenal Gegebene, so erscheint das Spiel nicht als Weg, sich von Notdurft zu befreien, sondern als jubelnder Ausdruck dafür, dass man von ihr schon befreit i s t.« [Sch65, S. 74] In Umgebungen, in denen es keine Gelegenheit und offenbar auch keinen Anlaß zu spielen gibt, schafft sich das Spiel selbst den Freiraum. Z. B. war das Leben der englischen (und ebenso wahrscheinlich aller anderen) Matrosen des 18. Jhds. rigoros den Gegebenheiten der See und zunehmend den Erfordernissen der Arbeit im beginnenden Industriekapitalismus untergeordnet (vgl. [Red04, S. 200] und [Mar77, S. 448]). Sie schufen sich Freiheit davon, indem sie spielten: »[They] recited, or created poetry, [...] perfomed plays«, gambling, drinking [Red04, S. 191], »singing, dancing, and storytelling« (ebd., S. 193). Dies erfordert die freie Entscheidung zu spielen, d. h. die Spielwelt zu betreten und in ihr zu handeln und bietet darin die Befreiung von der Nichtspielwelt, die dabei verlassen wird. Dabei ist es offenbar kein Gegensatz, daß die Spieler sich im Spiel strikten Regeln zu unterwerfen haben (vgl. Abschn. 4.1.4). Spieler sind »nach außen hin frei, mögen sie innerhalb ihres Spiels auch noch so sehr an Regeln und Vorschriften gebunden sein« [Sch65, S. 70]. Es ist schwierig, in einer Welt zu spielen, die von Not und Tod beherrscht wird, allerdings steigert das auch das Verlangen nach einer Welt, in der diese Kräfte nicht herrschen und die Freude, in eine solche Welt eintreten zu können. Nach Schillers bekanntem Satz ist aber sogar ausschließlich dort möglich, ganz Mensch zu sein: »Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.« ([Sch60a, S. 41], vgl. auch [Sch65, S. 70])

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Spiel Freiheit im Spiel

Spieler sind frei in ihrer Entscheidung innerhalb des Spiels (vgl. [Kel98, S. 155]) und der Spielregeln. Der Trainer oder auch die Zuschauer mögen Entscheidungen von Spielern kritisieren, aber sie können die Spieler nicht verpflichten, etwas Bestimmtes zu tun, und die Spieler sind niemandem außerhalb des Spiels verpflichtet, wie etwa einem Autor oder einem plot: In interactive narratives »the user must be willing to ›play along‹« [Mat02, S. 231] the story line. Freiheit im Spiel sollte dabei allerdings nicht mit Beliebigkeit verwechselt oder gleichgesetzt werden (zur Abgrenzung des Spiels von der alltäglichen Welt und seiner Folgenlosigkeit bezogen auf die alltägliche Welt s. Abschn. 4.1.6). Mit Freiheit im Spiel ist nicht gemeint, daß der Spieler jederzeit alles tun und machen kann – genausowenig, wie Interaktion heißt »to do anything at anytime« [Mat02, S. 9f.]. Entscheidungen im Spiel können nur als frei gelten, wenn mit ihnen auch tatsächlich etwas entschieden wird ([SZ04, S. 174], [Sti05, S. 262]). In diesem Sinne heißt Freiheit im Spiel nicht Beliebigkeit, sondern »ernsthafte, folgenreiche Handlungen in einer Als-Ob-Welt vor[zu]nehmen.« ([Kel98, S. 58], vgl. auch Abschn. 3.1.1) Wenn das Tun eines Spielers keine Konsequenzen hätte, wären seine Handlungen im Spiel nicht frei, sondern beliebig. Freiheit im Umgang mit dem Computer

Der Umgang mit dem Computer ist oft von einer gewissen Eigenverantwortlichkeit oder Selbständigkeit begleitet; je weiter sich der Umgang mit dem Rechner von fabrikmäßig festgelegten Abläufen entfernt und kulturelle und kreative Aufgaben angeht, scheint sich diese Freiheit gegenüber einer dann zunehmend schwierig zu gestaltenden und durchzuführenden Kontrolle zu entfalten. Wo der Mensch keine (gewisse) Kontrolle, Autonomie oder Freiheit in seinem Handeln hat, bleibt es Arbeit. In vielen Fällen herrscht eine gewisse Autonomie, gewisse Freiheit und so i. d. R. die Möglichkeit zu spielen, auch im Umgang mit dem Computer. Sogar insbesondere im Umgang mit dem Computer, weil dort Kontrolle schwierig ist und gewisse Autonomie herrscht. Wie beim Spiel, bei dem das Ziel, etwa den Ball im Tor unterzubringen, festgelegt ist, dem Spieler, steht auch dem user i. d. R. die Wahl des Weges und in gewissen Grenzen auch der Mittel frei. Ken Williams gibt an, seine »programmers [...] don’t even know where they’re going when they start a program. They try to get a routine working to put in a background, and from that move toward some 95

Interaktivität als Spiel

game.« [Lev94] Neue Programme (oder Programmversionen) werden explorativ erkundet und spielerisch ausprobiert. Am Rechner werden oft kreative Aufgaben bearbeitet, für deren erfolgreiche Lösung der user eigene Kontrolle, Freiheit und Initiative benötigt. Ein user hat in diesem Sinne in gewisse Kontrolle über den bzw. seinen Rechner. Er gehört ihm möglicherweise. Oft wird er nicht beobachtet, wenn er ihn benutzt, und wenn er beobachtet wird, ist dem Umgang des users mit seinem Rechner das Spiel nicht unbedingt anzusehen. Ein user ist im Umgang mit dem Computer kaum oder nur schwer zu kontrollieren. Als Zeichen für das Selbstbewußtsein und das Selbstverständnis der computer user kann auch ihre Teilnahme und auch (Selbst-)Organisation in bestimmten communities gelten. 4.1.2 Unendlichkeit und Wiederholbarkeit Während Arbeit und Kampf ›erledigt‹ sein wollen, während jedes triebhafte Bedürfnis seinen eigenen ›Tod‹ will, will das Spiel ›Ewigkeit‹. Seine Bewegungen streben nach möglichster Ausdehnung in der Zeit, gegebenenfalls um dieser Ausdehnung willen auch nach ständiger Selbstwiederholung. Hans Scheuerl [Sch65, S. 75]

Die Unendlichkeit (Scheuerl) bzw. die Wiederholbarkeit (Huizinga) des Spiels ist ein weiteres Kennzeichen des Spiels. Scheuerl spricht vom Spiel als »Bewegung von innerer Unendlichkeit« [Sch65, S. 76], Huizinga von der »Wiederholbarkeit [...] [als] eine der wesentlichen Eigenschaften des Spiels« [Hui56, S. 17]. Das Spiel strebt wesensmäßig nach Unendlichkeit, von außen wird es begrenzt und erst durch externe Einflußnahme beendet. Es gibt konzeptionell keinen Grund, ein Fußballspiel etwa nach 90 Minuten abzupfeifen. Alle Spiele zielen auf diese Unendlichkeit – einige, wie Tic-Tac-Toe, Schach und Scrabble, enden dennoch an einem bestimmten Punkt, sind aber, genau wie ein Spiel wie Fußball, als Spiel wiederholbar. Die Unendlichkeit des Spiels scheint auch stets einer Schimmer von der Unsterblichkeit der Spieler aufleuchten zu lassen, indem sie die alltäglichen Welt, in der Notwendigkeit, Zwang und Tod herrschen, für einen Moment außer Kraft setzt.

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Spiel Unendlichkeit

Spiele können als unendlich im dem Sinne angesehen werden, daß sie wesensmäßig nicht auf ihr eigenes Ende oder ein Ergebnis hinzielen, sondern immer weitergehen wollen1. Nach Dewey will die Handlung eines Spielers »als solche nicht aufhören, sondern immer neue Handlungen in Gang setzen.« (Ebd., S. 74) Im Gegensatz dazu können etwa »Schaffen und Handeln [...] gar nicht ›unendlich‹ sein, sie sind, indem sie ein Werk, ein Ergebnis wollen, als endliche Vorgänge definiert.« (Paul Valery n. [Sch65, S. 100]) Nicht mit der Unendlichkeit des Spiels gemeint ist, daß der Spieler alle Zeit vergißt, wenn er spielt, oder daß die Zeit für ihn subjektiv schneller vergeht als für die Zuschauer eines Spiels oder für Außenstehende. Ein Spieler ist niemand, der das Spiel beenden möchte; er möchte weiterspielen, und das Spiel möchte fortbestehen. »KANT definiert das Spiel als ›Beschäftigung, die für sich selbst angenehm ist‹ [Kan90, S. 304], als Beschäftigung also, die der Mensch nicht beenden, sondern erhalten und immer aufs neue erzeugen will. Er gibt zwei Beispiele: ›Wenn man spazieren geht: So ist das Spazierengehen selbst die Absicht, und je länger also der Gang ist, desto angenehmer ist er uns. . . . So ist es auch mit dem Kartenspiele. Es ist wirklich besonders, wenn man sieht, wie vernünftige Männer oft stundenlang zu sitzen und Karten zu mischen im Stande sind.‹ [Kan23, S. 470]« [Sch65, S. 74] Ein Spieler, der ein Spiel beginnt, entzieht sich damit nicht nur der Endlichkeit der alltäglichen Welt, er tritt auch und vor allem ein in die Unendlichkeit des Spiels, die er nie mehr verlassen möchte, wofür es innerhalb des Spiels und aus dem Spiel heraus auch gar keinen Grund gibt; er drängt in diese Welt des Spiels hinein, und das Spiel drängt ihn nicht wieder heraus. »Nur durch außerspielerische Motive bewegt nimmt er schweren Herzens [...] von dem Spielzustand Abschied.« (Ebd., S. 74) Die Endlichkeit der alltäglichen Welt scheint der Unendlichkeit des Spiels nicht nur deutlich abgegrenzt, sondern sogar auch hinderlich entgegenzustehen (ebd., S. 76). Allein die Bedürfnisse, die Notwendigkeiten und die Zwänge der alltäglichen Welt scheinen einen Spieler daran zu hindern, nur noch und für immer zu spielen: »Das Spiel kann innerhalb seines Freiraums gekennzeichnet werden als ›Bewegung von innerer Unendlichkeit‹. 1 | Zu (un-)endlichen Spielen vgl. »definite« und »indefinite« Spiele bei Walter Schultze (s. [Sch65, S. 139f.]).

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Interaktivität als Spiel

Nichts Geringeres ist mit diesem Gedanken gesagt, als daß der Mensch, wäre er frei von Bedürfnissen, Nöten, Verpflichtungen jeglicher Art, fort und fort spielen würde [...]; er wäre ›nur da ganz Mensch, wo er spielt‹ [SchoJ, 15. Brief, S. 59]. Alles Arbeiten, Kämpfen, Befriedigen von Bedürfnissen gliche dem Kampf mit der Hydra Not, die uns am Ganz-Mensch-sein hindert.« [Sch65, S. 76] Das Spiel »verlangt nach Unendlichkeit« [Kel98, S. 72]. Es wird erst durch explizite oder implizite externe Einflußnahme begrenzt und endlich gemacht [Pia02, S. 83]: »Wer zuerst zehn Tore geschossen hat, hat gewonnen«, »nach 90 Minuten ist Schluß«. Auch die konkrete Ausprägung, derer sich ein Spiel i. d. R. bedient, während sie selbst nicht wesentlich zum Spiel gehört, schränkt seine Unendlichkeit ein. Das Spiel ist jedoch erst dann zuende, wenn seine Spieler aufhören, es zu spielen [Wes99, S. 96]. Im Spiel und solange das Spiel dauert, ist der Spieler unsterblich, denn sterben ist etwas, das in der alltäglichen Welt stattfindet, im Spiel aber alle Relevanz, ja seine Existenz verliert. »Wir spielten [Jazz], damit [die Menschen] tanzten, denn wer tanzt, stirbt nicht [...].« [Bar05, S. 15] Wer einen Tanz beendet, bei der Tischtennis-Runde oder beim Brennball ausscheidet, stirbt in diesem Sinne; er nimmt nicht länger am Spiel teil und muß wieder Teil der alltäglichen Welt sein. Der Gewinn eines Spiels ist stets auch der Gewinn des Lebens (vgl. [Mur97, S. 175] und [Pie98, S. 455]); es geht beim Spiel aber sicher nicht um »die retardierte Erfahrung des sicheren menschlichen Todes« ([SR84, S. 212], vgl. auch ebd., S. 212f.). In gewissem Sinne ist das »refusal of closure« des Spiels also sicherlich ein »refusal to face mortality« [Mur97, S. 175]. Spiel ist dabei aber keine Ablenkung von den Realitäten des Lebens oder eine, dann ja offensichtlich irreleitende, Illusion. Wiederholbarkeit

Einige Spiele sind, man kann wohl sagen trotz des wesensmäßigen Strebens des Spiels nach Unendlichkeit, konzeptionell so angelegt, daß sie an einem bestimmten Punkt enden; das Spielfeld ist z. B. voll (wie bei Scrabble) oder leer (wie bei Dame). Diese Spiele und auch Spiele wie Fußball lassen sich wiederholen, denn bei jedem Spiel entsteht etwas, das über das jeweilige konkrete und etwa einmalige Spielen hinausgeht: »Das Spiel nimmt sogleich feste Gestalt als Kulturform an. Wenn es einmal gespielt worden ist, bleibt es als geistige Schöpfung oder als geistiger 98

Spiel

Schatz in der Erinnerung haften, es wird überliefert und kann jederzeit wiederholt werden, sei es nun unmittelbar nach Beendigung, wie ein Kinderspiel, eine Partie Trick-Track, ein Wettlauf, oder nach langer Zwischenpause. Diese Wiederholbarkeit ist eine der wesentlichen Eigenschaften des Spiels.« ([Hui56, S. 17], zur Wiederholung, zur Fortsetzung und zum Neubeginn von Spielen s. [Sch65, S. 146f.]) Jede Wiederholung eines Spiels kann zu einem anderen Verlauf und Ergebnis führen [SZ04, S. 340]. Diese Wiederholbarkeit unterscheidet das Spiel von anderen Medien, etwa vom Buch, das offenbar kein Spiel ist (Reiner Knizia in [SZ04, S. 23], vgl. auch Abschn. 5.4.4). Ein Spiel kann also jedesmal anders ausgehen; als »reversible« ([Gro03] zit. n. [Küc04, S. 25]) kann ein Spiel allerdings nicht angesehen werden, denn ein einmal gespieltes Spiel kann natürlich im Nachhinein nie mehr geändert werden. Unendlichkeit und Wiederholbarkeit im Umgang mit dem Computer

Ebenso wie das Spiel hat der Computer eine eigene, oft nicht-chronische Zeit, die i. d. R. unbegrenzt und unabhängig von Wochentag, Jahresund Tageszeit ist. Gründe, ein Spiel oder die Computerbenutzung zu beenden, sind oft externer Natur. Das Spiel hat keine Vergangenheit und kein Gedächtnis; jedes Spiel kann anders verlaufen und ausgehen. Wie ein Spieler bei einem neu beginnenden Spiel kann auch der computer user etwa durch einen Neustart wieder vom Anfang beginnen. Wie ein Spieler seine Schachfiguren wieder auf ihre Startfelder stellen oder einen tennis court zu einem match betreten kann, kann auch der computer user ein neues Dokument anfangen oder den Computer neu starten. Vorgänge im Computer können i. d. R. unbegrenzt oft identisch oder auch in leichter Variation wiederholt werden. Die Wiederholung ist geradezu ein grundlegendes Prinzip des Computers. Andererseits kann auch endlos mit einem Programm gearbeitet werden, ohne daß es einen gegebenen Endpunkt gäbe.

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Interaktivität als Spiel

4.1.3 Scheinhaftigkeit Ein jedes denkende Wesen kann sich die Realtität Spiel, Spielen, sogleich als ein selbständiges, eigenes Etwas vor Augen führen, sogar wenn seine Sprache kein allgemeines Begriffswort dafür besitzen sollte. Das Spiel läßt sich nicht verneinen. Johan Huizinga [Hui56, S. 11]

Spiel ist seinem Wesen nach scheinhaft; es grenzt sich ab gegenüber einerseits der Illusion und andererseits der alltäglichen Welt. Die Scheinhaftigkeit des Spiels bewegt sich zwischen diesen Polen, ohne sie völlig zu verlassen und ohne sie je zu erreichen. Das Spiel äußert sich gleichzeitig in einem etwa beobachtbaren oder gegenständlichen Geschehen und in einer schwebenden, nicht am Materiellen oder »Faktischen« (Scheuerl) interessierten Haltung: »Die Freiheit des Spiels west in einer eigenen ›scheinhaften‹ Ebene.« [Sch65, S. 81] Die Scheinhaftigkeit des Spiels steht allerdings nicht auf einer Stufe mit »›Illusion‹, ›Täuschung‹, ›Fiktion‹ oder gar ›Halluzination‹« (ebd., S. 83, vgl. ebd., S. 81f.). Spiel ist sowohl real als auch als-ob. Spiel findet in einer, wenn man so will, fiktiven und künstlichen Welt statt, in der nichts Relevanz für die restliche Welt hat und überhaupt nur Bedeutung erlangt, weil sich die Spieler dazu willentlich entschließen. Der Akt der Schaffung von Realität durch gemeinschaftlichen Beschluß zeichnet sich deutlich ab. Während bei allen Medien intern Bedeutung durch ihre Teilnehmer erzeugt wird, und es den Teilnehmern aller Medien klar ist, daß sie mit Medien umgehen, scheint es einen Unterschied zwischen dem Spiel und anderen Medien im Bezug auf die wahrgenommene Echtheit des Geschehens zu geben. Die Illusion, die Abbildung und die Ähnlichkeit mit der Realität scheinen etwa im Theater eine wesentlich relevantere Rolle zu spielen als im Spiel. Die Realität des Spiels wird erst im Spiel selbst souverän konstruiert und leitet ihre Existenz nicht von der Übernahme von Gegenständen oder Handlungen der alltäglichen Welt ab. Sie kann sogar aus dem Spiel hinaussickern und Spielern wichtiger werden als die Realität der alltäglichen Welt. Spieler handeln in vollem Ernst und mit vollem Einsatz; das Spiel ist auch aus der alltäglichen Welt heraus nicht zu leugnen, der Gewinn eines Spiels ein tatsächlich real stattfindender Vorgang. Das Konkrete ist dabei 100

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nicht Ziel oder Wesen des Spiels. »Die Sache ist immer nur Mittel der Einspielung (Il-lusio!). Das Entscheidende ist die Bewegung selbst, diese schwebende, kreisende, in sich unendliche, zweck-, ziel- und sachfreie Bewegung. Alle Objekte und Ziele reichen nur mit ihrer Bildhaftigkeit in diese Ebene herein, so wie umgekehrt auch das Spiel aus der Ebene der Scheinhaftigkeit nicht bis zur Sache hinabreicht.« [Sch65, S. 87] Das Handeln der Spieler im Spiel wirkt auf einer anderen Ebene als ihr Handeln in der alltäglichen Welt: »Die Spieltätigkeit ist insofern eine besondere Art von Tun, als zwischen ihr und ihrem Effekt gleichsam ein Hiatus besteht: Das Tun bewirkt nicht unmittelbar den Effekt, sondern es gibt nur Impulse, damit ein Geschehen ›von selbst‹ entstehe. Dieses Geschehen aber vollzieht sich in einer anderen Ebene als das Tun: Es ist ›scheinhaft‹, während das Tun als solches immer ›real‹ bleibt.« (Ebd., S. 131) Illusion [...] ein ›guter‹ Spieler hat [im Spiel] nicht nur einen angenehmen Tagtraum, er hat tatsächlich vor sich und anderen ein[en] Fähigkeitsbeweis geführt, der nicht zu leugnen ist. Georg Seeßlen in [SR84, S. 37]

Die Scheinhaftigkeit, die als Kennzeichen des Spiels beschrieben wird, bezieht sich nicht auf die Frage der Wirksamkeit des Spiels im Bezug auf die Realität der alltäglichen Welt, sondern auf die Art seiner Erscheinung parallel zur alltäglichen Welt. Die Abgrenzung des Spiels gegenüber der Nichtspielwelt (s. Abschn. 4.1.6) ist also keine Abgrenzung zwischen Fiktion und Realität; Scheinhaftigkeit heißt nicht Illusion. Ein illusionärer Anteil kann im Spiel vorkommen, als Kennzeichen des Spiels oder auch nur als eine seiner Eigenschaften kann er jedoch nicht gelten: »[...] das Bewußtsein der Scheintätigkeit . . [ist] kein allgemeines Merkmal des Spielbegriffes« ([Gro99, S. 493] zit. n. [Sch65, S. 84]). Die Scheinhaftigkeit scheint sich währenddessen als wesentlich für das Spiel zu erweisen. Illusion ist nicht in jedem Fall Spiel [Sch65, S. 85]; mit Spiel ist hier nicht das Spiel der Illusion gemeint. Das Spiel stützt sich weder auf tatsächliche Bedeutungen, die Gegenstände oder Handlungen in der alltäglichen Welt haben, noch auf fiktive oder illusionäre. »Man kann mit vorgetäuschten Realitäten ebenso gut spielen, wie man mit wirklichen 101

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spielen kann. Aber indem man mit ihnen spielt, hält man sich auch bei den Illusionen selbst wieder nur an die ›scheinhafte‹, ›bildhafte‹ Seite, transportiert sie in eine eigengesetzliche Ebene, in der alles Faktische oder vorgetäuscht Faktische irrelevant wird [...] [.]« ([Sch65, S. 85], zur Bedeutung im Spiel vgl. Abschn. 4.1.6) Was ist nun mit Schein in Abgrenzung von der Illusion gemeint? »›Es versteht sich wohl von selbst, daß hier nur von dem ästhetischen Schein die Rede ist, den man von der Wirklichkeit und Wahrheit unterscheidet, nicht von dem logischen, den man mit derselben verwechselt‹, von dem Schein also, den man ›liebt, weil er Schein ist, und nicht, weil man ihn für etwas besseres hält. Nur der erste ist Spiel, da der letzte bloß Betrug ist.‹ [SchoJ, 26. Brief, S. 105]« [Sch65, S. 84] Erscheint nun das Spiel seinem Spieler in gewisser Weise echter und weniger illusionär als ein Kinofilm seinem Zuschauer? Im Spiel und im Kinofilm finden Handlungen in einer Spielwelt statt, die innerhalb ihrer selbst auch konsequent ist. In beiden Fällen scheinen nicht die Handlungen selbst interessant zu sein, sondern das, was sie bedeuten, signalisieren oder symbolisieren. In beiden Fällen wissen alle Beteiligten, daß sie es mit Medien zu tun haben. Medien wie der Film und das Spiel scheinen sich im Bezug auf die Scheinhaftigkeit zu unterscheiden, denn während der Film als Abbildung erscheint, bewahrt sich das Spiel eine gewisse Unabhängigkeit von der es umgebenden Welt, in der und indem es seine eigene Bedeutung erzeugt, die nur zu einem geringen Teil als Abbildung gelten kann. Alle Medien erzeugen intern Bedeutung. Es scheint aber Unterschiede zwischen Medien im Verhältnis von aus der alltäglichen Welt übernommenen Bedeutung zur intern erzeugten Bedeutung zu geben. Der Film erzeugt intern Bedeutung, jedoch in weit geringerem Maße, so scheint es, als das Spiel. Einen Film aus einer anderen Zeit oder aus einem anderen Kulturkreis zu verstehen, ist ungleich schwieriger als ein vergleichbares Spiel zu verstehen. Die Bedeutung eines Spiels wird innerhalb des Spiels erzeugt und nicht oder nur zu einem geringen Teil aus der alltäglichen Welt importiert; Handlungen und Gegenstände im Spiel sind nicht deswegen relevant, weil sie auf Spiel-externe Handlungen und Gegenstände Bezug nehmen. Ein Fußball steht nicht für etwas anderes, er ist keine Referenz. Die Spieler eines Spiels bauen den überwiegenden Teil der für das Spiel relevanten Bedeutung selbst innerhalb des Spiels auf, die entsprechend 102

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unabhängig von der alltäglichen Welt ist (vgl. Abschn. 4.1.6). Insofern ist ein Schuß aufs Tor etwas anderes als ein Schuß in einem Western; das Spiel unterscheidet sich in dieser Hinsicht von anderen Medien wie etwa dem Film. Lügt nun der Schauspieler und spricht der der Spieler die Wahrheit? Täuscht der eine, und der andere ist ehrlich? Ein Schauspieler, der King Lear spielt, und ein Kind, das mit einem Bagger im Sand spielt, spielen mit gleicher Berechtigung und Hingabe. Die Spiele unterscheiden sich voneinander, aber beide tun in einer bestimmten Hinsicht bloß als ob. Der Schauspieler hat auf der Bühne Leute, die King Lears Befehlen gehorchen und im Publikum Leute, die ihm glauben (wollen); das Kind fährt tatsächlich einen kleinen Bagger und kann auch mit einem anderen Kind zusammenspielen, das einen Lastwagen steuert. Ihre Hingabe ist also keine Einbildung, ihre Darstellung keine Täuschung (im Gegensatz etwa zu Trickbetrügern). Der Mittelstürmer beim Fußball ist tatsächlich Mittelstürmer und stellt nichts anderes dar und sich nichts anderes vor. Er tut auch nicht bloß so. Warum sollte er auch? Seine Anstrengung ist echt und sein Bemühen, aber dann auch seine Freude und sein Sieg (im Gegensatz zum Schauspieler). In einer Spielwelt agieren sie alle, und alle wissen, was und daß gespielt wird. Theater und Spiel sind nicht realistisch dargestellt. In beiden Medien wird vom Teilnehmer verlangt, daß er sich auf das Medium einläßt und seine Möglichkeiten der Teilnahme akzeptiert. Die Illusion, die Abbildung und die Ähnlichkeit mit der Realität scheinen im Theater aber trotzdem eine wesentlich relevantere Rolle zu spielen als im Spiel. Die meisten Theaterstücke und Filme sind von der Ausstattung her naturalistisch; bei der überwiegenden Zahl von (wettkampfartigen) Spielen (z. B. Fußball) spielt dies keine entscheidende Rolle. Der Computer wird sich möglicherweise auch, wie das Spiel, als ein solches Medium erweisen, innerhalb dessen der souveräne, reale Anteil den illusionistischen, sinnlichen überwiegt (s. auch Abschn. 7.3, vgl. [ArnoJ, S. 25] und [RMF+ 05]). Realität VR [wird gesehen als] Abbildung oder Scheinkonstruktion, aber es ist doch mehr. Dieter Müller (pers. Komm., 31. Mai 2006)

Der Gegensatz, der oft zwischen Spiel und Realität vermutet wird, besteht nicht dort, sondern zwischen Spiel und alltäglicher Welt, denn 103

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Spiel ist in bestimmter Hinsicht zweifellos real, aber offensichtlich nicht die alltägliche Welt (vgl. Abschn. 4.5.3). Nach Luhmann sind Spiel und Realität nicht als Gegensätze zu verstehen: »Both non-play and play are ›realities,‹ because they are products of a distinction, a difference that makes a difference.« [Wal02] So wie Reverdy Kunst und Realismus gegenüberstellt, um die souveräne Realität des analytischen Kubismus zu zeigen, die nicht auf einer »illusorische[n] Existenz des Gegenstandes« [Tho71, S. 51] auf der Leinwand beruht, ist auch das Spiel unabhängig von der alltäglichen Welt und Teil der Realität: »Wir leben in einer Epoche der Kunst, in der man nicht auf mehr oder minder angenehme Weise Geschichten erzählt, sondern in der man Werke hervorbringt, die außerhalb des Lebens stehen und doch an ihm teilhaben, und ohne die Dinge des Lebens anzudeuten oder nachzubilden, eine eigene Existenz führen. Daher ist die Kunst in höchsten Grade wirklich. Aber ich meine damit eine künstlerische Wirklichkeit, und nicht den Realismus; er ist nämlich genau das Gegenteil von unseren Bestrebungen.« (Pierre Reverdy zit. n. [Tho71, S. 51f.]) Das Spiel als Gegensatz zur Realität sieht etwa Kücklich [Küc04, z. B. S. 14]. Heckhausen bezeichnet Spiel als »Pseudo-Realität« ([Hec78] zit. n. [RP90, S. 16], zur Frage der Realität von medialen Darstellungen vgl. auch Abschn. 3.2.2). Das Scheinhafte des Spiels soll hier nun »nicht vom Boden des sogenannten ›Realen‹« beurteilt werden, sondern von dem aus, »was man als Spieler oder Zuschauer im Schein unmittelbar erlebt. [...] Das Erscheinende wird in dieser Betrachtungsart innerhalb seiner eigenen Ebene belassen. Es kann seinem Sinne und seinem Wesen nach nur innerhalb dieser Ebene verstanden werden. Jeder Rückfall in die ›Realität‹ verdirbt (oder gefährdet) das Spiel und denaturiert seine Phänomene: die Phänomene des hohen Spiels der Tragödie und der Musik nicht minder als die des Puppenspiels eines Kindes. [...] Den prägnantesten Ausdruck dafür hat SCHILLER gefunden: ›Die Gleichgültigkeit gegen Realität und das Interesse am Schein (sind) eine wahre Erweiterung der Menschheit und ein entschiedener Schritt zur Kultur‹ [SchoJ, 26. Brief, S. 105].« [Sch65, S. 83] Das Spiel bedient sich i. d. R. einer gegenständlichen Darstellung und konkreten Handlungen, die auch im Sinne der alltäglichen Welt als real anzusehen sind: Fußballspieler laufen über den Platz, Tennisspieler schlagen den Ball übers Netz und Schachfiguren stehen auf dem Brett. 104

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Das Wesen des Spiels kann aber durch die Beobachtung dieser sekundären Ausprägungen des Spiels nicht vollständig erfaßt oder beschrieben werden [Sch65, S. 86]. Ziel des Spiels ist nicht die Veränderung der alltäglichen Welt (vgl. [Kel98, S. 75]); diese ist nur Hilfsmittel, »Anlaß und Stütze« [Sch65, S. 86] zum Spiel und kann dem Spiel sogar hemmend gegenüberstehen (vgl. o.). Das Spiel spielt nicht in der alltäglichen Welt, es spielt nicht auf dem Boden des Faktischen, noch zielt es auf es, sondern benutzt es allenfalls [Sch65, S. 80]. Handlungen im Spiel sind keine Handlungen in der alltäglichen Welt; Bedeutung erlangen sie im Spiel für die Spieler. »HERBERT SPENCER spricht von ›simulated actions in place of real actions‹, um das Spiel zu charakterisieren. [Spe97, S. 630]« [Sch65, S. 82] Alle Medien haben die Tendenz, ihre eigene Dynamik und Realität auszubilden, und nicht nur durch Rückbezüge auf Referenten zu funktionen; dies sagt Baudrillard, wenn er sagt, ein vom »Fernsehen übertragene[s] Fußballspiel [sei] zuallererst ein durchs Fernsehen übertragenes Ereignis, genauso wie der Holocaust oder der Vietnamkrieg, von denen es sich kaum unterscheide[...]« ([Bau92, S. 223] zit. n. [Win95, S. 33], vgl. auch [Bau78]). Beim Computer und beim Spiel scheint diese Tendenz besonders deutlich ausgebildet und zu sehen zu sein. Spiel ist nicht in der Art real, in der die Gegenstände oder Situationen, derer sich das Spiel bedient, der alltäglichen Welt entstammen, mögen es Knochen, Sand oder zerstörte Panzer der US-Armee im Irak sein. Im Gegenteil: Spiel ist real, weil es diese Sachen ins Spiel zieht und ihnen eine eigene Bedeutung innerhalb des Spiels verleiht; nach und nach verlieren diese Sachen ihren Bezug zum Referenten und bekommen eine andere und eigene, aber deswegen offenbar nicht weniger gültige Bedeutung (vgl. Abschn. 6.2.3). Die Handlungen, die Spieler im Spiel durchführen, sind reale Handlungen. Wenn ein Spieler im Spiel dem Gegner einen Ball abnimmt, ist das nicht so zu verstehen, als würde er ihm sein Auto stehlen. Aber es ist so, daß der Besitz des Balles gewechselt hat, in durchaus konkreter, sichtbarer, konsequenter und ernstgemeinter Weise. Aktionen in Spielen haben Spiel-interne Bedeutung und werden für die Spieler dadurch real; dies ist durchaus nicht im Gegensatz zu Spencer [Spe97, S. 630] zu verstehen. Das Spiel hat überdies auch die Eigenschaft, in die alltägliche Welt und damit auch in andere Medien hineinzusickern (vgl. Abschn. 4.1.6). In 105

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dieser Hinsicht unterscheidet sich das Spiel nicht von anderen Medien, etwa dem Film [Bis99, S. 7]. Bedeutungen und Resultate eines Spiels können so Eingang finden etwa in die Populärkultur. Die Realität des Spiels kann von seinen Spielern sogar höher eingeschätzt werden als die Realität der alltäglichen Welt: »One of the great problems with the way most schools are set up is that the children quickly sense that most of the stuff they are asked to do is not ›real‹, especially as opposed to optional activities like sports and games, art and music.« [Kay95] Scheinhaftigkeit im Umgang mit dem Computer

Obwohl die Aktionen des computer users wirklich und ernsthaft sind, finden sie ihre Auswirkung zunächst in der scheinhaften Welt des Rechners. Wie im Spiel erscheinen solche Handlungen durchaus als real und als nicht zu leugnen; wie im Spiel finden sie jedoch nicht in der alltäglichen Welt statt, sondern parallel zu ihr. Der Umgang mit dem Computer ist keine Einbildung, Fiktion oder Illusion. Nicht die Fähigkeit des Rechners, seinen user mit allerlei ausgeklügelten Techniken hinters Licht zu führen ist sein faszinierendes Moment, und darin scheint er anderen Medien auch nicht viel voraus zu haben. Die Faszination im Umgang mit ihm scheint vielmehr darin zu liegen, daß er seinem user erlaubt (genau wie das Spiel seinem Spieler), selbst inhaltlich entscheidende und Verlauf und Ergebnis wesentlich beeinflussende Handlungen auszuführen, während der Umgang mit ihm gleichzeitig auf einer Ebene von geradezu schwebender Freiheit verbleibt. 4.1.4 Ordnung Ein weiteres Kennzeichen des Spiels ist die Ordnung. »In die unvollkommene Welt und in das verworrene Leben bringt [das Spiel] eine zeitweilige begrenzte Vollkommenheit. Das Spiel fordert unbedingte Ordnung. Die geringste Abweichung von ihr verdirbt das Spiel, nimmt ihm seinen Charakter und macht es wertlos. [...] Die Wörter, mit denen wir die Elemente des Spiels benennen können, gehören zum größten Teil in den Bereich des Ästhetischen. Es sind Wörter, mit denen wir auch Wirkungen der Schönheit zu bezeichnen suchen: Spannung, Gleichgewicht, Auswägen, Ablösung, Kontrast, Variation, Bindung und Lösung, Auflösung. Das Spiel bindet und löst. Es fesselt. Es bannt, das heißt: es bezaubert. Es ist voll von den beiden edelsten Eigenschaften, die der Mensch 106

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an den Dingen wahrzunehmen und auszudrücken vermag: es ist erfüllt von Rhythmus und Harmonie.« [Hui56, S. 17f.] Das Kennzeichen der Ordnung hängt eng zusammen mit den Kennzeichen der Freiheit (s. Abschn. 4.1.1) und der Geschlossenheit (s. Abschn. 4.1.6). Die »eigene und unbedingte Ordnung« [Hui56, S. 17] des Spiels nimmt ihren Ausgang in (Spiel-)Regeln, und die Regeln sind (äußerer) Ausdruck dieser Ordnung. »Der objektive Rahmen, der der Erfüllung harrt, kann, sofern er nicht improvisiert wird, völlig außerhalb des Spielens entstanden sein: Als Vereinbarung von Regeln vor Spielbeginn, als Abstecken des Feldes, als Herstellen von Hilfsmitteln usw. Selbst der Entschluß: ich bin jetzt Räuber, und du sollst Prinzessin sein, – ist solch ein außerspielerisches Herstellen eines Rahmens.« [Sch65, S. 104] Spiel wird in diesem Sinne in gleicher Weise eingegrenzt und ermöglicht. Explizite Regeln (etwa Spielregeln) und implizite Regeln stellen verschiedene Arten von Regeln dar. Spielregeln beschreiben, was in einem Spiel explizit verboten, erlaubt oder möglich ist. Sie stehen vor Beginn und für die Dauer des Spiels fest und sind allen Spielern unmißverständlich und vollständig bekannt; ihre exakte Einhaltung ist für die Spieler obligatorisch. Nur in Ausnahmefällen werden Regeln nicht eingehalten, dann kann nicht gespielt werden. Salen und Zimmermann [SZ04, S. 573] unterscheiden zwischen konstitutiven (»constituative«) und operationalen (»operational«) Regeln. Implizite Regeln kommen als Konventionen, Rollen oder codes in vielen Bereichen des Lebens vor, auch in Spielen. Sie sind allen Teilnehmern bekannt und werden von ihnen respektiert, auch wenn sie i. d. R. nicht ausdrücklich genannt oder verhandelt, sondern stillschweigend akzeptiert werden. Die Kenntnis impliziter oder ungeschriebener Regeln wird bei zahlreichen Spielen vorausgesetzt. Die Regeln bestimmen den Möglichkeitsraum des Spielers im Spiel; i. d. R. wird dies ein anderer Möglichkeitsraum sein als in der alltäglichen Welt. Die Regeln, die im Spiel gelten, unterscheiden sich von den Regeln, die in der alltäglichen Welt gelten. Spielregeln grenzen das Spiel ab und beziehen sich nur auf das Spiel. Die Regeln eines Spiels müssen ebenso gelernt werden, um am Spiel teilzunehmen, wie bei jedem anderen Medium erst seine Sprache gelernt werden muß, um es zu verstehen; und zwar nicht die inhaltliche Sprache, sondern die formale.

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Interaktivität als Spiel Implizite Regeln What we’re doing is fucking with the rules. There should be no rules, man. We’re being honest to ourselves. Peter Fonda über den Film Easy Rider zit. n. [Bis99, S. 45]

Implizite Regeln sind Regeln, die allen Teilnehmern bekannt sind, die alle respektieren und die i. d. R. nicht ausdrücklich genannt oder verhandelt werden, sondern stillschweigend akzeptiert werden. Implizite Regeln kommen als Konventionen, Rollen oder codes in vielen Bereichen des Lebens vor, auch in Spielen. Kulturelle Verhaltensregeln können als Beispiel für implizite Regeln (»a code«) gelten, die i. d. R. nicht explizit (»that no one revealed to each other«) gemacht werden: »There was a code of what you did and didn’t do. And you certainly didn’t date an agent. And you didn’t flash wealth, you didn’t care about it, you didn’t do things for money. You did things because you felt artistically compelled to do them.« (Margot Kidder zit. n. [Bis99, S. 245]) Implizite Regeln sind nicht trivial oder quantitativ unbedeutend: »The ›casual‹ game of tennis that my buddies and I play is really based on an enormously complex set of ›rules‹ – assumptions, traditions, and conventions – that govern our behaviour on the court (whether we are consciously aware of it or not).« ([SnioJb] zit. n. [SZ04, S. 127]) Das Gegenteil scheint der Fall zu sein: »[...] if every possible implicit rule had to be listed, the list would be infinite.« [SZ04, S. 129] Spielregeln Die Tasten [eines Klaviers] fangen an, die Tasten hören auf. Du weißt, es sind achtundachtzig, daran ist nicht zu rütteln. Sie sind nicht unendlich. Du, du bist ohne Ende, und ohne Ende ist auch die Musik, die du auf den Tasten spielen kannst. Es sind achtundachtzig. Du bist unendlich. Alessandro Baricco [Bar05, S. 74f.]

Spiele werden von explizit formulierten Spielregeln eingegrenzt und ermöglicht. Spiel aus der Sicht des Spielers ist sicher keine »gesetzlose [...] Aktivität« (Hessen, phil. Th. d. Sp., 66ff. (wohl [Hes26, S. 66ff.]) zit. n. 108

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[Sch65, S. 96]) oder willkürlich. Es ist eine überaus geordnete Aktivität. Es ist »frei und im höchsten Grade frei von allem Zwang, aber keineswegs frei von Gesetzen« ([SchoJ, Anm. zum 20. Brief, S. 78f.] zit. n. [Sch65, S. 95]). Spiel braucht in diesem Sinne stets Regeln, und Regeln sind Voraussetzung für Spiel. Regeln ermöglichen Spiel, indem sie festlegen, was Spieler in einem Spiel tun können. Ein Autorennen kann nur stattfinden, weil und wenn die Strecke festgelegt ist; wenn jeder Teilnehmer eine andere Strecke fährt, wird es kein Rennen. Die Regeln sind allen Spielern bekannt, sie stehen vor Beginn und für die Dauer des Spiels fest, und ihre exakte Einhaltung ist für die Spieler obligatorisch; werden die Regeln nicht eingehalten, kann nicht gespielt werden [Hui56, S. 18]. Um ein Spiel zu spielen, müssen seine Regeln gelernt werden. Spieler halten Regeln also nicht nur wegen eines Schiedsrichters oder anderer Spieler ein, sondern auch um ihres eigenen Spiels willen [Sch65, S. 157]. Es gibt nur wenige Ausnahmefälle, in denen Spielregeln nicht befolgt werden, wie etwa Lernen, Schummeln und Foulen (vgl. [SZ04, S. 123]). Diese Funktionen und Eigenschaften von Regeln sind weitgehend unstrittig. Glassner [Gla01, S. 60] etwa definiert Regeln wie folgt: »The rules are laid out in advance, and are explained to all the participants. Typically the players are asked if they understand the rules, and if they do not, they are explained again. The rules are often stated clearly in printed rulebooks, distributed before the event begins. These rules are external, in the sense that someone beyond the players has decided upon them and laid them out. [...] generally the rules are set by an external authority before the game begins, and all players adhere to the rules. Compliance with the rules is not only mandatory, but there are external referees to enforce compliance and adjudicate disputes. Once the game is begun, the rules are fixed and must be obeyed.« Salen und Zimmerman [SZ04, S. 122f.] gehen von einem fast identischen Regelbegriff aus. Der Gültigkeitsbereich von Spielregeln ist auf das betreffende Spiel beschränkt (ebd., S. 96). Dies bedeutet einerseits, daß Spielregeln sich nicht auf Bereiche außerhalb des Spiels beziehen (ebd., S. 122), etwa das »ordinary life« (ebd.), andererseits unterwirft sich und gehorcht ein Spieler eines Spiels den Regeln des Spiels, nicht mehr denen der alltäglichen Welt (vgl. Abschn. 4.1.1). In diesem Sinne kann »[d]er spielende Mensch [...] [als] ein halber Anarchist« [SR84, S. 38] gelten. 109

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Regeln sind äußerst wichtig für das Spiel. Die Beschreibung eines Spiels wäre offensichtlich unvollständig, fehlte eine Aufstellung und ggf. eine Erklärung oder Auslegung der Regeln [SZ04, S. 135]. Spielen heißt, Regeln zu befolgen (ebd., S. 117) – Regeln zu befolgen heißt aber nicht automatisch auch spielen. Regeln allein beschreiben nicht das Wesen des Spiels; spielen heißt zwar auch, systematisch Regeln zu befolgen, aber das beschreibt ein Spiel nicht vollständig, denn es fehlt dabei die Betrachtung der Spielhaltung, die das Regelbefolgen erst zum Spiel werden läßt (vgl. Abschn. 4.5.1) Huizinga zählt zwar die Ordnung zu den Kennzeichen des Spiels [Hui56, S. 17f.], nicht aber die Regeln als bloßes Mittel, diese Ordnung zu erreichen. Regeln sind eine Hilfe für Spiele, nicht Wesensmerkmal von Spielen. Wenn ein Spiel nicht spannend oder fair abläuft oder zu gefährlich zu sein scheint, werden entsprechende Regeln eingeführt, die es interessant und spielbar machen. In einem durch Regeln eingegrenzten Raum findet die Spielhaltung einen Ort, um sich ausdrücken zu können. Um ein Spiel würdigen oder verstehen zu können, ist also die Kenntnis seiner organisatorischen und systematischen Grundlagen unzureichend [SZ04, S. 33]. Beim Spielen kann es also nicht um das bloße Befolgen von Spielregeln gehen, sondern vielmehr um das Handeln innerhalb einer bestimmten Haltung, der Spielhaltung (vgl. die Snooker-Regeln, etwa in [BK93], und Abschn. 4.5.2). Regeln beschreiben, was in einem Spiel verboten, erlaubt oder möglich ist. Diese Regeln stehen vor Beginn und für die Dauer des Spiels fest und sind allen Spielern unmißverständlich und vollständig bekannt. Während eines Spiels ändern sich seine Regeln i. d. R. nicht. Wenn Salen und Zimmerman einerseits schreiben, »[t]he rules of a game are fixed and do not change as a game is played.« [SZ04, S. 122] und andererseits, »[t]here are many games in which changing the rules is part of the game in some way; however, the way rules can be modified is always highly regulated.« (Ebd., S. 123) benutzen sie den Begriff der Regel in zwei unterschiedlichen Sinnen: Einmal als Spielregel und einmal als Beschreibung der in einer Spielsituation dem Spieler zur Verfügung stehenden Möglichkeiten – diese können sich sicherlich während des Spiels ändern (wie bei Pac-Man), aber die Spielregel sieht dies vor und ändert sich nicht. Regeln werden auch nicht während eines Spiels herausgefunden; sie sind allen Spielern des Spiels bekannt, bevor sie formal ins Spiel eintreten (»›officially‹ enter into the game« (ebd., S. 333)). Das (algorithmische) Verhalten eines Systems kann herausgefunden werden. »In an 110

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endogenuous game [»where the academic content is seamlessly integrated with gaming mechanics«], players learn the properties of a virtual world through interacting with its symbology, learning to detect relationships among these symbols, and inferring the game rules that govern the system.« [Squ02] Entsprechend meint auch Manovich wohl das algorithmische Verhalten der Spielwelt und nicht die Spielregeln, wenn er schreibt: »As the player proceeds through the game, she gradually discovers the rules which operate in the universe constructed by this game. She learns its hidden logic, in short its algorithm. Therefore, in games where the game play departs from following an algorithm, the player is still engaged with an algorithm, albeit in another way: she is discovering the algorithm of the game itself. I mean this both metaphorically and literally: for instance, in a first person shooter, such as ›Quake,‹ the player may eventually notice that under such and such condition the enemies will appear from the left, i. e. she will literally reconstruct a part of the algorithm responsible for the game play.« [Man00b, S. 197] Spieler entscheiden sich unter Kenntnis der Regeln, ein Spiel zu spielen ([SZ04, S. 124], [Man03a] und vgl. [Hui56, S. 193]): »Once play begins, players are enclosed within the artificial context [...] and must adhere to the rules in order to participate.« [SZ04, S. 124] Die Spielregeln werden dabei vor Beginn des Spiels festgelegt und schon gar nicht während des Spiels geändert [Man03a]. Eine vor Beginn des Spiels stattfindende Aushandlung von Regeln zwischen den Spielern ist sogar die Ausnahme und i. d. R. auf Spiele mäßiger Komplexität beschränkt, die gering formalisiert sind und in zahlreichen Varianten vorkommen (etwa Kinderspiele wie Fangen, Hoch-Hinein etc.). Es ist ansonsten in aller Regel nicht der Spieler, der eine Änderung der Regeln eines Spiels durchführt [Sch65, S. 224]. Es ist als Problem für die Spieler zu sehen und weist auf die Unreife eines Spiels hin, wenn Spielregeln nicht feststehen und nachgebessert werden müssen: »The rules of many online games are continually in transition, because they have to be constantly re-negotiated according to the needs of players.« [Küc04, S. 15] Regeln befreien

Regeln schränken die Möglichkeiten des Spielers ein [SZ04, S. 260]. Regeln ermöglichen allerdings gleichzeitig und auch genau dadurch Spiel und schaffen einen Freiraum.

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Regeln beschreiben nicht, was offensichtlich ist, z. B. gibt es beim Fußball keine Regel, die das Fliegen der Spieler verbietet, wohl aber das Handspiel. Regeln lassen das Unmögliche und Unwahrscheinliche außer Acht, schränken das potentiell Mögliche und Naheliegende aber ein (ebd., S. 119). Regeln ersetzen dabei keine Kontrolle (wie Keller [Kel98, S. 65] annimmt), »sofern sie eingehalten werden« (ebd., S. 65f.), sondern ermöglichen im Gegenteil die Kontrolle ihrer Einhaltung, denn ohne Regeln gibt es keine Übertretungen und keine Maßstäbe nach denen Kontrolle möglich und nötig ist – Regeln verlangen sogar nach ihrer Einhaltung und der Kontrolle ihrer Einhaltung. Werden Regeln nur unter dem Aspekt betrachtet, daß sie die Aktionen der Spieler limitieren, wird der konstituierende Beitrag übersehen, den Regeln zum Spiel leisten (ebd., S. 164). Regeln ermöglichen zielgerichtete und freie Handlungen im Spiel, indem sie den potentiellen Handlungsraum einschränken und so einen Freiraum öffnen, innerhalb dessen gespielt werden kann: Ein Spiel »braucht Regeln zu seiner Konstituierung. Sie schaffen den Spielraum, der Bedingung für Spielen ist, wo Lösungsdenken und das Treffen von Entscheidungen möglich werden, weil frei gehandelt werden kann.« (ebd., S. 66) Paradoxerweise liegt »the freedom of the player [...] in a submission to rules« [Küc04, S. 33]. Diese Eigenschaft von Regeln scheint nicht auf den Bereich des Spiels beschränkt zu sein; Regeln sind Voraussetzung jeglicher Freiheit [Kel98, S. 247f.]. Ein Beispiel dafür ist die Gestaltung der SwatchUhren: »The form of a Swatch watch is always the same. The tiny space it offers for creative design exerts an irresistible power of attraction on artists.« (Swatch web-site zit. n. [Nor04, S. 86]) Als ein anderes kann möglicherweise der Computer gelten: »Der Computer verlangt die Einhaltung einer bestimmten Logik und Sprache. Das sind die Bedingungen zu seinem Funktionieren. Innerhalb dieser Regeln aber entsteht Freiheit, ein Raum, in dem gespielt werden kann.« [Kel98, S. 129] Natürlich findet dabei jedesmal eine Abwägung zwischen den Einschränkungen und den mit ihnen verbundenen Möglichkeiten statt: »Any opening of new possibilities closes others, and this is especially true of the introduction of technology.« ([WF86, S. 166f.], vgl. Abschn. 7.3.2) Ordnung im Umgang mit dem Computer

Der Umgang mit dem Computer geschieht nach einer bestimmten Ordnung, die sich möglicherweise nicht wesentlich von anderen Ordnun112

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gen im Umgang mit anderen Medien unterscheidet; damit jemand mit einem Medium umgehen kann, muß er seine Sprache beherrschen. Am Computer wird dies seinem user aber vielleicht besonders sichtbar oder explizit. Mit Ordnung sind nicht in erster Linie Regeln gemeint. Um ein Spiel zu spielen, muß der Spieler mehr als Regelwissen besitzen. Er muß das Spiel kennen, sich seiner Ziele sicher werden und sie für sich annehmen und bereit sein, in seinem Geist zu handeln. Dies mündet in eine Ordnung, eine Harmonie und einen Rhythmus, die mit Regeln nur unzureichend beschrieben werden können. Natürlich ist es notwendig und auch eine Hilfe, bei Spielen auf Regeln zurückzugreifen, und Übertretungen werden geahndet. Die Parallele mit dem Umgang mit Computern liegt auf der Hand: Einige Regeln gelten dort wie in der alltäglichen Welt, andere unterscheiden sich deutlich. Verletzen er oder der Rechner eine Regel, wird oft in einer Fehlermeldung darauf hingewiesen. 4.1.5 Ambivalenz You never know what’s going to happen. Mark Amerika [Ame06]

Die Ambivalenz (Scheuerl) kennzeichnet das Spiel als eine Handlung, deren Verlauf und Ergebnis im Vorhinein nicht feststehen und über deren Ausgang es einerseits genügend Zweifel gibt (»Unsicherheit« bei Huizinga [Hui56, S. 52]), andererseits eine genügend große Chance, daß sie gelingt (»Spannung« bei Huizinga (ebd., S. 18 und S. 52). Das Spiel nimmt seinen Ausgang und Verlauf in Situationen von Gegensätzen und mündet in ebensolche Situationen: Bei der Ambivalenz des Spiels geht es um »das Offenhalten von Gegensätzen« ([Sch65, S. 89], vgl. ebd., S. 88f.). »Die Wörter, mit denen wir die Elemente des Spiels benennen können [...] [sind etwa] Spannung, Gleichgewicht, Auswägen, Ablösung, Kontrast, Variation, Bindung und Lösung, Auflösung. Das Spiel bindet und löst. Es fesselt. Es bannt [...].« [Hui56, S. 18] Spiel existiert nur so lange existiert, wie es sich seine Ambivalenz bewahrt. »Spielen ist ein Sich-halten im ›Zwischen‹ in j e g l i c h e r Hinsicht. Anders gewendet: Spielen ist immer ein ›Spielen – zwischen‹. Wer von einem Wesen, einem Ding, einem Geschehnis sagt, ›es spielt‹, der sagt formal nicht anderes aus, als dass es nicht entschieden festgelegt sei, – weder auf ein eindeutiges Ziel, noch auf einen eindimensionalen ›Aktionstunnel‹, – sondern dass es sich allen Richtungspolen gegenüber in einem krei113

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senden, pendelnden, schwebenden ›Zwischen‹ befinde.« (Helmuth Plessner n. [Sch65, S. 93]) Das Spiel endet, wenn seine Ambivalenz verschwindet. »Das Spiel kann sich als gleichsam ›stehende Bewegung‹ (BALLY) nur so lange im Gleichgewicht halten, wie das unentschiedene Zugleich entgegengesetzter Tendenzen herrscht. Wandelt sich die Ambivalenz in Eindeutigkeit, so schlägt auch das Spiel um in ›Ernst‹, oder es löst sich auf [...].« [Sch65, S. 91] Während Scheuerl auch von der Ambivalenz des Spiels spricht, wenn er den in vielerlei Hinsicht etwa zwischen Schein und Realität, Spannung und Entspannung, Drängen und Gedrängt-Werden, »vertraut und fremd, bekannt und unbekannt« [Kel98, S. 59] pendelnden Zustand des Spiels meint (vgl. etwa auch Abschn. 4.1.3), wird mit Ambivalenz hier insbesondere der schwebende Zustand des Spiels zwischen Gewinnen und Verlieren, zwischen Gelingen und Mißlingen gemeint, den Huizinga »Spannung« nennt. Die Relevanz dieser Frage ist je nach Art des Spiels unterschiedlich deutlich ausgeprägt. Diese Spannung des Spiels kann so stark abnehmen, daß ein Spiel für seine Spieler den Reiz verliert, sie kann aber auch so stark zunehmen, daß sie den schwebenden Zustand des Spiels droht aufzuheben. Von narrativen Medien scheinen sich das Spiel und der Umgang mit dem Computer hinsichtlich ihrer Ambivalenz deutlich zu unterscheiden. Während »interactivity and computer games« durch die Möglichkeit des Spielers gekennzeichnet sind, »of influencing the game now« [Juu98], ist etwa eine story festgelegt – das Spiel passiert, sein Verlauf und Ausgang sind stets ungewiß und offen ([KK02] n. [SZ04, S. 412], s. Abschn. 5.4.4). Natürlich kann auch eine Theatervorstellung ge- oder mißlingen, diese Frage der Ambivalenz besitzt dort jedoch einen offenbar geringeren Stellenwert als in einem wettkampfartigen Spiel. Vom Ergebnis des Spiels

Das Ergebnis des Spiels ist stets offen; das Spiel ist ambivalent in Bezug auf Verlauf und Ergebnis ([Kel98, S. 75], vgl. Abschn. 4.1.2). Gespielt werden kann nur, »wenn der Zweifel über den Ausgang des Spielens groß genug ist.« (Ebd., S. 300) D. h., daß ein solches Spiel potentiell von allen Beteiligten Spielern oder Mannschaften gewonnen werden kann ([Cra82, S. 73] n. [Mou02]). Wenn Spieler ein Spiel nicht gewinnen können, brauchen sie nicht zu spielen. Die Abwägung, ob ein Spiel diese Bedingung erfüllt, treffen die Spieler vor dem Spiel. 114

Spiel

In dem Moment, in dem das Ergebnis eines Spiels feststeht, endet das Spiel. Wenn das Ergebnis eines Spiels vor dessen Beginn feststeht, findet dieses Spiel in aller Regel nicht statt. Das Ziel des Gewinnens des Spiels kann in einem solchen Fall von keinem der beteiligten Spieler nicht (mehr) erreicht werden. Das ist es wohl, was Keller meint, wenn sie davon spricht, daß »[e]in Ergebnis, das vor Spielbeginn schon bekannt ist, den Sinn des Spiels [zerstört].« [Kel98, S. 72] Im Spiel kann und darf es niemanden und nichts geben, der oder das im Hintergrund die Fäden zieht; der Spieler will nicht »gewinnen«, weil es jemand erlaubt oder steuert, auch nicht aus Mitleid oder als Geschenk – er will selbst eine echte Herausforderung bezwingen. So scheint auch der Betrug an den anderen Spielern und an den Zuschauern etwa bei einem abgesprochenen Boxkampf das Problem zu sein, nicht aber, daß einer der beiden Kämpfer den Kampf verliert oder das dieser in diesem Fall automatisch langweilig sein müßte. (Beim Catchen ist wohl alles vorher abgesprochen, das ist Theater, aber das ist allen Beteiligten bekannt.) Bernard DeKoven beschreibt ein solches Spiel als purposeless2: »Imagine how incomplete you would feel if, before the game, you were already declared the winner. Imagine how purposeless the game would feel.« ([DeK78] zit. n. [SZ04, S. 174]) Das Spiel der Spieler hängt wesentlich von ihrem Einfluß auf das Spielgeschehen, den Verlauf und das Ergebnis des Spiels ab (vgl. etwa [SZ04, S. 61]); das entscheidende Eingreifen der Spieler setzt Ambivalenz voraus: »[...] if the outcome of a game is predetermined, the experience cannot provide meaningful play. [...] any choices a player makes are meaningless, because they do not impact the way that the game plays out. Meaningful play arises from meaningful choices. If a player’s choices have no meaning in the game, there really is no reason to play.« (Ebd., S. 174) Spannung

Die Ambivalenz scheint in einem agonalen Spiel wie Fußball eine weit relevantere Rolle zu spielen als etwa beim Spiel im Sandkasten oder in einem Schauspiel. In einem solchen Spiel besteht nur geringer Zweifel über den Verlauf und den Ausgang, und die Ambivalenz scheint kein entscheidender Faktor zu sein, der zum Spiel beiträgt. Aber auch ein

2 | Aimless schiene in diesem Fall ein wohl treffenderes Wort zu sein (vgl. Abschn. 4.1.7.

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Interaktivität als Spiel

solches Spiel kann glücken oder scheitern. In einem Spiel wie Fußball dagegen spielt die Frage, wer (es) gewinnt, eine ganz wesentliche Rolle. In einem agonalen Spiel »erreicht dies Element der Spannung, der ungewissen Aussicht auf Gelingen, der Unsicherheit, den höchsten Grad« [Hui56, S. 52]. Es geht nicht nur darum, ob das Spiel gelingt, sondern sogar darum, wessen Spiel gelingt, d. h. wer das Spiel gewinnt. Das »Spannungselement« scheint in diesem Fall also »eine ganz besonders wichtige Rolle« (ebd., S. 18) zu spielen; was ist damit gemeint? »Spannung besagt: Ungewißheit, Chance. Es ist ein Streben nach Entspannung. Mit einer gewissen Anspannung muß etwas ›glücken‹. [...] [Das Spannungselement] beherrscht die Gewandtheits- und Auflösungsspiele des einzelnen, wie Zusammensetzspiele, Mosaiklegen, Patience und Scheibenschießen, und nimmt in dem Maß an Bedeutung zu, wie das Spiel mehr oder weniger wetteifernden Charakter bekommt. Im Würfelspiel und im sportlichen Wettkampf ist es auf das Höchste gestiegen.« (Ebd.) Das Pendel des ambivalenten Spiels kann sogar so stark ausschlagen, daß es droht, »das Leichtbeschwingte des Spiels« (ebd., S. 52), etwa in einem agonalen Wettkampf, aufzuheben. »Überall, wo zwei Parteien kämpfen, überall, wo der Sieg abhängt von Punkt-, Tor- oder Fehlerzahlen, wird die Tendenz, das Spiel in freiem Pendeln und Schweben zu halten, von einer zweiten Tendenz überlagert: Nur auf der eigenen Seite soll es frei spielen.« [Sch65, S. 152] Das Spiel schwebt also zwischen den Polen der Langeweile und der unerträglichen Spannung. »[...] das Spiel [bedarf ] einer massvollen Spannung. Spannungslosigkeit wäre der Tod für das Spiel. Andererseits würde eine zu hohe Spannung sogleich einen auf Beendigung der Spannung gerichteten Befriedigungswunsch hervorrufen, der die Ambivalenz überwältigen müßte.« (ebd., S. 91) Diese »Spannung des Spiels soll [durch das Spiel der Spieler] nicht beseitigt, sondern erhalten werden. Sie ist hierin von allen Spannungen, welche der Daseinskampf setzt, grundsätzlich unterschieden.« (Ebd., S. 74) Ambivalenz im Umgang mit dem Computer

Der Umgang mit dem Computer besitzt einen ungewissen Ausgang. Trotz allen Einsatzes und ernsthafter Versuche auf Seiten des users ist das Ergebnis im Vorhinein i. d. R. nicht völlig klar oder gar festgelegt. Im Umgang mit dem Computer wird oft nicht nur Bekanntes nachvollzogen oder nachgespielt, sondern es wird Neues ausprobiert und entdeckt, ein Möglichkeitsraum erkundet. Wenn ein user mit Programmen um116

Spiel

geht, ist oft nicht klar, ob er sein Ziel erreicht; der Ausgang ist ungewiß. D. h. nicht, daß er nicht sicher ist, einen Brief am Computer schreiben zu können, d. h. aber, daß nicht von vornherein das Ergebnis feststeht. Der Umgang des users mit dem Computer scheint nun nicht nur eine Frage des Gelingens zu sein, sondern durchaus darüber hinausgehen zu können und sich der Frage des Gewinnens in der Weise anzunähern, daß der user durchaus den Eindruck gewinnen kann, der Computer spiele gegen ihn, und er spiele gegen den Computer (vgl. u. das Beispiel des Photoapparats bei Flusser und Abschn. 4.5.5). Kehrt sich dann schließlich die Mehrdeutigkeit zu Eindeutigkeit, die Unsicherheit zu Sicherheit, ist das Spiel vorbei. Hat der user das von ihm gewünschte Ergebnis erreicht, hat er den Computer besiegt. 4.1.6 Geschlossenheit [Spiel darf] sich nur innerhalb einer gewissen Beschränkung und Begrenzung frei bewegen [...], wenn es wahrhaft erfreuen, Gemüt und Geist befriedigen soll[.] Friedrich Fröbel [Frö63, S. 16f.]3

Für das Spiel ist es wesentlich, sich von der alltäglichen Welt abzugrenzen [Sch65, S. 95]. Es strebt nach einer geschlossenen Form, nach Anfang und Ende, nach Klarheit, Übersicht und Ordnung; diese äußert sich in vielen Fällen gegenständlich und konkret, in allen Fällen besteht sie jedoch gedanklich und abstrakt. Das Spiel spielt mit Handlungen und Gegenständen der alltäglichen Welt, die Spieler weisen dem Spiel jedoch souverän und weitgehend unabhängig Bedeutung zu und übertragen sie nicht von außerhalb des Spiels. Ein weiteres Kennzeichen des Spiels ist also die Begrenztheit (Huizinga) bzw. die Geschlossenheit (Scheuerl): »Das Spiel sondert sich vom gewöhnlichen Leben durch seinen Platz und seine Dauer. [...] Es ›spielt‹ sich innerhalb bestimmter Grenzen von Zeit und Raum ›ab‹. [...] Jedes Spiel bewegt sich innerhalb seines Spielraums, seines Spielplatzes, der materiell oder nur ideell, absichtlich oder wie selbstverständlich im voraus abgesteckt worden ist. Wie der Form nach kein Unterschied zwischen einem Spiel und einer geweihten Handlung besteht, d. h. wie die heilige Handlung sich in denselben Formen wie ein Spiel bewegt, so ist auch der geweihte Platz formell nicht von einem Spielplatz zu unterscheiden. Die Arena, der Spieltisch, der Zauberkreis, der 3 | Zit. n. [Sch65, S. 95]

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Interaktivität als Spiel

Tempel, die Bühne, die Filmleinwand, der Gerichtshof, sie sind allesamt der Form und der Funktion nach Spielplätze, d. h. geweihter Boden, abgesondertes, umzäuntes, geheiligtes Gebiet, in dem besondere eigene Regeln gelten. Sie sind zeitweilige Welten innerhalb der gewöhnlichen Welt, die zur Ausführung einer in sich abgeschlossenen Handlung dienen.« [Hui56, S. 17] Der Zauberkreis des Spiels (Huizinga) bezeichnet den von der alltäglichen Welt abgegrenzten und unbeeinflußten Raum, in dem das Spiel abläuft, der von den Spielern aufgespannt wird und in dem sie frei handeln. In ihm gelten die Spielregeln und nicht die Regeln der Nichtspielwelt: »Inside the circle of the game, the laws and customs of ordinary life no longer count.« ([Hui55, S. 12] zit. n. [SZ04, S. 472]) Die Linie, die diesen Raum von der außenliegenden Welt scheidet, wird von den Spielern gedanklich gezogen, bekommt aber oft auch eine konkrete Anmutung, etwa durch abgeteilte Spielfelder, eine festgelegte Dauer, auffällige Trikots oder andere »material props« [DR01, S. 28]: »Ein geschlossener Raum wird materiell oder ideell abgesondert, von der täglichen Umgebung abgesteckt. Dort drinnen vollzieht sich das Spiel, dort gelten seine Regeln.« [Hui56, S. 26] Der Spielraum existiert, solange gespielt wird – und verschwindet, wenn das Spiel vorbei ist. Das Spiel erfordert Sicherheit, um stattfinden zu können. In ihm drohen dem Spieler nur Gefahren, die auf das Spiel beschränkt sind, in erster Linie die Gefahr zu verlieren. Gefahren, die über das Spiel hinausgehen, stellen eine Gefahr für das Spiel dar und werden von den Spielern minimiert. Die Spieler betreten den Spielraum, um zu spielen – sie verlassen dann die Nichtspielwelt. Während des Spiels kann der Spielraum nur unter speziellen Bedingungen und oft durch ein bestimmtes Ritual von der Nichtspielwelt her betreten oder in sie verlassen werden (etwa bei einer Auswechselung beim Fußball) (vgl. Abschn. 4.5.3). Diese Abteilung des Spiels von der alltäglichen Welt ist Voraussetzung für Spiel. Wenn es nicht deutlich und eindeutig abgegrenzt ist, ist den Spielern nicht klar, wo es (und die Spiel-externe Welt, das Nichtspiel) beginnt und endet. Der Spielraum muß klar definiert sein, »a clear sense of uneasiness« [SZ04, S. 575] kann sonst die Folge sein. Der Film The Game (1997) beschreibt demnach offensichtlich kein Spiel, denn es ist dem Spieler und Protagonisten nicht klar, worin das Spiel besteht, was das Ziel 118

Spiel

ist, was die Spielbegrenzung ist (vgl. ebd.), ob es eine Gewinnbedingung gibt und wie sie lautet, ob ihm Gefahr droht etc. Allein eine zeitliche oder räumliche Begrenztheit eines Vorgangs ist jedoch keine hinreichende Bedingung, ihn als Spiel zu identifizieren. »Die zeitliche Begrenztheit zwischen Anfang und Ende ist von der gestalthaften Geschlossenheit zu unterscheiden. Zeitlich begrenzt ist auch jeder bloße Exzeß, jede Exaltation, die völlig gestaltlos und ungeschlossen sein kann. Zum Spiel aber gehört wesentlich, dass es Prozess u n d Gestalt ist, dass die Aktivität einer Form begegnet [...].« [Sch65, S. 97] Wesentlich zum Spiel gehört damit einerseits die Begrenztheit, die sich etwa räumlich und zeitlich manifestieren kann, andererseits aber auch eine gestalthafte Selbständigkeit, d. h. eine deutliche und strikte Trennung von und NichtVermischung mit der alltäglichen Welt. Das Spiel gewinnt innerhalb der Spielwelt seine Bedeutung (vgl. Abschn. 4.1.3). Diese Bedeutung orientiert sich nicht oder nur zu einem geringen Teil an der Nichtspielwelt. Das Spiel spielt mit Handlungen und Gegenständen der alltäglichen Welt, es erzeugt jedoch selbst-referentiell eigene Bedeutung, ohne dafür auf Spiel-externe Bezüge angewiesen zu sein, und die Spieler weisen dem Spiel souverän und weitgehend unabhängig Bedeutung zu und übertragen sie nicht von außerhalb des Spiels. Es sickern allerdings Bedeutungen etwa aus der Kultur ins Spiel und aus dem Spiel in die Kultur; das Spiel und die Kultur üben gegenseitig Einfluß aufeinander aus. Das Spiel reflektiert und transformiert die Kultur. Spiel zielt konzeptionell zwar nicht auf Veränderung außerhalb des Spiels, das Hineinziehen von Effekten aus dem Spiel in die alltägliche Welt wird bei zahlreichen Spielen von den Spielern aber mindestens billigend in Kauf genommen, wenn nicht z. T. sogar beabsichtigt (z. B. Ruhm im Freundeskreis, aber auch ein live-Rollenspiel in einer Fußgängerzone). Das Ausufern in das gemeine Leben (Mann) hinein ist ein bekanntes mediales Phänomen, das nicht auf das Spiel beschränkt ist; so versuchen Autofirmen ihren (potentiellen) Kunden zu vermitteln, daß sie gleich andere (bessere) Menschen seien, wenn sie ein Auto der betreffenden Marke besitzen. Auch aus der alltäglichen Welt sickern Bedeutungen ins Spiel: Es mag ein besonderer Reiz darin liegen, auf einem zerschossenen amerikanischen Panzer zu spielen.

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Interaktivität als Spiel Der Zauberkreis

Der Zauberkreis des Spiels (Huizinga) bezeichnet den von der alltäglichen Welt abgegrenzten und unbeeinflußten Raum, in dem das Spiel abläuft, in dem die Regeln des Spiels gelten, der von den Spielern aufgespannt wird und in dem sie frei handeln ([Hui55, S. 10] n. [SZ04, S. 573]). Auch wenn der Zauberkreis z. B. mit einer Markierung oder einer Verkleidung zusammenfallen, oder vielmehr durch sie ausgedrückt werden kann, ist er eher eine abstrakte Idee als z. B. ein konkreter Ort oder eine bestimmte Zeit. »The magic circle inscribes a space that is repeatable, a space both limited and limitless. In short, a finite space with infinite possibility.« (Ebd., S. 95) Der Begriff des Zauberkreises bezeichnet zunächst keinen von einer z. B. gegenständlichen Barriere umgebenen Platz, wie ein Eishockeyfeld, sondern einen Raum, einen »protective frame« oder eine »enchanted zone« ([Apt91, S. 15] zit. n. [SZ04, S. 94]), dessen Abteilung von der alltäglichen Welt gedanklicher und konzeptioneller Natur ist. Die Parallele des Zauberkreises mit den Regeln eines Spiels ist klar erkennbar: »Jedes Spiel fordert ein Spielfeld, einen Spielplatz, eventuell Spielregeln. Die Spielregeln leisten virtuell denselben Dienst wie ein umgrenztes Spielfeld« ([Buy33, S. 118] zit. n. [Sch65, S. 94]). Dieser Dienst ist das Aufspannen des Zauberkreises, von dem Huiziunga spricht. Spieler innerhalb des Zauberkreises handeln in der Spielhaltung (Huizinga); außerhalb des Zauberkreises findet kein Spiel statt. Wer den Zauberkreis verläßt, hört auf zu spielen und tritt wieder in die alltägliche Welt ein [SZ04, S. 370]. Entsprechend existiert der Zauberkreis nur so lange, wie das Spiel andauert. Verläßt der letzte Spieler den Zauberkreis, beendet der Schiedsrichter durch einen Pfiff das Spiel oder schließt sich im Theater der Vorhang, verschwindet der Zauberkreis (ebd., S. 450).

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Spiel Die räumliche und zeitliche Abgrenzung We believe that we ›enter‹ a space, stay there, and leave it behind. We also believe that time ›passes by‹. Less naively, we would conclude that, instead of entering, we create space, and we create time rather than observing it passing by. Living is ›generating‹ time and space. Frieder Nake [Nak05a]

Der Zauberkreis des Spiels findet oft einen konkreten Ausdruck etwa in der Markierung eines Spielfeldes und/oder in der Festlegung einer bestimmten Dauer eines Spiels. Das Spiel verfügt dann über einen eigenen Raum und eine eigene Zeit [SZ04, Kap. 9, S. 93–9]. Diese Festlegungen sind konzeptionell exklusiv in dem Sinne, daß sie nicht mit der alltäglichen Welt vermischen, und dies kann offensichtlich sein: »The usual way to set up a game has been to bring small numbers of competitors together in precisely marked physical places – over chessboards, on tennis courts, basketball courts, or football fields – while spectators watch from the sidelines.« [Mit96, S. 64] Auf diesen Spielfeldern und in diesen Spielen existiert i. d. R. nur, was auch relevant für das Spiel ist4 ([Dun00, S. 109] n. [SZ04, S. 443], genau wie in Simulationen, s. Abschn. 6.2, vgl. auch [Lau93, S. 73ff.]); Spielfelder sind deswegen oft fast leer. Es gibt aber schon immer auch andere Arten von Spielfeldern, die sich gerade nicht auf ein Feld oder einen explizit markierten Bereich beschränken. In Spielen wie Schnitzeljagd oder Assassin (vgl. [SZ04, S. 33] und [Küc04, S. 19]) überlappen sich die Spielzeit und das Spielfeld mit der außerhalb des Spiels liegenden Welt, aber sie vermischen sich nicht; sie existieren beide gleichzeitig an einem Ort, und der spezielle Reiz dieser Spiele liegt in der Oszillation der Wahrnehmung beider Welten. Auf den ersten Blick scheint die strikte, etwa räumlich und zeitliche, Trennung des Spiels von der alltäglichen Welt spätestens z. B. durch die heutigen mobilen Handy-Spiele aufgehoben zu sein. Kücklich hält Huizingas Kennzeichnung des Spiels als »a voluntary activity or occupation executed within certain fixed limits of time and place, according to rules freely accepted but absolutely binding, having its aim in itself and accompanied by a feeling of tension, joy, and the consciousness that it is different from ordinary life« ([Hui49] zit. n. [Küc04, S. 15]) für »problematic in its assumption of a separate space and time for games, [and] 4 | Wie die Motorsäge in Maniac Mansion?

