Innovationen in der Nanomedizin: Eine ethnografische Studie 9783839436479

How does nanotechnology gain agency? This book pursues this question with the aid of a detailed ethnographic case study.

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German Pages 292 Year 2016

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Innovationen in der Nanomedizin: Eine ethnografische Studie
 9783839436479

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort und Danksagung
1 Einleitung
2 Was ist Nanomedizin?
3 ›Nano‹ als Forschungs- und Entwicklungsfeld
4 Soziologische Perspektiven auf Innovationen
4.1 Technikdeterminismus – Sozialkonstruktivismus
4.2 Akteur-Netzwerk-Theorie
4.3 Kontroverse
5 Perspektive und Methoden der Felderkundung
5.1 Forschungsperspektive und Forschungsfrage
5.2 Untersuchungsort und Forschungsgegenstand
5.3 Ethnografie und Laborstudien
5.4 Experimentelle Ethnografie
5.5 Untersuchungsinstrumente
6 Nanomedizinische Innovationen
6.1 Zugang zur Nanowelt
6.1.1 Medialisierte Nanowelt
6.1.2 Medialisierung – Mediatisierung
6.1.3 Mediatisierungen der Rastersondenmikroskopie
6.1.4 Schwarze Flüssigkeiten – oder: Die Suche nach dem Rastersondenmikroskop
6.1.5 Nano-Wirklichkeiten
6.1.6 Präsenz, Repräsentation, Re-Präsentation
6.1.7 Konstruktion und Virtualität
6.1.8 Nanopartikel als Konstruktionen und ›virtuelle Objekte‹
6.1.9 Wirkliche Nanowelt
6.1.10 Zusammenfassung und Fazit
6.2 Experimentelle Praxis in Erlangen
6.2.1 Tierversuche
6.2.2 Arterienmodell
6.6.3 Zusammenfassung und Fazit
6.3 Nanomedizinische Forschung in Erlangen
6.3.1 Zum Begriff der Innovation
6.3.2 Wieso ›Nano‹?
6.3.3 Allianzen knüpfen
6.3.4 Interdisziplinäres Arbeiten
6.3.5 Charakterisierungen der Arbeitsgruppe
6.3.6 Öffentlichkeit
6.3.7 Erwartungen und die Zukunft von Nanomedizin
6.3.8 Zusammenfassung und Fazit
7 Zusammenfassung und Fazit
Anhang
Literatur

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Wiebke Pohler Schär Innovationen in der Nanomedizin

Wiebke Pohler Schär promovierte im Fach Soziologie an der Katholischen Universität Ingolstadt-Eichstätt. Für ihre Dissertation erhielt sie den Preis der Eichstätter Universitätsgesellschaft e.V. für herausragende wissenschaftliche Abschlussarbeiten. Sie lebt und arbeitet in der Schweiz.

Wiebke Pohler Schär

Innovationen in der Nanomedizin Eine ethnografische Studie

Die vorliegende Arbeit wurde 2015 von der Geschichts- und Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2017 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Printed in Germany Print-ISBN 978-3-8376-3647-5 PDF-ISBN 978-3-8394-3647-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhaltsverzeichnis

Vorwort und Danksagung | 9 1 Einleitung | 11 2 Was ist Nanomedizin? | 17 3 ›Nano‹ als Forschungs- und Entwicklungsfeld | 21 4 Soziologische Perspektiven auf Innovationen | 25

4.1 Technikdeterminismus – Sozialkonstruktivismus | 25 4.2 Akteur-Netzwerk-Theorie | 29 4.3 Kontroverse | 33 5 Perspektive und Methoden der Felderkundung | 37

5.1 Forschungsperspektive und Forschungsfrage | 37 5.2 Untersuchungsort und Forschungsgegenstand | 40 5.3 Ethnografie und Laborstudien | 42 5.4 ›Experimentelle Ethnografie‹ | 46 5.5 Untersuchungsinstrumente | 48 6 Nanomedizinische Innovationen | 53

6.1 Zugang zur Nanowelt | 55 6.1.1 Medialisierte Nanowelt | 56 6.1.2 Medialisierung – Mediatisierung | 64 6.1.3 Mediatisierungen der Rastersondenmikroskopie | 68 6.1.4 Schwarze Flüssigkeiten – oder: Die Suche nach dem Rastersondenmikroskop | 70 6.1.5 Nano-Wirklichkeiten | 74 6.1.6 Präsenz, Repräsentation, Re-Präsentation | 79 6.1.7 Konstruktion und Virtualität | 82 6.1.8 Nanopartikel als Konstruktionen und ›virtuelle Objekte‹ | 87 6.1.9 Wirkliche Nanowelt | 93 6.1.10 Zusammenfassung und Fazit | 97 6.2 Experimentelle Praxis in Erlangen | 99 6.2.1 Tierversuche | 102 6.2.2 Arterienmodell | 161

6.6.3 Zusammenfassung und Fazit | 181 6.3 Nanomedizinische Forschung in Erlangen | 188 6.3.1 Zum Begriff der Innovation | 189 6.3.2 Wieso ›Nano‹? | 212 6.3.3 Allianzen knüpfen | 217 6.3.4 Interdisziplinäres Arbeiten | 228 6.3.5 Charakterisierungen der Arbeitsgruppe | 232 6.3.6 Öffentlichkeit | 237 6.3.7 Erwartungen und die Zukunft von Nanomedizin | 247 6.3.8 Zusammenfassung und Fazit | 253 7 Zusammenfassung und Fazit | 257 Anhang | 265 Literatur | 267

In Gedenken an meinen Vater und meinen Großvater

Vorwort und Danksagung

Diese Publikation stellt das Ergebnis meiner Promotion dar. Die hier präsentierten Forschungsresultate beruhen auf einer ethnografischen Untersuchung, die ich in der Sektion für experimentelle Onkologie und Nanomedizin der HNO-Klinik des Universitätsklinikums Erlangen durchgeführt habe. Meine Forschungsaufenthalte fanden im Rahmen der Nachwuchsforschergruppe ›Innovationen in der Nanomedizin‹ statt, die durch die Volkswagen-Stiftung gefördert wurde. Ich möchte an dieser Stelle allen ganz herzlich danken, die mich bei meinem Promotionsvorhaben unterstützt und einen Beitrag zu dessen Entstehen geleistet haben. Mein größter Dank gilt dabei Prof. Christoph Alexiou sowie seinem Team. Zum einen danke ich dafür, dass sie mir die Türen ihrer Labore und Arbeitsräume geöffnet haben. Ihre Offenheit, ihr Vertrauen und natürlich ihre Auskunftsbereitschaft haben meine Untersuchung erst möglich gemacht. Ich denke mit Freude an all meine Aufenthalte in Erlangen zurück. Das liegt nicht nur darin begründet, dass ich hier viel Spannendes über Nanomedizin erfahren und beobachten durfte. Es liegt vor allem auch an der freundlichen und freundschaftlichen Zusammenarbeit. Zudem haben mich ihre Begeisterung und ihr Enthusiasmus für ihr nanomedizinisches Forschungsprojekt stets inspiriert. Dies hat mir auch in den manchmal schweren Zeiten der schriftlichen Ausarbeitung geholfen, mein Interesse und den Spaß an meinem Thema nicht zu verlieren. Auch meinen Interviewpartnern möchte ich danken, dafür, dass sie sich die Zeit genommen haben, meine Fragen zu beantworten. Frau Prof. Sabine Maasen danke ich für die Hilfestellungen zu meiner Arbeit, als auch für die Anregungen, die ich durch ihren Aufenthalt in Eichstätt erhalten habe. Ich danke vor allem auch meinem Doktorvater, Prof. Joost van Loon, dafür, dass er mich bei meiner Arbeit stets gefördert und bestärkt hat. Ich danke ihm auch für die vielen erhellenden und anregenden Gespräche im Zusammenhang der Diskussion meiner Arbeit. Eine bessere Betreuung kann ich mir nicht vor-

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stellen. Auch wenn ich nicht alle namentlich nennen kann, so möchte ich mich bei allen Kollegen, Freunden und meiner Familie für Unterstützung und Zuspruch bedanken. Ich danke Philipp für die Durchsicht der Arbeit, vor allem aber für seinen liebevollen Beistand, Rückhalt und Zuspruch. Und ich danke Henriette dafür, dass sie mir so viel Glück und Freude schenkt.

1 Einleitung

Das Wort ›Nano‹ kommt aus dem Griechischen [gr.: νάνος, nános] und bedeutet Zwerg. ›Nano‹ steht zunächst einmal für eine Maßeinheit: das Präfix ›Nano‹ bezieht sich auf einen Teil bzw. ein Vielfaches einer Maßeinheit. Ein Nanometer bezeichnet einen Milliardstel Meter (10-9 m). Seit den 90er Jahren sorgt die Vorsilbe ›Nano‹ im Zusammenhang mit den Begriffen ›Nanotechnologie‹ oder auch ›Nanowissenschaft‹ für Aufmerksamkeit. ›Nano‹ steht hier als Sammelbegriff für eine Wissenschaft- und Technikentwicklung, die sich zum Ziel gesetzt hat, Materie im Größenbereich der Nanometerdimension auf gezielte Weise zu nutzen. Charakteristisch für die Nanodimension ist dabei, dass es hier nicht nur um eine Verkleinerung von Stoffen geht, sondern dass Materialien in Nanogröße gänzlich neue Materialeigenschaften aufweisen. ›Nano‹ verspricht entsprechend nicht nur eine Verbesserung und Optimierung von Stoffen, sondern die Synthese völlig neuartiger Materialien, mit jeweils ›maßgeschneiderten‹, dem vorgesehenen Anwendungsfeld entsprechenden, Materialeigenschaften. So klein ›Nano‹ im materiellen Sinne auch sein mag, so groß sind demgegenüber Erwartungen bezüglich der Potentiale dieser neuen Technologie. Dies betrifft insbesondere die Medizin. Hier versprechen nanowissenschaftliche und nanotechnologische Innovationen sowohl neue Therapie-, als auch neue Präventionsmöglichkeiten. Fasst man diese Entwicklungspotentiale in der Medizin unter dem Namen ›Nanomedizin‹ zusammen, so beinhalten diese Prozesse die Diagnose, die Behandlung und die Vorbeugung von Krankheiten. Sie zielt somit auf die Erhaltung menschlicher Gesundheit und die Verbesserung von Lebensqualität ab. Auch wenn sich die Entwicklung und die Nutzung von Nanotechnologien, was im Besonderen den Bereich der Medizin anbelangt, vielfach noch in der Anfangsphase befinden, so wird Nanomedizin dennoch schon jetzt als eines der zentralen, zukunftsweisenden Forschungs- und Entwicklungsfelder technowissenschaftlichen Wandels ausgewiesen. Dies äußert sich nicht zuletzt in intensiven nationalstaatlichen Forschungsförderprogrammen.

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In dieser Hinsicht könnte man sagen, dass ›Nano‹ in einer altbekannten Argumentationsfigur inszeniert wird, in der wissenschaftlich-technologischer Fortschritt dazu führt, dass alles irgendwie besser wird. Es wird jedoch eine Besonderheit nanotechnologischer Innovationen, im Gegensatz zu anderen technologischen Entwicklungen (wie bspw. der Gentechnik oder auch anderen Verfahren der Biotechnologie), ausgemacht. Diese wird in dem Versuch verortet, die gesellschaftliche Folgenproblematik in Form einer öffentlichen Debatte schon in den Entwicklungsprozess der Nanotechnologie zu implementieren. Dahinter steht nicht zuletzt die zunehmende Überzeugung, dass der Erfolg technologischer Innovationen nicht allein in der Fähigkeit liegt, neues Wissen in technologische Anwendungen zu überführen. Will Innovationspolitik erfolgreich sein, so bedarf es zugleich auch der gesellschaftlichen Akzeptanz neuer Technologien. Es wird konstatiert, dass Wissen nicht länger allein den Maßstäben der Wissenschaftlichkeit genügen könne, welche Wissen in Bezug auf seine Validität und Verlässlichkeit prüfen. Wissen müsse zudem auch den Anforderungen, Ansprüchen und Erwartungen der Gesellschaft gerecht werden. Neue Technologien adressieren in dieser Konzeption ein bestimmtes Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft, wobei technologische Innovationen die Frage aufwerfen, wie sich dieses Verhältnis bestimmt und gestaltet.1 Das Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft soll daher im Hinblick auf nanomedizinische Innovationen den zentralen Bezugs- und Diskussionspunkt der folgenden Ausführungen darstellen. Das Buch verfolgt folgende Ziele: Es möchte einen Beitrag zur sozialwissenschaftlichen Beforschung technowissenschaftlicher Innovationen leisten. Inhaltlich liefert es hierzu eine detaillierte Fallstudie nanomedizinischer Innovationen, die es erlaubt danach zu fragen, was Kennzeichen und Charakteristika nanomedizinischer Forschung sein könnten und wie sich ›Nano‹ als neues Forschungs- und Entwicklungsfeld im Bereich der Medizin etabliert.2 In der Ausarbeitung dieser Fragestellungen verfolgen meine Darstellungen sowohl eine spezifisch theoretisch-konzeptuelle Ausrichtung, als auch einen bestimmten methodologisch-methodischen Zugang. Wissenschaft

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Ich beziehe mich hier auf die Begrifflichkeiten von Wissenschaft und Gesellschaft, so wie sie üblicherweise, nicht zuletzt auch in der Soziologie, verstanden und benutzt werden, nämlich in der Form einer Gegenüberstellung.

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Dabei ist es wichtig zu betonen, dass ›Nano‹ mir als Fallstudie einer technnologischen Praxis und einer technowissenschaftlichen Innovation dient, es geht nicht um eine Fallstudie von Nanomedizin, die empirische Generalisierungen zu Nano liefert und zulässt.

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und Gesellschaft sollen dabei nicht a priori in Unterscheidung zueinander gedacht und konzeptualisiert werden. Vielmehr sollen nanomedizinische Innovationen in einer Perspektive beforscht und beschrieben werden, die Wissenschaft und Gesellschaft als Zusammenhang begreift. Auf diese Weise sollen nanomedizinische Innovationen und nanomedizinische Forschungspraxis nicht, wie es ein soziologischer Zugang üblicherweise nahe legt, anhand ›sozialer‹ Faktoren untersucht und erklärt werden, sondern es sollen auch die nicht-sozialen, materialen Aspekte wissenschaftlicher Praxis betrachtet und einbezogen werden. Auf diese Weise möchte ich ›Nano‹ als heterogenes, natur-kulturelles Phänomen sichtbar machen. Fallstudie Nanomedizinische Innovationen sollen anhand einer detaillierten Studie nanomedizinischer Forschung in der ›Sektion für experimentelle Onkologie und Nanomedizin‹ der HNO-Klinik Erlangen, unter der Leitung von Prof. Christoph Alexiou, untersucht werden. Konkret geht es dabei um die Beforschung und Beschreibung der Entwicklung und Etablierung einer neuen Krebs-Therapieform, die auf dem Prinzip des sog. drug targetings beruht. Magnetische Nanopartikel werden dabei als Transportmittel genutzt, um Chemotherapeutikum zielgerichtet an ihren Wirkort zu bringen. Der Vorteil eines solchen Verfahrens liegt darin, dass aufgrund der zielgerichteten Anwendung weniger Chemotherapeutikum zu Therapiezwecken verabreicht werden muss (nur 10% gegenüber einer systemischen Gabe). Das Verfahren zeichnet sich in dieser Hinsicht dadurch aus, dass es mit einer Verringerung von Nebenwirkungen verbunden ist, die üblicherweise mit der Gabe von Chemotherapeutika einhergehen. Ich möchte die Beforschung und Entwicklung dieses neuen Therapiekonzepts untersuchen, indem ich der Praxis nanomedizinischer Forschung folge, so, wie sie Tag für Tag im Labor stattfindet. In diesem Sinne sollen nanomedizinische Innovationen anhand der Konstruktions- und Übersetzungsprozesse beforscht und dargestellt werden, die versuchen, ›Nano‹ innerhalb der Medizin und der medizinischen Forschung zu etablieren. Mein Forschungsinteresse möchte ich auf folgende Forschungsfrage zuspitzen: »Wie wird ›Nano‹ zum Akteur?«. Theoretisch-konzeptuelle Ausrichtung Die Relevanz nanomedizinischer Innovationen äußert sich durch das hohe, gesellschaftswirksame Innovationspotential auf der einen und den unsicheren und risikobehafteten Prozessen gesellschaftlicher Transformation auf der anderen Seite. In dieser Hinsicht werden nanomedizinische Innovationen in einem Spannungsfeld von Wissenschaft und Gesellschaft diskutiert. In Anschluss an Arbei-

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ten der Science and Technology Studies und an die Akteur-Netzwerk Theorie (ANT) möchte ich in meinen Ausführungen jedoch die Kritik an einer konzeptionellen Ausrichtung aufnehmen, welche Wissenschaft und Gesellschaft quasi als zwei separate und unterschiedliche Realitätsbereiche auffasst. Stattdessen möchte ich in der Annäherung an das Forschungs- und Entwicklungsfeld Nanomedizin einen Forschungsansatz wählen, der Wissenschaft und Gesellschaft als zusammenhängend begreifen und beschreiben möchte. Meine Untersuchung konzipiert daher nanomedizinische Innovationen jenseits der gesellschaftlichen und gesellschaftswissenschaftlichen tradierten Grenzen und Grenzziehungen, wie z.B. Natur/Kultur, menschlich/nicht-menschlich, sozial/nicht-sozial. Entsprechend muss auch die Frage, mit welcher Art von ›Sozialtheorie‹ sich das Feld nanomedizinischer Innovationen adäquat beschreiben lässt, kritisch diskutiert werden. Dies soll im Rahmen einer Auseinandersetzung zweier, für die sozialwissenschaftliche Beforschung von technischen Innovationen zentraler, Perspektiven geschehen. Ich beziehe mich dabei zum einen auf den Technikdeterminismus, der Innovationen außerhalb des Sozialen verortet und damit Technik als Ausgangspunkt und Motor gesellschaftlicher Entwicklungen ausweist. Zum anderen werde ich die Perspektive des Sozialkonstruktivismus diskutieren. Diese betrachtet wissenschaftliche Innovationen und Technikgenese als einen gesellschaftlichen Entwicklungsprozess, in dem Technik durch soziale Aushandlungsprozesse hervorgebracht und geformt wird. Ich möchte entgegen diesen beiden Perspektiven, die jeweils eine bestimmte Art von Reduktionismus betreiben, argumentieren, dass wissenschaftlich-technische Innovationen weder als Artefakte aufzufassen sind, die durch inhärente, unveränderliche Eigenschaften definiert werden können, noch als rein soziale Wissensobjekte, die sozial konstruiert und durch diskursive Praktiken produziert werden. In diesem Sinne möchte ich nanomedizinische Innovationen als heterogene, natur-kulturelle Objekte betrachten. Um nanomedizinische Innovationen in dieser Hinsicht jenseits tradierter Grenzziehungen zu untersuchen, habe ich meiner Untersuchung die Heuristik des Akteur-Netzwerkes zugrunde gelegt. Diese Heuristik ermöglicht es, Ordnungs- und Deutungsleistungen nicht auf der Grundlage bestehender soziologischer Kategorien zu erzeugen, sondern den Verknüpfungs- und Übersetzungsprozessen zu folgen, die durch die Akteure selbst vollzogen werden. Die Forschungsmaxime ›follow the actors‹ möchte ich auch dazu nutzen, die theoretisch-konzeptuellen Grenzen sozialwissenschaftlicher (insbesondere sozialkonstruktivistischer) Wissenschafts- und Technikforschung zu hinterfragen und neu auszuloten.

E INLEITUNG

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Methodologisch-methodischer Zugang Die Nanomedizin lässt sich als ein ›emerging field‹ kennzeichnen, was bedeutet, dass sich nanomedizinische Innovationen, insbesondere was auch mein Fallbeispiel anbelangt, derzeit noch in der Forschungs- und Entwicklungsphase befinden. Zur Analyse dieser Offenheit der ›Ontologie‹ nanomedizinischer Innovationen soll daher ein prozess-orientierter Zugang zum Feld gewählt werden, der – im Sinne der ANT –, die Konstruktionsprozesse dieses neuen Forschungs- und Entwicklungsfelds beobachtet und beschreibt. Um dies forschungspragmatisch umzusetzen, habe ich für meine Untersuchung die Laborethnografie gewählt und stelle damit meine Untersuchung in die Tradition der Laborforschung (Laboratory Studies). Die Laborethnografie erlaubt es anhand konkreter Forschungssituationen innerhalb eines Forschungslabors differenzierte Einblicke in nanomedizinische Forschungs- und Entwicklungspraxis zu erhalten. Dabei interessiere ich mich insbesondere auch für die Objekte nanomedizinischer Forschung, da es maßgeblich Objekte sind, die durch nanomedizinische Forschung hervorgebracht werden und diese dann auch kennzeichnen. Nanomedizinische Forschung lässt sich in dieser Hinsicht im Hinblick auf eine umstrittene, auszuhandelnde Objektwelt analysieren.3 Im Hinblick auf die spezifischen Anforderungen der Laborethnografie, die eine interdisziplinäre Zusammenarbeit nötig macht, möchte ich meine Laborethnografie als ›experimentelle Ethnografie‹ kennzeichnen. Als konkrete Untersuchungsinstrumente habe ich die teilnehmende Beobachtung und leitfadengestützte Experteninterviews gewählt. Begleitet wurde dies von einer Dokumentenanalyse zentraler Veröffentlichungen, wie online verfügbare Forschungsstrategiepapiere, Arbeitsberichte, Forschungsberichte oder Selbstdarstellungen sowie Veröffentlichungen und Poster der Arbeitsgruppe. Die Möglichkeiten und Grenzen eines solchen methodologisch-methodischen Zugangs werden im Folgenden thematisiert und diskutiert. Aufbau des Buches Beginnen möchte ich mit einer allgemeinen Charakterisierung und Definition des Forschungs- und Entwicklungsfeldes ›Nano‹, wobei ich mich insbesondere auf das Anwendungsfeld der Medizin fokussiere. Benannt werden unterschiedliche nanobasierte Technologien als auch mögliche Anwendungsfelder. Zudem

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Das Besondere meiner Untersuchung nanomedizinischer Innovation ist, dass es sich nicht einfach um eine weitere Studie wissenschaftlicher Laborpraxis handelt. Da Nano sowohl in der medial-öffentlichen Debatte als auch in der Wissenschaftsforschung, kontrovers behandelt wird, verstehe ich meine Untersuchung auch als einen Beitrag zu dieser Kontroverse.

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möchte ich die Konstitution und die Etablierung der Nanotechnologie als Forschungs- und Entwicklungsfeld kurz umreißen, so, wie sie insbesondere in der sozialwissenschaftlichen Wissenschaftsforschung rekonstruiert und gekennzeichnet wird. Daran anschließend möchte ich meine theoretisch-konzeptuelle Ausrichtung vorstellen. Entwickeln möchte ich diese in Auseinandersetzung mit dem Technikdeterminismus und dem Sozialkonstruktivismus als zwei soziologische Perspektiven auf Innovationen. Einen zweiten Bezugspunkt für die Entwicklung meines konzeptuellen Zugangs stellt die Kontroverse zwischen Sozialkonstruktivismus und ANT dar. Auf diese möchte ich kurz Bezug nehmen. In Anschluss an die Darstellung der theoretisch-konzeptuellen Ausrichtung werde ich meinen methodologisch-methodischen Zugang darstellen und begründen. Dem folgt der Hauptteil dieser Publikation mit der Ausarbeitung meiner Empirie. Hierbei gehe ich zum einen auf bestehende sozialwissenschaftliche und wissenschaftsphilosophische Forschungsliteratur und die hier zu findenden Charakterisierungen des Forschungs- und Entwicklungsfeldes ›Nano‹ ein. In Bezug auf mein Fallbeispiel sollen diese Charakterisierungen geprüft und diskutiert werden. Diese Auseinandersetzung dient insbesondere auch dazu, anhand der bestehenden Beschreibungen eine (philosophisch-erkenntnistheoretische) Perspektive zur Beforschung nanowissenschaftlicher Praxis zu entwickeln, die ich dann zur Analyse und Darstellung meines empirischen Materials nutzen möchte. In einem zweiten Teil der Empirie sollen dann die Verfahren, Methoden und Mittel betrachtet und beschrieben werden, die in der täglichen Forschungspraxis in der Sektion für experimentelle Onkologie und Nanomedizin zum Einsatz kommen. Im Mittelpunkt dieses Kapitels soll also die Nano-Forschungspraxis im Labor stehen. In einem dritten Teil möchte ich dann jene Tätigkeiten betrachten, die über die rein experimentelle Praxis hinausgehen, aber dennoch Teil von Nanoforschung sind. Aspekte wie Forschungsfinanzierung oder Öffentlichkeitsarbeit sollen hier untersucht und dargestellt werden. Zum Abschluss möchte ich meine Ergebnisse nochmals reflektieren und dabei im Besonderen die Unterscheidung von Wissenschaft und Gesellschaft diskutieren. Daraus sollen Schlüsse für die sozialwissenschaftliche Wissenschaftsforschung gezogen werden.

2 Was ist Nanomedizin?

Nanomedizin ist, ganz allgemein gesprochen, die Anwendung der Nanotechnologie in der Medizin. Nanotechnologie ist ein Sammelbegriff, der jede Forschungsdisziplin umfasst, die mit Materialien im Größenbereich von 1-100 Nanometern arbeitet und forscht. Ein Nanometer ist ein Milliardstel Meter. Ein Beispiel, dass gern herangezogen wird, um sich diese Größe vorstellbar zu machen: Ein Nanoteilchen verhält sich zu einem Fußball, wie der Fußball zum Umfang der Erde. Das Besondere an dieser Größenordnung ist nun, dass sich die Eigenschaften von Materialien ändern. So spielen Oberflächeneigenschaften gegenüber Volumeneigenschaften eine größere Rolle. Die Idee hinter dem Begriff der Nanotechnologie beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Nutzung von spezifischen Eigenschaften, sondern ihr geht es auch um die gezielte Manipulation oder auch Konstruktion von Materialien aus einzelnen Atomen. Diese neuartigen Materialeigenschaften versprechen Anwendungsmöglichkeiten in den unterschiedlichsten Bereichen. Viele Produkte, die auf Nanontechnologie und nanotechnologischen Verfahren beruhen, sind bereits auf dem Markt. Dazu zählen bspw. Pflegeprodukte aller Art, die durch sog. Nanoversiegelungen vor Schmutz oder vor Nässe schützen. In der Bekleidungsindustrie werden Textilien so beschichtet, dass sie besser vor Wind, Wetter oder UV Strahlung schützen. Baumaterialien werden widerstandsfähiger und stabiler gemacht. Anwendungen solcher Art sind schon selbstverständlich in unseren Alltag eingegangen. So bietet z.B. eine Kfz-Werkstatt, ganz in meiner Nähe, ›Nanoversiegelungen‹ als Dienstleistung an. Auch in der Medizin gibt es bereits nanotechnologische Anwendungen. So kommen Nanopartikel in der Krebstherapie zum Einsatz (bspw. in sog. Hyperthermieverfahren, wo Körperregionen mittels Nanopartikel gezielt aufgeheizt werden, wobei die Hitze Krebszellen töten soll). In der Pharmazie gibt es Medi-

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kamente, wo eine Nanoskalierung von Wirkstoffen (sog. Liposomen) eine bessere Verträglichkeit von Arzneimitteln fördern soll. Im Hinblick auf diese umfassenden Anwendungsmöglichkeiten in ganz unterschiedlichen Technologiefeldern wird die Nanotechnologie auch als Querschnittstechnologie bezeichnet (BMBF 2006). Die Nutzung von Nanotechnologie in der Medizin ist mit besonders großen Erwartungen verknüpft. So wird die Medizin auch als ein zentrales und zukunftsweisendes Forschungs- und Entwicklungsfeld ausgewiesen (AGIT u.a. 2004; TA-Swiss 2003). Nanomedizin umfasst die medizinischen Bereiche von Diagnose, Behandlung und Vorbeugung von Krankheiten und richtet sich somit auf Prozesse der Erhaltung und Verbesserung der menschlicher Gesundheit (vgl. Freitas 2005; ESF 2005; TA- Swiss 2006). Da es sich bei ›Nano‹ nicht um eine definitive Technologie im Singular handelt, sondern verschiedene Methoden und Anwendungsmöglichkeiten bereitstellt, lässt es sich als eine Art »Werkzeugkasten« (Baumgartner/Jäckli 2007) interpretieren, mit dessen Hilfe sich bestimmte medizinische Bedarfe an Diagnostik und Therapie umsetzen und realisieren lassen. Idealtypisch lassen sich dabei fünf Typen von Werkzeugen unterscheiden (vgl. TA-Swiss 2003: 24 ff.): • Partikel, als eher einfach strukturierte Teilchen. Sie gehen über das Konzept



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eines Moleküls hinaus, aber in Bezug auf ihre Lineardimensionen können sie der Kategorie ›Nano‹ zugeordnet werden. Beispiele hierfür sind u.a. Quantenpunkte, die zur Diagnosezwecken als Marker genutzt werden können, magnetische Nanopartikel, die diagnostisch, ebenfalls als Etiketten, oder therapeutisch zum Medikamententransport genutzt werden können. Dendrimere und Nanoshells, sind weitere Beispiele für Partikel, die zu therapeutischen Zwecken zum Einsatz kommen können. Strukturen, als mehr komplexer strukturierte Partikel bzw. Partikelverbünde. Hierzu zählen u.a. Sonden oder Sensoren mit Nanoröhrchen sowie nanostrukturierte Materialien wie bspw. Membranen. Oberflächen, als ausgedehnte, flächige Strukturen. Als ein Beispiel können hier nano-basierte, biokompatible Materialien genannt werden. Devices, meinen hochkomplexe Strukturen, die mit chemischen, mechanischen oder elektrischen Funktionalitäten ausgestattet sind. Hier sind verschiedenartige Prothesen, bis hin zu künstlichen Organen denkbar. Methoden, als nanobasierte Untersuchungs- und Verarbeitungsmethoden. Diese umfassen vor allem miniaturisierte Analysemethoden.

W AS IST N ANOMEDIZIN ? | 19

Neben diesem Katalog möglicher nanotechnologischer Instrumente und Anwendungen können prinzipiell fünf Hauptanwendungsfelder von ›Nano‹ in der Medizin benannt werden (vgl. Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung 2008: 12 ff.):1 1) Wirkstofftransport: Hier geht es um die Entwicklung nanoskaliger Transportsysteme, die Wirkstoffe gezielt zum gewünschten Wirkort bringen können. Die zielgerichtete Applikation von Wirkstoffen verspricht v.a. eine nebenwirkungsärmere Behandlung, Nebenwirkungen, die insbesondere durch eine unspezifische Verteilung von Medikamenten im Körper verursacht werden. 2) Wirkstoffe und Therapieverfahren: Hierbei sollen Nanopartikel und nanoskalige Molekülen zu therapeutischen Zwecken genutzt werden. So könnten bspw. Moleküle so maßgeschneidert werden, dass sie mit Viren in eine Wechselwirkung treten, wobei das Ziel verfolgt wird, Infektionsketten zu unterbrechen. Ein weiteres Beispiel ist die Anreicherung von Nanopartikeln in Tumoren zur Abtötung von Tumorzellen. 3) Implantate und Biomaterialien: Nanostrukturierte Oberflächen sollen hier für eine bessere Verträglichkeit und längere Lebenszeit von Implantaten sorgen. 4) In-vitro-Diagnostik: Hier soll Nanotechnologie zur effizienteren Gestaltung von diagnostischen Tests genutzt werden. Dabei geht es zum einen um eine Miniaturisierung von Diagnose-Techniken durch den Einsatz nanotechnologischer Messprinzipien, bspw. in Form von sog. Lab-on-a-Chip Anwendungen. Zum anderen sollen neue Nanopartikel als Marker für biologische Moleküle genutzt werden, was eine verbesserte Diagnose bspw. für Krebs oder kardiovaskulärer Erkrankungen ermöglichen soll. 5) In-vivo-Diagnostik: In einem Zusammenspiel von Genomforschung, Molekularbiologie und diagnostischer Bildgebung verspricht man sich, die Entstehung und den Verlauf von Krankheiten besser nachweisen zu können. So sollen bspw. Biomarker gezielt bestimmte Krankheiten detektieren. Dies soll ein Erkennen von Krankheiten vor deren Ausbruch ermöglichen. Für eine entsprechende Bildgebung wird an der Entwicklung molekularer Kontrastmittel geforscht, die eine hinreichende Anreicherung von Kontrastmittel an den Biomarkern zu

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Für eine ausführlichere und umfangreichere Darstellung einzelner nanomedizinischer Forschungs- und Entwicklungsfelder vgl. Freitas 2005.

