Insiderrecht und Kapitalmarktschutz.: Haftungstheorien im U.S.-amerikanischen, europäischen und deutschen Recht.. Dissertationsschrift 3428098064, 9783428098064

Wer ist Insider und warum haftet er? Der Verfasser geht dieser Frage in einer vergleichenden Analyse nach. Dies geschieh

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Insiderrecht und Kapitalmarktschutz.: Haftungstheorien im U.S.-amerikanischen, europäischen und deutschen Recht.. Dissertationsschrift
 3428098064, 9783428098064

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Teil 1: Grundlagen
A. Das Insiderproblem
B. Rahmenbedingungen
I. Schutzzweck
1. Anlegerschutz
2. Marktschutz
II. Wertpapiergeschäft
1. Individualität
2. Anonymität
III. Theoriebegriff
C. Elemente einer Insiderregelung
I. Insider
1. Unternehmensinsider
2. Marktinsider
3. Tipempfänger
4. Informationsinhaber
5. Grundproblem
II. Insiderinformation
1. Inhalt
2. Form
III. Insiderpapier
IV. Verbotstatbestand
V. Zusammenspiel
Teil 2: U.S.A.
Einführung
I. Common Law
II. Keimzelle: Rule 10b-5
Kapitel 1: Equal Access Theorie
A. Grundgedanke
B. Entwicklung
I. Ausgangspunkt: In Re Cady, Roberts & Co. (1961)
1. Sachverhalt
2. Verbotsbegründung
3. Interpretationsmöglichkeiten
II. Erweiterung: S.E.C. v. Texas Gulf Sulphur Co. (1968)
1. Sachverhalt
2. Verbot für jeden Informationsinhaber
3. Gleicher Informationszugang im anonymen Markt
4. Informationsbegriff
III. Anwendung auf Tipempfänger und Marktinsider
1. Tipempfänger
2. Marktinsider
C. Kritik
I. Gleichheit der Marktteilnehmer
1. Information
2. Zugang
3. Relativität
II. Notwendige Unterscheidungen
1. Marktteilnehmer
2. Vorsatz
3. Kausalität
4. Konsequenz
III. Widerspruch
1. Gesetzeszweck
2. Gesetzeswortlaut
IV. Neuere Forderungen
D. Ergebnis
Kapitel 2: Fiduciary Duty Theorie
A. Grundgedanke
B. Entwicklung
I. Ausgangspunkt: Chiarella v. United States (1980)
1. Sachverhalt
2. Erfordernis einer Treuepflicht
3. Absage an Equal Access Theorie
4. Zwischenergebnis
II. Bestätigung: Dirks v. S.E.C. (1983)
1. Sachverhalt
2. Problem: Haftung des Tipempfängers
3. Lösung: Abgeleitete Treuepflicht
4. Haftungslücke
5. Möglicher Ausweg
III. Insider qua Fiktion
1. Handelsverbot: S.E.C. v. Lund (1983)
2. Weitergabeverbot: S.E.C. v. Ingram (1988)
3. Zwischenergebnis
C. Kritik
I. Insiderproblem und Treuepflicht
II. Regelungslücken
1. Tipempfänger
2. Marktinsider
3. Insiderpapiere
a) Allgemein
b) Optionen
c) Schuldverschreibungen
III. Gegenstimmen im United States Supreme Court
IV. Widerspruch
1. Individuelle Treuebeziehung
2. Anonyme Marktbeziehung
D. Ergebnis
Kapitel 3: Misappropriation Theorie
A. Grundgedanke
B. Entwicklung
I. Berufliche Sonderbeziehung
1. Ausgangspunkt: United States v. Newman (1981)
a) Sachverhalt
b) “Veruntreuung” von Insiderinformationen
c) Anwendung
2. Erweiterung: United States v. Carpenter (1986)
a) Sachverhalt
b) Insiderrecht als Arbeitgeberschutz
c) Neuer Informationstypus
II. Familiäre Sonderbeziehung
1. Ausgangspunkt: United States v. Reed (1985)
a) Sachverhalt
b) Schutz jeglicher Treueverhältnisse
c) Problem: Hinreichende Konkretisierung
2. Abgrenzung: United States v. Chestman (1991)
a) Sachverhalt
b) Treuebindung qua Verwandtschaft oder Ehe
c) Zwischenergebnis
III. Andere Sonderbeziehungen
1. Ärztliche Schweigepflicht: United States v. Willis (1991)
2. Staatliche Bedienstete
3. Abgrenzung: Zufallsinsider
IV. Bestätigung: United States v. O’Hagan (1997)
1. Sachverhalt
2. Vorgeschichte
3. Analyse
a) Misappropriation ergänzt Fiduciary Duty Theorie
b) Täuschung im Sinne von Rule 10b-5
c) Zusammenhang mit einem Wertpapiergeschäft
4. Zwischenergebnis
C. Kritik
I. Schutzrichtung
1. Interessen außerhalb des Marktes
2. Schrittweise Schwerpunktverlagerung
II. “Property Rights”-Ansatz
III. Gesetzliche Grundlage
IV. Praktische Anwendbarkeit
1. Insider
2. Insiderpapiere
3. Rechtssicherheit
V. Aktuelle Rechtslage und Ausblick
D. Ergebnis
Teil 3: Europa
Einführung
A. Insider
I. Primärinsider
1. Unternehmensinsider
2. Tätigkeitsbedingte Insider
3. Vergleich
II. Sekundärinsider
1. Informationsinhaber
2. Primärinsider als Informationsquelle
3. Vergleich
III. Zwischenbilanz
1. Auslegungsprobleme
2. Abgrenzung der beiden Insiderbegriffe
B. Insiderinformation
I. Generalklausel
II. Informationsinhalt
1. Emittentenbezug
2. Wertpapierbezug
3. Marktinformationen
III. Vergleich
C. Insiderpapiere
I. Wertpapiere
II. Märkte
D. Verbotstatbestand
I. Primärinsider
1. Umfassendes Verbot
2. Vergleich
II. Sekundärinsider
1. Eingeschränktes Verbot
2. Vergleich
E. Deutungsmöglichkeiten
I. Ausgangspunkt
II. Misappropriation Theorie
III. Equal Access Theorie
F. Ergebnis
Teil 4: Deutschland
Einführung
I. Vorreiter für Deutschland
II. Normative Schwierigkeiten
A. Insider
I. Primärinsider
1. Unternehmensinsider
2. Insider qua “bestimmungsgemäßer” Kenntnis
3. Ungelöste Schwierigkeiten
a) Insiderkenntnis aus sozialen Gründen
b) Analystentätigkeit
c) Ärztliche Gespräche
d) Deliktische Informationserlangung
e) Fazit
II. Sekundärinsider
1. Wegfall informationeller Bindung
2. Auswirkungen
3. Zufallsinsider
III. Zwischenergebnis
B. Insidertatsache
I. Generalklausel
II. Keine Inhaltsbestimmung
III. Formale Kriterien
1. Nicht-Öffentlichkeit
2. Tatsache
3. Eignung zur Kursbeeinflussung
IV. Zwischenergebnis
C. Insiderpapiere
I. Wertpapiere
II. Märkte
D. Verbotstatbestand
I. Inhaltliche Ausgestaltung
II. Kausalität
III. Verbleibender Widerspruch
E. Bewertung der Regelungselemente
I. Einheitlicher Insiderbegriff
II. Information als Kernbegriff
1. Zentrales Tatbestandsmerkmal
2. Vergleich
3. Sprachliche Fassung
III. Einheitliches Verbot
F. Folgerungen
I. Verbesserte Equal Access Theorie
II. Relative informationelle Chancengleichheit
III. Insiderrecht im engeren Sinne
IV. Schutzzweck
G. Informationsproduktion
I. Problem
II. Teilbereiche
1. Analyseergebnisse
2. Übernahmeentscheidungen
3. Konsequenz
III. Lösungsvorschlag
1. Wortlautauslegung: “Tatsache”
2. Wortlautauslegung: “Information”
3. Teleologische Reduktion
H. Ergebnis
J. Ausblick
Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Sachverzeichnis

Citation preview

KLAUS-PETER WEBER

Insiderrecht und Kapitalmarktschutz

Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts herausgegeben von

Heinz Grossekettler, Münster· Bernhard Großfeld, Münster Klaus J. Hopt, Hamburg . Christian Kirchner, Berlin Dieter Rückle, Trier· Reinhard H. Schmidt, Frankfurt/Main

Band 40

Insiderrecht und Kapitalmarktschutz Haftungstheorien im U.S. -amerikanischen, europäischen und deutschen Recht

Von Klaus-Peter Weber

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Weber, Klaus-Peter:

Insiderrecht und Kapitalmarktschutz : Haftungstheorien im U.S.-amerikanischen, europäischen und deutschen Recht / von Klaus-Peter Weber. - Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts; Bd. 40) Zug\.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1997/98 ISBN 3-428-09806-4

D6 Alle Rechte vorbehalten

© 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5065 ISBN 3-428-09806-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069

Dem Andenken meines Vaters

Vorwort Diese Arbeit wurde von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Westflilischen Wilhelms-Universität zu Münster im Wintersemester 1997/ 1998 als Dissertation angenommen. Erste Anregung zur Beschäftigung mit dem Thema der mißbräuchlichen Ausnutzung von InformationsvorsprOngen gab mir Professor Dr. Bernhard Großfeld während meiner Mitarbeit an seinem Lehrstuhl. Den Grundstein dieser Untersuchung bildete dann ein Forschungsaufenthalt an der Duke University Law School im Anschluß an mein dortiges LL.M.-Studium. Die Arbeit habe ich danach an der Universität Münster fortgefUhrt und während meines Referendariats in Hamburg fertiggestellt. Meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Bernhard Großfeld, danke ich herzlich fUr seine wissenschaftliche wie persönliche Betreuung. Sein guter Rat und seine engagierte Kritik haben nicht nur diese Arbeit gefördert, sondern bleiben weit darüber hinaus prägend und wegweisend. Herrn Professor Dr. Thomas Lundmark danke ich fUr die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Besonderer Dank gilt meinen Eltern, die mir das Studium immer in jeder Hinsicht ermöglicht und daran großen Anteil genommen haben. Mein Vater konnte einen wesentlichen Teil dieser Arbeit noch entstehen sehen; er bleibt mir Vorbild. Freundschaftlich verbundene Wegbegleiter haben mir geholfen, Gleichgewicht zu behalten. Besonders danken möchte ich meiner Freundin Dr. Ilona Bänhegyi, auf deren fachlichen und persönlichen Rat ich stets zählen konnte. Hamburg, im März 1999

Klaus-Peter Weber

Inhaltsverzeichnis Einleitung........................................................................ ......................................... 21 Teil J

Grundlagen A. Das Insiderproblem .............................................................................................

25

B.

Rahmenbedingungen ........................................................................................... I. Schutzzweck ................................................................................................ I. Anlegerschutz ......................................................................................... 2. Marktschutz ............................................................................................ 11. Wertpapiergeschäft ...................................................................................... I. Individualität........................................................................................... 2. Anonymität ............................................................................................. 111. Theoriebegriff..............................................................................................

28 28 28 29 31 31 32 34

C.

Elemente einer Insiderregelung........................................................................... 35 I. Insider.......................................................................................................... 35 1. Unternehmensinsider .............................................................................. 35 2. Marktinsider............................................................................................ 36 3. Tipempfänger.......................................................................................... 37 4. Infonnationsinhaber................................................................................ 37 5. Grundproblem......................................................................................... 38 11. Insiderinfonnation ....................................................................................... 39 1. Inhalt....................................................................................................... 39 2. Fonn........................................................................................................ 41 111. Insiderpapier ................................................................................................ 42 IV. Verbotstatbestand......................................................................................... 43 V. Zusammenspiel............................................................................................ 44

Teil 2

U.S.A. Einführung.................................................................................................................. I. Common Law ..............................................................................................

46 46

10

Inhaltsverzeichnis H. Keimzelle: Rule 10b-5...... ....... ....... ......... .... ............. ...... .............. ...............

48

Kapitell Equal Access Theorie A. Grundgedanke.....................................................................................................

51

B.

Entwicklung .. ...... ..... ....... ............. .................................................. ..................... 51 I. Ausgangspunkt: In Re Cady, Roberts & Co. (1961).................................... 51 1. Sachverhalt.............. ......... ......... ......................................... ..................... 51 2. Verbotsbegründung................................................................................. 52 3. Interpretationsmöglichkeiten .................................................................. 54 H. Erweiterung: S.E.c. v. Texas GulfSulphur Co. (1968)............................... 54 1. Sachverhalt.. .................... ....... ...................... ................... ......... ............... 55 2. Verbot für jeden Informationsinhaber..................................................... 56 3. Gleicher Informationszugang im anonymen Markt ................................ 57 4. Informationsbegriff................................................................................. 58 HI. Anwendung auf Tipempfänger und Marktinsider ........................................ 60 1. Tipempfänger ....................................................................................... ,.. 60 2. Marktinsider............................................................................................ 62

C.

Kritik ................................................................................................................... I. Gleichheit der Marktteilnehmer ................................................................... 1. Information.. ........................................................................................... 2. Zugang................................................. ................................................... 3. Relativität................................................................................................ H. Notwendige Unterscheidungen .................................................................... 1. Marktteilnehmer...................................................................................... 2. Vorsatz........................................................................................ ............ 3. Kausalität ................................................................................................ 4. Konsequenz............................................................................................. HI. Widerspruch................................................................................................. 1. Gesetzeszweck ........................................................................................ 2. Gesetzeswortlaut ..................................................................................... IV. Neuere Forderungen.....................................................................................

63 63 63 64 64 65 65 66 67 69 70 70 71 72

D. Ergebnis...............................................................................................................

72

Kapite12 Fiduciary Duty Theorie A. Grundgedanke .....................................................................................................

74

B. Entwicklung ........................................................................................................ I. Ausgangspunkt: Chiarella v. United States (1980) ...................................... 1. Sachverhalt.................... .......................................................................... 2. Erfordernis einer Treuepflicht.................................................................

74 74 75 76

Inhaltsverzeichnis

11

3. Absage an Equal Access Theorie............................................................ 4. Zwischenergebnis ................................................................................... 11. Bestätigung: Dirks v. S.E.C. (1983) ............................................................ 1. Sachverhalt............................ ............................ .............................. ........ 2. Problem: Haftung des Tipempfiingers ..................... .......................... ..... 3. Lösung: Abgeleitete Treuepflicht ........................................................... 4. Haftungslücke .................................................................................... ..... 5. Möglicher Ausweg.................................................................................. 111. Insider qua Fiktion .......... ........................... .................................................. I. Handelsverbot: S.E.C. v. Lund (1983).................................................... 2. Weitergabeverbot: S.E.C. v. Ingram (1988) ........................................... 3. Zwischenergebnis ...................................................................................

77 78 79 79 80 81 82 84 85 85 86 87

Kritik ......................................................... ........ .................................................. I. Insiderproblem und Treuepflicht .................. ............................................... 11. Regelungslücken.......................................................................................... 1. Tipempfiinger.. ............. ..... ........... ...... ......... ................... ...................... ... 2. Marktinsider............................................................................................ 3. Insiderpapiere.......................................................................................... a) Allgemein........................................................................................... b) Optionen......... ..................... ........................ ...................................... c) Schuldverschreibungen ...................................................................... III. Gegenstimmen im United States Supreme Court......................................... IV. Widerspruch................................................................................................. 1. Individuelle Treuebeziehung .................................................................. 2. Anonyme Marktbeziehung......................................................................

88 88 90 90 91 92 92 93 94 95 96 96 96

D. Ergebnis...............................................................................................................

97

C.

Kapitel 3 Misappropriation Theorie A. Grundgedanke..................................................... ....................... ....... ............ ...... B.

Entwicklung ........................................................................................................ I. Berufliche Sonderbeziehung .......... ........................... ................. .................. I. Ausgangspunkt: United States v. Newman (1981) ................................. a) Sachverhalt......................................................................................... b) "Veruntreuung" von Insiderinformationen ........................................ c) Anwendung ........................................................................................ 2. Erweiterung: United States v. Carpenter (1986) ..................................... a) Sachverhalt......................................................................................... b) Insiderrecht als Arbeitgeberschutz ..... ..................... .... ....... ..... ........... c) Neuer Informationstypus ................................................................... 11. Familiäre Sonderbeziehung .......................................................................... 1. Ausgangspunkt: United States v. Reed (1985) ....................................... a) Sachverhalt.. .......................................................................................

99 99 99 99 99 100 101 103 103 104 106 107 107 107

12

C.

Inhaltsverzeichnis b) Schutz jeglicher Treueverhältnisse .................................................... c) Problem: Hinreichende Konkretisierung ............................................ 2. Abgrenzung: United States v. Chestman (1991) ..................................... a) Sachverhalt...... ..................................................................... .............. b) Treuebindung qua Verwandtschaft oder Ehe..................................... c) Zwischenergebnis .............................................................................. III. Andere Sonderbeziehungen ......................................................... ................ l. Ärztliche Schweigepflicht: United States v. Willis (1991) ..................... 2. Staatliche Bedienstete ............................................................................. 3. Abgrenzung: Zufallsinsider .................................................................... IV. Bestätigung: United States v. O'Hagan (1997) ............................................ I. Sachverhalt..... ...... ............................................ ....................................... 2. Vorgeschichte ......................................................................................... 3. Analyse ................................................................................................... a) Misappropriation ergänzt Fiduciary Duty Theorie............................. b) Täuschung im Sinne von Rule IOb-5 ................................................. c) Zusammenhang mit einem Wertpapiergeschäft................................. 4. Zwischenergebnis ...................................................................................

108 109 110 110 111 112 113 113 114 115 116 116 117 118 118 119 120 121

Kritik .. ..... ... .............. ..... .................................. ........ ... .............. ........... ..... ........... I. Schutzrichtung .......... ............................................... .................... ................ I. Interessen außerhalb des Marktes......................................... .................. 2. Schrittweise Schwerpunktverlagerung .................................................... 11. "Property Rights"-Ansatz............................................................................. 111. Gesetzliche Grundlage ................................................................................. IV. Praktische Anwendbarkeit ........................................................................... I. Insider........................................ ............................... .............................. 2. Insiderpapiere .......................................................................................... 3. Rechtssicherheit ...................................................................................... V. Aktuelle Rechtslage und Ausblick ...............................................................

122 122 122 123 125 127 128 128 129 129 130

D. Ergebnis............................................................................................................... 131 Teil 3

Europa Einführung .................................................................................................................. 132 A.

Insider.................................................................................................................. I. Primärinsider ................................................................................................ 1. Unternehmensinsider .............................................................................. 2. Tätigkeitsbedingte Insider ....................................................................... 3. Vergleich ................................................................................................. 11. Sekundärinsider ........................................................................................... 1. Informationsinhaber ................................................................................ 2. Primärinsider als Informationsquelle ....... ............. .............................. ....

132 133 133 135 137 139 139 140

Inhaltsverzeichnis

13

3. Vergleich ................................................................................................. 111. Zwischenbilanz ................ .......... ...... ................................... .... .... ... ....... ....... 1. Auslegungsprobleme ............................................................................... 2. Abgrenzung der beiden Insiderbegriffe ..................................................

141 143 143 144

B.

Insiderinformation ............................................................................................... I. Generalklausel. ............................................................................................. 11. Informationsinhalt ........................................................................................ 1. Emittentenbezug ..................................................................................... 2. Wertpapierbezug ..................................................................................... 3. Marktinformationen ................................................................................ 111. Vergleich ......................................................................................................

146 146 147 147 148 149 150

C.

Insiderpapiere ...................................................................................................... 151 I. Wertpapiere .................................................................................................. 151 11. Märkte .......................................................................................................... 151

D. Verbotstatbestand ................................................................................................ I. Primärinsider ................................................................................................ 1. Umfassendes Verbot ............................................................................... 2. Vergleich ................................................................................................. 11. Sekundärinsider ........................................................................................... 1. Eingeschränktes Verbot.......... .... ............... ............................................. 2. Vergleich .................................................................................................

152 152 152 153 154 154 154

E.

Deutungsmöglichkeiten ....................................................................................... I. Ausgangspunkt ............................................................................................ 11. Misappropriation Theorie ............................................................................ 111. Equal Access Theorie...................................................................................

155 155 156 157

F.

Ergebnis............................................................................................................... 158 Teil 4

Deutschland Einführung............................................ ...... ... ...................................................... ....... 160 I. Vorreiter für Deutschland..... ....... ....... ....................................... ...... ..... ... .... 160 11. Normative Schwierigkeiten .......................................................................... 162 A. Insider.................................................................................................................. I. Primärinsider ................................................................................................ 1. Untemehmensinsider .............................................................................. 2. Insider qua "bestimmungsgemäßer" Kenntnis ........................................ 3. Ungelöste Schwierigkeiten ..................................................................... a) Insiderkenntnis aus sozialen Gründen ................................................ b) Analystentätigkeit ..............................................................................

163 164 164 165 167 167 167

14

Inhaltsverzeichnis c) Ärztliche Gespräche........................................................................... d) Deliktische Infonnationserlangung ......... ........................................... e) Fazit ................................................................................................... 11. Sekundärinsider ........................................................................................... 1. Wegfall infonnationeller Bindung .......................................................... 2. Auswirkungen ......................................................................................... 3. Zufallsinsider .......................................................................................... 111. Zwischenergebnis ........................................................................................

169 170 170 171 171 171 172 174

B.

Insidertatsache ..................................................................................................... I. Generalklausel.............................................................................................. 11. Keine Inhaltsbestimmung ............................................................................ 111. Fonnale Kriterien......................................................................................... 1. Nicht-Öffentlichkeit................................................................................ 2. Tatsache .................................................................................................. 3. Eignung zur Kursbeeinflussung .............................................................. IV. Zwischenergebnis ........................................................................................

175 175 176 177 177 178 179 182

C.

Insiderpapiere .......... ............................................................................................ 182 I. Wertpapiere .................................................................................................. 182 11. Märkte....................................................................................... ................... 183

D. Verbotstatbestand ................. .......................................... .................... ........ ......... I. Inhaltliche Ausgestaltung............................................................................. 11. Kausalität.......................................................... ........................................... III. Verbleibender Widerspruch .........................................................................

185 185 185 187

E.

Bewertung der Regelungselemente ..................... .......... ........ ............. ................. I. Einheitlicher Insiderbegriff.......................................................................... 11. Infonnation als Kembegriff ............................... .......................................... 1. Zentrales Tatbestandsmerkmal... ............................................................. 2. Vergleich ................................................................................................. 3. Sprachliche Fassung................................................................................ 111. Einheitliches Verbot. ....................................................................................

190 190 191 191 192 193 194

F.

Folgerungen ......................................................................................................... I. Verbesserte Equal Access Theorie ............................................................... 11. Relative infonnationelle Chancengleichheit............................................ .... III. Insiderrecht im engeren Sinne ...................................................................... IV. Schutzzweck ................................................................................................

197 197 199 201 202

G. Infonnationsproduktion ....................................................................................... I. Problem ........................................................................................................ 11. Teilbereiche ................................................................................................. 1. Analyseergebnisse.. ................................................................................. 2. Übernahmeentscheidungen .....................................................................

204 204 205 205 207

Inhaltsverzeichnis

15

3. Konsequenz ............................................................................................. IH. Lösungsvorschlag ............................................... ... ............ .......................... I. Wortlautauslegung: "Tatsache" ............................................................... 2. Wortlautauslegung: "Information" ................... ..... ..... ............................. 3. Teleologische Reduktion ........................................................................

210 211 211 212 213

H. Ergebnis............................................................................................................... 214 J.

Ausblick .............................................................................................................. 216

Zusammenfassung ........................................................................................ 219 Literaturverzeichnis ..................................................................................... 224

Sachverzeichnis ............................................................................................. 238

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. ABA ABI. Abs. AcP aft'd AG AktG Ala.L.Rev. Alb.L.Rev. ALl Alt. Am.Bus.LJ. Am.Crim.L.Rev. Anm. Art. BB B.C.L.Rev. Bd. BFuP BGBI. BörsG BR-Drucks. Brook.L.Rev. BT-Drucks. B.U.Int'l L.J. Bus.Law. Cal.L.Rev. Case W.Res.L.Rev. C.D. Ca!. cert. denied C.F.R. Cir. CJA Co. Colum.L.Rev. ColumJ.Transnat'l L.

anderer Ansicht am angegebenen Ort American Bar Association Amtsblatt Absatz Archiv für die civilistische Praxis affirmed Die Aktiengesellschaft Aktiengesetz Alabama Law Review Albany Law Review American Law Institute Alternative American Business Law Journal American Criminal Law Review Anmerkung Artikel Betriebsberater Boston College Law Review Band Betriebswirtschaftliehe Forschung und Praxis Bundesgesetzblatt Börsengesetz Bundesrats-Drucksache Brooklyn Law Review Bundestags-Drucksache Boston University International Law Journal Business Lawyer California Law Review Case Western Reserve Law Review Distriet Court for the Central District of California certiorari denied Code ofFederal Regulations Circuit Court Criminal Justice Act Company Columbia Law Review Columbia Journal ofTransnational Law

Abkürzungsverzeichnis Conn.L.Rev. Corp. DAX DB D.Del. Del.J .Corp.L. Denv.U.L.Rev. ders. dies. Diss. Duke LJ. E.D.Mo. E.D.Pa. EG EGVIEWGV Emory LJ. EU EuZW EWR

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2 Weber

17

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18 Hofstra L.Rev. Hrsg. Hs. IHR Ind.LJ. i.S.v./e./d. i.V.m. J.Contemp.L. J.Corp.L. J .Legal Stud. J.Marshall L.Rev. JZ Kap. KWG Law & Conternp. Probs. Iit. Mass. Minn. m.w.N. N.D.Cal. N.D.Ohio N.E. N.IIl.U.L.Rev. NJW Nr. N.W. Nw.U.L.Rev. N.Y.U.L.Rev. Ohio St.L.J. Ox.J.L.St. rev'd

Rz. S. s. San Diego L.Rev. Santa Clara L.Rev. S.Cal.L.Rev. S.C.Mass. S.Ct. S.D.N.Y. S.E.A. S.E.C. Sec. Sec.Reg.L.J. s.o.

Abkürzungsverzeichnis Hofstra Law Review Herausgeber Halbsatz Insiderhandels-Richtlinien Indiana Law Journal im Sinne von! einer/ des in Verbindung mit Journal of Contemporary Law Journal of Corporation Law Journal ofLegal Studies John Marshall Law Review Juristenzeitung Kapitel Kreditwesengesetz Law and Contemporary Problems Iittera Massachusetts Reports Minnesota Reports mit weiteren Nachweisen District Court for the Northern District of California District Court for the Northern District of Ohio North Eastern Reporter Northern IIlinois University Law Review Neue Juristische Wochenschrift Nummer North Western Reporter Northwestern University Law Review New York University Law Review Ohio State Law Journal Oxford Journal of Legal Studies reversed Randziffer Seite siehe San Diego Law Review Santa Clara Law Review Southern California Law Review Supreme Court of Massachusetts Supreme Court Reporter District Court for the Southern District of New York Securities Exchange Act Securities and Exchange Commission Section Securities Regulation Law Journal siehe oben

Abkürzungsverzeichnis sog. Stan.L.Rev. SW.U.L.Rev. Temp.L.Q. Touro L.Rev. Transnat'l Law. Tul.L.Rev. U.Bridgeport L.Rev. U.Chi.L.Rev. U.Fla.L.Rev. U.IlI.L.Rev. U.Kan.L.Rev. U.Miami L.Rev. U.Pa.J.lnt'l Bus.L. U.Pa.L.Rev. U.Pitt.L.Rev. U .Rich.L.Rev. U.S.A. U.S. U.S.c. v. Va.L.Rev. Vand.J.Transnat'l L. Verf. vgl. Vor. Wash. & Lee L.Rev. Wash.L.Rev. Wash.U.L.Q. W.D.Okla. WM W.New Eng.L.Rev. WpHG Yale J.on Reg. Yale L.J. ZBB ZfgK ZGR ZHR ZIP ZRP

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sogenannte( -r,-s) Stanford Law Review Southwestern University Law Review Temple Law Quarterly Touro Law Review The Transnational Lawyer Tulane Law Review University of Bridegeport Law Review University ofChicago Law Review University of Florida Law Review University of Illinois Law Review University of Kansas Law Review University of Miami Law Review University of Pennsylvania Journal of International Business Law University ofPennsylvania Law Review University ofPittsburgh Law Review University ofRichmond Law Review United States of America United States (Supreme Court) Reports United States Code (annotated) versus Virginia Law Review Vanderbilt Journal ofTransnational Law Verfasser vergleiche Vorbemerkung Washington and Lee Law Review Washington Law Review Washington University Law Quarterly District Court for the Western District of Oklahoma Wertpapiermitteilungen Western New England Law Review Wertpapierhandelsgesetz Yale Journal on Regulation Yale Law Journal Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für Gesellschafts- und Unternehmensrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Rechtspolitik

Einleitung Das Börsengeschehen in Deutschland ist in aller Munde. Der Kapitalmarkt erlebt einen ungeahnten Zustrom von Investoren. Dabei erregen auch die Aktivitäten von Börseninsidern zunehmendes Aufsehen. Diese Aufmerksamkeit beruht insbesondere darauf, daß Deutschland seit einiger Zeit ein gesetzliches Insiderhandelsverbot hat. Es ist im Wertpapierhandelsgesetz (nachfolgend: WpHG) vom 1.1.1995 verankertl. Insider, die ihren Informationsvorsprung zu unlauteren Wertpapiergeschäften nutzen, müssen danach sogar mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen 2• Im Jahr 1996 hat das neugegründete "Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel" in 59 Fällen Ermittlungen wegen des Verdachts auf Insiderhandel eingeleitet. Davon wurden 17 Verfahren an die zuständigen Staatsanwaltschaften abgegeben J • Im Jahr 1997 hat man 55 Insider-Verdachtsfälle neu aufgegriffen, wovon 22 den Strafverfolgungsbehörden übergeben wurden 4 • Insiderrecht ist eine schwierige Materie, das Verstehen des Regelungszusammenhangs für die Anwendung und Auslegung der jeweiligen Vorschriften also besonders wichtig 5 • Dieses Verständnis ist bei der im WpHG kodifizierten Insiderregelung erschwert. Das liegt daran, daß sie auf der Vorgabe der EG-Insiderhandelsrichtlinie vom 13.11.1989 basiert und eher durch 1 Die insiderrechtlichen Bestimmungen des WpHG sind bereits am 1.8.1994 in Kraft getreten. Das WpHG wurde als Teil des "Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes" verkündet; BGBl.I 1994 Nr.48, S.1749-1785 vom 30.7.1994.

2 Nach § 38 Abs.1 WpHG ist ein Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe zu sanktionieren.

J Bundesaufsichtsamt for den Wertpapierhande/, Jahresbericht 1996, S.16; von diesen Verfahren sind bis Juli 1997 bereits in vier Fällen Insider rechtskräftig verurteilt worden, a.a.O., S.17; vgl. FAZ vom 4.9.1996, Nr.206, S.26. Zu den praktischen Erfahrungen mit den neuen Insiderregeln aus Sicht des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel, Süßmann, AG 1997,63-65. 4 Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhande/, Jahresbericht 1997, S.18. Im Berichtsjahr 1997 sind in drei Fällen Strafbefehle gegen Insider erlassen worden. In weiteren sechs Fällen stellten die jeweils zuständigen Staatsanwaltschaften die Ermittlungsverfahren gegen Zahlung von Geldautlagen gemäß § 153a StPO ein; das Bundesaufsichtsamt for den Wertpapierhande/, a.a.O., S.18-21, stellt einige dieser Fälle anschaulich dar. 5 Vgl. Assmann, in: Assmann/Schneider, Vor. § 12 Rz.13; ders.. ZGR 1994,494495; Caspari, ZGR 1994,530,532; Kümpe/, S.1164-1165, Rz.14.94-14.95.

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Einleitung

äußeren Druck als durch Einsicht in ihre inhaltliche Notwendigkeit entstanden ist6 • Den breiten Widerstand gegen eine gesetzliche Insiderregelung gab die deutsche Finanzwirtschaft erst im Juli 1989 auf, als sich der baldige Erlaß der EG-Insiderhandelsrichtlinie abzeichnete. Aber auch danach rechneten wohl nur Wenige in Deutschland mit einer so weitreichenden Regelung wie dem späteren WpHG 7• Dieses Rezeptionsproblem verschärft sich durch eine zusätzliche Spannungslage: Auf der einen Seite soll das neue Recht den Finanzplatz Deutschland stärken, also grundsätzlich Marktrecht sein 8 • Auf der anderen Seite haben viele insiderrechtliche Überlegungen ihren traditionellen Ansatzpunkt im Gesellschaftsrecht. Der "dogmatische Unterbau" des neuen Insiderrechts ist deshalb unklar9 • Dies nimmt die vorliegende Arbeit zum Anlaß, unterschiedliche insiderrechtliche HaftungsgTÜnde zu untersuchen und vor deren Hintergrund den Standort der deutschen Regelung zu ermitteln. Vorrangig ist dabei jeweils die Frage: Wer ist Insider und warum haftet er? Das erste Kapitel der Arbeit erörtert die Grundlagen einer Insiderregelung. Es stellt das Börseninsiderproblem zunächst in den umgebenden Zusammenhang der unlauteren Verwertung von InformationsvorspTÜngen. Denn diesem größeren, nicht spezifisch börsenrechtlichen, Bereich werden häufig Lösungsansätze für ein Insiderrecht entnommen. Danach folgt ein Überblick über die zur Schaffung einer Insiderregelung regelmäßig verwendeten Tatbestandselemente und die dadurch eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten. Im zweiten Kapitel wendet sich der Blick nach U.S.A. Dort hat man sich zuerst mit der Erfassung des Börseninsiderproblems auseinandergesetzt. Gleichwohl gibt es dort bis heute keine Kodifikation lO• Vielmehr haben sich durch die Dazu Hopt, ZGR 1991, 17,22 sowie Assmann, ZGR 1994,494,497. Manche Autoren waren sich sicher, der durch die EG-Richtlinie geschaffene nationale Spielraum im Hinblick auf die Schaffung einer "abschreckenden Sanktion" werde lediglich durch das Ordnungswidrigkeitenrecht, nicht aber durch das Strafrecht ausgefüllt werden; siehe Ernst, WM 1990, 461; Hübscher, in: Büschgen/Schneider, S.329, 337; Schwarze, in: Hopt/Wymeersch, S.151, 154; Wymeersch, in: Hopt/Wymeersch, S.65, 118. Vgl. auch Kirchner, in: FS Kitagawa, S.665, 676-677, der sich eindringlich gegen strafrechtliche Insidersanktionen ausspricht. Demgegenüber befürwortet Schörner, S.38 zur gleichen Zeit eine Sanktionierung durch Freiheitsstrafen. 6

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8 Das Konzept "Finanzplatz Deutschland" geht zurück auf eine Anfang 1992 veröffentlichte Vorlage des Bundesministers der Finanzen, abgedruckt in: WM 1992, 420. 9 Vgl. nur Assmann, in: Assmann/Schneider, Vor. § 12 Rz.40, er sieht es "der juristischen Analyse aufgegeben, der Gesamtheit der insiderrechtlichen Bestimmungen zu entnehmen, welchem Regelungsbild der Gesetzgeber implizit folgt".

10 An entsprechenden Bestrebungen hat es nicht gemangelt. Vgl. insbesondere den von den Senatoren D'Amato und Riegle eingebrachten Vorschlag des "Insider Trading

Einleitung

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Einbindung in das Fallrechtssystem Überlegungen zur Theorie des Insiderrechts immer wieder neu entwickelt; die einschlägige Rechtsprechung der Bundesgerichte diente dabei als ein Laboratorium insiderrechtlicher Regelungsideen. Auf diese Weise haben sich drei Ansätze mit unterschiedlichen Ausgangspunkten herausgebildet: die Equal Access Theorie, die Fiduciary Duty Theorie und die Misappropriation Theorie. Eine zusammenhängende Analyse fehlt bislang 11. Die schrittweise Entwicklung und inhaltliche Reichweite der U.S.-amerikanischen Insiderrechtstheorien soll deshalb anhand der "leading cases" nachgezeichnet werden 12 • Auf die Darstellung einer Theorie folgt jeweils die kritische Betrachtung ihrer Vor- und Nachteile bei der Erfassung des Insiderproblems. Das dritte und das vierte Kapitel vergleichen das europäische und das darauf basierende deutsche Insiderrecht mit den U.S.-amerikanischen Theorien. Dadurch läßt sich die theoretische Stimmigkeit der beiden neueren Kodifikationen prüfen \3. Diese ist wichtig, um Rechtssicherheit, Einzelfallgerechtigkeit und damit die Akzeptanz des Insiderrechts zu gewährleisten. Augenmerk ist im dritten Kapitel zunächst auf die Regelungsideen zu legen, die sich der EG-InsiderhandeIsrichtlinie entnehmen lassen. Das vierte Kapitel erörtert danach die Strukturelemente der Insiderregelung des WpHG. Anhand der tatbestandlichen SchwerProscriptions Act" von 1987 und dazu das "Memorandum of the S.E.C. in Support of the Insider Trading Act of 1987", Aug.6 1987. Ausführliche Analyse des Gesetzgebungsvorschlags bei Fletcher, S.493-524; Colvin, 31 Santa Clara L.Rev. 603 ff. (1991); Pitt/Shapiro, 39 Ala.L.Rev. 415 ff. (1988). Deutlich zu den Regelungsbemühungen Cox, 39 Ala.L.Rev. 381 (1988): "(I)t is imperative that Congress define insider trading." 11 Im deutschen Schrifttum finden sich gelegentliche Hinweise auf die V.S.-amerikanischen Insiderrechtstheorien. Die beste Kurzdarstellung gibt Hopt, ZGR 1991, 17, 2728. Darüberhinaus sind die Angaben häufig unzutreffend oder vage. So ordnet etwa Claussen, DB 1994,27,29 Fn.21, den "leading case" der Fiduciary Duty Theorie, Dirks v. s.E.C, der Misappropriation Theorie zu; Paefgen, AG 1991,380,391, verkennt den ausschließlich informationsorientierten Ansatzpunkt der Equal Access Theorie; nach Schwarze, BFuP 1994, 124, 125, folgen die ehemaligen deutschen InsiderhandelsRichtlinien einer vom Autor nicht näher beschriebenen "Veruntreuungstheorie". Siehe auch den zusammenfassenden Hinweisbei Siebe I, in: FS Semler, 955, 957 (m.w.N.), zur Deutung der V.S.-amerikanischen Rechtslage: "V.S. law, wh ich is highly complex and confusing in this area, was often misinterpreted". 12 Entwicklung und praktische Anwendung der drei V.S.-amerikanischen Insiderrechtstheorien stehen in engem Bezug zueinander. Auch das wird häufig übersehen. So meint etwa Siebe I, in: FS Semler, S.955, 967, die Rechtsprechung würde "ohne erkennbare Gewichtigkeit" mal die eine, dann wieder die andere Theorie anwenden.

\3 Vgl. zu diesem Vntersuchungsansatz Hopt, ZGR 1991, 17,27-28; ders., in: HoptJ Wymeersch, S.129, 130; Bergmans, S.93; Lahmann, S.53; Assmann, AG 1994, 196, 202; Kirchner, in: FS Kitagawa, S.665, 672. Zur Notwendigkeit einer in sich konsistenten Insiderregelung unter rechtsphilosophischem Blickwinkel ausführlich Bayne, 41 V.Kan.L.Rev. 315 ff. (1992).

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Einleitung

punkte arbeitet es anschließend die Regelungstheorie des deutschen Insiderrechts heraus. Zusammenfassend will die vorliegende Untersuchung einen Beitrag dazu leisten, die Erfahrungen und Argumente der U.S.-amerikanischen Insiderrechtsdiskussion fruchtbar zu machen für ein vertieftes Verständnis des deutschen Börseninsiderrechts und seiner europäischen Grundlagen.

Teill

Grundlagen A. Das Insiderproblem Infonnationen über den Wert einer Ware sind innerhalb eines Marktes unterschiedlich verteilt. So weiß der Verkäufer über die Kaufsache und die Bedingungen, die den Preis beeinflussen, häufig besser Bescheid als der Käufer. Die Ausnutzung solcher ungleicher Infonnationsverteilung ist der Kern des insiderrechtlichen Regelungsproblems. Es stellt sich im Grundsatz überall dort, wo ein Marktteilnehmer seinen Infonnationsvorsprung zu einem günstigen Geschäft verwerten kann. Erst in zweiter Linie gewinnt das Regelungsproblem besondere Schärfe im Hinblick auf Insidergeschäfte an Wertpapierbörsen; man spricht dann von Insiderhandel oder "insider trading". Drei Beispielsfälle sollen seine Reichweite verdeutlichen 1• Falll: Ein Kaufmann verschifft Weizen von Alexandria nach Rhodos, wo Mangel an Getreide herrscht. Er weiß, daß bald nach ihm weitere Getreidehändler eintreffen werden und der Marktpreis fUr Weizen demzufolge fallen wird. Muß er diese Infonnation seinen potentiellen Abnehmern offenbaren oder darf er sie ausnutzen, indem er noch vor Ankunft seiner Wettbewerber besonders gewinnbringende Geschäfte abschließt? - Schon Cicero beschäftigte diese Frage2 • Auch Thomas von Aquin hat sie aufgegriffen J • Fall 2: Kaiser Napoleon erleidet in der Schlacht bei Waterloo am 18.Juni 1815 seine entscheidende Niederlage; eine überaus wichtige Infonnation fUr Regierungen und Wirtschaftskreise der europäischen Staaten. Der britische Feldmarschall Wellington übennittelt die Nachricht vom Sieg sofort nach London. Schneller als dessen Boten sind jedoch private Kuriere des Bankiers Rothschild. Seinen Infonnationsvorsprung kann dieser zu vorteilhaften Aktien-

1 Bei den ausgewählten Beispielen handelt es sich bewußt nicht um die häufig zitierten "typischen" Untemehmensinsider.

2 Cicero, "de officiis", lib.3, sec.12-17, zitiert nach Lawson, II HarvJ.L.& Pub. Pol'y 727, 738-39 (1988).

J Thomas von Aquin, Summa Theologica, zitiert nach McGee/Block, 10 N.Ill.U. L.Rev. 1,4 (1989); dazu auch Barath, 34 New Scholasticism 420 (1960) und Bartel/, 25 The Thomist 359-360 (1962).

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Teil I: Grundlagen

geschäften an der Londoner Börse nutzen, kurz bevor die Nachricht allgemein publik wird und die Finanzmärkte mit großen Kursschwankungen hierauf reagieren 4 • Fall 3: Ein Angestellter einer Investmentbank berät ein Kundenunternehmen bei Vorbereitungen, die auf die Übernahme eines Konkurrenzunternehmens abzielen. Er gibt die beruflich erlangte Information an einen alten Schulfreund weiter; dieser kauft sofort Aktien der Zielgesellschaft. Deren Kurs steigt im Zuge des bald einsetzenden Übernahmekampfess. Der Freund realisiert erhebliche Gewinne, da er aufgrund des erhaltenen Tips rechtzeitig gekauft hat.

(1) Das erste Beispiel zeigt einen gesetzgeberischen Grundkonflikt, der auch bei insiderrechtlichen Überlegungen relevant wird: Auf der einen Seite basiert ein freies Wirtschaftssystem darauf, daß ein Einzelner egoistische Ziele verfolgen und exklusive Informationen auch ausnutzen darf. Auf der anderen Seite sollte ein Mindestschutz vor Übervorteilung bestehen, damit sich schwächere Geschäftspartner nicht aus dem Markt zurückziehen. Diese gegensätzlichen Interessen muß das Insiderrecht berücksichtigen6 • Dabei kann sich ein zu begrenztes Handelsverbot (dieses liegt im Interesse des Verkäufers) ebenso wie ein zu weitreichender Tatbestand (dieser liegt im Interesse des Käufers) schädlich auf das Marktgeschehen auswirken7 •

Das Beispiel verdeutlicht auch bereits die Art der Tathandlung bei Insidergeschäften. Diese besteht darin, daß jemand eine Information ausnutzt, indem er sie seinem Geschäftspartner verschweigt. Zwar beruht auch eine verflilschende oder irreführende Aussage durch positives Tun auf einem Informationsvorsprung. Charakteristisch für Insidergeschäfte ist jedoch, daß aus dem Unterlassen der Aufklärung Nutzen gezogen wird. 4 Das Bankhaus Rothschild soll mit diesen Geschäften großen Reichtum begründet haben. Der besonders bildhafte Fall hat der insiderrechtlichen Literatur schon mehrfach als Beispiel gedient. So spielen auch U.A.Weber, BB 1995, 157, 163; Schwarze, in: Hopt/Wymeersch, S.151, 156 und Bergmans, S.3 auf ihn an.

S Das Beispiel ist dem berühmten Fall United Stales v. Newman nachgebildet. Ausführlich dazu im Rahmen der Misappropriation Theorie; unten Teil 2, Kap.3, B.I.I. 6 Auf die damit verbundenen Schwierigkeiten weist Justice B1ac/cmun hin in seinem Minderheitsvotum in Dirks v. s.E.c., 463 U.S. 646, 676 Fn.13 (1983): "The distinction between pure altruism and self-interest has puzzled philosophers for centuries; there is no reason to believe that court and administrative law judges have an easier time with it. "

7 Im Beispielsfall will Cicero, a.a.O. (Fn. 15), den Interessen der Abnehmer Vorrang einräumen. Thomas von Aquin, a.a.O. (Fn. 16), gelangt zum gegenteiligen Ergebnis; er erkennt keine Rechtspflicht des Kaufmanns, vor Geschäftsabschluß zunächst seinen Informationsvorteil offenzulegen. Weiterführend WonnelI, 41 Case W.Res.L.Rev. 329,334-386 (1991) mit einer Untersuchung zu einer "allgemeinen Theorie der Offenlegungspflichten" .

A. Das Insiderproblem

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(2) Im zweiten Beispielsfall ist die Problematik an eine Wertpapierbörse verlagert. Man kann hier schon fragen, ob die Nachricht vom Ausgang der Schlacht überhaupt eine Insiderinformation ist. Denn im Prinzip hätten sich alle Anleger der Londoner Börse zum Schlachtfeld begeben können, um dort den Ausgang des Geschehens abzuwarten und danach mit gleichem Informationsstand Wertpapierhandel zu treiben. Jedermann hatte grundsätzlich gleichen Zugang zu der Information. Das Bankhaus Rothschild hat lediglich seine wirtschaftliche Fähigkeit ausgenutzt, sie sich auch tatsächlich als erstes zu besorgen. Insiderrecht betrim also stets auch die Frage nach den Ressourcen zur Beschaffung und Analyse von Informationen. Für die Beurteilung der Verwertbarkeit von Informationsvorsprüngen ist es bedeutsam, welche Zugangsmöglichkeiten zu einer Information bestehen. Ein Insiderrecht muß deutlich machen, warum manche Informationen, die sichere Börsengewinne ermöglichen, verwertet werden dürfen und andere demgegenüber nicht. Wie das Beispiel zeigt, können die Grenzen hier eng beieinander liegen. (3) Der dritte Fall demonstriert, daß neben der unmittelbaren Ausnutzung von Insiderinformationen auch andere Verwertungshandlungen, wie etwa die Weitergabe, problematisch sind. Denn mit der Anzahl der Informationsinhaber vervielfacht sich auch die Möglichkeit zum Informationsmißbrauch. Hierzu trägt der Umstand bei, daß Information ein Gut ist, das sich schnell, mühelos und unauffällig weitergeben läßt. Der Grund rur den Informationsfluß kann dabei geschäftlicher Natur sein (hier: vom Kundenunternehmen zur Hausbank) oder auf privaten Gründen beruhen (hier: vom Bankangestellten zu dessen Schulfreund). Schließlich ist auch der Status des Informationsinhabers zu beachten. Es kann sich beispielsweise um einen Unternehmensinsider handeln, dessen Verhalten ist häufig durch verbandsrechtliche Treuepflichten gebunden. Es kann aber auch ein Bankangestellter sein, der besondere Pflichten nur gegenüber seinem Arbeitgeber, nicht auch gegenüber dem Emittenten hat. Daneben können Insiderinformationen auch an Privatpersonen ohne entsprechende Sonderpflichten gelangen. Schon diese Unterschiede zeigen, daß ein Regelungsgeber vielfiUtige Gestaltungsmöglichkeiten hat, wenn er den Haftungsgrund rur die Ausnutzung von Insiderinform~tionen festlegen will.

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Teil 1: Grundlagen

B. Rahmenbedingungen I. Schutzzweck 1. Anlegerschutz

Das Börseninsiderrecht ist durch zwei Regelungsgedanken bestimmt, Anlegerschutz und Marktschutz. Beide Elemente lassen sich nicht strikt voneinander trennen, sondern greifen ineinander. Das erschwert häufig das Verständnis einer InsiderregelungB• Insiderrecht zum Zwecke des Anlegerschutzes will den einzelnen Marktteilnehmer vor Übervorteilung durch Insider schützen. Hierbei entfaltet sich die Schutzwirkung vor allem zugunsten von Kleinanlegern. Im Vergleich zu GroßanIegern haben sie regelmäßig weniger Ressourcen zur VerfUgung, um Informationen, die rur den Wertpapierhandel wichtig sind, zu erlangen und auszuwerten. Eine Insiderregelung gehört in diesem Sinne zu den allgemeinen Anlegerschutznormen, die sich gegen die Benachteiligung einzelner Kapitalmarktteilnehmer wenden 9 • Dabei ergibt sich die Nähe des Insiderrechts zu verbandsrechtlichen Kategorien daraus, daß die Aktiengesellschaft eine zentrale Institution des Kapitalmarktes ist 10 • Von diesem allgemeinen Gedanken des Anlegerschutzes zu unterscheiden ist die Überlegung, ob ein Anleger durch Insiderhandel einen konkreten Vermögensschaden erleidet, den er im Wege des Schadensersatzes wieder ausgleichen kano 11 • Diese individuelle Schädlichkeit des Insiderhandels ist seit langem umstritten l2 , besonders in der ökonomischen Auseinandersetzung mit InsiderregelnD. Sie ändert jedoch nichts an der grundsätzlichen Anlegerschutzkomponente des Insiderrechts, bei der es in erster Linie um den Schutz des Anleger-

B Vgl. Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, S.32-34; sowie das Fazit von Immenga, ZBB 1995, 197,206. Ausführlich zum Schutzzweck des WpHG unten Teil 4, F.IV.

9 Auch Prospekt- und andere Aufklärungspflichten zählen zu den Anlegerschutznormen. Zur Konzeption des Anlegerschutzes Assmann, ZBB 1989, 49, 52-63; vgl. Lahmann, S.31-32. 10 So fußt die Entwicklung des Kapitalmarktrechts in weiten Teilen auf richterlicher Fortbildung des Gesellschafts- und Zivilrechts. Dazu Assmann, in: AssmanniSchütze, § 1 Rz.5-7 und Rz.13-15; Großfold, Unternehmensrecht, S.1l9-120.

11 Assmann, AG 1994,237,250; Hopt, ZGR 1991, 17,26; Kümpel, S.1l62-1164, Rz.14.89-14.93; vgl. auch Caspari, ZGR 1994,530, 533; Kirchner, in: FS Kitagawa, S.665, 678-679; zur Megede, in: AssmanniSchütze, § 14 Rz.9. 12 Zunehmend wird InsiderhandeI jedoch als wirtschaftsethisches Problem gesehen, das sich rein ökonomischen Argumenten weitgehend verschließt; vgl. Assmann, AG 1994, 196,201 m.w.N.; McVea, S.41-62 gibt den zutreffenden, aber seIten aus ökonomischer Richtung kommenden, Hinweis, daß gesellschaftliche Wertentscheidungen nicht durch ökonomische Erwägungen ersetzt werden dürfen, a.a.O., S.62.

B. Rahmenbedingungen

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vertrauens geht, nicht um den Schutz des Anlegervermögens l4 • Individualschadensrechtliche Erwägungen stehen mit dem theoretischen Ansatz eines Insiderhandelsverbots also nur in mittelbarem Zusammenhang. Ihnen soll im Rahmen dieser Untersuchung deshalb nicht nachgegangen werden. 2. Marktschutz

Wirtschaftswachstum braucht ausreichende Kapitalbildung. Kapitalmärkte gewährleisten effiziente Ressourcenverteilung. Dadurch sind sie Motoren rur Wachstum und Strukturwandel und erfilllen wichtige volkswirtschaftliche Aufgaben. Ihre Funktionsflihigkeit liegt deshalb im öffentlichen Interesse. Das Argument des Marktschutzes hat das Insiderrecht von Beginn an begleitet. Man hat es schon im Rahmen der U.S.-amerikanischen Kapitalmarktgesetzgebung Anfang der 30er Jahre vorgebrache 5 • Es steht bis heute im Vordergrund der insiderrechtlichen Regelungsdebatte l6 • Dies kommt deutlich in der Präambel zur EG-Insiderhandelsrichtlinie l7 und der Begründung zum WpHG I8 zum Ausdruck. 13

Zur ökonomischen Argumentation für und wider ein Insiderrecht:

(I) Aus der deutschen Literatur Assmann, in: AssmanniSchneider, Vor. § 12 Rz.39 m.w.N.; Hopt, ZGR 1991, 17, 22-25; H.Schmidt, in: HoptlWymeersch, S.21-38; Schörner, S.30-38; Ott/Schäfer, ZBB 1991,226-238; Schneider, DB 1993, 1429-1435; zusammenfassend Mennicke, S.59-76; zuletzt auch die Untersuchungen von Lahmann (1994) und WWeber (1994) mit jeweils ausgewogener Analyse, die (heute im Gegensatz zu früheren Stimmen) kein eindeutiges ökonomisches Urteil zur Regulierung des Insiderhandels (mehr) zuläßt. (11) Aus der kaum mehr zu übersehenden englischen und U.S.-amerikanischen Literatur Loss/Seligman, S.760-767; Bergmans, S.103-130; Kraakman, in: HoptIWymeersch, S.39, 47-54; FennlMcGuire/Prentice, in: HoptlWymeersch, S.3-19; Carltonl Fischei, 35 Stan.L.Rev. 857-895 mwN. (1983); ausdrücklich./Ur eine Insiderregelung aus Gründen der Markteffizienz Klock, 10 Ga.St.U.L.Rev. 297 ff. (1994) sowie Georgakopoulos, 26 Conn.L.Rev. I ff. (1993); angesichts der juristischen und ökonomischen Meinungsvielfalt resigniert Bainbridge, 38 U.Fla.L.Rev. 35, 42-68 (1986), das Insiderhandelsverbot sei ein "legal and economic enigma". Grundlegende Gedanken machte sich zuerst Manne in seiner berühmten Monographie "Insider trading and the stock market" (1966). 14

Vgl. Assmann, in: AssmanniSchütze, § I Rz.54.

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Weitergehend unten Teil 2, Kap.l, C.lII.1.

16 Viandier, in: HoptIWymeersch, S.57, 59-61; RiderlAshe, S.6; Kümpel, S.11611162, Rz.14.86-14.88; Hopt, in: FS Heinsius, S.289, 303; Assmann, in: Assmannl Schneider, Vor. § 12 Rz.38-39; vor rechtsvergleichendem Hintergrund Hauschka/Harm, BB 1988, 1189, 1193-1194.

17 Die Erwägungsgründe Nr. 3, 4 und 6 zur EG-Insiderhande1srichtlinie nennen als ausdrückliches Regelungsziel das "reibungslose Funktionieren" des Wertpapiermarktes.

Teil I: Grundlagen

30

Zu den wichtigsten Voraussetzungen eines funktionsfähigen Kapitalmarktes zählt das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Integrität und Stabilität des Marktes. Risikofaktoren müssen für den Anleger erkennbar und berechenbar sein, damit er dem Markt sein Kapital zuführt l9 • Dieses Vertrauen des Marktpublikums ist gefährdet, wenn Insider ihre Informationsvorsprünge beliebig ausnutzen können und die Anleger ein "fair play" bei Wertpapiergeschäften nicht mehr gewährleistet sehen. Dabei ist der Faimeß-Gedanke immer an das Argument der Marktintegrität zu koppeln; für sich allein genommen kann "Faimeß" nicht zur Rechtfertigung von Insiderrecht dienen20 • Aus dieser Überlegung folgt der zweite Leitgedanke des Insiderrechts: Es soll dazu beitragen, das Vertrauen der Investoren in die Marktintegrität zu bewahren und eine Abwanderung des Anlegerkapitals zu verhindem 21 • Manchmal sprechen Insiderregeln nur bestimmte Marktteilnehmer an, etwa solche, die als Unternehmensleiter besonders guten Zugang zu kursrelevanten Informationen haben. Dies sind Regelungen mit einem gesellschaftsrechtlich orientierten Insiderbegriff2• Die Insidernorm gilt dann nur für einen kleinen Teil derjenigen Personen, die tatsächlich Insiderwissen haben können. Folglich sind nur wenige Anleger, nämlich die Geschäftspartner der von der Regelung erfaßten Insider, geschützt. Dennoch gibt es auch in diesem Fall eine marktschützende Komponente: Ein Verbot von Insiderpraktiken zumindest in Teilbereichen kann eine höhere Attraktivität des Marktes bewirken, als wenn auf ein Insiderrecht vollständig verzichtet würde.

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BT-Drucks. 12/6679, S.33-34, 45.

19 Zu den Teilaspekten funktionsfähiger Kapitalmärkte Assmann, in: Assmannl Schütze; § 1 Rz.23-26 und 54 jeweils m.w.N.; Caspari, ZGR 1994, 530, 532; Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, S.30-32; Siebold, S.36-38; vgl. auch schon Hopt/Will, S.4953. 20 Bildkräftig vermittelt dies Stigler, 1 J.Legal Stud. 1,4 (1972), filr ihn ist Faimeß im vorliegenden Zusammenhang "a suitcase full of bottled ethics from which one freely chooses to blend his own type ofjustice".

21 Vgl. das Bild bei Olson u.a., 41 Bus.Law. 223, 227 (1985): "People will not entrust their resources to a marketplace they don't believe is fair, any more than a card player will put his chips on the table in a poker game that may be fixed"; siehe auch Hopt, ZGR 1991, 17,27-28; Caspari, ZGR 1994, 530-531; Pfister, ZGR 1981, 318, 337; Siebold, S.32-37; kritisch zum Argument des Marktschutzes Hausmaninger, S.74 m.w.N.; ausfilhrlich zu den rechtspolitischen Gründen filr Insiderregeln aus U.S.-amerikanischer Sicht Olson u.a., a.a.O., S.226-229 sowie Sargent, 60 Va.L.Rev. 553 ff. (1974). 22 Als Beispiel hierfilr sind die deutschen Insiderhandels-Richtlinien und die U.S.amerikanische Regelung im Rahmen der Fiduciary Duty Theorie zu nennen.

B. Rahmenbedingungen

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11. Wertpapiergeschäft Der Abschluß eines Wertpapiergeschäfts läßt sich aus zwei Blickwinkeln betrachten. Sie sind bei der Beurteilung einer Insiderregelung zu berücksichtigen. J. Individualität

Ein Wertpapiergeschäft kann als schuldrechtlicher Vertrag unmittelbar zwischen zwei Vertragspartnern zustande kommen23 • In dem Fall stehen sich auf beiden Seiten individuelle oder zumindest individualisierbare Geschäftspartner gegenüber. Man spricht dann von einer sog. "face-to-face" Transaktion. Diese ist dadurch gekennzeichnet, daß die Parteien in ein unmittelbares Rechtsverhältnis zueinander treten. Es gilt die allgemeine schuldrechtliche Maxime "caveat emptor", wonach es grundsätzlich den gleichberechtigen Vertragspartnern obliegt, ihre geschäftlichen Interessen beim Leistungsaustausch eigenverantwortlich zu schützen24 • Schon hieran läßt sich ablesen, daß Insiderrecht nicht generell auf die Schaffung individueller Vertragsgerechtigkeit durch Ausgleich von Informationsvorsprüngen zwischen Vertragspartnern abzielt. Bei individuellen Rechtsbeziehungen sind die Geschäftspartner primär selbst filr die Interessenwahrung verantwortlich. Dies kann beispielsweise durch genaue Information über den Kaufgegenstand, Verhandlungen oder Garantieerklärungen geschehen. Bei Aktiengeschäften sind solche Informationen besonders wichtig, weil Wertpapiere selbst keinen körperlichen Wert haben und man sich nicht schon durch Einnahme des Augenscheins einen Eindruck von der Qualität des Vertragsgegenstands verschaffen kann 25 • Im Grundsatz herrscht zwischen Parteien, die sich kennen, also Waffenoder Chancengleichheit weil sie sich selbst ein Bild über die Vertrauenswürdigkeit ihres jeweiligen Gegenübers machen können. Bildhaft spricht man auch

23

Ein Beispiel hierfür ist der Kauf eines kompletten Aktienpakets, sog. Pakethandel.

24 Vgl. Assmann, AG 1994, 196, 203; Voss, S.26-27; WonnelI, 41 Case W.Res.L. Rev. 329, 338-339 (1991). 25 Vgl. Dingeldey, S.113-116; Voss, S.26; Seligman, 73 Geo.LJ. 1083, 1091-1093 (1985).

32

Teil 1: Grundlagen

von einer "ann's length transaction". Dieser Umstand begrenzt den Spielraum für Insidergeschäfte 26 • Ein Wertpapiergeschäft kann auch dann noch individuelle Züge aufweisen, wenn es über die Börse abgewickelt wird. Bei dieser Konstellation besteht bereits vor Geschäftsabschluß eine schuldrechtliche Sonderbeziehung zwischen den zwei Vertragspartnern. Unabhängig von der Existenz eines speziellen Insiderrechts kann in einem solchen Fall das Gebot, einen Informationsvorsprung nicht mißbräuchlich auszunutzen, schon aus dem Inhalt der Sonderbeziehung herleitbar sein. Denkbar ist dies etwa im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, wenn beispielsweise ein Vorstandsmitglied einem Kleinaktionär an der Börse Aktien abkauft27 • In praktischer Hinsicht wird das Verbot mißbräuchlicher Informationsverwertung in einem solchen Fall jedoch nur schwer durchzusetzen sein. Denn es ist schwierig nachzuweisen, daß der Kleinaktionär seine Aktien gerade von einem treupflichtigen Manager des Emittenten erworben hat. Es bleibt also schon an dieser Stelle festzuhalten: Eine Insiderregelung, die an die mißbräuchliche Ausnutzung eines Sonderrechtsverhältnisses anknüpft, baut auf individuellen Rechtsbeziehungen auf, die innerhalb des Marktgeschehens identifizierbar sein müssen. 2. Anonymität

Das typische Wertpapiergeschäft innerhalb eines Kapitalmarktes ist durch Anonymität geprägt, eine sog. "open market" Transaktion 28 • Der Großteil der Wertpapiergeschäfte fmdet nicht unmittelbar zwischen den Anlegern statt, sondern wird durch zwischengeschaltete Institutionen vermittelt. Als solcher Mechanismus funktioniert zum einen die Börse, bei der Angebot und Nachfrage zum Ausgleich gebracht werden. Als Marktmittler kommen zum anderen aber auch Kreditinstitute in Betracht, insbesondere bei Wertpapieren, die nicht an der Börse gehandelt werden. In Deutschland werden börsennotierte Wertpapiere durch Kreditinstitute für ihre Kunden im Rahmen von Kommissionsgeschäften erworben oder veräu-

26 Zum Aktienkauf unter individueller Kontaktaufnahme der Parteien Kaiser, WM 1997,1557,1558-1559; Grunewald, ZBB 1990,128,132; Dingeldey, S.16-17; Jenekel, S.35-38. 27

Vgl. dazu den Ansatz der Fiduciary Duty Theorie, unten Teil 2, Kap.2.

28

Vgl. Bergmans, S.17; Caspari, ZGR 1994, 530, 533; Pfister, ZGR 1981, 318, 345.

B. Rahmenbedingungen

33

ßerf9 • Ein Anleger hat also keine individuelle Beziehung zur Marktgegenseite, sondern nur zur beauftragten Bank30 • Nach U.S.-amerikanischem Recht können Börsenhändler zwar als Stellvertreter ihrer Auftraggeber handeln, wodurch Käufer und Verkäufer unmittelbar ein Vertragsverhältnis zwischen sich begründen3 \. Durch den Börsenmechanismus ist die Zusammenfiihrung passender Kauf- und Verkaufsaufträge jedoch auch hier rein zufiUlig. Die Vertragspartner können einander nicht aussuchen und bleiben deshalb anonym, zumindest in tatsächlicher Hinsicht. Auch eine im Nachhinein rekonstruierbare Rechtsbeziehung berührt die Anonymität des Wertpapiergeschäftes daher nicht. Unabhängig von der jeweiligen rechtlichen Ausgestaltung des Wertpapierhandels können sich also die Marktteilnehmer auf der Nachfrageseite einerseits und auf der Angebotsseite andererseits kein Bild voneinander machen. Das haben alle vermittelten Wertpapiergeschäfte gemeinsam. Käufer und Verkäufer, die in keiner individuellen Rechtsbeziehung zueinander stehen, sondern nur über einen Marktmittler miteinander verbunden sind, bezeichnet man auch als sog. Marktkomplementäre. Hier entfiUlt die Möglichkeit, sich selbständig vor Insiderpraktiken auf der gegenüberliegenden Marktseite zu schützen. Die Maxime "caveat emptor,,32 greift ins Leere, weil schuldrechtliche Kategorien Selbstschutz nur innerhalb identifizierbarer vertraglicher oder vorvertraglicher Beziehungen ermöglichen. Auf die Erfassung anonymer Geschäfte sind sie nicht zugeschnitten. Eine Insiderregelung sollte deshalb schon in ihrem theoretischen Ansatz der weitgehenden Anonymität von Insidergeschäften Rechnung tragen.

29 Sog. Finanzkommissionsgeschäft LS.v. § I Abs.1 Satz 2 Nr.4 KWG. Mit der Neufassung der im Kreditgewerbe verwendeten AGB-mäßigen Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte ist das bis vor kurzem mögliche Selbsteintrittsrecht der Banken abbedungen worden; zur Abwicklung von Wertpapiergeschäften nach deutschem Recht Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, S.21-22; vgl. zum Vorzustand Voss, S.21-22; Jenekel, S.29-31. 30 Vgl. Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, S.20-22. § 10 Abs.1 BörsG bewirkt im Effektengeschäft der Banken für ihre Kunden Börsenzwang, dazu ders., a.a.O., S.24-25. Bei Werten, die nicht an der Börse gehandelt werden, tritt das Kreditinstitut gegenüber dem Anleger unmittelbar als Käufer oder Verkäufer der gewünschten Papiere auf (Eigengeschäft).

3\ Zur Rechtslage in U.S.A. ausführlich Loss/Seligman, S.593-628; im Überblick Voss, S.22-23.

32 Siehe oben B.II.I; vgl. auch Hausmaninger, S.132-133. 3 Weber

34

Teil I: Grundlagen

IH. Theoriebegriff

Die vorliegende Arbeit untersucht Inhalt und Entwicklung der verschiedenen Insiderrechtstheorien. Als "Theorie" gilt dabei jedes Regelungskonzept, das zur Lösung des Insiderproblems beim Wertpapierhandel einen generellen und einheitlichen33 Haftungsansatz bietef 4 • Demgegenüber zählen Spezialnormen, die ausdrücklich nur auf einen begrenzten Bereich abzielen, nicht hierzu. Sie sind hier deshalb nicht darzustellen. Zwei Bestimmungen aus dem U.S.-amerikanischen Recht zeigen die eingeschränkte Reichweite solcher Spezialregelungen. Ein erstes Beispiel ist Rule 14e-3, die auf Section 14 (e) des Securities Exchange Act von 1934 basierf s. Diese Norm richtet sich nur gegen Insiderhandel im Zusammenhang mit Unternehmensübernahmen. Danach ist zwar außer dem Übernahmebieter jeder Insider, der Kenntnis von einer Insiderinformation hat. Eine Insiderinformation im Sinne der Regelung liegt jedoch nur dann vor, wenn sie sich inhaltlich auf ein bevorstehendes Übernahmeangebot (tender offer) bezieht und sie von einer Person aus dem Umkreis des Übernahmebieters oder der Zielgesellschaft stammt. Diese Bedingungen sorgen für eine enge Umgrenzung des Anwendungsbereichs der Norm. Ein weiteres Beispiel für eine begrenzte Teilregelung ist Section 16 (b) des Securities Exchange Act von 193436 • Sie will verhindern, daß bestimmte Unternehmensinsider, die typischerweise früher informiert sind als die Aktionäre, vorzeitig durch Kauf oder Verkauf auf gute oder schlechte Nachrichten aus ihrem Unternehmen reagieren. Zu diesem Zweck müssen sie Gewinne, die sie

33 Zum Gedanken einer einheitlichen Insiderrechtstheorie auch Bergmans, S.181182; vgl. Macey, 13 Hofstra L.Rev. 9, 47 (1984), der von der Idel! einer "grand unifying theory" spricht. 34 Im Gegensatz zu ökonomischen Modellen läßt sich eine juristische Theorie des Insiderrechts nicht ohne Vorgaben entwickeln. Sie ist im Ausgangspunkt immer an die Wertungen des Regelungsgebers gebunden. Dazu auch Lahmann, S.25-26; Hopt, ZGR 1991,17,25-26; McVea, S.62; Bergmans, S.207.

3S 17 C.F.R. § 240.14e-3. Die Gültigkeit von Rule 14e-3 war bis zur jüngst ergangenen Entscheidung des United States Supreme Court in United States v. O'Hagan, 117 S.Ct. 2199 (1997), umstritten; dazu ausführlich unten Teil 2, Kap.3, B.IV. Stimmen in der u.S.-amerikanischen Literatur und Rechtsprechung zweifelten daran, daß der Securities and Exchange Commission eine hinreichende Ermächtigung zum Erlaß dieser Norm eingeräumt war. Näher Loss/Seligman, S.863-866; McLaughliniMacfarlane, in: Gaillard, S.285, 298-299; Fleteher, S.257-284; Martin, 29 Am.Bus.L.J. 665, 670-681 (1992); Bergmans, S.35-36; vgl. auch Merkt, S.457-458. 36 15 U.S.c. § 78p(b). Ausführliche Analyse bei O'Connor, 58 Fordham L.Rev. 309 ff. (1989); siehe auch Bloomenthai, S.765-768; Loss/Seligman, S.554-571; Merkt, S.466-472; Bergmans, S.33-34.

C. Elemente einer Insiderregelung

35

aus solchen kurzfristig durchgeführten gegenläufigen Geschäften innerhalb von 6 Monaten erzielen (sog. short-swing profits), wieder an ihre Gesellschaft abführen. Bemerkenswerterweise ist es dabei irrelevant, ob die ausführende Person auch tatsächlich auf der Grundlage von Insiderwissen gehandelt oder dieses überhaupt besessen hat. Section 16 (b) normiert also eine rein präventive Regelung. Einem breiten Schrotschuß ähnlich vermeidet die Vorschrift das Insiderproblem, anstatt es materiell zu lösen37 • Auch eine solche Norm kann daher nicht Bestandteil einer allgemeinen Insiderrechtstheorie sein.

c. Elemente einer Insiderregelung Insiderrecht betrifft Insider (1.), die ihren Informationsvorsprung (11.) bei Geschäften mit Wertpapieren (III.) unerlaubt ausnutzen (IV.). Ein Insiderhandelsverbot besteht also aus vier Grundelementen; Sanktionen sowie präventive Maßnahmen zählen nicht hierzu 38 • Mögliche Gestaltungsformen werden nachfolgend skizziert. I. Insider 1. Unternehmens insider

Als Adressaten einer Insiderregelung kommen zunächst Organmitglieder und Großaktionäre börsennotierter Unternehmen in Betracht. Denn diese Personenkreise bestimmen nicht nur das Geschäftsverhalten des Emittenten, sondern sie erfahren aufgrund ihrer Leitungs- und Entscheidungsaufgaben auch viel eher wichtige Nachrichten als andere Anleger. Häufig wird durch einen Vorstandsbeschluß eine Insiderinformation im Namen des Unternehmens geschaffen39• So liegt der Gedanke nahe, Insider zunächst im unmittelbaren Um-

37 Kritisch dazu O'Connor, 58 Fordham L.Rev. 309, 372-378 (1989); ebenso vor rechtsvergleichendem Hintergrund Salbu, 66 Tul.L.Rev. 837, 859-863 (1992); vgl. auch CarltoniFischel, 35 Stan.L.Rev. 857, 892-894 (1983) sowie Pfister, ZGR 1981, 318, 326,345. 38 Präventive Maßnahmen zur Verhinderung von Insidergeschäften, insbesondere die Offenlegungspflicht nach § 15 WpHG, sind dem eigentlichen Insiderhandelsverbot vorgelagert; sie bleiben deshalb im Rahmen dieser Untersuchung unberücksichtigt. Zu den insiderrechtlichen Sanktionen umfassend die Arbeit von Mennicke (1996); übersichtlich Bergmans, S.27-32 m.w.N. 39 Fehlgehend Voss, S.17, der den Vorstand zu den Schöpfern der Information zählt und dabei übersieht, daß dieser lediglich eine OrgansteIlung innehat und für die Gesellschaft handelt.

3'

Teil 1: Grundlagen

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feld von Emittenten zu suchen40 • Hierzu können neben dem Management auch noch solche Personen zählen, die nur zeitweise rur das Unternehmen tätig sind, wie etwa Rechtsanwälte, Prüfer, Hausbanken und andere externe Berater. In der Tat ist Insider im traditionellen Sinne zunächst nur der sog. Unternehmens- oder "corporate" insider41 • 2. Marktinsider

Eine Unterteilung in unternehmensnahe und -ferne Insider rückt jedoch ausschließlich das Unternehmen als Informationsquelle in den Vordergrund42 • Das ist problematisch, weil Informationen, die rur das Börsengeschehen wichtig sind, nicht nur in den jeweiligen Unternehmen sondern auch an anderen Stellen im Kapitalmarkt entstehen. Dort erfahren sie Nicht-Unternehmensinsider zuerst. Diese werden häufig - in sprachlicher Abgrenzung zu den in verbandsrechtliche Beziehungen eingebundenen Insidern - "Outsider" genannt43 • Ein anderer denkbarer Ansatz einer Insiderregelung besteht deshalb darin, solche Personen zu erfassen, die Zugang zu einer Information typischerweise nicht zu persönlichen, sondern ausschließlich zu fremdnützigen Zwecken erhalten44 • Auf diese Weise erreicht man Marktakteure, die wegen ihrer - häufig beruflich bedingten - Nähe zu einer Informationsquelle strukturelle Informationsvorteile innerhalb des Kapitalmarktes genießen und besonders leicht an Insiderinformationen gelangen. Als Informationsquelle kommt dabei nicht mehr nur ein Emittent in Betracht, sondern jede Person oder Institution, bei der fremdnützig gebundene Insiderinformationen einem anderen zugänglich sind oder anvertraut werden. Als Normadressaten, die auf diese Weise Kenntnis von Insiderinformationen erlangen, kommen dann beispielsweise auch Wertpapierana40 Unternehmensinsider sind einem Unternehmen verpflichtet und dürfen die durch ihre Funktion erlangte Information nur zum Wohle ihrer Gesellschaft, also zu fremdem Nutzen, verwenden.

41 Häufig führt dies zur Benennung von einzelnen, der Gesellschaft verpflichteten Personen als Insider; jeder andere - wenn auch genausogut - Informierte ist NichtInsider. Vgl. § 2 Nr.l der deutschen Insiderhandels-Richtlinien, dazu zur Megede, in: AssmannlSchütze, § 14 Rz.25-31. 42 Vgl. Kümpel, WM 1994,2137,2139; Pfister, ZGR 1981, 318, 340; auch schon HoptlWiII, S.69-78. 43 Vgl. die Definition bei Aldave, 13 Hofstra L.Rev. 101, 112 (1984): "(O)utsiders are those individuals who have access to material non-public information although they have no direct relationship to the corporation or shareholders"; zu den Insiderkategorien nach U.S.-amerikanischem Recht Seligman, 73 Geo.L.J. 1083, 1088 (1985); weitere Fallgruppen bei Voss, S.315-321.

44

Ähnlich Voss, S.16, der von "anvertrautem Funktionswissen" spricht.

C. Elemente einer Insiderregelung

37

lysten, Börsenhändler, Journalisten, Politiker oder staatliche Funktionäre in Betracht45• Sie alle können aus sehr unterschiedlichen Gründen über börsenrelevante Nachrichten infonniert sein. Gemein ist ihnen jedoch, daß sie ihr Wissen nicht zu persönlichem Vorteil nutzen dürfen. Infonnationsträger, die an vorteilhafter Position nicht in der Nähe eines Emittenten sondern an anderer Stelle im Markt stehen, nennt man Marktinsider. Mit diesem Begriff verbindet sich aber nicht schon per se eine eigenständige rechtliche Bewertung. Hinter dem Tenninus "Marktinsider" verbirgt sich lediglich eine Sammelbezeichnung rur alle Nicht-Unternehmensinsider. 3. Tipempjänger

Bei den bislang genannten personellen Typisierungen entstehen Schwierigkeiten, wenn beispielweise ein Vorstandssprecher oder Richter seine Frau, seinen Studienfreund oder andere nahestehende Personen über eine für das Börsengeschehen wichtige Entscheidung infonniert, die noch nicht an die Öffentlichkeit gedrungen ist. Hier stellt sich die Frage, ob Insiderrecht anwendbar ist, wenn ein Insider eine solche Infonnation an einen Nicht-Insider weitergibt. Man spricht dabei von sog. "Tippees" oder Tipempflingern46 • Dieses Problem entsteht bei jeder Regelung, die zur Erfassung von Insidern auf deren Stellung innerhalb eines Unternehmens oder auf eine andere statusabhängige Position innerhalb des Marktes abhebt. 4. Informationsinhaber

Schließlich ist ein weiterer Regelungsansatz denkbar. Danach ist jeder automatisch Insider, der von einer Insiderinfonnation Kenntnis erlangt. Ausschlaggebend ist schon der faktische Infonnationsvorsprung gegenüber anderen Marktteilnehmern. Weil der Insiderbegriff in diesem Fall allein durch die Kenntnis der Infonnation umschrieben ist, gibt es auch kein Problem bei der Erfassung von Tipempflingern47 • Die Infonnation "infiziert" automatisch jeden, der von ihr Kenntnis hat; eine hierüber hinausgehende Abgrenzung des betroffenen Personenkreises fällt weg.

45 Die große Bandbreite möglicher Marktinsider verdeutlichen die historischen Beispiele (ab Anfang des 19. Jahrhunderts) bei Siebold, S.42-44.

46 Diese Personengruppe haben die deutschen Insiderhandels-Richtlinien überhaupt nicht angesprochen, vgl. zur Megede, in: AssmanniSchütze, § 14 RZ.25-31. 47 Die Klassifizierung von Tipempfängem als "Informationsinhaber" wird häufig aber nicht konsequent vorgenommen, undeutlich Z.B. Voss, S.15.

38

Teil I: Grundlagen

Dieser Ansatz ist qualitativ eigenständig. Während bei den oben genannten Möglichkeiten zuerst die Person des Insiders zu bestimmen ist, um dann zu klären, ob diese eine Insiderinformation weiß, ist es hier umgekehrt. Erst muß eine Insiderinformation vorliegen, sodann macht sie jeden, der Kenntnis von ihr hat, zum Insider. Das kann zu praktischen Problemen filbren. Denn je weniger qualifizierende Merkmale - etwa die Zugehörigkeit zu einem Unternehmen - es gibt, desto schwerer ist es, einen Insider zu identifizieren. Wenn jemand also schon durch die Kenntnis einer Insiderinformation zum Insider wird, so stellt dies besonders schwierige Anforderungen an die Durchsetzung des Insiderhandelsverbots. 5. Grundproblem

Die Frage der praktischen Anwendung spiegelt ein Grundproblem, daß sich bei der Ausgestaltung eines Insiderbegriffs stellt: Einerseits gibt es typische Insidersachverhalte, bei denen eine mißbräuchliche Verwendung der Information besonders deutlich oder praktisch besonders häufig ist. Dann lassen sich die beteiligten Personen gut erfassen. Andererseits kann grundsätzlich jedermann eine Insiderinformation erfahren. Eine Insiderregelung muß deshalb deutlich machen, wie sie Personen einordnet, die keine typischen Marktteilnehmer sondern eher Randfiguren des Kapitalmarktgeschehens sind. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, von wem eine größere Gefahr filr das Vertrauen der Anleger in die Integrität des Kapitalmarktes ausgeht: Vom Zufallsinsider, der eine durch Glück erlangte Information gewinnbringend verwendet oder vom Aufsichtsratsmitglied, das sich durch geschickte Umgehungsgeschäfte des Verdachts der unlauteren Ausnutzung von Informationsvorsprüngen zu entziehen sucht. Ein Insiderhandelsverbot steht bei der Festlegung seines personellen Anwendungsbereiches im Zwiespalt zwischen der Erfassung der besonders gut sichtbaren und der theoretisch möglichen Problemlagen41 • Der Insidertatbestand muß also die Balance wahren zwischen einer klaren begrifflichen Abgrenzung, die Rechtssicherheit filr die Normadressaten scham und einer keine wesentlichen Fälle auslassenden Formulierung, die dadurch ihren Gerechtigkeitsanspruch erfilllt49 •

48 Letztere haben häufig allerdings nur wenig praktische Relevanz. Dazu zählen der fast schon sprichwörtliche Taxifahrer, der seine Fahrgäste nach deren Vorstandssitzung belauscht; die Raumpflegerin, die Einsicht in Unternehmensakten nimmt oder Personen, die schlicht durch Zufall eine Insiderinformation erfahren.