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Interaktivität als Spiel

of games’ self-sufficiency [...].« [Küc04, S. 15f.] Allgemein stellt er fest, daß es nicht nur »some traditional games« gebe, die bereits nicht dieser Beschreibung entsprächen, sondern daß »digital games« diese Annahme »even more drastically« in Frage stellten, indem sie Spielern erlaubten »to play games virtually anywhere and at almost any time« (ebd.). Er übersieht dabei offenbar, daß auch etwa Fangen oder Fußball fast immer und überall gespielt werden können, denn es ist das Spiel selbst, das seine räumliche und zeitliche Abgrenzung aufspannt – es greift dafür nur mittelbar auf den Raum und die Zeit der alltäglichen Welt zurück. Zu seiner Beobachtung, daß neben einigen, ebenfalls unbenannten, »traditional games«, die bereits »far from being self-sufficient« seien und zumindest z. T. »a means to an end« wären, die »in-game economies and social hierarchies of online role-playing games« ständen, die nun tatsächlich Güter mit einem Wert in der alltäglichen Welt produzierten (ebd.), s. Abschnitt 4.1.7, in dem das Verhältnis von Spiel und Profisport thematisiert wird. Die nach der vermeintlichen Aufhebung der Grenzen zwischen Spiel und alltäglicher Welt nun möglicherweise als naheliegend erhobene Forderung nach (konzeptioneller) Integration des Spiels ins Leben (etwa die Situationistische Internationale. Beitrag zu einer Situationistischen Definition des Spieles n. [Dib05, S. 98f.]) scheint nicht erfolgreich zu sein, weil die Unterscheidung zwischen Spiel und Nichtspiel offenbar wesentlich für das Spiel ist. Das Spiel funktioniert nur so lange, wie es sich von der alltäglichen Welt unterscheidet – was im Umkehrschluß aber nicht heißt, daß die alltägliche Welt nicht gespielt werden könnte (vgl. Abschn. 4.5.3). Die Verkleidung

Neben der räumlichen und zeitlichen Abgrenzung des Spiels gegenüber der alltäglichen Welt ist die Verkleidung der Spieler mit Trikots, Anzügen oder Uniformen ein weiterer konkreter Ausdruck des Zauberkreises des Spiels. Die Verkleidung ist dabei nicht nur äußeres Zeichen, das die Zugehörigkeit des Spielers zum Spiel etwa gegenüber anderen Spielern oder Zuschauern signalisiert, sondern Ausdruck seiner inneren Einstellung, seiner Spielhaltung [Hui56, S. 20]. Neben praktischen Erwägungen, die ja offenbar etwa bei Sport- und Arbeitskleidung zunächst im Vordergrund stehen, scheint bei der Verkleidung auch die Betonung der außergewöhnlichen Rolle der Spieler in Abgrenzung von der alltäglichen Welt eine Rolle zu spielen. Wenn 122

Spiel

sich die »soldatische Uniform immer eindeutiger als ein Spezialfall der Arbeitsuniform« ([Jün78, S. 125] zit. n. [Pia02, S. 41]) erweist, dann in dem Sinne, daß sich bei ihr, wie auch bei dem Trikot, das ErkennenKönnen, das Sich-Absetzen und das Sich-Kennzeichnen über den praktischen Nutzen in den Vordergrund schieben. Der Umgang mit Verkleidungen hat darüber hinaus auch seinen eigenen (durchaus spielerischen) Reiz, auf den hier nicht weiter eingegangen wird (vgl. etwa [LST98, S. 197] und [Tur97]). Es existieren neben der räumlichen und zeitlichen Absonderung und der Verkleidung natürlich noch weitere Arten der konkreten Abgrenzung des Spielers eines Spiels gegenüber der alltäglichen Welt und als Ausdruck seiner Spielhaltung, etwa eine bestimmte und besondere Art der Sprache. Zur Beziehung von Spiel und Kultur To play a game is to move into the magic circle, to move from the domain of everyday life into a special place of meaning. Within this special space the player’s experience is guided by a system of representation that has its own rules for ›what things mean.‹ Cultural elements from outside the circle enter in and have an impact on the game; simultaneously, cultural meanings ripple outward from the game to interact with numerous cultural contexts. Katie Salen, Eric Zimmerman [SZ04, S. 366 und S. 572]

Spiele sind Inseln, die sich aus dem sie umgebenden Nichtspiel herausheben und wieder versinken können. Sie haben eigene Regeln, einen eigenen Raum, eine eigene Zeit etc. Spiele produzieren eigene Bedeutung, die über Referenzen auf Handlungen und Gegenstände der alltäglichen Welt hinausgeht und von ihr weitgehend unabhängig ist: Games can be understood in themselves [Aar07]. Spiel mag nicht völlig unabhängig sein vom Nichtspiel, aber deutlich abgegrenzt (vgl. dagegen [SZ04, S. 503]). Hingegen badet das Spiel in der Kultur, ein Spiel im anderen. Das Spiel spielt mit Handlungen und Gegenständen der alltäglichen Welt, und ist in sofern auch mimetisch, die Bedeutung weist es jedoch selbst zu (vgl. Abschn. 6.2) und bezieht sie nicht von außerhalb des 123

Interaktivität als Spiel

Spiels [SZ04, S. 572]. Spiel ist selbst-referentiell insofern, als daß es sich nur auf sich selbst bezieht, um Bedeutung zu erlangen; zu spielen bedeutet für einen Spieler u. a., daß er sich die Bedeutung des Spiels zu eigen macht und in ihr und wohl auch mit ihr spielt (ebd., S. 452). Um zu verstehen, was eine Handlung oder ein Gegenstand in einem Spiel für die Spieler bedeutet, muß das Spiel verstanden werden. Manchmal werden für Zuschauer regelrechte Interpretationshilfen angeboten, so etwa der Kommentar bei Fußballspielen und die Vorberichterstattung bei Formel 1-Rennen. Spiele benutzen Handlungen und Gegenstände der alltäglichen Welt und ziehen sie ins Spiel. Die alltägliche Welt gibt dann wohl einen ersten Hinweis zur Produktion von Bedeutung, aber auch nur einen ersten Hinweis, denn das Spiel kann diese Handlungen und Gegenstände souverän und unabhängig von der alltäglichen Welt mit Bedeutung belegen (ebd., S. 585). Referenzen auf Handlungen und Gegenstände der alltäglichen Welt, die ins Spiel gezogen werden, haben eine nur geringe Relevanz bei der Zumessung von Bedeutung (ebd., S. 449). Mehr noch: »When we play a game, we are doing more than just shuffling signs drawn from the domain of the real world; instead, we are shifting to another domain of meaning entirely.« (Ebd., S. 369) Die Spieler eines Spiels bauen souverän Bedeutung auf, die von der alltaglichen Welt unabhängig ist und weisen diese Bedeutung zu [SR84, S. 213]; die Handlung in Spielen und ihr Inhalt sind dabei oft trivial. Die Bedeutung, die der Spieler in diesem Prozeß zumißt, ergibt sich aus dem Spiel: Bedeutung innerhalb des Spiels hat, was innerhalb des Spiels Bedeutung für den Spieler erlangt. Es geht bei Spielen offenbar nicht um den Inhalt [Win95, S. 222], d. h. nicht um Fußbälle, Schachfiguren, Spielkarten oder Prinzessinnen. Die Handlung selbst ist i. d. R. trivial, das setting nur ein Anlaß zu spielen. Die Vorgänge in Spielen ähneln denen der alltäglichen Welt; die Handlungen und Gegenstände werden allerdings eines Teils ihres Wesens beraubt, ihnen geht der alltägliche Zweck, der Zwang und die Notwendigkeit verloren, wenn sie ins Spiel gezogen werden. Sie kommen in einen neuen und anderen Zusammenhang, innerhalb dessen ihnen neu und unabhängig von der alltäglichen Welt Bedeutung von den Spielern zugewiesen wird, entsprechend den Möglichkeiten, die sich innerhalb des Spiels bieten: »[Game] mechanics trump meaning.« [Aar07] Schemenhaft mögen noch alltägliche Vorgänge auszumachen sein, relevant für das Spiel sind sie aber nicht.

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Spiel

Ein Teil des Reizes zu spielen scheint gerade in dieser Kontextunabhängigkeit und völligen Abkopplung von der alltäglichen Welt zu liegen. Ein Beispiel sind gesellschaftliche oder soziale Rollen, die innerhalb des Spiels keine Bedeutung haben; es ist egal, ob jemand Präsident oder Schüler ist, »Akademiker, [...] Elektroinstallateur [...] [oder] Polizist« [RH06], ob Spieler Sympathie füreinander empfinden oder nicht etc. Wenn jemand beim Basketball den Korb trifft, gibt es zwei Punkte (oder einen oder drei), und er mag sich als guter Spieler erweisen (vgl. dagegen [SZ04, S. 462]). The roles of players in a game have »nothing to do with the existing departmental, spatial, economic, or authoritative relationships among players« (ebd., S. 583) in the ordinary world. Im Spiel sind alle Spieler gleich, egal, was sie außerhalb des Spiels sein mögen (vgl. dagegen ebd., S. 509). Es ist natürlich eine Frage, inwieweit sich das konkrete Spiel, wie w. o. ausgeführt, völlig von der alltäglichen Welt abkoppeln kann. Glücksspiel um Geld und strip poker sind Beispiele für Spiele, deren jeweiliges Ziel nicht nur der abstrakte Gewinn innerhalb des Spiels ist, sondern offenbar zumindest auch von außen motiviert und herangetragen ist (zur Reflektion und Transformation von Spiel und Kultur s. u.). Das Spiel und die Kultur üben gegenseitig Einfluß aufeinander aus, es sickern Bedeutungen aus der Kultur ins Spiel und aus dem Spiel in die Kultur. Das Spiel mündet in Kultur (Huizinga), in der Kultur finden sich Merkmale des Spiels, und das Spiel ist ein relevanter Teil von Kultur ([Gee73] n. [SZ04, S. 511]). Das Spiel reflektiert und transformiert die Kultur (vgl. [SZ04, S. 507 und S. 528]); diese Transformation ist aber gering, von den Spielern unbeabsichtigt und zufällig (vgl. ebd., S. 534). Kultur ist selbst ein Spiel. Spiele und Kultur sind nicht voneinander abgegrenzt, sondern gehen ineinander über und bedingen sich gegenseitig. Das Spiel ist jedoch in offenbar zunehmendem Maße für die Kultur verloren, denn es kommen keine Impulse mehr vom Spiel in die Kultur (Huizinga). Eine detaillierte Betrachtung des Verhältnisses von Spiel und Kultur liegt außerhalb des Fokus’ der vorliegenden Arbeit.

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Interaktivität als Spiel Die Sicherheit The safer we feel in the game we’re playing, the more willing we are to play it. Bernard DeKoven [DeK78, S. 16f.]5

Innerhalb des Raums, in dem das Spiel stattfindet, sind die Spieler sicher vor Gefahren der alltäglichen Welt. Niemand muß dort Angst haben, wo alles Spiel ist (wie Max Frisch vom Theater sagt). Damit ist nicht gemeint, daß das Spiel seine Spieler vor Spiel-externen Gefahren schützt, sondern daß nur dann und dort gespielt wird, wo diese Gefahren ausreichend kontrolliert werden können (z. B. Fußball auf einer Nebenstraße, eine Rennstrecke mit Auslaufzonen und Kiesbetten). Innerhalb des Spiels drohen dem Spieler furchtbare Gefahren; in einer Spielwelt kann er etwa beschossen, abgeworfen, gefangen und beim Brennball sogar verbrannt werden. Das scheint ihn allerdings nicht zu stören, das nimmt er billigend, wenn nicht sogar lustvoll hin. Es verlangt ihn offenbar geradezu nach existenziellen Herausforderungen, nach vollständigem Gewinn, totalem Verlust, nach Scheitern und Triumph. Gefahr und Spiel scheinen also zunächst zumindest keine sich ausschließenden Gegensätze zu sein. Man könnte sogar sagen, daß, wenn keine Gefahr besteht, das Spiel keinen Reiz besitzt und keinen Spaß macht. Die Gefahr, die im Spiel für den Spieler besteht, ist die Gefahr zu verlieren. Eine Gefahr, die darüber hinaus besteht, etwa eine Verletzung beim Fußball, darf nicht unbeherrschbar oder unverhältnismäßig sein; sie ist keine Gefahr innerhalb des Spiels, sondern eine Spiel-externe; im Spiel und seinen Regeln ist sie nicht vorgesehen. Wenn Sutton-Smith also schreibt: »The game is essentially an adventure of a nonhazardous kind.« ([SS71, S. 213] zit. n. [SZ04, S. 479]), bezieht er sich damit auf die Gefahren, die dem Spieler innerhalb des Spiels drohen, auf das Spiel beschränkt sind und keine Gefahren für ihn darstellen, die ihm außerhalb des Spiels gefährlich werden können. Norman [Nor04, S. 36] beobachtet dies an amusement park rides, die, auch wenn sie nur in einem eingeschränkten Sinne Spiele sind, doch diese wichtige Eigenschaft von Spielen aufweisen: Es besteht keine (unkalkulierbare) Gefahr für die Spieler über das Spiel hinaus. Strukturell beschränken sich Spiele in ihren Folgen auf sich selbst; in konkreten Realisierungen von Spielen ist dies natürlich (wenn über5 | Zit. n. [SZ04, S. 473]

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haupt) nur teilweise zu realisieren; tatsächlich sind zahlreiche Spiele gefährlich, man denke an Rugby oder Polo. Genausoviel oder -wenig, wie Bedeutungen u. a. aus der alltäglichen Welt ins Spiel hineinragen, ragen Gefahren aus dem Spiel in die alltägliche Welt hinaus. Wenn den Spielern Gefahren im Spiel drohen, die deutlich über das Spiel hinausgehen (wie etwa beim Glücksspiel um Geld), droht dem Spiel seine Auflösung. Marina Abramovic übertritt in ihren Vorführungen die Grenze des Spiels, indem sie sich körperlich in Gefahr begibt. Das mag für sie noch Spiel sein, und auf einer bestimmten Ebene ist es offenbar auch Spiel, für zahlreiche Zuschauer ist damit aber die Grenze überschritten. Ähnlich ist die Situation bei den performances von Andy Kaufman. Nicht nur die außerhalb des Spiels liegenden Gefahren für die Spieler müssen minimiert werden, damit gespielt werden kann, auch innerhalb des Spiels muß sicher gehandelt werden. Spiel erfordert Übung bzw. Sicherheit im Beherrschen des Geräts und der Situation – mit einem Ding, das jemand nicht sicher beherrscht, kann er nicht spielerisch umgehen; in einer Situation, die jemand nicht beherrscht oder in der er sich nicht sicher fühlt, kann er nicht spielen (Frieder Nake, pers. Komm., 24. Feb 2004). Geschlossenheit im Umgang mit dem Computer

Der Umgang mit dem Computer galt lange Zeit als geradezu mythische Fähigkeit, die die Wissenden von den Unwissenden schied. Diese Zeiten sind inzwischen weitgehend vorbei, weite Teile der Bevölkerung haben nun eine gewisse Erfahrung und Kompetenz im Umgang mit dem Rechner erworben; die eindeutige Abgrenzung der Welt des Computers von der alltäglichen Welt hat in dieser Hinsicht also sicherlich abgenommen. Der Computer stellt allerdings eine Welt dar, die zunächst kontextunabhängig ist und in der andere Gesetze gelten und andere Sachen relevant sind als in der alltäglichen Welt. Menschen sehen durch den Bildschirm in eine andere Welt, die sich offenbar in manchem an der gewöhnlichen Welt orientiert, sich aber doch grundlegend von ihr unterscheidet, wie es auch die Spielwelt tut. Es finden unzweifelhaft beabsichtigte Übertragungen und hingenommene Diffusionen in beide Richtungen statt, trotzdem bewahrt sich die Welt im Computer eine souveräne Stellung. Die Handlung des users findet entweder in der alltäglichen Welt oder in der Welt des Computers statt; die Wirkung einer Handlung ist zunächst ebenso klar beschränkt. 127

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Deutlich abgegrenzt wird die Welt des Computers etwa durch den Bildschirm: »Rather than being a neutral medium of presenting information, the screen is aggressive. It functions to filter, to screen out, to take over, rendering nonexistent whatever is outside its frame.« [Man00b, S. 100] Was nicht auf dem Bildschirm zu sehen ist, ist nicht im Computer. Die Frage, wie Gegenstände oder Handlungen in jeweils angemessener Weise in den Computer gebracht werden können, ist eine der Fragen der HCI. Die Ähnlichkeit mit einem deutlich markierten Spielfeld eines Spiels und seiner Abgrenzung gegenüber der alltäglichen Welt ist offensichtlich (vgl. Abschn. 4.1.6). Wie beim Spiel sickern allerdings auch beim Umgang mit dem Computer Bedeutungen aus der alltäglichen Welt hinein und in sie hinaus. Die Bedeutung, die etwas innerhalb des Mediums besitzt, zählt dem Teilnehmer aber stets mehr als jede Bedeutung außerhalb. In diesem Sinne basieren die Bedeutungen innerhalb des Medium nicht auf Bedeutungen aus der alltäglichen Welt; sie müssen sich nicht durch sie legitimieren oder sich gegenüber der alltäglichen Welt rechtfertigen. Die Bedeutungen innerhalb eines Medium werden souverän und weitgehend unabhängig vom Außerhalb festgelegt und können ihnen sowohl (inhaltlich) widersprechen als auch sie (in ihrer Relevanz für den Medienteilnehmer) übertreffen. Ein Unterschied zwischen der Welt des Computers und der alltäglichen Welt zeigt sich insbesondere an dem Moment der Sicherheit. Sicherheit kann dabei nur heißen, daß die Folgen einer Handlung für den Handelnden verhältnismäßig, abzuschätzen und begrenzt sind. Dies ist offenbar sowohl in der Spielwelt als auch in der Welt des Computers der Fall. Das Spiel ist konzeptionell deutlich getrennt von der alltäglichen Welt und erlaubt dem Spieler das auf das Spiel beschränkte Ausprobieren und Experimentieren, das keine Folgen für ihn hat, wenn das Spiel endet. In zahlreichen Programmen kann der user zunächst gefahrlos hantieren. Das Umgehen mit dem Rechner ist oft von einer gewissen Gefahrlosigkeit begleitet, wenn nicht sogar geprägt. Daten sind ggf. an mehreren Stellen gespeichert, zahlreiche Funktionen können innerhalb von Programmen rückgängig gemacht werden. Die Wirkung von Aktionen innerhalb der virtuellen Welt beschränkt sich zunächst auf auf einen bestimmten, abgegrenzten Bereich. Eine Gefahr für den user über die Computerwelt hinaus besteht i. d. R. nicht. Handlungen in der virtuellen Welt haben oft auch Bezüge und Auswirkungen auf die gewöhnliche Welt, dies jedoch erst in zweiter Linie und mittelbar. 128

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4.1.7 Zweckfreiheit Wie jedes andere Spiel muß man den Wettkampf als bis zu einem gewissen Grade zwecklos bezeichnen. Das will heißen: er läuft in sich selber ab, und sein Ausgang ist nicht an dem notwendigen Lebensprozeß der Gruppe beteiligt. [...] das Zielgerichtete der Handlung besteht in erster Linie im Ablauf als solchem ohne direkte Beziehung zu dem, was hinterherkommt. Johan Huizinga [Hui56, S. 54]

Die Zweckfreiheit des Spiels ist ein Kennzeichen des Spiels, das es deutlich aus der Sphäre von Not, Zwang und Nutzen und damit aus Zusammenhängen der alltäglichen Welt heraushebt. Menschen sind nicht nur natürliche Wesen, sondern auch kulturelle. Es liegt in ihrer Natur zu spielen (vgl. [Hui56]) und nicht stets Zwecke zu verfolgen. Der Mensch ist offenbar nicht nur schaffend (homo faber), sondern auch spielend (homo ludens); nicht alles muß einen Nutzen haben, nicht immer muß ein Zweck verfolgt werden – im Gegenteil, der Mensch möchte gerne tun, was nicht nötig ist, was er nicht notwendig tun muß ([Hui56, S. 7], vgl. Abschn. 4.5.5). Menschen warten offensichtlich nicht darauf, daß die Arbeit erledigt ist, bevor sie spielen; sie spielen zwar nachher, aber auch vorher und sogar währenddessen. Es scheint, als müsse dies jedem, der mit einem Computer umgeht, vertraut sein. Spiel spielt ganz bewußt, lustvoll und in einer gewissen Weise lässig mit Handlungen und Gegenständen, die seinen Spielern aus anderen Zusammenhängen bekannt sind. Im Bereich des Computers erinnert die »fotonahe [...] Bildlichkeit« [Nak96, S. 2] und die Kameraeinstellungen von Computerspielen an den Film, die Charaktere und die settings an stories, die exakte Nachbildung von interaktiven Vorgängen der alltäglichen Welt an Simulationen. Das Spiel mag dabei erscheinen als Arbeit, Kommunikation, Übung fürs Leben, Training von sozialen Fähigkeiten, körperliche Ertüchtigung, Abbau von überschüssiger Energie etc. Es werden dem Spiel von außen Aufgaben übertragen, Relevanz und Bedeutung zugewiesen, das Spiel aus der alltäglichen Welt heraus erklärt. Dem Wesen des Spiels kommen solcherart Beobachtungen jedoch nicht auf die Spur. Das Spiel muß nicht extern legitimiert werden, es ist kein solches Phänomen der zweiten Ordnung, sondern eine »primäre Lebenskategorie« [Hui56, S. 11]. Es dreht sich nur um sich selbst und 129

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ist sich dabei auch selbst genug, es »ist frei vom Zwang ungebärdig drängender Triebe, frei von den gebieterischen Nötigungen des Instinkts«, »frei von den Bedürfnissen des Daseinskampfes, von der Not des SichWehrens« [Sch65, S. 71]. Einzelne Facetten und sekundäre Effekte des Spiels können durchaus zweckhaft gesehen werden. Aus der Perspektive des Spielers sind solche Zwecke aber unwichtig und sogar unbeabsichtigt. Ein Spiel macht Spaß und übt auch, in der Art, wie das Tun einer Arbeit auch Spaß machen kann. Ein Spieler spielt nicht, um etwas anderes zu erreichen, er spielt aus Spaß, sein Ziel heißt gewinnen; er spielt, ohne einen Zweck zu verfolgen. »Sicher k a n n das Spiel auch der Abreaktion, der ›Katharsis‹, der Erholung, Ergänzung und Vorübung dienen. Seinem Wesen, seiner Natur nach wird es aber durch solche N e b e n w i r k u n g e n nicht verstanden. Denn sowohl Abreaktionen und kathartische Vorgänge als auch Erholungs- und Übungsvorgänge können auch völlig unspielerisch vor sich gehen. Das, was sie zu Spielen macht, ist allem Abreagieren, Erholen und Üben gegenüber ein Novum, ist das Sich-Auftun einer neuen Dimension, die man ignoriert, wenn man das Spiel durch Auflösung in seine real möglichen Ursachen und Wirkungen für erklärt hält.« [Sch65, S. 114] Während auf zahlreiche Spiele die eine oder andere Beobachtung oder sogar die Mehrzahl der w. o. geschilderten Beobachtungen zutreffen, scheint doch keine von ihnen das Spiel seinem Wesen nach zu beschreiben. Umgekehrt scheint das Spiel durchaus als zweckfreies Phänomen zu sehen zu sein, ohne allen Arten von Lernen, Übung und Training, die im Spiel vorkommen, zu widersprechen. Das Spiel ist nicht den Zwecken der alltäglichen Welt unterworfen, sondern deutlich ihr gegenüber abgegrenzt; es ist kein Mittel zu einem Nutzen, der über es hinausgeht und ihm von außen zugewiesen wird: »Man hat geglaubt, Ursprung und Grundlage des Spiels als Sich-Entlasten von einem Überschuß an Lebenskraft definieren zu können. Nach anderen gehorcht das lebende Wesen beim Spielen einem angeborenen Nachahmungstrieb, befriedigt es ein Bedürfnis nach Entspannung oder übt sich für ernsthafte Tätigkeit, die das Leben von ihm fordern wird, oder aber das Spiel dient ihm als Übung in Selbstbeherrschung. Wieder andere suchen das Prinzip in einem angeborenen Bedürfnis, etwas zu können oder etwas zu verursachen, oder auch in der Sucht [...] zu herrschen oder mit anderen in Wettbewerb zu treten. Noch andere wieder betrachten das Spiel als eine unschuldige Abregung schädlicher Triebe, als notwendige Ergänzung eines allzu einseitig gerichteten Betätigungsdranges oder als Befriedigung 130

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in Wirklichkeit unerfüllbarer Wünsche durch eine Fiktion und damit als Aufrechterhaltung des Persönlichkeitsgefühls [...]. Allen diesen Erklärungen ist das eine gemein, daß sie von der Voraussetzung ausgehen, Spiel werde etwas anderem wegen betrieben, es diene irgendeiner biologischen Zweckmäßigkeit. Sie fragen, warum und wozu wird gespielt? Die Antworten, die hierauf erteilt werden, schließen einander keineswegs aus. Man würde alle soeben aufgezählten Erklärungen recht wohl nebeneinander akzeptieren können, ohne damit in lästige Begriffsverwirrung zu geraten. Hieraus folgt aber, daß sie nur Teilerklärungen sind. Wäre eine von ihnen entscheidend, dann müßte sie die anderen entweder ausschließen oder in einer höheren Einheit umfassen und aufnehmen. Die meisten Erklärungsversuche beschäftigen sich erst in zweiter Instanz mit der Frage, was und wie das Spiel an und für sich ist und was es für den Spieler bedeutet. Sie gehen dem Spiel mit den Meßmethoden der Experimentalwissenschaft unmittelbar zuleibe, ohne zunächst einmal der tief im Ästhetischen verankerten Eigenart des Spiels ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die primäre Qualität Spiel wird in der Regel eigentlich nicht beschrieben. Gegenüber einer jeden der angegebenen Erklärungen kann die Frage erhoben werden: ›Nun gut, was ist nun eigentlich der Witz des Spiels? Warum kräht das Baby vor Vergnügen? Warum verrennt sich der Spieler in seine Leidenschaft, warum bringt der Wettkampf eine tausendköpfige Menge zur Raserei?‹ Die Intensität des Spiels wird durch keine biologische Analyse geklärt, und gerade in dieser Intersität, in diesem Vermögen, toll zu machen, liegt sein Wesen, steckt das, was ihm ureigen ist. Die Natur, so scheint der logische Verstand zu sagen, hätte doch alle die nützlichen Funktionen wie Entladung überschüssiger Energie, Entspannung nach Kraftanstrengung, Vorbereitung für Forderungen des Lebens und Ausgleich für Nichtverwirklichtes ihren Kindern auch in der Form rein mechanischer Übungen und Reaktionen mit auf den Weg geben können. Aber sie gab uns gerade eben das Spiel mit seiner Spannung, seiner Freude, seinem Spaß.« [Hui56, S. 9f.] Das Spiel besitzt und benötigt keine zweckhafte Legitimation, die ihm aus der alltäglichen Welt heraus zugesprochen wird. Während ein Spiel für die Spieler alles bedeutet, bedeutet es für die alltägliche Welt nichts. Bezieht sich das Spiel nur auf sich selbst, ist es, von außen betrachtet, zu nichts nütze und überflüssig, es reicht nicht in die alltägliche Welt hinein und dient keinem Spiel-externen Nutzen, es »steht außerhalb des Prozesses der unmittelbaren Befriedigung von Notwendigkeiten und Begier131

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den, ja es unterbricht diesen Prozeß. Es schiebt sich zwischen ihn als eine zeitweilige Handlung ein. Diese läuft in sich selbst ab und wird um der Befriedigung willen verrichtet, die in der Verrichtung selbst liegt. [...] die Ziele, denen [das Spiel] dient, liegen selber außerhalb des Bereichs des direkt materiellen Interesses oder der individuellen Befriedigung von Lebensnotwendigkeiten. Als geweihte Handlung kann das Spiel dem Wohl der Gruppe dienen, dann aber auf andere Weise und mit anderen Mitteln als mit den unmittelbar auf das Erwerben des Lebensbedarf gerichteten. [...] Es hat seinen Verlauf und seinen Sinn in sich selbst.« (Ebd., S. 16f.) Trotz dieser Zweckfreiheit des Spiels kann im alltäglichen Umgang mit dem Rechner gespielt werden. Eine durchaus zweckvolle Anwendung scheint einen möglichen spielerischen Umgang nicht automatisch auszuschließen. Dieselben Programme können zweckvoll und spielerisch eingesetzt werden, der Wechsel von einem zum anderen geht schnell und im Kopf. Der Umgang des users mit dem Computer erscheint als Spiel auf einem (virtuellem) Spielfeld nach den Regeln des Rechners. In diesem Sinne sind Krämers Bedingungen für das Spiel »als dritter handlungstheoretischer Ansatz neben Arbeit und Kommunikation« [Pia02, S. 159] durchaus erfüllt, die »zuletzt angeregt [hat], den ›Gebrauch des Computers weniger in den Termini des instrumentellen, [als] des spielerischen Handelns zu konzipieren‹, wenn Spielen 1. sich im symbolischen Als-ob vollzieht, 2. reglementiert ist, jedoch nicht durch die moralischen und juridischen Regeln der Alltagswelt, und 3. interaktives Geschehen ist, bei dem die einzelnen Spielzüge kontingent sind (partikulare Realisierung unendlich vieler Konfigurationen).« (Ebd., S. 158) Während der zweckvolle Umgang mit dem Rechner deutlich nicht dem Spiel zuzurechnen ist, scheint sich dieses Verfolgen eines Zwecks doch schließlich nicht als Hindernis für das Entstehen von Spiel zu erweisen. Es zeigt sich, wie die Spielhaltung sich gegenüber Überlegungen von Nützlichkeit und Zwang durchsetzen und sie, wenn doch nicht aufheben, dann zumindest an den Rand drängen und eine zeitlang außer Kraft setzen kann. Es kann dabei nicht darum gehen, den Umgang mit dem Rechner auf niedriger Ebene wie ein Spiel zu organisieren (vgl. etwa [Die04, S. 8]), etwa »to incorporate game-like elements, such as action, narrative, and interactive graphics« [Cha04, S. 71] in Anwendungssoftware, sondern den Umgang mit ihm schon, wie er ist, als Spiel an Hand bestimmter Kennzeichen zu identifizieren, zu sehen und vor diesem Hintergrund und in diesem Sinne zu gestalten.

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Spiel Zwecke des Spiels [...] when you really look at not only games, but all human entertainment, you see that at its heart it is all about learning about survival and reproduction and the necessary associated social rules and behaviours. Noah Falstein [Fal04]

In diesem Abschnitt wird thematisiert, in welcher Weise das Spiel als Mittel und Zweck zu bestimmten Nutzen angesehen werden kann. Mögliche Effekte des Spiels schließen demnach das Spiel etwa als Übung, Training und Lernen fürs Leben, Motivationshilfe, Abbau überschüssiger Kraft, Ausgleich für Arbeit sowie Ersatz für Urlaub und Boni ein. So schreibt z. B. Hinterding: »Über das Spiel begreifen wir unsere Umwelt während der kindlichen Entwicklung. Wer spielt, ist mit ausserordentlicher Konzentration bei der Sache und betreibt sein Vorhaben mit vollem Einsatz. Wer spielt, ist dabei hochmotiviert. Über das Spielen nehmen wir Wissen leichter auf und zeigen dabei weniger Ermüdungserscheinungen. Spielen hat eine ähnlich ausgleichende Wirkung wie der Sport (der ja selbst eine Spielform darstellt). Spielen regt unsere Kreativität an und macht vor allem Spass.« [Hin05] Spiel kann gesehen werden als Vorbereitung aufs Leben und auf die Arbeit, zur Ausbildung von (kognitiven, mentalen u. a.) Fähigkeiten, als Mittel zum Wissenserwerb sowie als gesellschaftliche Tätigkeit. Eine verbreitete Sichtweise sieht Spiel als Mittel des Menschen, das Leben zu lernen. Hauptvertreter dieser »Vorübungstheorie« sind Karl Groos (Spiele der Tiere (1896), Spiele des Menschen (1899)) und William Stern (Psychologie der frühen Kindheit (1914)) [Sch65, S. 122]. Die Aufgabe des Spiels besteht damnach darin, daß insbesondere Kinder beim Spielen etwas über sich selbst und ihre Umwelt lernen (Alan Kay in [Sym03], zu Lernen vgl. Abschn. 4.5.5). Ausgehend von dieser Beobachtung wird die Existenz des Spiels anerkannt, wertgeschätzt und ihm eine Aufgabe zugewiesen: »Play is a way of turning children into adults. Play is valuable because it educates and develops the cognitive capacities of human or animal youth.« ([SS97b] zit. n. [SZ04, S. 519]) Gesehen wird das Lernen des Lebens durch das Spiel insbesondere als Aneignung von Realität, etwa von Leontjew: »›Spiel‹ als spezifische Tätigkeit wird mit den beiden Bereichen ›Lernen‹ und ›Kreativi133

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tät (bzw. Phantasie)‹ in Verbindung gebracht. Das Spiel des heranwachsenden Menschen hat dabei im wesentlichen die Aneignung von Realität, insbesondere das Erlernen der für eine Handlung erforderlichen Operationen zum Ziel [Leo73, S. 379].« [RP90, S. 15] Rubinstein verweist diesen Zweck des Spiels explizit ins Kindesalter: »[Es] kommt [...] RUBINSTEIN [Rub77] im wesentlichen darauf an [...] aufzuzeigen, daß Spiel immer dann ein[e] notwendige Tätigkeit ist, wenn es darum geht, sich Realität anzueignen – dies insbesondere und gerade im Kindesalter.« [RP90, S. 16] Aus der Existenz des Spiels wird dabei eine (biologische) Begründung des Spiels abgeleitet: »Spiel ist zweckmäßig, weil es den wesentlichen Inhalt einer ganzen Entwicklungsphase bildet, insbesondere in der Zeit des Wachstums. Die evolutionär herausgebildete Eigenschaft zum Spielen muß der Art einen Selektionsvorteil eingebracht haben [Hen87, S. 18, S. 20, S. 24–6]. Spielen im Sinne von Lernen zur Aneignug von Realität ist somit eine Antwort der Evolution des Menschen auf seine spezifischen Eigenschaften.« [RP90, S. 18] Diese Aneignung von Realität durch das Spiel geht dann zur Kompetenzentwicklung in konkrete Übung lebensnotwendiger Handlungen über: »Verhaltensbiologen wie HASSENSTEIN und BIRMELIN sind der Meinung, daß spielende Lebewesen in immer neuen Situationen aktiv Erfahrungen sammeln, die ihnen künftig von Nutzen sind. Durch das Spiel wird es möglich, lebensnotwendige Handlungen viel öfter zu wiederholen, als es im Ernst nötig und möglich wäre; spielende Lebewesen erwerben Kompetenz.« (Ebd., S. 18) Diese »survival skills« [Fal04] helfen Kindern, genau wie Tieren, zu überleben; das Spiel erscheint schließlich als Mittel der erfolgreichen Reproduktion. Neben der und über die Vorbereitung auf das (erwachsene) Leben wird das Spiel auch als Mittel zur Ausbildung von u. a. kognitiven, mentalen Fähigkeiten und zum Wissenserwerb angesehen. Nach Johnson [Joh05] steigert jeder Umgang mit (Computer-)Spielen die kognitiven Fähigkeiten des Spielers. Computerspiele »trainieren das Gehirn und steigern die Intelligenz!« [eLe05] Seiner Ansicht nach fördern »Videospiele wie ›SimCity‹ oder ›Grand Theft Auto‹ [...] die Komplexität des Denkens [...] und [steigern] die Problemlösungsfähigkeiten der Spieler [...].« (Ebd.) Unabhängig davon, ob einer solchen Ansicht auch widersprochen wird (vgl. [SE82]), gelten Spiele weithin als geistiges Training. In Klimmt [Kli06] wird als »wichtigste Funktionen« [vHV06, S. 7] des »Unterhaltungserlebens bei der Nutzung von Computerspie134

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len« (ebd.) der »(spielerische [...]) Erwerb neuer Lebenskompetenzen (z. B. Orientierung, Wissenserwerb) und die Erholung von situativen Beanspruchungszuständen [...] postuliert« (ebd.); auch könnten dabei »›simulierte [...] Lebenserfahrungen‹ [...] gesammelt werden« (ebd.). In der Reihe Unterhaltungsforschung (Wirth et al. (Hrsg.), Halem Verlag) wird u. a. Computerspielen eine »Schlüsselrolle für die Schaffung von Aufmerksamkeit und die Vermittlung von Informationen und Bildung zugewiesen« [vHV06, S. 29]. Folgerichtig erscheint nun die Ansicht, die Spiel für eine Vorbereitung auf die Arbeit hält: »Je reiner man die Kindheit dem Spiel bewahrt hat, umso besser wird der Erwachsene für die Arbeit des Lebens vorbereitet sein.« ([Ott10, S. 264] zit. n. [Sch65, S. 21f.], s. auch [SR84, S. 38]) In diesem Sinne ist Spiel für Nötzel »ein vorbereitendes Training der physischen und geistigen Kräfte für die Arbeitstätigkeit der Erwachsenen« ([Nöt87, S. 20] zit. n. [Kel98, S. 37]). Nach Blonskij (etwa [Blo21]) ist das Spiel des Kindes als Vorstufe »zu produktiven Leistungen innerhalb der arbeitenden Gesellschaft« [Sch65, S. 39] zu sehen; diese Ansicht richtet den Blick dann bereits auf das Spiel als ein Phänomen in gesellschaftlichen Zusammenhängen und als gesellschaftliche Tätigkeit. Als »anerkannte gesellschaftliche Tätigkeit« gilt nun der Sport als eine bestimmte Ausprägung von Spiel als geradezu der Verschwendung oder Subversion verdächtig, wenn er nicht in erster Linie »solche hervorragende Eigenschaften wie Mut, Gewandtheit, Kühnheit, Entschlossenheit, Fleiß, Ausdauer, Beharrlichkeit und bewußtes Handeln im Interesse der Gemeinschaft fördert und [der] Erhaltung der Gesundheit [dient].« ([Ulb63] zit. n. [Sie68, S. 391]) Die Gefahr bestehe, daß »[s]portliche Tätigkeiten [...] sich verselbständigen [können]. Es scheint, als würden sie vielfach um ihrer selbst willen ausgeführt. Ihre objektiven Funktionen sind dem Sportler nicht bewußt. Motivforschungen laufen hier dem spontanen Prozeß hinterher. Die sportliche Tätigkeit ist aber in jedem Falle gesellschaftliche Tätigkeit, die gelenkt werden kann und muß.« ([Oel68, S. 401], vgl. auch [Mar55, S. 130]) Spiel wird auch betrachtet als soziale oder ethische Übung, im sozialen Umgang nutzbarer Prozeß sowie als Erholung und Unterhaltung. Auf Spiel als Mittel, effektives soziales Zusammenleben zu erlernen, weist Norman [Nor04, S. 130] hin. Für Sutton-Smith fördert Spiel ne135

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ben der kognitiven auch die soziale und ethische Entwicklung von Kindern »into better adults« ([SS97b] n. [SZ04, S. 518], vgl. auch ebd., S. 534; Salen und Zimmerman bezweifeln dies zumindest bei Computerspielen (ebd., S. 518)). Spiele als Mittel des sozialen Umgangs können als »›ice-breakers‹, stressrelievers or timepassers« [MCOW06, S. 1134] dienen. Ansonsten passive Zuschauer können durch Spiel aktiviert werden [Tho71, S. 351–3]. Bei der Moderation einer große Gruppe von Menschen (etwa 100 bis 700 Personen), die zusammen etwas erarbeiten sollen o. ä., können Spiele eingesetzt werden, um das Eis zu brechen, Leute zu animieren (»activate« people), etwas zu üben (»practice«) und Leute in eine kooperative Stimmung zu bringen [Die05]. Nach der Vorbereitung auf Arbeit kann das Spiel auch als Ausgleich für Arbeit und als Mittel, Arbeit besonders effektiv zu bewältigen gesehen werden. Der Gedanke, Spiel gleiche »Einseitigkeiten des Lebens durch Erholung« [Sch65, S. 113] aus6, findet sich angedeutet bei John Locke, breit ausgeführt bei Guts Muths. Nach Blonskij ist das freie Spiel des Kindes erhaltenswert unter dem Gesichtspunkt seines »Erholungswertes« [Sch65, S. 39]. Aristoteles gilt Musik (und so auch Spiel) als Gegensatz zur Arbeit und zu ihrem Ausgleich ([Hui56, S. 155f.], zum Zusammenhang der Begriffe Ernst, Glück, Erziehung, freie Zeit und (Lebens-)Ziel (τ´ελoς) bei den Griechen n. Aristoteles s. ebd., S. 155–7). Horkheimer und Adorno weisen auf ebendieses Verhältnis hin, wenn sie das »Amusement [...] [als] Verlängerung der Arbeit unterm Spätkapitalismus« ([HA71, S. 123] n. [Kel98, S. 36]) bezeichnen, das »von dem gesucht [werde], der dem mechanisierten Arbeitsprozeß ausweichen will, um ihm von neuem gewachsen zu sein« [Win95, S. 21]. Die Annahme, daß das Spiel zur Unterhaltung diene, findet sich explizit formuliert etwa bei Chamblanc ([Cha28, S. iv] n. [Pia02, S. 173]). Das Für-Sich-Spielen-Lassen bzw. die Instrumentalisierung des Spiels als Spektakel sowie zur »Beschwichtigung, Entpolitisierung« und zur »Unterhaltung« [Chr05, S. 789] von Zuschauern ist im großen Stil bei den Kaisern des imperium romanum seit Caesar zu beobachten, exzessiv bei Trajan, der zur Feier des siegreichen Abschlußes des Zweiten 6 | Populär etwa ausgedrückt als »All work and no play makes Jack a dull boy.« (Englisches Sprichwort)

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Dakerkrieges innerhalb von drei Jahren 147 Spieltage abhalten ließ, an denen rund 11000 wilde Tiere im Kolloseum gegeneinander kämpften und 4914 Gladiatorenpaare (!) fochten (ebd., S. 300). Es ist also kein Phänomen unserer Tage, wenn Spiel zum Zwecke und als Mittel der Unterhaltung propagiert und eingesetzt wird: »It’s not just a game. It’s a party!« [Dev06] Denkt man an Sportübertragungen im Fernsehen, scheint die Unterhaltung den Sport in zunehmendem Maße zurückzudrängen. Der Sport ist dabei in Gefahr, nur noch als Anlaß und Rahmenhandlung für etwa Gewinnspiele und Interviews zu dienen [Deu06]. Fußballspiele werden zu den Zeiten angesetzt, zu denen günstige Fernsehübertragungsbedingungen herrschen; Halbzeiten und Spielunterbrechungen werden so gelegt, daß Werbeunterbrechungen möglich sind. Das Spiel sucht selbstverständlich in jedem Fall einen besonders effektiven Weg, das Spielziel zu erreichen, der geradezu als elegant anzusehen ist. Das Spiel widerspricht in dieser Hinsicht auch nicht der Ratio [Sch65, S. 181]. Es erscheint also zunächst nur naheliegend, Spiel auch als Methode zu sehen, etwa Arbeit effektiv zu erledigen. Als Ansätze dazu werden schlichte Versuche gedeutet, Arbeit oberflächlich als Spiel auszugeben: »[...] aus dem Arbeitsplan wurde ein Spielplan, aus der ›Arbeits-Gruppe‹ wurde eine ›Spiel/Arbeits-Gruppe‹, wenn nicht gar eine ›SpielGruppe‹.« [RP90, S. 14] Schäfer [Sch05a] fragt, wie die »Attraktivität und Anziehungskraft von Computer Games auf kollaboratives Arbeiten übertragen« werden könne. Wie Hinterding beobachtet, findet »im späteren Berufsleben [...] das Spielen schliesslich gar keinen Platz mehr, wie es scheint. Doch gerade dort wäre der Einsatz von Spielen oder spielerischen Elementen besonders sinnvoll, denn Arbeit bedeutet oft Routine, Monotonie, Pflichterfüllung.« [Hin05] Den damit beabsichtigten Zweck der Effektivierung der Arbeit durch das Spiel propagiert er so sogar als seinen Sinn. Es wird zwar auch anerkannt, daß sich Arbeit und Spiel in der Motivation, in der Herangehensweise und im Ziel ihrer Teilnehmer keineswegs entsprechen, Spiel erscheint aber dennoch als Mittel der Arbeit, das die Motivation der (Computer-)Anwender beim Arbeiten und Lernen zu erhöhen in der Lage ist: »Obwohl Arbeiten und Spielen am Computer zwei grundlegend verschiedene Vorgänge sind und sich sowohl in der Motivation und der Herangehensweise der Anwender als auch in der Zielrichtung der Aufgaben unterscheiden, gibt es doch Bereiche, in de137

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nen Arbeit und Spiel voneinander profitieren können. Der Forschungsbereich ›Game Based Interfaces‹ befasst sich dabei mit der Unterstützung und Motivation von Anwendern beim Arbeiten und Lernen durch die Nutzung von Spielekonzepten in Standardanwendungen.« [Die04, S. 8] Inwieweit das Spiel dabei etwa von der Arbeit »profitieren« könnte, wird leider nicht ausgeführt. Das Spiel wird auch als Mittel für andere Zwecke betrachtet, etwa als Möglichkeit des Abbaus von überflüssiger oder schädlicher Energie und als Hilfe zur Lebensbewältigung. Die Idee, Spiel könnten dazu dienen, überflüssige (Adler) oder schädliche Energie (»overflowing energy«, »surplus of vigour« ([Spe97, S. 706ff.] zit. n. [Sch65, S. 96])) ungefährlich abzubauen, formulierte bereits Spencer in seiner »Kraftüberschußtheorie« (ebd.). Während er den Grund des Spiels in der »Abreaktion eines Überschusses an Nervenenergie« (Herbert Spencer n. [Sch65, S. 113]) sieht, ist für Beverly der Abbau von Aggressionen Aufgabe und konkreter Zweck des Spiels ([Bev47, S. 33] n. [Sch65, S. 121, Anm. 214]). Das Spiel kann demnach sogar neben dem unschädlichen Abbau ansonsten potentiell zerstörererischer Energie, wie etwa aufgestaute Aggressionen, gleichzeitig auch zum positiv verstandenen neuen Schaffen von Energie dienen: Das Spiel »absorbiert einerseits die Energien, die aus ungelösten sozialen Konflikten stammen, in einem gesellschaftsfreien7 Raum. Wenn wir spielen, machen wir einen Teil unseres berechtigten Zorns und unserer Lust zunichte. Andererseits schafft es erneut Energien [...].« [SR84, S. 38] Spiel kann gesehen werden als Lebenshilfe, indem es Situationen des alltäglichen Lebens vorwegnimmt und den Umgang mit ihnen spielerisch einübt (ebd., S. 37). In diesem Sinne mögen als »wesentliche Merkmale für die Analyse des Nutzen-Potentials von Spiel« »die Vorwegnahme von ›Ernst-Situationen‹, das Einüben von Abläufen« und »Erholung und Entspannung« [RP90, S. 16] gelten. Wenn Murray [Mur97, S. 144] nun allerdings schreibt, »[g]ames« wären »rehearsels for life«, inpliziert sie gleichzeitig, daß Leben eine Inszenierung sei, für die quasi geprobt werden könnte oder müßte (begrifflich passend in diesem Kontext wäre statt »rehearsel« offenbar eher etwa »practice«). Seeßlen [SR84, S. 7] hält das (Computer-)Spiel »[a]ls Teil der Kinderkultur« für »eine moderne 7 | Vgl. o.

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Form des Märchens, eine mythische Hilfe für die Lebensbewältigung«. Arnheim [ArnoJ, S. 157] spricht nicht nur dem Spiel, sondern sogar allen Medien diese Funktion zu: »Imitation [als möglichst realitätsnahe mediale Abbildung] [...] permits people to cope with significant experiences; it provides release, and makes for a kind of reciprocity between the self and the world.« Nach Ansicht der Psychoanalyse spielt etwa das Kind nicht aus freien Stücken, sondern folgt einem triebhaften Zwang zum Spiel, das Spiel diente in dieser Sicht (nur) der Bedürfnisbefriedigung (vgl. [Sch65, S. 72f.]). Dieser Ansatz wird hier nicht weiter diskutiert. Der Selbstzweck des Spiels [Das Spiel ist eine] Beschäftigung, die für sich selbst angenehm ist[.] Immanuel Kant [Kan90, S. 304]8

In diesem Abschnitt wird der Selbstzweck als wesentliches Merkmal des Spiels in Abgrenzung zu den vorangegangenen Erklärungen des Spiels als nützliches und zweckhaftes Mittel diskutiert. Das Spiel ist von der alltäglichen Welt (konzeptionell) getrennt (s. o.); weder reicht die alltägliche Welt in das Spiel hinein, noch reicht es mit seinen Auswirkungen in die alltägliche Welt heraus: Spiel schließt sich »zu einem Ganzen in sich ab«, es erscheint »als eine selbständige, nicht über sich hinausweisende, sondern ihren Zweck in sich zurücknehmende Handlung« ([Sch61, S. 198] zit. n. [Sch65, S. 94]). Das Spiel verfolgt in diesem Sinne keinen Zweck, der über das Spiel hinausgeht. Alle Ziele des Spiels liegen innerhalb des Spiels, und alle Errungenschaften des Spielers zerrinnen nach Beendigung des Spiels; es bleibt nichts übrig, was in die Spiel-externe Welt hineinreicht. Das, was hineinreicht, sind entweder Unfälle oder unbeabsichtigte Effekte (etwa körperliches Training). »Als objektive Tatsache ist das Spielergebnis an und für sich unwesentlich und gleichgültig. [...] Der Ausgang eines Spiels oder eines Wettkampfes wird nur für die wichtig, die sich als Mitspieler oder Zuschauer [...] in die Sphäre des Spiels begeben und seine Regeln angenommen haben. Sie sind Spielgenossen geworden und wollen es sein.« [Hui56, S. 54] Spiele motivieren den Spieler im Spiel (nur) für das Spiel ([Mal81] n. [Squ02]). 8 | Zit. n. [Sch65, S. 74]

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Zum Spiel muß der Spieler nicht extra und außerhalb des Spiels motiviert werden – es motiviert ihn allerdings auch nicht für etwas anderes, Spiel-Externes. Das Spiel ist zweckfrei und wird ohne Gedanken an (etwa spätere oder externe) Zwecke nur um seiner selbst willen gespielt – und zwar nicht nur »in some measure«: »The database program is used as a tool, as a means to an end, rather than as an end in itself. [...] The explicit interaction of a game is not a means to an end [...]; rather, the play of the game represents an end in itself. We play, in some measure, for play’s own sake.« [SZ04, S. 332] Ein Spieler spielt kein Spiel, um etwas außerhalb des Spiels Liegendes zu erreichen ([Gil71, S. 311] n. [SZ04, S. 302]). Das Spielziel eines Spiels liegt innerhalb des Spiels (Bernard DeKoven n. [SZ04, S. 122]) Ein Spiel bedeutet seinen Spielern alles, der alltäglichen Welt aber nichts. Für ein Spiel gilt also, was Kay von Musikinstrumenten sagt: »The most important thing [...] is that you don’t need the damn thing in the first place.« (Alan Kay in [Sym03]) Während und weil das Spiel ausschließlich auf sich selbst zielt, bleibt es frei von allen Dingen, die das alltägliche Leben betreffen; dem alltäglichen Leben gilt das Spiel also als unnötig und unnützt. »Eines der hevorstechendsten Merkmale des Spiels [...] ist zunächst rein negativer Natur: Spiel verfolgt keinen außerhalb seiner selbst liegenden Zweck. Es ist dadurch von Arbeit, vom Kampfe ums Dasein, von der Not und der Sorge, vom Ernst und den objektiven Wert- und Zweckordnungen abgehoben. Es ist von alledem f r e i.« [Sch65, S. 69f.] Diese Freiheit ist Voraussetzung des Spiels: Der Spieler »muß während seines Spiels frei sein von unmittelbarer Notdurft und Sorge, aber auch frei von allen Absichten und Zwecken, die außerhalb seiner Spielkunst liegen.« (Ebd., S. 70) Oder, etwas anders gewendet: »Der spielende Mensch bedarf der Freiheit von Existenznot und Sorge, aber auch der Freiheit von Absichten und Zwecken, die außerhalb des Spieles liegen, um spielen zu können.« [RP90, S. 21] Die Freiheit des Spiels von den Zwecken der alltäglichen Welt ist offenbar von entscheidender Bedeutung für sein Wesen: »[...] SPENCER nennt das Spiel geradezu eine ›secondary action‹, die sich von den primären Handlungen dadurch unterscheidet, daß sie weder Bedürfnisse stillt noch objektive Zwecke verwirklicht [Spe97, S. 6]. ›Die Tätigkeiten, die wir Spiel nennen, kommen mit den ästhetischen Tätigkeiten darin überein, daß weder die einen noch die anderen irgendwie unmittelbar zu den dem Leben förderlichen Prozessen beitragen.‹ (Ebd., S. 706)« [Sch65, S. 71] Für Hegel ist das Spiel »zuvörderst 140

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[...] dem Ernste, der Abhängigkeit und Noth entgegengesetzt. Mit solchem Ringen, Laufen, Kämpfen war es kein Ernst; es lag darin keine Noth des sich Wehrens, kein Bedürfniß des Kampfes.« ([Heg28, S. 318] zit. n. [Sch65, S. 70]) Auch für Kant ist das »Moment der Freiheit von Zwecken eines der Hauptkriterien des Spiels: Im Gegensatz zur Arbeit, die man ›einer anderen Absicht wegen‹ unternimmt, beschäftigt man sich beim Spiele, ›ohne weiter irgend einen Zweck dabei zu beabsichtigen‹. [Kan23, S. 470]« [Sch65, S. 70] Mit der Zweckfreiheit des Spiels kann nun offenbar keine konkrete oder gegenständliche Abgrenzung zwischen den Tätigkeiten der alltäglichen Welt und denen des Spiels gemeint sein; das Spiel, das frei ist von Zwecken, ist das Spiel im Geiste der Spielhaltung ([Laz83, S. 36] n. [Sch65, S. 70]). Das Spiel erscheint wesentlich nicht als biologischer Vorgang, gesellschaftliches Training oder soziale Übung erklärbar. Die biologische Entwicklung (von Kindern) kann Spiel zur Übung einbeziehen; allerdings ist »Spiel [...] keineswegs ein instinktiv-unbewußt sich ›von selbst‹ vollziehender Ausbildungsprozeß. Ein solcher könnte es allenfalls für einen engen Bereich angeborener Funktionen sein. Aber gerade diese sind an keine spezifischen Begegnungen gebunden, sondern reifen von selbst, auch wenn aus den Betätigungen, in denen sie sich üben, keine Spiele zustande kommen.« [Sch65, S. 182] Das Lernen des Kindes scheint also nicht auf Spiel angelegt und beschränkt zu sein. »Der ›unbewußten Selbstausbildung‹ im Spiel, sofern sie als eine ›instinktive Selbstausbildung‹ verstanden wird (GROOS, STERN u. a.), kann [...] bei weitem nicht die Bedeutung zukommen, die ihr alle ›Vorübungstheorien‹ einräumen. Soweit ihre Betonung berechtigt ist, ist sie nicht notwendig an den Spielcharakter der jeweiligen Tätigkeit geknüpft, sondern tritt auch bei all denjenigen Tätigkeiten und Bewegungen auf, die keine Spielaktivitäten sind und nur für den Außenstehenden eine spielhafte Gesamterscheinung erzeugen, d. h. aber letzten Endes bei a l l e n kindlichen Tätigkeiten. Sie ist kein Vorrecht der Spieltätigkeit und ist vom Gelingen oder Mißlingen des jeweiligen Spielgeschehens unabhängig.« [Sch65, S. 194] Spiel kann nicht wesentlich gelten als (etwa ethisches oder soziales) Training fürs Leben (ebd., S. 185), und das Spiel macht aus Spielern offensichtlich keine besseren Menschen, man denke nur an das Doping im (Leistungs-)Sport.

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Wird davon ausgegangen, daß Kinder spielen, um fürs Leben zu lernen, müssen die Eltern natürlich Angst haben, wenn etwa Kinder gewalttätige first-person shooter spielen. Der Konflikt im Spiel ist allerdings in erster Linie (inhaltlicher) Anlaß und (äußere) Entschuldigung zu spielen ([SS97b, S. 23] n. [SZ04, S. 372]). Es geht im Spiel nicht um Lernen für die alltägliche Welt. »Most experts agree that we are not [...] training our kids to kill.« [Pre01b, S. 1] Die Gewalt-Debatte, in der gewalttätiges Spiel als Vorübung zu tatsächlich gewalttätigem Verhalten angesehen wird (s. Abschn. 4.2.3), überdeckt diese Erkenntnis. Im Falle von America’s Army (2002) liegt zwar offensichtlich ein Spiel-externer Zweck vor, der sich des Spiels bedient, dieser ist jedoch nicht ein tatsächliches (schon gar nicht physisches) Training zum Soldaten, sondern die mentale Vorbereitung der Spieler, das Präsentsein im Kinderzimmer und in den Köpfen von potentiellen Rekruten. Dieses Spiel ist eine Werbung [Röt05, S. 112] und kein Training. Der Begriff der Arbeit scheint sich bei Differenzierung von Spiel und Zweck nicht als hilfreich zu erweisen. Marx trennt Spiel und Arbeit voneinander, indem er sie in eine Beziehung zueinander setzt, in der die Arbeit Grundlage und Voraussetzung von Spiel ist ([Mar83, S. 828] n. [Kel98, S. 54]). Das »wahre Reich der Freiheit«, d. h., »die menschliche Kraftentwicklung, die sich als Selbstzweck gilt«, könne nur auf dem »Reich der Notwendigkeit als seiner Basis aufblühn« ([Mar83, S. 828] zit. n. [Kel98, S. 54]). Das Spiel widerspricht in diesem Sinne dem Nutzen; soweit ist Huizinga durchaus mit Marx einig: »Das Spiel [...] liegt außerhalb der Vernünftigkeit des praktischen Lebens, außerhalb der Sphäre von Notdurft und Nutzen.« [Hui56, S. 153] Die Beziehung von Arbeit und Spiel ist aber nicht die von Marx dargestellte handgreifliche Trennung, nach der erst und nur dann gespielt wird, wenn die Arbeit erledigt ist, sondern eine Frage der Perspektive, die durchaus Arbeit und Spiel verbunden sehen kann. »Wenn Gedanken oder Kräfte vom Willen losgelassen werden, wenn ein Geschehen mit diesen sechs Wesensmomenten [des Spiels nach [Sch59]] sich im Menschen einstellt, dann befindet er sich im Zustand der höchsten Konzentration und Selbstvergessenheit9, der die Notwendigkeit, von [der] Marx spricht, hinter sich läßt. Das Spiel erscheint als reiner Selbstzweck.« [Kel98, S. 60] 9 | Vgl. den Begriff des flows bei Csikszentmihalyi.

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Spiel läßt sich nicht in natürlicher Weise zur Effektivierung von etwa Arbeit nutzen. Zwar strebt Spiel nach Effizienz, allerdings nicht in Bezug auf externe Zusammenhänge. Auf das Spiel bezogen, in sich, kann Spiel überaus effizient und zweckvoll sein. Es »ist nicht auf Zwecke gerichtet, was nicht ausschließt, daß es in sich durchaus zweckvolle Zusammenhänge enthalten kann [...] [und] von innerer Zweckmäßigkeit durchwaltet« [Sch65, S. 71f.] ist. Die Existenz von zweckvollen Zusammenhängen im Spiel scheint geradezu eine Voraussetzung für sinnerfülltes Spiel zu sein: »Spieltätigkeiten sind als Handlungen n i c h t zweck-, ziel- oder absichtslos. Eine zwecklose Handlung wäre eine contradictio in adjecto; denn eine Handlung ist dadurch definiert, daß sie (im Unterschied etwa zur bloßen Ausdrucksbewegung) darauf gerichtet ist, etwas hervorzubringen. Was am Spiel zweckfrei ist und über diese Zweckfreiheit hinaus auch noch als in sich unendlich, scheinhaft, ambivalent, geschlossen und an den zeitenthobenen Augenblick gebunden charakterisiert werden konnte, das ist nicht die Spieltätigkeit, sondern das von ihr Erzeugte und Unterhaltene: Das Spielgeschehen.« (Ebd., S. 191) Es scheint also nicht um einen äußeren Zweck, sondern die innere Effizienz des Spiels zu gehen, wenn Pias [Pia02, S. 7] schreibt, daß »[h]insichtlich der vermeintlichen Zweckfreiheit des Spiels [...] Schiller zeitgenössischer [erscheine] als beispielsweise Huizinga oder Caillois, wenn er das Spiel als eine Urteilskraft vorstellt, die ihre Urteile durchaus nach Kriterien der Effizienz fällt, statt sie nur im Ästhetischen vorzubereiten.« Der Begriff der Unterhaltung ist deutlich unterschieden von dem des Spiels (vgl. [Nor04, S. 133f.]). Es wird hier zwar nicht bezweifelt, daß ein Spiel Zuschauer und auch in gewisser Weise seine Spieler unterhält; genausowenig, wie bezweifelt wird, daß im Spiel soziale Übung oder körperliches Training unbeabsichtigt passiert. Was das Spiel von der Unterhaltung wesentlich unterscheidet, ist, daß sich das Spiel nur auf sich selbst bezieht und sich selbst genügt, während die Unterhaltung das eine tut und das andere will. Niki Lauda beschreibt einen wesentlichen Unterschied zwischen Spiel und Schau, wenn er in einem Kommentar zu einer Entscheidung der Rennkommissare im Qualifying zum Großen Preis von Italien in Monza 2006 den Wettkampf deutlich vom Theater abgrenzt: »Sind wir [mit der Formel 1] eine sportliche Veranstaltung, wo der Beste siegen soll [...], oder sind wir hier in einer Show, die von irgendjemand manipuliert wird [...]? [...] dann können wir mit der Formel 1 zusperren [...].« [Lau06] 143

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Wird gesagt, daß Spiel Unterhaltung sei, ist damit i. d. R. die Unterhaltung von Zuschauern gemeint; Spieler sehen ihr eigenes Spiel kaum als Unterhaltung an (vgl. [RA03, S. 76f.], vgl. dagegen auch ebd., S. 248, S. 268 und S. 571). »Spielfreude, sagt CHÂTEAU, werde nicht aus einfachem Sich-Amüsieren geboren [Châ46, S. 31].« [Sch65, S. 111] Ein Spiel muß selbst gespielt werden, Unterhaltung wird den zu Unterhaltenden hingegen serviert: »Here we are now, entertain us.« (Nirvana) Das Spiel kann durchaus auch zur Unterhaltung von Zuschauern dienen, aber es ist von seinem Wesen her nicht nur ein Spektakel, genau wie der Sport (Gunter Gebauer in [Deu04]). Soll nun das Spiel vor den Einflüssen der Unterhaltung geschützt werden, ist wohl gemeint, daß das Spiel nicht nur noch Unterhaltung für Zuschauer sein möge, sondern stets noch auch Spiel für die Spieler: »Der Sport hat einen Kern, der vor der Unterhaltung geschützt werden muß«, wenn er nicht kaputtgehen soll; er »sollte nicht mit Unterhaltungselementen überfrachtet werden« (ebd.). Die Unterhaltung sieht das Spiel als Mittel zum Zweck. Ein Spiel kann jedoch nicht unterhalten in dem Sinne, als daß es nur nach innen zielt. Jede Instrumentalisierung, die ihm von außen zugewiesen wird, wie ja die Unterhaltung offensichtlich eine ist, ist ihm wesentlich fremd – Spiel erfüllt keinen Zweck und ist an dieser Stelle deutlich anders als Unterhaltung. Ein Spiel wird um seiner selbst willen gespielt, nicht um sich zu unterhalten oder etwas anderes, Spiel-externes zu erreichen. Unbestritten unterhält ein Spiel nebenbei Zuschauer, trainiert, übt die sozialen Fähigkeiten der Spieler etc.; diese Spiel-externen Zwecke beschreiben aber nicht sein Wesen, sondern sind Effekte zweiter Ordnung. Die Teilnahme von Sportlern bei Wettkämpfen als »Präsentation« und »Vorstellung« zu bezeichnen (wie etwa bei der Fernseh-Berichterstattung über die olympischen Winterspiele 2006 in Turin), ist verbreitet, aber im Grunde verfehlt. Das Spiel als Spektakel mißbraucht das Spiel (und den Spieler) als Mittel der Unterhaltung von Zuschauern. Der Gewinn eines Spiels ist nicht zu sehen als eine materielle Veränderung oder ein konkretes Produkt. Während das Spiel i. d. R. wohl eine konkrete Ausprägung im Verfolgen des Spielziels hervorbringt, ist der Gewinn eines Spiels abstrakt (s. Abschn. 4.5.2). Außer dem Wissen um den Gewinn und dem Gefühl des Triumphs entstehen durch ein gewonnenes Spiel keine Auswirkungen jenseits des Spiels. Wenn sich die Spielwelt durch das abgelaufene Spiel geändert hat (wie beim Schach), wird sie, nach Ende des Spiels bzw. vor Beginn des nächsten, wieder in 144

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ihren Ursprungszustand zurückversetzt; zahlreiche Spielwelten ändern sich durch Spiele nicht (wie Fußball). Gewinnen ist beim Spiel das Wichtigste bzw. das Einzige, was zu erreichen ist: »Winning isn’t everything, it’s the only thing.« (ein Sportler in [Bet06]) Alle Spieler oder Mannschaften des Spiels versuchen zu gewinnen, müssen allerdings nicht gewinnen. Ein Spiel unter Bruch der Regeln zu gewinnen, zählt dabei nicht als Gewinn. Wer nur gewinnen will, will nicht spielen ([DeK78] n. [SZ04, S. 267]); er handelt nicht mehr in der Spielstimmung, sondern versucht, sein Ziel zu erreichen (bspw. durch cheating bei online multi-player first-person shootern). Ein konkretes Spielziel befördert die abstrakte Spielhaltung, indem es etwa als Anlaß oder Entschuldigung Spiel ermöglicht [SZ04, S. 342]. Das Ergebnis eines Spiel ist den Spielern wichtig. Der Spaß, die verborgene aber bestimmende Motivation zum Spiel, hängt zwar nicht am Gewinn, aber der bleibt das vordergründige Ziel und der konkrete Anlaß zu spielen. Damit Spieler innerhalb eines Spiels bedeutungsvoll handeln können, brauchen sie eine Herausforderung oder ein Ziel, an dem sie sich orientieren und gegenüber dem sie ihren Fortschritt messen können [SZ04, S. 255]. Ohne Klarheit über das Ziel des Spiels bleibt ein Spiel als bloße Spielerei oder Herumgetolle beliebig (ebd., S. 258). Das trifft auf alle Spiele zu, etwa eine VR-Attraktion in einem Freizeitpark [PST+ 98, S. 362] und auch auf ein LARP (Live Action Role Play) [Mur97, S. 118]. In dieser Hinsicht ist das Spielziel, genau wie es die Spielregeln sind (vgl. Abschn. 4.1.4), eine Hilfe, damit die Spieler sich in ihrer Spielhaltung ausdrücken können. Da das Spiel keinen Zweck der alltäglichen Welt erfüllt, muß für es ein solch überflüssiger und unnötiger Zweck, d. h. eine Aufgabe, ein Anlaß, ein Spielziel, eine Herausforderung, erst explizit definiert werden [Kel98, S. 242]. Ziele in Spielen ermöglichen zielgerichtetes Handeln; es geht dabei nicht um das faktische oder konkrete Erreichen eines Ziels, sondern um das Ausführen der Handlung selbst [Sch65, S. 165]. Spieler spielen, um zu gewinnen; sonst spielen sie nicht, sondern machen den anderen etwas vor, und das Spiel wird zerstört. Indem sie ins Spiel eintreten, nehmen sie die Herausforderung des Spiels an; d. h., daß sie die Regeln einhalten etc., aber auch, daß sie versuchen, das Spiel zu gewinnen, d. h. seine Gewinnbedingung akzeptieren. Die Gewinnbedingung von Spielen ist in aller Regel klar definiert und eindeutig. Indem 145

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ein Spieler beginnt, ein Spiel zu spielen, erkennt er auch und insbesondere diese Gewinnbedingung an und bemüht sich um deren Erreichen [SZ04, S. 250]. Es mag verschiedene Motivationen geben, einem Sportverein beizutreten oder ein Spiel zu erlernen (ebd., S. 258), wenn ein Spieler allerdings dann im Spiel auf dem Spielfeld steht, muß er nur noch spielen; sein erstes und einziges Ziel ist der Gewinn des Spiels (ebd.). So wie das Spiel sich nicht auf die materielle und handgreifliche Ebene beschränkt oder auch nur bezieht, ist auch der Gewinn des Spiels nicht gegenständlich zu verstehen, sondern als »Erlebnisform« ([Lut25, S. 148f.] zit. n. [Sch65, S. 139]) oder abstrakter Zustand: »Es ›geht um etwas‹: in diesem Satz ist eigentlich das Wesen des Spiels am bündigsten ausgedrückt. Dieses Etwas ist jedoch nicht das materielle Ergebnis der Spielhandlung, z. B. nicht, daß der Ball im Loch sitzt, sondern die ideelle Tatsache, daß das Spiel geglückt oder aufgegangen ist. Dies ›Geglücktsein‹ verschafft dem Spieler eine Befriedigung, die kürzer oder länger anhalten kann. [...] Das angenehme Gefühl der Befriedigung steigt zwar bei Anwesenheit von Zuschauern, doch sind diese nicht unentbehrlich.« [Hui56, S. 54] Im Streben von Spielern nach dem Gewinn eines Spiels geht es ihnen nicht um Macht oder um außerhalb des Spiels Liegendes; nicht auf das Konkrete zielen sie, sondern auf das Abstrakte. »Gewinnen heißt: ›im Ausgang eines Spiels sich als den Überlegenen erweisen‹.« (Ebd., S. 55) Dies scheint selbst für das Spiel um Geld gelten zu können: »Geld war für mich nie eine große Motivation, sondern eine Möglichkeit zu wissen, wo man steht. Das eigentlich Aufregende ist das Spiel.« (Donald Trump zit. n. [dG07, S. 95]) Obwohl »[d]ie Gültigkeit dieser offenbar gewordenen Überlegenheit [...] die Neigung [hat], sich zu einem Überlegenscheinen im allgemeinen auszuweiten [...] [u]nd hiermit [...] etwas mehr gewonnen [ist] als das Spiel selbst«, ist es »[i]n erster und letzter Instanz« doch »der Sieg selbst, um den man kämpft und spielt; mit diesem Sieg aber verknüpfen sich allerlei Weisen, auf die er genossen wird: zunächst als Siegesgepränge, als Triumph, der durch die Gruppe mit Zujauchzen und Lobpreisen gefeiert wird. Als bleibende Folge entspringen aus ihm Ehre, Ansehen, Prestige.« [Hui56, S. 55] Allerdings »hat man es [»[i]m agonalen Instinkt«] nicht mit Machthunger oder mit dem Willen zu herrschen zu tun«; »[p]rimär ist das Verlangen, den anderen zu übertreffen, der Erste zu sein und als solcher geehrt zu werden. Die Frage, ob infolge davon die Einzelperson oder die Gruppe ihre Macht erweitert, kommt erst an zweiter Stelle an die Reihe. Die Hauptsache ist, 146

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›gewonnen zu haben‹. Das reinste Beispiel für einen Triumph, der sich in nichts Sichtbares oder Genießbares umsetzt und nur im Gewinnen selbst besteht, bietet das Schachspiel.« (Ebd., vgl. Abschn. 4.2.4) Im Spiel wird stets um etwas gespielt, um einen Einsatz [Hui56, S. 55]. Dieses Etwas ist nicht als unbedingt materieller Einsatz wie im Glücksspiel zu verstehen, sondern ist in erster Linie der Gewinn des Spiels; wenn Geld o. a. eingesetzt wird, werden Spiel-externe Dinge ins Spiel gebracht, die es gefährden. Der Gewinn des Spiels ist nicht zu vergleichen mit dem Lohn, den etwa ein Arbeiter im Austausch für seine Arbeit erhält; der (Sieges-)Preis, den der Gewinner eines Spiels erhält, ist keine Bezahlung und keine Entschädigung, das Spiel ist kein Handel. »Ganz außerhalb der Spielsphäre liegt der Lohn: er bezeichnet die gerechte Vergeltung eines geleisteten Dienstes oder einer getanen Arbeit. Um Lohn spielt man nicht, um Lohn arbeitet man. [...] Gewinn liegt ebenso innerhalb des Gebiets des wirtschaftlichen Austauschs wie des Kampfspiels: der Kaufmann macht Gewinn, der Spieler bekommt den Gewinn. Preis gehört zum Kampfspiel, zur Lotterie und auch zu der mit einem Preise ausgezeichneten Ware im Laden. Zwischen ›mit Preis ausgezeichnet‹ und ›gepriesen‹ spannt sich der Gegensatz zwischen Ernst und Spiel. Das Element der Leidenschaft, der Gewinnaussicht, des Wagens haftet ebenso am wirtschaftlichen Unternehmen wie am Spiel. Pure Habsucht treibt nicht Handel und spielt nicht. Wagen, ungewisse Aussicht auf Gewinnen, Unsicherheit des Ausgangs und Spannung bilden das Wesen der Spielhaltung. Die Spannung bestimmt das Bewußtsein für die Wichtigkeit und den Wert des Spiels und läßt den Spieler, sobald sie hoch steigt, vergessen, daß er spielt.« [Hui56, S. 56] Von Lohn im Spiel kann gesprochen werden im Sinn von Spiel als etwas, das sich um seiner selbst willen lohnt, getan zu werden [Sch65, S. 150].