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Zwecken der Bildgebung ermöglicht. Im Bereich der molekularen Bildgebung erwartet man langfristig sogar einen Paradigmenwechsel in der Medizin: von der symptomatischen Behandlung von Krankheiten hin zur Früherkennung und Prävention. Die Erwartungen an diese Forschungs- und Entwicklungsfelder sind groß. So vertritt z.B. eine Studie der TA-Swiss aus dem Jahr 2003 die These, dass die Nanotechnologie die Medizin innerhalb von 20-30 Jahren maßgeblich verändern wird. Dies betrifft sowohl die diagnostische Medizin, die effektiver aber auch präventiver gestaltet werden soll. Zugleich werden wirksamere Therapieansätze erwartet (TA-Swiss 2003: 85). All dies, so folgert der Bericht weiter, führt gleichsam zu einer Veränderung der Gesellschaftsstruktur, da die Lebenserwartung erhöht, gleichzeitig die Morbidität gesenkt werde (vgl. Tiefenauer 2004). Ganz gleich, wie man diese Entwicklungen beurteilen mag, deutlich wird, dass die Nanomedizin als ein ›Akteur‹ inszeniert wird, der mit umfassenden Transformationsprozessen assoziiert wird. Das Ausmaß dieser Transformationsprozesse kennzeichnet Christoph Baumgartner mit dem Verweis auf eine paradoxe Analogie: »[…] während der Nanokosmos unvorstellbar klein ist, scheinen die Auswirkungen der Nanotechnologie unvorstellbar groß zu sein.« (Baumgartner 2006: 328)

Als Forschungs- und Entwicklungsfeld wird ›Nano‹, was dessen Ursprünge und Etablierung anbelangt, durch bestimmte Kennzeichen ausgewiesen, die ich im Folgenden kurz zusammenfassen werde.

3 ›Nano‹ als Forschungs- und Entwicklungsfeld

Im Vergleich zu anderen Technologieentwicklungen kennzeichnet sich ›Nano‹ als Forschungs- und Entwicklungsfeld – was zumindest die sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit ›Nano‹ betrifft – durch eine Besonderheit, die dadurch zum Ausdruck kommt, dass ›Nano‹ nicht als »normale Technik« (vgl. Schummer 2009: 11) aufgefasst und beschrieben wird. Unter ›normaler Technik‹ würde Joachim Schummer eine Technik verstehen, die in Forschungslaboren entdeckt und entwickelt wurde und sich dann verbreitet, kommerzialisiert und gesellschaftlich diffundiert (vgl. ebd.). Demgegenüber wird der Ursprung der Nanotechnologie nicht in den Forschungslaboren gesehen, sondern sie geht aus politischen Diskursen hervor, d.h. die Konstitution und die Etablierung der Nanotechnologie als Forschungs- und Entwicklungsfeld wird maßgeblich auf staatliche Initiativen zurückgeführt (vgl. Schaper-Rinkel 2010; Fogelberg 2010; Schummer 2009). Petra Schaper-Rinkel identifiziert drei Prozesse bzw. Dynamiken, durch die sich die Formierung von ›Nano‹ charakterisieren lassen: (1) die Formierung der Diskurse, (2) Verbreitung der Diskurse und (3) Kontrolle der Diskurse (Schaper-Rinkel 2010): (1) Bis in die 80er und frühen 90er Jahre hinein blieb das Thema ›Nano‹, das bislang noch ein offenes und unspezifisches Konzept darstellte, beschränkt auf Fachkreise. In Deutschland wurde die Nanotechnologie vom Technologiezentrum des VDI (Verein Deutscher Ingenieure) im Auftrag des Bundesforschungsinstitutes als zukunftsweisendes Thema identifiziert, was 1998 zu strategischen Maßnahmen zur Förderung dieses Technologiefeldes führte. In einer Reihe von technologiepolitischen Studien und Berichten wurde Nanotechnologie konzeptionell geformt, das bedeutet insbesondere, dass Ziele formuliert und Erwartungs-

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horizonte benannt wurden, an denen sich Forschungsförderung orientieren konnte. Neben dieser konzeptionellen Fassung des Begriffes Nanotechnologie kam es gleichsam zur Etablierung und Konstituierung eines Netzwerkes unterschiedlicher Akteure (ebd. 42f.). Die Initiierung umfangreicher forschungsstrategischer Fördermaßnahmen der Nanotechnologie ist in den bedeutenden Umsatzerwartungen begründet, die die Nanotechnologie durch ihre disziplinenübergreifenden Anwendungspotentiale in fast allen Wirtschaftbereichen verspricht (Grundwald 2008: 32). (2) Um die Jahrtausendwende kommt es zu einer rasanten Ausweitung und Vervielfältigung der Diskurse zu Nanotechnologie. In dieser Zeit werden auch Charakterisierungen der Nanotechnologie als ›Schlüsseltechnologie‹ geprägt, die sich mit Erwartungen einer ›dritten industriellen Revolution‹ verbinden. Diese Erwartungen werden dann in den führenden Industriestaaten gezielt in Strategiepapiere wichtiger technologiepolitischer Akteure übersetzt.1 Diese Strategiepapiere führen zum einen zu einer erhöhten öffentlichen Aufmerksamkeit, zeigen aber auch den Effekt, dass sich durch steigende öffentliche Fördermittel immer mehr Forschende auf Konzepte der Nanotechnologie beziehen und sich somit im Nanodiskurs verorten. Es kommt zur Ausdifferenzierung verschiedener Subdisziplinen, wie Nanochemie, Nanoelektronik, Nanobiologie usf. In diesem Stadium verlässt der Nanodiskurs die Beschränkung auf Fachöffentlichkeiten, nicht zuletzt auch durch eine zunehmende mediale Präsenz (Schaper-Rinkel 2010: 44 f.). (3) Als eine weitere Dynamik setzt dann eine grundsätzlichere Debatte zu Fragen technischer und gesellschaftlicher Entwicklungen ein.2 Nanotechnogieprogramme beziehen explizit ethische, rechtliche und gesellschaftliche Problemstellungen in den Kontext der Technologieentwicklung mit ein. In diesem Zusammenhang werden auch die Human- und Sozialwissenschaften sehr früh in die Nanodiskurse eingebunden und gestalten diese mit. Eine umfassende Risikodebatte etabliert sich um das Jahr 2004 u.a. in Anschluss an einige medienwirksamen Debatten von Gegnern der Nanotechnologie. In Bezug auf unterschiedliche Ak-

1

Eine einflussreiche Vorbildfunktion für viele nationale Strategiemaßnahmen hatte die im Jahr 2000 von Bill Clinton initiierte Nationale Nanotechnologie Initiative (NNI) in den USA. Diese Initiative etablierte die Nanotechnologie als Schwerpunktthema us-amerikanischer Forschungs- und Innovationspolitik (vgl. Fogelberg 2010; Schummer 2009).

2

Vgl. hierzu Maasen u.a. 2009.

N ANO

ALS

FORSCHUNGS-

UND

E NTWICKLUNGSFELD | 23

teure, die die Nano-Technologieentwicklung unterschiedlich beurteilen und bewerten, kommt es auch im Bereich der Risikodiskurse zu einer Ausdifferenzierung. In Anschluss an diese Entwicklung werden mit öffentlichen Mitteln Öffentlichkeitsarbeit und partizipative Verfahren wie Bürgerforen oder Verbraucherkonferenzen organisiert. Hier wird vielfach die Kritik geäußert, dass diese weniger das Ziel wirklicher Teilhabe verfolgten, sondern vielmehr Informationszwecken dienten und mit der Vorgabe der Akzeptanzsicherung verbunden seien (vgl. Erlemann 2010; Kurath/Gisler 2009). Im Zentrum nanotechnologischer Förderung durch technologiepolitische Akteure stehen wirtschaftliche Interessen, wie Wachstumssteigerung und Förderung von Wettbewerbsfähigkeit. Im Zuge risikorelevanter Fragestellungen kommt es aber zur Etablierung einer weiteren Debatte, die sich mit Fragen notwendiger Klassifikations- und Regulierungsmaßnahmen auseinandersetzt. Jeweilige Regulierungsanforderungen werden dabei jedoch recht unterschiedlich eingeschätzt und eingefordert (Schaper-Rinkel 2010: 45 ff.). In der Beschreibung dieser Dynamiken rekonstruiert Schaper-Rinkel also die Nanotechnologie als »politische Diskursgeschichte«, in der »[…] Erwartungen und Versprechen heterogener Akteure im technologiepolitischen Diskurs aufgegriffen und rekonfiguriert werden und in dem Prozess zu konkreten Optionen verdichtet werden.« (Schaper-Rinkel 2010: 50). Insofern ›Nano‹ aus diesen diskursiven Praktiken hervorgeht, wird ›Nano‹ vielfach als »wissenschafts- und technologiepolitische ›Erfindung‹ « (Felt 2010: 28) charakterisiert, die als solche ein nur »scheinbar« klar zu umreißendes und definiertes Forschungs- und Entwicklungsfeld darstelle. Auch wenn man ›Nano‹ in dieser Weise bewertet, so heißt es nicht, dass ›Nano‹ reine Phantasie ist, denn es sind zahlreiche Forschungsaktivitäten auf dem Nanogebiet zu verzeichnen. Die beiden Felder diskursiver Praktiken auf der einen und wissenschaftliche Aktivitäten auf der anderen Seite kennzeichnet Ulrike Feld nun als ein »Spannungsfeld«, das sie mit der Unterscheidung von »talking Nano« und »doing Nano« differenziert (ebd.). In einer solchen Differenz wird das Reden über ›Nano‹ einer tatsächlichen Praxis des Forschens sowie des Herstellens und Produzierens von Nano-Produkten und Nano-Verfahren gegenübergestellt. Eine solche Kennzeichnung und Differenzierung ist schon deshalb fragwürdig, da bereits das, was als »talking-Nano« bezeichnet wird, kein rein gesellschaftliches Phänomen darstellt, sondern als eine heterogene Versammlung unterschiedlicher Elemente betrachtet werden muss, die ich Nano-Figuration nenne möchte. Figuration bedeutet, dass ›Nano‹ einen spezifischen Zusammenhang von Elementen darstellt, der ›Nano‹ eine bestimmte Gestalt verleiht, es also auf bestimmte Art und Weise

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figuriert (Latour 2007: 93f.).3 Der Figurationsbegriff ermöglicht es, Heterogenität zu denken, indem unterschiedliche Elemente als Einheit und nicht in der Differenz zueinander betrachtet werden. Die Heterogenität der Nano-Figuration macht sich daran fest, dass es eine Versammlung wissenschaftlicher, politischer, gesellschaftlicher und ökonomischer Elemente darstellt. Dass in der Debatte um ›Nano‹ jedoch eine gesellschaftlich-diskursive Ebene von einer wissenschaftlichtechnischen Ebene getrennt wird, wurzelt in einer langen Tradition der Differenzierung von Wissenschaft und Gesellschaft (vgl. Kjølberg/Wickson 2010; Latour 2002). Die Differenzierung beruht auf der Vorstellung unterschiedlicher Rationalitäten, Akteure und Handlungslogiken, was die Sphären der Wissenschaft und der Gesellschaft anbelangt. Wissenschaft wird als objektive Tätigkeit betrachtet, die als solche frei ist von Interessen, Meinungen, Vorurteilen usw., denn dies sind Kennzeichen, die gesellschaftliche Zusammenhänge charakterisieren. Zwar bedeutet diese Differenzierung nicht, dass Wissenschaft und Gesellschaft als völlig unabhängige Bereiche betrachtet werden. Nicht zuletzt seit Anfang der 90er Jahre ist in der Wissenschaftsforschung eine einflussreiche Debatte entstanden, die auf unterschiedliche Verhältnissetzungen und Zusammenhänge von Wissenschaft und Gesellschaft verweist. Diese Diskussion wurde insbesondere dadurch angeregt, dass technowissenschaftliche Innovationen vielfach nicht mehr dem Anspruch einer Verbesserung von Lebensverhältnissen durch technischen Fortschritt gerecht werden konnten, sondern zunehmend mit Fragen von Risiko und Unsicherheit konfrontiert waren (Beck 1986).4 Doch auch die Verhältnissetzung ruht immer noch auf einer konzeptuellen Unterscheidung auf, die nicht zuletzt auch wirksam ist für einen soziologischen Zugang zu technowissenschaftlichen Innovationen. Welche soziologischen Zugänge man hier grundsätzlich unterscheiden kann, darauf möchte ich im Folgenden eingehen. Im Zuge dieser Darstellung möchte ich auch den Forschungsansatz vorstellen, der meiner Untersuchung zugrunde liegt.

3

Das heißt auch, dass Akteure oder Handlungsträger auf unterschiedliche Art und Weise figuriert sein können.

4

Das Konzept der »Post-normal science« (Funtowicz/Ravetz 1993) sowie die Diskussion um Wissenschaft im Modus 1 und Wissenschaft im Modus 2 (Gibbons u.a. 1994) sollen hier als Beispiele genannt werden.

4 Soziologische Perspektiven auf Innovationen

Betrachtet man soziologische Perspektiven auf den Zusammenhang von Innovationen und Gesellschaft, so kann man grundsätzlich zwei Perspektiven ausmachen: den Technikdeterminismus und den Sozialkonstruktivismus. Die Existenz dieser beiden Perspektiven, die man gleichsam als sich diametral gegenüberstehende Perspektiven kennzeichnen kann, gründet im Dualismus von Wissenschaft und Gesellschaft in der Form einer Unterscheidung von Technischem und Sozialem. Bei der Erklärung von Innovationen bezieht man sich dann entweder auf technische Aspekte oder auf soziale. Ich möchte diesen Perspektiven mit der Akteur-Netzwerk-Theorie eine dritte Herangehensweise gegenüberstellen und zum Ausgangspunkt meiner Untersuchungen machen, denn, so mein Argument, sowohl der Technikdeterminismus als auch der Sozialkonstruktivismus sind durch einen Dualismus und einen Reduktionismus gekennzeichnet, die Innovationen nicht adäquat beschreiben lassen. Ich möchte daher diese beiden Perspektiven kurz und auf zentrale Aspekte zugespitzt umreißen, bevor ich auf die ANT und ihre Kritik an dualistischen und reduktionistischen Forschungsansätzen zu sprechen komme. Ich möchte in diesem Kapitel somit den konzeptuellen Leitfaden meiner Untersuchung vorstellen.

4.1 T ECHNIKDETERMINISMUS – S OZIALKONSTRUKTIVISMUS Der Grund, warum sich Soziologie mit Wissenschaft und Technik auseinandersetzt ist in der Einsicht zu suchen, dass es einen grundlegenden Zusammenhang

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zwischen der Entwicklung von Innovationen und gesellschaftlichen Entwicklungen gibt, dass also Gesellschaft durch Technik einen Wandel erfährt. Die treibende Kraft dieses Wandels wird jedoch in den beiden Perspektiven des Technikdeterminismus und des Sozialkonstruktivismus ganz unterschiedlich bestimmt. Mit Armin Grunwald kann man zunächst konstatieren, dass beide Perspektiven mit derselben »Basisunterscheidung« operieren, nämlich der Trennung von Technik und Gesellschaft (Grunwald 2007: 67). Sie unterscheiden sich dann jedoch maßgeblich darin, wie jeweils Kausalität und Handlungsträgerschaft in Bezug auf Wandlungsprozesse zugeschrieben werden. Der Technikdeterminismus postuliert die gestalterische Macht von Technik. Veränderungen und gesellschaftliche Wandlungsprozesse werden durch Technik indiziert, gesellschaftliche Handlungsoptionen werden mit Anpassungsleistungen umschrieben. Die Perspektive des Technikdeterminismus betont die physisch-materiale Seite von Innovationen (vgl. Popitz 1995). Innovationen werden außerhalb des Sozialen verortet. Nina Degele nennt drei zentrale Annahmen, die dem Technikdeterminismus zugrunde liegen (Degele 2002: 24 f.): • Wandlungskraft ist eine technikinhärente Eigenschaft. Wandlungsprozesse

werden somit nicht intendiert in Gang gesetzt. Sie sind vielmehr auf die ›Eigendynamik‹ von technischen Entwicklungen zurückzuführen. • Da technische Entwicklungen nicht auf intendierten Handlungen basieren, verfügt der Mensch weder über Steuerungsmöglichkeiten noch über Kontrolloptionen. Sind technische Entwicklungen erst einmal in Gang gesetzt, lassen sie sich nicht mehr aufhalten. Technikentwicklung beinhaltet stets Prozesse der ›Verselbständigung‹. • Sozialer Wandel wird durch Technik kausal verursacht und determiniert. Anpassungsprozesse des Sozialen unterliegen der Eigenlogik von Technik. Diese technikdeterministische Perspektive, die technologische Entwicklungen im Sinne einer »Herrschaft von Sachzwängen« interpretiert (Schelsky 1965), war besonders in den 60er Jahren eine einflussreiche soziologische Perspektiven auf Technik und Innovationen.1 Sie ist aber heute noch einflussreich, wenn man

1

Diese Perspektive auf Technik lässt sich auch im Zusammenhang mit verschiedenen Modernisierungstheorien lesen. Bereits Weber beschrieb Modernisierung als Versachlichung, Entpersonalisierung und Bürokratisierung. War dies bei Weber noch ein Trend gesellschaftlicher Entwicklungen, so ist diese Entwicklung bei Schelsky in Form des ›technischen Staates‹ umgesetzt und manifest geworden. Auch die ›Theorie reflexiver Modernisierung‹ verortet technologische Entwicklungen in bestimmten

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bspw. die ›Theorie reflexiver Modernisierung‹ betrachtet. Wenn Ulrich Beck z.B. von »nicht-intendierte Nebenfolgen« (Beck 1986) spricht, so verweist dies auch auf inhärente Eigenschaften von Technik, auch wenn sich für Beck diese Eigenschaften nicht unmittelbar zeigen, sondern kommunikativ sichtbar und so sozial wirksam gemacht werden müssen. Der Sozialkonstruktivismus lässt sich dann als eine Perspektive umschreiben, die von technisch-materialen Aspekten abstrahiert und allein das Soziale zum Ausgangspunkt seiner Deutungen und Erklärungen technologischer Entwicklungen macht. In dieser Perspektive werden wissenschaftliche Innovationen und Technikgenese als gesellschaftliche Entwicklungsprozesse interpretiert, in denen Technik und Innovationen durch soziale Aushandlungsprozesse hervorgebracht und geformt werden. In dieser Lesart verfügen Technik und Innovationen über keine inhärenten und eigenlogischen gestalterischen Kräfte, vielmehr werden die Entwicklung, Gestaltung und Nutzung von Technik durch soziale Kontexte und verschiedene soziale Akteure geprägt und bestimmt. Auch der Sozialkonstruktivismus lässt sich anhand bestimmter, grundlegender Annahmen beschreiben, die sich in Anschluss an Nina Degele wie folgt zusammenfassen lassen (Degele 2002: 102): • Technikentwicklung und Technikgenese sind sozialen Aushandlungsprozessen

unterworfen, in denen Variationen und Selektionen stattfinden. Insofern müssen sie als kontingente Prozesse aufgefasst werden. • Technologische Entwicklungen resultieren aus Schließungs- und Stabilisierungsprozessen, an denen verschiedene gesellschaftliche Gruppen beteiligt sind. Innovationen können mit Konflikten einhergehen, wenn unterschiedliche Akteure beteiligt sind und verschiedene Interessenslagen miteinander vereinbart werden müssen. • Die Implementierung von Innovationen lässt sich durch einen zunehmenden Ausschluss alternativer Optionen charakterisieren. Ausschlussmechanismen sind soziale Faktoren. Der jeweils eingeschlagene Weg wird als der ›beste‹ Weg erachtet. • Technik wird nicht als gegebene und unhinterfragte Größe behandelt, sondern es werden Konstruktions- und Konstitutionsprozesse betrachtet und empirisch beforscht.

Modernisierungsmomenten, die sie als Steigerungs- und Differenzierungsprozesse umschreibt. Diese sind in einer bestimmten Form modernen, rationalen Denkens begründet und werden durch dieses voran getrieben. Technisierung ist in dieser Lesart ein Effekt von Rationalisierungsprozessen (vgl. Degele 2002: 31).

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Einflussreich im Hinblick auf diese sozialkonstruktivistische Perspektive waren insbesondere die Arbeiten der Social Constructivism of Technology (SCOT). Dieser Ansatz fasst also technologische Entwicklungen als soziale Konstruktionen auf. Theoretisch und methodisch orientiert sich dieser Ansatz stark an den Social Studies of Science, insbesondere der Wissenschaftssoziologie des Empirical Programme of Relativism (EPOR) und dem hier entwickelten SymmetriePrinzip (Bloor 1976). Dieses besagt, dass das als wahr geltende Wissen in gleicher Weise untersucht werden sollte, wie das als falsch geltende Wissen (ebd.: 7).2 Die Erklärung beider soll symmetrisch erfolgen. Wahres Wissen soll nicht länger mit dem Prinzip wissenschaftlicher Rationalität begründet oder auf eine Übereinstimmung einer wissenschaftlichen Aussage mit der Natur zurückgeführt werden, da dies nämlich einen Gegensatz schafft zu einer Erklärung falschen Wissens (Irrtümer, Aberglaube, Parawissenschaftliches), die sich auf Interessen, Macht, soziale Kategorien und unterschiedliche Wissensformen bezieht. Es wird nun alles durch das Soziale erklärt (vgl. Pinch/Bijker 1984: 401).3 Das ›Soziale‹ bezieht sich dann auf wissenschafts-externe Faktoren, bspw. in der Form sozialer Interessen oder Macht (vgl. Heintz 1993: 537). Sowohl der Technikdeterminismus als auch der Sozialkonstruktivismus lassen sich als Perspektiven charakterisieren, die in ihren Erklärungen von Innovationen auf reduktionistische Argumente zurückgreifen. Der Technikdeterminismus reduziert seine Argumentation auf naturalisierende Weise, in dem er den Dingen bestimmte Eigenschaften zuweist. Der Sozialkonstruktivismus hingegen bezieht sich in seinen Erklärungen überhaupt nicht auf Dinge, sondern verortet seine Argumentation im Bereich menschlicher Interessen. Wir finden an dieser Stelle also eine Trennung von Natur und Kultur. Je nachdem, welche Perspektive

2

Dieses im sog. ›strong programme‹ entwickelte Prinzip schließt somit an die Wissenssoziologie Karl Mannheims an, der von einer sozialen Gebundenheit von Wissen ausging. Er nannte dies die »Seinsverbundenheit« von Wissen (Mannheim 1931: 227). Mannheim schloss jedoch (natur-)wissenschaftliches Wissen als Forschungsgegenstand seiner Wissenssoziologie aus, da er wissenschaftlichem Wissen einen soziologischen Sonderstatus zuwies. Er betrachtete entsprechend nur Alltagswissen, politische Theorien oder die Kunst als Gegenstand seiner Wissenssoziologie. Bloor hingegen weitete die Wissenssoziologie auf die (Natur-)Wissenschaften aus. Es sind dann nicht länger Faktoren der natürlichen Welt, die Wissen herstellen bzw. Prozesse der Wissensproduktion erklären, sondern das Soziale.

3

Damit verabschiedet man sich von einer Vorstellung von Natur als objektive Gegebenheit und deutet wissenschaftliche Erkenntnisse als Produkte sozio-kultureller Praxis.

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man einnimmt, muss man sich für eine Seite entscheiden, die dann die andere erklären soll. Ich möchte hingegen argumentieren, dass Innovationen und deren Einfluss nicht erklärt werden können, wenn man eine solche Trennung von Natur und Kultur zugrunde legt. Ich schließe mich damit an die Herangehensweise der ANT an, die sich zwar auch auf das Symmetrie-Prinzip bezieht, dieses aber ausweitet und somit konzeptuell neu fasst. Im Folgenden möchte ich dieses neue Symmetrieverständnis und damit verbunden weitere Grundlagen der ANT darstellen, um somit den theoretisch-konzeptuellen Leitfaden meiner Untersuchung vorzustellen.

4.2 AKTEUR -N ETZWERK -T HEORIE Das in der Wissenschaftsforschung entwickelte Symmetrieprinzip hatte ich bereits dadurch gekennzeichnet, dass Wissenschaftsforschung wahre und falsche Aussagen in der Wissenschaft auf die gleiche Weise behandeln soll. Bruno Latour merkt hierzu an, dass dieses Symmetrieprinzip jedoch nur aufrecht erhalten werden kann, wenn man eine Trennung vornimmt zwischen der Sphäre wissenschaftlichen Wissens und der Welt der Dinge, also den »Phänomenen selbst« (Latour 1996b: 90). Die Konsequenz der Trennung liegt darin, dass der Erfolg oder Misserfolg von Wissenschaft nicht länger durch die Dinge erklärt wird, die die Wissenschaft entdeckt, erfindet und hervorbringt, sondern anhand von Messverfahren, Messinstrumenten, institutionellen Rahmenbedingungen, organisationalen Strukturen und sozialen wie historischen Kontexten. Das im ›strong programme‹ entwickelte Symmetrieprinzip beruht demnach auf einer Dualität von Natur und Sozialem, wobei die Natur, so Latour, »[…] sich nicht einmischt in die Interpretationen, denen wir sie unterziehen« (ebd.: 90). Indem also das Symmetrieprinzip die Natur aus Erklärungen ausklammert, lässt es sich gleichermaßen als asymmetrisch kennzeichnen (Latour 2002: 127). Das verallgemeinerte Symmetrieprinzip, so wie es Bruno Latour und Michel Callon (Callon 1986) formulieren und wie es der ANT zugrunde liegt, basiert auf einer Auflösung dieser kategorialen Trennung. Weder die Natur noch das Soziale sollen Ausgangspunkt von Interpretationen sein. So fordert Latour: »We have to give evidence that ›science‹ and ›society‹ are both explained more adequately by an analysis of the relations among forces and that they become mutually inexplicable and opaque when made to stand apart.« (Latour 1993: 7)

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Dem verallgemeinerten Symmetrieprinzip liegt die Einsicht zugrunde, dass sowohl Gesellschaft als auch Wissenschaft nur verständlich werden, wenn sie zusammenhängend begriffen und beschrieben werden. Beide gehen aus einem doppelten und immanenten Vermittlungs-, Übersetzungs- und Stabilisierungsprozess hervor. In diesem Sinne kann man sagen: »Für jeden Zustand der Natur, gibt es einen korrespondierenden Zustand der Gesellschaft.« (Latour 2002: 128).

Wendet man dieses Argument auf das Phänomen ›Nano‹ an, so kann man sagen: Wenn es gelingt, ›Nano‹ in Forschung und Entwicklung zu stabilisieren, so werden wir in einer ›Nano-Gesellschaft‹ leben. In dieser Hinsicht erweitert das verallgemeinerte Symmetrieprinzip das des ›strong programme‹. Es geht nicht mehr allein um die Frage wissenschaftlicher Entdeckungen, sondern um die Konstitution bestimmter Natur-/Gesellschaftswelten (Latour 1996b: 91). Das verallgemeinerte Symmetrieprinzip, also die Aufhebung von Unterscheidungen wie Wissenschaft – Gesellschaft, Natur – Kultur, menschliche – nicht-menschliche Wesen, stellt eine der zentralen methodologischen Grundprinzipien der ANT dar (vgl. Singleton/Michael 1993). Um dieses Prinzip forschungspragmatisch umzusetzen, hat die ANT die Heuristik des Akteur-Netzwerkes entwickelt. Das Konzept des Akteur-Netzwerkes stellt keine Theorie im üblichen Sinne dar, die unausweichlich mit Vorannahmen und festgelegten Kategorien arbeiten muss. Es ist vielmehr ein Deutungsbegriff, der entsprechend des Symmetriepostulats ein einheitliches Beschreibungs- und Erklärungsrepertoire zur Verfügung stellt. Michel Callon formuliert hierzu: »The goal is not only to explain conflicting viewpoints and arguments in a scientific or technological controversy in the same terms. We know that the ingredients of controversies are a mixture of considerations concerning both Society and Nature. For this reason we require the observer to use a single repertoire when they are described. […] given the principle of generalized symmetry, the rule which we must respect is not to change registers when we move from the technical to the social aspects of the problem studied.« (Callon 1986: 200)

Das Konzept des Akteur-Netzwerkes bietet dann eine Heuristik an, die unterschiedslos auf soziale, technische und natürliche Elemente, auf menschliche und nicht-menschliche Entitäten angewendet werden kann. Als Netzwerkbegriff beinhaltet das Akteur-Netzwerk drei Elemente: Akteure, Beziehungen zwischen

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den Akteuren und schließlich das Netzwerk. Der Akteursbegriff realisiert das verallgemeinerte Symmetrieprinzip, das ja eine Gleichbehandlung von sozialen und nicht-sozialen Elementen fordert, auf die Weise, dass er sich nicht allein auf Menschen bezieht, sondern auch auf Dinge ausgedehnt wird. So schreiben Callon und Latour: »[…] whatever term is used for humans, we will use it for nonhumans too.« (Cal4

lon/Latour 1992: 353)

Mit dieser Begriffsausweitung geht auch einher, dass Handlungen nicht allein von Menschen ausgehen müssen. Auch nicht-menschliche Entitäten verfügen über Handlungspotential. In dieser Hinsicht wird also die klassische SubjektObjekt-Differenzierung, die zwischen inaktiven materiellen Objekten und intentional handelnden Subjekten unterscheidet, unterlaufen (Callon/Latour 1992: 350). Der Akteursbegriff ist also offen, was seine Zuweisung bezüglich menschlichen und nicht-menschlichen Entitäten anbelangt. Er ist auch offen, was seine konkrete Kontur, Ausprägung und Identität betrifft. Diese werden als Effekte und Resultat des Netzwerkens betrachtet. Netzwerk kann auch mit dem Begriff der »Übersetzung« umschrieben werden (Callon 1986). Übersetzungsleistungen gehen dabei zum einen von Akteuren aus, indem diese versuchen, andere Akteure in ein Netzwerk einzubinden und damit dieses Netzwerk formen, verändern und stabilisieren. Übersetzungen haben aber auch Einfluss auf die Akteure, indem sie diese transformieren und mit einer bestimmten Identität ausstatten, je nachdem, welche Position und welche Aufgabe sie im Netzwerk übernehmen. Es ist die jeweilige Verbindung heterogener Elemente, die einen Akteur formt und realisiert, seine Identität resultiert aus einem spezifischen Beziehungsgeflecht (Callon 2006: 179). Gerade Innovationen verweisen darauf, dass Akteure hervorgebracht und verändert werden und ihre Identitäten nicht feststehen. So schreibt Latour: »Innovationen, verdeutlichen uns, dass wir niemals in einer Welt von Akteuren arbeiten, in denen feste Umrisse zugeschrieben werden können. Nicht nur variiert ihr Grad an Verbundenheit mit einer Aussage; ihre Kompetenz, sogar ihre Definition kann transformiert

4

Mitunter verfolgt man jedoch die Strategie, anstelle bereits soziologisch bedeutungsgeladener Begriffe neutrale Begriffe zu verwenden, wie z.B. aus der Semiotik. Ein solcher Begriff ist der des ›Aktanten‹, der »[…] jedes Wesen bezeichnet, das in einer Szene auftritt, solange es nicht bereits eine figurative oder nicht-figurative Rolle (wie »Bürger« oder »Schusswaffe«) zugeschrieben bekommen hat.« (Latour 1998a: 35)

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werden. Diese Transformationen, denen Akteure unterliegen, sind von wesentlicher Bedeutung für uns, wenn wir Innovationen untersuchen, weil sie enthüllen, dass der vereinheitlichte Akteur […] selbst aus einer Assoziation anders verteilbarer Elemente besteht.« (Latour 2006: 375)

Will man also ein Phänomen wie ›Nano‹ verstehen, so ist es nötig, die Elemente zu benennen, die an dem Phänomen ›Nano‹ beteiligt sind und es müssen die Beziehungen nachvollzogen und gekennzeichnet werden, die es formen, etablieren und stabilisieren. Die Frage nach der Definition eines Akteurs kann immer nur empirisch beantwortet werden. Die Identität eines Akteurs ist das Ergebnis bestimmter Prozesse des Netzwerkens. Die Forschungsstrategie zur Untersuchung von Akteuren besteht dann darin, die Arbeit nachzuvollziehen, die geleistet werden muss, um Netzwerke zu bauen und Akteure hervorzubringen. Dies wird als eine Ordnungsleistung betrachtet, die nicht der soziologische Beobachter auf der Grundlage bestimmter Kategorien zu leisten hat, sondern es ist eine Arbeit, die von den Akteuren selbst geleistet wird. In diesem Sinne lautet die methodologische Anweisung der ANT: »den Akteuren folgen« (Latour 2007: 28). Wie ich nun dieses ›den Akteuren folgen‹ in meiner Beforschung nanomedizinischer Forschung umsetzen möchte, welche Untersuchungsinstrumente ich also gewählt habe, darauf möchte ich gleich zu sprechen kommen. Zunächst möchte ich an dieser Stelle auf eine Kontroverse eingehen, die im Folgenden auch meine weiteren Argumentationen betreffen wird, nämlich die Auseinandersetzung zwischen der Perspektive, die ich als Sozialkonstruktivismus gekennzeichnet habe, und der ANT. Ich möchte mich dabei konkret auf die Kontroverse zwischen Harry Collins und Steven Yearly (Collins/Yearly 1992) und Bruno Latour und Michel Callon (Callon/Latour 1992) beziehen, eine Kontroverse, die als ›chicken debate‹ bekannt ist.5

5

Natürlich sind Collins und Yearly nicht die einzigen, die Kritik an der ANT üben (vgl. z.B. auch Gyrien 1982; Lee/Brown 1994; Bloor 1999). Ich möchte mich an dieser Stelle jedoch beispielhaft auf diese Kontroverse beschränken, da ich mich in meiner Auseinandersetzung mit der sozialkonstruktivistischen Perspektive (vgl. hierzu Unterkapitel 6.2) nicht an einzelnen solcher Debatten abarbeiten will. Ich möchte mich vielmehr mit Grundannahmen und Konzepten des Sozialkonstruktivismus auseinandersetzen. Gleichwohl werde ich auf Collins hin und wieder zurückkommen.