49 Auch Claussen, ZBB 1992, 73, 78 sieht "insbesondere bei der Definition von Grenzbereichen" ein "Hauptproblem einer gesetzlichen Insiderregelung". Ähnlich Langevoort, 39 Ala.L.Rev. 399, 401 (1988): "(T)he inchoate nature of this politicaI desire creates problems 0/ definition at the margin (Hervorhebung d.Verf.), where emotions

C. Elemente einer Insiderregelung

39

11. Insiderinformation 1. Inhalt

Als Zweites muß Insiderrecht den Begriff der Insiderinformation bestimmen. Grundsätzlich fallen darunter alle Tatsachen oder Umstände, die geeignet sind, sich auf den Preis eines Wertpapiers auszuwirken und (noch) nicht öffentlich bekannt sind. Solche InformationsvorsprUnge können sehr unterschiedliche Inhalte haben, denn es kommen viele mögliche Informationsquellen in Betracht. Man unterscheidet zwischen Unternehmensinformationen und Marktinformationen. Unternehmensinformationen haben ihre Quelle in dem Unternehmen, das die betreffenden Wertpapiere ausgibt. Hierunter fallen alle Nachrichten, die sich auf das Vermögen oder die Ertragskraft des Emittenten beziehen, z.B. die Entscheidung des Vorstands über eine Dividendenerhöhung oder einen Bezugsrechtsausschluß, die Mitteilung über einen unerwartet positiven oder negativen lahresabschluß, aber auch die Entdeckung eines neuen Wirkstoffes im Werkslaboratorium oder die erfolgreiche Entwicklung einer wertvollen technischen Neuerung 50 • Marktinformationen hingegen haben ihren Ursprung außerhalb des Emittenten. Die Bandbreite möglicher Insiderinformationen ist hier noch größer als bei Unternehmensdaten. Dazu gehört beispielsweise die Kenntnis von der Orderlage an der Börse im Hinblick auf ein bestimmtes Wertpapier I. Auch wirtschaftliche Rahmendaten, die nicht nur rur einen einzelnen Emittenten sondern rur den Kapitalmarkt insgesamt Bedeutung haben, sind Marktinformationen. Ein Beispiel hierfUr ist der Beschluß der Bundesbank über eine Diskontsatzänderung. Marktinformationen können aber auch noch allgemeineren Charakter haben, wie etwa wirtschaftspolitische Nachrichten 52 oder Meldungen über Naturereig-

are less strong ... cases involving remote tippees, good faith communications made to investment analysts or news reporters, and so forth"; Kidd, 18 Del.J.Corp.L. 101, 135 (1993); Bergmans, S.171; Voss, S.209; Pfister, ZGR 1981,318,326. 50

277. 51

Weitere Beispiele bei Assmann, AG 1994, 242, 243; Claussen, ZBB 1992, 267, Vgl. Caspari, ZGR 1994, 530, 540 mit zusätzlichen Beispielen.

Zu solchen Kursschwankungen fUhren häufig die Halbjahresberichte der Leitung der U.S.-amerikanischen Notenbank (derzeit: Alan Greenspan). In jüngster Zeit konnte man nervöse Reaktionen nationaler Börsenplätze aber auch auf Nachrichten von der Erkrankung eines Staatsmannes beobachten, beispielsweise in der Republik Südafrika bezüglich ihres Präsidenten Nelson Mandela. Ein Zusammenhang zwischen Börsentendenz und Gesundheitszustand eines Einzelnen ließ sich in Spanien Anfang der 70er 52

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Teil I: Grundlagen

nisse, die die emittierenden Unternehmen und so auch den Kurs ihrer Aktien beeinflussen. Denkbar sind schließlich Marktinformationen, die sich nur sehr speziell auswirken. Diese stammen häufig von Behörden oder staatlichen Institutionen oder aus anderen Unternehmen, die nicht Emittenten der betroffenen Wertpapiere sind. Inhaltlich zählen hierzu Nachrichten über Gerichtsurteile oder staatsanwaltliche Ermittlungen in einem Unternehmen 53 ebenso wie die Entscheidung eines Bieters zur Abgabe eines Übernahmeangebots an die Aktionäre eines Konkurrenzunternehmens 54 • Man sieht an der inhaltlichen Vielfalt der Marktdaten, die als Insiderinformationen in Betracht kommen, daß es sich hierbei letztlich um einen Sammelbegriff rur alle die Informationen handelt, die nicht aus dem Unternehmen stammen, das die gehandelten Wertpapiere emittiert55 • Zur Verdeutlichung: Informationen aus dem Unternehmen A sind beim Handel mit Papieren der Gesellschaft A Unternehmensinformationen, beim Handel mit Papieren der Gesellschaft B hingegen Marktinformationen. Die Abgrenzung der Markt- von den Unternehmens informationen weist also lediglich auf die vom Emittenten unterschiedliche Quelle einer Information hin. Betrachtet man aber nicht den Ursprung sondern die Wirkung einer Information, so wird deutlich, daß sich auch Marktinformationen auf ein ganz bestimmtes Unternehmen auswirken können. Umgekehrt fmden einzelne Unternehmensnachrichten manchmal Widerhall in den Kursentwicklungen eines ganzen Marktsegments56 • Die Unterscheidung der beiden Begriffe ist daher

Jahre während der Endphase der Diktatur General Francos feststellen. Zur Qualifizierung wirtschaftspolitischer Äußerungen als Insiderinfonnationen Seligman, 73 Geo.L.J. 1083, 1137 (1985). 53 Dies ist in den letzten Jahren besonders in Frankreich vorgekommen und hat häufig zu starkem Echo in der Wirtschaftspresse und am Kapitalmarkt geflihrt. 54 Für Davies, in: HoptlWymeersch, S.243 sind die unternehmerischen Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Übernahmemanövern "locus cJassicus" des Insiderhandels. 55 Vgl. zur U.S.-amerikanischen Sichtweise Karmel, 59 Brook.L.Rev. 149, 154 (1993) sowie Brudney, 93 Harv.L.Rev. 322, 329 (1979); danach sind Marktinfonnationen alle Daten, "die nicht die Ertragslage oder den Wert des Unternehmens betreffen" (not related to the corporation's eamings or assets). Präzisierend ist hinzuzufligen, daß es sich dabei um Wert oder Ertragslage des Unternehmens handeln muß, dessen Wertpapiere von den Insidergeschäften betroffen sind.

56 Der Konkurs eines Zulieferunternehmens kann so etwa auf hiervon abhängige Automobilwerte drucken.

C. Elemente einer Insiderregelung

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nicht zwingend. Dennoch beziehen sich manche Insiderregelungen nur auf Untemehmensinformationen S7 • 2. Form

Außer inhaltlicher Unterscheidbarkeit gibt es bei der Identizifierung von Insiderinformationen auch eine formale Komponente. Man kann den Begriff der Insiderinformation durch eine Generalklausel formal definieren. Dadurch lassen sich ungeachtet ihres Inhalts alle Informationsvorsprünge erfassen, die einem Insider günstige Wertpapiergeschäfte ermöglichen. Zentrales Kriterium hierbei ist die Bestimmung der Kursrelevanz einer Information 58 • Kursrelevanz liegt vor, wenn der Preis eines Wertpapiers die Existenz einer bestimmten Information noch nicht widerspiegelt, eine Änderung des Kurses bei Bekanntwerden der Nachricht aber mit einiger Sicherheit zu erwarten ist. Die Information ist dann rur den Preis eines Wertpapiers relevant. Reagiert der Kurs auf die Nachricht, verliert diese ihre Relevanz; der Insider kann sie also nicht mehr ausnutzen. Bei allen Arten von Börsennachrichten ist die formale Frage zu beantworten, ob es sich. schon um eine Insiderinformation mit entsprechendem Potential zur Beeinflussung eines oder mehrerer Wertpapierkurse handelt oder ob eine Nachricht hierzu gar nicht in der Lage ist, zum Beispiel weil sie objektiv kaum jemanden interessiert oder mehr spekulativen als gesicherten Charakter hat59 • Die Grenzen sind fließend und stellen an die Rechtsanwendung schwierige Anforderungen. Für die hier zu untersuchenden insiderrechtlichen Haftungstheorien ist in erster Linie der Inhalt der jeweils erfaßten Informationen ausschlaggebend. Demgegenüber spielt die Frage, ab wann es sich der Form nach um eine Insiderinformation handelt, eine nachgeordnete Rolle.

57 So betrachtet der englische Criminal lustice Act von 1993 Marktdaten nicht als mögliche Insiderinformationen, dazu ausführlich unten Teil 4, E.II.2. Vgl. die AufIistung lediglich einzelner Unternehmensinformationen in § 2 Nr.3 der deutschen Insiderhandels-Richtlinien, dazu zur Megede, in: AssmanniSchütze, § 14 Rz.33. 58 Schief insofern Voss, S.13, der Kursrelevanz nur als ein Unterscheidungskriterium unter mehreren möglichen, wie etwa Ursprung oder Gegenstand der Information, sieht. 59 An der Börse kursieren immer auch Spekulationen, Meinungen und Gerüchte. Diese Grauzone zwischen Vermutung und gesicherter Erkenntnis spornt zu verstärkter Informationssammlung und Datenverarbeitung an, sie ist deshalb wichtig für das Funktionieren des Kapitalmarkts.

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Teil I: Grundlagen

III. Insiderpapier

Eine Insiderregelung muß deutlich machen, auf welche Wertpapiere sie sich bezieht und in welchen Bereichen des Kapitalmarkts sie die unlautere Ausnutzung von Informationsvorsprüngen unterbinden will. Zunächst ergeben sich im Hinblick auf die unterschiedlichen Wertpapierarten Abstufungen daraus, wie stark oder schwach der Kurs eines Papiers auf mögliche neue Börsennachrichten reagiert. Hierbei gibt es ein breites Spektrum 6O : Im oberen Bereich der Informationssensibilität stehen die Aktien. Sie verkörpern Eigentumsanteile am Unternehmen und nehmen an dessen wirtschaftlichem Erfolg oder Mißerfolg unmittelbar teil. Ihr Preis reagiert deshalb besonders empfmdlich auf Unternehmensnachrichten oder andere wichtige Daten61 • Eine noch stärkere Wirkung tritt bei Aktienoptionen auf. Das sind Rechte zum Kauf oder Verkauf von Aktien. Weil sie selbst keine Unternehmensanteile verkörpern, sondern sich nur hierauf beziehen, haben sie eine Hebelwirkung und ermöglichen größtmögliche Informationsausnutzung mit vergleichsweise geringem fmanziellen Aufwand62 • Im unteren Bereich der Informationsempfmdlichkeit befmden sich Schuldverschreibungen. Ihr Inhaber ist Gläubiger eines Unternehmens. Seine Position ist gegenüber den Eigentümern stärker gesichert, weil er vorrangig befriedigt wird63 • Dadurch ist der Kurs einer Anleihe etwa fUr negative Nachrichten, wie beispielsweise ein unerwartet schlechter Jahresabschluß des Emittenten, weniger anfällig64 • Im Hinblick auf die verschiedenen Marktsegmente, in denen Wertpapiere gehandelt werden, ergeben sich keine zwingenden Unterscheidungen6s • Das Insiderproblem ist überall dort präsent, wo sich Eingeweihte anonymisierte

60 Außer den nachfolgend angeführten Beispielen gibt es weitere Zwischen- und abgeleitete Wertpapierformen, bei denen sich die Insiderproblematik in stärkerer oder abgeschwächter Weise Form aber erhält. 61 Hierbei sind auch die unterschiedlichen Aktienarten zu berücksichtigen. Der Inhaber von Stammaktien etwa trägt ein höheres Unternehmensrisiko als der Eigentümer von Vorzugsaktien.

62 Zur Funktionsweise von Optionsscheinen Kümpe/, S.1I03; C/aussen, WM 1997, 1825-1826. 63 Als Gläubiger nimmt der Inhaber einer Anleihe jedoch am Insolvenzrisiko des Emittenten teil. 64 Auch hier gibt es Unterschiede. So sind öffentliche Anleihen sicherer als die privater Emittenten, weil hinter ihnen der Fiskus als Schuldner steht.

6S In Deutschland sind dies die vier Marktsegmente: Amtlicher Handel, Geregelter Markt, Freiverkehr und Neuer Markt; weitergehend dazu unten Teil 4, C.II.

C. Elemente einer Insiderregelung

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Geschäftsverhältnisse zunutze machen, um aus ihren Informationsvorsprüngen Kapital zu schlagen. Dabei ist es auch unerheblich, ob der Wertpapiermarkt auf dem Börsenparkett, als Computerhandel oder im Internet stattfindet. Mißbrauchsanfällig ist jeder organisierte Markt, unabhängig davon wie stark dieser reguliert ist66 und ob die Organisation öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich erfolgt67 • Das Insiderproblem stellt sich also grundsätzlich bei allen Arten von Wertpapieren und in allen Segmenten des Kapitalmarktes gleich. Graduelle Abstufungen ergeben sich allein daraus, daß einige Papiere besonders oder weniger stark auf neue Informationen reagieren oder daß sie in Marktsegmenten gehandelt werden, die wegen geringerer staatlicher Überwachung einem Nachweis von Insiderpraktiken möglicherweise nur schwierig zugänglich sind. Diese Besonderheiten können wertungsmäßig aber keine Unterscheidung beim Insiderhandelsverbot rechtfertigen68 • Um das Mißbrauchspotential hinreichend abzudecken, sollte eine Insiderregelung deshalb möglichst viele Wertpapierformen und Marktbereiche erfassen69 • IV. Verbotstatbestand

Schließlich muß eine Insiderregelung in ihrem Verbotstatbestand bestimmen, welches Verhalten insiderrechtliche Sanktionen nach sich zieht. Im einzelnen sind drei Tathandlungen denkbar. Erstens kann ein Insider ein Wertpapiergeschäft selbst tätigen, um dadurch seine Insiderinformation auszunutzen. Dies ist die tatbestandliche Grundform des Insiderhandelsverbots. Zweitens ist regelmäßig auch schon die Weitergabe einer Insiderinformation verboten. Denn weitergegebene Informationen können Umgehungsgeschäfte ermöglichen. Diese kommen zustande, wenn ein Insider sein Wissen etwa an Familienmitglieder oder Geschäftsfreunde weiterleitet und Dritte dann die Information sanktions los ausnutzen können, weil sie keinen Insiderstatus haben70 • Drittens gibt es eine abgeschwächte Form, das Handelsverbot zu unterlaufen. Dabei gibt der Insider zwar nicht sein Wissen weiter. Auf der Grundlage seiner Insiderkenntnis rät er jedoch einem Dritten zu einem 66 In schwach regulierten Märkten kann sich wegen des fehlenden Überwachungsdrucks das Insiderproblem in besonderer Schärfe stellen. 67 Grundlegend zu Börsen und Wertpapierhandelsmärkten in der EG Schwark, WM 1997,293,307.

Ebenso Hopt, ZGR 1991,17,40; Voss, S.20. Einen möglichst weit gefaßten Kreis der Insiderpapiere propagiert auch Hausmaninger, S.222-223. 68

69

70

Vgl. oben C.1.3.

44

Teil I: Grundlagen

bestimmten Anlageverhalten. Eine Insiderregelung kann daher auch diese Tathandlung besonders berücksichtigen. Teilweise wird eine solche Kauf- oder Verkaufsempfehlung noch als Unterfall der Informationsweitergabe angesehen. In beiden Fällen, Informationsweitergabe und Anlagerat, spricht man auch englisch von "tipping,,71. Es ist denkbar, Anlegern, die häufiger oder typischerweise mit Insiderinformationen in Kontakt kommen, umfassendere Verbote aufzuerlegen. Personen, die seltener informiert sind, träfe dann nur das Kernverbot, ihr Insiderwissen selbst auszunutzen. Der praktische Grund für eine solche abgestufte Regelung kann darin gesehen werden, daß eine Insiderinformation bei einem Tipempfänger tendenziell nicht mehr so hohe Kursrelevanz hat wie an ihrer Quellen. Denn je öfter eine Information weitergegeben wird, desto mehr kann sich mit der Zeit ihre Kursrelevanz vermindern und desto unschädlicher ist demzufolge ihre weitergehende Zirkulation. Am Ende kann dabei ein Zustand erreicht werden, bei dem gar keine Insiderinformation mehr vorliegt, weil weite Kreise sie kennen und sie sich im Kurs des betroffenen Wertpapiers bereits widerspiegelt. V. Zusammenspiel Die Reichweite einer Insiderregelung bemißt sich nicht allein nach der Ausgestaltung der einzelnen Tatbestandsmerkmale. Der theoretische Ansatz ergibt sich abschließend erst aus dem Zusammenspiel der vier Regelungselemente. Dabei können Verschiebungen auftreten, je nachdem ob die Einzelelemente eng oder weit defmiert sind. Das Zusammenspiel von Insider- und Informationsbegriff ist besonders ausgeprägt. Ein weit defmierter Insiderbegriff führt nur dann auch zu einer umfassenden Gesamtregelung, wenn er durch einen inhaltlich ebenfalls weit formulierten Informationsbegriff ergänzt wird. Wenn letzterer aber inhaltlich eng umgrenzt ist, läßt dies die Wirkung einer weitreichenden Insiderdefmition leerlaufen 7l . Zur Verdeutlichung: Ein Insiderrecht, das zwar auch Marktinsider erfaßt, aber gleichzeitig nur Unternehmensdaten als potentielle Insiderinformationen anerkennt, wird trotz seines umfassenden Insiderbegriffs bestimmte Problem-

71 Vgl. oben C.1.3. Assmann, AG 1994, 196, 248 bezieht den Begriff in sprachlich enger Auslegung nur auf die Erteilung eines Anlagerates. 72

Vgl. oben c.n.2.

73 Denn dann werden zwar viele Personen als Insider erfaßt; das bringt sie jedoch nicht in die Gefahr einer Sanktion, solange sie nur eine kursrelevante Nachricht ausnutzen, die das Tatbestandsmerkmal der Insiderinformation nicht erfüllt.

C. Elemente einer Insiderregelung

45

lagen nur begrenzt erfassen können. Dieser Konstellation ähnlich stellt sich die Rechtslage in England nach Umsetzung der EG-Richtlinie dar74 • Umgekehrt gilt das Gleiche: Zwar kann ein Infonnationsbegriff besonders weitreichend sein, weil er keine inhaltlichen Vorgaben macht. Diese Reichweite kommt in der Gesamtregelung aber dann nicht zum Tragen, wenn der Kreis derer begrenzt ist, die potentiell Insider sein können. Ein Beispiel dieser Konstellation liefert die U.S.-amerikanische Fiduciary Duty Theorie7s • Auch der Verbotstatbestand und die Insiderdefinition geben ein Beispiel dafür, aufweiche Weise sich die einzelnen Tatbestandsmerkmale gegenseitig ergänzen: So ist einerseits ein umfassender Verbotstatbestand wichtig, wenn eine Insiderregelung nur wenige Personen als potentielle Insider erfaßt. Dann kann nämlich verhindert werden, daß Insider ihre Infonnationen an Nicht-Insider weiterleiten und so Umgehungsgeschäfte tätigen. Andererseits ist ein Insiderrecht nicht so stark auf einen differenzierten Verbotstatbestand angewiesen, wenn der Kreis der Insider sehr weitgezogen ist. Im Extremfall ist jeder Informierte auch Insider. Das Handelsverbot "wandert" dann mit, wenn die Infonnation weitergegeben wird. Dadurch verliert das Problem der Umgehungsgeschäfte seine Schärfe. Ein Verbot der Infonnationsweitergabe ist in solchen Fällen unter Umständen verzichtbar. Es kann aber immer noch den Zweck haben, den Kreis der Insider möglichst klein zu halten und dadurch den Verfolgungsorganen die Überwachung zu erleichtern.

74 Vgl. oben C.II.l; siehe auch die graphische Darstellung zu den einzelnen Regelungsmerkmalen bei Lahmann, S.20-21.

7S Die Fiduciary Duty Theorie stellt einerseits nur formale, keine inhaltlichen, Anforderungen an den Informationsbegriff. Andererseits paart sich dieser umfassende Ansatz mit einem eng umgrenzten Insiderbegriff. Dadurch kann auch die Gesamtregelung den Anforderungen an ein Insiderrecht nicht auf Dauer genügen; ausfllhrlich dazu unten Teil 2, Kap.2.

Teil 2

U.S.A. Einführung I. Common Law

Der Rückblick auf die ursprüngliche Rechtslage erleichtert das Verständnis der U.S.-amerikanischen Insiderrechtstheorien. Vor Erlaß der Kapitalmarktgesetze des Bundes (Federal Securities Laws) in den 30er Jahren konnte man nur auf die Bestimmungen des Rechts der Einzelstaaten, das "common law" zurückgreifen, um die unlautere Verwertung von Informationsvorsprüngen zu sanktionieren. Danach haftete ein Geschäftspartner nur dann als Insider, wenn zwischen den Parteien eine Treuebeziehung bestand, die zur Aufdeckung von Insiderwissen verpflichtetel. Um diese Haftung zu vermeiden, mußte der Insider entweder seine Information offenlegen (to diselose) oder darauf verzichten (to abstain), sie zu einem günstigen Wertpapiergeschäft auszunutzen. Daher bezeichnet man das Insiderhandelsverbot in den U.S.A. bis heute auch als "diselose or abstain" Regel 2 • Wegen des Erfordernisses einer Treuepflicht als Voraussetzung filr Insiderhaftung setzte sich die Rechtsprechung vor allem im Rahmen des Gesellschaftsrechts mit dem Problem auseinander. Sie entwickelte drei unterschiedliche Ansätze: Nach der Mehrheitsmeinung (majority view) brauchte ein Unternehmensinside.-J kein Insiderwissen über den Zustand des Unternehmens preiszugeben, bevor er einem Aktionär der Gesellschaft Aktien abkaufte. Die meisten Gerichte erkannten eine Treuepflicht des Unternehmensinsiders nur

1 Die Haftung wegen Täuschung durch positives Tun ähnelt zwar dieser Interessenlage; sie liegt jedoch außerhalb der Insiderproblematik, die sich gerade bei Schweigen eines Vertragspartners stellt. Siehe oben Teil I, A., Besprechung des ersten Beispielsfalles.

2 Zum gegenwärtigen Stand des "common law" in Bezug auf das Insiderproblem Branson, 45 Ala.L.Rev. 753 ff. (1994); ausführlich auch Bauman, 51 U.Chi.L.Rev. 838 ff. (1984). 3

"Officer" oder "director".

Einführung

47

zur Gesellschaft, nicht auch zum einzelnen Aktionär4 an. Gemäß der Minderheitsmeinung (minority view) hatten Unternehmensinsider auch gegenüber individuellen Aktionären eine Treuepflicht und waren deshalb verpflichtet, entweder relevantes Insiderwissen offenzulegen oder den Geschäftsabschluß zu unterlassens. Eine vermittelnde Ansicht (special facts doctrine) verpflichtete Unternehmensinsider nur dann zur Offenlegung von Insiderkenntnissen, wenn "spezielle Umstände" dies erforderten; so etwa, wenn ein Aktionär aus den Geschäftsbüchern der Gesellschaft nicht den gleichen Kenntnisstand erlangen konnte wie ein Unternehmensinsider6 • Es gab aber noch weitere Einschränkungen der Insiderhaftung. Eine Pflicht zur Offenlegung positiver Unternehmensdaten konnte nur bestehen, soweit ein Unternehmensinsider einem Alt-Aktionär Aktien abkaufte. Demgegenüber blieb das Verschweigen negativer Informationen beim Verkauf von Anteilen an Neu-Aktionäre folgenlos, daja zuvor noch keine Treuebeziehung zwischen den Vertragspartnern bestanden hatte 7• Außerdem galten die skizzierten Insiderregeln stets nur rur "face-to-face" Geschäftes zwischen Unternehmensinsidern und Aktionären. Auf anonyme, über die Börse vermittelte Geschäfte wurden sie nicht angewendet9 . So konnte man in weiten Bereichen des Kapitalmarkts sanktionslos Insidergeschäfte tätigen, weil das "common law" auf ihre Erfassung nicht zugeschnitten war lO •

4 Siehe Harder, 10 J.Corp.L. 711, 715 (1985); Bergrnans, S.8 jeweils m.w.N. zur Rechtsprechung. S Näher Wilkinson, 10 J.Corp.L. 581, 595-597 (1985); siehe auch Harder, 10 J.Corp. L. 711, 715 (1985).

6 Strong v. Repide, 213 U.S. 419, 431, 434 (1909); dazu jüngst Branson, 45 Ala.L.Rev. 753, 757-758, 763-765 (1994); Bergrnans, S.8 mit weiteren Beispielen für spezielle Umstände (special circumstances), die zur Offenlegung verpflichten. Kritisch zu diesem Ansatz Seligman, 73 Geo.LJ. 1083, 1099-1101 (1985); Langevoort, 70 Calif.L.Rev. I, 4-7 (1982). 7 Siehe Harder, 10 J.Corp.L. 711, 716 (1985). Demgegenüber erfaßt die Fiduciary Duty Theorie auch schon den Aktienverkauf von Unternehmensinsidern an Neu-Aktionäre, obwohl es sich dabei streng genommen nicht um den Verstoß gegen eine im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses bereits bestehende Treuebeziehung handelt; Bergrnans, S.43 m.w.N.

8

Dazu oben Teil I, B.lI.1.

9 Dennoch wertete man Börseninsiderhandel als ethisch zu mißbilligendes Verhalten; siehe Goodwin v. Agassiz 283 Mass. 358, 362-363, 186 N.E. 659, 661 (S.c. Mass. 1933).

10 Das erkannte frühzeitig Shulrnan, 43 Yale LJ. 227 (1933): "(T)he common law liability was not consciously and especially molded for the flotation of securities"; siehe auch Loss/Seligrnan, S.768-776; earlton/Fischel, 35 Stanford L.Rev. 857, 883-884 (1983). Zu einigen neueren insiderrechtlichen Entscheidungen nach "common law", das

48

Teil 2: U.S.A.

11. Keimzelle: RuJe tOb-5 Nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieser unbefriedigenden Rechtslage erließ der U.S.-amerikanische Kongress seine berühmten Kapitalmarktgesetze, das Wertpapiergesetz (Securities Act) von 1933 11 und das Wertpapierhandelsgesetz (Securities Exchange Act, nachfolgend: S.E.A.) von 1934 12 • Er legte damit den Grundstein für ein bundeseinheitliches Kapitalmarktrecht lJ • Der "Securities Act" von 1933 enthält die Bestimmungen zur Emission von Wertpapieren. Daran anschließend regelt der S.E.A. von 1934 den Sekundärmarkt, also den Handel mit Wertpapieren. Dieses Gesetz zielt allgemein auf den Schutz des Anlegerpublikums vor Manipulationen und betrügerischen Geschäften im Kapitalmarkt. Eine ausdrückliche Regelung des Insiderproblems beim Börsenhandel kommt darin jedoch nicht vor l4 • Mangels einer eindeutigen gesetzlichen Vorgabe mußten sich die Bundesgerichte und die das Marktgeschehen beaufsichtigende Wertpapierbehörde (Securities and Exchange Commissi on, nachfolgend: S.E.C.) also selbst eine Norm zur Lösung von Insiderfällen suchen. Man fand den Anknüpfungspunkt in Section 10 (b) des S.E.A. 15 Diese Vorschrift ermächtigt die S.E.c., Regeln zu erlassen, welche "Manipulations- oder Täuschungshandlungen" im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften verbieten l6 . Von dieser Ermächtigungsgrundlage hat die S.E.c. im Jahre 1942 Ge-

heute in den meisten Bundesstaaten der U.S.A. die "special facts doctrine" anwendet Bergmans, S.39-40. 11

15 U.S.c. §§ 77a ff.

12

15 U.S.c. §§ 78a ff.

Zu den historischen Grundlagen und Einflußfaktoren der Kapitalmarktgesetzgebung ausführlich Thel, 42 Stan.L.Rev. 385 ff. (1990); im Überblick Warren, 39 Ala. L.Rev. 337, 340-341 (1988). IJ

14 Lediglich Section 16 (b) S.E.A. erwähnt Insidergeschäfte ausdrücklich, statuiert aber nur eine spezielle Pflicht für Untemehmensinsider zur Abführung von Gewinnen aus kurzfristigen gegenläufigen Geschäften ("short-swing profits"); die Norm setzt sich nicht generell mit dem Insiderproblem auseinander. Näher dazu oben Teil I, B.Hl. 15 Zu den gesetzgeberischen Motiven speziell von Section 10 (b) S.E.A. umfassend Thel, 42 Stan.L.Rev. 385, 424-462 (1990).

16

Section \0 (b) S.E.A., U.S.c. § 78j, bestimmt:

"(I)t shall be unlawful for any person, directly or indirectly, by use of any means or instrumentality of interstate commerce or of the mails, or of any facility of any national securities exchange: ( ... ) (b) to use or employ, in connection with the purchase or sale of any security registered on anational securities exchange or any security not so registered, any manipulative or deceptive device or contrivance in contravention of such rules and regulations

Einflihrung

49

brauch gemacht und die vielzitierte "Rule IOb-5" erlassen 17, die zur Keimzelle aller bis heute in der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung entwickelten Insidernormen wurde l8 • Der Wortlaut von Rule IOb-5 sanktioniert nicht nur positive Falschangaben, sondern auch - und dies ist wichtig für Insidersachverhalte - "jegliche Handlungen, die im Zusammenhang mit dem Kauf oder Verkauf von Wertpapieren als Betrug oder Täuschung zu werten sind,,19. Hierzu gehört auch Schweigen. Inhaltlich interpretierte man Rule IOb-5 zunächst aber nur als schriftliche Fixierung der bestehenden "common law" Prinzipien. Man sah durch die neue Regel nur "face-to-face" Geschäfte 20 zwischen Unternehmensinsidern und Aktionären der Gesellschaft erfaßf l . Zwischen dem Insider und seinem Ver-

as the Commission may prescribe as necessary or appropriate in the public interest or for the protection ofthe investors." \7 S.E.A. Release No.3230 (May 21, 1942). Die Regel ist kodifiziert unter 17 C.F.R. § 240.lOb-5. 18 Mit den Worten von Chief Justice Rehnquist in Blue Chip v. Manor Drug Stores, 421 U.S. 723, 737 (1975) gleicht die Entwicklung des Insiderrechts auf der Basis von Section lO(b) S.E.A. und Rule IOb-5 einer "judicial oak which has grown from little more than a legislative acorn".

19 Rule IOb-5, Absatz (c). Der vollständige Text von Rule IOb-5 lautet: "It shall be unlawful for any person, directly or indirectly, by use of any means or instrumentality of interstate commerce, or of the mails, or of any facility of any national securities exchange,

(a) to employ any device, scherne, or artifice to defraud, (b) to make any untrue statement of a material fact or to omit to state a material fact necessary in order to make the statements made, in the light of the circumstances under wh ich they were made, not misleading, or (c) to engage in any act, practice or course of business which operates or would operate as a fraud or deceit upon any person, in connection with the purehase or sale of any security." 20 In Ward LaFrance Truck Corp., 13 S.E.C. 373 (1943) erklärte die S.E.C. erstmals, daß die neue Regel auf "face-to-face" Insidergeschäfte anzuwenden sei. Im gleichen Zusammenhang wurde Rule IOb-5 erstmals von einem Bundesgericht angewendet in Kardon v. National Gypsum Co., 69 F.Supp. 512 (E.D.Pa. 1946); näher BIoomenthai, S.729,730. 2\ Nur an diese begrenzte Fallkonstellation hatte man auch bei der Formulierung von Rule IOb-5 gedacht. Das geht aus Aussagen eines der Hauptautoren der Vorschrift, Mi/ton Freeman, hervor. Danach war konkreter Anlaß flir den Entwurf von Rule IOb-5 ein Fall gewesen, bei dem ein Unternehmensleiter den Aktionären seiner Gesellschaft ihre Anteile abgekauft hatte und dabei nicht nur wesentliche Umstände verschwiegen, sondern sogar positive Falschangaben über den Ertrag des Unternehmens gemacht hatte, Freeman, Conference on Codification of the Federal Securities Laws, 22 Bus.Law. 793, 922 (1967).

4 Weber

Teil 2: U.S.A.

50

tragspartner mußte eine zur Offenlegung von Insiderwissen verpflichtende Treuebeziehung bestehen, damit sich das Unterlassen der Mitteilung als Täuschung i.S.v. Rule IOb-5 einordnen ließ 22 • In Speed v. Transamerica Corp.23 hat ein Bundesgericht erstmals festgestellt, daß Rule IOb-5 eine von den Grundsätzen des "common law" unabhängige, eigenständige Ptlichtenstellung kodifiziert. Dadurch war der Weg frei, nunmehr im Rahmen von Rule IOb-5 nach einem eigenständigen Regelungsgrund für das Verbot von Insidergeschäften zu suchen. Da aber weder der Wortlaut von Section 10 (b) des S.E.A. noch von Rule IOb-5 ausdrücklich auf Insidergeschäfte beim Wertpapierhandel Bezug nimmt, gewann die Interpretation der Vorschrift durch Rechtsprechung und S.E.c. entscheidende Bedeutung. So stellte sich die Frage nach dem "richtigen" Regelungsgrund für ein Insiderhandelsverbot mit jedem zur Entscheidung anstehenden Fall neu. Dabei erkannte man erst allmählich Insidergeschäfte auch und gerade im anonymen Börsengeschehen als Regelungsproblem 24 • Den Anfang bei der Entwicklung einer eigenständigen Theorie des Insiderrechts bildete der Fall In Re Cady, Roberts & Co. 2S .

22 Vgl. Connelly v. Balkwill, 174 F.Supp. 49, 54 (N.D. Ohio 1959), affd per curiam, 279 F.2d 685 (6th Cir.1960) und Kardon v. National Gypsum Co., 73 F.Supp. 798, 800803 (E.D.Pa. 1947).

23 Speed v. Transameriea Corp., 99 F.Supp. 808 (D.Del. 1951), affd, 253 F.2d 369 (3d Cir. 1956). Auch in diesem Fall handelte es sich jedoch immer noch um ein Geschäft, das nicht über den Börsenmechanismus vermittelt worden war. 24 Zu den ersten Erfahrungen mit Rule IOb-5 Fleteher, S.99-112; Bergmans, S.8-1O. 2S

Dazu sogleich nachfolgend.

B. Entwicklung

51

Kapitel I

Equal Access Theorie A. Grundgedanke Die Equal Access Theorie gründet auf Fairneßerwägungen. Sie will allen Investoren gleichen Zugang zu kursrelevanten Infonnationen ennöglichen. Das Insiderhandelsverbot stellt sie immer dann auf, wenn ein Infonnationsunterschied zwischen zwei beliebigen Marktteilnehmern mit legalen Mitteln nicht zu überwinden ist. Der Grund für den Infonnationsunterschied ist dabei unerheblich; insbesondere kommt es nicht auf eine bestimmte Stellung des Insiders im Markt oder in einem Unternehmen an. Wegen ihres weiten Anwendungsbereiches unterstützt die Equal Access Theorie einen kapitalmarktrechtlich orientierten Regelungsansatz besonders gut. Sie sieht sich aber dem Einwand ausgesetzt, die Tätigkeit der für ein reibungsloses Funktionieren des Marktes wichtigen Berufsgruppen durch eine latente Sanktionsdrohung zu behindern 26 •

B. Entwicklung I. Ausgangspunkt: In Re Cady, Roberts & Co. (1961) 1. Sachverhalt

Ausgangspunkt für die Entwicklung der Equal Access Theorie war das von der S.E.C. angestrengte Verwaltungsverfahren In Re Cady, Roberts & Co. 27. Erst rund zwanzig Jahre nach ihrem Erlaß hat man hier Rule lOb-5 erstmals auf einen Insiderfall angewendet, dem keine individuelle Rechtsbeziehung, kein "face-to-face" Geschäft zugrunde lag. Vielmehr handelte es sich hier um anonyme, über den Börsenmechanismus vennittelte Insidergeschäfte. Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde. Die Unternehmensleitung der Curtiss-Wright Corporation hatte während einer Vorstandssitzung eine erhebliche Kürzung der vierteljährlichen Dividende beschlossen und traf nun Vorkehrungen, den Markt alsbald über diese Unternehmensnachricht zu infonnieren 28 • In einer Sitzungspause telefonierte

26 Handelt es sich dabei gar um eine hohe strafrechtliche Sanktion wie in § 38 Abs.l WpHG, so gewinnt diese Kritik besonderes Gewicht.

4*

27

In Re Cady, Roberts & Co., 40 S.E.C. 907 (1961).

28

In Re Cady, Roberts & Co., a.a.O, S.909.

Teil 2, Kapitell: Equal Access Theorie

52

einer der teilnehmenden Direktoren, der zugleich der Brokerfirma Cady, Roberts & Co. angehörte, mit einem seiner dortigen Kollegen, um diesen im voraus über die gerade getroffene Vorstandsentscheidung zu informieren. Der Brokerkollege traf daraufhin unverzüglich Vorkehrungen zum Verkauf von 7000 Curtiss-Wright Aktien zum Vorteil seiner Kunden 29 • So konnten die Aktien, basierend auf der Insiderinformation aus den Reihen der Unternehmensleitung, noch rechtzeitig zum alten, sehr hoch angesetzten Preis verkauft werden 30 • Erst danach wurde die Mitteilung von der Dividendenkürzung öffentlich und damit allen übrigen Marktteilnehmern bekannt. Das Anlegerpublikum nahm die Nachricht erwartungsgemäß schlecht auf, was zu einem drastischen Kursverfall der Curtiss-Wright Aktien fuhrte 31 • In der Folge dieses Geschehens strengte die S.E.C. ein Verfahren sowohl gegen die Brokerfirma Cady, Roberts & Co. als auch gegen den beteiligten Direktor der Curtiss-Wright Corporation an. Sie gelangte zu dem Ergebnis, daß beide gegen Section 10 (b) S.E.A. und Rule IOb-5 verstießen, als sie die zuvor erlangte Insiderinformation durch den über die Börse abgewickelten Verkauf der Curtiss-Wright Aktien ausnutzten 32 • 2. Verbots begründung

Zur Begründung der Insiderhaftung unterstrich die S.E.C., daß sich in Rule IOb-5 zwar derselbe Rechtsbefehl verkörpere wie nach "common law"; nämlich "disclose or abstain", also die Wahl zwischen der Offenlegung der Insiderinformation und dem Transaktionsverzicht33 • Jedoch räumte die S.E.C. das Bestehen einer Treuepflicht als Rechtsgrund für die Anwendung des Insiderhandelsverbots beiseite. Im Gegensatz zur alten "common law" Doktrin hielt sie eine solche Bindung zwischen dem Insider und dessen Transaktionspartner für

29 Zu den bevorteilten Kunden gehörte auch die Ehefrau des Brokers, In Re Cady, Roberts & Co., a.a.O., S.909. Ein schönes Detail: Schon zu Beginn der Rechtsentwicklung zeigt es die grundsätzliche insiderrechtliche Relevanz verwandtschaftlicher oder freundschaftlicher Beziehungen.

30 Ein weiteres "klassisches" Detail, zur Bedeutung von Börsenpsychologie: Vorliegend war der Aktienkurs in Reaktion auf günstige Prognosen hinsichtlich eines von der Curtiss-Wright Corporation neu entwickelten Produktes über eines Zeitraum von einem Monat kontinuierlich angestiegen, In Re Cady, Roberts & Co., a.a.O., S.908. 31 Die Reaktion des Marktes war so stark, daß der Handel mit Curtiss-Wright Aktien wegen der vielen Verkaufsorders vorübergehend ausgesetzt werden mußte, In Re Cady, Roberts & Co., a.a.O., S.909-10. 32

In Re Cady, Roberts & Co., a.a.O., S.91O-11.

33

Zum "common law" siehe oben Einführung, I.

B. Entwicklung

53

nicht erforderlich 34 • Es mußte also ein neuer Rechtsgrund gesucht werden. Die S.E.C.fand ihn. Sie stellte fest, daß sich das Insiderhandelsverbot aus zwei Grundelementen ergibt, nämlich:

- Erstens, aus dem Bestehen einer Beziehung, die direkten oder indirekten Zugang zu einer Infonnation bietet, die bestimmungsgemäß nur für Zwecke der Gesellschaft und nicht zum persönlichen Vorteil irgendeiner anderen Person verwendet werden darf 5; und - zweitens, aus der Unfairneß, die darin begründet liegt, daß eine Partei aus einer solchen Infonnation einen Vorteil zieht, in dem Wissen, daß sie den Geschäftspartnern auf der Marktgegenseite nicht zur Verfügung stehe 6 . In seinem ersten Element fonnuliert dieser Regelungsansatz zwei Voraussetzungen, unter denen jemand als Insider erfaßt ist: Zunächst muß Zugang (access) zu kursrelevanten (Unternehmens-) Infonnationen bestehen. Das ist ein rein faktisches Kriterium, jedennann kann es erfüllen. Zusätzlich aber muß dieser Zugang aufgrund einer besonderen Beziehung (special relationship) zur Infonnationsquelle gegeben sein. Die Regel beinhaltet somit auch ein nonnatives Kriterium. Naturgemäß liegt es bei Unternehmens insidern vor37 ; ebenso aber auch bei Personen, die durch irgendeine andere besondere Beziehung an Insiderinfonnationen herankommen 38 • Das zweite Element der Cady, Roberts-Regel hält erstmalig fest, daß das Verwertungsverbot hinsichtlich Insiderinfonnationen zumindest auch auf Fair-

34 In Re Cady, Roberts & Co., a.a.O., S.91O-913. Zwar hatte auch schon das Bundesgericht in Speed v. Transamerica Corp., 99 F.Supp. 808, 849 (D.DeI.l951) festgestellt, daß sich die "disclose or abstain"-Regel nicht notwendig aus einer Treuepflicht ergibt, sondern einen eigenen Rechtsgrund hat; das Gericht hatte sich dabei ebenfalls auf Begriffe von "fairness" und "equality of information" bezogen. Jedoch hatte es sich in dem Fall noch um ein "face-to-face" Geschäft, nicht um eine anonyme Transaktion an der Börse gehandelt. 35 "First, the existence of a relationship giving access, directly or indirectly, to information intended to be available only for a corporate purpose and not for the personal benefit ofanyone", In Re Cady, Roberts & Co., a.a.O., S.912. 36 "And second, the inherent unfairness involved where a party takes advantage of such information knowing it is unavailable to those with whom he is dealing", In Re Cady, Roberts & Co., a.a.O., S.912.

37 Diese stehen mit der Einbindung in die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht sowieso in einer stark ausgeprägten besonderen Beziehung zum Unternehmen als Informationsquelle.

38 In Re Cady, Roberts & Co., a.a.O., S.912; vgl. Lins/Nielsen/Olson/Ratner, e533 ALl-ABA 1267, 1272 (1990).

54

Teil 2, Kapitell: Equal Access Theorie

neßgründen beruhtl 9 • Im vorliegenden Sachverhalt gelangte die S.E.c. zu dem Ergebnis, daß der Bro~er durch seinen Kollegen, der gleichzeitig Organmitglied des Emittenten der gehandelten Wertpapiere war, eine "besondere Beziehung" zum Emittenten als Informationsquelle hatte. Er hätte deshalb aus Fairneß die erlangte Information nicht verwerten dürfen. Daß er es dennoch tat, verstieß somit gegen Rule IOb-5 40 •

3. Inlerprelalionsmöglichkeiten Die Cady, Roberts-Regel wurde zur Keimzelle der Equal Access Theorie. Inhaltlich bot sie jedoch zwei unterschiedliche Anknüpfungspunkte zur Entwicklung einer Insiderrechtstheorie. Einerseits ließ sich abstellen auf das faktische Kriterium des privilegierten Informationszugangs und den dadurch hervorgerufenen Informationsunterschied zwischen dem Wertpapierverkäufer und den zufälligen Anlegern im anonymen Markt. Andererseits konnte man den Schwerpunkt auch auf das normative Element einer besonderen Beziehung zum Emittenten legen, die den Informationszugang erst ermöglicht. Zum Erfordernis einer Treue- oder treueähnlichen Pflicht ist es dann nur noch ein kleiner Schritt. Die nachfolgende Rechtsprechung bestätigte diese beiden Interpretationsmöglichkeiten. Kurioserweise sahen sich sowohl die BetUrworter der weiten Equal Access Theorie wie auch die Anhänger der restriktiven Fiduciary Duty Theorie mit der Cady, Roberts-Regel im Einklang41 • 11. Erweiterung: S.E.c. v. Texas Gulf Sulphur Co. (1968) In s.E.c. v. Texas Gulf Sulphur CO. 42 fand die Cady, Roberts-Regel ihre judizielle Bestätigung und Erweiterung zu einer allgemeinen Equal Access

39 Vgl. Harder, \0 J.Corp.L. 711, 718 (1985); kritisch zu den Fairneß-Erwägungen Bergmans, S.45. Zur Analyse der Cady Roberts-Entscheidung siehe auch McGrath, 61 Fordham L.Rev. 127, 129-\31 (1993). 40 Die S.E.C. suspendierte den Broker, der die Insiderinformation von seinem Kollegen aus dem Vorstand des Emittenten erhalten hatte, fur zwanzig Tage vom Handel am New York Stock Exchange. Sanktionen gegen die Brokerfirma Cady, Roberts & Co. oder gegen das den Tip gebende Vorstandsmitglied wurden nicht verhängt, vgl. In Re Cady, Roberts & Co.. a.a.O., S.917-918. 41

Ausflihrlieh zur Auflösung dieses Widerspruches, siehe unten Kap.2,

c.I.

42 s.E.c. v. Texas Gulf Sulphur Co., 401 F.2d 833 (2d Cir. 1968) (en bane), cert. denied, 394 U.S. 976 (1969).

B. Entwicklung

55

Theorie. Hiermit begann auch der bis heute andauernde, vielfach entscheidende Einfluß des Berufungsgerichts fur den Zweiten Bezirk (nachfolgend kurz: Second Circuit) auf die Entwicklung des U.S.-amerikanischen Insiderrechts 43 • Der Fall stellte über lange Zeit den in den U.S.A. verfolgten Ansatz zur Erfassung von Insidergeschäften im anonymen Kapitalmarkt dar. Er ist hier in seinen für die Theorie wesentlichen Teilen nachzuzeichnen 44 • J. Sachverhalt

Im November 1963 begann die Texas Gulf Sulphur Company (nachfolgend: TGS), eine Minengesellschaft, Explorationsbohrungen an einer vermuteten Erzlagerstätte in Kanada45 • Die ersten Ergebnisse waren so vielversprechend, daß die Unternehmensleitung sie zunächst geheimhielt. Dadurch wollte man verhindern, daß der Preis des über den Lagerstätten liegenden Landes, welches nun zu erwerben war, in die Höhe schnellte. Ende März 1964 erfolgten erneut erfolgreiche Probebohrungen. Diesmal ließen sich die Erzfunde nicht mehr geheim halten. Gerüchte überschlugen sich, TGS sei auf eine äußerst reiche Minerallagerstätte gestoßen. Erst Mitte April 1964 bestätigte das Unternehmen in einer Pressekonferenz die Funde, nachdem es diese noch wenige Tage zuvor öffentlich abgestritten hatte46 • Nach den jeweils erfolgreichen Probebohrungen und selbst noch in den Minuten unmittelbar nach der Pressemitteilung hatten mehrere eingeweihte Unternehmensangehörige in TGS-Aktien und entsprechende Kaufoptionen investiert. Während der gesamten Zeitspanne war der Preis für TGS-Anteile stetig gestiegen. Das Gewinnpotential erwies sich für die beteiligten Insider als enorm 47 •

43 Die praktische Erklärung für die hervorragende Bedeutung dieses Gerichts: Der Zuständigkeitsbereich des "Federal Court of Appeals for the Second Circuit" (2d Cir.) umfaßt New York City und damit auch den in Manhattan gelegenen "Federal District Court for the Southem District of New York" (S.D.N.Y.) als Eingangsinstanz. Kein Wunder also, daß das globale Finanzzentrum ersten Ranges immer wieder auch die wichtigsten Sachverhalte und Entscheidungen zum Insiderrecht hervorbringt. 44 Der Sachverhalt ist besonders im Hinblick auf die allmähliche Wandlung einer Unternehmensnachricht vom lediglichen Gerücht zur konkreten Insiderinformation schon mehrfach dargestellt worden; siehe Hopf/Will, S.6-9 und Voss, S.II-12.

45

s.E.c. v.

46

Zu dem komplexen Sachverhalt,

846.

Texas GulfSulphur Co., a.a.O., S.843.

s.E.c.

v. Texas GulfSulphur Co., a.a.O., S.844-

47 Der Kurs der TGS-Aktie stand zu Beginn der Bohrungen bei 17 3/8 U.S. Dollar, Ende März bei 26, kletterte selbst nach der anfänglichen Dementierung der Gerüchte auf 307/8, um nach der öffentlichen Bekanntgabe der Funde auf 363/8 zu springen und im

56

Teil 2, Kapitel I: Equal Access Theorie

2. Verbot für jeden Informationsinhaber

In seinen Entscheidungsgründen lehnte sich der Second Circuit zunächst eng an die in Cady, Roberts angeflihrten Überlegungen zum Regelungsgrund des Insiderrechts an. Danach darf niemand, der "direkt oder indirekt Zugang zu einer Information hat, die bestimmungsgemäß nur flir Zwecke der Gesellschaft verwendet werden darf', diese ausnutzen "in dem Wissen, daß die Information seinen Geschäftspartnern, das heißt den übrigen Marktteilnehmern nicht verfligbar ist"48. Die wichtige tatbestandliche Erweiterung der Cady, Roberts-Regel lag nun darin, daß das Gericht hier nur noch auf das faktische Kriterium des Informationszugangs abhob. Das in Cady, Roberts zusätzlich geforderte Element einer "besonderen Beziehung" zur Informationsquelle, die dem Insider die Kenntniserlangung ermöglicht, sprach man in s.E.C v. Texas Gulf Sulphur Co. nicht mehr an 49 . Dadurch bestätigte die Theorie des Insiderrechts ihre neue Richtung: Nur das Erfordernis einer "besonderen Beziehung" zwischen Informant und Informiertem hätte wegen seines normativen Gehalts eine tatbestandliche Auslesefunktion bei der Erfassung von Insidern übernehmen können. So aber ließ man schon die faktische Zugriffsmöglichkeit auf eine Insiderinformation als Haftungsvoraussetzung ausreichen. Zur Bestätigung dieses Ansatzes machte das Gericht vorliegend noch einen letzten klärenden Argumentationsschritt. Es kam zu der Schlußfolgerung, daß "somit jedermann, der im Besitz einer Insiderinformation ist"50 das Insiderhandelsverbot befolgen muß.

Mai 1964 schließlich 581/4 U.S. Dollar zu erreichen; S.E.c. v. Texas GulfSulphur Co., a.a.O., S.847. 48 s.E.c. v. Texas Gulf Sulphur Co., a.a.O., S.848: "Anyone who ... has access, directly or indirectly, to information intended to be available only for a corporate purpose and not for the personal benefit of anyone, may not take advantage of such information knowing it is unavailable to those with whom he is dealing, i.e. the investing public."

49 Siehe oben B.1.2 zu diesen bei den In Re Cady, Roberts & Co. aufgestellten Tatbestandskriterien. 50 s.E.C v. Texas Gulf Sulphur Co., a.a.O., S.848: "Thus, anyone in possession of material inside information must either disclose it to the investing public, or ... abstain from trading in or recommending the securities concerned". Ausflihrlich zu dieser Argumentation Kunkel, 15 J.Contemp.L. 51,75-80 (1989).

B. Entwicklung

57

3. Gleicher Injormationszugang im anonymen Markt s.E.C v. Texas Gulf Sulphur Co. trug erstmals ausdrücklich der Tatsache Rechnung, daß die meisten Wertpapiergeschäfte nicht "face-to-face"51, sondern anonym über die Börse abgewickelt werden. Das Gericht stellte nicht auf den Informationsunterschied zwischen einem Insider und seinem individuellen Geschäftspartner ab, sondern auf das informationelle Ungleichgewicht zwischen dem Insider und "der investierenden ÖffentIichkeit"52, das heißt, den anderen Anlegern insgesamt. Das leuchtet ein, wenn man bedenkt, daß ein Insider wegen der Zufalligkeit seiner Geschäftspartner gar nicht wissen kann, zu weIcher Person in concreto ein Informationsgefalle besteht. Diesen an den Marktgegebenheiten orientierten Regelungansatz hat der Second Circuit nicht nur bei der Formulierung, sondern auch bei der Begründung des Tatbestands deutlich gemacht. Das weitreichende Insiderhandelsverbot basiert demgemäß auf der "berechtigten Erwartung der Marktteilnehmer, daß alle Investoren, die an anonymen Märkten Geschäfte tätigen, relativ gleichen Zugang zu kursrelevanten Informationen haben"53. Diese Argumentation entnahm das Gericht des seiner Auffassung nach hinter Section 10 (b) S.E.A. stehenden gesetzgeberischen Willens. Der U.S. Kongress habe allen Investoren gleichen Zugang zu kursrelevanten Informationen einräumen wo 1len 54 . So veränderte sich das Verständnis des Fairneß-Gedankens. Man griff hierauf nicht mehr zurück, um die gegenseitigen Interessen innerhalb einer individuellen Zweierbeziehung von Wertpapierverkäufer und -käufer zu wahren 55 . Vielmehr entwickelte der Second Circuit wegen der Anonymität der Geschäftsbeziehungen im Kapitalmarkt hieraus das Gebot der Gleichheit (=Equal) aller Investoren beim Zugang (=Access) zu kursrelevanten (Unternehmens-) Informationen. Das war die Grundlage für den Wandel des Insiderrechts: Vom

51 Dazu näher oben Teil I, B.II.1. 52 "(T)he investing public", SEC v. Texas GulfSulphur Co., a.a.O., S.848. 53 "The rule is based in policy on the justifiable expectation of the securities marketplace that all investors trading on im personal exchanges have relatively equal access to material information", SEC v. Texas GulfSulphur Co. , a.a.O. S.848. 54 Die Interpretation von Rule IOb-5 im Sinne einer Equal Access Theorie ist demnach nichts anderes als "the implementation of the Congressional purpose that all investors should have equal access", SEC v. Texas GulfSulphur Co., a.a.O., S.848. 55 Die Cady, Roberts-Entscheidung hatte auf die Anonymität der getätigten Wertpapierverkäufe noch nicht ausdrücklich Bezug ge2ommen. Dort hatte man lediglich festgestellt, daß ein Insider unfair handelt, wenn er eine Information ausnutzt, die seinen Geschäftspartem nicht zugänglich ist; siehe oben B.1.2.

58

Teil 2, Kapitel I: Equal Access Theorie

Sonderrecht einiger professioneller Anleger mit besonderer Pflichtenstellung56 zur allgemeinen Verhaltenspflicht aller Marktteilnehmer, die von einer Insiderinformation Kenntnis erlangen.

4. Informationsbegriff s.E.C v. Texas Gulf Sulphur Co. legte auch die bis heute geltenden und mittlerweile vom U. S. Supreme Court bestätigten Grundlagen zur Bestimmung einer Insiderinformation. Man schuf eine Generalklausel, die eine Insiderinformation ausschließlich formal definiert und nicht an inhaltlichen Vorgaben festmacht. Dabei ist das entscheidende Kriterium einer solchen Information das der Kursrelevanz (materiality)57. Diese ist dann gegeben, wenn ein "vernünftiger Investor" der Information im Rahmen seiner Anlageentscheidung Bedeutung beimessen würde (reasonable investor rule)58.

Später hat der U.S. Supreme Court den Informationsbegriff im Rahmen der "materiality" weiter präzisiert. Danach handelt es sich um eine Insiderinformation, wenn ihre "Offenlegung nach dem vernünftigen Urteil eines durchschnittlichen Anlegers mit hoher Wahrscheinlichkeit die Gesamtmenge der zur Verfügung stehenden Informationen wesentlich verändert hätte"; dies ist der sog. "total mix test"59. In derselben Entscheidung erhöhte der U.S. Supreme Court auch die Anforderung an den Grad der subjektiven Wahrscheinlichkeit, mit der eine Information sich im Kurs eines Wertpapiers niederschlagen muß.

56 Diese PflichtensteIlung ergab sich aus strukturellen Informationsvorteilen; etwa wegen einer Führungsposition innerhalb eines Unternehmens oder auch wegen guter "Beziehungen" zu einem Manager, wie In Re Cady, Roberts, vgl. oben B.I.I.; ähnlich auch die Lösung des "common law" nach dem "special facts"-Ansatz, siehe oben Einführung I. 57 Der Kursrelevanz einer Information entspricht im U.S.-amerikanischen Recht die sog. "materiality", der Nicht-Öffentlichkeit die sog. "confidentiality". Zur Kursrelevanz als wichtigster Voraussetzung einer Insiderinformation, siehe oben Teil 1, c.n.2. 58 "(W)hether a reasonable man would attach importance ... in determining his choice of action in the transaction in question", S.E.c. v. Texas Gulf Sulphur Co., 401 F.2d 833, 849 (1968). Dieser Test zur Ermittlung von "materiality" wurde ausdrücklich bestätigt in Basic Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 240 (1988). 59 Nach TSC Industries Inc. v. Northway Inc., 426 U.S. 438, 449 (1976) ist eine Information "material", wenn "there is a substantial Iikelihood that the disclosure of the omitted fact would habe been viewed by the reasonable investor as having significantly altered the 'total mix' of information made available".

B. Entwicklung

59

Während die Berufungsinstanz ein "könnte" (might) gelten ließ, hob der U.S. Supreme Court diese Schwelle auf ein "würde" (would) an 60 . Aber auch eine Information, die sich auf ein Ereignis bezieht, dessen Eintritt aus objektiver Sicht unsicher ist, kann insiderrechtliche Relevanz haben. In diesem speziellen Fall bemißt sich die "materiality", indem man die Wahrscheinlichkeit (probability), daß das Ereignis eintritt und die Gewichtigkeit (magnitude), die es vor dem Hintergrund der sonstigen Aktivitäten des Emittenten 61 voraussichtlich haben würde, gegeneinander abwägt; dies ist der sog. "probability/magnitude test"62. Mit Hilfe dieser Maßstäbe läßt sich eine Information also immer nur anhand des Einzelfalles als Insiderinformation qualifizieren 63 • Für den Zweck dieser Untersuchung ist festzuhalten, daß sich der Kreis der von Insiderrecht betroffenen Personen aufgrund unterschiedlicher Haftungstheorien mehrfach geändert hat. Über die inhaltliche Reichweite des Informationsbegriffs haben sich gegensätzliche Auffassungen aber nie entwickelt. Es blieb immer bei einer Generalklausel ohne FestIegung auf bestimmte Inhalte 64 • Das hatte zwei Konsequenzen: Erstens ließen sich neben den traditionellen Unternehmens informationen auch Marktinformationen ohne Schwierigkeiten in das begriffliche Konzept der Insiderinformation einftigen6s . Zweitens war

60 TSC Industries Inc. v. Northway Inc., a.a.O., S.438, 449. Später hat der U.S. Supreme Court in Basic Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 238 (1988) diesen präzisierten Test nochmals ausdrücklich als maßgeblich auch für Insiderflille festgeschrieben. (Das Problem der "materiality" betrifft generell die Art und Weise wie Unternehmen zum Markt sprechen.)

61 Es handelt sich um den Emittenten der von der Information betroffenen Wertpa-

piere.

62 Die Qualifizierung einer Information mit spekulativem Einschlag bemißt sich danach "at any given time upon a balancing of both the indicated probability that the event will occur and the anticipated magnitude of the event in light of the totality of the company activity", Basic Inc. v. Levinson, 485 U.S.224, 239 (1988); vgl. auch schon s.E.c. v. Texas GulfSulphur Co., a.a.O., S.849. 63 Zur Analyse der maßgeblichen Entscheidung des U.S. Supreme Court in Basic Inc. v. Levinson, siehe Ferrara/Cr~spi, 26 Am.Bus.LJ. 325, 326-337 (1988). 64 Inhalt und Entwicklung des "materiality" Konzepts im Überblick bei McLaughlini Mac/ariane, in: Gaillard, S.285, 287-288. Näher Cox/HillmaniLangevoort, S.61-84; Koenig, 43 U.Miami L.Rev. 1021, 1041-1045 (1989); Graber/NolaniSams, 30 Am.Crim.L.Rev. 909, 915-918 (1993); Budzenl Frankowska, 12 B.U.lnt'l L.J. 91, 103106 (1994). Generell zur Qualifizierung einer Insiderinformation nach U.S.-amerikanischem Recht Fletcher, S.231-247; vgl. auch die ältere Darstellung bei Wojtek, S.140144, 156. 6S Zum Unterschied zwischen Unternehmensinformationen und Marktinformationen, siehe oben Teil 1, C.II.1.

60

Teil 2. Kapitel I: Equal Access Theorie

hierdurch schon früh vorgezeichnet, daß sich die weitere Entwicklung der Insiderrechtstheorie ausschlaggebend am Begriff des Insiders orientieren würde 66 •

III. Anwendung auf Tipempfänger und Marktinsider Im Anschluß an die Entscheidung in s.E.C v. Texas GulfSuiphur Co. reichte schon die bewußte Kenntnis einer kursrelevanten Information aus, um die Stellung als Insider zu begründen. Theoretisch mußte diese sehr weitgespannte Haftung somit auch für Tipempfanger und Marktinsider gelten67 • Praktisch stand diese Bewährungsprobe für die Equal Access Theorie aber noch aus. Denn bei den Insidern in Texas Gulf Sulphur hatte es sich primär um Angestellte des Emittenten gehandelt. Daneben waren zwar auch Angehörige und Freunde verurteilt worden. Diese hatten den Unternehmensinsidern aber persönlich nahe gestanden, so daß das Gericht ihre Insidergeschäfte ohne nähere Analyse als ebenso vorwerfbar ansah 68 • In der Folgezeit bestätigte sich zwar die Equal Access Theorie; die Gerichte wendeten sie grundsätzlich auch auf Tipempfanger und Marktinsider an. In beiden Fällen aber wurden zusätzliche Tatbestandserfordernisse aufgestellt, die den weitgreifenden Ansatz in s.E.C v. Texas Gulf Sulphur Co. wieder einschränkten. Hierin kam letzi ich das Unbehagen zum Ausdruck, tatsächlich schon alle Personen, die bewußte Kenntnis einer Insiderinformation haben, als Insider zu qualifizieren und möglicher Haftung zu unterwerfen. l. Tipempjänger

In dem Verfahren namens In Re Investors Management CO. 69 ermittelte die S.E.C. die Insiderhaftung eines Tipempfangers erstmals anhand der Equal Access Theorie. Es ging um folgenden Sachverhalt: Die Merrill Lynch Investmentbank betreute die Emission von Schuldverschreibungen durch die Douglas Aircraft Company. Im Rahmen dieser Geschäftsbeziehung informierte die Douglas Company die Merrill Lynch Bank vertraulich darüber, daß der Unternehmensgewinn erheblich unterhalb vorheriger Schätzungen liegen wür-

66

Zu den vier Tatbestandselementen einer Insiderregelung, siehe oben Teil 1, C.

67

Vgl. oben Teil 1, C.I.2.

68 Ihr Verhalten war "equally reprehensible" wie das der Unternehmensmitarbeiter selbst, s.E.c. v. Texas GulfSulphur Co., 401 F.2d 833, 853 (2d Cir. 1968).

69

In Re Investors Management Co., 44 S.E.C. 633 (1971).

B. Entwicklung

61

de 70 . Einige Merrill Lynch Mitarbeiter gaben diese Infonnation an wichtige Großanleger-Kunden (institutional investors) ihrer Bank weiter 71 . Diese wurden dadurch zu Tipempfangem der Unternehmensnachricht des Emittenten. Sie standen mit der Douglas Company ansonsten aber in keinerlei Beziehung; lediglich einige Merrill Lynch Mitarbeiter waren als das vennittelnde Bindeglied aufgetreten. Die vorgewarnten Großanleger verkauften sofort ihre Douglas-Aktien 72 • Nachdem die Nachricht über die stark nach unten korrigierte Gewinnerwartung der Douglas Company veröffentlicht worden war, fiel ihr Aktienkurs beträchtlich. Zunächst stellte die S.E.c. fest, daß die Haftung eines Tipempfangers keine den Infonnationszugang ennöglichende "besondere Beziehung" zum Emittenten voraussetzt. Ebenso müsse der Infonnationsempfanger auch nicht wissen, daß sein InfonnantlTipgeber mit der Infonnationsweitergabe einen Treuebruch begehe 73 • Die S.E.C. kam also zu dem Ergebnis, daß das Insiderhandelsverbot auch für einen Tipempfanger schon gilt, sobald dieser Kenntnis von einer Insiderinfonnation erlange4 • Einschränkend qualifizierte die S.E.c. den Haftungstatbestand jedoch dahingehend, daß der Tipempfanger "wissen müsse, daß die Infonnationsquelle des Tipgebers der Emittent ist"75. Im vorliegenden Fall war dieses Kriterium zwar erfüllt. Dennoch bedeutete es eine teilweise Durchbrechung des Equal Access Gedankens. Denn es ist inkonsequent, einen Tipempfanger, der bewußte Kenntnis einer Insiderinfonnation hat und dadurch den Tatbestand nach der

70

In Re Investors Management Co., a.a.O., S.636.

71 In concreto war der Informationsweg freilich verschlungener, wie häufig in der Praxis: Die Insiderinformation wanderte von der Emissionsabteilung (underwriting department) der Bank über die Analyse- bis zur Beratungsabteilung; erst von dort wurde sie schließlich an die Großkunden weitergegeben; siehe In Re Investors Management Co., a.a.O., S.636. 72 Die Großanieger versuchten nicht nur, auf unlautere Weise Verluste zu vermeiden, sie wollten auch zusätzliche Gewinne einstreichen. Sie verkauften deshalb nicht nur Douglas-Aktien im großen Umfang, sondern tätigten darüberhinaus auch Leerverkäufe; In Re Investors Management Co., a.a.O., 636. 73

In Re Investors Management Co., a.a.O., S.643.

74 In Re Investors Management Co., a.a.O., S.644. Die gerichtliche Bestätigung dieser Entscheidung erfolgte unter anderem Fall-Namen in Shapiro v. Merrill Lynch, Pierce, Fenner & Smith Inc., 495 F.2d 228 (2d Cir. 1974).

75

In Re Investors Management Co., a.a.O., S.641. Dazu Rider/Fjrench, S.75 m.w.N.

62

Teil 2, Kapitel I: Equal Access Theorie

Equal Access Theorie bereits erflillt, nur deshalb von der Haftung freizustellen, weil er über die Herkunft der Infonnation nichts weiß 76 •

2. Marktinsider Auch am Typus des Marktinsiders mußte sich die Equal Access Theorie in der Praxis beweisen. Der später in der juristischen Literatur berühmt gewordene Vincent Chiarella, ein Angestellter bei einer Finanzdruckerei, war ein solcher Marktinsider77 • In seinem Fall bestätigte sowohl die erst- als auch die zweitinstanzliche Gerichtsentscheidung die Geltung der Equal Access Theorie 78 . Allerdings gelangte man auch hier zu einer vom einheitlichen Regelungsansatz abweichenden Einschränkung des Tatbestands, ähnlich wie schon bei den Tipempfangem. Der Second Circuit flihrte nämlich aus, daß das Insiderhandelsverbot nur flir diejenigen Marktinsider gelte, die "regelmäßig" mit Insiderinfonnationen in Berührung kommen 79 • Die Frage, ob ein Marktteilnehmer haftet, wenn er Insiderinfonnationen nur einmalig oder selten, jedenfalls nicht "regelmäßig" erhält, konnte nicht mehr beantwortet werden. Denn die Chiarella-Rechtsprechung des U.S. Supreme Court beendete wenig später die weitere Anwendung der Equal Access Theorie.

76 Schon RideriFfrench, S.76 erkennen, daß diese Voraussetzung für Insiderhaftung bei Tipempfängem einen Bruch mit dem ansonsten einheitlichen Ansatz der Equal Access Theorie bedeutet; ebenso Karmel, 59 Brook.L.Rev. 149, 156-157 (1993); vgl. Wojtek, S.130-135. 77

Ausführlich zu Chiarella v. United States unten Kap.2, B.I.

78 Nach United States v. Chiarella, 588 F.2d 1358, 1362 (2d Cir. 1978) ist gleicher Informationszugang notwendig "for reasoned and intelligent investment decisions"; ebenso die erstinstanzliche Entscheidung United States v. Chiarella, 450 F.Supp 95 (S.D.N.Y. 1978). Vgl. auch den Fall Zweig v. Hearst Corp., 594 F.2d 1261 (9th Cir. 1979), der eine der letzten Entscheidungen enthält, bei der die Insiderhaftung auf der Equal Access Theorie beruht.

79 "(A)nyone - corporate insider or not - who regularly (Hervorhebung d. Verf.) receives material non-public information may not use that information to trade in securities without incurring an affirmative duty to disclose", United States v. Chiarella, 588 F.2d 1358, 1365 (2d Cir. 1978). Kritisch zu dieser tatbestandlichen Einschränkung des Equal Access Gedankens Bergmans, S.57; RiderlFfrench, S.75-76.

C. Kritik

63

c. Kritik "Willkommen im Polizeistaat"so. So und ähnlich hallten Schreckensrufe nach der Entscheidung in s.E.c. v. Texas Gulf Sulphur Co. ab Ende der 60er Jahre durch die U.S.-amerikanische Finanzwelt. Hierin kam die bis heute angeführte Hauptkritik an der Equal Access Theorie zum Ausdruck. Diese Kritik bemängelt die Weite des RegelungsansatzessI. Man befürchtete, daß gleichzeitig mit dem "Übel" Insiderhandel auch die Tätigkeit wichtiger Marktakteure, der sog. Finanzintennediäre s2 verhindert werde. Die U.S.-amerikanischen Stimmen in Rechtsprechung und Wissenschaft teilten sich so in zwei Lager: Auf der einen Seite dachte man, die Equal Access Theorie sei zu undifferenziert, ihr Tatbestand könne die notwendigen Unterscheidungen beim Zusammenspiel der unterschiedlichen Marktteilnehmer nicht leisten. Auf der anderen Seite stand die Überzeugung, daß die Integrität des Kapitalmarktes und der Schutz des Anlegervertrauens eine Insiderrege\ung erfordern, die alle Marktteilnehmer auf gleiche Weise erfaßt, sobald sie Insiderinfonnationen erfahren. Beide Auffassungen stellten sich häufig nur einseitig dar. Deshalb zunächst einige Begriffsklärungen. I. Gleichheit der Marktteilnehmer I. Information

Die Equal Access Theorie will allen Anlegern Wertpapiergeschäfte auf gleicher Infonnationsgrundlage ennöglichen. Sie deshalb als "parity of infonnation", also "Infonnationsgleichheits"theorie darzustellen, ist jedoch mißverständlich s3 . Denn ihr Ziel ist nicht, qua Rechtsbefehl gleiche Infonnationsverteilung so Vgl. heute ähnlich Trölitzsch, ZGR 1994,547,548, der ein "polizeirechtlich organisiertes" Kapitalmarktrecht sieht; auch Ernst, WM 1990, 461 in Bezug auf Deutschland mit der bangen Frage "Alle Börsianer künftig Insider?". SI Frühzeitig schon Ruder, 63 NW.U.L.Rev. 423, 439 (1968); siehe heute zusammenfassend Kraakman, in: HoptlWymeersch, S.39, 41-42: "The broad sweep of the Equal Access Theorie has also proven to be its chief weakness". S2 Zum Konflikt (dessen Bestehen von Anfang an umstritten war) zwischen der Equal Access Theorie und der Tätigkeit der Wertpapieranalysten, die in U.S.A. eine eminent wichtige Rolle für das Kapitalmarktgeschehen spielen, ausführlich Seligman, 73 Geo.L.J. \083, 1120-1124 (1985); Bergmans, S.56-57. S3 Die Equal Access Theorie ist von ihren Gegnern aber häufig dahingehend interpretiert worden, maßgeblich so vor allem in der späteren Entscheidung Chiarella v. United States, 445 U.S. 222, 233-234; zur vom ursprünglichen Ansatz abweichenden Interpretation vgl. auch Brudney, 93 Harv.L.Rev. 322, 355 (1979) und Harder, \0 J.Corp.L. 711, 731-732jeweils m.w.N.

64

Teil 2, Kapitell: Equal Access Theorie

innerhalb des Kapitalmarktes herzustellen. Das wäre gar nicht durchführbar, schon wegen der erheblichen Kapazitäts- und Qualitätsunterschiede, die bei der Informationserlangung, -analyse und -verarbeitung zwischen den verschiedenen Marktteilnehmern bestehen 84 •

2. Zugang Um gleichen Informationsstand bei Wertpapiergeschäften zu ermöglichen, schafft die Equal Access Theorie lediglich gleichen Zugang zu Informationen, die für überlegte Anlageentscheidungen wichtig sind85 • Diese Beschränkung folgt schon daraus, daß kein Anleger zur Kenntnisnahme von Informationen gezwungen werden kann. Besonders dann nicht, wenn dies mit zusätzlichen Kosten, z.B. für die Analyse, verbunden ist. Also kann es schon faktisch nur um die Ermöglichung gleichen Zugangs gehen. Ob diese Möglichkeit tatsächlich wahrgenommen wird, bleibt dem einzelnen Anleger überlassen. Entscheidend sind nur solche Hindernisse bei der Informationsbeschaffung, die ein Marktteilnehmer nicht durch eigene Anstrengung und mit legalen Mitteln überwinden kann 86 • Beispielsweise kann ein Privatanleger nicht durch eigene Anstrengung an vertrauliche Unternehmensinformationen gelangen; zur Kenntniserlangung müßte er sie stehlen oder private Informationskanäle zu Unternehmensinsidern haben. Zu Daten, die sie sich hinter solchen undurchdringlichen Informationsbarrieren verbergen, besteht kein gleicher Zugang; sie dürfen nicht ausgenutzt werden.

3. Relativität Die Marktteilnehmer sind gleichgestellt nur bezüglich ihrer rechtlichen, nicht auch im Hinblick auf ihre jeweiligen wirtschaftlichen oder intellektuellen Zugangsmöglichkeiten zu kursrelevanten Informationen. Ihre Chancengleichheit ist also nur relativ. Wenn ein Investor allgemein zugängliche Markt- und Unternehmensdaten besser analysieren kann als ein anderer, dann darf er diese

84 Cox, 1986 Duke L.J. 628, 631 spricht deshalb vom "utopian dream of information parity among investors".

85 Siehe dazu die Urteilsbegründung in s.E.C v. Texas Gulf Sulphur Co., a.a.O., oben B.II.3., S.848. 86 Anschaulich Brudney, 93 Harv.L.Rev. 322, 355 (1979), er nennt dies "exploiting an unerodable informational advantage, that is, confidential information from which other traders are legally excluded".

C. Kritik

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ohne weiteres zu einem vorteilhaften Wertpapiergeschäft ausnutzen 87 • Wer demgegenüber den organisatorischen, zeitlichen oder finanziellen Aufwand, der für die Sammlung und Analyse geschäftserheblicher Daten erforderlich ist, nicht leisten will oder kann, der bleibt trotz des Insiderhandelsverbots ungeschützt gegenüber einer möglichen Übervorteilung durch andere Anleger. 11. Notwendige Unterscheidungen

1. Marktteilnehmer Ein funktionierender Kapitalmarkt hat unterschiedliche "Mitspieler". Häufig bestimmen Großanleger das Bild. Die Attraktivität eines Finanzplatzes mißt sich jedoch auch am Umfang der Teilnahme von Kleinanlegern 88 • Darüberhinaus erfüllen Finanzintermediäre (beispielsweise Banken, Analysten, Wertpapierhändler) wichtige Marktfunktionen. Wegen ihrer Vermittlerfunktion geraten sie häufiger als andere Marktteilnehmer mit Insiderinformationen in Kontakt89 • Insiderrecht darf dieses Zusammenspiel marktwichtiger Tätigkeiten nicht durch eine undifferenzierte Sanktionsdrohung erdrosseln. Es muß einen hinreichend differenzierenden Haftungstatbestand bereitstellen, um die notwendigen Unterscheidungen zwischen den einzelnen Kapitalmarktteilnehmern treffen zu können. Bei der Equal Access Theorie ist das problematisch, weil jedermann schon durch die Kenntnis einer Insiderinformation zum Insider wird. Seine Steilung und Funktion im Markt liefern keinerlei Abgrenzungskriterium für die Anwendung des Insiderrechts. Vorsatz- und Kausalitätserfordernisse bilden die einzigen Haftungsfilter. Nur sie ermöglichen es, rechtswidrige Insiderpraktiken von rechtmäßigen Wertpapiergeschäften zu unterscheiden. Die deutliche Ausprägung dieser Kriterien ist bei der Equal Access Theorie deshalb besonders wichtig.

87 Instruktiv zu diesem häufig nicht genügend berücksichtigten Effekt der Equal Access Theorie Justice Blackmun in seiner "dissenting opinion" zu Chiarella v. United States, 445 U.S. 222, 252: "(P)arity of access (as opposed to parity of information) gives free rein to certain kinds of informational advantages that the former might foreelose, such as those that result from differences in diligence or acumen ... ; it helps to ensure that advantages obtained by honest means reap their full reward". 88

Vgl. oben Teilt, B.!.I.

Wertpapieranalysten sind darauf spezialisiert, wesentliche Informationen zu sammeln und kontinuierlich zu bewerten und dadurch möglicherweise selbst neue Insiderinformationen zu erzeugen; weiterführend dazu unten Teil 4, G.n. I. 89

5 Weber

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Teil 2, Kapitell: Equal Access Theorie

2. Vorsatz

Ein Insidergeschäft verlangt nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv vorwerfbares Handeln. Andernfalls verstieße nach der Equal Access Theorie schon jeder Marktteilnehmer gegen das Insiderhandelsverbot, in dessen Anlageentscheidung zwar eine objektiv kursrelevante Information miteinfließt, der aber von dieser Qualität der Information gar nichts weiß. Dementsprechend hat man bereits in s.E.C v. Texas Gulf Sulphur Co. darauf hingewiesen, daß ein Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot nur vorsätzlich begangen werden kann 90 . Die Haftung eines Insiders setzt voraus, daß die Tathandlung wissentlich (scienter) erfolgt; fahrlässiges Verhalten ist nicht geeignet, Insiderhaftung zu begründen91 • Unklarheit bestand seit langem aber über die Anforderungen, die an den Nachweis der Kenntnis des Insiders vom "inside"-Charakter der Information zu stellen sind. Dieses Wissen hat die Rechtsprechung besonders den Unternehmensinsidern häufig unterstellt. Demzufolge haben Unternehmensinsider wegen ihrer Tätigkeit für den Emittenten quasi per definitionem einen subjektiven Kenntnisstand, der sie haftbar macht, wenn sie eine Unternehmensinformation, die objektiv eine Insiderinformation ist, verwerten 92 • Das ist eine in der Praxis kaum zu widerlegende Vermutung für die subjektive Kenntnis vom "inside"Charakter einer Information. Nur bei Tipempfangern und Marktinsidern konnte man nicht schon aus der Tatsache, daß sie objektiv über eine Insiderinformation verfügen, automatisch auf ihr Wissen um die Kursrelevanz der Information schließen 93 • Das verbietet

90 SEC v. Texas GulfSulphur Co., 401 F.2d 833, 855; vgl. dazu ausführlich Ruder, 63 Nw.U.L.Rev. 423 ff. (1968). 91 Dieses Tatbestandselement hat der V.S. Supreme Court mehrfach bestätigt. Siehe Ernst & Ernst v. Hoch/eider, 425 U.S. 185, 193-194 (1976); Aaron v. SEC, 446 U.S. 680, 689-695 (1980): "(A) mental state embracing intent to deceive, manipulate or defraud". Das "Scienter"-Kriterium hat man insbesondere zur Bestimmung des gen auen Umfangs der zivilrechtlichen Insiderhaftung entwickelt. Dort umschließt es neben "bewußter Täuschung" (knowing deception) auch bewußte Fahrlässigkeit (recklessness). Zum Streit über die Reichweite des Begriffs der "recklessness" und die Abgrenzung zur Fahrlässigkeitshaftung Langevoort, S.91; Bergmans S.26-27 m.w.N.

92 Siehe anschaulich SEC v. Monarch Fund, 608 F.2d 938,941 (2d Cir. 1979): Das Gericht führte aus, daß Unternehmensinsider "almost by definition have a degree of knowledge that makes them culpable if they trade on inside information. As officers, directors, or employees of a company, they are presumed to know when information is undisclosed ... (b )ecause of their positions, insiders know when they have the kind of knowledge that is likely to affect the value of stock". 93 Freilich durften sich Tipempfanger und Marktinsider der Wahrnehmung einer Information als "inside" auch nicht bewußt verschließen.

C. Kritik

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sich schon deshalb, weil diese Marktteilnehmer eine Insiderinformation auf vielfältige Weise und häufig indirekt erlangen können 94 • Die Rechtsprechung unterstellte allerdings auch diesen Personen Kenntnis vom "inside"-Charakter einer Information, wenn sie wissen oder wissen mußten, daß die Information durch unlautere Offenlegung seitens eines Unternehmensinsiders erlangt wurde 95 •

Unklar blieben allerdings die Haftungsvoraussetzungen filr den umgekehrten Fall; also die Frage, ob die Insiderhaftung eines Tipempfängers auch dann eintritt, wenn er die Information zwar zutreffend filr kursrelevant hält aber nicht weiß, daß sie von einem Unternehmensinsider stammt. Die Fragestellung bedeutete Rechtsunsicherheit vor allem filr entfernte Tipempfänger. Diese haben häufig keine hinreichende Übersicht über den Gang der Information; sie können daher nicht abschätzen, ob die erhaltene Information von einem Unternehmensinsider stammt oder nicht. Bis heute besteht keine hinreichende Klarheit über die genauen Konturen des subjektiven Tatbestands beim Insiderhandel. Im Rahmen der Equal Access Theorie wirkte sich dies besonders bei Tipempfängern und Marktinsidern störend auf die Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit aus96 • 3. Kausalität

Die Equal Access Theorie kann das ungestörte Funktionieren des Kapitalmarkts auch dann gefährden, wenn keine Rechtssicherheit über die Kausalitätsanforderungen des Verbotstatbestands besteht. Falls keine Kausalität zwischen dem Insiderwissen und der Ausfilhrung des entsprechenden Wertpapiergeschäfts verlangt ist, wird wegen der weitreichenden Sanktionsdrohung jegliches Geschäft mit solchen Wertpapieren behindert, über die der Ausfilhrende Insiderinformationen hat.