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Interaktivität als Spiel Zweckfreiheit im Umgang mit dem Computer Gerade Kindern wird unter der Hand vieles zum Spiel, ohne daß sie dies wollen oder wissen. Und auch im Arbeits- und Lernprozeß kann unvermittelt und unbeabsichtigt subjektloses Spiel ›von selbst‹ entstehen und im gleichen Moment, in dem es den Arbeitenden oder Lernenden zu faszinieren beginnt, d. h. in dem es auch für ihn zum Spiele wird, die gesamte Arbeits- oder Lernhaltung entscheidend beeinflussen. Hans Scheuerl [Sch65, S. 135]

Die Frage, wie Spiel im alltäglichen Umgang mit dem Rechner auftauchen kann, obwohl sein user bei seiner Benutzung i. d. R. einen Zweck verfolgt, wird in diesem Abschnitt diskutiert. Spiel und Zweck schienen sich als unvereinbar miteinander zu erweisen und wurden w. o. als antagonal beschrieben; wenn nun behauptet wird, daß sich Spiel trotz des Verfolgens von Zwecken im Umgang mit dem Computer zeige, das Verfolgen eines Zwecks gar in Spiel umzuschlagen im Stande sei, stellt sich die Frage nach ihrem Verhältnis. Kann das Spiel als Mittel zum Zweck instrumentalisiert werden? Der Profisport zeigt sich in diesem Zusammenhang als ein Beispiel dafür, wie das Spiel durch äußere Einflüsse in Gefahr geraten kann, nicht länger nur Spiel zu sein. Andererseits zeigt sich an diesem Beispiel auch, wie robust und mächtig sich das Spiel gegen Einflüsse der Spiel-externen Welt behaupten und sie auch überwinden kann. Wie kann Spiel im Umgang mit dem Rechner auftreten, wenn mit ihm unzweifelhaft zumindest auch Zwecke verfolgt werden? Vermischen sich in ihm Spiel und Zweck? Es scheint so zu sein, daß immer nur eins von ihnen im Vordergrund stehen kann, entweder das Spiel oder der Zweck. Zeigt sich das Spiel dann im Umgang mit dem Computer, muß es den Zweck zumindest für eine Zeit lang außer Kraft setzen. Wie kommt es, daß der Umgang mit dem Rechner die Belastung von Nutzen und Nützlichkeit zu Gunsten des Spiels in möglicherweise zunehmendem Maße abzuschütteln vermag? Dort, wo der Mensch Kontrolle über seine Tätigkeit gewinnt, wo er frei ist, kann er spielen, kann er die Not und den Gedanken an den Zweck für einen Moment abwerfen, selbst wenn er etwas Notwendiges, Unangenehmes oder Gefährliches tut. Arbeit kann in Spiel umschlagen, 148

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muß aber nicht (vgl. [Kel98]). Oft gibt es ein Außerhalb, das dem Spiel ablehnend mit Not, Zweck und anderen Zwängen entgegensteht (vgl. [HGY03, S. 222]), aber oft dominiert es nicht so sehr, daß Spiel unmöglich wäre, sonst könnte überhaupt nicht gespielt werden (wenn etwa darauf gewartet wird, daß die Arbeit vorher erledigt ist (vgl. o.)). Es kann aber auch gerade dann und auch deswegen gespielt werden, wenn und weil die äußeren Umstände sehr belastend erscheinen, denn das Spiel entkräftet die Nichtspielwelt für einen Moment (vgl. Abschn. 4.1.1). »Für Herbert Marcuse stand schon in den 50er Jahre[n] fest, dass der hohe Standard der Technik Voraussetzungen bereit gestellt hat, die Mühen der Arbeit den Dimensionen der Freiheit des Spiel[s] unterzuordnen. Aus repressiven Tätigkeiten werden nichtrepressive, da jetzt Lust- und Realitätsprinzip, durch Spiel versöhnt, sich vereinigen können10 (vgl. [Mar71, S. 191f.]). Damit ist die notwendige Arbeit nicht abgeschafft, aber, so die These von Marcuse: ›Spiel und Selbstentfaltung als Prinzipien der Zivilisation bedeuten nicht eine Umformung der (mühsamen) Arbeit, sondern deren vollständige Unterordnung unter die frei sich entfaltenden Möglichkeiten des Menschen und der Natur‹ ([ebd.,] S. 194).« ([RB04, S. 6], vgl. Abschn. 4.2.4) Wenn im Umgang mit dem Rechner Spiel stattfindet, dann obwohl er zweckhaft eingesetzt wird: »Let’s play [with the computer], although there is some instrumental purpose connected to what we are doing, like a VJ [video jockey] or a painter.« (Mark Amerika, pers. Komm., 27. Mai 2005, meine Hervorhebung) Wenn vom Umschlagen von Arbeit in Spiel die Rede ist, ist i. d. R. gemeint, daß bei einer Tätigkeit, bei deren Ausführung der Gedanke an den externen Nutzen für den Handelnden im Vordergrund steht, eine Verschiebung seiner Perspektive stattfindet, in deren Zentrum dann das Geschehen selbst und seine Ausführung rückt (vgl. den Begriff autotelic bei Csikszentmihalyi), »sich ein Effekt von den ihn antreibenden Impulsen ablöst« [Sch65, S. 154]. Bei Arbeit und Spiel kann das nur heißen, das Arbeit in Spiel umschlägt; schlägt Spiel in Arbeit um, wird das Spiel zerstört. Dieses Umschlagen ist nicht von außen zu beobachten [Kel98, S. 135], sondern eine Frage der inneren, subjektiven Sicht oder Haltung des Ausführenden (vgl. ebd., S. 128 und dagegen ebd., S. 77 und S. 81): 10 | »Vereinigen« halte ich für zuviel gesagt; der Computer macht Repression nicht ungeschehen, überwindet sie aber genau wie Zweck und Notwendigkeit für einen begrenzten Moment.

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»Es kann nur von denjenigen behauptet werden, die es erlebt haben, daß das Arbeiten spielerische Momente bekommt, daß es zum Spielen wird und wieder umschlagen kann zum Arbeiten.« (Ebd., S. 135) Bei diesem Umschlagen verschwindet der Zweck zwar nicht, er wird aber für die Dauer des Spiels wirksam außer Kraft gesetzt: »Das Wirkliche verliert seinen Ernst, weil es klein wird, das Notwendige, weil es leicht wird11. Beides ist aufgehoben in einem übergeordneten ›dritten fröhlichen Reiche des Spiels und des Scheins‹ [SchoJ, 27. Brief, S. 117].« [Sch65, S. 88] Spiel kann immer nur jemandem zum Spiel werden. In erster Linie sind dies die Ausführenden selbst. Es kann allerdings auch sein, daß eine Tätigkeit, die für die Ausführenden Arbeit oder Mühsal bedeutet, Außenstehenden wie Spiel erscheint und so ihnen zum Spiel wird [Sch65, S. 193]. Mit dem Umschlagen von Arbeit in Spiel ist nicht das Unernste oder die Tändelei gemeint, die ungerichtet und unproduktiv ins Leere läuft. »Die höchste erreichbare Haltung aber ist diejenige, die auch alle Arbeit um ihrer selbst willen betreibt: Ihr wird die Arbeit selbst zum ›Spiel‹, nicht weil sie ›leicht‹ oder ›unernst‹ wird, nicht weil man mit ihr ›souverän‹ schaltet und waltet, sondern weil sich die Dimension der ›inneren Unendlichkeit‹ in ihr auftut. Wer diese Haltung allem Schaffen und aller Arbeit, aber auch allem Spiel gegenüber zu erringen vermag, ist souverän, nicht weil er seine Willkür Herr sein läßt über alle Aufgaben, Regeln und Ordnungen, sondern weil er im Dienen und in der Bindung frei zu sein versteht. Er schielt nicht nach Nutzen, Erfolg und Lohn. Was er schafft, ist ihm Pflicht und Lohn zugleich. Er kennt keinen anderen Auftraggeber als das Werk, als das Spiel selbst.« (Ebd., S. 226) Indem die Arbeit im Spiel aufgeht und sich das Spiel über sie und ihren Zweck erhebt, mobilisiert es gerade effektiv alle Kräfte und Möglichkeiten für ihre (dann aber sekundär erscheinende und nebenbei vollzogene) Erledigung: Die Spielhaltung »kann [...] Würdigung finden als letzte, souveräne S t e i g er u n g der Arbeitshaltung, als ein freies Verfügen über alle Mittel und Zwecke.« (Ebd., S. 59) Die Begriffe Arbeit und Spiel hängen weder wesentlich zusammen, noch sind sie Gegensätze, noch stehen sie auf einer Ebene. In dem Sinne, in dem »[d]ie Freiheit [...] im Verhältnis zur Notwendigkeit das übergreifende Allgemeine« ist, erweist sich »auch das Spielen im Verhältnis zum 11 | Vgl. [Sch60a, S. 40].

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Arbeiten« [Kel98, S. 80] als der übergeordnete Begriff, da Arbeit offensichtlich gespielt werden kann, echtes Spiel aber nicht gearbeitet (ebd., S. 77 und S. 230). Die Arbeit ist in diesem Verhältnis also als eine Teilmenge des Spiels anzusehen. Während Spiel offenbar nicht gearbeitet werden kann, scheint zunächst nichts gegen die Arbeit als Spiel zu sprechen; konkret existieren allerdings sicher einige Hindernisse: »Ungeachtet der Bedrohung für das Spiel, Arbeit zu werden, ist es eine geballte Ladung individueller Sinnlichkeit. Um zum Beispiel aus der Arbeit eine ausgesprochen lustvolle Angelegenheit zu machen, brauchen wir sie nur als Sonderform des Spiels zu definieren. Dazu müßte sie freilich aus ein paar materiellen und sozialen Zwangsjacken befreit werden.« [SR84, S. 38] Wird behauptet, das Spiel drehe sich nur um sich selbst und weigere sich, Spiel-externe Bedeutungen zu übernehmen und Zwecke zu erfüllen, scheint mit dem Profisport ein Phänomen aufzutauchen, das als Gegenbeispiel zu dienen scheint. Tatsächlich ist das Wesen des Spiels im Profisport wohl in Gefahr (vgl. [Hui56, S. 189–91]); Huizinga weist darauf hin, daß der heutige Sport zunehmend die Spielsphäre verlasse und neben der Kultur stehe (ebd., S. 186–9). Nach Karl Diem sind Profisportler keine Spieler, weil sie nicht nur um des Spielens willen spielen. Im Profisport muß das Spiel allerdings offenbar nicht zwangsläufig Schaden nehmen. Anscheinend geht es auch Profi-Fußballern nicht nur um das Geld, sonst würden sie nicht etwa nach einem verlorenen Europameisterschafts-Finale weinen; und sie weinen bestimmt nicht der verlorenen Siegprämie hinterher. Sportler betonen oft die Dominanz des Spiels gegenüber Spiel-externen Einflüssen; auf die Frage »Geht es im Profisport nur um Geld?« anwortet Boris Becker »Es geht in erster Linie ums Spiel.« (Boris Becker in [RTL05]) Dirk Nowitzki gibt an, er werde nicht von Geld motiviert: »Ich liebe Basketball, will mich mit den Besten messen und [2006] den [NBA Meister-] Titel gewinnen.« (Dirk Nowitzki in [Sch06, S. 69]) Der Formel 1-Pilot Nick Heidfeld sagt über seine Motivation, daß »der Spaß [...] nach wie vor der einzige Grund [sei], warum [er] das Ganze [...] mache« [Hei07]. Für John McEnroe ist »Profisportler zu sein einer der besten Jobs, die es gibt. Eigentlich kann man es nicht mal Job nennen [weil er soviel Spaß macht]« ( John McEnroe in [Wic06, S. 74]). Bei Interviews nach etwa Fußballspielen sagt kaum einer der Spieler, er habe nur seinen Job gemacht; viele berichten, wie sie das Spiel gesehen und erlebt, wie sie teilgenommen und eingegriffen haben. 151

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Im Falle des Profisports hat man es also »mit einer Betätigung zu tun, die bewußt und anerkannt Spiel ist, die jedoch auf eine so hohe Stufe technischer Organisation, materieller Ausrüstung und wissenschaftlicher Durchdachtheit gebracht worden ist, daß in ihrer kollektiven öffentlichen Ausübung die eigentliche Spielstimmung verlorenzugehen droht.« [Hui56, S. 189] Offenbar kann der Vorgang aber auch in umgekehrter Richtung ablaufen: »Beschäftigungen, die in einem materiellen Interesse, in einer Notwendigkeit oder einem Bedürfnis ihre Ursache haben, also anfänglich nicht die Spielform zeigen, entwickeln sekundär einen Charakter, den man schwerlich anders als Spielcharakter nennen kann. Die Geltung der Handlung beschränkt sich auf eine in sich abgeschlossene Sphäre, und die Regeln, die in ihr herrschen, verlieren ihre allgemeine Zielgerichtetheit. Im Falle des [Profi-] Sports also ein Spiel, das sich zu Ernst versteift, aber noch als Spiel empfunden wird, im anderen eine ganz ernste Beschäftigung, die zu Spiel entartet, weiterhin aber als Ernst gilt.« (Ebd., S. 189f.) Es geht bei Spielen ausschließlich um ein Erlebnis des Spielers, nicht um damit durchaus in gewissem Zusammenhang stehende aber sekundäre Dinge wie Lernen fürs Leben, Abbau von überschüssiger Kraft, körperliches oder geistiges Training, die Übung sozialer Fähigkeiten oder auch die Produktion von Gütern oder Bereitstellung von Dienstleistungen (vgl. Abschn. 4.1.7). Das heißt nicht, daß Spiel und Ernst sich widersprechen oder Spiel uneffektiv wäre – ganz im Gegenteil [Küc04, S. 4]. Spiel ist überaus effektiv und strebt geradezu nach Optimierung aller Abläufe, aber diese Effektivität ist Selbstzweck und bezieht sich ausschließlich auf das Spiel und seinen Gewinn und nicht auf einen Bereich darüber hinaus. Im Umgang mit dem Computer geht es nun i. d. R. auch um das Erreichen eines Zwecks, und trotzdem wird mit ihm spielerisch umgegangen: »Gibt es eine Maschine, die in allen gesellschaftlichen Bereichen einsetzbar ist und zwar als Arbeitsmittel, Medium oder Spielzeug? Der Computer übernimmt all diese Funktionen. Welches Arbeitsmittel von dieser wirtschaftlichen Bedeutung wie der Computer ist auch gleichzeitig so sehr Spielmittel?« ([Kel98, S. 87], vgl. auch ebd., S. 86–96) In dieser Spannung zeigt sich die Macht, aber auch die Fragilität des Spiels. Spiel kann aber nicht verordnet, ökonomisch instrumentalisiert und ausgenutzt werden, denn Spiel zielt auf einen Prozeß und nicht auf ein Produkt. »Das Werk [eines Spiels, etwa eine Sandburg,] wird nur ›nebenbei‹ erzeugt, es ist nur ›Abfallprodukt‹, darin von jeder ernsthaften Kunst 152

Spiel

unterschieden.« ([Sch65, S. 165], zum Verhältnis von Spiel und Schaffen s. ebd., S. 161ff., vgl. auch ebd., S. 226, zum ungeplanten Auftreten des Spiels vgl. [Tra05a, insbesondere S. 35]) Der Einsatz des Spiels als Mittel zur Effektivierung von Arbeit (vgl. o. und z. B. [Hin05]), als eine Möglichkeit »to increase media literacy and make new technologies more attractive to marginalized users« [Küc04, S. 24] und »to make everyday software more fun« [Cha04, S. 71], scheinen in diesem Sinne scheitern zu müssen. Ein Zweck wie ein Produkt oder eine Effizienzsteigerung mag quasi zufällig während des Spiels entstehen, aber sobald dieses Entstehen instrumentell oder institutionell überhand über das Spiel nimmt, ist es ganz schnell zu Ende. Wenn sich die Spielhaltung im Umgang mit dem Rechner äußert, geht es nicht in erster Linie um eine Steigerung von Effektivität, das Erlernen und Ausprobieren von software-Funktionen oder eine Rebellion von Unterdrückten; natürlich lernt ein Spieler beim Spiel, arbeitet effektiv kreativ und behauptet Kontrolle gegenüber denjenigen, die versuchen, diese an sich zu ziehen. Der user spielt jedoch zum Spaß, und der Computer scheint sich dazu in besonderer Weise zu eignen. 4.1.8 Gegenwärtigkeit Der Spielende kann sich mit seinem ganzen Wesen dem Spiel hingeben. Das Bewußtsein, ›bloß zu spielen‹, kann vollkommen in den Hintergrund getreten sein. Johan Huizinga [Hui56, S. 27]

Die Gegenwärtigkeit (Scheuerl) des Spiels als das Heraustreten (Huizinga) aus dem gewöhnlichen Leben ist ein weiteres seiner Kennzeichen. Das Spiel findet in seiner eigenen Welt statt, die nicht die alltägliche ist; in diese tritt ein Spieler ein, wenn er beginnt zu spielen. In ihr gelten andere Regeln und Werte als in der Welt des alltäglichen Lebens; die Bedeutungen von Gegenständen und Handlungen unterscheiden sich deutlich. Eine Wertung oder qualitative Abwägung zwischen diesen Welten ist nicht beabsichtigt oder damit verbunden, wenn es heißt, daß ein Spieler »bloß« spielt [Hui56, S. 15f.]. Aus der alltäglichen Welt heraus betrachtet mag das Spiel nicht nur als von ihr abgegrenzt, sondern vielmehr als etwa begrenzt, reglementiert, eingeschränkt, minderwertig, sogar künstlich und unzugänglich erscheinen; für einen Spieler jedoch erscheint das Spiel frei, unbegrenzt, natürlich, überaus vertraut, und es bedeutet ihm alles (ebd.) – und dies 153

Interaktivität als Spiel

ist kein Mißverständnis oder eine Täuschung, sondern eine Frage der Perspektive [Sch65, S. 98]. Ein Spieler spielt nicht auf der Ebene der alltäglichen Welt; ein Spiel hebt sich stets aus ihr heraus. Ein Spieler geht ganz im Spiel auf und legt sich ganz hinein; es kann nicht davon gesprochen werden, daß er seine »Hauptexistenz« ([Lut25, S. 106ff.] zit. n. [Sch65, S. 93]) vor dem Spiel zurückhalte. Obwohl die Darstellungstechnik lange Zeit geradezu spektakulär ungeeignet war, haben Menschen schon immer Gegenwärtigkeit im Umgang mit Medien erlebt. Diese Gegenwärtigkeit ist ein Zustand und ein Prozeß, der durch das Handeln des Teilnehmers angestoßen und in Gang gehalten wird, nicht durch die sensorisch faßbare Darstellung; entscheidend ist die Gegenwärtigkeit des Spiels im Kopf des Spielers, das abstrakte Gefühl der Teilnahme und Einflußnahme, der ineinanderfließende Eindruck von Aktion und Konsequenz, den er gewinnt. In diesem Sinne ist Immersion »not a property of a game or media text but is an effect that a text produces [...] an experience that happens between a game and its player.« ([Rep00] zit. n. [SZ04, S. 452]) Gegenwärtigkeit als das Gefühl der Teilnahme ist der Schlüssel zum Verständnis vom Umgang mit Medien [Gra02]. Die sensorische Stimulation und das eigene Handeln Too often, game designers forget that they are creating, above all, an experience of play. It is not enough to tell a story. It is not enough to create pretty pictures or use dazzling technology. A game designer creates an interactive system, a set of choices, an activity. Katie Salen, Eric Zimmerman [SZ04, S. 326]

Wie kommt es, daß Spiele ihre Spieler (und auch ihre Zuschauer) stark und oft lange intensiv fesseln, obwohl das sensorische Angebot in vielen Fällen minimal ist (wie beim Schach)? Wie ist das Verhältnis von sensorischem Angebot und dem Gefühl der Teilnahme des Teilnehmers? Offenbar geschieht der Umgang mit Medien wie Spielen unter Bedingungen, in denen der Teilnehmer des Mediums sehr wohl um die künstliche und mittelbare Natur des Mediums weiß, während ihm i. d. R. keine überzeugende oder glaubhafte sinnlich wahrnehmbare Illusion geboten wird. Das Phänomen von Gegenwärtigkeit scheint also in erster Linie etwas mit dem Gefühl von Teilnahme durch eigenes Eingreifen zu tun zu haben und erst in zweiter Linie mit sensorischer Stimulation. Der Prozeß 154

Spiel

der Immersion in Spielen kann in diesem Sinne gesehen werden als »engagement that occurs through play itself « [SZ04, S. 451] und nicht durch »sensory transport« (ebd., S. 452). Es scheint, als würde die sinnliche Darstellung bei der Betrachtung der Teilnahme an Medien überbewertet. Nicht die sinnliche Stimulation des Medien-Teilnehmers löst bei ihm das Gefühl seiner Teilnahme aus, sondern ausschließlich sein entscheidendes, inhaltliches Eingreifen. Die Gegenwärtigkeit ist deutlich abzugrenzen von dem Begriff der Darstellung; eine angemessene Darstellung mag den Einstieg in den Umgang mit einem Medium wie dem Spiel zwar erleichtern, entscheidend für das Gefühl der Teilnahme durch einen Spieler ist jedoch nicht, was er etwa sehen, sondern, was er tun kann (vgl. dagegen [Pie98, S. 452]). Offenbar ist die Teilnahme an Medien also auch, und zwar zuallererst, eine mentale Teilnahme, keine sinnliche12 [Röt93c, S. 107]. Der sensory transport ist nur eine Seite der Teilnahme an Medien; Salen und Zimmerman [SZ04, S. 458] bezeichnen entsprechend »the belief that the pleasure of a media experience is the ability of that experience to sensually transport a player into an illusory reality« als »immersive fallacy«. Die sinnliche Darstellung scheint im Umgang mit Medien eine sogar untergeordnete Rolle zu spielen. Wie sich etwa am Ausklingen des VR hypes in den 1990er Jahren gezeigt hat, bevorzugt eine realistische Abwägung von Interaktion gegenüber Illusion die Interaktion [WP98, S. 549f.]. Es ist also weder möglich noch nötig, einem Medienbenutzer (sensorisch) vorzuspiegeln, er sei tatsächlich anwesend in einer anderen Welt; er ist es bereits, denn er tritt von selbst ein in diese Welt, durch seine eigene Initiative und sein Agieren; so wird sie ein Teil seiner Welt und seiner Realität ([Sva99, S. 94f.], vgl. Abschn. 7.3) Die Gegenwärtigkeit des Spielers im Spiel ist ein abstrakter Zustand und geschieht mental durch seine Teilnahme und nicht nur oder nicht vorwiegend durch sinnliche Stimulation. Gegenwärtigkeit im Umgang mit dem Computer

Die oft vielfältigen Möglichkeiten des users und die differenzierte Reaktion des Computers lassen den user in seiner Tätigkeit wie einen Spieler im Spiel versinken. Dieser Zustand mag kürzer oder länger andauern; aufgehoben wird i. d. R. durch eine externe Unterbrechung.

12 | Die Rolle des Körpers bei der medialen Teilnahme wird im Rahmen dieser Arbeit nicht thematisiert.

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Interaktivität als Spiel

Sowohl in den Fällen, in denen sich die Welt des Computers grundlegend von der alltäglichen Welt unterscheidet, als auch wenn sie dieser gleicht, tauchen seine user ohne weitere Umstände ganz in die Computerwelt ein und verlassen so in einem gewissen Sinne die gewöhnliche Welt. Das ist ihnen genau wie Spielern bewußt, das stört ihre Erfahrung und Empfindung aber keineswegs. In beiden Fällen wird das Gefühl, der Zustand von Gegenwärtigkeit nicht durch sensorische Stimulation hervorgerufen oder aufrechterhalten. Spieler und user treffen dazu eine bewußte Entscheidung, die sie auch kontinuierlich überprüfen. Die konkrete, etwa gegenständliche Ausgestaltung des Spiels wie des Umgangs mit dem Rechner kann nur als Folge und Ausdruck dieser subjektiven Perspektive verstanden werden. Im Gegensatz zu narrativen Medien wie dem Kino geht es im Umgang mit dem Rechner und im Spiel in erster Linie um Aktion, nicht um Reflektion (vgl. Abschn. 3.4). Die Initiative des Umgangs liegt beim selbständig entscheidenden und handelnden user; wie ein Schiedsrichter bei einem Spiel tritt der Computer eher als deterministisch unparteiisch urteilende Instanz auf als etwa als Autor, der willkürlich inhaltlich verändernd in Verlauf und Ergebnis eingreift.

4.2 Eigenschaften des Spiels In diesem Abschnitt werden Eigenschaften des Spiels diskutiert, die ihm oft zugeschrieben werden oder mit denen es implizit oder explizit häufig verbunden wird. Ist Spiel gerecht, fördert es fair play und die Moral der Spieler, oder ist es vielmehr ein aggressiver und teilweise gewaltätiger Kampf um Macht? Können der Ernst und der Zufall als wichtig oder gar entscheidend für das Spiel gelten? Der Ernst erweist sich als wichtige Eigenschaft des Spiels. Gespielt werden kann nur ernsthaft, ansonsten sinkt das Spiel herab zu unernster Tändelei oder Spielerei. Dabei widerspricht der Ernst weder der Freude noch der Erhebung der Spieler. Die Begriffe der Moral und der Gerechtigkeit entstammen der alltäglichen Welt und sind dem Spiel äußere Begriffe. Wenn ein Spieler in der Spielstimmung nach den Regeln eines Spiels handelt, tut er alles, was das Spiel und die Mitspieler von ihm verlangen können. Ein Spiel geht nicht gerecht oder ungerecht aus, sondern wird gewonnen oder verloren. 156

Spiel

Gewalt ist keine Kategorie des Spiels. Der Begriff der Gewalt ist kein Begriff von innerhalb des Spiels, er wird von außen herangetragen. Der Inhalt von Medien ist quasi beliebig und austauschbar. Was wohl ausgeschlossen werden kann, ist, daß einige Medien per se einen gewalttätigen Inhalt fördern, fordern oder durch ihn gekennzeichnet werden. Macht ist kein Kennzeichen des Spiels. Das Spiel ist kein Spiel um Macht; der Begriff der Macht ist etwas Alltägliches. Im Spiel geht es dem Spieler zunächst um das eigene und entscheidende Eingreifen, er will wichtig, einflußreich und siegreich sein; er sucht im Spiel aber die reizvolle Herausforderung, nicht die bloße Macht. Der Zufall scheint dem Spiel gar zu widersprechen, und das Spiel strebt nach weitgehendem Ausschluß des Zufalls. Wo der Zufall herrscht, kann nicht gespielt werden, es sei denn, ein Spiel mit dem Zufall selbst. 4.2.1 Ernst [...] mit dem Angenehmen, mit dem Guten, mit dem Vollkommenen ist es dem Menschen nur ernst; aber mit der Schönheit spielt er. Friedrich Schiller [Sch60a, S. 41]

Einerseits gilt der Ernst gemeinhin als Gegenpol des Spiels (vgl. Abschn. 4.5.3), andererseits ist der große, ja heilige Ernst, der sich den Spielern bemächtigt, offenbar gerade eine der Eigenschaften des Spiels ([Sch65, S. 92], s. auch [Hui56, S. 25]). Mit diesem Begriff des Ernstes im Spiel ist ein anderer Ernst als etwa im »wirtschaftlichen Existenzkampf« [Sch65, S. 21]: »Spiel ist nicht Ernst im gewöhnlichen Sinne, was nicht ausschließt, daß es mit Ernst und Eifer betreiben werden kann.« (Ebd., S. 71) Wenn Lessing vom Schach sagt, es hätte zuviel Spiel für den Ernst und zuviel Ernst für das Spiel, so bezieht er sich offenbar auf den Begriff des Ernstes der alltäglichen Welt. Die Ernsthaftigkeit, von der hier die Rede sein soll, ist kein Hindernis für Spiel [Hui56, S. 25]. Er kann, wenn doch nicht als Kennzeichen des Spiels, doch als eine der Eigenschaften gelten, die eng mit ihm verbunden sind (ebd., S. 13). In diesem Sinne schreibt auch Kücklich: »Just because something is not done in a spirit of seriousness, it is not automatically a game. Just because something is done inefficiently, or without regard to the outcome it is not necessarily a playful activity. Quite on the contrary: play is often very serious, and games are in many cases highly 157

Interaktivität als Spiel

structured and goal-driven activities.« [Küc04, S. 4] Der Ernst scheint sogar in gewissem Sinne Voraussetzung für das Spiel zu sein: Es scheint, als müsse Spiel tatsächlich mit aller Aufmerksamkeit, vollem Einsatz und ernsthaft betrieben werden: »Take pleasure seriously.« (Charles Eames zit. n. [Jun06]) Spiele und Spieler nehmen sich selbst ernst [Sti05, S. 262]. Soll etwas gegen den Ernst abgrenzt werden, so kann das offenbar nicht das Spiel, wohl aber die Spielerei sein [Sch65, S. 223]. Spiel und Ernst erweisen sich als nicht gegensätzliche Kategorien und widersprechen sich gegenseitig nicht [Hui56, S. 79]. Spiel und Ernst stehen nicht auf einer begrifflichen Ebene: »Im allgemeinen darf man vielleicht abschließend sagen, daß die Bezeichnungen für Ernst im Griechischen wie im Germanischen oder auch anderswo einen sekundären Versuch der Sprache darstellen, gegenüber dem allgemeinen Begriff Spiel einen für Nichtspiel zu prägen. Den Ausdruck fand man dann in der Sphäre von ›Eifer‹, ›Anspannung‹, ›Mühe‹, obwohl diese Begriffe an sich alle auch mit Spiel verbunden sein können. [...] Der Begriff Spiel als solcher ist höherer Ordnung als der des Ernstes. Denn Ernst sucht Spiel auszuschließen, Spiel jedoch kann sehr wohl den Ernst in sich einbeschließen.« (Ebd., S. 50) 4.2.2 Moral und Gerechtigkeit Das Spiel hat seine Gültigkeit außerhalb der Vernunft, der Pflicht und der Wahrheit. Johan Huizinga [Hui56, S. 153]

Der Begriff der Moral der alltäglichen Welt ist ein dem Spiel äußerer Begriff. »Das Spiel an sich [...] liegt außerhalb der Sphäre der sittlichen Normen. Es ist an sich weder böse noch gut.« [Hui56, S. 203] Das Spiel bleibt stets rein: »Das Spiel ist weder Erfüllung der Pflicht noch Pflichtverletzung, es ist erlaubt. Es ist weder Tugend noch Egoismus. Es ist unschuldig.« ([Sch61, S. 85] zit. n. [Sch65, S. 117], vgl. [Sch65, S. 78]). Wenn ein Spieler in der Spielstimmung nach den Regeln eines Spiels handelt, tut er alles, was das Spiel und die Mitspieler von ihm verlangen können. Spiel ist »reglementiert [...], jedoch nicht durch die moralischen und juridischen Regeln der Alltagswelt« ([Krä95] zit. n. [Pia02, S. 158]) Höflichkeit und andere gesellschaftliche Konventionen sowie Regeln des Anstands und der Moral sind dem Spiel fremd. »SCHILLER sieht im Spiele einen den ›natürlichen‹ wie den ›sittlichen Charakter‹ des Menschen vereinenden ›dritten Charakter‹, in dem der Mensch frei ist 158

Spiel

sowohl vom Zwange des ›Stofftriebs‹ wie vom Zwange des ›Formtriebs‹. Freiheit von triebhafter Begierde einerseits und von moralischer Nötigung andererseits [...]. [SchoJ, S. 3–120, besonders im 3., 4. und 15. Brief, S. 9, 10[,] 13 und 54f[.]]« [Sch65, S. 70] Es ist jedoch nicht davon auszugehen, daß das Spiel seine Spieler zu etwa besseren Menschen macht (vgl. Abschn. 4.1.7). Eine augenzwinkernde moralische Dialektik tritt in Party-Spielen auf und macht ihren besonderen Reiz aus. Zunächst funktionieren sie, weil es in Spielen keine Moral, gesellschaftliche Normen etc. gibt und die Spieler nicht (mehr) der Kultur mit ihren Regeln und Gepflogenheiten unterworfen sind, sondern einem anderen System mit anderen Werten in einer anderen Welt: Dem Spiel. Natürlich macht es den Spielern besonderen Spaß, dann dabei Regeln der allen Beteiligten bekannten und im Hintergrund des Spiels präsenten Kultur zu übertreten. Das Spiel gilt als gerecht in dem Sinne, daß alle Spieler die gleiche (theoretische) Möglichkeit haben zu gewinnen (vgl. Abschn. 4.1.7), daß kein Spieler bevorzugt wird und daß das Spiel ergebnisoffen ist. Die Begriffe der spielerischen fairness und des fair plays sind in viele nicht-spielerische Bereiche der Kultur übernommen worden. Gerechtigkeit ist aber keine Kategorie des Spiels. Zwar haben i. d. R. alle Spieler dieselben Rechte und potentiell dieselben Möglichkeiten (etwa bei Fang den Hut), das Ergebnis eines (z. B. Fußball-)Spiels ist aber nicht »gerecht«, wie manchmal in der Berichterstattung behauptet wird, sondern allenfalls verdient. Ein Spiel entscheidet sich nicht an Maßstäben von Gerechtigkeit, sondern wird gewonnen oder verloren. Ein unverdient gewonnenes Spiel ist nicht weniger Wert oder geringer anzusehen als ein anderes; im Gegenteil, es scheint eine besondere Herausforderung zu sein, gegen einen übermächtig erscheinenden Gegner zu bestehen oder sogar zu gewinnen. Trotz einer schlechten Leistung ein Spiel zu gewinnen wird als Kennzeichen einer guten Mannschaft akzeptiert; dafür entschuldigen sich die siegreichen Spieler nicht etwa bei den unterlegenen.

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Interaktivität als Spiel

4.2.3 Gewalt [...] the interpretation of any action’s significance is only weakly determined by the action as such. Lucy Suchman [Suc87, S. 119]

Die Gewalt-Diskussion bei Computerspielen soll hier nicht neu aufgerollt werden; es soll allerdings zu bedenken gegeben werden, daß Gewalt keine Kategorie des Spiels ist. Das Spiel ist genausowenig gewalttätig, wie etwa die Natur grausam ist. Der Begriff der Gewalt ist kein Begriff von innerhalb des Spiels, er wird von außen herangetragen. Im Spiel (als game) gibt es nur abstrakte Vorgänge, die nur im Spiel Bedeutung haben, und nicht nach Maßstäben beurteilt werden können, die außerhalb des Spiels, in der alltäglichen Welt gelten. Sonst wäre auch Fußball schon deshalb moralisch zu verurteilen, weil die Spieler sich offenbar gegenseitig den Ball klauen. Das Spiel hat auch darstellende Teile (als play), in denen der Vergleich, den der Spieler mit der alltäglichen Welt anstellt, einen Teil des Reizes zu spielen ausmacht, und wo eine gewisse Faszination darin besteht darzustellen, nachzumachen, zu gefallen oder auch zu schockieren; die Gewalt in Computerspielen ist natürlich auch eine Provokation und damit eine Art der Abgrenzung der Spieler gegenüber der gewöhnlichen Welt und auch gegenüber der nur unterstellten oder tätsächlich stattfindenden medialen Bevormundung durch besorgte Verantwortliche (vgl. [SR84]). Dies trifft neben Spielen auch auf andere Medien zu (vgl. ebd., S. 24–6). Was wohl ausgeschlossen werden kann, ist, daß einige Medien per se einen aggressiven oder gewalttätigen Inhalt fördern, fordern oder durch ihn gekennzeichnet werden. So ist z. B. ein Konflikt zunächst nichts, was ein Spiel von anderen Medien unterscheidet [Cra87]. Wenn hier von Gewalt in Spielen die Rede ist, ist die Darstellung von Gewalt im Spiel gemeint, nicht die tatsächliche Schädigung anderer Spieler wie etwa durch Fouls beim Fußball. Diese Gewalt kann entweder essentieller Teil des (abstrakten) Spielprinzips sein oder, je nach Sichtweise, reizvolle oder überflüssige Verzierung der (konkreten) Darstellung, »ein Bonus, der zeigt, wie gut eine Grafikkarte ist« (Helmut Eirund in [Gro05]). In dem sehr gewalttätigen Spiel Stubbs the Zombie (2004) ist die Gewalt ins Spiel eingebettet, während sie in Manhunt (2005) als aus der Sicht des Spiels überflüssiger (Graphik-)Effekt vorkommt. Im ersten Fall kann der Spieler die (exzessive) Gewalt als Teil der abstrakten Logik des Spiels akzeptieren, im zweiten mag sie ihm störend auffallen 160

Spiel

und vorkommen, weil sie nichts zum Spiel beiträgt. In diesem Fall ist sie nur Verzierung und kann nicht nur aus moralischen oder ästhetischen Gründen, sondern auch aus Sicht des games weggelassen werden, denn sie kann die Spieler, die sich auf das (abstrakte oder wettkampforientierte) Spiel konzentrieren, stören und ablenken; technisch kann sie auch das Spiel verlangsamen, wenn sie etwa umfangreiche graphische resourcen beansprucht. Mancher Spieler schaltet dann die graphischen (Gewalt-)Effekte ab, »damit das Spiel besser [d. h. schneller, flüssiger, interaktiver] läuft« (ein Teilnehmer der Veranstaltung »Spiele im Cave«13, eig. Mitschr.). Aus dem Spiel in das Nichtspiel und umgekehrt sickern einzelne Bedeutungen; das Verhältnis von Spiel und Realität ist aber offenbar weit weniger direkt, als etwa in der Diskussion um Gewaltdarstellungen in Computerspielen zu Grunde gelegt wird. Es gibt nun Stimmen, die betonen, wie schädlich der Einfluß von Computerspielen sich auf ihre Spieler auswirken (etwa [Gro05]). Es gibt auch anderslautende Aussagen, in denen dem Computerspiel verschiedene nützliche Effekte wie die Steigerung der Fertigkeiten und Fähigkeiten des Spielers zugeschrieben werden. Dazu gehören insbesondere das Training des Gehirns (Steven Johnson nach [eLe05]), die Förderung der Intelligenz (ebd.) durch Spiele mit »Taktik und Strategie« (Helmut Eirund in [Gro05]) und die Verbesserung von »Problemlösungsfähigkeiten« (Steven Johnson zit. n. [eLe05]). Das Feststellen von direkten Folgen von (Computer-)Spielen für ihre Spieler in der alltäglichen Welt scheint allerdings in beiden Lesarten umstritten zu sein. Der Inhalt von Medien scheint weitgehend zwischen ihnen austauschbar und von ihnen unabhängig zu sein. Das (Computer-)Spiel ist nicht das einzige Medium mit, wenn man so will, gewalttätigem Inhalt, denn auch etwa Bücher, Comics und Videos sind voll von Gewalt (vgl. [BG03, S. 98]). Der Inhalt von Medien ist offenbar nahezu beliebig, findet sich doch die Abgrenzung des Inhalts von Medien vom Umgang mit ihnen bereits bei McLuhan [McL02] (vgl. Abschn. 4.5.2). Spiele mit Gewalt gleichzusetzen erscheint also wenig hilfreich, und das Vorkommen von Gewalt kann kein Unterscheidungskriterium zwischen Medien sein. Auch scheint eine Art Kulturkampf im Internet zwischen »blasters« und »builders« [Mur97, S. 284] weder absehbar noch wahrscheinlich zu sein: »The violent gaming culture that now characterizes much of cyberspace 13 | Daniel Cermak-Sassenrath, Martin Faust, Bernard Robben, Univ. Bremen, Fachber. Mathematik & Informatik, WS2005/6

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Interaktivität als Spiel

is likely to spread as the Internet gains speed and bandwith. Teams of combatants from every corner of the globe will blast each other’s avatars with ever more macho digital weapons; the narrative formulas of combat tied to disturbingly lurid images will continue to proliferate. At the same time, the communal aspects of cyberspace are also growing rapidly, with people eager to construct utopian fantasy worlds that they can share with one another. The Internet is therefore likely to serve as a global stage for conflicts between these two groups, turning the struggle between the blasters and the builders into a kind of worldwide morality play.« (Ebd., S. 283f.) 4.2.4 Macht Macht ist kein Kennzeichen oder eine Kategorie des Spiels (vgl. Abschn. 4.5.5). Das Spiel ist kein Spiel um Macht (vgl. auch Abschn. 4.1.7, zur Vermutung, im Spiel werde Macht gesucht, vgl. [Hui56, S. 9f.]). Der Begriff der Macht ist etwas Spiel-Externes; im Spiel hat der Spieler keine Macht, sondern Möglichkeiten, etwas zu tun und eigene Kontrolle über seine Handlungen. Ein Spieler will wichtig, einflußreich und siegreich sein, aber nicht unbedingt mächtig. Die Steuerung von Computerspielen liegt beim Spieler; dazu muß es sich noch nicht einmal um Spiele handeln, in denen der Spieler besonders mächtig erscheint (Strategiespiele o. ä.), auch wenn die Figur auf dem Bildschirm schlicht den Joystickbewegungen folgt, ist der Spieler in Kontrolle und steuert den Verlauf des Spiels [Fri99, S. 91]. Es geht bei (Computer-)Spielen um solch entscheidendes Eingreifen und um die Begegnung mit einer Herausforderung, aber nicht um Macht. Macht in Spielen ist kein Selbstzweck. Natürlich freut es den Spieler, wenn er innerhalb des Spiels eine besonders einflußreiche Position einnehmen kann: Heerführer, römischer Kaiser, Fußballmanager oder Gott. Aber dies ist für den Spieler nur die Möglichkeit, entscheidend Einfluß auf den Verlauf und den Ausgang des Spiels zu nehmen. Die bloße Macht über ein Volk zu haben und Land im Meer versinken zu lassen (wie bei Populous (1989)) macht nur wenige Minuten Spaß, dann sucht der Spieler die Herausforderung, will wissen, was er mit seinen Fähigkeiten anfangen und was er erreichen kann. Zwischen Spielern innerhalb eines Spiels besteht kein Machtverhältnis – wenn sie sich auf dem Platz gegenüberstehen, gewinnt (idealerweise) der, der besser etwa mit dem Tennisschläger und -ball umgehen kann. 162

Spiel

Das Spiel ist eine Konfliktsituation unter Gleichen (vgl. Abschn. 4.2.2), von denen keiner Macht über den anderen ausüben kann. Das Spiel ist so gesehen das Gegenteil von Macht: Wo Spiel ist, herrscht keine Macht. Ginge es Spielern in erster Linie darum, Macht im Sinne von Herrschaft und Unterdrückung auszuüben, würde sich dies wohl im (auch kommerziellen) Erfolg einer ganz bestimmten Art von (Computer-)Spielen niederschlagen, davon kann aber m. E. nach keine Rede sein. Es geht, wenn von Macht im Spiel geredet wird, um das eigene, entscheidende (und durchaus (tat-)kräftige) Eingreifen, das Begegnen einer Herausforderung, ums Gewinnen, darum, »den anderen zu übertreffen, der Erste zu sein und als solcher geehrt zu werden«, aber nicht um die Befriedigung von »Machthunger« oder um die Realisierung des »Willen[s] zu herrschen«. Ob durch einen Sieg im Spiel oder Wettkampf »die Einzelperson oder die Gruppe ihre Macht erweitert, kommt erst an zweiter Stelle an die Reihe. Die Hauptsache ist, ›gewonnen zu haben‹.« [Hui56, S. 55] 4.2.5 Zufall Spiel und Zufall widersprechen sich konzeptionell. Wo Zufall herrscht, kann nicht bedeutungsvoll gespielt werden, es sei denn, es wird mit dem Zufall gespielt: »Spielen ist experimentieren mit dem Zufall.« (Novalis) Spieler spielen nur dann, wenn sie eine Möglichkeit sehen zu gewinnen; entweder durch eigenen, entscheidenden Eingriff unter weitgehendem Ausschluß des Zufalls oder indem sie den Zufall besiegen.14 Wenn Eigen und Winkler »das Spiel als das Naturphänomen [sehen], das in seiner Dichotomie von Zufall und Notwendigkeit allem Geschehen zugrunde liegt« ([EW90, S. 11] zit. n. [Kel98, S. 237]) und auch Keller angibt, »Spiel leb[e] vom Zufall und der Freiheit«, während »Arbeit [...] nach Zuverlässigkeit [verlange]« [Kel98, S. 74], heben sie mit dem Zufall auf einen das Wesen des Spiels nicht entscheidend prägenden Aspekt ab. Mit Spiel ist hier nicht das Spiel des Zufalls gemeint. Spiel hat in diesem Sinne originär gerade nichts mit Zufall zu tun, denn dann kann der Spieler nichts Entscheidendes tun, es sei denn, der Zufall wird selbst Inhalt des Spiels (wie beim Roulette); das Spiel in einem Kugellager einer Werkzeugmaschine ist i. A. genauso unerwünscht wie in einem Kugellager eines Inline-Skates. Beim Glücksspiel hat der Spieler entweder den Eindruck, es wäre tatsächlich nicht zufällig oder er könnte den 14 | Nicht gemeint mit Zufall ist der ungewisse Ausgang des Spiels, s. dazu Abschn. 4.1.5.

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Interaktivität als Spiel

Zufall besiegen (ebd., S. 60f.). Der Spieler, der in dieser Art den Zufall selbst zu besiegen sucht, ist eine besondere Art Spieler: »Der H a s ad e u r will sich mit seinen Entscheidungen und Einsätzen nichts Geringeres unterwerfen als das Schicksal selbst. Etwas Unbeherrschbares behandelt er so, als ob es beherrschbar wäre. Jetzt glaubt er[,] es in der Hand zu haben, aber schon im nächsten Augenblick entgleitet es ihm wieder.« [Sch65, S. 153] Ein solches Spiel bleibt aber dennoch ein Spiel: »Leistungs- und Glücksspiel sind Pole auf ein- und derselben Geraden: Das eine Mal soll ein Gegner bezwungen werden, das andere Mal der Zufall oder das Schicksal selbst.« (Ebd., S. 153f.) Zu einer Pervertierung des Spiels kommt es, wenn dem Spieler etwa bei einem Glücksspiel entscheidende Eingriffsmöglichkeiten auf den Ausgang des Spiels vorgespiegelt werden, die tatsächlich nicht bestehen [Kel98, S. 60f.].

4.3 Play und game Play und game sind zwei Ausprägungen von Spiel. Es gibt mehrere unterschiedliche Definitionen vom Begriffspaar play und game, etwa »Spiel als Ablauf und Spiel als Gebilde, [...] Spiel als ›Leben‹ und Spiel als ›Gestalt‹« ( Jean Château n. [Sch65, S. 104]). Mead sieht play als die erste Phase der kindlichen Sozialisation (etwa das Spiel mit einer Puppe) und game als die zweite Phase, das Gruppenspiel. Eine weitere Vermutung ist, daß die Existenz von Regeln game und play unterscheidet. Hier wird davon ausgegangen, daß das Vorhandensein einer Gewinnbedingung Merkmal einer Differenzierung sei. Ein play kann gelingen, ein game können Spieler gewinnen. Die Darstellung und das GefallenWollen sind dem play zuzuordnen, während der Kampf und der Wettstreit dem game zugehören. Play und game treten stets zusammen und miteinander durchmischt auf, mal schiebt sich das eine stärker in den Vordergrund, mal das andere; play und game sind dabei keine Gegensätze. Play ist Teil vom game, game ist Teil von play. Play findet inner- und außerhalb von game statt. Ausgehend von der Beobachtung, daß es offenbar nicht der Inhalt ist, der play und game unterscheidet, wird in diesem Abschnitt nach dem strukturellen oder konzeptionellen Unterschied gefragt. Es wird vermutet, daß play und game jeweils eine bestimmte und spezielle Art der Teilnahme am Spiel beschreiben. Für play scheint die naturalistische Darstellung eine wesentliche Rolle zu spielen; ein game bedeutet die Begegnung mit einer Herausforderung. 164

Spiel

4.3.1 Definitionen Das Spiel ist ein Kampf um etwas oder eine Darstellung von etwas. Johan Huizinga [Hui56, S. 20]

Das Spiel wird getrieben von der »Sucht, eine Aufführung zum besten zu geben, und die, einen Rivalen in offenem Kampf zu schlagen« [Hui56, S. 142]. In verschiedenen Sprachen wird diese Bandbreite des Spiels ausgedrückt als etwa als Herumtollen, Nichtstun, Lachen, Tanzen, Musik, Schauspielen, Darstellen, Gefallen und jemand anderes Sein sowie Spiel als Wettstreit, Wettkampf, Kräftemessen und Spiel nach (expliziten) Regeln (vgl. [Hui56, S. 35–49]), während im Deutschen beide Arten des Spiels in einem Begriff zusammenfallen. Die eine manifestiert sich als play, die andere als game. Play is about the »prolonging of [the] presence« in the game world; a game is about progression, players want to »master« it [Wal05]. Die Inhalte von play und game unterscheiden sich nicht wesentlich. In der vorliegenden Arbeit werden play und game an Hand der Existenz einer Gewinnbedingung unterschieden: Ein play kann gelingen, ein game können Spieler gewinnen [SZ04, S. 307]. Parlett [Par99] teilt Spiel in diesem Sinne in informal und formal. Play ist ein Nachspielen von stories, eine Art Improvisations-Theater (mit oder ohne Zuschauer); Beispiele für play sind im Sand spielen und schauspielern. Game kann gekennzeichnet werden etwa als wettstreitorientiert, kompetitiv, explizit, regelbasiert und wohl auch als explorativ (vgl. [Wal02]); Beispiele für games sind Fußball, Schach und ein Computerspiel wie Double Dragon (1987). Wenn das Vorhandensein einer Gewinnbedingung play und game unterscheidet, kann ein game zu einem play werden, wenn seine Gewinnbedingung verschwindet [SZ04, S. 255] Im umgekehrten Fall kann ein play auch zu einem game werden (ebd., S. 258) An einem play kann ein Spieler natürlich erheblich einfacher teilnehmen als an einem game (ebd., S. 333). Während der Kampf zunächst als Spiel gelten kann, bewegt sich der Krieg deutlich außerhalb des Spiels. Regeln als Unterscheidungsmerkmal

Zwar teilt Château [Châ74] Spiele in »nicht geregelte Spiele« und »geregelte Spiele«, und Rüssel ([Rüs72] zit. n. [RP90, S. 17]) nennt games »Re165

Interaktivität als Spiel

gelspiele«; Regeln sind allerdings kein hinreichendes Unterscheidungsmerkmal von play und game, wie etwa Juul ([Juu03] n. [Jah05, S. 87f.]) annimmt. Auch Prensky schreibt, es wären Regeln, »what differentiate games from other kinds of play. Probably the most basic definition of a game is that it is organized play, that is to say rule-based. If you don’t have rules you have free play, not a game.« ([Pre01a] zit. n. [SZ04, S. 122]) Implizite Regeln (vgl. Abschn. 4.1.4) kommen in beiden Formen des Spiels vor, sonst könnte nicht gespielt werden (dies trifft auf alle Arten von Spiel zu, das Ball- und Kartenspiel ebenso wie das Spiel im Sand und das (Schau-)Spiel im Theater). Als Beispiel für implizite Regeln im play kann das »Let’s pretend«-Spiel dienen: Der Satz »Let’s pretend« schafft ein setting, impliziert bestimmte (i. d. R. unausgesprochene) Regeln (die allerdings, wenn sie übertreten werden, doch verbalisiert werden (»das tut ein König nicht«)) und definiert ein Ziel (»wie sind Abenteurer, die in einer alten Festung nach einem Piratenschatz suchen«), dessen Erreichen ein gelungenes Spiel abschließt. Auch im game gibt es, wie im play, zahlreiche implizite Regeln, die nicht explizit vereinbart und niedergeschrieben werden (vgl. [SZ04, S. 127]). Die Existenz von Regeln kann also offenbar nicht als Unterschied zwischen game und play gelten (vgl. dagegen ebd., S. 122). Spiel und (Wett-)Kampf Wer Wettstreit sagt, sagt auch Spiel. Johan Huizinga [Hui56, S. 80]

Das Spiel (als game) hat große Ähnlichkeit mit dem Kampf. Im Wettkampf zeigt das Spiel eine agonale Ausprägung, die seinem Wesen allerdings offenbar weder schadet noch zuwiderläuft [Hui56, S. 53]. Der Wettkampf »weist [...] alle formalen und auch fast alle funktionellen Kennzeichen des Spiels auf.« (Ebd., vgl. ebd., S. 78 und ebd., S. 106, zum Verhältnis von Spiel, Sport und Wettkampf s. auch [Sch65, S. 151ff.]) Der Krieg verliert allerdings in zunehmendem Maße alle Spielqualität. Der Kampf kann von seinen formalen Merkmalen her als ein bestimmtes Spiel gelten: »Jeder an beschränkende Regeln gebundene Kampf trägt schon durch diese geregelte Ordnung die wesentlichen Merkmale des Spiels an sich, und zwar erweist er sich als eine besonders intensive, energische und zugleich auch als eine recht handgreifliche Form des Spiels.« [Hui56, S. 90] Selbst der Krieg hat zunächst eine überraschend 166

Spiel

große (formale) Ähnlichkeit mit dem Spiel. Er ist ein zeitlich und räumlich begrenzter Ausnahmezustand, der die alltägliche Welt außer Kraft setzt, eigene Regeln durchsetzt, eigene Bedeutung propagiert und dessen Ausgang ungewiß ist. Die Ähnlichkeit drückt sich auch in der Verkleidung und Abgrenzung gegenüber Nicht-Teilnehmern etc. aus: Wer Soldat ist, ist nichts anderes und von allen anderen persönlichen und gesellschaftlichen Aufgaben und Verpflichtungen entbunden. Deutlich als Nichtspiel erweist sich der Krieg, indem er die Teilnehmer in Lebensgefahr bringt; es fehlt überdies an Freiheit, am Geist der Heiterkeit und an der Freude am Tun selbst. Wo der Kampf zum Krieg wird, scheint sich das Spiel zurückzuziehen: Je weniger davon ausgegangen werden kann, daß nach bestimmten Regeln gehandelt wird, desto mehr und gründlicher verliert der Kampf seinen Spielcharakter (vgl. auch ebd., S. 99): »Kämpfen als Kulturfunktion setzt jederzeit beschränkende Regeln voraus und fordert bis zu einem gewissen Grade die Anerkennung der Spielqualität. Vom Kriege kann man solange als Kulturfunktion reden, als er innerhalb eines Kreises geführt wird, in dem die einzelnen Glieder einander als gleichberechtigt anerkennen. Führt man Krieg gegen Gruppen, die man im Grunde nicht als Menschen anerkennt oder denen man wenigstens keine Menschenrechte zubilligt, ob man sie nun ›Barbaren‹, ›Teufel‹, ›Heiden‹ oder ›Ketzer‹ [oder ›Terroristen‹?] nennt, dann kann er nur insoweit innerhalb der Grenzen der Kultur bleiben, wie sich die Gruppe um ihrer eigenen Ehre willen selbst gewisse Beschränkungen auferlegt.« (Ebd., S. 90f.) Oft und in wahrscheinlich zunehmendem Maße geht dem Krieg das spielerische Element verloren, denn der »Wille zu siegen ist stets stärker als die vom Ehrgefühl auferlegte Selbstbeschränkung« (ebd., S. 100, vgl. ebd., S. 100–2; zum Verhältnis von Wettkampf und modernem Krieg s. ebd., S. 199–201). Krieg kann schließlich nicht als Spiel gelten. »[...] im Kriege aber gibt es weder nennenswertes Spiel noch nennenswerte Bildung.« (Plato. Leges VII 803 CD zit. n. [Hui56, S. 26]) 4.3.2 Das Verhältnis von play und game Game und play sind keine Gegensätze, sondern treten zusammen auf. [Wal05] Play ist Teil vom game, game ist Teil von play [SZ04, S. 303]. Play findet inner- und außerhalb von game statt (vgl. ebd., S. 72f.). Einige Beispiele illustrieren, wie play innerhalb von game und game innerhalb von play vorkommt.

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Interaktivität als Spiel

Ein Beispiel für play im game sind Verkleidungen, die von den Spielern bei Wettkampfspielen getragen werden. Für die Unterscheidung von Spielern und Mannschaften in einem game würde ein einfarbiges Trikot etwa mit Nummer völlig ausreichen, aber oft werden mehrfarbige, verzierte und aufwendig gestaltete Trikots getragen. Die Ähnlichkeit zu Uniformen u. a. Verkleidungen, die nur oder doch hauptsächlich der Präsentation dienen, liegt auf der Hand. Ein game im play wäre es, wenn die eine Mannschaft oder Gruppe versucht, sich schönere Verkleidungen zu beschaffen als die andere (zu Vermummung im Spiel vgl. Abschn. 4.1, [Hui56, S. 20] und [Jün78, S. 125]). Das Theater ist eine bestimmte Art von Spiel. So, wie in anderen Spielen die Regeln und das Spielfeld festgelegt sind, sind beim Theater der Verlauf und der Ausgang festgelegt. Innerhalb dieser Freiräume wird jeweils gespielt. Dies Spiel kann auch zu einem Theater-Wettstreit führen, bei dem ein Schauspieler oder eine Gruppe von Schauspielern versucht, besser als die anderen Schauspieler vor den Zuschauern bzw. einem Preisgericht darzustehen – ein game im play ([Hui56, S. 52], zur Musik als Wettstreit s. ebd., S. 158). Beim Tennis will vielleicht einer der Spieler nicht nur gewinnen, sondern auch gut dabei aussehen – ein play im game. Ein typischer Konflikt zwischen play und game beim Rollenspielen ist der zwischen den Spielern, die stimmige, und denen, die fähige Charaktere bevorzugen. Es scheint, als würden sich mehr oder weniger unauffällig (denn keiner der Spieler will sich natürlich den Vorwurf gefallen lassen, er hänge zu sehr an den Eigenschaftswerten seines Charakters und vernachlässige die Darstellung einer glaubwürdigen Figur) die Spieler mit den fähigen Charakteren durchsetzen. 4.3.3 Formen von play und game Ausgehend von der Beobachtung, daß es offenbar nicht der Inhalt ist, der play und game unterscheidet, wird in diesem Abschnitt nach dem strukturellen oder konzeptionellen Unterschied gefragt. Es wird vermutet, daß play und game jeweils eine bestimmte und spezielle Art der Teilnahme am Spiel beschreiben. Für play scheint die naturalistische Darstellung eine wesentliche Rolle zu spielen; ein game bedeutet eine Begegnung mit einer Herausforderung. Der Reiz am play scheint im spielerischen Umgang mit einer naturalistisch dargestellten Repräsentation zu liegen. Allein eine solche Darstellung ist bereits »pleasurable in itself« [Mur97, S. 98]. Play als Lust am 168

Spiel

Darstellen, an der sinnlichen Stimulation, an der Ähnlichkeit von Handlungen und Gegenständen des Spiels mit denen der Spiel-externen Welt sowie an ihrer Übertragung aus der Spiel-externen Welt in die Welt des Spiels widerspricht nicht der abstrakten Perspektive der Spielhaltung (vgl. Abschn. 4.5.2). Wenn die Darstellung im play eine bedeutende Rolle spielt, werden natürlich Dinge und Tätigkeiten dargestellt, die die Spieler etwa aus der alltäglichen Welt kennen. Die Faszination, etwa von VR, scheint nun darin zu liegen, mit diesen Dingen, die die Spieler unter ihre Kontrolle, in ihre Welt hinein gebracht haben, spielerisch, nach ihren eigenen Wünschen und Regeln, und unter Wahrung einer gewissen Anmutung von Realität umzugehen, so, wie es ihnen in der alltäglichen Welt nicht möglich wäre. Dazu kommt dann das (auch eigene) Erstaunen der Spieler darüber, wie echt und real das play ihnen vorkommt und wie nahe die fiktive Darstellung der Realität kommt (freilich, ohne sie zu erreichen). Play im Sinne von Naturalismus, Darstellen und Nachspielen stellt es im Gegensatz zum game in einen Zusammenhang mit narrative, etwa im Kino ([Met80] n. [Man00b, S. 260f.]). In games, etwa action oder racing games, macht die Lust an der Darstellung oft nur einen geringen Teil der Faszination aus; in Produkten wie einem Star Wars-Computerspiel mag das geringfügig anders, aber nicht grundsätzlich unterschiedlich sein. Die Hauptmotivation zu spielen liegt wohl nicht im Nachspielen (»repeat«) oder in der Kopie (»duplicate«) einer bekannten story, sondern vielmehr in der Möglichkeit, einen eigenen und entscheidenden Eingriff zu tätigen, und in der Begegnung einer Herausforderung. »The first Star Wars arcade game allowed the player to repeat the actions of the movie hero, thus enhancing the player’s enjoyment and excitement when events in the movie were duplicated in the game-play. [...] But the PC-based game Rebel Assault is even more exciting because it allows players to have their own adventures, parallel to those in the movies and carefully woven into the same event sequence and time frame.« [Mur97, S. 264f.] Schach scheint ein exemplarisches Beispiel dafür zu sein, wie ein zunächst durchaus anschauliches und der Realität in vielerlei Hinsicht eng nachempfundenes Spiel schließlich jeden konkreten inhaltlichen Bezug zur Realität hinter sich gelassen hat und fast nur noch in der abstrakten Dimension des Spiels spielt: »Man braucht, um es zu spielen, nicht mehr an Feldherren und Könige, an Berittene und Fußvolk zu denken, ja man

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Interaktivität als Spiel

darf es nicht einmal, wenn die Konzentration auf das Spiel nicht gestört werden soll.« [Sch65, S. 159] Die Lust an der realistischen Darstellung in Spielen weist also auf play hin, die Lust an der abstrakten Herausforderung auf game. Beides kann in gewisser Weise an Computerspielen beobachtet werden [Mat02, S. 19]. Einem effizienten game laufen überbordende Teile von play allerdings zuwider; so verzichten Spieler etwa bei first-person shootern oft auf graphische Verzierungen und narrative Ausführungen zu Gunsten etwa einer höheren Spielgeschwindigkeit. Als weiteres Beispiel kann ein Vergleich der Modelleisenbahn und der Autorennbahn dienen, die vom Spielprinzip her inkompatibel zu sein scheinen: Modelleisenbahnen sind play, Autorennbahnen sind games. Bei beiden ist die gegenständliche Anmutung zwar nur Ausdruck einer Spielhaltung, bei der Autorennbahn ist allerdings das Aussehen zweitrangig, und es könnte auch mit Klötzen um die Wette gefahren werden, ohne daß viel vom Spielgefühl verloren ginge (in der konkreten Ausgestaltung findet i. d. R. eine Ergänzung statt, vgl. Abschn. 4.3.2); bei der Modelleisenbahn ist die äußerliche Anmutung relevant und trägt wesentlich zum darstellenden Charakter des Spiels bei. In einem Spiel (play) wie dem Schauspiel im Theater geht es natürlich nur um Darstellung – nicht um die tatsächlich oder faktisch ausgeführte Handlung. Im Spiel (game) geht es nur um die symbolische Handlung, um die Aktion und ihren Erfolg – das Aussehen der Handlung, ihre äußerliche Wirkung sind für das Spiel, seinen Verlauf, und Ausgang und für seine Spieler unwichtig. Daß zahlreiche spielerische Handlungen auch ästhetisch schön anmuten, ist vom Spiel her gesehen Zufall und liegt wohl darin begründet, daß Handlungen, die mit höchstem Können und großer Übung, erheblichem Einsatz, hoher Effizienz und unter schwierigen Bedingungen ausgeführt werden, auch einer gewissen Eleganz und Schönheit zustreben. Bei play und game ist der Inhalt quasi beliebig und austauschbar; sie beschreiben eine bestimmte Form der Teilnahme des Spielers am Spiel. Das play begeistert seine Zuschauer durch seine mimetische, naturalistische und oft auch narrative Darstellung, das game fasziniert seine Spieler fast komplementär durch seine Abstraktion und Beschränkung auf das Moment der Konfrontation mit einer symbolischen Herausforderung.

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Spiel

4.4 Spieler und Zuschauer Fernsehen war immer ein distantes Medium. Spontaneität und Familiarität waren selbst in den frühen Fernsehjahren reine Simulation. Spiele dagegen waren niemals fern vom Spieler. Erkki Huhtamo [Huh05, S. 68]

Die Teilnahme von Spielern an ihrem Spiel unterscheidet sich wesentlich von der von Zuschauern an etwa einem Theaterstück. Die Spieler spielen für sich selbst, und Spiel ist in diesem Sinne immer nur Spiel für seine Spieler. Ohne Spieler kann nicht vom Spiel gesprochen werden (vgl. [Sch65, S. 112f.]). Die formalen Spielregeln, das konkrete Spielfeld, die gegenständlichen Spielfiguren etc. sind nur Hilfen für die Spieler zu spielen und Ausdruck von Spielern, die spielen, sie allein stellen selbstverständlich kein Spiel dar. Das Spiel braucht die Spieler, und die Spieler machen das Spiel. Spiel kann im Voraus nur in begrenztem Maße antizipiert oder von außerhalb des Spiels miterlebt werden. Wer Spiel erleben möchte, muß selbst spielen. Zuschauer spielen nicht mit; sie spielen zumindest nicht das Spiel, das die Spieler spielen; sie erleben dabei nicht etwa Spiel aus zweiter Hand, sondern etwas anderes als Spiel. Aus Sicht eines games sind sie entbehrlich; ein play wird für sie aufgeführt. Sie nehmen am Spiel anteil, indem sie sich mit den (Schau-)Spielern oder teams identifizieren. Offenbar existieren zwei Arten von Zuschauer-Teilnahme an Medien: Eine in sich selbst gekehrte, beurteilende, analytische, verbale und sich selbst abgrenzende sowie eine nach außen gekehrte, enthusiastische, körperliche, emotionale, sich selbst verlierende und einbringende Art. 4.4.1 Das Verhältnis von Spieler und Spiel [...] das Spiel [existiert] ohne den Spieler gar nicht [...]. [...] Der Spieler definiert das Spiel[,] und er [...] ist so sehr gegenwärtig wie der Aufkleber auf der Spiele[-]CD. Jon Jordan [Jor05, S. 101]

Spiel ohne Spieler ist nicht vorstellbar [SZ04, S. 164]. Die Spieler lassen das Spiel entstehen, es existiert nicht per se (vgl. [Lam88, S. 24f.]). Die formalen Spielregeln, das konkrete Spielfeld etc. sind nur Hilfen für 171

Interaktivität als Spiel

die Spieler zu spielen und Ausdruck von Spielern, die spielen, sie allein stellen selbstverständlich kein Spiel dar [SZ04, S. 33]. »Only when the players enter into the game does the system come fully to life.« (Ebd., S. 302) Das konkrete Spiel ist bloß der Ausdruck der Spielhaltung der Spieler, sie könnten auch ein anderes Spiel spielen. Das Spiel braucht die Spieler, die Spieler machen das Spiel: »What the players bring to the game is as important as the game itself.« [Wei98, S. 464] Das Spiel findet in erster Linie in den Köpfen der Spieler statt, die der Spielhaltung folgen; gemeinsam lassen sie das Spiel stattfinden [SZ04, S. 256]. 4.4.2 Das Erlebnis des Spiels The play of a game is something that only exists as an experience. Katie Salen, Eric Zimmerman [SZ04, S. 104]

Wer Spiel erleben möchte, muß selbst spielen: »The fun and excitement of playing cannot be calculated in an abstract fashion: it must be experienced.« (Reiner Knizia in [SZ04, S. 25]) Die »experience of a game« [SZ04, S. 12] kann nur begrenzt antizipiert und nicht vorhergesagt werden (ebd.); das hat nichts zu tun mit Zufall (vgl. Abschn. 4.2.5) oder dem ungewissen Ausgang eines Spiels (vgl. Abschn. 4.1.5). Zuschauer sehen Spielern beim Spielen zu und feuern sie etwa an. Sie spielen aber nicht selbst und erleben dabei nicht etwa Spiel aus zweiter Hand, sondern etwas anderes als Spiel, denn »interactivity is something to be experienced, rather than observed« (ebd., S. 66f.). Zuschauer gehen in diesem Sinne nicht nur anders mit dem Medium Spiel um als die Spieler, sie gehen sogar mit einem für sie tatsächlich anderen Medium um. Durch diesen Umgang erschließt sich das Spiel den Zuschauern nicht in derselben Weise, wie es sich seinen Spielern erschließt [PST+ 98, S. 363]. Der Spieler muß selbst spielen, er kann es sich von nichts und niemandem abnehmen lassen: »Was [Spiele] anbieten ist letztendlich, den Spieler zum Zentrum des Spiels zu machen. [...] Deine Fähigkeiten und nur deine Fähigkeiten retten die Erde, entdecken den verlorenen Schatz und erwirken die Fähigkeit zu fliegen (nachdem du 100 Sterne gesammelt hast).« [Jor05, S. 101] Für Zuschauer mag Spiel etwa ein Spektakel sein (vgl. [Küc04, S. 17f.]), ein Beobachter spielt nicht mit. Zuschauer können nur miterleben, wie jemand etwa Klavier oder Tischtennis spielt; 172

Spiel

sie können sich mit jemandem identifizieren, der spielt, aber deshalb spielen sie nicht selbst. Ein Beobachter kann zwar annehmen, daß jemand, den er z. B. auf dem Fußballfeld beobachtet, spielt, aber wissen kann er es nicht, er müßte ihn fragen. Ob jemand spielt, kann nur aus der Perspektive des Spiels entschieden werden. Der Schiedsrichter eines Spiels spielt nicht mit, zumindest spielt er nicht dasselbe Spiel wie die Spieler um ihn herum. Er kann sein eigenes Spiel spielen. Fußballfans spielen ihr eigenes Spiel, wenn sie versuchen, etwa lauter zu singen als die Fans der anderen Mannschaft. In das Spiel auf dem Fußballfeld hingegen greifen sie nicht ein und spielen dort nicht mit. Würde sich Spiel als Mittel erweisen, um einen Spiel-externen Zweck zu verfolgen (vgl. Abschn. 4.1.7), könnten die Zuschauer die Spieler für sich spielen lassen. Das Spiel erweist sich hingegen als »[e]ine Tätigkeit, deren Zweck in den Ausführenden selbst liegt« und die »nicht deligiert werden« kann. Zwar kann das Spielergebnis »fremd genossen werden« [Kel98, S. 74], die Zuschauer erleben dabei allerdings etwas ganz anderes als die Spieler, sie genießen also offenbar dabei auch etwas ganz anderes. Wer an einem Ergebnis interessiert ist, »kann für sich arbeiten lassen«; ein Spieler kann »aber [nicht] für sich spielen lassen«, denn Spiel muß selbst erlebt werden. »Arbeiten kann durch Maschinen ersetzt werden, nicht aber Spielen.« (Ebd., S. 75) Natürlich lassen die Zuschauer die Spieler in gewisser Weise für sich spielen; Fußballstars und Rockmusiker etwa scheinen als Stellvertreter das zu verkörpern und auszuleben, was den Zuschauern nicht möglich ist (vgl. zu den stellvertretenden Wettkämpfen bei den Römern [Hui56, S. 77], zu den (Schau-)Spielen der Römer [Chr05, S. 84]). Diese Funktion hängt ganz wesentlich an der Identifikation der Zuschauer mit den Spielern; mit Maschinen identifizieren sich die Zuschauer dabei allerdings nicht: »Das Spielen von Maschinen erledigen zu lassen, ist unsinnig.« [Kel98, S. 69] Der Spieler erweist sich nicht als Darsteller – wenn er spielt, spielt er ganz. Er ist nicht etwa ein halber Spieler und ein halber Darsteller [Kel98, S. 69]; er ist den Zuschauern nicht verpflichtet oder auch nur verbunden wie im play. Aufgabe von Spielern ist nicht die spannende Darstellung, sondern das Spielen eines Spiels. Game players können schlecht spielen, aber nicht patzen; wo es um eine Darstellung geht, kann gepatzt werden, so Schauspieler bei der Theatervorstellung und Turner bei Vorführungen der rhythmischen Sportgymnastik. Zwischen Zuschauern und Schauspielern besteht eine gegenseitige Beziehung: »Beachte doch, wie der [Theaterschauspieler] sich nicht satt hö173

Interaktivität als Spiel

ren kann an der Versicherung, daß er gefallen, daß er wahrhaftig über die Maßen gefallen hat! Lediglich der Drang seines Herzens zu jener bedürftigen Menge hat ihn zu seinen Künsten geschickt gemacht; und wenn er ihr Lebensfreude spendet, sie ihn dafür mit Beifall sättigt, ist es nicht ein wechselseitiges Sich-Genüge-Tun, eine hochzeitliche Begegnung seiner und ihrer Begierden?« [Man00a, S. 36] Der Schauspieler hat eine Rolle zu spielen, und man kann sagen, daß er ein schlechter Schauspieler ist, wenn seine Darstellung schlecht ist; einem guten Spieler, wie etwa einem Formel 1-Fahrer, der langweilige und ungefährdete Start-ZielSiege einfährt oder Spielern eines Fußballvereins, der mit deutlichem und ungefährdetem Punktevorsprung die Meisterschaft gewinnt, kann nicht vorgeworfen werden, ihre Darstellung wäre langweilig, denn ihre Aufgabe ist es zu spielen, und sie machen ein gutes Spiel; würden sie absichtlich schlechter spielen als sie könnten, hörten sie überhaupt auf zu spielen. Und selbst einem schlechten Spieler, der ein erfolgloses Spiel gespielt hat, kann ein Zuschauer nichts vorwerfen, denn der Spieler spielt nicht für den Zuschauer; selbst seinem Trainer ist ein Spieler im Grunde nichts schuldig. Es ist also unpassend und Zeichen eines Mißverständnisses, wenn sich etwa Fußballspieler bei den Zuschauern entschuldigen, weil und wenn sie ihnen eine schlechte Leistung vorgeführt haben. 4.4.3 Die Teilnahme von Zuschauern Zahlreiche Spiele haben Zuschauer. Zuschauer sind keine Spieler und greifen nicht ins Spiel ein. Aus Sicht eines games sind sie entbehrlich; ein play wird für sie aufgeführt. Sie nehmen am Spiel anteil, indem sie sich mit den (Schau-)Spielern oder teams identifizieren (zum Verhältnis von Spiel und Zuschauer s. auch [Sch65, S. 159f.]). Zuschauer scheinen auf zwei unterschiedliche Arten an Spielen u. a. Medien (an-)teilnehmen zu können: Auf eine zurückhaltende, reflektierende, in-sich gekehrte Art oder auf eine expressive, nach außen und auf andere Zuschauer orientierte Art. Bruns [Bru06a] kennzeichnet diese unterschiedlichen Modi der Teilnahme (im Umgang mit Technik) als »rational, objektiviert, distanziert« bzw. »subjektiv, emphatisch, eindringend« (vgl. auch Abschn. 3.4). Das Spiel und seine Zuschauer

Das Spiel hat oft Zuschauer, ist auf sie aber nicht angewiesen. Dies trifft selbst auf ein Spiel wie ein LARP zu, das eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Schauspiel zu haben scheint: »Rund 3500 Historien- und 174

Spiel

Fantasy-Fans trafen sich Mitte [August 2004] bei Westernohe zwischen Köln und Frankfurt [zum »Drachenfest«], um in einer Parallelwelt zu leben, die Tolkiens Roman ›Der Herr der Ringe‹ entsprungen sein könnte. Vier Tage mimten die Spieler, passend verkleidet, etwa magische Heilerinnen, edle Ritter, finstere Krieger und weise Zauberer – wie in einem gigantischen Freilufttheater, aber ohne Zuschauer, ohne Pausen und mit offenem Handlungsverlauf.« [Pan04, S. 117] Zuschauer als Teil der alltäglichen Welt werden bei einigen Spielen solcher Art sogar explizit ausgeladen [RH06], denn auch wenn »[d]as angenehme Gefühl der Befriedigung« eines geglückten Spiels »bei Anwesenheit von Zuschauern« [Hui56, S. 54] steige, kann das Spiel auf Zuschauer verzichten, ohne daß ihm etwas fehlen würde. Inhaltlich nehmen Zuschauer nicht am Spiel teil. Passiv sind sie allerdings nur aus der Sicht des Spiels. Zuschauer nehmen anteil am Spiel, als Teilnehmer in der Menge der Fans (vgl. [Sta98, S. 435]). Damit tragen sie auch in gewisser Weise etwas zum Spiel bei: »By gathering together in a theater, maintaining silence, and applauding in ritual ways, the audience creates the magic spotlight in which the actors move.« [Mur97, S. 115] Die Zuschauer erleben dann mit, wie der oder die Spieler in eine fremde Welt eintauchen (z. B. ein Pianist in einem Konzert) [Nak06], ohne selbst daran entscheidend teilzunehmen (vgl. Abschn. 4.4.2). Wird aber von Theater-Zuschauern ein inhaltlicher Beitrag zu einer Ausführung verlangt (vgl. Susanne Langers Bericht über eine solche Peter Pan-Aufführung [Lan53, S. 318f.]), wird zuviel von ihnen verlangt – sie werden genötigt, in eine partizipative Rolle einzutreten, die ihnen nicht gebührt und die sie nur sehr ausnahmsweise ausfüllen können (vgl. auch Abschn. 5.4.2) und auch nicht unbedingt wollen (Jörg Richard, pers. Komm., 22. Okt 2004). Das Erklatschen einer Zugabe auf einem (Rock-)Konzert ist in aller Regel kein solcher entscheidender Eingriff des Publikums: Erstens ist sie nicht inhaltlich, zweitens ist die Zugabe oft von vornherein auf der setlist fest eingeplant. Zuschauer sind reflektive Teilnehmer am Geschehen, allem Wunschdenken und allen gegensätzlichen Beteuerungen wie der Bezeichnung von Fußballfans als der »Zwölfte Mann« auf dem Platz zum Trotz. Wenn sie ins Stadion gehen, feiern sie zusammen eine Party, sich selbst und sich gegenseitig und die Mannschaften auf dem Feld – ins Spiel eingreifen tun sie jedoch nicht. Wenn sie es doch tun, hat das i. d. R. den Abbruch des Spiels zur Folge.