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4.3 K ONTROVERSE Im Zentrum der sog. ›chicken debate‹ steht die von der ANT formulierte Verallgemeinerung des Symmetrieprinzips, so, wie ich es eben dargestellt habe, also die Abkehr von einem sozialen Realismus und einer subjektorientierten Perspektive, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, hin zu einem Verständnis von Realismus, der die Herstellung von Realität als Ordnungsleistungen der Akteure selbst auffasst und dabei keinen kategorialen Unterschied zwischen Menschen und Dingen macht. Man kann dies auch als eine Radikalisierung des Bloorschen Symmetrieprinzips lesen. Doch diese Radikalität zweifeln Collins und Yearly an. Sie schreiben. »The French actor-network model is philosophical radical, but when we ask for its use, it turns out to be essentially conservative – a poverty of method making it subversive to a prosaic view of science and technology.« (Collins/Yearly 1992: 323)

Collins und Yearly inszenieren ihre Kritik als ein Spiel, das ›chicken game‹. Dieses Spiel will den Mutigsten küren. Am mutigsten ist dabei das Huhn, das als letztes vor den anrasenden Autos die Straße überquert. Sie argumentieren dann, dass die ANT zwar für sich in Anspruch nehme am mutigsten zu sein, sie sei jedoch, ganz im Gegenteil, schon längst auf der sicheren Straßenseite angelangt. Die Kritik von Collins und Yearly richtet sich gegen das verallgemeinerte Symmetrieprinzip, was sowohl dessen Grundprinzip als auch dessen empirische Umsetzung betrifft. Die konzeptuelle Grundannahme des Symmetrieprinzips beruht auf der Aufhebung von Dichotomien, insbesondere die Dichotomie unterschiedlicher Zuschreibungen von Handlungsmacht. Nicht allein die Menschen und damit das Soziale verfügen im verallgemeinerten Symmetrieprinzip über Handlungskapazitäten, sondern auch die natürliche Welt der Dinge. Das Natürliche wird hier also nicht länger allein auf eine Repräsentation menschlicher Erkenntnis reduziert. Der Mensch soll nicht länger im Zentrum von Erkenntnisprozessen stehen. Entsprechend hat der Repräsentationsbegriff der ANT kein Zentrum, sondern ist symmetrisch auf Menschen und Dinge verteilt. Indem das Natürliche mit Handlungsmacht ausgestattet wird falle die ANT, so dann die Kritik von Collins und Yearly, letztendlich hinter den Ansatz des Sozialkonstruktivismus (Social Study of Science) zurück. Das hängt dann insbesondere mit der Methode der ANT zusammen. In einem ersten Schritt verteidigen Collins und Yearly ihren wissenssoziologischen Ansatz gegenüber der ANT. Ihr Argument ist dabei, dass die Feststellung einer Handlungsmacht von Dingen ein Artfakt des methodischen Vorgehens der ANT sei. Dieses ist gekennzeichnet durch eine

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Beobachtung aus einer befremdeten Perspektive eines Laien oder Gastes (vgl. Latour/Callon 1986). Nur der Laie sehe dann Dinge die handeln. Der Experte hingegen sei sich darüber im Klaren, dass Dinge offen sind und auf Aushandlungsprozessen beruhen. Nach Ansicht des Sozialkonstruktivismus gilt es, sich auf eben diese Aushandlungsprozesse zu beziehen (Collins/Yearly 1992: 311f.). Die zweite Kritik bezieht sich darauf, dass ANT Studien keinen Erkenntnisgewinn produzierten. Dies hängt damit zusammen, dass die ANT keine explizit soziologische Perspektive zur Beschreibung von Dingen einnimmt. Um also bspw. natürliche Zusammenhänge verstehen und beschreiben zu können, bedarf es einer naturwissenschaftlichen Perspektive. Auf diese Weise würden jedoch keine symmetrischen Erklärungen produziert, sondern vielmehr wiederum eine Asymmetrie hergestellt, mit derer nur altbekannte (natur-)wissenschaftliche Geschichten (re-)produziert werden (Collins/Yearly 1992: 314). In einem dritten Schritt weiten Collins und Yearly dann insbesondere ihre Methodenkritik aus und konstatieren, dass die ANT bei der Beschreibung von Dingen mitunter gar keine Methode habe. Insofern sie also z.B. nicht über das technische know-how verfüge, um Technik adäquat beschreiben zu können, werden nur Geschichten erzählt, bei denen, aufgrund eines fehlenden methodisch-kontrollierten Vorgehens, allein der Erzähler die Kontrolle hat (Collins/Yearly 1992: 319). Die Kritik von Collins und Yearly lässt sich zusammenfassend auf folgende drei Punkte zuspitzen: Sie werfen der ANT vor, dass sie zwar einen kühnen philosophischen Ansatz verfolge, den ›Praxistest‹ aber nicht bestehe. So sei die ANT bezüglich ihres methodischen Vorgehens fragwürdig und mangelhaft. Durch das Fehlen einer spezifisch soziologischen Perspektive würden keine neuen Erkenntnisse produziert. Vielmehr ist man auf Informationen aus zweiter Hand angewiesen und fällt damit zurück auf einen naiven Realismus, der nicht zwischen menschlichem Handeln, materiellem Wirken und technischem Determinismus unterscheide.6 Callon und Latour weisen in ihrer Antwort auf diese Kritik darauf hin, dass Collins und Yearly in ihrer Argumentation stets zwischen zwei Polen unterscheiden: Auf der einen Seite der Pol objektiv gegebener Natur, wo Dinge so sind wie sie sind. Diesen Pol kann man als ›natürlichen Realismus‹ kennzeichnen. Und auf der anderen Seite der Pol, der als ›sozialer Realismus‹ gekennzeichnet werden kann, und der die Grundlage bildet für eine Erklärung der sozialen Konstruktion von Natur und von Wissenschaft (Callon/Latour 1992: 345). Die Kritik, die an die ANT bezüglich des ihr zugrundeliegenden Realismus herangetragen wird, paraphrasieren Callon und Latour durch folgende Fragen:

6

Vgl. hierzu auch Wieser 2012, S. 81.

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»The whole accusation now hinges on two questions the jury is asked to settle: did Callon and Latour commit the crime of granting to nature and to artifacts the same ontological status that realists and technical determinists are used to granting them? If so, did they commit this crime in intention or in effect, or both?« (Ebd.: 347)

Da Collins und Yearly eine Unterscheidung von Natur und Gesellschaft zugrunde legen, gibt es für sie nur die Möglichkeit, aus der Perspektive einer dieser beiden Pole zu argumentieren. So versteht sich auch das allgemeine Symmetrieprinzip, dass sich im Falle des Sozialkonstruktivismus auf eine Seite – die Seite des Sozialen – festgelegt hat. Sie kennzeichnen den Sozialkonstruktivismus dann als »altbacken«, denn er geht von festgelegten Definitionen aus, die jeweils nur angewandt werden. Sie halten der Kritik entgegen: »Our general symmetry principle is thus not to alternate between natural realism and social realism but to obtain nature and society as twin result of another activity, one that is more interesting for us. We call it network building or collective things or quasi-objects, or trial of forces.« (Ebd.: 348).

Weder Natur noch Gesellschaft stehen fest, beide werden vielmehr performativ ko-produziert (ebd.: 349). Somit kann weder die Gesellschaft anhand natürlicher Begründungen erklärt werden, noch die Natur durch einen sozialen Kontext. In diesem Sinne kann keiner der beiden Pole Ausgangspunkt für eine Untersuchung sein: »We do not have to start from a fixed repertoire of agencies but from the very act of distributing and dispaching agencies.« (Ebd.: 350)

Diese konzeptuell-methodologische Unbestimmtheit hat dann auch Konsequenzen in methodischer Hinsicht. Diese kann weder von einem geschlossenen Repertoire ausgehen, mit dem man entweder die Natur, oder das Soziale untersuchen kann. Noch weiß man im Vorhinein, auf welche Einheiten man sich beziehen soll: Menschen oder Dinge. Wer spricht und welche Einheiten in Betracht gezogen werden müssen, wird erst in der Praxis und nur in dieser entschieden. Entsprechend beschreiben Callon und Latour die Basis ihres empirischen Vorgehens:

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»[…] the only observables are the traces left by objects, arguments, skills, and token circulating through the collective. We never see either social relations or things. We may only document the circulation of network-tracing tokens, statements, skills.« (Ebd.: 351)

Callon und Latour reagieren auch auf den Vorwurf, dass die ANT in ihrer Forschung auf Informationen aus zweiter Hand angewiesen sei und auf diese Weise ein konventionelles Bild von Wissenschaft zeichne, in dem Naturwissenschaftler und Ingenieure einen privilegierten Zugang zu einer objektiven Realität haben. Collins und Yearly vertreten dabei die Meinung, dass das Fehlen eines explizit ›soziologischen Zugangs‹, so wie ihn der Sozialkonstruktivismus zugrunde legt, dazu führe, dass Untersuchungen unweigerlich den Regeln und Erklärungsprämissen der Naturwissenschaftler folgt. Doch auch dieser Aussage, so Callon und Latour, geht ein Dualismus voraus. Man bezieht sich entweder auf Natur, dann muss man Naturgesetzlichkeiten und Kausalitäten glauben schenken. Oder man geht von einer gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit aus, die entsprechend auf die soziale Konstruktion wissenschaftlichen Wissens verweist. Callon und Latour argumentieren, dass dieser Dualismus allein durch die Soziologie aufgestellt wird. Sie halten dem entgegen, dass es weder eine reine Natur, noch eine reine Gesellschaft gibt. Auch Wissenschaft arbeite nicht nach diesem Prinzip einer Aufteilung, sondern ihre Praxis zeichnet sich gerade dadurch aus, dass diese Grenzen überschritten werden, was sich im Sinne eines »crisscrossing« beschreiben lässt (ebd.: 361). Die Art und Weise, wie Wissenschaft tatsächlich praktiziert wird, soll auch in meiner Untersuchung nanomedizinischer Innovationen im Mittelpunkt stehen. Wie ich bei meiner Untersuchung, die sich an der ANT orientiert, konkret vorgegangen bin, möchte ich im Folgenden vorstellen.

5 Perspektive und Methoden der Felderkundung

In diesem Kapitel sollen die methodologischen Anforderungen meines Forschungsvorhabens konkret benannt werden. Ich möchte also meine spezifische Forschungsperspektive im Hinblick auf meine Forschungsfrage entwickeln, um sodann die einzelnen Untersuchungsinstrumente vorzustellen.

5.1 F ORSCHUNGSPERSPEKTIVE

UND

F ORSCHUNGSFRAGE

›Nano‹ wird ja gemeinhin als ein »emerging field« gekennzeichnet (vgl. Meyer 2005), d.h. nanomedizinische Entwicklungen befinden sich derzeit noch in der Anfangsphase. Die tatsächliche Nutzung von Nanotechnologien in der klinischen Anwendung findet bisher nur vereinzelt statt. Zur Analyse soll daher ein prozess-orientierter Zugang zum Feld gewählt werden, der – im Sinne der ANT – die Konstruktionsprozesse dieses neuen Forschungs- und Entwicklungsfelds beobachtet und beschreibt. In einer solchen soziologischen Annäherung an das Feld nanomedizinischer Innovationen kann es dann nicht darum gehen, die eigenen soziologischen Begriffe und Konzepte dem Feld überzustülpen. Dies ist auch deshalb gar nicht möglich, weil ich ›Nano‹ als eine neue Form sozialer Wirklichkeit begreife und beschreiben möchte. Insofern das Soziale in dieser Hinsicht noch gar nicht feststeht, kann man auch nicht auf das Soziale zurückgreifen, um etwas zu erklären. Nanomedizinische Innovationen sollen also nicht anhand bestehender und festgelegter soziologischer Ordnungsschemata beobachtet und analysiert werden, sondern es sollen die Ordnungsleistungen der beteilig-

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ten Akteure beschrieben werden.1 Im Sinne der ANT möchte die Arbeit den Akteuren folgen, sie selbst zur Sprache kommen lassen, denn es sind die Akteure selbst, die Ordnungsleistungen erbringen (Latour 2007, 1987). Somit sollen nanomedizinische Innovationen nicht anhand einer vorgefertigten Theorie charakterisiert werden, sondern ich möchte die Praxis nanomedizinischer Innovationen beschreiben. Dabei soll zum einen die experimentelle Praxis im Mittelpunkt stehen, also die Praxis, die nanomedizinisches Wissen – oder besser – nanomedizinische Objekte herstellt. Es soll jedoch auch untersucht werden, wie sich nanomedizinische Forschung etabliert und Geltung verschafft, denn nur dadurch lässt sich das Phänomen ›nanomedizinische Innovationen‹ adäquat verstehen und beschreiben. Ich möchte somit all die Tätigkeiten begleiten, die einen Wissenschaftler zu einem Nanoforscher machen. Wie bereits bei der Vorstellung der ANT gesagt, betrachtet diese Wissenschafts- und Technikentwicklung als Resultat und Effekt der Verknüpfung heterogener Komponenten zu Netzwerken. Wissenschaft- und Technikentwicklung ist erfolgreich und bedeutsam in dem Maße, wie es gelingt, die beteiligten Komponenten dazu zu bringen, ein kohärentes Ganzes zu schaffen. Kohärenz bedeutet, dass sich die einzelnen Elemente und Komponenten in einer abgestimmten Weise zueinander verhalten. Netzwerktheoretisch gedacht lassen sich Innovationen so bestimmen, dass sich die Komponenten eines Netzwerkes, als auch die Art und Weise, wie sie zusammengesetzt sind, verändern. Ein Netzwerk wird also neu geschaffen oder neu gestaltet. Nettwerkbildung bedeutet dann auch, dass neue Akteure geformt und hervorgebracht werden. In diesem Sinne möchte ich nanomedizinische Innovationen anhand der Konstruktions- und Übersetzungsprozesse untersuchen und darstellen, die versuchen, ›Nano‹, innerhalb der Medizin und der medizinischen Forschung zu etablieren. Auf eine Forschungsfrage zugespitzt kann man auch formulieren: »Wie wird ›Nano‹ zum Akteur?«. Mein Forschungsanliegen liegt darin, die ›Ontologie‹ von nanomedizinischen Innovationen nicht nur retrospektiv zu erfassen, wie es bspw. Bruno Latour (1996b) in Bezug auf das Milchsäureferment oder Trevor Pinch und Wiebe Bijker (1984) im Hinblick auf das Fahrrad gezeigt haben. Ich möchte vielmehr das »Werden« (Deleuze/Guattari 2002) nanomedizinischer Innovationen begleiten, beschreiben und damit öffentlich und sichtbar machen. Um dies forschungs-

1

Im Sinne der Akteur-Netzwerktheorie geht es darum, Beschreibungen zu produzieren und keine (soziologischen) Erklärungen, denn diese würden sich unausweichlich auf ein bestehendes, soziologisches Vokabular beziehen. Eine Beschreibung enthält bereits alles, das Hinzufügen einer Erklärung ist unnötig und kennzeichnet nach Latour eine »schlechte Beschreibung« (Latour 2007: 238).

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F ELDERKUNDUNG

| 39

pragmatisch umzusetzen, habe ich für meine Untersuchung die Laborethnografie2 gewählt. Die Laborethnografie erlaubt es, anhand konkreter Forschungssituationen innerhalb eines Forschungslabors differenzierte Einblicke in nanomedizinische Forschungspraxis zu erhalten. Neben dieser Prozessorientierung der Beforschung nanomedizinischer Innovationen, möchte diese Publikation weiterhin einen konzeptuell-methodologischen Schwerpunkt auf die Objekte nanomedizinischer Forschung legen, da diese zentrale Bezugspunkte nanomedizinischer Forschungspraxis sind. Meine Untersuchung nanomedizinischer Innovationen orientiert sich an der These, dass es in erster Linie Objekte sind, die durch nanomedizinische Forschung hervorgebracht werden und diese dann auch kennzeichnen. Anders und pointiert formuliert: Nanomedizin realisiert sich durch nanomedizinische Objekte. Objekte sind heterogene Akteure bzw. Akteur-Netzwerke, die sich als Mittler und Vermittler kulturell-natürlicher und menschlich-nicht-menschlicher Zusammenhänge kennzeichnen lassen (Schillmeier/Pohler 2011, 2006; Latour 2007, 2002; Callon 2006, 1986; Law 2001). Die Identität und die Bedeutung dieser Objekte lassen sich nur aus dem emergierenden Zusammenhang ihres Netzwerks heraus begreifen. Sie lassen sich daher nur in der Beobachtung der Prozesse ihrer Herstellung und Hervorbringung analysieren und deuten. Nanomedizinische Innovationen und der mit ihnen verbundene soziale Wandel können dann nicht allein als eine Veränderung sozialer Logiken, Praktiken und Bedeutungen interpretieren werden, sondern die Frage nach einer neuen, ›nanosozialen‹ Wirklichkeit wird im Sinne einer umstrittenen Objektwelt verhandelt (Mol 1999). Objekte stellen Kristallisationspunkte gesellschaftlicher Kontroversen dar (Latour 2007). In diesem Sinne soll also die aktive Rolle von Objekten für die Gestaltung sozialer Zusammenhänge hervorgehoben werden (vgl. van Loon 2014a: 320). Aufgrund ihrer Beobachtungs- und Erfahrungsnähe stellt die Ethnografie auch eine gute Kandidatin zur Beforschung von Objekten dar, nicht zuletzt, weil sie einen Zugang zu den unmittelbaren Interaktionen von Menschen und Dingen eröffnet (vgl. Braun-Thürmann 2006: 201). Auch wenn der Schwerpunkt dieser Publika-

2

Laborethnografische Untersuchungen zu Nano liegen bisher jedoch kaum vor. A. Viseu und R. Doubleday haben sich in ihrer Laborethnografie mit dem Thema interdisziplinäres Arbeiten in der Nanoforschung auseinandersetzt. Im Besonderen geht es hier um die Kollaboration von Natur- und Sozialwissenschaften (Doubleday/ Viseu 2010). Auch Peter Bionik stützt die Ergebnisse seiner Arbeit zum Teil auf ethnografisches Material (Bionik 2013). Er gibt jedoch an, dass sich seine Studie mit eher kürzeren Beobachtungen begnügte und diese zudem an unterschiedlichen Orten erfolgten (ebd.: 100).

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tion nicht auf methodisch-methodologischen Fragen liegt, so möchte ich dennoch Möglichkeiten und Grenzen meines methodischen Vorgehens an gegebener Stelle aufgreifen und diskutieren. Nachdem ich nun meine Forschungsfrage formuliert und die methodologische Ausrichtung vorgestellt habe, möchte ich im Folgenden auf die einzelnen Untersuchungsinstrumente zu sprechen kommen, die ich zur Beforschung nanomedizinischer Innovationen genutzt habe. Als erstes möchte ich jedoch kurz meinen Untersuchungsort und meinen Forschungsgegenstand vorstellen.

5.2 U NTERSUCHUNGSORT UND F ORSCHUNGSGEGENSTAND Zentraler Untersuchungsort für meine Forschung ist die Sektion für experimentelle Onkologie und Nanomedizin der HNO-Klinik Erlangen. Diese ist Teil des Universitätsklinikums Erlangen und wird finanziert durch eine Stiftungsprofessur der Else-Kröner-Fresenius-Stiftung.3 Stiftungsprofessor und somit Leiter der Arbeitsgruppe ist Prof. Dr. med. Christoph Alexiou. Zum Team gehörten zur Zeit meiner Forschungsaufenthalte weiterhin: Herr Dr. med. Stephan Dürr

3

Bezüglich des Feldzugangs kann ich angeben, dass ich zu Beginn meiner Forschungen in Erlangen an der Nachwuchsforschergruppe »Innovationen in der Nanomedizin«, die durch die Volkswagenstiftung in Form eines Schumpeter-Fellowship (Michael Schillmeier) finanziert wurde, beteiligt war. Meine Forschungsaufenthalte fanden im Rahmen dieser Nachwuchsforschergruppe statt. Herr Alexiou hat sich selbst mit Interesse an einer Zusammenarbeit an die Nachwuchsgruppe gewandt. In dieser Hinsicht war der Feldzugang unproblematisch und unkompliziert und ich wurde von Anbeginn als Teilnehmerin im Feld akzeptiert. Ich wurde nie danach befragt, was ich denn eigentlich genau während meiner Forschungsaufenthalte tue, es wurde vielmehr geäußert, dass man sehr gespannt sei auf das Resultat meiner Forschung. Ich durfte stets alle Aktivitäten der Arbeitsgruppe begleiten, ausgenommen uni-interne Besprechungen sowie einige Kooperationstreffen, bei denen ein hoher Wert auf »Corporate Identity« gelegt wurde, wie Herr Alexiou es formulierte. Es gab auch Treffen, insbesondere Planungstreffen für Projekte, bei denen ich zwar anwesend sein durfte, der Inhalt dieser Treffen zum Schutz entsprechender Projektideen jedoch nicht thematisiert werden darf. In einem Fall habe ich sogar, wie alle Teilnehmer des entsprechenden Projekttreffens, eine Vereinbarung mit einer Verschwiegenheitsklausel unterschreiben müssen, was die konkreten Inhalte des Treffens anbelangte. Ansonsten wurden mir keine prinzipiellen Grenzen dafür gesetzt, was ich beobachten durfte.

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(HNO-Facharzt und Wissenschaftlicher Mitarbeiter), Dr. rer. nat. Stefan Lyer (Biologe und Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Onkologie und Bildgebung), Dr. rer. nat. Rainer Tietze (Lebensmittelchemiker und Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Partikel-Synthese und Charakterisierung), Frau Eveline Schreiber (chemisch-technische Assistentin), Frau Jenny Mann (biologischtechnische Assistentin) sowie Frau Gabriele Nepf (Tierärztin und Doktorandin). Das Verfahren, das in Erlangen beforscht und entwickelt wird, und das somit den zentralen Forschungsgegenstand meiner Untersuchung darstellt, ist das Verfahren des magnetischen Wirkstofftransports (oder auch ›magnetic drug targeting‹), eine Methode, die im Bereich der Onkologie zur Behandlung von Tumorerkrankungen zur Anwendung kommen soll. Beim Verfahren des magnetischen Wirkstofftransports werden magnetische Nanopartikel (sog. Ferrofluide) als Transportsysteme für Wirkstoffe genutzt. Sie transportieren den Wirkstoff zum Wirkort, so dass das Medikament zielgerichtet verabreicht werden kann. Diese lokale Behandlung eines Tumors bedeutet eine Optimierung des therapeutischen Effekts am Wirkort. Die mit diesem Prinzip verbundene Therapie lässt sich wie folgt kennzeichnen. Eine Lösung speziell hergestellter Eisenoxidnanopartikel, die außerdem mit einem Chemotherapeutikum (Mitoxandron) versehen sind, wird in eine den Tumor versorgende Arterie verabreicht (Alexiou 2011b). Mithilfe eines externen Magnetfelds werden diese Nanopartikel über die Blutbahn in der gewünschten Körperregion angereichert. Die Partikel werden im Tumor festgehalten und geben dort das Tumormedikament ab. Die verabreichte Dosis an Chemotherapeutikum entspricht einem Zehntel gegenüber der konventionellen Chemotherapie. Durch die lokale Anreicherung kann eine höhere, lokale Konzentration an Wirkstoff am Wirkort erreicht werden. Gleichzeitig wird die Wirkung von Zytostatika in anderen Körperregionen reduziert. Man erreicht dadurch eine höhere Wirksamkeit im Tumor als auch geringere Nebenwirkungen als bei einer systemischen Chemotherapie (ebd.).

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Abb. 1: Prinzip der lokalen Chemotherapie mit magnetischen drug targeting

Abb. aus: Alexiou 2011b

Dieses Verfahren testet die Erlanger Arbeitsgruppe bislang in einer präklinischen Studie, wobei dessen Wirksamkeit mithilfe eines Tiermodells unter Beweis gestellt werden soll. In bislang durchgeführten Studien konnten bereits vollständige Tumorreduktionen bei gleichzeitigem Ausbleiben von unerwünschten Nebenwirkungen gezeigt werden. Ziel ist die Übertragung dieser Therapiemethode auf den Menschen. Nachdem ich jetzt meinen Untersuchungsort und meinen Forschungsgegenstand vorgestellt habe, möchte ich nun das Verfahren der Laborethnografie genauer kennzeichnen, dass ich zur Beforschung nanomedizinischer Innovationen in Erlangen genutzt habe. Dazu möchte ich allgemein auf das Konzept der Ethnografie eingehen, als auch speziell die Laborstudien und den damit verbundenen Typus der Laborethnografie vorstellen.

5.3 E THNOGRAFIE

UND

L ABORSTUDIEN

Die Ethnografie hat ihre Wurzeln bekanntlich in der Ethnologie. Sie stellt hier eine Methode zur Erforschung fremder Kulturen dar. Dabei geht es ihr darum: »[...] den Standpunkt des Eingeborenen, seinen Bezug zum Leben zu verstehen und sich seine Sicht seiner Welt vor Augen zu führen.« (Malinowski 1979: 49), wie Bronislaw Malinowski, der die Methodologie der Ethnografie in der Ethno-

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F ELDERKUNDUNG

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logie maßgeblich mitgeprägt hat, sagt. Im Zentrum dieser Forschungen steht also immer die Beschäftigung mit dem ›Fremden‹ bzw. dem ›Anderen‹ im Unterschied zur ›eigenen‹ Kultur. Um Zugang zu diesen fremden Kulturen zu erlangen und diese verstehen zu können, wurde es als notwendig erachtet, in die Lebenswelt dieser Kultur einzutauchen. Dies wird dadurch umgesetzt, dass man am Leben der betreffenden Kultur teilnahm. So kennzeichnen ethnologische Ethnografien langfristige Forschungsaufenthalte. Sie lassen sich in dieser Hinsicht als »erfahrungsintensiv« und »zeitextensiv«beschreiben (Knoblauch 2001: 129). Die Etablierung der ethnografischen Methode in den Sozialwissenschaften lässt sich vor dem Hintergrund eines Perspektivenwechsels dessen umreißen, was man unter dem ›Fremden‹ und dem ›Eigenen‹ verstehen kann (vgl. Thiele 2003: 2).4 Dieser Perspektivenwechsel, der insbesondere mit der Infragestellung des Eigenen korrespondiert, lässt sich vor dem Hintergrund von Modernisierungsprozessen lesen, die zu einer Ausdifferenzierung von sozialen Wirklichkeiten führt – gesteigerte Optionenvielfalt und Wahlmöglichkeiten gehen mit einer Vervielfältigung von Lebensstilen und einer Zunahme unterschiedlicher Lebenswelten einher (ebd.: 3-14).5 Man findet daher immer mehr das ›Fremde‹ in der eigenen Kultur. Mit dieser Verschiebung des Untersuchungsfokus zu ›eigenen fremden‹ Kulturfeldern muss sich, so Anne Honer und Ronald Hitzler, auch die Perspektive des Soziologen ändern: »[…] vom Relevanzsystem des Normalsoziologen weg und hin zum Relevanzsystem dessen, dessen Lebenswelt beschrieben, rekonstruiert und, wenn möglich, verstanden werden soll. D.h., wenn wir uns einem sozialen Typus mit lebensweltlichem Interesse nähern, dann müssen wir zunächst einmal die vom Normalsoziologen üblicherweise als so bedeutsam erachteten Fragen ausklammern und statt dessen fragen, was denn dem Handelnden – als Typus – wichtig ist, was er als ›seine Welt‹ erfährt. Und erst von seinen Wichtigkeiten aus fragen wir dann nach möglichst genauen Informationen über das, was ihm wichtig ist – und wir fragen eventuell, wie es kommt, daß ihm anderes unwichtig ist. So gewinnen

4

Insbesondere die Arbeiten der Chicago-School haben die Ethnografie als Methode der Feldforschung im Kanon soziologischer Forschung etabliert (vgl. Legewie1991: 190). Soziologisch-ethnografische Forschung wird im deutschsprachigen Raum mittlerweile in Bezug auf unterschiedliche Untersuchungsfelder angewandt. Zu nennen sind u.a. die Medizin (z.B. Lindemann 2002), der Sport (z.B. Hitzler/Honer 1991), Geschlechterforschung (z.B. Hirschauer 1993) oder auch Wissenschaftsforschung (Knorr-Cetina 2002b).

5

Der ›Lebensweltbegriff‹ auf den hier Bezug genommen wird, orientiert sich an dem Lebensweltkonzept von Alfred Schütz (vgl. Hitzler/Honer 1991).