94 Zu den vielfältigen Möglichkeiten für Nicht- Untemehmensinsider an eine Insiderinformation zu gelangen vgl. s.E.c. v. Monarch Fund, 608 F.2d 938, 942 (2d Cir. 1979): "(T)he kinds of factual situations in wh ich they acquire their information are innumerable" .

95 In Re Investors Management Co., 44 S.E.C. 633, 641 (1971); siehe dazu auch oben B.III.l. In dem Fall kam das Gericht zu dem Schluß, daß die GroßanIeger als sachverständige Informationsempfänger wenn nicht positive Kenntnis so zumindest vorwerfbare Unkenntnis (Wissenmüssen) davon hatten, daß die Insiderinformation "had been obtained improperly by selective revelation or otherwise". 96 Zu den Unklarheiten über den Umfang des subjektiven Tatbestands beim Insiderhandel OlsoniSturc/Lins, 85 Nw.U.L.Rev. 715, 721 (1991); BudzeniFrankowska, 12 B.U.lnt'l L.J. 91, 106-107 (1994); Olson u.a., 41 Bus.Law. 223, 240-242 (1985); weiterführend Fleteher, S.248-256; Wang/Steinberg, S. 167-177.

5*

Teil 2, Kapitell: Equal Access Theorie

68

Die Fälle, in denen die Equal Access Theorie entwickelt wurde, trugen zur Definition eines Kausalitätskriteriums nicht viel bei. Das lag daran, daß es sich häufig um Unternehmensinsider oder deren unmittelbare Tipempfanger handelte 97 • Weil diese typischerweise besonders gute Kenntnis von der Qualität einer Information und ihrer Kursrelevanz haben 98 , ließ sich bei ihnen der Kausalzusammenhang zwischen Insiderwissen und dem Abschluß eines günstigen Wertpapiergeschäfts besonders leicht unterstellen. Uneinheitlich war die von der S.E.c. verfolgte Linie. Manchmal verlangte sie, die Insiderinformation müsse zumindest ein "Faktor" bei der Entscheidung zum Wertpapiergeschäft gewesen sein99 • In anderen Fällen verzichtete sie vollständig auf einen Kausalitätsnachweis loo ; ein Insider hatte dann keine Entlastungsmöglichkeit, durch die er hätte nachweisen können, daß er zwar Kenntnis von einer einschlägigen Insiderinformation gehabt, diese bei dem Wertpapiergeschäft aber nicht verwendet hat. Auch die aktuelle U.S.-amerikanische Rechtsprechung kennt kein einheitliches Kausalitätskriterium. Im Gegenteil, neuere Entscheidungen des traditionell einflußreichen Second Circuit deuten an, daß die Judikatur den sog. "use"-Test zugunsten des sog. "knowing possession"-Test aufgibt lol : Danach ist es für die Haftung eines Insiders ausreichend, wenn man ihm nachweisen kann, daß er ein günstiges Wertpapiergeschäft getätigt hat, während er in "wissentlichem Besitz" (knowing possession) hierauf bezogener Insiderinformationen war 102 • Ein Nachweis, daß er sein Insiderwissen zum Geschäftsabschluß ausgenutzt hat (use), ist nicht erforderlich. Ein Kausalzusammenhang braucht nicht zu bestehen l03 • Der Second Circuit sah sich zu dieser Deutung gezwungen. Er argumentierte, andernfalls könne ein Insider immer irgendeinen ligitimen Grund für

97

Vgl. oben zum Fall In Re Cady, Roberts & Co., 8.1.2.

Zeitweilig entstand sogar eine Kausalitätsvermutung for die Ausnutzung vorliegender Insiderinformationen (presumption of reliance) bei einem inhaltlich entsprechenden Geschäftsabschluß; dazu Langevoort, 70 Calif.L.Rev. 1, 43-44 (1982). 98

99 Siehe In Re Investors Management Co., 44 S.E.c. 633, 641, 646 (1971); dazu auch OlsoniSturc/Lins, 85 Nw.U.L.Rev.715, 721 (1991). 100

In Re Sterling Drugs, Inc., 14 S.E.C. Docket 824, 827 (18 April, 1978).

101 United States v. Teicher, 987 F.2d 112, 119-121 (2d Cir. 1993); vgl. auch v. Baker, 93 Civ. 7398 (S.D.N.Y. 1993).

s.E.c.

102 Zum "possession"- bzw. "use"-Test näher Wang/Steinberg, S.176-182; Cheek, C903 ALI-ABA 439, 446-448 (1994). 103 United States v. Teicher, a.a.O., S.l13, 119; in diesem Fall hatte das Ausgangsgericht die Jury instruiert, sie müsse für eine Verurteilung keinen Kausalzusammenhang (causal relationship) zwischen dem Insiderwissen und dem Wertpapiergeschäft des Angeklagten finden.

C. Kritik

69

sein Wertpapiergeschäft angeben l04 und einen Kausalitätsnachweis stets vereiteln 105. Der Verzicht auf Kausalität ist besonders problematisch bei Marktteilnehmern, die zwar aus beruflichen Gründen Insiderinformationen erfahren, zu deren Aufgaben es davon unabhängig aber gehört, Wertpapiergeschäfte abzuschließen lO6 • Hier bedroht die Insidersanktion die Berufsausübung IO? Darüberhinaus ermöglicht ein fehlendes Kausalitätskriterium sogar, einem Anleger eine Insiderinformation über die von ihm anvisierten Wertpapiere quasi aufzudrängen. Hierdurch ließen sich zum Beispiel bestimmte Wertpapiertransaktionen eines Konkurrenten verhindern. Denn der so in Kenntnis gesetzte Anleger müßte auf das geplante Geschäft verzichten, weil er ansonsten ein Insidergeschäft abschließen würde; und das, obwohl der Erhalt der Information nicht kausal fiir den bereits geplanten Geschäftsabschluß war lO8 • 4. Konsequenz

Insgesamt konnte der insiderrechtliche Verbotstatbestand im Rahmen der Equal Access Theorie die fiir das reibungslose Funktionieren des Kapitalmarkts notwendigen Unterscheidungen zwischen den Marktteilnehmern nur eingeschränkt leisten. Insbesondere gab es keine rechtssichere Differenzierung im Hinblick auf Vorsatz und Kausalität als Elemente des Verbotstatbestands. Dies wäre bei einem Regelungsansatz, der schon jeden Inhaber einer kursrelevanten Information zum Insider macht, besonders wichtig gewesen. So aber fehlten verläßliche Haftungsfilter.

104 United States v. Teicher, a.a.O., S.120, verweist auf die "special difficulty ofpolicing securities trading, in which traders can almost always assert legitimate reasons for their buying and selling", und fUhrt dann weiter bildhaft aus: "Unlike a loaded weapon which may stand ready but unused, material information can not lay idle in the human brain."

105 United States v. Teicher, a.a.O., S.121: "(A) requirement of a causal connection between the information and the trade could frustrate attempts to distinguish between legitimate trades and those conducted in connection with inside information"; ausführlich zu diesem Fall Wang/Steinberg, S.180-182.

106 Zum Beispiel Börsenhändler oder Marketmaker. Zum Zusammenspiel unterschiedlicher beruflicher Marktteilnehmer; siehe oben C.1I.1.; vgl. auch unten Teil 4,

D.II.

10? Siehe Bergmans, S.128 zum Problem, wenn Insiderwissen nicht durch Intelligenz oder Zufall entsteht, sondern ein "unvermeidlicher Teil der Berufsausübung ist". 108

Vgl. auch Langevoort, 70 CalifLRev. 1, 43-44 (1982).

70

Teil 2, Kapitell: Equal Access Theorie

Vor dem Hintergrund dieses grobkörnigen Tatbestands mußte die Equal Access Theorie, unabhängig von ihren konzeptionellen Vorzügen, zwangsläufig als zu weitreichend erscheinen, um das Insiderproblem genau zu erfassen. Die Equal Access Theorie, ebenso wie die ihr nachfolgenden Regelungsansätze können bis heute nicht auf zweifelsfreie Kausalitäts- und Vorsatzkriterien zurückgreifen. IH. Widerspruch

Die Equal Access Theorie hat sich bei der Erfassung des Insiderproblems ausschlaggebend am übergeordneten Gesetzeszweck der U.S.-amerikanischen Kapitalmarktgesetzgebung orientiert. Dadurch geriet sie in Widerspruch zum Gesetzeswortlaut der als Haftungsgrundlage herangezogenen Rule IOb-5. Dieser Gegensatz war schließlich der äußere Anlaß für das Ende der Equal Access Theorie. 1. Gesetzeszweck

Durch Erlaß des Securities Exchange Act von 1934 wollte der U.S.-amerikanische Gesetzgeber das Vertrauen der Anleger in die Fairneß und die Integrität des Kapitalmarktes zurückgewinnen lO9 • Dies war das wesentliche Regelungziel. Vor allem Anleger, die sich im Kapitalmarkt nicht auskannten, sollten zukünftig vor Übervorteilung durch Kenner des Marktes geschützt werden. Insbesondere wollte man ihnen ermöglichen, am Wertpapierhandel teilzunehmen, ohne informationelle Nachteile befürchten zu müssen 110. Im Hinblick auf die Insiderproblematik sah die Rechtsprechung diese Aufgabe nur erfüllt, indem sie eine weitgreifende Equal Access Theorie entwikkelte. Die UrteilsbegrUndung in s.E.c. v. Texas GulfSulphur Co. orientiert sich ausdrücklich an diesem Gesetzeszweck 111.

109 Das Anlegervertrauen hatte zuvor wegen weitverbreiteter betrügerischer Machenschaften stark gelitten und so den Börsencrash von 1929 mitverursacht. Zur "New Deal" Gesetzgebung des damaligen V.S.-Präsidenten F.D.Roosevelt ausführlich Thel, 42 Stan. L.Rev. 385, 394-424 (1990); siehe auch Seligman, 73 Geo.L.J. 1083, 1115 (1985); Brudney, 93 Harv.L.Rev. 322, 334-335 (1979); Bunch, 17 San Diego L.Rev. 725, 740 (1980). 110 Dazu Seligman, 73 Geo.LJ. 1083, 1115-1116 (1985); Harder, 10 J.Corp.L. (1985)711,734-735. 111 s.E.c. v. Texas GulfSulphur Co., 401 F.2d 833, 848 (2d Cir. 1968): Als Grund dafür, das Insiderhandelsverbot in eine später so benannte Equal Access Theorie einzukleiden, bezeichnete der Second Circuit "the implementation of the Congressional

C. Kritik

71

2. Gesetzeswortlaut

Der Wortlaut von Rule lOb-5 geriet bei der Begründung des Equal Access Konzeptes aus dem Blickfeld l12 • Er erfordert als Tathandlung eine Täuschung (fraud or deceit upon any person); dafiir ist grundsätzlich eine identifizierbare Zweierbeziehung zwischen Täuschendem und Getäuschtem erforderlich. Diese Voraussetzung konnte das auf der Equal Access Theorie basierende Insiderhandeisverbot nicht erfiillen. Es ist auf anonyme Marktbeziehungen zugeschnitten, bei denen die Geschäftspartner einander gerade nicht identifizieren können 113. Das fiihrte dazu, daß die Rechtsprechung das "fraud"-Erfordernis nicht als Tatbestandsmerkmal verwendete, obwohl es Teil des Gesetzeswortlauts ist 114. Die Gerichte ließen es häufig unbeachtet; man sah in Section 10 (b) des S.E.A. und damit auch in Rule IOb-5 lediglich einen Auffangtatbestand, der ausschließlich im Lichte des übergeordneten Gesetzeszwecks zu interpretieren sei" 5• Auf die Dauer konnte dieses Vorgehen nicht darüber hinwegtäuschen, daß hiennit das haftungsbegrenzende Erfordernis einer Täuschungshandlung ausgehöhlt wurde. Der aufgezeigte Widerspruch verdeutlicht die fonnale Schwäche, die der Equal Access Theorie bereits als "Geburtsfehler" mitgegeben war: Einerseits wollte sie Chancengleichheit gerade auch bei anonymen Wertpapiergeschäften

purpose (Hervorhebung d.Verf.) that all investors have equal access"; zur Berufung auf den ausschlaggebenden Gesetzeszweck weiter ausführlich, a.a.O., S.858-861; ähnlich auch In Re Faberge, Inc., 45 S.E.c. 249,254 (1973). In dieser Deutung sah man sich auch dadurch bestätigt, daß mehrere Vorschriften des S.E.A. Regelungen beinhalten, die gleichen Informationszugang verlangen; dazu McGrath, 61 Fordham L.Rev. 127, 131132 (1993) sowie Seligman, 73 Geo.LJ. 1083, 1108-1112 (1985) m.w.N., der Sections 16 (b), 9 und 11 (b) des S.E.A. als Beispiele nennt. 112 Das Gericht in s.E.C Texas Gulf Sulphur Co., a.a.O., S.861, war sich dessen durchaus bewußt: "Indeed, at times the purpose may be so manifest as to override even the explicit word used." 113

Näher dazu oben Teil 1, B.II.2.

114 Dazu Seligman, 73 Geo.LJ. 1083, 1115 (1985); Harder, 10 J.Corp.L. 711, 737 (1985); Bergmans, S.46, jeweils m.w.N.; Kidd, 18 Del.J.Corp.L. 101, 130-132 (1993) hält sogar ausdrücklich auch den Wortlaut von Rule IOb-5 flir vereinbar mit der Equal Access Theorie.

115 Wenn die Gerichte das "fraud"-Merkmal doch in ihre Überlegungen mit aufnahmen, dann geschah dies häufig im Rahmen der allgemeinen Feststellung, Insider dürften den Kapitalmarkt (the marketplace) nicht über das Vorliegen von Insiderinformationen täuschen. Vgl. dazu nur Shapiro v. Merrill Lynch, Pierce, Fenner & Smith, 495 F.2d 228, 237-238 (2d Cir. 1974); Zweig v. Hearst, 594 F.2d 1261, 1266-1270 (9th Cir. 1979).

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Teil 2, Kapitel I: Equal Access Theorie

schaffen. Andererseits mußte sie sich mit einer gesetzlichen Grundlage arrangieren, deren Wortlaut auf individuelle Geschäfte zugeschnitten ist. IV. Neuere Forderungen

Trotz der formalen Schwierigkeiten spielt die Equal Access Theorie in der Diskussion um den "richtigen" Regelungsgrund für ein Insiderhandelsverbot bis heute eine große Rolle. Zahlreiche Stimmen in der neueren Literatur fordern eine Rückkehr der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung zu diesem Haftungsansatz, um Börseninsiderhandel zu bekämpfen und Marktintegrität zu gewährleisten l16 • Diese Überlegungen verbinden sich zumeist mit Vorschlägen für eine gesetzliche Kodifizierung des Insiderhandelsverbots. Dabei will man eine zu große Reichweite durch Ausnahmetatbestände eindämmen und schlußendlich auch die notwendige Übereinstimmung zwischen Regelungsansatz und gesetzlicher Grundlage schaffen 117.

D. Ergebnis Die Equal Access Theorie nahm ihren Ausgangspunkt im Cady, Roberts Fall mit der Feststellung, daß ein Wertpapiergeschäft unfair ist, sofern nur eine der Parteien auf bestimmte kursrelevante Informationen zugreifen kann. Dieser Gedanke wurde in s.E.c. v. Texas Gulf Sulphur Co. weiterentwickelt. Um informationelle Chancengleichheit im anonymen Kapitalmarkt zu schaffen, hat man dort das Insiderhandelsverbot erstmals jedem Marktteilnehmer auferlegt, der über kursrelevante Informationen verfügt. Dieser theoretische Ansatz wurde in der juristischen Auseinandersetzung in U.S.A. häufig falsch interpretiert. Er verlangt nicht die Einebnung von Informationsunterschieden, sondern fordert vom Anleger den Verzicht auf das Wertpapiergeschäft, solange ihm einschlägige Insiderinformationen hierbei einen Sondervorteil verschaffen würden. Um eine Insiderinformation handelt es sich 116 Nachdrücklich zuletzt MeGrath, 61 Fordham L.Rev. 127, 149-150 (1993); Kidd, 18 Del.J .Corp.L. \0 1, 125-136 (1993); Seheppele, 56 Law & Contemp.Probs. 123 ff. (\ 993); Salbu 15 Harv.J .L.& Pub.Pol'y 223 ff. (1992). Davor gewichtig Seligman, 73 Geo.L.J. 1083 ff. (1985); ebenso Kunkel, 15 J.Contemp.L. 51 ff. (\989); Kuker, 22 J.Marshall L.Rev. 295, 325-330 (\988); Hateh, 44 Wash.& Lee L.Rev. 935, 952-954 (\ 987); Harder, \0 J.Corp.L. 711, 731-737 (1985); Langevoort, 70 Cal.L.Rev.1, 7 (1982); Buneh, 17 San Diego L.Rev. 725 ff. (\ 980). Vgl. aus europäischer Sicht Bergmans, S.46: "(F)rom a policy point of view it is still the fundamental argument in favor of a prohibition".

117 Siehe dazu die Regelungsvorschläge von Seligman, 73 Geo.L.J. 1983, 1133-1140 (1985) und Harder, 10 J.Corp.L. 711, 740-742 (1985).

D. Ergebnis

73

schon qua definitionem nicht, wenn alle Anleger eine relativ gleiche Chance zur Kenntnisnahme haben. Der einfach gestaltete Haftungstatbestand der Equal Access Theorie ist Vorteil und Schwierigkeit zugleich. Auf der einen Seite ist er besonders geeignet, Vertrauen in die Integrität des Marktes zu begründen, weil er keine Unterschiede bei den Normadressaten macht: dies sind alle Marktteilnehmer. Auf der anderen Seite birgt er aber die Gefahr einer Über-Regelung, wenn er auch die Handelstätigkeit solcher Personen mit Insiderhaftung bedroht, die hiermit wichtige und im öffentlichen Interesse liegende Funktionen innerhalb des Marktes erfüllen. Hauptverantwortlich für diese Gefahr ist die Unsicherheit über die genaue Ausprägung der Vorsatz- und Kausalitätsmerkmale des Insidertatbestandes. So mangelt es in U.S.A. bislang an einem verläßlichen Instrumentarium zur Abgrenzung wichtiger EinzelflilIe von der weitgefaßten Regel. Außerdem ergibt sich ein Widerspruch zwischen dem Regelungsgehalt der Theorie und dem Wortlaut der gesetzlichen Grundlage. Diese formalen Einwände haben die Equal Access Theorie in der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung zum früheren oder späteren Scheitern verurteilt. Der U.S. Supreme Court schob ihr Anfang der 80er Jahre in zwei richtungweisenden Entscheidungen einen ausdrücklichen Riegel vor.

Teil 2, Kapitel 2: Fiduciary Duty Theorie

74

Kapitel 2

Fiduciary Duty Theorie A. Grundgedanke Die Fiduciary Duty Theorie leitet das Insiderhandelsverbot aus einer Treuepflicht des informierten Anlegers gegenüber dem nichtinformierten Anleger ab. Nur wenn eine treurechtliche Sonderverbindung zwischen den Partnern eines Wertpapiergeschäftes besteht, greift das Verwertungsverbot rur Insiderinformationen. Es fließt aus dem Inhalt der Treuepflicht ll8 • Die Fiduciary Duty Theorie stellt das Insiderrecht also in den gesellschaftsrechtlichen Zusammenhang. Daraus ergeben sich Schwierigkeiten, weil Informationsvorsprünge, die unlautere Wertpapiergeschäfte ermöglichen, nicht nur bei Unternehmensinsidern auftreten. Es entstehen Regelungslücken, die schwer zu schließen sind.

B. Entwicklung I. Ausgangspunkt: Chiarella v. United States (1980)

Der U.S. Supreme Court nahm im Jahr 1980 ausdrücklich zum Problem des Börseninsiderhandels Stellung ll9 • Die richtungweisende Entscheidung Chiarella v. United States l20 bildet seitdem das Fundament der Fiduciary Duty Theorie. Sie brachte die Abkehr von der bis dahin herrschenden Insiderrechtstheorie und beinhaltet eine bis heute gültige Grundlage des Insiderhandelsverbots l21 •

118 Diese Aussage ist nicht umkehrbar. Nicht schon jeder Treuebruch begründet auch einen Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot; siehe Santa Fe Industries Inc. v. Green, 430 V.S. 462, 476 (1977). 119 Im Hinblick auf die Anklage eines Marktinsiders ist dies bis zum jüngst entschiedenen Fall United States v. O'Hagan, 117 S.Ct. 2199 (1997) die einzige Entscheidung des V.S. Supreme Court geblieben; dazu BIoomenthai, S.733; vg!. Langevoort, 70 Ca!. L.Rev. 1,3 (1982). 120

1978).

Chiarella v. United States, 445 V.S. 222 (1980), rev'd 588 F.2d 1358 (2d Cir.

121 Die später zur Misappropriation Theorie ergangenen Entscheidungen sind eine Vmgehung bzw. Ergänzung des Fiduciary Duty Konzepts, wenden sich aber nicht explizit hiergegen. Im übrigen wurde die Fiduciary Duty Theorie durch den V.S. Supreme Court entwickelt. Dem konnten sich die Berufungsgerichte, die die Misappropriation Theorie zur Ausprägung brachten, nicht ausdrücklich entgegenstemmen. In United States v. O'Hagan, a.a.O., hat der V.S. Supreme Court klargestellt, daß die Fiduciary Duty Theorie durch die später entwickelte Misappropriation Theorie nicht ihre Bedeutung verloren hat; ausführlich dazu unten Kap.3, B.IV.

B. Entwicklung

75

J. Sachverhalt

Der dem Fall seinen Namen gebende Vincent Chiarella war bei Pandick Press, einer New Yorker Finanzdruckerei, als Setzer angestellt. Pandick Press war beauftragt, rur mehrere Unternehmen vertrauliche Dokumente zu drucken. Es handelte sich um Materialien zur Abgabe von Übernahmeangeboten; sie waren noch geheim, ihre Veröffentlichung stand aber kurz bevor. Die Namen der Zielgesellschaften waren im Text ausgelassen oder verschlüsselt und sollten der Druckerei erst unmittelbar vor ihrer Veröffentlichung mitgeteilt werden. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Setzer erhielt Mr. Chiarella die Dokumente. Es gelang ihm, anhand der übrigen in den Unterlagen enthaltenen Informationen die Identität der Zielgesellschaften zu entschlüsseln 122 . Sofort kaufte er deren Aktien. Nachdem die Übernahmeangebote veröffentlicht worden waren und den erwartbaren Preisanstieg der betroffenen Papiere bewirkt hatten, konnte Chiarella seine Anteile mit erheblichem Gewinn verkaufen 123. Nach Bekanntwerden seiner Insidergeschäfte verlor Chiarella seine Anstellung bei Pandick Press l24 • Außerdem verurteilte man ihn in zwei Instanzen wegen Verstoßes gegen Rule IOb-5 J25 • Der U.S. Supreme Court nahm den Fall zur Entscheidung an 126. Er mußte sich mit dem Umstand auseinandersetzen, daß Chiarella ein Marktinsider war 127 , ohne Treue- oder andere Sonderbeziehung zu den Emittenten der von ihm gekauften Wertpapiere. In den Vorinstanzen war dies ein regulärer Anwendungsfall der bislang verfolgten Equal Access Theorie gewesen, die gerade Fälle wie diesen gut erfaßt. Nun kam es jedoch anders.

122

Chiarella v. United States, a.a.O., S.224.

123 Vincent Chiarella realisierte durch die Verwertung der Insiderinformationen über die bevorstehenden Übemahmeangebote einen Gewinn von über 30.000 V.S. Dollar. 124 Der Fall ist ein Beispiel für die nicht zu unterschätzende indirekte Kontrolle des Insiderhandels durch berufliche und soziale Konsequenzen. Zum Vergleich: In Deutschland mußte Franz Steinkühler 1993 auf öffentlichen Druck den Vorsitz der IG Metall niederlegen, nachdem bekannt geworden war, daß er durch seinen Aufsichtsratssitz bei der Daimler-Benz AG erlangte Insiderinformationen zu vorteilhaften Geschäften ausgenutzt hatte. Staatliche Sanktionen ließen sich, wie auch im Fall des MT. Chiarella, nicht verhängen.

125 United States v. Chiarella, 450 F.Supp.95 (S.D.N.Y.l978), bestätigt in 588 F.2d 1358 (2d Cir. 1978); näher dazu oben Kap. 1, B.III.2. 126

Chiarella V. United States, certiorari granted, 441 V.S. 942 (1979).

127

Dazu oben Teil 1, C.I.2.

76

Teil 2, Kapitel 2: Fiduciary Duty Theorie

2. Erfordernis einer Treuepflicht

Die Mehrheitsmeinung des U.S. Supreme Court urteilte, daß das Insiderhandelsverbot nur Anwendung findet, wenn zwischen den Geschäftspartnern eine Treuepflicht oder ein sonstiges Vertrauensverhältnis besteht 128 • Als Marktinsider stand Chiarella in keiner derartigen Sonderbeziehung 129 • Man konnte ihm daher nicht verbieten, die Insiderinfonnationen, die er sich beschafft hatte, zu vorteilhaften Börsengeschäften auszunutzen. Er wurde freigesprochen. Wie aber konnte es zu einer Entscheidung kommen, die die Theorie des Insiderrechts in ein enges treurechtliches Korsett zwängt und dadurch eine gesellschaftsrechtliche Verbindung der Geschäftspartner zur de facto Voraussetzung für Insiderhaftung macht? Der U .S. Supreme Court erreichte sein Urteil in drei Schritten. Im ersten Schritt bestätigte er zwar den Charakter von Section 10 (b) S.E.A. bzw. Rule IOb-5 als Generalklausel zum Schutz der Integrität des Kapitalmarktes 1JO und das Fehlen gesetzgeberischer Anhaltspunkte hinsichtlich der Anwendung dieser Vorschriften auf das Insiderproblem l3l. Entscheidend stellte die Mehrheitsmeinungjedoch auf den Wortlaut von Section 10 (b) S.E.A. und Rule IOb-5 ab. Danach handele sich um Bestimmungen, die sich gegen Manipulations- oder Täuschungspraktiken (manipulative or deceptive device) richteten und dadurch betrügerisches Verhalten (fraud or deceit) im Kapitalmarkt verhindern wollten lJ2 • Im zweiten und dritten Schritt lehnte sich das Gericht an den "common law" Betrugstatbestand an. Das Verschweigen von Infonnationen, die für ein konkretes Wertpapiergeschäft relevant sind, sei nicht generell, sondern nur dann 128 Justice Powell fonnulierte den Kernsatz der in Chiarella v. United States, 445 D.S. 222 (1980) ennittelten Insiderhaftungsnonn, a.a.O., S.230: "(L)iability is premised upon a duty to disclose arising from a relationship of trust and confidence between the parties to a transaction". 129 Dadurch fand das insiderrechtliche Haftungskonzept auf ihn überhaupt keine Anwendung. Siehe Chiarella v. United States, a.a.O., S.232-233: "He was not a fiduciary, he was not a person in whom the seilers had placed their trust and confidence. He was in fact a complete stranger who dealt with the seilers only through impersonal market transactions. " 130 Chiarella v. United States, a.a.O, S.226. Ebenso zuvor schon die S.E.C. und das Berufungsgericht des Second Circuit, beide allerdings mit anderem Endergebnis; siehe oben Kap.l, B.II.3.

l3l Chiarella v. United States, a.a.O, S.230. Anders aber die Anhänger der Equal Access Theorie, siehe oben Kap. I , C.III.I.

lJ2 Der D.S. Supreme Court bezeichnete Section 10(b) des S.E.A. in Chiarella v. United States, a.a.O., S.234-235 als Grundnonn zur Erfassung betrügerischer (Hervorhebung d. Verf.) Praktiken im Kapitalmarkt: "What it catches must be fraud".

B. Entwicklung

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als Täuschung zu verstehen, wenn eine entsprechende Offenlegungspflicht bestehe 133. Eine solche Pflicht entstehe aber nur dann, wenn eine Partei Informationen besitze, auf deren Mitteilung die andere Partei wegen einer zwischen ihnen bestehenden Treuebeziehung ein Recht habe 134 • 3. Absage an Equal Access Theorie Trotz des veränderten Regelungsansatzes wähnte sich der U.S. Supreme Court in einer Linie mit der Problemanalyse im insiderrechtIichen Ursprungsfall Cady, Roberts. Dieser Gedanke basierte darauf, daß auch die S.E.C. in Cady, Roberts eine "Sonderbeziehung" als Haftungsvoraussetzung verlangt hatte l35 • Die Mehrheitsmeinung in Chiarella Y. United States sah es deshalb als folgerichtig an, das Kriterium der "Sonderbeziehung" als tatbestandliches Erfordernis einer "Treuebeziehung" zu konkretisieren 136 • So ergab sich die Merkwürdigkeit, daß die Equal Access Theorie und das gegensätzliche Fiduciary Duty Konzept inhaltlich auf denselben Ursprungsfall Bezug nehmen. Dieser Widerspruch 137 verstärkt sich noch dadurch, daß der U.S. Supreme Court der Equal Access Theorie in Chiarella Y. United States eine ausdrückliche Absage erteilt hat. Danach begründet nicht schon jedes unfaire Verhalten bei der Ausnutzung von Informationsvorsprüngen ein Insiderdelikt 138 • Auch besteht keine allgemeine Pflicht der Marktteilnehmer, einander durch Insidergeschäfte nicht zu schaden. Nach Auffassung der Mehrheitsmeinung ist hierfür weder dem Wortlaut noch der Gesetzgebungsgeschichte von Section 10 (b) des

133 Chiarella v. United States, a.a.O., S.230 und 235: "There can be no fraud absent a duty to speak". 134 Nach Auffassung des V.S. Supreme Court, Chiarella v. United States, a.a.O., S.230 gründet sich somit auch das Insiderhandelsverbot auf eine "relationship of trust and confidence between the parties to a transaction"; als Insider erfaßt ist danach, a.a.O., S.232 konsequenterweise nur "a person in whom the seilers had placed their trust and confidence". 135

Siehe oben Kap.l, B.1.2.

136 Vgl. die ausdrückliche Bezugnahme auf die Cady, Roberts Entscheidung in Chiarella v. United States, a.a.O., S.227-228. 137

Siehe dazu bereits oben Kap.l, 8.1.3.

138 In dieser Annahme sah Chiarella v. United States, a.a.O., S.23l-233 den entscheidenden Rechtsfehler des Berufungsgerichts und stellte klar, daß "not every instance of financial unfairness constitutes fraudulent activity under Section lO(b) S.E.A." Gegenteiliges hatte allerdings auch der Second Circuit in der Vorinstanz nicht behauptet. Zur Absage an die Equal Access Theorie auch Bloomenthal, S.733.

78

Teil 2, Kapitel 2: Fiduciary Duty Theorie

S.E.A. etwas zu entnehmen 139. Schließlich, so urteilte das Gericht, gebe es auch keine Norm, die das Ziel der Informationsgleichheit aller Investoren festschreibe und eine Anknüpfung des Verbotstatbestands an die ledigliche Kenntnis von Insiderinformationen zulasse l4o • 4. Zwischenergebnis Die Überlegungen in Chiarella v. United States antworten mit wenig differenzierender Kritik auf die Equal Access Theorie. Die Entscheidung enthält im Kern keine inhaltliche Auseinandersetzung mit der früheren Regelungsidee. Sie beschränkt sich auf die Feststellung, daß die formalen Vorgaben in Section 10 (b) S.E.A. und Rule lOb-5 durch die Equal Access Theorie nicht erfiillt werden. Dennoch hatte die Analyse in Chiarella v. United States weitreichende Konsequenzen. Sie drängte die Theorie des Insiderrechts auf den eng umgrenzten Bereich treurechtlich und damit individuell geprägter Sonderbeziehungen zuruck l41 • Das anonyme Element des Insiderproblems trat vollständig in den Hintergrund. Marktinsider wie Vincent Chiarella, die häufig im Besitz wertvoller Informationsvorsprunge sein können, waren durch ein allgemeines Insiderrecht nun nicht mehr erfaßbar l42 •

139 Ausdrücklich verneinte der V.S. Supreme Court, Chiarella v. United States, a.a.O., S.233 ein allgemeines und damit marktbezogenes Insiderhandelsverbot, "a general duty between all participants in market transactions to forego actions based on material nonpublic information". 140 Chiarella v. United States, a.a.O., S.235: "(N)o duty ... arises from the mere possession of nonpublic market information". Zu dieser Wertung des Gerichts Pengra, 67 N.Y.V.L. Rev. 1354, 1361, 1365 (1992) m.w.N.

141 De facto unterlagen damit nur noch die Vnternehmensinsider und Anteilsinhaber desselben Emittenten bei ihren Wertpapiergeschäften miteinander dem insiderrechtlichen Verbotstatbestand. - Dieser personell eingeschränkte Verbotstatbestand schien der Mehrheitsmeinung des V.S. Supreme Court in Chiarella v. United States aber ausdrücklich zu genügen, a.a.O., S.230: "(i)t guarantees that corporate insiders, who have an obligation to place the shareholder's welfare before their own, will not benefit personally through fraudulent use ofmaterial, nonpublic information." 142 Vgl. auch zur Analyse der Entscheidung in Chiarella v. United States und ihrer Konsequenzen aus Sicht der aktuellen Rechtslage McGrath, 61 Fordham L.Rev. 127, 132-137 (1993); Kidd, 18 DeI.J.Corp.L. 101, 111-114 (1993); zuvor schon Langevoort, 70 Cal.L.Rev. 1, 11-35 (1982); Wilkinson, 10 J.Corp.L. 581,588-591 (1985); Morgan, 33 Hastings LJ. 1407 ff. (1982); Anderson, 10 Hofstra L.Rev. 341,370-377 (1982).

B. Entwicklung

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11. Bestätigung: Dirks v. S.E.C. (1983)

Anfangs nahm man an, der U.S. Supreme Court werde bei nächster Gelegenheit wieder Abschied nehmen von dem neuen, begrenzten Konzept der Insiderhaftung. Doch das Gegenteil geschah. In Dirks v. S.E.C. 143 , dem zweiten berühmten Insiderfall, der bis heute geltendes Recht ist l44 , wandte das höchste Gericht die Fiduciary Duty Theorie auch auf die Insiderhaftung von Tipempfiingern an. Dies führte wiederum zu einem Freispruch des Betroffenen. Dabei nahm das Gericht ausdrücklich auf Chiarella v. United States Bezug und bestätigte dessen Argumentation. 1. Sachverhalt

Der Wertpapieranalyst Raymond Dirks war darauf spezialisiert, für institutionelle Anleger Aktien von Versicherungsunternehmen zu bewerten. Ein Unternehmensinsider einer solchen Versicherungsgesellschaft, Equity Funding of America, informierte Dirks darüber, daß das Vermögen der Gesellschaft aufgrund betrügerischer Machenschaften innerhalb des Unternehmens erheblich überbewertet war l45 • Nachdem sich Dirks selbst von der Richtigkeit dieser Information überzeugt hatte, benachrichtigte er alle seine Kunden, die Equity Funding Anteile besaßen. Diese liquidierten sofort ihre Aktienbestände an der Börse l46 • Die Kunden von Mr. Dirks konnten auf diese Weise annähernd 15 Millionen Equity Funding Anteile rechtzeitig verkaufen. Sie vermieden so den starken Kursverlust der Equity-Aktie, deren Wert nach Bekanntwerden der Unternehmensnachricht von 26 U.S. Dollar auf unter 15 U.S. Dollar gefallen war. Die S.E.C. sanktionierte das Verhalten des Analysten, weil sie in der Weitergabe der von dem Unternehmensinsider erhaltenen Informationen an Dirks' Kunden einen Verstoß gegen Section 10 (b) des S.E.A. und Rule 10b-5 begründet sah l47 • Diese Entscheidung wurde auch gerichtlich zunächst bestätigt l48 •

143

Dirks v. SE.C, 463 V.S. 646 (1983).

144 Zur aktuel1en Insiderhaftung eines Inforrnationsemptangers nach den in Dirks v. SE.C entwickelten Voraussetzungen Loss/Seligman, S.821-825. 145 Dirks v. SE.C, 463 V.S. 646, 648-649 (1983). Bei dem Vntemehmensinsider handelte es sich um einen ehemaligen Mitarbeiter, Ronald Secrist. Das Gericht stufte ihn bezüglich des Wissens, das er an seinem früheren Arbeitsplatz erlangt hatte, ohne weiteres als Insider ein. 146

Dirks v. SE.C, a.a.O., S.648-649.

Dirks v. SE.C, a.a.O., S.650-651. Da es sich um ein Verwaltungsverfahren vor der S.E.C. handelte, war eine Strafsanktion nicht möglich. Dirks wurde lediglich als Wertpapieranalyst gerügt (censored). Die S.E.C. verhängte nur diese niedrige Sanktion, 147

Teil 2, Kapitel 2: Fiduciary Duty Theorie

80

Dann aber nahm der U.S. Supreme Court den Fall zur Entscheidung an l49 und hob die Verurteilung auf. 2. Prob/em: Haftung des Tipempjängers

Im vorliegenden Fall stand man vor der Frage, wie ein Tipempfiinger (hier: Mr. Dirks) insiderrechtlich zu erfassen sei. Das ist problematisch, weil ein Tipempfiinger seine vorteilhafte Stellung im Kapitalmarkt nur auf mittelbare Weise erreicht. Er erhält zwar von einem Unternehmens insider kursrelevante Informationen, steht selbst aber in keiner treurechtlichen Beziehung zum Emittent oder dessen Aktionären I50 • Auf den ersten Blick waren die in Chiare//a v. United States aufgestellten Haftungskriterien hier nicht erfUllbar. In der Ausgangsentscheidung war die S.E.C. ohne weiteres davon ausgegangen, daß mit der Weitergabe der Information automatisch auch das Insiderhandelsverbot l51 vom Unternehmensinsider auf den Tipempfiinger übergeht1S2 • Sie hatte den Informationsempfiinger schon deshalb der Insiderhaftung unterworfen, weil er wissentlich kursrelevante Informationen erhalten hatte, die von einem Unternehmensinsider stammten. Der Nachteil dieser Regelung war aber, daß die Haftungstatbestände rur Unternehmensinsider und rur Tipempfiinger nicht in Einklang miteinander standen: Der Tipnehmer unterlag den Insiderregeln ohne weiteres, der Unternehmensinsider erst aufgrund seiner Einbindung in die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht. Wegen dieser Abweichung versagte sich der U.S. Supreme Court einer solchen Lösung. Statt dessen brachte er in Dirks v. S.E.C. die Anforderungen an die Insiderhaftung eines Tipnehmers auf eine Linie mit den in Chiare//a v. United States entwickelten Kriterien.

weil Dirks wesentlich dazu beigetragen hatte, den Betrugsskandal bei Equity Funding of America aufzudecken. Im Zuge dessen hatte er sogar versucht, seine Erkenntnisse durch das "Wall Street Journal" veröffentlichen zu lassen (sog. whistleblowing). Dort hatte man die Informationen aber nicht ernst genommen und es abgelehnt, hierüber zu berichten. 148

Dirks v. SE.C, 681 F.2d 824 (D.C. Cir.l982).

149

Dirks v. S.E.C, certiorari granted, 459 V.S. 1014 (1982).

Justice Powell, der die "majority opinion" verfaßte, berücksichtigt dies in Dirks v. SE.C, 463 V.S. 646, 655 (1983) ausdrücklich: "(T)he typical tippee has no such relationships" . 150

151 Dieses wiederum umschließt sowohl das Verbot, die Information selbst zu einem Wertpapiergeschäft auszunutzen als auch das Verbot, die Information oder einen entsprechenden Tip erneut weiterzugeben. Dieser Vmfang des insiderrechtlichen Verbotstatbestands war im Rahmen der Dirks Rechtsprechung stets unbestritten. 152

Das kritisiert Dirks v. SE.C, a.a.O., S.655-657 ausdrücklich.

B. Entwicklung

81

3. Lösung: Abgeleitete Treuepflicht

Die Mehrheit des U.S. Supreme Court machte auch für Informationsempflinger eine Treuepflicht gegenüber dem Partner des Wertpapiergeschäfts zur Voraussetzung für Insiderhaftung. Sie bestätigte zunächst, daß die Kenntnis einer Insiderinformation und der damit verbundene relative Informationsvorteil allein das Insiderhandelsverbot noch nicht auslöst 153 • Das Gericht sah eine insiderrechtliche PflichtensteIlung des Tipempfängers nur dann gegeben, wenn der Tipgeber (hier: der Unternehmensinsider) durch die Weitergabe der Information seine eigene Treuepflicht verletzt l54 und der Informationsemptanger dies weiß l55 • Unter dieser Voraussetzung könne man von einer abgeleiteten Treuepflicht des Tipemptangers und erst dann von hierauf basierender Insiderhaftung sprechen 156. Als Vorfrage war deshalb zu klären, wann ein Unternehmensinsider durch die Weitergabe einer Insiderinformation gegen seine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstößt. Der U.S. Supreme Court entschied, daß dies dann der Fall ist, wenn die Informationsweitergabe nicht zu ausschließlich geschäftlichen Zwecken geschieht, sondern der Unternehmensinsider hieraus einen privaten Nutzen zieht 157 •

Im Ergebnis war damit ein neues Tatbestandsmerkmal geschaffen. Danach unterliegt ein Tipempflinger nur dann der Insiderhaftung, wenn der informierende Unternehmensinsider durch die Weitergabe der Information einen per-

153

Dirks v. SEC., a.a.O., S.655.

154 Einschränkend fügte der U.S. Supreme Court in Dirks v. SEC., a.a.O., S.654 aber hinzu, daß stets eine Täuschung (manipulation or deception) durch den (Unternehmens-) Insider vorliegen müsse und deshalb nicht "all breaches of a fiduciary duty in connection with a securities transaction" durch Rule 10b-5 erfaßt seien. 155 Nach Dirks v. SEC., a.a.O., S.660 erlangt ein Tipempfanger eine rechtlich erhebliche InsidersteIlung nur "when the insider has breached his fiduciary duty to the shareholders by disclosing the information to the tippee and the tippee knows or should know that there has been a breach". 156 Dirks v. SEC., a.a.O., S. 664: "The tippee's duty to disclose or abstain is derivative (Hervorhebung d. Verf.) from that ofthe insider". 157 Dirks v. SEC., a.a.O., S.662: "(T)he test is whether the insider personally will benefit, directly or indirectly, from his disclosure". Die grundsätzliche Zweigleisigkeit des Insiderhandelsverbots (selbstgetätigtes Wertpapiergeschäft und Informations- bzw. Tipweitergabe) wurde durch diese Einschränkung aber nicht berührt. Der U.S. Supreme Court mußte hier lediglich den Treuepflichtprinzipien gerecht werden, die er sich bei seiner Fallanalyse selbst auferlegt hatte; vgl. dazu auch Bloomenthai, S.735.

6 Weber

82

Teil 2, Kapitel 2: Fiduciary Duty Theorie

sönlichen Vorteil erlangt I 58. Dieser Nutzen braucht allerdings keinen unmittelbaren Geldwert zu haben, er kann auch in sonstigen Vorteilen liegen 159 • Im vorliegenden Fall ruhrten die neu entwickelten Kriterien dazu, daß der Wertpapieranalyst Dirks nicht als Insider haftete. Der U.S. Supreme Court sprach ihn vom Verstoß gegen Rule lOb-5 frei. Denn der Unternehmensinsider, von dem Dirks seine Information erhalten hatte, wollte durch deren Weitergabe lediglich die betrügerischen Machenschaften innerhalb der Versicherungsgesellschaft aufdecken. Für die Ziehung eines persönlichen Nutzens gab es keine Anhaltspunkte 160. Deshalb hatte er durch die Weitergabe seine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht nicht verletzt. Damit konnte auch keine abgeleitete Treuepflicht auf Mr. Dirks als Tipempfanger übergehen. So fehlte die entscheidende Voraussetzung rur seine insiderrechtliche Erfassung. Er durfte die Unternehmensnachricht an seine Kunden weitergeben und ihnen helfen, durch den Verkauf der betreffenden Aktien Verluste zu vermeiden. Und dies, obwohl er genau wußte, daß es sich um eine unveröffentlichte kursrelevante Information handelte, die von einem Unternehmensinsider stammte l61 • 4. Haftungslücke

Nach Chiarella v. United States bewirkte Dirks v. SE.c. eine nochmalige Begrenzung der Reichweite des Insiderhandelsverbots. Für eine große Haftungslücke sorgte insbesondere das neue Tatbestandserfordernis, wonach der Informant durch die Informationsweitergabe einen persönlichen Vorteil erlangen muß. Auch der U.S. Supreme Court erkannte in seiner Entscheidung, daß ein persönlicher Vorteil des Unternehmensinsiders als Haftungsvoraussetzung

158 Dirks v. s.E.c., a.a.O., S.662: "Absent some personal gain, there has been no breach of duty to stockholders". Mit zutreffender Kritik ablehnend gegenüber der Schaffung des sog. "personal gain"-Erfordemisses Cox, 1986 Duke LJ. 628, 632-633 ebenso Langevoort, 37 Vand.L.Rev. 1273, 1292-1293 (1984). 159 Als Beispiele hierfür nennt der U.S. Supreme Court in Dirks v. s.E.c., a.a.O., S.663-664 "a reputational benefit that will translate into future eamings ... an intention to benefit the particular recipient ... a gift of confidential information to a trading relative or friend".

s.E.c., S.666-668. 161 Zur Analyse von Dirks v. s.E.c. siehe besonders kritisch Cox, 39 Ala.L.Rev. 381,

160

Dirks v.

392-393 (1988); McGrath, 61 Fordham L.Rev. 127, 138-139 (1993); Wilkinson, 10 J.Corp.L. 581, 591-594 (1985); Tripp, 60 Ind.L.J. 535 ff. (1985); Feiner, 50 Brook. L.Rev. 783, 789-792 (1984). Den Uberlegungen des U.S. Supreme Court weitgehend folgend siehe beispielhaft Mi/ton, 45 U.Pitt.L.Rev. 923 ff. (1984) und Foley, 25 B.C. L.Rev. 1059, 1072-1084 (1984).

B. Entwicklung

83

für den Tipnehmer mitunter schwer zu beweisen sein würde l62 • Schon der Anschein geschäftlichen oder aufgaben bezogenen Handeins bei der Informationsweitergabe reichte nun aus, um die Vermutung gegen einen persönlichen Vorteil des Insiders sprechen zu lassen und dadurch den Tipemfiinger von Insiderhaftung freizustellen 163. Darüberhinaus ist nach der Analyse in Dirks v. s.E.C auch der Tipempfanger durch Insiderregeln nicht mehr erreichbar, der zwar den Tip durch einen Treuebruch des Insiders erhält, von diesem Treuebruch aber nichts weiß. Das kann umso eher der Fall sein, je weiter der Tipempfanger - oder wiederum dessen Tipempfanger - vom Insider entfernt ist und je weniger er über dessen Motiv rur die Informationsweitergabe Bescheid weiß l64 • Neben Beweiserschwernissen hatte die Entscheidung aber noch eine weitere problematische Konsequenz: Nunmehr durfte jeder Marktteilnehmer sanktionslos eine Insiderinformation ausnutzen, sobald diese den unternehmensinternen Bereich verlassen hat, ohne daß es dabei zu einem nachweisbaren Treuebruch gekommen ise 65 • Das ist aber gerade häufig der Fall. Denn Insiderinformationen werden im Rahmen normaler Geschäftsbeziehungen nicht nur ausnahmsweise wie vorliegend, sondern sogar regelmäßig an Unternehmens-Outsider, wie Analysten, Rechtsanwälte, Steuerberater, Banken oder andere Unternehmen weitergegeben. Bei strenger Anwendung der Dirks-Prinzipien unterlagen diese Informationsempfanger allesamt nun nicht mehr dem Insiderrecht.

162

Dirks v.

s.E.c., a.a.O., S.663-664.

163 Seligman, 73 Geo.L.J. 1083, 1133 (1985) bemängelt die mögliche "Tarnung" von Insidergeschäften "whenever information swaps by corporate executives can be camouflaged by 'business negotiations"'; ähnlich Langevoort, 37 Vand.L.Rev. 1273, 12931294 (1984).

164 Vgl. ähnlich zur Problematik des subjektiven Tatbestands bei entfernten Tipempfängern (remote tippees) oben Kap.l, C.II.2. 165 In dieser Hinsicht bestätigt Dirks v. s.E.c. eine frühere Entscheidung des Second Circuit aus dem Jahre 1980. In Walton v. Morgan Stanley & Co., 623 F.2d 796,799 (2d Cir. 1980) hatte eine Investmentbank zur Beratung des Übernahmebieters im Rahmen von Vorverhandlungen von der Zielgesellschaft vertrauliche Informationen erhalten; es kam jedoch nicht zur geplanten Unternehmensübernahme. Weil die Mitarbeiter der Investmentbank die Insiderinformationen durch reguläre Geschäftstätigkeit, sog. "arm's length negotiations", erhalten hatten, war das Insiderhandelsverbot nicht anwendbar. Die vertraulichen Mitteilungen der Zielgesellschaft durften zu vorteilhaften Wertpapiergeschäften ausgenutzt werden. Zur Einordnung dieser Problematik auch Seligman, 73 Geo.L.J. 1083, 1131 (1985).

6*

84

Teil 2, Kapitel 2: Fiduciary Duty Theorie

5. Möglicher Ausweg

Dieses Problem hat auch der U.S. Supreme Court gesehen und mit einem Kunstgriff in einer Fußnote des Urteilstextes einen möglichen Ausweg aus dem engen Theoriegebäude der Fiduciary Duty Theorie eröffnet. In der vielzitierten Fußnote Nr.14 seiner Entscheidung räumte das Gericht ein, daß auch NichtUnternehmensinsider unter bestimmten Voraussetzungen treuepflichtig gegenüber einer Gesellschaft werden können 166. Es handele sich dann nicht um Tipempfanger, sondern qua Fiktion um quasi-originäre (Unternehmens-) Insider, sog. "constructive" oder "temporary insiders"167. Dies könne beispielsweise der Fall sein, wenn Prüfer, Anwälte oder Berater im Rahmen ihrer Tätigkeit kursrelevante Unternehmensnachrichten erhielten 168. Das Gericht nannte als Voraussetzung einer solchen fiktiven Treuepflicht, daß jemand durch seine Tätigkeit in ein besonderes Vertrauensverhältnis zu einer Gesellschaft tritt und aus diesem Grunde Zugang zu Informationen erhält, die nur Gesellschaftszwecken zu dienen bestimmt sind l69 . Darüberhinaus müsse sich eine entsprechende Verschwiegenheitspflicht aus der Geschäftsbeziehung zum Unternehmen ergeben l7O • Der in Fußnote Nr. 14 enthaltene Gedanke bot also einen insiderrechtlichen Rettungsanker. Er sollte es ermöglichen, auch solche Personen dem Verbotstatbestand zu unterwerfen, die zwar keine Unternehmensinsider im klassischen Sinne sind, aufgrund ihrer Berufstätigkeit aber zeitweilig bzw. qua Fiktion zu einem Unternehmen gehören 171.

166

Dirks v.

s.E.c., 463 U.S. 646, 655 Fn.14.

167 Dirks v. SE.C, a.a.O., Fn.14: "(S)uch a person may be treated more properly as a tipper than as a tippee". 168 Dirks v. SE.C, a.a.O., Fn.14: "These outsiders may become fiduciaries of the shareholders" .

169 Erforderlich ist nach Dirks v. SE.C, a.a.O., Fn.14: "A special confidential relationship in the conduct of the business of the enterprise and ... access to information solely for corporate purposes". 170 Dirks v. SE.C, a.a.O., Fn.14: "(T)he corporation must expect the outsider to keep the disclosed nonpublic information confidential, and the relationship at least must imply such a duty".

171 Vgl. die Analyse der Hilfsfigur des "temporary insider" Andre, 52 Geo.Wash. L.Rev. 872,880-891 (1984); Fleteher, S.213-221; RiderlAshe, S.41 und Bloomenthal, S.732; siehe auch MeGrath, 61 Fordham L.Rev. 127, 137-138 (1993). Eine seltene Stimme, die sich angesichts der andernfalls eintretenden theoretischen Unstimmigkeiten für eine enge Auslegung des "temporary insider" Begriffs ausspricht, erhebt Baeharaeh, 62 Wash.U.L.Q. 477,486-500 (1984).

B. Entwicklung

85

111. Insider qua Fiktion

Der U.S. Supreme Court hat die Fiduciary Duty Theorie nach der Entscheidung in Dirks v. S.E. C. nicht weiterentwickelt. Den Gedanken des Insiders qua Fiktion (temporary insider) griff man auf untergerichtlicher Ebene allerdings vereinzelt auf in dem Bemühen, Insiderhaftung durch die Fiduciary Duty Theorie zu begründen. Dieses Vorgehen unterstreicht aber nur, daß die im Rahmen der in Chiarella v. United States und Dirks v. S.E.C. entwickelten Insiderregeln nur mit Hilfe von Kunstgriffen zu sachgerechten Ergebnissen führen. Zwei Fälle machen dies deutlich. In ihnen wandte man Insiderrecht auch auf Outsider an, die nicht in einer (dauerhaften) Treuebeziehung zum Emittenten standen. 1. Handelsverbot: S.E.c. v. Lund (1983)

Der Sachverhalt in S.E. C. v. Lund172 zeigt typisch das Insiderproblem, das aus der Verquickung von Geschäfts- und Freundschaftsbeziehung zweier Unternehmensinsider entstehen kann. Es liegt genau in der durch Dirks v. S.E. C. geschaffenen Haftungslücke 173 • Mr. Horowitz und Mr. Lund waren Topmanager (Chief Executive Officers) zwei verschiedener Unternehmen. Sie waren befreundet, pflegten seit langem aber auch geschäftliche Beziehungen zueinander. Horowitz verhandelte vertraulich über ein besonders lukratives Joint Venture für sein Unternehmen. Hierüber informierte er seinen Freund Lund und bot dessen Unternehmen an, ebenfalls in das Joint Venture zu investieren. Zwar schlug Lund das Angebot zur Teilnahme seiner Firma an der vielversprechenden Investition aus, kaufte jedoch für sich persönlich Anteile des von Horowitz geleiteten Unternehmens. Dessen Aktienkurs stieg bald darauf aufgrund des erfolgreichen Joint Ventures. Lund realisierte einen beträchtlichen Gewinn und wurde wegen Insiderhandels verurteilt 174 • Das war nur möglich durch Rückgriff auf die Figur des Insiders qua Fiktion. Hätte lediglich eine soziale Beziehung zwischen Horowitz und Lund bestanden, wäre Lund durch die in Dirks v. s.E.c. aufgestellten Haftungsprinzipien faßbar gewesen: Der Unternehmensinsider Horowitz hätte durch die Weitergabe vertraulicher Informationen seine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ver-

172 s.E. C. v. Lund, 570 F.Supp. 1397 (C.D.Cal. 1983); dazu LinslNielseniOlsoni Ratner, C533 ALI-ABA 1267, 1281 (1990).

173

Siehe dazu oben B.II.4.

174

Zum Sachverhalt S.E.c. v. Lund, a.a.O., S.1399-1400.

Teil 2, Kapitel 2: Fiduciary Duty Theorie

86

letzt l75 ; sie wäre deshalb zusammen mit dem Insiderhandelsverbot als abgeleitete Treuepflicht auf Lund übergegangen I76 . Vorliegend jedoch hatte Horowitz die Informationsweitergabe an Lund mit dem Angebot verbunden, Lunds Firma möge doch auch in das Joint Venture investieren. Damit war ein legitimer geschäftlicher Grund rur die Weitergabe der vertraulichen Information gegeben l71 ; Horowitz hatte mithin keinen Treuebruch begangen. Nach den Maßstäben der Fiduciary Duty Theorie war damit auch einer Haftung Lunds als Tipempflinger der Boden entzogen. Um dieser Haftlücke zu entgehen, folgte das Gericht dem in der Fußnote Nr. 14 der Dirb-Entscheidung enthaltenen Gedanken 178. Es klassifizierte Lund als "zeitweiligen" (temporary) Insider der Gesellschaft, von der die Unternehmensnachricht stammte; er habe die Information aus geschäftlichen Gründen und somit nur im Rahmen einer "speziellen Vertrauensbeziehung" (special confidenti al relationship) zu dem Unternehmen erhalten 179 • Ihre private Ausnutzung verstieß somit gegen das Insiderhandelsverbot. 2. Weitergabeverbot: S.E.C v. Ingram (1988) Fünf Jahre später bemühte dasselbe Gericht nochmals die Figur des Insiders qua Fiktion. Das Urteil in S.E.c. v. Ingram l80 bestätigte, daß "zeitweiligen" Insidern ebenso wie originären Insidern auch die Weitergabe von Unternehmensinformation zu privaten Zwecken verboten ist.

175 Weil er sich durch die Infonnationsweitergabe zumindest das freundschaftliche Wohlwollen seines Freundes "erkauft" und damit einen persönlichen Vorteil erlangt hätte; siehe zum Kriterium des "persönlichen Vorteils" oben B.II.3. 176

Siehe oben B.II.3.

177 Nach Auffassung des Gerichts in S.EC v. Lund, a.a.O., S.1402 war die zumindest auch geschäftliche Weitergabe der Insiderinfonnation durch Horowitz "within the scope of his authority as an officer and director of the corporation".

178 Das Gericht begründete seine Entscheidung in S.EC v. Lund, a.a.O., S.14021403 ausdrücklich mit dem Verweis auf die in Dirks v. S.EC, Fußnote Nr.14 eröffnete Möglichkeit eines "temporary insiders". Anschaulich Seligman, 73 Geo.LJ. 1083, 1132 (1985), er sieht die Analyse in Lund als einen "imaginative attempt to plug one of the loopholes in securities fraud Iiability created by Dirks". 179 Das Gericht machte zum Geltungsgrund des "temporary insider"-Konzeptes keine näheren Ausführungen. Es stellte in S.EC v. Lund, a.a.O., S.1403 lediglich fest, daß ein "zeitweiliger" Insider gemäß Section 10(b) S.E.A. hafte, weil er "nonpublic material infonnation ... in the context of a special relationship" erhalte. Kritisch zur Lund-Entscheidung Langevoort, 37 Vand.L.Rev. 1273, 1288-1289 (1984); Bacharaeh, 62 Wash. U.L.Q. 477, 492-494 (1984). 180

S.EC v. Ingram, 694 F.Supp. 1437 (C.D.Cal. 1988).

B. Entwicklung

87

In dem Fall war der Wertpapieranalyst Ingram von einer seiner Kundengesellschaften gebeten worden, nach einem geeigneten Partner für einen geplanten Unternehmenszusammenschluß Ausschau zu halten. Nachdem er einen Partner gefunden hatte und noch während der Geschäftsverhandlungen der beiden Unternehmen, informierte Mr. Ingram mehrere seiner übrigen Kunden über den bevorstehenden Zusammenschluß. Diese konnten durch entsprechende Geschäfte in den Papieren der beteiligten Unternehmen schnelle Gewinne erzielen. Auch hier griff das Gericht auf den in Dirks v. S.E. C, Fußnote Nr.14 enthaltenen Ansatz zurück. Es kam zu dem Schluß, daß Mr. Ingram wegen seiner Beteiligung an dem Unternehmenszusammenschluß bzw. an der Suche nach einem geeigneten Partner in eine "besondere Beziehung" zur auftraggebenden Gesellschaft getreten sei und daher als deren "zeitweiliger" Insider zu gelten habe. Folglich hatte Ingram durch die Weitergabe der unveröffentlichten Information zu privaten Zwecken seine "zeitweilige" Treuepflicht verletzt und einen Insiderverstoß begangen. Da es sich bei Mr. Ingram um einen professionellen Marktteilnehmer handelte, konnte man ihm einen vorsätzlichen Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot einfacher nachweisen, als dies bei einem sonstigen (temporären) Insider, vor allem aber bei einem Tipempfänger der Fall gewesen wäre l81 • 3. Zwischenergebnis

Die Entscheidungen des U.S. Supreme Court in Chiarella v. United States und Dirks v. s.E.c. sind bis heute geltendes Recht. Die soeben skizzierten Sachverhalte gehören jedoch zu den selten gebliebenen Versuchen, die höchstrichterlichen Vorgaben bei der Beurteilung von Insiderfällen praktisch umzusetzen l82 • Letztlich lag schon in der Konstruktion eines Insiders qua Fiktion das stillschweigende Eingeständnis des U.S. Supreme Court, daß mit einem begrenzten Treupflichtkonzept auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage den vielfältigen Ausdrucksformen des Insiderproblems im Finanzwirtschaftsleben nicht hinreichend beizukommen ist. Dieser Gedanke durchzieht die Kritik, welche die Entwicklung der Fiduciary Duty Theorie begleitet hat.

181

Näher dazu Lins/Nielsen/Olson/Ratner, e533 ALl-ABA 1267, 1273-1274 (1990).

Siehe zur Anwendung der Figur des "temporary insider" auch die Entscheidungen United States v. Musella, 578 F.Supp. 425, 438-439 (S.D.N.Y. 1984) und S.E.c. v. Torne, 638 F.Supp. 596,620-622 (S.D.N.Y. 1986). 182

88

Teil 2, Kapitel 2: Fiduciary Duty Theorie

C. Kritik I. Insiderproblem und Treuepflicht

Chiarella v. United States und Dirks v. S. E. C. haben den Regelungsgrund des Insiderrechts zu einem "dunklen Mysterium" gemacht l83 • Diese Aussage steht plakativ für viele kritische Stimmen, die ein allgemeines Insiderrecht auf dem Boden der Fiduciary Duty Theorie nur unzulänglich verwirklicht sehen l84 • Nur wenige Autoren halten das in Chiarella entwickelte und in Dirks bestätigte Treuepflichtkonzept für einen tragfähigen Ansatz l85 • Auf den ersten Blick bietet sich die Fiduciary Duty Theorie zur Lösung des Regelungsproblems besonders an. Sie knüpft den insiderrechtlichen Haftungstatbestand an ein fiduziarisches Ptlichtverhältnis an. So wird automatisch das Gesellschaftsrecht zum Hauptanwendungsfeld des Insiderproblems; denn dort sollen die Interessen der beteiligten Personen durch eben solche Treuepflichten geschützt werden. Die Fixierung auf gesellschaftsinterne Insider und zumindest den gesellschaftsnahen (Tipnehmer)- Bereich erscheint naheliegend, weil Aktiengesellschaften als Emittenten eine wesentliche Quelle für Insiderinformationen sind. Auch in der Praxis handelte es sich bei Insiderflillen bis Ende der 70er/ Anfang der 80er Jahre häufig um Unternehmens insider, die, ermöglicht durch ihr funktionsbedingtes Wissen über den Zustand des Unternehmens, Aktionäre

183 Cox, 1986 Duke LJ. 628, 631: "The two Supreme Court decisions rendered the rationale underlying insider-trading regulation a dark mystery". 184 Siehe nur Seligman, 73 GeoLJ. 1083, 1087 (1985): "Chiarella and Dirks have had a confusing and unsettling impact on rule IOb-5 and related case law"; Davies, in: Hopt/Wymeersch, S.243, 251; Bergmans, S.48; Langevoort, 39 Ala.L.Rev. 399, 402405 (1988); Olson u.a., 41 Bus.Law. 223, 224-225 (1985); ausführlich zu den Problemen Fisch, 26 Ga.L.Rev. 179, 187-199 (1991); vergleichend Viandier, in: Hopt/ Wymeersch, S.57, 59.

185 Kraakman, in: Hopt/Wymeersch, S.39, 43 sieht die Möglichkeit zu einer Weiterentwicklung der Haftungstheorie auf einer "case-by-case" Basis; vgI. auch den Regelungsvorschlag von Fisch, 26 Ga.L.Rev. 179,235-236,238 (1991), der an eine Treuepflicht des Insiders gegenüber der Gesamtheit des Marktpublikums anknüpft; dazu Langevoort, 70 Calif.L.Rev. 1,4 (1982). Noch weitergehend Steckman, 5 Touro L.Rev. 121 ff. (1988) und ähnlich Wuller, 1985 U.III.L.Rev. 503 ff., die das Insiderrecht auf Basis einer Fiduciary Duty Theorie ausweiten wollen, indem sie eine Treuepflicht des Insiders gegenüber dem Markt als solchem und hieraus abgeleitet gegenüber jedem einzelnen Marktteilnehmer konstruieren. Harp, 18 GaLRev. 593,608-636 (1984) kommt nach Analyse der Dirks-Entscheidung zu dem Ergebnis, das Treupflichtkonzept sei ein tragfähiger Ansatz zur Erfassung des Insiderproblems im Kapitalmarkt.

C. Kritik

89

ihrer Gesellschaft bei Wertpapiergeschäften übervorteilten 186. Die Informationsunterschiede hinsichtlich kursrelevanter Daten traten also vornehmlich in einem Bereich auf, der durch die Existenz von Treuepflichten zwischen den Geschäftspartnern geprägt ist. Insofern kann die faktische Gesellschaftsbezogenheit des Insiderrechts nicht verwundern 187 • Im übrigen war die Kehrtwende, die Chiarella v. United States bedeutete, nicht unmittelbar deutlich. Denn die Mehrheitsmeinung sah sich hier sogar in Einklang mit der Analyse in Cady, Roberts. Das Chiarella-Urteil stellte heraus, daß auch in jenem Ursprungsfall die Treuebeziehung (relation of trust and confidence) zwischen dem Unternehmensinsider und den Aktionären ausschlaggebend für die Insiderhaftung gewesen sei l88 • Das war jedoch eine Mißdeutung l89 • Denn in Cady, Roberts hatte man lediglich festgestellt, daß eine besondere informationelle Beziehung (special relation) bestanden hatte zwischen dem tipgebenden Vorstandsmitglied und dem später verurteilten Insider. Dieser Informationszugang und nicht eine Treuebeziehung zu den Partnern der Wertpapiergeschäfte war das entscheidungserhebliche Kriterium gewesen I 90. Der insiderrechtliche Ausgangsfall hob also ab auf die Beziehung zwischen Insider und Informationsquelle, nicht auf die Beziehung zwischen Insider und Geschäftspartner. Diesen Unterschied übersah die Chiarella-Analyse und hat damit zu einer in diesem Punkte nicht gerechtfertigten Festigung des Treuepflichtgedankens beigetragen.

186 Bergmans, S.49 nennt den klassischen Fall, daß ein Unternehmens insider den Aktionären unterbewertete Aktien in Kenntnis dieser kursrelevanten Information abkauft; vgl. Kraakman, in: HoptlWymeersch, S.39-55. Diese Konstellation war auch bei dem Sachverhalt in s.E.c. v. Texas GulfSulphur Co., siehe oben Kap.l, B.II.I, gegeben. Seit etwa Ende der 70er Jahre bis heute liegt den meisten judizierten und veröffentlichten Insiderfallen eine Übernahme-Situation (takeover) zugrunde; vgl. Bloomenthai, S.73!.

187 Hierdurch ließ sich im Nebeneffekt eine bundesweite Vereinheitlichung des GeseIlschaftsrechts verfolgen, quasi ein "Federal Corporation Law"; dieses fällt sonst ausschließlich in die Zuständigkeit der Einzelstaaten. Kritisch dazu Feiner, 50 Brook. L.Rev. 783, 792-796 (1984); ausführlich Collins, 36 AlaLRev. 297, 300-322 (1984); vgl. auch Voss, S.247-253. 188

Chiarella v. United States, 445 U.S. 222, 227-228 (1980); vgl. oben B.I.3.

189 Zu den unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten der Entscheidung In Re Cady, Roberts & Co., siehe oben Kap.!, B.I.3. 190 Diesen Argumentationsgang bestätigte später nochmals William Cary, 21 Bus. Law. 1009, 1011 (1966); er hatte als damaliger Chairman der S.E.C. deren Standpunkt im Cady, Roberts-Fall formuliert. Siehe auch oben Kap. I , B.1.2.

90

Teil 2, Kapitel 2: Fiduciary Duty Theorie

11. Regelungslücken

Bei der Neubestimmung des Insiderhandelsverbots durch die Fiduciary Duty Theorie spielte auch die Überlegung eine Rolle, daß ein zu weiter Tatbestand die Tätigkeit von Wertpapieranalysten und anderen Finanzintermediären im Markt behindern kann l9l • Hier sollte das neue Insiderrecht notwendigen Freiraum lassen. Durch die Festlegung auf das Treuepflichtprinzip entstanden aber auch nicht sachbezogene 192 und deshalb kaum zu rechtfertigende Regelungslücken l93 • J. Tipempjänger

Tipempflinger erhalten ihre kursrelevante Information (den Tip) häufig von einem Unternehmensinsider. Sie befinden sich dadurch noch im unmittelbaren Umfeld eines Emittenten. Trotzdem sind sie insiderrechtlich im Rahmen der Fiduciary Duty Theorie nur eingeschränkt erfaßbar. Mit der Rechtsfigur des Insiders qua Fiktion muß man zu einem Hilfsmittel greifen, um sachgerechte Ergebnisse zu erzielen und Haftungslücken zu schließen. Aber selbst diese Konstruktion ist nur auf Personen anwendbar, die Insiderinformationen im Rahmen einer vertraglichen Zusammenarbeit mit dem Unternehmen erhalten l94 • Wer hingegen ohne Vertragsbeziehung zum Informanten Insiderinformationen erhält oder nicht weiß, daß der Unternehmensinsider durch die Informationsweitergabe seine Treuepflicht verletzt, kann die gewonnenen Informationen ohne Einschränkungen verwerten. Diese Haftungslücke wird dem Insiderproblem nicht gerecht. Sie rührt daher, daß der U.S. Supreme Court in Dirks v. S.E. C. den Schwerpunkt der Analyse auf den Treuebruch des Insiders gelegt hat und nicht auf die Möglichkeit der Vertrauensschädigung gegenüber anderen Anlegern.

191 Siehe insbesondere Dirks v. s.E.C, 463 V.S. 646, 658, dort befürchtete man "(a)n inhibiting influence on the role of market analysts, which the S.E.C. itself recognizes as necessary for the preservation of a healthy market"; vgl. dazu Kraakman, in: HoptJ Wymeersch, S.39, 43.

192 Cox, 1986 Duke LJ. 628, 629 kommt zu dem Ergebnis, die Beschränkungen, die Chiarella v. United States und Dirks v. s.E.C der Anwendung des Insiderhandelsverbots auferlegen, seien "completely artificial". 193 Harder, 10 J.Corp.L. 711, 723 (1985) weist zutreffend darauf hin, daß die Entscheidung in Chiarella v. United States ein Verhalten entschuldigt, das nah am Kern dessen liegt, was der V.S. Congress mit den "Securities Laws" gerade verbieten wollte; vgl. Bergmans, S.50. 194

Siehe näher oben B.II.5.

C. Kritik

91

Dieser Ansatz der Fiduciary Duty Theorie berücksichtigt die Gegebenheiten im Kapitalmarkt zu wenig: Zwar ist es einsichtig, daß ein Tipempfänger dem insiderrechtlichen Verbotstatbestand unterliegt, wenn auch sein Informant durch die Informationsweitergabe gegen das Verbot verstoßen hat. Umgekehrt gibt es jedoch keinen Grund, den Tipemptanger nur deshalb von der Haftung freizustellen, weil es dem Insider erlaubt war, die Information weiterzugeben. Denn die Möglichkeit, die Marktintegrität durch Ausnutzung einer Insiderinformation zu schädigen, bleibt dieselbe. Sie hängt nicht davon ab, ob die Information den unternehmensinternen Bereich unter Verletzung eines Verbots verlassen hat oder nicht l95 •

2. Marktinsider Wer durch unlautere Mittel, etwa Diebstahl oder Veruntreuung, durch Zufall oder wie der Drucker Chiarella an Insiderinformationen gelangt, ist im Rahmen der Fiduciary Duty Theorie nicht an der Ausnutzung seines Wissensvorsprungs gehindert. Läßt sich Insiderhandel bei Tipempflingem günstigen falls noch wegen ihrer Nähe zu Unternehmensinsidern verbieten, so fehlt bei Marktinsidern die Treuebindung zu einem Emittenten vollständig. Die Fiduciary Duty Theorie kann sie deshalb nicht erfassen l %. Das ist problematisch, weil viele Marktakteure, die Gelegenheit zu Insidergeschäften haben, nicht durch entsprechende Treuepflichten gebunden sind l97 • Das Fiduciary Duty Konzept liefert keine Erklärung daftlr, warum die Regelung des Insiderproblems bei dieser wichtigen Insidergruppe ausgeklammert bleibt l98 • Um die Regelungslücke bei Marktinsidern wenigstens teilweise zu stopfen, hat die S.E.c. als direkte Antwort auf die Entscheidung in Chiarella v. United

195 Auf diese Anomalie des Fiduciary Duty Konzeptes weist auch Justice Blackmun in seiner "dissenting opinion" in Dirks v. s.E.c., 463 V.S. 646, 674-675 (1983) hin. 196 Die haftungsrechtliche Freistellung von Marktinsidern hat der V.S. Supreme Court bewußt in Kauf genommen; siehe hierzu Chiarella v. United States, 445 V.S. 222,232-235 (1980). 197 Rider/Ashe, S.4; Bergmans: S.44; ftlr Feiner, 50 Brook.L.Rev. 783, 789 (1984) bedeutet die Anwendung der Fiduciary Duty Theorie auf Marktinsider (und Tipempfanger) "making bad law in a c1assic hard case".

198 Vgl. Anderson, 10 Hofstra L.Rev. 341, 368-370 (1982); ähnlich Kraakman, in: HoptlWymeersch, S.39, 43, der dies in Bezug auf den Chiarella-Fall rhetorisch zuspitzt auf die Frage, warum das Insiderproblem zwischen einem Aktionär und einem im Markt weit von ihm entfernten Vnternehmensmanager qua gesellschaftsrechtlicher Treuepflicht geregelt sein soll, nicht aber zwischen einem Aktionär und einem hiervon genauso weit entfernten Finanzdrucker.

92

Teil 2, Kapitel 2: Fiduciary Duty Theorie

States Rule 14e-3 erlassen 199. Sie normiert einen insiderrechtlichen Sondertatbestand für den praktisch wichtigen Fall des Insiderwissens über eine bevorstehende Unternehmensübernahme 2°O. Damit ist der unlauteren Verwertung von Informationsvorsprüngen in diesem speziellen Bereich wieder ein Riegel vorgeschoben worden. Das ändert aber nichts daran, daß die Fiduciary Duty Theorie als allgemeine Insiderregelung bei Marktinsidern eine gravierende Regelungslücke hinterläßt. 3.Insiderpapiere a) Allgemein Zum Insiderhandel können alle Arten von Wertpapieren benutzt werden 20' • Der Wertpapierbegriff ist in U.S.A. traditionell sehr weitgefaßt. Für das Insiderrecht ist die umfangreiche Aufzählung von Wertpapieren (securities) in Section 3 (a) (10) des S.E.A. 202 einschlägig. Sie nennt neben Aktien, Schuldverschreibungen, Optionen und Terminkontrakten noch zahlreiche weitere Formen von Finanzvereinbarungen, die alle im weitesten Sinne durch Gewinnerwartungen der Anleger motiviert sind203 • Der Treuepflichtansatz kann auch bei den Insiderpapieren das Regelungsproblem nur lückenhaft erfassen. Denn eine Treuepflicht zwischen den Partnern eines Wertpapiergeschäfts besteht nur, wenn es sich um Handel mit Aktien handelt. Nur Aktien sind Anteilsscheine am emittierenden Unternehmen und daher geeignet, Sonderpflichten zwischen den Anteilsinhabern zu vermitteln. Zwei wichtige Wertpapierformen, die keine verbandsrechtliche Beziehung zwischen den Geschäftspartnern begründen, sind Optionen und Anleihen.

199 Dazu kritisch Karmel, 59 Brook.L.Rev. 149, 162-164 (1993); Kraakman, in: HoptlWymeersch, S.39, 44; Olson u.a., 41 Bus.Law. 223, 248-253 (1985). 200 Zum Vergleich von S.E.C. Rule 14e-3 mit einer allgemeinen Insiderrechtstheorie, vgl. oben Teil I, B.IIl.

201

Zum Begriff der Insiderpapiere siehe oben Teil I, c.m.

202

Kodifiziert unter 15 U.S.c. § 77(b)(I).

Näher Cox/HillmaniLangevoort, S.123-125; GraberiNolaniSams, 30 Am.Crim. L.Rev. 909, 941-946 (1993) beschreiben ausführlich die gesetzliche Definition und richterliche Auslegung des "security"-Begriffs; vgl. auch Wang/Steinberg, S.323 und Hausmaninger, S.222. 203

C. Kritik

93

b) Optionen Eine im Börsenhandel häufige Wertpapierform sind Optionsscheine. Es handelt sich dabei um abgeleitete Wertpapiere oder Derivate. Optionen verbriefen ein Recht zum Kauf oder Verkauf zumeist von Aktien. Man kann sie an der Börse handeln, ohne gleichzeitig die Wertpapiere, auf die sie sich beziehen, zu erwerben oder zu veräußern. Die Rechtsprechung hat Unternehmensinsidern die Verwertung kursrelevanter Informationen bei Geschäften mit Optionen auf Anteile des eigenen Unternehmens erlaubt. Der Grund hierfür: Zwischen Unternehmensinsidern und Inhabern der auf die Aktien des Unternehmens bezogenen Optionen besteht keine Treuebeziehung204 • Es ist aber widersprüchlich, den Insiderhandel mit Aktien zu verbieten, wenn aufgrund derselben kursrelevanten Informationen vorteilhafte Geschäfte mit Optionen, die sich auf eben jene Aktien beziehen, erlaubt sind205 • Diese Regelungslücke erkannte auch der U .S. Kongress. Er stellte 1984 durch eine Gesetzesänderung klar, daß das Insiderhandelsverbot immer dann für abgeleitete Wertpapiere (derivative securities) gilt, wenn es auch in Bezug auf die jeweils zugrundeliegenden Wertpapiere (underlying security) gelten würde 206 • Festzuhalten bleibt, daß die Fiduciary Duty Theorie bei Derivaten wiederum nicht ohne Kunstgriffe auskommt, um sachgerechte Ergebnisse bei der Anwendung der Insiderregeln zu erzielen207 •

204 Vgl. nur Laventhall v. General Dynamics Corp., 704 F.2d 407, 410-413 (8th Cir. 1983), cert.denied, 464 V.S. 846 (1983), näher zu diesem Fall PittlGroskaufmanis, 49 Bus.Law. 187, 199-202 (1993); Starkman v. Warner Communications Inc., 671 F.Supp. 297, 301-307 (S.D.N.Y. 1987); In Re McDonnell Douglas Corp. Sec. Litig., 567 F. Supp. 126, 126-127 (E.D. Mo. 1983); O'Connor & Assoc. v. Dean Witter Reynolds, Inc., 529 F.Supp. 1179, 1185 (S.D.N.Y. 1981).

205 Kritisch Seligman, 73 Geo.L.J. 1083, 1088 (1985); Langevoort, 70 Cal.L.Rev.l, 42 (1982). Daß sich das Handelsverbot vor Entwicklung der Fiduciary Duty Theorie zwanglos auch auf Optionen erstreckte, zeigt beispielhaft der Sachverhalt in s.E.c. v. Texas GulfSulphur Co.; siehe oben Kap.l, B.I1.1. 206 Man formulierte einen entsprechenden Zusatz, Section 20(d), zum S.E.A.; 15 U.S.c. § 78t(d); auch Langevoort, 37 Vand.L.Rev. 1273, 1290-1291 (1984) sieht hierin das Eingeständnis, daß dem Insiderproblem mit der Fiduciary Duty Theorie nicht konsequent begegnet werden konnte.

207 Zum Problem der Erfassung von Insiderpraktiken bei Optionsgeschäften Pittl Groskaufmanis, 49 Bus.Law. 187, 192-212 (1993); McGrath, 61 Fordham L.Rev. 127, 143-145 (1993); Sacksteder, 97 Yale L.J. 623, 637-643 (1988); ausführlich Lesser, 16 Fordham Urb.L.J. 295 ff. (1988).

94

Teil 2, Kapitel 2: Fiduciary Duty Theorie

c) Schuldverschreibungen Auch mit Schuldverschreibungen, sog. "debt securities", ist Insiderhandel möglich 208 ; sie sind im Rahmen der Fiduciary Duty Theorie aber ebenfalls nicht erfaße 09 • Die Regelungslücke rührt daher, daß Schuldverschreibungen keine verbandsrechtliche, sondern nur eine vertragliche Beziehung zum Emittenten vermitteln. Deshalb unterliegen Unternehmensinsider gegenüber Anleiheinhabern keiner Treuepflicht2lO • Zwar haben manche Gerichte in Einzelfällen Treuebeziehungen auch zwischen Unternehmensinsidern und Inhabern von Wandelanleihen anerkannelI. Zur generellen Ausbildung einer zumindest treueähnlichen Pflicht auch gegenüber Anleiheinhabern ist es bislang jedoch nicht gekommen 2l2 • Damit fehlt bei Schuldverschreibungen der entscheidende Anknüpfungspunkt zur Anwendung des Insiderrechts 213 • Ein sachlicher Grund dafiir ist nicht ersichtlich. Die Fiduciary Duty Theorie versagt hier erneut als Basis rur ein allgemeines Insiderrecht.