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Interaktivität als Spiel Die leise Art der Teilnahme

Zuschauer können einem Spiel auf eine in erster Linie reflektive und identifikative Art folgen; diese Art erscheint als in sich selbst gekehrt, beurteilend und analytisch. Sie äußert sich etwa in der tiefen, unauffälligen und individuellen Teilnahme an (Massen-)Medien, die seit einigen hundert Jahren in der westlichen Kultur üblich ist (vgl. [Tew04]). In Spielen und als Schauspieler identifiziert der Teilnehmer sich zuerst mit einer Rolle (etwa Libero beim Fußball oder Bösewicht in einem Theaterstück), dann füllt er sie aus und handelt in ihr und nach ihr. Eine solche Identifikation ist Voraussetzung für die Aktion in Medien. Zuschauer machen nur eine halbe Erfahrung des Spiels, indem sie sich mit Personen oder Situationen des Spiels identifizieren aber dann nicht partizipativ und entscheidend eingreifen. Sie sind dabei durchaus (auch körperlich (vgl. [Wul04])) aktiv; sie empfinden mit und reflektieren. Ein Zuschauer spielt ein Spiel, das er beobachtet, nicht mit. Aber er ist, wie alle Benutzer von Medien, doch selbst an allem, was er wahrnimmt, tatsächlich beteiligt. »Auch wenn er nicht in die Darstellung selbst eingreift, so muß er doch für sich in der Ebene des Scheins alle Bilder reproduktiv noch einmal erzeugen, muß sie vor dem eigenen Auge zum Schweben bringen, Beziehungen stiften, muß wie der Schachspieler Möglichkeiten und Relationen kombinierend überschauen, um überhaupt etwas zu verstehen. Zwar überschaut er wie der Schachspieler die möglichen Relationen nie ganz, – seien diese rein formal, seien sie inhaltlich, seien sie in symbolischen Gehalten beides zugleich. Das Kunstwerk bleibt für ihn immer unendlich. Aber er muß doch, soweit sein geistiger Horizont reicht, alle Dimensionen virtuell ausschreiten, muß alle Bewegungen innerlich noch einmal vollziehen, will er nicht stumpf und verständnislos bloß passiv etwas über sich ergehen lassen, oder will er nicht in bloß sentimentalem Gefühlsrausch sich mehr seiner eigenen Ergiffenheit als dem objektiven Werke hingeben.« [Sch65, S. 161]

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Spiel Die laute Art der Teilnahme One man, one goal, one mission, one heart, one soul, just one solution, one flash of light, one God, one vision. Queen [Que86]

Offensichtlich scheint zu sein, daß jemand nicht nur Zuschauer ist, um das Geschehen etwa auf einer Bühne beobachten zu können, sondern daß er es zumindest auch noch aus anderen Gründen ist. Wenn es ihm nur darum ginge, etwas zu erfahren, um gut zu sehen oder zu hören, ginge er nicht z. B. auf ein Rockkonzert. Im Besuch (und Erfolg) von (oft kommerziellen) Massenveranstaltungen äußert (und befriedigt) sich offenbar die Sehnsucht nach einem archaischen Gruppengefühl und -erlebnis, wie es früher etwa der Stamm, der Clan, die Familie oder die Religion bot. Beispiele sind Massensportveranstaltungen (sowohl Veranstaltungen, an denen zahlreiche Zuschauer anwesend sein können (wie die Fußball-WM 2006), als auch Breitensportveranstaltungen, bei denen zahlreiche Teilnehmer mitmachen können (wie der Berlin-Marathon)), Discos und Rockkonzerte (und auch das Militär?). Diese archaischen Mechanismen lassen Zuschauer vom »participant with anonymity in a crowd« zu einem Teil dieser »crowd« [Sta98, S. 435] werden, lassen sie aufgehen in der Masse, in der sie alle Zweifel und Widersprüche ablegen können, geschoben werdend und selbst schiebend sind. Populär waren solche Bewegungen und Veranstaltungen offenbar schon immer, es scheint jedoch so zu sein, daß in dem Maße, in dem die alten Formen der Gruppen sich auflösen, dieses Phänomen zunimmt. Je unübersichtlicher und komplexer die Welt wird, je mehr (traditionelle) Werte, Ansichten und Regeln in Frage gestellt werden, desto größer wird anscheinend die Anziehungskraft solcher Attraktionen, die ihren Teilnehmern als »eine Gestalt, von einem Geiste belebt« ([vGoJ, S. 40] zit. n. [Chr05, S. 84]) auf einem geradezu körperlichen level eine einfache, ideale und vollkommene Welt bieten: »There’s only one direction, one world, and one nation, one vision.« [Que86] Als eine von der leisen Art (s. o.) zu differenzierende Art der Zuschauer-Teilnahme erscheint die nach außen orientierte, enthusiastische, körperliche, emotionale, sich selbst verlierende und einbringende Art der Teilnahme, die sich auch zusammen mit anderen Zuschauern auf andere Zuschauer bezieht. Bei dieser Art der Teilnahme ist ein Zuschauer zwar nicht an der Aktion, die er beobachtet, entscheidend beteiligt, 177

Interaktivität als Spiel

aber er spielt sein eigenes Spiel, mag sich das etwa in Tanzen, Singen oder Rufen äußern.

4.5 Spiel als Haltung und Perspektive It’s time to play the work [because of the digital medium]. Mark Amerika [Ame05, meine Hervorhebung]

In diesem Abschnitt wird diskutiert, inwieweit Spiel als Einnahme und Ausdruck einer bestimmten Haltung des Spielers verstanden werden kann und ob diese Haltung als Perspektive des users in der HCI entdeckt werden kann. Spiel kann innerlich oder äußerlich sein, sichtbar oder unsichtbar, gegenständlich oder gedanklich – es erscheint sogar in erster Linie als eine Perspektive der Spieler, eine Idee, eine Haltung und nicht als eine bestimmte Tätigkeit, eine Handlung, ein Umgang mit bestimmten Gegenständen oder »eine Methode, etwas zu tun« [Kel98, S. 63]. Das Spiel ist nicht nur das, was Salen und Zimmerman [SZ04] als System beschreiben, nicht nur das konkrete oder faktische Geschehen auf einem Fußballfeld und nicht nur ein materieller oder körperlicher Vorgang. Spiel kann nicht beobachtet werden, »denn das Spiel ist nicht Stoff«: »Mit dem Spiel aber erkennt man, ob man will oder nicht, den Geist. [...] Schon in der Tierwelt durchbricht es die Schranken des physisch Existenten. Von einer determiniert gedachten Welt reiner Kraftwirkungen her betrachtet, ist es im vollsten Sinne des Wortes ein Superabundans, etwas Überflüssiges. Erst durch das Einströmen des Geistes, der die absolute Determiniertheit aufhebt, wird das Vorhandensein des Spiels möglich, denkbar und begreiflich.« [Hui56, S. 11] Der Begriff Spiel bezeichnet gleichzeitig eine Perspektive und ein Geschehen, die sich natürlich aufeinander beziehen und aufeinander wirken. Das Geschehen kann dabei allerdings nur aus der Perspektive heraus erklärt und verstanden werden; für sich genommen erscheint es trivial und sinnlos. Der Inhalt von Medien kann nicht Unterscheidungsmerkmal zwischen ihnen herangezogen werden. Er ist nur eine Hilfe, mit ihrem spezifischen Angebot von Teilnahme umzugehen und erscheint als »lulling distraction needed to enable the structural form to get through the barriers of conscious attention« fast beliebig und unter ihnen austauschbar. Es ist aber »the pattern of a game that gives it relevance to our inner 178

Spiel

lives, and not who is playing nor the outcome of the game« [McL02, S. 263]. Das Wesen des Spiels ist der Schein, nicht die Tat: »›Eigentliches‹ Spiel gibt es n u r im Felde der Erscheinung. Jeder Versuch, kausal hinter die Entstehungsursachen der Erscheinung zurückzugehen, löst die phänomenale Ganzheit auf und vernichtet damit das Objekt, das untersucht werden soll.« [Sch65, S. 192] Es ist die Frage nach dem Spiel, »wie der Spieler es selber nimmt« [Hui56, S. 12]: Demjenigen, der »den Blick auf die Funktion des Spiels richtet« (ebd., S. 11), tritt »das Spiel als eine bestimmte Qualität des Handelns entgegen, die sich vom ›gewöhnlichen‹ Leben unterscheidet. [...] Sein Gegenstand ist das Spiel als eine Form von Aktivität, als sinnvolle Form und als soziale Funktion. Er sucht nicht mehr nach natürlichen Antrieben, die das Spielen im allgemeinen bestimmen, sondern betrachtet das Spiel in seinen mannigfaltigen konkreten Formen selbst als soziale Struktur. Er bemüht sich, das Spiel in seiner primären Bedeutung zu verstehen [...].« (Ebd., S. 11f.) Insofern kann eine gegenständliche Beobachtung des Spiels stets nur eine Beobachtung von Symptomen sein, aber natürlich nicht die ihrer Ursachen ([Sch65, S. 131] unter Bezug auf [Sch13, S. 156]) Von ihnen ist das Phänomen Spiel zu trennen: »Spiel ist frei, nicht weil es ursachlos ist, sondern weil es sich abhebt von seinen Ursachen, weil es phänomenal nicht getan wird, sondern geschieht.« [Sch65, S. 131] Das Spiel ist anzusehen als eine primäre Lebenskategorie (Huizinga) und als ein Urprinzip (Scheuerl), das sich weder auf bestimmte Bereiche des Lebens beschränken, noch weiter unterteilen oder zergliedern läßt, sich weder auf scheinhafte Wirkung, noch auf konkrete Erscheinung reduzieren läßt, sondern sich in vielfältiger Weise in allen Bereichen des Lebens [Sch65, S. 140] zu zeigen im Stande ist und hinter oder vor den konkreten Wirkungen steht, die dann als Spiel gelten mögen oder nicht. Wenn Spiel somit eine Perspektive ist, die nicht an bestimmte Inhalte, Tätigkeiten, Gegenstände, Verkleidungen, Zeiten oder Plätze gebunden ist, stellt sich die Frage nach der Beziehung von Spiel und Welt. Im Spiel und im Schauspiel treten Spieler und Schauspieler in eine andere, spezielle Welt ein, die sich von der alltäglichen Welt deutlich unterscheidet, obwohl sie räumlich und zeitlich direkt in ihr liegt und sich in ihren Handlungen nicht wesentlich von ihr unterscheidet. Der Eintritt der Spieler ist gekennzeichnet durch einen bewußten Akt des Verlassens der einen und des Betretens der anderen Welt, der Spielwelt. Sichtbar wird dies durch das Aufsuchen eines gesonderten, besonders gekennzeichneten Bereichs wie des Spielfelds oder der Bühne. Der Eintritt ins Spiel ist 179

Interaktivität als Spiel

eher ein innerlicher Schritt als ein äußerlicher; nicht das Betreten eines Spielfelds oder das Tragen eines Kostüms macht jemanden zum Spieler, sondern der gedankliche Wechsel von der alltäglichen Welt in die Spielwelt. Dieser Wechsel gehört wesentlich zum Spiel, er ist Voraussetzung und Folge von Spiel. Ist nun die Rede davon, daß etwa dem computer user sein Umgang mit dem Rechner zum Spiel werden kann, ist gemeint, daß es ihm als Ausführenden zum Spiel wird (ebd., S. 135). In diesem Sinne tritt der user als Spieler in die Welt des Computers ein, wenn er mit ihm umgeht [Kel98, S. 88]. Dieser spielerische Umgang mit dem Rechner scheint sich etwa im Ausprobieren, Probehandeln und explorativen Lernen zu zeigen. Je mehr sich der Computer als Medium erweist, mit dem kreative Tätigkeiten durchgeführt werden, zeigt sich auch hier eine Verbindung zum Spiel, denn alle Tätigkeiten können auch Spiel sein, während die kreative Tätigkeit stets auch Spiel ist; die Merkmale der kreativen Tätigkeit ähneln denen des Spiels, etwa Freiheit, eine gewisse Spannung und Entspannung, Offenheit und Entdeckerfreude, die um ein fokussiertes Ziel kreist, Bewegung, assoziatives Verbinden, das Entstehen von Neuem sowie Erfolg und Scheitern. Das Spiel ist allerdings von seinen Spielern nicht als Protest gemeint. Der Computer ist also ein Spielzeug nicht in der Hinsicht, daß er für Computerspiele benutzt wird, sondern in der Hinsicht, daß ein umfänglicher Teil des alltäglichen Umgangs mit ihm seinem user schon längst zum Spiel geworden ist. Und zwar in genau dem Sinne, in dem etwa ein Photograph gegen seinen Photoapparat spielt: »Der Fotoapparat ist kein Werkzeug, sondern ein Spielzeug, und der Fotograf kein Arbeiter, sondern ein Spieler: nicht ›homo faber‹, sondern ›homo ludens‹. Nur der Fotograf spielt nicht mit, sondern gegen ein Spielzeug.« (Vilém Flusser zit. n. Bernard Robben in der Veranstaltung »Theorie digitaler Medien«15, eig. Mitschr.) Der computer use als Umgang mit einer Herausforderung mit unbestimmtem Verlauf und offenem Ausgang kann so zu einer Art Wettspiel oder auch »internal drama created by [...] self-gambling« ([Dom98, S. 186], vgl. ebd., S. 187f.) werden: »You can tell the computer what to do, and it fights with you, but it finally does what you tell it to.« ([Lev94], meine Hervorhebung)

15 | Bernard Robben, Daniel Cermak-Sassenrath, Hochschule Bremen, Medieninformatik, WS2006/7

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4.5.1 Spiel und Tätigkeit, Methode und System Das Spiel als Perspektive kann nicht als Tätigkeit, Methode oder System erfaßt werden. Zwar bedient sich das Spiel durchaus konkreter Handlungen, effektiver Methoden und struktureller Systeme, diese sind aber nur als sekundärer Ausdruck der Spielhaltung der Spieler anzusehen, nicht als es wesentlich konstituierende Teile oder seine primären Merkmale. Spiel und Tätigkeit Play the work and live! Mark Amerika [Ame05]

Spiel kann nicht an der Ausführung bestimmter Tätigkeiten oder dem Umgang mit bestimmten Gegenständen festgemacht werden. Dieselbe Tätigkeit kann innerhalb des Spiels und außerhalb auftreten. Diskutiert wird dies hier an den Perspektiven der Spiels und der Arbeit.16 Der Begriff Spiel beschreibt, wie andere Begriffe auch, offensichtlich keine konkrete Tätigkeit, sondern eine Perspektive oder einen Kontext. Dieselbe Tätigkeit kann etwa als Spiel oder Arbeit (an-)gesehen werden (vgl. [Kel98, S. 19]). Wenn jemand sagt, er »arbeite, [...] kann daraus nicht auf eine konkrete Tätigkeit geschlossen werden.« (Ebd., S. 63) »Arbeiten und Spielen sind an der Tätigkeit selbst nicht zu beobachten.« (Ebd., S. 128) Spielen ist außergewöhnliches Tun und eine »primäre Lebenskategorie« [Hui56, S. 11]; d. h. zum einen, daß Spiel vom alltäglichen Handeln klar unterschieden ist, zum anderen, daß spielen nicht (nur) eine bestimmte Art von Tätigkeit ist (ebd., S. 43). An einer Handlung läßt sich Spiel nicht beobachten. Abgesehen von den üblichen Problemen zu erkennen, was passiert, kann ein Beobachter nicht wissen, warum, denn »the interpretation of any action’s significance is only weakly determined by the action as such« [Suc87, S. 119]. Dieselbe Handlung kann in einem Spiel vorkommen oder auch außerhalb, sie ist für den einen Spiel, für den anderen nicht: »Ich sehe andere Menschen etwas Merkwürdiges tun, dessen Sinn mir nicht klar ist: Zweiundzwanzig erwachsene Männer laufen hinter einem Ball her, entreißen ihn sich gegenseitig, um ihn dann doch sogleich wieder weiterzugeben. Oder zwei Menschen sitzen sich mit nachdenklich gerunzelten Stirnen 16 | Nicht thematisiert wird das Verhältnis von Spiel und Tätigkeitstheorie.

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an einem karierten Brett gegenüber und verschieben von Zeit zu Zeit eine Figur.« [Sch65, S. 178] Spiel hat durchaus mit (äußerlicher) Handlung zu tun (vgl. [Buc05]), wobei es sich darin aber nicht erschöpft, und die sichtbare Handlung nicht alles am Spiel ist (vgl. Abschn. 4.5). Das Spiel spielte schon immer mit allen Gegenständen; es war noch nie auf bestimmte Gegenstände beschränkt. Die in den letzten Jahrhunderten und Jahrzehnten zunehmende Strukturierung, Organisation und Kommerzialisierung des Spiels und seine Einschränkung auf bestimmte Zeiten, Bereiche und auch Gegenstände mag dazu beigetragen haben, daß dies vielleicht nicht mehr offensichtlich erscheint. Es ist allerdings offenbar unstrittig, daß weder beim Theater- noch beim Fußballspiel die gegenständliche Handlung selbst das Entscheidende ist; interessant ist die Bedeutung, die sie innerhalb des Spiels besitzt ([Hui56, S. 13], vgl. ebd., S. 54). Am Computer wird deutlich, daß weder Spiel noch Arbeit festgemacht werden können am Umgang mit bestimmter hard- oder software [SR84, S. 29]. Dieselbe hardware ist bereits zwischen »ernsthaften Anwendungen« und Spielen austauschbar [Sch04, S. 6]. Eine mouse wird z. B. angepriesen als »specifically [developed] for precision and control users. [...] the finest optical mouse for precision professionals and gamers« [Raz04, S. 1]. Offenbar entscheidet die Perspektive einer Handlung über ihr Ziel, ihren Zweck und ihren Anspruch, etwa bei Simulationen: »What’s the difference between a simulation game and education? Answer: How it’s used. Many of the games have powerful simulations of nonsensical societies or something. But if they were real, you would learn from them.17 The most dramatic example is a flight simulator or a driving simulator. They are games that people play and enjoy. But the flight simulators are accurate enough that they are actually used for flight training. [...] The very same technologies that are used in games will be used in education.« [Nor02] Auch die im Umgang mit dem Computer vorkommenden Metaphern oder Schnittstellen weisen diesem Umgang keine bestimmte Perspektive zu [Man00b, S. 191]. Spätestens mit der sowohl zweckhaften als 17 | Dieser Begriff des Lernens sieht es als etwas Spiel-Externes, der alltäglichen Welt zugehörig, nicht etwa das Lernen im Spiel für das Spiel (vgl. Abschn. 4.5.5).

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auch zwecklosen Benutzung des Computers erscheint die Ansicht überholt, solche Perspektiven könnten am Umgang mit bestimmten Gegenständen festgemacht, erkannt oder von außen zugewiesen werden (ebd., S. 276). Für Manovich gilt dies als Unterscheidungsmerkmal zwischen Industrie- und Informationsgesellschaft (ebd., S. 116). Spiel und Arbeit ließen sich allerdings noch nie durch äußere Beobachtung identifizieren, an Hand der Benutzung derselben »tools and metaphors« (ebd., S. 77) des Computers mag dies heute schließlich offensichtlich erscheinen. Spiel ist nicht nur eine Tätigkeit, sondern auch, und zwar in erster Linie, eine Perspektive. Das Spiel im Sand, das Schau- und das Fußballspiel nehmen ihren Ausgang als Geschehen in der Perspektive Spiel, in der Spielhaltung [Hui56, S. 56]. Der Begriff Spiel beschreibt, wie alle Begriffe es tun, ein bestimmtes Verhältnis, eine Relation und Perspektive, nicht oder erst in zweiter Konsequenz ein Ding oder eine Tätigkeit (vgl. [Kel98, S. 62f.]). Spiel und Methode

Das Spiel ist nicht »eine bestimmte Art und Weise, eine Methode, etwas zu tun», wie Keller angibt (ebd., S. 63, vgl. ebd., S. 77 und S. 81, für den Versuch einer argumentativen Begründung s. ebd., S. 141). Die Methoden des Spiels unterscheiden sich zwar in ihrem Vorgehen, in ihrer Effizienz und Rigorosität sowie in ihrer Fokussiertheit auf ein Ziel nicht wesentlich von Methoden in anderen Zusammenhängen. Man könnte sogar sagen, daß gerade die Methoden, mit denen Spieler vorgehen, den Methoden überaus ähneln, mit denen etwa Arbeiter vorgehen. Das Spiel als Perspektive ist allerdings deutlich zu unterscheiden von einer Methode. Eine Methode fragt »wie wird es angefangen?« oder »wie wird vorgegangen?«, eine Perspektive »wie wird es gesehen?« oder »was bedeutet es (mir)?«. Eine Perspektive ist ein innerlicher Standpunkt, eine subjektive und gedankliche Sichtweise, nicht etwas Veräußerliches wie eine Methode – Spiel kann entsprechend auch nicht befohlen (vgl. dagegen [Sch65, S. 205]) oder maschinell erledigt werden, wie Keller auch selbst sagt [Kel98, S. 69]. Ließe sich Spiel als Methode externalisieren, könnte es zur Effektivierung von Arbeit ge- bzw. mißbraucht werden (vgl. Abschn. 4.1.7), etwa »als Psycho-Technik [...], z. B. beim ›Umdefinieren‹ der Erreichung einer gewissen Stückzahl als ›High-Score‹« [RP90, S. 30]. Spiel kann »nur im Kontext selbstbestimmter Arbeit [...] zu seinem Recht kommen« (ebd.), 183

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»[v]erordnetes ›Spiel‹ kann sich als Motivationsfalle für mehr Produktivität erweisen und der Herrschaftssicherung dienen [...].« (Ebd., S. 31) In diesem Sinne ist Spiel nicht nur ein Prozeß, der nach einer bestimmten Ordnung und Regeln abläuft, sondern eine Haltung [Küc04, S. 6]. Wenn Spiel ein »mode of interaction« wäre, müßte es Tätigkeiten geben, die nie gespielt werden können und Tätigkeiten, die nur gespielt werden können – dies ist offenbar nicht der Fall. Spiel ist also nicht »also an attitude« (ebd.), sondern in erster Linie. Spiel und System

Salen und Zimmerman gehen vom Spiel als einem Geschehen aus, das von außen beobachtet und auf diese Weise als solches identifiziert werden kann. So sieht auch ihre Definition ein game als ein »system in which players engage in an artificial conflict, defined by rules, that results in a quantifiable outcome« [SZ04, S. 572]. Ein Beispiel für ein solches beobachtbares Spiel wären also einige Leute, die auf einer Wiese einem Ball hinterherlaufen. Beobachtungen wie diese können zwar angestellt werden, und es kann festgestellt werden, was ein solches Geschehen kennzeichnet, aber was ein Spiel ausmacht, sind die subjektiven Perspektiven der Spieler. Ansonsten würde sich das Beispiel vom Fußballspiel nicht wesentlich von Bauern bei der Ernte auf einem Feld unterscheiden. Die Kennzeichen des Spiels (s. o.) können allerdings nicht ohne Weiteres gegenständlich beobachtet werden, denn sie beschreiben in erster Linie die Einstellung der Spieler. Ein Spiel beginnt, wenn ein Teilnehmer subjektiv und individuell entscheidet zu spielen. Das Spiel als ein System von Regeln sagt nichts über die Perspektive der Teilnehmer. Die Spielhaltung drückt sich möglichweise zunehmend in organisiertem Spiel wie dem Profisport (vgl. Abschn. 4.1.7) aus. Das Spiel als System, von dem Salen und Zimmerman schreiben, kann also eine Folge der Spielhaltung sein, ist aber weder mit ihr gleichzusetzen, noch stets mit ihr zusammenfallend oder auf einer Stufe mit ihr stehend. Das Faktische trübt »so leicht den Blick auf die reine Erscheinung« ([Sch65, S. 131], zu Salens und Zimmermans Spiel-Definition vgl. ebd., S. 131f.). Spiel ist nun offenbar auch nicht auf bestimmte Plätze, Zeiten oder Gegenstände beschränkt; zum Spiel gehört mehr, und es wird in allen Lebensbereichen gespielt. Das Geschehen ist aber jeweils nur die Auswirkung der spielerischen Perspektive, die die Spieler einnehmen. Ein konkretes Spiel ist sicher ein dynamisches System; es ist jedoch jeweils 184

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nur eine Ausprägung, äußere Darstellung, gegenständliche Repräsentation und der Schein oder Abglanz der Spielhaltung, nicht das Spiel selbst. Es geht hier also eher um die Frage »Was ist Spiel« als »Was ist ein Spiel«, eher um das Spiel als um ein Spiel. 4.5.2 Spiel als abstrakter Zustand und symbolischer Vorgang Language, symbols, myths, beliefs, philosophy, mathematics, scientific theories, organizations, games, sports, and money are completely abstract dimensions but as much a part of our humanity as rocks and trees. Myron Krueger in [Tur02]

Spiel bedeutet die Einnahme einer bestimmten Perspektive. Diese Perspektive des Spiels ist die Spielhaltung, und zu spielen heißt, in der Spielhaltung zu handeln. Das konkrete Spiel ist eine Äußerung dieser Haltung. Spiel ist immer nur Spiel für jemanden, und es ist eine subjektive Entscheidung, was jemand für Spiel hält. Der Unterschied zwischen Spiel und Nichtspiel (s. u. und vgl. [Sch65, S. 222]) ist eine subjektive Entscheidung des Spielers und kann nicht an den äußeren Anschein, Handlungen oder Situationen gebunden werden. Die Spielhaltung ist eine Stimmung, die der Spieler ergreift und die den Spieler ergreift. Sie hebt ihn aus der Sphäre der alltäglichen Welt hinaus in die Welt des Spiels, in eine »Welt von Ritterstolz und Heldenwahn« in eine »Welt, in der Namen und Wappenschilde hoch im Kurse stehen und lange Ahnenreihen zählen. Es ist nicht die Welt der Sorge um den Lebensunterhalt, Berechnung des Vorteils oder des Erwerbs nützlicher Güter. Das Streben gilt dem Ansehen der Gruppe, dem höheren Rang, der Überlegenheit über andere.« [Hui56, S. 64] Die sinnliche Darstellung eines Spiels unterstützt und ermöglicht es in vielen Fällen und bietet ggf. auch einen zusätzlichen Reiz zu spielen; die Spielhaltung der Spieler und der äußere Ausdruck eines Spiels können sich beeinflussen und auch gegenseitig befruchten; zu spielen ist dabei sowohl innerer, abstrakter Zustand als auch äußerlicher, konkreter Prozeß. Die konkrete, gegenständliche oder sinnliche Darstellung erscheint aber zunächst nur als sekundäre Folge, Ausdruck und Abglanz der primären Spielhaltung (vgl. ebd., S. 54). Spiel findet in erster Linie in den Köpfen der Spieler statt.

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Interaktivität als Spiel Die Spielhaltung In den Momenten des erbittertsten Kampfes aber, wenn hinter oder fast schon neben [den Rennfahrern] der Wagen des Gegners sich heranschiebt, denkt keiner mehr daran, was die anderen, die auf den Tribünen sitzen und zuschauen, ihr ›Leben‹ nennen. [...] Das alles ist verschwunden, gleichgültig und wesenlos geworden. Der Wille zu kämpfen und zu siegen, getragen und gesteigert von dem Hochgefühl eines unheimlichen Kraftbewußtseins und dem gefährlichen Rausch irrsinniger Schnelligkeiten, ist einzig und allein restlos beherrschend. Manfred von Brauchitsch [vB43, S. 57]

Spiel ist subjektiv und gründet auf der Einnahme einer bestimmte Perspektive seiner Spieler: »The act of play is the act of interpretation.« [SZ04, S. 372] Das konkrete Spiel erwächst dabei aus der Spielhaltung [Hui56, S. 56] seiner Spieler; diese Sichtweise wird auch als »state of mind« [SZ04, S. 574], »attitude« (Bernard Suit zit. n. [SZ04, S. 574]), »psychological frame« ([Bat71, S. 191] zit. n. [SZ04, S. 370]) und »cognitive frame« [SZ04, S. 370] beschrieben. Ist Spiel nun »ein physischer, psychischer oder geistiger Prozeß? Ist es etwas ›Inneres‹ oder ›Äußeres‹? Ist es eine Funktion oder ein Zustand? Aktualitas oder Gebilde? Kann es vielleicht beides zugleich und somit selbst wesenhaft keines von beidem sein? Durchmustert man die Spieltheorien, so trifft man meist auf die Entscheidung, dass ›echtes‹ Spiel eine psychische Funktion sei: Gebilde wie das Schach-, das Tennis- oder das Reigenspiel werden nur dann als ›wirkliche‹ Spiele anerkannt, wenn ihre Spieler dabei eine ganz bestimmte psychische Einstellung haben. Von dieser Einstellung soll die Spielhaftigkeit des Spiels funktional abhängig sein.« [Sch65, S. 105f.] Das Gegenständliche eines Spiels ist zunächst nur äußerer Abglanz der inneren Haltung der Spieler. Was ein Geschehen für einen Spieler zum Spiel macht, ist seine subjektive Einstellung dazu; er handelt dann in der Spielhaltung. Er folgt dabei in erster Linie dem Geist des Spiels und nicht den Regeln. So wird in den Regeln zu Snooker die »willentliche [...] Umgehung des Geistes dieser Spielregeln« [BK93, S. 103, meine Hervorhebung] dadurch bestraft, daß »der Spieler [...] das Spiel aberkannt« (ebd.) bekommt. Spielen beschränkt sich offenbar also nicht auf das bloße oder 186

Spiel

buchstäbliche Befolgen von Regeln. Auch eine spezielle Umgebung oder bestimmte Gegenstände schaffen von sich aus kein Spiel (vgl. [Wei98, S. 468]). Nicht die konkrete Handlung oder Tätigkeit macht etwas zu Spiel, sondern die Perspektive der Spieler, die Spielhaltung. Spiel kann nur subjektiv erklärt werden; Spiel kann immer nur Spiel für jemanden sein ([Sch65, S. 192], vgl. auch Abschn. 4.4). Dies gilt nun nicht nur für Mannschafts- oder Wettkampfspiele. Auch das Spiel der Natur, etwa das Spiel der Wellen, wird erst zum Spiel, wenn es jemandem zum Spiel wird, wenn es jemand als Spiel ansieht; dies muß dabei nicht unbedingt oder automatisch geschehen. Spiel ist also nicht (im Sinne eines Artefakts oder Produkts), sondern wird bzw. passiert (im Sinne eines Prozesses). Was ist nun diese Spielhaltung, die Spielern etwas zum Spiel werden läßt? Die Spielhaltung sei »der spielhafte Geist« [Hui56, S. 186], der über einen Menschen kommt, schreibt Huizinga. »Die Stimmung des Spiels ist Entrücktheit und Begeisterung, und zwar entweder eine heilige oder eine lediglich festliche, je nachdem ob das Spiel Weihe oder Belustigung ist. Die Handlung wird von Gefühlen der Erhebung und Spannung begleitet und führt Fröhlichkeit und Entspannung mit sich.« (Ebd., S. 129) Für Fischer ist »die Spielhaltung [...] im ernstesten wie im leichtesten Sinne immer ein ›Schweben über dem Leben statt eines Aufgehens in ihm.‹ [Fis25, S. 69]« [Sch65, S. 81] Die Spielhaltung ist eine Stimmung, die der Spieler ergreift und die den Spieler ergreift. Suits »lusory attitude« ist ein »state of mind whereby game players consciously take on the challenges and obstacles of a game in order to experience the play of the game itself. Accepting the artificial authority of the magic circle, submitting behavior to the constraints of rules in order to experience the free movement of play, is a paradoxical state of mind.« [SZ04, S. 574] Nach Bateson ist die Spielhaltung ein »delimited psychological frame, a special and temporal bounding of a set of interactive messages« ([Bat71, S. 191] zit. n. [SZ04, S. 370]). Das Spiel als solche Einnahme und Annahme einer Geisteshaltung ist als solche fragil, denn »[j]eden Augenblick kann das ›gewöhnliche Leben‹ seine Rechte zurückfordern, sei es durch einen Stoß von außen, der das Spiel stört, oder durch einen Verstoß gegen die Regeln oder von innen heraus durch einen Ausfall des Spielbewußtseins, durch Enttäuschung und Ernüchterung.« [Hui56, S. 28] In einem Spiel vereinen sich diese innere Haltung und eine äußere Anmutung, die sich natürlich gegenseitig beeinflussen und einander befruchten können. »In 187

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dem vollständigen Spiele entsprechen sich beide Seiten.« ([Sch61, S. 9] zit. n. [Sch65, S. 110]) Nach Huizinga ist die Spielhaltung eine Sichtweise, die etwas als Spiel ansieht und jemandem erst zum Spiel werden läßt (vgl. in diesem Sinne [Sch65, S. 58f.]), eine Perspektive, die die Spieler aller Spiele verbindet. Wenn Scheuerl die Spielhaltung schließlich stärker eingrenzt und nur noch als »Haltung [...] [eines Spielenden] seinem Spiel gegenüber« (ebd., S. 224) ansieht, bei allen Spielen verschieden, konkret etwa »der Eifer, die Aktivität, die ›Askese‹ des Dienens[,] [...] Gelöstheit, Behutsamkeit, äußerste Zurückhaltung« (ebd., S. 225, vgl. ebd., S. 222ff.), erklärt sich daraus seine Ansicht, Spiel könne unabhängig von der Spielhaltung auftreten (vgl. ebd., S. 106ff.). Die sinnliche Darstellung The game is perceived through the player’s visual, audio, and tactile senses and takes shape in the player’s mind. Mark Stephen Pierce [Pie98, S. 452]

Die sinnliche Darstellung eines Spiels unterstützt und ermöglicht es in vielen Fällen und bietet ggf. auch einen zusätzlichen Reiz zu spielen; ein Spiel findet oft seinen Ausdruck in konkreten, äußerlichen und gegenständlichen Handlungen, bestimmten Tätigkeiten und dem Umgang mit speziellen Gegenständen. Die Spielhaltung der Spieler und der äußere Ausdruck eines Spiels können sich beeinflussen und auch gegenseitig befruchten (vgl. [Sch61, S. 9]). Die konkrete, gegenständliche oder sinnliche Darstellung erscheint aber zunächst nur als Folge, Ausdruck und Abglanz der Spielhaltung. So ist etwa das Schachbrett zwar eine hilfreiche materielle Repräsentation für die Spieler, die allerdings konzeptionell nicht notwendig wäre und bei einigen Spielen tatsächlich auch nicht notwendig ist. Es ist auch völlig unerheblich, ob mit Plastikfiguren auf dem Rücksitz eines Autos oder mit Elfenbeinfiguren auf einer Bühne gespielt wird (vgl. dagegen [SZ04, S. 509]). Spiel findet in erster Linie in den Köpfen der Spieler statt. Im Umgang mit dem Computer steht vermeintlich die sensorische Realisierung der Interaktion gegenüber den durch sie geschaffenen Möglichkeiten des Eingriffs im Vordergrund (vgl. etwa [ACM03], zum Verhältnis von eigenem Handeln und medialer Repräsentation s. auch Ab188

Spiel

schn. 4.1.8). Der konkrete Ausdruck des Spiels ist allerdings nur Anstoß für die dann keineswegs automatisch folgende Erfüllung des Gefühls von Teilnahme. Der Eindruck der Teilnahme am Computerspiel hängt nach kurzer Zeit, in der der Spieler überwältigt wird von der berauschenden Graphik und eingelullt wird von den raffinierten Sounds, von den gebotenen Handlungsmustern (vgl. Abschn. 3.1.1) ab, die ihn dann faszinieren und einbeziehen. Es kann festgehalten werden, daß je wettkampforientierter Spiele werden, desto reduzierter sie in der Darstellung werden. Die Lust am Vorspielen weicht fast vollständig der am Messen der Kräfte, an der Bezwingung der Herausforderung und am Wettstreit. 4.5.3 Die Spielwelt Wenn Spiel nicht an bestimmte Inhalte, Tätigkeiten, Gegenstände, Verkleidungen, Zeiten oder Orte gebunden ist (vgl. Abschn. 4.5.1) und in erster Linie eine Frage der Perspektive darstellt (vgl. o.), stellt sich nun die Frage nach der Beziehungen von Spiel und Welt sowie von Spiel und Nichtspiel (vgl. auch Abschn. 4.1.6). Wenn Silverstone ([Sil99, S. 60] zit. n. [Küc04, S. 12]) schreibt, daß »[p]lay [...] part of everyday life« sei, »just as it is separate from it«, mischt er zwei unterschiedliche Sichtweisen auf Spiel: Spiel ist Teil des natürlichen Lebens, aber kein Teil der alltäglichen Welt. Was kann nun als Spiel gelten und was nicht? Was steht dem Spiel entgegen? Wer entscheidet, was Spiel sein kann? Im Spiel und im Schauspiel treten Spieler und Schauspieler in eine andere, spezielle Welt ein, die sich von der alltäglichen Welt deutlich unterscheidet, obwohl sie räumlich und zeitlich direkt in ihr liegt und sich in ihren Tätigkeiten nicht wesentlich von ihr unterscheidet. Dieser Wechsel gehört wesentlich zum Spiel, er ist Voraussetzung und Folge von Spiel. Der Eintritt eines (Schau-)Spielers ins Spiel ist gekennzeichnet durch einen bewußten Akt des Verlassens der einen und des Betretens der anderen Welt, der Spielwelt. Sichtbar wird dies durch das Betreten eines gesonderten, besonders gekennzeichneten Bereichs, eines Spielfelds oder einer Bühne etwa. I. d. R. sind die Spieler dabei bereits verkleidet, d. h. in Mannschaftstrikots oder Bühnenkostüme gekleidet, die sich deutlich von Alltagkleidung unterscheiden und sie gegenüber Leuten, die nicht am Spiel teilnehmen, absetzen. Ein Austausch zwischen diesen Welten findet üblicherweise nicht oder nur sehr begrenzt in einer fast rituellen Form statt. Die andere Welt besteht nur eine begrenzte, i. 189

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d. R. kurze Zeit, etwa 90 Minuten oder einen Abend lang. Wenn der Schlußpfiff im Stadion ertönt oder das Scheinwerferlicht auf der Bühne erlischt, hört sie auf zu existieren. Die Spieler verlassen die Spielwelt, gehen vom Spielfeld und der Bühne, steigen aus ihren Verkleidungen und treten wieder in die alltägliche Welt ein. In der Spielwelt, in die die Spieler bewußt und willentlich eintreten, geben sie sich dem Spiel völlig hin, lassen sich einnehmen und forttragen von ihrer eigenen Spielstimmung. »›Gespielt-werden‹, das ist streng genommen ein Widerspruch in sich selbst. Das Phänomen einer Bewegung, die frei von Zieldruck und Triebdruck sein soll und die als in sich selbst zurücklaufend und in sich unendlich keinen inneren Anfang und kein inneres Ende kennt, kann nicht passiv ›getan werden‹. Sie muß immer, auch dort, wo man versucht, sie willentlich zu erzeugen, gleichsam ›von selbst‹ entstehen.« ([Sch65, S. 131], vgl. auch ebd., S. 133f.) Der Eintritt ins Spiel Ich sah die schwerfällige Ordnung und Gesetzmäßigkeit des Alltags aufgehoben, die Hindernisse und Umständlichkeiten, die im gemeinen Leben sich der Begierde entgegenstellen, auf schwebende und glückselige Weise beiseite geräumt. Thomas Mann [Man00a, S. 49]

Was bedeutet es nun, wenn ein Spieler in ein Spiel eintritt, was ist das Besondere oder gar das »genuinely magical« [SZ04, S. 95], wenn ein Spiel beginnt? Zunächst bedeutet der Eintritt in ein Spiel das Verlassen der alltäglichen Welt, »to move across a threshold, to leave something behind – one kind of order – and to grasp a different reality and a rationality defined by its own rules and terms of trade and action« ([Sil99, S. 60] zit. n. [Küc04, S. 12]); dies geschieht durch das Kennen und Annehmen der Bedeutungen dieses Spiels sowie das Handeln in ihnen [SZ04, S. 256]. Die Dauer des Eingetreten-Seins ins Spiel fällt zusammen mit der Existenz des Zauberkreises (Huizinga) des Spiels ([SZ04, S. 333], s. Abschn. 4.1.6). Tritt ein Spieler in ein Spiel ein, spielt er nicht auch noch ein Spiel, sondern nur noch und ausschließlich; er hört für die alltägliche Welt geradezu auf zu existieren, und die alltägliche Welt für ihn, zumindest für eine gewisse Zeit. »Viele von uns befrage Spieler versenken sich offensichtlich so intensiv in ein Computerspiel, daß sich ihnen eine Welt eröffnet. Die Aufenthalte dort wurden mit Begriffen beschrie190

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ben wie: ausklinken, mich vergessen, abtauchen, fesseln, reinversetzen, reinfinden, drin sein, ausleben, verfallen, ganz dabei sein, abschalten, vertiefen. Die Intensität des Erlebens wird dadurch gesteigert, daß die Spielwelt ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration fordert [...].« [Fri99, S. 92] Damit etwas für jemanden zu einem Spiel werden kann, in das er eintreten kann, müssen die Kennzeichen des Spiels für ihn darauf zutreffen (s. Abschn. 4.1). Nicht jede fremde oder abgeteilte Welt (oder jedes System) ist eine Spielwelt. Für Alice etwa sind ihre Abenteuer im Wunderland kein Spiel und das Wunderland keine Spielwelt, wie Salen und Zimmermann [SZ04, S. 368] anführen, denn sie ist nicht freiwillig dort bzw. kann nicht aufhören oder aussteigen, wenn und wann sie will; die Regeln der fremden Welt sind ihr nicht klar und ihr droht möglicherweise Gefahr. Die Abgrenzung von der alltäglichen Welt spielt für das Spiel eine wesentliche Rolle. Während zunächst nicht klar ist, ob beim Eintauchen in die Spielwelt der Reiz darin liegt, in eine andere Welt hineinzukommen oder die alltägliche zu verlassen, ist klar, daß weder das eine noch das andere der Grund des Spiels ist, sondern nur ein Nebeneffekt (vgl. Abschn. 4.1.7). Die Sehnsucht nach dem, was gerade nicht vorhanden ist, ist ein Thema, das Medien schon lange beschäftigt (vgl. auch Abschn. 4.5.5). Vermutungen, »hinter der Faszination an der Virtuellen Realität [stehe] nicht so sehr das Gefallen an der Täuschung, sondern der alte Traum, sich von der Erdenschwere zu lösen, alles unter sich zu lassen, mit einem entfernten Blick von oben auf die Welt zu sehen, wie die Götter durch die immateriellen Räume gleiten zu können und dabei gleichzeitig hier und dort, fort und da zu sein« [Röt93c, S. 92] oder »[j]edes Spiel [...] [sei] der Versuch, der Gesellschaft zu entkommen« [SR84, S. 37f.] greifen Facetten des Phänomens Spiel auf, treffen jedoch nicht seinen Kern. Spiel und Welt By manipulating a world inside a computer, people realized that they were capable of making things happen by their own creativity. Once you had that power, you could do anything. Steven Levy [Lev94]

Zur Beziehung von Spiel und Welt kann zunächst festgestellt werden, daß das Spiel nicht immer als so entweder überflüssig oder zweckmäßig 191

Interaktivität als Spiel

gesehen wurde, wie es heute offenbar verbreitet gesehen wird (vgl. Abschn. 4.1.7). »While games are considered frivolous today this has not always been so. [...] Considering the historical record of games it is easy to agree with Johan Huizinga when he writes ›Play is older than culture, for culture, however inadequately defined, always presupposes human society, and animals have not waited for man to teach them playing.‹ [Hui55] In Homo Luden[s] Huizinga demonstrates play, play elements, and play forms which permeate all aspects of human cultures: language, art, law, war, knowing, and of course play.« [Gil97] Alles kann von jemandem als Spiel angesehen, gespielt und erlebt werden; die Voraussetzung dafür ist die (subjektive) Erfüllung der Kennzeichen des Spiels (s. Abschn. 4.1): »Alles kann Gegenstand des Spiels werden, und das Spiel ist das Jonglieren mit den Gegenständen, Zeichen und Bewegungen in einem Raum, in dem sich alles mit allem verbinden kann.« [Pia02, S. 86] In einigen Aktivitäten mag das Spiel dabei näherliegen als in anderen; es liegt aber vollkommen in der Einnahme einer Perspektive, ob etwas jemandem als Spiel erscheint. Spiel als »a particular way of looking at something, anything« ([Abt70] zit. n. [SZ04, S. 4]) kann in diesem Sinne als Perspektive für alles gelten (ebd.), denn »play is latent in any human activity« [SZ04, S. 307]: »Wir spielen immer, wer es weiß, ist klug.« [Sch95] zit. n. [Sch05b, S. 50]) Was dem einem Menschen als der sprichwörtliche bittere Ernst vorkommt, empfindet ein anderer als Spiel: »Der Samurai vertritt die Auffassung, daß das, was für einen gewöhnlichen Menschen Ernst ist, für den Tapferen nur Spiel sei.« [Hui56, S. 103] Wird nun gesagt, daß etwas jemanden zum Spiel wird, ist nicht gemeint, daß etwas äußerlich oder für andere zum Spiel wird, während es für den Ausführenden Arbeit, Zwang oder Mühsal bleibt. Gemeint ist dabei auch weder Selbsttäuschung noch Illusion, sondern, daß der Ausführende eine Tätigkeit in der Spielhaltung ausführt, und er diese selbst tatsächlich als Spiel erlebt [Sch65, S. 126]. Kurzum, wenn Spiel als Perspektive gelten kann, kann potentiell alles gespielt werden; Spiel ist eine Frage der Entscheidung: ». . alle Arten von Tätigkeiten, alle kollektiven Verflechtungen solcher, alle Lebensgebiete (können) sowohl als ›Spiel‹ wie als ›Arbeit‹ auftreten . . . alles, schlechthin alles kann gespielt werden.« ([Fis25, S. 68] zit. n. [Sch65, S. 126], zum Spiel als Perspektive auf die Welt vgl. [SZ04, S. 2]) Im Umgang mit dem Computer mag dieser Umstand besonders deutlich werden. Gemeint ist allerdings nicht, daß sich die alte (und überhol192

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te) Trennung der Welt in (hauptsächlich) Arbeit und (ein bißchen) Spiel nun durch die Computertechnik, die neuen Medien oder die Spaß- und Spielgesellschaft ein bißchen durchlässiger darstellt (vgl. in diesem Sinne u. a. [Sil99, S. 62]) – Spiel ist eine grundsätzliche Frage der subjektiven und individuellen Perspektive und somit eine Möglichkeit, die Welt zu sehen: Wenn jemand mit dem Computer spielerisch umgeht, wie geht er dann mit der restlichen Welt um? (F. Wilhelm Bruns, pers. Komm., 19. Jan 2005) Das Nichtspiel Ein Geschehen kann aber objektiv nur entweder spielhaft oder nicht-spielhaft sein. Das Urphänomen Spiel ist eine unteilbare Ganzheit. Hans Scheuerl [Sch65, S. 222]

Wenn Spiel existiert, wovon hier ausgegangen wird, und nicht alles Spiel ist, gibt es offenbar auch Nichtspiel ([Bat83, S. 316] n. [Küc04, S. 7], vgl. [SZ04, S. 4]). Was ist kein Spiel? Es werden immer wieder dieselben Vermutungen geäußert, was als Gegensatz zum Spiel anzusehen sei: »Spiel als Gegensatz von Ernst; Spiel als Gegensatz von Wirklichkeit; Spiel als ein zweckloses, scheinhaftes Handeln gegenüber dem zweckvollen, sinnhaften Tun; Spiel als Teil des freien Kinderlebens im Unterschied zum erwachsenen Leben in Pflicht. Mal wird es als etwas Gutes, zutiefst Humanes, mal als etwas Böses, als Teufelswerk klassifiziert. Aber vor allem gilt der Gegensatz von Spiel und Arbeit. So etwa könnte man das moralische Credo der Arbeitsgesellschaft im Industriezeitalter formulieren: ›Wer arbeitet, der spielt nicht. Und wer spielt, der arbeitet nicht, sondern wird sein Leben verspielen‹.« ([Ric04a, S. 5f.], vgl. auch [RB04, S. 4]) Auch die Technik gilt manchmal als Gegenpol des Spiels oder zumindest als sein Hindernis. Das Spiel soll Maschinen möglichst ausgetrieben werden. Die Technik kann allerdings selbst zum Spiel und auch zum Mittel des Spiels werden. »Der Philosoph Gianni Vattimo greift die Ideen Herbert Marcuses [a]m Ende des 20. Jahrhundert[s] auf, betont jedoch einen wichtigen Unterschied. [...] Die Technik ist die entscheidende Kraft, die heute die Emanzipation des Individuums mobilisieren kann. [...] Ihre technologischen Möglichkeiten, ihre neuen ästhetischen Eigenheiten – und nicht länger eine Theorie des vollständig freigesetzen, 193

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natürlichen Individuums – setzen die Maßstäbe für einen Entwurf vom Individuum, das mit und in den technologischen Herausforderungen selbst seine emanzipatorische Bestimmung sucht. [...] ›Die Menschheit muß sich heute auf die Höhe ihrer technischen Möglichkeiten begeben und das Ideal eines Menschen schaffen, der sich dieser Möglichkeiten bewusst ist und sie bis zum Letzten ausschöpft. Und diese besteht für uns (...) in einer radikalen Ästhetisierung der Existenz‹ [Vat98, S. 25].« [RB04, S. 7] Dies impliziert natürlich nicht, daß die Technik des Menschen in jedem Falle mit Spiel oder gar seinem Glück verbunden sei. »Seit der Aufklärung ist das Verhältnis von Spiel und Technik einen mühevollen Weg gegangen, mal zu Lasten, mal zum Nutzen des Glücks der Menschen. Immer wieder hat sich an ihrem Verhältnis das Problem der Unterdrückung des Menschen durch Arbeit und Technik festgemacht. Aber die Technik brachte zugleich auch immer Fortschritt, Befreiung von der Mühsal und der Not. Maschinenangst und Maschinenwahn, diese gesellschaftlich tief verwurzelten Neurosen der Menschheit, kennzeichnen begrifflich diese Dichotomien und werden uns vermutlich auch weiterhin begleiten.« (Ebd., S. 8) Selbst die Kultur als »what exists outside the magic circle of a game, the environment or context within which a game takes place« ([SZ04, S. 508], vgl. zur Kultur als Hintergrund für das Spiel ebd., S. 574) wird als Gegensatz zum Spiel angeführt. Auch innerhalb des Spiels wird das Nichtspiel vermutet; aber selbst das Falschspiel (etwa auch cheats bei Computerspielen) ist offenbar nicht mit Nichtspiel gleichzusetzen und scheint dem Spiel zunächst nicht zu widersprechen. Ein Spielverderber jedoch, »der sich den Regeln widersetzt oder sich ihnen entzieht« erscheint nicht bloß als ein Falschspieler. »Dieser stellt sich so, als spielte er das Spiel, und erkennt dem Scheine nach den Zauberkreis des Spiels immer noch an. Ihm vergibt die Spielgemeinschaft seine Sünde leichter als dem Spielverderber, denn dieser zertrümmert ihre Welt selbst. Dadurch, daß er sich dem Spiel entzieht, enthüllt er die Relativität und die Sprödigkeit der Spielwelt, in der er sich mit den anderen für einige Zeit eingeschlossen hatte.« ([Hui56, S. 18f.], s. auch ebd., S. 56f.) Spiel hat Grenzen; es ist deutlich unterschieden von der alltäglichen Welt; es gibt Tätigkeiten, die kein Spiel sind und Situationen, in denen nicht gespielt wird. Spiele sind »removed from ordinary life« [SZ04, 194

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S. 572]; wenn sie das nicht wären, wären sie kein Spiel, sondern eben ordinary life. Ohne die Abgrenzung des Spiels vom Nichtspiel gäbe es kein Spielfeld, keine Sicherheit, keine Regeln etc., und damit kein Spiel. Außerhalb des Zauberkreises des Spiels drohen die Gefahren und Zwänge der alltäglichen Welt, die das Spiel behindern. Es erscheint dabei nun zumindest zweifelhaft, daß die Grenzen des Spiels etwa entlang den Linien von Arbeit, Ernst oder Realität gezogen werden können: »Wir wollen nicht mehr akzeptieren, daß Kunst, Information, Bildung, Wissenschaft oder Arbeit ein Gegensatz zum Spielerischen sein soll.« ([Röt93b, S. 27] zit. n. [Ric04a, S. 9]) Eine neue Definition der Beziehung von etwa dem »Technischen« und dem »Ästhetischen« werde »dazu beitragen, das Zeitalter der Industrialisierung endgültig zu beenden und Spiel und Technik in offene, wechselseitig noch zu gestaltende Zusammenhänge zu überführen« [RB04, S. 8]. Das Spiel als entweder überflüssige oder gar schädliche oder als zweckhaft und absichtsvoll eingesetzte und geschätzte Tätigkeit der Unterhaltung (s. Abschn. 4.1.7), des Lernens, der Übung, des Trainings, der Kindheit und Jugend im Gegensatz zu (späterer) Arbeit, dem Ernst oder der Realität erweist sich als unangemessene Sichtweise, die dem Phänomen nicht gerecht werden kann: »According to Huizinga, play and games, which have been maligned in recent history as trivial and frivolous, are in fact at the very center of what makes us human.« ([SZ04, S. 32], vgl. [Sch60a]) 4.5.4 Spiel als primäre Lebenskategorie Das Phänomen des Spiels erscheint als »Urprinzip« [Sch65, S. 114f.]: »Im Spiel haben wir es mit einer für jedermann ohne weiteres erkennbaren, unbedingt primären Lebenskategorie zu tun [...].« [Hui56, S. 11] Alfred Peters bezeichnet das Spiel als »ein Urphänomen wie Kampf und Liebe« ([Pet27, S. 13] zit. n. [Sch65, S. 115]) Spiel als primäre Kategorie läßt sich nicht aus anderen Phänomenen heraus erklären oder auf sie zurückführen. Daraus ist allerdings nicht zu folgern, daß Spiel nicht begrifflich zu erfassen oder wesensmäßig zu charakterisieren sei. »Alles Bisherige weist darauf hin, dass sich Spiel als ein ›Urphänomen‹ verstehen lassen müßte, d. h. als ein Letztes (oder Erstes), das sich nicht mehr aus anderen Erscheinungen ableiten oder erklären lässt. Als solches könnte es dem wahrnehmenden Auge grundsätzlich in a l l e n Erscheinungsbereichen begegnen: im physischen wie im psychischen, im sozialen wie im objektiv-geistigen Raum. Es stünde h i n t e r allen empirischen Erscheinungen und leuch195

Interaktivität als Spiel

tete gleichsam durch die einzelnen (möglichweise kausal oder teleologisch ganz verschieden erklärbaren) Spielphänomene hindurch.« [Sch65, S. 115] Wenn Spiel als Urprinzip nun »weder ein Vorgang im physischen noch im psychischen noch im geistigen Bereich, wenn es seiner Natur nach weder eine Handlungsform noch ein Gebilde sein kann, wenn es andererseits aber auch kein bloßer Allgemeinbegriff ist, den man vordergründig von vagen Ähnlichkeiten abzieht, wenn also seine Natur weder in der Ebene des Konkreten noch gleichsam vor ihr in einer Schicht bloßer abstrahierter Werkzeugbegriffe lokalisierbar ist, dann bliebe nur noch denkbar, daß sie dahinter beheimatet sei: daß Spiel seiner Natur nach ein Letztes sei, ein nicht weiter Zurückführbares, das den verschiedenen konkreten Erscheinungen zugrunde liegt, ein Urprinzip hinter allen Bereichen.« (Ebd., S. 114f.) Spiel scheint damit »als eins der allerfundamentalsten geistigen Elemente des Lebens angesehen werden zu können.« [Hui56, S. 34] Das Spiel als Teil des Lebens ist nicht auf bestimmte Teile des Lebens beschränkt, denn alles kann zu Spiel werden [Sch65, S. 140]. Das Spiel ist somit Teil des ganzen Lebens: »Ästhetisch, d. h. dem Prinzip des Spiels unterliegend, ist für SCHILLER eine Sache dann, wenn sie sich ›auf das Ganze aller verschiedenen Kräfte‹ bezieht, ›ohne für eine einzelne derselben ein bestimmtes Objekt zu sein.‹ [SchoJ, Anm. zum 20. Brief, S. 78] Nur deshalb ist es keine Vermessenheit, wenn SCHILLER behauptet, der Mensch sei ›nur da ganz Mensch, wo er spielt‹ (ebd., 15. Brief, S. 59). Gehörte Spiel einem ästhetischen Sonderbereich an, so bliebe dieser Satz unverständlich. Mit Recht könnte man ihm entgegenhalten, daß der Mensch auch da, wo er liebe, kämpfe, arbeite, bete, ›ganz Mensch‹ sei, und daß es keine Tätigkeit gebe, in die er nicht sein ganzes Menschentum einströmen lassen könne und solle. Indem aber SCHILLER im Spiel nicht e i n Verhalten neben vielen anderen sieht, besagt jener Satz für ihn einmal dies: daß der Mensch nicht ›ganz Mensch‹ sei, wenn er n u r arbeite, n u r kämpfe, n u r bete; und anderen, daß er auch dann nicht frei und er selber sei, wenn er nur aus Triebimpuls oder nur aus Pflichterfüllung, nur um der Befriedigung einer Notdurft oder eines Zweckes willen zu handeln oder zu beten versuche.« [Sch65, S. 88f.]

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4.5.5 Effekte des Spiels im Umgang mit dem Computer Finally you’d ask [the salesman] the question that almost every Apple owner asked in 1980 or 1981: ›What’s the hot new game?‹ [...] Then you would plunk down your twenty or twentyfive or even thirty-five dollars and go home for what was the essential interface with the Apple. Playing games. Steven Levy [Lev94]

Dort, wo die Kennzeichen des Spiels auf den Umgang mit dem Rechner zutreffen, kann sich das Spiel in vielerlei Hinsicht äußern, etwa in Verbindung mit spielerischem Lernen, Ausprobieren, Kreativität und als »internal drama created by [...] self-gambling« ([Dom98, S. 186], vgl. ebd., S. 187f.). Dieses Spiel ist jedoch nicht als Protest zu verstehen. Lernen geschieht nur durch eigenes Handeln; entscheidend ist also, eine Lernsituation zu schaffen, in der möglichst frei experimentiert werden kann. Das selbstbestimmte Ausprobieren, Probehandeln und explorative Lernen, das im Umgang mit dem Rechner gefahrlos realisiert werden kann, eignet sich offenbar in besonderer und durchaus effektiver Weise dazu. Es scheint sogar so zu sein, daß das Spiel nach Meisterschaft verlangt; je höher die Fertigkeiten der Spieler, desto freier wird das Spiel. Das Spiel setzt Lernen also voraus. Das Spiel zum Lernen zu instrumentalisieren widerspricht jedoch seinem Wesen. Genau wie das Ausprobieren, das explorative Lernen und das Probehandeln geschieht Kreativität in einer Situation der Freiheit, der Sicherheit und der Kompetenz. Das Spiel scheint mit der Kreativität eng verbunden zu sein; beides tritt gemeinsam auf und befruchtet sich gegenseitig. Der Computer ist »a realm already shaped by the structures of games« [Mur97, S. 129]. Der Umgang mit ihm kann einem user als Wettstreit mit der Maschine oder mit sich selbst erscheinen. Die hohe Interaktivität und die differenzierte Reaktion des Rechners auf Aktionen des users ermöglichen und unterstreichen diesen Eindruck. Der Verlauf und der Ausgang der Interaktion ist in vielen Fällen offen. Das Spiel im Umgang mit dem Computer widersetzt sich augenscheinlich allerlei Regeln; es ist dennoch nicht in erster Linie als Protest gemeint oder so zu verstehen. Seine Spieler spielen nicht im Sinne eines Streiks oder einer Demonstration. Sie spielen weder, um eine andere 197

Interaktivität als Spiel

Tätigkeit zu unterlassen oder zu umgehen, noch, um etwas außerhalb des Spiels Liegendes zu erreichen. Ausprobieren und Lernen It’s hard to explain this one, but if you were one of us and did it, then you would understand. Brett Williams [Wil88, S. 104]18

Lernen gilt hier als Prozeß, sich Fertigkeiten anzueignen, die »nicht durch Reifung von selber entsteh[en]. Lernen bedeutet, ›daß zunächst einmal ein nicht angeborenes Verhalten vom Lebewesen geleistet wird‹ [Kof25, S. 116]. In jedem Falle handelt es sich beim Lernen um einen Prozeß, der sich nicht mit Naturnotwendigkeit von selbst vollzieht, um eine Vervollkommnung, die auch ausbleiben kann; ›wenn sie sich doch vollzieht, so ist sie eine Neuerwerbung‹ (ebd., S. 29).« ([Sch65, S. 169], s. auch ebd., S. 169ff.) Ein Lernender lernt nur, indem er selbst etwas tut; er lernt dabei nur das und genau das, was er tut: »Es gibt keine Möglichkeit, irgend einem Menschen fremde Gedanken beizubringen, so wenig man einem Obstbaum fremde Früchte beibringen kann.« ([Ott05, S. 45] zit. n. [Sch65, S. 22f.]) Ein (wohl klassisches) Beispiel dafür mag das schulische Lernen von Mathematik (Algebra) sein: »[...] people who have learned Algebra become very good at using Algebra to solve textbook-like problems within school situations, but develop very different strategies for solving real-world problems [BFVS89, LW91, Pea93].« [Squ02] Nach Dewey ist »Lernen [...] primär [das] Sammeln von Erfahrungen. Erfahrung erwirbt man jedoch nur durch tätigen Umgang mit Menschen und Dingen. Tätigkeiten bilden so das Zentrum der Erfahrungen, ihr ›substanzielles Mark‹ (Dewey).« [Gre80, S. 65] Alle Erfahrung, die der Lernende durch eigenes Handeln und Ausprobieren macht, ist seine eigene Erfahrung. Das, was mit einiger Berechtigung als Lernspiel gelten kann, kann nur das »experimentierende Spielen« oder vielmehr das spielerische Ausprobieren sein, bei dem der Spieler von seiner Neugier geleitet Freiräume nutzt und Fehler macht: »In Experimentalspielen (mit Stäbchen, Klötzen, technischen Baukästen usw.) gewinn[t] [das Kind] neue Erkenntnisse [...].« (Walter Reichert n. [Sch65, S. 54]) In diesem Sinne lernt auch ein computer user. 18 | Zit. n. [Win95, S. 125, Anm. 213]

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Das äußere, sichtbare und konkrete Spiel des Ausprobierens, Probehandelns etc. ist die Folge der subjektiven und individuellen Spielhaltung (vgl. o.), die etwa ein computer user einnimmt und an Hand derer er handelt. In dem Maße, wie sich der Computer vom instrumentalen Gerät zum medialen Ausdrucksmittel wandelt, wird das Spiel sichtbar zunehmen, denn kreative Prozesse setzen spielerisches (und auch konkretes) Ausprobieren voraus und speisen sich auch aus diesem. Bei kreativen Arbeiten mit dem Rechner tritt Ausprobieren selbstverständlich auf und wird durch seine besonderen Eigenschaften gefördert und sogar gefordert. In einer Anleitung [SteoJ, S. 3] wird vorgeschlagen: »The relationship between the [sound effect] parameters is a little bit intricate, so we suggest you start out by selecting a Program as close to the desired result as possible and then modify the settings as desired.« Dieses Ausprobieren kann auch gesehen werden als das Erforschen eines Möglichkeitsraumes und findet in unterschiedlichen Maße in allen Tätigkeiten statt, nicht nur in kreativen oder künstlerischen. Das Spiel ist allerdings stets auch explorativ ([SZ04, S. 165], vgl. [Wal05]) Die Methode des (spielerischen) Ausprobierens kann dabei durchaus als effektiv und erfolgreich angesehen werden. »Claude Levi-Strauss and Seymour Papert have called this incremental isolated ›natural‹ learning: bricolage – which means making something by ›tinkering around‹. This is one of the reasons that engineering predates science by thousands of years; some constructions can be accomplished gradually by trial and error without needing any grand explanations of why things work.« [Kay95] Einerseits wird Spiel als Tätigkeit gepriesen, in der frei und unbeschwert ausprobiert und gelernt werden kann, andererseits kommt Spiel kaum zustande, wenn die Spieler nicht ein gewisses level an Fertigkeiten ins Spiel mitbringen. Es ist ein deutlicher Unterschied zwischen Spielerei und Spiel auszumachen (vgl. [Sch65, S. 144f.]). Zunächst trifft es sicher zu, daß etwa computer user durch Ausprobieren viel lernen, denn am Computer, so heißt es, kann alles ausprobiert werden, ohne etwas zu beschädigen. Home computer use »has continued to be characterised by a kind of exploratory play with computer or software systems« ([LDG+ 03, S. 264] zit. n. [Küc04, S. 23]). Dazu trägt sicher auch die undo-Funktion bei. Das Spiel allerdings verlangt nach Meisterschaft oder zumindest nach einer gewissen (Vor-)Übung: »Spieltätigkeiten bedürfen, da sie zielgerichtete, sinnvoll koordinierte Handlungsfolgen sind, stets minimaler Kenntnisse und Fertigkeiten, die erstmalig entdeckt, außerhalb des 199

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Spiels erlernt oder in früheren, einfacheren Spielen bereits erworben sein müssen, bevor ein gelungenes Spiel überhaupt zustande kommen kann.« [Sch65, S. 193] Das Spiel setzt in vielen Fällen auch beachtliches Können auf Seiten der Spieler voraus und »stellt Forderungen. Es will verfügen über Kenntnisse und Fähigkeiten, die bereits erlernt sind [...].« (Ebd., S. 177, s. auch ebd., S. 144 und vgl. ebd., S. 177f.) Während das Spiel selbst angeboren ist, will jedes einzelne Spiel gelernt sein: Ein Spiel »will in jedem Falle gelernt sein und ist, eben weil es ›Kunst‹ und nicht ›Natur‹ ist, niemandem angeboren« (ebd., S. 145). Es kann also kein nennenswertes Spiel ohne Können, Leistung und (An-)Spannung des Spielers geben: »[...] ein Spiel, das zu seinem Zustandekommen vom faktischen Tun des Spielers nicht ein Mindestmass an ernsthafter Leistung verlangt, sinkt sogleich zu launischem Getändel herab, weil es den Spieler nicht ›fesselt‹. Wir nennen es Spielerei: Es erhebt sich nicht schwebend über die Grenze der Leistungsfähigkeit hinaus, erfordert kein ›Glücken‹, enthält keine Spannung, weil es keine Konzentration und Geschicklichkeit verlangt.« (Ebd., S. 150) Das notwendige und »vorbereitende Lernen im Dienste des Spiels« findet außerhalb und nicht während »des eigentlichen Spielens« (ebd., S. 179) statt. »Während des Spiels wird das Erlernte angewendet, immer wieder rekapituliert, damit zugleich eingeübt, gesichert, verfügbarer gemacht. Es wird zu immer festerem Besitz, der sich schließlich völlig automatisieren kann, so daß ich den Rahmen des Spiels wie ›im Schlafe‹ beherrsche. Aber nur den Rahmen des Spiels! Das, was innerhalb dieses Rahmens zum Schweben kommt, ist jedesmal neu und erfordert daher jedesmal eine Konzentration, die nur Einmaligem, Unwiederbringlichem zukommt.« (Ebd., S. 179) Lernt ein Spieler ein Spiel, so lernt er nur für dieses Spiel, und nicht fürs Leben o. a.: »Bildung d u r c h Spiel gibt es nur als Bildung z u m Spiel« (ebd., S. 205). Das spielerische Umgehen mit dem Computer kann sich ebenfalls nicht auf anfängerhaftes Herumprobieren am Rechner beschränken. »Solange man das Spielen lernt, spielt man noch nicht.« (Ebd., S. 178) Ein Anfänger bewegt sich noch nicht im Spiel, er probiert noch an der Fingerfertigkeit herum (wie etwa beim Üben des Geigenspiels). »In their study about the influence of playfulness on perceived ease of use of computers, Hackbarth et al. [HGY03, S. 222] come to the conclusion that stress tends to reduce playfulness, while experience with computers increases playfulness in the interaction with computers.« [Küc04, S. 23] Gespielt wird erst, wenn das Spiel beherrscht wird, und je höhere Fertigkeit auf Seiten der Spieler vorliegt, desto mehr Spiel kann stattfinden. 200

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Unbeholfenes Herumprobieren und Tölpelei können nur in einem beschränkten Maße als Spiel gelten. In vollem Maße gespielt werden kann erst, wenn die Spieltätigkeit gemeistert, die Regeln verstanden sind etc. Vorher wird nur ausprobiert, geübt und trainiert. Je mehr die Fertigkeiten wachsen und sich der Meisterschaft annähern, desto freier wird das Spiel. Explizites Lernspiel hingegen ohne Computer oder in den letzten Jahren auch zunehmend mit ihm (etwa unter dem Begriff der serious games) wird zwar vorgeschlagen, ist aber konzeptionell umstritten und bisher offenbar nicht erfolgreich. Wenn es propagiert wird, wird davon ausgegangen, daß Spiel instrumentell, etwa zum Lernen, zur Übung oder zum Training verwendet werden könnte, »the main reason being that children’s game addiction can be a good source of learning motives which can in turn improve the learning outcomes and effectiveness.« [LL06] Vorschläge in diesem Sinne werden etwa von Laurel [Lau93, S. 75f.] und Kay ([Kay96] unterbreitet: »One thing that is possible with computers and networks, that could get around some of the onslaught of ›infobabble,‹ is the possibility of making media on the Internet that is ›self teaching.‹ [...] This is a ›Montessori‹ approach to how some media might be organized on the Internet: one’s own interests provide the motivation to journey through an environment that is full of learning opportunities disguised as toys19.« Aus der Sicht des Spiels wird allerdings nicht gespielt, um zu lernen (vgl. Abschn. 4.1.7). Spiele als Mittel oder zum Zwecke des Lernens sind »keine echten Spiele« ([Rot50, S. 2] zit. n. [Sch65, S. 52]), in denen »das Lernen immer nur ein nicht vorausbestimmbares ›Abfallprodukt‹ [Rei50, S. 716] [ist], keinem Sollen und Wollen unterwerfbar.« [Sch65, S. 54] Die hier geäußerte konzeptionelle Kritik am Lernspiel bezieht sich nun nicht auf den Umstand, daß der Spieler im Spiel etwas lernte; sie bezieht sich darauf, dem Spieler gegenüber das eine zu sagen und das andere zu wollen: »Die ›Überlistung‹ [des Spielers beim Lernspiel] besteht gar nicht darin, dass das Lernen verborgen wird, sondern darin, dass sich der Auftraggeber des Lernens verbirgt.« (Ebd., S. 215) Jede Tarnung scheint auch im Falle des Lernens die ehrliche Auseinandersetzung zu hindern ([Wet50] n. [Sch65, S. 53], zur spielerischen Einkleidung von Lernzwecken vgl. [Sch65, S. 57f.]). Reichert fordert in diesem Sinne, 19 | Zum »[T]arnen« von »Lehrzwecken« durch Spiel vgl. [Sch65, S. 25].