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wir mit dem lebensweltlichen Ansatz die Welt, wie die Menschen sie erfahren, statt der Welt, wie sie nach Mei-nung [sic] der Soziologen aussieht.« (Hitzler/Honer 1991: 385 f., Herv.i.O.)

Es geht also darum, Wirklichkeiten zu rekonstruieren und nicht vor dem Hintergrund vorgefertigter Kategorien zu erklären. Im Hinblick auf diese kategoriale Offenheit korrespondiert die Ethnografie mit den konzeptuell-methodologischen Prämissen der ANT. Mit diesem Ziel der Rekonstruktion von Welten und dem Anspruch der Unvoreingenommenheit verbindet sich mit der Ethnografie zudem das Prinzip des »methodological holism« (Hirsch/Gellner 2001: 7). Es verweist auf ein sich Einlassen darauf, das alles was passiert, relevant sein könnte und somit in Betracht zu ziehen ist. Die Laborstudien lassen sich als eine Form ethnografischer Forschung kennzeichnen, die an »alltagssoziologische Verfahren einer situationssensitiven Methodologie anschließen« (Amann/Knorr-Cetina 1996: 114) und dabei das Forschungslabor zu ihrem Untersuchungsort erklärt haben.6 Im Labor begegnen der soziologischen Ethnografin dann Dinge und Praxen für die sie selbst keine Expertin ist. Sie verfügt weder über eine entsprechende disziplinäre Expertise noch über eine praktische Kompetenz (vgl. Hine: 73). Insofern kann man die Beforschung des Labors mit einer anthropologischen Untersuchung fremder Stammeskulturen vergleichen. Das für die Akteure normale und selbstverständliche Geschehen begegnet der Ethnografin als unverständliche Handlungsweisen, artikuliert in einer fremden Sprache. Doch liegt hierin die Möglichkeit begründet: »[…] jenseits der erkenntnistheoretisch scheinbar geklärten ›‹Logik der Forschung‹ die soziologische Aufmerksamkeit auf die Details dieser fremden Normalitäten zu lenken.« (Amann/Knorr-Cetina 1996: 118).

Ziel der Laborstudien ist die »Beschreibung genuiner Ordnungsmuster« (ebd.) wissenschaftlicher Praxis und Erkenntnisproduktion. Laborstudien wählen also einen bestimmten Zugang zur Beforschung von Wissenschaft, indem sie auf ihre Produktionstätigkeiten und Produktionslogiken fokussiert.7 Den Laborstudien

6

Vgl. hierzu z.B. Lynch 1985; Latour/Woolgar 1986; Knorr-Cetina 2002b.

7

In diesem Sinne prägen die Laborstudien einen neuen Ansatz innerhalb der Wissenschaftsforschung. Die klassische Wissenssoziologie, die damals insbesondere durch die Arbeiten von Robert K. Merton geprägt war, untersuchte in erster Linie die normativen und institutionellen Rahmenbedingungen von Wissenschaft (vgl. Merton 1973). Im Gegensatz dazu stellen die Laborstudien das lokale Geschehen in konkre-

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DER

F ELDERKUNDUNG

| 45

liegt somit ein »produktionslogischer Ansatz« zugrunde, der auf die Konstruktionsprozesse wissenschaftlicher Objekte und Tatsachen verweist und diese zu ihrem Untersuchungsgegenstand erklären (Knorr-Cetina 2002b: XI). Damit rückt die wissenschaftliche Praxis (»science in the making«) ins Zentrum des Erkenntnisinteresses (Latour 1987). Wissen wird hier nicht länger als »Erkenntnisprodukt« behandelt, denn als solches ist es vom Prozess seiner Entstehung abgeschnitten. Wissen wird als »Erkenntnisprozess« aufgefasst, den es zu untersuchen gilt (Knorr-Cetina 2002b: XI f.). Untersuchungsort ist das Forschungslabor, das sich mit Klaus Amann und Karin Knorr-Cetina wie folgt kennzeichnen lässt: »Labore lassen sich als die basalen Einheiten der materialen und kommunikativen Infrastruktur der Forschung charakterisieren, in denen die Gegenstände der Wissensproduktion (noch) keine geschlossenen »black boxes« oder singuläre dekontextualisierte Texte , sondern unfertige oder »geöffnete« Objekte der Erarbeitung sind, in denen auch die Bedingungen ihrer Universalisierung behandelt und fixiert werden müssen.« (Amann/KnorrCetina 1996: 116)

Definiert man das Labor auf diese Weise, so wird nicht nur die experimentelle Praxis, sondern das ganze Spektrum wissenschaftlicher Tätigkeit ins Zentrum des Interesses gestellt (Knorr-Cetina 1995: 103). Die Nutzung ethnografischer Untersuchungsmethoden für die Beforschung wissenschaftlicher Praxis begründen Aman und Knorr-Cetina wie folgt: Die Ethnografie als Beobachtung im Labor erlaubt es, im Gegensatz zu Befragungstechniken, wissenschaftliche Praxis vollständiger, situationsgerechter beobachten und beschreiben zu können. Sie ermöglicht einen besseren Zugriff auf implizites Wissen, eine Wissensform, die in Befragungen üblicherweise nicht thematisiert wird, und auch nicht in den Produkten der Erkenntnisproduktion zu finden ist. Adäquate Befragungen, im Sinne einer systematischen und lückenlosen Informationsgewinnung zu einer bestimmten Thematik, stellen zudem zu hohe Anforderungen an den Sozialwissenschaftler im Hinblick auf eine entsprechende und hierzu notwendige Sachkompetenz. Des Weiteren ermöglicht die Ethnografie durch das körperliche Vor-Ort-sein Erfahrungsmöglichkeiten, die jenseits kommunikativer und somit auch diskursiver Erfassungs- und Erschließungsmöglichkeiten liegen (Amann/Knorr-Cetina 1996: 118). Die Schwierigkeit der Ethnografie im Allgemeinen als auch der Laborethnografie im Besonderen ist mit der Notwendigkeit des persönlichen Vor-Ort-seins

ten Forschungssituationen als auch die Produktion wissenschaftlichen Wissens in den Fokus.

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verbunden. Dies ist ein Anspruch, der sich aus unterschiedlichen Gründen nicht immer realisieren lässt. Es wird immer eine Praxis gegen, die zeitlich oder räumlich so situiert ist, dass die Beobachterin nicht anwesend ist. In diesem Sinne kommt Christine Hine zu dem Schluss: »Any ethnography […] is necessarily partial.« (Hine 2001: 74)

Nicht zuletzt im Hinblick auf diese Einschränkungen wird der Geltungsanspruch von Ethnografien häufig viel kleiner angesetzt, als dies standardisierte Verfahren für sich in Anspruch nehmen. Doch sind standardisierte Verfahren auf die Festlegung bestimmter Messgrößen angewiesen, die dann als Mittel zur Abbildung einer sozialen Ordnung dienen. Die Innovationsforschung stellt nun ein Untersuchungsfeld dar, in dem die in Frage stehenden Ordnungen erst im Entstehen begriffen sind. Ordnungen lassen sich nur im Sinne praktizierter Ordnungsleistungen beobachten. Dies lässt eine vorgängige Festlegung auf bestimmte Kategorien nicht zu. Eine Festlegung stellt eine dem Forschungsfeld nicht angemessene Vorgehensweise dar (vgl. Braun-Thürmann 2006: 204).

5.4 ›E XPERIMENTELLE E THNOGRAFIE ‹ Ich möchte meine Ethnografie als eine ›experimentelle Ethnografie‹ charakterisieren. In den Naturwissenschaften lassen sich Experimente dadurch kennzeichnen, dass sie Dingen eine Stimme geben. Gute Experimente zeichnen sich nach Isabelle Stengers dadurch aus, dass der Wissenschaftler das Risiko eingeht, dass die Dinge die Versuchsanordnung auf eigene Weise interpretieren, dass also die Fragen, die der Forscher durch die Versuchsanordnung an sie stellt, nicht die relevanten Fragen sind (Stengers 1997: 205ff.). Die Ethnografie verlangt in diesem Sinne, sich die Offenheit gegenüber dem Forschungsfeld zu bewahren. Diese Offenheit soll auch durch die Reflexion meiner Beobachterposition als Ethnografin (bspw. was bestimmte, vorgängige Erwartungen anbelangt) in meinen Bericht einfließen und an entsprechender Stelle thematisiert werden. Es soll hier aufgezeigt werden, dass ich keine distanzierte, von meinem Untersuchungsgegenstand unabhängige Beobachterin bin.8 Diese Offenheit beinhaltet auch, dass ich mich

8

Unabhängige Beobachterin in der Weise, dass es möglich sei, objektive Beschreibungen einer objektiv gegebenen Welt zu produzieren. Forschung, so verläuft auch die Argumentation in dieser Publikation, erfolgt in der Form von Konstruktionsprozessen. Als Forscherin ist man stets Teil dieser Konstruktionsprozesse. Konstruktion

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nicht in einer bestimmten vorgegebenen Weise zum Feld positioniere. Es geht mir vor allem nicht um Kritik. Denn worauf könnte denn diese Kritik beruhen? Ausgangspunkt wären gesellschaftliche Kategorien, die sich als solche vom Natürlichen unterscheiden. So versteht sich zumindest die moderne Kritik, die auf die Gesetze des Sozialen verweist, um damit Naturalisierungen aller Art in Frage zu stellen (Latour 2002: 50 ff.). Es kann aber auch nicht darum gehen, dass der Soziologe zum Dienstleister im Zusammenhang der Entwicklung einer neuen Technologie wird. So wird im Feld ›Nano‹ von Anbeginn ein großes Interesse an der Zusammenarbeit von Nanowissenschaftlern und Sozialwissenschaftlern ausgemacht.9 Doch resultiert dieses Interesse aus bestimmten Annahmen darüber, welche Rolle der Sozialwissenschaftler im Feld einnimmt. Er wird dabei als Vermittler zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit gesehen, als jemand, mit dessen Hilfe es möglich wird, den Anspruch, eines »sozial robusten Wissens« (Nowotny 1999) umzusetzen. Doch beruht diese Annahme nicht allein auf der falschen Trennung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, sondern auch auf einem falschen Verständnis darüber, was (sozialwissenschaftliche) Wissenschaftsforschung bedeutet (vgl. Doubleday/Viseu 2010). Ich verstehe meine Untersuchung vielmehr so, dass sie auch nanomedizinische Innovationen produziert, nur eben mit anderen Mitteln. Mein Vorgehen lässt sich ebenso wie die Forschung, die ich untersuche und beschreibe, im Sinne von Übersetzungsprozessen und Transformationen verstehen. Solche Übersetzungen finden sowohl auf körperlicher Ebene statt, wobei Medien wie Wahrnehmungsapparate und Empfindungssinne, Denk- und Erinnerungsvermögen eine Rolle spielen (Kalthoff 2003: 73). Diese werden unterstützt durch allerlei Hilfsmittel, wie Stifte, Notizblöcke, technische Geräte wie der Computer, Aufnahmegeräte und Fotoapparate. Diese übersetzen wiederum das Wahrgenommene in Schrift, Ton und Bild und so fort. So erzeuge auch ich eine kontinuierliche Kette von Übersetzungen, in denen ich das Phänomen nanomedizinische Forschung hervorbringe und realisiere (ebd.). Meine Untersuchung möchte ich jedoch nicht allein im Hinblick auf die Beobachterposition des Soziologen als experimentell bezeichnen, sondern auch in Bezug auf die WissenschaftlerInnen, deren Arbeit ich begleiten dufte. Das betrifft zum einen meine kontinuierliche Anwesenheit als ›Fremde‹ im Forschungslabor. Diese kann durchaus auch als Störung oder Verunsicherung aufgefasst

heißt, dass man durch die Anwendung einer bestimmten Methode eine bestimmte Art von Wirklichkeit hervorbringt. Das gilt für die Naturwissenschaft in gleicher Weise wie für die Sozialwissenschaft. 9

Vgl. hierzu Kapitel 3.

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werden, da sie die Routine und Selbstverständlichkeit alltäglicher Praxis in Frage stellen kann.10 Dass sich die Forschung durch meine Anwesenheit ändert zeigt sich aber auch darin, dass Situationen versprachlicht werden, die ohne meine Anwesenheit stumm abgelaufen wären. Durch Nachfragen und die Bitte um Erklärungen werden Dinge, die sonst selbstredend sind, expliziert. Nachdem ich die Ethnografie als auch mein ethnografisches Vorgehen charakterisiert habe, möchte ich nun auf die konkreten Untersuchungsinstrumente zu sprechen kommen, die ich zur Beforschung nanomedizinischer Innovationen genutzt habe.

5.5 U NTERSUCHUNGSINSTRUMENTE Häufig wird mit der Ethnografie allein die teilnehmende Beobachtung assoziiert. Im Anschluss an den Anthropologen Daniel Miller möchte ich die Ethnografie jedoch nicht im Sinne einer Methode verstehen, sondern sie als einen bestimmten Forschungsansatz nutzen (Miller 1997). Auch Schütze kommt zu dem Urteil, dass die Ethnografie keine spezifische Untersuchungsmethode darstellt, sondern vielmehr eine ›Sichtweise‹, die mithilfe verschiedener Instrumente der qualitativen Sozialforschung umgesetzt werden kann (Schütze 1994). Der Bedarf eines Methoden-Mix zur Beforschung nanomedizinischer Innovationen liegt für mich auch darin begründet, dass in den unterschiedlichen Konstruktions- und Übersetzungsprozessen, die sich beobachten lassen, das Phänomen nanomedizinische Innovationen auf ganz unterschiedliche Weise sichtbar wird. Das bezieht sich nicht allein darauf, dass sich die verschiedenen involvierten, heterogenen Akteure unterschiedlich artikulieren. Auch finden Übersetzungsprozesse zu verschiedenen Zeiten und auch an verschiedenen Orten statt, so dass nicht alles allein mit der Methode der Beobachtung nachvollziehbar ist. Unterschiedliche Methoden sollen es dann ermöglichen, unterschiedlichen Akteuren eine Stimme zu geben.11 Zu den von mir gewählten Instrumenten zählen: Die Teilnehmende Beobachtung: Die teilnehmende Beobachtung lässt sich allgemein als die Teilnahme des Sozialforschers am Alltagsleben der ihn interessie-

10 Dies zeigte sich durchaus auch in meiner Forschung, allerdings beschränkt auf eine Begegnung. Dabei wurde geäußert, dass man sich als ›Versuchskaninchen‹ fühle. 11 Man kann hier auch auf das Schlagwort der »Gegenstandsangemessenheit« verweisen (Hirschauer 2008: 179).

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renden Personen bzw. Gruppen charakterisieren (Lamnek 1993: 240). Durch genaue Beobachtungen werden Interaktionsmuster als auch die ordnende Leistung der Akteure, was die Zuordnungen von Werten, Bedeutungen als auch Relevanzen anbelangt, untersucht. Diese Methode lässt sich als Teilhabe an der natürlichen Lebenswelt der zu Beobachtenden kennzeichnen (ebd.: 243). Beobachtungen stellen insbesondere auch eine gute Methode dar, um die aktive Rolle von Objekten im Forschungsprozess nachvollziehen zu können (van Loon 2014a: 320). Die Art der Teilhabe bzw. Teilnahme am Geschehen war dabei durchaus unterschiedlich: In manchen Situationen war ich die stumme Beobachterin, in anderen jedoch in einem intensiven Gesprächsaustausch. Ich habe die Forschergruppe als Gast bei Meetings oder auch zu Veranstaltungen begleitet. Mitunter war ich jedoch auch aktiv am Forschungsgeschehen beteiligt, nicht zuletzt dann, wenn ich bei den Experimenten Hilfestellungen leistete, wenn diese benötigt wurden – auch wenn dies eher banale Tätigkeiten waren, wie das Halten von Röhrchen zur Blutabnahme oder das Beschriften und Sortieren von Proben. Zu Beginn meiner Forschungsaufenthalte waren meine Beobachtungen offen und unstrukturiert.12 Strukturiert wurden meine Untersuchungen im Laufe meiner Forschungsaufenthalte, wobei sich diese Strukturierung maßgeblich an den jeweiligen Tätigkeitsfeldern der Arbeitsgruppe sowie den damit zusammenhängenden Objekten orientierte, wie Versuche in Zellkultur, Tierversuche, Partikelherstellung, Partikelcharakterisierung usf.. Ich habe Anfang Dezember 2010 mit meinen Beobachtungen in der Arbeitsgruppe begonnen. In diesem Monat war ich mehrmals die Woche in Erlangen. Ab Anfang Januar in der Regel einmal die Woche. Meine Beobachtungen erfolgten in einem Zeitraum von einem Jahr. Daraus resultieren mehr als 50 Forschungsaufenthalte, zu 38 habe ich Beobachtungsprotokolle verfasst. Bei den nicht protokollierten Aufenthalten handelt es sich in erster Linie um Teilnahmen an Veranstaltungen und Vorträgen. Leitfadengestützte Experteninterviews: Sinn und Zweck des Experteninterviews ist die Erhebung von Expertenwissen. Etwas genauer formuliert es Michaela Pfadenhauer, indem sie das Experteninterview so umschreibt: »Sie zielen ab auf eine Rekonstruktion von besonderen Wissensbeständen bzw. von besonders exklusivem, detailliertem und umfassendem Wissen über besondere Wissensbestände und Praktiken […].« (Pfadenhauer 2009: 99)

12 Dies entspricht dem Prinzip des methodologischen Holismus (vgl. Unterkapitel 5.3). Strukturiert wurden meine Untersuchungen im Laufe meiner Forschungsaufenthalte durch die Praxis, die ich beobachtet habe.

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In der Weise, wie Nanoforscher also über ein solches Sonderwissen verfügen, kennzeichne ich meine Interviews als Experteninterviews. Diese Interviews habe ich als »Leitfadeninterviews« durchgeführt (Gläser/Laudel 2006: 41). Ein Leitfaden ist dadurch charakterisiert, dass er zwar Themen enthält, jedoch keine festen Frageformulierungen vorgibt, noch eine bestimmte Reihenfolge festlegt, in der Themen behandelt werden. Sie sind auch in der Weise offen, dass Themen, die der Interviewpartner anspricht, aufgenommen und behandelt werden können. Auch Nachfragen sind jeder Zeit möglich (ebd.:). Ich habe 13 Interviews geführt. Meine Interviewpartner waren zum einen die Mitarbeiter der Arbeitsgruppe, Kooperationspartner sowie eine Vertreterin der Stiftung, die die Stiftungsprofessur von Herrn Alexiou ins Leben gerufen hat. Meine Leitfäden enthalten dann Themen, die alle meine Interviewpartner behandeln sollten (z.B. das Thema interdisziplinäres Arbeiten), ich habe die Leitfäden jedoch auch an den jeweiligen Interviewpartner angepasst. So habe ich z.B. Kooperationspartner mehr in Bezug auf ihre eigene Forschung befragt. Die Interviews dienten mir zum einen zum zusätzlichen Informationsgewinn bezüglich der Forschungsarbeit. Außerdem habe ich nach Einschätzungen, Bewertung, Motivationen und Standpunkten von Nano-Wissenschaftlern im Hinblick auf ›Nano‹ als Forschungs- und Entwicklungsfeld gefragt. Und auch organisatorische Fragen waren von Belang. Durch Interviews konnte ich Aspekte der Forschung abfragen, die ich nicht direkt beobachten konnte, die z.B. über den zeitlichen Horizont meiner Forschungsaufenthalte hinausragten (wie z.B. Informationen zur Geschichte des beforschten Therapieverfahrens). Interviews habe ich aber auch genutzt, um Wege der Forschung nachzeichnen zu können, die aus dem Labor hinausführten und langfristige Aufenthalte an diesen Orten nicht möglich waren. Dies betrifft dann u.a. Forschungskooperationen oder aber auch die Frage der Forschungsfinanzierung. Neben diesen zentralen Untersuchungsinstrumenten habe ich mich auch auf eine Analyse zentraler Dokumente gestützt. Dazu zählen nicht allein Veröffentlichungen und Poster der Arbeitsgruppe, sondern auch öffentliche und über das Internet zugängliche Dokumente wie Forschungsstrategiepapiere, Arbeitsberichte, Forschungsberichte und Selbstdarstellungen. Die Interviews, die Beobachtungsprotokolle als auch Veröffentlichungen und Poster der Arbeitsgruppe dienten mir als Material, anhand dessen ich versucht habe, das Netzwerk nanomedizinischer Innovationen zu beschreiben und zu entfalten, so wie es in meiner Untersuchung sichtbar wurde. Meine Beschreibungen sind also als eine Entfaltung und Wiederversammlung (Latour 2007) des Netzwerkes ›nanomedizinische Innovationen‹ zu verstehen. In diesem Sinne gilt es dann lokale Praktiken auf der Grundlage von »detaillierten Beschreibungen und Aufzeichnungen […] und über einen längeren Prozess des Vertrautwerdens Schritt für Schritt in zusammenhän-

P ERSPEKTIVE UND M ETHODEN

DER

F ELDERKUNDUNG

| 51

genden Sequenzen und Mustern« (Amann/Knorr-Cetina 1996: 117) wiederzugeben bzw. zu rekonstruieren. Es geht in diesem Vorgehen also weder darum, Hypothesen zu prüfen, noch das empirische Material vor einem bestimmten theoretischen Hintergrund zu lesen und zu deuten, sondern darum die Versammlungen, die im Labor durch die Forschungspraxis hervorgebracht werden, in Form eines Textes oder eines Berichtes wieder zu versammeln (Latour 2007: 223). Die Konzepte, die ich in diesem Bericht entwickele, sind Konzepte, die sich aus der Beschreibung der Praxis ergeben. Es sind keine Konzepte im Sinne bedeutungsgeladener Kategorien. Ich verstehe unter Konzepten ›Figurationen‹ (Latour 2007), die auf der Grundlage von Beobachtungen und durch die Tätigkeit des Beschreibens der beobachteten Praxis eine bestimmte Gestalt verleihen.

6 Nanomedizinische Innovationen

In diesem Kapitel möchte ich mich nun also den Fragen widmen, was nanomedizinische Innovationen sind und was man sich unter nanomedizinischer Forschung vorzustellen hat. Wie ich bereits bei der Vorstellung meiner konzeptuellen und methodologischen Ansätze zu dieser Untersuchung gesagt habe, möchte ich hierbei den Akteuren folgen und nachzeichnen, wie nanomedizinische Forschung betrieben wird und wie es zur Entwicklung nanomedizinischer Innovationen kommt. In diesem Sinne möchte ich der Praxis nanomedizinischer Forschung folgen, so, wie sie Tag für Tag im Labor stattfindet. Ich schließe hier an einen sozialwissenschaftliche Forschungsansatz an, der Wissenschaft nicht in Bezug auf Theorien, Konzepte und einer bestimmten Art zu denken analysiert, sondern anhand der alltäglichen Routinen beschreibt, die sich im Labor beobachten lassen. Auf diese Weise möchte ich die Wege und Mittel benennen, mit denen nanomedizinische Erkenntnis hergestellt wird, ich möchte aber auch die Wege und Mittel nachzeichnen, wie sich nanomedizinisches Wissen Geltung verschafft, sich durchsetzt – wie also nanomedizinische Innovationen sozial Einfluss nehmen (vgl. Callon/Law/Rip 1986). Dazu möchte ich mich ins nanomedizinische Forschungslabor begeben. Das ist der Ort, an dem nanomedizinisches Wissen entsteht – wo nanomedizinisches Wissen und nanomedizinische Erkenntnis produziert werden. In Anschluss an die Laborstudien lässt sich auch formulieren: Das nanomedizinische Labor stellt den Ort dar, an dem sich die »Erzeugungscharakteristiken« (Knorr-Cetina 2002b: XII) von Nanomedizin beobachten und erforschen lassen. Im Zentrum meiner Laborbeobachtungen sollen dann insbesondere auch die Objekte nanomedizinischer Forschung stehen. Forschungsfragen hierzu lauten u.a.: Mit welchen Objekten hat man es hier zu tun? Wie werden sie zu Forschungsobjekten? Wie wird jeweils auf sie Bezug genommen und welchen Einfluss und welche Bedeutung haben sie auf die nanomedizinische Forschung?

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Wie artikulieren sich nanomedizinische Objekte? Begleitet werden also Laborpraktiken und es soll danach gefragt werden, wie sich der Gegenstandsbereich ›nanomedizinische Forschung‹ in und durch diese Praktiken formiert und gestaltet und wer dabei die zentralen Akteure sind? Diese Fragen sollen in der Begleitung der alltäglichen Forschungspraxis in der Arbeitsgruppe für experimentelle Onkologie und Nanomedizin der Universitätsklinik Erlangen nachgegangen und beantwortet werden, d.h. es sollen die Verfahren, Methoden und Mittel betrachtet werden, die in der täglichen Forschungspraxis zum Einsatz kommen und von Relevanz sind. Da ›Nano‹ ja als ein relativ neues Forschungsfeld beschrieben wird (z.B. Baumgarten 2006: 325) richtet sich mein Forschungsinteresse nicht zuletzt auch darauf, inwieweit ›Nano‹ dabei mit ›neuen Formen‹ der Erkenntnisproduktion assoziiert werden kann und welche Mittel – Verfahren und Techniken – hierfür dann genutzt werden. Es gilt also zu fragen, ob es ›nanospezifische‹ Praktiken und Verfahren gibt. Im Sinne der ANT möchte ich also danach fragen, ob ›Nano‹ einen Akteur darstellt. Dies möchte ich untersuchen indem ich mich dafür interessiere, ob ›Nano‹ einen Unterschied macht. Auch wenn nanomedizinische Praxis im Labor im Mittelpunkt stehen soll, so genügt es nicht, sich allein auf diese Analyse zu beschränken. Zum einen wird sich zeigen, dass das im Labor produzierte Wissen keinen Wert an sich hat. Es muss sich vielmehr beweisen, um Bedeutung und Einfluss zu erlangen. Zudem möchte ich zeigen, dass die Arbeit im Labor weder Existieren noch Fortbestehen könnte, wenn wissenschaftliche Tätigkeit allein auf die Arbeit im Labor reduziert wird. Ich möchte dabei Aspekte wissenschaftlicher Praxis zusammenführen und im Zusammenhang betrachten, die häufig getrennt voneinander analysiert werden. So beschäftigen sich die studies of scientific knowledge mit dem, was als ›Inhalt‹ von Forschung gekennzeichnet und als ›interne Faktoren‹ von Wissenschaft aufgefasst wird. Demgegenüber widmen sich die science policy studies organisationalen und institutionellen Bedingungen und betrachten den ›Kontext‹ von Wissenschaft. Wie jedoch diese Aspekte miteinander in Verbindung stehen, möchte ich im Nachzeichnen der nanomedizinischen Forschungspraxis im dritten Teil dieses Kapitels untersuchen. Führt man dann die Ergebnisse aus dem zweiten und dritten Teil dieses Kapitels zusammen, so lassen sich vier Tätigkeitstypen erkennen, die für Bruno Latour Bestandteile des »Blutkreislaufs der Wissenschaft« (Latour 2000a) sind: die Mobilisierung von Welt als die Herstellung von Fakten, die Autonomisierung, welche den Fakten unter den Kollegen Geltung verschafft, das Knüpfen von Allianzen, welche die Existenz aber auch den Fortbestand von Forschung sichert, als auch die Herstellung von Verbindungen mit der Öffentlichkeit. Ich möchte die Bedeutung dieser Tätigkeiten für die Kennzeichnung und das Ver-

N ANOMEDIZINISCHE I NNOVATIONEN | 55

ständnis nanomedizinischer Forschung herausarbeiten, wobei ich diese Tätigkeiten nicht, wie Latour, retrospektiv erfasse, sondern im Vollzug begleite und damit quasi ›autobiografisch‹ erfasse. Bevor ich jedoch zu meiner spezifischen Beschreibung und Kennzeichnung von nanomedizinischer Forschung anhand der Arbeitsgruppe in Erlangen komme, möchte ich zunächst mit einer allgemeinen Charakterisierung beginnen, die sich auf Beschreibungen aus dem Feld ›Nano‹ selbst bezieht, als auch auf bestehende sozialwissenschaftliche und wissenschaftsphilosophische Forschungsliteratur zu ›Nano‹ zurückgreift. Anhand dieser bestehenden Beschreibungen möchte ich eine (philosophisch-erkenntnistheoretische) Perspektive dafür entwickeln, wie man sich nanomedizinischer Forschung nähern und wie man sie untersuchen kann.