208

Siehe oben Teil 1, C.IlI.

209 Der Zusatz in Section 20(d) des S.E.A. bezieht sich nur auf Optionen, nicht auch auf Schuldverschreibungen.

210 Siehe nur Lowry v. Baltimore & OR.R., 707 F.2d 721, 723 (3d Cir. 1983); Kirshner v. Goldberg, 506 F.Supp. 454, 457-458 (S.D.N.Y. 1981); vgl. näher Seligman, 73 Geo.L.J.1083, 1089 (1985); Bergmans, S.18. 211 So In Re Worhis of Wonder Sec. Litig. , 814 F.Supp. 850 (N.D.Cal. 1990), dazu PittlGroskaufmanis, 49 Bus.Law. 187,237-238 (1993). In Pittsburgh Terminal Corp. v. Baltimore & OR.R., 680 F.2d 933, 941 (3d Cir. 1982), cert.denied, 459 U.S. 1056 (1982) kam das Gericht zu dem Ergebnis, daß ein Mehrheitsaktionär Treuepflichten gegenüber den Inhabern von Wandelanleihen (convertible debentures) hat. Vgl. auch Broadv. Rockwell Int'l Corp., 614 F.2d 418, 431-432 (5th Cir. 1980), affd in relevant part, 642 F2.d 929 (5th Cir. 1981)(en banc). 212 Einige Autoren haben dies zumindest flir möglich gehalten; siehe Langevoort, 70 Calif.L.Rev. 1,40 (1982).

213 Zum neueren Stand der Rechtsprechung WanglSteinberg, S.323-334; Hausmaninger, S.217; Cheek, C903 ALI-ABA 439, 449-450 (1994); zur Insiderproblematik bei Schuldverschreibungen ausflihrlich auch PittlGroskaufmanis, 49 Bus.Law. 187, 212251 (1993); McGrath, 61 Fordham L.Rev. 127, 145-148 (1993).

C. Kritik

95

111. Gegenstimmen im United States Supreme Court Auch innerhalb des U.S. Supreme Court war die Fiduciary Duty Theorie von Beginn an umstritten 2l4 . Vor allem die in Chiarella v. United States vorgebrachten Meinungen sind bis heute Kristallisationspunkte der verschiedenen Regelungsideen zum Insiderproblem. Ein Minderheitsvotum wollte unter Verweis auf den Zweck der "Securities Laws" die Equal Access Theorie beibehalten: Ein Insiderhandelsverbot sei immer dann erforderlich, wenn jemand Zugang zu einer Information habe, an die ein ehrlicher Anleger - unabhängig von der dabei aufgewendeten Sorgfalt nicht legal herankomme 215 • Schon nach deliktsrechtlichen Kategorien sei die Ausnutzung eines solchen Informationsunterschieds "inherently unfair"216. Eine zweite Minderheitsmeinung 217 hielt nur mit Einschränkungen an einer Treuepflicht als Haftungsvoraussetzung fest: Ein Treueverhältnis sei zwar erforderlich; es müsse aber nicht notwendig zwischen den Partnern des Wertpapiergeschäfts, sondern könne auch gegenüber dem Arbeitgeber des Insiders bzw. gegenüber der Informationsquelle bestehen. Wertpapierhandel unter Ausnutzung beruflich erlangter Informationen sei eine Form der Untreue gegenüber dem Arbeitgeber und aus diesem Grunde als Insiderhandel zu verfolgen 218 • Eine dritte Gegenmeinung sah das Insiderhandelsverbot nicht als Ausfluß irgendeiner Sonderpflicht des Informationsinhabers. Entscheidend sei allein auf die Art der Informationserlangung abzustellen. Insiderrecht richte sich gegen die Ausnutzung kursrelevanter Informationen, die der Informationsinhaber "nicht durch überlegene Erfahrung, Voraussicht oder Fleiß, sondern auf rechtswidrige Weise erlangt habe"2I9. Die Verwertung solcher Informationsvorteile 214 Die Mehrheitsentscheidungen in Chiarella v. United States und Dirks v. s.E.c. ergingen jeweils mit 6:3 Stimmen. 215 Justice Blackmun und Justice Marshall sprechen in ihrer "dissenting opinion" in Chiarella v. United States, 445 V.S. 222, 247 (1980) von "access to confidential infor-

mation that the honest investor, no matter how diligently he tried, could not legally obtain". 216 Justice Blackmun und Justice Marschall in Chiarella v. United States, a.a.O., S.247-248. Dieses Argument wurde von der Mehrheitsmeinung ausdrücklich zurückgewiesen, Chiarella v. United States, a.a.O., S.228 Fn.l O.

217 Die im Ergebnis aber mit der Mehrheit übereinstimmte. 218 So Justice Stevens in seiner "concurring opinion" in Chiarella v. United States, a.a.O., S.237-238. 219 Chief Justice Burger stellt in seiner "dissenting opinion" in Chiarella v. United States, a.a.O., S.240 ab auf Informationen "obtained not by superior experience, fore-

sight, or industry, but by some unlawful means". Ermutigt durch den gedanklichen Anstoß von Chief Justice Burger hat man schon kurze Zeit später hieraus die Mis-

96

Teil 2, Kapitel 2: Fiduciary Duty Theorie

erfülle deshalb keine nützliche Funktion außer der Bereicherung des Insiders auf Kosten anderer 20 • Diese letztgenannte Auffassung stellt das Insiderhandelsverbot als eine den Marktteilnehmern geschuldete allgemeine Unterlassungspflicht dar. In der praktischen Auswirkung kommt sie der Equal Access Theorie nahe 221 • IV. Widerspruch

Die Fiduciary Duty Theorie leidet an einem Widerspruch, der durch Section 10 (b) des S.E.A. geradezu vorprogrammiert ist. Der Gegensatz zwischen persönlicher Treuebeziehung einerseits und anonymer Marktbeziehung andererseits spiegelt das schon bei der Equal Access Theorie aufgetretene Abstimmungsproblem, nur diesmal mit umgekehrten Vorzeichen 222 • 1. Individuelle Treuebeziehung

Die Fiduciary Duty Theorie bindet das Insiderrecht strikt an den Wortlaut von Section 10 (b) S.E.A. und Rule IOb-5, ohne den übergeordneten Gesetzeszweck zu berücksichtigen. Die Theorie setzt eine identifizierbare Beziehung zwischen den Partnern des Wertpapiergeschäfts voraus. Individuelle Treueverhältnisse sind ihr Mittel zur Erfassung des Insiderproblems. Das verlangt jeweils einen Treugeber und einen Treunehmer. 2. Anonyme Marktbeziehung

Demgegenüber steht das Ziel der "Securities Laws", die FunktionsHihigkeit und Integrität des Kapitalmarktes zu erhalten. Der größte Teil aller Wertpapier-

approprIatIOn Theorie entwickelt. Allerdings kommt auch die Argumentation von Justice Stevens der späteren Haftungstheorie sehr nahe. Zur "Geburtsstunde" der Misappropriation Theorie in Chiarella v. United States siehe McMahon, 13 Del.J.Corp.L. 985,998-1001 (1988); Morgan, 33 Hastings LJ. 1407, 1433-1436 (1982). 220 So Chief Justice Burger in Chiarella v. United States, a.a.O., S.241: "(I)t serves no useful function except his own enrichment at the expense of others". 221 Zu den drei Minderheitsmeinungen in Chiarella v. United States auch Boinski, 60 Temp.L.Q. 215, 237-240 (1987). 222 Bergmans, S.62-63 zur widersprüchlichen, weil jeweils ergebnisorientierten Interpretation von Section 10 (b) S.E.A. und Rule 10b-5; zum gleichgelagerten Problem bei der Equal Access Theorie oben Kap. 1, C.UI.

D. Ergebnis

97

transaktionen am Markt verläuft anonym 223 • Deshalb fehlt es regelmäßig an einer personalen Prägung der Geschäftsbeziehung224 • So kommt es zu einem Konflikt zwischen Ziel und Mittel: Man versucht ein weitgehend anonymisiertes Marktgeschehen insiderrechtlich zu regeln (=Ziel) mit Hilfe eines auf individueller Beziehung basierenden Treuebruchtatbestandes (=Mittel). Aus diesem Blickwinkel betrachtet kann die Fiduciary Duty Theorie das Insiderproblem gar nicht sachgerecht erfassen.

D. Ergebnis Die Fiduciary Duty Theorie macht eine Treuepflicht zwischen den Partnern des Wertpapiergeschäfts zur Anwendungsvoraussetzung des Insiderhandelsverbots. Dadurch sind nur Unternehmensinsider gut zu erfassen. Im übrigen entstehen große Regelungslücken; etwa bei bestimmten Informationsempfängern ohne Vertragsbindung zum Emittenten, bei allen Marktinsidern sowie bei Wertpapierformen, die keine verbandsrechtliche PflichtensteIlung vermitteln. Die Theorie orientiert sich am Wortlaut der gesetzlichen Grundlage. Sie schneidet das Insiderrecht inhaltlich wieder zurück auf die engen Grenzen des "common law", die man ursprünglich hatte überwinden wollen 225 • Die Schwäche des Treuepflichtansatzes ist anfangs dadurch kaschiert worden, daß selbst unter Zugrundelegung dieser engen Theorie viele berühmte Insiderfälle, die der Chiare/la-Entscheidung vorausgegangen sind, zum gleichen Ergebnis gekommen wären. Das liegt daran, daß es sich in jenen Fällen um Unternehmensinsider oder zumindest deren Tipempfänger handelte. So gehört es zu den Widersprüchlichkeiten der U.S.-amerikanischen Diskussion über den "richtigen" insiderrechtlichen Haftungsgrund, daß bei einem Unternehmensinsider-Fall (S.E.c. v. Texas GulfSulphur Co.) marktrechtlich argumentiert wurde, bei einem Marktinsider-Fall (Chiare/la v. United States) jedoch treurechtlich.

223 In Chiarella v. United States wird dieser Umstand lediglich im Minderheitsvotum von Justice Blackmun, a.a.O., S.248 deutlich, danach ist es Zweck der Kapitalmarktgesetzgebung "to ensure the fair and honest functioning of impersona/ (Hervorhebung d. Verf.) national securities markets where common law protections have proved inadequate". 224 Diese Überlegung scheint flir die Mehrheitsmeinung in Chiarella v. United States, a.a.O., S.232-233 keine große Rolle gespielt zu haben. In der Argumentation behandelte man den Marktinsider Chiarella eher als Randfigur des Marktgeschehens: "a complete stranger who dealt with the seIlers only through impersonal market transactions". 225

Siehe oben Einflihrung zu Teil 2, 11.; vgl. B/oomenthal, S.735.

7 Weber

98

Teil 2, Kapitel 2: Fiduciary Duty Theorie

Die Einengung des Insiderrechts lief der Welle von Übernahmekämpfen am V.S.-amerikanischen Kapitalmarkt seit Mitte der 70er Jahre diametral entgegen. Das führte zu Spannungen. Zwar ließen sich auch Marktinformationen ohne weiteres als Insiderinformationen erfassen, da das V.S.-amerikanische Insiderrecht nicht nach dem Informationsinhalt unterscheidet. Der Insiderbegriff mußte vor der Herausforderung durch die Marktinsider jedoch kapitulieren. Eine unmittelbare Folge der Chiarella-Entscheidung war deshalb der Erlaß von Rule 14e-3 durch die S.E.C. Diese Spezialregel soll vor Insiderhandel im Zusammenhang mit Vnternehmensübernahmen schützen. Obwohl die Begrenztheit des Treuepflichtgedankens zu den dargestellten Problemen führt, war den Gerichten eine Rückkehr zum Vorzustand versagt. Denn die Entwicklung der Fiduciary Duty Theorie beinhaltete zugleich eine deutliche Absage an die Equal Access Theorie. Ein möglicher Ausweg stand nur offen über das Aufgreifen der in den Minderheitsvoten zu Chiarella v. United States geäußerten Regelungsideen. Diese Entwicklung ließ nicht lange auf sich warten. Sie setzte schon ein Jahr nach der Chiarella-Entscheidung ein, wiederum im Second Circuit226 • Hiermit geht seit Mitte der 80er Jahre der bis heute andauernde weitgehende Stillstand des Treupflichtkonzeptes einher227 •

226 Das Berufungsgericht für den Zweiten Bezirk (Second Circuit) hatte auch schon der Equal Access Theorie zur Anerkennung verholfen. 227 Allerdings normieren Chiarella v. United States und Dirks v. s.E.C bis heute anwendbares Recht. Die jüngste Entscheidung des V.S. Supreme Court in United States v. o 'Hagan hat dessen Fortgeltung ausdrücklich bestätigt; dazu ausführlich unten Kap.3, B.IV.

B. Entwicklung

99

Kapitel 3

Misappropriation Theorie A. Grundgedanke Die Misappropriation Theorie sieht den Grund rur Insiderhaftung darin, daß sich ein Insider eine fremdnützige Information zur eigenen Verwendung zueignet und dadurch eine Vertrauensbeziehung zur Informationsquelle verletzt. Dieses Verhalten gilt als "Veruntreuung" (misappropriation) der Information. Die Misappropriation Theorie bereitet zwei Hauptprobleme: Es ist schwierig, die Sonderbeziehung zwischen Insider und Informationsquelle hinreichend konkret zu bestimmen, da diese nicht die Intensität einer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht haben muß. Die Theorie knüpft außerdem an den fehlsamen Erwerb, nicht an die Verwendung der Information an. Dadurch verbindet sich Insiderhaftung mit die Verletzung eines Rechtsverhältnisses, das außerhalb des unmittelbaren Börsengeschehens liegt.

B. Entwicklung I. Berufliche Sonderbeziehung

Die Entwicklung der Misappropriation Theorie hat wiederum das einflußreiche Berufungsgericht des Second Circuit vorangetrieben 228 • Der neue insiderrechtliche Haftungsgrund kam zum ersten Mal in United States v. Newman zur Anwendung 229 • 1. Ausgangspunkt: United States v. Newman (1981)

a) Sachverhalt In United States v. Newman 230 bestätigte der Second Circuit die Verurteilung des Wertpapierhändlers Newman wegen Insiderhandels. Newman war befreun228 Zu den praktischen Gründen rur die hervorragende Bedeutung des Second Circuit in der V.S.-amerikanischen Insider-Rechtsprechung siehe oben Kap.l, B.II. 229 Den Regelungsgedanken der späteren Misappropriation Theorie hat man auf gerichtlicher Ebene erstmalig in einer "dissenting" und einer "concurring opinion" in Chiarella v. United States angesprochen; näher oben Kap.2, C.III; dazu auch McGrath, 61 Fordham L. Rev. 127, 140-143 (1993). 230 United States v. Newman, 664 F.2d 12 (2d Cir. 1981), afl'd after remand, 772 F.2d 729, cert.denied, 464 U.S. 863 (1983).

7*

100

Teil 2, Kapitel 3: Misappropriation Theorie

det mit Mitarbeitern zweier Investmentbanken. Deren berufliche Aufgabe war es, Übernahmeangebote und Unternehmenszusammenschlüsse für die Unternehmenskunden der Banken zu planen. Sie waren deshalb imstande, Newman die Identität von Gesellschaften zu verraten, deren Übernahme oder Zusammenschluß jeweils kurz bevorstand. Newman nutzte diese Hinweise zu vorteilhaften Insidergeschäften mit Wertpapieren der Zielgesellschaften. Den erzielten Gewinn teilte er anschließend mit seinen Informanten 231 • b) "Veruntreuung" von Insiderinformationen Das Gericht stand im vorliegenden Fall vor einem Dilemma: Bei Newman und den beiden Mitarbeitern der Investmentbanken handelte es sich um Marktinsider. Der Equal Access Theorie, die hier ohne weiteres zur Insiderhaftung der Beteiligten gefilhrt hätte, war ein Riegel vorgeschoben 232 • Gleichzeitig blieb auch für die Fiduciary Duty Theorie kein Raum, weil die Betroffenen in keiner Treuebeziehung zu den Inhabern der gehandelten Aktien standen. In dieser Situation half man sich mit einer Neuinterpretation der normativen Rahmenvorgabe. Das Gericht stellte grundlegend fest, daß Rule lOb-5 alle Verhaltensweisen im Kapitalmarkt verbiete, die gegenüber "irgendeiner" Person als Betrug oder Täuschung (fraud or deceit) zu werten seien 233 • Demgemäß verlange das Insiderhandelsverbot nicht, daß der Informationsmißbrauch gerade gegenüber dem Käufer oder Verkäufer von Wertpapieren begangen werde234 • Vielmehr könne auch ein Treueverstoß des Insiders gegenüber der Quelle seiner vertraulichen Informationen den Verbotstatbestand auslösen235 • Mit Hilfe dieser Argumentation kehrte das Insiderhandelsverbot seine Zielrichtung vollständig um. Ein neues Haftungskonzept war gefunden. Den Ausschlag gab nicht mehr die Verletzung einer Treuepflicht gegenüber dem Partner des Wertpapiergeschäfts, sondern die "Veruntreuung" der Information, die das Insidergeschäft überhaupt erst ermöglicht. Zu klären blieb allein, welche Art

231

Zum Sachverhalt United States v. Newman, a.a.O, S.14-15.

232

Ausdrücklich so in Chiarella v. United States; siehe oben Kap.2, B.I.3.

233 S.E.C. Rule lOb-5 verbietet an der einschlägigen Stelle "any act ... which operates ... as a fraud or deceit upon any person" (Hervorhebung d. Yerf.); zum vollständigen Wortlaut siehe oben Kap.2, Einführung, 11.

234 United States v. Newman, a.a.O., S.17: "Rule lOb-5 ... contains no specific requirement that fraud be perpetrated upon the seiler or buyer of securities". 235 Der Second Circuit umschreibt dies in United States v. Newman, a.a.O., S.18 umfassend als "deceitful misappropriation of confidential information by a fiduciary whether described as theft, conversion, or breach oftrust".

B. Entwicklung

101

von Sonderbeziehung zwischen dem Insider und seiner Informationsquelle236 erforderlich ist, damit sich die eigennützige Informationsverwertung als "Untreue" darstellen läßt. c) Anwendung In United States v. Newman entwickelte man die in der Praxis dringend benötigte neue Grundlage für das Insiderhandelsverbot. Sie machte es möglich, den Wertpapierhändler und die beiden Bankangestellten wegen Insiderhandels zu verurteilen: Den bei den Angestellten waren die wertvollen Insiderinformationen über die Übernahmepläne einiger Kundenunternehmen von ihren Arbeitgebern, den Investrnentbanken, nur unter Maßgabe strikter Verschwiegenheit anvertraut worden 237 • Sie standen deshalb in einer treurechtlichen Sonderbeziehung zu ihren Arbeitgebern. Basierend auf diesem Ansatz schloß der Second Circuit, die Bankangestellten und qua Zurechnung auch Newman 238 hätten durch die Weitergabe bzw. die Ausnutzung der Insiderinformationen das in sie gesetzte Vertrauen enttäuscht. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß die beiden Bankmitarbeiterdurch die unbefugte Weitergabe der Kundeninformationenden wirtschaftlichen Ruf ihrer Arbeitgeber im Geschäftsleben geschädigt hatten. Dies sei genauso treulos, als wenn sie unmittelbar das Geld ihrer Arbeitgeber gestohlen hätten und als eine Täuschung (deceit) i.S.v. Rule lOb-5 zu werten239 • Daruberhinaus hob der Second Circuit hervor, daß die Investrnentbanker nicht nur ihre Arbeitgeber, sondern auch deren Kundenunternehmen geschädigt hätten. Denn es sei möglich, daß die Insidergeschäfte ihres Komplizen Newman den Kurs der Zielgesellschaften in die Höhe getrieben und dadurch deren Übernahme verteuert oder sogar vereitelt hätten 240 •

236

Man spricht auch von "fraud on the informational source" .

237 United States v. Newman, a.a.O., S.17-18 spricht von "valuable nonpublic information entrusted to hirn in the utmost confidence" . 238 Dem Wertpapierhändler Newman hat das Gericht die Rechtsstellung und das Verhalten der beiden Bankangestellten wegen des gemeinsamen Tatplanes mittäterschaftlich zugerechnet.

239 United States v. Newman, aa.O., S.l7-18: "By sullying their employers' reputation, defendants defrauded them as surely as if their took their money" . 240 United States v. Newman, a.a.O., S.l7-18. Die Verteuerung einer geplanten Unternehmensübemahme wurde auch später noch mehrfach als möglicher Schaden aus Insidergeschäften genannt; siehe s.E.c. v. Materia, 745 F.2d 197, 202 (2d eir. 1984), dazu sogleich nachfolgend; United States v. Reed, 601 F.Supp. 685, 720 (S.D.N.Y. 1985); United Statesv. Winans, 612 F.Supp. 827, 845 (S.D.N.Y. 1985).

102

Teil 2, Kapitel 3: Misappropriation Theorie

In s.E.C v. Matericl- 41 ergab sich schon bald die Gelegenheit, die neue Regelungsidee nochmals zu überprüfen. Es handelte sich hier um einen mit der Ausgangslage in Chiarella v. United States nahezu identischen Sachverhalt, der diesmal jedoch zum entgegengesetzten Ergebnis fiihrte. Wieder hatte ein Angestellter einer New Yorker Finanzdruckerei, Anthony Materia, kodierte Informationen über bevorstehende Übernahmemanöver aus Druckunterlagen entschlüsseln können und diese in vorteilhafte Insidergeschäfte umgesetzt. Der Second Circuit bestätigte hier seine im Newman-Fall eingeschlagene Linie und malte die Konturen des neuen insiderrechtlichen Haftungskonzeptes weiter aus 242 • S.E. C v. Materia hob entscheidend auf das Angestelltenverhältnis zwischen dem Insider und seiner Informationsquelle sowie die daraus erwachsenden Pflichten ab. Das Gericht stellte fest, das Wesen eines Insidervergehens (the essence of the offence) liege in der eigennützigen Verwendung von Insiderinformationen unter Bruch eines Treueverhältnisses speziell zum Arbeitgeber43 • Damit wandte sich der Second Circuit gegen die Idee, schon die deliktische Informationserlangung könne - unabhängig von der Existenz einer Sonderbeziehung - ein Verwertungsverbot auslösen. Diese Überlegung hatte dem Minderheitsvotum von ChiefJustice Burger in Chiarella v. United States zugrunde gelegen 244 • Sie wäre im vorliegenden Fall gut anwendbar gewesen. Denn der Drucker Materia hatte wegen der Überwindung entsprechender Sicherungsmechanismen die Übernahmepläne der Kundenunternehmen auf illegale Weise erlangt. Man hatte sie ihm gerade nicht anvertraut wie den beiden Bankangestellten in United Statesv. Newmaff 45 • Ungeachtet dieser Überlegungen bestätigte die Analyse in S.E.C v. Materia die neue Schutzrichtung des Insiderhandelsverbots. Die Bewahrung der Anleger vor (Vertrauens-) Schäden durch Insiderhandel war nicht mehr das allein ausschlaggebende Argument. In den Vordergrund trat der wirtschaftliche Ruf des

241

S.E.C v. Materia, 745 F.2d 197 (2d Cir. 1984).

242 Das Berufungsurteil war dem U.S. Supreme Court zur Revision vorgelegt worden. Im Gegensatz zu Chiarella v. United States kam das höchste Gericht dem Drucker diesmal jedoch nicht zur Hilfe, um ihn aus der insiderrechtlichen Haftung zu entlassen. Es lehnte die Revision ab; s.E.C v. Materia, cert. denied, 471 U.S. 1053 (1985).

243 S.E.C v. Materia, a.a.O., S.203: "The essence ofthe offence is a violation of a preexisting fiducairy duty to an employer". Siehe zu diesem Aspekt auch die Analyse der Entscheidungen in Newman und Materia bei Wilkinson, 10 J.Corp.L. 581, 598-599 (1985). 244 Siehe oben Kap.2, C.I11. 245 In Parallele zur Terminologie des deutschen Strafrechts lag Materias Vertrauensbruch gegenüber seinem Arbeitgeber daher weniger in einer "veruntreuenden Unterschlagung", als vielmehr in einem "Diebstahl" der Information.

B. Entwicklung

103

Arbeitgebers eines Insiders als sicherer Aufbewahrungsort rur fremde Geschäftsgeheimnisse246 • 2. Erweiterung: United States v. Carpenter (1986) a) Sachverhalt Der Second Circuit hat die Misappropriation Theorie in United States v. nochmals erweitert. Hier handelte es sich um eine Wirtschaftszeitung als Informationsquelle des Insiders. Einem Zeitungsunternehmen werden Insiderinformationen zumeist nicht im Zusammenhang mit vertraglichen Dienstleistungen anvertraut. Hierin besteht ein wesentlicher Unterschied zu einer Investmentbank oder einer Finanzdruckerei248 • Es stellte sich deshalb die Frage, ob auch in diesem Fall die Verletzung einer beruflichen Sonderbeziehung zwischen Insider (Angestelltem) und Informationsquelle (Arbeitgeber) als Grundlage rur Insiderhaftung ausreichte. Carpente~47

Im Mittelpunkt des Falles stand ein Journalist des "Wall Street Journal", Foster Winans. Er war Autor der regelmäßig erscheinenden Kolumne "Heard on the Street", in der jeweils die neuesten Börsennachrichten und -gerüchte besprochen wurden. Die Zeitungskolumne war besonders erfolgreich und fand stets große Beachtung in Anlegerkreisen an der Wall Street. Sie führte daher regelmäßig zu Kursänderungen der kommentierten Werte. Diesen Effekt machte sich ihr Autor Winans zunutze: Er gab seinen Informationsvorsprung über den Inhalt eines jeweiligen Artikels vor dessen Veröffentlichung im "Wall Street Journal" an zwei befreundete Wertpapierhändler weiter. Diese konnten dann die Vorabinformationen zu vorteilhaften Geschäften mit den in der Kolumne besprochenen Aktien nutzen. Denn sie wußten, wie sich der Aktienkurs aufgrund der mit größter Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Reaktionen der Leser entwickeln würde. Den Börsengewinn teilten die

246 s.E.c. v. Materia, aa.O., S.201-202 spricht ausschlaggebend nur noch von der "reputation as a safe repository for client secrets". Eine gleichgerichtete Argumentation liefert United States v. Musella, 578 F.Supp. 425, 438-439 (S.D.N.Y. 1984): In dem Fall handelte es sich um den Angestellten einer Rechtsanwaltskanzlei; er hatte Insiderinformationen über bevorstehende Untemehmenszusammenschlüsse, an denen die Kanzlei beratend beteiligt war, an Außenstehende weitergegeben. Zur "Veruntreuung" von Insiderinformationen gegenüber einer Rechtsanwaltskanzlei auch United States v. Grossman, 843 F.2d 78 (2d Cir. 1988). 247

United States v. Carpenter, 791 F.2d 1024 (2d Cir. 1986).

248

Dazu jeweils United States v. Newman und s.E. C. v. Materia; siehe oben 8.1.1.

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Teil 2, Kapitel 3: Misappropriation Theorie

Wertpapierhändler anschließend mit ihrem Informanten 249 • Dieser hatte mit der Informationsweitergabe bewußt gegen eine betriebs interne Regel des "Wall Street Journal" verstoßen, zu deren Einhaltung er sich vertraglich verpflichtet hatte. Danach durften vor Veröffentlichung eines Artikels keinerlei Informationen hierüber preisgegeben werden. b) Insiderrecht als Arbeitgeberschutz Der Second Circuit bestätigte die insiderrechtliche Verurteilung des Journalisten und seiner beiden Helfer 50 aufgrund der Misappropriation Theorie 251 • Er fiihrte aus, strafbarer Insiderhandel könne auch auf solchen Informationen basieren, die dem Arbeitgeber (hier: "Wall Street Journal") nicht von außen zugeleitet252 worden seien und die der Insider dann veruntreue 253 • Aus diesem Grund bedürfe es auch keiner Treuebeziehung, die sich vom Insider bis zum Emittenten der gehandelten Papiere zurückverfolgen lasse 254 • Diese KlarsteIlung hatte eine wichtige Konsequenz: In United States v. Carpenter beruhte die Insiderhaftung ausschließlich auf der Verletzung einer beruflichen Sonderpflicht des

249 Sie überließen dem Journalisten des "Wall Street Journal" einen Anteil von 31.000 U.S. Dollar am erzielten Gesamtgewinn von 690.000 U.S. Dollar. Insgesamt hatten sie über einen Zeitraum von viereinhalb Monaten Vorabinformationen über etwa zwei Dutzend Zeitungsartikel ausgenutzt. 250 Ein ehemaliger Mitarbeiter des "Wall Street Journal", David Carpenter, war später ebenfalls an den Geschäften beteiligt gewesen. Er gab dem berufungsgerichtlichen Verfahren seinen Namen. Zur erstinstanzlichen Analyse siehe United States v. Winans, 612 F. Supp. 827, 840-843 (S.D.N.Y. 1985); dazu Kirnel, 38 Stan.L.Rev. 1549, 1554-1555 (1986). 251 Anschließend nahm der U.S. Supreme Court den Fall zur Entscheidung an; Carpenter v. United States, 484 U.S. 19 (1987). Ohne nähere Urteilsgründe erging eine 4:4 Entscheidung zu der Frage, ob sich die Weitergabe der internen Informationen des "Wall Street Journal" über Datum und Inhalt der Veröffentlichungen als "Veruntreuung" i.S.e. Verstoßes gegen das Insiderhandelsverbot werten läßt. Stimmengleichheit war aber nicht ausreichend, um die Entscheidung des Second Circuit zu kassieren. Daher ging man allgemein auch schon vor der "Iandmark"- Entscheidung des United States Supreme Court in United States v. O'Hagan, dazu unten B.IV., zumindest von einer Duldung der Anwendung der Misappropriation Theorie seitens des höchsten Gerichts aus. 252 Eine solche Zuleitung der Information von dritter Seite - zumeist von Emittenten an die Informationsquelle, der gegenüber sie später "veruntreut" wird, hatte es in den Fällen United States v. Newrnan und s.E.c. v. Materia gegeben; siehe oben B.LI. 253 Demgemäß hatte man auch schon im erstinstanzlichen Verfahren United States v. Winans, 612 F.Supp. 827, 840 (S.D.N.Y. 1985) argumentiert, daß "the existence of third parties is not an essential element". 254 Vgl. dazu LinslNielseniOlsoniRatner, C533 ALI-ABA 1267, 1278 (1990); Hussl Leete, 25 Am.Bus.L.J. 301, 310 (1987).

B. Entwicklung

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Insiders gegenüber seinem Arbeitgeber. Das Insiderrecht war damit erstmals vollständig von Anklängen an gesellschaftsrechtliche Pflichtbindungen abgekoppelt. Die "Veruntreuung" (misappropriation) von Informationen, über die allein der Arbeitgeber des Insiders verfügen darf, wurde so zur notwendigen und zugleich hinreichenden Bedingung des Insiderhandelsverbots. Bei seiner Interpretation berief sich der Second Circuit ausdrücklich auf Zweck255 und Wortlauf56 der gesetzlichen Grundlagen. Der Schutz des Anlegervertrauens in die Marktintegrität257 erfordere das Verbot, sich einen Informationsvorteil zu verschaffen, der auf widerrechtlicher Aneignung kursrelevanter Informationen basiert und dadurch eine Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Arbeitgeber verletzf 58 . Im konkreten Fall sah das Gericht eine Berufspflichtverletzung des "Wall Street Joumal"-Mitarbeiters als erwiesen an2S9 • Weil es sich um kursrelevante Informationen handelte 26O, begründete ihre Weitergabe zugleich einen Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot. Im Ergebnis brachte die Carpenter-Entscheidung die Akzentverschiebung der Insiderrechtstheorie zu einem ersten Abschluß: Ihr rechtlicher Anknüpfungspunkt hatte sich nun vollständig verlagert, vom Verhalten des Insiders am Markf61 zum Verhalten des Insiders gegenüber seinem Arbeitgeber. Dabei wirkt der eigentliche Verbotstatbestand zwar noch

255 United States v. Carpenter, aaO., S.I 031: "Congress sought to proscribe trading on material, nonpublic infonnation obtained not through skill or disparities in talent or legitimate knowledge, but through a variety of deceitful practices and unlawful acts which are tenned misappropriation"; vgl. Aldave, 13 Hofstra L.Rev. 101, 106 (1984). 256 United States v. Carpenter, aa.O., S.l030: "The Rule was 'designed as a catchall cIause to prevent fraudulent practices mit Verweis auf Chiarel/a v. United States, 445 V.S. 222, 226 (1980). lll

,

257 United States v. Carpenter, a.a.O., S.1031 bezieht sich ausdrücklich auf den Regelungszweck der "perception of fairness and integrity in the securities markets". 258 United States v. Carpenter, aaO., S.1031: "One may not gain such ... advantage by conduct constituting secreting, stealing, purloining, or otherwise misappropriating material, nonpublic infonnation in breach 0/ an employer-imposed jiduciary duty 0/ conjidentiality. (Hervorhebung d.Verf.) ... such conduct constitutes chicanery, not competition; foul play, not fair play."

259 Vgl. zum Inhalt dieser konkreten vertraglichen Pflicht des Journalisten gegenüber dem "Wall Street Journal" United States v. Carpenter, aa.O., S.1025-1026. Zur insiderrechtlichen PflichtensteIlung von Wirtschaftsjoumalisten, die als Angestellte eines Zeitungsunternehmens arbeiten Kimel, 38 Stan.L.Rev. 1549, 1556-1560 (1986). 260 Zur Begründung sogleich nachfolgend. 261 Die Fiduciary Duty Theorie stellt auf das Verhältnis des Insiders zur Marktgegenseite bzw. zum Partner des Wertpapiergeschäfts ab. Auch die Equal Access Theorie legt ihren Schwerpunkt auf die Beurteilung der Stellung des Insiders im Markt.

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Teil 2, Kapitel 3: Misappropriation Theorie

indirekt in den Markt hinein, folgt aber nur als Nebenpflicht (corollary duty) aus der logisch vorhergehenden treu widrigen Aneignung der Infonnation262 • c) Neuer Infonnationstypus Der Sachverhalt in United States v. Carpenter war auch ein Prüfstein rur den insiderrechtlichen Infonnationsbegriff. Zwar hatte man schon zwei Jahrzehnte zuvor klargestellt, daß das Insiderhandelsverbot unabhängig von ihrem Inhalt jede Infonnation erfaßt, die ein vernünftiger Investor rur kurserheblich halten muß 263 • Bislang hatte es sich aber zumeist um Infonnationen gehandelt, die aus einem Unternehmen stammten. In den Fällen In Re Cady, Roberts & Co., S.E.c. v. Texas GulfSulphur Co. und Dirks v. S.E.c. waren jeweils Unternehmensinformationen von Unternehmensinsidern unmittelbar oder indirekt durch Weitergabe verwertet worden264 • Unternehmensinfonnationen sind jedoch nur ein begrenzter inhaltlicher Ausschnitt aus den vielen Daten und Nachrichten, die kursrelevant sein können. Im vorliegenden Fall handelte es sich um einen neuen Typus von Insiderinfonnation: Das Gericht ordnete die Vorabkenntnis über den Zeitpunkt der Veröffentlichung einer Zeitungskolumne als Insiderwissen ein. Dieses Ergebnis folgte nicht etwa daraus, daß der Journalist eine konkrete Unternehmens- oder Marktnachricht oder eine fundierte Wertpapieranalyse verraten hätte. Im Gegenteil, die Infonnationen, auf denen sein Artikel beruhte, waren allen Anlegern öffentlich zugänglich265 • Die Kursrelevanz des jeweiligen Erscheinungsdatums ergab sich vielmehr aus einem fonnalen Mechanismus: Das Anlegerpublikum schenkte der Zeitungskolumne regelmäßig so große Beachtung, daß jede Einzelveröffentlichung - ungeachtet ihres Inhalts - wegen der darauf basierenden Marktreaktion

262 Vgl. United States v. Carpenter, aaO., S.1034; zur Analyse der Entscheidung auch Aldave, 49 Ohio St.L.J. 373 ff. (1988) und Boinsld, 60 Temp.L.Q. 215, 217-235 (1987). 263 Zum Informationsbegriff im U.S.-amerikanischen Insiderrecht siehe S.E.c. v. Texas GuIfSulphur Co., oben Kap. I, B.II.4. 264 Auch bei den Sachverhalten, in denen es um bevorstehende Übernahmen oder geplante Zusammenschlüsse von Unternehmen ging, lagen immer Informationen zugrunde, die aus einem Unternehmen stammten. Lediglich die Personen, die hiervon Kenntnis hatten, waren Marktinsider; vgl. Chiarel/a v. United States, United States v. Newman und s.E.c. v. Materia. Grundlegend zum Begriff der Insiderinformation oben Teil 1, C.II. 265 Die Minderheitsmeinung in United States v. Carpenter, aaO., S.l037 hatte schon das Vorliegen einer Insiderinformation mit dem Argument abgelehnt, die in dem Artikel des "Wall Street Journal" angeruhrten Umstände seien dem Anlegerpublikum frei zugänglich gewesen.

B. Entwicklung

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mit voraussagbarer Sicherheit zu einer Kursänderung ruhrte. Allein dieser Umstand, der außerhalb des Marktgeschehens lag 266 , war ausschlaggebend rur die Qualifizierung als Insiderinformation 267 • Der schon in s.E.c. Y. Texas GulJSulphur Co. formulierte Begriff der Insiderinformation hat also der späten praktischen Herausforderung durch den weder unternehmens- noch unmittelbar marktbezogenen Informationstypus in United States Y. Carpenter standgehalten. 11. Familiäre Sonderbeziehung

Die Anwendung der Misappropriation Theorie ermöglichte es, die strukturelle Enge der Fiduciary Duty Theorie zu überwinden und erheblich mehr Sachverhalte als zuvor insiderrechtlich zu erfassen. Dabei standen zunächst die berufs- und auftragsrechtlich geprägten Sonderbeziehungen im Vordergrund. Das verwundert nicht, denn faktisch sind die Arbeit- oder Auftraggeber von Insidern deren häufigste Informationsquelle. Die Rechtsprechung versuchte aber schon bald, die neue Insiderrechtstheorie auch bei Verletzung anderer Sonderbeziehungen anzuwenden. Insbesondere wollte man den Problembereich der Informationszirkulation im Familienkreise von Unternehmensinsidern besser in den Griffbekommen 268 • 1. Ausgangspunkt: United States Y. Reed (1985)

a) Sachverhalt In United States Y. Reecf69 ging man erstmals der Frage nach, ob das Insiderhandelsverbot im Rahmen der Misappropriation Theorie auch dann gilt, wenn

266 Eben deshalb hatten die Angeklagten in United States v. Carpenter, a.a.O. 10251026 argumentiert, das Insiderhandelsverbot sei gar nicht verletzt worden; vgl. BIoomenthai, S.738. 267 Der Second Circuit hat in United States v. Carpenter, a.a.O., S.1025-1026 konsequent eine auschließlich formale Definition der Insiderinformation verwendet und nochmals bekräftigt, daß es für einen Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot auf inhaltliche Unterscheidungen bei der Art der ausgenutzten Information nicht ankommt. 268 Im Hinblick auf die Erweiterung des Misappropriation Konzeptes gingen auf erstinstanzlicher Ebene wichtige Impulse wieder vom Gericht des Southern District of New York aus. Dieses liegt innerhalb des regionalen Zuständigkeitsbereichs des Berufungsgerichts für den Zweiten Bezirk (Second Circuit). Siehe auch oben Kap. I , B.II.

269 United States v. Reed, 601 F.Supp. 685 (S.D.N.Y. 1985), rev'd on other grounds, 773 F.2d 477 (2d Cir. 1985).

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Teil 2, Kapitel 3: Misappropriation Theorie

die Vertrauensbeziehung zwischen Insider und Informationsquelle nicht wegen einer beruflichen Beziehung sondern aufgrund familiärer Bindung besteht. Gordon Reed war Vorstandsmitglied von Amax Inc., einer Ölgesellschaft. Er hatte seinen Sohn Thomas Reed270 vertraulich darüber informiert, daß eine andere Gesellschaft, Standard Oil Company of California, unmittelbar davorstand, ein Übernahmeangebot zum Kauf von Amax Inc. in Höhe von 4 Milliarden V.S. Dollar abzugeben. Auf der Basis dieses Insiderwissens erwarb Sohn Reed daraufhin Optionen zum Kauf von Aktien der Zielgesellschaft. Nach Veröffentlichung des Übernahmeangebots stiegen deren Kurse beträchtlich. Schon zwei Tage später konnte der Sohn die Wertpapiere mit einem Gewinn von 431.000 V.S. Dollar wieder verkaufen. Das Gericht bestätigte hier die grundsätzliche Anwendbarkeit der Misappropriation Theorie auch im Zusammenhang familiärer Beziehungen271 • b) Schutz jeglicher Treueverhältnisse Im Vergleich mit früheren Fällen versagten vorliegend alle bislang entwikkelten Haftungskriterien: Der wegen Insiderhandel angeklagte Sohn stand weder in einem Angestelltenverhältnis zum Vater72 , noch war er selbst ein Vnternehmensinsider oder dessen Beauftragter73 • Auch ließ er sich nicht als Tipempfänger haftbar machen, da sein Vater durch die Informationsweitergabe keine Treuepflicht gegenüber seiner Gesellschaft verletzt oder nachweisbar persönlichen Vorteil gesucht hatte 274 • Angesichts dieser Rechtslage dehnte das erkennende Gericht den Anwendungsbereich der Misappropriation Theorie nochmals aus. Danach verletzt jeder, der eine Information nur wegen seines fiduziarischen Status' erhalten hat, aber gleichwohl hieraus persönlichen Profit schlägt, seine Rechtspflicht gegen-

270 Dieser war zu der Zeit persönlicher Mitarbeiter des damaligen U.S. Präsidenten Ronald Reagan. 271 Die erstinstanzliche Entscheidung wurde jedoch aus anderen Gründen kassiert, so daß es im Ergebnis nicht zu einer Verurteilung kam.

272 Dann wäre die Misappropriation Theorie in ihrem bis dahin bestehenden, berufsrechtlichen Rahmen anwendbar gewesen. 273 Dann wäre die Fiduciary Duty Theorie oder die Figur des Insiders qua Fiktion anwendbar gewesen. 274 United States v. Reed, aa.O., S.699; vgl. LinslNielseniOlsoniRatner, e533 ALIABA 1267, 1282 (1990).

B. Entwicklung

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über der Person, die ihm die Insiderinformation anvertraut hat m . Durch diese Neuinterpretation ließen sich nicht nur berufliche Sonderbeziehungen, sondern nunmehr jegliche Treueverhältnisse vor Informations"veruntreuung" durch Insider schützen. Damit war es möglich, den Verbotstatbestand auch innerhalb einer familiären Treuebeziehung zwischen Vater und Sohn an die "Veruntreuung" von Insiderinformationen anzuknüpfen. c) Problem: Hinreichende Konkretisierung Die erweiterte rechtliche Grundlage erzeugte aber ein Folgeproblem: Ab jetzt war in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Sonderbeziehung zwischen einem Insider und seiner Informationsquelle eine hinreichend konkrete PflichtensteIlung beinhaltet. Denn nur wenn dies zu bejahen ist, handelt es sich um ein Treueverhältnis276, das die Grundlage filr ein Insiderhandelsverbot bietet. Das Problem ist im Rahmen der Fiduciary Duty Theorie nicht relevant geworden, da es dort um gesellschaftsrechtliche Treuepflichten ging. Deren Umrisse sind hinreichend klar2 77 , weil sie verbandsrechtlich formalisiert sind. Im vorliegenden Fall filhrte das Gericht aus, daß ein Vater-Sohn Verhältnis nicht schon per se insiderrechtliche Relevanz hat. Für eine diesbezüglich hinreichend konkrete Pflichten stellung müsse innerhalb dieser Sonderbeziehung gegenseitiges Vertrauen auch tatsächlich praktiziert worden sein278 • Hier war erwiesen, daß der Vater seinem Sohn schon mehrfach Insiderinformationen aus seinem Unternehmen mitgeteilt hatte. Dies war stets im Vertrauen darauf geschehen, daß der Sohn diese Informationen nicht zu eigenen Zwecken verwenden würde. In diesem Umstand sah das Gericht einen Beispielsfall filr das geforderte "praktizierte Vertrauen" zwischen Informationsquelle (Vater) und Insider (Sohn) und somit das funktionale Äquivalent einer Treuepflicht. Das Insiderhandelsverbot konnte zur Anwendung kommen 279 •

275 United States v. Reed, a.a.O., S.700: "(W)hen a fiduciary profits from confidential information that he had received because ofhis fiduciary status, he breaches a legal duty to the person or entity that entrusted hirn with the information". 276

United States v. Reed, a.a.O., S.706-708; vgl. Bergmans, S.24-26.

277

Zumindest in Bezug auf die Anwendung des Insiderhandelsverbots.

278

United States v. Reed, a.a.O., S.705, 709, 712-14.

279 Im Ergebnis ließ sich dem angeklagten Thomas Reed aber der Tatvorwurf des Insiderhandels nicht mit hinreichender Sicherheit (beyond a reasonable doubt) nachweisen.

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2. Abgrenzung: United States v. Chestman (J 991)

Einen vorläufigen Endpunkt der Entwicklung brachte die Entscheidung des Second Circuit in United States v. Chestman 280 • Hier schreckte das Gericht davor zurück, die Misappropriation Theorie allein wegen praktischer Erfordernisse immer weiter auszudehnen. Es beflirchtete eine Konturlosigkeit des Insiderhandelsverbots281 • Gleichzeitig benannte man aber weitere insiderrechtlich relevante Treueverhältnisse. a) Sachverhalt In diesem Fall war der Wertpapierhändler Robert Chestman wegen Insiderhandels angeklagt. Er hatte vertrauliche Informationen darüber erhalten, daß die Übernahme des Waldbaum-Familienunternehmens durch eine andere Gesellschaft unmittelbar bevorstand. Für den Erwerb des kontrollierenden Aktienpakets war eine erheblich über dem aktuellen Marktpreis liegende Prämie vereinbart worden. Basierend auf dieser Information deckte sich Chestman rechtzeitig mit Waldbaum-Aktien ein. So konnte er im Zuge des Übernahmeangebots einen beträchtlichen Gewinn realisieren. Von Bedeutung war hier die Art und Weise, wie Chestman an die kursrelevante Information gelangt war: Er selbst hatte die Insiderinformation vom Ehemann der Nichte des Präsidenten und kontrollierenden Anteilsinhabers der Waldbaum Corporation, Ira Waldbaum, erhalten. Die Nichte hatte durch ihre Mutter und diese wiederum durch ihren Bruder, den besagten Firmenchef Ira Waldbaum, von der geplanten Unternehmensübernahme erfahren. Die Insiderinformation war von den einzelnen Personen innerhalb der Kette stets mit der Bitte um strengste Geheimhaltung weitergegeben worden, um die bevorstehende Übernahme nicht zu gefährden282 •

280 United States v. Chestman, 947 F.2d 551 (2d Cir. 1991) (en bane); dieses Urteil setzte die zuvor vom selben Gericht mit kleinerem Sprochkörper ergangene Entscheidung United States v. Chestman, 903 F.2d 75 (2d Cic. 1990) wieder außer Kraft. Die Revision wurde nicht zugelassen, cert. denied, 503 U.S. 1004 (1992). 281 United States v. Chestman, a.a.O., S.566-567: "(T)o extend the misappropriation theory haphazardly would cause the loss of method and predictability to role lOb-5 analysis". 282 United States v. Chestman, a.a.O., S.555, 579; eine ausfiihrliche Darstellung aller Begleitumstände des verwickelten Sachverhalts und der längeren Prozeßgeschichte findet sich bei Martin, 29 Am.Bus.L.J. 665, 681-684 (1992).

B. Entwicklung

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b) Treuebindung qua Verwandtschaft oder Ehe Vorliegend konnte der Broker Chestman wegen fehlender Sonderbeziehung zum Emittenten (die Waldbaum Company) bzw. zu seiner Informationsquelle (der Ehemann der Nichte des Präsidenten des Unternehmens - sic -) nicht selbst als Insider haften. In Betracht kam aber die Einordnung als Tipempfänger. Voraussetzung hierfür ist seit Dirks v. S.E.c., daß der Informant durch die Weitergabe der Information eine Treuepflicht verletzt283 • Folglich war zu untersuchen, ob sich wegen der vertraulichen Informationsweitergabe im Familienkreise eine PflichtensteIlung innerhalb der Informationskette finden ließ, aus deren Verletzung man dann die Haftung des Tipempfängers Chestman ableiten konnte. Der Second Circuit bestätigte zunächst die zuvor in United States v. Reed angestellte Grundüberlegung. Er führte sodann aber aus, daß aus einem Verwandtschaftsverhältnis oder einer Ehe nicht schon ohne weiteres eine Treuepflicht mit dem Inhalt folgt, innerhalb dieser Beziehung erlangte Insiderinformationen nicht zu eigenen Zwecken auszunutzen 284 • Das Gericht nannte jedoch einige andere Sonderbeziehungen, die nach "common law" typischerweise treurechtlichen Charakter (inherently fiduciary) hätten und bei deren Verletzung das Insiderrecht unmittelbar Anwendung finden könne; so etwa das Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant oder Stellvertreter und Prinzipal 285 • Im konkreten Sachverhalt erkannte das Berufungsgericht allerdings keine Umstände, die die Ehe- bzw. Familienbeziehungen der Beteiligten zu insiderrechtlich relevanten Treueverhältnissen hätten erstarken lassen können 286 • Die Tatsache, daß sich die Beteiligten vor der Weitergabe der Information jeweils Vertraulichkeit zugesichert hatten, hielt der Second Circuit nicht für ausreichend. Nach Auffassung des Gerichts hätte zumindest ein mehr oder weniger regelmäßiger Austausch von Geschäftsgeheimnissen stattfinden oder die einzelnen Glieder der Informationskette sich zum engeren Führungszirkel des Fa-

283 Für Tipempfänger gelten nach der Fiduciary Duty Theorie und der Misappropriation Theorie die gleichen Haftungsvoraussetzungen; vgl. oben zu Dirks v. s.E.c., Kap.2, B.II.3. 284 United States v. Chestman, a.a.O., S.568, 569, mit Verweis auf United States v. Reed, 601 F.Supp. 685, 706 (S.D.N.Y. 1985).

285 United States v. Chestman, a.a.O., S.568 erwähnt beispielhaft die treurechtlichen Beziehungen zwischen "attomey and dient, executor and heir, guardian and ward, principal and agent, trustee and trust beneficiary, senior corporate official and shareholder". 286 Zur Voraussetzung des "praktizierten Vertrauens" schon United States v. Reed, 601 F.Supp. 685, 709, 712-14 (S.D.N.Y. 1985); siehe oben, B.II.1.

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milienunternehmens zählen lassen milssen 287 • Beides war aber nicht der Fall gewesen. Deshalb verneinte man eine Insiderhaftung des Brokers Chestman288 . c) Zwischenergebnis In Bezug auf die Entwicklung der Misappropriation Theorie hinterläßt die Chestman-Entscheidung einen zwiespältigen Eindruck. Zwar hat die Analyse in United States Y. Reed das gedankliche Tor aufgestoßen, um die Ausnutzung und Weitergabe von Insiderinformationen innerhalb familiärer Beziehungen zu erfassen. Im Anschluß daran stellte man auch in United States Y. Chestman heraus, daß das Insiderhandelsverbot grundsätzlich bei jeglichem Treueverstoß Anwendung finden kann; also auch außerhalb von gesellschafts- oder berufsrechtlich vermittelten Sonderbeziehungen. Dessen ungeachtet hat das Gericht jedoch strenge Anforderungen an die Insiderhaftung im familiären Umfeld von Unternehmensinsidern formuliert. Im Ergebnis verhindert dies erneut289 , daß sich typisch erweise insidersensible Bereiche - wie im konkreten Fall die Informationszirkulation in einem Familienunternehmen - mit den Grundsätzen eines allgemeinen Insiderrechts erfassen lassen29o • Aus diesem Grund ist die Entscheidung auf heftige Kritik gestoßen 291 •

287 United States v. Chestman, a.a.O., S.569-571; vgl. zu diesem Aspekt Bloomenthal, S.741-742. 288 Gleichwohl wurde Chestman in United States v. Chestman, a.a.O., S.558 wegen Verstoßes gegen Rule 14e-3 verurteilt; zuvor hatte man dies in United States v. Chestman, 903 F.2d 75, 84-86 (2d Cir. 1990) noch abgelehnt. Im Ergebnis teilweise zustimmende, häufig aber ablehnende Analysen der abschließenden Chestman-Entscheidung liefern Bayne,43 U.Kan.L.Rev. 79 ff. (1994); Karmel, 59 Brook.L.Rev. 149, 162-164 (1993); Martin, 29 Am.BusLJ. 665, 684-689 (1992); Briggs, 20 Sec.Reg.L.J. 296, 300-312 (1992); Fisch, 26 Ga.L.Rev. 179, 212-215 (1991). 289 Denn zum gleichen Ergebnis wäre auch die Fiduciary Duty Theorie gekommen.

290 Das war ein Grund dafür, daß die abschließende Entscheidung des Second Circuit in United States v. Chestman nur mit der knappen Mehrheit von 6 zu 5 Stimmen zustande kam. 291 Siehe nur Snider, 16 W.New Eng.L.Rev. 79, 80 (1994): "(T)he decision has the effect of giving family members in family-controlled corporations and their tippees carte blanche to tip and trade on inside information with no restrictions" sowie Karmel, 59 Brook.L.Rev. 149, 160-161 (1993).

B. Entwicklung

113

III. Andere Sonderbeziehungen

1. Arztliche Schweigepflicht: United States v. Willis (1991)

Eine ausgefallene Anwendungsmöglichkeit hat United States v. Willis 292 der Misappropriation Theorie hinzugefügt 293 • In dem Fall ist ein Arzt, der Psychiater Dr. Willis, wegen Insiderhandels verurteilt worden. Aus wirtschaftlicher Sicht handelte es sich um einen nicht ungewöhnlichen Sachverhalt. Der Ehemann einer Patientin wollte Unternehmenschef (Chief Executive Officer) der BankAmerica Corporation werden. Er brachte von dritter Seite die Zusage mit, daß 1 Milliarde U.S. Dollar in die Gesellschaft investiert werden würden, wenn er den Posten bekäme 294 • Nachdem die Nachricht publik geworden war, daß es einen Interessenten für die Position des Unternehmensleiters gebe, der außerdem eine beträchtliche Investitionszusage mitbringe, stieg der Kurs der BankAmerica-Aktien stark an 295 • Vor medizinischem Hintergrund sah der Fall anders aus. Die Patientin und Ehefrau des Managers hatte Dr. Willis aufgesucht, um die Auswirkungen einer neuen Anstellung ihres Ehemannes auf ihr Privatleben zu besprechen. Der Arzt erfuhr deshalb während einer medizinisch indizierten Therapiesitzung vertrauliche Einzelheiten über den geplanten Führungswechsel und die damit verbundenen Investitionen. Der Psychiater hatte sich daraufhin rechtzeitig vor Kursanstieg mit BankAmerica-Aktien eingedeckt und besonders vorteilhafte Geschäfte tätigen können 296 • In seiner Entscheidung führte das Gericht aus, der Arzt habe durch die eigennützige Verwendung der im Patientengespräch erlangten Insiderinformationen seine ärztliche Schweige- und Vertraulichkeitspflicht verletzt. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient begründe eine der in United States v. Chestman angesprochenen Sonderbeziehungen mit typischerweise treurecht-

292 United States v. Willis, 737 F.Supp. 269 (S.D.N.Y. 1990), die Berufung wurde in United States v. Willis, 778 F.Supp. 205,208 (S.D.N.Y. 1991) abgewiesen.

293 Nach den Entscheidungen in United States v. Reed und United States v. Chestman war es möglich geworden, grundsätzlich jede Sonderbeziehung zwischen zwei Rechtssubjekten auf das Vorliegen einer konkreten Treuebindung und damit auf die Anwendbarkeit des Insiderhandelsverbots im Rahmen der Misappropriation Theorie zu überprüfen. 294 United States v. Willis, 737 F.Supp. 269, 270 (S.D.N.Y. 1990). Die Investitionszusage gab das Unternehmen ab, das der Ehemann der Patientin zuvor geleitet hatte. 295

United States v. Willis, aa.O., S.271.

296

Vgl. zum Sachverhalt auch Krudys, 12 U.Bridgeport L.Rev. 317, 331-332 (1991).

8 Weber

114

Teil 2, Kapitel 3: Misappropriation Theorie

lichem Charakter297 • Aus diesem Grunde handele es sich auch hier um "Veruntreuung" einer Information im Sinne der Misappropriation Theorie 298 • Das Gericht ordnete Dr.Willis wegen seiner originären Einbindung in die Arzt-Patient Vertrauensbeziehung als Insider ein und nicht lediglich als Tipempfanger seiner Patientin299 • Deshalb konnte er sich nicht erfolgreich mit dem Argument verteidigen, von der Vertraulichkeit der Information nichts gewußt zu haben 30o • Ausschlaggebend war seine Vertraulichkeitspflicht als Arzt, nicht die als Empfanger geheimer Vntemehmensinformationen. Die Misappropriation Theorie fiihrte vorliegend zu einem eigentümlichen Ergebnis. Die Insiderhaftung greift nur deshalb, weil der Angeklagte gegen seine ärztliche Schweigepflicht verstoßen hat. Die Behandlung der Patientin war zwar kausal dafiir, daß der Arzt von der Insiderinformation Kenntnis erlangt hat. Dennoch ist ein innerer Zusammenhang zwischen ärztlicher Tätigkeit und Ausfiihrung von Wertpapiergeschäften an der Börse nicht ersichtlich 30I • 2. Staatliche Bedienstete

Eine weitere Anwendungsmöglichkeit findet die Misappropriation Theorie im Hinblick auf staatliche Bedienstete302 • Bei Insiderverstößen dient hier die öffentlich-rechtliche Treuebindung des Bediensteten gegenüber seinem Dienstherrn als Haftungsgrundlage. Zwar haben sich die Fälle, die die Entwicklung des V.S.-amerikanischen Insiderrechts nachhaltig beeinflußt haben, bislang im privaten Bereich abgespielt. Dennoch ist es ein praktischer Vorzug der Misappropriation Theorie, daß sie sich zumindest konzeptionell auch auf die Tätigkeit von "govemment officials" anwenden läßt303 • Denn staatliche Bedienstete

297 So ausdrücklich das Gericht in United States v. Willis, 778 F.Supp. 205, 208 (S.D.N. Y. 1991) im Zuge der Berufungsablehnung. 298

United States v. Willis, 737 F.Supp. 269, 274 (S.D.N.Y. 1990).

299 Zu diesem Zweck stufte man in United States v. Willis, a.a.O., S.276 die im Therapiegespräch übermittelte Information als "Geschäftsinformation" (business information) und die Patientin als "Arbeitgeber" (employer) des Arztes ein. 300

United States v. Willis, a.a.O., S.275.

301 Vgl. die Analyse der Willis-Entscheidung bei Krudys, 12 U.Bridgeport L.Rev. 317, 333-340 (1991). 302 Zumeist kumulativ bezeichnet als "govemment officials"; siehe nur Seligman, 73 Geo LJ. 1083, 1127-1129 (1985). 303 Dazu Wang/Steinberg, S.320-321, 369; Langevoort, 70 Cal.L.Rev. I, 34-35 (1982); Voss, S.331; vergleichend Wymeersch, in: Hopt/Wymeersch, S.65, 75; vgl. auch ausführlich schon Krimmel, 47 S.Cal.L.Rev. 1491 ff. (1974).

B. Entwicklung

115

haben keine Pflichtbindung zu bestimmten Emittenten 304 , sie verfügen aber zuweilen über wertvolle Marktinformationen, wie beispielsweise über eine bevorstehende staatliche Zinssatzänderung305 • Andere Beispiele betreffen den Richter, der ein für einen bestimmten Wirtschaftszweig wichtiges Urteil entwirft oder den Staatsanwalt, der überlegt, Anklage gegen den Vorstand eines in der Börsenmeinung besonders exponierten Unternehmens zu erheben306 • 3. Abgrenzung: Zuja/lsinsider

Im Rahmen der Misappropriation Theorie verbleibt nur eine Konstellation, bei der eine Insiderhaftung von vornherein nicht in Betracht kommt. Dies ist der Fall, wenn jemand zufällig eine Insiderinformation erfährt. Ein sog. Zufallsinsider kann für die Verwertung einer Insiderinformation nicht verantwortlich gemacht werden 307 • Bei ihm gibt es keine besondere Pflichtenstellung308, an deren Verletzung man das Insiderhandelsverbot anknüpfen könnte 309 • Die Misappropriation Theorie grenzt Zufallsinsider aus ihrem Haftungskonzept aus 31O • In s.E.c. v. Switzey" hat die U.S.-amerikanische Rechtsentwicklung auch für die Figur des Zufallsinsiders einen Beispielsfall hervorgebracht. Darin hatte der damalige Football Coach der University of Oklahoma bei einer Sportveranstaltung zuflillig mitgehört, wie ein hinter ihm sitzender hochrangiger Unternehmensmanager seiner Ehefrau Insiderinformationen über seine Gesellschaft mitteilte. Diese Informationen nutzte Switzer anschließend zu vorteilhaften Wertpapiergeschäften aus.

304

Jedenfalls nicht in ihrer öffentlichen Funktion.

Ein frühes Beispiel zu dieser Problematik findet sich in der Entscheidung In Re B/yth & Co., 43 S.E.c. 1037, 1038-40 (1969); dort hatte ein Mitarbeiter der V.S. Federal Reserve Bank vertrauliche Informationen an einen Wertpapierhändler weitergegeben. 305

306 Se/igman, 73 Geo.L.J. 1083, 1127-1129 (1985) nennt Beispiele rur Insiderpraktiken, die staatliche Bedienstete vor allem im Justizwesen verlocken könnten.

307 Jedenfalls nicht im Rahmen der Misappropriation Theorie. Bei der Equal Access Theorie sind auch Zufallsinsider vom Verbotstatbestand erfaßt, weil dort die Art und Weise der Informationserlangung ohne Bedeutung ist. 308 Das heißt, er steht nicht in einer Sonderbeziehung zur Informationsquelle, die ihm die Kenntnisnahme ermöglicht. 309 Daher erklärt sich der im Englischen rur Zufallsinsider verwendete Begriff "innocents"; siehe beispielsweise Seligman, 73 Geo.LJ. 1083, 1135-1137 (1985) sowie Martin, 29 Am.Bus.L.J. 665, 689 (1992). 310 Viele sehen dies als rechtpolitisch wünschenswertes Ergebnis; näher dazu und zur Figur des Zufallsinsiders im deutschen Recht unten Teil 4, A.II.3. 311

8"

s.E.C v. Switzer, 590 F.Supp. 756 (W.D.Okla. 1984).

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Teil 2, Kapitel 3: Misappropriation Theorie

Das Gericht, das über die insiderrechtliche Relevanz von Switzers Verhalten zu befinden hatte, führte aus, der Football Coach habe in keiner Sonderbeziehung zu seiner Informationsquelle gestanden. Es war ihm nicht nachzuweisen, daß er sich aktiv bemüht hatte, an die Insiderinformation zu gelangen. Das wäre beispielsweise der Fall gewesen, wenn er sich bewußt in Hörweite des Managers und dessen Frau plaziert hätte, um das Privatgespräch der Eheleute auf mögliche Insiderinformationen abzuhören 3l2 • Schließlich konnte man den ungewollten Zuhörer auch nicht als Tipempfanger einstufen. Denn der Unternehmensmanager hatte nicht gegen seine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstoßen, indem er seiner Frau in einer privaten Unterhaltung Geschäftsinterna erzählte3l3 • Im Ergebnis war der Informationsempflinger daher insiderrechtlich nicht zu fassen. Es gab zu wenig Anhaltspunkte dafür, daß er die Information nicht durch Zufall erlangt hatte. IV. Bestätigung: United States v. O'Hagan (1997) Am 25. Juni 1997 erging eine in der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung und weiten Teilen des Schrifttums lange erwartete insiderrechtliche "landmark" Entscheidung: Der U.S. Supreme Court hat in United States v. 0 'Hagan Jl4 die Misappropriation Theorie bei der strafrechtlichen Verfolgung von Insidervergehen ausdrücklich anerkanntJlS • Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde. 1. Sachverhalt

James O'Hagan war Partner einer Rechtsanwaltskanzlei in Minneapolis. Im Juli 1988 erhielt die Kanzlei von dem englischen Unternehmen Grand Metropolitan (Bietergesellschaft) ein vertrauliches Mandat. Hierbei ging es um ein geplantes Übernahmeangebot zum Erwerb der Pillsbury Company (Zielgesellschaft). O'Hagan war zwar selbst nicht mit der Vertretung des Bieterunter-

Jl2 Dieser Verdacht ließ sich im vorliegenden Sachverhalt allerdings nicht vollständig beseitigen. 313 Der Treuebruch des Tipgebers ist die erste Voraussetzung flir die Haftung des Tipempfängers; siehe oben Dirks v. s.E.c., Kap.2, B.II.3. Jl4 United States v. O'Hagan, 117 S.Ct. 2199 (1997).

Jl5 Zuvor hatte der U.S. Supreme Court zur Anwendbarkeit der Misappropriation Theorie nicht eindeutig Stellung genommen. Das ohne nähere Entscheidungsgründe in Carpenter v. United States, 484 U.S. 19, 24 (1987) ergangene Urteil war die einzige Äußerung des höchsten Bundesgerichts zu dieser Theorie geblieben; siehe oben B.I.2.b).

B. Entwicklung

117

nehmens befaßt. Er hatte sich aber mit einem anderen Partner der Kanzlei, der das Mandat der Grand Metropolitan Company betreute, hierüber unterhalten. Auf der Basis dieses Insiderwissens316 erwarb O'Hagan ab Mitte August 1988 in großem Vmfang Kaufoptionen (call options) sowie Aktien der Zielgesellschaft. Nachdem das Übernahmeangebot am 4. Oktober 1988 veröffentlicht worden und der Aktienkurs der Zielgesellschaft daraufhin stark gestiegen war, verkaufte O'Hagan seine zuvor erworbenen Wertpapiere; dabei machte er einen Profit von über 4,3 Millionen V.S. Dollar3l7 • O'Hagan wurde angeklagt, sowohl gegenüber seiner Kanzlei als auch gegenüber dem Bieterunternehmen Vertrauensbruch gemäß Section 10 (b) S.E.A. und Rule 10b-5 begangen zu haben, indem er die Information über das bevorstehende Übernahmeangebot zu eigenen Zwecken ausnutzte. Im Ausgangsverfahren verurteilte man O'Hagan wegen Verstoßes gegen das Insiderhandelsverbot sowie gegen einige verwandte Bestimmungen318 zu einer Geflingnisstrafe von 41 Monaten 3l9 • In zweiter Instanz hob der Eight Circuit die Verurteilung des Anwalts zunächst au(l20. Im Anschluß daran hat der V.S. Supreme Court die berufungsgerichtliche Entscheidung wieder kassiert und zurückverwiesen 321 • 2. Vorgeschichte

Der Eingriff des V.S. Supreme Court in die seit Chiarella v. United States und Dirks v. S.E.c. ununterbrochene Diskussion um den "richtigen" insider-

316 Die Unterhaltung zwischen den beiden Partnern der Anwaltskanzlei wurde als Beweis daflir erachtet, daß O'Hagan seine Wertpapiergeschäfte aufgrund von Insiderwissen getätigt hat. Jarnes O'Hagan hat diese Kausalität in seiner bisherigen Verteidigung bestritten und behauptet, Zeitungsberichte hätten ihn schon vorher auf ein möglicherweise bevorstehendes Übernahmeangebot aufmerksam gemacht. Es ist noch nicht abschließend darüber entschieden, ob das insiderrechtliche Kausalitätserfordernis vorliegend erfüllt ist oder ob eine rechtskräftige Verurteilung im Endeffekt hieran scheitert. 317 Während der Kurs der Pillsbury Aktie im September 1988 noch bei 39 U.S. Dollar notiert hatte, schnellte er nach der Veröffentlichung des Übernahmeangebots auf knapp 60 U.S. Dollar hoch. 318 Wie häufig in Insiderfällen, war O'Hagan auch der Verstoß gegen Sec. 14 (e) S.E.A. und Rule 14e-3 sowie gegen "mail fraud" Bestimmungen, desweiteren hier auch gegen "money laundering" Tatbestände vorgeworfen worden. AusflihrIich dazu, insbesondere zur lange umstrittenen, nunmehr aber höchstrichterlich festgestellten, Gesetzmäßigkeit von Rule 14e-3 United States v. 0 'Hagan, a.a.O., S.2114-2220. 319 Außerdem verlor O'Hagan seine Anwaltszulassung in einem Verfahren vor dem Supreme Court ofMinnesota, In Re O'Hagan, 450 N.W. 2d 571 (Minn. 1990). 320 Dazu sogleich näher, unten B.IV.2. 321 Zum Sachverhalt und zur Prozeßgeschichte ausflihrlieh United States v. O'Hagan, a.a.O., S.2205-2206.

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Teil 2, Kapitel 3: Misappropriation Theorie

rechtlichen Regelungsgrund war überflillig. Denn zuvor hatte sich auch innerhalb der Rechtsprechung Widerstand gegen die Misappropriation Theorie formiert: Die Berufungsgerichte des Fourth und des Eighth Circuit haben die Theorie ausfUhrlich kritisiert und waren von der bisherigen Haftungsregel in zwei bemerkenswerten Entscheidungen abgewichen 322 • In United States v. Bryan323 kam der Fourth Circuit im Juni 1995 zu dem Schluß, daß die Misappropriation Theorie nicht von der gesetzlichen Grundlage gedeckt sei. Wenn jemand durch einen Treuepflichtverstoß gegenüber der Informationsquelle eine Insiderinformation erhalten habe, so begründe dies nicht automatisch auch Betrug oder Täuschung (fraud or deceit) irn Sinne von Section 10 (b) S.E.A. und Rule IOb_5 324 • Ebenso deutlich sprach sich der Eighth Circuit in United States v. O'Hagan325 noch irn August 1996 gegen die Haftungsidee der Misappropriation Theorie aus. Das Gericht hat sich dabei eingehend mit den entgegengesetzten Rechtsauffassungen der anderen Obergerichte auseinandergesetzt. Es filhrte aus, der Anwalt O'Hagan habe zwar seine Treuepflicht gegenüber dem Mandant seiner Kanzlei verletzt. Dies sei aber nicht "in Zusammenhang mit dem Kauf oder Verkauf von Wertpapieren" (in connection with the purchase or sale of securities) geschehen, da er nicht Aktienoptionen eines Klienten (des Übernahmebieters), sondern solche der Zielgesellschaft gekauft habe 326 • Aus diesem Grund sei der Tatbestand des Insiderhandels nicht erfilllf 27 • 3. Analyse a) Misappropriation ergänzt Fiduciary Duty Theorie In seiner O'Hagan- Entscheidung hat der V.S. Supreme Court die Geltung der Misappropriation Theorie mit einer deutlichen Mehrheit von 6 zu 3 Stirn322 Beide Entscheidungen haben das Insiderrecht wieder in den engen Käfig der Fiduciary Duty Theorie eingesperrt. 323

United States v. Bryan, 58 F.3d 933 (4th Cir. 1995).

324

United States v. Bryan, aaO., S.943-959.

325 United States v. O'Hagan, 92 F.3d 612 (8th Cir. 1996). Das Gericht macht sich dort, a.a.O., S.620 die Analyse des Schwestergerichts in United States v. Bryan ausdrücklich zu eigen.

326 Das Urteil fiel in dieser Instanz unerwartet aus, denn es handelte es sich hier um "klassischen" Profit aus einer Übernahmesituation; eine insiderrechtliche Verurteilung des Anwalts wegen Veruntreuung vertraulicher Mandantendaten wäre in Anwendung der Misappropriation Theorie deshalb zu erwarten gewesen. 327

United States v. O'Hagan, aa.O., S.613, 615-622.

B. Entwicklung

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men bestätigt328 • Dabei unterstrich das Gericht nochmals den Charakter des Insiderhandels als Verschwiegenheitsdelikt: Nur bei einer zur Offenlegung verpflichtenden Treuebeziehung könne das Verschweigen von Informationen einen Treuepflichtverstoß und damit ein Insiderdelikt darstellen 329 • Mehrfach betont der U.S. Supreme Court, daß sich die Fiduciary Duty Theorie und die Misappropriation Theorie nicht widersprechen, sondern ergänzen 330 • Danach bewegen sich beide im Rahmen der gesetzlichen Grundlagen von Section 10 (b) S.E.A. und Rule 10b-5. Ein Unterschied besteht nur darin, daß im einen Fall die Treuebeziehung vom Unternehmensinsider zum Anleger auf der Marktgegenseite und im anderen Fall vom Insider zu dessen Informationsquelle verläuft331 • Die Mehrheitsmeinung schloß sich sodann der Argumentation der Anklage an und stellte fest, daß O'Hagan einen Treuebruch gegenüber zwei Informationsquellen begangen habe 332 : sowohl gegenüber seiner Kanzlei als auch gegenüber dem Übernahmebieter als deren Mandant. Die Entscheidungsgründe greifen die bei den Punkte auf, an denen die Berufungsgerichte des Fourth Circuit und des Eighth Circuit die Misappropriation Theorie zuvor hatten scheitern lassen, nämlich das Haftungserfordernis des (1.) "täuschenden Verhaltens", daß (2.) "im Zusammenhang mit einem Wertpapiergeschäft" stehen muß. b) Täuschung im Sinne von Rule 10b-5 Zunächst bestätigte der U.S. Supreme Court, daß es sich schon dann um "fraud or deceit" im Sinne von Rule lOb-5 handelt, wenn jemand beruflich erlangte oder andere fremde Informationen zu privatem Nutzen verwendet, ohne dieses der oder den Informationsquelle(n) mitzuteilen 333 • Erklärend verweist die Entscheidung darauf, daß der Anwalt O'Hagan Insiderhaftung hätte vermeiden 328 Der U.S. Supreme Court bezog sich ausdrücklich auf die Rechtsentwicklung der letzten Jahre, indem er die wesentlichen Entscheidungen anfllhrte, in denen die Misappropriation Theorie zur Ausprägung gelangt ist, United States v. 0 'Hagan, a.a.O., S.2206-2207. 329 United States v. 0 'Hagan, a.a.O, S.2207-2208. 330 "The two theories are complementary", United States v. 0 'Hagan, a.a.O., S.2207; nachfolgend dann in Bezug auf die bei den Leitentscheidungen der Fiduciary Duty Theorie, a.a.O., S.2212: "Chiarella thus expressly left open the misappropriation theory ... Dirks, too, left room for application ofthe misappropriation theory". 331 United States v. 0 'Hagan, a.a.O., S.2206-2208. 332 Vorliegend wäre eine Anklage auf Grundlage der Fiduciary Duty Theorie nicht in Betracht gekommen. Denn dazu hätte James O'Hagan ein (Untemehmens-) Insider der Pillsbury Company sein müssen, also der Zielgesellschaft, mit deren Aktien er Börsengeschäfte getätigt hat. 333 United States v. 0 'Hagan, a.a.O., S.2208-2209. Dies ist eine auch von den Untergerichten zuvor schon häufig gezogene Schlußfolgerung; a.A. aber United States v. Bryan, 58 F.3d 933,943-959 (4th Cir. 1995), siehe dazu oben B.IV.2.

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Teil 2, Kapitel 3: Misappropriation Theorie

können, wenn er sowohl seine Kanzlei als auch den Mandanten (das Bieterunternehmen) vorher über die geplante Ausnutzung seines vertraulichen Wissens informiert hätte 334 • Das ist im Rahmen der vorhergehenden Argumentation folgerichtig. Generalisiert man aber diesen Rechtssatz, so schafft er die Möglichkeit privater Lizenzierung von Insiderhandel. Wohl aus diesem Grunde beeilt sich das Gericht, darauf hinzuweisen, daß selbst in einem solchen Fall eine Haftung wegen Bruchs von Loyalitätspflichten nach "common law" oder gemäß Rule 14e_3 335 möglich bliebe336 • c) Zusammenhang mit einem Wertpapiergeschäft Der V.S. Supreme Court sieht die Misappropriation Theorie auch insoweit innerhalb der gesetzlichen Rahmenvorgaben, als Section 10 (b) S.E.A. und Rule lOb-5 eine Täuschung "im Zusammenhang mit einem Wertpapiergeschäft" (in connection with the purchase or sale of any security) erfordem337 • Ein Problem kann sich hier daraus ergeben, daß die Haftung wegen "misappropriation" einer Information streng genommen schon mit deren Erlangung entsteht. Auf die nachfolgende Verwendung der Information zu einem günstigen Wertpapiergeschäft käme es dann gar nicht mehr an. Diesbezüglich stellte die Mehrheitsmeinung klar, die Misappropriation Theorie finde nur dann Anwendung, wenn ein Insider aufgrund der erlangten Informationen Wertpapiergeschäfte auch tatsächlich tätige; erst dann werde zeitgleich der Treuebruch gegenüber der Informationsquelle begangen 338• Wenn vertrauliche Informationen auf andere Weise ausgenutzt würden oder es an einem hinreichenden Zusammenhang mit einem Wertpapiergeschäft fehle, komme eine Haftung nach Rule IOb-5 nicht Betracht. Als Beispiel hierfür nannte das Gericht den Fall, daß ein Treueverpflichteter zuerst Geld unterschlägt und anschließend damit Wertpapiere kauft339 . Demgegenüber hoben zwei abweichende Voten ab auf den Zeitpunkt der Erlangung der Information und nicht auf den ihrer Verwertung. Sie argumentierUnited States v. 0 'Hagan, a.a.O., S.2209. Dazu oben Teil I, B.III. 336 United States v. 0 'Hagan, a.a.O., S.2209. 337 United States v. 0 'Hagan, a.a.O., S.2209-2210; a.A. die berufungsgerichtliche Entscheidung des Eighth Circuit im gleichen Fall, United States v. 0 'Hagan, 92 F.3d, 612,615,622 (8th Cir. 1996). 338 United States v. 0 'Hagan, a.a.O., S.2209: "The securities transaction and the breach of duty thus coincide." 339 Deutlich United States v. 0 'Hagan, a.a.O., S.2209: "The theory does not catch all conceivable forms of fraud involving confidential information; rather, it catches fraudulent means of capitalizing on such information through securities transactions." 334

335

B. Entwicklung

121

ten, daß die Insiderinformation, die sich O'Hagan verschafft hatte, auch zu vielen anderen Zwecken hätte genutzt werden können. Deshalb habe kein für Insiderhaftung hinreichender Zusammenhang zwischen der "misappropriation" der Information und den späteren Wertpapiergeschäften bestanden 340 • Abschließend unterstrich der U.S. Supreme Court seine Auffassung, wonach ein stabiler Rahmen für strafrechtliche Insiderhaftung bestehe: Ein Insidergeschäft müsse stets bewußt (scienter) ausgeführt werden, was die Kenntnis der Verbotsnorm und ihre vorsätzliche (willful) Verletzung voraussetze 341 • Darüberhinaus hält die Mehrheit der Richter die Misappropriation Theorie für gut geeignet, Marktintegrität und Anlegervertrauen zu gewährleisten342 • 4. Zwischenergebnis Das Mehrheitsvotum des U.S. Supreme Court in United States v. O'Hagan stützt die Misappropriation Theorie und bestätigt damit den in weiten Bereichen der Rechtsprechung herrschenden status quo. Der konkrete Sachverhalt betraf den vertraulichen Informationsaustausch zwischen einem Anwalt, seiner Kanzlei und deren Mandant: der treurechtliche Charakter der dabei bestehenden Sonderbeziehungen ist relativ problemlos zu bejahen343 • Auch die Verhinderung der Ausnutzung von vertraulichen Informationen über bevorstehende Übernahmeangebote liegt im Kembereich des Insiderhandelsverbots. Die Analyse der Misappropriation Theorie in United States v. O'Hagan legitimiert wegen ihres weitgefaßten Ansatzes Insiderhaftung aber auch bei ungewöhnlichen Sachverhalten oder in Randgebieten des Marktgeschehens. Theoretisch erreicht sie auch solche Fälle, wie sie der erst- und zweitinstanzlichen Rechtsprechung bislang in United States v. Carpenter, United States v. Reed oder United States v. Willis begegnet sind. Der praktische Test dieser Sachverhalte auf höchstrichterlicher Ebene steht aber noch aus.