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»daß neben dem Experimentierspiel und dem Spiel im ›ganz echten‹ Sinne nur ›unverblümte sachliche Forderung‹ zu stehen habe [Rei50, S. 717]. Das Kind habe ein Recht auf die Würde der Sache.« ([Sch65, S. 54], zum Lernspiel s. weiterhin ebd., S. 211–8) Es scheint nun der Sache nicht zu dienen, genauso unnötig wie unangemessen, und offenbar auf breiter Front auch nicht erfolgreich zu sein, Spiel zweckhaft zum Lernen zu mißbrauchen. Zunächst ist das Training oder der Lernerfolg eng auf den Bereich und den Kontext des Spiels beschränkt; Effekte darüber hinaus können offenbar nicht nachgewiesen werden [Squ02]. Weiterhin scheinen tatsächlich nicht viele erfolgreiche Lernspiele zu existieren; entweder scheint das Lernen vom Spiel völlig in den Hintergrund gedrängt zu werden, oder die Spieler lehnen das Lernspiel ab, da es ihnen nicht genug (freies) Spiel übrigläßt; nimmt nämlich der instrumentelle Bezug zum außerhalb des Spiels Liegenden überhand über das Spiel, und wird das Spiel nicht mehr um seiner selbst willen gespielt, beenden es die Spieler [LL06]. Wenn es also keine erfolgreichen Lernspiele gibt, liegt das nicht an mangelnder Absicht, konzeptionellen Widersprüchen oder moralischen Bedenken, daß das Spiel dazu nicht ge- oder vielmehr mißbraucht und der Spieler nicht über den Zweck oder den Auftraggeber des Spiels getäuscht werden sollte, sondern schlicht daran, daß Lernspiele nicht funktionieren [Aar07]. Nach Reichert wird »[s]chon im Begriff des ›Lernspiels‹ [...] etwas ›im Grunde Unvereinbares zusammengedacht‹ [Rei50]. Entweder es werde gelernt, oder es werde gespielt. Das Kind habe durchaus ein Empfinden für diesen Unterschied. Wo man es in die ›erlogene Situation‹ (ebd., S. 715) des Lernspiels bringe, da beseitige es selbst die Grenzverwischung, indem es sich entscheide, entweder zu lernen oder zu spielen.« [Sch65, S. 53] Kreative Prozesse [...] wer Neues entdecken will, Zusammenhänge konzeptuell verstehen will, ist auf spielerisches Handeln (im Sinne des ›explorativen Lernens‹ [Rau88]) angewiesen. Matthias Rauterberg, Hansjürgen Paul [RP90, S. 18]

Spiel und Kreativität scheinen einander zugewandt in einem engen und wechselseitigen Verhältnis zu stehen, das sich gegenseitig befruchtet. 202

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»Das Spiel wurde [in der Kunsterziehungsbewegung (zu Beginn des 20. Jhds.)] als Urschoß alles Gestaltens und Erlebens gesehen.« [Sch65, S. 15] Genau wie das Ausprobieren, das explorative Lernen und das Probehandeln geschieht Kreativität in einer Situation der Freiheit, der Sicherheit und der Kompetenz. Stapleton sieht Spiel als »ideal frame of mind in which to experiment interactively« [Sta98, S. 437]: »We saw that, through uninhibited play, new avenues of discovery could be found and that, through uninhibited exploration, new avenues of play were discovered.« (Ebd., S. 432) Für Kay [Kay72] wird das weltentdeckende Kind zum Adressat von Computernutzung; er meint damit alle user bzw. »children of all ages«, die sich dabei nun ihrem Spieltrieb und ihrer Kreativität hingeben. (Hans Dieter Hellige, pers. Komm., 28. Mai 2008) Im künstlerischen Bereich scheint eine unbestrittene und tiefe Beziehung zwischen Kreativität und Spiel zu existieren. »In den plastischen Künsten schien uns ein Spielsinn allem, war Ornament ist, eigen zu sein, d. h. der Spielfaktor ist bei der künstlerischen Formgebung vor allem da wirksam, wo der Geist und die Hand sich am freiesten bewegen können.« [Hui56, S. 191] Diese Beobachtung ist nun nicht auf den künstlerischen Bereich beschränkt, sondern besitzt auch für den Bereich technischer Entwicklung Gültigkeit. »Elemente des Spiels sind von wesentlicher Bedeutung für die Art und Weise, wie Technik erfunden, gestaltet und in den unterschiedlichsten Lebenszusammenhängen integriert werden kann.« ([Ada00, S. 242] zit. n. [RB04, S. 7]) Adamowsky sieht das Spiel in diesem Sinne als »das ästhetische Zentrum des Kreativen und Experimentellen, ohne das heute keine relevante technische Entwicklung mehr vorstellbar ist.« [RB04, S. 8] Beinhalten also kreative Tätigkeiten in jedem Fall das spielerische Moment? Jede Tätigkeit kann auch Spiel sein, und die kreative Tätigkeit ist stets auch Spiel. Kreative Tätigkeiten ähneln stark dem Spiel, denn Merkmale wie Freiheit, eine gewisse Spannung und Entspannung, Offenheit und Entdeckerfreude, die um ein fokussiertes Ziel kreist, Bewegung (mindestens geistig, aber oft auch körperlich), assoziatives Verbinden, das Entstehen von Neuem sowie Erfolg und Scheitern sind Merkmale, die ebenso und in gleicher Weise auf das Spiel zutreffen. Der spielerische kreative Prozeß ist nicht auf professionelle Designer, Maler oder Musiker beschränkt, sondern zeigt sich zunehmend deutlich auch im alltäglichen Umgang mit dem Computer, dessen Einfluß auf die Kultur und der Einfluß der Kultur auf ihn einerseits zunehmend greifbar, andererseits selbstverständlich werden. »Der künftige Mensch 203

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wird beim Schaffensprozeß zu Selbstvergessenheit mitgerissen werden. Er wird im Spiel mit allen anderen mittels der Apparate aufgehen. Es ist jedoch falsch, diese Selbstvergessenheit als ein Sichverlieren im Spiel anzusehen. Im Gegenteil, der künftige Mensch wird sich selbst im Spiel finden, er wird sich selbst darin konkretisieren.« ([Flu90, S. 80] zit. n. [Kel98, S. 94]) Der Umgang mit dem Computer entfernt sich dabei immer weiter von der analytischen und fabrikmäßigen Benutzung eines Automatens, der früher wohl ihr Kennzeichen war. Wenn der Computer zunehmend als kulturelles und alltägliches Objekt des Lebens gesehen wird und nicht nur von freaks beherrscht und kompetent angewandt wird20, nimmt sein Spiel-Potential zu. Damit eine Tätigkeit allerdings jemandem zu Spiel werden kann, muß sie sich dazu eignen: In einer nur repetitiven Tätigkeit oder bei »im Taylorismus bzw. ›Fordismus‹ wurzelnden Arbeitsplatz-Gegebenheiten wie Fließbänder und Akkord-Lohn«, bei der kein oder nur geringer Freiraum und Einfluß auf den Verlauf und das Ergebnis existiert und die »nicht die kleinste Enklave für das Spiel zulassen« [RP90, S. 30], kann der Handelnde sich nicht verlieren oder in ihr aufgehen – er kann sie mechanisch verrichten und sich gedanklich von ihr entfernen, aber dann verliert er sich nicht im Geschehen und geht nicht in ihm auf. Je mehr Kontrolle und Autonomie der Mensch in einer Tätigkeit gewinnt, etwa im Sinne der Eigensteuerung von Arbeit (Günther Voß), desto eher und größer sind die Möglichkeiten für Spiel gegeben. Levy [Lev94] charakterisiert in diesem Sinne die »attitude in the Apple world« der frühen 1980er Jahre: »If it’s not fun, if it’s not creative or new, it’s not worth it.« Internal gambling

Während der Umgang mit dem Rechner oft nicht wie ein Wettkampf konzipiert ist, wie etwa ein agonales Spiel (vgl. Abschn. 4.1.5), kann es einem user so vorkommen. Sieht er den Computer als Gegenspieler oder Herausforderung, findet eine Art interner Wettkampf mit sich selbst (bzw. gegen den Computer) aus einer souveränen Beherrschung des Rechners und exploratives Ausprobieren aus einer Situation der Sicherheit heraus statt21. Der Ausgang oder das Ergebnis seiner Interaktion steht nicht im Vorhinein fest, »the possibilities multiply as the user’s 20 | Gemeint ist die alltägliche Benutzung von Anwendungssoftware – nicht Computerspiel, der Bau von hardware oder die Programmierung von software. 21 | Vgl. in diesem Zusammenhang die Begriffe »risk-reward element«, »selfgambling« und »internal drama« bei [Dom98, S. 186], vgl. auch Flussers Beispiel

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choices call forth different visual or textual responses from the computer« [BG03, S. 24]. Sind mehrere user am Umgang beteiligt, mag die Ähnlichkeit zum Spiel noch deutlicher hervortreten. Wie der Spieler im Spiel, interagiert der computer user mittels für alle Beteiligten sichtbarer Handlungen und Gegenstände, während die internen Vorgänge der anderen Spieler und des Computers jeweils verborgen sind. Offenbar ist der Computer in seinen Reaktionen auf die Aktionen des users sowohl obskur als auch deterministisch genug, sodaß dieser mit ihm spielen kann [Suc87, S. 16]. Interessant ist, inwiefern der Umgang mit dem Rechner der Spielhaltung Raum gibt, das Ausprobieren gegenüber dem planvollen Abarbeiten im Umgang mit dem Computer immer deutlicher in den Vordergrund tritt und selbst in einem »totally manufactured environment« sich Raum öffnet für »danger, adventure and transgression« [DR01, S. 6]. Innerlich (als internal gambling) kann Spiel bei jeder Handlung stattfinden, auf die die Merkmale des Spiels (s. Abschn. 4.1) zutreffen; der Umgang mit dem interaktiven Computer scheint, verglichen mit anderen Tätigkeiten und dem Benutzen anderer Medien und Maschinen, durch gefahrloses und selbstkontrolliertes Probehandlen und Ausprobieren eine besonders deutlich ausgeprägte Affinität zum Spiel zu besitzen (vgl. auch [Kel98] und [Nak03, S. 143]). Spiel als Protest

Ist das Spiel im Umgang mit dem Computer nun von seinen Spielern als Protest gemeint, als Mittel, sich zu wehren und Ziele in der alltäglichen Welt zu verfolgen? Zunächst kann festgestellt werden, das schon immer Medien sowohl als Herrschaftsinstrument als auch als Instrument, diese Herrschaft abzuschütteln, verstanden und benutzt wurden. In diesem Spannungsfeld bewegt sich auch die Entwicklung des interaktiven Computers seit etwa den 1970er Jahren. Jede Entwicklung von Medien scheint in der Form von Bewegung und Gegenbewegung stattzufinden; auf die erste allgemeine Begeisterung über eine technische Erfindung folgt mit großer Wahrscheinlichkeit eine kulturelle Reaktion, die dieser entgegengesetzt ist. Richard und Bruns [RB04, S. 8] sprechen von der Dichotomie von »Maschinenangst und Maschinenwahn«. McLuhan nennt diesen Prozeß reversal. des Photographen und Levys Hinweis auf den Kampf des users mit dem Computer w. o.

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Interaktivität als Spiel

An der Entwicklung und Wahrnehmung des Computers ist diese Bewegung möglicherweise besonders deutlich festzustellen. Der Computer »wird als Grenzobjekt zwischen innerer und äußerer Realität, zwischen Materialität und Immaterialität, zwischen Spielzeug und Arbeitsmittel, zwischen Arbeitswelt und Freizeit, zwischen Entmündigung und Autonomie, zwischen Privatheit und Öffentlichkeit beschrieben.« [Kel98, S. 149] Das Paar aus Bewegung und Gegenbewegung (etwa in der technischen Entwicklung [McL02, S. 199]) ist nun kein mediales Phänomen, das erst mit dem Computer ausgelöst oder sichtbar wurde. Als Beispiel gibt McLuhan die Schreibmaschine an, »which carried the Gutenberg technology into every nook and cranny of our culture and economy«, die gleichzeitig auch »opposite oral effects« gehabt hätte, »a characteristic reversal. Such a reversal of form happens in all extremes of advanced technology, as with the wheel today.« (Ebd., S. 285, vgl. auch ebd., Kap. 10 »Roads and Paper Routes«, S. 97ff.) Grau [Gra04] weist auf den in der Kunstgeschichte stets stattfindenden Wettstreit zwischen hineinziehenden und herausstoßenden Kräften im Umgang mit Medien hin: Sinnesreiz durch neue Medien und hohes Suggestionspotential stünden der dann zunehmenden Medienerfahrung, der Gewöhnung und Abstumpfung gegenüber und bedingten sie aufs neue. Der Computer erweist sich sowohl als Kontroll- und Machtmittel als auch als Mittel, Freiheit zu erwerben und gegen Macht anzugehen: Die Machtfrage wird durch den Computer neu gestellt. Spätestens in den 1970er Jahren »wurde schmerzlich bewußt, daß vor dem Computer keineswegs alle Menschen gleich waren. Der Segen, den er für die einen brachte, war der Kummer für die anderen. Er stand nun, statt für die Verbesserung der Welt, für die Ausstattung der Macht. Seine Wunder konnten kaum noch jemanden blenden.« [SR84, S. 17] In diesem Zusammenhang wurde diskutiert, ob der Computer die Position des Individuums gegenüber Organisationen stärkt oder in Form von Überwachung schwächt. Dabei wurde schnell klar, daß der Computer beides war, sowohl ein »große[r] Ordnungsstifter« als auch »ein [...] heimliche[r] Anarchist« (ebd., S. 14). Am Spiel scheint diese Begegnung von Bewegung und Gegenbewegung, Kontrolle und Chaos exemplarisch deutlich zu werden [RP90, S. 31]. Auf die HCI bezogen heißt das, daß »Spiel und Arbeitswerkzeuge, die spielerisches Agieren ermöglichen[,] [...] ein gewisses anarchisches Potential [beinhalten], z. B. wenn es darum geht, 206

Spiel

tayloristische Strukturen in Richtung auf selbstbestimmtes Handeln zu überwinden.« (Ebd., S. 38) Während »[a]uf diese Irrationalität [d. h. die Zweckfreiheit] des Spiels [...] immer mit Formen von Rationalisierung und Kontrolle reagiert [wird, und] [...] [d]ie Geschichte des Spielens [...] zugleich die Geschichte von Rationalisierungsversuchen und eine Geschichte der strukturellen Entwicklung von Kontrolle« [SR84, S. 39] ist, wird dem offenbar immer klarer organisatorisch und kontrollierend eingesetzten Computer (z. B. SAP, software-Patente und -Registrierungen, Online-Durchsuchungen) dann die Freiheit des Spiels entgegengehalten. Die Machtfrage, um die es hier geht, ist also die Frage des users: Habe ich die Macht zu spielen? Wer oder was hindert mich? Mit Schiller wäre die Frage nach der Möglichkeit zu spielen auch eine Frage nach der Macht, ganz Mensch zu sein. Dieser Konflikt um die Zuweisung von Bedeutung ist kein harmonischer Prozeß, sondern eher ein postmoderner Kampf (vgl. [Win95]) um die Kontrolle über den Rechner, der an mehreren Fronten mit durchaus unterschiedlichen Ergebnissen geführt wird. Seit den 1980er Jahren, in denen die PCs (zunächst beruflich) massenhafte Verbreitung fanden und home computers dann (privat) in Kinderzimmern standen, war der Rechner für viele sichtbar zugleich Mittel der Kontrolle und des Protests dagegen [SR84, S. 211]. Das Spiel am und mit dem Computer erscheint dabei in natürlicher Weise auf die Seite der Freiheit und stellt Kontrolle in Frage. Dieser Prozeß beschränkt sich offenbar nur kurz auf die Kinderkultur und auf explizite Computer- oder Konsolenspiele. »Schon der Umgang mit Spielen in der Kinderkultur, Tausch, Kopie und Schwarzmarkt, weist den Weg zu weiteren ›subversiven‹ Computergebräuchen, selbst dort, wo der Computer weniger im herkömmlichen Sinn kreativ oder produktiv, sondern eher als ›Abspielgerät‹ benutzt wird. Auch der Computer besitzt sowohl einen Anteil an Herrschaft wie einen Anteil an Protest dagegen in der Kinderkultur.« (Ebd., S. 215) Umgekehrt mündet der eigenverantwortliche Umgang mit dem Rechner aller Kontrolle zum Trotz auch in Spiel, denn Mißbrauch und unintendierter Gebrauch schaffen Spielräume ( Jörn Schafaff, pers. Komm., 17. Feb 2006). Das Computerspiel gilt hier als exemplarisch für die Begegnung von Bewegung und Gegenbewegung im Horizonz von Macht und Freiheit am Computer. Jedes Spiel fordert jedoch Autonomie und Freiheit der Spielenden und tritt umgekehrt auch auf als Effekt von Eigenverantwortlichkeit und als Reaktion auf Zwang. Spiel ist dabei allerdings kein explizites Mittel des Protests wie der Streik. Es wird nicht gespielt, um 207

Interaktivität als Spiel

etwas außerhalb des Spiels Liegendes zu erreichen. Spiel kann allerdings durchaus als Teil des Widerstands gesehen werden und zwar von denen, die Kontrolle ausüben und nicht mitspielen; denen entgleitet ein Stück Kontrolle, da sich die Spieler, zumindest für einen Moment und durchaus sichtbar, nicht mehr der Kontrolle, den Regeln und Vorgaben der alltäglichen Welt unterwerfen. Sie mögen das Spiel zwar als unschädlichen und ungefährlichen Abbau von Kräften sehen (Abschn. 4.1.7), die sonst für andere Handlungen zur Verfügung gestanden hätten, aber ganz überzeugt sind sie davon nicht, denn sie befürchten mit gewisser Berechtigung, daß im Spiel auch Kräfte gesammelt und gewonnen werden können (vgl. [SR84, S. 38]). Sie gehen zwar davon aus, sind aber auch etwas unsicher, ob die Spieler sich nach dem Spiel wieder von den alltäglichen Regeln beherrschen lassen. Denn sie haben bereits bewiesen, daß sie sich durchaus äußerer Kontrolle zu entledigen wissen (ebd., S. 215).

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5 Narrative

Interaktive narrative wird in diesem Kapitel als Perspektive im Umgang mit dem Rechner diskutiert. Die story wird hier mit den Eigenschaften der Äußerlichkeit in Bezug auf den Zuhörer und der Endlichkeit gekennzeichnet; darüber hinaus sind stories oft wohlgeformt und besitzen in aller Regel einen plot. Ihr besonderer medialer Reiz scheint darin zu liegen, daß sie sich dem inhaltlich entscheidenden Zugriff der Zuhörer entziehen, die einer story folgen, um zu vergleichen, zu reflektieren und sich mit ihr zu identifizieren. Die computergestützte Erstellung von nicht-interaktiven Geschichten (story generation) scheint in gewisser Hinsicht zu funktionieren. Statische interactive narrative (wie hypertext) ab einer gewissen Komplexität technisch zu realisieren, ist mit horrenden Aufwand verbunden und scheint für einen menschlichen Autor illusorisch. Dynamische, computergestützte interactive narrative wird sich erst realisieren lassen, wenn sich erweist, daß die Entwicklung der KI Erfolg zeigt, was zumindest zweifelhaft erscheint. Als Perspektive der HCI verfolgt interactive narrative das Ziel, dem computer user ein interessantes, wohlgeformtes und befriedigendes Erlebnis zu bieten. Stories sind nun zwar offenbar eine bestimmte Möglichkeit, die Welt zu sehen; die story kann allerdings kaum als Leitbild für eigenes, entscheidendes und aktuelles Handeln im Umgang mit dem Computer dienen, den Manovich ein »instrument for action« [Man00b, S. 95] nennt, und es bleibt auch unklar, wie die Perspektive des aktiven Veränderns der Welt in einer narrativen Metapher Platz finden kann. Die Perspektive der interactive narrative wird gegenüber der des Spiels abgegrenzt. Story und Spiel scheinen sich dabei als zwei unterschiedliche 209

Interaktivität als Spiel

Phänomene zu erweisen, die deutlich voneinander getrennt sind und sich wesentlich widersprechen. Auch wenn in den letzten Jahren die Vermutung in offenbar zunehmendem Maße geäußert zu werden scheint, es gäbe eine Skala zwischen Spielen und stories oder gar eine allgemeine mediale Entwicklung vom Computerspiel zur story, liegt der Reiz von Spiel und story gerade in ihren entschiedenen Sichtweisen begründet. Mittelpositionen bleiben (kommerziell) erfolglos und weitgehend unbesetzt. Eine Vermischung beider medialen Standpunkte erscheint unwahrscheinlich. Es lassen sich zwar an aktuellen Computerspielen einige Beobachtungen machen, die augenscheinlich auf eine Annäherung von Spiel und story hindeuten; die strukturellen Widersprüche verbleiben jedoch ungelöst, und beide medialen Ansätze konzeptionell unversöhnlich. Werden Spiel und story kombiniert, gibt es wohl nur zwei mögliche Resultate, ein Spiel mit wenigen narrativen Anteilen bleibt in der Wahrnehmung und im Umgang des Mediennutzers ein Spiel, eine story mit geringen spielerischen Anteilen eine story.

5.1 Zum Begriff der narrative In diesem Abschnitt wird kurz umrissen, was in der vorliegenden Arbeit als story oder narrative angesehen werden soll. Wesentliche Eigenschaften von stories sind offenbar ihre Äußerlichkeit und Endlichkeit; darüber hinaus sind sie oft wohlgeformt und besitzen in aller Regel einen plot. Ein weiteres Kennzeichen von narrativen Medien scheint zu sein, daß sie sich einerseits nicht direkt durch den Eingriff der Zuschauer inhaltlich verändern und andererseits oft nur geringe Zweifel über ihren Ausgang bestehen. Gerade diese Eigenschaften scheinen ihren Reiz auszumachen. Die story existiert unabhängig vom Zuhörer, sie existiert zeitlich vor ihm und nach ihm, sie wird erzählt von jemand anderem. Der Zuhörer bestimmt die story nicht inhaltlich und greift nicht entscheidend ein. Es ist nicht der externe Eingriff etwa des Zuhörers, der einer story Relevanz verleiht, sondern ihre interne Dynamik (s. u.). Ihr Verlauf und Ausgang stehen im Vorhinein oft fest oder liegen zumindest nicht in der Hand des Zuhörers [TID03]. Die Äußerlichkeit der story gegenüber dem Zuhörer wird dadurch hergestellt, daß ein Autor oder Erzähler die story gegenüber dem Zuhörer vertritt [Gla01, S. 53]. Er trägt die Verantwortung für ein befriedigendes Erlebnis der Zuhörer. Glassner nennt dies 210

Narrative

den »story contract« (ebd.). Die finite Form der story ist möglicherweise eine relativ neue Erfindung. Früher wurden stories stets von Menschen erzählt (und noch nicht etwa auf Film gebannt), da war ihr Ausgang aber nicht weniger klar oder eindeutig, und zwar in dem Sinne, daß das Ende bereits am Anfang der Geschichte feststeht bzw. daß der Zuhörer keinen Einfluß darauf hat, obwohl der Verlauf und die Details variieren konnten und es auch taten (vgl. [Lor60]). Die story existiert schon immer unabhängig von ihren Zuhörern, nicht im Sinne von Büchern oder Filmrollen, sondern im Sinne von feststehendem plot, Verlauf und Ende. Dies ist durch die technische Entwicklung (seit dem Buchdruck) offensichtlich und quasi greifbar geworden. Wird nun die Relevanz des Verlaufs oder der Entwicklung einer story mit der ihres Ergebnisses oder Endes verglichen, scheint ihr Reiz für den Zuhörer eher im Verlauf als im Erreichen eines Ziels zu liegen, im »struggle« [Gla01, S. 52], im Konflikt, in der Spannung und Lösung (ebd.). Darauf weist auch hin, daß eine story etwa als Tragödie oder Komödie o. a. gekennzeichnet wird, sodaß ihr Ergebnis in groben Zügen kein Geheimnis mehr ist. Das Wissen um den Ausgang scheint kein wesentlicher Teil der Zuschauererfahrung zu sein; etwa bei der Liebeskomödie You’ve Got Mail (1998): »In ihrer dritten Zusammenarbeit beweisen [Meg] Ryan und [Tom] Hanks, dass der Reiz der Story nicht darin liegt, ob sie sich kriegen, sondern wie.« [Spi05, S. 151] Der Reiz einer story ist, daß sie inhaltlich festgelegt bzw. nicht dem Zugriff des Zuhörers ausgesetzt ist. Das Ergebnis einer story kann (und will) er nicht ändern, sonst ist es für ihn keine story mehr (Umberto Eco in [Rad95] n. [Mur97, S. 296, Anm. 16], vgl. Abschn. 4.1.2 und 5.4.4) In einem Spiel verändert der Spieler entscheidend den Verlauf und das Ergebnis des Spiels, und das Hauptaugenmerk liegt auf dieser äußerlichen Aktion, nicht auf der inneren Reflektion. Stories sind endlich; etwas kann erst zur story werden, wenn es vorbei ist. Während ein Vorgang noch nicht abgeschlossen ist, kann er nicht zur story werden. Während das Spiel nach Unendlichkeit verlangt, drängt die story auf ihr Ende zu. Selbst Fernseh- oder Romanserien, die über Jahre fortgesetzt werden, können sich dem natürlich nicht entziehen. Heutige stories haben oft einen plot, der ihren Inhalt strukturiert und voranbringt, und ihm so eigene, innere Relevanz verleiht ([Juu98], vgl. o. Eco). Eine Aufzählung von Geschehnissen stellt dabei keinen plot dar. »A plot is . . . a narrative of events, the emphasis falling on causality. 211

Interaktivität als Spiel

›The king died and then the queen died‹ is a story. ›The king died and then the queen died of grief‹ is a plot.« ([For27] zit. n. [Mur97, S. 185]) Ein plot nimmt seinen Ausgang oft in einer Situation der Spannung und des Konflikts, dessen (versuchte) Lösung dann Thema der story ist. Ein Film wie Lost Highway (1997), in dem die Szenen nicht verbunden scheinen, offenbar nicht miteinander in einem gewissen Sinne kausal zusammenhängen und der Zuschauer keine innere Logik erkennt, stellt in diesem Sinne keine story dar. Der Autor oder der Erzähler einer story sorgt i. d. R. dafür, das die Form der story bestimmten (etwa klassischen) Maßstäben genügt. Diese Wohlgeformtheit birgt in sich eine gewisse Garantie, daß das Erlebnis des Zuhörers befriedigend ist. Bekannt in diesem Zusammenhang ist etwa Aristoteles’ Spannungsbogen ([Ada99a], vgl. etwa auch [Mat02, S. 9]). Die Erzählung einer story ist i. d. R. linear und chronologisch; in ihr existieren keine Schleifen und Wiederholungen, sie ist, bis auf ggf. einige Rückblenden, eine Entwicklung nach vorne; die (Geschichts-)Welt hat sich am Ende der story unwiederbringlich gewandelt. Ausnahmen sind z. B. die Filme Groundhog Day (1993), bei dem sich die Handlung mehrmals mit geringer Variation wiederholt, und Pulp Fiction (1994), bei dem Episoden in nicht-chronologischer Abfolge aneinandergereiht sind (die inhaltlich aber doch aufeinander aufbauen oder sich zumindest aufeinander beziehen).

5.2 Story telling There’s an awful lot of energy in [the] direction [of interactive narrative]. That is, you can trace the amount of ink spilled on the subject or the number of electrons transmitted on this topic. It was basically zero in 1992 or so. We got the first serious thought founded in about [19]95 and by 2000 there were occasional references to it. With conferences and such in the last three years or so... the broad topic of interactive narrative has become almost common. Chris Crawford in [Mur06]

In diesem Abschnitt werden Möglichkeiten des story tellings in Verbindung mit dem Computer thematisiert. Nicht gemeint ist dabei die 212

Narrative

Wahrnehmung oder die Organisation des alltäglichen Umgangs mit dem Rechner als story, sondern das explizite Generieren von Geschichten. Ein wesentlicher Teil der Motivation, sich mit story telling zu beschäftigen, scheint sich allerdings aus der im Erfolgsfalle möglich erscheinenden Anwendung in der HCI zu speisen (vgl. [Lau86a, Lau93] und s. u.), offenbar durchaus auch in Abgrenzung zum Spiel: »The strength of the structured narrative approach, and what is lacking from simulations1, is that the system (if so designed) can offer the player a well-formed experience. This means the experience is unified, where all parts of the experience were necessary to contribute to a unified whole with little or no extraneous action, and the experience is efficient and well-paced, where the experience does not take an inordinate amount of time or labor for the player, stays interesting and never lags or gets boring [...]. The tension of the experience may even be made to rise and fall at a pace to match a[n] Aristotelian dramatic arc.« [MS02, S. 5] Hier thematisierte Formen des story tellings sind die computergestützte automatische Generierung statischer stories, die ohne Computer gelesen werden (»story generation« [Mat02, S. 183]), die manuelle Generierung statischer interaktiver stories, die am Computer (hypertext) oder ohne Computer gelesen werden und die dynamische interaktive Generierung von stories am Computer (z. B. Mateas’ und Sterns Façade); dafür sind interactive narrative, »interactive drama« und »electronic narrative« (ebd., Titelseite) synonyme Bezeichnungen. Als praktikabel erweist sich in gewissen Grenzen die Herstellung nichtinteraktiver stories durch den Rechner an Hand bekannter Muster. Hypertext ist interaktiv aber statisch, kann leicht sehr umfangreich werden, erfordert viel Arbeit und bietet einen relativ kleinen Entscheidungsspielraum, keine Garantie eines befriedigenden Erlebnisses oder Wohlgeformtheit. Statische interactive narrative ab einer gewissen Komplexität zu realisieren, ist mit horrenden Aufwand verbunden und scheint für einen menschlichen Autor illusorisch; zudem kann nicht jede mögliche Aktion des Teilnehmers vorhergesehen werden. Es kann mit einem menschlichen Erzähler, der die Äußerungen und Wünsche des Publikums aufnimmt und seine Erzählung entsprechend in Grenzen anpaßt, durchaus dynamische interactive narrative geben. Beispiele finden sich bei Lord [Lor60]. Es existieren auch Ansätze, interactive narrative technisch zu realisieren. Zunächst scheinen sich einige 1 | Womit wohl Spiele gemeint sind (vgl. [MS02, S. 5])

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Interaktivität als Spiel

Genres, wie etwa »character-oriented kitchen sink dramas« eher dafür zu eignen als andere, etwa »plot-oriented action dramas« [MS02, S. 19]: »We may be able to create interactive stories, but we can’t create any kind of story we want.« [Ada99a] Interactive narrative funktioniert momentan anscheinend noch nicht und ist offenbar nur denkbar in Zusammenhang mit KI. »Future work should focus not so much on drama management (the logic for sequencing pre-written pieces), but rather on story generation. [...] unlike previous work in story generation, rather than an entire story being generated non-interactively, here small pieces of the story must be generated on-demand [...].« ([Mat02, S. 185], vgl. ebd., S. 227) Diese KI ist momentan noch nicht vorhanden, und es nicht abzusehen, wann bzw. ob sie es sein wird, was die Realisierung von interactive narrative zumindest zweifelhaft erscheinen läßt. 5.2.1 Story generation Nicht-interaktive stories können per Computer technisch generiert werden, etwa indem story patterns (vgl. [Lor60]) kombiniert werden. Beispiele dafür sind Tale-Spin [Mee76], story grammars [Col73, Rum75], Universe [Leb84, Leb85], Minstrel [Tur91, Tur94], Ani [Kah79], ein wohl namenloses System von Bailey [Bai99] und Brutus [BF00]. Für eine kurze Charakterisierung dieser Ansätze s. [Mat02, S. 183f.]. 5.2.2 Hypertext Hypertext is inherently non-linear, so that the traditional narrative is wholly inappropriate to hypertext work. [...] if hypertext fiction ever becomes artistically successful (nothing I’ve read is), it will be through the creation of a new narrative form, something that we will be hardpressed to call ›story.‹ Greg Costikyan [Cos94]

Als statische interactive narrative wird hier ein Medium bezeichnet, das vor Beginn der Interaktion vollständig ist und innerhalb dessen nichts während der Benutzung durch den Teilnehmer erzeugt wird. Beispiele sind hypertext und Abenteuer-Bücher, in denen der Leser seinen Weg selbst zwischen mehreren möglichen wählt (»choose-your-ownadventure books« [MS02, S. 5]). Diese Art von interactive narrative ist nicht an den Computer gebunden. 214

Narrative

In aller Regel sind hypertexts manuell erstellt und können mit oder ohne Computer gelesen werden. »The player is given the ability to traverse the [hypertext] graph, and the resulting sequence of nodes constitutes the experience of the narrative. Depending on the complexity of the interconnectedness between the nodes, the range of traversals through the structure can range anywhere from very limited and coherent to very numerous and fragmented, even cyclical and never-ending.« (Ebd.) Der Erfolg und die Verbreitung von »hypertext narrative[s]« [Mur97, S. 132] sind offenbar begrenzt. Als Ursachen vermutet Murray, daß hypertexts »unheroic and solutionless« (ebd.) seien, weder Ziel noch Ende besäßen (ebd.). »The indeterminate structure of these hypertexts frustrates our desire for narrational agency, for using the act of navigation to unfold a story that flows from our own meaningful choices.« (Ebd., S. 133) Joiner [Joi98, S. 155f.] bewertet hypertext-basierende Computerspiele als nur gering interaktiv (vgl. den Begriff der click n’ watch games bei [Dom98]). Trotzdem sieht Murray [Mur97, S. 57f.] (branching) hypertext als ein Beispiel für interactive narrative an und den Leser bzw. den Spieler als Co-Autor der story. Rudd ([Rud02] hält Computerspiele für stories, die durch (zukünftige) hypertext-artige Auswahlmöglichkeiten der Spieler an Attraktivität, Interaktivität uvm. gewinnen (zur Betrachtung von hypertext als interactive narrative vgl. auch [Mat02, S. 21]). Hypertext ist interaktiv, aber statisch; die Möglichkeiten der Entscheidung sind sehr eingeschränkt, die Komplexität der Geschichte ist eher gering. Hypertext bietet auch keine Garantie eines befriedigenden Erlebnisses oder einer wohlgeformten story. 5.2.3 Interactive narrative An interactive drama is a dramatically interesting virtual world inhabited by computercontrolled characters, within which the player experiences a story from a first person perspective. Michael Mateas [Mat02, S. ii]

Laurel definiert den Begriff des interactive dramas als »a first-person experience within a fantasy world, in which the user may create, enact, and observe a character whose choices and actions affect the course of events just as they might in a play.« Such a system »enables first-person participation of the user in the development of the story or plot, and 215

Interaktivität als Spiel

orchestrates system-controlled events and characters so as to move the action forward in a dramatically interesting way« ([Lau86b, S. 10f.] zit. n. [Mat02, S. 7]). Dynamische interactive narrative erzeugt computergestützt zur Laufzeit Reaktionen innerhalb eines narrativen Horizonts auf die Aktionen des Teilnehmers. Während es einige Versuche gibt, dynamische interactive narrative an konkreten Anwendungen zu verwirklichen, ist kein wesentlicher Fortschritt ohne weitere Entwicklung der KI absehbar. Ansätze zur Realisierung

Es gibt verschiedene Ansätze, Zuhörern oder Zuschauern narrativer Medien eine inhaltliche Partizipation in Form von dynamischer interactive narrative zu ermöglichen. Laurel et al. [LST98, S. 182] beschreiben, wie eine Zuschauermenge durch Abstimmung eine Variante von Pong spielt, Mateas beschreibt eine show, in which »the audience responds to multiple choice questions« [Mat02, S. 13] und weist hin (ebd., S. 181f.) auf Systeme von Weyhrauch [Wey97], Kelso et al. [KWB93], Galyean [Gal95], Pinhanez et al. [PMB97], Sgouros [Sgo99], Marsella [Mar00, MJL00], Crawford [Cra02], Young [You01] und Swartout et al. [SHG+ 01]. Mateas und Stern nennen ihr eigenes System Façade (2005) ein »artificial intelligence-based art/research experiment in electronic narrative [...]. [...] a dramatically interesting, real-time 3D virtual world [is] inhabited by computer-controlled characters, in which the player experiences a story from a first-person perspective.« [MS05] Ziele bei der Entwicklung waren: »[D]esigning ways to deconstruct a dramatic narrative into a hierarchy of story and behavior pieces; engineering an AI [Artificial Intelligence] system that responds to and integrates the player’s momentby-moment interactions to reconstruct a real-time dramatic performance from those pieces; and understanding how to write an engaging, compelling story within this new organizational framework.« [IMD05] Die Reaktion der Spieler ist uneinheitlich; während einige ein riesiges (zukünftig auszuschöpfendes) Potential ausmachen (ebd.), haben andere das Gefühl, eher Zuschauer als Teilnehmer zu sein: Façade »plays out like a play where you can sometimes throw the actors off on a tangent but by and large they do the same play every night« (ebd.). In der »videogame industry« ist die Wahrnehmung nicht wesentlich anders: »[...] Mateas[’] and Stern’s project is generally greeted with skeptical curiosity. One designer with the videogame megafirm Electronic Arts told [Jonathan] 216

Narrative

Rauch that Façade ›kind of works.... But then you try the next step and bam! You hit a wall and the wrong thing happens.‹« [Rot06] Crawford hält Façade dennoch für »the best actual working interactive storyworld yet created« ([Cra04b] zit. n. [MS05]). Interactive narrative und KI To me [...] the computer looks more each day like the movie camera of the 1880s: a truely revolutionary invention humankind is just on the verge of putting to use as a spellbinding storyteller. Janet H. Murray [Mur97, S. 2]

Interactive narrative funktioniert momentan anscheinend noch nicht und ist offenbar überhaupt nur denkbar in Zusammenhang mit KI. Diese hat, wenn auch in einer viel pragmatischeren Ausprägung als vor Jahren bzw. Jahrzehnten, wieder an Popularität gewonnen. Als ein wesentlicher Antrieb mag interactive narrative dazu beigetragen haben [Mat99]. Bei der interactive narrative hängt dieser Trend möglicherweise mit der Entwicklung zunehmend realistisch wirkendender Graphik bei Computerspielen zusammen, bei der KI mit der Entwicklung von Robotern. Wenn sich allerdings nicht erweist, das die Entwicklung der KI Erfolg zeigt, scheint interactive narrative eine »[u]topian idea« [Juu98] zu bleiben. Über rudimentäre Versuche hinaus gibt es offenbar momentan keine interactive narrative. »The idea of using procedural techniques to involve people in stories is enormously attractive, yet actually finding a way to create interactive fiction that achieves both artistic and commercial success remains elusive.« ([Gla01, S. 51], vgl. [BG03, S. 99]) Spierling [Spi04] gibt an, es gebe »[b]islang [...] kaum kommerzielle Erfolge laufender Systeme«. Für Murray [Mur97, S. 212f.] befindet sich »[d]igital plot making [...] still in an incunabular stage« und Crawford findet es »quite revealing that much of this research has led to a dead end.« (Chris Crawford in [Mur06]) Dies kann praktisch etwa an Computerspielen beobachtet werden [Ada99a]. Das Hindernis dabei sind allerdings nicht unfähige Entwickler, wie Murray [Mur97, S. 54] unterstellt, sondern immense Probleme bei der praktischen Umsetzung: »The genre is not without its problems, the worst of which is its development cost. [...] Stories require content, and 217

Interaktivität als Spiel

interactive stories require three to ten times as much content as linear ones do.« [Ada99b] Offenbar ist es illusorisch, interactive narrative von Hand zu realisieren (vgl. o. hypertext). Zudem kann nicht jede Aktion des Teilnehmers vorhergesehen werden, und der Computer kann nur auf etwas reagieren, was er (er-)kennt. Die Realisierung von interactive narrative scheint sich so nicht als ein technisches, sondern vielmehr als ein konzeptionelles Problem zu erweisen (vgl. dagegen [BST01, S. V]): »[...] the authoring process and the tools related to it are an essential part of every interactive storytelling concept, since the bottleneck for handling the complexity and large amount of possible variations and choices of the interactive narration is nowadays not the computing power, but the human author who has to assure that a suspenseful and coherent story is maintained in every possible circumstance.« [GIH04, S. 20] Es soll nun die Abhängigkeit der interactive narrative von der KI festgestellt werden; und diese ist durchaus nicht strittig ([Mur97, S. 62], vgl. auch ebd., Kap. 8, insbesondere S. 214–33 und S. 245–7). Die keywords etwa, die Mateas für seine Dissertation über interactive narrative angibt, enthalten folgerichtig neben »interactive drama, interactive characters, interactive story« auch »artificial intelligence« und »believeable agents« [Mat02, S. i]. Ihr erster Satz lautet: »Artificial intelligence methods open up new possibilities in art and entertainment, enabling rich and deeply interactive experiences.« (Ebd., S. ii) Bis es diese Art von KI gibt (vgl. [WF86] im Gegensatz zu [Nor04] und [Fra07]), erscheint es unwahrscheinlich, daß etwa »die Rechner [bei Rollenspielen] mit intelligenten Reaktionen auf die Anwender eingehen« oder daß der Computer (bei einer Stadtführung) »Ideen für eine Geschichte und passende Bilder [liefert]« [Göb04]. In diesem Sinne äußert sich auch Mateas [Mat02, S. 33], wenn er im Umkehrschluß folgert, daß es ohne KI keine interactive narrative geben kann: »Since the current state of AI is nowhere near the point of producing systems that can write good linear plays on their own, then certainly interactive drama is not possible.«

5.3 Narrative als Perspektive Es erscheint nun möglicherweise verlockend oder naheliegend, die Idee der interactive narrative (als story telling) auf den alltäglichen Umgang mit dem Computer zu übertragen, und dem user ein wohlgeformtes, befriedigendes und interessantes Erlebnis zu bieten. In diesem Abschnitt 218

Narrative

wird diskutiert, inwieweit die HCI ein Bereich ist, der mit den Mitteln der interactive narrative als story gesehen und organisiert werden kann. Stories spielen unzweifelhaft eine Rolle, in der Art, wie Menschen die alltägliche Welt sehen und verstehen. Auch ihre subjektive Erinnerung und ihre anekdotischen Berichte über Vergangenes werden wesentlich von stories bestimmt. Die story ist aber eine reflektive Perspektive, die auf bereits vollendete Ereignisse zielt, an denen sie selbst nicht (mehr) beteiligt sind. Sie mögen das Leben rückblickend als story empfinden, aber es kann natürlich nicht als story geplant werden: »Der wahre Dichter, so läßt Plato den Sokrates sagen, muß zugleich tragisch und komisch sein, das ganze Menschenleben muß zugleich als Tragödie und als Komödie empfunden werden [Symposium 223 D, Philebus 50 B.].« [Hui56, S. 142] Als Leitbild für eigenes, entscheidendes und aktuelles Handeln scheint die story ungeeignet zu sein. Bedingung für die Anwendung von narrative als Möglichkeit des Umgangs mit dem interaktiven Computer wäre, sie als konzeptionelle Möglichkeit anzusehen, die alltägliche Welt wahrzunehmen und auch, bzw. in erster Linie, in ihr zu handeln. Wenn also bei Mateas u. a. davon gesprochen wird, daß Menschen die alltägliche Welt als story wahrnehmen, so ist damit nicht rückblickend, etwa in Erinnerung gemeint oder anekdotisch berichtend, sondern aktuelle und in die Zukunft gerichtete Planung, Entscheidung und Aktion. Es gibt verschiedene Versuche, interactive narrative in der HCI zu realisieren. Ein bekanntes Konzept ist Laurels Konzept des Computers als Theater. Spierling weist auf einige Forschung innerhalb dieses Bereichs hin. Kay und Manovich benennen das Kino als bestimmendes Element der heutigen (Medien-)Kultur und sehen auch den Umgang mit dem Computer von ihm zunehmend bestimmt. Es ist aber wohl evident, daß trotz »countless attempts« [Man00b, S. 208], keine verbreitete interactive narrative existiert oder sogar erfolgreich in der HCI eingesetzt wird. Es bleibt also fraglich, ob interactive narrative in der HCI besonders angemessen oder überhaupt möglich ist. Die Natur des Computers oder seine besondere und neue Qualität als interaktives Multimedium scheinen durch sie nicht getroffen zu werden oder sich in ihr oder durch sie entfalten zu können.

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Interaktivität als Spiel

5.3.1 Definition und Ziele Story is what makes us tick, story reaches inside of us and reveals the world through myth, metaphor, and archetype. Thom Gillespie [Gil99]

Stories spielen in der menschlichen Erinnerung eine bedeutende Rolle, und auch das eigene Leben wird zunehmend mit dem Theater verglichen und dort zur Inszenierung [Ric04b]. Die alltägliche Welt kann sicherlich auch als story wahrgenommen werden; diese Wahrnehmung scheint sich allerdings auf eine rückblickende Perspektive im Nachhinein zu beziehen und auch zu beschränken. Eine Bedingung für das Begreifen des alltäglichen Umgangs mit dem Rechner als story schiene jedoch zu sein, daß aktuelles oder geplantes Handeln als story gesehen und organisiert werden kann. Narrative als Sichtweise auf die Welt At its most fundamental, [Narrative Intelligence] is concerned with narrative as a way of understanding the world. Michael Mateas [Mat99]

Stories spielen eine wesentliche Rolle im Leben, in der Erinnerung und in Erlebnissen, die Menschen oft anekdotisch berichten (vgl. [GIH04, S. 19]) Für Mateas [Mat99] sind stories wesentlicher Teil der »human experience«. Für Kay [Kay96] sind sie »our basic ›wiring‹ as human beings« (vgl. auch [Kay95]). Auch Laurel [Lau04, S. 74] folgt Mateas’ und Sengers’ Ansicht, daß die story-Perspektive eine entscheidende Rolle in der Wahrnehmung der Welt spiele: »[...] we understand the world largely through narrative construction. Researchers from Roger Shank to Jerome Bruner support this view. Story-making is a pleasurable activity because in a very deep way, we look at the world with storytelling brains.« (zum narrativen Verständnismodell der Welt vgl. den Begriff der narrative psychology etwa bei [Mat99]) Mateas (ebd.) folgert schließlich nur konsequent, daß stories sich also anböten, in der KI eingesetzt zu werden, um die Welt zu verstehen. Offenbar ist aber nicht alles eine story, und dies kann natürlich auch kaum ernsthaft gemeint sein (vgl. [Man00b]); alles kann auch, und zwar ausschließlich im Nachhinein, als story gesehen werden ([JuuoJ] 220

Narrative

n. [SZ04, S. 379]). Menschen erinnern sich, wenn sie sich an etwas erinnern, an Szenen oder Situationen; wenn sie anderen davon berichten, wählen sie i. d. R. die Form einer story, indem sie zwischen den Szenen einen Ablauf interpolieren. Stories werden reflektiv aufgenommen, die alltägliche Welt wird rückblickend als story verstanden, das Leben als Komödie oder Tragödie empfunden und Erlebnisse »essayistisch« (Jörg Richard, pers. Komm., 22. Okt 2004) oder anekdotisch berichtet; eine story kann sich aber stets nur auf abgeschlossene Ereignisse beziehen, nicht auf aktuelles oder in die Zukunft gerichtetes Handeln. Damit jemand etwas als story sehen und verstehen kann, muß es vorbei sein und er nicht (mehr) daran beteiligt. Rückblickend können Erlebnisse sicherlich sinnvoll als narrative verstanden und nachvollzogen werden. Sie sind bereits vorbei, genau wie eine story bereits vorbei sein muß, um erzählt werden zu können. Für die in die Zukunft gerichtete Planung des eigenen Handelns oder als Erklärung einer momentan duchgeführten Handlung taugt die story jedoch offensichtlich nicht. Eine story wird von jemandem erzählt, und damit sind zahlreiche implizite Annahmen verbunden (vgl. o.), die das eigene, aktuelle Handeln nicht bieten kann. Von einer story kann der Zuhörer (nur) zurücktreten, er hört sie reflektiv, aber er hat keinen Einfluß auf sie, sie existiert unabhängig von ihm, und es gibt eine Linie, die ein Zuhörer in Richtung story nicht überschreiten kann bzw. will; das ist beim eigenen Agieren nicht der Fall. Stories sind nicht die einzige Perspektive auf die Welt, und auch keine, die auf aktuelles Handeln oder in die Zukunft gerichtet ist; diese Sichtweise etwa auf die HCI verlöre in diesem Fall Phänomene wie die Interaktivität und den entscheidenden Eingriff des users aus dem Blick. Wenn davon gesprochen wird, daß Menschen die Welt, ihre Handlung etc. als stories verstehen, kann nur gemeint sein, daß sie sie im Nachhinein reflektierend in einen bestimmten, etwa kausalen, Zusammenhang stellen; die alltägliche Welt kann in diesem Sinne durchaus als story begriffen werden, und zwar in der rückblickenden Betrachtung.

221

Interaktivität als Spiel Narrative als Leitbild der HCI What models of narrative are appropriate in the design of interactive systems? Michael Mateas [Mat99]

Werden narrative Medien als Leitbilder für den interaktiven Umgang mit dem Computer propagiert, impliziert dies, die HCI als story zu sehen und den Computer für zumindest potentiell künstlich intelligent zu halten. Wenn Menschen ihr aktuelles Handeln als story sehen und an Hand ihrer organisieren können, so die Idee, funktioniert dies auch im Umgang mit dem Computer. Mit narrative in der HCI sind dabei ausdrücklich nicht nur eine Art interaktive Theaterstücke gemeint (vgl. o.), sondern der alltägliche Umgang mit dem Rechner, der als story organisiert wird [Mat99]. Laurel, »who sees the computer as an inherently theatrical environment« [Mur97, S. 200], stellt sich in diesem Sinne HCI als interaktive Geschichte vor [Joi98, S. 155]. Für Murray folgt der Computer der Tradition der Druckerpresse [Mur97, S. 8] als ein »new medium for storytelling« (ebd., S. 11); sie sieht ihn als Fortsetzung des Buches und des Films mit anderen Mitteln (ebd., S. 9f.; zur verbreiteten Tendenz, neue Medien in den Formen von alten Medien zu verstehen vgl. [Bor04b] und [McL02]). Das Potential des Computers müsse für den Umgang mit Anwendungsprogrammen durch stories erschlossen werden, ohne daß es durch »games« vermindert werde (»diminished« [Mur97, S. 129]), die nur eine primitive Vorstufe zur Narration darstellten (ebd., S. 93, vgl. auch ebd., S. 300, Anm. 2). Für Bolter und Gromala ist der Computer »not only a new stage for [Laurel’s] theatrical performance; it can also be a new cinema, a new television, and a new kind of book.« [BG03, S. 15] An dieser wie auch an anderen Stellen wird dieser Vergleich noch weiter ausgeführt, ohne das framework der Narration in der HCI zu verlassen oder zu hinterfragen (ebd., S. 5, S. 19, S. 25 u. a.), dabei sind sich Bolter und Gromala des interaktiven Charakters des Rechners natürlich bewußt. Dahlberg [Dah03] behandelt das Thema in einem Kurs an der Graduate School for Human-Machine Interaction; als Ziele gibt er an: »To give a theoretical understanding of different kinds of narrative, narration, and narrativity. To make use of this knowledge in designing Human-Computer Interaction and other forms of interaction design. [...] The course investigates and develops the possible uses of narrative,

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Narrative

narration, and narrativity in designing Human-Computer-Interaction [...] as well as other forms of interaction design.« 5.3.2 Anwendungen und Erfahrungen Exemplarisch umrissen werden in diesem Abschnitt Konzepte und Forschungsansätze, interactive narrative in der HCI zu realisieren. Beobachtungen zum Umgang mit dem Computer als narrative und kritische Überlegungen dazu schließen ihn ab. Während sich ein gewisser Einfluß auf die populäre Wahrnehmung des Rechners als story teller insbesondere in Computerspielen durchaus erkennen läßt und sowohl Kay als auch Manovich einen Trend ausmachen, der das Kino als bestimmendes Element der heutigen (Medien-)Kultur benennt, und auch den Umgang mit dem Computer von ihm zunehmend bestimmt sehen, scheinen die verschiedenen Versuche, Forschungsansätze und Konzepte, interactive narrative in der HCI zu realisieren, bis jetzt keinen verbreiteten Erfolg zu haben. Auch konzeptionell ist noch unklar, ob interactive narrative besonders angemessen oder überhaupt möglich ist im Umgang mit dem Rechner. Die Natur des Computers oder seine besondere und neue Qualität als interaktives Multimedium (vgl. Abschn. 3.1) scheinen nicht durch interactive narrative getroffen zu werden oder sich in oder durch sie entfalten zu können. Anwendungen

Es gibt verschiedene Versuche und Ansätze, interactive narrative in der HCI zu realisieren. Ein bekanntes Konzept ist Laurels Konzept des Computers als Theater. Ihr Ziel ist dabei die Gestaltung einer HCI, die narrativen Grundsätzen folgt ([Lau86b] n. [Mat02, S. 181]). KI wäre dafür zuständig, das Erlebnis des users entsprechend zu gestalten und »the experience into the rising and falling arc of classical drama [Lau93, S. 135–9]« [Mur97, S. 200] zu formen. Der alltägliche Umgang mit dem Rechner solle dabei »both pleasing and amendable to artistic formulation« sein, eine »experience [...] that it is enjoyable, invigorating, and whole.« [Lau93, S. 120] Spierling [Spi02] hält narrative für eine mögliche symmetrische Kommunikationsperspektive zwischen Menschen und Computern. Die »zeitgemäße Mission« sei das Einbringen von interactive story telling in Mixed Reality-Anwendungen, und damit meint sie offensichtlich kein entertain223

Interaktivität als Spiel

ment. Spierling weist weiterhin auf das entsprechende EU IST - (Information Society Technologies) Projekt art-E-fact hin, das ab September 2002 Grundlagen legen soll »for establishing a generic platform for interactive storytelling in Mixed Reality as software for artists and designers«. Manovich [Man00b, S. 92] beobachtet einen Trend, der das Kino als bestimmendes Element der heutigen (Medien-)Kultur annimmt und sieht auch den Umgang mit dem Computer von ihm zunehmend bestimmt: »Element by element, cinema is being poured into a computer [...]. Cinema’s aesthetic strategies have become basic organizational principles of computer software. Cinematic means of perception, of connecting space and time, of representing human memory, thinking, and emotions become a way of work and a way of life for millions in the computer age. [...] The window in a fictional world of a cinematic narrative has become a window in a datascape. In short, what was cinema has become [the] human-computer interface.« Während Mateas [Mat99] narrative als »a general principle when building any interactive system« benennt, erscheint das Kino für Manovich also bereits als grundlegende Metapher aller (computergestützten) Medien: »A hundred years after cinema’s birth, cinematic ways of seeing the world, of structuring time, of narrating a story, of linking one experience to the next, are being extended to become the basic ways in which computer users access and interact with all cultural data.« [Man00b, S. 87] Erfahrungen Obviously, not all cultural objects are narratives. Lev Manovich [Man00b, S. 201]

Während es wohl evident ist, daß keine verbreitete interactive narrative existiert oder sogar erfolgreich in der HCI eingesetzt wird, ist auch konzeptionell nicht erwiesen, daß dies besonders angemessen oder überhaupt möglich im Umgang mit dem Rechner wäre. Die besondere und neue Qualität des Computers als interaktives Multimedium (vgl. Abschn. 3.1) scheint nicht durch interactive narrative getroffen zu werden oder sich in oder durch sie entfalten zu können. Der Computer scheint mehr zu sein als »bardic work« [Mur97, S. 10] und die Fortsetzung des Buches und des Kinos in der Tradition der Druckerpresse (ebd., S. 8) mit anderen Mitteln (ebd., S. 9f.).

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Narrative

Der Beschreibung des Umgangs mit dem Rechner als narrativ wird an dieser Stelle in zweierlei Hinsicht widersprochen. Während Manovich zum einen eine mediale Hinwendung zum Kino beobachtet (die auch [Kay96] in ganz ähnlicher Weise wahrnimmt), beschreibt er die »new media objects« des postmodernen Computers als etwas gänzlich anderes als klassische oder traditionelle narrative Medien: »Many new media objects do not tell stories; they don’t have beginning or end; in fact, they don’t have any development, thematically, formally or otherwise which would organize their elements into a sequence. Instead, they are collections of individual items, where every item has the same significance as any other.« [Man00b, S. 194] Manovich benennt diesen Unterschied als Datenbank und story und vermutet eine unterschiedliche Weltsicht oder Medienperspektive hinter beiden Konzepten, die sich in unterschiedlichem Umgehen des users mit ihnen äußerte (ebd.). Insbesondere das Internet erscheint ihm als Beispiel, das einer deutlich anti-narrativen Logik folgt (ebd., S. 196, vgl. den Begriff des unfinish bei Peter Lunenfeld). Manovich (ebd., S. 249) stellt zum anderen in Frage, ob »computer media« bloß etwas sei, »which will let cinema tell its stories in a new way« (vgl. auch w. o. Murray); es erscheint in diesem Sinne ebenso zweifelhaft, daß ein Cave »die Zukunft des Kinos« [Mic04] sei. Kay sieht eine ausgesprochene Differenz zwischen Narration und Interaktion. Demnach verschenke der Computer seine neuen interaktiven Möglichkeiten, die insbesondere außerhalb von narrative existieren, solange er sich auf das Imitieren alter Medien beschränkt [Kay96].

5.4 Narrative und Spiel Computer games lie in a peculiar middle ground between purely passive, narrative media such as film and television and active, non-narrative games such as poker or dominoes. Andrew Rollings, Ernest W. Adams [RA03, S. 40]

In diesem Abschnitt wird das Verhältnis von Spiel und story am Beispiel des Computerspiels diskutiert. Spiel und story scheinen zwei unterschiedliche Phänomene zu sein, die deutlich voneinander abgegrenzt sind und sich konzeptionell widersprechen. Das Spiel erfordert den eigenen und entscheidenden Eingriff des 225

Interaktivität als Spiel

Teilnehmers in Verlauf und Ergebnis, während in der story sein reflektierendes Zuhören und Zuschauen erforderlich ist. »A narrative is an already accomplished structure that is told to a spectator. A game is an evolving situation that is being accomplished by an interactor. Since an already accomplished static structure is not the same thing as an evolving, dynamic situation, then, the argument goes, narrative and game are fundamentally dichotomous.« ([Mat02, S. 33], vgl. ebd., S. 9f., S. 15, S. 19f. u. a.) Diese beiden Perspektiven des Spiels und der story zeichnen sich in verschiedenen medialen Entwürfen ab. Auch wenn in den letzten Jahren die Vermutung in offenbar zunehmendem Maße geäußert zu werden scheint, es gäbe eine Skala zwischen Computerspielen und stories oder gar einen allgemeinen medialen Trend vom Spiel zur story, wenn bzw. seitdem technische Unzulänglichkeiten überwunden sind, scheint der Reiz von Spiel und story weiterhin in ihren extremen Positionen begründet zu liegen. Jedes Medium ist attraktiv auf seine spezifische Art, und aus der Mischung von Spiel und story wird kein Super-Medium entstehen: »Books and films clearly have a permanent role in society, as do games, video or otherwise.« [Nor04, S. 133] Das (Computer-)Spiel wird sich weiterentwickeln, und story wird sicher auch (weiterhin) eine Rolle dabei spielen; Spiele werden die Möglichkeiten der (inter-)aktiven Teilnahme weiter ausbauen und stories die Möglichkeiten der Reflektion. Spiele ohne Computer werden i. d. R. nicht als story telling oder Teil von Literatur betrachtet; bei Computerspielen scheint sich dagegen die Trennung zwischen story und Spiel nicht so deutlich darzustellen, sich zu lockern oder sogar aufzuheben: »[...] we can expect a continued loosening of the traditional boundaries between games and stories [...] [and all other media].« [Mur97, S. 64] Es wird nun überprüft, ob sich Computerspiele grundlegend von anderen Spielen unterscheiden und als »mixture of interactive fiction with entertainment« [Nor04, S. 131] gelten können. Die graphische Darstellung von Computerspielen und Filmen sowie die dabei verwandten Perspektiven werden als Ursachen für diese Ansicht diskutiert. Während sich die Graphik von Computerspielen immer mehr der Darstellung in (narrativen) Filmen anzunähern scheint und so zumindest optisch eine gewisse Nähe zu ihnen vorspiegelt, weist die unterschiedliche Verwendung von Perspektive gleichzeitig offenbar auf eine grundlegende Differenz zwischen Spiel und story hin, die sich nicht auf die Art der Darstellung beschränkt, sondern auf wesentliche Unterschiede im Umgang mit diesen Medien hinzuweisen scheint.

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Narrative

Das Spiel und die story scheinen nicht gleichberechtigt zusammengebracht werden zu können, ohne daß eines davon seine wesentlichen Charakteristika und seinen Reiz einbüßt. Wird also von einer story in Spielen gesprochen, scheint damit in erster Linie eine dem Spiel untergeordnete Art der story gemeint zu sein. Diese kann als Rahmen, Hintergrund, Entschuldigung und Anlaß dienen, aber die Handlung des Spielers konstituiert wesentlich das Spiel. Obwohl verschiedene Strategien zur Kombination der antagonistisch erscheinenden Perspektiven von Spiel und story existieren, erscheint es fraglich, ob sie über eine Co-Existenz hinaus gleichberechtigt miteinander verbunden und inwieweit sie etwa in Computerspielen gemischt werden können. Gegenwärtig gibt es in Spielen entweder einen plot (wie in einer story) und wenig entscheidende Eingriffsmöglichkeiten für den Spieler (wie etwa in Façade [MS02]) oder viele entscheidende Eingriffsmöglichkeiten und wenig plot (wie etwa in Doom (1993)). Trotz aller Komplexität, aufwendiger und realistischer Graphik und narrativen Elemente scheinen die konzeptionellen Differenzen zu überwiegen und sich das Spiel in Computerspielen als dominant gegenüber der story zu erweisen. Ein beendetes Spiel kann wie jedes abgeschlossenes Erlebnis hinterher aus der Erinnerung heraus als story gesehen werden; dies scheint kein Phänomen zu sein, das spezifisch für Spiele ist. Dieser Wechsel in der Perspektive nach Beendigung eines Vorgangs macht den Vorgang aber nicht rückwirkend zu einer story. Spielen heißt i. d. R. nicht, bewußt eine story zu verfassen, sondern aktuell in den Verlauf der (Spiel-)Welt einzugreifen, in ihr zu handeln und eine Reaktion zu erfahren. Spiele können erst nach ihrem Ende zu stories werden. In stories sind der Verlauf und der Ausgang festgelegt und unterliegen i. d. R. keiner Beeinflussung durch die Zuschauer und nur inhaltlich unwesentlicher Variation durch die Schauspieler; in Spielen sind Verlauf und Ausgang unbestimmt und offen und werden ausschließlich von den Spielern entschieden. In beiden existieren Regeln, die das (Schau-)Spiel jeweils ermöglichen. Für Zuschauer haben das Schauspiel und das Spiel offenbar beide einen eigenen und unterschiedlichen Reiz. Beim Schauspiel scheint es dabei um das »wie« zu gehen, beim Spiel um das »wer« bzw. »ob«. Das Spiel und das Schauspiel können beide wiederholt werden. Der wesentliche Unterschied dabei scheint darin zu liegen, daß ein Spiel wiederholt wird, weil es dann anders verlaufen und ausgehen kann, während eine story wiederholt wird, weil sie im Wesentlichen jedesmal gleich verläuft und ausgeht.

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Interaktivität als Spiel

Die Rolle, die ein Spieler in einem Spiel übernimmt oder ausfüllt, ist nicht die Rolle eines Schauspielers etwa in einem Theaterstück; die Rolle in einem Spiel ist keine Beschreibung einer Handlung, sondern eine Beschreibung der Möglichkeiten zu handeln oder eine Aufgabenbeschreibung. Seit einigen Jahren sind Computerspiele dabei, nicht nur ein gesellschaftliches Phänomen, sondern auch ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor zu werden. Eine mediale Entwicklung von Spielen hin zu stories oder ein besonderer Erfolg von Computerspielen mit hohem narrativen Anteil gegenüber etwa action games läßt sich an Hand der angeführten Zahlen dabei nicht belegen. Es scheint im Gegenteil so zu sein, daß narrative Medien wie das Kino zunehmend gegenüber Computerspielen an Boden verlieren, was den wirtschaftlichen Erfolg angeht, und daß Computerspiele mit wesentlichem narrativem Anteil einen nur geringen prozentualen Anteil der verkauften Spiele ausmachen. 5.4.1 Gegensätze von Spiel und story As a cultural form, [the] database represents the world as a list of items and it refuses to order this list. In contrast, a narrative creates a cause-andeffect trajectory of seemingly unordered items (events). Therefore, database and narrative are natural enemies. Competing for the same territory of human culture, each claims an exclusive right to make meaning out of the world. Lev Manovich [Man00b, S. 199]

Spiele und stories erschienen bis vor einigen Jahren als deutlich voneinander abgegrenzte Phänomene; es gab nur wenige und offenbar wenig erfolgreiche Versuche, beide miteinander zu verbinden oder zu mischen. In den letzten Jahren technisch rasanter Entwicklung scheinen aber nun Computerspiele programmiert zu werden, in denen ein hoher narrativer Anteil das Spiel fast aufzuwiegen scheint und die diese Wahrnehmung in Frage stellen. Inwiefern sich Spiel und story dennoch und weiterhin konzeptionell widersprechen und vielleicht sogar gegenseitig ausschließen, wird in diesem Abschnitt diskutiert. Der erste und möglicherweise wichtigste Grund für die oft formulierte Intuition von der Inkompatibilität von Spiel und story (etwa [Fen01, S. 90]) ist in der Unvereinbarkeit der ambivalenten Interaktion eines 228

Narrative

Spiels mit dem determinierten plot einer story zu sehen. Das Spiel erfordert den eigenen und entscheidenden Eingriff des Teilnehmers in Verlauf und Ergebnis, während die story sein reflektierendes Zuhören und Zuschauen verlangt. Die Spielwelt wird durch die Aktion des Spielers aufgespannt und ihre Existenz durch sie erhalten; die Welt einer story besteht nur so lange, wie der Zuhörer oder Zuschauer nicht eingreift und handelt. Im Spiel ist der Spieler zuerst aktiv, weit vor der Reflektion; er weiß die ganze Zeit, daß es Spiel ist, das schadet aber seiner Teilnahme nichts, er kann sich ganz hineinwerfen und handeln; wohingegen für den Zuhörer in einer Geschichte stets eine Linie bleibt, die nicht überschritten werden darf und kann, denn er handelt in ihr nicht; dies sind in Spiel und story jeweils wesentliche Teile des Erlebnisses und der Teilnahme: »The interactive, controlling part of video games is not necessarily superior to the more [i. e. totally] rigid, fixed format of books, theater, and film. Instead, we have different types of experiences, both of which are desirable.« ([Nor04, S. 132f. todo wohl nur 132], vgl. dagegen ebd., S. 131) Diese beiden Perspektiven des Spiels und der story zeichnen sich offenbar in verschiedenen Trends etwa in VergnügungsparkAttraktionen ab. Während ein Modell den Teilnehmern möglichst viel Kontrolle in Form von eigener Steuerung des Geschehens zu übertragen versucht, verfolgt ein anderes die sinnliche Überflutung der weitgehend passiven Zuschauer mit vorgefertigten Inhalten. In der Debatte um game play und plot vertreten die sog. Ludologen und Narrativisten entschiedene Positionen, indem sie eine Fokussierung des Computerspiels auf Interaktivität ohne Einflüsse einer story propagieren bzw. der Narration eine entscheidende Rolle in Spielen übertragen wollen. Die Aspekte, an denen sich stories und Spiele so deutlich unterscheiden, sind auch genau diejenigen, die auch ihren jeweiligen Reiz ausmachen [Gla01, S. 52]. Eine Kombination von ihnen, wie etwa im interaktiven Film, »hat [...] bislang noch keinen kommerziellen Erfolg auslösen können« [Kor06, S. 79], mehr noch: »[...] nobody has yet made a commercially successful interactive story worthy of the term.« [Gla01, S. 52] Für Crawford zeigt schon die bloße Existenz der Begriffe »interactive movie« und »interactive fiction« »only [...] the magnitude of our failure to figure out the true nature of games« [Cra87]: »Interactivity is not like the movies (although some people who don’t understand interactivity would like to think so). Interactivity is not like books.« [Cra93] In diesem Sinne kann es kein interactive story telling geben. Entweder ist etwas eine story, dann ist es kein Spiel, an dem ein Teilnehmer 229

Interaktivität als Spiel

teilnehmen kann, oder etwas ist ein Spiel, dann ist die story nur Zierde und nicht essentiell notwendig, ja sogar hinderlich für das Spiel (vgl. [Ada99a]). Auch wenn in den letzten Jahren die Vermutung in offenbar zunehmendem Maße geäußert zu werden scheint, es gäbe eine Skala zwischen Spielen und stories oder gar eine allgemeine mediale Entwicklung vom Spiel zur story, seitdem technische Unzulänglichkeiten überwunden sind, scheint der Reiz von Spiel und story in ihren extremen Positionen begründet zu liegen. Jedes Medium ist attraktiv auf seine spezifische Art, und aus Spiel und story wird kein Super-Medium entstehen.2 Weder story noch Spiel werden verschwinden (wie [Mur97, z. B. S. 64] offenbar zu Gunsten der story annimmt); beide haben ihren Platz, sind einander nicht unterzuordnen, bedingen oder brauchen sich nicht gegenseitig und sind konzeptionell unterschiedlich. Es gibt bereits, und es wird möglicherweise in zunehmender Anzahl geben, sowohl Spiele mit gewissem (geringen) Geschichten- oder plotAnteil als auch Geschichten mit gewissen Eingriffsmöglichkeiten und gewissem Entscheidungsspielraum für die Zuhörer und -schauer. Diese Entwicklungen sind »Hybride« [Rob05a] verschiedener Medien, aber keine Mischungen: »[...] the digital world [...] shows no sign of converging to a single medium or media form. Far from unifying all media into one, digital designers and entertainment corporations are busy devising new combinations of older forms.« [BG03, S. 98] Diese Hybride haben dort ihre Grenze, wo ein Medium das andere nicht mehr deutlich dominiert, entweder die story das Spiel oder das Spiel die story; diese Grenze ist theoretischer Natur insofern, als daß die Konzepte von determiniertem plot und ambivalenten Spiel unvereinbar miteinander sind und praktischer Natur insofern, als daß die Entwicklung von interaktiven Geschichten, in denen story und Spiel annähernd gleichberechtigt nebeneinanderstehen, sehr aufwendig zu sein scheint. Dort, wo die story interaktiv und partizipativ wird, hört sie bereits wieder auf und wird Spiel; umgekehrt hört das Spiel in dem Moment, in dem ihm zahlreiche narrative, identifikative und reflektierende Elemente eingepflanzt werden, auf, Spiel zu sein und wird zur story. »Again and again, we hear about story. Interactive literature. Creating a story through roleplay. The idea that games have something to do with stories has such a hold on designers’ imagination that it probably can’t be 2 | Bolter und Gromala [BG03, S. 100] nennen diese Ansicht die »convergence myth« (vgl. auch ebd., S. 98, S. 100f. und S. 105f.).

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Narrative

expunged. [...] Stories are inherently linear. [...] Games are inherently non-linear. They depend on decision making. Decisions have to pose real, plausible alternatives, or they aren’t real decisions. It must be entirely reasonable for a player to make a decision one way in one game, and a different way in the next. To the degree that you make a game more like a story – more linear, fewer real options – you make it less like a game. [...] Gaming is NOT about telling stories. That said, games often, and fruitfully, borrow elements of fiction. Roleplaying games depend on characters; computer adventures and LARPs are often drive[n] by plots. The notion of increasing narrative tension is a useful one for any game that comes to a definite conclusion. But to try to hew too closely to a storyline is to limit players’ freedom of action and their ability to make meaningful decisions.« [Cos94] Das (Computer-)Spiel wird sich weiterentwickeln, und story wird sicher auch (weiterhin) eine Rolle dabei spielen; zweifellos werden Spiele die Möglichkeiten der (inter-)aktiven Teilnahme weiter ausbauen und stories die Möglichkeiten der Reflektion. Außen und Innen

Die Teilnahme am Spiel und an einer story scheint zunächst eine Frage der Perspektive zu sein; die Teilnahme am Spiel ist bestimmt vom Modus der Aktion, die an der story von dem der Reflektion. Teilnehmer sind der Spieler und der Zuhörer in gewissem Sinne beide, wenn auch offensichtlich in ganz unterschiedlicher Weise; der eine in erster Linie durch nach außen gerichtete Aktion, der andere in erster Linie durch innere Reflektion; beide finden ihre jeweilige Teilnahme offenbar reizvoll. Glassner [Gla01, S. 58f.] vermutet, daß Zuschauer und Spieler ihre mediale Teilnahme unterschiedlich planen. Die Teilnahme an stories sei demnach »[t]houghtful«, »[c]onscious«, »[d]eliberate«, »[i]ntellectual« und »[w]eighted«; die an Spielen »[i]mpulsive«, »[s]ubconscious«, »[s]pontaneous«, »[e]motional« und »[h]opeful«. Spectators and listeners would »consider the situation« and »weigh the consequences«; in Spielen sei »immediate [...] action« gefragt, »there’s no time for deliberation« (vgl. auch ebd. und Abschn. 4.2). Das Spiel drängt nach außen, ins Sichtbare und auf die Aktion, die story auf innere Reflektion. Wenn jemand selbst an etwas inhaltlich teilnimmt, ist es für ihn keine story. Eine story wird von außen betrachtet (und es findet eine innerliche Reflektion statt), und das ist es, was sie 231

Interaktivität als Spiel

ausmacht. Steigt ein Teilnehmer in sie ein, kann sie etwa zu einem Spiel mit offenem Ende werden (z. B. ein Rollenspiel). Insofern erscheint der Unterschied zwischen etwa dem Umgang mit dem Computer und dem Kino als der einer eingenommenen Perspektive. Passive und participatory

Als passive wird hier die story bezeichnet, weil ihr Teilnehmer über keine Eingriffsmöglichkeiten in ihren Verlauf und ihr Ergebnis verfügt; seine Teilnahme ist eine innere Teilnahme und gedankliche Reflektion. »Storytelling is an ancient and venerable art which humans have subsumed to a variety of media for a variety of purposes. Equally ancient and as important is the enactment of ritual where attendance and participation are of primary importance. [...] Two important technological manifestations of these would seem to be the feature film and the computer game. In the former we have the dominance of narrative over participation, while in the latter we seem to have the dominance of participation over narrative.« [Fen01, S. 90] Ein Spieler nimmt partizipativ an einem Spiel teil und bestimmt wesentlich seinen Verlauf und Ausgang. »A game is a form of participatory, or interactive, entertainment. Watching television, reading, and going to the theater are all forms of passive entertainment. In those media, the entertainment is presented to you and you’re not expected to participate. [...] The content of the entertainment is the drama, and the way you perceive it is by watching it. This mode is fundamentally passive: They act, you watch. A game is a much more complicated thing. When people play a game, they are being entertained by actively participating. [...] People love the feeling of involvement and empowerment that gaming gives.« [RA03, S. 34] Plot und interaction

Der plot einer story setzt und hält sie in Schwung; er ist ihr innerer Anlaß und Antrieb, der nicht auf äußeren Einfluß angewiesen ist oder überhaupt mit ihm umgehen kann. Die Interaktion hingegen ist das Wesentliche und Einzige, daß das Spiel zum Laufen bringt und am Laufen hält; ohne Interaktion endete es sofort. »There are dangers in making comparisons with the movies. [...] If movies are visual presentations of stories, then are not computer games just like movies, only interactive? The danger in this line of thinking is that interactivity is not some extra feature that can be tacked onto a visual presentation. Interactivity is so 232

Narrative

utterly fundamental to the gaming experience that all design must flow outward from the interaction, rather than having the interaction follow from the images.« [Cra87] In diesem Sinne können (Computer-)Spiele mit wenig (Hintergrund-)Geschichte durchaus erfolgreich sein; eine Geschichte mit geringer Interaktivität gilt allerdings Spielern nicht als Spiel und Lesern oder Zuschauern nicht als Geschichte [Dom98, S. 82]. Wenn eine solche Integration von plot und Interaktion nicht erfolgt oder erfolgen kann, erfordert dies eine Abwägung zwischen beiden Polen [Pag06]. Linearität und Interaktivität

Die Differenz zwischen Spiel auf der einen und story auf der anderen Seite kann auch als Gegensatz von Interaktivität und Linearität beschrieben werden [Joi98, S. 151]. Als Beispiel mag der Vergleich des Films mit dem Spiel dienen. »Film benefits from the luxury of being linear – having a fixed set of visuals and order of events. [...] Games, however, hold levels of relativity that can’t be foreseen, calculated, or controlled. Things don’t always happen the same way (or on the same timeline) between two different players playing the same game. We can’t expect the emotional formulas that work on a film audience to work exactly the same way on a gamer.« [Mor05] Jede Form der Nicht-Interaktivität scheint sich dabei als Hindernis für Interaktivität zu erweisen: »In general, I feel that, not just storytelling, but all sequences of behavior are ›the enemy of interactivity.‹ (By ›sequence,‹ I mean a series of events that is preplanned by the designer.) The longer the sequence, the more interactivity it curtails.« [Joi98, S. 154] Control und freedom

In einer story ist das Geschehen der Kontrolle eines Autors unterworfen; er und nur er bestimmt, was passiert. In Spielen sind die Spieler souverän gegenüber und frei von jeglicher externen Einflußnahme, sie sind keinerlei äußeren Autorität unterworfen und müssen sich vor niemandem für ihr Spiel rechtfertigen. »The whole point of interactive media is letting the player do something on her own. What that means is that a lot of times your player is going to jump off the rails and go do completely weird, unanticipated stuff. That doesn’t work very well in stories.« [Ada99a] In diesem Fall muß der Autor beim interactive story telling Spieleraktionen antizipieren und den Spieler ggf. zu entscheidenden Handlungen zwingen [Har04].