6.1 Z UGANG ZUR N ANOWELT Bevor ich mich detailliert meinen Beobachtungen nanomedizinischer Forschung in Erlangen widme und ihre Praxis beschreibe, möchte ich zunächst darstellen, was wir bisher, in Bezug auf öffentlich-mediale Darstellungen, aber auch aus Arbeiten der Wissenschaftsforschung, über ›Nano‹ wissen. Hierbei möchte ich herausarbeiten, welche Formen der Erkenntnisgewinnung von ›Nano‹ benannt und wie diese charakterisiert werden. Im Zentrum dieser Ausführungen wird die Rastersondenmikroskopie als das Verfahren stehen, dass üblicherweise als zentrales Erkenntnisinstrument auf der Nanoebene genannt wird. Ich möchte dabei das Verfahren der Rastersondenmikroskopie nicht nur darstellen, sondern auch medientheoretisch diskutieren. Dabei möchte ich mich im Besonderen mit der Theorie einer ›Medialisierung von Wirklichkeit‹ auseinandersetzen. Inwieweit die Rastersondenmikroskopie auch für die nanomedizinische Forschung in Elangen von Bedeutung ist, möchte ich in einem weiteren Schritt untersuchen. Die Rastersondenmikroskopie soll darüber hinaus nicht nur in Bezug darauf analysiert werden, wie wir etwas über die Nanowelt wissen, sondern auch im Hinblick auf das, was wir über die Nanowelt wissen. Dabei möchte ich mich mit dem Begriff der ›Repräsentation‹ auseinander setzen. In diesem Zusammenhang werde ich nicht allein auf den Repräsentationsbegriff an sich, sondern auch auf die Begriffe der Konstruktion und der Virtualität eingehen, da diese insbesondere bei ›Nano‹ für das Repräsentationsverständnis zentrale Begriffe darstellen. Hierbei möchte ich jeweils eine bestimmte begriffliche Bedeutung vorschlagen, die ich anhand eines Beispiels konkretisieren werde und die zum Abschluss dieses Teils noch einmal in Bezug auf die Rastersondenmikroskopie zur Anwendung

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kommen soll. Ziel dieses Teils ist es, ein Verständnis wissenschaftlicher Praxis als repräsentationaler Praxis zu entwerfen, das im zweiten Teil dieses Kapitels dann konkret zur Analyse nanomedizinischer Forschung in Erlangen zugrunde gelegt werden soll. Zunächst möchte ich jedoch allgemein den Zugang zur Nanowelt charakterisieren. 6.1.1 Medialisierte Nanowelt Auch wenn Definitionen dafür, was man denn genau unter Nanotechnologie oder Nanowissenschaften zu verstehen habe, vage und vielfach umstritten sind (vgl. Nethöfel 2006; Paschen u.a. 2004), so werden diese Begriffe dennoch nunmehr seit rund 20 Jahren als Ober- bzw. Sammelbegriff für eine Reihe von Technikund Wissenschaftszweigen sowie für verschiedenste Anwendungen genutzt (vgl. Fleischer 2011: 176). Trotz unklarer Definitionen, gemeinsam ist diesen Bereichen, dass es um die Beforschung, Entwicklung bzw. Nutzung von Stoffen und Strukturen im Größenbereich zwischen einem und 100 Nanometern geht (vgl. BMBF 2008: 4). Paschen u.a. beschreiben entsprechend die »Basisstrukturen« von ›Nano‹ wie folgt: »[…] punktförmige Strukturen, die in allen drei Dimensionen kleiner als 100 nm sind (z.B. Nanokristalle, Cluster oder Moleküle), linienförmige Strukturen, die in zwei Dimensionen nanoskalig sind (z.B. Nanodrähte, Nanoröhren und Nanogräben), Schichtstrukturen, die nur in einer Dimension nanoskalig sind, »inverse« Nanostrukturen, also Poren, sowie komplexe Strukturen, wie z.B. supramolekulare Einheiten oder Dendimere.« (Paschen u.a. 2004: 2)

Diese Beschreibung macht deutlich, dass Strukturen im Nanometerbereich auf ganz unterschiedliche Art und Weise charakterisiert werden können und demzufolge auch in ganz unterschiedlicher Form in Erscheinung treten können. Die ›Heterogenität‹ des Feldes ›Nano‹ wird hier in Bezug auf die jeweiligen, unterschiedlichen materialen Eigenschaften und deren möglichen stofflichen Strukturen sichtbar. Damit verbunden ist jedoch auch eine Vielfalt möglicher Forschungs- und Entwicklungszweige (vgl. Nordmann/Schummer/Schwarz 2006a: vii). Im Nanokosmos – insbesondere in dem Bereich, der als Nanobereich ausgewiesen wird, nämlich im Bereich von Strukturen, die mindestens in einer Dimension kleiner als 100 nm sein muss – befinden wir uns zudem auf einer Skalenebene, die mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen ist. Rein definitorisch ist demnach also der Nanokosmos für das menschliche Auge unsichtbar. Es bedarf

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entsprechend spezieller Verfahren und technischer Apparaturen, um das ›Unsichtbare sichtbar zu machen‹. Welcher Art sind nun diese technischen Vermittlungen und wodurch sind diese definiert. Der Nanowissenschaftler Wolfgang M. Heckl beschreibt den Zugang zum Nanokosmos in Bezug auf die Anfänge der Entwicklung von ›Nano‹ wie folgt: »Am Beginn des neuen Jahrtausends wurden in den Forschungslabors die Grundlagen für eine Technologie gelegt, die die Schaffung völlig neuer, für das bloße Auge unsichtbarer Welten, in greifbare Nähe gerückt hat. Die Erfindung des Rastertunnelmikroskops, für die Gerd Binnig und Heinrich Rohrer 1986 den Nobelpreis erhielten, erlaubte es erstmals, die lange vermutete, aber nie gesehene atomare Struktur der Materie direkt sichtbar zu machen. Eine Welt im Größenbereich von einem Milliardstel Meter wurde damit direkt erfahrbar, ja mehr noch, direkt beeinflussbar.« (Heckl 2004: 128)

In dieser Beschreibung wird der Zugang zu ›Nano‹ also durch die Möglichkeit einer neuen Technologie und damit verbunden mit einer neuen Form der Visualisierung erreicht: Erst durch das Rastertunnelmikroskop wird es möglich, Zugang zum Nanokosmos zu bekommen. So formuliert es auch einer meiner Interviewpartner, der auf dem Gebiet der Verfahrenstechnik forscht und in einem Kooperationsprojekt mit der Arbeitsgruppe von Herrn Alexiou zusammenarbeitet: »Und in dem Maße, wenn man was sieht, kann man mit der Forschung beginnen. So, und deswegen – und das war aus meiner persönlichen Meinung, sozusagen, der Antrieb, in Nanostrukturen zu gehen, weil man genau gesehen hat, was man da macht.« [Interview 8/2011]1

Über das neue Instrument der Rastersondenmikroskopie wurde es also möglich, die Nanowelt zu erforschen und mehr noch, diese auch in bestimmter Weise zu nutzen. Das Rastertunnelmikroskop stellt dabei einen neuen Modus der Wahrnehmung und der Darstellung dar. Diese Beschreibung des Zugangs zum Nanokosmos ist charakteristisch. In der ›Standardbeschreibung‹ der Geschichte der Nanotechnologie (vgl. Baird/Shew 2009: 151f.) wird die Erfindung des Rastertunnelmikroskops zur Erschließung des Nanokosmos stets als ein Meilenstein genannt. Am Anfang dieser Geschichte von ›Nano‹ steht immer die Rede »There’s Plenty of Room at the Bottom« des US-amerikanischen Physikers Richard

1

Eine Aufschlüsselung der einzelnen Interview-Nummern ist im Anhang zu finden.

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Feynman, die er 29. Dezember 1959 auf der Jahresversammlung der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft am California Institute of Technology (Caltech) gehalten hat. 2 In dieser Rede formuliert Feynman die Idee »of manipulating and controlling things on a small scale.” (Feynman 1960: 22) Anschaulich umschreibt er seine Überlegungen mit der Frage, ob es wohl möglich sei, alle 24 Bände der Encyclopaedia Brittanica auf einem Stecknadelkopf zu speichern (ebd.). In eine eher wissenschaftliche Sprache übersetzt könnte man sagen, dass sich Feynman in seinem Vortrag Gedanken dazu macht, wie man mit Materie auf atomarer und molekularer Ebene arbeiten kann. Und wie Heckl (s. oben) in seinem Zitat ausführt, war es dann die Entwicklung der Rastertunnelmikroskopie (1981), die dieses Arbeiten auf der atomaren bzw. molekularen Ebene möglich machte.3 Die Herstellung der Sichtbarkeit durch das Verfahren der Rastersondenmikroskopie stellt hier dann die große Innovation dar. Das Rastersondenmikroskop ist in der Entwicklungsgeschichte von ›Nano‹ also der zentrale Bezugspunkt – der »obligatory point of passage« (Latour 1993: 43 ff.) – der einen neuen Weg zu Wissen und Erkenntnis eröffnet. Der Zugang zum Nanokosmos erfolgt also mittels einer neuen Visualisierungstechnologie und der Weg zu Erkenntnissen im Nanobereich führt über ein neues Verfahrens des Sichtbarmachens (vgl. Ruivenkamp/Rip 2010). Das Rastersondenmikroskop erschließt die Nanoebene dann auf zweifache Weise. Zum einen visualisiert es diese Ebene. Dem Verfahren wird dabei attestiert, dass mit ihm eine neue Art des ›Sehens‹ einhergeht. Konventionelle Mikroskope machen Forschungsobjekte mithilfe von Lichtstrahlen und Linsen sichtbar. Sichtbarkeit entsteht hier durch Vergrößerung, also gewissermaßen durch eine technische Ausweitung menschlicher Wahrnehmung. Diese Art der Herstellung von Sichtbarkeit ist jedoch im Nanobereich nicht möglich, da Atome zu klein sind, als das sie mittels Lichtwellen wahrgenommen werden können. Das Rastersondenmikroskop ist demgegenüber nun ein Gerät, das Bilder nicht mittels Licht, sondern durch das Abtasten einer Probe mithilfe einer Spitze bzw. einer Sonde generiert. Das Rastersondenmikroskop protokolliert Daten, die durch eine Wechselwirkung zwischen der Sonde mit einer Probe erzeugt werden (vgl.

2 3

Vgl. hierzu auch Heckl 2004, S. 129f. 1986 wurde dann das Rasterkraftmikroskop entwickelt. Beide Mikroskopierarten (also Rastertunnelmikroskopie und Rasterkraftmikroskopie) können unter dem Oberbegriff Rastersondenmikroskopie zusammengefasst werden. Diesen allgemeineren Begriff werde ich im Folgenden verwendet.

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Soentgen 2006: 105).4 Mittels grafischer Datenverarbeitung werden dann diese Messwerte im PC zu einem digitalen Bild übersetzt. Sichtbarkeit entsteht hier also in einem Prozess der Generierung von Messdaten und einer softwaregestützten Umwandlung dieser Messdaten in visuelle Darstellungen. In dieser Hinsicht wird auch darüber diskutiert, ob man bei der Rastersondenmikroskopie überhaupt noch von Bildern sprechen kann – zumindest sind es nicht länger Bilder im Sinne einer ›visuellen‹ Abbildung von etwas ›Gegebenen‹ (vgl. Soentgen 2008). In diesem Sinne könnte man hier auch sagen, dass ein neues Verhältnis zwischen ›Sehen‹, ›Sichtbarkeit‹ und dem ›Ding‹, das abgebildet werden soll, hergestellt wird und somit gleichsam eine neue Weise von Weltbezug entsteht. Das Rastersondenmikroskop kann jedoch nicht nur zur Darstellung, sondern auch zur Manipulation genutzt werden, denn es ist möglich, die Sonde nicht nur zum Abtasten der Probe zu nutzen, sondern mit ihr können auch einzelne Atome verschoben werden.5 Das Rastersondenmikroskop stellt also ein Gerät dar, das nicht nur zum Abbilden des Forschungsobjektes genutzt werden kann, sondern auch zu dessen Bearbeitung.6 In dieser zweiten Variante produziert das Rastersondenmikroskop Bilder durch spezifische Formen gezielter Manipulation. Zusammenfassend kann man also sagen, dass der Übergang von der Mikroebene zur Nanoebene gleichsam den Übergang zu einer anderen Wahrnehmungsebene markiert, der sich durch eine Veränderung des Modus der Wahrnehmung kennzeichnen lässt. Die Mikroebene und das Verfahren der Licht-Mikroskopie wird dabei charakterisiert durch den Modus des ›Abbildens‹, auf der Nanoebene und mit dem Verfahren der Rastersondenmikroskopie verschiebt sich der Modus

4

Mit Hilfe einer Wechselwirkungsgröße, dem sog. Tunnelstrom, wird eine Art Konturbild einer Probe erzeugt, das sich im Sinne einer Probentopografie lesen lässt (vgl. Paschen u.a. 2004: 44f.). Originalbeschreibungen zu den einzelnen Verfahren der Rastertunnelmikroskopie bzw. der Rasterkraftmikroskopie können nachgelesen werden in Binning/Quate/Gerber 1986 sowie in Binning/Rohrer/Weibel 1982. Für ›Nicht-Naturwissenschaftler‹ kann die Darstellung von Joachim Krug (2001) empfohlen werden.

5

Das bekannteste Bild einer solchen Manipulation, dass zu den populärsten »Ikonen« (vgl. Janich 2006: 2 ff.) des Nanodiskures zählt, ist der durch einzelne Atome hergestellte Schriftzug der Firma IBM. Vgl. hierzu auch Hennig 2004.

6

Eine zentrale Vision der Nanotechnologie besteht in der Idee eines molekularen Engineering, oder, wie es der in diesem Zusammenhang stets zitierte ›Protagonist‹ der Nanotechnologie, Eric Dexler, formuliert hat: »shaping the world atom by atom«. Das Rastersondemikroskop wird dann als die Technologie gesehen, die diese Vision verwirklichen kann. Vgl. hierzu auch Nordmann 2003.

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vom Abbilden hin zum Modus des ›Abtastens‹. Das Abtasten kann dann sowohl zur Darstellung als auch zur gezielten Veränderung genutzt werden. Die Nanoforschung wird somit also ausgewiesen als eine Forschung, die sich auf eine neue, bislang unerforschte Untersuchungsebene bezieht – die Nanoebene. Der Nano-Bereich wird zudem als eine neue Wahrnehmungsebene gekennzeichnet, neu insofern, als sie bislang unsichtbar und damit unzugänglich war. Die Herausforderung im Nanobereich zu arbeiten wird dabei über das Problem der Unsichtbarkeit definiert. Die Fähigkeit, in diese bisher unzugängliche Ebene vorzudringen, ist nun mithilfe einer neuen Visualisierungstechnologie möglich. Diese neue Visualisierungstechnologie wird durch eine neue Form der ›Medialisierung von Wirklichkeit‹ gekennzeichnet.7 In der Theorie einer »Medialisierung von Wirklichkeit« (vgl. Krotz/Hepp 2012) wird Medialisierung als ein Prozess sozialen Wandels aufgefasst, der maßgeblich durch Medientechnologien hervorgebracht, vorangetrieben und ausgestaltet wird. 8 Sozialwelten und Sozialbeziehungen werden hier also im Hinblick auf eine Verschränkung von gesellschaftlicher Praktik und kultureller Sinngebung mit Medien betrachtet (ebd.). Medialisierungsprozesse betreffen dabei im Prinzip alle gesellschaftlichen Bereiche, insbesondere auch die Wissenschaften, in denen unterschiedliche bildgebende Verfahren seit Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung gewinnen (vgl. Hüppauf/Weingart 2009: 11).9 Die Rastersondenmikroskopie kann in dieser Hinsicht als ein neuer medientechnologischer Entwicklungsschritt gedeutet werden. Für Jochen Henning stellt die Nanotechnologie sogar ein »Paradebeispiel« (Henning 2011: 7) für eine medientechnologisch geprägte und vermittelte Praxis dar, da sich über das Medium der Rastersondenmikroskopie maßgeblich das Selbstverständnis von ›Nano‹ etabliere und zur Identitätsbildung entsprechender Forschungsfelder bei-

7

Martina Heßler charakterisiert die Rastersondenmikroskopie gar als eine »Zäsur im Darstellungsmodus« (Heßler 2004: 9).

8

Für eine systematische Literaturschau zum Medialisierungskonzept in der Kommunikationswissenschaft vgl. Meyen 2009.

9

In diesem Zusammenhang entwickelt Peter Weingart auch seine These der ›Medialisierung der Wissenschaft‹, welche eine zunehmende Kopplung von Wissenschaft mit Politik, Wirtschaft und Massenmedien beschreibt. Dabei unterstreicht er die Bedeutung von bildgebenden Verfahren und Bildern sowie deren Verbreitung für Kommunikationsprozesse nicht nur innerhalb der wissenschaftlichen Community selbst, sondern auch für die Außendarstellung der Wissenschaft für eine interessierte Öffentlichkeit (Weingart 2005, 2001). Auf diesen Aspekt des Verhältnisses zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit möchte ich gesondert in Kapitel 6.3 eingehen.

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trage. Wie wird die Rastersondenmikroskopie in diesem Zusammenhang zunehmender Medialisierung nun gekennzeichnet? In ihrer medientheoretischen und medienhistorischen Betrachtung stellt Petra Missomelius die Rastersondenmikroskopie in eine Entwicklungsgeschichte unterschiedlicher ›Wahrnehmungskonfigurationen‹ (Missomelius 2006), die sie als eine Geschichte der Ausweitung menschlicher Sehfähigkeiten mittels technischer Visualisierungsapparaturen beschreibt und als eine zunehmende Rationalisierung der menschlichen Anschauung charakterisiert. Sie beginnt dabei mit der Zentralperspektive, die dem Menschen seit der Renaissance Konstruktionen von Wirklichkeit erlauben, die nicht länger ›natürlich‹ seien, sondern technischkonstruierte und konventionalisierte Formen von Wahrnehmung darstellten, die auf den Einzug naturwissenschaftlichen Wissens und den entsprechenden, zur Konstruktion notwendigen Instrumente zurückzuführen seien – im Falle der Zentralperspektive sind dies konkret Erkenntnisse aus der Mathematik sowie Wissen über die Gesetzmäßigkeiten des menschlichen Sehens (ebd.: 170). In Bezug auf die Anwendung einer Technik im künstlerischen Schaffen bezeichnet der Medientheoretiker Friedrich Kittler in seiner Geschichte der optischen Medien die Erfinder und Protagonisten zentralperspektivischer Kunst als »KünstlerIngenieure« (Kittler 2011: 59): »Künstler-Ingenieur soll dabei heißen, daß Leute wie Brunelleschi, Brunelleschis jüngerer Freund Alberti oder auch Leonardo sich nicht damit begnügten, Bilder neben anderen zu produzieren, sondern überhaupt erst einmal den künstlerischen, d.h. handwerklichen Standard setzten, nach dessen Maßgabe unendlich viele Bilder eines epochalen Stils möglich und machbar wurden. Wobei unter Bild auch nicht nur die seltsamen zweidimensionalen Gebilde an den Wänden von Kirchen, Palästen und nachmals Museen zu verstehen sind, sondern auch so abstrakte, aber brutal-wirkliche Dinge wie Festungen oder Kirchenkuppeln.« (Ebd.)

Das dreidimensionale Sehen des menschlichen Auges ließ sich nun also anhand einer spezifischen bildgebenden Technik nachahmen, die es möglich machte, Winkel, Linien und Größenverhältnisse von Objekten so, wie sie auch auf der Netzhaut des menschlichen Auges erscheinen, in einem Bild umzusetzen.10 In diesem Sinne, so Kittler, wird die Malerei »[…] zur Illusionstechnik, weil vor jedem einzelnen Bild eine mehr oder minder explizite Geometrie steht […].« (Ebd.: 53).

10 Wobei sich diese Lehre über das menschliche Sehen, als geltende Theorie, auch erst durchsetzen musste (vgl. Kittler 2011: 53 ff.).

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In engem Zusammenhang mit der Zentralperspektive steht die Camera obscura. Die Camera obscura stellte das Ausgangsprinzip sowohl für die Zentralperspektive dar, als auch für eine Vielzahl weiterer Entwicklungen optischer Apparaturen. Zwischen dem 16. und Anfang des 19. Jahrhunderts, so fährt Petra Missomelius in ihrer Entwicklungsgeschichte von Visualisierungstechniken fort, wurde der Maßstab dafür, was als rationales Sehen betrachtet wurde, durch das Prinzip der Camera obscura bestimmt. Die Camera obscura ermöglichte die Projektion eines Außenraumes in einem Hohlkörper. Dieses Prinzip artikulierte nun ein bestimmtes Verhältnis von sehendem Subjekt und der Außenwelt: Der Beobachter muss sich in den dunklen Raum der Camera obscura zurückziehen, um dann einen Ausschnitt von Wirklichkeit betrachten zu können. Zudem fokussiert die Camera obscura auf bestimmte Ausschnitte des Außenraumes – sie isoliert also die Dinge, die dann dargestellt werden. Diese Isolierung und Fokussierung auf bestimmte Aspekte wird durch Visualisierungsinstrumente wie das Fernrohr oder auch das Mikroskop fortgeführt. Missomelius bezeichnet dies als »Fragmentisierung von Wirklichkeit« (Missomelius 2006: 171): »Das Fragment dient dazu, Strukturen offen zu legen und den semiotischen Reichtum des Kleinen preiszugeben: Nachbarschaftsbeziehungen und Ensemblekomponenten sollen bestimmbar werden.« (Ebd.)

Die Rastersondenmikroskopie ließe sich in diesem Sinne zunächst als einen weiteren Schritt der Fragmentisierung verstehen. Doch Missomelius geht noch einen Schritt weiter, indem sie die Rastersondenmikroskopie als eine Art des Sehens charakterisiert, in der sich die »apparative Anordnung der Visualisierungstechnologien« (ebd.: 173) grundlegend geändert habe: »Die Wissenschaften, die in der Größenordnung von Nanometern arbeiten, beziehen sich auf das mit der Technologie verbundene Repräsentationsmodell, jedoch setzen sie die Verlängerung des menschlichen Blicks durch apparativ gestütztes Sehen nicht in einer neuen Stufe der Fragmentisierung fort, sondern sie substituieren diesen Blick.« (Ebd.)

Die Medienlogik bisheriger Visualisierungstechniken ließe sich also so bestimmen, dass sich diese – im Sinne Marshall McLuhans – einfach als Ausweitung und Verbesserung menschlichen Sehens interpretieren lassen (McLuhan 1975). In der Deutung von Missomelius verändert die Technologie der Rastersondenmikroskopie diese Logik dann insofern, als sie nicht länger eine Steigerung menschlicher Wahrnehmung darstelle, sie ersetze vielmehr den menschlichen

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Blick durch eine rein maschinelle Form von Wahrnehmung. Der Menschenblick wird zum »Maschinenblick« (Missomelius 2006: 173). Bevor ich mich im Folgenden mit der Deutung der Rastersondenmikroskopie als neue Visualisierungstechnik und neuer Form einer Medialisierung sozialer Wirklichkeit auseinandersetze, möchte ich zunächst noch eine Anmerkung zum Begriff des ›natürlichen Sehens‹ machen, so wie ihn Missomelius einführt und dem sie eine technisch-konstruierte Form des Sehens gegenüberstellt. Es stellt sich nämlich die Frage, inwieweit der menschliche Blick als ›natürlicher Blick‹ angenommen werden kann, natürlich in dem Sinne, dass ihm eine technischkonstruierte Form von Wahrnehmung gegenübergestellt werden kann. In seiner Analyse Galileis Fernrohrs kommt Joseph Vogl (2001) zu dem Schluss, dass in dem Fall, in dem die Technik so eng verknüpft und verwoben ist mit der Theorie des menschlichen Auges und des menschlichen Sehens, die Unterscheidung zwischen ›natürlichem‹ und ›künstlichem‹ Sehen obsolet werde. Vogl schreibt: »Mit Galileis Fernrohr wird die Koordinate des natürlichen Sehens, des natürlichen Blicks und des Natur-Auges gelöscht. Johannes Kepler, der die Experimente und Beobachtungen Galileis begeistert aufnahm, hat das in seiner Dioptrik – mit dem Untertitel Schilderung der Folgen, die sich aus der unlängst gemachten Erfindung der Fernrohre für das Sehen und die sichtbaren Gegenstände ergeben – sogleich begriffen. Das Fernrohr darf demnach ›keineswegs unter die gewöhnlichen Instrumente rechnen‹; eine ›Theorie des Instruments‹ knüpft unmittelbar an eine Theorie des Auges an und umgekehrt; das eine kann ›nicht ohne das andere‹ entwickelt werden; und so sehr sich beides wechselseitig bestimmt, so sehr sind es nun die Fragen des Fernrohrs, seiner Optik und seiner Gesetzmäßigkeiten, die die Sinnesleistungen des Auges definieren. Wie das Fernrohr ist das Auge ein Fall angewandter Geometrie, nach deren Gesetzen die Netzhaut ›mit den farbigen Strahlen sichtbarer 11

Dinge bemalt‹ wird.« (Ebd.: 116; Herv. i. O.)

Anstatt also von einem ›natürlichen Sehen‹ gegenüber einem ›künstlichtechnischen Sehen‹ zu sprechen, interpretiert Vogl beide Wahrnehmungsformen als Konstruktionen, denen die Gesetzmäßigkeiten der Geometrie zugrunde gelegt werden (ebd.). An dieser Stelle kann eine Parallele zur in diesem Unterkapitel besprochenen Zentralperspektive hergestellt werden, denn auch ihr liegt eine spezifische Theorie des (menschlichen) Sehens zugrunde, die sich in der Sprache und den Konzepten der Geometrie wiedergeben lässt. In einer solchen Interpretation stellt dann auch das Auge ein spezifisches Medium dar und die Wahrnehmung durch das menschliche Auge ließe sich als eine bestimmte Form der Me-

11 Vogl zitiert in dieser Passage Kepler 1904.

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dialisierung begreifen. Dieser Gedanke wird vielleicht weiter plausibilisiert, wenn ich mich nun im Folgenden wieder dem Konzept der Medialisierung zuwende. 6.1.2 Medialisierung – Mediatisierung Das Konzept der Medialisierung ist mit einer spezifischen Medienlogik verbunden. Medien übernehmen eine spezielle Funktion. Allgemein gesprochen, so hatte ich es oben schon gesagt, bedeutet Medialisierung die medientechnische Vermittlung sozialer Interaktionen. Konkreter hatte ich den Fall der Rastersondenmikroskopie aufgezeigt und ihre Funktion im Zusammenhang der wissenschaftlichen Produktion von Erkenntnis im Nanobereich betrachtet. Die Rastersondenmikroskopie wurde dabei als ein Visualisierungsinstrument vorgestellt, deren mediale Funktion für den Erkenntnisprozess als eine technische Gestaltung des Sehens gekennzeichnet wurde. Sie stellt eine neue, visuelle Wahrnehmungstechnologie dar. ›Nano‹, so könnte man dann weiter sagen, ist also mit einer neuen medialen Praxis verbunden. In Anschluss an Joost van Loon (2014b) möchte ich nun anmerken, dass der Medienbegriff, der hier zugrunde gelegt ist, ein spezifischer ist, der medientheoretisch betrachtet mit bestimmten Voraussetzungen verknüpft ist. Zum einen verweist er auf ein Primat des ›Visuellen‹ menschlicher Wahrnehmung. Seit Platon sei die Frage danach, was wir über die Welt wissen können, stets mit dem, was wir visuell wahrnehmen können – also mit dem Sichtbaren – verbunden (ebd.: 211). Andere sinnliche Wahrnehmungsformen rücken in diesem Verständnis von Erfahrung und Wissen in den Hintergrund. Zum anderen wird Wahrnehmung in einem bestimmten Verhältnis von wahrnehmenden Subjekt und wahrgenommenem Objekt gedacht.12 Es sind dabei die kognitiven Fähigkeiten des menschlichen Geistes, die die Wahrnehmung bestimmen; das Subjekt weist den Wahrnehmungen einen bestimmten Sinn und damit eine bestimmte Bedeutung zu. In Anschluss an die Semiotik, insbesondere an die Arbeiten von Charles Sander Peirce, argumentiert nun van Loon, dass man nicht allein von nur einer Form der Wahrnehmung ausgehen sollte, sondern, dass es verschiedene Modi

12 So betont bspw. Friedrich Krotz, der mit seiner Arbeit das Konzept der Mediatisierung nicht nur im deutschsprachigen Raum maßgeblich geprägt hat, dass im Mediatisierungsprozess nicht die Medien im Mittelpunkt stehen, sondern der Mensch. Der Mensch spiele durch seinen je spezifischen Umgang mit unterschiedlichen Medien die aktive Rolle (vgl. Krotz 2001: 19).

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der Wahrnehmung geben kann (ebd.).13 Diese unterschiedlichen Wahrnehmungsmodi sind mit je spezifischen Wahrnehmungsmodalitäten verbunden: Wahrnehmendes Subjekt und wahrgenommenes Objekt stehen in je spezifischen Wahrnehmungsverhältnissen. Die wahrzunehmenden Objekte werden hierbei auf verschiedene Weise vermittelt. Die Zuweisung von Bedeutung ist in einer solchen Lesart dann nicht allein das Resultat subjektiver Bedeutungszuschreibung, sondern sie wird in einem Zusammenhang und einer Vernetzung unterschiedlicher Akteure hervorgebracht. An die Stelle eines wahrnehmenden Subjektes und eines wahrgenommenen Objektes werden hier unterschiedliche Formen von Subjektivität und Objektivität gesetzt, die durch jeweils unterschiedliche Formen der Wahrnehmung hervorgebracht und ermöglicht werden.14 Van Loon ersetzt also eine Medienlogik, die von einer zunehmend technisierten Gestaltung menschlicher Wahrnehmung ausgeht, durch ein eigenes Konzept einer ›Gestaltung von Wirklichkeit‹, das mit seinem Mediatisierungsbegriff auf die ANT rekurriert. Interpretiert man nun Medien in diesem Sinne, dann stellen diese spezifische Akteure dar, die Übersetzungsleistungen übernehmen und dadurch Wirklichkeit auf bestimmte Art und Weise gestalten. Diese Übersetzungsleistungen sind gemeint, wenn von ›Mediatisierung‹ die Rede ist. Van Loon unterscheidet dann zwischen drei Formen – oder besser ›Modalitäten‹ – von Mediatisierung, die in Bezug auf Medien und im Sinne einer Medientheorie von Belang sind: visuelle Mediatisierung, optische Mediatisierung und skopische Mediatisierung (ebd.: 215 ff.).15 Visuelle Mediatisierung beruht auf der vermittelnden Arbeit von Licht. Visuelle Mediatisierung geht mit direkten Abbildungen einher, d. h. Form oder Gestalt eines Objektes werden mittels Licht direkt in eine Abbildung eingeschrieben. Die Fotografie kann hier als Beispiel genannt werden. Die Wahrnehmung und Interpretation visueller Mediatisierung beruht auf einem ganzheitlichen Zusammenhang zwischen Darstellung und Dargestellten. Die Bedeutung der jeweiligen Darstellung geht aus der Herstellung von Ähnlichkeit hervor. Demgegenüber basiert die Vermittlung optischer Media-

13 Van Loon nimmt hier Bezug auf die Peirceschen Kategorien von Zeichen, Index und Symbol. Vgl. hierzu auch (van Loon 2002b: 110f.). 14 Auf das Verhältnis von Subjekt und Objekt und deren Konzeptualisierung als Subjektivierungen und Objektivierungen soll in Unterkapitel 6.2.1 noch einmal ausführlicher eingegangen werden. 15 Medien müssen dabei nicht auf eine Form bzw. eine Modalität von Mediatisierung beschränkt sein. Ein Medium kann durchaus verschiedene Modalitäten ermöglichen.

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tisierung, wie bspw. dem Radar, auf elektronischen Rückkoppelungsschleifen.16 Bilder werden hier auf der Grundlage der Wandlung von Objekten in elektrische Ströme und der Umwandlung von Strömen in Bilder in einer Routine von ›Kontakt‹ bzw. ›Nicht-Kontakt‹ erzeugt.17 Bedeutung entsteht hier in einem referentiellen Verhältnis von Dargestelltem und Darstellung. Wahrnehmung und Interpretation gehen aus einer linearen Kette von Ursache und Wirkung hervor. Den Begriff skopischer Mediatisierung entwickelt van Loon in Anschluss an Karin Knorr-Cetinas Konzept »skopischer Medien«. Knorr-Cetina definiert skopische Medien wie folgt: »Der Begriff skopische Medien steht für Beobachtungs- und Bildschirmtechnologien, die distante bzw. unsichtbare Phänomene situational präsent machen, und die damit neue Beobachtungsräume sowie Informationswelten erschließen […].« (Knorr-Cetina 2012: 169, Herv.i.O.)

Nach Karin Knorr-Cetina beruht skopische Mediatisierung auf dem Prinzip der Transformation »sozialer Welten« in »synthetische Welten«. Diese Transformation ist dadurch gekennzeichnet, dass »Netzwerkstrukturen« durch eine »FlussArchitektur« (ebd.) abgelöst werden. Dies ist ein Effekt der Manipulation von Größenverhältnissen durch skopische Mediatisierung. Netzwerkstrukturen werden als Verkettung linearer Verknüpfungen gedacht, die koordinierende Vorgänge ermöglichen. Die Koordination geschieht hierbei auf der Grundlage der Bewegung zwischen den Verknüpfungen und beansprucht dementsprechend stets Zeit. Die Fluss-Architektur skopischer Mediatisierung ist »mikrostrukturiert« (ebd.) und macht Netzwerkstrukturen als Koordinationsgrundlage insofern obsolet, als skopische Mediatisierung mit einer anderen Modalität der Verzeitlichung operiert. Bei skopischer Mediatisierung fallen Abbildung und Prozessieren, das ein Fließen möglich macht, in eins. Sie bringt Informationen in einem Schritt zusammen und präsentiert diese dann als Totalität. Skopische Mediatisierung verändert also Zeit und Raum – sie ordnet und strukturiert Wirklichkeit auf eine bestimmte Art und Weise. Das Beispiel, das Karin Knorr-Cetina als skopisches Medium bespricht, ist die Herstellung und Organisation globaler Finanzmärkte durch Bildschirmtechnologien. In dieser Art von Medientheorie werden Medien also nicht länger als eine Ausweitung und Verbesserung menschlichen Sehens verstanden, sondern sie

16 Mit seinem Konzept der optischen Mediatisierung lehnt sich van Loon an den Begriff »optischer Medien« von Kittler (2011) an. 17 Vgl. hierzu auch Kittler 2011, S. 270 ff.