United States v. 0 'Hagan, a.a.O., S.2221-2225. United States v. O'Hagan, a.a.O., S.2214; ausführlich zum Vorsatzerfordernis bei Insidergeschäften, siehe oben Kap. I, c.n.2. 342 United States v. 0 'Hagan, a.a.O, S.221O; diese Ansicht ist freilich umstritten, näher dazu sogleich unten C.I. 343 Vgl. auch den Fall s.E.c. v. Singer, 786 F.Supp. 1158, 1162-1163 (S.D.N.Y. 1992), bei dem in einer ähnlichen Sachlage ebenfalls die Misappropriation Theorie zur Anwendung kam. 340 341

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Teil 2, Kapitel 3: Misappropriation Theorie

C. Kritik "Die Misappropriation Theorie ist eine Regelung auf der Suche nach ihrer Rechtfertigung"344. So läßt sich das Unbehagen über ein Haftungskonzept zusammenfassen, das die "Veruntreuung" einer kursrelevanten Information zum ausschlaggebenden Kriterium für Insiderhaftung macht. Die Hauptkritik entzündet sich an der Schutzrichtung, die die Misappropriation Theorie dem Insiderhandelsverbot gibt. I. Schutzrichtung

1. Interessen außerhalb des Marktes Die Misappropriation Theorie interessiert sich nur für die Beziehung zwischen dem Insider und seiner unmittelbaren Informationsquelle. Das Verhältnis zum Partner des Wertpapiergeschäfts oder zum Anlegerpublikum auf der anderen Seite des Marktes ist ohne Belang. Das Insiderrecht ändert dadurch seine Schutzrichtung: Zuvor hat es ein Verhalten sanktioniert, durch das eine Insiderinformation zu einem Wertpapiergeschäft ausgenutzt wird, und das somit innerhalb des Kapitalmarktes stattfindee 45 . Jetzt liegt das insiderrechtlich relevante Verhalten außerhalb des Marktes, weil es um die Verletzung einer Vertrauensbeziehung geht, die dem Börsengeschehen vorgelagert ist. Der Verbotstatbestand steht also mit dem eigentlichen Insidergeschäft nicht mehr in Zusammenhang. Entscheidend ist die Herkunft der Information und nicht ihre Verwendung an der Börse346 . Die Misappropriation Theorie vermeidet das Insiderproblem, löst es aber nicht unmittelbar dort, wo es auftritt. Dadurch verzerrt sich die ursprüngliche Motivation, wonach Insiderrecht die Integrität von Wertpapiermärkten und das Vertrauen der Anleger in diese Märkte bewahren soll. Diese Verzerrung kann

344 BIoomenthai, S.743: "(M)isappropriation of infonnation as the basis for insider trading liability is a theory in search of rationalization". In diesem Sinne kritisch jüngst ausruhrlich Beeson, 144 U.PaL.Rev. 1077 ff. (1996); davor siehe nur Kenny/I'hebaut, 59 Alb. L.Rev. 139 ff. (1995); Brecher, 15 Fordham Urb.LJ. 1049 ff. (1987); zur inhaltlichen Weitschweifigkeit der Misappropriation Theorie als nonnativer Rechtfertigung rur das Insiderhandelsverbot Bergmans, S.5I-52.

345 Dies war sowohl bei der Equal Access Theorie als auch bei der Fiduciary Duty Theorie der Fall. 346 Der U.S. Supreme Court hat in United States v. O'Hagan, 117 S.Ct. 2199,2209 (1997), allerdings einschränkend geurteilt, daß Insiderhaftung erst eintritt, wenn eine Infonnation bei einem nachfolgenden Wertpapiergeschäft auch tatsächlich ausgenutzt worden ist.

C. Kritik

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man an einem einfachen Beispiel ablesen: Auf der einen Seite schützt die Misappropriation Theorie einen Arbeitgeber davor, daß ein Angestellter vertrauliche Geschäftsinformationen veruntreut; auf der anderen Seite schließt der Angestellte mit seinem Arbeitgeber aber gar kein Wertpapiergeschäft ab, sondern er tut dies an der Börse347 • Die schrittweise Verlagerung der Insiderrechtstheorie auf den Schutz privater Interessen läßt sich anhand der Fallrechtsentwicklung nachzeichnen. 2. Schrittweise Schwerpunktverlagerung

In United States Y. Newman hatten die Insider, vermittelt durch ihre Arbeitgeber, vertrauliche Informationen eines Übernahmebieters348 erhalten. Die eigennützige Verwertung der Informationen enttäuschte daher nicht nur das Vertrauen des Arbeitgebers in seine Mitarbeite~49, sondern sie schädigte auch den Übernahmebieter und damit unmittelbar einen anderen Marktteilnehme~50. Ähnlich verhielt es sich in S.E. C. Y. Materia. Dort hatte der Finanzdrucker durch seinen Vertrauensbruch nicht nur das Ansehen seines Arbeitgebers im Geschäftsverkehr, sondern auch die günstige Marktposition des Übernahmebieters beschädigf 51 . Die Anwendung des Insiderhandelsverbots diente in beiden Fällen also sowohl der Aufrechterhaltung fairer Marktbedingungen als auch dem Schutz privater Interessen. In United States Y. Carpenter geriet der Schutz des Marktes und seiner Teilnehmer aber schon aus dem Blickfeld352 • Während in den vorhergehenden Fällen auch vertrauliche Unternehmensdaten vor fremder Ausnutzung an der Börse bewahrt werden sollten, stand jetzt der Schutz journalistischer Integrität im Vordergrund. Damit kam es zur vollständigen Kopplung des Insiderrechts an ein Arbeitgeber-orientiertes Treuerechf 53 . Allenfalls ergab sich ein mittelbarer 347 Diese Unschärfe der Misappropriation Theorie erkennt auch der U.S. Supreme Court in United States v. O'Hagan, a.a.O., S.2211, zieht hieraus aber keine weiteren Konsequenzen. 348 Dieser hatte selbstverständlich ein Interesse daran, seine strategisch günstige Käuferposition am Markt zu erhalten.

349 Und w~$en der Außenwirkung des Vertrauensbruchs auch das Ansehen des Arbeitgebers in der Offentlichkeit. 350

United States v. Newman, 664 F.2d 12, 17-18 (2d Cir. 1981); siehe oben B.I.1.c).

351

s.E.c. v. Materia, 745 F.2d 197 (2d Cir. 1984); siehe oben B.I.1.c).

Wi[son, 77 Geo.LJ. 181, 183, 204-214 (1988) sieht die Entscheidung deshalb auf falsche rechtsphilosophische Erwägungen gegründet. 352

353 Viele Stimmen sahen in der Anwendung des Insiderhandelsverbots auf die hier gegebene Sachlage eine unzulässige Ausweitung des Insiderrechts. Diese Kritik brachte

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Teil 2, Kapitel 3: Misappropriation Theorie

Marktbezug des Geschehens. Denn beim "Wall Street Journal" handelte es sich um einen Arbeitgeber, der den Markt regelmäßig mit wichtigen Markt- und Unternehmensdaten versorgt. In United States v. Chestman schließlich wurde die Schwerpunktverlagerung des Insiderrechts auf den Schutz privater, außerhalb des Kapitalmarkts liegender Interessen vorläufig abgeschlossen. Nunmehr läßt sich grundsätzlich jede Sonderbeziehung eines Insiders zu seiner Informationsquelle auf die Anwendbarkeit des Insiderhandelsverbots hin prüfen. Dadurch kann man auch solche PflichtensteUungen insiderrechtlich erfassen, die inhaltlich nicht einmal entfernt mit Wertpapierhandel oder Börsengeschehen zu tun haben. Beispiele sind etwa die, ausschließlich private Interessen schützenden, Vertrauensbeziehungen zwischen Vater und Sohn in United States v. Reed oder zwischen Arzt und Patient in United States v. WilUs. Die jüngste Entscheidung in United States v. O'Hagan hat die Entwicklung der Misappropriation Theorie bestätigt und so auch die hier aufgezeigte, schrittweise Schwerpunktverlagerung gebilligf 54 • Die Fälle zeigen, daß die Misappropriation Theorie den Widerspruch zwischen individueller Treuebeziehung und anonymer MarktbeziehungJSS nur lösen kann, indem sie den Blick von der anonymen Marktbeziehung abwendet. Nur dadurch gelingt es, das seit Chiarella v. United States festgeschriebene Haftungserfordernis einer Treuepflichtverletzung zu erfiillen356 • Durch die treurechtliche Ersatzkonstruktion verliert das auf der Misappropriation Theorie basierende Insiderrecht seinen unmittelbaren Marktbezug357 • Es kann Marktschon Judge Miner in seiner "dissenting opinion" in United States v. Carpenter, 791 F.2d 1024, 1037 (2d Cir. 1986) an: "While the proscription of fraudulent and deceptive practices ... is a broad one, it never was intended to protect the reputation or enforce the ethical standards, of a financial newspaper". Siehe auch ähnlich bei CoJfoe, 26 Am.Crim.L.Rev. 121-132 (1988); Warren, 39 AlaL.Rev. 337, 343 (1988); Kirnel, 38 Stan.L.Rev. 1549, 1565 (1986); Feiner, 50 Brook.L.Rev. 783, 797 (1984). 354 Ablehnend zuvor Fisch, 26 GaL.Rev. 179,205 (1991): "It is hard to see how any breach of a private duty ... can implicate the objectives of the securities laws, which are concerned with duties to the market"; siehe auch Hazen, 55 Law & Contemp.Probs. 231, 233 (1992). 355 Dieser Widerspruch ist ein wesentliches Problem der Fiduciary Duty Theorie. Man wollte ihm durch die Entwicklung der Misappropriation Theorie entgehen; siehe oben Kap.2, C.lV. 356 Skeptisch McGrath, 61 Fordham L.Rev. 127, 140-142 (1993); Cox, 39 AlaL.Rev. 381, 390-392 (1988). Den so entstehenden Kompromißcharakter der Misappropriation Theorie bemängeln Warren, 39 Ala.L.Rev. 337,342-343 (1988) sowie anschaulich Kidd, 18 Del.J.Corp.L. 101, 106 (1993): "(T)he analysis used to support it requires a great deal of legal gyrnnastics to arrive at the desired result". 357 So auch die Minderheitsvoten mit ausführlicher Begründung in United States v. O'Hagan, 117 S.o. 2199, 2224-2226 (1997); a.A. freilich die Mehrheitsauffassung, a.a.O., S.221O, allerdings ohne nähere Begründung.

C. Kritik

125

integrität nur noch mittelbar fördern, als Reflex des Schutzes privater Interessen 358 • 11. "Property Rights"-Ansatz Die Neuorientierung des Insiderrechts im Rahmen der Misappropriation Theorie hat dazu gefilhrt, daß sich eine Insiderinformation als Eigentum oder zumindest als eigentumsähnliches Recht der Informationsquelle begreifen läßt; dies ist der sog. "property rights"-Ansatz359 • Danach schützt das Insiderhandelsverbot vorrangig das wirtschaftliche Interesse der Informationsquelle an der Geheimhaltung oder der Verwertung der Information 360 • Das ist problematisch, weil in dem Falle Marktschutz, also ein Rechtsgut an dem ein öffentliches Interesse besteht, von privater Vereinbarung abhängf 61 • Ein Beispiel hierfilr: Ein Unternehmen könnte seinen Managern die Verwertung beruflich erlangter Insiderinformationen verbieten 362 • Durch eine solche Regelung wären dann auch die übrigen Marktteilnehmer vor der Ausnutzung dieser Information und damit zumindest indirekt vor Übervorteilung durch ei-

358 Kritisch Bergmans, S.60; Langevoort, S.161; Cox, 39 AlaL.Rev. 381, 389 (1988); Feiner, 50 Brook.L.Rev. 783, 798 (1984); ablehnend auch das Ergebnis der Untersuchung von Salbu, 15 HarvJ.L.& Pub.Pol'y 223 ff. (1992). Rechtsphilosophische Überlegungen zur Misappropriation Theorie stellt hier Wilson, 77 Geo.LJ 181, 193-203 (1988) an. 359 Boyle, 80 Cal.L.Rev. 1413, 1488-1508 (1992) und Bainbridge 19 J.Corp.L. 1,22 (1993) ordnen das Insiderhandelsverbot einem übergreifenden "Informationsrecht" zu, zu dem beispielsweise auch das Patent-, Warenzeichen- und Copyright Recht zu zählen seien. Verbindendes Merkmal sei in allen Bereichen die Gewährung eines "Eigentumsrechts" an der Information; vgl. Bergmans, S.136-138. Allgemein zur Überlagerung des Kapitalmarkts durch einen InformationsmarktKoenig, 43 Miami L.Rev. 1021, 1025-1041 (1989). 360 Vgl. United States v. O'Hagan, 117 S.Ct. 2199, 2208 (1997). Für einen "property rights"-Ansatz des Insiderrechts treten ein Bainbridge, 19 J.Corp.L. 1, 21-40 (1993); Lawson, 11 HarvJ.L.& Pub.Pol'y 727, 761-766 (1988); ausfilhrlich McGee/Block, 10 N.Ill.U. L.Rev. 1 ff. (1989); Morgan, 48 Ohio St.LJ. 79 ff. (1987) sowie CarltoniFischel, 35 Stan. L.Rev. 857 ff. (1983). Wolfson, 25 San Diego L.Rev. 95 ff. (1988) befilrwortet die Misappropiation Theorie, weil das Insiderhandelsverbot im Kern den (Eigentums-) Schutz von Geschäftsgeheimnissen bezwecke. 361 Ablehnend zum "property· rights"-Modell äußern sich Kraakman, in: Hoptl Wymeersch, S.39, 46; Karmel, 59 Brook.L.Rev. 149, 161, 168-170 (1993); Cox, 39 AlaL. Rev. 381, 382-383 (1988); ders., 1986 Duke LJ., 628, 633; Coffoe, 26 Am.Crim.L.Rev. 121,132-142 (1988) und FinneI, 12 Del.J.Corp.L. 605 ff. (1987) sprechen sich zwar gegen den "property rights"-Ansatz aus, warnen aber vor einer Überkriminalisierung des Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Angestelltem. Aus europäischer Sicht vgl. Bergmans, S.60; Rider/Ashe S.20; Lahmann, S.30. 362 Siehe beispielhaft die Loyalitäts- und Vertraulichkeitspflicht des Journalisten gegenüber dem "Wall Street Journal" in United States v. Carpenter; siehe oben B.1.2.a).

126

Teil 2, Kapitel 3: Misappropriation Theorie

nen Insider geschützt. Dasselbe Unternehmen könnte seinen leitenden Angestellten aber auch die private Verwertung von Unternehmensinformationen gestatten, etwa als Teilvergütung ihrer Arbeitskraff 63 • Dann läge wegen fehlender Pflichtverletzung zwar kein Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot vor. Dennoch handelte es sich um ein Insidergeschäft, das das Vertrauen der Anleger in die Marktintegrität ebenso erschüttern könnte wie im erstgenannten Fall. Diesen Umstand erkannte auch das höchste Bundesgericht in United States v. O'Hagan, ging aber nicht näher darauf ein. Zur Begründung fUhrte es an, daß auf der Misappropriation Theorie basierende Insiderhaftung nicht schon deshalb abzulehnen sei, weil sie nicht alle problematischen Sachlagen erreiche364 • Mithin verzichtet der U.S. Supreme Court an dieser Stelle auf ein kohärentes Insiderhaftungsmodell365 • Im übrigen versagt die Misappropriation Theorie, als "property rights"- Ansatz verstanden, als geschlossenes Regelungsmodell auch dann, wenn sich das Insiderhandelsverbot nicht auf berufliche, sondern auf familiäre oder sonstige Treuepflichten gründet. Beispielsweise hatte weder in United States v. Reed noch in United States v. Willis die Informationsquelle, gegenüber der die Insiderinformation "veruntreut" wurde (hier: der Vater bzw. die Patientin des Insiders), ein originäres Nutzungs~ oder Eigentumsinteresse an der später verwerteten Information. In beiden Entscheidungen hatte das Unternehmen, aus dem die Information stammte, auch das wirtschaftliche VerfUgungsrecht über sie. Dennoch war dieser Umstand in den Fallanalysen unbeachtlich. Ein eigentumsähnliches Recht an der Information spielte darin gar keine Rolle. Insgesamt kann der "property rights"-Ansatz das Regelungsproblem nur unvollständig erfassen; er fUhrt in letzter Konsequenz zu einer Privatisierung des Insiderrechts366 • Dadurch unterstreicht er die dogmatische Schieflage, in die die Misappropriation Theorie das Insiderrecht bringt.

363 Zu den sog. "executive compensation" Vereinbarungen Langevoort, S.l66-167. Einige fordern sogar die Möglichkeit einer Lizenzierung von Insiderhandel durch die betroffenen Unternehmen; vgl. Macey, 13 Hofstra L.Rev. 9, 39-47 (1984); HSchmidt, in: Hoptl Wymeersch, S.21, 35-37. 364 United States v. O'Hagan, 117 S.Ct. 2199,2211, Fn.9 (1997):"(T)he fact that § 10 (b) is only a partial antidote to the problems it was designed to alleviate does not call into question its prohibition of conduct that falls within its textual proscription." 365 Eben dies bemängeln die "dissenting votes" in United States v. O'Hagan, a.a.O., S.2221-2225,2226. 366 Diesen Schluß zieht auch Fisch, 26 Ga.L.Rev. 179,225-226 (1991). Weil sich hieraus aber eine erhebliche Erleichterung im Hinblick auf die Durchsetzung privater Schadenersatzansprüche ergibt, hält Marra, 24 U.Rich.L.Rev. 211, 212-219 (1990) die Misappropriation Theorie für den besten Ansatz, um den Regelungszweck von Rule lOb-5 zu erfüllen; ähnlich Bardach, 29 Am.Crim.L.Rev. 1349, 1361-1362 (1992). Zu berücksichtigen ist jedoch, daß Inhaber eines solchen Schadenersatzanspruches im Rahmen der Misappro-

C. Kritik

127

III. Gesetzliche Grundlage Wegen der Verschiebung des Schutzbereichs kann die Misappropriation Theorie nicht alle Tatbestandserfordemisse von Rule lOb-5 eindeutig erfüllen 367 • Die Nonn richtet sich gegen betrügerisches oder täuschendes Verhalten, das "im Zusammenhang mit dem Kauf oder Verkauf von Wertpapieren" (in connection with the purchase or sale of securities) stehtl68 • Es wurde aber bereits gezeigt, daß die Misappropriation Theorie dem unmittelbaren Marktgeschehen nur vorgelagert istl69 • Ein direkter "Zusammenhang" zwischen dem als Insiderverstoß nonnierten Verhalten und dem Kauf oder Verkauf von Wertpapieren ist also nicht gegeben, das entsprechende Tatbestandsmerkmal daher nicht bzw. nur mittels extrem weiter Auslegung erfüllf 70 • Dieses Problem hat der Second Circuit schon zu Beginn der Misappropriation Theorie in United States v. Newman gesehen 371 • Er hat es zunächst dadurch entschärft, daß ein hinreichend enger - wenn auch nicht unmittelbarer - "Zusammenhang" zwischen der Infonnationsveruntreuung und dem hierauf basierenden späteren Wertpapiergeschäft zur Erfüllung des Tatbestandskriteriums genügen sollte372• Ähnlich argumentierte das Gericht in s.E.c. v. Materia: Die Aneignung der Infonnation durch den Druckereiangestellten habe für sich genommen überhaupt keinen Wert, es sei denn, man beurteile sie "im Zusammenhang mit" einem späteren Kauf von Wertpapieren373 • Auch die Entscheidung in United States v. Carpenter begründete auf diese Weise die Anwendung des In-

priation Theorie nicht ein Anleger im Markt ist, sondern die viel leichter feststellbare individuelle Informationsquelle des Insiders. 367 Ausdrücklich Cox, 1986 Duke L.I. 628, 634: "(T)he misappropriation theory ... resonates poorly with Rule IOb-5". Zuvor sah sich auch schon die Equal Access Theorie der Kritik ausgesetzt, weil sie nicht alle Tatbestandselemente von Rule IOb-5 erfiillen konnte; siehe dazu oben Kap. 1, C.III.2. 368

Zum vollständigen Wortlaut von Rule IOb-5 siehe oben Teil 2, Einfilhrung, 11.

369

Siehe oben C.I.I.

Kritisch hierzu Kraakman, in: HoptIWymeersch, S.39, 46; Langevoort, 37 Vand.L. Rev. 1273, 1297-1298 (1984). 370

371 Vgl. United States v. Newman, 664 F.2d 12, 16 (2d Cir. 1981): "Some doubt arises about the validity of a theory of IOb-5 Iiability to an acquiring ... corporation that was neither a purchaser nor a seiler of securities at the time Newman was purchasing with inside information".

372

Unites States v. Newman, aaO., S.12, 19.

373 Das Gericht sah in den "gestohlenen" Informationen in S.E.c. v. Materia, 745 F.2d 197, 203 (2d Cir. 1984) "no value whatsoever except 'in connection with' ... subsequent purchases of securities" .

128

Teil 2, Kapitel 3: Misappropriation Theorie

siderrechts auf den Journalisten 374 • Der U.S. Supreme Court kommt in United States v. O'Hagan zwar ebenfalls zu dem Ergebnis, daß das "in connection with"- Erfordernis erfüllt seim. Aber auch wenn man das besonders starke Gewicht berücksichtigt, das die richterliche Rechtsfortbildung in U.S.A. hat, so kann die Argumentation in den genannten Urteilen doch eines nicht verdecken: Daß der fehlende Marktbezug des Misappropriation Konzeptes mit einer Vernachlässigung der gesetzlichen Haftungsgrundlage Hand in Hand gehf 76 • Das macht diese Theorie angreitbar 77 • IV. Praktische Anwendbarkeit J. Insider

Trotz einiger Kritikpunkte hat die Misappropriation Theorie große praktische Vorteile. Sie ermöglicht eine breite Anwendbarkeit des Insiderhandelsverbots378 • Es lassen sich nahezu alle Marktakteure in Wirtschafts- und Finanzwelt erfassen, die fremdnützig gebundene Insiderinformationen erfahren oder sich verschaffen können. Das sind außer Managern börsennotierter Unternehmen379 insbesondere auch Anwälte und Banken, Prüfer sowie Finanzintermediäre und deren Angestellte. Im Unterschied zur Fiduciary Duty Theorie wirft die Haftung von Marktinsidern und Tipemptangern kaum Probleme auf3 80 • Daß es

374 Nach United States v. Carpenter, 791 F.2d 1024, 1033 (2d Cir. 1986) hat "misappropriated information conceming timing and content ... no value whatsoever except 'in connection with' ... subsequent purchases of securities", das Gegenargument erschien dem Gericht, aaO., "frivolous". 375 Dazu ausführlich oben B.lV.3.c). 376 Dies war der Hauptgrund fur die Abgabe der drei "dissenting votes" in United States v. O'Hagan, a.a.O., S.2220-2226. 377 Zum "in connection with"-Kriterium von Rule IOb-5 Loss/Seligman, S.850-862; Wang/Steinberg, S.I92-I95; CoxlHiIlmaniLangevoort, S.724-728; GraberlNolaniSams, 30 Am.Crim.L.Rev. 909, 946-948 (1993); siehe auch schon die entsprechende Analyse in S.E.c. v. Texas GulfSulphur Co., 401 F.2d 833,858-862 (2d Cir. 1968). 378 379

Frühzeitig erkannte dies Langevoort, 70 Cal.L.Rev. 1,51-52 (1982). Die ja bereits auch durch die Fiduciary Duty Theorie erfaßt sind.

380 Hier schließt die Misappropriation Theorie die diesbezüglichen Haftungslücken, die in Chiarella v. United States und Dirks v. S.E.c. aufgerissen wurden; United States v. O'Hagan, aaO., S.22I2, unterstreicht, daß die in Chiarella und Dirks aufgestelIten Insiderregeln neben der Misappropriation Theorie weitergelten; siehe oben B.lV.3.a).

C. Kritik

129

gleichwohl, insbesondere bei Tipempfiingern, zu Haftungslücken kommen kann, zeigt die Analyse in United States v. Chestmatf 81 • 2.Insiderpapiere

Ein weiterer Vorteil der Misappropriation Theorie liegt darin, daß ihre Anwendbarkeit auf Insidersachverhalte nicht durch die Art der gehandelten Wertpapiere eingeschränkt ist. Dies war bei der Fiduciary Duty Theorie der Fall; es mußte sich grundsätzlich um Aktien handeln, weil nur diese eine verbandsrechtliche Treuepflicht zwischen den Geschäftspartnern vermitteln können382 • Bei der Misappropriation Theorie muß allein die Beziehung des Insiders zur Informationsquelle besondere Merkmale aufweisen, eine Wertpapiertransaktion fmdet in diesem Verhältnis jedoch gar nicht statt. Somit kommen hier alle Wertpapiere als Insiderpapiere in Betracht, die der Defmition als "securities" unterfallen 383 • 3. Rechtssicherheit

Die Entscheidung in United States v. O'Hagan gewährleistet nunmehr die immer wieder angemahnte Rechtssicherheit mit Blick auf eine einheitliche, bei Insiderflillen anzuwendende Haftungstheorie. Unabhängig von dieser generellen Klärung bezüglich des anwendbaren Rechtssatzes, kann ein konkreter Marktteilnehmer aber nicht immer auf den ersten Blick erkennen, ob er überhaupt möglicher Insiderhaftung unterworfen ist oder nicht. Dies ist die Kehrseite der breiten Anwendbarkeit der Misappropriation Theorie. Besonders in Grenzflillen, in denen es sich nicht um typische Insider wie Wertpapierhändler oder Bankangestellte handelt, kann immer erst der Einzelfall zeigen, ob eine hinreichend konkrete Treuebeziehung zur Informationsquelle vorliege 84 • Denn erst dann gilt die eigennützige Verwertung von Insiderinformationen als "Veruntreuung" und löst das Insiderhandelsverbot aus. Manche Normadressaten können deshalb nur schwierig vorhersagen, ob die Insidernorm in einem konkreten Fall auch rur sie gilt. Das führt zu erheblicher Rechts-

381 Bei Tipempfangern gilt weiterhin der in Dirks v. S.E.c. entwickelte Haftungsstandard; dazu oben Kap.2, B.II.

382

Siehe dazu oben Kap.2, C.II.3.

383

Siehe zu dieser Definition oben Kap.2, C.II.3.a).

384 Zur Problematik dieser "ad hoc" Rechtsprechung zuletzt Beeson, 144 U.Pa.L.Rev. 1077,1078-1079,1138 (1996).

9 Weher

130

Teil 2, Kapitel 3: Misappropriation Theorie

unsicherheif 85 • Im Vergleich dazu hat die Fiduciary Duty Theorie zwar einen zu engen und die Equal Access Theorie einen noch weiteren Anwendungsbereich. Im Hinblick auf das Ausmaß an Rechtssicherheit für die Marktteilnehmer sind aber beide Ansätze der Misappropriation Theorie überlegen. V. Aktuelle Rechtslage und Ausblick Wegen ihrer großen Anwendungsbreite und nach den jüngsten klärenden Worten des U.S. Supreme Court beherrscht die Misappropriation Theorie die aktuelle U.S.-amerikanische Insiderrechtsprechung. Eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung und Anwendung dieses Haftungskonzepts hat das Berufungsgericht des Second Circuit eingenommen, im Zusammenspiel mit der S.E.C. 386 • In der Anerkennung der Theorie sind ihm später die Berufungsgerichte zunächst des Third387, dann auch des Ninth 388 und des Seventh389 Circuit gefolgf 9O • Die Bestätigung der Misappropriation Theorie durch das höchste Bundesgericht ist zu begrüßen, vor allem im Hinblick darauf, daß das Konzept zuletzt auch innerhalb der Obergerichte in die Kritik geraten war39J • Weil lange Zeit nur Unter- oder Berufungsgerichte die Misappropriation Theorie angewendet hatten, war das U.S.-amerikanische Insiderrecht in ein labiles Gleichgewicht geraten. Dieses ist nun überwunden. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob das Haftungskonzept auch in der Zukunft uneingeschränkt gelten wird. Denn nicht immer geht es um die insider-

385 Siehe dazu Bergmans, S.59; Bloomenthai, S.743-745; Hunter/Frese, 25 Gonz.L.Rev 9 ff. (1990). 386 Der Second Circuit hat die Misappropriation Theorie ausdrücklich bestätigt in United States v. Libera, 989 F.2d 596, 599-600 (2d Cir. 1993). Auch alle oben untersuchten berufungsgerichtlichen Vrteile hat der Second Circuit gesprochen. Seine herausragende Stellung in der V.S.-amerikanischen Rechtsprechung zum KapitaImarktrecht ergibt sich aus seinem geographischen Einzugsgebiet; siehe näher oben Teil 2, Einfiihrung, 11. 387 Rothberg v. Rosenbloom, 771 F.2d 818 (3d Cir. 1985), rev'd on other grounds after remand, 808 F.2d 252 (1986), cert.denied, 481 V.S. 1017 (1987). Das Vrteil, a.aO., S.822 bezieht sich allerdings nur andeutungsweise und innerhalb eines einzigen Satzes auf die Misappropriation Theorie. 388

S.EC v. C/ark, 915 F.2d 439, 443, 453 (9th Cir. 1990).

389 S.EC v. Cherif, 933 F.2d 406, 410 (7th Cir. 1991); jüngst bestätigt in S.EC v. Maio, 51 F.3d 623, 631 (7th Cir. 1995). 390 Zur Rolle des V.S. Supreme Court im Hinblick auf die Misappropriation Theorie vor United States v. O'Hagan eingehend Cuevas, 13 J.Corp.L. 793 ff. (1988); Hunter, 18 SW.U.L.Rev. 79 ff. (1988); McMahon, 13 Del.J.Corp.L. 985, 1026-1027 (1988). 391 Siehe oben B.IV.2., C.U. und C.III.

D. Ergebnis

131

rechtliche Beurteilung einer Sonderbeziehung mit einem so offensichtlich treurechtlichen Charakter wie die Anwalts-lMandantenbeziehung in United States v. O'Hagan. Vielmehr wird sich gerade in Fällen kapitalmarktuntypischer Verbindungen zu einer Informationsquelle, wie etwa in United States v. Reed oder United States v. WiIlis, die weitere Tragfähigkeit dieses Regelungsmodells erweisen müssen. Sollte ein solcher, weniger typischer Sachverhalt, aufkommen, ist es möglich, daß der U.S. Supreme Court seine in United States v. O'Hagan angestellten Überlegungen wieder einengt, um den Anwendungsbereich der Misappropriation Theorie stärker zu präzisieren.

D. Ergebnis Die Misappropriation Theorie beruht auf einem Komprorniß. Ihre Entwicklung hat sich nicht an theoretischer Stimmigkeit des Insiderrechts, sondern an praktischen Erfordernissen orientiert. Sie will das Insiderproblem weit genug fassen, um wesentliche Regelungslücken und damit die Ungerechtigkeiten zu überwinden, die im Rahmen der Fiduciary Duty Theorie entstanden sind. Deshalb verlangt die Theorie nicht mehr die Existenz einer Treuepflicht zwischen dem Insider und seinem Geschäftpartner auf der Marktgegenseite. Vielmehr reicht es schon aus, wenn der Insider in einer Vertrauensbeziehung zu seiner Informationsquelle steht. Dieser Sonderbeziehung muß sich eine konkrete Pflicht entnehmen lassen, anvertraute Informationen nicht zu eigenen Zwecken zu verwenden. Durch diesen Kunstgriff ließ sich der Anwendungsbereich des Insiderhandelsverbots schrittweise aus den Verengungen der Fiduciary Duty Theorie herausfUhren. Die Regelung erfaßt deshalb neben Insidergeschäften von Unternehmensmanagern, deren Beratern, Bankmitarbeitern und sonstigen Finanzintermediären nunmehr auch solche Sachverhalte mißbräuchlicher Informationsverwertung, die mit Wertpapierhandel inhaltlich gar nichts zu tun haben. Die Vereinbarkeit der Misappropriation Theorie mit der gesetzlichen Grundlage und den Regelungszielen eines marktorientierten Insiderrechts ist umstritten. Das Modell kann im Vergleich mit der Fiduciary Duty Theorie oder der Equal Access Theorie den Normadressaten nur begrenzte Rechtssicherheit bieten. Ungeachtet dieser Schwachpunkte dominiert die Misappropriation Theorie aber seit Mitte der 80er Jahre bis heute die U.S.-amerikanische Insiderrechtsprechung. Die "landmark"-Entscheidung des U.S. Supreme Court in United States v. O'Hagan hat im Juni 1997 Klarheit über das bis dahin vor allem vom Second Circuit propagierte und von vielen Untergerichten angewendete Haftungskonzept geschaffen. Das höchste Gericht hat die Geltung der Misappropriation Theorie ohne Einschränkungen bestätigt. Unsicherheiten über die in U.S.A. zur Anwendung kommende Insiderrechtstheorie sind damit ausgeräumt. 9'

Teil 3

Europa Einf"ührung Auf europäischer Ebene hat man sich schon lange mit dem Gedanken einer einheitlichen Insiderregelung beschäftigt. Das Insiderproblem wurde zunächst in den Kontext des Gesellschaftsrechts gestellt. Eine erste Formulierung für einen Verbotstatbestand enthielt der Vorschlag für das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft von 1970 1• Dieser konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Ab Mitte der 70er Jahre arbeitete man am Entwurf einer eigenständigen Richtlinie. Nach mehreren Vorentwürfen wurde dann am 13.11.1989 die EGInsiderhandelsrichtlinie2 (nachfolgend: EG-Richtlinie) erlassen3 • Sie war formaler Anstoß für den Erlaß des jetzigen deutschen Rechts. Darüberhinaus legt sie weitreichende inhaltliche Grundlagen für die nationalen Insiderbestimmungen der EU-Staaten und ist daher zunächst darzustellen.

A. Insider Die EG-Richtlinie enthält keinen einheitlichen Insiderbegriff, wie er sich im Rahmen der drei U.S.-amerikanischen Insiderrechtstheorien jeweils herausgebildet hat. Sie benennt vier verschiedene Personengruppen und teilt diese in zwei Arten von Insidern, Primär- und Sekundärinsider4 •

1 Art.82 des vorgeschlagenen Statuts der Societas Europea, ABI. EG Nr.C 124 vom 10.10.1970, S.I; dazu Assmann, in: AssmanniSchneider, Vor. § 12 RZ.4 m.w.N.; Siebold, S.63-66; Hopt/Will, S.140-148; näher zur Europäischen Aktiengesellschaft Groß/eid, Unternehmensrecht, S.25-27. 2 Richtlinie des Rates vom 13.11.1989 (89/592/EWG) zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte, AbLEG L Nr.334 vom 18.11.1989, S.30-32. 3 Zur Entstehung der EG-Richtlinie und ihren Vorentwürfen ausflihrIich Hopt, ZGR 1991, 17, 18-22 m.w.N.; ders., in: HoptlWymeersch, S.129, 131-133; Assmann, in: Assmann/ Schneider, Vor. § 12 Rz.IO; Bergmans, S.67-69; Siebold, S.66-75. Kritisch zum Erlaß der EG-Richtlinie Walther, in: FS Heinsius, S.875, 884-885. 4 In den Richtlinientext haben diese beiden Begriffe keinen Eingang gefunden. Die EG-Kommission hat sie jedoch bei den Vorarbeiten verwendet; siehe die Begründung des Richtlinienvorschlags vom 11.6.1987, KOM (87) III endg., 21.5.1987, S.4; vgl.

A. Insider

133

I. Primärinsider

"Primärinsider" ist ein Sammelbegriff. Er umfaßt gemäß Art.2 Abs.l der EG-Richtlinie drei verschiedene Kategorien. Danach handelt es sich um Personen, die (1)

als Mitglieder eines Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Emittenten,

(2)

durch ihre Beteiligung am Kapital des Emittenten oder

(3)

aufgrund ihrer Arbeit, ihres Berufs oder ihrer Aufgaben

Zugang zu einer Insiderinformation haben oder hierüber verfilgen. Erfaßt sind also Personen, die einem Unternehmen wegen ihres verbandsrechtlichen Status' nahestehen (l. und 2. Alternative) oder mit einer Informationsquelle wegen ihrer beruflichen oder sonstigen Tätigkeit in Berührung kommen (3. Alternative). 1. Unternehmensinsider

Das Unternehmen ist die Hauptquelle rur Insiderinformationen bezüglich der von ihm emittierten Wertpapiere. Kapitalbeteiligte und Organmitglieder des Emittenten lassen sich übergreifend als Unternehmens insider bezeichnen. Die Organmitglieder des Emittenten, sie sind in der 1. Tatbestandsalternative genannt, befmden sich nicht nur in der Nähe einer Informationsquelle, sondern sie sind gestaltender und entscheidender Teil von ihr. Es gehört gerade zu ihren Aufgaben, kursrelevante Informationen zu produzieren, zumindest aber über sie Bescheid zu wissenS. Somit sind Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungsoder Aufsichtorgans eines Emittenten Personen, deren Klassifizierung als Primärinsider besonders augenflUlig ist. Das gilt unabhängig von der Rechtsform rur Organmitglieder aller Gesellschaften, die nach dem jeweiligen nationalen Recht der Mitgliedstaaten Wertpapiere emittieren dürfen 6• Denn jeder Emittent hat immer auch die Funktion einer Informationsquelle.

BT-Drucks. 11/2358, S.3. Hieran anknüpfend akzeptiert auch die Literatur die Einteilung in Primär- und Sekundärinsidereinhellig. Vgl. nur Hopt, ZGR 1991, 17, 35; Schödermeier/Wallach, EuZW 1990, 122, 123 sowie Bergmans, S.69. S Claussen, ZBB 1992,267, 270 betont, es gehöre zu den "Grundanforderungen an normales Management", daß der Informationsfluß innerhalb der Gesellschaft die Organmitglieder zuerst erreiche. 6 In Deutschland fallen hierunter auch die Organe von GmbHs und Personengesellschaften; näher Hopt, ZGR 1991,17,35-36; Bergmans, S.70.

134

Teil 3: Europa

Der unternehmensbezogene Ansatz7 läßt leicht erkennen, wer Insider ist, denn man kann relativ einfach feststellen, ob jemand Organmitglied des Emittenten ist oder nichts. Diese erhöhte Rechtssicherheit9 , fUhrt jedoch zu inhaltlicher Verengung. Das zeigt sich beispielsweise, wenn eine Person Organmitglied der einen Gesellschaft ist, jedoch über Insiderinformationen verfUgt, die sich auf eine andere Gesellschaft beziehen lO • In diesem Fall ist der Betroffene kein Unternehmensinsider, weil Art.2 Abs.l Alt.l der EG-Richtlinie verlangt, daß es sich um Organmitglieder "des Emittenten" 11 und nicht nur "eines" Emittenten handeln muß l2 . Diese Gruppe der Primärinsider ist also leicht bestimmbar, stößt aber schnell an ihre Grenzen. Eine weniger formalisierte Bindung zum Emittenten, gleichwohl aber strukturelle Informationsvorteile können die Kapitalbeteiligten des Emittenten haben. Sie sind in der 2.Altemative der Primärinsider erfaßt. Art.2 Abs.l Alt.2 der EG-Richtlinie nennt keine Mindestbeteiligungsschwelle. Es gibt keine formale Beschränkung auf mittlere oder Großaktionäre 13 , ausreichend ist schon

7

Schödermeier/Wallach, EuZW 1990, 122; Bergmans, S.70.

Wer im Zeitpunkt des Wertpapiergeschäfts nicht mehr Organmitglied ist, aber noch über entsprechende Insiderinformationen verfugt, gilt gleichwohl als Insider i.S.d. Art.2 Abs.l, Alt.I der EG-Richtlinie; siehe Bergmans, S.70 mit dem Hinweis auf die deutschen IHR. Aus § 1 Nr.1 Satz 1 IHR wurde hergeleitet, daß die Insidereigenschaft auch nach der Beendigung der OrgansteIlung erhalten bleibt, wenn ein späteres Insidergeschäft mit den während der früheren Tätigkeit erlangten Insiderinformationen in ursächlichem Zusammenhang steht, zur Megede, in: Assman/Schütze, § 14 Rz.31. S

9 Die Insidereigenschaft an die OrgansteIlung beim Emittenten anzuknüpfen, geht auf eine deutsche Forderung bei der Abfassung der EG-Richtlinie zurück. Die ersten beiden Alternativen des Art.2 fanden sich deshalb erst in der letzten Fassung des Richtlinientextes. Wie auch schon bei den deutschen Insiderhandels-Richtlinien (IHR) wollte man durch einen engen und gesellschaftsbezogenen Insiderbegriff die Rechtssicherheit für die Betroffenen fördern, Hübscher, in: BüschgeniSchneider, S.329, 334; Schödermeier/Wallach, EuZW 1990, 122.

10 Die Insidereigenschaft nach den deutschen IHR ist streng gesellschaftsbezogen. Sie würden den genannten Fall ebenfalls nicht erfassen. Dieses Ergebnis ist als dem Sinn und Zweck der Insiderregeln nicht entsprechend kritisiert worden und hat zu Forderungen nach einer erweiternden teleologischen Auslegung geführt, zur Megede, in: AssmanniSchütze, § 14 Rz.31 m.w.N.

11 So ist nach dieser Tatbestandsalternative nur Insider, wer kursrelevante Informationen über die Gesellschaft besitzt, dessen Organmitglied er ist; Bergmans, S.70; Schödermeier/Wallach, EuZW 1990, 122.

12 Letztgenannte Formulierung findet sich beispielsweise in Art. 1 (a) der Insider Trading Konvention des Europäischen Rates. Schon vor Erlaß der EG-Richtlinie erfaßten die gesetzlichen Regelungen in Frankreich und England diesen Fall; siehe Schödermeier/Wallach, EuZW 1990, 122 m.w.N. 13 Das Fehlen einer bestimmten Beteiligungshöhe hat teilweise zu heftiger Kritik geführt. Siehe nur Claussen, ZBB 1992, 267, 270, der diese Auslegung der Richtlinie

A. Insider

135

jede tatsächliche Beteiligung am Kapital des Em ittenten 14. Primärinsider wird dabei aber nur, wer gerade "durch" seine Beteiligung am Aktienkapital eine Insiderinformation erfahrt. Erforderlich ist also Kausalität zwischen der Kapitalbeteiligung und der Informationserlangung. Je geringer die Aktienbeteiligung eines Anlegers ist, umso unwahrscheinlicher ist diese Kausalität. Ein Kleinanleger wird eine Insiderinformation möglicherweise aus anderen Gründen, kaum aber aufgrund seiner Kapitalbeteiligung erhalten. Somit ist zumindest faktisch eine Mindestbeteiligung erforderlich l5 • Insgesamt erfaßt die EGRichtlinie mit den Kapitalbeteiligten des Emittenten eine zweite typische, geseIlschaftsbezogene Insidergruppe l6 • Weil jedoch konkrete Bestimmungskriterien fehlen 17, bleibt die Reichweite dieses Insiderbegriffs unschaIf 8 • Zweifelhaft ist zumindest, ob die InsidersteIlung kraft Kapitalbeteiligung am Emittenten ohne gleichzeitige Festsetzung einer Mindestquote einen Gewinn an Rechtssicherheit bedeutet. 2. Tätigkeitsbedingte Insider Art.2 Abs.l der EG-Richtlinie qualifiziert in seiner 3.Alternative solche Personen als Primärinsider, die "aufgrund ihrer Arbeit, ihres Berufs oder ihrer Aufgaben", mit anderen Worten also tätigkeitsbedingt, eine Insiderinformation erfahren. Das ist ein sehr weit gezogener Kreis l9 • Wenn schon jeder Kausalzusammenhang zwischen Tätigkeit und Informationserlangung genügt, läßt sich der Insider-Personenkreis kaum mehr begrenzen 20 • Denn es sind dann nur

für "weder einsichtig noch durchsetzbar" hält, weshalb sie "kein richtiges Recht" sein könne. 14 Also auch schon das Halten nur eines einzigen Anteils, vgl. C1aussen, ZBB 1992, 267,270. 15

Bergmans, S.70; Hopt, ZGR 1991, 17,36.

Neben den Primärinsidem der 1. Tatbestandsalternative finden sich auch die Primärinsider der 2. Tatbestandsalternative erst in der abschließenden Fassung der EGRichtlinie. Auch ihre Nennung ist eine Kompromißlösung, weil wiederum die deutsche Seite im Interesse der Rechtssicherheit auf eine möglichst genaue und enge Definition des Insiderbegriffs gedrungen hatte; siehe Bergmans, S.70; Schödermeier/Wallach, EuZW 1990, 122. 16

17

So schon Hübscher, in: BüschgeniSchneider, S.329, 334.

18 Nach § 2 Nr.l der IHR gelten nur Aktionäre mit einer Beteiligung von mehr als 25% als Insider, siehe zur Megede, in: AssmanniSchütze, § 14 Rz.27. 19 Claussen, ZBB 1992,267,271 und Ernst, WM 1990, 461 sprechen von einem "uferlosen Personenkreis" .

20

Hübscher, in: BüschgeniSchneider, S.329, 335; vgl. Hopt, ZGR 1991,17,35.

Teil 3: Europa

136

wenige Infonnationen denkbar, die eine Person nicht "aufgrund" von Arbeit, Beruf oder Aufgabe erfährt. Ausgeschlossen wären nur Personen, die rein zufällig von einer Insiderinfonnation Kenntnis erlangen 21 • Dieses Resultat folgt aber nicht aus einer eindeutigen sprachlichen Fassung der EG-Richtlinie, sondern gerade aus den begrifflichen Schwächen der verwendeten Kriterien. Die genauere Bestimmung der Gruppe der tätigkeitsbedingten Insider war deshalb von Anfang an umstritten 22 • Relativ einfach läßt sich der Insiderstatus bei den Personen bejahen, die zu einem Emittenten wegen ihrer Berufstätigkeit in einem engen Verhältnis stehen. Das sind die schon durch die I.Alternative erfaßten Manager, aber grundsätzlich auch alle anderen Mitarbeiter einer Gesellschaft ohne Organstellung23 • Zu den tätigkeitsbedingten Insidern rechnen darüberhinaus alle Vertrags- oder Geschäftspartner eines Emittenten, soweit sie nur beruflich oder aufgrund ihrer Aufgaben Zugang zu Insiderinfonnationen erlangen 24 • Dies können beispielsweise Rechtsanwälte, Prüfer, Unternehmensberater, Bankmitarbeiter, Kunden oder Zulieferer sein 2s • Es ist jedoch keine Haftungsvoraussetzung, daß zwischen einem tätigkeitsbedingten Insider und dem Emittenten oder einer anderen Infonnationsquelle eine Vertragsbeziehung bestehe6 ; selbst wenn dies praktisch häufig der Fall ist. Vielmehr erfaßt die 3. Tatbestandsalternative auch und gerade solche Personen als Primärinsider, die in überhaupt keiner rechtlichen Beziehung zum Emittenten stehen, solange sie nur aufgrund von Arbeit, Beruf oder Aufgabe tatsächlichen Zugang zu einer Insiderinfonnation haben 27 • Es kann sich daher bei-

21 Obwohl sich auch hier die Frage stellt, ob dem Taxifahrer der in seinem Wagen "zufallig" eine Insiderinformation aufschnappt, dies nicht "aufgrund" seiner Berufstätigkeit möglich ist. Er wäre dann Primärinsider. Ausführlich zur Figur des Zufallsinsiders unten Teil 4, A.II.3. 22

Näher Hopt, ZGR 1991, 17,37-39; SchödermeierlWallach, EuZW 1990, 122, 123.

23 Nach Claussen, ZBB 1992,267,271 zählen hierzu beispielsweise Angestellte und Sekretärinnen "mit einem gewissen Verantwortungsbereich". 24 Die sprachliche Unterscheidung zwischen Beruf und Aufgabe bedingt hier kein unterschiedliches Ergebnis, sie ist deskriptiv zu verstehen.

2S Siehe auch die Beispiele bei Hopt, ZGR 1991, 17,37 und Claussen, ZBB 1992, 267,271. Über die Einordnung dieser Personen als Primärinsider besteht jedoch keine Einigkeit. So ordnen Ernst, WM 1990, 461 und Hübscher, in: Büschgen/Schneider, S.329, 336 die "Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater und Rechtsanwälte" dem Kreis der Sekundärinsider zu. Zum Begriff des Sekundärinsiders sogleich unten A.II.

26

Hopt, ZGR 1991,17,38.

27 Mißverständlich Claussen, ZBB 1992,267,271, der lediglich auf die Kenntnis der Insiderinformation abstellt, ohne deutlich zu machen, daß zuvor ein weiteres Kriterium

A. Insider

137

spielsweise auch um Journalisten, Parlamentarier oder Staatsbedienstete handeln 28 • Die Kriterien, die Art.2 Abs.l der EG-RichtIinie in seiner 3.Alternative verwendet, um Primärinsider von anderen Kapitalmarktakteuren zu unterscheiden, sind nicht unternehmensbezogen. Einer insgesamt gesellschaftsrechtlich orientierten und damit eng definierten Insiderregelung, die Deutschland bei der Formulierung der EG-RichtIinie hatte durchsetzen wollen, wird also schon an dieser Stelle eine Absage erteilf9 • Stattdessen ist der Regelungsansatz des "tätigkeitsbedingten" Insiders überaus weitreichend. Dabei schafft die Anwendung des Insiderhandelsverbots rechtspolitisch und verfolgungspraktisch 30 umso mehr Probleme, je quellenferne~1 oder "zufälliger" sich einer Person der Zugang zu einer Insiderinformation eröffnet. 3. Vergleich

Soweit die EG-RichtIinie Mitglieder des Managements32 und (Groß-) Aktionäre des Emittenten 3J als Primärinsider qualifiziert, bewegt sie sich auf dem "klassischen" Anwendungsgebiet des Insiderhandelsverbots. Denn damit sind die Personen beschrieben, die wegen ihrer Nähe zum Unternehmen über Insiderinformationen verfUgen und die häufig schon aufgrund ihrer verbandsrechtlichen Treuepflicht solche Informationen nicht zu eigenen Zwecken mißbrauchen dürfen 34 •

erfüllt sein muß: der positionsbezogene Kontakt mit der Information, das heißt aufgrund Arbeit, Beruf oder Aufgabe. 28 Hierunter fällt etwa die Kenntnis eines Bundesbankmitarbeiters über eine bevorstehende Diskontsatzänderung oder das Insiderwissen eines Palamentariers über eine für die wirtschaftliche Gesamtsituation bedeutsame Gesetzesvorlage. Mißverständlich aber in Bezug auf diese Berufsgruppen Lahmann, S.34.

29 A.A. Lahmann, S.35, der meint, die "Definition des Insider-Personenkreises" deute "auf eine gesellschaftsrechtlich-orientierte" Regelung hin. 30 Dazu Hübscher, in: BüschgenlSchneider, S.329, 335 und Schödermeier/Wallach, EuZW 1990, 122, 123. 31 Die Entfernung von der Informationsquelle versteht sich hier nicht nur in räumlicher Hinsicht, sondern vor allem im Sinne eines organisatorisch normalerweise nicht bestehenden, das heißt untypischen, Zugangs zu Insiderinformationen. J2

Art.2 Abs.l, I.AIt der EG-Richtlinie.

3J

Art.2. Abs.l, 2.AIt der EG-Richtlinie.

34 Vgl. Hopt, in: HoptlWymeersch, S.129, 137. Eine allgemeine Treuepflicht zwischen den Aktionären eines Unternehmens gibt es jedoch im U.S.-amerikanischen Bun-

138

Teil 3: Europa

Diesen Kernbereich des Insiderrechts normiert in U.S.A. die Fiduciary Duty Theorie. Dabei läßt sich durch das Erfordernis einer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht der Adressatenkreis des Insiderhandelsverbots gut bestimmen. Dies sind die Organmitglieder sowie höhere Angestellte des Emittenten. Der Fall, daß ein Organmitglied Insiderinformationen eines anderen Emittenten erfährt, ist von dem unternehmensbezogenen Regelungsansatz aber schon nicht mehr erfaßt. Um das Fiduciary Duty Konzept aufrechtzuerhalten, mußte man zu Hilfskonstruktionen greifen, die mit der Ursprungsidee "Insiderhandelsverbot qua verbandsrechtlicher OrgansteIlung" im Kern nichts mehr gemein haben 35 • Bei den tätigkeitsbedingten Primärinsidern der EG-Richtlinie ergibt sich eine deutliche Parallele zum Insiderbegriff der Misappropriation Theorie. Es sind jedoch Einschränkungen zu machen: Frühzeitig sah man im Rahmen der EGRichtlinie, ähnlich wie auch schon in U.S.A., die Gefahr einer Uferlosigkeit des Tatbestandes36 • Es gab deshalb den Vorschlag, eine Person, die mit dem Emittenten in keiner Rechtsbeziehung steht, nur dann als tätigkeitsbedingten Primärinsider einzuordnen, wenn ihr die private Ausnutzung der Insiderinformation zumindest wegen ihrer Berufspflichten untersagt ise 7• Das Insiderrecht sollte damit an das Berufsrecht des in Frage kommenden Täterkreises angekoppelt werden, um so die gewünschte Eingrenzung zu erreichen38 • Die U.S.-amerikanischen Entscheidungen in United States v. Newman 39 und United States v. Carpenter40 zeigen zwar, daß die eigennützige Verwertung von Insiderinformationen häufig mit einem Verstoß auch gegen berufliche Pflichten einhergeht. Durch eine Bindung des Insiderhandelsverbots an Berufspflichten des Insiders stünde als Haftungsgrund aber nicht mehr die Schaffung fairer

desrecht genausowenig wie im deutschen Recht. Hier kommt es auf den Einzelfall an; siehe Groß/eid/Weber, AG 1993,201,203-204 m.w.N. 35 Zur Hilfsfigur des "temporary" oder "constructive" Insider, die im Rahmen der Fiduciary Duty Theorie entwickelt wurde, siehe oben Teil 2, Kap.2, B.III. 36 Vgl. auch die in United States v. Chestman geäußerten Bedenken; siehe oben Teil 2, Kap.3, B.II.2. 37 Claussen, ZBB 1992, 267, 271 wollte das zukünftige deutsche Insiderrecht durch Hinzufligung einer "arbeitsrechtlichen Dimension" auf einen besser überschaubaren Bereich festlegen. Vgl. auch Hopt, ZGR 1991, 17,39.

38 Ohne Berufspflichten, die die eigennützige Verwertung der Information verbieten und daher kein Primärinsider wäre beispielsweise ein nicht unternehmensangehöriger Naturwissenschaftler, der eine flir die Unternehmensaktien kursrelevante Entdeckung macht. Weitere Beispiele bei Hopt, ZGR 1991, 17,39.

39

United States v. Newman; siehe oben Teil 2, Kap.3, B.I.I.

40

United States v. Carpenter; siehe oben Teil 2, Kap.3, B.1.2.

A. Insider

139

Marktbedingungen, sondern der Schutz des Arbeitgebers als Informationsquelle im Vordergrund. Die Kritik an der Misappropriation Theorie zeigt, daß dies problematisch ist41 • Soweit die Misappropriation Theorie allerdings an die Verletzung familiärer oder sonstiger Vertrauensbeziehungen anknüpft, bilden die tätigkeitsbedingten Primärinsider der EG-Richtlinie hierzu keine Parallele. Fälle wie United States v. Chestman42 und United States v. Reecf3 zeigen, daß die Informationsnutzung durch Familienangehörige oder Verwandte von (Unternehmens-) Insidern durchaus einen praktisch wichtigen Sachverhalt darstellt. Dennoch würde es sich in solchen Fällen nicht um Primärinsider im Sinne der EG-Richtlinie handeln, da die Information nicht "aufgrund Arbeit, Beruf oder Aufgabe" erlangt wurde. Eine vollständige inhaltliche Vergleichbarkeit mit der Misappropriation Theorie liegt also nicht vor. 11. Sekundärinsider

Als "Sekundärinsider" bezeichnet man die in Art.4 der EG-Richtlinie genannten Personen, die in Kenntnis der Sache über eine Insider-Information verfügen, die unmittelbar oder mittelbar nur von einer der in Artikel 2 genannten Personen 44 stammen kann. Erfaßt sind hier also schon alle Informationsinhaber; sie müssen keinen speziellen Bezug zur Informationsquelle haben. Erforderlich ist allerdings, daß die kursrelevante Nachricht von einem Primärinsider als Informationsquelle stammt. 1. Informationsinhaber

Bei den Sekundärinsidern verfolgt die EG-Richtlinie einen qualitativ eigenständigen Ansatz. Im Gegensatz zu Primärinsidern ist hier kein typisches personelles Profil und kein tätigkeitsbezogener oder organisatorischer Bezug zu einer Informationsquelle erforderlich 45 • Die Erfassung einer Person als Sekun-

c.1.

41

Siehe oben Teil 2, Kap.3,

42

United States v. Chestman; siehe oben Teil 2, Kap.3, B.II.2.

43

United States v. Reed; siehe oben Teil 2, Kap.3, B.II.I.

44

Das heißt, von einem Primärinsider.

Claussen, ZBB 1992, 267, 274. Die deutschen IHR erfassen Sekundärinsider nicht. Die deutsche Seite hat sich bis zuletzt dagegen gewandt, Sekundärinsider in die 45

140

Teil 3: Europa

därinsider verlangt in objektiver Hinsicht weder, daß die Insiderinformation von einem Primärinsider "weitergegeben" worden ist 46 , noch, daß der Sekundärinsider die Information von einem Primärinsider bewußt "empfangen" hat47 • Es braucht überhaupt keine unmittelbare oder mittelbare Kommunikation zwischen Primär- und Sekundärinsider vorzuliegen 48 • Also ist auch das "Weiterwandern" der Information oder die Anzahl derer, die die Information weitergeben, als rechtliches Kriterium irrelevant49 , solange nur die Information ihren "inside" -Charakter behält. 2. Primärinsider als Informationsquelle Die EG-Richtlinie begrenzt die Gruppe der Sekundärinsider aber auf indirekte Weise. Denn die Information, deren Kenntnis aus einem lediglich gutinformierten Anleger einen Sekundärinsider macht, muß von einem Primärinsider stammen. So kann sich mittelbar eine Einschränkung des Anwendungsbereichs ergeben: Weil ein Primärinsider die ursprüngliche Informationsquelle sein muß, ist dadurch auch ein Sekundärinsider grundsätzlich an einen Emittenten oder eine sonstige NachrichtenquelIe 50 informationeIl angebunden. Auch in subjektiver Hinsicht bietet die EG-Richtlinie Raum, um die InsidersteIlung einzugrenzen. Denn ein Sekundärinsider muß "Kenntnis der Sache" haben, also positiv wissen und nicht lediglich vermuten, daß die Information "mittelbar oder unmittelbar" von einem Primärinsider stammt51 • Im Ergebnis ist der Begriff des Sekundärinsiders nicht eindeutig vorgegeben. Unterschiedliche Auslegungen sind denkbar. So bleibt etwa die Frage offen, ob nicht schon aus der Kenntnis, daß es sich um eine Insiderinformation handelt, auch das Wissen folgt, daß diese Information von einem Primärinsider

EG-Richtlinie miteinzubeziehen; siehe Schödermeier/Wallach, EuZW 1990, 122, 123 m.w.N. 46

Vgl. Claussen, ZBB 1992,267,274.

47 Bergmans, S.86 sowie Schödermeier/Wallach, EuZW 1990, 122, 123 weisen richtigerweise darauf hin, daß somit auch Insider ist, wer die Information nur passiv und ohne Möglichkeit dies zu verhindern empfangen hat. 48 Hopt, ZGR 1991, 17,48; Bergmans, S.71; mißverständlich Claussen, ZBB 1992, 267,274, der Sekundärinsider mit Tipempfängern gleichsetzt.

49

Vgl. Hopt, ZGR 1991, 17,48.

50

Siehe oben zu A.l.l. und 2.

51

Hopt, ZGR 1991, 17,48.

A. Insider

141

stammt; also stets der Schluß von der Qualität auf die Herkunft der Information gezogen werden muß 52 •

3. Vergleich Sekundärinsider finden auf den ersten Blick ihre inhaltliche Parallele im U.S.-amerikanischen Begriff des "tippee" oder Tipempfängers 5J • In der Praxis handelt es sich sowohl bei Sekundärinsidem als auch bei "tippees" um Personen, die normalerweise keinen privilegierten Zugang zu kursrelevanten Informationen haben. Sie können aber dennoch ein Insidergeschäft tätigen, weil sie eine entsprechende Information 54 aus eingeweihten Kreisen erhalten haben. In rechtlicher Hinsicht ist der Kreis der Tipempfanger in U.s.A. stärker eingegrenzt als im Rahmen der EG-Richtlinie. Denn bei der Fiduciary Duty Theorie wie auch bei der Misappropriation Theorie muß ein Tipemfanger zuerst in einer abgeleiteten Treuebindung zum Emittenten bzw. zu seiner Informationsquelle stehen, damit sich das Insiderhandelsverbot überhaupt auf ihn anwenden läßt55 • Hier stellt die gemeinschaftsrechtliche Vorgabe geringere Anforderungen an die Haftung. Sie verlangt lediglich, daß die Information des Sekundärinsiders "nur von einem Primärinsider stammen kann". Eine Sonderbeziehung zum Emittenten oder zur Informationsquelle - die zudem im Falle einer Informationskette bei jedem nachfolgenden Tipempfänger eigens nachzuweisen wäre 56 _ ist nicht erforderlich. Aus diesem Grunde sind auch weitergehende Unterschei-

52

Bejahend Hopt, ZGR 1991, 17,48 Fn. 122; vgl. Siebet, in: FS Semler, S.955, 959.

Beide Ausdrücke werden in Deutschland häufig synonym für "Sekundärinsider" verwendet. Vgl. nur Ctaussen, ZBB 1992,267,274; Hopt, ZGR 1991, 17,48; siehe näher oben Teil 1,C.I.3. 53

54

Oder zumindest einen darauf beruhenden Anlagerat, den eigentlichen "Tip".

Vgl. die Anwendung von Art.4 der EG-Richtlinie (Sekundärinsiderhaftung) auf den Sachverhalt in Dirks v. s.E.C bei Mennicke, S.274-276 und Winner, 3 Transnat'l Law. 231, 245-247 (1990). Siehe oben Teil 2, Kap.2, B. 55

56 Das U.S.-amerikanische Recht stellt hohe Anforderungen an die Insiderhaftung von Tipempfangem. Ein Tipempfanger tritt nur dann in die erforderliche (abgeleitete) Treuepflicht ein, wenn der Informant (I.) durch die Informationsweitergabe persönlichen Vorteil sucht, (2.) dadurch die ihn selbst treffende Treuepflicht verletzt und (3.) der Tipempfänger hiervon Kenntnis hat. Demgegenüber ist der Beweis, daß eine Information inhaltlich nur von einem Primärinsider abstammen kann, erheblich leichter zu führen. Zu den Haftungsvoraussetzungen zuletzt United States v. Libera, 989 F.2d 596, 600 (2d Cir. 1993), analysiert bei Cheek, C903 ALI-ABA 439, 448-449 (1994) und s.E.C v. Peters, 978 F.2d 1162 (10th Cir. 1992), dargestellt bei Miller, 71 Denv.U.L. Rev. 783 ff. (1994); näher oben Teil 2, Kap.2, B.II.

142

Teil 3: Europa

dungen bei der Gruppe der Sekundärinsider, wie etwa der Begriff "Tertiärinsider"57, irreführend. Sie haben keine rechtliche Bedeutung. Ein tatsächlicher Unterschied liegt allenfalls darin, daß eine abgestufte Begrifflichkeit (Tertiär-, Quartärinsider u.s.w.) bei mehrfacher Informationsweitergabe die Abschwächung des "inside"-Charakters der Information und daraus resultierende Beweisprobleme bei der Anwendung des Insiderhandelsverbots beschreiben kann 58 . Das wichtigste Kriterium für die Einordnung als Sekundärinsider ist allerdings schon erfüllt, wenn jemand Kenntnis einer kursrelevanten Information hat. Insofern besteht Ähnlichkeit zur Equal Access Theorie 59 . Aus dem Umstand, daß die EG-Richtlinie eine informationelle Bindung des Tipempfangers (Sekundärinsiders) an eine bestimmte Informationsquelle (Primärinsider) verlangt, ergibt sich nämlich nicht zwingend ein haftungseinschränkendes Tatbestandsmerkmal60 • Denn ähnlich war man auch schon in dem frühen U.S.-amerikanischen Fall In Re Investors Management CO. 61 vorgegangen. Dort wählte das Gericht zur Umschreibung des für Tipempfanger geltenden Insidertatbestands eine Formulierung, die dem Sekundärinsiderbegriff der EG-Richtlinie sehr ähnlich ist62 • Trotz der Bezugnahme auf eine Sonderbeziehung des Tipempfangers zur Informationsquelle zogen die Richter in dem Fall als Haftungsbegründung ausschließlich den Gedanken der Equal Access Theorie heran. Ab57 So etwa bei Bergmans, S.86; Wymeersch, in: HoptlWymeersch, S.65, 87-88; Walther, in: FS Heinsius, S.875, 888-889; Siebei, in: FS Semler, S.955, 971-972; auch schon Riderl Ffrench, S.76. 58 Vgl. RiderlAshe, S.45; auch schon das Gericht in dem Fall In Re Investors Management Co., 44 S.E.C. 633, 645 (1971). 59 Siehe oben Teil 2, Kap.l, B.I1.2. 60 Denn die informationelle Anbindung des Tipempfangers kann man auch als lediglich deskriptives Tatbestandsmerkmal interpretieren; ähnlich Hopt, ZGR 1991, 17, 48 Fn.122. 61

In Re Investors Management Co.; siehe oben Teil 2, Kap. I , B.Ill.I.

62 Sekundärinsider sind nach Art.4 der EG-Richtlinie solche "Personen, die in Kenntnis der Sache über eine Insider-Information verfugen, die unmittelbar oder mittelbar nur von" einem Primärinsider "stammen kann". Nach In Re Investors Management Co., a.a.O., S.641 erfordert die Haftung als Tipempfanger, daß "the tippee, whether he receives the information directly or indirectly, know or have reason to know that it was nonpublic and had been obtained by selective revelation or otherwise"; an anderer Stelle, a.a.O., S.644 wird das Wissen des Tipempfangers umschrieben als Information, "which he has reason to know emanates from a corporate source" . Zu undifferenziert aber Paefgen, AG 1992, 169, 172, der aus der Ähnlichkeit ohne weiteres schließt, das U.S.amerikanische Recht habe bei den Redaktionsarbeiten zur Formulierung der EG-Insidertatbestände maßgeblich Modell gestanden. Anders sehen beispielsweise Herringtonl Glover, in: AssmannlWegen, S.33, 34 die EG-Richtlinie als primär dem englischen und französischen Recht nachgebildet.

A Insider

143

schließend läßt sich die in der EG-Richtlinie umschriebene Figur des Sekundärinsiders also weder der Equal Access Theorie noch einer anderen U.S.-amerikanischen Insiderrechtstheorie eindeutig zuordnen. III. Zwischenbilanz

Der EG-Richtlinie gelingt bei Primär- wie Sekundärinsidern keine zweifelsfreie Bestimmung ihrer Reichweite. Beide Begriffe werfen Auslegungsprobleme auf; in der Abgrenzung zueinander entstehen Wertungswidersprüche. 1. Auslegungsprobleme

Bei den Primärinsidern bleibt vor allem die Gruppe der tätigkeitsbedingten Insider undeutlich: Wenn man das Merkmal "Infonnationszugang aufgrund Tätigkeit" nur als fonnales Kausalitätskriterium interpretiert, ist der Anwendungsbereich der Nonn fast unbeschränkt. Erforderlich ist dann letztlich nur noch Gleichzeitigkeit zwischen der Infonnationserlangung und der Ausübung (irgend-) einer Arbeit, eines Berufs oder einer sonstigen Aufgabe63 • Verlangt man jedoch einen engeren, inhaltlichen Zusammenhang zwischen der Kenntnis von einer Insiderinfonnation und der ausgeübten Tätigkeit, so bewirkt dies eine erhebliche Begrenzung des Primärinsiderbegriffs. Mehr oder weniger zufällig aufgeschnappte Infonnationen, etwa durch einen Boten auf der Vorstandsetage eines Unternehmens, können dann die Stellung als Primärinsider nicht mehr begründen64 • Zusammengenommen spiegeln die drei Primärinsider-Gruppen der EGRichtlinie den Widerstreit zwischen einer theoretisch konsistenten Insiderregelung einerseits und einer praktisch durchführbaren andererseits6s : Die erste Alternative birgt wenig Auslegungsprobleme. Es läßt sich leicht feststellen, ob jemand Organmitglied eines Emittenten ist oder nicht. Der erfaßte Personenkreis ist eindeutig bestimmbar, im Vergleich zu allen am Kapitalmarktgeschehen Beteiligten aber sehr begrenzt. Die zweite Alternative erfaßt mit den Kapitalbeteiligten eines Emittenten schon einen viel größeren Personenkreis. Weil aber ein innerer Zusammenhang zwischen Kapitalbeteiligung und Infonnationserlangung bestehen muß, ist der Text der EG-Richtlinie hier weniger deutlich als in der ersten Alternative. Die dritte personelle Tatbestandsalternative 63 Art.2 AbS.1 Alt.3 der EG-Richtlinie erfaßt Personen, die "aufgrund ihrer Arbeit, ihres Berufs oder ihrer Aufgaben zu dieser Infonnation Zugang haben". 64

Zu den tätigkeitsbedingten Insidern ausführlich oben A1.2.

6S

ZU diesem Grundproblem des Insiderrechts oben Teil I, C.1.5.

144

Teil 3: Europa

schließlich erfaßt einen potentiell unbeschränkten Personenkreis. Geht man allein vom Wortlaut aus, läßt sich in vielen Fällen nicht mehr eindeutig sagen, ob jemand als Insider in Betracht kommt oder nicht. Bei den Sekundärinsidern entstehen Anwendungsschwierigkeiten, wenn man die informationelle Anbindung an einen Primärinsider als objektives Tatbestandsmerkmal interpretiert. In dem Fall ist jemand, der sich eine kursrelevante Unternehmensinformation direkt beim Emittenten - etwa durch Aktendiebstahl - beschafft66, nicht einmal Sekundärinsider, weil die Information nicht von einem Primärinsider stammt. Gleichwohl weiß der Dieb um die Kursrelevanz der erlangten Information und kann sie ausnutzen. Hier enthält die EGRichtlinie eine Regelungslücke. Auch auf subjektiver Ebene, wonach ein Sekundärinsider "in Kenntnis der Sache"67 handeln muß, ergibt sich ein Wertungsproblem. Denn die Unterscheidung zwischen einer Person, die lediglich im bewußten Besitz einer Insiderinformation ist (=Nicht-Insider) und einer anderen, die darüberhinaus auch um deren Herkunft von einem Primärinsider weiß (=Insider), verläuft auf sehr engem Terrain. Ob diese Differenzierung die Normadressaten des InsiderhandeIsverbots sinnvoll vom Kreis der übrigen Marktteilnehmer abgrenzt, erscheint zweifelhaft. Insgesamt läßt der Begriff des Sekundärinsiders nicht erkennen, ob es sich lediglich um einen Auffangtatbestand zur Erfassung spezieller Einzelfälle handelt68 oder um einen allgemeinen Grundtatbestand, der als subsidiär zurücktritt, wenn eine Qualifizierung als Primärinsider möglich ist.

2. Abgrenzung der beiden Insiderbegriffe Auch untereinander lassen sich die beiden Insiderbegriffe nicht zweifelsfrei abgrenzen. Das zeigen Z.B. die einem Unternehmen nahestehenden Insider wie Unternehmensberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwälte. Einige stufen diese im Rahmen der EG-RichtIinie als Primärinsider69, andere jedoch als Sekun66 Hopt, ZGR 1991, 17,49 nennt den Werkspion, der unerlaubt Akteneinsicht nimmt oder die gesellschaftsinterne EDV anzapft; zu den Unklarkeiten beim Sekundärinsiderbegriff auch Siebei, in: FS Semler, 957, 959-960.

67 Also in Kenntnis der Herkunft der Information von einem Primärinsider. 68 Beispielsweise Personen, die in der Nähe einer Informationsquelle Insiderinformationen eher zuflHlig mitbekommen oder auch Familienmitglieder typischer (Primär-) Insider. 69 Hopt, ZGR 1991, 17,37; Claussen, ZBB 1992,267,271 rechnet sogar den paradigmatischen Taxifahrer hierzu, der während der Fahrt Insiderwissen erfährt, weil seine Fahrgäste zwei in eine geschäftliche Unterhaltung vertiefte Unternehmensmanager sind.

A. Insider

145

därinsider70 ein. Eine dritte Ansicht rechnet Rechtsanwälte und Unternehmensberater zu den Sekundärinsidern, Reinigungspersonal von Firmenzentralen jedoch zu den möglichen Primärinsidern 71. Spätestens an dieser Stelle ist eine wertungsmäßig nachvollziehbare Zuordnung der beiden Insidertatbestände zu bestimmten Personengruppen, die entweder typischerweise (=Primärinsider) oder eher durch günstige Umstände (=Sekundärinsider) an Insiderinformationen gelangen, nicht mehr erkennbar. Beispielhaft für die vom Wortlaut der EG-Richtlinie ausgehende Unsicherheit lassen sich auch Familienmitglieder von Primärinsidern anführen. Einerseits sieht man in ihnen Sekundärinsider, sobald sie Insiderinformationen, etwa am Frühstückstisch, erfahren 72 • Andererseits soll "ex definitione der EG-Richtlinie" gerade nicht Sekundärinsider sein, wer in häuslicher Gemeinschaft mit Primärinsidern lebt oder mit ihnen verwandt ist 73 • Die praktischen Auswirkungen einer mangelnden Abstimmung zwischen Primär- und Sekundärinsiderbegriff lassen sich am Beispiel des Sachverhalts in Chiarella v. United States 74 ablesen. Dort hatte man die Daten zu einem bevorstehenden Übernahmeangebot eigens verschlüsselt, um sie dem Drucker dieser Materialien nicht zugänglich zu machen. Er gelangte deshalb gerade nicht "aufgrund" seiner Tätigkeit an die Insiderinformation 75 und ist mithin nicht Primärinsider im Sinne der EG-Richtlinie76 • Um aber als Sekundärinsider zu haften, müßte er eine Information entschlüsselt haben, "die nur von einem Primärinsider stammen kann". Hier stammte die Information von einem Bieterunternehmen, das ein Übernahmeangebot abgeben wollte. Der Bieter ist in Bezug auf seine eigene Entscheidung nach allgemeiner Ansicht aber nicht Insider77 , also auch nicht Primärinsider. Folglich kann die Information im konkreten Beispiel

70

Hübscher, in: Büschgen/Schneider, S. 329,336.

71

Ernst, WM 1990,461; vgl. Bergmans, S.86; Walther, in: FS Heinsius, S.875, 889.

72

Vgl. Hopt, ZGR 1991, 17,39.

73

Claussen, ZBB 1992,267,274.

74

Chiarella v. United States; siehe oben Teil 2, Kap.2, 8.1.

75 Voraussetzung hierfür ist, daß man nicht legIich Kausalität zwischen Berufstätigkeit und Zugang zu einer Insiderinformation verlangt, sondern einen engeren inhaltlichen, organisatorisch vorgegeben Zusammenhang; siehe dazu oben A.I.2. Mißverständlich in dieser Hinsicht zur Einordnung des Druckers Chiarella Davies, 11 Ox.J.L.St. 92, 102 (1991).

76 Vgl. die Anwendung der EG-Richtlinie auf den gleichen Sachverhalt bei Winner, 3 Transnat'l Law. 231, 239-241 (1990). 77 Vgl. nur Assmann/Cramer, in: Assmann/Schneider, § 14 Rz.81; ausführlich hierzu unten Teil 4, G.II.2.

10 Weber

146

Teil 3: Europa

nicht von einem Primärinsider stammen. Deshalb entschlüsselt der Drucker zwar eine kursrelevante Information, wird aber dennoch nicht zum Sekundärinsider. Der Angestellte einer Finanzdruckerei läßt sich durch den Insidertatbestand der EG-Richtlinie also nicht zweifelsfrei erfassen, obwohl er ein typischer Marktinsider ist. Hier tut sich eine weitere Regelungslücke auf.

B. Insiderinformation I. Generalklausel Insiderinformationen sind das Tatmittel zur Ausführung unerlaubter Insidergeschäfte. Zur Erfassung der Informationen, bei denen eine mißbräuchliche Ausnutzung in Betracht kommt, formuliert die EG-Richtlinie eine Generalklausel. Sie sieht davon ab, lediglich einzelne Informationstatbestände aufzuführen, wie es etwa noch bei den deutschen Insiderhandels-Richtlinien der Fall war78 • Es kann grundsätzlich jede Art von Information auf ihren Charakter als Insiderinformation geprüft werden. Nach Art.l Nr.l der EG-Richtlinie erfordert das eine (I) nicht öffentlich bekannte (2) präzise Information, die (3) einen oder mehrere Emittenten von Wertpapieren oder ein oder mehrere Wertpapiere betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, (4) geeignet wäre, den Kurs dieses Wertpapiers oder dieser Wertpapiere beträchtlich zu beeinflussen. Damit es sich um eine Insiderinformation handelt, müssen also vier Kriterien erfüllt sein. Man kann sie in formale und inhaltliche unterteilen. Die formalen Kriterien (I) "nicht öffentlich bekannt", (2) "präzise" und (4) "Eignung zur beträchtlichen Kursbeeinflussung" machen den informationellen Gegenstand der EG-Insiderregelung überhaupt erst praktisch greifbar. Für die Untersuchung der Regelungstheorie ist der Inhalt der Information bedeutsamer als ihre Form. Ein Beispiel kann dies verdeutlichen: Wenn eine Insiderregelung katalogartig nur Informationen mit einem bestimmten Inhalt erfaßt, so begrenzt sie dadurch unmittelbar ihren Anwendungsbereich. Hingegen ist es eine formale Vorfrage, ob diese Information öffentlich nicht bekannt oder so unpräzise ist, daß es sich um eine Spekulation handelt. Über die Reichweite einer Insiderregelung entscheidet daher der mögliche Inhalt der erfaßten Informationen 79 •

78 Diese Technik haben die deutschen IHR verwendet; vgl. zur Megede, in: Assmann/Schütze, § 14 Rz.33. Dieses Vorgehen führt naturgemäß zu erheblichen Lücken bei der Erfassung kursrelevanter Informationen. 79 Näher zum Verhältnis zwischen Inhalt und Form einer Insiderinformation, oben Teil I, C.I1.

B. Insiderinformation

147

11. Informationsinhalt

Nach Art. 1 Nr.l der EG-Richtlinie muß eine Insiderinformation "einen oder mehrere Emittenten" oder "eines oder mehrere Wertpapiere" betreffen. Diese Differenzierung beim Wortlaut schafft Auslegungsprobleme. 1. Emittentenbezug

Zu den Insiderinformationen, die "einen oder mehrer Emittenten" betreffen, gehören unproblematisch Unternehmensinformationen80 • Das sind alle potentiell kursrelevanten unternehmensinternen Informationen, wie beispielsweise solche über Umsätze und Erträge, Rohstoffunde, Produktneuerungen aber auch Dividenzahlungen oder Kapitalerhöhungen 81 • Die Anfiilligkeit von Informationen aus einem Unternehmen rur unlautere Geschäfte mit Aktien und durch Insider desselben Unternehmens ist naheliegend. Deshalb handelt es sich hierbei um die "klassischen" Insiderinformationen; alle Insiderregelungen erfassen sie82 • Zu Beginn der Entwicklung des Börseninsiderrechts handelte es sich in den U.S.-amerikanischen Fällen zumeist um diese Art von Insiderinformation83 , etwa In Re Cady, Roberts & CO. 84 und in S.E. C. v. Texas Gulf Sulphur Co. 85. "Bezug" zu einem Emittenten können aber auch unternehmensexterne Informationen haben, Z.B. solche, die im Vorfeld einer feindlichen Übernahme beim Bieter entstehen 86 • Solche Informationen stammen nicht aus dem Unternehmen, dessen Aktienkurs von der Information betroffen ist; sie sind keine Unternehmensinformationen im klassischen Sinne. Im Rahmen der EG-Richtlinie läßt sich eine Information, die "einen oder mehrere Emittenten betrifft" also nicht ohne weiteres mit einer Unternehmensinformation gleichsetzen87 •

80

Vgl. Hopt, ZGR 1991 17,31; oben Teil I, C.II.1.

Weitere Beispiele bei Claussen, ZBB 1992, 267, 277 und Assmann, AG 1994, 237,242-243. 81

82 Auch der restriktive Informationsbegriff der IHR zählt in § 2 Nr.3 bestimmte Unternehmensinformationen auf; dazu zur Megede, in: Assmann/Schütze, § 14 Rz.33. 83 Heute haben Marktinformationen ein praktisch größeres Gewicht erlangt. Von den in Teil 2 analysierten Fällen spielten Unternehmensinformationen nur in Dirks v. s.E.c. eine entscheidende Rolle; siehe oben Teil 2, Kap.2, B.lI. 84

In Re Cady, Roberts & Co.; siehe oben Teil 2, Kap.l, B.I.

85

S.E.c. v. Texas GulfSulphur Co.; siehe oben Teil 2, Kap.l, B.II.

86

Vgl. Hopt, ZGR 1991, 17,31.

87 Dennoch halten Olt/Schäfer, ZBB 1991,226,235 den Informationsbegriff der EGRichtlinie für unternehmensbezogen; Grunewald, ZBB 1990, 128, 132 meint sogar, er

10*

148

Teil 3: Europa

2. Wertpapierbezug Die EG-Richtlinie bezieht in Art.l Nr.l außerdem jede Information ein, "die ein oder mehrere Wertpapiere betrifft". Der Regelungsgehalt auch dieser Formulierung tritt nicht eindeutig hervor. Denn der Wertpapierbezug einer Information läßt sich graduell abstufen. Leicht erkennbar ist ein Wertpapierbezug zunächst bei Informationen, die Wertpapiere direkt betreffen. Hierzu gehören beispielsweise Nachrichten über Maßnahmen der Verwässerung oder über den Ausschluß von Bezugsrechten; das heißt, spezifische Unternehmensinformationen über Vorgänge, die unmittelbar auf das Aktienkapital eines Emittenten einwirken88 • Daneben gibt es Informationen, die zwar nicht aus einem Unternehmen stammen, durchaus aber noch einen nahen Wertpapierbezug aufweisen. Zu nennen ist etwa eine Entscheidung der Börsenleitung im Hinblick auf die Notierung eines bestimmten Wertpapiers 89 • In dieser Abstufung ließe sich fortfahren mit Informationen, die keinen direkten Wertpapierbezug mehr aufweisen, nichtsdestoweniger aber das Börsengeschehen allgemein und damit die Preisbildung einzelner Werte beeinflussen können. Denkbar ist etwa eine Nachricht über den Rücktritt oder Tod eines Staatsoberhaupts, der ein besonderer Förderer oder Störer einer günstigen Wirtschaftssituation war90 • Es ist festzuhalten, daß das Kriterium des Wertpapierbezugs keine klaren Konturen hat, trotz einer gewissen Differenzierbarkeit verschiedener Informationsarten. Letztlich können neben den "echten" Unternehmensinformationen auch alle anderen Informationen einen mehr oder weniger ausgeprägten Wertpapierbezug haben, sofern sie nur kursrelevant sind. Somit mündet das Auslegungsproblem in die Frage, in welchem Umfang die EG-Richtlinie auch Marktinformationen erfaßt9 ! .

sei enger als der Informationsbegriff der deutschen IHR. Die meisten Kommentatoren halten den Informationsbegriff richtigerweise für weiter als den der rein gesellschaftsbezogenen IHR; siehe nur Schödermeier/Wallach, EuZW 1990, 122, 123 und Hopt, ZGR 1991, 17,29-31 jeweils mit m.w.N. 88 Schon hier wird deutlich, daß es teilweise Überschneidungen mit dem Begriff der emittenten bezogenen Information gibt und sich auch insgesamt keine klare Abgrenzung vornehmen läßt. 89 Erläuternd zum Wertpapierbezug des Informationsbegriffs der EG-Richtlinie auch Hopt, ZGR 1991,17,31. 90

Dazu auch oben Teil 1, C.I1.1.