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Interaktivität als Spiel

Offensichtlich entsteht dort ein Konflikt, wo sich die »[c]ontrol« eines Autors und die »[a]utonomy« [Spi04] eines Spielers treffen bzw. widersprechen [Joi98, S. 153]. Ein Beispiel für diesen Widerspruch ist Fahrenheit (2005): »Fahrenheit is what we call an interactive drama with a very cinematic experience. A cinematic experience in fact where the player acts, directs and else is in control of the story. It’s been said that Fahrenheit is the first truely interactive movie ever. And that is something that we like to hear because that is exactly what we are trying to achieve. We try to create believable characters and to give players the possibility to direct the story. We are moving into this direction and we intend to pursue this further in the future.« (Guillaume de Foundaumiére in [Kre06b, S. 40]) Auf diese Ausführungen eines der Entwickler antwortet der Interviewer: »Maybe some people might have been fo[...]nd of the idea if there would have been more choices of character development. I mean there are some choices, but basically the guidelines are clearly set that you don’t really have enough freedom to direct your character [...].« [Kre06b, S. 40] Während die Spielwelt also durch die Aktion des Spielers aufgespannt und ihre Existenz erhalten wird, besteht die Welt einer story nur so lange, wie der Zuhörer oder Zuschauer nicht eingreift und handelt. »The book reader has always tended to be passive, because that is the best way to read.« [McL02, S. 215] Die Welt der story wird durch eigenes Handeln eingerissen, die Welt des Spiels durch eigenes Handeln errichtet. Bei stories (narrative Filme etwa) ist es gerade der festgelegte Verlauf, das NichtÄndern-Können, das es den Zuschauern erlaubt, sich zurückzulehnen und reflekiv zu vergleichen. Ein Zuschauer kann nicht handelnd (inhaltlich) eingreifen, er hat dafür die Phantasie (F. Wilhelm Bruns, pers. Komm., 7. Jun 2006). Beim Spiel wollen die Spieler gewinnen, aber das Erlebnis, es zu tun, ist das Schöne. Spieler wollen und müssen selbst entscheidend ins Spiel eingreifen. Sie testen die Spielwelt auf ihr Vorhandensein, und nur wenn sie durch eigenes Ausprobieren überzeugt sind, daß die Spielwelt kontinuierlich existiert, spielen sie: Games are real because they can be tested by the players [Aar07]. Beispiel platform rides

Die beiden Perspektiven des Spiels und der story zeichnen sich etwa an der unterschiedlichen Ausrichtung von Vergnügungspark-Attraktionen ab. Während ein Modell den Teilnehmern möglichst viel Kontrolle in 234

Narrative

Form von eigener Steuerung des Geschehens zu übertragen versucht, verfolgt ein anderes die sinnliche Überflutung der weitgehend passiven Zuschauer mit vorgefertigten Inhalten. Die Gestaltung solcher Medien kann also offenbar nur in einer Abwägung von Interaktion gegenüber Inszenierung (Trogemann, pers. Komm., 12. Jul 2006) erfolgen [LST98, S. 181]. In diesem Sinne äußert sich auch Kamberg: »I believe that two kinds of models are going to emerge in high-tech attractions: one [...] for guests that want maximum control (maximum imaginary power) and a more traditional one [...] for guests that want their experience maximally orchestrated.« [Kam98, S. 392] Möglicherweise ist eine Tendenz auszumachen, nach der die Teilnehmer solcher platform rides in zunehmendem Maße eigene Kontrolle fordern, die sie längst aus anderen Medien wie dem interaktiven Computer kennen [Mur97, S. 50]. Die Entwicklung von Spiel zu story As digital narrative develops into maturity, the associational wilderness will acquire more coherence and the combat games will give way to the portrayal of more complex processes. [...] a new narrative art will come into its own expressive form. Janet H. Murray [Mur97, S. 93]

Wird die Entwicklung der relativ trivialen Computerspiele der 1980er Jahre zu den heutigen komplexen und graphisch aufwendigen Spielen betrachtet, scheint es verlockend zu sein, im Zusammenhang von Spiel und story von einem Kontinuum zu sprechen, auf dem sich Unterhaltungsmedien wie auf einer Skala positionieren. Trogemann [Tro06] stellt Interaktivität (z. B. das web) und Inszenierung (z. B. Film) gegenüber. Dazwischen lägen bislang mißlungene Versuche, beides zu verbinden. Es sei aber nicht auszuschließen, daß sich neue Spielformen entwickelten, in denen diese Verbindung dann hergestellt werden könnte. Einen anderen Versuch unternimmt Joiner: »[It] is not to say that a game cannot have elements of both storytelling and interactivity. I would model the relationship between the two attributes as a continuum, with storytelling at one end and interactivity at the other [Abbildung 5.1].« [Joi98, S. 154]

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Interaktivität als Spiel

Abbildung 5.1: Continuum between interactivity and storytelling [Joi98, S. 154]

Was bei dieser Betrachtung übersehen wird, ist, daß die in Abbildung 5.1 aufgeführten Computerspiele natürlich alles Spiele sind, keine stories; konzeptionell wird bei Monkey Island (1990) keine wesentlich anspruchsvollere story erzählt als bei Lemmings (Amiga-Version 1991) oder Pong. In den genannten Beispielen triumphiert die Interaktivität über den plot (vgl. Abschn. 5.4.2); die story wird etwa in schlichten und festgelegten Aktion/Reaktion-Paaren freigegeben (wie bei Monkey Island) oder entwickelt sich in direkter Abhängigkeit von der Interaktion (wie bei Defender of the Crown (Amiga-Version 1986) und Red Storm Rising (Commodore 64-Version 1988)) (vgl. [Ada99a]).3 Es existieren, so scheint es, bislang eben nicht »solche [Video- und Computerspiele], die eher aus ihrer Erzählung, und solche, die mehr aus ihrer Herausforderung wirken.« [SR84, S. 214] Wenn ein Computerspiel mehr aus seiner story wirkt als durch die Interaktion des Spielers, hört es auf, ein Spiel zu sein. Der Reiz liegt offenbar gerade in den extremen Positionen von Spiel und story – natürlich können diese einander angenähert werden, aber dann besteht die Gefahr, den Reiz des einen zu verlieren, ohne den des anderen (künstlerisch oder kommerziell) zu erreichen [Hal03]. Wie w. o. bereits angedeutet, scheint nun in den letzten Jahren die Ansicht in offenbar zunehmendem Maße vertreten zu werden, es gäbe eine allgemeine mediale Entwicklung vom Spiel zur story, seitdem technische Unzulänglichkeiten, etwa des 8-bit Computers, überwunden scheinen; action games gelten dabei dann etwa als primitive Vorstufe zu komplexer digitaler Narration (vgl. [Nor04, S. 131]): »[...] game shows [i. e. »arcadestyle combat, [...] virtual car racing, [...] team ›Jeopardy‹«] are basically a form of spectacle, and as we have noticed before, participatory spectacle tends to evolve into narrative. So after the gaming novelty settles down into a few stable genres, the home digital domain may resemble

3 | Eine weitere Möglichkeit, story und game zu kombinieren wäre eine story, die sich völlig unabhängig von der Interaktion entwickelt (vgl. Abschn. 5.4.2).

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Narrative

print, film, and television in focussing on fictional storytelling.« [Mur97, S. 300, Anm. 2] Zunächst kann festgestellt werden, daß diese Vermutung nicht neu ist [SR84, S. 31 und S. 92f.] Es erscheint allerdings fraglich, ob aus der unzweifelhaft zunehmenden Ausschmückung von Computerspielen mit narrativen Elementen auf eine allgemeine (Weiter-)Entwicklung von Spiel zu story geschlossen werden kann. Was wahrscheinlich zutrifft, ist, daß es zuerst reines Spiel gab, bevor etwa das darstellende Theater aufkam [Hui56, S. 24f.]. Es wird hier allerdings davon abgesehen, eine Wertung dieser Medien vorzunehmen oder eine mediale Hierarchie aufzustellen, in der »narrative« oder »fictional storytelling« etwa »participatory spectacle« [Mur97, S. 300, Anm. 2] überlegen wäre. Narrativisten und Ludologen

Die w. o. angesprochene Entwicklung von einfach strukturierten Computerspielen zu sog. interactive entertainment in den letzten Jahren hat offenbar eine Debatte angestoßen, in der es um das Verhältnis vom game play zu narrativen Elementen geht. Entschiedene Positionen nehmen dabei die Ludologen, die eine Fokussierung der Diskussion des Computerspiels auf Interaktivität ohne Einflüsse einer story propagieren, und die Narrativisten ein, die, teilweise mit literarischem Hintergund, der Narration eine entscheidende Rolle in der Betrachtung von Spielen übertragen wollen [Fra03, S. 1]. Mateas schlägt den Begriff narrativist als Bezeichnung für »a scholar who uses ›narrative and literary theory as the foundation upon which to build a theory of interactive media‹ [Mat02]« [Fra03, S. 2] vor. Eine typische narrativistische Position vertritt Murray, indem sie etwa videogames und role-playing games genau wie etwa hypertext als narrative art sieht: »The technical and economic cultivation of this fertile new medium of communication [gemeint ist der Computer] has led to several new varieties of narrative entertainment. These new storytelling formats vary from the shoot-’em-up videogame and the virtual dungeons of Internet role-playing games to the postmodern literary hypertext. This wide range of narrative art holds the promise of a new medium of expression that is as varied as the printed book or the moving picture.« ([Mur97, S. 28], zur Betrachtung von Spielen als stories vgl. auch [SZ04, S. 381–7]) Die Widersprüche zwischen Spiel und story versucht sie dabei auszuräumen, indem sie das Spiel auf narrative Grundbegriffe wie etwa den (dann natürlich ziemlich trivialen) plot reduziert. 237

Interaktivität als Spiel

»The superiority of the losing endings of Myst suggest a basic opposition between game form and narrative form. [...] But when looked at more closely, games and stories are not necessarily opposed. [...] A game is a kind of abstract storytelling that resembles the world of common experience but compresses it in order to heighten interest. [ASS71] Every game, electronic or otherwise, can be experienced as a symbolic drama. Whatever the content of the game itself, whatever our role within it, we are always the protagonists of the symbolic action, whose plot runs like one of the following: [...] I encounter a confusing world and figure it out [etc.].« [Mur97, S. 140–2] Da Murray also keine konzeptionellen Hindernisse sieht, Spiele als stories zu beschreiben, ist sie der Meinung, daß der kommerzielle Mißerfolg von interactive narrative wohl an unfähigen oder -willigen Entwicklern liegt (ebd., S. 54). Seit einigen Jahren scheint auch Crawford einen narrativen Ansatz mit seinem Erasmatron zu verfolgen: »Computer games lack social interaction and dramatic substance4. To move beyond games into interactive storytelling, we must completely abandon our current approaches to game design and start fresh. My approach to accomplish this is to focus on the verbs that constitue the core of the interactions, creating a large set of verbs, each of which supports its own set of dramatic consequences. I divide my system into two parts: those controlled by the storytelling engine and those specified by the artist, whom I call ›the storybuilder‹. The resulting storyworlds will contain thousands of verbs. Such large data structures require extensive development tools.« [Cra04a] Für Korn [Kor06, S. 78] orientiert sich »[d]ie Bildästhetik im [Computer-] Spiel [...] an der Fotografie, das Bewegungsund Narrationskonzept am Medium Film, Textbausteine und Audiosequenzen sind weitere wichtige Module für das Fullfillment.« (Vgl. Abschn. 5.4.3) Ludologen widmen sich der »study of games, particularly computer games« ([GRoJ] zit. n. [Fra03, S. 2]). Insbesondere wehren sie sich gegen die Versuche der Narrativisten, Spiele mit Mitteln der Literatur zu bewerten (ebd.). Dabei verfolgen sie nicht den umgekehrten Versuch, etwa Literatur einer Sichtweise als Spiel zu unterwerfen. »Ludologists generally come out of game studies (e. g. [ASS71]), take the computer game as the paradigmatic interactive form, and seek to build an autonomous theory of interactivity (read: free of the English department), which, while borrowing from classical games studies, is sensitive to the novel 4 | Vgl. [Ada94] und [Mur97, S. 51].

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Narrative

particularities of computer games (this is sometimes described as a battle against the colonizing force of narrative theory [Esk01b]).« [Mat02, S. 32] Bei Ludologen wie Frasca ist entsprechend die Ansicht verbreitet, daß narratology als die Analyse von (Computer-)Spielen mit den Mitteln der Literatur fehlschlägt [Fra03, S. 4]. Eine ähnliche Meinung äußert Adams, wenn er angibt, »books and movies have more in common with one another than either has with interactive entertainment« [Ada94]; und auch Crawford: »I find it difficult to draw useful conclusions from any comparison of games with literature. There are some broad conclusions that can be drawn in comparison with stories in general. A game, like any story, must have conflict, for conflict is the goad of interaction between characters. A game must also have interesting characters (right now, we should be happy with any characters). But I can see no lessons that can be drawn from literature specifically.« [Cra87] Kurz gesagt: »[Computer games] show us that some things in the world do not belong to the broad category of ›the narrative‹.« [Juu98] 5.4.2 Strategien zur Kombination von Spiel und story Often, the two goals of information access and psychological engagement compete within the same new media object. Along with surface versus depth5, the opposition between information and ›immersion‹ can be thought of as particular expression of the more general opposition characteristic of new media: between action and representation. And just as it is the case with surface and depth opposition [...], the results of this competition are often awkward and uneasy. Lev Manovich [Man00b, S. 192]

In diesem Abschnitt wird das Verhältnis von Aktion und Reflektion an Hand des Spiels und der story (oder narrative) thematisiert. Dabei erscheinen die beiden Perspektiven als konzeptionell unterschiedliche und im Grunde unversöhnlich verschiedene Arten des Umgangs mit der Welt. Dennoch werden zwei Möglichkeiten zu ihrer Kombination diskutiert.

5 | Vgl. [Man00b, S. 189].

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Interaktivität als Spiel

Story und Spiel sind unterschiedliche Arten, mit Medien umzugehen. Der Widerspruch zwischen »dramatic structure« und »interactive freedom« [Mat02, S. 7] äußert sich deutlich in den unterschiedlichen Perspektiven der Teilnehmer (vgl. o. und Abschn. 3.4.2). Während Adams [Ada99a] nicht davon ausgeht, daß Interakvität und story telling sich gegenseitig ausschließen, vermutet er, daß sie in einem antiproportionalen Verhältnis zueinander stehen: »The more you have of one, the less you’re going to have of the other.« Interaktivität sei »about freedom, power, self-expression. It’s about entering a world and changing that world by your presence«. Der Spieler sei dabei »the only thing that makes [the world] move.« Die Verantwortung für das Medienerlebnis, die in reflektiven Medien etwa beim Autor liege, liege in Spielen beim Spieler. Dies spiegelt sich in den Möglichkeiten wider, die Teilnehmer innerhalb des aktiven bzw. reflektiven Mediums haben. Im Gegensatz zum Spiel, bei dem in einem kleinen Bereich (nämlich der der Regeln) alles erlaubt ist, ist bei der interaktiven Geschichte in einem großen Bereich (der der Geschichts-Welt) wenig erlaubt (vgl. [Mat02, S. 32]): »There will always be a trade-off between a world that is more given (more authored from the outside and therefore imbued with the magic of externalized fantasy) and a world that is more improvised (and therefore closer to individual fantasies).« [Mur97, S. 267] Allgemein scheint die Ansicht in der »game design community« verbreitet zu sein, »narrative and interactivity« wären »antithetical« ([Mat02, S. 19], vgl. ebd., S. 9f. und S. 15): »Where gameplay is all about interactivity, narrative is all about predestination.« (Ebd., S. 19) Juul [Juu98] gibt an, »game and narrative« seien »two separate phenomena that in many situations are mutually exclusive.« Auch Murray [Mur97, S. 22] ist sich den unterschiedlichen Perspektiven der Teilnehmer von aktiven und reflektiven Medien bewußt: »[...] videogames [...] added interactivity to the sensory allures of sight, sound, and motion [»of film and television«]. Critics have condemned the too-easy stimulation of electronic games as a threat to the more reflective delights of print culture.« Sie übersieht in ihrer Einschätzung allerdings, daß Computerspiele sich von der Perspektive ihrer Spieler her nicht nennenswert von anderen Spielen unterscheiden; offenbar fürchtet niemand die »too-easy stimulation« etwa von Fußball. Diese verschiedenen Sichtweisen von Spielern und etwa Lesern gehen einher mit verschiedenen Arten von Aktivität (ebd., S. 128f.) und auch mit einer unterschiedlichen Art der Erfahrung ([KWB93] n. [Mur97, S. 202]) und erfordern unterschiedliche Arten von medialen Schnittstel240

Narrative

len. Manovich vermutet, daß der Computer der 1990er Jahre vermittelnd zwischen (inter-)aktiven und (wie er es nennt) immersiven, d. h. reflektiven, Medien zu stehen versucht, hält beide Positionen aber gleichzeitig für »fundamentally different and ultimately noncompatible«. Daraus folgt eine deutlich zu unterscheidende Gestaltung der Schnittstellen entweder für reflektiven oder für aktiven Umgang: »[...] the computer screen becomes a battlefield for a number of incompatible definitions: depth and surface, opaqueness and transparency, image as an illusionary space and image as an instrument for action.« [Man00b, S. 95] Manovich macht in diesem Zusammenhang auf den Wettstreit des »image as imageinterface [...] with i[t]s older role as representation« als »conceptual opposition« zwischen »two opposing poles« aufmerksam: »[A]n illusionistic window into a fictional universe and a tool for computer control« (ebd., S. 246). Nake [Nak05c] benennt diese beiden Eingenschaften des Computers als »Oberfläche« und »Unterfläche«. Geht man von bestehenden Medien aus, existieren offenbar zwei Möglichkeiten der Versöhnung dieser antagonistisch erscheinenden Eigenschaften des Umgangs mit dem Computer: Die Reflektion kann die Aktion beherrschen, d. h., sie verhindern, wie in narrativen Medien, oder die Aktion kann die Reflektion weitgehend verdrängen oder zumindest auf einen späteren Zeitpunkt verschieben, wie im Spiel. Eine konvergierende Tendenz von Aktion und Reflektion kann hier nicht ausgemacht werden; im Gegenteil scheinen stark ausgeprägte und undurchmischte Positionen medial erfolgreich zu sein (s. Abschn. 3.4). Partizipatives Theater kann so organisiert werden, daß die Zuschauerteilnahme für das Geschehen obligatorisch und entscheidend ist, oder so, daß die Handlungen der Zuschauer keinen relevanten Einfluß auf den Fortgang und das Ergebnis haben; im ersten Fall kann es passieren, daß nicht viel Interessantes passiert, im zweiten, daß die Zuschauer versuchen einzugreifen, ohne tatsächlich viel zu erreichen. Die Variante, die offenbar häufiger vorkommt, ist die, den Zuschauern nur geringe Möglichkeiten zum Eingriff in Verlauf und Ergebnis zu gewähren, was dem Charakter von narrativen Medien wohl entgegenzukommt. Es ist auch nicht gesagt, daß Theaterbesucher unbedingt entscheidend in ein Stück eingreifen wollen; verschiedene Medien haben verschiedene Möglichkeiten der Teilnahme, die sie gerade auszeichnen: »[...] developers of interactive multimedia need to keep in mind the criticality of deep psychological interactivity of successful art and media. The structural incorporation of concrete choice making does not guarantee deep engagement. Indeed, some analysts suggest that the choice making itself 241

Interaktivität als Spiel

can distract from this deep engagement by disrupting the possibilities of these internal processes of feeling and musing.« [Wil03] Wird die Reflektion der Aktion untergeordnet, wie in zahlreichen Computerspielen der 1980er Jahre, verdrängt die Aktion in zunehmendem Maße alle reflektiven Elemente. Beim Computerspiel heißt das, daß die Hintergrundgeschichte entweder von vornherein unbekannt ist oder bei den ersten Schüssen auf das eigene Raumschiff sofort vergessen wird; Schnipsel einer eventuell sogar stets identisch verlaufenden story, die während des Spiels eingeblendet werden, werden oft entweder abgestellt oder abgebrochen. Der Nachteil eines Spiels von einem literarischen Standpunkt ist ein meist wohl triviales, eventuell unbefriedigendes, etwa frustrierendes oder uninteressantes Geschehen ohne eine Garantie einer narrativen Geschlossenheit, der Vorteil aus der Sicht des Spiels die Erfahrungen des eigenen, entscheidenden, inhaltlichen Eingreifens in den Verlauf und einer Begegnung mit einer Herausforderung mit offenem Ausgang. Für den Umgang mit dem Computer, der deutlich den interaktiven Medien zuzurechnen ist, heißt das allerdings, daß die Aktion die Reflektion überwiegen muß, um sein Potential auszuschöpfen: »[...] new media embeds cinema-style illusions within the larger framework of an interactive control surface. Illusion is subordinated to action; depth to surface; a window into an imaginary universe to a control panel.« ([Man00b, S. 189], vgl. ebd., S. 187) Partizipatives Theater [...] audience participation is [...] very awkward. The literature of the twentieth century includes many concrete visions of the kind of boundary problems a truly participatory narrative would present. Janet H. Murray [Mur97, S. 101]6

Seit der Postmoderne existiert das partizipative Theater in Form von happenings, performances und Installationen, das die Aktivität eines Zuschauers oder -hörers über die in den Abschnitten 3.3.3 und 3.3.4 genannten Aspekte hinaus zur inhaltlichen Teilnahme steigert [Man00b, S. 71]. Im partizipativen Theater vermischen sich die traditionellen Rollen von Autor, Schauspieler und Zuschauer insofern, als daß jede der beteiligten Personen jede der Rollen annehmen kann, insbesondere 6 | S. auch [Tho71, S. 348–52].

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Narrative

können Zuschauer sich als Schauspieler und/oder Autoren einbringen. Wieviele und welche Möglichkeiten dabei offenstehen, hängt natürlich von der Anlage des i. d. R. immer noch mindestens grob bestehenden Stückes ab. Partizipatives Theater kann anscheinend zwischen den beiden Extremen realisiert werden, ohne die initiative Teilnahme der Zuschauer gar nichts oder auch mit ihrer Teilnahme stets dasselbe passieren zu lassen; Beispiele sind etwa Installationen, in denen ohne initiativen Eingriff der Zuschauer nichts passiert bzw. performances, die mehr oder weniger ungestört ablaufen, egal, wie die Zuschauer auch eingreifen. Als Beispiel für das erste können Kruegers interaktive Installationen dienen, zum zweiten gibt es offenbar immer wieder Versuche, so bei instant impro: »Bei instant impro ist jede Szene eine Uraufführung! Das Publikum bestimmt, was es sehen möchte[,] und schon stürzen sich die Schauspieler ohne Netz und doppelten Boden in die waghalsigsten Situationen. Belohnt die Akteure mit Rosen oder straft sie mit nassen Schwämmen!« [ii04] Mit dem Motiv des partizipativen Theaters spielt auch der Hollywood-Film Last Action Hero (1993), in dem ein Junge sich mit Hilfe einer magischen Spielkarte in einen Film seines Lieblingsschauspielers versetzt (dort aber nur eine Nebenrolle spielt). Wird partizipatives Theater so organisiert, daß die Zuschauerteilnahme für das Geschehen obligatorisch und entscheidend ist, kann es passieren, daß nicht viel Interessantes passiert; läuft das Geschehen mehr oder weniger von selbst ohne große Variationsmöglichkeiten ab, kann es sein, daß die Zuschauer versuchen einzugreifen, ohne tatsächlich viel zu erreichen. Das in narrativen partizipativen Medien vorherrschende Muster scheint das von wenig entscheidendem Eingriff auf Seiten der Zuschauer zu sein. Das kann heißen, daß sie zwar in gewisser Weise inhaltlich aktiv sind, aber keine tatsächlich für den plot des Stückes relevanten Entscheidungen treffen können, etwa durch »incorperating folk art forms and festival behaviour such as singing, dancing, and sharing a feast.« [Mur97, S. 127] Diese Art der partizipativen, aber konsequenzlosen Teilnahme kritisiert Murray (ebd.) deutlich. Dabei scheint es kein Mißverständnis zu sein oder an den bekannten, verbreiteten und eingefahrenen Darstellungsformen für Theater zu liegen – die Darstellung im Fernseher, im Kino oder auf der Theaterbühne mag für partizipatives Theater ungeeignet sein – aber es ist wohl der Charakter des narrativen Films und des narrativen Theaters, den Zuschauern keine oder doch nur geringe 243

Interaktivität als Spiel

Möglichkeiten zum Eingriff in Verlauf und Ergebnis zu gewähren: »To seek delusion, belief, and ›audience participation‹ in the theater is to deny that drama is art.« ([Lan53, S. 319] zit. n. [Mur97, S. 101]) Und, kurz gesagt: »Art [is] meant to be consumed.« [Nor04, S. 102] Der Umgang mit dem Computer ist mehr als partizipatorisches Theater (bei dem der Teilnehmer über die Möglichkeit des entscheidenden Eingriffs nicht verfügt) [Mur97, S. 127f.], und es scheint, als würden die Argumente, die hier in Zusammenhang mit dem partizipativen Theater genannt werden, auch auf interactive narrative zutreffen (vgl. Abschn. 5.3 und 5.4, insbesondere 5.4.2). Die Dominanz der story

Soll die story bei der Verbindung mit dem Spiel im Vordergrund stehen, muß dazu das Spiel wesentlich eingeschränkt werden. Für Computerspiele schlägt Adams [Ada99a] dafür zwei Varianten vor: Es kann die Interaktion des Spielers in dem Maße limitiert werden, »that the player can’t get away from the plot« oder die Bedeutung der Aktionen des Spielers reduziert werden, d. h. »you give [the player] a lot of interactivity but you make it all meaningless – the interactivity doesn’t really affect anything.« Im ersten Fall, dem klassischen Vorgehen in adventure games, macht der plot genau in dem Maße Fortschritte, wie der Spieler im Spiel vorankommt. »This absolutely guarantees that the player will have everything he needs when he gets to the dramatic climax. If he needs the magic sword, then he’ll have the magic sword, and if he doesn’t have the magic sword, there’s no way he can get to the dramatic climax; the plot simply doesn’t go anywhere. [...] You just link up the player’s actions to the advancement of the plot. The difficulty with this solution is that it’s mechanistic. It turns the game into a series of puzzles to be solved, and once you’ve played two or three of these games, you can really see it. If nothing seems to be happening, you must be doing something wrong. When you do something right, then interesting things happen. The flow is jerky, stop-start. You as the player can do what you like, but you don’t have the sense of being carried along by the story; in fact it’s quite clear that you’re not in the story, the story is an external mechanical object that only progresses when you do the right things.« Im zweiten Fall spielt der Spieler nur eine Nebenrolle im Spiel, das dann im Wesentlichen auch ohne ihn und seinen Eingriff abläuft. Dies bedingt »a [game] world that’s alive [by itself], that goes on around the player, regardless of what he’s doing. 244

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This makes for some really interesting adventure games. [...] It’s interesting to watch things take place around you in one of these kinds of games. The difficulty with them is that you tend to lose the game a lot. You end up having to start over all the time, because you weren’t ready for the dramatic climax when it occurred.« Für die Möglichkeit einer solchen story, die sich im Wesentlichen unabhängig von dem entwickelt, was der Spieler tut, plädiert etwa Bernstein ([Mat02, S. 34f.], vgl. auch ebd., S. 33 und S. 147). Diese Form der Interaktion kommt auch im partizipativen Theater vor, etwa, indem die Zuschauer die Rollen von Gästen bei einer Feier übernehmen. Während die Geschichte sich dann wohlgeformt, wie vom Autor geplant und im Wesentlichen bei jeder Aufführung identisch entwickelt, können die Zuschauer dabei zwar inhaltlich handeln und eingreifen, ihre Handlungen haben aber keinen entscheidenden Einfluß auf Verlauf oder Ausgang der story. Der Vorteil ist dabei eine gewisse Garantie eines befriedigenden Erlebnisses, der Nachteil die Zwischenstellung der Zuschauer, die weder inhaltlich relevante Entscheidungen treffen können, indem sie z. B. wie die Schauspieler eine Darstellung für andere bieten, noch eine bzw. ihre Darstellung reflektiv genießen können. Während offenbar feststeht, daß interactive narrative nicht in dem Sinne interaktiv sein kann wie ein ambivalentes Spiel, bei dem Verlauf und Ergebnis offen sind, interaktiv ist, zielt Mateas’ und Sterns Ansatz darauf, Geschichte (»story structure« (ebd., S. 36) bzw. »structured narrative« [MS02, S. 5]) und Spiel (»agency« [Mat02, S. 36] bzw. »simulation« [MS02, S. 5]) zu verbinden: »Façade is an attempt to find a capable middle ground between structured narrative and simulation. We want to combine the strengths and minimize the weaknesses of each approach.« (Ebd.) Voraussetzung dafür ist, die Ansicht abzulehnen, »games and stories« wären »fundamentally irreconcilable categories, that providing the player with an experience [...] of both agency and story structure is impossible.« [Mat02, S. 36] Es scheint allerdings der Fall zu sein, daß die Stärken der Aktion nun gerade die Schwächen der Reflektion sind und umgekehrt: »Frasca [z. B. [Fra04]] argues that a conception of interactive drama that attempts to create a strong sense of closure with a well-formed dramatic arc introduces a battle for control between the player and system. If the system decides the ending, we have guaranteed closure without interactive freedom; if the user decides the ending we have guaranteed freedom but possibly no closure. Further, if the player is playing a prescribed role, 245

Interaktivität als Spiel

such as Gandhi, we either have to limit interactive freedom to maintain the player’s role (and story arc) or provide interactive freedom at the expense of the role (and story arc).« ([Mat02, S. 32], zum Kampf um Kontrolle zwischen story und Spiel vgl. auch ebd., S. 9f., S. 15, S. 19f. und S. 22) Festzuhalten bleibt, daß in dem Fall, in dem Partizipation an stories ernstgenommen wird, sie offensichtlich ihre wesentlichen Eigenschaften (s. Abschn. 5.1) verlieren, beispielsweise bei Rollenspielen [Mat02, S. 33]. Die Dominanz des Spiels I am not advocating the total abandonment of the cinematic metaphor. Instead, I am arguing for moderation, for putting the cinematic metaphor in its proper place as an occasionally useful means of expressing difficult concepts in game design, rather than the centrally defining metaphor of our industry. Chris Crawford [Cra92]

Beispiele für die Unterordnung der Reflektion unter die Aktion sind zahlreiche Computerspiele der 1980er Jahre. Auf Grund der technischen Beschränkungen stellte sich die Frage nach der Ausschmückung mit etwa narrativen Elementen von Spielen erst gar nicht – die Spiele sind oft auf die blanke Interaktion reduziert. Eine ggf. vorhandene Hintergrundgeschichte ist entweder von vornherein unbekannt oder wird von den Spielern bei den ersten Schüssen auf das eigene Raumschiff sofort vergessen, weil sie für das Spiel keine Relevanz besitzt; Schnipsel einer eventuell sogar stets identisch verlaufenden story, die während des Spiels eingeblendet werden, werden oft entweder abgebrochen oder (wenn möglich) gleich ganz abgestellt. Der Nachteil eines Spiels von einem literarischen Standpunkt ist ein meist wohl triviales, eventuell unbefriedigendes, etwa frustrierendes oder uninteressantes Geschehen ohne eine Garantie einer narrativen Geschlossenheit, der Vorteil aus der Sicht des Spiels die Erfahrungen des eigenen, entscheidenden, inhaltlichen Eingreifens in den Verlauf und einer Begegnung mit einer Herausforderung mit offenem Ausgang. Um eine story in einem Spiel unterzubringen, gibt es verschiedene Möglichkeiten (vgl. o.). Eine solche Möglichkeit ist, die Hintergrundgeschichte etwa im Anleitungsheft (oder gar auf der Rückseite der 246

Narrative

Packung) des Spiels abzudrucken (vgl. [Pia02, S. 63, Anm. 212]). Bei vielen Computerspielen der 1980er Jahre fiel diese Lösung zusammen mit einem weiteren, Computerspielern vertrauten Phänomen: Es gibt wohl eine Geschichte, aber diese ist für das Spielen des Spiels völlig unerheblich [Röt05, S. 109]. Eine weitere Strategie, eine Geschichte in einem Spiel unterzubringen, ist, beide Teile zwar miteinander abzuwechseln, inhaltlich aber voneinander getrennt zu halten; etwa kann sich eine in cut scenes erzählte Geschichte stets (in derselben Weise) weiterentwickeln, solange die Spielfigur überlebt [Mat02, S. 20]. Jenkins schlägt »for weaving narrative elements into a game world« ([Jen04] n. [Mat02, S. 35]) vor: ◦ »evoked narratives, in which elements from a known linear narra-

tive are included in the spatial design of the game (e. g. Star Wars Galaxies)[,] ◦ enacted narratives, organized around the player’s movement

through space (e. g. adventure games), ◦ embedded narratives, in which narrative events (and their conse-

quences) are embedded in a game space such that the player discovers a story as [he] progress[es] through the game (e. g. Half-Life)[,] ◦ emergent narratives, narratively pregnant game spaces enabling

players to make their own stories (e. g. The Sims).« [Mat02, S. 35] Mateas vermutet dazu, daß Jenkins sich wohl auf die »current technical state of the art in commercial game design« beschränke und deshalb nicht »the strategy of actively weaving a player’s activity into a story« erwähne. Es scheint aber kein Zufall zu sein, daß Jenkins dies nicht erwähnt, denn Spiel und story widersprechen sich konzeptionell (vgl. o.), das ist keine Frage von weiterer Technikentwicklung. In aller Regel ist die (Hintergrund-)Geschichte (wenn dem Spieler überhaupt bekannt) bestenfalls Ausgangspunkt des Spiels; nachdem das Spiel begonnen hat, verliert sie ihre Relevanz für das Spiel und der Spieler entsprechend das Interesse an ihr [Mur97, S. 51f.]. Das, was ihn interessiert, ist das, was er gegenüber einer Herausforderung im Spiel erreichen kann [SR84, S. 34], »[d]er Phantasie, respektive der Phantasielosigkeit der Spieldesigner ist es dann noch überlassen, für den Spielablauf eine plausible Geschichte zu erfinden, also dem elektorischen Spiel-›Subjekt‹ 247

Interaktivität als Spiel

einen Namen [...] zu geben, ihm eine Aufgabe zu stellen, ihn mit Gefahren zu konfrontieren, die ihrerseits Simulationen einer wirklichen Situation oder einer mythischen, märchenhaften Vorstellung entsprechen, und ihm schließlich auf irgendeine Art ein Ziel oder eine Belohnung in Aussicht zu stellen.« (Ebd.) Ein Spieler in einem Spiel handelt eigenverantwortlich und selbständig; er folgt mit seinen souveränen Entscheidungen keiner story. Für ihn und sein Spiel ist das relevant, was er tun und erreichen kann, denn das ist das Spiel. Eine story ist dabei nichts, was ihm fehlt (vgl. [Mur97, S. 109]). Diese Beobachtung macht auch Manovich [Man00b, S. 188], hält sie aber für eine Vermischung der Rollen eines Zuschauers (»viewer«) und eines (inhaltlich) Handelnden (»actant«). Daß das Spiel dabei die story jedoch deutlich dominiert, wird sofort offensichtlich, wenn betrachtet wird, was von der story noch übrigbleibt: In interactive media »the roles of a viewer and a[n] actant are blended perfectly – but there is a price to pay. The narrative is organized around a single and clearly defined goal: staying alive.« 5.4.3 Computerspiele und andere Medien Most of these similarities [»between film and computer-based forms of entertainment«] are so obvious that they are barely noticed and only a brief run-though of them is needed: they are both screenbased media; they are both time-based media; they both use technology in their production and presentation; they both tell their stories predominantly though image, rather than through dialogue. Andy Clarke, Grethe Mitchell [CM01, S. 84]7

Während bei Spielen wie Fußball oder Halma anscheinend niemand vermutet, es wären eigentlich stories, die als solche betrachtet und diskutiert werden könnten, erscheinen hingegen »video games« als »a new genre of entertainment and literature« [Nor04, S. 43] und »puzzle mazes [gemeint sind wohl adventures], shooting games, and tangled Web sites of the mid-1990s« als »first experiments in digital storytelling« [Mur97, S. 251]. Mateas [Mat02, S. 15] sieht »commercial [computer] games« eingebettet in »the landscape of interactive narrative«. Computerspiele wer7 | Vgl. auch ebd.

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den als etwa »wildly popular form of entertainment« [Wad04] angesehen, die Geschichten erzählt (ebd.) De Foundaumiére vermutet, daß in »video games« genau wie in »most entertainment forms such as movies or books [...] stories and characterizations [...] critical« [Kre06b, S. 42] seien. Murray hält in diesem Sinne sowohl SimCity als auch Civilization für Spiele und Narrationen [Mur97, S. 87ff.]. Obwohl Manovich an anderer Stelle die unterschiedlichen Perspektiven von Spiel und story erwähnt [Man00b, S. 194] und ihre Auswirkungen beschreibt (ebd., S. 192), ist er der Meinung, »computer games« (ebd., S. 199) würden von ihren Spielern als etwas Narratives erlebt (ebd. und ebd., S. 196). Computerspiele werden offenbar oft aus der Perspektive von stories diskutiert, »from the fields of literary, theatre, drama and film studies« ([Esk01a] zit. n. [Fra03, S. 5]). In diesem Abschnitt wird überprüft, ob sich Computerspiele so grundlegend von anderen Spielen unterscheiden und sich als »mixture of interactive fiction with entertainment« [Nor04, S. 131] erweisen. Dazu wird thematisiert, welche Rolle stories in Computerspielen spielen (vgl. auch Abschn. 5.4.5) und was für Spiele adventure games sind. Trotz aller Komplexität, aufwendiger und realistischer Graphik und narrativen Elemente scheint sich in Computerspielen konzeptionell die story genausowenig mit dem Spiel zu mischen wie in Spielen ohne Computer. Die ohne Zweifel vorhandenen Ähnlichkeiten zwischen Spiel und anderen Medien sollen abschließend in diesem Abschnitt am Beispiel der graphischen Darstellung diskutiert werden. Während narrative Elemente unbestritten eine gewisse Rolle spielen, die in Computerspielen ausgeprägter sein mag als in Spielen ohne Computer, reicht diese Ähnlichkeit nur bis zu einem gewissen Punkt. Die unterschiedliche Verwendung von Perspektive weist offenbar auf eine grundlegende Differenz zwischen Spiel und story hin. Es erscheint also schließlich als unangemessen, das (Computer-)Spiel als Genre der Literatur zu betrachten. »[Computer g]ames are not a kind of cinema, or literature, but colonizing attempts from both these fields have already happened, and no doubt will happen again.« ([Aar01] zit. n. [Fra03, S. 5]) Adventure games und interactive fiction

Wenn es ein Computerspiel-Genre gibt, das in Betracht kommt, als narrative zu gelten, ist es offenbar das Genre der (text) adventures. Für Adams sind »Adventure games [...] about the actions of an individual 249

Interaktivität als Spiel

in a complex world, usually a world where brains are more important than guns.« [Ada99b] Seit Ende der 1990er Jahre die interactive narrative in Mode gekommen ist, werden die Begriffe adventure game und interactive fiction offenbar in einem ähnlichen Sinn oder sogar synonym verwandt (etwa [Mat02, S. 21], vgl. ebd., S. 10). Als »literary genre« [Mur97, S. 290, Anm. 8] mögen adventure games etwa seit Nieszs und Hollands Artikel »Interactive Fiction« gelten können (ebd.).8 Auch wenn der narrative und reflektive Anteil in adventures unbestritten höher ist als in den meisten action games, scheinen die Interaktivität und die Herausforderung, die auch in diesen Spielen selbstverständlich eine wesentliche Rolle spielen, diesen Teil zu überwiegen. Der Modus, in dem der Spieler ein adventure spielt, ist der der Aktion, des eigenen, entscheidenden und nach außen gerichteten Eingriffs. Der Fokus von interactive narrative liegt darauf, die Erfahrung des Teilnehmers in besonderer Weise nach den Maßstäben einer story zu gestalten, wie etwa in Façade. Die cineastische Darstellung Element by element, cinema is being poured into a computer: first one-point linear perspective; next the mobile camera and a rectangular window; next cinematography and editing conventions, and, of course, digital personas also based on acting conventions borrowed from cinema, to be followed by make-up, set design, and the narrative structures themselves. Cinema’s aesthetic strategies have become basic organizational principles of computer software. Lev Manovich [Man00b, S. 92]

Die oft erste Beobachtung, die gemacht wird, wenn von der Ähnlichkeit von Computerspielen und anderen Medien, etwa dem Film, gesprochen wird, ist die ähnliche optische Darstellung. Dabei ist es nicht so, daß die Darstellung von Spielen und Filmen sich einander annähert, es ist vielmehr so, daß die Darstellung von Computerspielen sich zunehmend der aus Filmen bekannten Darstellung bedient. »The area of computer culture where [a] cinematic interface is being transformed into a cultu8 | In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff interactive narrative benutzt; für eine kritische Betrachtung des Begriffs interaction fiction s. [Aar05].

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Narrative

ral interface most aggressively is computer games. By the 1990’s, game designers have moved from two to three dimensions and have begun to incorporate cinematic language in a[n] increasingly systematic fashion. Games started featuring lavish opening cinematic sequences [...] to set the mood, establish the setting and introduce the narrative. Frequently, the whole game would be structured as an oscillation between interactive fragments requiring user’s input and non-interactive cinematic sequences9 [...]. As the decade progressed, game designers were creating increasingly complex – and increasingly cinematic – interactive virtual worlds. Regardless of a game’s genre [...] they came to rely on cinematography techniques borrowed from traditional cinema, including the expressive use of camera angles and depth of field, and dramatic lighting of 3D computer generated sets to create mood and atmosphere.« [Man00b, S. 90] Die Darstellung und ihre Qualität in Spielen ähneln inzwischen so sehr der Darstellung in Filmen, daß Computerspiele sogar unter dem Begriff Machinima als Bilderlieferant für Filme benutzt werden (vgl. etwa [Azh03]). Übersehen wird bei der Betrachtung der eindrucksvollen Graphik von Spielen, daß es nach wie vor Spiele sind und daß das Spiel sich der Darstellung bedient, wie es sich zahlreicher Medien bedient, und den narrativen Teil dabei dominiert (vgl. Abschn. 5.4.5): »Note that it is hard to draw a strict line between such interactive movies and many other games which may not use traditional film sequences yet follow many other conventions of film language in their structure. From this perspective, the majority of 1990s computer games can be actually considered interactive movies.« [Man00b, S. 245] Von einer Darstellung in einem Medium oder seinem Inhalt auf den Umgang mit diesem Medium zu schließen (vgl. [McL02]), erscheint jedoch weder nützlich noch zulässig. Eine gegenseitige Beeinflussung von Spiel und Film, die über den zwischen Medien üblichen inhaltlichen Austausch hinausgeht, kann hier nicht erkannt werden; auch die nur teilweise Adaption des jeweils anderes Konzepts, wie sie etwa Korn [Kor06, S. 79] zu erkennen meint, erscheint zweifelhaft.

9 | Vgl. Abschn. 3.4.1.

251

Interaktivität als Spiel Single take und Perspektive [The choices of perspectives in games] are equivalent to a novelist’s care with point of view or a director’s attention to staging. Janet H. Murray [Mur97, S. 146]

Während sich die Graphik als Beispiel für eine gewisse Ähnlichkeit von Computerspielen mit Filmen erwies, scheint die Verwendung von Perspektive auf einen wesentlichen Unterschied hinzudeuten. Zwar breiten sich auch hier augenscheinlich die Konventionen des Films in Computerspielen aus, tatsächlich treten aber bei genauer Betrachtung deutliche Differenzen hervor. First-person shooter unterscheiden sich, während ihre Graphik zunehmend Ähnlichkeit mit Filmen aufweist, in ihrer Perspektive i. d. R. klar von den meisten Filmen. »In interactive environments [...] the player tends to have a continuous view of the action, typically through the ›eyes‹ of their character or from behind them.« [CM01, S. 84] In den Begriffen des Films gelten sie damit als »single-takes« [Man00b, S. 135]. Aber auch in Computerspielen existieren verschiedene Perspektiven neben der first-person view; es gibt die third-person view, verschiedene räumliche Ansichten und zeitliche Sprünge. Spiele in der first-person view scheinen dabei sogar in der Minderheit zu sein. Beispiele für die third-person view in Spielen sind fast alle Jump n’ Run-Spiele; für verschiedene räumliche Ansichten etwa der Wechsel von der Seitenansicht der Umgebung des Tatorts zur verkleinerten Draufsicht des Stadtplans in Police Quest (1987) und der von der Draufsicht des Raumschiffes zur Sicht auf die im shop angebotenen Waren in Xenon 2 (1989) sowie das explizite Einstellen einer räumlichen Perspektive etwa in EchtzeitStrategiespielen; für zeitliche Sprünge von Mission zu Mission bzw. vom Start zum Einsatzort oder Gegner Red Baron (1990) u. a. Flugsimulationen. D. h. aber nicht, daß die Perspektive, wie sie aus dem Film bekannt ist, auf das Spiel übertragen wird oder übertragen werden könnte [CM01, S. 81]. Der Unterschied der Perspektiven im Computerspiel und im Film scheint darin zu liegen, daß der Spieler derjenige ist, der die Wechsel in der Perspektive mindestens anstößt, implizit veranlaßt oder sogar selbst explizit seine Perspektive wählt, während dem Zuschauer eines Films 252

Narrative

diese Kontrolle i. d. R. nicht übertragen wird; ein exemplarisches Beispiel ist die first-person-Perspektive in Spielen, die sich deutlich von der Film-Perspektive abhebt (ebd., S. 84). Dies weist nicht nur auf einen Unterschied in der Darstellung hin, sondern auf einen Unterschied in der Teilnahme. 5.4.4 Der plot, die Regeln und die Rolle im Spiel Am Beispiel des rein personalen (d. h. von Zufallsgeneratoren freien) Schachspiels, das von Neumann anführt, ist ersichtlich, daß es einer Geschichte des Spiels nicht bedarf, sondern nur eines Satzes von Regeln und einer gegebenen Konfiguration von Figuren. Claus Pias [Pia02, S. 156]

In Schauspielen sind der Verlauf und der Ausgang festgelegt; in Spielen sind sie unbestimmt und offen – beim Schauspiel scheint es dabei um das »wie« zu gehen, beim Spiel um das »wer« bzw. »ob«. In beiden existieren Regeln, die das (Schau-)Spiel jeweils ermöglichen. Während Spieler und Schauspieler beide unzweifelhaft spielen, bewegen sie sich in gewissen, vom Spiel bestimmten und vom Spielraum umschlossenen Grenzen. Der Schauspieler bewegt sich innerhalb der oft impliziten Vereinbarungen und Konventionen durch eine festgelegte story, der Spieler handelt unter Einhaltung oft explizit formulierter Regeln. Nehmen die Regeln wie im Rollenspiel überhand über den plot, ist der Handlungsverlauf offen und das Ergebnis nicht festgelegt, entsteht kein Schauspiel, sondern ein Spiel. Spiel kann auf zahlreichen Ebenen stattfinden. Es geht hier also nicht darum, etwa zu behaupten, im Schauspiel werde im Gegensatz zum Spiel weniger gespielt. Das Spiel äußert sich nur unterschiedlich, abhängig von der gegebenen Situation und den vorhandenen Möglichkeiten. Für Zuschauer haben das Schauspiel und das Spiel offenbar beide einen eigenen und unterschiedlichen Reiz. Das Spiel und das Schauspiel können beide wiederholt werden. Der wesentliche Unterschied dabei scheint darin zu liegen, daß ein Spiel wiederholt wird, weil es anders verlaufen und ausgehen kann, während eine story wiederholt wird, weil sie im Wesentlichen gleich verläuft und ausgeht.

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Interaktivität als Spiel Regeln in Spiel und Schauspiel [...] there’s hardly anything as satisfying as a rigged [boxing] fight. An honest fight is just a brawl, a rigged fight is theater. Martin Cruz Smith [Smi03, S. 126]

Es geht bei der Diskussion in diesem Abschnitt um die unmittelbaren Teilnehmer an Spiel und Schauspiel, also um die Spieler und Schauspieler, aber nicht um die Zuschauer, die nur mittelbar am Geschehen teilhaben und wenn auch kein identisches, doch ein ähnliches Erlebnis bei Spiel und Schauspiel erleben (s. u. und vgl. Abschn. 4.4). I. d. R. werden Regeln beim Schauspiel nicht explizit aufgestellt, allen Teilnehmern erklärt und von ihnen akzeptiert wie beim Spiel. Nichtsdestoweniger trotz existieren spezifische Regeln, die zum Vorteil der narrativen Inszenierung befolgt werden, bei einer Nacherzählung genau wie bei einem Theaterstück, einer Gute-Nacht-Geschichte oder einer Fernsehserie. In Zusammenhängen wie der Improvisation mag dies deutlicher werden als in anderen Formen des Theaters. »Improv is an acting technique that, when performed on stage, is actually managed within a context of rules and conventions.« [Gla01, S. 55f.] Dabei darf »[a]uch die freieste Improvisation [...] den gesetzten Rahmen nicht überschreiten, wenn das Spiel nicht verdorben werden soll.« ([Sch65, S. 158], zu Improvisation s. [Sch65, S. 162], zu Regeln im Spiel vgl. Abschn. 4.1.4) Nehmen die Regeln wie im Rollenspiel überhand über den plot, ist der Handlungsverlauf offen und das Ergebnis nicht festgelegt, geht es nicht um ein Schauspiel, sondern um ein Spiel, für das Zuschauer entbehrlich sind (vgl. Abschn. 5.4.6 und [Pan04, S. 117], dagegen [Mur97, S. 42]). Zwar ist bei einer solchen Veranstaltung i. d. R. »de[r] grobe [...] Rahmen des Rollenspiels vor[ge]geben«, den Spielern müßten aber »genug Freiräume zur Improvisation [ge]lassen« werden: »Ob sie das Lager [...] am Ende gegen die Ork-Angriffe halten können, ist völlig offen. Das hängt allein davon ab, wie geschickt die Spieler vorgehen.« [RH06] Bei stories ist der Ausgang festgelegt, bei Spielen ist er offen. Bei beiden kann ein Zuschauer den Verlauf genießen; kennt er die story nicht, so ist der Reiz »wie wird die Sache wohl ausgehen?«. In den meisten stories ist ihm jedoch entweder das Ende bekannt, oder es ist durch Konventionen weitgehend vorgeschrieben, dann ist eher die Frage »wie kommt es (noch) dazu?«. Im Spiel ist die Frage »wer wird gewinnen?« bzw. »wird es gelingen?« (vgl. Abschn. 4.1.5 und 4.3 sowie [Mur97, S. 138f.]). 254

Narrative

Während Spieler und Schauspieler beide unzweifelhaft spielen, bewegen sie sich in gewissen, vom Spiel bestimmten und vom Spielraum umschlossenen Grenzen. Der Schauspieler bewegt sich innerhalb der oft impliziten Vereinbarungen und Konventionen durch eine festgelegte story, der Spieler handelt unter Einhaltung oft explizit formulierter Regeln. Auch wenn es so scheinen mag, als spiele der Spieler ungleich mehr als der Schauspieler, da ihm mehr verschiedene Möglicheiten offenstehen, ist dieses Spiel wohl nicht in erster Linie quantitativ mehr, sondern qualitativ anders. Die Wiederholung von Spiel und Schauspiel

Die Wiederholung ist offenbar ein Phänomen, das in Grenzen bei allen Medien auftritt. Auch das Spiel und das Schauspiel können wiederholt werden. Der wesentliche Unterschied dabei scheint darin zu liegen, daß ein Spiel wiederholt wird, weil es jedesmal anders verlaufen und ausgehen kann, während eine story wiederholt wird, weil sie im Wesentlichen jedesmal gleich verläuft und ausgeht. Dieser Unterschied in der Perspektive scheint durchaus eine wesentliche Differenz zwischen Spiel und Schauspiel zu kennzeichnen. Ein Spiel entwickelt sich bei jedem Spielen anders; ein narratives Medium wie das Buch hingegen löst bei jedem Lesen in etwa dasselbe Erlebnis auf Seiten des Lesers aus, und das scheint auch eine seiner besonderen Qualitäten zu sein. Ein Spiel, daß bei jedem Spielen identisch verläuft und ausgeht, wird nicht gespielt; eine Geschichte, die bei jedem Erzählen anders verläuft und endet, wird nicht gehört. Das Spiel des Schauspielers »ist verabredetes, geprobtes Spiel. Es ist wiederholbar, und zwar auf dieselbe Weise. Er führt auf, was geprobt ist. Darauf muß man sich verlassen können. Sein Spiel folgt einer Dramaturgie, die auf einem festgelegten Ablauf, zumeist auf einem Skript basiert. Zeit und Raum sind definiert.« [Ric04a, S. 12] Eine Charakteristik des narrativen Theaters scheint also die Wiederholung zu sein (Frieder Nake, pers. Komm., 24. Feb 2004): »Der Theatermensch, Schauspieler oder Regisseur strebt nach Wiederholbarkeit, nach einem Spiel, dass nach verabredeten und einstudierten Regeln und Rollen verläuft. Die Kreativität des Schauspielers liegt in seiner körperlichen Expressivität gegenüber einem Publikum, dem er sich öffnen muss [Ric04a]. Die Probe seines Werkes findet in Teilsimulationen (Szenen) und ein oder zwei Gesamtsimulationen statt (Generalprobe). Dann entwickelt sich das Werk 255

Interaktivität als Spiel

in den Aufführungen zwar noch weiter, erfährt aber wohl keine größeren Korrekturen.« (F. Wilhelm Bruns in [RB04, S. 13]) Spielt eine story eine wichtige Rolle in einem Spiel, sinkt offenbar das Interesse der Spieler an einer Wiederholung [Küc04, S. 5]. Kurz gesagt, »the more important narrative is to the game, the more of a disincentive it is to play it again« ([Ada01] zit. n. [Küc04, S. 24], vgl. auch [Fra98]). Eine mögliche Lösung räumt dem Spiel gegenüber der story entscheidende Relevanz ein. »Narrative-based media such as literature and film often have a rather low level of replayability, unless, that is, the telling is given precedence over the tale.« [Küc04, S. 38] Das entstehende Spiel scheint dann allerdings nicht mehr als narratives Medium gelten zu können [Joi98, S. 159]. Die Rolle im Spiel

Wie zwischen Schauspiel und Spiel ein grundlegender Unterschied zu bestehen scheint (vgl. Abschn. 5.4.1 und w. o.), unterscheiden sich auch die Rollen ihrer Spieler. Das Spiel nehmen nur die Spieler ganz als Spiel wahr; das Schauspiel »[nehmen] [n]icht die Handelnden [...] als Ganzheit wahr, sondern nur, wer von ihnen Abstand hat.« [Sch65, S. 135]. Niemand kann handelnder Teilnehmer einer story sein, nur etwa Zuhörer. Schauspieler im Theater dienen mit ihren Darstellungen dem Stück (bzw. der story), das sie in nur geringem Umfang variieren können und dessen Verlauf und Ausgang festgelegt sind. Die story existiert auch ohne und unabhängig von den Schauspielern. Die Theaterschauspieler sind nur Erfüllungsgehilfen, auf sie ist die story nicht angewiesen. Ein Teilnehmer bei einem Spiel ist ein Spieler. Spieler dienen aber nicht dem Spiel – das Spiel dient ihnen, indem es ihnen eine Möglichkeit gibt, nach ihrer Lust am Spiel zu handeln; der Verlauf und Ausgang sind dabei nicht festgelegt, sondern offen. Ein Spiel endet, wenn die Spieler aufhören zu spielen, eine story verschwindet hingegen nicht, wenn eine Vorstellung im Theater ausfällt. Ein Spiel wird wiederholt, weil es sich jedesmal unterscheidet, eine story, weil sie konstant bleibt (vgl. Abschn. 4.1.2). Die Rolle, die ein Spieler in einem Spiel übernimmt oder ausfüllt, ist nicht mit der Rolle eines Schauspielers zu verwechseln; eine Rolle in einem Theaterstück ist eine Beschreibung der festgelegten Handlung, eine Rolle in einem Spiel ist eine Beschreibung der Möglichkeiten zu handeln oder eine ergebnisoffene Aufgabenbeschreibung. 256

Narrative

Die Einheit des Spiels entsteht in gewisser Weise spontan und unvorhersehbar durch das handelnde Zusammenwirken aller Spieler, aber auch etwa arbeitsteilig, wenn man an die Rollen- oder Aufgabenverteilung z. B. beim Fußball denkt [Kel98, S. 68]. Die Rolle im Spiel ist nicht die Rolle im Theater oder die in einer story. Im Spiel ist die Rolle eine Aufgabe, aber nicht »arch-enemy to team leader to partner-in-crime« [SZ04, S. 463], »fast friend, bitter enemy, cloying annoyance, feared power, or grudgingly temporary alley« (ebd., S. 463f.) oder sogar »winner« (ebd., S. 464) wie bei Salen und Zimmerman. Rollen gibt es nur bei team play in einem game oder in einem play. Dabei machen Rollen wie Bösewicht in einem game keinen Sinn, denn darin geht es um den Gewinn, nicht um eine Darstellung. Die Suche nach »character« und »role« [Che05], wie sie in der Literatur vorkommen, erweist sich in Spielen als vergeblich [Cra87]. In Spielen kommen Spieler vor, aber weder ein plot noch characters wie in einem Theaterstück. »Quake has neither plot nor characters« ([Mat02, S. 28], vgl. ebd., S. 27) 5.4.5 Die Hintergrundgeschichte Es existieren zahlreiche Computerspiele, in denen narrative Elemente vorkommen. Die Entwicklung verlief von frühen action games wie Breakout (1976) oder Pac-Man (1980), bei denen die story eher schlicht gehalten war, de facto nicht viel mit dem Spiel zu tun hatte und typischerweise auf der Rückseite der Packung genügend Platz fand (vgl. Abschn. 5.4.2), seit etwa Wing Commander (1990) zu kinoartigen Filmsequenzen (vgl. Abschn. 3.4.1), die sich in gewissem Maße auf die Handlung des Spielers beziehen und ihm auch Hinweise zum weiteren Spielverlauf geben können. Wie ist das Verhältnis von Spiel zu story? Brauchen Spiele überhaupt eine story, oder ist sie entbehrlich? Eine erste Beobachtung ist, daß zahlreiche (Computer-)Spiele existieren, deren story gänzlich unbekannt ist, offenbar unerheblich ist oder zumindest keine wesentliche Rolle spielt. In Sportspielen wie Fußball und Autorennen existieren überhaupt keine stories. Wie in den Abschnitten 5.4.1 und 5.4.3 bereits diskutiert, scheinen das Spiel und die story nicht gleichberechtigt gemischt werden zu können, ohne daß dabei eines von ihnen seine wesentlichen Charakteristika und seinen Reiz einbüßt. Wird also von Geschichten in Spielen gesprochen, ist damit in erster Linie, wenn nicht ausschließlich, die Hinter257

Interaktivität als Spiel

grundgeschichte gemeint (vgl. [RA03, S. 56]), die einen Anlaß bietet, eine Situation herstellt oder eine Entschuldigung liefert zu spielen. Wenn das Spiel beginnt, hört eine solche Geschichte auf, für den Spieler interessant zu sein. Während die story bei einigen Computerspielen explizit Teil des Spiels ist, ist das Spiel dabei nicht Teil der story. Diese kann als Rahmen und Hintergrund dienen, aber die Handlung des Spielers konstituiert wesentlich das Spiel: »Die Interaktion beginnt also im Normalfall da, wo die Schrift aussetzt.« [Pia02, S. 63, Anm. 212] Die story in Computerspielen ›What does it mean to say that a story is interactive?‹ It’s a question that remains unanswered. [...] adventure games tell stories, and they are interactive; therefore they constitute interactive storytelling [...]. The problem is that most adventure games tell rather poor stories. Ernest W. Adams [Ada99a]

Wenn die Narration in Computerspielen eine wesentliche Rolle spielte oder Computerspiele gar Narrationen wären, müßten sich in ihnen wohl interessante, komplexe und ausgefeilte stories nachweisen lassen. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein [Ada94]. Die Geschichten, die (als Hintergrundgeschichten) in Computerspielen vorkommen, scheinen nur »shallow catalogues of popular culture« zu sein: »[F]ast cars, aliens, monsters from hell« [Juu98]. Ihr narrativer Gehalt ist gering und »is often imported from other media or supplied by sketchy and stereotypical characters.« [Mur97, S. 51] Es ist wohl davon auszugehen, daß es i. d. R. eine bewußte Entscheidung der Computerspiele-Entwickler ist, sich auf das game play und nicht auf eine story zu konzentrieren (vgl. [Pag06]), und diese scheint nicht im Fokus von Spielen zu stehen: »[...] there are no good stories in computer games because the computer game does not tell stories.« Die stories in Computerspielen können also kaum ihren Erfolg ausmachen, denn »[f]rom a literary perspective, the popularity of the computer game appears unmotivated. Computer games seem meaningless [...].« [Juu98] Computerspiele scheinen nun gerade deswegen erfolgreich zu sein, weil sie keine stories sind. »The largest commercial success and the greatest creative effort in digital narrative have so far been in the area of computer games.« [Mur97, S. 51] 258

Narrative

Konzeptionell ist es offenbar nicht möglich, in einem Medium wie einem Spiel sowohl Interaktivität als auch Narration in gleicher Weise zu haben ([Ada99a], s. o. und vgl. Abschn. 5.4.1, zu adventures s. u.). Der Spieler schreibt, während er spielt, nebenher seine eigene story (s. Abschn. 5.4.6) und braucht und erwartet keine andere, die natürlich stets in Konflikt steht mit seiner eigenen. Bis jetzt kann also wohl nur in eingeschränktem Maße die Rede davon sein, daß stories in Spielen eine wesentliche Rolle spielten. Offenbar spielen stories in Computerspielen sogar eine dem Spiel bei weitem untergeordnete Rolle. Eine story als Erklärung oder Anlaß Guests needed a background story. We found that giving as much context as possible about the scene helped reduce the severity of the transition from the real to the virtual environment. Background story is the set of rules that apply to the virtual world. Randy Pausch et al. [PST+ 98, S. 362]

Eine story kann ein Spiel vorbereiten oder es rahmen; sie kann der Spielhandlung einen Kontext zuweisen und so als Anlaß und Erklärung des Spiels dienen. Wenn eine story ein Spiel vorbereitet, endet sie, sobald das Spiel beginnt. »You need more than [BattleTech] cockpits, good graphics, and good audio to suspend disbelief. You need to put players in the right frame of mind before they get into the cockpit. This makes for willings participants who get swept up by the fantasy. Together, the facility design and staff create the right atmosphere, and the actual graphics and audio execute the job, like warm-up performers and the headline attraction.« [Wei98, S. 468] Rahmt eine story ein Spiel, ist die Spielhandlung zwischen Geschichtsteile eingefügt [Juu98]. Typischerweise beginnt das Spiel dabei nach einer kurzen narrativen Einführung, in der sein Konflikt dargelegt wird; nach Ende des Spiels wird die Narration wieder aufgenommen und abgeschlossen. In zahlreichen action games ist der Kontext einer story offensichtlich nur ein Anlaß oder eine Entschuldigung, Gegner oder Raumschiffe abzuschießen etc. (ebd.). Für das game play hat die story eines Spiels darüber hinaus keine wesentliche Bedeutung [Man00b, S. 197]. 259

Interaktivität als Spiel

In Spielen wie Guild of Thieves (1987), Larry (1987), Fish (1988), Monkey Island (1990) oder Day of the Tentacle (1993) spielt die story eine ungleich größere Rolle als in action games. Aber auch dort erscheint sie nicht als Teil des game plays, sondern etwa als Gradmesser des Fortschritts des Spielers innerhalb des Spiels. Die story ist dann Teil des Spiels [Wal05], nicht aber das Spiel Teil der story; der Spieler spielt keine story, sondern ein Spiel. Ziel kann es nun nicht sein, (Computer-)Spielen jegliche Verbindung zu stories abzusprechen, sondern die Beziehung zwischen ihnen zu klären. Diese Beziehung scheint die zu sein, daß Spiele in erster Linie Spiele sind und erst in zweiter Linie eine Hintergrundgeschichte besitzen, die dem Spiel untergeordnet ist. Konzeptionell kann eine story ein Spiel nur in einen gewissen Kontext stellen, indem sie etwa das Spielfeld abgrenzt und Ziele vorgibt [RP90, S. 26]. Darüber hinaus kann sie nichts tun, was dem Spiel nützlich wäre, denn der Rest des Geschehens liegt in der Hand der Spieler: »In contemporary game design, narrative elements are primarily employed to provide [...] an explanatory background against which the high-resolution mimetic action of the game takes place.« [Mat02, S. 20] Das eigene Handeln macht das Spiel aus You have to find a good script to make a good game. Games are also based on the quality of the gameplay etc. Marc Miance in [Kre06c, S. 8]

Eine story kann also als Anlaß, setting, Entschuldigung oder Hintergrundgeschichte Teil eines Spiels sein, bestimmt dabei aber nicht wesentlich seinen Charakter. »Chess players couldn’t care less that the pieces are named for the members of a medieval court; the only thing that matters is where they are and how they move. Deeply strategic players often ignore the story entirely, thinking of it only as a distraction.« [Ada04] Das Spiel ist abstrakt; je mehr sich die Spieler des Spiels bewußt werden, desto geringere Relevanz besitzen für sie der konkrete Ausdruck, die Darstellung oder die (Hintergrund-)Geschichte des Spiels: »Serious chess players aren’t interested in the shape of the chessmen; their shapes don’t contribute significantly to the game. [...] As players learn to understand the core mechanics of other games, they stop thinking about the fantasy element as well. When players become highly skilled at a game 260

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such as Quake III, they no longer think about the fact that they’re pretending10 to be space marines in a futuristic environment; they think only about hiding, moving, shooting, ambushing, obtaining more ammunition, and so on.« [RA03, S. 53] Es wird also die Ebene der Metapher, der Referenzen auf die und die der Ähnlichkeit mit der alltäglichen Welt verlassen und das Spiel als eigene Welt erkannt und angenommen: »[...] the more you play, the less you think of the frame [...].« ([Juu98], vgl. Abschn. 4.1.3, 4.1.6, 4.3 und [Sva99, etwa S. 129ff.]) In Spielen wie Ultima (1981), King’s Quest (1983), Bard’s Tale (1985), Guild of Thieves (1987), Maniac Mansion (1987) und Day of the Tentacle (1993) ist die story explizit Teil des Spiels – das heißt aber nicht, daß das Spiel Teil einer story ist. Diese kann als Rahmen, Entschuldigung und Anlaß dienen, sie stellt die (Hintergrund-)Geschichte der Welt vor, in der das Spiel abläuft und gibt den Kontext sowie das Spielziel vor (Richard Garriott n. [Man00b, S. 215]. Das Spiel wird allerdings wesentlich durch die stattfindende Handlung gekennzeichnet. Der Spieler spielt nicht die story (nach); er spielt in der Spielwelt, die durch die story gegeben ist oder erklärt wird. Es verlangt das Spiel also offenbar nicht nach einer Hintergrundgeschichte; während diese einem Spiel zwar den Rahmen und den Anlaß vorgeben kann, sagt sie über das konkrete game play nichts aus. Die story hört dort auf, wo das Spiel anfängt, wenn der Spieler im Spiel handelt; das Verstellen und Schauspielern endet dort, wo das ungestellte, ehrliche und echte Spiel beginnt; sobald der Spieler das Spielfeld betritt, verliert die äußere Welt ihre Bedeutung und tritt hinter die Spielwelt zurück; Beschränkungen, Probleme, gesellschaftliche Positionen und Verpflichtungen verblassen gegenüber der Aufgabe im Spiel, dem verbindenden Ziel, dem zu erringenden Sieg. Von diesem (Zeit-)Punkt an ist die story (wenn vorhanden) für den Spieler oft uninteressant geworden; seine Handlung konstituiert wesentlich das Spiel.

10 | Pretending scheint an dieser Stelle allerdings mißverständlich, denn natürlich tun die Spieler niemandem (auch nicht sich selbst) gegenüber so, als wären sie jemand anderes.

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Interaktivität als Spiel

5.4.6 Die Geschichte im Nachhinein Turned wrong way round, the relentless unforeseen was what we schoolchildren studied as ›History,‹ harmless history, where everything unexpected in its own time is chronicled on the page as inevitable. The terror of the unforeseen is what the science of history hides, turning a disaster into an epic. Philip Roth [Rot05, S. 113f.]

Ein beendetes Spiel kann wie jedes abgeschlossene (auch mediale) Erlebnis hinterher aus der Erinnerung heraus als Geschichte erzählt werden. Dies scheint kein Phänomen zu sein, das spezifisch für Spiele ist. Spielen heißt i. d. R. nicht, bewußt eine story zu verfassen; dies kann einem Spieler erst hinterher ggf. bewußt werden11. Telling a story about a game does not make the game a story. A game is an experience. [Aar07] Spielen heißt, in den Verlauf der (Spiel-)Welt einzugreifen, in ihr zu handeln und eine Reaktion zu erfahren: »Der Spieler entwirft seine Spielgeschichte zur Laufzeit.« [Mie04] Spiele können erst nach ihrem Ende zu Geschichten werden [SZ04, S. 412f.]. »It’s natural for players to construct a story from a game play experience, but it is not inevitable, nor is the story the game.« (Greg Costikyan zit. n. [SZ04, S. 412]) Murray beschreibt MUDs (Multi User Dungeons oder Domains) als »gaming environments« [Mur97, S. 43], in denen »players« nicht zusammen spielten, sondern gemeinsam Szenen improvisierten (»improvising scenes together«); eine mindestens ungewöhnliche, wenn nicht sogar unzutreffende Bezeichnung für das stattfindende »play«, das zwar auf »favorite books, movies, or television shows« basiere, aber natürlich kein »writing of stories« ist, denn es gibt, wie sie selbst sagt, weder Zuschauer noch Zuhörer (»not meant to be watched or listened to«); ein MUD wird von den Spielern als eine (Spiel-)Welt empfunden, in der sie gemeinsam sind und handeln (»an alternate reality they all live in together« (ebd., S. 44)); etwas, was hier als Spiel angesehen wird. Selbst Schach wird für eine story gehalten: »[...] Celia Pearce claims that the game of Chess is a narrative and has a ›similar ›storyline‹‹ than MacBeth, even if narrative works differently in both genres 11 | Das Schreiben einer story kann natürlich auch als Spiel aufgefaßt werden, aber dies wird hier nicht weiter vertieft.

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[Pea04].« [Fra03, S. 6] Ein ablaufende Partie Schach scheint allerdings tatsächlich nur wenig mit einer story zu tun zu haben. »Chess has no story. I can tell a story about any playing of any game, but it’s a story of I did this, then he did that, then Sally did something else entirely. It’s not an intrinsic part of the game, the way that plot is an intrinsic part of a movie or novel.« (Greg zit. n. [And03]) Es erscheint ebenfalls zweifelhaft, ob es etwa den Teilnehmern an Rollenspielen darum geht, Geschichten zu erfinden »as they go along«: »The most active form of audience engagement comes in role-playing clubs [compared to web-sites, fanzines, etc.]. Fans of fantasy literature from Tolkien to space operas have joined together for live-action role-playing [...] games in which they assume the roles of characters in the original stories to make up new characters within the same fictional universe. [...] the players share a sense of exploring a common fictonal landscape and inventing their stories as they go along.« [Mur97, S. 42] Auch nach dem Abschluß eines Vorgangs, an dem jemand selbst entscheidend beteiligt war, wie einem Spiel, verliert er im Rückblick nicht seine subjektive Perspektive. Ein Spieler vermag sein vergangenes Spiel kaum »from the perspective of a spectator at the top of the arena« (ebd., S. 180) zu sehen; ein Beispiel dafür sind Interviews mit Fußballern nach einem Fußballspiel. Geschichten werden stets im Nachhinein erzählt, wenn das Geschehen (bereits) vorbei und abgeschlossen ist – Geschichte ist immer schon gewesen. Geschichten können in diesem Sinne nicht als Perspektive für gegenwärtiges (d. h. noch nicht abgeschlossenes) Handeln dienen. Wird von einer Geschichte im alltäglichen Umgang mit dem Rechner gesprochen, kann diese nicht von außen kommen wie beim Theater (vgl. [Lau86a, Lau93]), sondern muß vom user durch seine und in seiner Interaktion mit dem Rechner selbst fortlaufend aber nebenher geschrieben werden (vgl. [Dom98, S. 299f.]). Wie beim Spiel wird diese Geschichte verfaßt als »internal drama created by the [...] players [...] in their head[s]« (ebd., S. 186).

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Interaktivität als Spiel

5.4.7 Der kommerzielle Erfolg Computer gaming is emerging as the dominant form of media interpolation into shared social apparatuses even at the expense of television and film. Anne-Marie Schleiner [Sch98]

Wenn sich Spiele in stories wandelten und diese Spielen allgemein überlegen wären, wäre es wohl naheliegend anzunehmen, daß sich dies auch in gewisser Weise in ihrem kommerziellem Erfolg zeigt. In diesem Abschnitt wird dem nachgegangen; dazu werden einige Zahlen zum monitären Umsatz von Kinofilmen und Computerspielen diskutiert sowie die möglicherweise aussagekräftigeren quantitativen Verkäufe in verschiedenen Spiele-Genres verglichen. Als Indikator für gesellschaftliche Relevanz, die grundsätzliche Überlegenheit eines Mediums gegenüber einem anderen oder eine allgemeine mediale Präferenz der Medienbenutzer kann dieser kurze Vergleich nicht gelten. Zwar zeigt er eine gewisse Tendenz von narrativen Medien zu Spielen auf, jedoch spielen bei dieser Art von statistischer Betrachtung zahlreiche Faktoren eine Rolle, die seine Geltung einschränken mögen und auf die im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen wird.