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werden als Vermittler interpretiert, die auf der Grundlage unterschiedlicher Wahrnehmungsmodalitäten einen unterschiedlichen Weltbezug ermöglichen und damit zugleich unterschiedliche Formen von Welt hervorbringen. In diesem Sinne sind Medien – auf konstitutive und aktive Weise – an Konstruktionen von Wirklichkeit beteiligt. Die Kennzeichen dieses Verständnisses von Mediatisierung lassen sich wie folgt zusammenfassen: Wahrnehmung lässt sich nicht allein auf Sehen reduzieren. Das Sichtbare, also das Visuelle, ist nur eine mögliche Form von Mediatisierung.18 Visueller Mediatisierung als auch den anderen, eben beschriebenen Wahrnehmungsmodalitäten, ist weiterhin gemeinsam, dass man nicht länger vom a priori menschlicher Wahrnehmung ausgehen kann. Grundsätzlich können Mediatisierungsprozesse zwischen allen Entitäten stattfinden.19 Der Mensch, bzw. das Subjekt, ist dann nur eine mögliche Entität unter anderen. Das heißt dann auch, dass (menschliche) Subjektivität nicht länger der Anfangs- oder Aus-

18 Van Loon schlägt diesbezüglich vor, einen Wahrnehmungsbegriff, der in erster Linie als Perzeption verstanden wird, mit dem Begriff der Prehension zu ersetzen, was man mit dem Wort ›Erfassen‹ übersetzen kann. Hier schließt er an die Spekulative Philosophie Alfred North Whiteheads an (Whitehead 1979). Prehension definiert van Loon dann wie folgt: »Prehension is the moment in which two or more entities, or monads […], which refer to the smallest possible difference (and monads are therefore irreducible as there is no smaller difference possible), are no longer indifferent to each other. This moment could indeed be very brief, after all being is only instantaneous, but its consequences might last.« (van Loon 2014: 212) 19 Anhand des SARS-Virus habe ich dies, zusammen mit meinem Kollegen Michael Schillmeier, bereits zu zeigen versucht (Schillmeier/Pohler 2006). Der pathogene SARS-Virus ist das Resultat eines Mediationsprozesses, bei dem ein tierisches Virus auf den menschlichen Organismus getroffen ist. Dabei ist ein neuer Virus entstanden, dessen Fähigkeit insbesondere darin liegt, dass er von Mensch zu Mensch weitergegeben werden kann. Mediationsprozesse sind hier also biologische Abläufe durch und innerhalb von Organismen. Die Virulenz, die SARS dann für bestehende soziale Zusammenhänge auslöste, kann dabei nicht unabhängig von diesen biologischen Zusammenhängen gedacht werden, sondern sie stellen Effekte eben dieser Vorgänge dar. Medialisierung, im Sinne von mediengestützter Visualisierung von SARS und dessen Erreger, des SARS-Coronavirus, waren dann zwar essentiell für die erfolgreiche Krankheitsbekämpfung von SARS, das Virus konnte sich jedoch auch ohne Vermittlung von Medien artikulieren, nämlich in Form ›infektiöser Körper‹, die eine bestimmte Symptomatik, wie bspw. eine erhöhte Körpertemperatur, zeigten (Pohler 2010: 136 f.).

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gangspunkt von Mediatisierungprozessen ist oder sein muss. Das, was wir als Subjekt und Objekt beschreiben, ist vielmehr das Resultat von Mediatisierung. Mediatisierung bringt, indem Entitäten in ein spezifisches Verhältnis zueinander gesetzt werden, bestimmte Formen von Subjektivität und Objektivität hervor. Diese Kennzeichen von Mediatisierungsprozessen möchte ich im Laufe meiner Ausführungen anhand meiner Empirie weiter beleuchten und illustrieren. Im Moment möchte ich diese medientheoretischen Überlegungen zu Mediatisierungsprozessen auf die Rastersondenmikroskopie anweden und fragen: Wie lässt sich nun in einem solchen Verständnis die Rastersondenmikroskopie interpretieren? 6.1.3 Mediatisierungen der Rastersondenmikroskopie Ich bin auf Beschreibungen der Rastersondenmikroskopie eingegangen, die das Verfahren als eine neue Visualisierungstechnik charakterisiert haben, die bislang Unsichtbares sichtbar mache. In der Auseinandersetzung mit diesen Beschreibungen sollte schon klar geworden sein, dass die Rede von der Rastersondenmikroskopie als einer Visualisierungstechnik problematisch ist, da sich die Nanowelt auf einer Skalenebene befindet, die weder mit dem Auge, noch mit entsprechenden Vergrößerungen durch Linsen sichtbar ist bzw. sichtbar gemacht werden kann und sich somit dem Sichtbaren und damit auch allem Visuellen entzieht. Anstatt also von einer Visualisierung der Nanoebene zu sprechen, möchte ich vorschlagen, die Rastersondenmikroskopie anhand der eben vorgeschlagenen Terminologie von Mediationsprozessen zu beschreiben. Ich hatte bereits die zwei Modi, in denen die Rastersondenmikroskopie operiert, vorgestellt. Einmal, so hatte ich gesagt, tastet sie mittels einer Sonde die Oberfläche einer Probe ab. Durch die Wechselwirkung zwischen Sonde und Probe entstehen Daten, die das Rastersondenmikroskop erfasst und aufzeichnet. In diesem Sinne lässt sich die Rastersondenmikroskopie in der oben vorgeschlagenen Terminologie als optische Mediatisierung beschreiben, also einer Mediatisierung, die nicht eine direkte Abbildung produziert, sondern eine referentielle Darstellung, die auf einer Ursache-Wirkungs-Routine beruht. Um dabei jedoch das Moment des Abtastens, und somit den haptischen Bezug von Gerät und Untersuchungsgegenstand mehr zu betonen und begrifflich zu erfassen, möchte ich die Rastersondenmikrokopie anstelle der Begrifflichkeit der optischen Mediatisierung, mit dem Begriff der haptischen Mediatisierung kennzeichnen. Die Modalität der haptischen Mediatisierung kennzeichnet zudem, dass diese Mediatisierungsform nicht mithilfe von Licht, sondern in der Form elektrischer Impulse, die mit einer bestimmten Topologie einer Probe verbunden sind, realisiert wird.

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In einem zweiten Modus, so hatte ich auch schon dargelegt, kann die Rastersondenmikroskopie zur Bearbeitung einer Probe genutzt werden, wobei Moleküle durch die Sondenspitze gezielt verschoben werden können. Auf diese Weise wird also erst die Welt geschaffen, die dann dargestellt wird. Die Rastersondenmikroskopie ist in dieser Hinsicht ein Beispiel für skopische Mediatisierung. Die Darstellung, so das Kennzeichen skopischer Mediatisierung, ist nicht von der entsprechenden Aktion des Rastersondenmikroskops zu trennen. Beides sind Elemente eines Mediatisierungsprozesses, der – und das ist vielleicht am Beispiel der Rastersondenmikroskopie besonders gut zu erkennen – stets auch ein Konstruktionsprozess ist. Sie stellt dabei die Möglichkeit der Vervielfältigung von Prozessen der Weltbildung zur Verfügung, die dann gleichsam neue Formen im Umgang mit Welt ermöglichen, also neue Handlungsmöglichkeiten schaffen. Die Rastersondenmikroskopie hat das, was wir nun als Nanokosmos bezeichnen, als Möglichkeitsraum und Handlungsfeld eröffnet. Auch visuelle Mediatisierung, also die Herstellung von Nanobilder, spielt bei der Rastersondenmikroskopie eine Rolle, wobei diese nicht allein eine Mediatisierung des Rastersondenmikroskops ist, sondern eines weiteren Mediums, des Computers bedarf, der jedoch, wie wir schon gesehen haben, als integraler Bestandteil des Rastersondenmikroskops betrachtet werden muss. Er verarbeitet die Daten, die durch die Sonde generiert werden. Visuelle Mediatisierung ist dann insofern von Bedeutung, weil sie die Form von wissenschaftlichen Resultaten herstellt, die es möglich macht, die Arbeit, die im Labor geleistet wird, kommunizierbar zu machen. Visuelle Mediatisierung erzeugt Bilder, die in wissenschaftlichen Zusammenhängen zirkulieren können: So können sie für Veröffentlichungen und Vorträge genutzt werden. Sie müssen jedoch nicht allein im wissenschaftlichen Diskursen verbleiben, denn sie können darüber hinaus auch Eingang in die massenmediale Kommunikation finden, wie bspw. in Form von Artikeln in populärwissenschaftlichen Journalen oder auch in Wissenschaftssendungen in Funk und Fernsehen. Auch für die Antragsstellung, also die Einwerbung finanzieller Mittel, kann die visuelle Mediatisierung von Relevanz sein.20

20 Im Sinne der Akteur-Netzwerk-Theorie könnte man an dieser Stelle noch weiter gehen und weitere Mediationsprozesse analysieren, denn damit das Rastersondenmikroskop so arbeiten kann, wie es vorgesehen ist, müssen im Hintergrund viele weitere technische Prozesse ablaufen, die ebenfalls als Übersetzungsprozesse gekennzeichnet werden können. Durch weitere Analysen könnte man somit die black-box Rastersondemikroskopie weiter öffnen. Hier soll jedoch darauf verzichtet werden. Die Rastersondenmikroskopie stellt nicht das zentrale Thema meiner Untersuchung dar und deshalb wurde das technische Verfahren nicht en detail untersucht.

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Insofern die Rastersondenmikroskopie diese unterschiedlichen Formen von Mediatisierung miteinander vereinen und verwirklichen kann wird deutlich, dass ein Medium nicht immer nur mit einer Art der Mediatisierung verbunden ist. In diesem spezifischen Zusammenspiel der eben genannten Mediatisierungsformen kann die Rastersondenmikroskopie nun als eine neue Form von Mediatisierung aufgefasst werden, die einen spezifischen Weltzugang, der ›Nano‹ genannt wird, eröffnet. Inwieweit diese Mediatisierungsform auch für die nanomedizinische Forschung in Erlangen relevant ist, möchte ich nun untersuchen. 6.1.4 Schwarze Flüssigkeiten – oder: Die Suche nach dem Rastersondenmikroskop Bei meinen Recherchen zur Thematik ›Nano‹ und vor meinen ersten Forschungsaufenthalten im Feld ist mir die Entstehungsgeschichte von ›Nano‹, die die Rastersondenmikroskopie als den zentralen Ausgangspunkt für die Entwicklung der Nanowissenschaften und der Nanotechnologie benennt, auf Webseiten zu ›Nano‹, in entsprechenden Broschüren oder auch in Fernsehbeiträgen über ›Nano‹ mehrmals begegnet. Ich hatte entsprechend die Erwartung, auch in der Arbeitsgruppe in Erlangen ein Rastersondenmikroskop vorzufinden, schließlich erzeugt diese Entstehungsgeschichte den Eindruck, dass erst das Rastersondenmikroskop das Arbeiten mit ›Nano‹ ermöglicht und entsprechend ein Arbeiten mit ›Nano‹ ohne ein solches Instrument unmöglich sei. Denkt man also an ›Nano‹, so denkt man immer auch an die Rastersondenmikroskopie. Die Beiträge der Wissenschaftsforschung zu ›Nano‹ haben diesen Eindruck dann noch verstärkt, denn nicht zuletzt in Sammelbänden zum Thema ›Nano‹ finden sich in Kapiteln, die sich mit den ›Zugängen zum Nanokosmos‹ beschäftigen und erkenntnistheoretische Fragestellungen behandeln, die die Nanoebene betreffen, meist Auseinandersetzungen mit dem Verfahren der Rastersondenmikroskopie (vgl. Baird/Nordmann/Schummer 2009; Nordmann/Schummer/ Schwarz 2006b; Schummer/Baird 2006).21 Ich stellte jedoch mit Überraschung fest, dass die Arbeitsgruppe in Erlangen gar nicht über ein solches Gerät verfügte. Das einzige Mikroskop, das sich in den Laboren der Arbeitsgruppe in Erlangen finden ließ, war ein einfaches Lichtmikroskop. ›Nano‹ in Erlangen geht also nicht einher mit einer neuen Technik der Visualisierung und den damit verbundenen Fragestellungen. In gleicher Weise kann man dann sagen, dass die Her-

21 Durch die sozial- und geisteswissenschaftliche Begleitforschung zu Nano wird auf diese Weise die in den Selbstbeschreibungen inszenierte zentrale Methode des Erkenntnisgewinns im Nanobereich stabilisiert. Vgl. hierzu Schaper-Rinkel 2010.

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stellung der Sichtbarkeit einer unsichtbaren Nanoebene zunächst einmal nicht einen zentralen Bezugspunkt für die nanomedizinische Forschung in Erlangen darstellt, sondern scheint man es hier erst einmal mit einer Wahrnehmungsebene zu tun zu haben, die nicht unterhalb der mikroskopischen Ebene liegt und somit die etablierte Methode der Licht-Mikroskopie zur Anwendung kommen kann. Es stellt sich an dieser Stelle jedoch die Frage, wieso in Erlangen dennoch von ›Nano‹ die Rede ist, obwohl die Laboreinrichtung nicht über die Geräte verfügt, die man normalerweise mit ›Nano‹ assoziiert. Um diese Frage beantworten zu können gilt es, sich dem Forschungsgegenstand der Erlanger Arbeitsgruppe zuzuwenden. Im Sinne meines Forschungsansatzes, der Laborethnografie, die insbesondere auch die Objekte von Forschung in den Mittelpunkt stellt, möchte ich fragen, mit welchen Objekten man es in der nanomedizinischen Forschung in Erlangen zu tun hat, um dann genauer beleuchten zu können, welche Wahrnehmungsebenen hier eine Rolle spielen und welche Techniken und Methoden der Erkenntniserzeugung dementsprechend dann hier zu finden sind. Den ersten Eindruck, den ich über die Forschungsweise in der Arbeitsgruppe gewinnen konnte, hatte ich gleich beim meinem ersten Besuch in Erlangen. Die Arbeitsgruppe ist in einem eigenen Gebäude in Kliniknähe untergebracht. Wenn man das Gebäude betritt, kommt man, an einer Küche vorbei, in einen langen Gang. Auf der linken Seite hängen Poster, die auf unterschiedlichen Konferenzen präsentiert wurden. Eingerahmte Urkunden verweisen auf Forschungserfolge, die man schon verzeichnen konnte. Jeweils rechter Hand sind die Labore untergebracht. Als ich den Gang entlang ging, konnte ich an den Türbeschriftungen lesen: Molekularbiologie, TierOP, Chemielabor, Zellkultur. Hier war also zunächst einmal nichts von ›Nano‹ zu lesen. Die Türbeschriftungen wiesen zudem darauf hin, dass man hier mit bekannten und etablierten Methoden arbeitete, also bspw. Tierversuche macht oder Experimente in Zellkulturen durchführt. Auf den ersten Blick entsprach das, was ich in der Arbeitsgruppe vorfand, nicht meinen Erwartungen von ›Nano‹ als Innovationsfeld. Am zweiten Tag meines Forschungsaufenthaltes wurde dann ein experimentell behandeltes Tier seziert. Es wurden ihm verschiedene Organe zur Analyse entnommen.22 Als der Arterien- und Tumorbereich freigelegt war, deutete Stefan Lyer auf schwarze Ablagerungen und meinte zu mir:

22 Analysiert wird dabei zum einen die Partikelkonzentration, als auch die Menge von Medikamentenrückständen.

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»Das hier sind die Nano-Partikel, hier kann man sie gut sehen.« [Erlangen, 09.12.2010]23

Was ich sehe sind schwarze Ablagerungen. In den nächsten Tagen im Chemielabor begegnen mir die Nano-Partikel wiederum und zwar als schwarze Flüssigkeiten, in unterschiedlichen Gefäßen, bspw. einmal in der Form von Rohpartikel, ein anderes Mal beladen mit Chemotherapeutikum. Abb. 2: Mit Chemotherapeutikum beladene Partikel

Foto: Wiebke Pohler, Erlangen, 13.12.2010

Im experimentellen Umgang mit den Nanopartikeln in der Arbeitsgruppe, sei es in der Arbeit mit den Partikeln im Chemielabor, bei den Tierversuchen oder auch bei Versuchen in der Zellkultur, waren Nanopartikel meist in dieser Form – also in der Form schwarzer Flüssigkeiten – präsent. Die Forschungsobjekte in Erlangen sind also zunächst einmal Objekte der makroskopischen Ebene. Visualisierungstechniken sind hier erst einmal nicht von Belang, da man die Forschungsobjekte mit dem bloßen Auge sehen kann. Normalität ist hier also die unmittelbare Sichtbarkeit der Nanomaterialien und der Nanoobjekte, mit denen man arbeitet. Diese Sichtbarkeit beruht darauf, dass die Arbeitsgruppe mit Ferrofluiden, also mit magnetischen Partikeln in wässriger Lösung, arbeitet. Ferrofluide bezeichnen allgemein Flüssigkeiten, die sich durch magnetische Felder beeinflus-

23 Alle in diesem Buch zitierten Passagen aus Beobachtungsprotokollen beziehen sich auf Beobachtungen, die ich in der Sektion für experimentelle Onkologie und Nanomedizin in Erlangen durchgeführt habe.

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sen lassen. Dieser Effekt wird in der Therapie dann zum Transport des Wirkstoffes an den Wirkort genutzt. Ferrofluide bestehen aus nanogroßen Teilchen. Die Arbeitsgruppe verwendet hierfür Eisen, ein Material, dass man häufig für die Herstellung von Ferrofluiden verwendet. Diese Eisen-Teilchen suspendieren in einer Trägerflüssigkeit als Kolloide, d.h. sie sind in der Trägerflüssigkeit tröpfchen- bzw. teilchenweise verteilt.24 In diesem Sinne arbeitet die Arbeitsgruppe – zumindest auf der makroskopischen Ebene – nicht mit einzelnen Partikeln, sondern mit einer Assoziation von Partikeln und weiteren Elementen. Die Sichtbarkeit der Forschungsobjekte ist hier ein Effekt von Assoziationen verschiedener, heterogener Elemente. Was die Forschungsobjekte anbelangt, so befinden sich diese in Erlangen auf der Makro-Ebene. Bislang haben uns also die Spuren der Forschungsobjekte noch nicht auf die Nanoebene geführt. Doch nicht allein der Name der Forschungseinheit »Sektion für experimentelle Onkologie und Nanomedizin« verweist darauf, dass auch die Nanoebene hier eine Rolle spielen muss. Inwiefern dies nun der Fall ist, soll im Weiteren beleuchtet werden. An dieser Stelle soll jedoch als Zwischenfazit und als erstes empirisches Ergebnis festgehalten werden, dass Nano-Forschungspraxis nicht allein auf eine Form der Wissensproduktion reduziert werden kann und sich somit auch nicht im Hinblick auf einen Weg der Erkenntnisproduktion homogenisieren lässt. Natürlich wird mit dem Verfahren der Rastersondenmikroskopie in vielen Forschergruppen gearbeitet, aber man kann nicht immer und selbstverständlich davon ausgehen, dass diese Art der Visualisierung in der Nanoforschung immer eine zentrale Rolle spielt. Bei meiner Untersuchung des Feldes ›Nano‹ in Erlangen – also im Feld der Onkologie – führte zumindest keine direkte Spur zu einem Rastersondenmikroskop. Diese Spur bleibt implizit, als man sagen kann, dass der Verweis auf die Existenz von Nanopartikeln, was durch das Rastersondenmikroskop möglich wurde, die medizinische Forschung, die sich diese Partikel zunutze machen möchte, ein mehr an Plausibilität gewinnt. Doch muss diese Verknüpfung, was meine Beforschung nanomedizinischer Innovationen in Erlangen anbelangt, so vage und implizit bleiben, da ich diese Kette nicht weiter verfolgen und nachvollziehen konnte. Bezogen auf mein Untersuchungsfeld lässt sich aber sagen, dass sich NanoForschung als ein heterogenes Forschungsfeld darstellt, was Methoden und Verfahren, als auch Untersuchungsinstrumente anbelangt. Bevor ich jedoch auf die Beschreibung dieser Praktiken übergehe und mich dem Forschungsalltag in der Sektion für experimentelle Onkologie und Nanomedizin widme, möchte ich

24 Vgl. http://www.ferrofluide.de.

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zunächst noch auf einen zweiten Punkt eingehen, der die Diskussion der Rastersondenmikroskopie in der Wissenschaftsforschung stets auch begleitet, nämlich die Frage nach dem Status von Nano-Wirklichkeiten. 6.1.5 Nano-Wirklichkeiten Bislang habe ich mich mit der Rastersondenmikroskopie vor allem in Hinsicht auf dessen technisches und mediales Verfahren gewidmet. Ich möchte nun spezieller auf das Thema Nano-Wirklichkeiten eingehen und mich damit beschäftigen, was für eine Art von Welt mit dem Medium Rastersondenmikroskopie in Verbindung steht, wie diese Realität charakterisiert wird bzw. wie sie sich charakterisieren lässt.25 In der Beschreibung der Rastersondenmikroskopie bin ich bereits auf die zwei Darstellungsmodi, in denen die Rastersondenmikroskopie arbeitet – der ›Modus der Darstellung‹ und der ›Modus der Manipulation‹ – eingegangen. Diese ließen sich als zwei je spezifische Formen von Mediatisierung charakterisieren. Nun möchte ich auf die Ergebnisse bzw. Produkte dieser Mediationsprozesse Bezug nehmen. Im Fokus stehen hier in erster Linie Nano-Bilder, da diese im Allgemeinen das Ergebnis des rastersondenmikroskopischen Verfahrens darstellen. In dieser Hinsicht knüpfen die Nanowissenschaften also zunächst einmal an eine wissenschaftliche Praxis an, für die ›Bilder‹ von zentraler Bedeutung sind.26 Die Ergebnisse dieser Art wissenschaftlicher Arbeit gründen nicht allein auf logisch-diskursive Praktiken, sondern sie leitet Erkenntnis in starkem Maße aus Bildern ab. Sie nutzt Bilder aber auch zur Darstellung ihrer Arbeit, bringt also ihre Praxis über Bilder zur Geltung. Wissenschaftliche Arbeit und wissenschaftliche Ergebnisse werden somit über das Sichtbare evident. David Gugerli spricht hier von einer »bildlichen Argumentationskultur« der Wissenschaft (Gugerli 1999: 133), in der Bilder und damit Sichtbarkeit als Legitimation dafür gelten, Aussagen über die Welt treffen zu können. In der Literatur zu ›Nano‹ ist daher in Bezug auf die Fragen, was die Nanowelt ist, wie sie aussieht und was wir über sie wissen können, in erster Linie auch von Nanobildern die Rede. So unterscheiden bspw. Daston und Galison

25 Die Begriffe Wirklichkeit und Realität verwende ich synonym. Für eine genauere Betrachtung hinsichtlich einer begrifflichen Trennung vgl. Hubig 2008. 26 Die Relevanz und die Omnipräsenz von Bildern lassen sich in den Wissenschaften seit Ende des 19. Jahrhunderts finden. Sie gehen zum einen zurück auf den durchschlagenden Erfolg des Modells empirischer Wissenschaften. Anderseits wurde diese Tendenz auch vorangetrieben durch Entwicklungen im Bereich der Medientechnik (vgl. Hüppauf/Weingart 2009).

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(2007) in ihrer Diskussion von Nanobildern entsprechend der unterschiedlichen Arbeitsmodi der Rastersondenmikroskopie die Ergebnisse als unterschiedliche Formen der Bildgebung: Im Modus der Darstellung werden »virtuelle Bilder« produziert, im Modus der Manipulation »haptische Bilder« (ebd.: 408). Es ändere sich aber nicht allein die Art der Bilder, sondern auch deren Funktion. In diesem Sinne machen Daston und Galison einen Unterschied zwischen »Bilder-alsEvidenz« und »Bilder-als-Werkzeuge« (ebd.: 409). Dabei kennzeichnen sie ›Bilder-als-Evidenz‹ als ›Repräsentationen‹. Ihre Relevanz und ihre Bedeutung erlangen sie durch die Wiedergabe und Darstellung von etwas, das als gegeben angenommen wird. In der Nanotechnologie hingegen würde das Bild zunehmend als Prozess bedeutsam, bei dem die Manipulation das wesentliche Element der Darstellung wird und Sehen und Machen in eins treten. Hier übernehme das Bild dann eher die Funktion der ›Präsentation‹, bei der der Gegenstand der Abbildung erst durch die Manipulation hergestellt werde (ebd.: 407 ff.).27 In diesem Sinne ist also zu fragen, was ›Sehen‹ im Nanokosmos dann eigentlich bedeutet und ob und inwieweit sich durch diese neue Technologie und die mit ihr verbundenen technologischen Möglichkeiten unser Verständnis von Wahrnehmung und Sichtbarkeit verändert?28 Diese Frage adressiert den Zusammenhang bzw. das Verhältnis von Wahrnehmung und Wirklichkeit. Dass Sehen und damit das Visuelle nicht die einzigen Wahrnehmungsformen sein müssen, sondern dass deren Vorrangstellung in Zusammenhang steht mit einer bestimmten wissenschaftlichen Tradition, darauf hatte ich eben schon hingewiesen.29 Für die weitere Diskussion ist jedoch der Aspekt von Belang, mit welcher Art von Welt bzw. Wirklichkeit man es eigentlich zu tun hat, wenn man die Dinge, mit denen man arbeitet, nicht sehen kann. In diesem Hinblick lässt sich also die Problemstellung von Sichtbarkeit durch unterschiedliche Wahrnehmungs- und Darstellungsmodi auch mit der Frage nach der Realität der jeweiligen Dinge verbinden, die abgebildet bzw. dargestellt werden sollen. Je nach Verfahren der Rastersondenmikroskopie lassen sich unterschiedliche Charakterisierungen für die jeweiligen Dinge bzw. Objekte finden. Daston und Galison beschreiben die Objekte, die im Modus der Darstellung erzeugt werden,

27 Diese Form der Präsentation, so interpretieren Daston und Galison, spiegele die enge Verknüpfung von Wissenschaft und Technik wieder, die sich heute oft zeige. In dieser Allianz müssten Wissenschaftler lernen, sich auch der Sprache des ›Marketings‹ zu bedienen, was entsprechenden Einfluss auf die Art und Funktion des Visuellen habe (Daston/Galison 2007: 418 ff.). 28 Vgl. hierzu z.B. Robinson 2009. 29 Vgl. Unterkapitel 6.1.2.

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als etwas Gegebenes, das es abzubilden gälte (ebd.: 408ff.). ›Abbilden‹ meine hier das Herstellen einer Kopie – einer Repräsentation – eines gegebenen Objektes, als die Wiedergabe von etwas Wirklichem. Die Evidenz dieser Objekte wird im Sichtbaren gesehen, die Abbildung bezeuge deren Existenz (ebd.). Der Zusammenhang von Sichtbarkeit und Evidenz im Nanobereich wird nun, wie bereits angedeutet, kritisch kommentiert. Dies wird durch das Verfahren der Rastersondenmikroskopie begründet. Wie schon erläutert wurde, erzeugt das Rastersondenmikroskop Daten durch das Abtasten einer Oberfläche in der Wechselwirkung einer Sonde bzw. einer Spitze mit dieser Oberfläche einer Probe. Was hierbei erzeugt wird, entspräche, so Jens Soentgen, eher »Wegbeschreibungen« dieses Abtast- bzw. Rasterverfahrens (Soentgen 2008: 238). Die Bilder, die dann veröffentlich werden, vermittelten jedoch nicht diesen Eindruck des Abtastens, denn dieses ließe sich eher in Form einer Karte oder eines Höhenprofils repräsentieren. Stattdessen werden Bilder gezeigt, die den Eindruck erweckten, die Atome selbst zu sehen (ebd.). D.h. also, Bilder aus dem Nanokosmos sind das Ergebnis zahlreicher Mess- und Bearbeitungsprozesse. Das Bild, das dabei entsteht, habe jedoch nicht zum Ziel, diese Prozesse zu visualisieren.30 Ziel von Nanobildern sei vielmehr, so Soentgen, an eine Ikonografie und Semantik wissenschaftlicher Objekte und wissenschaftlicher Repräsentation von Wirklichkeit anzuschließen. Maßgebend hierfür sei eine gewohnte »Ontologie der Stoffe und Dinge« (ebd.: 233). Diese Ontologie des Dinglichen und Objekthaften entspreche nämlich unserer alltäglichen Erfahrung von Welt und von Wirklichkeit. Soentgen schreibt hierzu weiter: »Die Merkwürdigkeit der rastertunnelmikroskopischen Technik liegt demnach darin, dass ein Instrument, das auf der quantenmechanischen Ontologie konstruiert wurde, in der es keine Dinge gibt, schliesslich als Quelle von Bildern dient, die sich der alltäglichen DingOntologie anpassen und ebendeshalb einen Wiedererkennungswert haben. Man meint, Dinge zu sehen – Atome als Dinge […]«. (Ebd.)

30 Hierbei muss jedoch präziserweise gesagt werden, dass Soentgen sich hier auf Bilder im Sinne von Ergebnispräsentationen in wissenschaftlichen Fachjournalen und in Tageszeitungen bezieht. Er selbst schreibt auch, dass in der wissenschaftlichen Praxis, also der Arbeit im Labor, das Geräusch des Rasterkraftmikroskops durchaus eine Rolle spiele, indem es eine spezifische Funktion während des Vorgangs des Messens übernähme – es gibt nämlich akustisch Auskunft darüber, ob eine Messung gut funktioniert (Soentgen 2008: 237).

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Bringt man also diese Interpretation auf den Punkt so lässt sich sagen, Bilder aus dem Nanokosmos versuchen, die Ontologie von Dingen und Objekten der makroskopischen Welt nachzuahmen, um auf diese Weise Anschlussfähigkeit (an bestehende wissenschaftliche, aber auch öffentliche Diskurse) zu produzieren. Die Evidenz dieser Objekte wird so hergestellt, dass sie an uns bekannte Formen von Objektivität anschließen. Die Objekte haben hier eher etwas mit unseren Sehgewohnheiten zu tun, als mit der Realität (ebd.: 239). In diesem Sinne könne man in gewisser Weise der ›Sichtbarkeit‹ nicht in gleicher Weise vertrauen, wie es im Makrokosmos und auch Mikrokosmos noch der Fall war, nicht zuletzt auch deshalb, weil Sichtbarkeit hier nicht auf ›Sehen‹, sondern auf ›Tasten‹ zurückzuführen sei. Im Hinblick auf die Realität dieser Objekte fragt entsprechend Joseph C. Pitt: »[…] if you cant’t see it, is it real?« (Pitt 2004: 157). In dieser Hinsicht kann man also sagen, dass das wissenschafts-philosophische Problem der Repräsentation, als Frage einer adäquaten Darstellung von Wirklichkeit, durch diese neue Form der Mediatisierung der Rastersondenmikroskopie noch einmal eine neue Wendung erfährt. Betrachtete man Wahrnehmung und Repräsentation auf makroskopischer und auf mikroskopischer Ebene, so konnte man bei entsprechenden Darstellungen davon ausgehen, dass ihnen eine irgendwie geartete Form von Wirklichkeit zugrunde lag – auch wenn man konstatiert, dass es nicht die eine richtige Abbildung, also Repräsentation, dieser Wirklichkeit gibt, sondern diese nur in Form verschiedener Perspektiven erfahrbar ist. Diese nicht weiter hinterfragte und zu hinterfragende Gewissheit scheint nun durch die Rastersondenmikroskopie aufgehoben. Ich hatte ja das Verfahren der Rastersondenmikroskopie so beschrieben, dass die durch eine Wechselwirkung zwischen einer Spitze und einer Oberfläche erzeugten Messdaten im Computer dann in ein digitales Bild übersetzt werden. Auf diese Weise kann man auch sagen, dass das Rastersondenmikroskop ein Gerät ist, das erst die Parameter erzeugt, die dann gemessen werden. Die Visualisierung ist dabei lediglich das Ergebnis computergestützter Datenverarbeitung. Nano-Wirklichkeiten werden in dieser Hinsicht als digitale bzw. als virtuelle Realitäten charakterisiert (vgl. Hubig 2008; Heßler 2004).31 Neben Objekten als Repräsentation erzeugt das Rastersondenmikroskop, wie eben ausgeführt, auch Objekte als ›Präsentation‹. Ihre Realität steht in der Weise zur Disposition, als diese Objekte ja im Prozess des Abbildens erst hergestellt werden: Abbildung und abgebildetes Objekt sind beides Teile eines »Gegenstands-im-Entstehen« (Daston/Galison 2007: 408). Hier hat man es also nicht länger mit ›gegebenen‹ Objekten zu tun. Im Modus der

31 Diesen Aspekt der ›Virtualität‹ möchte ich gleich noch einmal aufgreifen und kommentieren.

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Präsentation sind Objekte stets etwas durch Manipulation Hergestelltes – sie sind Konstruktionen. In diesem Sinne, so könnte man hier weiter argumentieren, fiel das Gegebensein der Objekte – also deren Realität – in eins mit deren Produktion. Damit, so Daston und Galison, verschiebe sich hier dann die Frage nach dem ›richtigen Abbilden‹ von Nanoobjekten: »[…] es geht nicht mehr um die Sorge, ob wir das Reale richtig erfassen, sondern darum, ob wir das Richtige real machen?« (Ebd.: 440).