91

Zum Wesen der Marktinformationen ausführlich oben Teil 1, C.I1.1.

B. Insiderinfonnation

149

3. Marktinformationen

Wie gezeigt, können bei weiter Auslegung des Kriteriums des Wertpapierbezugs grundsätzlich auch alle Marktinformationen Insiderinformationen gemäß Art.1 Nr.1 der EG-Richtlinie sein. Diese umfassende Reichweite hat zu Unsicherheit und inhaltlichen Unterschieden bei der Interpretation des Richtlinientextes geführt. Viele verstehen den Informationsbegriff der EG-Richtlinie dahingehend, daß alle wirtschaftlichen Rahmendaten, die auf den Wertpapierhandel einwirken können, als Marktinformationen in Betracht kommen 92 • Als Beispiel wird dafür zumeist der Beschluß des Zentralbankrats über eine Änderung des Diskontsatzes genannt93 • Eine Gegenmeinung verweist jedoch darauf, daß gerade solche Daten, die für den Markt generell von Bedeutung sind, in der EG-Richtlinie nicht ausdrücklich genannt seien94 • Andere Ansichten differenzieren noch stärker nach dem Inhalt der Information. So wollen einige Stimmen insbesondere Nachrichten politischer9s oder gesetzgeberischer Natur96 nicht als Insiderinformationen gelten lassen 97 • Auch Wirtschaftsnachrichten aus dem Ausland98 und gesamtwirtschaftliche statistische Daten99 sollen nicht dazugehören. Viele Kommentatoren lassen die textlichen Unterscheidungen der EG-Richtlinie gänzlich unbeachtet. Danach sollen generell alle Marktdaten als mögliche Insiderinformationen in Betracht kommen, weil sich letztlich keine verläßliche Abgrenzung zwischen politischen und wirtschaftlichen Informationen vornehmen lasse lOo •

92 Dies legt schon die Begründung zum Richtlinienvorschlag von 1987, KOM (87) 111 endg., vom 21.5.1987, S.5, nahe; Hopt, ZGR 1991, 17,31; Wymeersch, in: Hoptl Wymeersch, S.65, 115. . 93 Siehe nur Bergmans, S.73; WeIter, in: BüschgeniSchneider, S.315, 324; Claussen, ZBB 1992, 267, 277; Hopt,ZGR 1991,17,31. 94

Tippach, WM 1993, 1269, 1270; ähnlich Siebold, S.I 10-111.

9S Bergmans, S.73; Tippach, WM 1993, 1269, 1270-1272; Möller, BFuP 1994,99, 105; Siebold, S.III.

96

Olt/Schäfer, ZBB 1991,225,235; Möller, BFuP 1994,99, 105.

97 Bergmans, S.73 konstruiert eine Rückausnahme; danach sollen jedenfalls Nachrichten über Neuerungen in der Steuergesetzgebung als Insiderinfonnationen erfaßt sein. Ähnlich WeIter, in: Büschgen/Schneider, S.315, 324. 98

Bergmans, S.73.

99 Tippach, WM 1993, 1269, 1271-1272; Siebold, S.lll; vgl. Olt/Schäfer, ZBB 1991,226,235; Schwarze, in: HoptlWymeersch, S.151, 155-156.

100 Siehe nur Hopt, ZGR 1991, 17,31; vgl. auch WeIter, in: BüschgeniSchneider, S.325, 323; Grunewald, ZBB 1990, 128, 131-132; Wymeersch, in: HoptlWymeersch, S.65, 111, 115-116.

Teil 3: Europa

150

Im Ergebnis bringt die inhaltliche Untergliederung in emittenten- und wertpapierbezogene Informationen große Rechtsunsicherheit mit sich. Das gilt in besonderem Maße rur das Kriterium des Wertpapierbezugs: Wenn bestimmte Nachrichten zwar kursrelevant, aber vom Anwendungsbereich der Insidernorm nicht erfaßt sind, so folgt hieraus, daß sie sanktionslos zu Insidergeschäften verwertet werden dürfen. Empirisch gesehen mögen diejenigen Marktinformationen, die manche Stimmen vom Informationsbegriff der EG-Richtlinie ausschließen wollen, selten vorkommen. Wenn einige spezielle Informationen vom Verbotstatbestand ausgenommen sind, ist dies jedoch rur die Insiderrechtstheorie bedeutsam 101. Das Insiderrecht kann dann schon vom Ansatz her keinen allgemeinen, das heißt marktweiten Schutz vor unlauteren Insiderpraktiken gewährleisten. III. Vergleich Insiderinformationen sind sowohl im U.S.-amerikanischen Recht als auch nach der EG-Richtlinie durch eine Generalklausel defmiert. Hier ist "Kursrelevanz" dort entsprechend "materiality" das zentrale Kriterium lO2 • Die Rechtslage in U.S.A. ist jedoch dadurch gekennzeichnet, daß es keine inhaltliche Begrenzung hinsichtlich der Qualifizierung einer kursrelevanten Information als Insiderinformation gibt. Das gilt schon seit der Analyse in S.E.c. v. Texas GulfSulphur Co. 103 und wurde in United States v. Carpenter lO4 zuletzt bestätigt. Weil jede Art von Information erfaßt ist, hat die Einteilung in Unternehmens- und Marktinformation lediglich beschreibenden Charakter. Das hat dazu geftlhrt, daß das U.S.-amerikanische Insiderrecht zu keiner Zeit über die Auslegung des Informationsbegriffes gesteuert wurde. Die Unterscheidung zwischen Fiduciary Duty, Misappropriation und Equal Access Theorie geschah stets durch die Entwicklung unterschiedlicher Insiderbegriffe. Etwas anderes gilt nach der EG-Richtlinie. Hier kann auch der Inhalt einer kursrelevanten Information über die Anwendbarkeit des Insiderrechts mitbestimmen. Der Informationsinhalt gewinnt dadurch rechtliche Bedeutung. Die tatbestandliche Bezugnahme auf Informationen, "die Emittenten oder Wertpapiere" betreffen 105, ruhrt allerdings zu den gezeigten Auslegungsproblemen. 101 Zur Spannungslage zwischen Praktikabilität und theoretischer Stimmigkeit einer Insiderregelung, siehe schon oben Teil 1, C.1.5. 102

Siehe ausführlich oben zu Teil 2, Kap. 1, B.II.4.

103

S.E.c. v. Texas GulfSulphur Co.; siehe oben Teil 2, Kap.l, B.II.

104

United States v. Carpenter; siehe oben Teil 2, Kap.3, B.l.2.

105 Art. 1 Nr.I

der EG-Richtlinie.

C. Insiderpapiere

151

c. Insiderpapiere I. Wertpapiere

Die EG-Richtlinie benennt in Art. 1 Nr.2 eine abschließende Liste der für Insiderhandel in Betracht kommenden Wertpapiere. Die Aufzählung ist sehr weitgehend. Sie umfaßt in ihrem Kern Aktien und Schuldverschreibungen sowie Optionen, Terminkontrakte oder andere Finanzinstrumente, die sich hierauf beziehen; einbezogen sind aber auch Anteile an Investmentforids. Auf den Emittenten eines Wertpapiers kommt es in keinem Fall an. Es sind praktisch alle kapitalmarktgängigen Papiere erfaßt 106 • Die EG-Richtlinie orientiert sich weniger am rechtlichen Charakter eines Wertpapiers, als vielmehr an der Möglichkeit seines informationellen Mißbrauchs. Die Auflistung der betreffenden Wertpapiere kommt aber nur deshalb zum Tragen, weil sie durch einen gleichfalls weit formulierten Insiderbegriff ergänzt wird. Ein Gegenbeispiel hierzu ist die U.S.-amerikanische Fiduciary Duty Theorie. Diese hat einen stark eingeschränkten Insiderbegriff; so kommen nur Aktien, nicht einmal Anleihen oder Optionen als Insiderpapiere in Betracht lO1 •

11. Märkte Die in der EG-Richtlinie benannten Wertpapiere unterfallen gemäß Art.l Nr.2, 2.Hs. nur dann den Insiderregeln, "wenn sie zum Handel auf einem Markt zugelassen sind, der von staatlich anerkannten Stellen reglementiert und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und der Öffentlichkeit direkt oder indirekt zugänglich ist"108. Im Endeffekt sind dies alle Wertpapierbörsen oder -marktsegmente, bei denen das Vertrauen der Anleger in die Marktintegrität gewährleistet sein muß, damit sie im öffentlichen Interesse reibungslos funktionieren können. Einschränkungen bei der Erfassung des Insiderproblems ergeben sich auch an dieser Stelle des Gesamttatbestands praktisch nicht. Im Hinblick auf

106 Näher Claussen, ZBB 1992,267,279-280; Schödermeier/Wallach, EuZW 1990, 122, 124; Wymeersch, in: Hopt/Wymeersch, S.65, 95.

107 Siehe oben Teil 2, Kap.2, C.II.3; zum Vergleich der Insiderpapierbegriffe nach U.S.-amerikanischem Recht und EG-Recht Hausmaninger, S.217-218, 222. 108 Ausführlich Claussen, ZBB 1992,267,280; Hopl, ZGR 1991, 17,40-41.

152

Teil 3: Europa

die erfaßten Wertpapiere und Märkte enthält die EG-Richtlinie also ein eng am Regelungsproblem ausgerichtetes und damit marktorientiertes Insiderrecht 109•

D. Verbotstatbestand I. Primärinsider 1. Umfassendes Verbot

Die EG-Richtlinie unterscheidet auch auf der Ebene des Verbotstatbestandes zwischen Primär- und Sekundärinsidern. Nur Primärinsider trifft ein umfassend ausgestaltetes Insiderhandelsverbot 11O • Hierzu gehören drei Einzeltatbestände: Zunächst ist es einem Primärinsider gemäß Art.2 Abs.l der EG-Richtlinie verboten, sein Insiderwissen dadurch auszunutzen, daß er entsprechende Wertpapiere erwirbt oder veräußert. Dabei ist es unerheblich, ob die Verwertungshandlung durch den Primärinsider selbst oder durch eine Mittelsperson für eigene oder fremde Rechnung erfolge 11. Diesen Grundtatbestand ergänzt Art.3 lit.a) der EG-Richtlinie durch das Verbot, Insiderinformationen an Dritte weiterzugeben, soweit dies nicht in üblichem Maße im Rahmen der Berufsausübung oder einer anderen Aufgabe des Insiders geschieht ll2 • Nach Art.3 lit.b) schließlich dürfen Primärinsider auch keine auf ihrem Insiderwissen basierende Empfehlung zum Abschluß eines bestimmten Wertpapiergeschäfts abgeben ll3 •

109 Zutreffend beflirworten Schödermeier/Wa/lach, EuZW 1990, 122, 124 eine extensive Auslegung der EG-Richtlinie, die am weitreichenden Regelungsanspruch zu messen ist; vgl. auch Wymeersch, in: HoptlWymeersch, S.65, 91-95.

110

Siehe dazu schon oben Teil 1, C.IV.

Nach Art.2 Abs.1 der EG-Richtlinie untersagt jeder Mitgliedstaat den Personen die als Primärinsider "über eine Insider-Information verfügen, unter Ausnutzung derselben in Kenntnis der Sache flir eigene oder fremde Rechnung entweder selbst oder indirekt die Wertpapiere des bzw. der von dieser Information betroffenen Emittenten zu erwerben oder zu veräußern". 111

112 Nach Art.3 lit.a) der EG-Richtlinie untersagt jeder Mitgliedstaat den Primärinsidern auch, "Insider-Informationen an einen Dritten weiterzugeben, soweit dies nicht in einem normalen Rahmen in Ausübung ihrer Arbeit oder ihres Berufes oder in Erfüllung ihrer Aufgaben geschieht". 113 Nach Art.3 lit.b) der EG-Richtlinie untersagt jeder Mitgliedstaat den Primärinsidern, "auf der Grundlage dieser Insider-Information einem Dritten zu empfehlen, Wertpapiere zu erwerben oder zu veräußern bzw. erwerben oder veräußern zu lassen".

D. Verbotstatbestand

153

2. Vergleich Die einzelnen Verbotstatbestände der EG-Richtlinie komplettieren einander. In ihrem Gesamtumfang entsprechen sie der in den U.S.A. geltenden Regelung. Schon in s.E.C v. Texas Gulf Sulphur Co. hatte man festgestellt, daß sich das Insiderhandelsverbot nicht auf die Ausführung des Geschäfts beschränken läßt, sondern auch die Weitergabe der Information erfassen muß 114 • In der U .S.-amerikanischen Rechtsprechung gibt es keinen rechtlich erheblichen Unterschied zwischen der Informationsweitergabe und einer lediglich auf der Information basierenden Geschäftsempfehlung; die Übergänge sind fließend 1 15. Im Hinblick auf die Ausgestaltung des Verbotstatbestandes hat die U.S.amerikanische Insiderrechtsprechung ein zwingendes Kausalitätserfordernis zwischen dem Insiderwissen und der Verwertungshandlung bislang jedoch nicht entwickeln können 116. Das führt zu Rechtsunsicherheit besonders bei den Marktteilnehmern, deren Berufstätigkeit es mit sich bringt, regelmäßig Wertpapiergeschäfte an der Börse abzuschließen 117. Der Verbotstatbestand der EGRichtlinie entgeht dieser Problematik, da er nur solche Geschäfte erfaßt, die "unter Ausnutzung" einer Insiderinformation erfolgen. Die Präambel unterstreicht die Bedeutung des Kausalitätsnachweises. Sie weist ausdrücklich daraufhin, daß bestimmte Berufsgruppen wie "Marketmaker oder Börsenbroker", die lediglich im Rahmen ihrer normalen Tätigkeit handeln, keine Insiderinformation ausnutzen, selbst wenn sie von einer entsprechenden kursrelevanten Nachricht Kenntnis haben ll8 .

114

SE.C v. Texas GulfSulphur Co., a.a.O., S.852; siehe oben Teil 2, Kap.I, B.II.

115 Das "tipping" erfaßt als Begehungsformen sowohl die Weitergabe der Information als auch die ledigliche Kauf- bzw. Verkaufsempfehlung, also den eigentlichen "Tip" im Wortsinne. Vgl. oben Teil 1, c.I.3. 116

Siehe oben Teil 2, Kap.I, C.1I.3.

117 Für diese Marktteilnehmer entsteht unter Umständen eine andauernde insiderrechtliche Sanktionsdrohung. Zu diesem Problem oben Teil 2, Kap.I, C.lI.1. 118 Wörtlich drückt sich die Präambel der EG-Richtlinie so aus: "(D)er Umstand, daß ein Marktmacher oder eine Stelle, die befugt ist, als 'contrepartie' zu handeln, oder ein Börsenbroker zwar über eine Insider-Information verfügen, die bei den ersteren aber lediglich ihre normale Tätigkeit des An- und Verkaufs von Wertpapieren ausüben bzw. letzterer einen Auftrag ausführt, kann ... nicht schon als solcher als Ausnutzung dieser Insider-Information gewertet werden."

Teil 3: Europa

154

11. Sekundärinsider J. Eingeschränktes Verbot

Für Sekundärinsider nonniert die EG-Richtlinie nur den eingeschränkten Grundtatbestand des Insiderhandelsverbots. Ihnen ist es lediglich untersagt, die Infonnation, deren Kenntnis sie zu Insidern macht, zu vorteilhaften Wertpapiergeschäften auszunutzen 119. Darüberhinaus enthält die EG-Richtlinie keine weiteren Verhaltensbeschränkungen fur Sekundärinsider. Nach gemeinschaftsrechtlichem Mindeststandard dürfen sie ihr Insiderwissen sanktionslos an Dritte weitergeben oder auf Grundlage der Insiderinfonnation den Abschluß eines bestimmten Geschäfts empfehlen. Der eingeschränkte Verbotstatbestand fUr Sekundärinsider überzeugt nicht. Einerseits will die EG-Richtlinie Vertrauen in die Chancengleichheit am Markt schaffen. Deshalb erfaßt sie mit der Figur des Sekundärinsiders auch solche Marktteilnehmer, die nicht typischerweise mit Insiderwissen in Kontakt kommen l20 • Andererseits erlaubt die Einschränkung beim Verbotstatbestand den Sekundärinsidern eine sanktions lose Infonnationsweitergabe. Im Gegensatz zu den Primärinsidern kann sich dadurch die Gruppe der Sekundärinsider unbeschränkt erweitern. Ihre infonnationelle Kontrolle muß also zwangsläufig auf praktische Probleme stoßen. 2. Vergleich

Auch der Blick auf die Rechtslage in U.S.A. läßt die Begrenzung des Verbotstatbestands fUr Sekundärinsider unbegründet erscheinen. Im Zuge der Entwicklung der unterschiedlichen Haftungstheorien hat man über die Insiderqualität von Personen mit sehr unterschiedlichen Ausgangspositionen im Kapitalmarkt ausfUhrlich gestritten 121. Trotz mancher Unterscheidungen hat sich ein abgestufter Verbotstatbestand aber nie herausgebildet. Soweit sich tatbestandliche Schwierigkeiten ergaben, geschah dies bei der Einordnung als Insider und nicht bei der Frage nach dem Inhalt des Verbotstatbestands. Selbst wenn man berücksichtigt, daß manche "tippees" nach U.S.119 Nach Art.4 der EG-Richtlinie gilt das Insiderhandelsverbot auch rur Sekundärinsider, allerdings nur in Form des in Art.2 Abs.1 normierten Grundtatbestandes. 120

Vgl. oben zu A.1I.1.

121 Besonders differenziert haben sich die Gerichte in Chiarella v. United States, siehe oben Teil 2, Kap.2, B.I; in United States v. Newman, siehe oben Teil 2, Kap.3, B.I.1. sowie in United States v. Chestman, siehe oben Teil 2, Kap.3, B.1I.2. dwnit auseinandergesetzt.

E. Deutungsmöglichkeiten

155

amerikanischem Recht im Rahmen der EG-Richtlinie noch als Primärinsider (mit umfassendem Verbotstatbestand) gelten würden, so entschärft sich dadurch das Problem des eingeschränkten Verbots für Sekundärinsider nur quantitativ, verliert aber nicht seine grundsätzliche Bedeutung 122 .

E. Deutungsmöglichkeiten I. Ausgangspunkt Im Vergleich mit den U.S.-amerikanischen Insiderrechtstheorien stellt sich die Frage, ob es ein Haftungsmodell gibt, dem sich die EG-Richtlinie zuordnen läßt. Deutlich ist, daß die EU-Vorgabe keinen rein gesellschaftsrechtlich orientierten Ansatz verfolgt. Damit war von Beginn an klar, daß es zukünftig auch in Deutschland keine ausschließliche inhaltliche Bindung des Insiderrechts an das Verbandsrecht geben würde 123 • Zwar sind ausdrücklich auch Unternehmensinsider und Kapitalbeteiligte des Emittenten erfaßt. Sie bilden jedoch nur einen Teil der Nonnadressaten. Die nonnative Begründung der EG-Richtlinie erschöpft sich also nicht in einer Parallele zur Fiduciary Duty Theorie. Als Anknüpfungspunkte für das Insiderhandelsverbot treten neben die verbandsrechtliche Einbindung auch das tätigkeitsbedingte Verhältnis zwischen dem Insider und seiner Infonnationsquelle 124 sowie die Kenntnis von einer Insiderinfonnation 125 • Mit dieser Streubreite will die EG-Richtlinie möglichst weite Bereiche des Kapitalmarktgeschehens erfassen. Das unterstreicht auch Art.l OOa des EWG Vertrages, den man als Ennächtigungsgrundlage zum Erlaß der EGRichtlinie herangezogen hat. Diese Nonn ennöglicht Regelungen, die auf die Vollendung und das reibungslose Funktionieren des europäischen Binnenmarktes abzielen 126 • Innerhalb dieser marktrechtlichen Ausrichtung bietet die EG-

122

Vgl. Winner, 3 Transnat'l Law. 231, 247-248 (1990).

123 Vgl. Claussen, ZBB 1992, 73, 78; Assmann, in: Assmann/Schneider, Vor. § 12 Rz.42. In der Anfangsphase der Ausarbeitung der EG-Richtlinie hatte Deutschland noch versucht, die europäische Vorgabe auf den engen Regelungsansatz der IHR zu begrenzen; dazu auch oben A.LI. 124

Fall.

Dies ist bei den Primärinsiaern nach Art.2 Abs.l, 3.AIt. der EG-Richtlinie der

125 Dies sind die Sekundärinsider. Sie sind nach Art.4 der EG-Richtlinie informationell an einen Primärinsider angebunden. 126 Der ursprüngliche Regelungsvorschlag hatte Art.54 (3)(g) EWGV zur Grundlage genommen. Diese Norm ermächtigt zum Erlaß von Regelungen zur Förderung der Fairneß zwischen Investoren und Gesellschaften. Auf Empfehlung des Europaparlaments hat der Rat die EG-Richtlinie dann aber auf Art.100a EWGV gestützt und konnte sie darum mit Mehrheitsentscheidung verabschieden; Art.54 EWGV hätte eine einstimmi-

156

Teil 3: Europa

Richtlinie Raum für unterschiedliche Deutungen 127. Sie läßt sich in zwei Richtungen interpretieren.

11. Misappropriation Theorie Auf der einen Seite scheint die EG-Richtlinie dem Regelungsmodell der Misappropriation Theorie zu entsprechen 128. Diese Parallele ergibt sich, wenn man auf den Begriff des Primärinsiders abstellt und dessen organschaftliehe oder tätigkeitsbedingte Nähe zum Emittenten oder einer sonstigen Informationsquelle als den entscheidenden Anknüpfungspunkt für die Insiderhaftung ansieht. Dann erfaßt die EG-Richtlinie annähernd dieselbe Personengruppe wie die Misappropriation Theorie. Deckungsgleichheit besteht aber nicht, da die U.S.-amerikanische Regelung nicht lediglich auf den besonderen informationellen Bezug zum Arbeit- oder Auftraggeber des Insiders abstellt, sondern zu irgendeiner Informationsquelle. Sie kann deshalb auch die Familienmitglieder von Insidern unmittelbar erfassen. Die EG-Richtlinie muß diesbezüglich auf die Figur des Sekundärinsiders zurückgreifen. Auch die Unterscheidung in Primär- und Sekundärinsider findet bei wertender Betrachtung eine Parallele in dem Haftungsmodell, das die Misappropriation Theorie und eingeschränkt auch die Fiduciary Duty Theorie vorgezeichnet haben. Danach gibt es jeweils typische und weniger typische Insider. Typisch sind die Primärinsider. Sie können den weniger typischen Sekundärinsidern direkt oder indirekt als Informationsquelle dienen. Wegen dieser informationellen Anbindung werden auch die Sekundärinsider in den Anwendungsbereich der Insidernorm miteinbezogen, ähnlich wie nach U.S.-amerikanischem Recht die Tipempfänger aufgrund einer abgeleiteten Treuepflichtl 29 . Dabei erscheint die Erfassung der Sekundärinsider im Zusammenhang mit der Gesamtge Entscheidung verlangt. Vgl. Hopt, ZGR 1991, 17,22; zum marktrechtlichen Ansatz der EG-Richtlinie auch Davies, II Ox.J.L.St. 92, 103-105 (1991) sowie Tippach, S.6-8. 127 In Deutschland sehen manche den Schwerpunkt der EG-Richtlinie beim Anlegerschutz, andere beim Marktschutz; so einerseits Ernst, WM 1990, 461, andererseits Hopt, in: FS Heinsius, S.289, 303. Zur Beurteilung der (dort als beispielgebend gelobten) EGRichtlinie aus V.S.-amerikanischer Sicht Hazen, 55 Law & Contemp.Probs. 231, 235239 (1992); Warren, 48 Wash.& Lee L.Rev. 1037 tT. (1991); Winner, 3 Transnat'l Law. 231 tT. (1990); Stutz, 23 Vand.J.Transnat'l L. 135 ff. (1990); Nystrom, 18 Ga.J.Int'l & Comp.L. IJ9, 13J-141 (1988); McGuiness, II Fordham Int'J L.J. 432ff. (1988). 128 Siehe Hopt, ZGR 1991, 17, 28; dahingehend ebenso Kraakman, in: Hoptl Wymeersch, S.39, 47; auch Claussen, ZBB 1992,267,273 verweist auf die Ähnlichkeit zur V.S.-amerikanischen Misappropriation Theorie. 129

Dazu oben Teil 2, Kap.2, B.II.3.

E. Deutungsmöglichkeiten

157

regelung aber nur als rechtspolitische Notwendigkeit, die allein darauf beruht, daß diese Marktteilnehmer ihr Wissen von Primärinsidem erhalten 130 • Die Unterscheidung zwischen den beiden Insiderarten auf der Ebene des Verbotstatbestands unterstreicht diese wertungsmäßige Stufung.

111. Equal Access Theorie Auf der anderen Seite enthält die EG-Richtlinie Ansatzpunkte, die an die Equal Access Theorie denken lassen 13\. Dazu ist an den Begriff des Sekundärinsiders anzuknüpfen JJ2 • Bei ihm ist die Kenntnis einer kursrelevanten Information das· entscheidende Tatbestandsmerkmal. (Sekundär-) Insider kann aber, wie auch bei der Equal Access Theorie, jedermann sein, da der Normbefehl sich in dem Fall nur aus der Qualität der Information und nicht aus der Stellung des Informierten herleitet. Bei dieser Interpretation ist der Richtlinientext, wonach die Information ursprünglich nur von einem Primärinsider stammen kann, lediglich eine nähere Beschreibung, nicht aber eine tatbestandliche und damit nachzuweisende Haftungsvoraussetzung. Eine der Equal Access Theorie entsprechende Regelung verspricht auch die Präambel der EG-Richtlinie. Dort wird mit Blick auf das Vertrauen der Anleger die Zusicherung bekräftigt, daß sie informationeIl gleichgestellt sind 133 • Das ist konsequent nur durch eine unterschiedslose Anwendung des Insiderhandelsverbots zu erreichen, ohne Rücksicht auf einen tätigkeits- oder verbandsrechtlich bedingten Bezug der InsidersteIlung. Wie gezeigt, wird die Figur des Sekundärinsiders diesem Anspruch am ehesten gerecht. Gegen eine Parallele zur Equal Access Theorie spricht jedoch der Begriff der Insiderinformation l34 • Soweit dieser bestimmte (Markt-) Informationen trotz Kursrelevanz inhaltlich von der Erfassung als Insiderinformationen ausschließt, läßt sich der Regelungsgehalt der EG-Richtlinie nicht mit der Equal Access Theorie beschreiben. Denn in dem Fall können die nicht erfaßten kursrelevanten Informationen zu vorteilhaften Wertpapiergeschäften ausgenutzt werden, obwohl die Marktteilnehmer zu ihnen keinen gleichen Zugang

130

So ausdrücklich WeIter, in: BüschgeniSchneider, S.315, 323.

131

Siehe Rider/Ashe, S.5, 14.

JJ2

Dazu oben insbesondere bei A.II.3.

So die Präambel der EG-Richtlinie in ihrem 5.Erwägungsgrund. Dies übersieht Hausmaninger, S.184, der der Ansicht ist, der EG-Richtlinie liege eine "sachadäquate Fundierung in Form einer Informationsgleichheitstheorie zugrunde". 133

134

158

Teil 3: Europa

haben. Die Definition der Insiderinformation nimmt hier also unmittelbar Einfluß auf den theoretischen Ansatz der Gesamtregelung 135 •

F. Ergebnis Die EG-Richtlinie ist deutlich von pragmatischem Gestaltungswillen geprägt. Hierunter leidet ihre theoretische Stimmigkeit als Regelwerk zu einer einheitlichen Lösung des Insiderproblems. Wie gezeigt, steht die tatbestandliche Ausgestaltung der EG-Richtlinie an mehreren Stellen im Widerspruch zu ihrem marktrechtlichen Regelungsziel\36. Auslegungsschwierigkeiten bereiten insbesondere die Begriffe "Primärinsider", "Sekundärinsider" und "Insiderinformation ". Ein Vergleich mit den U.S.-amerikanischen Insiderrechtstheorien macht die Unstimmigkeiten deutlich. Abhängig vom jeweiligen Anknüpfungspunkt läßt sich die Regelungsphilosophie der EG-Richtlinie sowohl als Parallele zur Misappropriation Theorie als auch als Parallele zur Equal Access Theorie deuten. Eine ausschließliche Zuordnung überzeugt jedoch nicht, da die EG-Richtlinie keinen durchgehenden, einheitlichen Ansatz zur Rechtfertigung der Insiderhaftung enthält; vielmehr mischen sich unterschiedliche Regelungselemente 137 • Die aufgezeigte Mehrdeutigkeit der EG-Richtlinie ist besonders problematisch, weil sie eine Vorgabe zur Umsetzung in nationales Recht ist. Es bestand also die Gefahr, daß die theoretischen Unstimmigkeiten sich auch im deutschen Umsetzungsgesetz niederschlagen würden; zum al man sich in Deutschland einig war, die Richtlinie möglichst wortgetreu umsetzen zu wollen. Ein einheitliches Vorverständnis wurde zusätzlich durch Vorschläge verdunkelt, die den Regelungsbereich des künftigen deutschen Insiderrechts möglichst einschränken wollten 138 • Insbesondere der Insiderbegriffsollte eng gefaßt werden 139 • An-

135 Zur möglichen ausschlaggebenden Bedeutung einzelner Tatbestandsmerkmale flir den insiderrechtlichen Gesamttatbestand ausflihrlich oben Teil I, c.v. 136 Zur Widersprüchlichkeit der Theorie des Insiderrechts innerhalb Europas und in der EG-Richtlinie eindrücklich Viandier, in: HoptlWymeersch, S.57, 58: "(W)e note an odd disparity between the advertised basis and the actual setup, a kind of gap, as if the basis had a merely evocative value and no real working quality at alL"; vgl. Hausmaninger, S.213-214. 137 Zum Wesen der EG-Richtlinie als einer Kompromißlösung Wymeersch, in: Hoptl Wymeersch, S.65, 118, 126, 128; vgl. Lahmann, S.35, 55 sowie RiderlAshe, S.15; a.A. Hausmaninger, S.184. 138 Hübscher, in: BüschgeniSchneider, S.329, 335 und Walther, in: FS Heinsius, S.875, 892 plädierten nachdrücklich daflir, die Umsetzung der EG-Richtlinie nach Art der deutschen IHR zuzuschneiden; der deutsche Gesetzgeber sollte "sich um exakte Definitionen der betroffenen Personen bemühen, und sich nicht scheuen, diesen Kreis

F. Ergebnis

159

gesichts der unterschiedlichen Entwicklungsmöglichkeiten eines auf der EGRichtlinie basierenden Insiderrechts gewann die genaue Ausgestaltung des deutschen Umsetzungsgesetzes entscheidende Bedeutung.

relativ eng zu fassen", Hübscher, a.a.O, S.335. Vgl. auch Hopt, ZGR 1991, 17, 55; Kirchner, in: FS Kitagawa, S.665, 681-682; von Rosen, ZfgK 1989,658,660. 139 Schödermeier/Wallach, EuZW 1990, 122, 123; Ernst, WM 1990, 461; Grundmann, ZfgK 1992, 12, 13-15. Nach Claussen, ZBB 1992,267,270 stand Deutschland "vor der Aufgabe, einer Ausweitung des Insiderbegriffs entgegenzutreten"; ders., a.a.O., S.272 plädierte besonders für eine genaue gesetzliche Aufzählung der tätigkeitsbedingten (Primär-) Insider. Dagegen meinte Hopt, ZGR 1991, 17,36, "unklar und unbedingt auszufüllen" sei die Gruppe der Insider durch Kapitalbeteiligung am Emittenten.

Teil 4

Deutschland Einf'ührung I. Vorreiter für Deutschland

Der Weg zum WpHG und damit zu einem kodifizierten deutschen Insiderrecht war lang. Seit Anfang der 70er Jahre gab es in Deutschland Überlegungen und Vorschläge vor allem von Vertretern der Rechtswissenschaft zu einer gesetzlichen Regelung des Insiderproblems I. Hiergegen konnten sich die angesprochenen Wirtschaftskreise aber lange Zeit erfolgreich zur Wehr setzen. Sie plädierten wiederholt ftir ein Modell freiwilliger Selbstkontrolle durch die als Insider in Betracht kommenden Personen 2 • Dementsprechend beschränkte man sich 1970 zunächst auf die Formulierung von Richtlinien, die sog. Insiderhandels-Richtlinien (IHR)]. Diese sind jedoch kein staatliches Recht. Vielmehr geIten sie nur dann, wenn sich ein Insider ihnen freiwillig unterwirft, indem er sie vertraglich anerkennt4 • Zwar hat man die IHR mehrmals überarbeitet; sie blieben aber bis zum Erlaß des WpHG die einzigen deutschen Regeln gegen Insiderhandels .

1 Vgl. die Regelungsvorschläge von Hopt/Will von 1973; vom Arbeitskreis Gesellschaftsrecht von 1976; später von Dingeldey, S.225 mit ausführlicher Begründung (S.175-225). Zur Vorgeschichte des neuen deutschen Insiderrechts ausführlich Assmann, in: Assmann/Schneider, Vor. § 12 Rz.I-12 m.w.N.

2 Dazu Walther, in: FS Wemer, S.933, 941; Pfister, ZGR 1981,318-321,335-336; von Rosen, ZfgK 1989,658-659.

] Insiderhandels-Richtlinien vom 13.11.1970, ergänzt durch die Händler- und Beraterregeln sowie 1971 durch eine Verfahrensordnung; näher Walther, in: FS Werner, S.933; zur Megede, in: AssmanniSchütze, § 14 Rz.23-73. 4 Zur Kritik am deutschen Modell der Selbstregulierung siehe nur Claussen, ZBB 1992, 73, 76-78 m.w.N.; ausführlich auch Mennicke, S.191-207 speziell im Hinblick auf das unzureichende Sanktionengefüge der IHR. Die IHR sind nicht formal außer Kraft gesetzt, angesichts der gesetzlichen Regelung des WpHG jedoch inhaltlich überholt, vgl. Becker, S.45.

5 Die IHR wurden im Juli 1975 und nochmals im Juni 1988 modifiziert. Dadurch konnten die Adressaten eine gesetzliche Regelung des Problems jedesmal verhindern. Dazu Assmann, in: AssmanniSchneider, Vor. § 12 Rz.5-8 m.w.N. Die letzte Fassung der

Einführung

161

Zwei wesentliche Grunde bewirkten eine Änderung dieser Situation. Erstens war Deutschland in rechtlicher Hinsicht nach dem Erlaß der EG-Richtlinie von 1989 gezwungen, diese in nationales Recht umzusetzen und somit eine gesetzliche Insiderregelung zu schaffen 6 • Zweitens hatte sich zwischenzeitlich auch in wirtschaftlicher Hinsicht die Motivation zur Kodifizierung eines Insiderrechts ergeben. Im Zuge der Globalisierung der Finanzmärkte realisierte man, daß sich auch Deutschland zunehmend dem internationalen Wettbewerb stellen muß 7• Dabei gehört fur viele ausländische Anleger, beeinflußt durch U.S.-amerikanische Standards8, ein Insiderrecht zur Grundausstattung eines geordneten und vertrauenswürdigen Kapitalmarktes 9 • Weil eine solche Regelung fehlte, sahen die Verantwortlichen den internationalen Ruf und damit die Wettbewerbsfähigkeit des "Finanzplatzes Deutschland" gefährdet 10 •

IHR ist abgedruckt in WM 1988, 1105-1110. Zur deutschen Rolle in der europäischen Insiderregulierungsdebatte wortgewaltig Paefgen, AG 1991, 380, 383-386. 6 Aus verschiedenen Gründen ist dies nicht schon, wie vorgeschrieben, bis zum 1.6.1992 geschehen sondern erst 1995. Dazu Hopt, in: FS Beusch, S.393, 394; Claussen, ZBB 1992,267,269; Assmann, ZGR 1994,494,497-498; allgemein zu den innerstaatlichen Auswirkungen der EG-Richtlinie Siebold, S.75-86. 7 Zum Insiderrecht im Rahmen globaler Finanzstrukturen Salbu, 66 Tul.L.Rev. 837, 853-868 (1992). Zur zunehmenden globalen Verflechtung nationaler Börsenplätze Pittl Hardison, 55 Law & Contemp.Probs. 199, 200-206 (1992); mit praktischen Beispielen Thomas, 23 VandJ.Transnat'l L. 99, 102-110 (1990); Mahoney, 7 Yale J.on Reg. 305310 (1990); Gerstenzang, 27 ColumJ.Transnat'l L. 409 ff. (1989). 8 International agierende Anleger orientieren sich häufig am traditionell stark regulierten V.S.-amerikanischen Kapitalmarkt. Den weltweiten Export der V.S.-amerikanischen Regelungsphilosophie zum Insiderrecht analysiert Langevoort, 16 Hastings Int'l & Comp.L.Rev. 175 ff. (1993); ebenso Mahoney, 7 Yale J.on Reg. 305, 314-320 (1990) am Beispiel von Vnited Kingdom, Schweiz und Japan, mit dem erhellenden Fazit, S.317: "The S.E.c., while lacking regulatory authority in foreign jurisdictions, appears willing to use its enforcement authority to alter standards of conduct in foreign markets". 9 Zum beispielgebenden Charakter des V.S.-amerikanischen Rechts Großfeld, Rechtsvergleichung, S.66; Assmann, in: Assmann/Schneider, Vor. § 12 Rz.2; Caspari, ZGR 1994, 530, 533; Kirchner, in: FS Kitagawa, S.665. Weitergehend zur extraterritorialen Anwendung der V.S.-amerikanischen "Securities Laws" Großfeid, Vnternehmensrecht, S.121-126; Thomas, 23 J.Transnat'l L. 99, 110-117 (1990); Mahoney, 7 Yale J.on Reg. 305, 312-314 (1990). Eine selbstkritische Stimme zur bisherigen Hegemonie V.S.-amerikanischer Regelungsstrukturen erhebt Cox, 55 Law & Contemp. Probs. 157, 198 (1992): "(I)nternationalization most assuredly commits our present regulatory structure to the museum of days gone past."

10 Zu den pragmatischen Erwägungen bei der Sorge um den Finanzplatz Deutschland Assmann, AG 1994, 196, 198-199; Großfeld, Vnternehmensrecht, S.121; Schödermeierl Wallach, EuZW 1990, 122, 126; Möller, BFuP 1994,99, 100; besonders kritisch Claussen, DB 1994, 27 und Trölitzsch, ZGR 1994, 547, 548. Weitergehend zu den Ziel11 Weber

162

Teil 4: Deutschland

11. Normative Schwierigkeiten Durch den Erlaß der EG-Richtlinie und des WpHG auf europäischer bzw. deutscher Ebene ließ sich der beschwerlichere Weg einer Fallrechtsentwicklung vermeidenlI. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur U.S.-amerikanischen Rechtslage 12 • Grundsätzlich bietet ein kodifiziertes Insiderrecht gegenüber einer kasuistisch ausgestalteten Rechtslage höhere Rechtssicherheit. Auch sind die nationalen europäischen Gesetzgeber nicht an Grundlagen gebunden, welche wie die U.S.-amerikanische Rule IOb-5 eine Weiterentwicklung des Rechts nur eingeschränkt zulassen würden 13. Insofern erscheint die Einhaltung eines stringenten theoretischen Ansatzes im europäischen Rahmen einer gesetzlichen Insiderregelung problemlos. Das Insiderrecht stellt aber eine besonders vielschichtige Regelungsmaterie dar l4 • Aus diesem Grunde muß sich gerade auch eine gesetzliche Regelung fragen lassen, in welchem Maße sie imstande ist, dem hinter ihr stehenden Gesetzeszweck ls Ausdruck zu verleihen l6 . Der Anwendungsbereich eines Insiderhandelsverbots muß möglichst genau hierauf abgestimmt sein. Fehlt diese Abstimmung auf den Regelungszweck, so kann es auch bei einer gesetzlichen Insidersetzungen des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes Jütten, Die Bank 1993,601-607; ders., Die Bank 1994, 34-39; Krimphove, JZ 1994, 23-30; M Weber, NJW 1994, 2849 ff.; Wessei, WM 1994, 1418 ff. II Einen aktuellen Überblick über die nationale Rechtslage in den EU-Mitgliedstaaten nach Umsetzung der EG-Richtlinie bietet das Werk von AssmannlWegen (Hrsg.) von 1994. Wymeersch, in: Hopt!Wymeersch, S.65-128; Heldmann, ZRP 1990, 393, 396-397 sowie besonders anschaulich HauschkalHarm, BB 1988, 1189, 1192 geben einen instruktiven vergleichenden Rundblick über die internationale Rechtslage zum Insiderhandel zur Zeit der Regelungsdebatte Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre. Rechtsvergleichend auch Salbu, 66 Tul.L.Rev. 837, 839-853 (1992) und PittlHardison, 55 Law & Contemp.Probs. 207-222 (1992).

12 Zum unterschiedlichen Ansatz von Fallrecht und Kodifikation Hopt, ZGR 1991, 17,27; Bergmans, S.93. 13 Angesichts der Analyseergebnisse zum V.S.-amerikanischen Recht ist zu fragen, ob die "Eiche" der Rule 10b-5, auf die sich Chief Justice Rehnquist in Blue Chip Stamps v. Manor Drug Stores, 421 V.S. 723, 737 (1975) bezieht, nach allem nicht doch ein wenig schief gewachsen ist; zu dem Zitat siehe oben Teil 2, Einführung, 11. Heftige Kritik an der extremen Ausformung von Rule 10b-5 durch die S.E.C. übt Kripke, 39 Ala.L. Rev. 349-354 (1988).

14 Ähnlich Assmann, in: AssmanniSchneider, Vor. § 12 Rz.37. Siehe auch die Erläuterungen zu den tatbestand lichen Grundlagen einer Insiderregelung; oben Teil I, C.!. bis

V.

IS

Hier: Schaffung und Sicherung der Marktintegrität.

16 Deutlich Viandier, in: Hopt/Wymeersch, S.57, 58; zur Auslegungsbedürftigkeit der Insiderbestimmungen des WpHG Kümpel, S.II64-1165 Rz.14.94-14.95.

A. Insider

163

regelung leicht zu unterschiedlichen Interpretationen einzelner Tatbestandsmerkmale und damit der Gesamtregelung kommen. Die Rechtsentwicklung ist dann möglicherweise von ihrer normativen Grundlage oder dem Willen des Gesetzgebers nicht gedeckt 17 • Eine solche Entwicklung hat in U.S.A. zweimal dazu gefiihrt, daß sich die Rechtsprechung einer neuen Insiderrechtstheorie zuwenden mußte l8 • Nachfolgend ist zu analysieren, inwieweit die auf der EG-Richtlinie fußenden Insiderbestimmungen des WpHG eine einheitliche normative Rechtfertigung fiir das Insiderhandelsverbot erkennen lassen l9 • Dabei muß man berücksichtigen, daß die EG-Richtlinie lediglich inhaltliche Mindestanforderungen stellt. Die Umsetzung in nationales Insiderrecht erlaubt keine hinter der Vorgabe zurückbleibende Regelung, wohl aber eine weitergehende. Deshalb soll vor dem Hintergrund der U.S.-amerikanischen Insiderrechtstheorien auch untersucht werden, ob sich das WpHG gegenüber der EG-Richtlinie weiterentwickelt hat. Dabei ist darauf zu achten, inwieweit bei einzelnen Tatbestandselementen Abweichungen zwischen dem deutschen Recht und der europäischen Vorgabe hervortreten. Solche Veränderungen wirken sich auf den Inhalt einer Insiderrechtstheorie aus.

A. Insider Beim personellen Anwendungsbereich des im WpHG normierten Insiderrechts unterscheidet man, wie auch schon im Rahmen der europäischen Vorgabe, Primär- und Sekundärinsider. Das Gesetz verwendet diese Bezeichnungen nicht ausdrücklich, sie werden jedoch allgemein zur Einteilung der beiden Insidergruppen benutzf°.

17 Einen großen Schritt in Richtung solcher Überlegungen macht Haouache, S.155159; seine Untersuchung zur verfassungsrechtlichen Problematik strafrechtlicher Insidersanktionierung gelangt zu der - gewiß extremen - Auffassung, daß das WpHG fundamentalen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit widerspreche, weil es die entscheidenden Rechtsfragen nicht selbst löse, sondern auf den Rechtsanwender (bzw. dessen Willkür) übertrage. 18 Zur Equal Access Theorie und Fiduciary Duty Theorie siehe oben Teil 2, Kap.l, C.III.2. und Kap.2, C.IV. 19 Im Hinblick auf diese Fragestellung unterscheiden sich kodifiziertes und fallrechtlich geprägtes Insiderrecht nicht; vgl. Hopt, ZGR 1991, 17,27-28; Assmann, AG 1994,196,202; Lahmann, S.53; Immenga, ZBB 1995, 197,206.

20 Siehe die Gesetzesbegründung in Br-Drucks. 12/6679, S.8-9, 46; Assmann, in: Assmannl Schneider, § 13 Rz.l; UA. Weber, BB 1995, 157, 158. 11*

164

Teil 4: Deutschland

I. Primärinsider

Der Primärinsiderbegriff des WpHG ist in seiner Untergliederung nahezu identisch mit dem der EG-Richtlinie21 • Nach § 13 Abs.1 ist (Primär-) Insider, wer I. als Mitglied des Geschäftsfilhrungs- oder Aufsichtsorgans oder als persönlich haftender Gesellschafter des Emittenten oder eines mit dem Emittenten verbundenen Unternehmens, 2. aufgrund seiner Beteiligung am Kapitel des Emittenten oder eines mit dem Emittenten verbundenen Unternehmens oder 3.

aufgrund seines Berufs oder seiner Tätigkeit oder seiner Aufgabe bestimmungsgemäß

Kenntnis von einer Insiderinformation hat. 1. Unternehmensinsider

Die beiden Alternativen in § 13 Abs.1 Nr.1 und Nr.2 WpHG benennen zunächst die Personen, die wegen ihres verbandsrechtlichen Status typischerweise oder besonders leicht Insiderwissen über den Emittenten erfahren können. Unmittelbaren Bezug zum Unternehmen haben dabei die Organmitglieder des Emittenten 22 ; bei ihnen ist die Einordnung als Insider am leichtesten zu erkennen. Die zweite Tatbestandsalternative vermittelt die PrimärinsidersteIlung über die Beteiligung am Kapital des Emittenten. Denn auch die Anteilsinhaber eines Emittenten können gegenüber anderen Marktteilnehmern erhebliche strukturelle Informationsvorteile haben. Die Anteilsinhaber müssen ihren Informationsvorsprung gerade "aufgrund" ihrer Kapitalbeteiligung erlangt haben; erforderlich ist ein Ursachenzusammenhang. Der deutsche Gesetzgeber hat sich hier entschieden, allein auf die tatbestandliche Abgrenzungsfunktion dieses Kausalitätskriteriums zu setzen23 • Bereits bei der EG-Richtlinie geäußerte Forderungen nach einer prozentualen

21 § 13 Abs.l Nr.l bis Nr.3 WpHG setzt Art.2 Abs.l der EG-Richtlinie in deutsches Recht um. 22 Hierauf stellt auch die Gesetzesbegrundung ab, Br-Drucks. 12/6679, S.46. UA. Weber, BB 1995, 157, 158-159 weist richtig darauf hin, daß nur Insiderwissen zur Erfassung als Insider gemäß § 13 Abs.l Nr.l WpHG führt, welches gerade aufgrund der organschaftlichen Beziehung zum Emittenten erlangt wurde; vgl. auch Wymeersch, in: HoptlWymeersch, S.65, 72.

23

Br-Drucks. 12/6679, S.46-47;Assmann, in: AssmanniSchneider, § 13 Rz.14-15.

A. Insider

165

Mindest-Beteiligungshöhe24 haben sich damit nicht durchsetzen können. Das führt in der praktischen Konsequenz zu erhöhten Anforderungen an eine präzise Anwendung des Kausalitätsnachweises, denn dieser ist die alleinige objektive Haftungsvoraussetzung. Das WpHG geht bei § 13 Abs.l Nr.l und Nr.2 über die Vorgabe der EGRichtlinie hinaus, weil auch ein mit dem Emittenten verbundenes Unternehmen 25 als Informationsquelle für Insiderinformationen in Betracht kommt. Erst wenn die Information aus einem anderen, nicht-verbundenen Unternehmen, stammt, kann die Kenntnis davon die Informationsinhaber nicht mehr zu Primärinsidern machen 26 • Insgesamt handelt es sich bei den in § 13 Abs.l Nr.l und Nr.2 WpHG erfaßten Personen weitgehend um Unternehmensinsider im klassischen Sinne. Sie bilden seit jeher den Kern des personellen Adressatenkreises einer Insiderregelung. 2. Insider qua "bestimmungsgemäßer" Kenntnis

§ 13 Abs.l Nr.3 WpHG erfaßt jene Personen als Primärinsider, die bedingt durch ihre Berufs- oder eine andere Tätigkeit eine Insiderinformation erfahren. Ein besonderer Informationszugang zu einem Emittenten braucht nicht zu bestehen 27 • Auch hier setzt der Gesetzestext die gemeinschaftsrechtliche Vorgabe fast wortgetreu um. Sprachlich ergibt sich nur eine geringfügige Abweichung. So muß das Insiderwissen nicht durch "Arbeit, Beruf oder Aufgabe", sondern aufgrund von "Beruf, Tätigkeit oder Aufgabe"des Primärinsiders erlangt worden sein. Diese Formulierung ist jedoch ebensowenig aussagekräftig, wie sie es schon im Rahmen der EG-Richtlinie wa~8. Sie erfaßt bei weiter Auslegung alle Personen, die nicht völlig unerwartet oder aus purem Zufall von einer Insiderinformation Kenntnis erlangen. Vor diesem Hintergrund gewinnt eine auf den ersten Blick unscheinbare Änderung gegenüber der EG-Richtlinie besondere Bedeutung. Man hat im WpHG ein Tatbestandsmerkmal hinzugefügt, wonach die Kenntnis von einer Insiderinformation "bestimmungsgemäß" erlangt worden sein muß. Dadurch stellt der 24 Dazu U.A.Weber, BB 1995, 157, 160 m.w.N.; Claussen, ZBB 1992, 267, 270; Hübscher, in: Büschgen/Schneider, S.329, 334-335. 25 Ob ein Unternehmen mit einem Emittenten "verbunden" ist, bestimmt sich unabhängig vom Insiderrecht nach § 15 ff. AktG; dazu Assmann, in: Assmann/Schneider, § 13 Rz.12.

26

Assmann, in: Assmann/Schneider, § 13 Rz.II.

27

A.A. wohl U.A.Weber, BB 1995, 157, 158, 160.

28

Siehe oben Teil 3, A.III.I.

166

Teil 4: Deutschland

Gesetzgeber klar, daß nur solche Personen Primärinsider sein können, deren Insiderwissen in einem inneren Zusammenhang mit ihrem Beruf, ihrer Tätigkeit oder ihrer Aufgabe steht29 • Es ist nicht ausreichend, daß jemand nur "bei Gelegenheit" einer bestimmten Beschäftigung eine Insiderinformation erfähreo. Die im Rahmen der EG-Richtlinie aufgekommene Frage, ob schon einfache Kausalität zwischen der Ausübung (irgend-)einer Tätigkeit und der Erlangung von Insiderwissen zur Einordnung als tätigkeitsbedingter Primärinsider ausreiche l , ist damit im Interesse der Rechtssicherheit verneint worden. Auch Unstimmigkeiten, die der Richtlinientext bei der Abgrenzung der Primär- von den Sekundärinsidern hervorruft32 , lassen sich durch das Erfordernis des "bestimmungsgemäßen" Insiderwissens vermeiden. Die Begrenzung von § 13 Abs.1 Nr.3 WpHG auf tätigkeitsbedingte, "bestimmungsgemäße" Kenntnis einer Insiderinformation hat somit klärende Wirkung. Sie stellt sicher, daß die Qualifizierung als Insider nur in Betracht kommt, wenn der Erwerb des Insiderwissens mit deutlichem Bezug zur Berufsoder ähnlicher Tätigkeit erfolgt ist. Da § 13 Abs.1 Nr.3 WpHG keinen Emittenten als unmittelbare Informationsquelle verlangt, erfaßt er nicht nur Unternehmensmanager und deren externe Berater, sondern auch Fachjournalisten, Kursmakler und Wertpapierhändler, kurz: alle beruflich motivierten Akteure des Kapitalmarktgeschehens.

29 Diese wegen ihrer besseren tatbestandlichen Abgrenzbarkeit richtigerweise einengende Auslegung hat auch schon die englische Textfassung der EG-Richtlinie nahegelegt. Dort ist nur Primärinsider, wer die Insiderinformation im inhaltlichen Zusammenhang mit seiner Tätigkeit (by virtue of) erfahren hat. Demgegenüber wählt die deutsche Fassung der EG-Richtlinie den blassen Begriff "aufgrund" . Dieser läßt sich sowohl in Richtung eines rein kausalen "wegen" als auch in Richtung eines stärker inhaltlichen "gerade dadurch" deuten. Kritisch U.A. Weber, BB 1995, 157, 160; Assmann, in: Assmann/Schneider, § \3 Rz.18-19; vgl. oben Teil 3, A.L2. 30 Etwa der die Vorstandsmitglieder belauschende Taxifahrer oder die auf dem Schreibtisch des Konzernchefs liegengebliebene Akten lesende Raumpflegerin. So auch schon die Deutsche Börse AG, WM 1994, 2038, 2040; vgl. die Beispiele bei U.A. Weber, BB 1995, 157, 161.

31 Siehe oben Teil 3, A.L2. Assmann, in: Assmann/Schneider, § \3 Rz.18, übt Kritik an der sprachlichen Fassung der Gruppe der berufs- oder tätigkeitsbedingten Insider. 32 Siehe oben Teil 3, A.IIL2.; dazu Hopt, in: WM Festgabe Hellner, S.29, 30; ders., ZGR 1991, 17,37.

A. Insider

167

3. Ungelöste Schwierigkeiten a) Insiderkenntnis aus sozialen Gründen Mit dem Erfordernis "bestimmungsgemäßer" Insiderkenntnis sind aber keineswegs alle Anwendungsschwierigkeiten beseitigt. Denn die Kopplung des (Primär-) Insiderhandelsverbots an eine berufsbedingte Informationserlangung führt nicht ohne weiteres zu größerer Rechtssicherheit. Das zeigt sich vor allem, wenn eine Gemengelage zwischen beruflicher und sozialer Motivation für die Weitergabe einer Insiderinformation besteht. Aus der U.S.-amerikanischen Rechtsentwicklung belegt der Fall s.E.c. v. Lun(fH, daß die Annahme "bestimmungsgemäßer" Kenntnis, soweit sie einen unmittelbar tätigkeitsbedingten Bezug haben soll, durchaus zweifelhaft ist, sobald soziale Gründe ins Spiel kommen. b) Analystentätigkeit Besonders über das Für und Wider der Primärinsiderstellung von Finanzanalysten wird seit Erlaß des WpHG gestritten34 • Um es vorwegzunehmen: Auch bei diesem Personenkreis sind die Regeln des neuen Insiderrechts im Sinne des weitgreifenden Gesetzeszwecks konsequent anzuwenden. Wenn Finanzanalysten im Rahmen ihrer Berufstätigkeit vom Manager eines Emittenten eine Insiderinformation erfahren, erlangen sie diese "bestimmungsgemäß"; sie werden also zu Primärinsidern nach § 13 Abs.l Nr.3 WpHG 35 • Dabei kann es keine Rolle spielen, ob ein Analyst eine objektiv kursrelevante Information ausdrücklich nachgefragt hat oder ob sie ihm quasi "ohne Vorwarnung" im Gesprächsverlauf mitgeteilt wurde 36 : Es bleibt sein Beruf und damit seine "Bestimmung" solche Informationen zu erfahren J7 •

33

s.E.c. v. Lund; siehe oben Teil 2, Kap.2, B.III.2.

Obwohl Wirtschaftsjournalisten vielfach ähnliche Aufgaben wahrnehmen wie Finanzanalysten, ist ihr Berufsstand nicht so heftig gegen die Erfassung der regulären Berufsausübung durch Insiderrecht Sturm gelaufen, wie dies bei den Analysten lange der Fall war und noch ist. 35 So auch die wohl überwiegende Auffassung im Schrifttum, vgl. nur Assmann, in: ClausseniSchwark, S.54, 69 m.w.N.; Dreyling, in: ClausseniSchwark, S.l, 8. A.A. zuletzt Claussen, in: Claussen/Schwark, S.II, 30-31; Schwark, in: ClausseniSchwark, S.32, 47; Waldeck, in: ClausseniSchwark, S.48, 51-53 und Scharren berg, in: Claussen/ Schwark, S.107, 123-124; die bei den letztgenannten Autoren wollen die PrimärinsidersteIlung eines Analysten jedoch anerkennen, soweit dieser in einem konkreten Rechtsund damit Näheverhältnis zum Emittenten der analysierten Wertpapiere steht. 34

168

Teil 4: Deutschland

Sollte ein Manager gegen Insiderrecht verstoßen, weil er eine Insiderinformation weitergibt, so erwächst für einen Analysten als Informationsempfanger hieraus kein notwendig berufsspezifisches Problem. Denn er ist, wie jeder andere Kapitalmarktakteur auch, vor Insiderhaftung geschützt, solange er vom "inside"-Charakter der Information keine positive Kenntnis hat. Bei einer anschließenden Verwertung der ihm mitgeteilten Information würde er demgemäß ohne Vorsatz im strafrechtlichen Sinne handeln 38 • Da Finanzanalysten besonders häufig mit kurssensiblen Informationen in Berührung geraten, stellt die Einbindung des Insidertatbestandes in die strafrechtliche Gesetzessystematik also einen wichtigen Schutz fur sie dar. Aus diesem Grund lassen sie sich auch nicht als Garanten für die insiderrechtliche Gesetzestreue von Unternehmensmanagern ansehen. Darüberhinaus haften Analysten - wie andere Primärinsider auch - nur dann wegen der Weitergabe von Insiderinformationen, wenn sie dies "unbefugt" im Sinne von § 14 Abs.l Nr.2 WpHG tun 39 • Deshalb hat die gen aue Konkretisierung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs bei der zukünftigen Insider-Überwachung große Bedeutung4o • Klar ist aber jetzt schon, daß dieses Tatbestandsmerkmal innerorganisatorische, im Rahmen vorgegebener Informationskanäle notwendige, Datenflüsse richtigerweise nicht erfaßt. Neben dem strafrechtlichenVorsatzerfordernis ist das Haftungskriterium der "unbefugten" Informationsweitergabe also ein zusätzliches Regulativ. Es ist der Rechtsanwendung und Rechtsprechung an die Hand gegeben, damit es nicht zur Lähmung marktwichtiger Informationsflüsse 41 kommt. Von dieser Möglichkeit der Feinabstimmung des Verbotstatbestands ist bei Analysten und ihrer Berufstätigkeit präziser Gebrauch zu machen. Nach allem ergibt sich aber keine Rechtfertigung, Finanzanalysten allein wegen ihrer informationeIl besonders

36 So aber Claussen, AG 1997,306,310,312; ders., in: Claussen/Schwark, S. 11, 24; ausdrücklich dagegen Assmann, in: Claussen/Schwark, S.54, 60. 37 Ähnlich Assmann, in: Claussen/Schwark, S.54, 69; Dreyling, in: Claussenl Schwark, S.I, 9. 38 Gleichgerichtet argumentieren auch Schwark, in: Claussen/Schwark, S.32, 45-46 sowie Assmann, in: Claussen/Schwark, S.54, 63. 39 Zu den drei Alternativen des Verbotstatbestandes für Primärinsider, näher unten D.I. 40 Praktische Abgrenzungsprobleme beim Tatbestandsmerkmal der "unbefugten" Informationsweitergabe zeigen Assmann/Cramer, in: Assmann/Schneider, § 14 Rz.40; Hausmaninger, S.240-241. 41 Das heißt, letztlich im Interesse der Marktteilnehmer bestehender Informationsflüsse.

A. Insider

169

exponierten Marktposition aus dem Anwendungsbereich der Primärinsider, und sei es auch nur teilweise, herauszunehmen 42 • c) Ärztliche Gespräche Auch bei Berufen außerhalb der Finanzwirtschaft bereitet die Subsumtion "bestimmungsgemäßer" Insiderkenntnis Schwierigkeiten. So läßt sich beispielsweise fragen, ob der Psychiater in United States v. Willis 43 nach dem WpHG als Primärinsider einzustufen wäre. Denn er hat bei einem medizinisch indizierten Patientengespräch, also eindeutig berufsbedingt, Insiderwissen erfahren. Das geschah auch nicht nur am Rande der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit, etwa als sozialadäquater "small talk". Es war vielmehr Teil der ärztlichen Tätigkeit, da die Kenntnis der Insiderinformation überhaupt erst die Diagnose und die Behandlung der Patientinl"Informantin" ermöglichte. Also handelt es sich hier um berufsadäquat und damit "bestimmungsgemäß" erlangtes Insiderwissen, das den Arzt nach deutschem Recht folglich zum Primärinsider machen würde. In Deutschland tut man sich bisher aber schwer mit der Annahme einer berufsbedingten InsidersteIlung, wenn es sich nicht um einen Wertpapierhändler oder einen Investmentbanker sondern wie im Beispielsfall um einen Arzt hande1t44 • Man sieht hieran, daß die Begrenzung des § 13 Abs.l Nr.3 WpHG auf berufs- bzw. tätigkeitsbedingt erlangtes Insiderwissen nicht notwendigerweise die Entscheidung über die Anwendbarkeit des (Primär-) Insiderrechts erleichtert. Es bleibt in solchen Fällen allein der Rückgriff auf die Erfassung als Sekundärinsider4s • Das ist ein Wertungswiderspruch.

42 Zum Streit um die PrimärinsidersteIlung von Wertpapieranalysten, vgl. FAZ vom 22.10.1996, Nr.246, S.30 mit der Überschrift "Berufsausübung der Analysten ein strafbewehrtes Vabanque-Spiel". Einen guten Überblick über den Streitstand im Schrifttum geben Claussen, AG 1997,306,309-310 m.w.N. und Assmann, in: ClausseniSchwark, S.54, 56-61; vgl. auch Deutsche Börse AG, S.8. Die PrimärinsidersteIlung von Analysten und Wirtschaftsjournalisten hat zuletzt Eicheie, WM 1997, SOl, 503-507 (Analysten) und 507-509 (Journalisten) bejaht. 43

United States v. Wil/is; siehe oben Teil 2, Kap.3, B.III.I.

Vgl. nur Assmann, in: Assmann/Schneider, § 13 Rz.24, der der Ansicht ist, in den Kreis der tätigkeitsbedingten Primärinsider gehörten "mangels bestimmungsgemäßer berufsadäquater Kenntniserlangung ... keinesfalls Psychiater oder Ärzte" (dennoch ist auch die Psychiatrie ein ärztlicher Heilberut); ähnlich Hopt, ZGR 1991, 17, 49; Peltzer, ZIP 1994,746,748; Claussen, ZBB 1992,267,274. 44

4S

Vgl. dazu auch die neueren Überlegungen von Assmann, AG 1997,50,54.

170

Teil 4: Deutschland

d) Delikt ische Infonnationserlangung Schließlich fuhrt das Erfordernis "bestimmungsgemäßer" Kenntniserlangung dazu, daß der Bereich treuwidriger oder deliktischer Infonnationsverschaffung nicht erfaßt ist. Wer auf diese Weise, also gerade nicht bestimmungsgemäß, an Insiderwissen gelangt, kann nicht Primärinsider sein. Das ist einsichtig bei einem Dieb, der in eine Konzernzentrale einbricht und dort geheime Unternehmensinfonnationen stiehlt; er ist kein typischer Insider46 • Aber auch Insider wie in Chiarella v. United States47 oder dem nahezu identischen Fall s.E.c. v. Materia48 sind mangels "bestimmungsgemäßen" Insiderwissens keine tätigkeitsbedingten Primärinsider i.S.d. WpHG. Das ist problematisch, denn es handelte sich hierbei um Angestellte von Finanzdruckereien: Personen also, die kursrelevante Infonnationen häufig zwar nur verschlüsselt erhalten, die aber aufgrund ihres Berufs typischerweise und regelmäßig in unmittelbare Reichweite hochsensibler Insiderinfonnationen gelangen. Solche Marktteilnehmer per se von der Einstufung als Primärinsider auszunehmen, ist wertungsmäßig zweifelhaft. e) Fazit Insgesamt ist im WpHG die Figur des berufs- bzw. tätigkeitsbedingten Insiders gegenüber der EG-Richtlinie im Interesse verbesserter Rechtssicherheit stärker eingegrenzt. Im Vergleich mit U.S.-amerikanischem Recht unterstreicht dies die Prägung des WpHG im Sinne einer berufsrechtlich 49 ausgerichteten Misappropriation Theorie50 • Gleichwohl entstehen durch diese Eingrenzung Wertungsprobleme, die zu den hier beschriebenen Anwendungsschwierigkeiten führen.

46 In solchen Fällen greift dann immer der Tatbestand des Sekundärinsiders; dazu sogleich unten. 47

Chiarella v. United States; siehe oben Teil 2, Kap.2, B.1.

48

s.E.c. v.

Materia; siehe oben Teil 2, Kap.3, B.I.I.c).

49 Deutsche Autoren heben beim Verständnis der Misappropriation Theorie, soweit ersichtlich, ausschließlich auf deren berufs- oder arbeitsrechtliche Dimension ab; vgl. nur Claussen, ZBB 1992,267,273. 50 Denn § 13 Abs.l Nr.3 WpHG setzt - ähnlich wie die Treuepflicht gegenüber der Informationsquelle gemäß der Misappropriation Theorie - einen inneren Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Informierten und der Kenntnis von einer Insiderinformation voraus.

A. Insider

171

11. Sekundärinsider

1. Wegfall informationeller Bindung Die Definition der Sekundärinsider hat sich im WpHG gegenüber der gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe geringfügig verändert. Wie zu zeigen ist, hat diese Änderung entscheidenden Einfluß auf die theoretische Einordnung der deutschen Insiderrechts insgesamt. Die Umschreibung des WpHG flir Sekundärinsider ist einfach. Nach § 14 Abs.2 WpHG ist das jeder Dritte, also jeder Nicht-Primärinsider, der Kenntnis von einer Insidertatsache hat. Dieser Tatbestand entspricht zunächst der EGRichtlinie, die verlangt, daß jemand "in Kenntnis der Sache über eine InsiderInformation verfügen" muß 51 • Fallengelassen hat der deutsche Gesetzgeber aber das einschränkende Kriterium der EG-Richtlinie, wonach flir die Einstufung als Sekundärinsider Kenntnis solcher Informationen vorliegen mußte, "die unmittelbar oder mittelbar nur von" einem Primärinsider stammen konnten 52 • Dadurch ist im deutschen Insiderrecht keine informationelle Anbindung des Sekundärinsiders an einen Primärinsider mehr erforderlich. Das ist schon deshalb zu begrüßen, weil dieses Regelungselement im Rahmen der EG-Richtlinie für erhebliche Auslegungsprobleme gesorgt hat: Je nachdem, ob man die Abstammung der Information von einem Primärinsider rein deskriptiv oder aber als echtes Tatbestandsmerkmal wertete, führte dies zu einer Erweiterung oder einer Eingrenzung des Kreises der Sekundärinsider53 • So aber vermeidet das WpHG diese Schwierigkeiten. Ein Sekundärinsider i.S.v. § 14 Abs.2 WpHG muß sich keine Vorstellungen darüber machen, von wem das erhaltene Insiderwissen ursprünglich stammt.

2. Auswirkungen Durch den Wegfall der informationellen Bindung an einen Primärinsider erweitert sich automatisch der Anwendungsbereich des Sekundärinsiderbegriffs; und zwar auf alle Marktteilnehmer, die von einer Insiderinformation bewußte

SI

Art.4 der EG-Richtlinie.

52 Art.4 der EG-Richtlinie. Zur Umsetzung in § 14 Abs.2 WpHG siehe BT-Drucks. 12/6679, S.48; unzutreffend deshalb Krimphove, JZ 1994,23,26, der auch im Rahmen des WpHG noch meint, die Erweiterung auf "sogenannte Sekundärinsider" sei nötig, um die unlautere Verwertung von Informationen, "die von einem Primärinsider abgeleitet" sind, zu unterbinden. 53

Siehe dazu oben Teil 3, A.III.I.

172

Teil 4: Deutschland

Kenntnis erlangen 54 • Im Rahmen des WpHG sind nun auch alle Fälle deliktischer Informationserlangung erfaßt. In diesem Bereich war die EG-Richtlinie lückenhaft, da sie z.B. Informationsdiebe oder Werkspione 55 nicht erfassen konnte 56 • Der Vergleich mit der Sachlage in Chiarella v. United States r hat gezeigt, daß der Drucker Chiarella im Rahmen der europäischen Regelung unter Umständen nicht einmal als Sekundärinsider gehaftet hätte 58 • Diesbezüglich stellt § 14 Abs.2 WpHG jetzt klar: Wer an eine Insiderinformation gelangt und sei es unter Umgehung oder Überwindung spezieller Sicherungsmechanismen - ist stets zumindest Sekundärinsider. Auch und gerade dann, wenn diese Information nicht von einem Primärinsider i.S.d. § 13 Abs.l WpHG stammt. Die Erweiterung des Sekundärinsiderbegriffs verschärft den Wertungsunterschied zu den Primärinsidem: Außer dem Grundkriterium, daß bei Primärinsidem Insiderwissen vorliegen muß 59, qualifizieren sich diese stets erst durch eine verbandsrechtlich oder tätigkeitsbedingt vorteilhafte Position innerhalb des Marktes60 • Demgegenüber reicht bei Sekundärinsidem schon die bewußte Kenntnis von einer kursrelevanten Information, um ohne weitere Voraussetzungen die insiderrechtliche Sanktionsdrohung auszulösen.

3. ZuJallsinsider Der Sekundärinsiderbegriff gemäß § 14 Abs.2 WpHG hat noch eine weitere, gut sichtbare Konsequenz. Weil er allein auf den Kenntnisstand abhebt, sind dadurch auch Personen erfaßt, die eine Insiderinformation durch Zufall erfah-

54 Dieses Ergebnis steht im Gegensatz zu den vor Erlaß des WpHG gestellten Forderungen, den Anwendungsbereich des zukünftigen Insiderrechts möglichst einzuschränken; siehe dazu oben Teil 3, F. Kritisch zum weiten personellen Anwendungsbereich des deutschen Insiderrechts U.A. Weber, BB 1995, 157, 162; Ctaussen, DB 1994, 27, 28. Tippach, S.174 konstatiert (allerdings ohne klare Begründung), der Gesetzgeber habe "bedauerlicherweise" auf das Erfordernis informationeller Anbindung der Sekundärinsider verzichtet; dem ist nicht beizupflichten, wie nachfolgend zu zeigen ist. 55 Die notgedrungen keine Kenntnis über die Herkunft der Information von einem Primärinsider haben können. 56

Vgl. Hopt, in: FS Beusch, S.393, 400.

57

Siehe oben Teil 2, Kap.2, B.I.

58

Siehe oben Teil 3, A.II1.2.; mißverständlich dazu Siebet, in: FS Semler, S.957,

968.

59 Beim Einzelnen muß Insiderwissen tatsächlich vorliegen, die verbandsrechtlich oder tätigkeitsbedingt bestehende Möglichkeit zur Kenntnisnahme reicht nicht aus.

60 Diese - in unterschiedlicher Intensität ausgeprägte - vorteilhafte Marktposition umschreiben jeweils § 13 Abs.l Nr.l, Nr.2 und Nr.3 WpHG.

A. Insider

173

ren. Zufalls insider sind durch die EG-Richtlinie nicht mitabgedeckt; zumindest wenn sie zwar bewußte Kenntnis einer Insiderinformation, aber keine Ahnung von deren Herkunft haben 61 • Diese Lücke hat das deutsche Insiderrecht geschlossen. Zufallsinsider sind aber keine wesentliche Zielgruppe einer Insiderregelung62 • Auch nach aktuellem U.S.-amerikanischen Recht liegen Zufallsinsider jenseits des äußersten denkbaren Anwendungsbereichs der Misappropriation Theorie63 • Deshalb stellt sich die Frage, ob das WpHG an dieser Stelle über sein Regelungsziel hinausschießt. Dazu muß man zunächst berücksichtigen, daß Zufallsinsider weniger häufig vorkommen, als dies das Ausmaß ihrer Diskussion in der juristischen Literatur vermuten ließe. Die vielzitierte Raumpflegerin beispielsweise, die in der Konzem-Chefetage Einsicht in Akten mit vertraulichen Insiderinformationen nimmt, kommt deshalb noch nicht "rein" zufällig damit in Berührung. Vielmehr ist die Wahrscheinlichkeit, daß sie auf diese Weise Insiderinformationen erfährt, im organisatorischen Rahmen ihrer Berufstätigkeit durchaus höher als bei einer beliebigen anderen Person. Unter diesem Blickwinkel ist nicht ersichtlich, warum ein Insiderhandelsverbot nicht auch sie treffen sollte. Zweifel an der Figur eines "reinen" Zufallsinsiders begründet auch der einschlägige U.S.-amerikanische Fall S.E.C. v. Switzer64 • Dort konnte das Gericht den Informationsempfänger nicht verurteilen, weil er sich darauf berufen hatte, nur durch Zufall Kenntnis von der später ausgenutzten Insiderinformation erlangt zu haben. Die Nicht-Zufälligkeit seines Insiderwissens ließ sich ihm nicht zur Genüge nachweisen 6s • Es blieben aber erhebliche Zweifel, ob sich Mr. Switzer bei der Sportveranstaltung nicht doch bewußt in die Nähe seiner späteren Informationsquelle gesetzt hatte, um auf diese Weise eine privat geäußerte kursrelevante Unternehmensinformation "zufällig" mitzuhören. Der Sachverhalt in S.E.C. v. Switzer zeigt, daß ein Ausnahmetatbestand fUr Zufallsinsider auch im deutschen Recht entsprechenden Schutzbehauptungen weiten Raum

61

Es ist zumindest denkbar, daß sich ein Laie hierüber keinerlei Gedanken macht.

62 Tippach, S.176-177; Bergmans, S.I72: "(O)ccasional trading on the basis of inside information is not the real policy problem, but rather the trading by those who operate the corporations and the market." Dahingehend auch Wymeersch, in: HoptIWymeersch, S.65, 69; Viandier, in: HoptIWymeersch, S.57, 59; Walther, in: FS Heinsius, S.875, 889; Schwarze, BFuP 1994, 124, 126-127; unzutreffend aber ders., a.a.O., wenn er Sekundärinsider allesamt als "Zufallsinsider" bezeichnet. 63

Siehe oben Teil 2, Kap.3, 8.111.3.

64

S.E.c. v. Switzer, dazu ausführlich oben Teil 2, Kap.3, B.III.3.

6S Damit war auch die Voraussetzung für die Einbindung in eine von dem Unternehmensinsider abgeleitete Treuepflicht nicht gegeben; vgl. oben Teil 2, Kap.2, B.II.3.

174

Teil 4: Deutschland

geben und auf diese Weise zu venneidbaren Beweisproblemen bei der Verfolgung des Insiderhandels fuhren würde 66 • Auch fur die Schädigung des Anlegervertrauens auf Chancengleichheit kommt es nicht grundsätzlich darauf an, wer das verbotene Insidergeschäft tätigt. Gewiß gibt es praktische Unterschiede zwischen einem Konzernmanager, der hierzu häufig die Gelegenheit hat und dem paradigmatischen Taxifahrer, der nie oder doch nur höchst selten eine verwertbare Insiderinfonnation erfahren wird. Dennoch rechtfertigen Unterschiede in der Person, die das Insidergeschäft abschließt, nicht per se die Bejahung oder Verneinung einer davon ausgehenden Gefahr für die Marktintegrität. Schließlich verlangt es die Akzeptanz einer Insiderregelung auch nicht, infonnationelle "Zufallsfunde" grundsätzlich vom Verwertungsverbot freizustellen. Denn ein Kapitalmarkt gewinnt nicht dadurch an Attraktivität oder Funktionsfähigkeit, daß man die Anleger mit der Verwertungsmöglichkeit hinsichtlich zufällig erlangter Insiderinfonnationen lockt. Ungleich wichtiger ist es demgegenüber, gerade die eigene Analyse zu prämieren67 • Insgesamt grenzt sich ein nach § 14 Abs.2 WpHG erfaßter "Zufallsinsider" weniger akzentuiert von den unternehmens- oder tätigkeits bezogenen Insidern des § 13 Abs.l Nr.l bis Nr.3 ab, als es auf den ersten Blick erscheint. Im Grundsatz können Geschäfte von Zufallsinsidern das Anlegervertrauen in faire Marktverhältnisse ebenso belasten, wie der Insiderhandel von Primärinsidern. Die Unterschiede sind nur graduell. Das WpHG bewirkt mit der Einbeziehung auch von "Zufallsinsidern" also nicht des Guten zuviel, sondern orientiert sich lediglich konsequent an seinem marktrechtlichen Regelungsziel68 •

111. Zwischenergebnis Das WpHG nonniert einen gegenüber der gemeinschaftsrechtIichen Vorgabe erweiterten Sekundärinsiderbegriff9 . Er hat gegenüber den Primärinsi66 Ausführlich dazu Seligman, 73 Geo.L.J. 1083, 1136 (1985). Eine geringere strafrechtliche Schuld von Insidern, die eine lediglich "zufällig" erlangte kursrelevante Information zu einem vorteilhaften Börsengeschäft verwendet haben, ließe sich bei der Strafzumessung berücksichtigen; zur Beweisproblematik bei Zufallsinsidern Haouache, S.127-128. 67

Dazu ausführlich unten G.I.

Im Gegensatz zur Auffassung von Tippach, S. 176 handelt es sich deshalb bei der Einbeziehung von Zufallsinsidern auch nicht um ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers. 68

69 Wenn man im Rahmen der EG-Richtlinie die informationelle Anbindung des Sekundärinsiders an einen Primärinsider als eigenständiges tatbestandliches Kriterium ver-

B. Insidertatsache

175

dem erheblich an Gewicht gewonnen. Die Stellung des Sekundärinsiders leitet sich nun nicht mehr aus der informationellen Bindung an einen Primärinsider ab. So entfallen Anklänge an den V.S.-amerikanischen "tippee", der vor allem bei der Fiduciary Duty Theorie, aber auch bei der Misappropriation Theorie Bedeutung hat. Allerdings behält das WpHG die begriffliche Anlehnung an die klassischen - verbandsrechtlich geprägten - Insiderkategorien bei. Dies geschieht durch die in § 13 Abs.1 Nr.1 und Nr.2 WpHG benannten Primärinsider. Im Hinblick auf den Regelungswortlaut setzt das deutsche Insiderrecht den Schwerpunkt bei den Primärinsidern. Die Untersuchung hat aber gezeigt, daß das WpHG einige wichtige Insidersachverhalte nur durch Anwendung der Regeln für Sekundärinsider erfassen kann. So den Informationsdiebstahl durch Personen, die in informationssensitiven Bereichen arbeiten 70 oder die Zirkulation kursrelevanter Informationen im Familienkreise eines Primärinsiders71 • Berücksichtigt man außerdem, daß jeder Primärinsider qua Kenntnis einer kursrelevanten Information auch Sekundärinsider ist, wird insgesamt die zentrale Bedeutung des Sekundärinsiderbegriffs im Rahmen des WpHG deutlich: Er verliert er den subsidiären Charakter, den er im Rahmen der EG-Richtlinie hat. Der Sekundärinsiderbegriff benennt keine Restgruppe; er ist vielmehr als personeller Grundtatbestand des deutschen Insiderrechts einzuordnen.