Abbildung 5.2: U. S. Computer and Video Game Unit Sales [Ass07]

Vor einigen Jahren wurde die Unterhaltungsindustrie noch kritisiert, die neuen technischen Möglichkeiten von interaktiven Medien aus (finanzieller) Berechnung nicht zu nutzen [Sta98, S. 426], inzwischen 264

Narrative

scheint sich das Blatt jedoch gewendet zu haben. Bei einer Bevölkerung von ca. 290 Mill. Einwohnern12 wurden in den USA im Jahr 2004 250 Mill. Computer- und Konsolenspiele gekauft (s. Abbildung 5.2). Bei ca. 110 Mill. Haushalten13 wurden in jedem Haushalt damit statistisch betrachtet deutlich über zwei Spiele gekauft. Der Umsatz, der mit Computerspielen erzielt wird (s. Abbildung 5.3), liegt nun in der derselben Größenordnung wie der, den die Filmindustrie Hollywoods erzielt, teilweise bereits höher ([Gla01, S. 51f.], [Wad04]). Für einige Teilmärkte hat dieser Umschwung bereits vor Jahren stattgefunden. »For [the young male] market, the game machines have been so wildly successful that the sales of video games exceeds the box-office sales of movies.« [Nor04, S. 43] Computerspiele weisen einen Umsatz auf, der deutlich stärker als der der Filmindustrie wächst.

Abbildung 5.3: U. S. Computer and Video Game Dollar Sales [Ass07]

Wie ist dieser Erfolg nun innerhalb der Computerspiel-Genres verteilt? Wird etwa das Kino gemieden, werden dafür aber Spiele mit hohem narrativen Inhalt erworben? Nach den Angaben der Interactive Digital Software Association (IDSA) bzw. Entertainment Software Association (ESA), die die Verkaufszahlen des US-amerikanischen Marktes erfaßt, sind in erster Linie die Genres Strategie und Children & Family Entertainment bei den Computerspie12 | 281 Mill. Einwohner bei der Volkszählung im Jahr 2000 [Wik07b] 13 | 113 Mill. Haushalte im Jahr 2005 [Wik07a]

265

Interaktivität als Spiel

len, sowie action und Sport bei den Konsolenspielen erfolgreich14 (s. Tabellen 5.1 und 5.2). Der Anteil der Spiele, in denen die Narration eine tragende Rolle spielt wie adventures und in deutlich geringerem Maße Rollenspiele, ist hingegen seit Jahren gering. Bei den Computerspielen stagniert der prozentuale Anteil der adventures in den letzten Jahren bei unter 6%; der der Rollenspiele konnte sich von knapp 9% (2001) auf knapp 14% (2006) steigern; bei den Konsolenspielen spielen adventures kaum eine Rolle, der Anteil der Rollenspiele stieg in den letzten Jahren geringfügig von 7.4% (2002) auf 9.5% (2006). Genre Strategy Children & Family Entertainment Role Playing Shooter Adventure Sport Games Action Other

2001 25.4% 25.7% 8.8% 4.3% 8.1% 10.1% 14.6%

2002 27.4% 25.5% 8.0% 11.5% 3.3% 6.3% 3.0% 12.6%

2003 27.2% 22.2% 8.7% 13.5% 5.2% 5.9% 7.8%

2004 26.9% 20.3% 10.0% 16.3% 5.9% 5.4% 3.9% 0.0%

2005 30.8% 19.8% 12.4% 14.4% 5.8% 3.7% 4.7% 0.0%

2006 35.4% 18.4% 13.9% 10.9% 5.7% 3.5% 3.4% 8.8%

»Child« und »Family« wurden für das Jahr 2001 zu »Children & Family Entertainment« zusammengefaßt, ebenso »Children’s Entertainment« und »Family Entertainment« für die Jahre 2002, 2003 und 2006.

Tabelle 5.1: Computer Game Genres in Units Sold (USA) [Ass02–07]

Bei den Computerspielen steht dem zwischen 3.3% (2002) und 5.9% (2004) schwankenden Anteil der adventures und dem von 8% (2002) auf 13.9% (2006) gestiegenen Anteil der Rollenspiele also ein zwischen 68.8% (2003) und 73.7% (2002) variierender Anteil an Spielen gegenüber, bei denen die story eine nur untergeordnete Rolle spielt. Bei der Aufstellung der Genres der Konsolenspiele taucht im Jahr 2006 das adventure erstmals nach 2002 (5.1%) wieder auf und sinkt auf 3.4%; der Anteil der Rollenspiele variiert zwischen 7.4% (2002) und 9.5% (2006). Dem steht ein zuletzt auf 84.1% (2006) gestiegener Anteil an Spielen gegenüber, in denen eine Narration keine wesentliche Rolle spielt. Die Geltung der hier verwandten IDSA-/ESA-Statistiken mag deutlich eingeschränkt erscheinen. In ihnen werden nur Verkäufe von Spielen in den USA erfaßt. Während die Angaben selbst hier nicht angezwei14 | Für die Bundesrepublik nennt Fromme [Fro03] (für das Jahr 2003) als beliebteste Spiele für Jungen action und fighting games (33%), sport games (21%) und platform games (17%); für Mädchen platform games (48%) und think or puzzle games (20%).

266

Narrative Genre Action Sport Games Children & Family Entertainment Racing Shooter Role Playing Fighting Adventure Strategy Strategy/RPG Other

2001 19.8% 22.2% 7.0% 16.7% 9.1% 5.7%

17.6% 0.0%

2002 25.1% 19.5% 16.6% 5.5% 7.4% 6.4% 5.1%

7.6%

2003 27.1% 17.6% 4.7% 11.3% 8.6% 8.7% 6.9%

2004 30.1% 17.8% 9.5% 9.4% 8.7% 9.0% 5.4%

2005 30.1% 17.3% 9.3% 11.1% 8.7% 7.8% 4.7%

2006 27.5% 17.0% 10.9% 10.8% 10.6% 9.5% 4.6% 3.4% 2.7%

0.0%

0.0%

0.0%

3.8%

»Child« und »Family« wurden für das Jahr 2001 zu »Children & Family Entertainment«, »1st Person Shooters« und »Shooters« zu »Shooter« zusammengefaßt, ebenso »Children’s Entertainment« und »Family Entertainment« zu »Children & Family Entertainment« für das Jahr 2006.

Tabelle 5.2: Video Game Genres in Units Sold (USA) [Ass02–07]

felt werden sollen, erweist sich die in einigen Fällen fehlende Transparenz als Defizit. So ist nicht ersichtlich, wie die Spiele-Genres definiert sind; es ist etwa unklar, welche Art von Spielen mit Children & Family Entertainment gemeint ist, die ja jährlich einen wesentlichen prozentualen Anteil auf sich vereinen15. Eine undokumentierte Änderungen der Genre-Einteilungen von einem Jahr zum anderen scheint wahrscheinlich zu sein (etwa der Sprung von über 10% für action (2001) auf nur noch 3% im Folgejahr bei den Computerspielen und umgekehrt von 19.8% (2001) auf über 25% im Folgejahr bei den Konsolenspielen). Einige Einteilungen scheinen unglücklich gewählt zu sein, so wirkt etwa die gemeinsame Zählung der doch stark differierenden Genres von Strategie- und Rollenspielen (2001) bei den Konsolenspielen problematisch; bei den Computerspielen sind beide Genres in demselben Jahr getrennt aufgeführt. Es sind nicht in allen Jahren alle Genres angegeben, was an einem zu geringen prozentualen Anteil liegen kann, was allerdings nicht in allen Fällen sehr wahrscheinlich zu sein scheint (etwa bei shooter im Jahr 2001 bei den Computerspielen oder bei Children & Family Entertainment im Jahr 2002 bei den Konsolenspielen); andere Genres tauchen nur in einem einzigen Jahr auf, so Edutainment im Jahr 2002 bei den Konsolenspielen (hier aus diesem Grund unter Other gefaßt). Die prozentualen Angaben pro Jahr summiert ergeben zwischen 84.9% (Konsolenspiele 2003) und 100.8% (Konsolenspiele 2006). Hier wird davon ausgegangen, daß beim Kauf von Computer- und – noch deutlicher – Konsolenspielen eine Art Abstimmung mit den Füßen stattfindet, die einen ersten Hinweis gibt, daß Spieler Spiele mit 15 | Zur Ansicht, das Spiel wäre ein Unterhaltungsmedium, s. Abschn. 4.1.7.

267

Interaktivität als Spiel

einem hohen aktiven Anteil denen mit einem hohen reflektiven Anteil vorziehen. Kauft jemand ein Computerspiel, ist er offenbar nicht auf der Suche nach einer story. Eine mediale Entwicklung von Spielen hin zu stories oder ein besonderer Erfolg von Computerspielen mit hohem narrativen Anteil gegenüber etwa action games läßt sich an Hand der angeführten Zahlen nicht belegen. Es scheint im Gegenteil so zu sein, daß narrative Medien zunehmend gegenüber (insbesondere Computer-)Spielen an Boden verlieren, was den wirtschaftlichen Erfolg angeht, und daß narrativ-orientierte Computerund Konsolenspiele quantitativ keinen wesentlichen Teil der Spiele ausmachen.

268

6 Calm computing, Simulation und Kommunikation

In diesem Kapitel werden calm computing, Simulation und Kommunikation als Perspektiven im Umgang mit dem Computer diskutiert und ihre Beziehungen zum Spiel aufgezeigt. Das Konzept des calm computings beschreibt einen defensiven Umgang mit Technik, die unauffällig in die Umgebung integriert allgegenwärtig ist. Sie verbleibt den überwiegenden Teil der Zeit im Hintergrund des alltäglichen Lebens und erfordert nur ausnahmsweise bewußte Auseinandersetzung mit dem user und seine Aufmerksamkeit. Anwendungen von calm computing werden inzwischen von vielen Seiten vorgeschlagen; nach Weiser auch etwa von Norman und Kurzweil und sogar formuliert in europäischen Forschungsprogrammen. Dabei werden unterschiedliche Schwerpunkte wie eine Internet- oder KIOrientierung gesetzt. Calm computing und Spiel zielen auf unterschiedliche Arten, mit Medien umzugehen. Während calm computing den Eingriff des users nur selten erfordert, verlangt das Spiel die vollständige Gegenwärtigkeit des Spielers in der Spielwelt. Beide Perspektiven erscheinen für verschiedene Anwendungen des Rechners geeignet und plausibel, ohne sich gegenseitig auszuschließen. Als Ziel von Simulation wird hier der Erkenntnisgewinn angesehen. Ihr Vorgehen ist die modellhafte Übertragung aus der natürlichen oder künstlichen Welt, der dynamische Ablauf oder das interaktive Experiment und die Rückübertragung der Ergebnisse in die alltägliche Welt. Der Computer wird allerdings in diesem Sinne von seinem user offenbar nur in wenigen Fällen als Testumgebung und der Umgang mit ihm nur selten als Experiment angesehen. Wie dem Spieler im Spiel, gelingt 269

Interaktivität als Spiel

es dem computer user, eigene Bedeutung medial zu erzeugen, die der alltäglichen Welt zur Legitimation nicht bedarf und nicht als ihre Kopie oder eine Illusion abgetan werden kann. Es ist dabei auch nicht davon auszugehen, daß der Computer seine besonderen medialen Eigenschaften etwa in den Formen alter, von ihm simulierter Medien entfaltet. Wird das (Computer-)Spiel nun als Simulation angesehen, wird zwar die oft erstaunlich naturalistische Abbildung ins Spiel (an-)erkannt, nicht jedoch die grundsätzlich andere Intention eines Spielers gegenüber einem Experimentator. Ein Spiel ist kein Test, der auf sein Umschlagen in Ernsthaftigkeit wartet, sein Ziel nicht der Erkenntnisgewinn, der zu einer Anwendung in der alltäglichen Welt führt. Kommunikation wird thematisiert als die zweckhafte Übermittlung von Botschaften zwischen Menschen. Bedeutung kann in diesem Prozeß nur durch individuelle Interpretation der Beteiligten entstehen und wird weder mitübertragen noch liegt sie im medialen Text inherent verborgen. Der Begriff der communication metaphor kann das Eintippen von Kommandos in den Rechner bezeichnen, ein von Crawford propagiertes Leitbild zur Gestaltung von Interaktion oder den Dialog des users mit künstlich intelligenten Agenten oder Robotern. Wenn der Ausdruck allerdings nur als anderer Begriff für Interaktion mit dem Rechner benutzt wird, fügt er den bekannten Konzepten nichts wesentlich Neues hinzu. Der Umgang mit dem Computer kann nur in bestimmter Hinsicht als Kommunikation angesehen werden, denn natürlich ist der Rechner dem Menschen kein Gegenüber. Es erscheint zweifelhaft, ob eine Sichtweise, die sich an der Kommunikation zwischen Menschen orientiert, eine angemessene Perspektive für den Umgang mit Medien darstellen kann; der mittelbare, kommunikative Austausch über einen Gegenstand scheint einen nur kleineren Spielraum zuzulassen als der direkte Umgang mit diesem Gegenstand.

6.1 Calm computing In diesem Abschnitt wird Weisers Konzept des calm computings kurz beschrieben und als Perspektive im Umgang mit dem Rechner im Vergleich mit Spiel thematisiert. Das Konzept des ubiquitous computings schlägt einen Umgang mit dem Computer vor, der nicht die ständige bewußte Auseinandersetzung sei270

Calm computing, Simulation und Kommunikation

nes users einfordert, sondern meistens unauffällig im Hintergrund des alltäglichen Lebens oder in der Peripherie der Aufmerksamkeit verbleibt. Während inzwischen in diesem Sinne eine Anzahl Ansätze formuliert werden, unterscheiden sich die Konzepte in ihren unterschiedlich gesetzten Schwerpunkten. Dazu gehören insbesondere die Betonung der connection mit dem Internet und die Orientierung hin auf intelligente Agenten oder Umgebungen. Eine allgemeine Hinwendung zu calm computing ist bei aller Verbreitung des Rechners in der Gesellschaft und in allen Lebensbereichen allerdings bisher nicht zu beobachten. Das Spiel steht deutlich im Gegensatz zu calm computing, indem es die vollständige, ungeteilte und dauernde Gegenwärtigkeit des Spielers im Spiel voraussetzt. Calm computing und Spiel zielen konzeptionell auf verschiedene Arten des Umgangs mit Medien, und das eine Konzept ersetzt dabei nicht das andere. 6.1.1 Zu den Begriffen des calm und des ubiquitous computings First were mainframes, each shared by lots of people. Now we are in the personal computing era, person and machine staring uneasily at each other across the desktop. Next comes ubiquitous computing, or the age of calm technology, when technology recedes into the background of our lives. [...] its highest ideal is to make a computer so imbedded, so fitting, so natural, that we use it without even thinking about it. Mark Weiser [WeioJ]

Nach Weiser [Wei96a] läßt sich die Entwicklung des digitalen Computers grob in bislang drei Phasen einteilen, von denen ubiquitous computing die dritte ist: »The first wave of computing, from 1940 to about 1980, was dominated by many people serving one computer. The second wave, still peaking, has one person and one computer in uneasy symbiosis, staring at each other across the desktop without really inhabiting each other’s worlds. The third wave, just beginning, has many computers serving each person everywhere in the world. I call this last wave ›ubiquitous computing‹ or ›ubicomp‹.« (im Gegensatz zu ubiquitous computing vgl. [DiS86, S. 125f.]) Möglicherweise läßt sich die skizzierte 271

Interaktivität als Spiel

Entwicklung des Computers mit der Entwicklung der Uhr vergleichen: Kirchturmuhren waren von ferne für tausende Bürger da, Pendeluhren für eine Handvoll Hausbewohner, Taschen- und später Armbanduhren für ihren Träger. Heute sind Uhren in viele Geräte integriert, vom Auto bis zum Küchenradio. Die Sichtweise des ubiquitous computings steht nicht so sehr für eine »usability, interactive interface perspective« [BR04, S. 5], die bei den vorangegangenen Phasen im Vordergrund gestanden haben mag, sondern bedient sich einer »broader view on interaction design, seeing the function and the environment of a system in a more holistic way [Coo99, Ehn88, PRS02]« [BR04, S. 5]. Ging es schon beim Design des STARs darum, die Technik des Computers vom Anwender und auch von der Anwendung so weit wie möglich zu trennen, »to make the ›computer‹ as invisible to users as possible« ([MJ96, S. 71] zit. n. [Pia02, S. 77]), existierte seit Mitte der 1980er Jahre das Konzept, ihn darüber hinaus auch als Gerät aus dem Blickfeld verschwinden zu lassen [Hoo86, S. 12]. Weiser prägte dafür am Xerox PARC den Begriff des ubiquitous computings (etwa [WeioJ]). Diese Sichtweise wird auch als invisible computer gekennzeichnet [Bru06b]. Eine besondere Facette des ubiquitous computings bezeichnet Weiser als calm computing: »A calm technology will move easily from the periphery of our attention, to the center, and back.« [WB96] Diese Art des Umgangs mit dem Computer ist »embedded deeply, richly and tacitly in everyday life« (Mark Weiser zit. n. [Gol97]) und wird so selbst »much more part of life.« (Lorna über den GPS Table in [DR01, S. 133]). Weiser beschreibt damit einen Umgang mit Technik, der nicht bunt, laut und aufregend die volle Aufmerksamkeit des users erfordert, wie das der PC tut, sondern sich die meiste Zeit unauffällig und unaufdringlich im Hintergrund hält und nur gelegentlich und ausnahmsweise hervorkommt – eine radikale Abkehr von der Art, wie ein user lange mit dem Computer umging.

272

Calm computing, Simulation und Kommunikation

6.1.2 Anwendungen The ›UC‹ [ubiquitous computing] era will have lots of computers sharing each of us. Some of these computers will be the hundreds we may access in the course of a few minutes of Internet browsing. Others will be imbedded in walls, chairs, clothing, light switches, cars – in everything. UC is fundamentally characterized by the connection of things in the world with computation. This will take place at a many scales, including the microscopic [...]. Mark Weiser, John Seely Brown [WB96]

In diesem Abschnitt werden Ansätze zur Realisierung von ubiquitous computing diskutiert; an Forderungen und auch Ideen aus und in vielen Bereichen scheint es dabei nicht zu fehlen: »Alles im Haus, von den Türen angefangen bis zur Decke, wird letztendlich sicherlich mit Mikrochips versehen werden; auch die Kleidung, vielleicht sogar Brillen. Das Zeitalter der ›allgegenwärtigen Computer‹ – wo alles um uns zu intelligenten Objekten wird – ist unaufhaltsam im Kommen.« [Sak94] Ubiquitous und calm computing bedienen sich »interactive multimodal sensory displays, carefully integrated to more richly present our fictions. They’re becoming more powerful and less obvious all the time [...].« [Dod98b, S. xx] Eine mögliche Realisierung sind Allerweltsgegenstände, die sich leicht und unauffällig in Umgebungen intergrieren lassen: As an unconventional display for »temporal structures as spatial structures« [HR02a, S. 107] one can use »a feather being blown around in a glass pipe [SG96], [...] patterns of moving fabric [HJL+ 01], or [...] a ›dangling string‹ [Wei96b].« [HR02a, S. 107] Die (Computer-)Technik würde sich dann defensiv verhalten, in dem Sinne, daß sie sich den Wünschen, Angewohnheiten und Erwartungen des users anpaßt. »An electronic newspaper [...] could eventually ›redraw‹ headlines throughout the day. And if the displays on TVs and computers were more like fabric or paper than glass and circuits, they would no longer dominate our physical and aesthetic worlds. We could make them disappear from sight when we weren’t using them. The TV could simply fade into a painting or tapestry [...] [.] My handheld computer or cell phone could have a display and form factor that doesn’t scream ›Geek!‹ Instead of adapting our aesthetic sensibilities to incorporate technology intimately 273

Interaktivität als Spiel

into our lives, we could instead demand that the technology reflect our imagination.« [Woo02, S. 139] Nach Weiser fordert nun auch Norman [Nor99] »technology«, die »quieter, calmer, and less visible« als die heutige ist. »Let us make the 21st century be the time to hide the technology, to let it all become invisible. [...] let the computer technology become an enabling infrastructure: invisible, out of sight, out of mind, but ever more powerful.« In erster Linie sieht Norman [Nor01] einen gewandelten Umgang mit dem Rechner durch das Verschwinden des Computers in alltäglichen Gegenständen angestoßen, die dann zwar noch als (technisches) Gerät, aber nicht mehr als Computer wahrgenommen würden: »[N]ew devices will be imbedded in whatever the appropriate physical form factor for the activity with the interaction proceeding naturally, by whatever means is most suitable.« Kurzweil [Kur01, S. 151] beobachtet eine ähnliche Tendenz im Umgang mit dem Rechner; er betont dabei den persönlichen Charakter des »embedded« Computers und die Vernetzung mit dem Internet. »By 2010, computation will be everywhere, yet it will appear to disappear as it becomes embedded in everything from our clothing and eyeglasses to our bodies and brains. And underlying it all will be always-on, very-high-bandwidth connections to the Internet.« Möglicherweise liegt dann der Gedanke nahe, auch KI in solcherart gestaltete Umgebungen einzusetzen, wie etwa in einem EU IST-Programm vorgeschlagen [Bad01, S. 3]. Weiser hat sich allerdings dagegen ausgesprochen; nach seiner Ansicht ist ein angemessener allgewärtiger Umgang mit Technik nicht durch intelligente Agenten zu erreichen: »The defining words will not be ›intelligent‹ or ›agent‹, but rather ›invisible‹ and ›calm‹ and ›connection‹.« [Wei96a] Eine Entwicklung der Verbreitung des Computers in der Gesellschaft und in allen Lebensbereichen ist zu beobachten [HR02b, S. 11]. Dabei ist allerdings die Integration oder das Verschwinden des Computers nur in bestimmten Grenzen feststellbar. Trotz der zahlreichen Vorschläge zur Realisierung von ubiquitous computing und gewissen Auswirkungen, die es auf die Gestaltung der HCI hatte und hat, ist im Umgang mit dem Rechner noch keine allgemeine Hinwendung zu calm computing erkennbar. Offen bleiben hier die Gründe dafür. 6.1.3 Calm computing und Spiel Das Konzept des calm computings beschreibt eine grundsätzliche Abkehr von einem aufmerksamen und selbstverständlich im Zentrum der 274

Calm computing, Simulation und Kommunikation

Aufmerksamkeit stehenden Umgang mit Medien. Das Spiel steht deutlich im Gegensatz dazu, indem es die vollständige Gegenwärtigkeit des Spielers im Spiel voraussetzt. Die Stärke von calm computing liegt in der Peripherie der Wahrnehmung, »what we are attuned to without attending to explicitly.« ([BD96] n. [WB96]) Der user bedient sich mühelos und ohne große Organisation der in seiner Umwelt integrierten oder verborgenen Technik (zu Konzentration vgl. [Kel98, S. 158f. und S. 192f.]). Ubiquitous computing betont die Aspekte des Kontexts und der Unauffälligkeit gegenüber denen der abtrakten Rechenleistung und der zentralen Aufmerksamkeit. Das Spiel verlangt vom Spieler die ungeteilte Gegenwärtigkeit im Spiel und Anwesenheit in der Spielwelt. Beim Spiel richtet der Spieler seine ganze Aufmerksamkeit auf das Spiel und macht nichts anderes [Wir04]. Dabei läßt sich durchaus eine Parallele zum bekannten (aufmerksamen) Umgang mit dem (persönlichen) Computer erkennen: »For thirty years most interface design, and most computer design, has been headed down the path of the ›dramatic‹ machine. Its highest ideal is to make a computer so exciting, so wonderful, so interesting, that we never want to be without it.« [WeioJ] Beim Umgang des users mit dem PC richtet er seine Aufmerksamkeit auf den Computer, he is »not doing something else« [WB96]. In diesem Sinne »können wir [an Spielen] auch beobachten, wie sich aufmerksame von entspannter Rezeption unterscheide[t]« [Huh05, S. 65]. Spiel stellt sich nicht leise, unauffällig oder nebenbei ein. Der Spieler stellt sich ganz einer Herausforderung und ringt um ein Ziel, das nicht direkt notwendig ist, probiert etwas aus, was er nicht unbedingt wissen muß, tut etwas, was nicht sein müßte, und dies willentlich und mit vollem Einsatz. Spielerischer Umgang mit dem Rechner ist in bestimmter Hinsicht das Gegenteil von calm computing. Der user muß sich mental anstrengen und Aufmerksamkeit aufbieten, um dadurch selbstverständlich und unwillkürlich in die andere Welt hinüberzugleiten, während er beim calm computing dort bleibt, wo er ist, und das tut, was er sonst auch tut. Der Einsatz der Peripherie der Aufmerksamkeit in der Benutzung von Medien, wie sie calm computing propagiert, ist konzeptionell neu. Das Spiel verlangt, wie viele andere Medien, die volle Aufmerksamkeit des Teilnehmers (vgl. in diesem Sinne auch [DR01, S. 2f.]). Es ist nicht in allen Fällen naheliegend oder unproblematisch, ubiquitous computing einzusetzen. »Im Sinne kritischer, distanzierter Rezep275

Interaktivität als Spiel

tion erscheint die Forschung hin zu intuitiven, natürlichen InterfaceGestaltungen, welche sich im Bewußtsein ihrer Nutzer zunehmend weniger bemerkbar machen, und eine Erosion psychologischer Distanz herbeiführen, bedenklich. Medienkritische künstlerische Ansätze sollten folglich die Schnittstellen kreativ betonen und durch reflexionsfördernde Markierungen immer wieder den illusionsschaffenden technologischen Eisberg ins Bewusstsein rufen.« [GraoJ] Ein solcher Ansatz mag in der digital art zu finden zu sein [BG03, S. 2]. Zudem sind natürlich nicht alle Interfacetechniken für alle Anwendungen in gleicher Weise geeignet. Ubiquitous computing wird also das aufmerksame Umgehen mit dem Computer im Zentrum der Konzentration des users nicht ersetzen oder überflüssig machen; beides wird seinen Platz im alltäglichen Umgang mit Technik finden [HR02a, S. 116]. Calm computing und Spiel zielen konzeptionell auf verschiedene Arten des Umgangs mit Medien. Das eine Konzept ersetzt dabei nicht das andere; eine ausschließliche Benutzung des Rechners ohne aufmerksamen Umgang ist genauso undenkbar wie ein Umgang, der kontinuierlich die ungeteilte Aufmerksamkeit des Teilnehmers verlangt. Medienbenutzer wollen anscheinend beides und initiieren es auch zu einem gewissen Grad selbst: Aktives, aufregendes, buntes und lautes Umgehen genauso wie den reflektiven, unaufdringlichen, peripheren Umgang am Rand der Aufmerksamkeit.

6.2 Simulation In diesem Abschnitt wird Simulation als Perspektive im Umgang mit dem Rechner thematisiert. Simulation und Computerspiel werden voneinander abgegrenzt. Als Aufgabe und Zweck von Simulationen wird der Erkenntnisgewinn angesehen. Voraussetzung dafür ist eine möglichst authentische aber eingeschränkte Modellbildung zur angemessenen Übertragung der interessierenden Situationen und Fragestellungen aus der realen Welt; es folgt ein dynamischer Ablauf des virtuellen Experiments oder sogar ein interaktiver Versuch, bevor dann eine Rückübertragung vom Modell in die reale Welt stattfindet. Weder die Steuerung beispielsweise von Produktionsprozessen noch die etwa optische Illusion sind in einem solchen Sinne als Simulationen anzusehen. 276

Calm computing, Simulation und Kommunikation

Der Computer erscheint in bestimmter Hinsicht auch als Simulation, indem er modellhafte Abbildungen der Realität schafft, die dynamisch ablaufen und sogar interaktiv zu benutzen sind. Was den Computer zu etwas anderem als einer Simulation macht, ist die wesentliche realitätsschaffende Komponente im Umgang mit ihm. Er ist längst nicht mehr nur mediales Abbild oder interaktive Repräsentation der alltäglichen Welt. Zwar wird er auch zur Simulation eingesetzt, aber nicht nur, und nicht in dem Umfang, daß sein user den alltäglichen Umgang mit ihm als Experiment oder Test auffaßt, mit dem Annahmen überprüft werden. Nicht der Erkenntnisgewinn über die Realität treibt seinen user, sondern das Schaffen von Realität. Er sieht seinen Umgang mit dem Rechner als produktive und eigenständig reale und nicht nur durch den Bezug zu einem außerhalb liegenden Referenten Bedeutung erlangende oder legitimierte Handlung. Der Umgang mit dem Computer scheint in dieser Hinsicht dem Spiel zu ähneln, als das Schaffen einer neuen, unabhängigen Welt, die eigene, souveräne Bedeutung besitzt, in der eigene (aber nicht die eigenen) Regeln gelten und Möglichkeiten des entscheidenden Eingriffs in Verlauf und Ergebnis gegeben sind. Werden Spiele allerdings als Simulationen beschrieben, wird die Abbildung ins Spiel hinein über- und die verfolgte Intention unterbewertet. 6.2.1 Zum Begriff der Simulation Die Simulation verbinde die aktuale und die virtuale Welt (Frieder Nake, pers. Komm., 27. Mai 2005) auf ganz bestimmte Weise. Sie werde angesehen als die wesentliche Fähigkeit und Funktion des Computers (ebd., 2. Mai 2006). Wiesing bezeichnet »die Möglichkeit des wissenschaftlichen Experiments [...] als virtuelles Ereignis« [Wie03] als »epochalen Schritt« »für die Menschheitsgeschichte« [Wie05, S. 124]. Auf eine Simulation müssen drei Voraussetzungen zutreffen: 1. Eine Simulation bedient sich einer exakten Nachbildung einiger entscheidender, relevanter (»central« ([EAP82, S. 10] zit. n. [SZ04, S. 423])) Aspekte der Realität und bildet sie möglichst authentisch modellhaft im Rechner oder in einem anderen Medium ab. Dabei beschränkt sie sich auf einen bestimmten Bereich der Realität und strebt keine Vollständigkeit an.

277

Interaktivität als Spiel

2. Eine Simulation ist mindestens dynamisch, sie kann sogar interaktiv sein. An ihr können Beobachtungen, Tests und Experimente durchgeführt werden. 3. Der Bezug auf reale Vorgänge ist elementar für die Relevanz der Simulation, und sie erfüllt erst ihre Aufgabe und ihren Zweck [Wul04], wenn die Erkenntnisse, die mit ihr gewonnen werden, potentiell auf die reale oder alltägliche Welt zurückübertragbar sind (vgl. [Ing92, S. 2]); wenn keinerlei Rückübertragung oder Wissensgewinn stattfinden kann, funktioniert die Simulation nicht. Als Simulation erkannt wird hier also »die Nachbildung des Verhaltens eines dynamischen Prozesses in einem System mit Hilfe eines experimentierfähigen Modells, um zu Erkenntnissen zu gelangen, die auf die Wirklichkeit übertragbar sind. Im weiteren Sinne wird unter Simulation das Vorbereiten, Durchführen und Auswerten gezielter Experimente mit einem Simulationsmodell verstanden.« ([Ing92, S. 2] zit. n. [RB04, S. 9]) Die Modellbildung

Der Bezug auf reale Vorgänge ist elementar für die Relevanz der Simulation. Eine Simulation modelliert die Realität in einem bestimmten Bereich möglichst authentisch nach; dazu beschränkt sie sich auf diesen bestimmten Bereich, eine Fragestellung oder eine Facette und strebt keine Vollständigkeit an. A simulation »must represent an actual situation of some sort – either a situation drawn directly from real life, or an imaginary situation that conceivably could be drawn from real life« ([EAP82, S. 10] zit. n. [SZ04, S. 423]). Sie erfordert dabei eine möglichst naturgetreue [SZ04, S. 455], modellhafte Abbildung (F. Wilhelm Bruns, pers. Komm., 31. Mai 2006) oder Nachahmung eines Teils der Welt, etwa eines physikalischen, dynamischen, chaotischen oder technischen Systems (wie eines Flugsimulators). Simulation goes »beyond [...] visual appearance«, sie ist keine (etwa graphische) Illusion: »[...] movement of physical objects, shape changes over time in natural phenomena (water surface, smoke), motivations, behavior, speech and language comprehension in human beings.« [Man00b, S. 42] Simulation basiert auf Modellbildung, d. h. das Betonen und damit auch das Vernachlässigen einiger Aspekte der alltäglichen Welt: »Jede Simulation beruht auf einem Modell, das Modell auf einer Ab278

Calm computing, Simulation und Kommunikation

straktion, und jede Abstraktion ist eine Verkürzung der Wirklichkeit.« (F. Wilhelm Bruns, pers. Komm., 23. Nov 2005) Eine Simulation erfordert die möglichst realitätsnahe Abbildung eines Vorgangs von der aktualen in eine virtuale Welt (oder auch von einem Medium in ein anderes); um einige, für den Zweck der Simulation nicht relevante Facetten, wird er dabei reduziert, Vollständigkeit wird nicht angestrebt. Eine Simulation macht klar, was in welchen Grenzen unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen simuliert wird ([RoboJ] n. [SZ04, S. 439], vgl. [SZ04, S. 439f.]). Die Simulation verliert bei der Übertragung und der Modellbildung nicht die enge Verbindung zu den Objekten und Situationen der alltäglichen Welt, auf die sie sich bezieht. »Das Modell ›steht für‹ das reale Gebäude, die graphische Darstellung der Bewegungen der Wolken ›steht für‹ die realen atmosphärischen Ereignisse. Die Simulation beabsichtigt, so treu wie möglich einige Eigenschaften dessen zu reproduzieren, was ein Referent bleibt.« [Esp00, S. 270] Auf diese Facette des Wesens von Simulationen weist auch Couchot [Cou93, S. 345] hin. Wiesing [Wie03] schlägt vor, nur das als »virtuelle Realität [zu] bezeichnen«, was, wie eine Simulation, der Realität authentisch nachgeahmt ist; surreale Darstellungen oder Abbildungen von nicht existierenden Welten wären in seinem Sinne keine virtuelle Realität. Die Simulation als dynamischer Ablauf oder interaktives Experiment

Eine Simulation muß mindestens dynamisch [FvDFH96, S. 606], sie kann sogar interaktiv sein; ein Bild ist also keine (visuelle) Simulation. An einer solchen Simulation werden Beobachtungen und Tests gemacht, mit ihr wird ggf. interaktiv experimentiert und ausprobiert. A simulation »must be operational, i. e., must constitute an on-going process – a criterion that effectively excludes from the class of simulations static analogues such as photographs, maps, graphs, and circuit diagrams, but includes working models of all types.« ([EAP82, S. 10] zit. n. [SZ04, S. 423]) Wenn Salen und Zimmerman [SZ04, S. 423] unter Bezug auf Eddington et al. [EAP82, S. 10] allerdings ausschließlich auf diesen dynamischen oder interaktiven Aspekt von Simulationen abheben, um sie zu definieren, vernachlässigen sie wesentliche andere Teile, denn eine Simulation ist nicht nur »a procedural representation of aspects of ›reality.‹« (Vgl. [SZ04, S. 457])

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Interaktivität als Spiel Die Rückübertragung in die alltägliche Welt

Eine Simulation erfüllt erst ihre Aufgabe, wenn die Erkenntnisse, die mit ihr gewonnen werden, potentiell auf die reale oder alltägliche Welt zurückübertragbar sind [SvL03, S. 39]. Die Zurückübertragung vom Modell in die alltägliche Welt ist Ziel und Zweck der Simulation, daraus bezieht sie ihre Bedeutung und Legitimation (vgl. [Wul04]). Wenn keinerlei Rückübertragung oder Wissensgewinn stattfinden kann, ist die Simulation fehlgeschlagen. Chomsky [Cho96, S. 20] definiert »simulation in the manner of normal science« in diesem Sinne als »construction of models [...] to enhance understanding [...].« Der Zweck der Simulation ist das Ausprobieren, Testen oder Verstehen einer Situation, eines Vorgangs, eines Werkstoffes etc. der realen Welt. Entsprechend bezeichnet Wiesing [Wie05, S. 123] die Simulation als »Erkenntnisweg«. Simulationen, die keine sind

Nicht alle Übertragungen, Abbildungen und dynamische oder interaktive Abläufe sind Simulationen. Die Steuerung und die Illusion sind Beispiele für Vorgänge, die keine Simulationen sind. Bei der Steuerung (»[p]rocess control« [FvDFH96, S. 6]) liegt das Augenmerk nicht auf Erkenntnisgewinn, sondern auf Einflußnahme auf die Welt (ebd.). Die Illusion imitiert Aspekte der alltäglichen Welt, ohne ihr Wesen tatsächlich modellhaft angemessen nachzubilden. Die Simulation ist in diesem Sinne gerade keine Illusion und funktioniert, weil und nur wenn ihr Doppelcharakter dem user klar ist, und er die Verbindung zwischen Simulation und Realität unter diesen Voraussetzungen selbst herstellt. Die Simulation ist für den user stets als Simulation erkennbar, sie ist eben keine Täuschung: »[Simulation techniques] are the techniques used to create fake realities and thus, ultimately, to deceive the viewer: fashion and make up, realist painting, dioramas, military decoys and VR.« ([Man00b, S. 137], vgl. dagegen ebd., S. 42) Auch VR kann im o. a. Sinne nicht als Simulation gelten (vgl. Abschn. 7.3.3): »Die Fähigkeit, sich eine eigene Welt zu schaffen, ist eines der Kennzeichen, das die Virtuelle Realität von Simulationssystemen unterscheiden, die, wie etwa Flugsimulatoren, einem einzigen Zweck dienen, bei denen sowohl die Hardware [...] als auch die Software so entworfen werden, daß sie ein festgelegtes Gebilde der realen Welt nach280

Calm computing, Simulation und Kommunikation

ahmen.« [LH93, S. 306] Die Beziehung zwischen Simulation und VR kann auch als Unterschied in der Perspektive des users gesehen werden: »Whether you use [a computer program] as a simulator or a model depends on the effect you want to gain from manipulating the computer model, whether you want to experience it from the inside or observe it from the outside. [...] Flight simulation is geared to reproducing the experience of flying an airplane, simulating an airplane wing is a way of observing how it behaves under different conditions.« [Rhe92, S. 212] 6.2.2 Der Computer als Simulation Der Computer erscheint in bestimmter Hinsicht auch als Simulation, indem er modellhafte Abbildungen der Realität schafft, die dynamisch ablaufen und sogar interaktiv zu benutzen sind. Was den Computer zu etwas anderem als einer Simulation macht, ist die wesentliche realitätsschaffende Komponente im Umgang mit ihm. Er wird auch zur Simulation und als Simulator eingesetzt – aber nicht nur, und nicht so sehr, daß es seine Natur vollständig oder im Kern beschreiben würde. Nicht der Erkenntnisgewinn über die Realität treibt seinen user, sondern das Schaffen von Realität. Wenn Kay davon spricht, daß Computerbenutzung Simulation wäre (»Computing is simulation.« ([Kay85] zit. n. [BHM93, S. 36])), benennt er damit zunächst eine wesentliche Eigenschaft des Computers, nämlich das Hineinziehen von Gegenständen und Handlungen aus anderen, externen Zusammenhängen, bei dem unübersehbar Anleihen bei der alltäglichen Welt genommen werden. Er übersieht dabei aber, daß der Computer nicht nur die Welt oder andere Medien simuliert (vgl. den Computer als Multimedium bei Kay), sondern gerade neue Möglichkeiten des Schaffens von Realität bietet (vgl. Abschn. 7.3.3). Für Tietel [Tie95, S. 229] gehört die »Simulation [...] beim Computer nicht nur zur Form seines Erscheinens; die Simulation rückt nach Innen und hebt damit die Differenz zwischen Lebendiges simulierendem Äußerem und verborgenem mechanischem Inneren auf. Erst der Computer wird zur Simulation, hebt damit tendenziell die Differenz zwischen Vorund Abbild auf.« Der Computer macht nicht nur etwas anderes modellhaft nach, sondern schafft selbst Realität. Dies wird mit dem Begriff der Simulation aber nicht mehr treffend beschrieben. Ganz offensichtlich haben Computer inzwischen eine eigene Dynamik entwickelt, die längst nicht mehr nur mediales Abbild oder interaktive Repräsentation der alltäglichen Welt ist. Diese Entwicklung hat 281

Interaktivität als Spiel

ihre Ursache in der realitätsschaffenden Tendenz des Computers (vgl. Abschn. 7.3.3), die sich weder mit dem direkten Bezug auf die reale Welt (Steuerung), noch mit einer Rolle als Experimentier- oder Testumgebung (Simulation) zufriedengibt, hinreichend beschreiben und erfassen läßt; der Umgang mit dem Computer scheint eher wie das Spiel zu sein, das Schaffen einer neuen, souveränen Welt, die eigene Bedeutung besitzt und in der eigene (aber nicht die eigenen) Regeln gelten und Möglichkeiten gegeben sind. Natürlich ist der alltägliche Umgang mit dem Computer auch eine fokussierte und konzentrierte Übertragung von der alltäglichen in die virtuelle Welt, ein dynamischer Ablauf, ja sogar ein interaktiver Vorgang und auch eine Rückübertragung aus der virtuellen in die alltägliche Welt; i. d. R. wird der alltägliche Umgang mit dem Rechner vom user aber nicht als Experiment oder Test aufgefaßt, mit dem Annahmen überprüft oder aufgestellt werden, sondern eher als produktive und eigenständig reale und nicht nur durch den Bezug zu einem außerhalb liegenden Referenten Bedeutung erlangende oder legitimierte Handlung. 6.2.3 Simulation und Spiel [...] all games can in fact be considered simulations. Katie Salen, Eric Zimmerman [SZ04, S. 424]

Sind Spiele also »alles Simulationen« (F. Wilhelm Bruns, pers. Komm., 1. Jun 2006)? Einerseits scheint das offensichtlich zu sein, denn Spiele nehmen ja Dinge auf und geben sie in einem anderen Medium oft mit erstaunlicher Originaltreue wieder, andererseits unterscheiden sich Spiele aber in bestimmten Aspekten auch wesentlich von Simulationen. Simulationen beobachten Realität an möglichst genauen dynamischen oder interaktiven Modellen und beziehen ihre Bedeutung aus der dann möglichen Rückübertragung in die alltägliche Welt. Spiele schaffen Realität; sie importieren Gegenstände und Handlungen aus der alltäglichen Welt, weisen ihnen unabhängige Bedeutung zu und zielen auf das interaktive Umgehen mit ihnen. Eine zweckhafte Rückübertragung in die Spiel-externe Welt ist nicht vorgesehen ([Sch65, S. 206], vgl. auch ebd., S. 206ff.). Das Mißverständnis, Spiele als Simulationen zu beschreiben, beruht offenbar darauf, die Abbildung ins Spiel hinein über- und die dabei verfolgte Intention unterzubewerten. 282

Calm computing, Simulation und Kommunikation

Eine solche Abbildung ins Spiel ist eher eine Anleihe als eine Übertragung. I. d. R. ist es eine Situation des Konflikts, die das Spiel anstößt, erklärt oder ermöglicht, und die den Spielern aus der alltäglichen Welt vertraut ist. Das Spiel bildet aber keinen Ersatz für die Situation in der alltäglichen Welt, noch hängt das Spiel an ihr oder von ihr ab. Die Welt wird im Spiel nicht repräsentiert; Handlungen und Gegenstände der alltäglichen Welt werden ins Spiel hineingezogen (s. Abschn. 4.1.6), verlieren dabei ihre alltägliche Bedeutung und bekommen eine neue Bedeutung innerhalb des Spiels zugewiesen (etwa einem Tor beim Fußball, einer Schachfigur). Es scheint dabei eine Abbildung von Inhalten aus der alltäglichen Welt ins Spiel hinein stattzufinden, und zwar nur in dieser Richtung. Der Zweck von Simulationen zeigt sich erst in der Rückübertragung aus der Simulation in die Realität. Bei Simulationen gibt es offenbar eine mit gewisser Berechtigung »Realität« und »Simulation« genannte Unterscheidung, eine Simulation bildet Realität ab und hängt an ihr. Eine Simulation geht in genau diesem Sinne niemals mit der Realität selbst um: »When players interact with a simulation, they are never playing with the real thing. If they were, it couldn’t be called a ›simulation.‹« [SZ04, S. 449] Das Spiel schafft souverän eine eigene, voll-gültige Wirklichkeit, es ist nicht nur Simulation (im Sinne von als-ob), sondern vor allem Teil des Lebens und der Realität (vgl. Abschn. 3.2.2, 4.1.3 und 4.2.1, zum Spiel als Simulation der Wirklichkeit vgl. Baudrillard). Simulationen können Spiele sein, Spiele können Simulationen sein: Flugschüler benutzen Flugsimulationen, um fliegen, Formel 1-Fahrer, um die Rennstrecken zu lernen. Die engste Verbindung, die Spiel und Simulation eingehen, mag neben solchen Spielen das Kriegsspiel sein, das »durch seine Modellierung immer schon dem Ernstfall abgelauscht [war] und [...] jene Virtualität des Experimentierens mit Spielräumen [markierte], die darauf wartet, auch wieder in die Aktualität von Ernstfällen umzuschlagen.« [Pia02, S. 180]

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Interaktivität als Spiel Die Abbildung When for example I play at cricket, what am I pretending to do other than the thing which I do? Francis Herbert Bradley [Bra06, S. 468]1

Sowohl in der Simulation als auch im Spiel findet unzweifelhaft eine in vielen Fällen erstaunlich akkurate Abbildung statt. Simulationen halten sich in der Modellbildung möglichst genau an die Vorbilder in der Realität, die sie simulieren, damit relevanter Erkenntnisgewinn und Rückübertragung möglich sind. Spiele übernehmen Gegenstände und Handlungen aus der alltäglichen Welt, weisen ihnen jedoch souverän Bedeutung zu, die i. d. R. unabhängig von der Bedeutung in der Spiel-externen Welt ist. Eine Abbildung ins Spiel ist eher eine Anleihe als eine Übertragung. I. d. R. ist es eine Situation des Konflikts, die das Spiel anstößt, erklärt oder ermöglicht und die den Spielern aus der alltäglichen Welt vertraut ist. Das Spiel bildet aber keinen Ersatz für die Situation in der alltäglichen Welt, noch hängt das Spiel an ihr oder von ihr ab. Handlungen werden als abstrakte und nur noch innerhalb des Spiels Bedeutung tragende Vorgänge in das Spiel hineingezogen und verlieren dabei ihre alltägliche Bedeutung. Spiele bilden oft einen Teil der Welt ab, verselbständigen sich dann aber – ein Spiel kann also nicht als »a simulation, a model, a metaphor« ([RoboJ] zit. n. [SZ04, S. 421]) angesehen werden, es steht zwar nicht allein da, aber für sich selbst, nicht für etwas anderes, es strebt nicht notwendigerweise Realitätsnähe an, und wenn etwas Bedeutung für die Spieler innerhalb des Spiels hat, erwirbt es diese Bedeutung innerhalb des Spiels. Nur abstrakte Ziele werden dabei vom Spiel aus der externen Welt übernommen: »What a historical wargame really simulates are the starting conditions of a conflict. The way that the conflict plays out is what makes the game interesting as a game experience.« [SZ04, S. 442] Das setting etwa und die Hintergrundgeschichte sind schon Zugaben, die anfangs zwar ihren Reiz haben, während des Spiels aber immer mehr an Bedeutung verlieren; die realistische Anmutung eines Spiels weist eher auf play hin und widerstrebt sogar dem (abstrakten) game in gewissem Maße (z. B. die Animationen der Schachfiguren in Battlechess (1988)). Sie hat zwar ihren eigenen Reiz, ist aber fürs 1 | Zit. n. [Sch65, S. 84]

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Calm computing, Simulation und Kommunikation

game konzeptionell überflüssig. Spiel findet im Kopf statt. Spiele spielen nichts nach. Es scheint also ein Mißverständnis vorzuliegen, wenn Salen und Zimmerman fortfahren: »The meaningful play of a historical wargame derives not only from the strategic complexities of military decision making, but also from the fidelity of the game to its historical referent.« (Ebd., vgl. auch Abschn. 5.4.5) Es ist offenbar vielmehr so, daß ein Spiel sich nur in Form von initialen Anleihen bei der Realität oder des Inhalts anderer Medien bedient: »The historical aspect of these [strategy] games is just the icing on the cake[.]« (Graham Somers zit. n. [Civ07]) Bei Simulationen gibt es offenbar eine mit gewisser Berechtigung »Realität« und »Simulation« genannte Unterscheidung. Beim Spiel ist zunächst nicht klar, ob es als weniger real anzusehen ist als die Realität oder nicht eher selbst ein Teil der Realität ist (vgl. Abschn. 4.1.3 und 7.3.3). Spiele müssen nicht realistisch im Sinne der alltäglichen Welt sein, denn sie erschaffen und haben ihre eigene Realität. Simulationen müssen realistisch sein, sonst könnten ihre Ergebnisse und Erkenntnisse nicht auf die alltägliche Welt übertragen werden. Simulationen hängen an der Realität und bekommen Bedeutung und Zweck von außerhalb zugewiesen, durch Bezug auf anderes als sie selbst [SZ04, S. 448f.]. Spiele sind in diesem Sinne weder »Schein« noch »Ersatz« [Bru05] der Realität, sondern eine eigene Realität, Welt und souveränes Geschehen. Sie definieren sich eben nicht durch Bezüge zur Spiel-externen Welt, noch haben sie die Legitimation durch eine solche Abbildung nötig. Spiele sind keine »Illusion von Wirklichkeit in der Weise, dass die Nutzer den Eindruck bekommen, sie agierten in und mit der realen Welt statt mit einem Computersimulations-Modell.« (Ebd., vgl. Abschn. 4.1.3) Während »Simulationsmodelle [...] als Ersatz oder Ergänzung von realen Systemen verwendet« werden, ist nicht davon auszugehen, daß »[a]lle Spiele [...] in diese Kategorie [fallen]« (ebd.). Computerspiele wie SimCity, Autorennen und Flugsimulatoren sind offenbar Spiele und Simulationen. Wenn alle Spiele Simulationen wären [SZ04, S. 424], müßten auch Spiele wie Tetris, Rommé, Tennis und Fangen Simulationen sein. Ist also Fußball eine Simulation für einen kriegerischen territorialen Konflikt, wie Salen und Zimmerman [SZ04, S. 432] annehmen?

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Interaktivität als Spiel

Spiele haben andere Prioritäten als Simulationen [SvL03, S. 39]. Spiele zielen auf ein Erlebnis des Spielers, Simulationen auf einen Erkenntnisgewinn des Experimentators. Spiele und Simulationen bedienen sich einer oft realitätsnahen Abbildung der Welt, sie unterscheiden sich dabei zunächst augenscheinlich nicht voneinander. Ein bekanntes Beispiel für ein Computerspiel, das aussieht wie eine Simulation und sich in vielerlei Hinsicht auch so verhält, ist SimCity. Ein Spiel nimmt allerdings nur initiale Anleihen aus der externen Welt, etwa bei Handlungen und Gegenständen, die es dann weitgehend losgelöst von ihr ins Spiel bringt, während die Simulation wesentlich auf eine möglichst realitätsnahe Übertragung angewiesen ist, damit eine spätere Rückübertragung und ein daraus resultierender Erkenntnisgewinn möglich ist. Dem Spiel und der Simulation ist also die Abbildung gemein, sie verbindet sie aber nicht wesentlich miteinander. Insbesondere wird das Spiel durch eine Abbildung nicht zu einer Simulation, denn es simuliert nichts. Es scheint geradezu absurd, Tetris als »simulation of the forces of gravity« oder als »simulation of construction« [SZ04, S. 425] zu bezeichnen. Salen und Zimmerman sagen dabei selbst, daß Tetris nicht sehr »accurate« sei und eventuell sogar »intentionally misleading«. Das Spiel wird nicht zum Spiel, indem es simuliert, und die Simulation ist kein Merkmal oder Kennzeichen des Spiels. Wohl gibt es einige Simulationen, die zufällig auch Spiele sind, Spiele können allerdings nur in einem sehr eingeschränkten Sinne als Simulationen gelten (vgl. Abschn. 6.2.1 und [SZ04, S. 424], dagegen ebd., S. 364 und S. 421). Spiele erscheinen tatsächlich nur in einem bestimmten Sinne als Simulationen. Sie haben einen anderen Anspruch. Während Simulationen bestimmte Aspekte bzw. Prozesse der Welt realititätsnah abbilden, wollen Spiele Spaß machen. Das schließt sich nicht aus, bedingt sich aber auch nicht. Die Nachbildung der alltäglichen Welt im Spiel sind eher Anleihen, die es in der Welt verorten, ihm ein setting geben – aber nicht seine Aufgabe oder Bedeutung. Handlungen und Gegenstände in Spielen sind nicht völlig anders als die der alltäglichen Welt, sie stimmen sogar stark überein; aber das macht Spiele noch nicht zu Simulationen. Die Intention

Die Perspektive der Teilnehmer entscheidet offenbar darüber, ob etwas als Simulation oder Spiel gilt. Die Tätigkeit oder gar die benutzte Tech286

Calm computing, Simulation und Kommunikation

nik kann dazu keinen Hinweis geben, sondern mag sogar identisch oder austauschbar sein (vgl. Abschn. 4.5.1 und [Nor02]). Simulationen sind Simulationen für etwas anderes oder von etwas anderem; Spiele stehen für sich selbst. Simulationen legitimieren sich durch ihren Bezug und ihre Anwendbarkeit auf die Simulations-externe Welt. Die Relevanz von Simulationen liegt nicht in ihnen selbst, sondern außerhalb – eine Simulation wird durchgeführt, um etwas anderes in ihnen auszuprobieren etc. Die Aufgabe einer Simulation ist in diesem Sinne das i. d. R. zweckhafte, eingeschränkte, akkurate, realitätsnahe und zutreffende Darstellen eines Vorgangs der Welt in einem (anderen) Medium. Ihren Zweck erfüllt eine Simulation, wenn Erkenntnisse aus dem Modell zurück auf die Realität übertragen werden können. Spiele stehen für sich selbst und generieren intern und souverän in Bezug auf die alltägliche Welt Bedeutung. Spiele werden um ihrer selbst willen gespielt, ohne einen Zweck zu verfolgen (vgl. auch Abschn. 4.1.7). Eine Anleihe bei der externen Welt, eine inhaltliche Übernahme aus einem anderen Medium, ein setting oder gar eine Hintergrundgeschichte machen aus einem Spiel noch keine Simulation.

6.3 Kommunikation Ausgangspunkt für eine intuitive Interaktion mit dem Computer ist der Wunsch nach einer einfachen und multimodalen Kommunikation, die aus der Mensch-Mensch-Kommunikation abgeleitet wird. Michael Hoch [Hoc99, S. 13]

In diesem Abschnitt wird Kommunikation als Metapher in der Interaktion mit dem Rechner diskutiert. Kommunikation wird hier als bewußte und absichtsvolle Handlung angesehen, bei der Menschen miteinander Meldungen, Botschaften oder Nachrichten austauschen. Bedeutung wird dabei allerdings nie übertragen, sondern ausschließlich und stets von den Beteiligten zugewiesen. Soll die Bezeichnung Kommunikation trennscharf eingesetzt werden, kann nicht jede Interaktion mit dem Computer als kommunikativ gekennzeichnet werden. Wird von einer communication metaphor im Umgang mit dem Computer gesprochen, kann u. a. das klassische Eintippen von Befehlen in den Rechner gemeint sein, Crawfords Leitbild zur Ge-

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Interaktivität als Spiel

staltung von Interaktion und der Austausch des users mit intelligenten Agenten oder Robotern. Der heutige Computer ist ein verbreitetes Kommunikationsmedium zwischen Menschen, das alte Kommunikationsmedien als Multimedium integriert. Offensichtlich verstehen Computer aber keine Sprache, wie Menschen Sprache verstehen. Die Kommunikation mit dem Computer beschränkt sich auf der Seite des Computers auf das Erkennen von Befehlen, die Funktionen auslösen. Die Sprache ist in diesem Fall ein Mittel der Interaktion, nicht aber der Kommunikation. Von Kommunikation im Umgang mit dem Computer kann im Sinne eines gemeinsamen Verständnisses von Handeln wie zwischen Menschen kaum gesprochen werden, denn dieses erforderte ein intelligentes Gegenüber. Es ist zumindest zweifelhaft, ob dieses Gegenüber im Computer zu finden ist. Je mehr sich eine Sichtweise des Computers als intelligentem Agenten oder Roboter verbreitete, desto mehr würde der Spielraum im Umgang mit dem Rechner eingeschränkt, denn Agenten und Robotern muß der user natürlich mitteilen, was sie für ihn tun sollen, er will und kann es gerade nicht selbst tun. Kommunikation und Spiel stellen sich in dieser Hinsicht als unterschiedliche Perspektiven im Umgang mit dem Computer dar. Zur Gestaltung eines direkten, aktiven, unmittelbaren oder gar spielerischen Umgangs mit dem Rechner scheint sich die Kommunikationsmetapher als ungeeignet zu erweisen. 6.3.1 Zum Begriff der Kommunikation Zunächst wird geklärt, was mit dem Begriff Kommunikation gemeint sein kann und von welcher Bedeutung im Folgenden ausgegangen werden soll. Diese Charakterisierung von Kommunikation dient dazu, die Beschreibungsfähigkeit des Begriffs zu erhalten und nicht jede Handlung und Wahrnehmung unterschiedslos als Kommunikation zu sehen. Ein Phänomen kann offenbar nicht durch ein anderes beschrieben werden, und nicht alles scheint trennscharf als Kommunikation angesehen werden zu können: »Just as culture is, in the last analysis, communication, so is play ... and game.« ([Ehr68, S. 56] zit. n. [Küc04, S. 7]) In diesem Sinne ist Kommunikation eine bestimmte unter mehreren möglichen Perspektiven aufs Handeln, auf die Interaktion und den Umgang mit dem Rechner. Aber nicht jede Interaktion ist ausschließlich oder sinnvoll als Kommunikation zu beschreiben. Der Computer spielt inzwischen auch eine Rolle als Kommunikationsmedium zwischen Menschen [WF86, S. 176]. Bedeutung wird dabei 288

Calm computing, Simulation und Kommunikation

nicht übertragen oder gar im Medium erzeugt, sondern von den Teilnehmern der Kommunikation individuell aber nicht willkürlich zugewiesen. Anknüpfend an Winograd und Flores sei Kommunikation also »commitment and interpretation« (ebd., S. 176), »linguistic form [that] triggers interpretation, rather than conveying information« (ebd., S. 57). Kommunikation wird hier angesehen als bewußte und absichtsvolle Handlung, bei der die Beteiligten (Menschen) Meldungen, Botschaften oder Nachrichten austauschen. I. A. zielt Kommunikation auf etwas, das außerhalb ihrer selbst liegt; es wird nicht kommuniziert, um zu kommunizieren, sondern dabei und dadurch versucht, einen gewissen Effekt zu erreichen, es wird ein Zweck verfolgt. Selten wird so deutlich zum Selbstzweck geredet wie etwa in den Gedichten Ernst Jandels. Kommunikation läuft nicht nur sprachlich ab, sondern mit Einsatz des ganzen Körpers. 6.3.2 Conversational/communication metaphor Es scheint evident zu sein, daß Kommunikation mit dem Rechner keine Kommunikation ist wie mit einem Menschen, auch wenn sie fast so wirkt (Frieder Nake, pers. Komm., 2. Mai 2006): »Der Personalcomputer strahlt für viele Benutzer eine aktive Präsenz aus, er fragt hin und wieder etwas zurück oder gibt – zumindest wird dies von Benutzern so erlebt – gegebenenfalls Antworten.« [Tie95, S. 61] Wird von Kommunikation mit dem Computer gesprochen, ist oft Interaktion gemeint, und beide Begriffe werden auch tatsächlich manchmal ausdrücklich synonym verwandt (etwa [Suc87]). In diesem Abschnitt wird kurz nachgezeichnet, was mit dem Begriff der communication metaphor gemeint sein kann (zur historischen Entwicklung der Metapher s. [Hel08, Abschn. 4]). Es scheint mindestens drei Phasen zu geben, in denen er etwas jeweils Unterschiedliches bedeutete: Die frühe Phase bis ungefär zu Sutherlands Sketchpad (und teilweise auch noch viel später), in der Befehle in der Rechner eingetippt wurden; seit einigen Jahren Crawfords conversational metaphor als Leitbild zur Gestaltung von Interaktion mit dem Computer; und der Dialog mit intelligenten Agenten und Robotern, der gegenwärtig propagiert wird. In Ermangelung anderer Eingabemöglichkeiten war einige Zeit die Tastatur die vorrangige Eingabeschnittstelle des Rechners. Das war keine Frage einer besonders angemessenen Interaktion, sondern eine technische Beschränkung. Befehle wurden eingetippt und Ausgaben des Com289

Interaktivität als Spiel

puters gelesen [HHN86]. Dies wurde natürlich in dem Moment konzeptionell obsolet, in dem die direkte Manipulation von virtuellen Objekten in Sutherlands Sketchpad möglich wurde. Dies ist der Kontext, innerhalb dessen Hutchins et al. (ebd., S. 96f. und S. 99) den Übergang von talk zu do forderten. Das Eintippen von Befehlen, das bis dahin vorherrschte, war allerdings offensichtlich keine Kommunikation im Sinne einer Unterhaltung mit einem Menschen; es waren Befehle, die eingetippt wurden und durch die Erkennung von keywords bestimmte Funktionen auslösten. Diese sehr eingeschränkte Art der Kommunikation hat sich lange Zeit gehalten und ist erst im letzten Jahrzehnt für den computer user zur Ausnahme geworden. Crawford beschreibt seine communication metaphor als Leitbild in der Gestaltung des Umgangs mit dem Rechner. Dabei ist klar, daß ein user nicht mit dem Computer verbal kommunizieren kann, wie Menschen miteinander kommunizieren. Menschen reden natürlicherweise nur mit Menschen, nicht mit Maschinen, Werkzeugen oder Medien. Als andere Bezeichnung für Interaktion trägt Crawfords Metapher außer einer dialogischen Prägung nicht viel Neues über die bekannten Konzepte zur Interaktion wie direct engagement (ebd.) hinaus bei. Es erscheint dabei zweifelhaft, daß es sinnvoll ist, die Interaktion mit dem Rechner als Kommunikation zwischen zwei Teilnehmern zu beschreiben, bei der beide abwechselnd zuhören, nachdenken und etwas sagen. Zwar ist Kommunikation unzweifelhaft etwas, worin Menschen geübt sind, Computer sind es jedoch nicht. Wenn es etwas gibt, was sie können, ist es das Reden – zuhören können sie als das Lauschen auf Befehle; denken können sie nur, indem sie programmgesteuert Algorithmen abarbeiten. Während Crawford die Kommunikation also als bestimmte Metapher für die Interaktion des users mit dem Computer sieht, wird Kommunikation gegenwärtig auch in einem anderem, buchstäblichen Sinne propagiert: Das Umgehen mit dem Rechner erscheint dabei als Kommunikation mit einem intelligenten Agenten. Das gegenwärtig zu beobachtende Wiedererstarken der KI und Popularität der Robotik haben einen Diskurs angestoßen, innerhalb dessen ernsthaft erwogen und vorgeschlagen wird, sich mit dem Computer wie mit einem Menschen zu unterhalten. Diese Art der Interaktion geht deutlich über die Verwendung von Kommunikation als Interaktionsmetapher hinaus und führt konzeptionell eine Indirektheit ein, die im Umgang mit technischen Medien zweifellos eine neue Qualität darstellt, von der allerdings nicht klar ist, wie angemessen sie für den Umgang mit dem Rechner ist. In Ziel und Durchfüh-

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Calm computing, Simulation und Kommunikation

rung erscheint es zweifelhaft, mit einer Maschine umgehen zu wollen wie mit einem Menschen. Eine Unterhaltung in Sinne des Wortes mit einem Computer setzt KI voraus. Wenn der Computer sich als Gegenüber erwiese, könnte der user ihm seine Wünsche verbal schildern, der Rechner verstünde sie und führte sie aus. Wenn der Rechner sich nicht als intelligent erweist, muß eine Interaktion gestaltet werden, bei der der user aktiv, aufmerksam und möglichst direkt selbst Hand anlegt. Die klassische Kommunikation mit dem Rechner Heretofore, most interaction between men and computers has been slowed down by the need to reduce all communication to written statements that can be typed; in the past, we have been writing letters to rather than conferring with our computers. Ivan Sutherland (1965)2

In Ermangelung anderer Eingabemöglichkeiten war einige Zeit die Tastatur bzw. die (Befehls-)Sprache die vorrangige Eingabeschnittstelle des Rechners. Das war keine Frage einer besonders angemessenen Interaktion, sondern eine technische Einschränkung: Befehle mußten eingetippt und die Reaktion des Computers auf sie abgelesen werden. Darauf beziehen sich Hutchins et al., wenn sie schreiben: »Historically, most interfaces have been built on the conversational metaphor.« [HHN86, S. 96] Diese sehr beschränkte Art der Kommunikation änderte sich erst (langsam) ab etwa Sutherlands Sketchpad [Cou93, S. 342]. Heute gibt es wohl nur noch wenige Fälle, in denen Computeranwender schriftlich Befehle in den Rechner eingeben; die Reaktion des Rechners erfolgt auch nur noch in Ausnahmefällen sprachlich bzw. textuell, etwa im Falle von Fehlermeldungen. Die Eingabe von Befehlen in den Computer (»conversational input«) wurde früh als Nachteil gegenüber einer multi-modalen, sinnlichen, körperlichen oder ganzheitlichen Interaktion (»somatic input« [Bio97]) angesehen. Dies führte zu den Entwicklungen etwa der Maus, von force-feedback, dem PowerGlove etc. (vgl. Abschn. 3.1): »The body’s movement and activity is increasingly part of the interface [BD95, DM94].« [Bio97] Die vermittelnde Wirkung der textuellen Ein- und Ausgabe wurde als den user von seiner Aktion trennend kritisiert (vgl. 2 | Zit. n. [Tie95, S. 27]

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Interaktivität als Spiel

[HHN86, S. 96f.]). Gegenübergestellt wurden etwa dabei die »conversation metaphor« und die »model world metaphor« (ebd., S. 94, vgl. [WF89, S. 270f.]): »In a system built on the conversation metaphor, the interface is a language medium in which the user and system have a conversation about an assumed, but not explicitly represented world. In this case, the interface is an implied intermediary between the user and the world about which things are said. In a system built on the model world metaphor, the interface is itself a world where the user can act, and that changes state in response to user actions. The world of interest is explictly represented and there is no intermediary between user and world. Appropriate use of the model world metaphor can create the sensation in the user of acting upon the objects of the task domain themselves. We call this aspect ›direct engagement.‹ [Vgl. Abschn. 3.1.3]« [HHN86, S. 94] Crawfords conversational metaphor The most natural way to interact with the computer is to speak [with it]. Chris Crawford [Cra03]

Das klassische Eintippen von Befehlen ist gegenwärtig für den computer user eher zur Ausnahme geworden. Was ist nun gemeint, wenn Crawford schon seit einigen Jahren eine conversational metaphor propagiert? Für Crawford ist die Unterhaltung eine Interaktionsmetaphor für den Umgang mit dem Rechner (hier bezieht er sich auf Computerspiele): »Crawford believes that a conversation requires that both participants must listen, think, and then speak. Ideally, interactivey entertainment would be a ›conversation in a can‹ that would not only ›speak‹ eloquently (using multimedia sound and graphics) but also ›listen.‹ The player would be given an opportunity to ›speak‹ through a rich, well-designed user interface.« [Joi98, S. 154] Nicht gemeint ist dabei offenbar der explizit verbale Austausch [Mat02, S. 187]. Die Unterhaltung als Interaktionsmetapher impliziert neben einem Austausch über den Gegenstand des gemeinsamen Interesses auch ein gewisses gegenseitiges und gemeinsames Verständnis. Im Umgang mit dem Rechner geht alle Bedeutung, Aktion und Initiative natürlich vom user aus, nicht vom Computer (ebd.). Es erscheint in diesem Sinne fraglich, ob im Umgang mit dem Computer von Unterhaltung die Rede sein 292

Calm computing, Simulation und Kommunikation

kann, when »the work and the audience converse with each other, in a cycle in which each listens, thinks and speaks.« (Ebd.) Von den drei Komponenten listening, thinking und speaking, die für Crawford [Cra03] eine gelungene Interaktion eines users mit einem Computer ausmachen, beherrscht der Computer wohl einzig speaking. Das Lauschen auf keywords oder Befehle kann wohl nur in sehr eingeschränkten Maße als listening gelten. Denken im menschlichen Sinn kann der Computer selbstverständlich nicht, auch wenn Crawford seine Metapher ausdrücklich für die Interaktion »between or among people or intelligent agents« vorsieht. Er verfolgt eine bestimmte Vorstellung einer Unterhaltung, die er in der Interaktion mit dem Computer umsetzen will und geht dabei offenbar von einem sehr eingeschränkten Modell des Umgangs aus, das sich auch als Dialog fassen ließe ([RBGBW92, S. 240f.] n. [Tie95, S. 247]): »[The user] is saying this, [the] computer is saying that, [the user] is saying this, [the] computer is saying that, etc.« [Cra03] Es ist fraglich, ob diese Art des Umgangs der menschlichen Unterhaltung nennenswert gleicht und auch, ob sie der HCI überhaupt angemessen ist (vgl. [Sva99, S. 204] und s. u.). Eine absurde Vorstellung und geradezu komplementär zu der Idee eines intelligenten Computers scheint nun zu sein, daß der Programmierer eines Computerspiels durch das Spiel hindurch eine direkte Unterhaltung mit dem Spieler führe; die Begriffe »author« und »audience« [Cra92] weisen dabei möglicherweise auf einen narrativen Hintergrund hin: »Think of a computer game as a ›conversation in a can‹. Through the medium of the computer, the author interacts with the audience, and that interaction is a direct, one-on-one experience.« (Ebd.) Ein Autor oder ein Programmierer gestaltet ein (etwa technisches) Artefakt und den Umgang mit ihm, er selbst steckt natürlich nicht im fertigen Produkt: »An art lover who views, hears, or reads a work from ›the audience standpoint‹ enters into a direct relation not with the artist, but with the work.« ([Lan53, S. 393f.] zit. n. [Pel06, S. 89], vgl. Myron Kruegers METAPLAY ) Im Umgang mit dem Rechner ist die Kommunikationsmetapher zunächst eine Metapher. Der user kann nicht mit dem Computer verbal kommunizieren, wie er mit anderen Menschen kommuniziert – er erwartet es wohl auch nicht. Menschen reden natürlicherweise nur mit Menschen, nicht mit Maschinen, Werkzeugen oder Medien. Es erscheint 293

Interaktivität als Spiel

nicht völlig klar, daß es trotzdem sinnvoll ist, die Interaktion mit dem Rechner als Kommunikation zwischen zwei Teilnehmern zu beschreiben, bei der beide abwechselnd zuhören, nachdenken und etwas sagen. Zwar ist Kommunikation unzweifelhaft etwas, worin Menschen geübt sind, Computer sind es jedoch nicht. Wenn es etwas gibt, was sie können, ist es das Reden – zuhören können sie als das Lauschen auf Befehle; denken können sie, indem sie programmgesteuert und deterministisch Algorithmen abarbeiten. Dabei hat sich seit der frühen conversation mit Rechnern, gegen die sich Sutherland u. a. wandten, im Wesentlichen nicht viel geändert. Kommunikation als Leitbild im interaction design [...] the time will come when we can interact in speech, with the robots understanding not just the words but the meaning behind them. Don Norman [Nor04, S. 177]

Während Crawford die Kommunikation also als bestimmte Metapher für die Interaktion des users mit dem Computer sieht, wird Kommunikation gegenwärtig auch in einem anderem, buchstäblichen Sinne propagiert: Der Umgang mit dem Rechner erscheint dabei als Dialog, Unterhaltung oder Kommunikation mit einem intelligenten Agenten, dem der user mitteilt, was er für ihn tun soll – er kann und will es wohl auch nicht mehr selbst tun (vgl. zum Begriff des Proactive Computings [Hel08, Abschn. 9]). »With the enhancement of machine intelligence and the advance of human perception, we are approaching general advanced interfaces enabling a user to interact with a machine, e. g. a computer or a robot, by using natural language, gesture and gaze information in the way he communicates with a human partner.« [Zha05] Malaka [Mal06] spricht von »human-computer cooperation« durch digitale Medien und einem »situated delegation-oriented dialog paradigm« zur symmetrischen Kommunikation zwischen user und Rechner. Diese Art der Interaktion geht deutlich über die Verwendung von Kommunikation als Interaktionsmetapher hinaus und führt konzeptionell eine Indirektheit ein, die im Umgang mit technischen Medien zweifellos eine neue Qualität darstellt, von der allerdings nicht klar ist, wie angemessen sie für den Umgang mit dem Rechner ist. Als theoretisches Ziel und auch in der praktischen Durchführung erscheint es zweifelhaft, mit einer Maschine umgehen zu wollen wie mit einem Menschen. 294

Calm computing, Simulation und Kommunikation

6.3.3 Der Umgang mit dem Computer als Kommunikation Die Frage drängt sich hier auf, ob die am mündlichen Gespräch orientierte Interaktion, verstanden als eine reziproke Wechselbeziehung zwischen Personen, überhaupt das Vorbild abgeben kann für das, was in der Interaktion in elektronischen Netzen geschieht. Sybille Krämer [Krä00b, S. 14]

Zweifellos hat die Sicht auf den Computer als Kommunikationsmedium (»this fertile new medium of communication« [Mur97, S. 28]) zwischen Menschen seine Wahrnehmung als Medium3 gefördert (vgl. Abschn. 3.1.2): »Of course we call information technologies media because of the ability they have acquired to simulate and integrate all other media such as video, TV, radio and the telephone, and also because of their potential to give all people and peoples access to information and communication via the Internet as a worldwide system of a multitude of connected computers.« [Sch00] Zum Verständnis der Relevanz des Computers in vielen Bereichen der Gesellschaft trägt die durch ihn ermöglichte Kommunikation bei. »Carl Adam Petri [...] saw the computer as a medium, not a computation machine [...]. To him the computer was primarily an artefact for enabling communication. The new engineering discipline that was later called ›Computer Science‹ and in Germany ›Informatics‹, should be understood as a kind of communication science, he said [Pet62].« [Sch00] Alte Kommunikationsmedien werden vom Computer als Multimedium integriert, und er besitzt Eigenschaften, die ihn von anderen Kommunikationsmedien unterscheiden. Darüber hinaus ist er offenbar sowohl ein Massenmedium wie das Fernsehen oder das Radio, mit dem zahlreiche Menschen erreicht werden, als auch ein Individualmedium wie das Telephon oder der Brief, mit dem Nachrichten zwischen wenigen Teilnehmern ausgetauscht werden können. Die Nachrichten sind dabei nicht auf etwa Bilder oder Töne beschränkt, sondern können alle Arten von sinnlicher Übertragung beinhalten. Zwar besteht auch weiterhin ein offensichtliches und deutlich wahrnehmbares Gefälle von den Medienproduzenten zu den -konsumenten, aber es scheint dennoch geringer auszufallen als bei klassischen Massenmedien: Seit dem Erscheinen der für Privatanwender erschwinglichen Computer in den 1980er Jahren ist jeder user auch Produzent (Eckhard 3 | Zum Computer als Medium vgl. etwa [Pet62, Pet77, AHJ93, Sch96, Rob05b].