Wie man an dieser Diskussion sehen kann, stellt die Frage nach der Repräsentativität von Nano-Bildern einen zentralen Bezugspunkt in der Auseinandersetzung mit den Erkenntnisprozessen im Nano-Bereich dar. In dieser Diskussion wird nicht immer ganz deutlich, in welcher Weise der Repräsentationsbegriff jeweils gefasst ist, in welchem Verhältnis Nano-Bilder also zu einer wie auch immer angenommenen Realität gedacht werden, wenn bspw. rastersondenmikroskopische Bilder interpretiert werden als Bilder: »[…] von denen wir niemals wissen können, ob die Atomoberfläche oder das Molekül, das sie uns zeigen, tatsächlich so aussieht, wie das Bild uns vorgibt.« (Heintz/Huber 2001: 15, Herv. W.P.).

Ganz allgemein kann man sagen, dass die Rede von ›Gegebenem‹ bzw. von ›Abbildung‹ nicht erst seit der ›Krise der Repräsentation‹ (vgl. Lemke 2011; Freudenberger 2003) problematisch geworden ist, insofern man diese im Sinne eines abbildungstheoretischen Repräsentationsbegriff interpretiert, der noch mit der Vorstellung einer Realität verbunden ist, die von repräsentationsvorgängigen Objekten ausgeht.32 Die Existenz einer solchen abbildungsvorgängigen Realität

32 Für Hans-Jörg Rheinberger (1997) stellt die Vorstellung, dass etwas existiert, das es abzubilden gilt, ein intuitives Verständnis von Repräsentation dar. Die Repräsentation ist dann sozusagen ein Stellvertreter für das, was durch die Repräsentation dargestellt wird, wobei beim Vorgang des Repräsentierens: »[…] ›etwas‹ für ›etwas anderes‹ gesetzt wird.« (Ebd.: 265). Rheinberger selbst definiert wissenschaftliche Arbeit als einen Prozess der »Erzeugung, Verschiebung und Überlagerung von Spuren« und fragt dann danach, inwieweit wissenschaftliche Praxis, als experimentelle Praxis, noch angemessen mit einer dichotomen Betrachtungs- und Beschreibungsweise (Repräsentant – Repräsentierten, Objekt – Darstellung) erfasst werden kann (ebd.: 266).

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steht dann zunehmend in Frage, oder man verabschiedet sich sogar ganz von dieser Annahme. Silja Freudenberger schreibt hierzu: »Die ›Krise der Repräsentation‹ in diesem Sinne hängt darum eng mit der Krise metaphysischer Realismen zusammen. Wenn die Vorstellung, es gebe eine Art und Weise, wie die Welt ›wirklich‹ und repräsentationsvorgängig ›ist‹, aufgegeben wird, dann wird auch die Vorstellung aufgegeben, Repräsentation könne in der richtigen Abbildung eben dieser Welt bestehen.« (Freudenberger 2003: 71, Herv.i.O.)

Die Lösung dieser abbildungstheoretischen Problematik wird seit Kant in einer Verschiebung weg von der Abbildung von Realität hin zum denkenden Subjekt gesehen (vgl. ebd.: 72). Somit verschiebt sich auch die Frage nach der Realität von ontologischen Fragen nach Wahrheit und den Dingen an sich, hin zu epistemologischen Fragen und der Beziehung von Objekten zu einem denkenden Handeln. Es wird also nicht länger das Verhältnis von Realität zur Repräsentation befragt, sondern das Verhältnis Repräsentation und Repräsentierten. Somit kann man sagen, dass der Repräsentationsbegriff nicht generell in Frage steht, sondern bestimmte Konzeptionen dessen, was man unter Repräsentation zu verstehen habe. In dieser Hinsicht werden eine Reihe alternativer Repräsentationskonzepte entwickelt (ebd.: 71). Somit stellt der Repräsentationsbegriff einen Begriff dar, mit dem sich die Wissenschaftsforschung intensiv auseinandergesetzt hat (vgl. z.B. Freudenberger/Sandkühler 2003; Rheinberger 2001; Rheinberger/Hagner/ Wahring-Schmidt 1997; Lynch/Woolgar 1990; Hacking 1983). Auf diese umfangreiche Debatte kann hier jedoch nicht im einzelnen Bezug genommen werden. Ich möchte mich darauf beschränken ein Konzept von Repräsentation vorzustellen, an das meine Argumentation anschließt. Daher möchte ich im Folgenden kurz auf das Repräsentationsverständnis der ANT eingehen, das dann einer eigenen Interpretation der Nanowelt und der Nano-Objekte zugrunde gelegt werden soll. 6.1.6 Präsenz, Repräsentation, Re-Präsentation Wichtig für das Repräsentationsverständnis der ANT sind drei Begriffe: Präsenz, Repräsentation und Re-Präsentation (vgl. van Loon 2002a: 53f.). Für das Repräsentationsverständnis der ANT ist außerdem wiederum der Begriff der Übersetzung von Bedeutung. Ziel jedes Repräsentationsprozesses ist die Herstellung von Präsenz, was bedeutet, dass etwas Abwesendes anwesend gemacht werden soll (Latour 1998b). Der Begriff der Präsenz bezieht sich in dieser Hinsicht also auf Objekte. Objekte – verstanden als Objektivierungen – stellen Präsenz her. Die

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Herstellung von Präsenz hängt weiterhin zusammen mit spezifischen Übersetzungsprozessen. Zwei unterschiedliche Strategien Präsenz herzustellen können dabei unterschieden werden: Eine Strategie bedient sich ›Repräsentationen‹, die andere ›Re-Präsentationen‹ (vgl. van Loon 2002a: 53f.). Dieser Unterschied einer Repräsentations-Logik und einer Re-Präsentationslogik markiert den Unterschied zwischen Wissenschaft und Religion, d.h. die Wissenschaft arbeitet mit Repräsentationen, um Präsenz herzustellen, die Religion mit Re-Präsentationen. Re-Präsentationen beruhen auf einer ›seriellen Logik‹, »in which faithfulness is a play of repetitions to keep the same message always anew, with the message being one with the messenger (e.g. priest offering the sacrifice of mass becomes the sacrifice himself).« (Ebd.: 53) Repräsentationen hingegen sind mit einer ›Netzwerk-Logik‹ verbunden, »in which faithfulness is the superimposition of inscribed contents whose meaning is a piece of information that does not depend on the messenger or the moral state of the receiver.« (Ebd.) Eine Besonderheit wissenschaftlicher Repräsentationen besteht darin, dass sie bestrebt sind, die Übersetzungsprozesse, die notwendig waren, Präsenz herzustellen, unsichtbar zu machen. Übersetzungsprozesse sind jedoch notwendig, insofern sie es erlauben Informationen zu generieren. Latour versteht das Wort Information in einer ganz praktischen Weise, nämlich, als etwas ›In-Form-bringen‹ (Latour 1998b: 424). Dieses In-Form-bringen ist dann wiederum bedeutsam um etwas transportfähig zu machen. Das ist die zweite Besonderheit wissenschaftlicher Repräsentationen – sie können sich über Zeit und Raum ausdehnen (vgl. van Loon 2002a: 53f.). Forschungsgegenstände müssen dabei so transformiert werden, dass sie zirkulieren können. Zirkulieren heißt, dass man nicht an das Forschungslabor gebunden ist, um Forschungsgegenstände und Forschungsergebnisse begutachten zu können. Damit die Wissenschaft die Wirkung ihrer Erkenntnisse und damit sich selbst entfalten kann, muss diese auch an Orten außerhalb des Labors zugänglich sein. Dazu bedarf es Transformationen, also Übersetzungen. Repräsentationen sollten in dieser Hinsicht dann nicht länger bezogen auf eine wie auch immer geartete Referenz betrachtet werden, sondern vielmehr im Hinblick auf die Art und Weise, »in which someone convinces someone else to take up a statement, to pass it along, to make it more of a fact, and to recognize the first author’s ownership and originality.« (Latour 1986: 5)33 Um diese Prozesse der Kenntnisnahme und Anerkennung wissenschaftlicher Arbeit bewerkstelligen zu können, muss Forschung in die Form präsentabler Ergebnisse gebracht werden:

33 Die Wissenschaftsforschung, so Latour, hat zwei Elemente und zwei Bewegungen zu erklären: einmal die »partikulare Produktion« wissenschaftlicher Produkte, zum anderen aber auch deren »universelle Verbreitung« (Latour 1996a: 180).

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»As soon as one is at a distance from features ones wishes to refer to, some vehicle has to be invented to carry the reference in a state completely different from the one it had when it was locally and materially present.« (Latour 1998b: 425)

Diese Vehikel werden in der ANT mit dem Begriff des »immutable mobile« (Latour 1986) umschrieben. Was genauer darunter zu verstehen ist, möchte ich später anhand meiner Empirie zeigen. An dieser Stelle ist es mir wichtig zu betonen, dass im Hinblick auf die Notwendigkeit der Zirkulation transportfähiger Objekte Manipulation, im Sinne von Transformation, kein problematischer Prozess in der Weise ist, dass etwas verändert oder gar verfälscht werden würde, sondern es ist ein notwendiger Prozess, damit etwas transportfähig wird. Dieses Konzept von Repräsentation unterscheidet sich dabei auch von einer Repräsentationslogik, die immer von einer Unterscheidung ausgeht: Sei es die Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt, zwischen einem Repräsentanten und dem Repräsentierten, zwischen Zeichen und Bezeichnetem. Die ANT löst diese Differenzlogik auf, indem Repräsentationen stets gebunden sind an eine repräsentationale Praxis.34 Hierbei, so Hagner: »[…] gibt [es] keine unproblematischen Entsprechungen mehr zwischen medialer Repräsentation und unabhängiger Realität. Die Verbindungsbahnen, die Ereignisketten müssen in einem komplexen Prozeß erst gebaut werden. Ob eine Repräsentation als akzeptabel oder nicht, als richtig oder falsch angesehen wird, ist demnach nicht eine Frage der ontologischen Gewißheit, die als platonische Parabel von Ort zu Ort reicht, sondern wird unterwegs entschieden.« (Hagner 1997: 341, Herv. i. O.)

Diese repräsentationale Praxis schafft nun reversible Transformations- und Substitutionsketten, in denen durch Reihen von Vermittlungen Materie und Objekte sukzessive in Zeichen oder Bilder übersetzt werden. Bei jedem Schritt verlieren die Erscheinungen bestimmte Eigenschaften, gewinnen aber auch neue hinzu. Transformationen müssen dann so gestaltet sein, dass die Elemente der Ketten kompatibel sind. Die Erscheinungen bzw. das, was sich als wissenschaftliche Wahrheit durchsetzt, zirkuliert auf diese Weise innerhalb dieser Kette, die es

34 Den Verweis auf die experimentelle Praxis findet sich prominent auch bei Ian Hacking. Er löste den Begriff der Repräsentation von einer Vorstellung des reinen Abbildens von etwas ab und verortet Repräsentation innerhalb einer experimentellen Praxis. Dabei argumentiert er gegen die Annahme von etwas Gegebenen und weist stattdessen die Intervention als das zentrale Kriterium wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung aus (Hacking 1983).

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erlauben sollte, dass man sie jeweils in beide Richtungen Schritt für Schritt nachzuvollziehen kann. Die Referenz findet sich dann in der Bewegung:

»Die Referenz ist eine Eigenschaft der Kette in ihrer Gesamtheit und nicht der adaequatio rei et intellectus.« (Latour 2000c: 85, Herv. i. O.) Dieses Repräsentationsverständnis einer ›zirkulierenden Referenz‹ bestimmt das, was wir über die Welt wissen also nicht länger in einem Verhältnis von Wahrnehmung und Wirklichkeit, sondern Wissen, Erkenntnis, Fakten entstehen in Prozessen von Verknüpfungen, die im Folgenden auch als Objektivierungsprozesse gekennzeichnet werden sollen. Bevor ich vor dem Hintergrund dieses Repräsentationsverständnisses eine eigene Konzipierung der Nanowelt und dessen, was Nano-Wirklichkeit ausmacht, vorschlage, möchte ich zunächst noch einmal explizit zwei Begriffe herausgreifen und diskutieren, die ich bislang schon häufiger genannt habe, da sie nicht zuletzt auch in der Diskussion von ›Nano‹ eine Rolle spielen. Dies sind die Begriffe der ›Konstruktion‹ und der ›Virtualität‹. 6.1.7 Konstruktion und Virtualität Der Begriff der Virtualität spielt in Zusammenhang mit der Nanoforschung eine Rolle, insofern als Nanobilder Visualisierungen sind, die durch den Computer erzeugt werden. So hatte ich das rastersondenmikroskopische Verfahren als eine Praxis vorgestellt, die Daten erhebt, aufzeichnet und schließlich zu Visualisierungen verarbeitet. In diesem Sinne wird die Nanowelt als ›virtuelle Welt‹ interpretiert (vgl. Hubig 2008). In der Diskussion zu Nano-Wirklichkeiten ist dabei auch schon angeklungen, dass der virtuelle Charakter der Nanowelt Fragen hinterlässt wie z.B., ob man hier noch von ›Wirklichkeit‹ sprechen kann und ob das, was man als Nanowelt sieht, eigentlich ›real‹ ist. Bislang vertraute man dem, was das Auge sah, auch wenn das menschliche Sehen zunehmend durch technische Apparaturen wie z.B. Mikroskope, oder Teleskope unterstützt wurde. Diese Technisierung menschlicher Wahrnehmung durch die Delegation von Beobachtungen an technische Apparaturen wurde dann zunächst auch begrüßt, schien sie doch gleichsam mit einer Rationalisierung von Beobachtungen einher zu gehen (vgl. Heintz/Huber 2001: 18 ff.). Die Rationalisierung der menschlichen Anschauung ließ sich dann insofern realisieren, als Naturbeobachtungen durch die jeweilige Technik zunehmend von den vermeintlich trügerischen Wahrnehmungen menschlicher, subjektiver Sinneseindrücke befreit werden konnten und man so dem wissenschaftlichen Ideal objektiver Naturbeschreibungen immer näher

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kam.35 Jedoch wurde im weiteren Verlauf der wissenschaftlichen Geschichte die Position des Wissenschaftlers als Beobachter rehabilitiert, insbesondere, was die Bedeutung menschlicher Urteilsfähigkeit im Erkenntnisprozess anbelangte: »Die wissenschaftliche Leistung besteht darin, aus den erhobenen Daten das Wesentliche und Interessante herauszufiltern und gleichzeitig alles Zufällige und Unnötige zum Verschwinden zu bringen. Apparaturen können Bilder erzeugen, die Muster in ihnen zu erkennen und sie zur Geltung zu bringen, ist jedoch eine spezifisch menschliche Fähigkeit.« (Heintz/Huber 2001: 21)

Es sind in diesem Verständnis also gewisse, für das wissenschaftliche Arbeiten notwendige Fähigkeiten und Kenntnisse, die regelhaft und erlernbar sind, die dann eine spezifische wissenschaftliche Praxis ausmachen.36 Die Computertechnologie und die mit ihr verbundenen Möglichkeit der digitalen Bildbearbeitung können nun bei Unterscheidungen zwischen Wesentlichem von Unwesentlichen, bei der Akzentuierung bestimmter Aspekte oder bei der Tätigkeit der Strukturfindung sonst zufälliger und unzusammenhängender Beobachtungen behilflich sein und diese unterstützen (vgl. ebd.: 21 ff.), oder, wie es Gottfried Boehm formuliert: »Die technische Konstruktion von Daten generiert erst das Bild, das als optische Resultante dem Blick Einsichten erschließt.« (Boehm 2001: 51)

Die Beschreibungen des rastersondenmikroskopischen Verfahrens hatten gezeigt, dass es sich bei Nanobildern um eben solche computergestützten, technischen Konstruktionen handelt. Ich hatte hier bereits auf die Kritik hingewiesen, die, bezogen auf den Konstruktionscharakter und die Virtualität der Nanowelt, die Selbstverständlichkeit und Sicherheit bisheriger Welterfahrungen aufgehoben bzw. in Frage gestellt sieht. Problematisch ist dies jedoch nur insofern, und

35 Technische Apparaturen erfüllen das, was Lorraine Daston und Peter Galison (1992) als »Mechanische Objektivität« gekennzeichnet haben. »Mechanische Objektivität« beruht auf der Überzeugung, dass es durch Technik gelinge, nicht zuletzt die Körperlichkeit menschlicher Wahrnehmung, die mit Selektion, Einbildung oder auch Verfälschung assoziiert wird, aufzuheben und somit von subjektiver menschlicher Wahrnehmung zu wirklich objektiver Naturbeobachtung zu gelangen. 36 Diese Fähigkeiten und Kenntnisse variieren zudem zwischen den verschiedenen Disziplinen. Für Ludwig Fleck unterscheidet der sog. »geschulte Blick« den Fachmann vom Laien (Fleck 1983: 60).

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das möchte ich im Folgenden kurz ausführen, als man die Begriffe von Konstruktion und Virtualität im Gegensatz zu Begriffen wie Echtheit und Realität sieht. In dieser Hinsicht sind die Begriffe in der Diskussion um ›Nano‹ also mit einem bestimmten Verständnis verbunden. Ich möchte im Folgenden die Begriffe nun in der Weise bestimmen, wie sie im Anschluss daran meinen weiteren Ausführungen zugrunde gelegt werden sollen. Konstruktion Der Begriff der Konstruktion ist für die neuere Wissenschaftsforschung, die sich für die Praxis des wissenschaftlichen Arbeitens im Sinne eines produktionslogischen Ansatzes interessiert, ein zentraler Begriff (vgl. Latour/Woolgar 1986; Latour 2000b; Knorr-Cetina 2002b).37 In diesem Ansatz wird Wissen nicht länger als Produkt betrachtet, sondern als ein Prozess, der in seiner Entstehung betrachtet werden muss, um Aussagen über wissenschaftliches Wissen und wissenschaftliche Erkenntnisproduktion treffen zu können. Es geht also darum, wie ich schon einleitend zu diesem Kapitel sagte, die »Erzeugungscharakteristiken« (Knorr-Cetina 2002b: XII) wissenschaftlicher Wissensproduktion zu untersuchen. Der produktionslogische Ansatz betrachtet nun Wissenserzeugung als »konstruktiven« Prozess (ebd.: 23). Begriffe wie ›Natur‹ oder ›Realität‹ spielen hierbei dann insofern keine Rolle mehr, als sich ein Labor als ein gereinigter, artifizieller und hochgradig strukturierter Ort beschreiben lässt (ebd.). Wissenschaftliche Arbeit wird dann als ein Fabrikations- und Selektionsprozess gekennzeichnet. So schreibt Karin Knorr-Cetina: »Wissenschaftliche Resultate, einschließlich empirischer Daten, sind das Resultat eines Fabrikationsprozesses. Fabrikationsprozesse involvieren eine Kette von Entscheidungen und Verhandlungen, durch die die entsprechenden Resultate zustande kommen. Anders ausgedrückt, sie erfordern Selektionen. Selektionen können ihrerseits nur auf der Basis anderer Selektionen getroffen werden: sie basieren auf der Übersetzung in weitere Selektionen.« (Knorr-Cetina 2002b: 26)

Selektionen umfassen dann nicht zuletzt die Wahl der Forschungsfrage, des Forschungsdesigns, die jeweiligen Untersuchungsmethoden, die Instrumente und Maschinen, die man zur Umsetzung bestimmter Methoden bedarf, die Wahl des

37 Ein solcher Ansatz einer Wissenssoziologie naturwissenschaftlichen Wissens unterscheidet sich bspw. von Formen der Wissenschaftsforschung, die sich für institutionelle oder auch normative Bedingungen und Vorrausetzungen von Forschung interessieren (vgl. Heintz 1993).

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Untersuchungsmaterials usf. Für die Wissenssoziologie bzw. für sozialkonstruktivistische Ansätze beruhen diese Selektionen auf Entscheidungen, die durch die Wissenschaftler getroffen werden. Sie führen somit soziale Aspekte an, die den Forschungsprozess ermöglichen, beeinflussen und steuern. Für die ANT sind Prozesse der Erkenntnisgewinnung auch Konstruktionen, die sie mit dem Begriff des Akteur-Netzwerkes beschreibt. Allerdings sind für die ANT an diesen Konstruktionsprozessen, gemäß ihres generalisierten Symmetrieprinzips, nicht allein Menschen und ihre Entscheidungen beteiligt, sondern es gehören eine Vielzahl nicht-menschlicher Akteure dazu. Welche Akteure an der Konstruktion nanomedizinischer Innovationen beteiligt sind, möchte ich im Weiteren empirisch untersuchen und benennen. Festzuhalten gilt hier, dass Konstruktionen nichts sind, was dem Realen entgegenstehen, sondern Konstruktionen sind Verknüpfungsprozesse, die notwendig sind, um Wirklichkeit herzustellen, indem etwas real gemacht wird. Realität kann somit nicht als etwas Gegebenes angenommen werden, sondern muss durch Prozesse der Konstruktion hergestellt werden. Und diese Konstruktionsprozesse müssen, dies ist eine weitere wichtige Einsicht der ANT, über Kontinuität verfügen, damit die Realität, die sie herstellen, stabilisiert werden kann. So schreibt John Law: »The world is a web of relations. Continuous, discontinuous, configured, ragged. And those relations have no status, no shape, no reality, outside their continued production. This means that the concern is with process. It is with how particular realities get made and remade. And then how they sometimes, possibly often, get themselves embedded so that they become obdurate and resistant.« (Law 2004: 2)

Auch was diesen zweiten Aspekt anbetrifft, muss die Annahme des Gegebenseins von Welt verworfen werden. Realität soll vielmehr verstanden werden als »gradients of resistance« (Latour 1993: 159). Diese Gedanken zusammenfassend möchte ich also den Begriff der Konstruktion als einen produktiven Prozess verstehen, der konstitutiv ist für das, was wir als Realität kennen. Virtualität Auch der Begriff der Virtualität sollte nicht, wie eben beim Konstruktionsbegriff gezeigt, als Begriff behandelt werden, dem der Begriff der Realität entgegengestellt wird. Würde man Virtualität als Oppositionsbegriff verwenden, so wäre die Nanowelt keine reale Welt, da sie durch den Computer generiert wird. Sie ist rein technisch induziert und stellt damit nicht länger eine Realität bestehender und gegebener Sachverhalte dar. Virtuelle Wirklichkeiten werden somit als Simulationen verstanden, deren Existenz nicht unabhängig von deren computerun-

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terstützten Generierung gedacht werden kann. In gleicher Weise müssten dann auch Nano-Objekte als nicht-real klassifiziert werden. Dennoch bezieht sich eine spezifische wissenschaftliche Praxis, die als Nanoforschung gekennzeichnet wird, auf diese Objekte. Wie lassen sich nun die Virtualität der Nanowelt und die nanowissenschaftliche Praxis zusammen denken? Auch hier möchte ich wieder an die ANT anschließen und ein Verständnis des Virtualitätsbegriffes vorschlagen, wie es in dem Konzept der »virtual objects« (Law 1996; Mol 1998; van Loon 2002 a,b) zum Ausdruck kommt. Dies ist ein Konzept eher neuerer Arbeiten der ANT, in denen im Hinblick auf repräsentative Praktiken eine Wendung von epistemologischen Fragen hin zu ontologischen Fragen vollzogen wird (Law 1996; Mol 1998, 2002).38 Dieses Verständnis formuliert John Law wie folgt: »The claim is that representation is not about describing something which is already out there. Rather, it is about making the knower and making what is known. By creating the distinction between knower and what is known. And then concealing the connections.« (Law 1996: 283)

In diesem Zusammenhang bezeichnet das ›virtuelle Objekt‹ nun die Vorstellung bzw. Annahme einer Einheit, die im Verborgenen liegt, die aber als Grund und kausale Ursache hinter verschiedenen Manifestationen angenommen wird. Virtuelle Objekte sind dabei untrennbar mit dem Repräsentationsprozess verbunden: »[…] it is an object that appears to be real, to be solid, and to be out there. But is, in fact, something that has been created in the process of representation and accounting. An object that is both created, and at the same time warrants the process of representing within which it is created. Supplies it with its rationale.« (Ebd.: 298)

Virtuelle Objekte sind nicht in einer empirisch-materialistischen Weise ›real‹. Sie sind aber auch nicht ausschließlich hypothetisch, da sie sich in verschiedenen Praktiken realisieren, die sich auf sie beziehen. Man könnte auch sagen, das Virtuelle manifestiert Wirklichkeit auf bestimmte Art und Weise (vgl. van Loon 2002a: 54). Zusammenfassend kann man an dieser Stelle festhalten, dass virtuelle Objekte insofern real sind, als sie Handeln und somit auch Realität ermöglichen und erzeugen (ebd.).

38 Ontologie wird hier nicht länger als Lehre des Seienden verstanden und als Gegensatz zur Epistemologie gedacht. Sie erfährt vielmehr eine prozess-orientierte Wendung, indem sie sich für die Praxis der Herstellung von Realitäten interessiert.

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Um die in den letzten beiden Unterkapitel entwickelten Begrifflichkeiten von Repräsentation, Konstruktion und Virtualität zu konkretisieren, möchte ich diese zunächst in Bezug auf die Nano-Objekte anwenden, die mir bei meinen Forschungsaufenthalten in Erlangen begegnet sind. Danach möchte ich mich zum Abschluss dieses Teils des Kapitels noch einmal den Nano-Objekten der Rastersondenmikroskopie zuwenden. 6.1.8 Nanopartikel als Konstruktionen und ›virtuelle Objekte‹ Die Vorsilbe ›Nano‹ findet man in Erlangen stets in Verbindung mit Partikeln. So lautet bspw. der Titel eines Artikels der Arbeitsgruppe: »Cancer therapy with drug loaded magnetic nanoparticles – magnetic drug targeting« (Alexiou u.a. 2011a)

Es wird hier also nicht von magnetischen Flüssigkeiten gesprochen, sondern der Begriff ›Partikel‹, also die singularisierte Form der Objektbeschreibung, wird explizit in der Kennzeichnung der Therapie genutzt. In einem computeranimierten Film, der das Verfahren des magnetischen drug targetings in der klinischen Anwendung zeigt und der von der Arbeitsgruppe bei Workshops oder Konferenzen zur Präsentation ihrer Arbeit genutzt wird, sind ebenfalls verschiedene Darstellungen einzelner Partikel zu finden: Abb. 3: Kugelartige Darstellung eines Nanopartikels mit Hülle und Therapeutikum

Quelle: Standbilder aus einem Präsentationsfilm der Arbeitsgruppe

In einem weiteren Artikel der Arbeitsgruppe lässt sich folgende Darstellung finden:

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Abb. 4: Magnetisches Nanopartikel mit Chemotherapeutikum

Abb. aus Alexiou u.a. 2000

Nano-Partikel kann man hier also in unterschiedlichen Formen von Darstellungen finden. Sie werden dargestellt als runde, zwei- bzw. dreidimensionale Kreisoder Kugel-Modelle. Wenn man diese Darstellungen genauer betrachtet, dann wird deutlich, dass hier nicht allein einzelne Partikel zu sehen sind, sondern man kann Zusammensetzungen sehen, nämlich Verbindungen von magnetischen Nanopartikeln mit einer Hülle und Chemotherapeutikum. Der magnetische NanoEisenpartikel ist grau dargestellt, die Hülle gelb und das Chemotherapeutikum als blaue Kügelchen sowie – in der unteren Abbildung – als chemische Strukturformel. Dies ist die Form, in der Partikel in der Arbeitsgruppe in Erlangen beforscht und genutzt werden. Für ihre Art der medizinischen Forschung und Anwendung sind die Partikel also nicht als einzelne Singularitäten interessant, sondern sie sind bedeutsam in der Weise, dass sie sich nutzen lassen im Hinblick auf eine bestimmte Funktionalisierung – sie können als Transportsphären für Therapeutika zum Einsatz kommen. Hier lassen sich die Partikel also mit dem Interesse der Medizin verbinden. Die Partikel können zu Zwecken der Therapie – in Erlangen ist dies konkret die Therapie von Tumoren – genutzt werden. Man kann hier sagen, dass es in der Erlanger Arbeitsgruppe nicht um die Beforschung der Partikel selbst geht, sondern der Wert der Partikel für die Forschung ergibt sich daraus, dass sich diese Partikel im Hinblick auf eine Therapie ganz spezifisch nutzen lassen.

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Was verraten uns nun die Partikeldarstellungen im Hinblick auf die Art von Nano-Objekten, die wir hier finden können? In den bildlichen Darstellungen wird deutlich, welche Rolle einzelne Partikel in der Arbeitsgruppe spielen. Sie sind bedeutsam in Bezug darauf, welche Vorstellung man darüber hat, wie der Partikel aufgebaut ist und welche chemischen Verbindungen zwischen dem Partikel, der Hülle und dem Therapeutikum bestehen. Man hat dabei die Vorstellung, dass der Nano-Eisenpartikel den Kern bildet und von den anderen Komponenten umhüllt wird – oder genauer formuliert, bestehen die magnetischen Nanopartikel aus einem Eisenkern, der von einer Hülle (bspw. einer Hülle aus Stärke oder einer Hülle aus Säure) umgeben ist, an die dann das Chemotherapeutikum ionisch angekoppelt ist (vgl. Alexiou u.a. 2005a: 618). In diesem Sinne werden also die Überlegungen, welche Verbindungen man herstellen muss, um ein Werkzeug zu entwickeln, dass für eine Therapie zur Tumorbehandlung genutzt werden kann, nicht in der Kategorie des ›Fluids‹ gedacht – welche, so wie ich bereits gezeigt hatte, die Objekte sind, die in der alltäglich Laborpraxis anwesend sind –, sondern in der Kategorie eines einzelnen Partikels. An diesem Punkt wird nun auch der Skalenwechsel von der makroskopischen Ebene der Ferrofluide hin zur molekularen Nanoebene vollzogen. Das Prinzip, dass hinter der Möglichkeit der Funktionalisierung der Partikel liegt, nämlich das Prinzip der Anbindung eines Medikaments an den Partikel, verbindet die makroskopische Ebene der Ferrofluide nun mit der Nanoebene der Partikel. In einem Artikel gibt die Arbeitsgruppe an, dass der Eisenkern eine Größe von 10-15nm aufweise, der umhüllte und medikamenten-belandene Partikel dann mit einem hydrodynamischen Durchmesser von ca. 100 nm umschrieben werden könne (vgl. ebd.).39 Hier wird also deutlich, dass ›Nano‹ für die Medizin in besonderer Weise interessant ist. Die Medizin interessiert sich nicht für ›Nano‹ im dem Sinne, dass sie Oberflächen und Strukturen von Materialen beforschen will, oder die quantenmechanischen Effekte die mit der Nanoebene assoziiert werden. In dieser Weise wird auch klar, warum die Arbeitsgruppe kein Rastersondenmikroskop benötigt, da sie mit anderen Forschungsinteressen und anderen Forschungsfragen befasst ist. Für die Medizin – konkreter muss man hier jedoch sagen, der Be-

39 Die Hülle sorgt für Stabilität der Partikel, soll also verhindern, dass die Partikel agglomerieren. Außerdem bestimmt sie die Biokompatibilität der Partikel, d.h. sie werden für den Organismus verträglicher. Die Bindung des Chemotherapeutikums ist reversibel. Im gebundenen Zustand ist es inaktiv. Es desorbiert nach einer bestimmten Zeit von den Partikeln, das bedeutet, dass es die Oberfläche des Partikels verlässt. Dies ist dann insofern wichtig, als das Therapeutikum ja am Ziel, also in der Tumorregion, wirken soll (vgl. Alexiou u.a. 2005b: 392f.).