B. Insidertatsache

I. Generalklausel Der deutsche Gesetzgeber hat den Informationsbegriff2 der EG-Richtlinie nahezu wortgleich übernommen. Nach der Generalklausel des § 13 Abs.1

steht, verhindert dies eine Zurechnung der EG-Richtlinie zur Equal Access Theorie; siehe oben Teil 3, E.IIL Dieser Hinderungsgrund entfällt beim WpHG. 70 Siehe dazu die Sachverhalte in Chiarella v. United States sowie SE.C v. Materia oben Teil 2, Kap.2, B.I. und Kap.3, B.Ll.c). 71 Daß es sich auch hierbei um einen insiderrechtlich wichtigen Regelungsbereich handelt, zeigen eindrücklich die Sachverhalte in United States v. Reed und United States v. Chestman; siehe oben Teil 2, Kap.3, B.II.I. und 2. Unter den deutschen Kommentatoren des WpHG erkennen nur wenige, etwa U.A. Weber, BB 1995, 157, 162, daß es wertungsmäßig wünschenswert gewesen wäre, auch Familienmitglieder in die Gruppe möglicher Primärinsider miteinzubeziehen. Ähnlich zuvor nur Hopt, in: FS Beusch, S.393, 400; vergleichend Wymeersch, in: HoptlWymeersch, S.65, 74. Auch schon Hopt/Will, S.74-76 rechneten die Familienangehörigen zu den "unternehmensnahen Insidern".

72 Nachfolgend wird weiterhin übergreifend von Insiderin!ormalion gesprochen. Das WpHG benutzt den speziellen Begriff der Insidertatsache; weiterführend zu dieser Unterscheidung unten B.III.2.

176

Teil 4: Deutschland

WpHG verfUgt eine Person über rechtlich erhebliches Insiderwissen, wenn sie Kenntnis von einer (I) nicht öffentlich bekannten (2) Tatsache hat, die sich auf (3) einen der mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf Insiderpapiere bezieht und die (4) geeignet ist, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen (Insidertatsache). Entsprechend der europäischen Regelung handelt es sich auch im WpHG um ein inhaltliches und drei formale Tatbestandselemente73 • Formale Anforderungen an eine Insiderinformation beeinflussen die Insiderrechtstheorie nur mittelbar 74 • Größere Bedeutung haben mögliche inhaltliche Unterscheidungen. Sie sind deshalb zunächst zu untersuchen. 11. Keine InhaItsbestimmung

Im Hinblick auf den möglichen Inhalt einer Insiderinformation ergibt sich im deutschen Insiderrecht eine wichtige Änderung gegenüber der EG-rechtlichen Vorgabe. Die Änderung ist dem Wortlaut von § 13 Abs.l WpHG nicht anzusehen. Dieser verlangt, wie schon die EG-Richtlinie, daß sich eine Insiderinformation inhaltlich "auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf Insiderpapiere" beziehen muß. Grundsätzlich ließe sich also auch hier überlegen, inwieweit eine Information vom WpHG erfaßt ist, die keinen oder nur einen eingeschränkten Emittenten- oder Wertpapierbezug hat. Damit wäre letztlich die wenig fruchtbare Diskussion über die Einbeziehung von Marktinformationen wiedereröffnet; eine solche Auseinandersetzung hat bereits die EG-Richtlinie ausgelöse 5 • Im Rahmen der bisherigen Ausdeutung des WpHG ist man aber zu einem anderen Resultat gelangt. Es hat sich richtigerweise die Ansicht durchgesetzt, daß auch Marktdaten Insiderinformationen sein können 76 • Somit kommt es bei der Anwendung des Insiderrechts nicht mehr auf den Inhalt der jeweiligen information an 77 • Wesentlich fUr die Qualifizierung einer Information als insi-

73

Siehe zur EG-Richtlinie oben Teil 3, B.I.

74

Vgl. oben Teil I, C.II.2.

75

Siehe oben Teil 3, B.lI.3.

76 Anschaulich Kümpel, WM 1994,2137,2139 sowie Assmann, AG 1994,237,243 jeweils m.w.N. 77 Claussen, DB 1994, 17,30; Assmann, ZGR 1994,494,513; Caspari, ZGR 1994, 530, 540; Becker, S.65. Ein in der Praxis wichtiges Beispiel flir eine Markt-Insiderinformation ist auch die Kenntnis von der Orderlage im Skontro eines Börsenhändlers; dazu Schwarze, WM 1997, 1564, 1565. Der Verdacht auf Insiderhandel bei Börsen-

B. Insidertatsache

177

derinfonnation ist allein das Kriterium der Kursrelevanz78 • Aus diesem Grund plädieren viele dafür, die Unterscheidung des § 13 Abs.1 WpHG zwischen Emittenten- und Insiderpapierbezug mangels rechtlicher Erheblichkeit ganz aufzugeben 79 • Dem braucht hier nicht nachgegangen zu werden. Festzuhalten ist, daß es jedenfalls für die Qualifizierung als Insiderinfonnation auf deren Inhalt nicht mehr ankommt. Also entfällt nach deutschem Recht auch ein rechtserheblicher Unterschied zwischen Unternehmens- und Marktinfonnationen. III. Formale Kriterien

Durch den Wegfall der inhaltlichen Eingrenzung einer Insiderinfonnation gewinnen die fonnalen Tatbestandsmerkmale ausschlaggebende Bedeutung. Sie bestimmen, wie eine konkrete Infonnation beschaffen sein muß, um unter die Insiderregelung zu fallen. Im deutschen Insiderrecht sind sie die alleinigen Unterscheidungskriterien zur Abgrenzung der insiderrechtlich relevanten von den diesbezüglich irrelevanten Infonnationen. Sie sind deshalb kurz darzustellen. Nach dem WpHG definiert sich eine Insiderinfonnation durch die drei formalen Tatbestandselemente, wonach es sich um eine (I) "nicht öffentlich bekannte" (2) "Tatsache" handeln muß, welche die (4) "Eignung zu erheblicher Kursbeeinflussung" hat. Weitreichende Übereinstimmung besteht nicht nur mit den fonnalen Begriffselementen der EG-Richtlinie, sondern auch mit der U.S.amerikanischen Definition einer Insiderinfonnation. l. Nicht-Öffentlichkeit

Ein Grunderfordernis jeder Insiderregelung ist die "Nicht-Öffentlichkeit" der Infonnation. Wenn eine Nachricht im Markt allgemein bekannt ist, besteht kein infonnationelles Ungleichgewicht, daß sich zu einem Insidergeschäft ausnutzen

händlern ist in der Praxis häufig; siehe Bundesaufsichtsamt for den Wertpapierhande/, Jahresbericht 1997, S.18. 78 Manche fordern deshalb die Aufstellung eines Beispielkatalogs, in dem typischerweise kursrelevante Informationen zu konkretisieren seien. Siehe U.A. Weber, BB 1995, 157, 163; Kümpe/, WM 1994,2137, 2141-2142 mit Hinweis darauf, daß durch einen solchen Katalog der Berufung mutmaßlicher Insider auf einen strafbefreienden Tatbestandsirrtum nach § 16 StGB entgegengewirkt werden könnte. 79 Assmann, in: Assmann/Schneider, § 13 Rz.54-55; vgl. Hopt, in: FS Beusch, 393, 397-398. Auch die Äußerungen des Gesetzgebers bestätigen die Bedeutung der Kursrelevanz für die Qualifizierung einer Insiderinformation; siehe BT-Drucks. 12/6679, S.46-47.

12 Weber

178

Teil 4: Deutschland

ließe. Die praktische Frage, ab wann eine Infonnation als "öffentlich bekannt" gelten kann, ist naturgemäß umstritten 80 • Übereinstimmung besteht aber darüber, daß das Bestehen von "Öffentlichkeit" nicht nach positivem Wissen, sondern nur nach der Möglichkeit der Kenntnisnahme beurteilt werden kann. Vorzugswürdig ist deshalb auf die sog. "Bereichsöffentlichkeit" abzustellen. Danach ist kein potentielles Wissen des breiten Anlegerpublikums erforderlich; es reicht aus, wenn die konkret handelnden Marktteilnehmer die Möglichkeit haben, anhand allgemein zugänglicher Infonnationsmedien ihre Kenntnis auf den neuesten Stand zu bringen 81 • Insiderrecht soll nicht dafür sorgen, daß alle Marktteilnehmer gleich viel wissen. Niemand kann zur Kenntnisnahme einer Infonnation gezwungen werden. Aus diesem Grund kann nur die Möglichkeit des allgemeinen Zugangs zu einer Infonnation als Gradmesser für die Herstellung von "Öffentlichkeit" dienen. Im U.S.-amerikanischen Recht macht besonders die Equal Access Theorie schon im Ansatz deutlich, daß eine "nicht öffentliche" (nonpublic) Infonnation nur dann vorliegt, wenn kein allgemeiner, also gleicher (equal) Zugang (access) zu ihr besteht82 •

2. Tatsache Nach der EG-Richtlinie muß eine Nachricht "präzise" sein, damit es sich um eine Insiderinfonnation handeln kann 83 • Mit diesem Kriterium sollen wertende, spekulative oder gerüchtartige Infonnationen ausgeschlossen werden. Aus ihnen läßt sich nicht mit hoher Wahrscheinlicheit ein exklusiver, finanzieller Vorteil schlagen; sie bedrohen daher nicht das Vertrauen der Anleger in die Marktintegrität. Im Gegenteil, der Einfluß solcher, im U.S.-amerikanischen Recht plastisch "soft infonnation" genannter84, Daten auf das Anlageverhalten 80 Zu den einzelnen Auffassungen C1aussen, ZBB 1992,267,276; Bergmans, S.72; Assmann, in: Assmann/Schneider, § 13 Rz.40, 41, 45-47; Tippach, S.78-82; Hausmaninger, S.214-215 kritisiert zu Recht, daß sich nicht schon der europäische Gesetzgeber bei der Formulierung der zentralen unbestimmten Rechtsbegriffe des Insiderrechts stärker an den in der U.S.-amerikanischen Judikatur gemachten Erfahrungen orientiert hat. 81 Vgl. BT-Drucks. 12/6679, S.46; Assmann, in: Assmann/Schneider, § 13 Rz.42-43 m.w.N.; U.A. Weber, BB 1995, 157, 162-163; Kümpel, WM 1994,2137,2138.

82

Zum Kriterium der "nonpublic information" näher Bergmans, S.20 m.w.N.

83

Art. I Nr.1 der EG-RichtIinie; dazu oben Teil 3, B.I.

84 Ausführlich zu diesem Informationstypus O'Connor, 58 Fordham L.Rev. 309, 350 -356 (\ 989); Brudney, 75 Va.L.Rev. 723 ff. (1989) sowie Basic Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 240-243 (1988). Zur verwandten Problematik von Informationsvorsprüngen, die sich nur für solche Marktteilnehmer ergeben, die "zwischen den Zeilen" lesen können ("non-information") Salbu, 68 Wash.L.Rev. 307, 320-323 (1993). Vgl. die Analyse

B. Insidertatsache

179

der Marktteilnehmer ist im Hinblick auf einen reibungslos funktionierenden Kapitalmarkt sogar erwünscht. Denn Börsenaktivität lebt gerade auch von Gerüchten, Stimmungen, unverdichteten Informationen85 • Das WpHG hat das gemeinschaftsrechtliche Kriterium der "präzisen Information" durch das einer "Tatsache" ersetzt. Zwar kann auch in Meinungen, Prognosen und Spekulationen ein nachprüfbarer Tatsachenkem stecken. Eine "präzise Information" kann aber ebensowenig wie eine "Tatsache" ausschließlich aus einem Werturteil oder einem Gerücht bestehen 86 • Die Einfiihrung des Begriffs der "Tatsache" bewirkt also gegenüber der EG-Richtlinie keine Verengung des insiderrechtlichen Informationsbegriffs87 • Vielmehr entsprechen sich die Bezeichnungen inhaltlich. Dabei trägt die Verwendung des Begriffs "Tatsache" zur Rechtssicherheit bei 88 • Er stellt klar, daß Meinungen, Ansichten oder Werturteile kein Insiderwissen begründen können, wohl aber das - dem Beweis zugängliche - Wissen über solche Wertungen oder über die Reaktion des Marktes auf ihre Veröffentlichung89 • 3. Eignung zur Kursbeeinj/ussung

Als drittes formales Element erfordert § 13 Abs.l WpHG die Eignung der Information zur Kursbeeinflussung des betroffenen Wertpapiers. Das WpHG nennt keinen Katalog der hierzu geeigneten Tatsachen bzw. Informationen. Es verweist auf die Würdigung der Umstände im Einzelfa1l9O • Dieses Tatbestands-

einer möglichen Offenlegungspflicht auch im Hinblick auf "soft information" bei Fi[e, 35 Emory LJ. 213, 220-253 (1986). 85 Deutlich U.A.Weber, BB 1995, 157, 162, der darauf hinweist, daß Wertpapierhandel teilweise spekulativen Charakter hat und gerade auch von ungewöhnlichen Transaktionen lebt. Ahnlich Bergmans, S.72; Weiter, in: Büschgen/Schneider, S.325, 323. 86 87

662.

Vgl. Claussen, OB 1994,27,30; Schwark, in ClaussenlSchwark, S.32, 42-43. A.A. Pananis, WM 1997,460,462; differenzierend Kümpel, WM 1996,653,654,

88 Der Begriff der Insidertatsache ist allerdings nicht gleichzusetzen mit dem engeren Begriff der mitteilungspflichtigen Tatsache nach § 15 WpHG; dazu Assmann, in: AssmannlSchneider, § 13 Rz.32-34; zuletzt ders., AG 1997, 50, 51; ausflihrlich Pananis, WM 1997,460,461-464; Kümpel, WM 1996,653,654. 89 Vgl. den Sachverhalt in United States v. Carpenter, oben Teil 2, Kap.3, B.1.2. Zu dem Fall auch Hopt, in: FS Beusch, S.393, 410; Claussen, ZBB 1992,267,276; Assmann, in: Assmann/Schneider, § 13 Rz.33.

90 Vgl. aber den Leitfaden der Deutsche Börse AG, S.8-9, 15-20 zu den nach § 15 WpHG offenzulegenden Tatsachen, der als Orientierungshilfe flir typische Insiderinformationen gelten kann; abgedruckt ebenfalls bei Assmann, in: AssmannlSchneider, § 13 Rz.62. Siehe zur Megede, in: AssmannlSchütze, § 14 Rz.33 zum Informationsbegriff

12'

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Teil 4: Deutschland

merkmal ist ausschlaggebend für die Einstufung einer Information als Insiderinformation. Denn es beinhaltet praktisch die beiden anderen Kriterien: Eine Information, die bereits öffentlich bekannt oder nicht präzise genug (also keine Tatsache) ist, kann den Kurs bestimmter Wertpapiere nicht oder jedenfalls nicht mehr beeinflussen. Die Kursrelevanz ist deshalb das Charakeristikum jeglicher Insiderinformation. Das WpHG fordert die Eignung der Information zu einer "erheblichen" Kursbeeinflussung91 der Insiderpapiere. Denn der Gesetzgeber hat nur Insiderfälle mit einer gewissen praktischen Relevanz vor Augen. Er will nicht schon jede denkmöglich zur Kursbeeinflussung geeignete Markt- oder Untern ehmensnachricht als Insiderinformation erfassen und dadurch ihre weitere Verwertung blockieren92 • Darüberhinaus beinhaltet das Merkmal der "Erheblichkeit" eine wichtige Mindestschwelle. Sie ist notwendig, weil sich Kursbewegungen eines Wertpapiers nicht aus monokausalen Ursachen, das heißt, nicht aus einzelnen Reaktionen der Anleger auf einzelne Informationen, ergeben. Vielmehr beeinflußt gerade das Zusammenwirken sehr unterschiedlicher Informationen, gepaart mit den Reaktionen, die diese beim Anlegerpublikum hervorrufen, den Preis eines Wertpapiers. Die Kursbildung ist also immer Ergebnis eines multikausalen Vorgangs 93 • Vor diesem Hintergrund bewirkt das Erfordernis einer "erheblichen" Kursbeeinflussung, daß die Relevanz einer Information für die Preisbildung überhaupt meßbar ist und somit als Einzelursache gemäß § 13 Abs.1 WpHG dargestellt und beurteilt werden kann 94 • Das praktische Vorgehen zur Bestimmung einer "erheblichen" Kursabweichung ist umstritten. Einige wollen prozentuale Preisabweichungen eines Wertpapiers vom Vortageskurs festlegen, deren Überschreitung eine insiderrechtlich

der deutschen Insiderhandels-Richtlinien, die gemäß § 2 Nr.3 auf einen Katalog einzelner kursrelevanter Informationen abstellen. 91 Die EG-Richtlinie spricht von der Eignung einer Information zu "beträchtlicher" Kursbeeinflussung. Ein inhaltlicher Unterschied zum WpHG ergibt sich hieraus nicht.

92 BT-Drucks. 12/6679, S.46-47; Assmann, WM 1996, 1337, 1342; Hopt, ZGR 1991, 17,32. 93

U.A.Weber, BB 1995, 157, 163-164.

94 U.A.Weber, BB 1995, 157, 164. Ähnlich Hopt, ZGR 1991, 17,32 zu Art.l Nr.l der EG-Richtlinie mit dem Hinweis, ohne die Qualifizierung der Kursbeeinflussung durch das Merkmal "beträchtlich" sei das Tatbestandselement praktisch unbrauchbar. Nach Claussen, ZBB 1992, 267, 278-279 muß man die Kursprognose als Gegenwartsbeschreibung objektivieren, um die "Beträchtlichkeit" rechenbarer zu machen.

B. Insidertatsache

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"erhebliche" Kursänderung bedeuten so1l95. Andere sehen von festen Grenzen ab, um allein die Umstände des Einzelfalls entscheiden zu lassen 96 • Einigkeit besteht nur darüber, daß als Beurteilungsmaßstab eine objektivierte ex ante Sicht eines durchschnittlichen Anlegers anzuwenden ist 97 . Unerheblich ist, ob der Wertpapierkurs später auch tatsächlich auf das Bekanntwerden der Information durch Ausschlag nach oben oder unten reagiert98 . Dem Merkmal der "Eignung zur erheblichen Kursbeeintlussung" entspricht im U.S.-amerikanischen Recht funktional die "materiality" einer Information. Ob es sich um eine "material", das heißt insiderrelevante, Information handelt, entscheidet sich dort aus der Perspektive eines durchschnittlichen vernünftigen Anlegers (reasonable investor rulet9. Allerdings ist der Beurteilungsmaßstab in U.S.A. stärker subjektiv geprägt. Die ex ante Sicht muß sich nicht auf eine mögliche Eignung zur Kursbeeintlussung beziehen. Es reicht aus zu beantworten, ob ein vernünftiger Investor der Information mit hoher Wahrscheinlichkeit Bedeutung filr sein Anlageverhalten beigemessen hätte. Mit anderen Worten, er müßte sie als wesentliche Änderung der Gesamtheit aller zur Verfügung stehenden Informationen beurteilt haben 100. Der Anwendungsbereich des U.S.amerikanischen Informationsbegriffs ist also formal geringfilgig weiter als der des WpHG. Das dürfte sich aber in kaum einem Fall praktisch auswirken.

95 Die vorgeschlagenen Prozentsätze der Preisabweichung vom Vortageskurs reichen von 15% bei Claussen, ZBB 1992,267,278 bis sogar nur 2% bei Möller, BFuP 1994, 99, 106; näher Caspari, ZGR 1994, 530, 541-542. 96 Abwägend Assmann, in: Assmann/Schneider, § 13 Rz.69-70; ausführlich Kümpel, WM 1994,2137,2139-2141; ders., WM 1996,653,654-656; Hopt, ZGR 1991,17,32. Zusammenfassend und im Ergebnis ablehnend zu den bisher gemachten Vorschlägen Tippach, S.121-135; ders., S.153 mit eigenem Vorschlag, dessen Erheblichkeitsschwelle sich an EG-rechtlichen Publizitätspflichten orientiert. 97 Zur praktischen Vorgehensweise des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel bei der Ermittlung von Insidergeschäften im Rahmen erheblicher Kursschwankungen Dreyling, in: ClausseniSchwark, S.I, 2-4. 98 U.A.Weber, BB 1995, 157, 163; Assmann, in: Assmann/Schneider, § 13 Rz.65. Bergmans, S.72 weist zutreffend darauf hin, daß nichtsdestoweniger der tatsächliche spätere Kursausschlag der erste Indikator dafür sein wird, daß die Information auch im Zeitpunkt des Wertpapiergeschäfts einem verständigen Anleger zu einer erheblichen Kursbeeinflussung geeignet erscheinen mußte.

99 Dazu Basic Inc. v. Levinson und s.E.c. v. Texas GulfSulphur Co.; siehe ausführlich oben Teil2, Kap.l, B.l1.4. Zum "materiality"-Konzept auch Wang/Steinberg, S.129-152; Wymeersch, in: Hopt/Wymeersch, S.65, 116-117; Winner, 3 Transnat'l Law. 231, 248-250 (1990). 100 Das ist der sog. "total mix"-Test zur Bewertung einer Nachricht als Insiderinformation; dazu insbesondere TSC Industries Inc. v. Northway Inc., 426 V.S. 438, 449 (1976), siehe oben Teil 2, Kap. I , B.II.4.

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Teil 4: Deutschland

IV. Zwischenergebnis Vergegenwärtigt man sich das marktrechtliche Regelungsziel des deutschen Insiderrechts, so ist der Weiterentwicklung des Informationsbegriffs beizupflichten. Sie bedeutet gegenüber der EG-Richtlinie eine nochmalige Ausweitung des Anwendungsbereiches. Im Rahmen des WpHG ist keine kursrelevante Information mehr von der Anwendung des Insiderrechts ausgenommen; und zwar auch dann nicht, wenn die Informationsquelle außerhalb eines Unternehmens oder in einem wenig beachteten Marktbereich liegt. Die inhaltliche Unterscheidung zwischen Unternehmens- und Marktinformationen hat keine rechtliche Relevanz mehr. Im Hinblick auf den Informationsbegriff erreicht das WpHG dieselbe praktische Anwendungsbreite wie die in s.E.c. v. Texas GulfSulphur Co. 101 und United States v. Carpenter l02 zum Ausdruck kommende U.S.-amerikanische Regelung: Jede Information kann ungeachtet ihres Inhalts eine Insidertatsache i.S.v. § 13 Abs.l WpHG sein. Ausschlaggebend ist allein ihre formale Qualifizierung. Dieser Ansatz trägt so umfassend wie möglich zur Sicherung der Marktintegrität und des darauf basierenden Anlegervertrauens bei.

c. Insiderpapiere I. Wertpapiere Die fUr Informationsmißbrauch in Betracht kommenden Wertpapiere sind in § 12 LV.m. § 2 Abs.l WpHG benannt. Die deutsche Regelung lehnt sich auch hier wieder eng an die gemeinschaftsrechtliche Vorgabe an 103 • Im Hinblick auf seinen umfassenden Schutzzweck erfaßt das WpHG nicht nur Aktien und Schuldverschreibungen, sondern auch Optionen lO4 , Bezugsrechte, Fondsanteile und Finanzterminkontrakte lOs • Dabei ist die umfassende Einbeziehung der abgeleiteten Wertpapiere, der sog. Derivate, besonders wichtig. Denn bei ihnen sind durch relativ geringen fmanziellen Einsatz hohe Gewinne oder Verluste

101

SE.c. v. Texas GulfSulphur Co.; siehe oben Teil 2, Kap. 1, B.II.

102

United States v. Carpenter; siehe oben Teil 2, Kap.3, B.1.2.

Siehe oben Teil 3, c.1. Claussen, WM 1997, 1825, 1826-1832 unterscheidet zwischen selbständigen Optionsscheinen und Aktienoptionen zur Vergütung der Mitarbeiter von Emittenten, sog. "stock options". 103

104

lOS § 12 Abs.2 i.V.m. § 2 Abs.l WpHG; ausfllhrlich Caspari, ZGR 1994,530, 534536; Siebold, S.224-229.

C. Insiderpapiere

183

möglich. Wegen dieser Hebelwirkung bieten solche Finanzinstrumente einen besonderen Anreiz rur Insiderpraktiken 106. Das WpHG definiert Insiderpapiere so weit, daß kaum Wertpapierformen denkbar sind, mit denen sich Insidergeschäfte in anonymen Märkten sanktionslos tätigen ließen l07 . Im Vordergrund steht also nicht die konkrete rechtliche Ausgestaltung eines Wertpapiers lO8 , sondern das informationelle Mißbrauchspotential, daß der Handel mit ihm eröffnet. Insoweit verläuft der deutsche Insiderpapierbegriff inhaltlich parallel zum ebenfalls sehr weit greifenden "securities"-Begriff im U.S.-amerikanischen Insiderrecht lO9 .

11. Märkte Das Insiderrecht des WpHG ist in allen Börsensegmenten des deutschen Kapitalmarkts anwendbar. Hierzu gehören die Teilbereiche "Amtlicher Handel", "Geregelter Markt", "Freiverkehr" und seit kurzem "Neuer Markt"llO; sie sind jeweils unterschiedlich stark reglementiert. Obwohl der "Freiverkehr" an den deutschen Börsen auf privatrechtlicher Grundlage - und nicht durch staatlich anerkannte Stellen LS.d. der EG-Richtlinie lll - geregelt wird, war seine Einbeziehung in den Geltungsbereich des WpHG geboten 112. Ähnliches gilt rur den "Neuen Markt"; dieser ist zwar ebenfalls privatrechtlich organisiert, die Aufnahme eines Emittenten setzt aber voraus, daß das Unternehmen zunächst zum

106 UA.Weber, BB 1995, 157, 164; Caspari, ZGR 1994,530,535; Claussen, ZBB 1992,267,280. 107

Vgl. Schwark, in: ClausseniSchwark, S.32, 35-36; siehe auch oben Teil I, C.III.

Auf die konkrete Wertpapierform kommt es in U.S.A. im Rahmen der Fiduciary Duty Theorie an. Die Insiderregeln sind dort nur anwendbar, wenn es sich bei den gehandelten Wertpapieren um Aktien handelt. Näher dazu oben Teil 2, Kap.2, C.I1.3.b) und c). 108

109 Anwendbar ist Section 3 (a) (10) des S.E.A. 1934; ausführlich oben Teil 2, Kap.2, C.I1.3.a). 110 Der "Neue Markt" ist als viertes Börsensegment im März 1997 mit dem Handel der Anteile der MobilCom AG gestartet. Ausführlich zum "Neuen Markt" Kersting, AG 1997,222-228; PotthofflStuhlfauth, in: WM Sonderbeilage Nr.3/1997, S.I-12; zu den bereits vorher bestehenden Marktsegmenten, dies., SA m.w.N. sowie grundlegend Schwark, NJW 1987,2041 ff. 111 Siehe Art. 1 Nr.2, 2.HS der EG-Richtlinie; dazu oben Teil 3, C.I1. 112 Die Einbeziehung des Freiverkehrs in Deutschland hat man schon im Rahmen der

EG-Richtlinie gefordert; vgl. nur Claussen, ZBB 1992, 267, 279-280; Schädermeierl Wallach, EuZW 1990, 122, 124.

184

Teil 4: Deutschland

Handel im "Geregelten Markt" und damit in einem öffentlich-rechtlichen Marktsegment zugelassen ist l13 . Übergreifend ist festzuhalten: Das Anlegerpublikum unterscheidet nicht nach dem Handelsbereich, in dem Insiderhandel stattfindet. Man muß also durch die Einbeziehung aller Börsenbereiche der Gefahr begegnen, daß sich Insiderpraktiken in einem einzelnen Marktsegment negativ auch auf das Vertrauen der Anleger in die Integrität der übrigen Marktsegmente auswirken 114. Auch in U.S.A. kann man auf einen vergleichbar weitreichenden Begriff der "Börse" (exchange) zurückgreifen, so daß - jedenfalls diesbezüglich - keine Lücken bei der Anwendung des Insiderrechts entstehen 11 5. Das WpHG erfaßt neben Insiderpapieren, die in Deutschland gehandelt werden auch solche, die auf hoheitlich überwachten Märkten der Mitgliedstaaten der EU und des EWR zum Handel zugelassen sind. Das deutsche Recht zielt auf die Integrität des "Finanzplatzes Deutschland" also auch in den Fällen, wo lediglich der Insider in Deutschland agiert, sein Geschäft aber an einem anderen europäischen Börsenplatz abschließt" 6 • Der umfassende Insiderpapierbegriff des WpHG bietet zusammen mit der weiten Einbeziehung der für Insiderhandel in Betracht kommenden Märkte bzw. Marktsegmente eine wichtige Grundvoraussetzung für ein marktorientiertes Insiderrecht ll7 . Die Marktbezogenheit des Regelungselements "Insiderpapier" kann sich aber erst im Zusammenspiel mit den Tatbestandsmerkmalen "Insider" und "Insidertatsache" vollständig entfalten. Diese bei den Teil-Tatbestände sind ausschlaggebend für die Gesamtbeurteilung der im WpHG zum Ausdruck kommenden Insiderrechtstheorie.

113

Zum Zulassungsmechanismus beim "Neuen Markt" Kersting, AG 1997,222,223.

Vgl. Hausmaninger, S.223; Assmann, AG 1994,237,245; Möller, BFuP 1994, 99, 102; Caspari, ZGR 1994, 530, 534. 115 Siehe die Definition einer "Börse" (exchange) im U.S.-amerikanischen Recht, Section 3 (a) (I) des S.E.A. 1934: "(A) market place or facilities for bringing together purchasers and seilers of securities or for otherwise performing with respect to securities the functions commonly performed by a stock exchange as that term is generally understood"; dazu Loss/Seligman, S.628-642. 114

116 § 12 Abs.1 i.V.m. § 2 Abs.1 WpHG; dazu U.A.Weber, BB 1995, 157, 165; Caspari, ZGR 1994, 530, 534; Möller, BFuP 1994, 99, 100; Wymeersch, in: Hopt/ Wymeersch, S.65, 102-104. 117 Vgl. Wymeersch, in: Hopt/Wymeersch, S.65, 95. AusflihrIich Assmann, in: Assmann/Schneider, § 12 Rz.2- 13; speziell zur Berücksichtigung des Handels per Erscheinen in § 12 Abs.1 S.2 WpHG sowie zur Nichterfassung ausschließlich im Telefonverkehr gehandelter Papiere, ders., a.a.O., RZ.2-3, 5; U.A. Weber, BB 1995, 157, 164-165.

D. Verbotstatbestand

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D. Verbotstatbestand I. Inhaltliche Ausgestaltung

Auch der Verbotstatbestand des WpHG hält sich nahezu wörtlich an die gemeinschaftsrechtliche Vorgabe. Auch hier wird zwischen Primär- und Sekundärinsidern unterschieden. Das deutsche Insiderrecht unterwirft einen Primärinsider in § 14 Abs.1 WpHG einem dreifachen Verbot. Danach ist es ihm untersagt, I.

unter Ausnutzung seiner Kenntnis von einer Insidertatsache Insiderpapiere für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen zu erwerben oder zu veräußern,

2. einem anderen eine Insidertatsache unbefugt mitzuteilen oder zugänglich zu machen, 3.

einem anderen auf der Grundlage seiner Kenntnis von einer Insidertatsache den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren zu empfehlen l18 •

Demgegenüber unterliegen Sekundärinsider weiterhin nur einem eingeschränkten Insiderhandelsverbot. § 14 Abs.2 WpHG bestimmt, daß für sie nur der erste Teil des dreigliedrigen Verbotstatbestands gilt ll9 . Ihnen ist es lediglich verboten, Insidergeschäfte selbst abzuschließen. Die Weitergabe der Information oder einer darauf basierenden Geschäftsempfehlung ist bei Sekundärinsidern nicht sanktioniert. Solches Verhalten läßt sich daher lediglich im Rahmen allgemeiner strafrechtlicher Kriterien als Beihife zu einem dadurch ermöglichten Insidergeschäft ahnden 120. 11. Kausalität

Nach § 14 Abs.1 Nr.1 WpHG liegt ein verbotenes Insidergeschäft nur vor, wenn es der Handelnde "unter Ausnutzung seiner Kenntnis von einer Insidertatsache" abschließt. Zwischen der Kenntnis einer kursrelevanten Information und dem Abschluß eines vorteilhaften Wertpapiergeschäfts muß ein Ursachen-

118 Auch Art.2 Abs.l sowie Art.3 a) und b) der EG-Richtlinie enthalten diese drei Einzeltatbestände. Assmann/Cramer, in: Assmann/Schneider, § 14 Rz.6-73 bieten eine ausführliche Erläuterung zu den drei Tatbeständen des § 14 Abs.l WpHG. 119

Ebenso verfährt Art.4 der EG-Richtlinie.

120 Zur Schaffung möglicher Strafbarkeitslücken durch diesen im Ergebnis inkonsequent eingeschränkten Verbotstatbestand Tippach, S.175; vgl. Assmann, WM 1996, 1337, 1339.

186

Teil 4: Deutschland

zusammenhang bestehen. Das ist ein wichtiges Detail des deutschen Verbotstatbestands. Es sorgt dafür, daß Börsenhändler, Kursmakler l21 oder andere Finanzintermediäre bei ihrer regulären Geschäftstätigkeit nicht von Insiderhaftung nach § 14 Abs.1 Nr.1 WpHG bedroht sind. Denn sie sind häufiger als andere im Besitz von Insiderinformationen und schließen auch berufsmäßig Wertpapiergeschäfte ab 122 ; gleichwohl besteht zwischen beidem, jedenfalls bei regulärer Tätigkeit, nicht der im Verbotstatbestand geforderte Kausalzusammenhang 123 • Ihre Berufsausübung wird also in dieser Hinsicht durch das neue Insiderrecht nicht beeinträchtigt l24 • Auch die EG-Richtlinie fordert als Haftungsvoraussetzung ein "Ausnutzen" der Insiderinformation und läßt ledigliehe Zeitgleichheit zwischen dem Abschluß eines Wertpapiergeschäfts und entspechendem Insiderwissen nicht genügen. Darüberhinaus weist sie aber noch ausdrücklich darauf hin, daß Berufsgruppen wie "Marketmaker oder Börsenbroker"l25 kein Insidergeschäft abschließen, wenn sie im Rahmen ihrer normalen Tätigkeit handeln. Eine solche ausdrückliche Ausnahme nennt das WpHG nicht mehr. Die deutsche Regelung vertraut also allein auf die Funktion des Kausalitätskriteriums als Haftungsfilter, um innerhalb des Kapitalmarktes reguläre Berufstätigkeit von mißbräuchlichen Insidermachenschaften abzugrenzen. Dieser Ansatz stellt an die Überwachung und Durchsetzung der Insidernorm besonders hohe Anforderungen. Gleichzeitig unterstreicht er die ausgeprägte Funktionalität des in § 14 Abs.1 Nr.1 WpHG normierten Insiderhandelsverbots. Ein Vergleich mit der deutschen Insiderregelung verdeutlicht einige der Schwierigkeiten des V.S.-amerikanischen Rechts. Dort ist der insiderrechtliche Grundtatbestand weniger differenziert. Im Anschluß an einige jüngst ergangene

121 Caspari ZGR 1994, 530, 545 bezeichnet die Kursmakler anschaulich als "geborene Insider", da sie "kraft ihrer Funktion über Marktinformationen verfügen, die kursrelevant sein können." 122

Was ihre Stellung als Primärinsider als begründet.

Deutlich Assmann/Cramer, in: AssmanniSchneider, § 14 Rz.36 m.w.N.; vgl. Deutsche Börse AG, WM 1994, 2038, 2041. 124 Dazu auch oben A.I.3.b). 123

125 Siehe die Präambel der EG-Richtlinie. "Marketmaker" sind verpflichtet, regelmäßig Kurse für die Angebots- und Nachfrageseite zu stellen und zu diesen Kursen Wertpapiergeschäfte zu tätigen. Erläuternd Caspari, ZGR 1994, 530, 544, 545; Hopt, in: FS Heinsius, S.289, 290-291; vgl. die Definition eines "marketmaker" in Section 3 (a) (38) des S.E.A. Englische und U.S.-amerikanische Börsen funktionieren nach dem "marketmaker"-Prinzip. An deutschen Börsen gilt das Auktionssystem, zur Preisfindung werden keine Marktmacher benötigt; zum Vergleich der beiden Systeme Tippach, S.19; Commichau, WM 1996,247-248.

D. Verbotstatbestand

187

Entscheidungen 126 ist insbesondere das Kausalitätserfordernis unklar: Muß einem Verdächtigen, der ein vorteilhaftes Wertpapiergeschäft getätigt hat, nachgewiesen werden, daß er dabei eine Insiderinfonnation ausgenutzt hat ("use"Test)127? Oder reicht schon der Beweis, daß er zur Zeit des Geschäftsabschlusses im wissentlichen Besitz einer verwertbaren Insiderinfonnation gewesen ist ("knowing possession" -Test y28? Wegen eingeschränkter Rechtssicherheit im Hinblick auf das Kausalitätselement kann der Verbotstatbestand in U.s.A. keine so umfassende Filterfunktion erfüllen wie in Deutschland 129. Der Anwendungsbereich des Insiderrechts wird in der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung nicht über die Verbotsebene, sondern vor allem über den Begriff des Insiders, das heißt in personeller Hinsicht gesteuert. Dabei bleibt aber Unsicherheit bezüglich der Geltung des HandeIsverbots, vor allem unter den Finanzintennediären. Im Anschluß an die EGRichtlinie trägt in Deutschland schon der Wortlaut des Verbotstatbestands zur Klärung dieses Problems bei.

III. Verbleibender Widerspruch Das WpHG behält die Zweiteilung des Insiderhandelsverbots bei. Für die Primärinsider gelten neben dem Grundtatbestand des Abschlusses eines Insidergeschäfts noch zwei Vorfeldtatbestände: das Weitergabe ßo und das Empfehlungsverbot l31 . Dieser umfassende Tatbestand entspricht den auch in U.S.A. geregelten Handlungsalternativen lJ2 • Im Unterschied zu Primärinsidern gilt für Sekundärinsider aber nur ein eingeschränktes Verbot. Diese Einschrän-

126 Insbesondere United States v. Teicher; siehe oben Teil 2, Kap. I , C.II.3. 127 Dies entspricht der deutschen Rechtslage nach dem WpHG. 128 Zur unübersichtlichen U.S.-amerikanischen Rechtslage ausführlich oben Teil 2, Kap. I, C.II.3. 129 Und zwar unabhängig von der verfolgten Haftungstheorie, denn diese wirkt sich regelmäßig nur auf den Kreis der potentiellen Insider aus; vergleichend Wymeersch, in: HoptlWymeersch, S.65, \06- \07. 130 Zum Vorfeldtatbestand der unbefugten Informationsweitergabe gern. § 14 Abs.1 Nr.2 WpHG, insbesondere zur sinnvollen Eingrenzung des Tatbestands durch das Merkmal "unbefugt" Caspari, ZGR 1994, 530, 545; Assmann/Cramer, in: Assmannl Schneider, § 14 Rz.41-48. \31 Zum Empfehlungsverbot nach § 14 Abs.I Nr.3 WpHG, Assmann/Cramer, in: Assmann/Schneider, § 14 RZ.68-73. lJ2 Aus U.S.-amerikanischer Sicht speziell zum Problem der Insiderüberwachung, wenn lediglich ein Anlagetip ohne die zugrunde liegende Information weitergegeben wird Salbu, 68 Wash.L.Rev. 307, 317-320 (1993).

188

Teil 4: Deutschland

kung konnte schon im Rahmen der EG-Richtlinie nicht überzeugen; bei der Umsetzung war eine Angleichung an das für Primärinsider geltende Verbot vielfach erwartet worden J3J. Mit der Beibehaltung unterschiedlicher Verbotstatbestände versagt sich der deutsche Gesetzgeber die Möglichkeit, den durch die EG-Richtlinie geschaffenen, unbefriedigenden Zustand zu beenden und das Insiderhandelsverbot für alle Normadressaten auf eine einheitliche Basis zu stellen. Die Möglichkeit dieser Erweiterung hat Art.6 der EG-Richtlinie den nationalen Gesetzgebern sogar ausdrücklich eingeräumt. Ein eingeschränkter Verbotstatbestand für Sekundärinsider ist keineswegs zwingend. Er erhöht in erster Linie die Gefahr praktischer Probleme bei der Verfolgung von Insidergeschäften. Auch in U.S.A. ist ein solcher Gedanke niemals erwogen worden\34. Unabhängig von der jeweils verfolgten Insiderrechtstheorie ist man immer vom mehrgliedrigen Verbotstatbestand auch für Tipempfänger ausgegangen und hat Handelsverbot und Weitergabe- bzw. Empfehlungsverbot als zwei Seiten derselben Münze behandelt l3S • Wegen des unterschiedlichen Verbots für Primär- und Sekundärinsider kommt der Unterscheidung zwischen Informationsausnutzung und Informationsweitergabe besondere Bedeutung zu. Das ist problematisch, weil die Grenze zwischen eigener Verwertung und Weitergabe der Information in der Praxis weniger deutlich ist, als es der Wortsinn vermuten läßt. Das zeigt etwa der Fall s.E.c. v. Lund\36. Häufig kann gerade die Weitergabe von Insiderinformationen für den Informanten mit nicht-monetären Vorteilen verbunden sein und ihm dadurch einen vergleichbaren oder sogar größeren Gewinn bringen, als wenn er

133 Eine Angleichung der Verbotstatbestände hat - erfolglos - schon der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf des WpHG, BT-Drucks. 12/6679, S.94, gefordert; entsprechende Anregungen geben auch C/aussen, ZBB 1992, 267, 274; Assmann, AG 1994,237,248; näher Assmann/Cramer, in: Assmann/Schneider, § 14 Rz.94; vgl.lmmenga, ZBB 1995, 197,206.

\34 Ergänzend gilt hier das schon zum Vergleich zwischen EG-Regelung und V.S.amerikanischem Recht Ausgeführte; siehe oben Teil 3, 0.1.2. und 11.2. l3S Anschaulich Bergmans, S.180: "(T)ipping could be considered as indirect trading because the information will probably end up being used in securities trading". Ausdrücklich s.E.c. v. Texas Gulf Sulphur Co., a.a.O., oben Teil 2, Kap.l, 8.11., S.852; Shapiro v. Merill Lynch, Pierce, Fenner & Smith Inc., a.a.O., oben Teil 2, Kap.l, B.III., S.238 sowie nochmals deutlich zur Anerkennung der Insiderhaftung bei bewußter Informationsweitergabe State Teachers Retirement Board v. Flour Corp., 654 F.2d 843, 854 (2d Cir. 1981). Vgl. auch die Betonung des Weitergabe- bzw. Tipverbots im Regelungsvorschlag von Fisch, 26 Ga.L.Rev. 179,242-243,246-247 (1991).

\36 S.E.c. v. Lund; siehe oben Teil 2, Kap.2, B.III.!.

D. Verbotstatbestand

189

die Infonnation selbst unmittelbar an der Börse ausgenutzt hätte 137. Dies gilt insbesondere innerhalb eines Beziehungsgetlechts zwischen mehreren Marktteilnehmern. Darüberhinaus zeigen Fällen wie In Re Investors Management Co. 138, Dirks v. s.E.c. 139 und United States v. Chestman l40 , wie leicht auch hochsensible Infonnationen bei einem von der Quelle weit entfernten Tipempfänger (remote tippee) ankommen können. Durch fortgesetzte unkontrollierte Weitergabe einer Infonnation sind ihre Verwertungsmöglichkeiten immer schwerer zu überblikken. Dieser Umstand kann das Anlegervertrauen in die Marktintegrität genauso getahrden, wie der unmittelbare Abschluß eines Insidergeschäfts. Aus diesem Grunde gilt in U.S.A. auch für Tipemptanger der umfassende Verbotstatbestand, der in Deutschland nur auf Primärinsider Anwendung findet. Insgesamt beinhaltet der eingeschränkte Verbotstatbestand bei Sekundärinsidern im Rahmen des WpHG einen noch größeren Widerspruch als innerhalb der EG-Richtlinie. Bei dieser konnte man noch argumentieren, daß sich die rechtliche Stellung des Sekundärinsiders aus der infonnationellen Anbindung an einen Primärinsider ableite und ein eingeschränktes Verbot deshalb hinreichend sei, weil die Primärinsider der Regelfall seien und jedenfalls diese einem umfassenden Verbot unterlägen l41 • Einer solchen Argumentation ist spätestens durch § 14 Abs.2 WpHG der Boden entzogen, da der deutsche Gesetzgeber das Kriterium infonnationeller Anbindung des Sekundär- an einen Primärinsider aufgegeben hat l42 •

137 Auf diesen Zusammenhang weist anschaulich Seligman, 73 Geo.L.J. 1083, 11321133 (1985) hin. 138

In Re Investors Management Co.; siehe oben Teil 2, Kap. 1, B.l11.1.

139

Dirks v.

140

United States v. Chestman; siehe oben Teil 2, Kap.3, B.l1.2.

s.E.c.; siehe oben Teil 2, Kap.2, B.l1.

Vgl. oben Teil 3, A.1l1.!. Im Jahre 1997 wurde in Deutschland der erste Sekundärinsider verurteilt, Bundesaufsiehtsamt for das Wertpapierwesen, Jahresbericht 1997, S.19. Allerdings hatte dieser sein Insiderwissen einem Primärinsider entlockt; er wäre also auch dann noch haftbar gewesen, wenn im deutschen Recht eine informationelle Koppelung von Sekundärinsider an Primärinsider bestehen würde. 141

142

190

Teil 4: Deutschland

E. Bewertung der Regelungselemente I. Einheitlicher Insiderbegriff Im Hinblick auf den Gesamttatbestand des deutschen Insiderrechts stehen Primärinsider 143 und Sekundärinsider, trotz ihres so unterschiedlichen Ansatzes, in einem engen Verhältnis zueinander. Begrifflich muß sowohl ein Primär- als auch ein Sekundärinsider bewußte Kenntnis von einer Insidertatsache haben 144. Ein Unterschied liegt allein darin, daß für einen Sekundärinsider der Tatbestand hiermit bereits erfüllt ist, während für einen Primärinsider noch weitere Merkmale hinzukommen müssen. So ist jeder Primärinsider auch Sekundärinsider ist l45 • Obwohl das WpHG unterschiedliche Insidergruppen nennt, folgt die Insidererfassung im Kern also bereits aus der Kenntnis einer Insid~rinforma­ tion l46 • Streng genommen entfiillt damit auch jede Unterscheidung zwischen verschiedenen Arten von Insidern, etwa Unternehmens insider oder Tipempfiinger. Sie hat nur noch deskriptiven Charakter, aber keine rechtliche Abgrenzungsfunktion mehr l47 • In einem einheitlichen rechtlichen Rahmen können unterschiedliche Insiderbegriffe allenfalls noch auf unterschiedliche Arten der Informationserlangung hinweisen; etwa nach dem Muster: Primärinsider = typ ischerweise, Sekundärinsider = ausnahmsweise informiert. Festzuhalten ist: Wenn - wie im WpHG - die Wertungsgrundlage des Insiderhandelsverbots allein am Wissensvorsprung ansetzt, können rein faktische

143 Die ersten beiden Primärinsidergruppen des § \3 Abs.l WpHG lassen sich annähernd dem Regelungsumfang der Fiduciary Duty Theorie, die dritte Primärinsidergruppe dem berufs- bzw. auftragsrechtlich geprägten Ansatz der Misappropriation Theorie zuordnen; dazu ausftihrlich oben Teil 3, A.I.3. 144

Vgl. § \3 Abs.l, 2.HS und § 14 Abs.2 WpHG.

Das wird häufig nicht erkannt. Siehe nur Krimphove, JZ 1994, 23, 26: "Die Erweiterung des Gesetzes auf sogenannte Sekundär-Insider ist nötig, um die unerwünschte Nutzung von Insiderinformationen, die von einem Primärinsider abgeleitet ist, zu untersagen". Diese Aussage geht am personellen Kemtatbestand des deutschen Insiderrechts vorbei. 145

146 Das dies eine tiefgreifende Neuerung ist, läßt sich daran ablesen, daß beispielsweise Hopt, in: HoptlWymeersch, S.129, 136 noch wie selbstverständlich darlegt: "(E)very insider regulation needs to qualify the concept of insider beyond the mere possession (Hervorhebung d.Verf.) ofinside information". 147 Denn Primär- und Sekundärinsider unterliegen im Kern auch demselben Handelsverbot; es wird bei Primärinsidern lediglich um ein Weitergabe- und Empfehlungsverbot ergänzt.

E. Bewertung der Regelungselemente

191

Unterschiede die rechtliche Bewertung nicht mehr beeinflussen l48 • Da es nur noch einen einheitlichen personellen Grundtatbestand gibt, verschleiert die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärinsidern den rechtlich identischen Regelungsansatz. Diese Differenzierung ist lediglich ein Überbleibsel des in der EG-Richtlinie verkörperten Nebeneinanders unterschiedlicher Regelungsphilosophien. Um gegenüber dieser vormals bestehenden Methodenmischung das Verständnis der deutschen Regelung zu erleichtern, müssen die Sekundärinsider stärker in den Mittelpunkt gerückt werden. Sie sind Ausdruck eines einheitlichen Insiderbegriffs des WpHG.

11. Information als Kernbegriff 1. Zentrales Tatbestandsmerkmal

Die besondere Stellung der Insidertatsache als Tatbestandsmerkmal ergibt sich im Zusammenspiel mit dem Insiderbegriff des WpHG. Erstens verzichtet der Insiderbegriff in seinem Grundtatbestand auf eine personelle Eingrenzung des Adressatenkreises l49 • Zweitens knüpft der Normbefehl nicht mehr an den treu- oder sonderrechtlichen Status des Informierten an, sondern nur noch an die Qualität der Information. Folglich löst bei jedermann schon das Wissen einer Insiderinformation bzw. -tatsache ohne weiteres die Sanktionsdrohung aus. Dadurch wird die Insidertatsache als Tatbestandsmerkmal zum Kernbegriff des deutschen Insiderrechts. Das ist ein auch international bemerkenswertes Novum. Lange Zeit hatte man sich gerade gegen eine tatbestandIich ausschlaggebende Stellung des Begriffs der "Information" ausgesprochen l50 • Jetzt aber ist sie nicht nur faktisches Tatmittel des Insiders, sondern macht den Informierten überhaupt erst zum Insider. Darüberhinaus ist sie gegenüber der EG-Richtlinie durch den Wegfall jeglicher inhaltlicher Beschränkungen gekennzeichnet l51 • 148 Hopt, ZGR 1991, 17,68 greift diesen Gedanken bereits für den Bereich des Aktienrechts auf; er bezieht sich dabei auf den weitgehend nur faktischen Unterschied zwischen Klein- und Großaktionären. 149 Siehe oben E.I.

150 So schon ausdrücklich In Re Investors Management Co., 44 S.E.c. 633, 648 (1971): "It is important in this type of case to focus on po1icing insiders and what they do ... rather than on policing infonnation per se and its possession" (S.E.C. Commissioner Smith in seiner "concurring opinion"); diese Aussage macht sich wörtlich auch das Gericht in Dirks v. s.E.C, 463 U.S. 646, 663 (1983) zu eigen. Konträr dazu erst die neuere Forderung von Bergmans, S.182: "Rather than focusing on certain acts of certain persons and their relationship to other persons, the law should directly deal with information"; vgl. Tippach, S.69. 151 Der Regelungsansatz der EG-Richtlinie ist neben dem Infonnationsbegriff entscheidend durch den Insiderbegriff geprägt. Siehe ausführlich oben Teil 3, E.

192

Teil 4: Deutschland

Trotz dieser zentralen Bedeutung hat in Deutschland die Diskussion über die Klassifizierung der vom WpHG einbezogenen Insider bislang Übergewicht gegenüber der Analyse des Informations- bzw. Tatsachenbegriffs. Das wird der Regelungstheorie des WpHG nicht gerecht l52 • Der möglichst präzisen und damit rechtssicheren, formalen Ausdifferenzierung des Begriffs der Insidertatsache muß daher im Rahmen der zukünftigen Rechtsentwicklung die größte Aufmerksamkeit gelten.

2. Vergleich Die hohe Bedeutung des Merkmals der "Insidertatsache" war durch die EGRichtlinie nicht vorgegeben lSJ • Das zeigt ein Vergleich mit der Rechtslage in England. Dort hat man die EG-Richtlinie durch den Criminal lustice Act von 1993 umgesetzt. Dessen Section 56 (1 )(a) schließt Marktinformationen 154 als mögliche Insiderinformationen ausdrücklich von der Regelung aus l55 • Dadurch ist, anders als beim WpHG, der Inhalt der Information für die Anwendbarkeit des Insiderrechts mitentscheidend l56 • Personen, die bestimmte Marktinformationen erfahren, entgehen dem Insiderhandelsverbot. Von einer zentralen, allein an der formalen Qualifizierung einer Nachricht als Insiderinformation orientierten, Stellung dieses Tatbestandsmerkmal kann im neuen englischen Insiderrecht somit nicht gesprochen werden.

152 Vgl. die Bemerkungen von Claussen, ZBB 1992,267,274; ders., OB 1994,27, 29-30; besonders kritisch Haouache, S.I 02-1 04, der den Begriff der Insidertatsache in seiner derzeitigen Fassung (§ 13 Abs.1 WpHG) wegen Verstoßes gegen das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot gern. Art. I 03 Abs.2 GG für verfassungswidrig hält. 153 Zum Streit über den möglichen Inhalt einer Insiderinformation im Rahmen der EG-Richtlinie; siehe oben Teil 3, 8.11.3. 154 Section 56 (I)(a) des englischen Criminal lustice Act (1993) versteht darunter Informationen, die sich nicht auf einzelne Wertpapiere oder Emittenten beziehen, sondern auf Wertpapiere und Emittenten generell (information which relates ... to securities generally or to issuers of securities generally). 155 Damit ist zweifelhaft, ob so zentrale insiderrechtliche Sachverhalte wie Chiarella v. United States, s.E.C v. Materia oder United States v. Carpenter durch das englische Insiderrecht im Criminal lustice Act (1993) überhaupt erfaßbar sind. Näher zur englischen Rechtslage nach Umsetzung der EG-Richtlinie RiderlAshe, S.15, 32; Herrington! Glover, in: Assmann/Wegen, S.33-57. 156 Wegen der engen tatbestandlichen Fassung beim Informationsbegriff läßt sich die Frage aufwerfen, ob das englische Insiderrecht die Vorgabe der EG-Richtlinie adäquat umgesetzt hat. Kritisch dazu RiderlAshe, S.15; Assmann, in: Assmann/Schneider, § 13 Rz.52.

E. Bewertung der Regelungselemente

193

3. Sprachliche Fassung Der Bedeutung des Insiderinformationsbegriffs im WpHG werden die aus dem U.S.-amerikanischen Sprachgebrauch übernommenen Termini "Insider" bzw. "Insidertatsache" nur eingeschränkt gerecht I57 • Denn bei diesen Begriffen schwingt schon sprachlich die Einteilung in (Unternehmens-) Insider und Outsider mit, also die Bezugnahme auf eine verbandsrechtliche oder andere organisatorische Stellung der Informationsinhaber. Weil es beim insiderrechtlichen Grundtatbestand des WpHG hierauf aber gerade nicht mehr ankommt, gibt der sprachliche Ausdruck den rechtlichen Gehalt nicht präzise wieder. Andere EU-Mitgliedstaaten verwenden diesbezüglich deutlichere Begriffe. So spricht etwa das niederländische Insiderrecht von "voorwetenschap", wörtlich "Vorauswissen" 158. Das französische Insiderrecht bezeichnet den Insider als "initie", wörtlich "Eingeweihter"159. Beide Ausdrücke heben sprachlich ausschließlich auf das Bestehen eines Informationsvorsprungs ab. Insofern wären sie besser als der Begriff "Insider" imstande, die durch das WpHG geschaffene neue Rechtslage zu beschreiben. Angesichts der eingeführten sprachlichen Fassung des WpHG und des fast ausschließlichen Gebrauchs des Wortes "Insider" in Deutschland soll an dieser Stelle kein Vorschlag für eine begriffliche Neuschöpfung gemacht werden 160. Festzuhalten ist aber, daß das deutsche Recht, vor allem im Vergleich mit dem U.S.-amerikanischen Recht, aber auch gegenüber der EG-Richtlinie, durch geringere Übereinstimmung zwischen sprachlichem und rechtlichem Gehalt des "Insider"-Begriffs gekennzeichnet ist. Gleiches gilt für die Abstimmung zwischen sprachlicher und rechtlicher Bedeutung des Begriffs der "Insider-

157 Konsequent Bergmans, S.178: "(T)he tenn 'insider trading' is a misnomer in the light of today's legal situation"; ders., S.182: "(A) change in terminology would be highly recommendable"; ähnlich Olson u.a., 41 Bus.Law. 223, 224 (1985); vgl. Wang/ Steinberg, S.2. 158 Zur Rechtslage in den Niederlanden nach Umsetzung der EG-Richtlinie de Seri-

ere, in: AssmannlWegen, S.I09-121; zur vorhergehenden Rechtslage nach Art.336a Wetboek van Strafrecht Siebei, in: FS Semler, S.955, 963; vergleichend Wymeersch, in: Hopt/Wymeersch, S.65, 111.

159 Zur Rechtslage in Frankreich nach Umsetzung der EG-Richtlinie Borde, in: Assmann/Wegen, S.59-73 m.w.N.; vergleichend Wymeersch, in: Hopt/ Wymeersch, S.65, 111. 160 Versuche einer deutschsprachigen Bezeichnung flir den Begriff "Insider" sind seiten geblieben. Eine in den 70er Jahren verwendete wörtliche Übersetzung als "Innenseiter" muß als wenig geglückt gelten. Siehe diesen Begriff bei Horn, ZHR 136 (1972), 369-396 sowie nochmals ders., AcP 175 (1975), 543-548 (Besprechung des Werkes von Hopt/Will von 1973). 13 Weber

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Teil 4: Deutschland

infonnation". Diese Einschränkung ist zum besseren Verständnis der deutschen Regelung zu berücksichtigen. III. Einheitliches Verbot

Das WpHG kennt für Sekundärinsider nur den eingeschränkten Verbotstatbestand. Da die deutsche Regelung in ihrem personellen Grundtatbestand aber rechtlich nicht mehr zwischen verschiedenen Arten von Insidern unterscheidet '6 1, ist eine Ungleichbehandlung beim Verbotstatbestand - jedenfalls in gesetzessystematischer Hinsicht - kaum zu rechtfertigen '62 • Der Widerspruch ergibt sich schon auf der Wertungsebene, nicht erst im praktischen Ergebnis. Eine Angleichung wäre auch rechtspolitisch sinnvoll, da deutlich geworden ist, daß Manipulationen von Sekundärinsidern für das Vertrauen anderer Investoren in die Integrität des Marktes grundsätzlich genauso schädlich sein können, wie solche von Primärinsidern '63 • Hinter der Beschränkung des Verbotstatbestands für Sekundärinsider mag die pragmatische Erwägung stecken, daß sich aus Sicht der Rechtspraxis Verstöße gegen das Weitergabe- und Empfehlungsverbot nur schwierig entdecken und verfolgen lassen. Das ist jedoch kein tragfähiges Argument, denn diese Schwierigkeiten gibt es auch bei Primärinsidern. Unter praktischen Gesichtspunkten ergeben sich aus dem Fehlen eines Weitergabe- und Empfehlungsverbots für Sekundärinsider Nachteile. Es beschwört Beweisschwierigkeiten herauf, denn die "Ware" Infonnation kann besonders schnell und einfach zirkulieren l64 • Zwar wird jeder neue bewußte Inhaber einer Insiderinfonnation automatisch zum Sekundärinsider. Ihn trifft aber nur das Verbot, selbst ein Insidergeschäft abzuschließen '65 • Der Gesetzgeber läßt hier die Chance ungenutzt, den zu überwachenden Personenkreis durch ein Weiter-

Siehe oben E.I. Haouache, S.122-124 fordert zwar nicht die Ausweitung des Verbotstatbestands für Sekundärinsider; er macht aber Bedenken geltend wegen der strafrechtlichen Ungleichbehandlung von Primär- und Sekundärinsidern, hierin sieht er einen Verstoß gegen den verfassungsrechtIichen Gleichbehandlungsgrundsatz gern. Art.3 Abs.1 GG. 161

162

163 Der deutsche Gesetzgeber erkennt dies nur im Ansatz, nämlich bei der Begründung dafür, daß für Vergehen von Primär- und Sekundärinsidern die gleiche Sanktionshöhe gelten soll; BT-Drucks. 12/6679, S.57; siehe auch die deutliche Forderung von Hausmaninger, S.186. 164 Zu drohenden Beweisschwierigkeiten bei wiederholter Informationsweitergabe RideriAshe, S.45; Hazen, 55 Law & Contemp.Probs. 231,236 (1992). Auch die Kursrelevanz bzw. der "inside"-Charakter einer Information wird tendenziell abnehmen, je länger sie zirkuliert und je weiter sie sich von ihrer ursprünglichen Quelle entfernt. 165 Vgl. schon oben Teil 3, D.II.I. A.A. Assmann, AG 1997, 50, 52, der die fehlende Einheitlichkeit des Verbotstatbestandes für praktisch unerheblich hält.

E. Bewertung der Regelungselemente

195

gabeverbot von vornherein zu begrenzen. Zwar kommen in Bezug auf eine fremde Insidertat, die durch Informationsweitergabe seitens eines Sekundärinsiders ermöglicht wurde, auch die strafrechtlichen Kategorien der Anstifterund Gehilfenhaftung gern. §§ 26, 27 StGB in Betracht. Diese können aber nur hilfsweise eine Lücke schließen, denn der deutsche Gesetzgeber hat es in der Hand gehabt, im WpHG eine vollständige Insiderregelung zu erlassen. Die Anwendung der allgemeinen Grundsätze führt demgegenüber zu höherer Rechtsunsicherheit l66 • Beispielhaft zeigen die Sachverhalte in den "familienrechtlichen" Fällen United States v. Reed 67 und United States v. Chestman l68 , daß Insiderinformationen sehr einfach und damit potentiell häufig an Personen gelangen können, die nach deutschem Recht lediglich als Sekundärinsider einzuordnen wären und deshalb das erlangte Insiderwissen sanktionslos weitergeben könnten. In der großen Zahl der hier analysierten V.S.-amerikanischen Fälle ist die Insiderinformation nicht schon an ihrer Quelle mißbraucht, sondern vor ihrer Ausnutzung an Dritte weitergegeben worden l69 • Deshalb ist es vorteilhaft, wenn auch das Insiderhandelsverbot nicht nur in bestimmten Fällen, sondern generell schon auf der Ebene der Informationsweitergabe greifen kann. In praktischer Hinsicht ist weiterhin zu berücksichtigen, daß der Vorteil für einen Informanten anstatt im selbsterzielten Börsengewinn auch in anderen, indirekten Gratifikationen seitens des Tipempfängers liegen kann. Denkbar ist beispielsweise dieser Fall: Der Angestellte einer Investmentbank informiert regelmäßig seine Familienmitglieder über Insiderinformationen, die er an seinem Arbeitsplatz erlangt. Diese können dann, da sie nach dem WpHG lediglich Sekundärinsider sind, die Informationen sanktionslos an Freunde weitergeben, die sich ihrerseits beim ursprünglichen Informanten durch Gewährung anderweitiger, nicht notwendig finanzieller, Vorteile bedanken 170. Daß sich geschäftliche

166 Denn es ist nicht klar, inwieweit dadurch die tatbestandliche Lücke, die der Gesetzgeber bei Sekundärinsidern (bewußt?) gelassen hat, wieder geschlossen werden soll. Eingehend zur Problematik AssmanniCramer, in: AssmanniSchneider, § 14 Rz.93-97 sowie zuletzt Cramer, AG 1997,59-62. 167

United States v. Reed; siehe oben Teil 2, Kap.3, B.II.1.

168

United States v. Chestman; siehe oben Teil 2, Kap.3, B.I1.2.

169 Siehe nur die Sachverhalte in Dirks v. s.E.c., oben Teil 2, Kap.2, B.II.; United States v. Newman, oben Teil 2, Kap.3, B.I.I.; United States v. Carpenter, oben Teil 2, Kap.3, B.1.2. und United States v. Reed, oben Teil 2, Kap.3, B.II.1. Besonders problematisch war die Ermittlung der Insiderhaftung in United States v. Chestman, oben Teil 2, Kap.3, B.II.2. und United States v. Willis, oben Teil 2, Kap.3, B.II1. 170 Das Beispiel zeigt, daß auch innerbetriebliche Informationsbarrieren, sog. Chinese Walls, die durch das fehlende Weitergabeverbot bei Sekundärinsidern geschaffenen Erfassungslücken nicht ohne weiteres schließen können.

13'

196

Teil 4: Deutschland

Infonnationsweitergabe und privater Anlagetip leicht miteinander vennischen lassen, zeigt der Sachverhalt in s.E.C v. Lundl7l • Um solche, unter Umständen schwer zu ennittelnde, Umgehungsgeschäfte generell zu unterbinden und um in den betroffenen Wirtschaftskreisen eine "do ut des" Mentalität erst gar nicht aufkommen zu lassen, ist ein Weitergabe- und Empfehlungsverbot auch für Sekundärinsider erforderlich 172. Wenn schon eine Unterscheidung beim Verbotstatbestand vorgenommen werden soll, so ließe sich durchaus gegenläufig zur Regelung des WpHG argumentieren: Danach wäre es ausreichend, gerade Primärinsider lediglich dem eingeschränkten Verwertungsverbot zu unterwerfen, da sie kursrelevante Informationen häufig aus beruflichen Gründen weitergeben müssen und aufgrund ihrer organisatorischen Stellung im Kapitalmarkt besser sichtbar, also besser zu überwachen sind 173 • Demgegenüber sind Sekundärinsider eher untypische Marktteilnehmer, die deshalb nur mit größerem Aufwand kontrollierbar sind 174 • Sie sollten daher schon an der Weitergabe einer Insiderinfonnation gehindert werden, um den Kreis der nur schwierig zu überwachenden Insider nicht unnötig zu vergrößern. - Soweit die der bestehenden tatbestandlichen Gewichtung genau entgegengesetzte Argumentation. Das deutsche Insiderrecht venneidet zwar viele der im Rahmen der U.S.amerikanischen Theorien vorgebrachten Kritikpunkte. Mit der Beibehaltung des eingeschränkten Verbotstatbestands rur Sekundärinsider zementiert das WpHG aber venneidbare Unstimmigkeiten. Ihre Entstehung läßt sich mit der durch Methodenmischung gekennzeichneten, EG-rechtlichen Vorgabe erklären 175 • Dennoch sollte der Gesetzgeber den Verbotstatbestand zukünftig vereinheitlichen, um die innere Stimmigkeit des deutschen Insiderrechts zu erhöhen.

171 Ausflihrlich zu diesem Problem Seligman, 73 Geo.L.J. 1083, 1132-133 (1985); siehe auch oben unter D.Il. sowie Teil 2, Kap.2, B.III.1.

172 Eindringlich Hausmaninger, S.243. Die praktischen Erfahrungen in U.S.A. haben von Anfang an gezeigt, daß ein Insiderhandelsverbot verschiedene Fonnen von Umgehungsgeschäften, also indirekten Insiderhandel, in die Sanktionsdrohung miteinbeziehen muß. Vgl. oben D.Il. 173 Praktische Überlegungen stellen Assmann, in: Assmann/Schneider, § 13 RZ.5 sowie RideriAshe, S.45 an. 174

Deshalb kritisch zur Überwachung der Sekundärinsider Schörner, S.37-38.

Die EG-Richtlinie erklärt in Art.4 i.V.m. Art.2 Abs.1 nur einen eingeschränkten, nicht den umfassenden Verbotstatbestand zur zwingenden Regelungsvorgabe flir die nationalen Insiderrechte. Im Gegensatz zu Deutschland haben andere EU-Mitgliedstaaten ein Empfehlungs- und Weitergabeverbot auch flir Sekundärinsider erlassen: Siehe Art.183, 184 des belgischen Gesetzes über Finanztransaktionen und -märkte vom 4.12. 1990; Art.2 Nr.2 und Nr.4 des italienischen Gesetzes Nr.157 vom 17.5.1991 sowie Section 57 (2)(b) i.V.m. Section 52 (I) des englischen Criminal Justice Act (1993). 175

F. Folgerungen

197

F. Folgerungen I. Verbesserte Equal Access Theorie

Die Zusammenschau der einzelnen Tatbestandselemente des WpHG ergibt das Gesamtbild der theoretischen Ausrichtung des deutschen Insiderrechts. Kombiniert man den Insiderbegriff in seiner Grundform l76 mit dem Informationsbegriff, so läßt sich potentiell jeder Marktteilnehmer und potentiell jede Information durch das neue Insiderrecht erreichen: Wer über (irgend-) eine kursrelevante Information verfUgt, ist als Insider gesetzlich erfaßt, unabhängig von einer spezifischen Stellung innerhalb des Marktes. In dieser weitreichenden Konsequenz hat das deutsche Recht die Vorgabe der EG-Richtlinie entscheidend weiterentwickelt und geht deutlich darüber hinaus 177. Es ist keine kursrelevante Information denkbar, die sich ohne Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot zu einem günstigen Geschäft verwerten ließe. Dadurch ist im Umkehrschluß sichergestellt, daß Wertpapiertransaktionen nur aufgrund solcher Informationen getätigt werden können, die allgemein zugänglich sind. Das aber ist genau der Regelungsansatz der Equal Access Theorie 178 • Demgegenüber überzeugt eine Zuordnung des deutschen Insiderrechts zur Misappropriation Theorie nicht 179 • Diese liegt zwar faktisch nahe, weil der Großteil aller Insider eine kursrelevante Tatsache zumeist berufs-, tätigkeitsoder aufgabenbedingt l80 erfahrt. Ungeachtet dieser praktischen Ähnlichkeit findet der Regelungsgrund des deutschen Insiderrechts aber keine vollständige Parallele in der Misappropriation Theorie, sondern läßt sich umfassend nur mit

176

Das sind die Sekundärinsider.

Wichtigster Beleg für diese Entwicklung: Sekundärinsider bilden den personellen Grundtatbestand des deutschen Insiderrechts. Ursprünglich hatte die EG-Kommission mit der Einbeziehung von Sekundärinsidern in die Regelungsvorgabe die nachträgliche Konsequenz daraus gezogen, daß es "wirtschaftlich und politisch nicht akzeptabel wäre, die 'tippees' aus dem Gesetzesvorschlag herauszulassen", siehe Weiter, in: Büschgen/ Schneider, S.315, 323. 177

178 Daß dieses Resultat nach der EG-Richtlinie nicht selbstverständlich zu erwarten war, zeigt der Criminal lustice Act (1993), der zur Umsetzung der europäischen Vorgabe in England erlassen wurde. Die enge Definition des Informationsbegriffs verhindert dort eine Zuordnung der neugeschaffenen Insiderregelung zur Equal Access Theorie. Zur Insiderrechtstheorie des Criminal lustice Act (1993) ausführlich, Rider/Ashe, S.14; vgl. auch oben E.II.2. 179 Vgl. aber Hopt, in: FS Beusch, S.393, 394 in Bezug auf den Vorentwurf zum WpHG: "". läßt an die U.S.-amerikanische misappropriation theory denken"; ähnlich schon zur EG-Richtlinie Claussen, ZBB 1992,267,273. 180 Dies sind die Primärinsider gemäß § 13 Abs.l WpHG. Zur Parallele im U.S.-amerikanischen Recht, siehe oben Teil 2, Kap.2, B.I.

198

Teil 4: Deutschland

der Regelungsidee der Equal Access Theorie umschreiben. Diese Unterscheidung ist wichtig; haben doch die praktischen Erfahrungen der letzten Jahre in U.S.A. gezeigt, daß der Misappropriation-Gedanke das Insiderrecht zu einem Schutzinstrumentarium privater Informationsinteressen verfälschen kann l81 . Eine gesetzliche Regelung, die sich Marktschutz auf die Fahnen schreibt, sollte diesem Verständnis von Insiderrecht keinen Vorschub leisten. Wichtige Kritikpunkte, mit denen sich die Equal Access Theorie in U.S.A. konfrontiert sieht, kann der Verbotstatbestand des WpHG ausräumen. Ein Hauptgrund fur das Scheitern der Theorie war die Tatsache, daß sie auf eine tatbestandlich nur unzureichend ausdifferenzierte Verbotsnorm zurückgreifen mußte 182 • Der Umfang des Vorsatzerfordernisses, inbesondere in Bezug auf das Vorliegen einer kursrelevanten Information, und die Frage nach der Kausalität zwischen Informationskenntnis und Wertpapiergeschäft sind bis heute nicht eindeutig geklärt l83 • Deshalb gibt es diesbezüglich keine verläßlichen tatbestandlichen Filter fiir die Insiderhaftung. Bei einem so umfassenden Regelungsansatz wie der Equal Access Theorie mußte sich diese Unsicherheit notgedrun- . gen als besonderer Nachteil auswirken. Anders als in U.S.A. trifft der Regelungsgedanke der Equal Access Theorie in Deutschland auf klarere Tatbestandsmerkmale. Die Konturen des Vorsatzerfordernisses ergeben sich aus der Einordnung in das strafrechtliche Sanktionsgefiige. Das Kausalitätserfordernis hat bereits die EG-Richtlinie und im Anschluß daran auch das WpHG formuliert l84 • Wegen des präzisen Verbotstatbestands brauchte auch fiir Wertpapieranalysten, Börsenhändler oder ähnliche Berufsgruppen, die häufig Insidertatsachen erfahren, kein Ausnahmetatbestand geschaffen zu werden 185. Somit lassen sich die gegen die Equal Access Theorie in U.S.A. angefiihrten Bedenken nicht auch gegen die Regelung im WpHG einwenden l86 •

181

Dazu oben Teil 2, Kap.3, C.!. und H.

182 Ausschlaggebend fUr das Ende der Equal Access Theorie war schließlich jedoch ein formeller Grund: ihre fehlende Vereinbarkeit mit dem Wortlaut der gesetzlichen Grundlage in Section 10 (b) S.E.A. und der darauf basierenden Rule IOb-5. 183

Siehe oben Teil 2, Kap. 1, C.II.2. und 3.

184

Art.2 Abs.l der EG-Richtlinie; daran anschließend § 14 Abs.l und Abs.2 WpHG.

185 Demgegenüber hebt die EG-Richtlinie in ihrer Präambel noch zusätzlich hervor, daß beispielsweise "Marktrnacher" und "Börsenbroker" nicht gegen das Verbot der Ausnutzung von Insiderinformation verstoßen, wenn sie im Rahmen ihrer normalen Tätigkeit Wertpapiere an- und verkaufen oder entsprechende Aufträge ausfUhren. 186 RideriAshe, S.14 vernachlässigen den spezifischen Hintergrund der U.S.-amerikanischen Rechtsentwicklung, wenn sie feststellen, es sei seltsam, daß die EG-Richtlinie den "equal access approach" verfolge, wo doch in U.S.A. nach einem halben Jahrhun-

F. Folgerungen

199

Das deutsche Insiderrecht beweist, daß der Tätigkeitsschutz unterschiedlicher Kapitalmarktakteure l87 und die Gewährung von Chancengleichheit gegenüber allen Marktteilnehmern nicht notwenig in Konflikt miteinander geraten müssen l88 • Im Rahmen des WpHG ist es gelungen, beide Ziele innerhalb eines allgemeingültigen Verbotstatbestands zu berücksichtigen. Das deutsche Insiderrecht verfolgt eine "verbesserte" Equal Access Theorie. 11. Relative informationeIle Chancengleichheit Das deutsche Insiderrecht und die Equal Access Theorie stehen rur eine kapitalmarktrechtIiche Verhaltensordnung, die die Voraussetzungen daflir bieten will, daß die Marktteilnehmer auf gleicher Informationsgrundlage Wertpapiergeschäfte tätigen können. Der Gedanke der Informationsgleichheit ist jedoch zweifach zu qualifizieren. Erstens kann nur gleicher Zugang zu Informationen gewährleistet werden. Das heißt, es herrscht lediglich Chancengleichheit; auf eine tatsächlich gleiche Informationsverteilung kommt es nicht an. Zweitens kann ein Insiderrecht auch im Rahmen der Equal Access Theorie immer nur relativ gleichen Zugang zu entscheidungserheblichen Informationen bieten. Wirtschaftliche Chancengleichheit läßt sich nicht herstellen. Dennoch wird ähnlich wie von einigen Stimmen in U.S.A. 189 auch in der deutschen Diskussion zum neuen Insiderrecht der Regelungsgedanke der Equal Access Theorie häufig mit dem Argument abgelehnt, er erstrebe das unmögliche Ziel allgemeiner Informationsgleichheit. Wie gezeigt, ist dieser Einwand nicht gerechtfertige 90 •

dert Erfahrung mit Insiderregeln festgestellt worden sei, daß diese Theorie keinen vernünftigen Regelungsansatz (no sensible basis for regulation) biete. 187 Zum Beispiel KleinanIeger, institutionelle Investoren, Analysten, Börsenhändler und Investmentbanker. \88 Im Gegensatz dazu kommt Voss, S.356, 375 in seiner Untersuchung von 1984 nach Analyse der bis dahin gemachten U.S.-amerikanischen Erfahrungen zu dem negativen Ergebnis, daß sich Chancengleichheit aller Anleger wegen der vielfältigen widerstreitenden Interessen nicht erreichen lasse; im Hinblick auf das Insiderproblem scheitere "ein kapitalmarktrechtliches Ordnungssystem" an den "inhärenten Schwierigkeiten dieses Lösungsansatzes und seiner Unvereinbarkeit mit den Funktionsbedingungen eines institutionalisierten und professionalisierten Effektenmarktes" . Kritisch auch das Fazit von Bergmans, S.95 zur EG-Richtlinie. Zu den notwendigen Unterscheidungen zwischen unterschiedlichen Marktteilnehmem oben Teil 2, Kap. I , c.u. 189 Vgl. die Kritik an der Equal Access Theorie U.S.-amerikanischer Prägung, oben Teil 2, Kap.l, c.I.

190 Schief zuletzt (1995) Tippach, S.29, der meint, die Theorie wolle "informationelle Ungleichgewichtslagen ausgleichen" (sie will sie nicht ausgleichen, sondern ihre

200

Teil 4: Deutschland

Praktische Unterschiede bei der Fähigkeit zu Sammlung, Analyse, Bewertung und Ausnutzung von Informationen ergeben sich innerhalb des Marktes naturgemäß l91 • Man braucht nur die Ausgangsposition eines börsenunerfahrenen Kleinanlegers einerseits mit der eines spezialisierten Analysten einer Investmentbank andererseits zu vergleichen. Die Einebnung eines solchen Kompetenzgefälles bzw. unterschiedlicher Nähe zum Markt kann eine Insidernorm gar nicht leisten 192. Deshalb ist die Equal Access Theorie keinesfalls als Regelungsansatz zu verstehen, der unmittelbar auf die Schaffung allgemeiner Informationsgleichheit oder die Mitteilung einer Information abzielt l93 • Die im WpHG zum Ausdruck kommende Equal Access Theorie bewirkt, daß solche Informationsunterschiede, die ein beliebiger Marktteilnehmer nicht mit legalen Mitteln überwinden kann, nicht zur Grundlage vorteilhafter Wertpapiergeschäfte gemacht werden dürfen 194. Andere Informationsvorsprünge, die durch hinreichenden organisatorischen, personellen oder analytischen Aufwand ausgeglichen werden können, bleiben unangetastet. Sie sind frei verwertbar. Auf diese Weise leistet die Insiderregelung des WpHG den entscheidenden Beitrag, um allen Marktteilnehmern relative informationelle Chancengleichheit zu gewähren.

unlautere Ausnutzung verhindern). Schneider, OB 1993, 1429, 1431 glaubt, die Verfechter einer so weitgehenden Insiderregelung hielten "Börsengewinne aus Wissensvorsprüngen für unmoralisch" und hingen damit einem "weit verbreiteten anti-marktwirtschaftlichen Vorurteil" an. Auf ähnlich engem argumentativen Grund hat man ein gesetzliches Insiderhandelsverbot in Deutschland lange Zeit verhindern können; siehe nur Volk, ZHR 1978, 1,3. 191 Vgl. Assmann, AG 1994, 237, 242; Pfister, ZGR 1981, 318, 338; vehement Schneider, OB 1993, 1429, 1430; Carlton/Fischel, 35 Stan.L.Rev. 857, 860 (1983); Brudney, 93 Harv.L.Rev. 322, 360 (1979). Ähnlich auch schon der U.S. Supreme Court in Chiarella v. United States, a.a.O., S.641, oben Teil 2, Kap.2, B.I.; er hob hervor, daß Informationsvorteile, die sich aus größerer Markterfahrung (superior experience) eines Anlegers ergeben, durch Insiderrecht nicht beeinträchtigt werden dürften. 192 Aus U.S.-amerikanischer Sicht hat als erster Brudney, 93 Harv.L.Rev. 322, 355 (1979) den Ansatz der Equal Access Theorie zur Schaffung lediglich relativer informationeller Chancengleichheit klar herausgestellt: "(it) does not require actual equality or sharing ofinformation"; dazu auch Pengra, 67 N.Y.U.L.R. 1354,1361 (1992) sowie die "dissenting opinion" von Justice Blackmun in Chiarella v. United States, 445 U.S. 222, 252 (1980). 193 Mißverständlich ist deshalb der vielfach verwendete Begriff der "Informationsgleichheitstheorie". Dieser findet sich sogar bei Hopt, ZGR 1991, 17, 28; ähnlich C1aussen, AG 1997,306,307, der von "gleicher Informationsverbreitung" spricht. 194 Brudney, 93 Harv.L.Rev. 322, 354 (1979) führt anschaulich aus, daß nur rechtlich unüberwindbare (unerodable) Wissensvorsprünge durch Insiderregeln erfaßt sind.