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Interaktivität als Spiel

Jung, pers. Komm., 17. Feb 2006). Jeder Computer ist jetzt eine Bühne und jeder user ein potentieller Darsteller in seinem eigenen Stück: »Ich glaube an die Macht des Individuums, neue Kommunikationsmittel zu gebrauchen und neue Kommunikationsweisen zu erfinden. Das ist kein utopischer Traum.« [Lea93, S. 139] Die Zensur des Internets durch einige Regierungen mag als ein Hinweis darauf gewertet werden. Es erscheint heutigen computer usern vielleicht naheliegend, aber die Idee, den Computer zur Interaktion zwischen Menschen einzusetzen, war einst revolutionär. Bis dahin waren Computer kommunikative Einbahnstraßen. »Ich hatte bei METAPLAY an die Simulation eines Interfaces zwischen Computer und Mensch gedacht, die ich damals noch nicht durchführen konnte. Erst der Einsatz des Computers war erfolgversprechend. Tatsächlich aber stieß ich dabei auf ein überlegeneres Konzept, nämlich auf die vom Computer vermittelte Interaktion zwischen Mensch und Mensch. [...] Das war das erste Mal, daß die Telekommunikation als fundamentaler Bestandteil des Konzepts der künstlichen Realität erkannt wurde.« [Kru93, S. 299] Entscheidend scheint dabei die fortschreitende, umfassende Vernetzung der Computer zu sein, die neue Arten der »Kommunikation und Zusammenarbeit« [LH93, S. 305] zwischen ihren usern ermöglicht. Eine eindrucksvolle sinnliche Darstellung scheint nur in zweiter Linie interessant zu sein, auch wenn einige Jahre VR als neues Kommunikationsmedium angesehen wurde, das alle anderen in sich vereinigen und dabei übertreffen würde: »It will be better than being there.« (Myron Krueger in [Tur02]) Es ist sicherlich verlockend, darüber nachzudenken, wie eine Verschmelzung von »telecommunications and virtual reality twenty years from now« [Rhe92, S. 216] aussehen könnte. Inwieweit ein user willens ist, seinen Körper dabei in die »electric-cool waters of cyberspace« [Bio97] einzutauchen, um mit anderen Menschen zu kommunizieren, bleibe hier allerdings dahingestellt. Der Umgang mit dem Computer ist wohl nur sehr eingeschränkt als Kommunikation zu sehen. Wird die Interaktion mit dem Rechner betrachtet, kann zunächst festgestellt werden, daß der Computer keine Sprache versteht. Er ist dem Menschen kein Gegenüber, nicht intelligent, und es ist nicht abzusehen, daß er es sein wird (Neil Postman n. [KS97, S. 123]). Die verbale Kommunikation mit dem Computer beschränkt sich auf der Seite des Computers auf das Erkennen von Befehlen, die Funktionen auslösen. Dies funktioniert entweder in einer eingeschränkten Welt (z. B. Weizenbaums Eliza oder Mateas’ Façade) oder in eingeschränkter Syntax; entweder ist eingeschränkt, worüber der user 296

Calm computing, Simulation und Kommunikation

dem Computer etwas mitteilen kann, oder wie er es mitteilen kann – in beiden Fällen versteht der Computer aber nicht, was der user tippt oder sagt (oder auch tut), er erkennt nur keywords. Von einem gemeinsamen Verständnis von Handeln (»the mutual intelligibility of action« [Suc87, S. 3]) kann im Umgang mit dem Computer kaum gesprochen werden; der Computer kann nicht verstehen, was der user tut, er reagiert nur algorithmisch. Die Sprache ist in diesem Fall nicht mehr als z. B. die Maus oder der MiCasa-Zauberstab [ACSD+ 05], dessen vorher festgelegte Aktionen der Rechner erkennt (pattern recognition), – ein Mittel der Interaktion (mit einem technischen Medium), nicht aber der Kommunikation (mit einem Gegenüber). Das inzwischen auch mögliche Diktieren (etwa von Briefen) am Computer wird niemand ernsthaft als Kommunikation mit dem Rechner bezeichnen, denn es erbringt und erfordert kein inhaltliches Verstehen auf der Seite des Computers. Von einem gemeinsamen Verständnis von Handeln wie zwischen Menschen kann im Umgang mit dem Computer nicht gesprochen werden. Mit dem Begriff des Dialogs im Umgang mit dem Computer ist i. d. R. nicht die verbale Kommunikation, etwa eine Unterhaltung, gemeint (vgl. o.), sondern das abwechselnde Agieren des users und des Rechners. Dieses Agieren hat auf der Seite des Computers allerdings nichts mit Initiative, Intelligenz oder Verständnis zu tun. Der Dialog im Umgang mit dem Rechner ist auf Seiten des users, Befehle möglichst eindeutig zu formulieren und auf Seiten des Rechners, Befehle zu erkennen und auszuführen; der Rechner gibt Rückmeldung, der user interpretiert sie. Crawfords Vorschlag, als Leitbild in der Gestaltung eines Dialogs mit dem Rechner davon auszugehen, daß der user eine zeitlich verzögerte und räumlich entfernte Interaktion mit dem Autor des Mediums, also etwa dem Programmierer, führt, scheint falsche Erwartungen an den Computer zu wecken. Es ist zudem fraglich, ob der Umgang mit dem Rechner klar in Phasen aufgeteilt werden kann, in denen nur der user oder der Rechner (re-)agiert; für Svanæs [Sva99, S. 204] ähnelt der Umgang eher einer Jazz-Improvisation als dem Schach. Der verbale Austausch über eine Handlung beschränkt sich offenbar auf den Umgang mit Menschen; im Bereich des Umgangs mit technischen Medien hingegen ist die Handlung selbst vorherrschend. Das, was im Umgang mit dem Rechner abläuft, kann eher als Interaktion als als Kommunikation bezeichnet werden, denn es dient nicht der Nachrichtenübermittlung, sondern dem im Sinne von Hutchins et al. [HHN86] direkten (d. h. nicht etwa verbal beschriebenen) Ausführen einer Handlung. Der user will dem Computer nichts mitteilen, sondern etwas mit 297

Interaktivität als Spiel

ihm tun. Die Interaktion mit dem Rechner »weist an der Oberfläche Merkmale kommunikativer Art auf«, kann aber »nur in einem sehr eingeschränkten Sinn« [Nak01] als Kommunikation bezeichnet werden. Kommunikation und Spiel scheinen sich als unterschiedliche Perspektiven im Umgang mit dem Computer zu erweisen. Während Kommunikation außerhalb ihrer selbst liegende Ziele verfolgt, findet Spiel als Selbstzweck statt. Kommunikation erfordert eine mittelbare, reflektive Haltung des users, Spiel direkte Kontrolle und Unmittelbarkeit. Das Verständnis von Sprache You’re not going to explain anything to any machine. Frieder Nake (pers. Komm., 3. Jul 2006)

Wird überlegt, inwieweit der Umgang mit dem Computer als Kommunikation erscheint, kann zunächst festgestellt werden, daß der Computer wie alle Maschinen keine Sprache versteht ([Cho96, S. 3] unter Bezug auf Descartes und de Cordemoy). Maschinen handeln nicht nach Einsicht, sondern laufen ohne Bewußtsein ab, bestimmt von ihrer Konstruktion, nach ihrem Schema; beim Computer heißt das algorithmisch, programmgesteuert. Die Sprache liegt damit außerhalb ihrer Funktionen ([Des82, S. 53] n. [Tie95, S. 197]) Als nun Ende der 1950er Jahre die Hoffnung aufkam, man könne sich mit dem Computer bald natürlichsprachlich unterhalten, folgte kurz darauf die ernüchternde Einsicht, »dass die schnellen Erfolge bei der Frequenzzerlegung der Sprache und der Einzellauterkennung in den 50er Jahren nur ein erster Schritt zur Spracherkennung waren und dass die wirklich komplizierten Probleme der Sprachverarbeitung, die Phonem-, Wort- und Satzerkennung und gar das Sprachverstehen noch völlig ungelöst waren.« ([Hel08, S. 30], vgl. ebd., Abschn. 8) Trotz der »aus jedem Fortschritt folgenden Versprechungen der Entwickler und Anbieter vom endgültigen Durchbruch« (ebd., S. 56) hat sich seitdem nicht viel geändert ([Hog83, S. 178] n. [Hel08, S. 56]). In diesem Sinne ist der Computer dem Menschen kein Gegenüber (Neil Postman n. [KS97, S. 123], vgl. [Pos92, S. 123]). Die verbale Kommunikation mit dem Computer beschränkt sich auf das Erkennen von keywords. Von einem gemeinsamen Verständnis [Suc87, S. 3] kann im Umgang mit dem Computer kaum gesprochen werden; 298

Calm computing, Simulation und Kommunikation

der Computer versteht nicht, was der user tut, er reagiert nur algorithmisch. Mateas und Stern [MS02, S. 15f.] schreiben dazu, daß das Erkennen von keywords durch den Computer, wie schon bei Weizenbaums Eliza, bisher alles sei, was technisch realisierbar erscheint, und damit sind sie nicht weit von Decartes Aussage entfernt. Die Interaktion als Dialog Wer würde heute noch bezweifeln, daß viele Benutzer ihren Umgang mit dem Computer mittels des Begriffs ›Dialog‹ angemessen beschrieben sehen? Erhard Tietel [Tie95, S. 61]

Mit dem Begriff des Dialogs im Umgang mit dem Computer scheint nicht verbale Kommunikation, etwa eine Unterhaltung, gemeint zu sein (vgl. o.), sondern in erster Linie das abwechselnde Agieren des users und des Rechners, das Kay etwa als »two-way conversation« [Kay77, S. 115] bezeichnet (vgl. auch w. o. Crawford). Dieses Agieren hat auf der Seite des Computers allerdings nichts mit Intelligenz und Verständnis zu tun, wie Manovich offenbar unterstellt: »Contemporary human-computer interfaces offer radical new possibilities for art and communication. Virtual reality allows us to travel through non-existent three-dimensional spaces. A computer monitor connected to a network becomes a window through which we can be present in a place thousands of miles away. Finally, with the help of a mouse or a video camera, a computer is transformed into an intelligent being capable of engaging us in a dialogue.« [Man00b, S. 99]

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Interaktivität als Spiel Do vs. talk Historically, most interfaces have been built on the conversational metaphor. There is power in the abstractions that language provides [...], but the implicit role of interface as an intermediary to a hidden world denies the user direct engagement with the objects of interest. [...] Making the central metaphor of the interface that of the model world supports the sensation of directness: Instead of describing the actions of interest, the user performs those actions. Edwin L. Hutchins et al. [HHN86, S. 96f.]

Eine Handlung unterscheidet sich natürlich von dem Austausch über eine Handlung. Die etwa verbale Kommunikation beschränkt sich offenbar auf den Umgang mit Menschen; im Bereich des Umgangs mit technischen Medien hingegen ist die Handlung vorherrschend. Die Eingabe von Befehlen in den Computer ist dabei als Sonderfall der Handlung und nicht des verbalen Austauschs zu sehen, und wurde auch entsprechend als unpassend kritisiert (etwa [HHN86, S. 96f. und S. 99]). Der neue Umgang mit dem Computer, den Sketchpad anschaulich demonstrierte, war das direkte Einwirken des users auf virtuelle Objekte im Rechner, gegenüber dem vorherigen Eintippen von Befehlen (Ivan Sutherland n. [Tie95, S. 27]). Statt der Beschreibung einer Handlung konnte der user diese Handlung nun direkt ausführen. In Sutherlands Arbeit wurde »erstmals ein Leitbild propagiert ... das bis heute eine prägende Rolle für die interaktive Benutzung von Software spielt: die direkte Kommunikation über einen sichtbaren Gegenstand. Etwas allgemeiner gesagt, geht es um die Auffassung der Benutzung eines Computers (resp. eines Programms auf einem Computer) als ›Kommunikation zwischen Mensch und Computer‹.« ([Nak94a, S. 305] zit. n. [Tie95, S. 29]) Die Akzente werden in der vorliegenden Arbeit allerdings etwas anders gesetzt als gerade angeführt: Nicht die »Kommunikation über einen sichtbaren Gegenstand« (ebd., meine Hervorhebung), sondern die Interaktion mit ihm scheint das qualitativ Neue zu sein; auch scheint es gerade nicht um »die Auffassung der Benutzung eines Computers [...] als ›Kommunikation zwischen Mensch und Computer‹« (ebd.) zu gehen, das hatte schon Sutherland als »writing letters« bezeichnet, sondern um eigene Aktion, direkten Eingriff und unvermittelten Zugriff auf die domain of interest.

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Calm computing, Simulation und Kommunikation

An einem solchen interaktiven Computer, wie ihn Sketchpad symbolisiert, handelt der user selbst, er läßt ihn nicht für sich arbeiten; der Rechenautomat wird zum interaktiven Medium, der »Operator« zum »Interakteur« [Huh05, S. 64]. Natürlich sind »›[i]nteraktive Computer‹ [...] immer noch Automaten, aber ihre Arbeitsweise ist auf ständigen Informationsfluss zwischen Maschine und Benutzer gebaut.« (Ebd., S. 65) Der user ist die ganze Zeit aktiv und nicht nur in Bereitschaft (vgl. [BG03, S. 22]). Der Umgang wandelt sich von einem Kommunizieren mit einer Zwischeninstanz über ein Objekt zum direkten Umgang mit diesem Objekt: »Actions apply to the objects, observations are made directly upon those objects, and the interface and the computer become invisible.« [HHN86, S. 114] In der Interaktion mit Maschinen wie dem Computer scheint es nicht notwendig oder angemessen zu sein, mit ihnen wie mit Menschen zu kommunizieren [WF86, S. 164]. Der Umgang mit Gegenständen, Maschinen und Medien scheint von Aktion auf Seiten des Teilnehmers geprägt zu sein; Sprache setzt ein intelligentes und menschliches Gegenüber voraus und ist auf den Austausch zwischen Menschen beschränkt: Hände manipulieren Objekte, bei Sprache gibt es ein Gegenüber [Hor04]. Diese beiden Arten des Umgangs mit der Welt scheinen verschieden zu sein; es ist allerdings nicht davon auszugehen, daß ein Modus dem anderen überlegen wäre. Menschen haben sowohl Erfahrung mit eigener Handlung als auch mit verbalem Austausch; reden ist nicht unbedingt besser oder mehr als tun (vgl. [HHN86, S. 96f. und S. 99]). Vor diesem Hintergrund erscheint es fraglich, daß ein verbaler, sprachlicher und an der menschlichen Unterhaltung orientierter Ansatz (etwa [Cra92]) als Leitbild in der Gestaltung der Interaktion mit dem Computer angemessen dienen kann. Kommunikation und Spiel So if you want to talk about social interaction [in online games], well hell, you’re talking about a chat room. We don’t need a game for that. Chris Crawford in [Mur06]

Kommunikation und Spiel scheinen sich als unterschiedliche Perspektiven im Umgang mit dem Computer zu erweisen. Während Kommunikation (zumal im Umgang mit dem Rechner) außerhalb ihrer selbst liegende Ziele verfolgt, findet Spiel als Selbstzweck statt. Kommunikati301

Interaktivität als Spiel

on erfordert einen mittelbaren, reflektiven Umgang des users mit dem Medium, während Spiel direkte Kontrolle und Unmittelbarkeit erfordert. Ebenso wie die Simulation ist die Kommunikation kein Selbstzweck; sie wird nicht um ihrer selbst willen verfolgt. Das Spiel ist dagegen Selbstzweck. Das Spiel kann sich der Kommunikation zu seinen Zwecken bedienen, und es tut dies zweifellos in vielen Fällen; das Spiel ist eine »communication situation« [Man03a], läßt sich darauf allerdings selbstverständlich wesensmäßig nicht reduzieren; Spieler spielen nicht, um zu kommunizieren. Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob die Kommunikation sich zu ihren Zwecken auch umgekehrt des Spiels bedienen kann. Ähnliche Ziele von Kommunikation und Spiel, wie Murray [Mur97, S. 28] sie offenbar sieht, können hier nicht erkannt werden. Was in Verbindung mit der Kommunikationsmetapher im Umgang mit dem Rechner zu beobachten ist, ist eine Abkehr vom Leitbild der direkten Steuerung hin zu einer mittelbaren Kontrolle eines (offenbar wieder zunehmend) als intelligent wahrgenommenen Computers oder Roboters (vgl. etwa [Nor04]) durch den user. Damit entfernt sich die Entwicklung der HCI wieder vom Leitbild der direkten Manipulation [ND86]. Geht der computer user dann mit (software-)Agenten und Robotern um, muß er ihnen natürlich mitteilen, was er von ihnen erwartet und was sie für ihn tun sollen. Er gibt also Kontrolle und Unmittelbarkeit ab, um Mittelbarkeit zu gewinnen. Je mehr er dabei abgibt, desto stärker verringert sich der potentielle Spielraum. Spiel braucht Kontrolle und Unmittelbarkeit, und beim Spielen überwiegt stets der aktive Teil den reflektiven, der etwa bei stories oder bei der Kommunikation im Vordergrund steht. Spielen muß selbst getan werden, ein Spieler kann nicht für sich spielen lassen (vgl. [Kel98, S. 74f.] und [PST+ 98, S. 363]). Läßt jemand für sich spielen, beschränkt er sich auf die Rolle eines Zuschauer bei einer Sportveranstaltung oder sogar im Theater. Der kommunikative Umgang etwa mit einem Roboter fordert nicht zum Spielen heraus. Die Kommunikationsmetapher als Leitbild der Gestaltung des aktiven, konzentrierten, im Zentrum der Aufmerksamkeit stehenden oder gar spielerischen Umgangs mit dem Rechner scheint sich in dieser Hinsicht als ungeeignet zu erweisen.

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7 Konsequenzen

[...] in designing tools we are designing ways of being. Terry Winograd, Fernando Flores [WF86, S. xi]

Wenn user nun spielerisch mit dem Computer umgehen, können sich daraus Konsequenzen für die Gestaltung des Rechners ergeben. So scheint die Interaktivität weit größere Relevanz für einen angemessenen Umgang zu besitzen als eine naturalistische, illusorische, komplette oder konsistente Darstellung; die mediale Welt gilt dabei als Teil der Realität und nicht als ihre Kopie oder Simulation. Die Notwendigkeit, die mediale Abbildung zu gestalten, kann als Chance wahrgenommen werden, den Computer gegenüber seinem user als ein Medium der Aktion zu repräsentieren, das ihm Eingriffsmöglichkeiten anbietet, in denen er intrinsisch motiviert ausprobieren, lernen und spielen kann, und die über die der bekannten Medien hinausgehen, und das seine Teilnahme nicht auf die eines Zuschauers oder Kontrolleurs reduziert. Obwohl das Schaffen des perfekten Mediums illusorisch erscheint, ist die Entwicklung von zunehmend naturalistisch anmutenden Medien populär und haben die (technischen) Massenmedien dieses Ziel nie aufgegeben. Die Gestaltung von Medien und die damit einhergehende bewußte Fokussierung und gezielte Auswahl des Inhalts und des Zugangs zu ihm werden in Massenmedien nicht als das gesehen, was Medien auszeichnet, von der alltäglichen Welt und voneinander unterscheidet, sondern als Nachteil, den zu überwinden die jeweils weitere technische Entwicklung berufen sei. Mit offenbar zunehmender Tendenz scheint dies auch für den Computer zu gelten. Dagegen können zunächst zwei Umstände festgehalten werden. Zum einen müssen Medien unrealistisch sein, um 303

Interaktivität als Spiel

als Medien angesehen und als solche benutzt werden zu können; zum anderen kommt es insbesondere beim Umgang mit dem Computer als Medium der Aktion nicht auf eine besonders naturalistische Darstellung an. Ebenso erfordert die Bereitstellung von Interaktionsmöglichkeiten im Umgang mit dem Rechner nicht in jedem Falle Konsistenz. Eine konsistente Übertragung aus der natürlichen oder künstlichen Welt in ein (etwa anderes) Medium wird i. d. R. weder den besonderen Möglichkeiten des Mediums gerecht, noch hält sie die Konsistenz mit der alltäglichen Welt tatsächlich ein. Es kann dabei durchaus zu einer Abwägungung zwischen einer konsistenten und einer effektiven Lösung sowie zwischen einer konsistenten Lösung und der Erwartung des users kommen. In Computerspielen muß eine Abwägung zwischen Interaktivität und naturalistischer Abbildung getroffen werden; die Relevanz der Interaktion überwiegt dabei offenbar deutlich die der Darstellung, die kein Zweck in sich ist, sondern der Interaktion dient. Diese Beobachtungen scheinen sich in gewissem Sinne als auf den alltäglichen Umgang mit dem Rechner übertragbar zu erweisen. Als interaktives Multimedium ist der Computer einerseits auf eine gewisse sinnliche, wenn auch nicht unbedingt naturalistische oder konsistente Darstellung angewiesen, andererseits hebt ihn seine hohe Interaktivität von rein darstellenden Medien ab. Die Abbildung am interaktiven Computer erfüllt also eine Doppelfunktion einer sinnlichen Darstellung und einer representation for action. Die Hauptaufgabe der Darstellung im Umgang mit dem Rechner scheint jedoch das Ermöglichen von Interaktion zu sein. Wie im Spiel scheint eine realitätsnahe Abbildung dafür nur bedingt nützlich zu sein, denn der Computer wirkt nicht nur durch Rückbezüge auf die alltägliche Welt, sondern baut in gewisser Weise selbst souveräne Bedeutungen auf, grenzt sich von der alltäglichen Welt ab und emanzipiert sich von ihr als voll-gültiger Teil der Realität. In der Gestaltung des Umgangs mit dem Rechner zeigt sich die Chance, eine Interaktion anzustreben, die sich nicht auf die bekannten Formen anderer Medien beschränkt und sich nicht nur an den Momenten der naturalistischen Abbildung und der Konsistenz mit der alltäglichen Welt orientiert.

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Konsequenzen

7.1 Abbildung According to an outdated psychology that is still deeply rooted in popular thought, an illusion can be strong only if it is complete in every detail. Rudolf Arnheim [ArnoJ, S. 29]

Eine Abbildung in Medien möglichst realitätsnah wirken zu lassen, ist ein altes und verlockendes Ziel. Was bei der Konzentration auf diese wohl eher technische als gestalterische Aufgabe übersehen wird, ist, daß Medien unrealistisch sein müssen, um Medien zu sein und als solche benutzt werden zu können (vgl. Abschn. 3.2.1): »At some subliminal level, the [computer] user must be aware of the interface at all times.« [BG03, S. 53] Die Entwicklung von zunehmend naturalistisch anmutenden Medien ist ungebrochen populär. Obwohl das Schaffen des perfekten Mediums illusorisch erscheint und die Kunst dies offenbar erkannt hat, haben die (technischen) Massenmedien, zu denen auch der Computer in zunehmendem Maße zu zählen ist, dieses Ziel nie aufgegeben. Die Gestaltung von Medien und die damit einhergehende Eingrenzung und Fokussierung des Inhalts und des Zugangs zu ihm werden in den Massenmedien nicht als das gesehen, was Medien von der alltäglichen Welt und voneinander unterscheidet, sondern als Nachteil, den zu überwinden die jeweils weitere technische Entwicklung berufen sei. Der Zustand, daß Medien nur eine begrenzte Anzahl Sinne in spezifischer Art und Weise ansprechen (vgl. Abschn. 3.3.3), ist allerdings weder ein Fehler, noch wird er demnächst technisch überwunden werden. Abbildungen durch Medien müssen und dürfen ganz offensichtlich nicht realistisch sein, um zu funktionieren und erfolgreich akzeptiert zu werden. Wird die Lust der Massenmedien an der naturalistischen Abbildung auf den Computer übertragen, wird übersehen, daß der Computer in erster Linie ein Medium der Aktion ist, nicht der Reflektion; die Hauptaufgabe der Darstellung im Umgang mit dem Rechner ist das Ermöglichen von Interaktion; eine realitätsnahe Abbildung scheint dafür nur bedingt nützlich zu sein (vgl. Abschn. 3.3.4). Ein perfektes Medium würde nicht alle Probleme der Gestaltung von Medien lösen, sondern ihre Gestaltung unmöglich machen. Während sich in der populären Wahrnehmung nicht die Erkenntnis der Kunst durchzusetzen scheint, daß es in der Gestaltung von Medien offensicht305

Interaktivität als Spiel

lich also eher um die bewußte und aufeinander zielende Auswahl von Form und Inhalt geht als um eine komplette und realitätsnahe Übertragung aus der alltäglichen Welt, wird die Abbildung in vielen Medien offenbar immer konkreter, anstatt abstrakter zu werden; sie wird auf einem niedrigen level play und Illusion anstatt zu Kunst und game. Die Weiterentwicklung von naturalistischen Medien wird dessen ungeachtet jedoch aus zwei Gründen weitergehen: Zum einen, weil es eine populäre Herausforderung ist und Spaß macht, die Realität medial fast zu erreichen (vgl. [ArnoJ, S. 157]). Zum anderen, weil der Reiz eines Mediums, etwa eines Spiels, offenbar höher wird, je näher sich der Spieler an der Grenze zur Spiel-externen Welt bewegt, ohne sie jedoch zu überschreiten. In dieser Hinsicht spielen »all game experiences« auch mit ihrer Grenze zum »rest of the world« [SZ04, S. 577]; diese Grenze kann und darf allerdings nie fallen (ebd., S. 579), denn dann endete das Spiel (ebd., S. 585, vgl. Abschn. 4.1.6). 7.1.1 Die historische Entwicklung der Abbildung The complete [color, sound, 3D, etc.] film is the fulfiment of the age-old striving for the complete illusion. Rudolf Arnheim [ArnoJ, S. 158]

Das Schaffen des perfekten Mediums, d. h. in diesem Fall eines Mediums mit möglichst naturalistischer Abbildung, ist ein alter Traum. Beispiele lassen sich in der Geschichte der westlichen Kunst leicht finden (vgl. etwa [Man00b, S. 113, S. 101 und S. 41], zu Heiligs Sensorama s. Abschn. 3.1.4). Nach Grau [Gra04] läßt es sich das Streben nach dem perfekten naturalistischen Medium durch die ganze Kunstgeschichte der westlichen Welt verfolgen; für Manovich [Man00b, S. 162] beschäftigt »the concern with illusionism [...] [the] Western art throughout much of its history«. Nach Arnheim führt dies »striving after likeness to nature« [ArnoJ, S. 157] zu einer mechanischen und nicht künstlerischen Abbildung in den visual arts (ebd., S. 157–9). Spätestens in der Postmoderne hat sich die Kunst im Wesentlichen von der naturalistischen Abbildung gelöst [Man00b, S. 162] oder sie selbst zu ihrem Thema gemacht (vgl. etwa [Tho71, S. 21]). Das Schaffen einer möglichst perfekten Illusion ging dann über in die Hand der Massenmedien und -technologien, von denen der Computer (whose »industries are obsessed with visual illusionism« [Man00b, S. 162]) möglicherweise auch eine werden wird, die die306

Konsequenzen

ses populäre Ziel noch nicht aufgegeben haben und es wohl auch weiter verfolgen werden. Die Entwicklung, die die Kunst längst vollzogen hat, steht ihnen noch bevor (s. etwa [SS97a]): »The history of Western art has seen the rise and fall of immersive ideals.« ([Rya00, S. 2] zit. n. [SZ04, S. 451]) 7.1.2 Das Ziel der Abbildung [...] the future of cinema will mean the creation of films that create a total illusion of reality, just as you are sitting across the room from me right now, with no frame between us. Morton Heilig in [Rhe92, S. 55]

In Massenmedien wird der realitätsnahen Abbildung offenbar schon immer, immer noch und auch ungeniert und unkritisch gehuldigt: »The temptation to increase the size of the screen goes with the desire for colored, stereoscopic, and sound film. It is the wish of people who do not know that artistic effect is bound up with the limitations of the medium and who want quantity rather than quality.« [ArnoJ, S. 75] Je mehr der Computer sich als Massenmedium erweist, desto größer wird die Chance, daß diese Tendenz sich ungeprüft auch auf ihn überträgt: »The challenge is to make that world look real, act real, sound real, feel real.« (Ivan Sutherland (1965) zit. n. [Rhe92, S. 298]) Dabei liegt die neue Qualität des Computers, wie an Computerspielen exemplarisch gesehen werden kann, nicht in erster Linie in der Darstellung von Inhalten, sondern auch, und möglicherweise vor allem, im eigenen und entscheidenden Eingriff des users in sie. »The human perceptual and cognitive system has a long track record for outwitting those who would emulate its functions computationally.« [Rhe92, S. 254] Computerspiele sind gerade nicht »engaging because they provide increasingly realistic and lifelike 3D visual environments«, wie Rosenblum [Ros03, S. 30] annimmt. Es gibt zahlreiche Medien, die nicht auf die realitätsnahe sinnliche Stimulation des Teilnehmers angewiesen sind (vgl. Abschn. 4.1.8), und es erscheint zweifelhaft, daß dies nun ausgerechnet auf den interaktiven Computer zutreffen soll: »Delivering a compelling user experience and ensuring application success both depend on the fidelity of the user’s sensory immersion.« ([Whi03, S. 40], vgl. ebd., S. 41). In der Computerspiele-Industrie war das Streben nach einer möglichst realistischen (visuellen) Darstellung des »game content[s] [...] always [...] a popular pursuit« [Pri06]. Dem unersättlichen Hunger der »[g]amers« 307

Interaktivität als Spiel

nach »more realism, more interactivity, more action and more exciting gameplay« [For06, S. 66] wird dabei allerdings bloß mit Spielen begegnet, die so »photo-real as possible« (Frank Vitz in [Kre06a, S. 58]) sind. Die Gestaltung von Medien und die damit einhergehende Eingrenzung und Fokussierung des Inhalts und des Zugangs zu ihm werden in den populären Massenmedien nicht als das gesehen, was Medien von der alltäglichen Welt und voneinander unterscheidet (s. u.), sondern als Nachteil, den zu überwinden die jeweils weitere technische Entwicklung berufen sei ([ArnoJ, S. 127–33], vgl. Abschn. 3.2). Darstellungen in Medien sind also gerade nicht unvollkommen, verglichen mit der alltäglichen Welt, sondern vollkommen in ihrer Darstellung: »[...] as far as lovers of art are concerned, they do not look at the movies for imitations of nature but for art. They know that artistic representation is always explaining, refining, making clear the object depicted. Things that in real life are imperfectly realized, merely hinted at, and entangled with other things appear in a work of art complete, entire and clearly, free from extraneous matters.« (Ebd., S. 136f.) In der Tendenz, die naturalistische und nicht die künstlerische Abbildung anzustreben, sieht Arnheim einen Gegensatz in der Weltsicht zwischen Ingenieuren und Künstlern (ebd., S. 65). Ein Beispiel für eine solche Einstellung ist, auf den Tag zu warten, an dem VR »perfected [is] and home computers are as powerful as today’s supercomputers« und an dem »output devices« gebaut werden können, »that allow a player to feel as if he’s really down on the field« [RA03, S. 394]. Es ist allerdings keineswegs unausweichlich, daß sich Medien auf eine »mechanical imitation of nature« zubewegen, es ist aber auch nicht abzusehen, daß bestimmte populäre Medien, etwa das Kino, wieder auf den »thrill« [ArnoJ, S. 157] des Realismus’ in der Darstellung verzichten werden (vgl. [Met80]). Wird die Lust der Massenmedien an der naturalistischen Abbildung auf den Computer übertragen, wird übersehen, daß der Computer in erster Linie ein Medium der Aktion ist, nicht der Reflektion (s. Abschn. 3.4); in ihm geht es auch um eine sinnliche Darstellung, aber in erster Linie um das Ermöglichen von Interaktion.

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Konsequenzen

7.1.3 Die Gestaltung der Abbildung From the beginning, I cautioned about the ›trap of realism‹ which would limit virtual reality to merely imitating life when it offered the possibility of something completely new. We should celebrate these new realities, explore them, and be confident that the worlds that we create are every bit as valid as the one we started in. Myron Krueger in [Tur02]

Ein perfektes Medium (vgl. Abschn. 4.1.8) löste nicht alle Probleme der Gestaltung optimal, sondern machte umgekehrt jegliche Gestaltung unmöglich: »The creative power of the artist can only come into play where reality and the medium of representation do not coincide.« [ArnoJ, S. 109f.] Vom Kubismus sagt Reverdy, daß der »Realismus [...] genau das Gegenteil von unseren [künstlerischen] Bestrebungen« (Pierre Reverdy zit. n. [Tho71, S. 52]) sei. Eine photorealistische Darstellung (z. B. in einem Cave) hat mit Kunst nichts zu tun (Frieder Nake, pers. Komm., 2. Feb 2007). Beschränkt sich die Kunst nicht, und wählt sie nicht ihre Mittel begrenzt aus, »wird nur Leben, nur Natur vorgetäuscht, statt Leben erschaffen.« (Hans Arp zit. n. [Tho71, S. 101]) Es ist also nicht nur Übertreibung, wenn Price (hier von Computerspielen) behauptet, daß die Kreativität unter der realitätsnahen Abbildung leidet: »In the quest for [the] immersive photo-real environment, creativity has died on the operating table.« [Pri06] Die Kunst ist sich über den notwendigen Prozeß der Abstraktion in Medien offenbar bewußt [LG88, S. 240]. Die Haltung der »general public« [ArnoJ, S. 158] scheint allerdings eine andere zu sein: »We know that the very powerful and widespread rejection of modern art is almost entirely supported by the argument that it is not true to nature. The development of film shows clearly how all-powerful this ideal still is.« (Ebd., S. 158) In der Kunst wird »another attempt at reality« als langweilig angesehen. »In an interview with Tomek Bagiñski on his recent CG [Computer Generated] film ›Fallen Art,‹ Tomek states that he doesn’t see any reason to do photo-real 3d graphics unless you are working for the SFX [special effects] film industry.« [Pri06] Es geht in der Gestaltung von Medien offensichtlich also eher um die bewußte und aufeinander zielende Auswahl von Form und Inhalt als um eine komplette und naturalistische Übertragung aus der alltäglichen 309

Interaktivität als Spiel

Welt: »Artistic selectivity is the countervailing force – capturing what is essential in the most effective and economic1 way.« [Lau93, S. 118] Es scheint sich in der populären Wahrnehmung nicht die Erkenntnis der Kunst durchzusetzen, daß Medien gestaltet werden müssen. Die Abbildung in vielen Medien wird in offenbar zunehmendem Maße konkret, anstatt abstrakt zu werden; sie wird auf einem niedrigen level play und Illusion anstatt zu Kunst und game.

7.2 Konsistenz In der Gestaltung der Interaktion mit dem Computer kann eine konsistente Abbildung aus der natürlichen oder einer künstlichen Welt angestrebt werden. Der Begriff der Konsistenz kann dabei stets nur relativ gemeint sein; konsistent ist etwas nur im Hinblick auf etwas anderes. »A consistent system is one in which the conceptual model, functionality, sequencing, and hardware bindings are uniform and follow a few simple rules, and hence lack exceptions and special conditions. The basic purpose of consistency is to allow the user to generalize knowledge about one aspect of the system to other aspects. Consistency also helps to avoid the frustration induced when a system does not behave in an understandable and logical way.« [FvDFH96, S. 404] Konsistenz als relativer Begriff der Beziehung zwischen zwei Systemen der Abbildung hängt nicht an der Konformität mit der alltäglichen Welt; Realismus und Konsistenz sind zwei verschiedene und auch voneinander unabhängige Dinge; eine naturalistische Übertragung aus der alltäglichen Welt in ein Medium erweist sich dabei als weder möglich noch nötig und wird i. d. R. weder den besonderen Möglichkeiten des Mediums gerecht, noch hält sie die Konsistenz mit der alltäglichen Welt tatsächlich ein. Es kann durchaus zu einer Abwägungung zwischen einer konsistenten und einer effektiven Lösung sowie zwischen einer konsistenten Lösung und der Erwartung des users kommen (zur Abwägung zwischen lokalen und globalen Lösungen vgl. [Ber99]). Eine Abbildung in den Computer ist also wohl nicht nur stets unrealistisch (s. o.) sondern auch inkonsistent.

1 | Arnheim würde wohl eher etwa appropriate and faithful (vgl. [ArnoJ, S. 162]) formulieren.

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Konsequenzen

7.2.1 Zum Verhältnis von Konsistenz und Realität There is no law, written or unwritten, that says that games have to conform to reality. They just have to be self-consistent. Andrew Rollings, Ernest W. Adams [RA03, S. 95]

Bei einer Übertragung in ein Medium, etwa den Computer, kann eine konsistente Abbildung der alltäglichen Welt angestrebt werden; für Anfänger etwa sind dann die Vorgänge am Rechner leicht zu verstehen (vgl. die Begriffe des Erschließens und Nutzens bei [BHM93, S. 39]); i. d. R. wird diese naturalistische und konkrete Abbildung allerdings weder den besonderen Möglichkeiten des Mediums gerecht, noch hält sie die Konsistenz mit der alltäglichen Welt tatsächlich ein. Je länger user mit dem Computer umgehen und je besser sie sich mit ihm auskennen, desto unwichtiger scheint ihnen die konsistente Übereinstimmung mit der alltäglichen Welt zu werden (vgl. Abschn. 7.3.3). Die Forderung nach Konsistenz fällt also nicht zusammen mit der Forderung nach Realismus (s. Abschn. 7.1): »Realism doesn’t matter [»in the games industry«] – self-consistency does.« [RA03, S. 122, vgl. auch ebd., S. 335] Auch die »Autorität« der »interaktiven Erfahrung« »leitet sich nicht aus dem Realismus der porträtierten Welt ab« [Kru93, S. 303] Beispiele aus Vergnügungsparks verdeutlichen dies; die Frage ist dabei nicht, was realistisch oder naturalistisch ist, sondern was der Teilnehmer erwartet [PST+ 98, S. 363]. Diese Konzentration auf das Wesentliche (und nicht auf das Naturalistische) kann dabei allerlei positive Effekte haben: »By choosing to be less concerned with reality and more concerned with what was fun, we created an experience that... is easier to adapt to, quicker to learn, and is a better show [i. e. theme park ride].« ([SS01] zit. n. [SZ04, S. 353], zu zuviel Konsistenz vgl. [BG03, S. 69ff.]) Während also medialer Realismus im Bezug auf die alltägliche Welt weniger relevant für die Teilnahme eines (Computer-)Spielers oder users zu sein scheint als eine Übereinstimmung mit vergleichbaren und bekannten Systemen, scheint sich eine gewisse Natürlichkeit (»naturalness« [Dom98, S. 167]) als ein dafür relevantes Kriterium zu erweisen [ArnoJ, S. 137]. Diese naturalness impliziert allerdings keine »naturalistic representations from our own world. I use the term to mean that the behavior of the game environment is such that it feels as if it could 311

Interaktivität als Spiel

be real, as if it could exist.« [Dom98, S. 167] Svanæs bezeichnet diese Natürlichkeit am Beispiel von Scott Kims interaktiven Puzzle Heaven and Earth als eine mögliche im Gegensatz zu einer realistischen Lebenswelt [Sva99, S. 241]. Diese »believable experience« kann als erste Annäherung durch eine realistische Abbildung angestrebt werden, aber dies ist nicht die einzige Möglichkeit und, wenn man an die Beobachtungen bei (Computer-)Spielen denkt, im Bezug auf den Umgang mit dem Rechner vielleicht auch nicht die vielversprechendste: »Simulating reality is an approach that may or may not be useful in creating a believable experience.« [SvL03, S. 37] 7.2.2 Einschränkungen von Konsistenz Konsistenz ist kein Ziel in sich selbst, sondern dient im Bereich der HCI einer möglichst mühelosen und effektiven Interaktion des users mit dem Computer. Es scheint, als könnten Medien nicht konsistent sein, wenn sie Medien sein wollen, und dies ist ihren Benutzern auch klar. Grundsätzlich kann es mindestens zwei Fälle geben, in denen Konsistenz zu Gunsten anderer Prinzipien eingeschränkt wird, zum einen eine andere Erwartung des Benutzers und zum zweiten die höhere Effektivität einer anderen Lösung (vgl. etwa [BG03, S. 49f.]). Während sich Beispiele für Vorgänge am Rechner, die nicht konsistent, aber effektiv sind, leicht finden lassen2, wird die Abwägung von Konsistenz gegenüber der Erwartung des users kurz erläutert. Offenbar ist der computer user im Umgang mit Medien und verschiedenen Systemen der Abbildung so vertraut, daß er in einigen Fällen kein konsistentes Verhalten des Rechners erwartet [FvDFH96, S. 404]. In diesem Sinne wird in »many applications [...] reality [...] intentionally altered for aesthetic effect or to fullfil a naive viewer’s expectations.« (Ebd., S. 605) Die w. o. angeführten Beispiele für eine Abwägung zwischen Realismus und Konsistenz angeführten Attraktionen in Vergnügungsparks verzichten zu Gunsten der Erfüllung der Erwartungen der Teilnehmer auf Konsistenz (in diesen Fällen mit der Realität). Dieses Vorgehen scheint nicht auf Unterhaltungsattraktionen beschränkt zu sein, son2 | Etwa das bekannte Auswerfen einer Diskette durch das Ziehen des Diskettensymbols auf den Mülleimer beim Macintosh Finder, der Start des Ausdruckens im Druck-Dialog von Word mittels Doppelklick auf einen der radio buttons im Feld page range und das Öffnen des open file-Dialogs mittels Doppelklick auf den Hintergrund in Photoshop.

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Konsequenzen

dern allgemein auf die Gestaltung von virtuellen Welten zuzutreffen: »Virtuelle Realität wird nicht durch Angleichung an [die] Realität [geschaffen], sondern an [die] Vorstellung.« ([Wie03], vgl. auch [Whi03, S. 42] und [Wie05, insbesondere Kap. 6 »Virtuelle Realität: die Angleichung des Bildes an die Imagination«, S. 107–24])

7.3 Interaktion Good interaction design makes sure the machines in our lives are graceful to use as well as beautiful to look at. It involves the aesthetics of use as well the aesthetics of form. Gillian Crampton Smith [Smi02, S. 24]

In den populären Massenmedien und zunehmend auch im Umgang mit dem Computer, insbesondere im Bereich der Graphik, scheinen Auswahl und Beschränkung immer noch als technisch zu überwindendes Defizit gedeutet zu werden (vgl. o.). Angestrebt werden kann im Umgang mit dem Rechner aber eine Interaktion, die sich nicht auf die bekannten Formen anderer Medien beschränkt und sich nicht nur an den Momenten der naturalistischen Abbildung und der Konsistenz mit der alltäglichen Welt orientiert, sondern die neuen und spezifischen Möglichkeiten des Mediums Computer wahrnimmt und gestaltet. Die Abstraktion in der Darstellung am Computer ist dabei als Gestaltungsmittel zu sehen, das den user auf seine Eingriffsmöglichkeiten hinweist. Zunächst kann festgestellt werden, daß jede Abbildung am bzw. in den Computer in bestimmter Hinsicht eine Abstraktion der alltäglichen Welt darstellt (vgl. [Nak96, S. 1]). Die Modelle im Rechner haben zwar die Tendenz, mit dem Fortschritt der Technik eine zunehmend naturalistische Anmutung zu erhalten, auf die ist der Computer als Medium der Aktion (vgl. Abschn. 3.4) allerdings nicht angewiesen. Für eine intensive Teilnahme im Umgang mit dem Rechner ist eine realitätsnahe oder illusionistische Darstellung keine wesentliche Voraussetzung [Wie03], wenn auch eine sinnliche Erfahrung zum Gefühl der Teilnahme zweifellos beitragen kann und möglicherweise auch muß [Lau93, S. 21]. Dem (Computer-)Spiel geht es nur in einem eingeschränktem Sinne um eine Darstellung; es dreht sich um die Aktion des Spielers und die darauf erfolgende Reaktion; wenn es dem Spiel also um Ästhetik geht, dann etwa um Interaktions-Ästhetik. Auch der user will und kann dem Computer nicht in erster Linie zusehen, sondern er greift selbst und 313

Interaktivität als Spiel

entscheidend ein. Norman [Nor90, S. vi] fordert in diesem Sinne eine Balance zwischen Aussehen und Interaktion, Reflektion und Aktion, die keinen Widerspruch verdeckt, sondern einen Zusammenhang ausdrückt: »Business and industry have learned that their products ought to be aesthetically pleasing. A large community of designers exists to help improve appearances. But appearances are only part of the story: usability and understandability are more important, for if a product can’t be used easily and safely, how [valuable] is its attractiveness? Usable design and aesthetics should go hand in hand: aesthetics need not be scrificed for usability, which can be designed in from the first conceptualization of the product.« Dieses Verhältnis von Darstellung und Interaktion scheint allerdings nach den Erfahrungen in Computerspielen in vielen Fällen die Form eines trade-offs anzunehmen, in dem etwa das Aussehen mit der Aktion abgewogen wird. »The state of the art of computergenerated simulations seems to be destined to continue juggling detail against dynamism for the foreseeable future, no matter how rapidly the enabling technologies evolve, because as soon as the hardware grows powerful enough to make more detailed displays, people also want to make the displays change more rapidly, and vice versa.« [Rhe92, S. 204f.] Im Spiel und im Umgang mit dem Computer ist relevant, was der Spieler und der user tun können und was passiert; das Spiel und der Computer sind für sie keine Medien zum Zusehen. »These results of the action of the body in space and correlations with changes in the sensorium – the ›Principle of Action‹ – mark the major defining characteristic of immersive VR as a medium. It is fundamentally different from the older technologies of television, cinema, or stereophonic music in exactly this regard. High resolution is less important than tightly coupled coherent action in the sensorium resulting from the participant’s action. Adding low- or medium-resolution affordances in different senses or modalities that are coherent in their combinatorics and that follow the Principle of Action – like adding spatialized sound to stereo video – results in a greater sense of ›immersion‹ than does ultrahigh-resolution, high-frame-rate cinema passively viewed by mass audiences.« (Rob Tow in [LST98, S. 205]) Die Interaktion ist offenbar relevanter als die Repräsentation, eigenes Eingreifen relevanter für die Erfahrung der Teilnahme am Computer als die Darstellung (vgl. Abschn. 3.4): »We think [...] that the bodily and cognitive activity of the user – his interaction with the virtual world on various levels – is the true source of presence (cp. [Ste92]).« [SFRoJ, Abschn. 2]

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Konsequenzen

Der Computer wirkt nicht nur durch Rückbezüge auf die alltägliche Welt, sondern baut in gewisser Weise selbst souveräne Bedeutungen auf, grenzt sich von ihr ab und emanzipiert sich von ihr als durchaus vollgültiger Teil der Realität. »Synthetic computer-generated image is not an inferior representation of our reality, but a realistic representation of a different reality.« [Man00b, S. 183] Der Computer ist auch ein darstellendes Medium; vergleichen mit Medien wie dem Film scheint jedoch seine besondere Eigenheit als Medium der Aktion in den Vordergrund zu treten. Die Abbildung am interaktiven Computer erfüllt also eine Doppelfunktion einer sinnlichen Darstellung und einer representation for action (vgl. Abschn. 3.1.2). Am interaktiven Computer gibt es, wie beim Spiel, die Chance, auf eine naturalistische und konkrete Abbildung der alltäglichen Welt zu Gunsten einer bewußten und eleganten Abstrahierung zu verzichten. Die Abstraktion in der Darstellung am Computer ist dabei als Gestaltungsmittel zu sehen, das dem user seine Eingriffsmöglichkeiten aufzeigt. 7.3.1 Graphics vs. game play [...] the real domain of game design is the aesthetics of interactive systems [as opposed to the field of visual aesthetics]. Even before computers existed, creating games meant designing dynamic systems for players to inhabit. Frank Lantz in [SZ04, S. xi]

Die Erfahrung mit Computerspielen weist offenbar darauf hin, daß eine realitätsnahe (etwa graphische) Darstellung keine Vorraussetzung und kein Ersatz für Spiel ist und dafür noch nicht einmal in allen Fällen hilfreich. Beispiele sind die frühen Computerspiele in den 1980er Jahren, in denen die technische Beschränktheit für eine Konzentration auf das game play sorgte, die graphisch aufwendigen CD-ROM-Spiele der 1990er Jahre, in denen hochwertige Graphik nicht über kaum vorhandenes game play hinwegtäuschen konnte, und die first-person shooter der letzten Jahre, in denen die Spiel-fremden cineastischen Elemente zu Gunsten des Spiels von den Spielern ggf. abgestellt werden. Diese Beispiele weisen auch darauf hin, daß der trade-off zwischen Darstellung und Interaktion natürlich nicht durch die Entwicklung fortgeschrittener Technik verschwindet, sondern eine Frage in der Gestaltung von Medien bleiben wird (vgl. auch [RA03, S. 57f.]).

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Interaktivität als Spiel

Wenn eine realitätsnahe mediale Darstellung nicht essentiell für ein Spiel ist, kann offenbar und sollte möglicherweise zu Gunsten einer schnellen und problemlosen »social experience« wie einer »competition – racing or shooting each other, achieving some sort of goal« [Kin98, S. 484] darauf verzichtet werden. Im Bereich kommerzieller Spiele ist die Dominanz der Darstellung über die Interaktion dennoch anscheinend ungebrochen. »In general, far too much time is spent on getting the look of a game right at the expense of tuning its gameplay.« [RA03, S. 12f.] Diese Entwicklung hat offenbar dazu geführt, daß in kommerziellen Titeln kaum alternative Herangehensweisen an die Frage der Darstellung ausprobiert werden [SZ04, S. 396] und fast ausschließlich »photorealistic, logically consistent 3D game spaces« (ebd.) verwandt werden. Opulente Computergraphik könnte allerdings demnächst aber ihre Wirkung bei den zunehmend Computerspiel-erfahrenen Käufern verlieren. Das game play sei das »most important and potent of all the components used in game production today and in the future.« [Mou02] Von den Spielern gekauft würden »Spiele künftig alleine noch, wenn sie etwas mehr bieten [als »aufwändige optische Feuerwerke«].« [Sch04, S. 6] In diesem Sinne äußert sich auch Joiner [Joi98, S. 159], der schreibt, das »primary design problem« wäre das »set of cause-and-effect relationships that determine the behaviour of the game«, nicht zunächst die Graphik und der sound. Es zeichnet sich damit bei bestimmten Arten von Computerspielen eine Entwicklung ab, die sich (wieder) mehr auf das game play als auf eine aufwendige, realitätsnahe Darstellung konzentriert. »Web games can’t compete with console and CD-ROM games on the graphics front, but beauty is often only skin-deep. Blix and the new crop of Shockwave and Java-based Web games offer challenging gameplay and no barriers to entry.« [Tav01] Auch ein Spiel wie SuperChix ’76 wird zwar als »highly unrealistic« driving simulation beschrieben, »but well worth taking for a spin.« [Com04] Ob sich dieser Trend verstetigt und eine allgemeine Rückkehr zu den »values of the ›golden age‹ of gaming – the 1980s« stattfindet, »when hardware limitations forced developers to concentrate on gameplay« [RA03, S. 13], bleibt allerdings abzuwarten (vgl. u.). Entscheidend für das Erlebnis des Computerspielers scheint in erster Linie das zu sein, was er tun kann und was passiert; die Darstellung ist, wie bei anderen Spielen offensichtlich, nicht unwichtig aber deutlich zweitrangig ([Har07], vgl. dagegen etwa [Whi03, Jai03]): »[...] if [game players] are immersed in anything, it’s the overall interactive system of a game – not the superficially realistic graphics.« [McC03] 316

Konsequenzen

(Computer-)Spieler versinken in ihrer eigenen Handlung und Aktion, nicht in einer Reflektion. »We’ve all had the experience of playing an action game really well, getting into a sort of ›grove‹ in which your eyes and hands seem to meld with the machine. The best user interfaces allow you to immerse yourself in the game so deeply that you are no longer aware of the user interface at all – the infamous Tetris Trance. That’s what well-designed interactivity does for a game.« [RA03, S. 13] Interaktivität ist weder eine Frage der Computergraphik noch einer realistischen Abbildung der Welt. Es geht bei Interaktion um die Vermittlung von Handlungsmöglichkeiten gegenüber dem user, und realistische Graphik ist dafür keine Voraussetzung, man denke nur an Weizenbaums Eliza. Die Interaktivität wurde vielleicht deutlich sichtbar mit der Verbreitung von Computergraphik (vgl. [FvDFH96, S. 1]), interaktiv war er aber schon mindestens, seit die Lochkarten vom Terminalbetrieb abgelöst wurden. Die Graphik hat die Interaktivität nicht bedingt; umgekehrt war das Streben nach photorealistischer Abbildung lange Zeit ein Hindernis auf dem Weg zu Interaktivität [San98, S. 6]. Für Fisher haben »[w]ir [...] zuviel Zeit auf den Fotorealismus verwendet« (Scott Fisher zit. n. [Röt00, S. 158]), und die Dominanz von »visual effects that, strictly speaking, don’t really matter to the play« [Har07], erscheint gegenwärtig ungebrochen. 7.3.2 Die Erweiterung und die Reduktion der Welt durch Medien Wieso sieht QuickTime 6 immer noch aus wie ein Bandrecorder aus den 50er Jahren? Jan Borchers [Bor04b]

Computer bedienen sich, wenn sie mit Inhalten umgehen, Modellen der alltäglichen Welt, wie dies alle Medien tun. In dieser Abbildung liegen selbstverständlich bestimmte Beschränkungen, aber auch die spezifischen Möglichkeiten des Rechners; bei dieser Übertragung von einem System in ein anderes »bewirkt man notwendigerweise einerseits eine Reduktion, andererseits eine Erweiterung« [Cad98, S. 81]. Metaphern, Bilder und Perspektiven erlauben eine bestimmte Sichtweise auf etwa Objekte, Prozesse und Zusammenhänge, erzwingen sie in gewisser Hinsicht dabei aber auch ([Man00b, S. 40], vgl. Abschn. 3.1.3). In dem Maße, in dem sie den Blick des Teilnehmers lenken, schränken sie ihn auch ein [Man00b, S. 116]. Diese Beobachtung trifft nicht nur auf die mediale Darstellung im Computer zu, sondern auf allen Umgang mit Medien: »Proud of our inventions – photography, the phonograph, film, radio 317

Interaktivität als Spiel

– we praise the educational virtues of direct experience3. We believe in traveling, and use pictures and movies in the schools. But as we render man’s image of his world immensely more complete and accurate than it was in the past, we also restrict the realm of the spoken and the written word and thereby the realm of thinking. The more perfect our means of direct experience, the more easily we are caught by the dangerous illusion that perceiving is tantamount to knowing and understanding.« [ArnoJ, S. 194f.] 7.3.3 Die mediale Darstellung als Teil der Welt [...] being a part of our culture now for half a century, [the] HCI [»human-computer interface« [Man00b, S. 71]] already represents a powerful cultural tradition, a cultural language offering its own ways to represent human memory and human experience. Lev Manovich [Man00b, S. 82f.]

Eine mediale Darstellung wird hier gesehen als Teil der Welt, nicht als ihr Ersatz. Für Nake ergänzen sich der aktuale und der virtuale Modus der Realität. Nach Svanæs funktioniert die Apple Macintosh desktop metaphor nicht deswegen, weil sie eine naturalistische Anmutung hätte oder eine realitätsnahe Übertragung aus der alltäglichen Welt auf dem Rechner wäre, sondern indem und weil sie souverän und tatsächlich weitgehend unabhängig von der alltäglichen Welt eigene Bedeutung aufbaut ([Sva99, S. 180], vgl. zur desktop metaphor auch [BG03, S. 43ff.]). Es erweist sich möglicherweise als ein Mißverständnis, am Computer möglichst ausschließlich naturalistische oder metaphorische Bezüge zur alltäglichen Welt zu verwenden. »The lesson to be learned is that GUI [Graphical User Interface] metaphors are not always superior to abstract representations when it comes to ease-of-use and ease-of-learning. Applied to GUI design, this means that one should not be afraid of considering new formalisms for end-user systems. As with metaphors, the formalisms and their visual and/or textual representations should be rooted in an understanding of how the end-users conceptualize their domain of knowledge.« [Sva99, S. 180] Dieses Verständnis ist aber offenbar nicht auf konkrete oder gegenständliche Modelle beschränkt, son3 | Gemeint ist offenbar eine direkte (z. B. live-)Übertragung, ohne Bearbeitung des Films.

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Konsequenzen

dern kann durchaus »quite complex formal systems« (ebd.) beinhalten ([Nar93], vgl. auch Nelsons Begriff der virtuality). Alle Medien scheinen sich in gewisser Weise und in gewissem Maße souverän gegenüber der alltäglichen oder natürlichen Welt zu verhalten, Beispiele dafür sind das Telephon und der Film (vgl. auch [Mic63]), die beide schnell »separate media« wurden, »with no need to be understood metaphorically with reference to other media or technologies. They are now used metaphorically to describe new media and technologies.« [Sva99, S. 3] Auch die virtuelle Welt des Computers wird nicht nur oder nicht in erster Linie durch Rückbezüge, Vergleiche und Übertragungen verstanden, sondern als inzwischen selbstverständlicher Teil der alltäglichen Welt und der Wirklichkeit angesehen, als »eine alternative Realitätsdimension«, geschaffen werden »keine falschen realen Objekte, sondern wahre virtuelle Objekte.« [GraoJ] Für Krämer [Krä00a, S. 85] ist »Welterzeugung [...] der produktive Sinn von Medientechnologien.« Verläßt der computer user die Ebene der metaphorischen Übertragung, kann offenbar eine tiefe und direkte Interaktion mit dem Medium resultieren. »The point is that when an interface presents a world of action rather than a language of description, manipulating a representation can have the same effects and the same feel as manipulating the thing being represented.« [HHN86, S. 99] 7.3.4 Eine Übertragung auf die HCI [...] human-computer interaction has borrowed rudimentary aesthetics from areas such as graphic design. [...] but the aesthetics of disciplines dominated by design-by-drawing tells us very little about the computational aspects of this new material we are working with. Lars Hallnäs, Johan Redström [HR02a, S. 107]

Werden die Erfahrungen der Computerspiele auf den alltäglichen Umgang mit dem Rechner übertragen, ist festzustellen, daß mit einer realitätsnahen (etwa graphischen) Darstellung offenbar kein wesentlicher Fortschritt in der Entwicklung der HCI verbunden ist (vgl. o. und Abschn. 3.1.2); wenn es um Realismus geht, geht es i. d. R. um das Ansehen, nicht um das Eingreifen (vgl. [FvDFH96, S. xii]). Es existiert ein trade-off zwischen aufwendiger, realitätsnaher Darstellung und hoher Interaktivität ([Kru93, S. 303], vgl. auch Abschn. 5.4.2).

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Interaktivität als Spiel

Für bestimmte Anwendungen, etwa in der »entertainment world, both in traditional animated cartoons and in realistic and surrealistic images« [FvDFH96, S. 607], ist dies auch kein Problem. Für den Umgang mit dem Rechner scheint eine Abwägung zwischen Darstellung und Interaktion zu Gunsten der Darstellung allerdings ungeeignet zu sein. Die Forderungen, sich in der Gestaltung der HCI (wieder?) auf die Interaktion zu konzentrieren, sind entsprechend eindeutig ([Sch93, S. 206], [Kru93, S. 303], [Dom98, S. 185], [Röt00, S. 157], vgl. auch [Cra03]). Der interaktive Computer ist ein Medium, innerhalb dessen eine Abbildung i. d. R. nicht um ihrer selbst willen vorgenommen wird; am Computer ist eine Darstellung eine representation for action. Dazu gehört die gezielte Beschränkung auf Wesentliches (vgl. [Röt00, S. 161]) in einer von der naturalistischen Darstellung abstrahierten Darstellung, die sich ihrer Grenzen bewußt ist und sie dem user bewußt macht. Beispiele für das Konzept, die Abbildung am Computer zur Darstellung der Handlungsmöglichkeiten des users zu nutzen, lassen sich möglicherweise hauptsächlich in den Bereichen finden, in denen es auf die direkte Kontrolle und Steuerung eines Vorgangs am Rechner ankommt, etwa »command and control applications« ([FvDFH96, S. 607], vgl. Abschn. 7.3.2). Eine von der realistischen Darstellung abstrahierende Abbildung scheint in diesen Fällen des Umgangs mit dem Rechner einer »tour de force of photographic realism« (ebd., S. 605) überlegen. Nach Stephan Grunvogel et al. sind »abstract or non-realistic games [...] more effective, believable and fun for players.« [And03] (Computer-)Spiele weisen deutlich darauf hin, daß eine konkrete mediale Darstellung zwar auch zum Spiel beiträgt, das abstrakte Spielkonzept dabei aber wesentlich bleibt. Counter-Strike (1999) hatte nach einigen Jahren eine völlig veraltete Graphik, trotzdem wurde und wird es gespielt, und zwar wegen seiner Handlungsmuster, nicht um etwas nachzumachen oder darzustellen.

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8 Schluß

[...] in der Begegnung von Spiel- und Computerkultur scheint es, als würde sich das Spiel als Führungskraft durchsetzen. Georg Seeßlen in [SR84, S. 92]

In der vorliegenden Arbeit wurde Spiel als Perspektive für den alltäglichen Umgang mit dem Computer vorgeschlagen und diskutiert. Abschließend werden in diesen Kapitel noch einmal die Hauptaussagen der Arbeit formuliert. Das Spiel bietet sich als eine mögliche Perspektive der HCI an, indem es wesentliche Merkmale betont, die auch den Umgang mit dem interaktiven Computer kennzeichnen. Ein großer Teil der Menschen hat inzwischen eigene Erfahrung im Umgang mit dem Rechner erworben, geht kompetent mit ihm um und beherrscht ihn souverän; diese Voraussetzungen lassen es plausibel erscheinen, vom Spiel des users im alltäglichen Umgang mit dem Rechner zu sprechen. Dieses Spiel ist eine Haltung des Spielers, die nicht auf eine gegenständliche Handlung oder auf ein konkretes Ergebnis wie die Herstellung eines Produkts zielt. Es läßt sich nicht beschränken auf bestimmte Inhalte, Zeiten, Orte oder Plätze. Es ist nicht Methode oder System, Automatismus oder Zuschreibung von außen, sondern eine willentlich eingenommene Perspektive, durch die hindurch er sein eigenes Handeln als Spiel ansieht, denn Spiel ist immer nur Spiel für jemanden. Es geht einem user im Umgang mit dem Computer nun nicht um das Aufführen einer Schau, sondern um die Begegnung mit einer Herausforderung, die auch über die Erledigung des Nötigen hinausgehen kann. Er setzt sich Ziele und Teilziele und sucht sie im Wettstreit mit dem Computer bzw. mit sich selbst zu erreichen. Wird von Spiel im Um321

Interaktivität als Spiel

gang mit dem Rechner gesprochen, ist nicht jenes Spiel gemeint, das sich in Nachmachen oder Darstellen erschöpft, sondern dieses, das sich der Herausforderung mit ungewissem Verlauf und offenem Ausgang stellt. Das Spiel im alltäglichen Umgang mit dem Computer scheint sich im Ausprobieren, Probehandeln und explorativen Lernen zu zeigen; je mehr sich der Computer als Medium erweist, mit dem kreative Tätigkeiten durchgeführt werden, zeigt sich hier eine Verbindung zum Spiel, während der Protest nicht Teil des Spiels ist. Das Spiel schafft den Zweck offensichtlich nicht ab, überwindet ihn aber wirksam für die Dauer des Spiels; das Spiel bestimmt dann den Umgang mit ihm und gestaltet ihn als Spiel. Nützliche und notwendige Tätigkeiten, die als Nichtspiel gelten, bewegen sich in diesem Fall in die Spielsphäre hinein und werden zu Spiel. Interactive narrative verfolgt das Ziel, dem user ein interessantes, wohlgeformtes und befriedigendes Erlebnis im alltäglichen Umgang mit dem Computer zu bieten. Technisch scheint dafür ein gewisser Fortschritt der KI-Forschung unabdingbar zu sein, der momentan noch nicht plausibel absehbar ist, und auch konzeptionell bleibt unklar, wie die Perspektive des aktiven Veränderns der Welt in einer narrativen Metapher Platz finden kann. Narrative ist eine auf die Reflektion des Vergangenen, und nicht auf die aktive Gestaltung von Gegenwart oder Zukunft gerichtete Perspektive; zum Umgang mit dem Computer, den Manovich ein »instrument for action« [Man00b, S. 95] nennt und der eine aktive, eingreifende, entscheidende und in die Zukunft orientierte Sichtweise seiner user verlangt, zur Planung und Durchführung eines eigenen und entscheidenden medialen Eingriffs erscheint sie ungeeignet. Die Perspektiven interactive narrative und Spiel erscheinen deutlich voneinander getrennt und unterscheiden sich so wesentlich in zentralen Aspekten, daß sie sich gegenseitig auszuschließen scheinen. Ihre medialen Perspektiven scheinen am effektivsten und (auch kommerziell) am erfolgreichsten zu wirken, wenn sie entschiedene, miteinander undurchmischte Positionen einnehmen. Calm computing und Spiel haben einen unterschiedlichen Fokus im Umgang mit dem Rechner und beziehen sich auch auf verschiedene Anwendungen. Während calm computing die Aufmerksamkeit des users nur ausnahmsweise in Anspruch nimmt und der Idee eines unauffälligen Umgangs mit Technik im Hintergrund des alltäglichen Lebens folgt,

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Schluß

verlangt Spiel nach der völligen, ungeteilten und andauernden Gegenwärtigkeit des Spielers im Spiel. Calm computing und Spiel zielen konzeptionell auf verschiedene Arten des Umgangs mit Medien, und das eine Konzept ersetzt dabei nicht das andere; im Umgang mit dem Computer erscheinen beide Perspektiven plausibel. Zwar erscheint der Computer in bestimmter Hinsicht auch als Simulation, indem er modellhafte Abbildungen der Realität oder anderer Medien schafft, die dynamisch ablaufen und sogar interaktiv zu benutzen sind; es ist aber nicht davon auszugehen, daß der Computer seine besonderen medialen Eigenschaften in den Formen alter, von ihm imitierter Medien entfalten kann. Was den Computer zu etwas anderem als einer Simulation macht, ist die wesentliche realitätsschaffende Komponente im Umgang mit ihm. Wie andere Medien auch, erzeugen der Computer wie auch das Spiel einen voll-gültigen Teil der Realität, der nicht als Kopie abgetan werden kann oder der alltäglichen Welt als Legitimation bedarf. Im alltäglichen Umgang stellt sich der Computer seinem user gegenüber nicht als Simulator, und der interaktive Umgang mit ihm nicht als Test oder Experiment dar. Er kann den Umgang mit dem Rechner als produktive und eigenständig reale und nicht nur durch den Bezug zu einem außerhalb liegenden Referenten Bedeutung erlangende Tätigkeit sehen. Ihn treibt nicht der Erkenntnisgewinn über die Realität, sondern das Schaffen von Realität. Entweder wird der Begriff Kommunikation in der HCI äquivalent zum Begriff der Interaktion verwandt und fügt den bekannten Konzepten keine wesentlichen neuen Aspekte hinzu, oder er kann nur in sehr eingeschränkter Hinsicht für den Umgang des users mit dem Rechner stehen. Als communication metaphor kann er u. a. das Eintippen von Befehlen in den Computer bezeichnen, Crawfords Leitbild zur Gestaltung des Umgangs mit dem Rechner oder den Dialog mit einem intelligenten Agenten oder Roboter. Wenn der Begriff der Kommunikation in diesem Sinne verwandt wird, mag er falsche Erwartungen des users an den Computer wecken. Der Umgang mit ihm ist selbstverständlich nur in sehr eingeschränkter Hinsicht Kommunikation wie mit einem Menschen, und es erscheint zweifelhaft, ob es eine angemessene Metapher ist, sich mit einem technischen Medium austauschen zu wollen wie mit einem menschlichen 323

Interaktivität als Spiel

Gegenüber, denn von einem gemeinsamen Verständnis von Handeln wie zwischen Menschen kann im Umgang mit dem Computer kaum gesprochen werden. Je mehr sich eine Sichtweise des Computers als intelligentem Kommunikationspartner verbreitete, desto mehr würde der Spielraum eines users im Umgang mit dem Rechner eingeschränkt, denn er überließe die Umsetzung seiner Anweisungen der Maschine und kontrollierte nur noch ihre korrekte Ausführung. Zur Gestaltung eines direkten, aktiven, unmittelbaren oder gar spielerischen Umgangs mit dem Rechner scheint sich die Kommunikationsmetapher als ungeeignet zu erweisen. Der Charakter eines Mediums wird bestimmt von den Möglichkeiten, die sein Teilnehmer zur Teilnahme hat, und ein Teilnehmer weiß um sein Medium, während er teilnimmt. Dies ist kein Fehler, sondern Voraussetzung für die Teilnahme. Das Wissen um das Medium gehört untrennbar zur Teilnahme am Medium, die Erfahrung der medialen Vermitteltheit zum Eintauchen in den Inhalt. Medienbenutzer akzeptieren die Randbedingungen, die durch ein Medium gesetzt sind, indem sie sich auf das Medium einlassen, und sind bereit, innerhalb des so begrenzten Raumes wahrzunehmen und zu handeln. Es kann in bzw. zwischen Medien keine naturalistische oder konsistente Abbildung geben, denn die mediale Welt ist ein Teil der Realität und nicht ihre Kopie oder Simulation. Medien müssen unrealistisch und wohl auch inkonsistent sein, damit sie konzeptionell erkannt und effektiv benutzt werden können. Der Computer wirkt nicht nur durch Rückbezüge auf die natürliche oder künstliche Welt, sondern baut in gewisser Weise selbst souverän Bedeutung auf, grenzt sich von der alltäglichen Welt ab und emanzipiert sich von ihr als voll-gültiger Teil der Realität. Im Umgang mit dem Computer geht es in erster Linie um die Handlungs- und Eingriffsmöglichkeiten seines users. Die Hauptaufgabe der Darstellung im Umgang mit dem Rechner scheint in diesem Sinne das Ermöglichen von Interaktion zu sein. Die Notwendigkeit, die mediale Abbildung zu gestalten, kann als Chance wahrgenommen werden, den Computer gegenüber seinem user als ein Medium der Aktion zu repräsentieren. Die bewußte Fokussierung und gezielte Auswahl eines Inhalts und des Zugangs zu ihm sind, was ihn als Medium auszeichnet, von der alltäglichen Welt und von anderen Medien unterscheidet, und kein Mangel, den zu überwinden die jeweils weitere technische Entwicklung berufen ist. Die Abbildung am interaktiven Computer erfüllt dabei 324

Schluß

eine Doppelfunktion einer sinnlichen Darstellung und einer representation for action. Spiel ist keine neue Perspektive, die in den letzten Jahren erfunden wurde, oder die im Zuge der Proklamation einer Spiel- und Spaßgesellschaft nun auch den Umgang mit dem Computer erfaßt. Der Computer bot sich vielmehr schon lange zum Spielen an, und seine starke Verbreitung in der Gesellschaft hat nun dazu beigetragen, daß diese Perspektive für viele seiner zunehmend kompetenten user plausibel realisierbar erscheint. Die Interaktion mit dem Computer steht allerdings stets am Scheideweg zwischen einer effizienten, kontrollierten und zweckhaften Benutzung sowie einem spielerischen, freien und selbstbestimmten Umgang. Der Umgang mit dem Rechner verfolgt einerseits unzweifelhaft i. d. R. einen Zweck und fällt damit nicht in den Bereich des Spiels; andererseits kann dieser Umgang offenbar dennoch in Spiel umschlagen, das den Zweck dann zwar nicht abschafft, sich aber wirksam über ihn erhebt. Wenn im Umgang mit dem Rechner Spiel stattfindet, dann obwohl er »instrumental« (Mark Amerika) eingesetzt wird. Beim alltäglichen Umgehen mit einem Medium, auf das die Kennzeichen des Spiels zutreffen, kann die subjektive Perspektive des Spiels eingenommen und auch ausgedrückt werden. »Beschäftigungen, die in einem materiellen Interesse, in einer Notwendigkeit oder einem Bedürfnis ihre Ursache haben, also anfänglich nicht die Spielform zeigen, entwickeln sekundär einen Charakter, den man schwerlich anders als Spielcharakter nennen kann.« [Hui56, S. 189] Der interaktive Computer im alltäglichen Umgang erscheint als ein solches Medium.

325

Abbildungsverzeichnis

3.1 3.2

Heiligs Sensorama . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sutherlands Sketchpad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.1 5.2 5.3

Continuum between interactivity and storytelling . . . . . 236 U. S. Computer and Video Game Unit Sales . . . . . . . . 264 U. S. Computer and Video Game Dollar Sales . . . . . . . 265

327

39 40

Tabellenverzeichnis

5.1 5.2

Computer Game Genres in Units Sold (USA) . . . . . . . 266 Video Game Genres in Units Sold (USA) . . . . . . . . . . 267

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Danksagung Danken möchte ich Frieder Nake für die Betreuung der vorliegenden Arbeit. Seine Hinweise waren mir Anlaß, selbst zu entdecken und nachzulesen, sodaß ich auf zahllose Autoren, Veröffentlichungen und Veranstaltungen aufmerksam wurde. Claus Pias möchte ich ebenfalls für die Betreuung der Arbeit danken, für seine Anmerkungen, Einschätzungen und Literaturhinweise. Willi Bruns möchte ich danken, daß er mich ohne viel Federlesens in seine Arbeitsgruppe am Forschungszentrum artec an der Universität Bremen aufnahm und mir so zahlreiche interessante Diskussionen in einer entspannten Atmosphäre ermöglichte. Danken möchte ich auch meinen Kollegen im artecLab Bernd Robben, Eva Hornecker und Martin Faust für viele wertvolle Anregungen. Dank an Dieter Müller für fokussiertes Nachfragen, an Hans Dieter Hellige für inhaltliche und formale Hinweise. Dank auch an Susi Grabowski für Literaturhinweise.

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Kultur- und Medientheorie Matthias Bauer, Christoph Ernst Diagrammatik Einführung in ein kulturund medienwissenschaftliches Forschungsfeld Juni 2010, ca. 250 Seiten, kart., ca. 26,80 €, ISBN 978-3-8376-1297-4

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