F. Folgerungen

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III. Insiderrecht im engeren Sinne Infonnationsvorsprünge, die rechtlich mißbilligte Vennögensvorteile ermöglichen, treten nicht nur an der Börse auf; sie sind vielmehr Teil des Wirtschaftlebens l95 . Deshalb gibt es in vielen Rechtsbereichen Nonnen zur Lösung infonnationeller Interessenkonflikte zwischen Geschäfts- oder Vertragspartnern. Beispiele hierfur sind etwa die gesellschaftsrechtIiche Treuepflicht, auftragsrechtIiche oder vorvertragliche Sonderpflichten, insolvenzrechtliche Insiderbestimmungen, aber auch § 123 BGB oder § 404 AktG 196 • Alle diese Normen stimmen darin überein, daß sie Schutz vor Übervorteilung bieten, indem sie die unlautere Ausnutzung von Infonnationsvorsprüngen sanktionieren l97 • Hierbei handelt es sich um den allgemeinen, nicht börsen spezifischen, Aspekt des Insiderproblems l98 . Diese Regeln lassen sich deshalb auch als Insiderrecht im weiteren Sinne bezeichnen l99 • Im Hinblick auf das Insiderproblem beim Börsenhandel werden Insidernormen häufig diesem weiteren Regelungszusammenhang entnommen und in den Kontext des Börsengeschehens gestellt. Das fuhrt notgedrungen zu Anwendungsschwierigkeiten 2°O. Denn die Nonnen sind nicht darauf zugeschnitten, neben dem individuellen Insiderhandeln auch den anonymen Insiderhandel an der Börse zu erfassen. Beispielhaft zeigen der gesellschaftsrechtIiche Rahmen der Fiduciary Duty Theorie und der ebenfalls auf dem Nachweis individueller

195

Siehe schon oben Teil I, A.

196 Kaiser, WM 1997, 1557, 1558-1562; ausführlich auch Dingeldey, S.24-34 mit Untersuchung zahlreicher Normen im Verhältnis zwischen Insider und Anleger; Caspari, ZGR 1994, 530, 533 nennt weitere Beispiele aus dem StGB und dem Nebenstrafrecht; vgl. schon U1senheimer, NJW 1975, 1999, 2000-2004.

197 In ihrer ursprünglichen, das heißt wörtlichen, Ausprägung zählt auch Rule lOb-5 zu diesen Normen; siehe oben Teil 2, Einführung, 11. 198 Groß/eId/Weber, AG 1993,201,203-209 zur Anwendung solcher "allgemeiner" Insidemormen auf einen Sachverhalt außerhalb des Börsengeschehens (Informationsmißbrauch durch die Unternehmensleitung bei Genossenschaften). Zum Insiderproblem bei der Geschäftstätigkeit von Banken Tippach, S.185 ff.; Hopt, in: FS Heinsius, S.289, 308; vgl. auch die Anmerkung von AssmanniCramer, in: AssmanniSchneider, § 14 Rz.13. Ausführlich zur Insiderproblematik in Nicht-Börsenbereichen zur Megede, in: Assmann/ Schütze, § 14 Rz.76-82.

199 Ähnlich Pfister, ZGR 1981,318,344-346; Hopt, ZGR 1991, 17,71 spricht von jeweils "bereichsspezifischem Insiderrecht" .

200 Siehe Dingeldey, S.45-46; U1senheimer, NJW 1975, 1999, 2004; zur Deliktshaftung bei "face-to-face" Geschäften Groß/eId/Weber, AG 1993,201,206-208. Die Anwendungsschwierigkeiten übersieht Walther, in: FS Heinsius, S.875, 890, wenn er die §§ 266, 263 StGB, § 89 BörsG und § 404 AktG als zur Bekämpfung des Börseninsiderhandels ausreichend vorschlägt.

202

Teil 4: Deutschland

Sonderpflichten beruhende Ansatz der Misappropriation Theorie die auftretenden Probleme: Das Börseninsiderrecht ist in diesen Fällen entweder ineffizient oder unstimmig 20I • Beim Grundtatbestand des WpHG kommt es nur darauf an, ob jemand Kenntnis von einer Insidertatsache hae02 • Damit existiert erstmals eine Haftungsnorm, die auf den Kern des Börseninsiderproblems - Schutz vor Übervorteilung im anonymen Wertpapierhandel - speziell zugeschnitten iseOJ • Sie berücksichtigt den Umstand, daß individuelle Geschäftsbeziehungen in einem anonymen Markt praktisch nicht identifizierbar sind und die Vertrauensschädigung durch Insiderpraktiken nicht von der Art der Informationserlangung abhängt204 • Demgegenüber läßt sich die Qualität einer Information als "Insiderinformation" aber stets feststellen. Wertungsmäßig verbindet der Grundtatbestand des WpHG die Insidersanktion deshalb nicht mit dem informationellen Mißbrauch einer individuellen Sonderbeziehung. Vielmehr knüpft er die Sanktion ausschließlich an die anonyme Verwertung des Informationsvorsprungs und damit an die eigentliche - das Vertrauen der übrigen Marktteilnehmer schädigende - Handlung. Das Insiderhandelsverbot des WpHG ist deshalb Insiderrecht im engeren Sinne. IV. Schutzzweck

Das WpHG soll zum guten Funktionieren der Wertpapiermärkte beitragen 205 , indem es das Vertrauen der Anleger in die Marktintegrität schützt. Es stellt sich abschließend die Frage, inwieweit dieses übergeordnete Regelungs-

201 Zur Ineffizienz der Fiduciary Duty Theorie, siehe oben Teil 2, Kap.2, c.m und IV. Zur Unstimmigkeit der Misappropriation Theorie, siehe oben Teil 2, Kap.3, c.1. 202 Prägend flir die theoretische Ausrichtung des deutschen Insiderrechts sind die Tatbestandsmerkmale der "Insidertatsache" (§ 13, 2.HS WpHG) und des "Dritten" bzw. "Sekundärinsiders" (§ 14 Abs.2 WpHG); siehe oben E.1. 203 Das deutsche Insiderrecht setzt die Vermittlung des Wertpapiergeschäfts durch eine Börse aber nicht zwingend voraus, es ist auch auf sog. "face-to-face" Geschäfte anwendbar. Bei individuellen Rechtsbeziehungen zwischen Käufer und Verkäufer können schuldrechtliche Kategorien, beispielsweise die Figur der c.i.c. oder § 123 BGB, eventuell auftretende Interessenkonflikte jedoch besser lösen als das WpHG; dazu oben Teil 1, B.II.1.

204 Jedenfalls nicht grundsätzlich. Ein Insider kann eine kursrelevante Information aus sehr unterschiedlichen Gründen erfahren: etwa aufgrund seiner verbandsrechtlichen Stellung, aus beruflichen Gründen, durch deliktisches Verhalten (Stichwort: Informations"diebstahl" und Industriespionage), typischerweise oder auch zufällig.

205 Caspari, ZGR 1994, 530, 531-533; Assmann, in: AssmannlSchneider, Vor. § 12 Rz.40; siehe näher oben Teil 1,8.1.2.

F. Folgerungen

203

ziel auch den individuellen Schutz des einzelnen Anlegers berücksichtigtz°6 . Zur Beantwortung muß man sich die Konsequenz der Equal Access Theorie vor Augen halten: Das deutsche Insiderrecht trägt dem Umstand Rechnung, daß Insidergeschäfte typischerweise durch Anonymität der beteiligten Interessen geprägt sind. Der Grundtatbestand des WpHG knüpft wertungsmäßig nicht an das Bestehen einer individuellen Sonderbeziehung an. Deshalb kann auch kein Marktteilnehmer in seinem Vertrauen darauf geschützt sein, im Rahmen einer konkreten Rechtsbeziehung zu einem anderen Anleger nicht übervorteilt zu werden. Im Vordergrund steht allein das öffentliche, impersonale Schutzgut des Marktfunktionierens. Ein gutes Beispiel fur die Abgrenzung des anonymen Schutzbereichs der Börse vom Schutz individueller Interessen im sonstigen Rechtsverkehr bietet bereits der Sachverhalt in s.E.c. v. Texas GulfSulphur Co. 207. Dort wollten Unternehmensinsider aus ihrem Informationsvorsprung über wertvolle Rohstofffunde ihrer Gesellschaft Profit schlagen. Auf der einen Seite handelten sie an der Börse, also anonym, mit Wertpapieren ihres Unternehmens. Das fuhrte zu insiderrechtlichen Sanktionen. Auf der anderen Seite kauften sie aufgrund desselben Informationsvorsprungs den unwissenden Grundeigentümern das Land, unter dem sich die wertvollen Bodenschätze befanden, zum alten Preis ab. Diese Geschäfte hatten keine insiderrechtlichen Konsequenzen 208 • Der Gesetzeswortlaut des WpHG ist im Grundtatbestand konsequent auf den Gesetzeszweck abgestimmt209 • Der Zweck zielt aber auf den Schutz einer anonymen Institution, nicht auf Interessenausgleich innerhalb einer individuellen Geschäftsbeziehung. Deshalb läßt sich aus dem Insiderhandelsverbot des § 14 WpHG kein Anleger- bzw. Individualschutz LS.v. § 823 Abs.2 BGB ableiten 2lO • Andere Auffassungen sind vor diesem Hintergrund nur schwer nachvoll-

206 Zur Diskussion Caspari, ZGR 1994, 530,532 m.w.N.; Assmann, ZGR 1994,494, 499; Tippach, S.14-16. Unklarheit bestand hierüber schon im Rahmen der EG-Richtlinie. Deren Zweck sah man einerseits in der "Verbesserung des Anlegerschutzes", Ernst, WM 1990,461; Schneider, OB 1993, 1429, 1434 meint gar, "rechtspolitische Absicht" sei "der Individualschutz des Kleinaniegers"; andererseits im vorrangigen "Ziel des Kapitalmarktrechts, den Funktionenschutz für Kapitalmarkt und Wirtschaft" zu gewährleisten, Hopt, in: FS Heinsius, S.289, 303.

207

S.E.c. v. Texas GulJSulphur Co.; siehe oben Teil 2, Kap.l, B.I!.

Astor v. Texas GulJSulphur Co., 306 F.Supp. 1333, 1339 (1969); vgl. Kronman, 7 J.LegaI Stud. 1,20-21 (1978); Fenn/McGuire/Prentice, in: Hopt/Wymeersch, S.3, 17. 208

209

Siehe oben F.II!.

210 Zutreffend Kaiser, WM 1997, 1557, 1559-1560; U.A.Weber, BB 1995, 157, 164; Trölitzsch, ZGR 1994, 547, 548; vgl. Voss, S.232 m.w.N.: "(D)as Interesse, die Insidernorm im Kapitalmarktbereich ... mittels Privatklage zu vollziehen, rechtfertigt nicht die mit zivilrechtlicher Erfassung anonymer Transaktionen verbundenen Nachteile".

204

Teil 4: Deutschland

ziehbar2l1 • Das individuelle Vennögen des einzelnen Marktteilnehmers ist nicht geschützt; es ergibt sich lediglich ein Schutzretlex. Denn das Vertrauen des Anlegers in das Bestehen infonnationeller Chancengleichheit und damit in die Integrität des Marktes dokumentiert sich gerade dadurch, daß er sein Kapital dem Markt zuführt. Insgesamt gibt das WpHG dem Insiderhandelsverbot eine klare und in seiner Eindeutigkeit neue Schutzrichtung: Aus Insiderwissen folgt nicht mehr die rechtlich mißbilligte Möglichkeit zur Übervorteilung uninfonnierter Anleger, sondern primär Mitverantwortung für das Funktionieren des Marktes.

G. Informationsproduktion I. Problem

Das WpHG orientiert sich in weiten Bereichen präzise an der insiderrechtlichen Problemlage2l2 • Den wichtigen Regelungsbereich der Infonnationsproduktion bekommt es jedoch nicht sachgerecht in den Griff. Es unterstellt zwar unterschiedslos jede Person mit Insiderwissen der Sanktionsdrohung2l3 ; der Infonnationsbegriff ist aber nicht in der Lage, zwischen einer selbstproduzierten und einer an anderer Stelle entstandenen Insiderinfonnation zu differenzieren. Er ist blind rur diesen Unterschied. Das ist problematisch, weil eine solche Unterscheidung vielfach notwendig ist. Um einen wirtschaftlichen Anreiz für die Produktion von Infonnationen zu bieten, muß der Produzent seine Infonnation auch verwerten dürfen 214 • Fehlt dieser Anreiz, ist die Infonnationsproduktion innerhalb eines Marktes geflihrdet.

211 Eine solche a.A. vertrat frühzeitig Hopt, ZGR 1991, 17,70, der davon ausging, daß eine die EG-Richtlinie transformierende insiderrechtliche Strafnorm automatisch anlegerschützend sein würde: "Bei einer Strafnorm wird es sich wegen des Schutzes des Anlegerpublikums ohne weiteres um ein Schutzgesetz (i.S.d. § 823 Abs.2 BGB; Anm. d.Verf.) handeln"; hieran anschließend Wychodil, S.176,191. Für den Schutzgesetzcharakter auch Assmann, AG 1994, 237,250; Siebei, in: FS Semler, S.955,975; wohl auch Claussen, OB 1994, 27,31, zuletzt ders., AG 1997, 306,307; unentschieden Tippach, S.53-54 und Becker, S. 76-77. Rechtsvergleichend zur Gewährung individueller Schadenersatzansprüche durch Insiderrecht Salbu, 66 Tul.L.Rev. 837,866-869 (1992). 212 Dies gilt insbesondere flir die erweiterte Einbeziehung der Sekundärinsider und der Insiderinformationen. 2IJ

Zur Insidertatsache als Kembegriff des deutschen Insiderrechts siehe oben E.II.

Diese Problematik findet häufig Eingang in insiderrechtliche Überlegungen. Siehe Hopt, in: FS Heinsius, S.289; Claussen, OB 1994, 27,28-29; Pfister, ZGR 1981, 318, 340; Voss, S.339-340; Bergmans, S.73,128; Wymeersch, in: Hopt/Wymeersch, S.65,89214

G. Infonnationsproduktion

205

Ein Beispielsfall zur Problem lage: Investor A und Investor B wollen an der Börse jeweils ein Geschäft über Aktien der Ziel-AG abschließen. Durch das Insiderhandelsverbot wird beiden Anlegern Chancengleichheit bei der Verwertung von Informationen, die aus der Ziel-AG stammen, eingeräumt. Soweit der Grundfall. Schwierigkeiten entstehen, wenn A und B gleichen Zugang zu Informationen erhalten sollen, die ebenfalls von B produziert wurden. Wenn es sich hierbei um kursrelevante Informationen handelt, darf B diese entweder nicht nutzen oder er muß sie zuvor mit den anderen Marktteilnehmern - also auch mit A - teilen, um nicht gegen das Insiderhandelsverbot zu verstoßen. In jedem Fall hat die selbstproduzierte Information für B keinen Wert, da er sie nicht für sich nutzen kann. Das deutsche Insiderrecht steckt hier in einem Dilemma. Durch die zentrale Stellung des Begriffs der Insidertatsache 215 garantiert es einerseits die umfassende Geltung des Insiderhandelsverbots. Andererseits gerät die Regelung in Konflikt mit zulässigen oder sogar erwünschten Verhaltensweisen, bei denen möglicherweise auch Insiderinformationen produziert werden 2l6 • Es besteht die Gefahr, daß das Insiderrecht nicht nur - wie angestrebt - die unlautere Informationsverwertung verhindert, sondern den - unerwünschten - Nebeneffekt hat, auch die Informationsproduktion zu lähmen. Bei vielen Marktaktivitäten besteht die Möglichkeit, daß zusammen mit sonstigen Informationen auch Insiderinformationen produziert werden. Besonders augenfällig ist der Konflikt zwischen Informationsproduktion und einem informationsbezogenen Insiderrecht bei Analyseergebnissen und bei Investitionsentscheidungen im Rahmen von Übernahmemanövern. 11. Teilbereiche

1. Analyseergebnisse Wertpapieranalysten sammeln Daten, Fakten, Einschätzungen und Stimmungen aus Unternehmen, Wirtschaft und Börse, analysieren und bewerten diese. Dadurch erfüllen sie eine wichtige Funktion. Sie versorgen den Kapitalmarkt

90. Aus U.S.-amerikanischer Sicht Kraakman, in: HoptlWymeersch, S.39,42; Fisch, 26 Ga.L.Rev. 179,182 (1991). 215 Hauptgrund für die zentrale Stellung dieses Tatbestandselements ist der Umstand, daß es für den "inside"-Charakter einer Infonnation nicht auf deren Inhalt ankommt; siehe oben B.II. und E.iI.I. 216 Diesen Konflikt beschreibt auch Bergmans, S.136, danach schafft ein zu weitgehendes Insiderhandelsverbots die Gefahr, daß "if applied to the creator-owner, would thus prevent hirn from using the infonnation and limit or destroy his right".

206

Teil 4: Deutschland

kontinuierlich mit neuen, selbstproduzierten Informationen 2l7 • Durch eigene Anstrengung und Fähigkeit produzierte Information läßt sich anschließend kommerziell verwerten, indem anderen Marktteilnehmem Anlagerat erteilt wird. Hierin liegt der Anreiz zur Produktion 218 • Diese Tätigkeit von Wertpapieranalysten darf durch Insiderrecht nicht behindert werden 2l9 • Das ist jedoch denkbar, wenn eine Analyse besonders gut ist. Sie kann Informationen sichtbar machen, die sich noch nicht im Kurs der betreffenden Wertpapiere niedergeschlagen haben und daher kursrelevant sind 220 • Das Ergebnis der Analyse wäre dann selbst eine Insidertatsache 22 \. Folglich dürfte hierauf kein Anlagerat gegründet, die Information nicht verwertet oder weitergegeben werden. Sowohl die EG-Richtlinie als auch das WpHG sehen das Problem: Analyseergebnisse sollen nicht als mögliche Insiderinformationen in Betracht kommen. Die EG-Richtlinie befaßt sich mit der Frage allerdings nur in ihrer Präambel. Um einem möglichen Konflikt zwischen Insiderrecht und regulärer Tätigkeit von Wertpapieranalysten aus dem Wege zu gehen, ist dort bestimmt, daß "auf-

2\7 Zur Arbeitsweise von Wertpapieranalysten Claussen, in: ClausseniSchwark, S.II, 27-29 ebenso ders., ZBB 1992,267,272 und AG 1997,306,310,311; anschaulich Fisch, 26 Ga.L.Rev. 179, 182-183 m.w.N. (1991): "(S)ecurities analysts perform an essential function in making the markets more efficient by disseminating market information and causing that information to be reflected in stock prices". 2\8 Das verkennt Grundmann, ZfgK 1992, 12, 14, der der Ansicht ist, die Wertpapieranalyse werde vom Insiderrecht dann nicht tangiert, wenn eine auf Analyse gründende Empfehlung den Anlegern sofort zugänglich gemacht würde. Gerade diese Konsequenz aber würde den Produktionsanreiz für Analysten erheblich schmälern. 2\9 Kraakman, in: HoptlWymeersch, S.39, 42 sieht die Gefahr eines undifferenzierten Insiderrechts darin, daß "it threatens to chili the production and release of socially valuable trading information, and so injure public investors and the market in the long run"; ähnlich Hopt, in: FS Heinsius, S.289; Claussen, AG 1997,306,308-309; ders., OB 1994, 27, 29; in ökonomischer Hinsicht FennlMcGuirelPrentice, in: HoptlWymeersch, S.3, 13.

220 In der V.S.-amerikanischen Rechtsprechung finden sich diese Erwägungen ausdrücklich in Dirks v. s.E.c., a.a.O., oben Teil 2, Kap.2, B.H., S.658; in Chiarella v. United States, a.a.O., oben Teil 2, Kap.2, B.!., S.233 sowie auch schon In Re Investors Management Co., a.a.O., oben Teil 2, Kap. 1, B.H!.t., S.649: "It must be recognized, of course, that investors willing and able to engage in research and analysis will have a quantum informational advantage over investors who do not." 22\ Wie so ein Fall praktisch aussehen kann, beschreibt anschaulich das Gericht in Elkind v. Liggett & Myers Inc., 635 F.2d 156, 165 (2d Cir. 1980): "A ski lied analyst with knowledge of the company and the industry may piece seemingly inconsequential data together with public information into a mosaic which reveals material non-public information. "

G. Infonnationsproduktion

207

grund von öffentlichen Angaben erstellte Bewertungen ... nicht als Insider-Informationen angesehen werden" können 222 • Es trägt zur Rechtssicherheit bei, daß das WpHG den entsprechenden Wortlaut der EG-Richtlinie in § 13 Abs.2 WpHG 223 in nahezu identischer Form ins Gesetz übernommen hat. Der wesentliche Kritikpunkt bleibt jedoch. Denn der Schluß, wonach eine "ausschließlich aufgrund öffentlich bekannter Tatsachen" erstellte Analyse keine Insiderinformation soll darstellen können, ist keineswegs zwingend. Wie soeben gezeigt, ist dies durchaus denkbar. § 13 Abs.2 WpHG ist deshalb ein reiner Ausnahmetatbestand. Er vermeidet zwar eine Kollision zwischen Insiderrecht und Analyseergebnissen, harmoniert aber nicht mit dem einheitlichen Regelungsansatz des WpHG. Wertungsmäßig erinnert § 13 Abs.2 WpHG mit seinem groben Ausnahmecharakter an die U.S.-amerikanische Section 16 (b) des S.E.A.; auch dort wird die Insiderproblematik eher umgangen als gelöst2 24 • Das ist unbefriedigend. 2. Übernahmeentscheidungen Ein Konflikt zwischen Informationsproduktion und Insiderrecht kann auch bei umfangreichen Investitionsentscheidungen entstehen. Häufig geht es dabei um ein Angebot zur Übernahme eines Unternehmens. In einem solchen Fall will ein Bieter durch Erwerb von Stimmrechtsanteilen die Kontrolle über oder zumindest Einfluß auf eine Zielgesellschaft gewinnen. Um die Aktieninhaber zum Verkauf ihrer Anteile zu motivieren, bietet er ihnen eine Prämie auf den Marktpreis. Mit Veröffentlichung des Übernahmeangebots steigt der Aktienkurs fast automatisch an225 • Die Information über das bevorstehende Angebot hat daher immer Kursrelevanz für die hiervon betroffenen Wertpapiere. Der Bieter produziert also als Nebeneffekt seiner unternehmerischen Entscheidung eine Insiderinformation schon in dem Moment, wo er sich zu einem

222 So die Präambel der EG-Richtlinie. Entgegen Claussen, ZBB 1992, 267, 273-274 entfällt bei Wertpapieranalysten also nicht schon generell die InsidersteIlung, sondern die Präambel schützt ihre Tätigkeit erst auf der Ebene der von ihnen produzierten Informationen. 223 § \3 Abs.2 WpHG bestimmt: "Eine Bewertung, die ausschließlich aufgrund öffentlich bekannter Tatsachen erstellt wird, ist keine Insidertatsache, selbst wenn sie den Kurs von Insiderpapieren erheblich beeinflussen kann."; dazu Assmann, AG 1997, 50, 51. 224

Siehe oben Teil 1, B.III.

225 Beispielhaft die neuere Entscheidung in S. E. C. v. Maio, 51 F.3d 623, 628 Fn.3 (7th Cir. 1995): "When a tender offer is announced, usually the price of the target company rises and the price of the offeror falls or remains the same."

208

Teil 4: Deutschland

bestimmten Investitionsverhalten entschließt226 • Der Erwerb einer auch nur geringen prozentualen Beteiligung an der Zielgesellschaft - um einen Fuß in die Tür des Unternehmens zu bekommen - zum alten, das heißt niedrigeren Kurs 227 wäre fur den Bieter nicht möglich. Denn bei einem solchen Geschäft würde er die durch seinen eigenen Übernahmeentschluß geschaffene Insiderinformation ausnutzen und so gegen das Insiderhandelsverbot verstoßen 228 • Nach allgemeiner Ansicht soll ein Bieter aber auch vor Offenlegung seiner Übernahmepläne die Möglichkeit haben, bis zu einer bestimmten Beteiligungsgrenze 229 Anteile der Zielgesellschaft aufzukaufen 230 • Er soll so mit einem - angesichts der bereits bestehenden Übernahmeentscheidung - niedrigen Aktienpreis dafür belohnt werden, daß er als erster die möglicherweise gewinnträchtige Idee zur Übernahme der Gesellschaft hatte 231 • Auf diese Weise will man einen Markt fur Unternehmenskontrolle (market for corporate control) unterstützen 232 • Das hieran bestehende öffentliche Interesse hat mit spezifisch ins iderrechtlichen Erwägungen nichts zu tun; es soll durch drohende Insidersanktionen nicht unterlaufen werden. Aus diesem Grund kommt man in U.S.A. und in Europa übereinstimmend zu dem Ergebnis, auf das Verhalten eines Über-

226

Ähnlich Claussen, AG 1997,306,308; Assmann, WM 1996, 1337, 1354.

227 Der Kurs ist vor Veröffentlichung der Übernahmeentscheidung niedriger, weil er das Vorliegen eines Kaufangebots noch nicht widerspiegelt; Davies, in: Hopt/Wymeerseh, S.243. 228 Zur Problematik von Aktienkäufen vor Angebotsabgabe siehe auch Assmannl Bozenhardt, in: Assmann/BasalduaiBozenhardt/Peltzer, S.65-67; vgl. Hopt, in: Hopt/ Wymeersch, S.129, 135. Zum Problem der Übernahmemanöver vor dem Hintergrund des (sich allerdings zunehmend wandelnden) deutschen Kapitalmarkts Kohler, in: Hopt/ Wymeersch, S.263-267. 229 Ab einer bestimmten Beteiligungshöhe - zumeist 3% bis 5% - müssen in allen entwickelten Kapitalmärkten die Eigentumsverhältnisse an einer börsennotierten Gesellschaft offengelegt werden, damit das Anlegerpublikum weiß, wer in größerem Umfang Miteigentümer des Unternehmens ist und auf dessen Geschicke Einfluß nimmt. In Deutschland liegt die Mindestschwelle bei 5% gemäß § 21 Abs.1 WpHG; dazu Caspari, ZGR 1994, 530, 542-543. 230 Davies, in: Hopt/Wymeersch, S.243, 247, 256-262; Assmannl Cramer, in: Assmann/Schneider, § 14 Rz.30-32; Wymeersch, in: Hopt/ Wymeersch, S.65, 80; kritisch Tippach, S.204-205. Heermann, WM 1997, 1689, 1690-1696 untersucht die Problematik zukünftiger Unternehmensübernahmen in Deutschland im Hinblick auf die (noch) zahlreichen Bankenvertreter in deutschen Aufsichtsräten.

231 Davies, in: Hopt/Wymeersch, S.243, 252 nennt dies anschaulich: "(T)he advantage obtained from having the first vision". 232 Ausflihrlieh zur wichtigen Rolle des Übernahmebieters im Markt f1ir Untern ehmenskontrolle CojJee, 84 Colum.L.Rev. 1145, 1199-1221 (1984).

G. Infonnationsproduktion

209

nahmebieters bis zur Veröffentlichung seines Angebots kein Insiderrecht anzuwenden (sog. takeover bidder exemption)233. Die EG-Richtlinie wendet sich dem Konflikt zwischen Insiderrecht und Anlageentscheidungen, die einem Übernahmeangebot vorausgehen, wiederum in ihrer Präambel zu: Die Tatsache, daß ein bestimmtes Wertpapiergeschäft zunächst geplant und dann ausgefiihrt wird, soll "nicht als solche eine Verwendung einer Insiderinformation" darstellen 234 • Als Begründung wird angefiihrt, daß einem solchen Geschäft stets eine entsprechende Entscheidung vorangehen müsse 235 • Diese Formulierung ist jedoch unklar. Denn aus dem Umstand, daß jedem Wertpapiergeschäft ein entsprechender innerer Entschluß vorausgehen muß, folgt keineswegs zwingend, daß das Geschäft kein Ausnutzen der durch den Entschluß möglicherweise geschaffenen Insiderinformation sein kann 236 • Wegen dieser Unklarheit zweifeln einige Stimmen sogar an, daß die EG-Richtlinie den nationalen Gesetzgebern überhaupt Spielraum zur Freistellung der Übernahmebieter von den Insiderregeln läßt237 • Noch weniger kann die Problem lösung des WpHG zufriedenstellen. Zwar besteht Einigkeit darüber, daß in der Planung und Ausfiihrung eines Wertpapiergeschäfts im Ergebnis nicht die Erzeugung und Ausnutzung einer Insidertatsache erblickt werden kann 238 • Eine stimmige Erklärung, warum dies so ist, fehlt jedoch. Das WpHG spricht das Problem nicht an, es mangelt an notwendiger Rechtssicherheit. Die Interpretationen sind deshalb nicht einheitlich. Einerseits argumentiert man, der Informationsvorsprung hinsichtlich des eigenen

233 Zum U.S.-amerikanischen Recht siehe nur Davies, in: HoptlWymeersch, S.243, 252 und Seligman, 73 Geo.L.J. 1083, 1133-1135 (1985). Aus deutscher Sicht ebenso Assmann, AG 1994,237,252; Hopt, ZGR 1991, 17,33; Möller, BFuP 1994,99,106107; Caspari, ZGR 1994, 530, 542; H.Schmidt, in: HoptlWymeersch, S.21, 22. Vergleichend Davies, in: HoptlWymeersch, S.243, 245-248. 234

So die EG-Richtlinie in ihrer Präambel.

235

Siehe die Präambel der EG-Richtlinie.

Auch läßt die offizielle "Begründung" für den Ausnahmetatbestand nicht erkennen, ob es sich dabei schon um keine Insiderinfonnation handelt oder ob diese zwar qua definitionem existiert jedoch bei der Umsetzung der Übernahmeentscheidung nicht ausgenutzt wird. 236

237 Nach Davies, in: HoptlWymeersch, S.243, 246-247 ist es lediglich "wahrscheinlich", aber keineswegs klar, daß die Präambel der EG-Richtlinie einen Übernahmebieter von der Insiderhaftung freistellt; zweifelnd diesbezüglich auch Hopt, in: FS Heinsius, S.289,296. 238 Entsprechende Hinweise finden sich auch in der Begründung zum Gesetzentwurf des WpHG; siehe BT-Drucks. 12/6679, S.47. Vgl. aber AssmanniBozenhardt, in: AssmanniBasalduaiBozenhardtlPeltzer, S.65, 66; sie verneinen - allerdings noch im Lichte des alten Rechtszustands -, daß hier überhaupt ein insiderrechtliches Problem vorliegt.

14 Weber

210

Teil 4: Deutschland

Entschlusses zu einem Wertpapiergeschäft sei schon "keine Insidertatsache"239. Andererseits soll es sich hierbei doch um eine Insidertatsache handeln können, diese werde bei einer späteren Ausflihrung des Kaufentschlusses aber "nicht ausgenutzt"240. Beide Meinungen bieten keine befriedigende Begründung flir ihren jeweiligen Standpunkt.

3. Konsequenz Gemeinsam ist den aufgezeigten Fällen der latente Konflikt zwischen Insiderrecht und Infonnationsproduktion. Sowohl Analyseergebnisse als auch das Wissen einer Person 241 über die von ihr getroffene aber noch nicht umgesetzte Anlageentscheidung bereiten Probleme, weil in beiden Fällen unter Umständen lnsiderinfonnationen produziert werden. Das WpHG kommt hiennit nicht befriedigend zurecht. Es nonniert lediglich flir Analyseergebnisse in § 13 Abs.2 einen wenig stimmigen Ausnahmetatbestand 242 . Die Konfliktsituation tritt beim WpHG verschärft zutage, weil die Kenntnis einer "Insidertatsache" bzw. "-infonnation" das zentrale Tatbestandsmerkmal ist. Die Grenzen zwischen einer im Sinne des WpHG kursrelevanten Insidertatsache und einer lnfonnation unterhalb dieser Schwelle sind fließend. Das Problem der Infonnationsproduktion ist bei anderen Insiderregelungen zuvor nicht so stark ins Blickfeld getreten. Das Vorliegen einer lnsiderinfonnation ist vielfach notwendig aber nicht hinreichend, um das Insiderhandelsverbot auszulösen; zur Identifizierung und Sanktionierung von Insidergeschäften müssen noch weitere Kriterien erflillt sein. Zumeist ist die Einbindung des Insiders in eine Sonderbeziehung erforderlich 243 • Das fuhrt dazu, daß der Produzent ei-

239 Assmann, AG 1994,237,252. 240 Kaiser, WM 1997, 1557; Möller, BFuP 1994, 99, 106-107; so jetzt auch Assmann/Cramer, in: Assmannl Schneider, § 14 RZ.31-32, 81; Hopt, in: FS Beusch, S.393, 406; ders. spricht in ZGR 1991, 17,33 schlicht davon, daß solche Geschäfte "zulässig

sein müssen".

241 Das kann freilich auch - und wird sogar häufig - eine juristische Person, eben die Bietergesellschaft, sein. Anders nur Peter, S.14-15 m.w.N., der bei juristischen Personen den Grundsatz propagiert, "niemand könne sein eigener Insider sein". 242 In Bezug auf Übernahmeentscheidungen wird das Problem häufig nur bei den jeweiligen nationalen Übernahmeregeln behandelt. So verweisen auch Hopt, ZGR 1991, 17, 33 und Assmann/Cramer, in: Assmann/Schneider, § 14 RZ.82 wieder auf diesen Regelungsort zurück. Besser erscheint es jedoch, den Konflikt dort zu lösen, wo er entsteht: beim Tatbestand des Insiderhandelsverbots. 243 Dies ist zumeist eine treurechtliche, treueähnliche oder auftragsrechtliche Sonderbeziehung. Vgl. dazu die Fiduciary Duty Theorie und mit besonders vielfältigen, möglichen PflichtensteIlungen die Misappropriation Theorie.

G. Informationsproduktion

211

ner Information 244 vom Insiderrecht nicht erfaßt wird, weil er zu niemandem in einer Sonderbeziehung steht, die durch Ausnutzung der selbstproduzierten Insiderinformation verletzt werden könnte 24S • Beim WpHG und bei der U.S.-amerikanischen Equal Access Theorie fällt dieser zusätzliche Haftungsfilter weg. Dieser Umstand wird in U.S.A. häufig als Argument vorgebracht, um den Regelungsansatz der Equal Access Theorie insgesamt abzulehnen 246 • Nachfolgend soll untersucht werden, ob sich innerhalb des im Kern einheitlichen und stimmigen Haftungskonzepts des WpHG eine Lösung für das Problem der Informationsproduktion finden läßt. Ziel ist, eine selbstproduzierte kursrelevante Information von der insiderrechtlichen Erfassung auszusparen und dadurch dem Informationsproduzenten in jedem Fall die rechtliche und kommerzielle Nutzungsmöglichkeit seines Informationsvorteils einzuräumen. III. Lösungsvorschlag

1. Wortlautauslegung: "Tatsache" Es ist zu prufen, ob man schon den Wortlaut von § 13 Abs.l Hs.2 WpHG so auslegen kann, daß - wie im Ergebnis gewünscht - selbstproduzierte Insidertatsachen nicht unter das Insiderhandelsverbot fallen. Zwei Elemente der gesetzlichen Definition scheiden als Anknüpfungspunkte für eine differenzierende Auslegung von vornherein aus: Eine nur ihrem Erzeuger bekannte Tatsache ist schon per se "nicht öffentlich bekannt"; und sie kann auch durchaus zu einer "erheblichen Kursbeeinflussung geeignet" sein 247 • Um bereits anhand des Regelungswortlauts selbstproduzierte von sonstigen Insiderinformationen zu trennen, bleibt somit nur das Tatbestandsmerkmal der "Tatsache".

244

Beispielsweise ein Unternehmen oder ein Wertpapieranalyst.

245 Vom Insiderrecht erfaßt werden in solchen Fällen erst die Mitarbeiter eines Unternehmens oder auch Tipempfanger. Das heißt, solche Personen, die die Information entweder nicht für sich selbst sondern für ein Unternehmen produzieren oder die Information erst erfahren, wenn sie bereits zirkuliert und sich von ihrer Produktionsquelle wegbewegt hat. 246 Kraakman, in: HoptlWymeersch, S.39, 42 sieht hierin sogar das inhaltliche Hauptargument gegen die Equal Access Theorie.

247 Der Emittenten- oder Insiderpapierbezug einer Insidertatsache gemäß § 13 Abs.l WpHG hat keine rechtliche Abgrenzungsfunktion; siehe oben B.II.

14'

212

Teil 4: Deutschland

Eine Tatsache und damit auch eine "Insidertatsache" kann sich auch auf einen inneren Zustand beziehen 248 • Demgemäß wäre der Umstand, daß jemand ein bestimmtes Analyseergebnis erzielt oder einen bestimmten Anlageentschluß gefaßt hat, grundsätzlich auch als mögliche "Insidertatsache" zu qualifizieren 249 • An dieser Stelle muß man sich aber verdeutlichen, daß das WpHG den Begriff der "Tatsache" wählt, um dadurch vom Werturteil oder einem blossen Gerücht abzugrenzen 25o • Insofern liegt hierin in erster Linie eine Präzisierung des Begriffes der "Information", den die EG-Richtlinie vorgegeben hat. Eine weitergehende Auslegung des Wortlauts des Tatbestandmerkmals (Insider-) "Tatsache" ist daher unergiebig.

2. Wortlautauslegung: "Information" Greift man auf den Begriff der Insider-"Information" zurück, so bietet sich hier die Möglichkeit einer differenzierenden Wortlautauslegung. Die lateinische Wurzel des Wortes ist "in-formatio". Das ist mit "Nachricht, Auskunft, Belehrung, Aufklärung" zu übersetzen. Entscheidend ist hierbei, daß der Begriff stets eine auf Wahrnehmung durch einen anderen gerichtete Bedeutung hat251 • Das gilt auch für die Verwendung des Wortes im rechtlichen Zusammenhang 252 • Folglich entsteht eine "Information" im Wortsinne überhaupt erst, wenn sie äußerlich, das heißt von einem Dritten, wahrgenommen werden kann. Hält man sich diese Bedeutung des Wortlauts vor Augen, kann die Entscheidung eines Bieters zu einem Übernahmemanöver oder die Kenntnis eines Analysten vom Ergebnis seiner Analyse schon im Wortsinne keine "Insiderinformation" bzw. "-tatsache" sein. Grund: Das Anlegerpublikum oder Dritte - also Personen, die nicht selbst Teil der Informationsquelle sind 253 _ können diese

248 Siehe nur Lackner, § 263 Rz.4. Im übrigen ist der Begriff der Insidertatsache autonom unter Beachtung von Sinn und Zweck des Insiderhandelsverbots auszulegen, Assmann, in: Assmann/Schneider, § 13 RZ.32. 249 Das ist der Grund, warum hier die beschriebenen Ausnahmetatbestände eingreifen; siehe oben G.n.I. und 2.

250

Vgl. BT-Drucks. 12/6679, S.46; Assmann, in: Assmann/Schneider, § 13 RZ.32-

251

Siehe Kluge, Etymologisches Wörterbuch, S.331; vgl. Tippach, S.7I.

33.

Deutsches Rechtslexikon, Bd.2, S.503: "Information ist die Übermittlung einer Nachricht, ferner die Erteilung von Auskunft und Belehrungen"; ähnlich Lawson, 11 HarvJ.L.& Pub.Pol'y 727, 764 (1988): "Facts exist, but facts do not become information until they are grasped by a human mind." 252

253 Teil einer InformationsquelIe ist beispielsweise ein Vorstandsmitglied, das für sein Unternehmen handelt. Die InformationsquelIe selbst ist das Unternehmen.

G. Infonnationsproduktion

213

Umstände noch nicht wahrnehmen. Dies wird erst möglich, wenn die Nachricht ihren "Produktionsort" verlassen hat. Das kann beispielsweise durch Weitergabe, Verkauf oder Diebstahl der Information geschehen. Als möglicher Produzent kommt dabei jede Person oder Institution in Betracht, die im eigenen Namen 254 , privatnützig255 und mit legalen Mitteln 256 Informationen erzeugt. Eine eng am Wortlaut ausgerichtete Auslegung des Informations- bzw. Tatsachenbegriffs begrenzt also den Anwendungsbereich des deutschen Insiderrechts auf den gewünschten Umfang: Kursrelevantes eigenes "Gedankengut" wird begrifflich erst dann zu einer "Insidertatsache" i.S.v. § 13 Abs.l Hs.2 WpHG, nachdem es von seinem Produzenten weitergegeben wurde 257 oder auf sonstige Weise seine Quelle verlassen hat und von anderen Personen wahrgenommen werden kann 258 • Vor diesem Zeitpunkt hat der Informationsproduzent - und nur er - ein freies Verfiigungs- und Nutzungsrecht an der von ihm erzeugten, kursrelevanten Information. 3. Teleologische Reduktion

Neben einer präziseren Ermittlung der Wortbedeutung bietet sich auch die Möglichkeit einer stärker am Normzweck des Insiderhandelsverbots orientierten Auslegung, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen. Das deutsche Insiderrecht will Chancengleichheit bei der InformationsbeschaJfung und damit Vertrauen der Anleger in die Marktintegrität schaffen; die Informationsproduk-

254 So produziert etwa der Vorstand eines Unternehmens eine Übernahmeentscheidung und damit eine Insiderinfonnation nicht im eigenen, sondern im Namen des Unternehmens, für das er organschaftlich handelt. Das übersieht Voss, S.17. Instruktiv auch die Beispiele möglicher Infonnationserzeuger bei Assmann, in: AssmanniSchneider, § 13 Rz.28. 255 Wer sein Insiderwissen über bevorstehende hoheitliche Aktivitäten ausnutzen will, bleibt von der Sanktionsdrohung nicht verschont. In Betracht kommen etwa Mitarbeiter staatlicher Banken, Richter oder Staatsanwälte. In Erfüllung eines öffentlichen Amtes erfolgen auch die Aussagen eines Finanzministers oder Notenbankchefs, diese haben zuweilen starke Auswirkungen auf das Börsenklima; näher dazu oben Teil 1, C.I1.I. 256 Ein Extrembeispiel hierzu: Wer plant, einen einflußreichen Konzernchef zu entführen, um von zu erwartenden Kurseinbrüchen zu profitieren, kann kein geschütztes Verwertungsrecht an dieser Infonnation haben, auch wenn sie selbstproduziert ist. 257

Und sei es auch nur an eine einzige weitere Person.

258 Freilich kann es sich begrifflich immer nur um relativ wenige andere Personen handeln, denn sonst verliert die Infonnation ihren "inside"-Charakter.

214

Teil 4: Deutschland

tion soll nicht beeinträchtigt werden 259 • Das WpHG verknüpft aber schon die Kenntnis von einer kursrelevanten Tatsache mit der Qualifizierung als Insider. Aus diesem Grund sollte auch schon auf der begrifflichen Ebene der Insidertatsache unterschieden werden zwischen verbotenen Insidergeschäften und erlaubten anderen Aktivitäten, die mit der Insiderproblematik nicht in Zusammenhang stehen. Demgemäß ließe sich der Begriff der "Insidertatsache" dahingehend reduzieren, daß selbstproduzierte Insiderinformationen nicht hierunter fallen. Sowohl die Bestimmung des genauen Inhalts des "Informations"-begriffs als auch die am Normzweck orientierte Reduktion der Bedeutung des Tatbestandsmerkmals "Insidertatsache" lassen sich in Übereinstimmung mit dem Gesamttatbestand des deutschen Insiderhandelsverbots vornehmen. Beide Vorgehensweisen können das "richtige" Verständnis des WpHG entscheidend fördern. Sie sind deshalb der Formulierung von Ausnahmetatbeständen, wie etwa in § 13 Abs.2 WpHG, vorzuziehen. Es ist zu wünschen, daß die deutsche Insiderrechtsprechung die vorgeschlagenen Lösungsmöglichkeiten für das Regelungsproblem der Informationsproduktion künftig fortentwickelt.

H. Ergebnis Die insiderrechtlichen Bestimmungen des WpHG halten sich eng, teilweise wörtlich, an die Regelungsvorgabe der EG-Richtlinie. Einerseits übertragen sich dadurch bestimmte Ungereimtheiten in das deutsche Insiderrecht. Andererseits gibt es wichtige Veränderungen im Detail. Diese sind bedeutsam für die Beurteilung der zugrundeliegenden Haftungstheorie und ermöglichen es - anders als bei der durch Methodenmischung gekennzeichneten EG-Richtlinie -, den Kerntatbestand des WpHG einer einzelnen Insiderrechtstheorie zuzuordnen, die sich einheitlich und ohne innere Widersprüche beschreiben läßt: Den personellen Anwendungsbereich normiert dabei die Figur des Sekundärinsiders gern. § 14 Abs.2 WpHG. Das ist jedermann, der bewußte Kenntnis von einer Insidertatsache hat; auch Zufallsinsider fallen darunter. Die als Insidertatsachen in Betracht kommenden Informationen müssen keinen bestimmten Inhalt haben. Allein ihre Kursrelevanz ist ausschlaggebend für die Anwendbarkeit des Insiderrechts. Die "Insidertatsache" gern. § 13 Abs.l HS.2 WpHG ist damit Kernbegriff und zentrales Tatbestandsmerkmal des deutschen Insiderrechts.

259 Siehe oben G.1. Zur zweckorientierten Auslegung der EG-Richtlinie, die als Vorgabe für das WpHG hier mit zu berücksichtigen ist Tippach, S.12-14, 38; Mennicke, S.141-151.

H. Ergebnis

215

Trotz dieses einheitlichen Grundtatbestands weist das WpHG Unstimmigkeiten auf: So zeigt der Vergleich mit den prägenden U.S.-amerikanischen Fällen, daß die Unterscheidung in Primär- und Sekundärinsider wertungsmäßig nicht immer nachvollziehbar ist. In einigen Fällen kann man keine rechtssichere Aussage darüber treffen, ob "bestimmungsgemäße" Insiderkenntnis vorliegt oder nicht. Ebenso ist zu kritisieren, daß bei deliktischer Informationserlangung die Einordnung als Primärinsider per se ausgeschlossen ist. Auch der unterschiedliche Umfang des Verbotstatbestands ftlr Primär- und Sekundärinsider ist sachlich nicht zu rechtfertigen. Das eingeschränkte Verbot rur Sekundärinsider erschwert die praktische Verfolgbarkeit von Insiderverstößen unnötig und sollte vom Gesetzgeber korrigiert werden. Um den Wortlaut des deutschen Insiderrechts besser auf seine - bereits bestehende - normative Reichweite abzustimmen, könnte im Anschluß daran auch die Unterscheidung zwischen Primärund Sekundärinsidern vollständig aufgegeben werden; und zwar zugunsten eines einheitlichen Insiderbegriffs, der sich nur noch am Informationsvorsprung orientiert. Schließlich ist im Rahmen des WpHG die Kollision von Informationsproduktion und Insiderrecht problematisch. Hier ist unbedingt eine stimmige, also nachvollziehbare Lösung des Konflikts zu erzielen, um das inhaltliche Verständnis der deutschen Regelung zu fördern. Diesbezüglich hat die Untersuchung gezeigt, daß sich kursrelevante Informationen, die ein Marktteilnehmer selbst produziert hat, schon im Wortsinne, zumindest aber durch zweckorientierte Auslegung, vom Begriff der "Insidertatsache" gemäß § 13 Abs.l HS.2 WpHG ausgrenzen lassen. Diese Überlegung sollte Eingang in die Rechtsanwendung fmden. Denn dadurch wäre sichergestellt, daß sich die insiderrechtliche Sanktionsdrohung nicht schädlich auf den Anreiz zur Informationsproduktion auswirkt. Der Vergleich mit den in U.S.A. entwickelten Regelungsansätzen zeigt, daß das deutsche Insiderrecht in seinem Grundtatbestand eine verbesserte Equal Access Theorie beinhaltet. Erst das WpHG läßt sich inhaltlich eindeutig einer bestimmten U.S.-amerikanischen Insiderrechtstheorie zuordnen. Die EG-Richtlinie ermöglicht demgegenüber verschiedene Deutungen. Eine so weitreichende Regelung wie in Deutschland war angesichts des lange hier geübten Widerstands und fehlendem einheitlichen Vorverständnis nicht zu erwarten. Die in den dargestellten U.S.-amerikanischen Fällen aufgetretenen Insidersachverhalte lassen sich alle weitaus problemloser im Rahmen des WpHG erfassen. Das erklärt, warum eine Insiderregelung mit der inhaltlichen Reichweite des WpHG in jüngster Zeit auch in U.S.A. wieder verst!irkt gefordert wird. Das deutsche Insiderrecht gewährt den Marktteilnehmern relative informationelle Chancengleichheit, ohne sich der Kritik aussetzen zu müssen, die an der Equal Access Theorie in ihrer lJ.S.-amerikanischen Ausprägung geübt wurde. Durch die konsequente Ausrichtung des Grundtatbestands am Regelungs-

216

Teil 4: Deutschland

ziel des Marktschutzes ergibt sich eine wertungsmäßige Neubestimmung der insiderrechtlichen Haftungsgrundlage: Nicht die Verletzung eines individualschützenden Sonderschuldverhältnisses zum Geschäftspartner oder zur Informationsquelle löst die Insiderhaftung aus, sondern der Verstoß gegen eine Deliktsnorm mit ausschließlich öffentlichem Schutzgut. Durch diese Verhaltensordnung wird dem einzelnen Insider Mitverantwortung fiir das Funktionieren des Marktes übertragen.

J. Ausblick Das WpHG erfaßt das insiderrechtliche Regelungsproblem sehr genau. Mit seinen präzisen Tatbeständen geht es einen technisch anspruchsvollen und daher schwierigen Weg. Rechtsprechung und Verfolgungsorgane sind bei der Auslegung und Begriffsschärfung der einzelnen Tatbestandselemente in hohem Maße gefordert. Es ist jedoch zu wünschen, daß die Rechtspraxis den besonderen Ansprüchen, die die Insiderregelung des WpHG an sie stellt, gerecht wird .. Denn trotz mehrerer notwendiger Nachbesserungen ist dem Gesetzgeber mit dem WpHG in theoretischer Hinsicht eine in weiten Teilen konsequent kapitalmarktrechtliche Lösung des Insiderproblems gelungen. Sie hat sich von den Fesseln verbandsbezogener und individueller Rechtsbeziehungen befreit. Hierin ist die deutsche Regelung den U.S.-amerikanischen Vorläufern, insbesondere der derzeit noch verfolgten Misappropriation Theorie, weit voraus. Das WpHG berücksichtigt den Umstand, daß sich die volkswirtschaftlichen und technologischen Rahmenbedingungen eines Insiderrechts grundlegend gewandelt haben und in der Zukunft noch weiter verändern werden: Die zunehmende informationelle Vernetzung schafft Möglichkeiten zu zeitlich und örtlich fast unbegrenztem Datenaustausch in kürzester Zeit; so hat theoretisch auch ein Kleinanleger Zugang zu den spezialisiertesten Informationen 26O . Durch die Emission immer neuer abgeleiteter Wertpapierformen wird der Kapitalmarkt fortschreitend unübersichtlicher; Kursschwankungen einzelner Werte reflektieren nicht mehr notwendig Wertschöpfung oder -verlust auf Seite des Emittenten. Ausgelöst durch Globalisierungseffekte, die inzwischen jeden nationalen Kapitalmarkt treffen261 , wird der traditionelle Aktien- und Anleihenhandel zu260 Ruder, 14 Hastings Int'l & Comp.L.Rev. 317, 318 (\991) sieht in der zunehmenden Automatisierung der Handelssysteme und einer "wahren Explosion" der Kapazitäten zur Informationsübertragung zu Recht den Hauptgrund fur die Entstehung globaler Wertpapiermärkte; zur Informationstechnologie auch Pitt/Hardison, 55 Law & Contemp.Probs. 199, 206-207 (\ 992).

261 Weltweite Wertpapiermärkte beinhalten rechtlich nur schwierig und auf absehbare Zeit wohl nur auf nationaler Ebene in den Griff zu bekommende Herausforderun-

J. Ausblick

217

nehmend durch einen Markt für Unternehmenskontrolle (market for corporate control) überlagert. Viel deutet daraufhin, daß so wie in U.S.A. 262 bald auch in Deutschland Unternehmensübernahmen - seien sie feindlich oder freundlich zum normalen Börsengeschehen gehören werden 263 • Zwar prägen hierzulande bislang noch die klassischen Unternehmensinsider die Wahrnehmung des Insiderproblems 264 , Investmentbanken und sonstige Finanzintermediäre werden jedoch eine zunehmend wichtige Rolle spielen265 • Angesichts dieses Wandels können überkommene individual- und verbandsrechtliche Haftungskategorien das Funktionieren des Marktes und damit die Attraktivität eines Börsenplatzes nicht mehr hinreichend sichern. Erforderlich ist ein Insiderrecht, das auch in einem Umfeld weitgehend anonymisierter Rechtsbeziehungen noch wirksam ist und sich deshalb ausschließlich an das Kernelement unlauterer Börsengeschäfte, den Informationsvorsprung, anknüpfen läßt. Dieser Notwendigkeit trägt das deutsche Insiderrecht durch den Regelungsgedanken der Equal Access Theorie Rechnung. Die zunehmende Attraktivität privater Vermögenssicherung über die Börse sowie steigender Investitionsdruck vor allem ausländischer institutioneller Anleger sorgen für ein beständiges Wachstumspotential des deutschen und der europäischen Kapitalmärkte. Das Insiderrecht des WpHG bietet dabei eine tragfähige Grundlage für die zu erwartende weitere Entwicklung (Stichwort: Aktienkultur) des Finanzplatzes Deutschland. In seiner konsequent marktrechtlichen Prägung kann und sollte es Wegweiser sein für die weitere europäische

gen, siehe Millspaugh, 26 Geo.Wash.J.Int'l L.& Econ. 355 tT. (1992); zusammenfassend zu den Schwierigkeiten, ders., S.378: "(N)ational regulators ... will strive to police global activity in local markets". Vgl. ebenso Thomas, 23 Vand.J.Transnat'l L. 99-110, 132-133 (1990); Ruder, 14 Hastings Int'l & Comp.L.Rev. 317 ff. (1991); Roquette, 14 U.Pa.J.Int'l Bus.L. 565-572 (1994). 262 Bei 34 der \00 größten Unternehmens übernahmen des Jahres 1994 in U.S.A. kam es vorher zu (lnsider-) verdächtigen Handelsaktivitäten an der Börse. Auf diese geänderten Rahmenbedingungen für Insiderhandel weist "Business Week" vom 12.12.1994, S.70-82 mit eindrucksvoller Statistik hin. Noch Anfang der 80er Jahre war der typische Insider in U.S.A. ein Manager, der von Vorabinformationen aus seinem eigenen Unternehmen profitierte. 263 Vgl. nur Heerrnann, WM 1997, 1689-1690 m.w.N. 264 Siehe beispielhaft den Insider(verdachts-)fall bei dem im DAX notierten Software-Unternehmen SAP; zum Sachverhalt: FAZ vom 6.5.1997, Nr.104, S.21. Dazu auch die vier im Jahre 1996 in Deutschland abgeurteilten Insiderfälle Bundesaufsichtsamt for den Wertpapierhandel, Jahresbericht 1996, S.17-18; weitere Beispiele jüngst abgeschlossener Insiderfälle: Bundesaufsichtsamt for den Wertpapierhandel, Jahresbericht 1997, S.18-21. 265 RideriAshe, S.I-2 zur Rolle der "financia1 operators"; schon Voss, S.321 prognostiziert eine besondere Bedrohung der Marktintegrität durch die Finanzintermediäre.

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Teil 4: Deutschland

Rechtsangleichung 266 • Das gilt vor allem fllr eine gleichförmige praktische Anwendung der nationalen Insiderbestimmungen. Denn diese finden im Hinblick auf eine einheitliche Regelungstheorie in der EG-Richtlinie lediglich ihren kleinsten gemeinsamen Nenner; das macht die Analyse des WpHG deutlich. In Zukunft wird ein immer breiteres und damit unterschiedlicheres Publikum am Kapitalmarkt teilnehmen. In diesem Umfeld wird das deutsche Insiderrecht seine ganze Reichweite entfalten können.

266 Zur europäischen und internationalen Zusammenarbeit Deutschlands bei der Verfolgung und Prävention von Insiderhandel Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel, Jahresbericht 1996, S.40-45 sowie Jahresbericht 1997, S.35-40.

Zusammenfassung (1) Das neue deutsche Insiderrecht wendet sich, wie andere nationale Regelungen bereits lange vor ihm, gegen die unlautere Verwertung von Informationsvorsprüngen beim Wertpapierhandel. Der auf einer EG-rechtlichen Vorgabe basierende Gesetzestext des WpHG gibt jedoch wenig Aufschluß über den Regelungsgrund der Insiderhaftung. Als Vorläufer hat die V.S.-amerikanische Rechtsprechung unterschiedliche insiderrechtliche Haftungstheorien hervorgebracht; vor deren Hintergrund läßt sich der Regelungszusammenhang des europäischen und des deutschen Insiderrechts darstellen.

(2) Die in V.S.A. entwickelte Equal Access Theorie stellt ein Insiderhandelsverbot immer dann auf, wenn ein Informationsunterschied zwischen den anonymen Partnern eines Wertpapiergeschäfts nicht oder nicht mit legalen Mitteln überwunden werden kann. Wer Kenntnis von einer Insiderinformation hat, gilt damit ohne weiteres als Insider. Im Grundsatz werden Tipempfiinger oder Marktinsider rechtlich nicht vom klassischen Vnternehmensinsider unterschieden, Abgrenzungsprobleme dadurch vermieden. Der normative Ansatz der Equal Access Theorie spricht alle Marktteilnehmer an, egal ob diese regelmäßig oder nur zufiilligerweise eine Insiderinformation erfahren. Es ist deshalb am besten geeignet, Chancengleichheit und damit das Vertrauen der Anleger in die Marktintegrität zu gewährleisten. (3) Die Equal Access Theorie scheiterte jedoch in der V.S.-amerikanischen Rechtsprechung. Sie war mit dem Wortlaut der als Regelungsgrundlage rur das Insiderhandelsverbot herangezogenen Rule IOb-5 nicht zu vereinbaren, weil es bei ihr nicht auf den Verstoß gegen eine Treuepflicht ankommt. Außerdem gab es keine Tatbestandsmerkmale, mit denen sich zwischen unterschiedlichen Marktteilnehmern hinreichend differenzieren ließ. So sah man die Gefahr, daß die notwendige Geschäftstätigkeit bestim-mter Marktintermediäre mit insiderrechtlichen Sanktionen bedroht würde. Ihr breiter Regelungansatz geriet vor diesem Hintergrund zur Hauptschwäche der Equal Access Theorie. (4) In ein entgegengesetztes Regelungsextrem verfeillt die Fiduciary Duty Theorie. Sie verbietet die Ausnutzung einer Insiderinformation nur dann, wenn zwischen den Partnern eines Wertpapiergeschäfts eine Treuebeziehung besteht. Sie beseitigt damit den Widerspruch zwischen der zuvor praktizierten Insiderregelung und der als Rechtsgrundlage herangezogenen Rule IOb-5. Gleichzeitig legt sie die Erfassung des Insiderproblems praktisch auf den Bereich des Gesellschaftsrechts fest. Innerhalb des weitgehend anonymisierten Kapital-

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Zusammenfassung

marktgeschehens kommen individuelle Treuebeziehungen aber nur selten vor und lassen sich auch nur schwierig identifizieren. In der Insiderrechtsprechung ergaben sich deshalb große Regelungslücken. Marktinsider fielen nicht unter die Regelung; auch zur Erfassung von unternehmensnahen Insidern mußte man schon Hilfskonstruktionen anwenden. Ebenso konnte mit Wertpapieren, die nicht unmittelbar Gesellschaftsanteile verbriefen, sanktionslos Insiderhandel getrieben werden. In der Praxis stellte sich schnell heraus, daß die Fiduciary Duty Theorie das Insiderhandelsverbot in ein zu enges Korsett schnürt und deshalb keine alleinige Grundlage für ein allgemeines Insiderrecht sein kann. (5) Die Misappropriation Theorie ist gegenwärtig herrschend in der U.S.amerikanischen Rechtsprechung, aber genauso wie die beiden anderen Theorien nicht unumstritten. Sie sanktioniert die Verwertung eines Informationsvorsprungs, wenn sich jemand innerhalb einer individuellen Sonderbeziehung eine fremdnützig gebundene Information zueignet, indem er diese zu einem vorteilhaften Wertpapiergeschäft ausnutzt. Die Misappropriation Theorie entstand nicht aus dem Gedanken an einen dogmatisch schlüssigen Regelungsansatz, sondern aus dem praktischen Bestreben, die Begrenztheit des Treuepflichtkonzeptes zu überwinden. In diesem Sinne enthält sie gegenüber dem Vorzustand zwei wesentliche tatbestandliche Erweiterungen des Insiderhandelsverbots. Erstens ist nur noch die Verletzung irgendeiner, Z.B. berufsbezogenen oder auch familienrechtlichen, Sonderpflicht erforderlich; diese muß nicht die Intensität einer verbandsrechtlichen Treuepflicht aufweisen und läßt sich daher in vielen Fällen konstruieren. Zweitens braucht die PflichtensteIlung nicht mehr zwischen den eigentlichen Partnern des Wertpapiergeschäfts zu bestehen, sondern nur noch zwischen dem Insider und seiner Informationsquelle, also irgendeinem Dritten. (6) Bei der Misappropriation Theorie erschwert die Anonymität zwischen dem Insider und seinem Geschäftspartner auf der Marktgegenseite nicht mehr die Anwendung des Insiderhandelsverbots: Hier trägt der Kompromißcharakter dieser Haftungsidee; sie weitet den Anwendungsbereich des Insiderhandeisverbots in großem Umfang aus. Dies hat jedoch zu Folge, daß die Marktbeziehung zwischen dem Insider und anderen Anlegern aus dem Blickfeld gerät, ja sogar irrelevant wird. Der Anknüpfungspunkt der Misappropriation Theorie ist die Verletzung eines privaten Interesses und dem eigentlichen Handelsgeschehen innerhalb des Marktes vorgelagert. Dadurch kollidiert das öffentliche Interesse am Marktschutz mit der privatrechtlichen Gestaltungsautonomie der Normadressaten: Die Entscheidung über die Geltung des Insiderhandelsverbots liegt unter Umständen in privaten Händen. Diese Spannungslage wird besonders deutlich, wenn man, wie die Verfechter des "property rights"-Ansatzes, eine Insiderinformation als eigentumsähnliches Recht der Informationsquelle wertet. Die Misappropriation Theorie ist vor kurzem in der "landmark"-Entscheidung in United States v. O'Hagan vom U.S. Supreme Court in vollem Umfang aner-

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kannt worden. Dies bedeutet einen lange erhofften Gewinn an Rechtssicherheit im Hinblick auf die von der Rechtsprechung anzuwendende Insiderrechtstheorie. (7) Die vorliegende Untersuchung hat deutliche Abstufungen im Hinblick auf den Schutzbereich der verschiedenen Insiderrechtstheorien gezeigt. Hinsichtlich des Marktschutzes als übergeordnetem Regelungsziel ist dabei zu berücksichtigen, daß ein Markt für die Anleger informationeIl umso vertrauenswürdiger ist, je mehr Adressaten das Insiderrecht anspricht: Die Equal Acces Theorie wendet sich an alle Marktteilnehmer und bezieht dadurch auch alle in ihre Schutzwirkung mit ein. Sie verleiht dem Insiderhandel primär deliktischen Charakter. Demgegenüber kann die Fiduciary Duty Theorie wegen ihrer engen Haftungsanforderungen nur manche Marktteilnehmer vor Übervorteilung schützen. Sie fUhrt zu einer praktisch sehr eingeschränkten, an gesellschaftsrechtlichen Kategorien ausgerichteten Lösung des Insiderproblems. Die Misappropriation Theorie schließlich kann keinen Marktteilnehmer unmittelbar schützen, da sie auf die Beziehung des Insiders zur Informationsquelle außerhalb des Marktes abhebt. Sie ordnet die Lösung des Insiderproblems primär auftrags- und bereicherungsrechtlichen Kategorien zu, die häufig durch das Berufsrecht der Beteiligten geprägt sind. (8) Der EG-Richtlinie läßt sich kein einheitlicher Ansatz zur Insiderhaftung entnehmen. Sie ist durch Methodenmischung gekennzeichnet und nimmt inhaltliche Anleihen bei allen drei U.S.-amerikanischen Insiderrechtstheorien. Einen gesellschaftsrechtlich geprägten Regelungsansatz, wie er zuvor z.B. im Rahmen der deutschen Insiderhandels-Richtlinien bestand, läßt sie allerdings deutlich hinter sich. Es fmden sich überwiegend Strukturelemente der Misappropriation Theorie und der Equal Access Theorie. Die gemeinschaftsrechtliche Regelungsvorgabe enthält mithin keinen durchgehenden marktrechtlichen Ansatz, obwohl sie Chancengleichheit am Kapitalmarkt erreichen will. Ihr uneinheitliches Regelungskonzept llirdert voneinander abweichende Interpretationen. Das kommt besonders beim gestuften Begriff des Insiders und der Insiderinformation zum Ausdruck und behindert eine inhaltlich eindeutige Umsetzung in nationales Recht. (9) Die Insiderregelung des WpHG hält sich in weiten Teilen sprachlich eng an die gemeinschaftsrechtliche Vorgabe. Jedoch hat sie die EG-Richtlinie in entscheidenden Punkten weiterentwickelt. Deutlicher als die Vorgabe orientiert sie sich an der Schaffung relativer informationeller Chancengleichheit der Marktteilnehmer. Das wurde möglich durch einen gegenüber der gemeinschaftsrechtlichen Regelung erweiterten Begriff der Insidertatsache und des Sekundärinsiders. Im Ergebnis normiert das deutsche Insiderrecht in seinem Grundtatbestand den Gedanken der Equal Access Theorie, kann jedoch die der U.S.-amerikanischen Regelung entgegengebrachten Kritikpunkte vermeiden.

222

Zusammenfassung

Gleichzeitig überwindet das WpHG die methodische und inhaltliche Mehrdeutigkeit der EG-Richtlinie. Das war keineswegs selbstverständlich zu erwarten, wie die restriktivere Umsetzung in England zeigt. (10) Der Begriff des Sekundärinsiders bildet den personellen Grundtatbestand des deutschen Insiderrechts. Die tatbestandlichen Unterscheidungen bei der Normierung des Primärinsiderbegriffs haben nur noch beschreibenden Charakter. Die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärinsidern beim Verbotstatbestand durchbricht den ansonsten einheitlichen Regelungsansatz des WpHG. Sie beschwört Rechtsunsicherheit und praktische Schwierigkeiten bei der Verfolgung des Insiderhandels herauf; sie sollte vom Gesetzgeber nachträglich korrigiert werden. Klare Vorsatz- und Kausalitätserfordernisse ermöglichen es im Gegensatz zum U.S.-amerikanischen Recht, Anleger mit unterschiedlichen Funktionen im Markt durch eine einheitliche Insiderregelung zu erfassen. Ein zusätzliches Regulativ, mit dem die Lähmung wichtiger Informationsflüsse verhindert werden kann, ist das Tatbestandselement, wonach nur "unbefugte" Informationsweitergabe sanktioniert ist. Dies ist wichtig rur Personen, die Insiderinformationen typischerweise im Rahmen ihrer normalen beruflichen Aufgabenerrullung erfahren. (li) Das WpHG definiert den Begriff der Insidertatsache bzw. -information nach ausschließlich formalen Kriterien. Die traditionelle Unterscheidung in Untemehmens- und Marktinformationen wird dadurch rechtlich irrelevant. Das Merkmal der "Insidertatsache" bildet das zentrale Tatbestandskriterium des deutschen Insiderrechts, weil das Verwertungsverbot allein an die Kenntnis einer Insidertatsache anknüpft. Auch eine neuproduzierte Information kann eine Insiderinformation sein, z.B. ein besonders fundiertes Analyseergebnis oder die Entscheidung eines Übernahmebieters zur Abgabe eines bestimmten Angebots. Das Insiderhandelsverbot darf diese rur den Markt wichtige Informationsproduktion nicht gefahrden. Selbstproduzierte Informationen müssen frei verwertbar sein, auch wenn sie kursrelevant sind, damit der Produktionsanreiz erhalten bleibt. Deshalb muß das WpHG beim Tatbestandsmerkmal der Insidertatsache stärker differenzieren. Als Lösung bietet sich insbesondere an, eine selbstproduzierte Insiderinformation durch präzise Definition des Begriffes "Information" vom Anwendungsbereich des Insiderrechts auszunehmen. Demgemäß wandelt sich eine kursrelevante Nachricht erst dann zu einer Insider-"information", nachdem sie von einem Dritten, der also nicht ihr Schöpfer ist, wahrgenommen wurde. Das gleiche Ergebnis ließe sich auch über eine teleologische Reduktion des Begriffs der Insidertatsache erreichen. (12) Die Theorie des Insiderrechts ist im WpHG heute wieder dort angekommen, von wo sie in den 60er Jahren in dem prägenden V.S.-amerikanischen Fall s.E.c. v. Texas GulfSulphur Co. ihren Anfang genommen hat. Auch die grundlegende Motivation des europäischen und daran anschließend des

Zusammenfassung

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deutschen Nonngebers entspricht der des V.S. Kongresses bei Erlaß der "Securities Laws". Regelungszweck ist heute wie damals der Funktionsschutz des Kapitalmarktes durch Stärkung des Anlegervertrauens in die Marktintegrität. Allein, der Gesetzeswortlaut ist beim Grundtatbestand des WpHG, ungeachtet der praktischen Schwierigkeiten, erstmals vollständig auf den Gesetzeszweck abgestimmt. Dadurch ergibt sich automatisch eine Neubestimmung der insiderrechtlichen Haftungsgrundlage: Wertungsmäßig löst nicht mehr die Verletzung eines individualschützenden Sonderschuldverhältnisses zum Geschäftspartner oder zur Infonnationsquelle die Insiderhaftung aus, sondern der Verstoß gegen eine Deliktsnonn mit ausschließlich öffentlichem Schutzgut; dem Insider wird Mitverantwortung fur das Funktionieren des Marktes übertragen. So hat sich das Insiderrecht des WpHG von den Fesseln verbandsbezogener und individueller Rechtsbeziehungen befreit. Ihm gelingt eine konsequent kapitalmarktrechtliche Lösung des Insiderproblems. Hierin ist das deutsche Recht den V.S.amerikanischen Vorläufern voraus; es kann und sollte als Wegweiser fur die weitere europäische Rechtsangleichung dienen.

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Sachverzeichnis Analysten 65, 79, 83, 86, 167 ff., 205 ff. Analyseergebnisse - s. Informationsproduktion Anlegerschutz 28 f., 203 f. Anlegervermögen 29 Anlegervertrauen 29, 38, 63, 105, 174, 202 Anonymität 32 f., 71, 96 f. Arbeitgeberschutz 102, 104 ff. Arm's length transaction 32 Ärzte 113 f., 169 Beamte - s. Sonderbeziehung Bereichsöffentlichkeit 178 "Bestimmungsgemäßes" Insiderwissen 165 f., 167 f., 169 Beweisprobleme 83, 142, 194 Bryan - s. United States v. Bryan Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel 21 Cady, Roberts - s. In Re Cady, Roberts & Co. Carpenter - s. United States v. Carpenter Caveat emptor 31, 33 Chancengleichheit 31, 154 - s. auch informationelle Chancengleichheit Chestman - s. United States v. Chestman Chiarella v. United States 74 ff., 89, 102, 145, 170, 172 Common Law 46 f., 50, 52, 76, 97, 111 Criminal Iustice Act (1993) 192 Deliktische Informationseriangung 64, 95, 144, 170, 172 Dirks v. S.E.C. 79 ff., 111, 189 "Disclose or abstain" Regel 46

EG-Insiderhandelsrichtlinie 21, 132 Ehepartner - s. Treuepflicht Eignung zur Kursbeeinflussung - s. Kursrelevanz Equal Access Theorie 51 ff., 142, 150, 157f., 178 - verbesserte E. 197 ff. Europäischer Binnenmarkt 155 Face-to-face Transaktion 31, 47, 49 Fairneßgedanke 30,51,53,57,95 Familienmitglieder von Insidern - Misappropriation Theorie 107 ff., 110 ff. - EG-Richtlinie 145, 156 - WpHG 175, 195 f. - s. auch Sonderbeziehung Fiduciary Duty Theorie 45, 74 ff., 138, 150,151,175 Finanzintermediäre 63,65, 128, 187,217 Finanzplatz Deutschland 161, 184,217 "Footnote 14" 84, 86 Generalklausel 58, 146, 175 f. Globalisierung 161,216 Großaktionäre 35, 61, 65, 137 Haftungstheorie - s. Theorie "In connection with"-Erfordernis 118, 120 f., 127 f. Individualität 31 f., 72, 96 In-formatio (latein.) 212 Informationelle Bindung - EG-Richtlinie 140, 142 - WpHG 171, 189 Informationelle Chancengleichheit 199 f. - Relativität 64 f., 199 Informationsdiebstahl - s. deliktische Informationserlangung

Sachverzeichnis Infonnationsgleichheit 78, 199 f. - s. auch parity of infonnation Infonnationsinhaber - s. Insider Infonnationsproduktion 204 ff., 212 f. - Analyseergebnisse 205 ff. - Übernahmeentscheidungen 207 ff. Infonnationsveruntreuung - Misappropriation Theorie, s. dort Infonnationsvorsprung 25 f., 35, 46, 200 Infonnationsweitergabe 43, 153, 188 f. - eingeschränkter Verbotstatbestand 154, 187f., 194ff. - unbefugte I. gemäß WpHG 168 Infonnationszugang 53, 57 f., 64, 89 - Equal Access Theorie, s. dort - Ressourcen zur Beschaffung 27 Ingram - s. S.E.C. v. Ingram In Re Cady, Roberts & Co. 51 ff., 77, 89, 147 - Interpretationsmöglichkeiten 54 In Re Investors Management Co. 60 fT., 142, 189 Insider - constructive 84 - einheitlicher Begriff 190 f. - Infonnationsinhaber 27, 37 f., 56, 139 f. - Marktinsider, s. dort - Primärinsider, s. dort - qua "bestimmungsgemäßer" Kenntnis 165 f. - qua Fiktion 85 ff. - Quartärinsider 142 - Sekundärinsider, s. dort - tätigkeitsbedingte 135 ff. - temporary 84, 86 f. - Tertiärinsider 142 - Tipempfänger, s. dort - Unternehmensinsider, s. dort - Überwachung 45 - Zufallsinsider, s. dort Insiderhandels-RichtIinien 160 Insiderinfonnation - EG-RichtIinie 146 ff. Emittentenbezug 147, 176 Fonn 41 Inhalt 39 ff., 147 ff., 150 als Kernbegriff 191 f., 205 S.E.C. v. Texas Gulf Sulphur Co. 57 f.

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- Sprachliche Fassung 193 f. - United States v. Carpenter 106 f. - Wertpapierbezug 148, 176 f. - Wortlautauslegung 212 f. - WpHG (Insidertatsache) 175 ff. Insiderpapiere 42 f. - Aktien 42, 92, 151, 182 - EG-RichtIinie 151 - Fiduciary Duty Theorie 92 ff. - Marktsegmente 183 f. - Misappropriation Theorie 129 - Optionen 42, 93, 151, 182 - Schuldverschreibungen 42, 94, 151, 182 - WpHG 182 ff. Insiderrecht - als allgemeine Verhaltenspflicht 58, 78,96 - im engeren Sinne 201 f. - im weiteren Sinne 201 - ökonomische Auseinandersetzung 28 - Regelungsproblem 25 ff. Insidertatsache 175 ff., 178 f. - s. auch Insiderinfonnation - Eignung zu Kursbeeinflussung 179 ff. - Erheblichkeit 180 f. - s. auch Kursrelevanz - Regelung in England 192 - Teleologische Reduktion 213 f. - Wortlautauslegung 212 f. Insider trading 25 Investmentbanken 26, 60, 100 Investors Management Co. - s. In Re Investors Management Co. Journalisten - Misappropriation Theorie 103 - EG-Richtlinie 137 - WpHG 166, 169 Kapitalmarkt 28,29 f., 39, 65, 161,216 Kausalität - Equal Access Theorie 67 ff., 73 - "use"-Test 68, 187 - "knowing possession"-Test 68, 187 - EG-RichtIinie 135, 143, 153 - WpHG 185 ff. KleinanIeger 28, 65 Kommissionsgeschäft 32 Kursrelevanz 41,44,58, 106

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Sachverzeichnis

Lund - s. S.E.C. v. Lund Markt für Unternehmenskontrolle 208, 217 Marktinformation 39 ff. - EG-Richtlinie 149 f., 157 - Criminal Iustice Act (Eng land) 192 - WpHG 176 - s. auch Insiderinformation Marktinsider 36 f. - Equal Access Theorie 62 - Fiduciary Duty Theorie 91 f. Marktkomplementäre 33 Marktmittler 33 Marktschutz 29 f., 202 ff. - Marktintegrität 72, 105, 124 f., 151 - Misappriation Theorie 122 f. Materia - s. S.E.C. v. Materia Materiality 58 f., 181 Misappropriation Theorie 99 ff., 138, 150, 156 f., 170, 197f. - Veruntreuung einer Information 100 f. - s. auch Sonderbeziehung Newman - s. United States v. Newman Offenlegungspflicht 25,47,50,76, 119 O'Hagan - s. United States v. O'Hagan Open market Transaktion 32 Optionen - s. Insiderpapiere Outsider 36, 83 Parity of information 63, 77 Primärinsider - EG-Richtlinie 133 fT., 143 f., 152 f., 156 - WpHG 164 ff. Probability/magnitude test 59 "Property Rights"-Ansatz 125 f. Reasonable investor rule 58,181 Rechtsanwälte 36,83, 116, 128, 144 Rechtssicherheit - Grundproblem 38, 162 - Misappropriation Theorie 129 f. - EG-Richtlinie 134, 150

- WpHG 167, 170, 179, 192,207,209 Reed - s. United States v. Reed Regelungselemente 35 ff. Regelungslücken - Fiduciary Duty Theorie 82, 90 ff. - EG-Richtlinie 144, 146 Rezeptionsproblem 22 Rule IOb-5 48 ff., 76, 82, 101, 127 - Fraud or deceit 71, 119 Rule 14e-3 34, 92, 112 Sanktionsdrohung 21,51,65,69, 168, 208 Schadensersatz 28, 203 f. Schlacht bei Waterloo 25 f. Schutzzweck 28 ff. Scienter - s. Vorsatz Section 10 (b) S.E.A 48,76 Section 14 (e) S.E.A. 34 Section 16 (b) S.E.A. 34, 207 Securities Act 48 Securities and Exchange Commission 48, 68 Securities Exchange Act 48, 70 S.E.C. v. Ingram 86 f. S.E.C. v. Lund 85 f., 167, 188 f., 196 S.E.C. v. Materia 102 f., 170 S.E.C. v. Switzer 115 f., 173 S.E.C. v. Texas Gulf Sulphur Co. 54 ff., 106 f., 147, 150, 153, 182,203 Sekundärinsider - EG-Richtlinie 139 ff., 144, 154 f., 157 - WpHG 171 ff., 174 f. Short-swing profits 35 Societas Europea 132 Soft information 178 Sonderbeziehung - ärztliche 113 f. - berufliche 99 ff., 102 - familiäre 107 ff. - individuelles Rechtsverhältnis 32 - staatliche Bedienstete 114 f. Special facts doctrine 47 Speed v. Transamerica Corp. 50 Switzer, s. S.E.C. v. Switzer Takeover - s. Übernahmeangebot

Sachverzeichnis Tatsache - s. Insidertatsache Tender offer - s. Übernahmeangebot Texas Gulf Sulphur Co. - s. S.E.C. v. Texas Gulf Sulphur Co. Theorie - Anonymität von Insidergeschäften 33 - Gegenstand 34 f - Equal Access Theorie, s.dort - Fiduciary Duty Theorie, s. dort - Informationsbegriff 59 - Misappropriation Theorie, s. dort - Stimmigkeit 23, 33, 126, 143, 150 - Zusammenspiel der Regelungselemente 44 f. Tipempfänger 37 - Equal Access Theorie 60 f - Fiduciary Duty Theorie 80 ff., 90 f. - EG-Richtlinie 141 f. Tippees - s. Tipempfänger Total mix test 58 Treuepflicht - abgeleitete 81 f. - gegenüber dem Arbeitgeber 102 - gegenüber der Informationsquelle 95, 10Sf., 119 - Fiduciary Duty Theorie, s. dort - gesellschaftsrechtliche 32, 46 f., 74, 76,87 f. - Problem der Konkretisierung 109 - Verwandtschaft oder Ehe III f. Übernahmeangebot 34, 75, 92, 101, 108,110,116,145,207 ff., 217 Übernahmeentscheidungen - s. Informationsproduktion Umgehungsgeschäft 38, 45, 196 Unternehmensinformation 39 - s. auch Insiderinformation Unternehmensinsider 35 f, 88 f - EG-Richtlinie 133 ff.

16 Weber

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- WpHG 164 f United States v. Bryan 118 United States v. Carpenter 103 ff., 138, 150, 182 United States v. Chestman 110 ff., 139, 189,195 United States v. Newman 99 ff., 138 United States v. O'Hagan 116 ff. United States v. Reed 107 ff., 139, 195 United States v. Willis 113 f, 169 Verbotstatbestand 43 f., 45 - als berufliche Nebenpflicht 106 - EG-Richtlinie 152 ff. - WpHG 185 ff., 194 ff. Verwandtschaft - s. Treuepflicht Veruntreuung - s. Informationsveruntreuung Vorsatz - Equal Access Theorie 66 f., 73 - Misappropriation Theorie 121 - WpHG 168 Wall Street Journal 103 f., 124 Wandelanleihen 94 Wertpapieranalysten - s. Analysten Wertpapierhändler 65,99, 103, 110 Wertungswiderspruch - Equal Access Theorie 70 ff., 73 - Fiduciary Duty Theorie 96 f. - EG-Richtlinie 144 f. - WpHG 172, 187 ff., 196 Willis - s. United States v. Willis Zufallsinsider 38 - Misappropriation Theorie 115 f. - WpHG 172 ff. Zugang - s. Informationszugang