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reich, der sich mit der zielgerichteten Anwendung von Medikamenten auseinandersetzt, oder noch genauer, für die Onkologie – ist ›Nano‹ in Bezug auf Partikelgrößen interessant, da diese es möglich machen, Partikel als Transportsysteme zu nutzen. Nanopartikel lassen sich somit in medizinische Therapiekonzepte übersetzen. Die Nano-Medizin lässt sich in dieser Hinsicht durch eine spezifische Verknüpfung mit ›Nano‹ kennzeichnen, d.h. ›Nano‹ wird auf bestimmte Weise mit dem Interessenszusammenhang der Medizin assoziiert. Wie lassen sich nun aber die Partikeldarstellungen im Hinblick auf die Begriffe von Repräsentation und in Bezug auf deren Wirklichkeit interpretieren? Die Partikel-Darstellungen zeigen, dass sich der Zusammenhang von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit der Nano-Ebene in der Erlanger Forschungsgruppe auf spezifische Weise artikuliert. Es handelt sich hier nicht um ›direkte‹ Abbildungen – direkt in dem Sinne, dass sie einen konkreten materialen Bezug haben. Es sind aber Formen von Visualisierungen, die den Objekten eine spezifische Form von Präsenz verleihen. Die Darstellungen der Partikel – sei es nun als Kugelmodell oder als chemische Strukturformel – haben die Funktion, eine bestimmte Art von ›Sichtbarkeit‹ herzustellen. Dies geschieht dann jedoch nicht mittels Rastersondenmikroskopie, sondern die Arbeitsgruppe verwendet hierfür die Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen. Diese Darstellungen lassen sich dann als die Herstellung spezifischer Objekte und als eine spezifische Form der Objektivierung interpretieren. In der oben nachgezeichneten Diskussion über die Zugänge zum Nanokosmos wurde u.a. die Unterscheidung von ›Repräsentationen‹ und ›Präsentationen‹ gemacht. Würde man die Partikel-Darstellungen in diesem Sinne interpretieren, so wären sie wohl Präsentationen, da sie etwas Hergestelltes sind und nicht etwas Abbildendes. Die Partikel-Darstellungen hätten auf diese Weise nichts ›reales‹. Hier soll nun jedoch argumentiert werden, dass die Partikel-Darstellungen nicht darauf hin problematisiert werden sollten, ob sie denn ›realistisch‹ seien in dem Sinne, dass sie für das, was sie darstellen, repräsentativ – also eine ›adäquate Referenz des Darzustellenden‹ – sind. Ich möchte vorschlagen, die Frage nach der Realität von Objekten in anderer Weise zu stellen, indem ich an die eben vorgeschlagenen Konzeptionen von Konstruktion und Virtualität anschließe. Augenfällig ist, dass es sich bei den Nano-Bildern, die mir in Erlangen begegnet sind, um Zeichnungen und Illustrationen handelt. Man kann also in dieser Hinsicht sagen, dass es keine ›realistische‹ Darstellungen ›realer‹ – ›materieller‹ Objekte sind.40 Doch diese Objekte, so soll im Folgenden gleich gezeigt werden,

40 Als Modell würden es üblicherweise als etwas Theoretisches betrachtet werden. Dies ist jedoch insofern unproblematisch, als man das Theoretische nicht im Gegensatz

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erzeugen Realitäten und lassen sich in diesem Sinne als real interpretieren. Diese Nano-Objekte lassen sich sehr gut mit dem Konzept des ›virtual objects‹, so wie ich es vorgestellt hatte, beschreiben (Law 1996; Mol 1998; van Loon 2002 a,b). Nano-Partikel stellen die letzte Einheit dar, die zwar für die Arbeitsgruppe im Verborgenen liegt, da sie ja in der alltäglichen Laborpraxis nicht in der Form einzelner Partikel sichtbar sind, die aber dennoch den Bezugspunkt herstellen, wenn es um die Frage geht, wie die einzelnen Elemente der Partikel in Verbindung stehen, damit sie als therapeutische Partikel genutzt werden können. In dieser Hinsicht lassen sich die Partikel-Darstellungen so interpretieren, dass sie eine spezifische – nämlich eine für die medizinische Forschung relevante – Wirklichkeit herstellen. Die Partikel-Darstellungen sind natürlich keine Deskriptionen, sondern Konstruktionen (vgl. Knorr-Cetina 2002b: 23 ff.). Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass die gezeigten Darstellungen auch recht unterschiedlich sind – sie betonen jeweils unterschiedliche Aspekte des Objektes. Den jeweiligen Darstellungen liegen also spezifische »Selektionsprozesse« (ebd.: 31) zugrunde, die nicht zuletzt auch mit den Möglichkeiten aber auch mit den Grenzen des jeweiligen Mediums, dass zur Darstellung genutzt wird, verbunden sind – sei es nun Sprache, Zeichen, Symbol, Illustration oder Computeranimation. In der Sprache der ANT würde man hier von unterschiedlichen Formen der Mediation sprechen. Dennoch sind ›virtuelle Objekte‹ stets auch reale Objekte: Realität wird hier durch die Herstellung bestimmter Formen von Präsenz erzeugt, die das Objekt mit bestimmten Funktionen und damit gleichsam mit bestimmten Bedeutungen ausstatten. Diese verleihen den Objekten dann wiederum einen bestimmten Wert. Im Fall der nanomedizinischen Forschung in Erlangen besteht die Bedeutung darin, dass sich die Partikel auf eine spezifische Weise funktionalisieren lassen. Diese Funktionalisierung ist dann mit dem Wert verbunden, dass die Partikel in einer spezifischen Form der Therapie genutzt werden können. Während die Darstellungen der Nano-Partikel als die Herstellung von Präsenz gedeutet werden kann, werden die Objekte durch die Zuweisung von Bedeutungen und Werten zudem in spezifischer Weise existent. Die Darstellungen lassen sich dann als Objektivierungen interpretieren, die Anschlussfähigkeit an medizinische Forschung und an medizinische Praxis herstellen. Der Partikel wird hier als die Einheit gedacht, die in einem bestimmten Verknüpfungsmodus zu den weiteren Elementen Hülle und Medikament steht. Diese Verknüpfungen machen dann weitere Verknüpfungen möglich. Diese Objektivierung stellt somit den Versuch dar, eine

zur Empirie betrachtet. Dieses Modell lässt sich nicht allein als ein geistiges Konzept behandeln, denn es wurde nicht unabhängig von Experimenten entwickelt. Zur üblichen Trennung von Theorie und Empirie vgl. auch das folgende Unterkapitel.

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bestimmte Form von Ordnung zu adressieren, eine Ordnung, an die dann weiteres Handeln anschließen kann. Mit dem virtuellen Objekt ›Nano-Partikel‹ verbindet sich dann die Herstellung eines neuen Forschungsobjektes innerhalb der medizinischen Forschung – Nanopartikel werden als Akteure einer neuen Form der Therapie definiert. Auf diese Weise wird also ein neues Forschungs- und Entwicklungsfeld etabliert und gleichzeitig wird der Mediziner zum Nanoforscher. Forschungsobjekt und Forschungssubjekt werden hier also in ein und demselben Prozess der Repräsentation hergestellt (vgl. Law 1996). Im Anschluss an die oben ausgeführten konzeptuellen Überlegungen soll hier nun der Vorschlag gemacht werden, Repräsentation und Realität nicht in Bezug auf irgendeine Art von gegebener Wirklichkeit zu interpretieren. Repräsentation soll vielmehr als Resultat eines Objektivierungsprozesses verstanden werden, der das Ziel verfolgt, Sichtbarkeit und somit Präsenz herzustellen. Dies bildet die Grundlage für spezifische Bedeutungs- und Wertzuschreibungen, die weiteres Handeln ermöglichen. Jedes Handeln, das sich dann auf die Objekte bezieht, verleiht ihnen Existenz. Realität ist in dieser Weise ein Effekt von Verknüpfungen. Die Anzahl solcher Verknüpfungen können Objekte dann mit mehr oder weniger Realität ausstatten. Ein Objekt gewinnt an Stärke, Überzeugungskraft und an Realität, je mehr Verknüpfungen hergestellt werden – je mehr Handeln sich also auf dieses Objekt bezieht (Callon/Latour 2006). Wirklichkeit lässt sich dann begreifen als ein Prozess »fortschreitender Verwirklichung und Entwicklung« (Latour: 1996a: 60). Verknüpfungsprozesse sind gleichsam Konstruktionsprozesse, die nun, das sollte deutlich geworden sein, sich als Verwirklichungsprozesse lesen lassen. In diesem Sinne besteht die Aufgabe nanomedizinischer Forschung also darin, Verknüpfungen herzustellen und somit Anschlussoptionen zu produzieren, um ›Nano‹ in der medizinischen Forschung und später dann auch in der medizinischen Praxis Realität zu verleihen. Diese Anschlüsse und Verknüpfungen bestehen dann nicht zuletzt in unterschiedlichen Formen experimenteller Praxis. Die Frage, wie real Nanopartikel sind entscheidet sich somit in der medizinischen Forschung und Praxis selbst: Gelingt es, dass Nanopartikel sich in der Erforschung neuer Therapiemöglichkeiten von Tumoren als Akteure durchsetzen? Können sie Therapiemodalitäten verändern und führt dies dann zu neuen klinischen Verfahren und Methoden in der Behandlung von Krebs? ›Nano‹ lässt sich dann in Anschluss an Hans-Jörg Rheinberger als ein Öffnen eines »neuen Bezirks« im Sinne eines neuen Repräsentationsraumes verstehen (Rheinberger 1997), neu insofern, als hier Alternativen im Umgang mit Tumoren im Vergleich zu den bisherigen Verfahren möglich werden und somit, darauf soll später auch noch einmal genauer eingegangen werden, auch die Bedeutung der Krankheit Krebs einen Wandel erfahren kann. Realität, das kann an dieser Stelle schon ge-

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sagt werden, hat ›Nano‹ innerhalb der nanomedizinisches Forschung insofern gezeigt, als es der Arbeitsgruppe gelungen ist, die Wirksamkeit ihrer Therapie mithilfe ihrer spezifischen Nutzung von ›Nano‹ innerhalb ihres Therapieansatzes im Tierversuch zu zeigen. So konnten tumortragende Kaninchen geheilt werden, wobei sich der Tumor vollkommen zurückgebildet hat. So hat sich ›Nano‹ im Labor also in Form einer spezifischen Tumortherapie bereits verwirklichen können. Doch endet dieser Verwirklichungsprozess nicht im Labor. Damit diese Nano-Therapie auch kollektiv wirksam wird, indem sie sich als eine Behandlungsmethode in Krankenhäusern etabliert, muss weitere Verknüpfungsarbeit geleistet werden. Auf diese Arbeit werde ich im Verlauf der Darstellung nanomedizinischer Forschung in Erlangen zu sprechen kommen. Zunächst möchte ich jedoch zum Abschluss dieses Teils noch einmal auf die Rastersondenmikroskopie und deren Bilder aus der Nanowelt zurückkommen. 6.1.9 Wirkliche Nanowelt Nachdem ich in den vorangegangenen Unterkapitel die Begriffe der Repräsentation, der Konstruktion sowie der Virtualität neu kalibriert habe, möchte ich diese nun auf die Frage, wie wirklich denn nun die Nanowelt ist, zurückführen. Ich möchte dabei zeigen, dass die Herausforderung, die durch ›Nano‹ an uns gestellt wird, nicht darin liegt, dass wir es mit einer irgendwie anders gearteten Wirklichkeit zu tun haben, als wir sie bisher kannten. Die Herausforderung von ›Nano‹ ist vielmehr darin zu sehen, dass sie unser (modernes) Denken von Wirklichkeit stellt auf den Prüfstein stellt. Dieses Denken hat deshalb Schwierigkeiten mit der Nanowelt, weil es stets von Differenzen ausgeht: Unterscheidungen wie Repräsentation – Wirklichkeit, Virtualität – Wirklichkeit oder Konstruktion – Wirklichkeit. Ich möchte hingegen zeigen, dass ›Nano‹ erst verständlich wird und seine ihm angemessene Realität erlangt, wenn man ›Nano‹ als Verknüpfung beschreibt. Die Problemstellung, die sich für unsere Wahrnehmung und damit für unsere Beurteilung der Wirklichkeit der Nanowelt ergibt, lässt sich wie folgt nochmals zusammenfassen: Die visuelle Wahrnehmung der Nanowelt ist eigentlich nicht möglich, da sie jenseits menschlicher Wahrnehmungsmöglichkeiten des Sehens liegt. Es bedarf der Vermittlung durch die Rastersondenmikroskopie und der Übersetzung durch den Computer um die Nanoebene sichtbar zu machen. In dieser Hinsicht wurden Nano-Objekte als virtuelle Objekte und als Konstruktionen gekennzeichnet. Durch diese Art der technischen Vermittlung stellt die Nanowelt gleichsam eine Herausforderung für unser Verständnis des Verhältnisses von Wahrnehmung und Wirklichkeit dar, genauer gesagt, wir können uns nicht

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mehr richtig auf unsere Wahrnehmung verlassen, weil etwas dazwischen geschaltet ist. Man kann sagen, dass wir quasi wie die Höhlenbewohner in Platons Höhlengleichnis vor den Nano-Bildern stehen und uns fragen, ob dies nun wirklich die Realität sei, oder ob die Bilder nur die Schatten künstlicher Dinge sind, die durch eine bestimmte Form von Projektion entstehen. An dieser Stelle formuliert Platon bereits das Problem von Wahrnehmung und Wirklichkeit, das in der Frage zum Ausdruck kommt, welche Wirklichkeit den Dingen zugrunde liegt, die wir wahrnehmen. Bei Platon besteht die unmittelbare Welt nur aus Trugbildern und Wahrnehmungstäuschungen. Das wirklich Wahre ist nicht erfahrbar, denn Platon siedelt das Wahre bekanntlich nicht im Bereich der Erfahrung an. Das Wahre und Eigentliche findet sich in der Welt der Ideen, die von der uns umgebenden Welt abgeschieden und nur durch »reines Denken« (Disse 2001: 30) zugänglich ist. Platon postuliert also zwei Welten, die Welt der Erfahrung und die Welt des Denkens. Man kann diese beiden Wirklichkeitsbereiche auch mit der Trennung von Empirie und Theorie umschreiben. Das neuzeitliche Denken lässt sich dann als ein Denken charakterisieren, dass sich nicht nur an dieser Trennung orientiert, sondern mehr noch, dass sich immer mehr von der Erfahrung entfernt und sich immer mehr auf das Denken verlässt (vgl. Latour 2000d). Das Misstrauen, bzw. der ›Zweifel‹ an allem Erfahrbaren findet sich weiterhin bei René Descartes (vgl. Disse 2001: 200 ff.). Mit Descartes, so kann man sagen, setzt sich die Zwei-Welten-Lehre Platons fort, indem er gleichsam von zwei unterschiedlichen Wirklichkeiten und somit von ›zwei Seinsweisen‹ ausgeht: das bewusste Sein immaterieller Natur (›res cogitas‹) und das ausgedehnte Sein materieller Natur (›res existensa‹) (ebd.: 208). Diese Teilung geht bei Descartes sogar durch den Menschen selbst, was sich im Sinne eines LeibSeele-Dualismus interpretieren lässt (ebd.: 213 ff.). Gewissheit besteht bei Descartes nur im Hinblick auf die eigene Existenz als denkendes Wesen. Gewiss ist für ihn auch die Existenz Gottes. Den endgültigen Siegeszug treten das Denken und die Vernunft dann in der Philosophie Immanuel Kants an. Für Kant bestimmt die Vernunft unsere Erkenntnis und nicht die Gegenstände, die wir erfahren. Unsere Erkenntnismöglichkeiten sind somit nicht den Gegenständen, sondern unseren (apriorischen) Denkgesetzen unterworfen (Disse 2001: 219 f.). Dieser kurze Ausflug in die Wissenschaftstheorie soll an dieser Stelle genügen, denn hier kommt es mir lediglich darauf an aufzuzeigen, dass sich die Art, wie wir über das ›Denken‹ denken, auf eine bestimmte Erkenntnisgeschichte zurückführen lässt. Es werden hier die Grundsteine für drei maßgebliche Konsequenzen gelegt, die es, so möchte ich insbesondere im anschließenden Teil dieses Kapitels zeigen, so schwierig machen, wissenschaftliche Praxis im Allgemeinen und nanomedizinische Praxis im Besonderen zu verstehen. Zum einen etabliert sich

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hier die Trennung zweier Welten und zweier Wirklichkeitsbereiche – die Welt der Dinge und die Welt der Menschen, die Natur und die Kultur. Das Subjekt wird ins Zentrum von Erkenntnisprozessen gestellt, ein Subjekt, das von der es umgebenden objektiven Realität unterschieden wird.41 Dieses Subjekt wird als ›denkendes Subjekt‹ konzipiert, die Attribute und Eigenschaften von Dingen sind somit Kategorien eines denkenden Geistes. Das heißt dann auch, dass Erkenntnisfragen epistemologische Fragen sind, die sich auf kognitive Strukturen und Kategorien des Geistes richten. Die sozialkonstruktivistische Wissenschaftssoziologie hat dann die Trennung von Natur und Kultur endgültig besiegelt, indem sie sich unwiderruflich von der Natur verabschiedet. Die kognitiven Strukturen und die Kategorien des Geistes denkt sie dabei stets im Hinblick auf deren gesellschaftliche Voraussetzungen, Bedingungen, oder auch Zwänge.42 Die Dinge selbst interessierten nicht mehr, sondern sie tauchen nur noch in der Form von ›Repräsentationen‹ auf und jede Art von Wissen wird als sozial konstruiertes Wissen entlarvt. Es waren die Ergebnisse der Wissenschaftsforschung, die diese Trennungen dann in Frage stellten (Law 2001; Latour 1993, 1987; Callon 1986). Sie stellten heraus, dass es weder das Soziale ist, wodurch sich wissenschaftliche Praxis beschreiben lässt, denn dazu wurden im Labor zu viele Dinge versammelt. Die Ergebnisse ließen jedoch genauso wenig den Bezug auf eine objektive Realität zu, denn die Arbeit im Labor ließ sich nicht als ein Aufdecken von Fakten kennzeichnen – Fakten im Sinne substanzieller, universell gültiger Eigenschaften von unabhängigen Naturphänomenen. Laborarbeit ist vielmehr eine Praxis, die mit vielen Hilfsmitteln und Apparaturen Situationen schafft, in denen sich Dinge auf eine bestimmte Art und Weise artikulieren können (Latour 2000b). Diese Situationen sind Konstruktionen in dem Sinne, dass sie bestimmte Objektivierungen produzieren. Dennoch bringen sie reale Wesen hervor (vgl. Stengers 1997: 132). Die Objektivierungen lassen sich zudem nicht allein auf einen Konstrukteur (den Wissenschaftler) reduzieren. Es sind vielmehr Konstruktionen, die die Dinge sprechen und von ihrer Existenz Zeugnis ablegen lassen (Stengers 1997). In dieser Hinsicht kann wissenschaftliche Erkenntnis nicht länger epistemologisch bestimmt werden. Sie lässt sich vielmehr als eine bestimmte Praxis charakterisieren, die quer liegt zu Unterscheidungen wie Subjekt – Objekt, Natur – Kultur und sich besser als Verknüpfungen denken lässt.

41 Vgl. hierzu die Auseinandersetzung mit der Subjekt-Objekt-Unterscheidung in Unterkapitel 6.2.1. 42 Im anschließenden Teil dieses Kapitels werde ich mich ausführlicher mit der sozialkonstruktivistischen Perspektive auseinandersetzen.

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Führen wir diese Einsichten nun auf die Bilder von der Nanoebene zurück. Ja, sie stellen Konstruktionen dar, da sie in der Folge bestimmter Mediationsprozesse, so wie ich sie schon beschrieben habe, bestimmte Objekte darstellen. Die Sichtbarkeit der Nanoebene wird durch eine bestimmte repräsentationale Praxis möglich, die sich als eine spezifische Art der Objektivierung beschreiben lässt. Sie können aber nicht länger als Objekte einer virtuellen Welt beschrieben werden, die als solche im Gegensatz stehen zu Objekten der realen Welt. Ihre Realität, so hatte ich in Bezug auf virtual objects beschrieben, beruht auf einer Praxis, die sich im Sinne von Verwirklichungsprozessen lesen lässt. Diese Praxis wird durch die Rastersondenmikroskopie vermittelt. Die Rastersondenmikrokopie ermöglicht hierbei ein spezifisches Einwirken auf der Nanoebene. Durch dieses Wirken erzeugen, bzw. bezeugen sie ihre Wirklichkeit, auch wenn dieses Einwirken im Zuge verschiedener Übersetzungen Transformationen unterzogen wird – so wie bspw. das Tasten in Computerdaten übersetzt wird. Dennoch stellen diese Übersetzungen vom Tasten bis hin zum Bild eine zusammenhängende Kette dar, in der die Referenz zirkulieren kann. Die Umrechnung der Daten durch den Computer in ein Bild wird oft als eine Art Unterbrechung gekennzeichnet, indem gesagt wird, dass der Computer die Daten ›interpretiere‹. Doch ist Interpretation an dieser Stelle eigentlich nicht das richtige Wort, denn der Computer transformiert die Daten in Bilder nicht vor dem Hintergrund irgendeiner Auslegung, sondern die Transformation erfolgt auf der Grundlage von festgelegten, nämlich programmierten Regeln. Diese Regelhaftigkeit macht die Transformation auch nachvollziehbar und rückverfolgbar. Die Kette wird somit nicht unterbrochen. Nimmt man an dieser Stelle noch einmal die Unterscheidung von ›visuellen Bildern‹ und ›haptischen Bildern‹ auf, so lassen sich diese nun dahingehend kennzeichnen, dass es sich hierbei um unterschiedliche Objektivierungen der Nanoebene handelt, die dennoch miteinander verknüpft sind. Haptische Bilder beinhalten dabei lediglich durch die transformierende Arbeit der Sonde einen weiteren Übersetzungsschritt. Dennoch steht am Ende der Rastersondenmikroskopie nur ein Bild. Als solches stellt es bloß einen Teil, oder um das Wort von Bruno Latour zu benutzen, eine »Spur« (Latour 1996a: 183), innerhalb einer Kette vielfältiger Übersetzungsprozesse dar (vgl. auch Lynch 2006). Verbindet man mit dem Begriff der Repräsentation nun nicht länger einen Bezug auf eine Referenz, sondern interpretiert Repräsentation innerhalb eines Prozesses der Verwirklichung, so lässt sich die Frage nach der Realität von ›Nano‹ nicht länger epistemologisch bearbeiten und beantworten, sondern lässt sich nunmehr nur noch empirisch-ontologisch untersuchen. Dazu zählen dann nicht zuletzt Fragen wie: Wie gelingt es Nanobildern, innerhalb der wissenschaftli-

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chen Gemeinschaft zu überzeugen?, Wie schaffen es diese Bilder, Nanoforschung zu etablieren und voran zu treiben? usf. Insofern möchte ich mich im zweiten Teil dieses Kapitels solchen empirischen Fragen und somit der Praxis widmen. Zunächst sollen die Ergebnisse dieses Kapitels zusammengefasst werden. 6.1.10 Zusammenfassung und Fazit In diesem Teil des Kapitels habe ich zunächst ›Nano‹ ganz allgemein charakterisiert und als eine Skalenebene vorgestellt, die jenseits menschlicher (visueller) Wahrnehmungsmöglichkeiten liegt und somit eine Welt darstellt, die bislang unsichtbar war. Die Entwicklung der Rastersondenmikroskopie hatte ich dann als den entscheidenden Schritt gekennzeichnet, der den Zugang zur Nanoebene ermöglichte, diese sichtbar machte und dadurch ›Nano‹ als Forschungs- und Entwicklungsfeld erschloss. Die Art und Weise, wie die Rastersondenmikroskopie operiert, habe ich als ein Abtasten von Oberflächen charakterisiert, wobei das Abtasten sowohl zur Visualisierung, als auch zur Bearbeitung der Oberfläche und somit zur gezielten Veränderung genutzt werden kann. Ich hatte dabei angeführt, dass die Rastersondenmikroskopie in dieser Hinsicht als eine neue Form der Medialisierung von Wirklichkeit bezeichnet wird. Mit diesem Konzept der ›Medialisierung von Wirklichkeit‹ habe ich mich dann auseinandergesetzt. In Anschluss an Joost van Loon habe ich angemerkt, dass dieses Konzept der Medialisierung mit bestimmten Vorraussetzungen verbunden ist. Zum einen geht es bei der Frage, wie die Welt erschlossen wird, vom Primat des ›Visuellen‹ aus. Andere Wahrnehmungsmodi geraten aus dem Blick. Zum anderen habe ich kritisiert, dass das Medialisierungskonzept einzig die kognitiven Fähigkeiten eines wahrnehmenden Subjektes ins Zentrum von Erkenntnisprozessen stellt. Um im Weiteren selbst eine medientheoretische Interpretation der Rastersondenmikroskopie entwickeln zu können, habe ich anstelle des Konzepts der ›Medialisierung von Wirklichkeit‹, die von van Loon vorgeschlagene Konzeption einer ›Gestaltung von Wirklichkeit‹ und den Begriff der ›Mediatisierung‹ aufgegriffen. Medien werden hier nicht allein als Visualisierungsinstrumente aufgefasst, sondern Medien können mit unterschiedlichen Wahrnehmungsmodi verbunden sein, die gleichsam in verschiedenen Wahrnehmungsverhältnissen resultieren. Medien ermöglichen und realisieren unterschiedliche Formen von Weltbezug, stellen somit unterschiedliche Formen von Wirklichkeit her und konstituieren diese. Auf welche Weise sich Wahrnehmungsverhältnisse artikulieren lässt sich nur anhand der jeweiligen Vermittlung – Mediatisierung – charakterisieren. Mit der visuellen Mediatisierung, der optischen Mediatisierung und skopischen Me-

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diatisierung habe ich drei konkrete Formen von Mediatisierungsprozessen vorgestellt. Alle drei Mediatisierungsformen konnten in Bezug auf die Rastersondenmikroskopie identifiziert werden, was ein Indiz dafür ist, dass Medien nicht ausschließlich eine Form von Mediatisierung erzeugen und ermöglichen. Um jedoch das Verfahren der Rastersondenmikroskopie auch begrifflich besser erfassen zu können, habe ich die ›haptische Mediatisierung‹ als weitere Mediatisierungsform eingeführt. In Bezug auf meine eigene Forschung, der Untersuchung nanomedizinischer Forschung in Erlangen, habe ich dann festgestellt, dass die Mediatisierungsform der Rastersondenmikroskopie, was die alltägliche Praxis im Labor anbelangt, keine Rolle spielt. Es konnten zumindest keine sichtbaren Bezüge hergestellt und nachvollzogen werden. Ich habe mich dennoch im Anschluss weiterhin mit der Rastersondenmikroskopie auseinandergesetzt um danach zu fragen, wie sich ›Nano‹ als neue Form von Wirklichkeit darstellt und wie sie sich charakterisieren lässt. Diese Fragestellung führte mich zur Erörterung des Begriffes der ›Repräsentation‹. Dieser Begriff, so habe ich gezeigt, artikuliert sich im Allgemeinen, als auch im Fall ›Nano‹ im Besonderen, im Verhältnis bestimmter Dualismen, wie Wahrnehmung und Wirklichkeit, Subjekt und Objekt oder Repräsentanten und Repräsentiertem. Ich habe demgegenüber in Anschluss an die ANT einen Repräsentationsbegriff vorgestellt, der, jenseits von Dualismen, Repräsentationen im Sinne von Übersetzungsprozessen deutet und beschreibt. Übersetzungsprozesse haben das Ziel Präsenz herzustellen. Repräsentationen habe ich dabei als die Mittel gekennzeichnet, mit denen die Wissenschaft (im Gegensatz bspw. zur Religion) Präsenz herstellt. Diese Repräsentationen habe ich dann dadurch gekennzeichnet, dass sie im Zuge einer repräsentationalen Praxis hergestellt werden und sich dabei als reversible Transformationsund Substitutionsketten kennzeichnen lassen. Die Referenz, also das, was repräsentiert wird, zirkuliert innerhalb einer Kette von Übersetzungen. Repräsentationale Praxis stellt durch Transformation und Substitution Objekte (immutable mobiles) her, denen es möglich ist, sich in Zeit und Raum auszudehnen. Man kann hier auch von einem spezifischen Objektivierungsprozess sprechen. In einem solchen Repräsentationsverständnis werden dann die Begrifflichkeiten der Konstruktion und der Virtualität, beides Begriffe, anhand derer der neue Weltbezug in Form von ›Nano‹ diskutiert wird, nicht länger als Gegenbegriffe zu Wirklichkeit oder Echtheit aufgefasst. Realität wird vielmehr als Ergebnis eines konstruktiven Verwirklichungsprozesses betrachtet, in dem das Virtuelle in spezifische Formen von Realität übersetzt und objektiviert wird. Anhand therapeutischer Nanopartikel habe ich einen solchen Konstruktions- und Objektivierungsprozess konkret verdeutlicht. Zum Schluss dieses Teils des Kapitels bin ich nochmals allgemeiner auf die Charakterisierung von ›Nano‹ als neue Form von

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Wirklichkeit zurückgekommen. Hier habe ich argumentiert, dass die Schwierigkeit, die Wirklichkeit der Nanowelt zu erfassen, in der Form modernen Denkens über die Wirklichkeit begründet liegt. Die Kennzeichen dieses Denkens habe ich auf drei Aspekte zugespitzt: Es findet eine Trennung zweier Wirklichkeitsbereiche statt, die sich in der Unterscheidung von Natur und Kultur artikuliert. Zudem wird das Subjekt ins Zentrum aller Erkenntnisprozesse gestellt. Und schließlich werden Erkenntnisprozesse nicht länger ontologisch, in Bezug auf die Welt, sondern nur noch epistemologisch, in der Form von Wissen betrachtet, wobei die sozialkonstruktivistische Wissenschaftstheorie dieses Wissen als rein sozial begründetes und erzeugtes Wissen betrachtet. Ich hatte dagegen argumentiert, dass sich Wissenschaft nicht in Anschluss auf eine Trennung von Natur und Kultur beschreiben lässt, sondern dass sie in Bezug auf die spezifischen Verknüpfungsleistungen zu betrachten sei, die sie leistet. ›Nano‹ lässt sich in dieser Hinsicht nun als eine bestimmte Verknüpfung interpretieren, die in einer bestimmten repräsentationalen Praxis verortet ist. Diese repräsentationale Praxis lässt sich im Hinblick auf spezifische Übersetzungsprozesse charakterisieren. In diesen Übersetzungsprozessen wird Natur und Kultur in einen bestimmten Zusammenhang gestellt. Man kann sagen, ›Nano‹ artikuliert und realisiert sich als ein neues Natur-Kulturverhältnis. Anhand meines eigenen empirischen Materials möchte ich als nächstes diese natur-kulturellen Zusammenhänge und die damit verbundene repräsentationale Praxis systematischer beschreiben und untersuchen. Ich gehe also im Folgenden auf die Praxis nanomedizinischer Forschung in der Sektion für experimentelle Onkologie und Nanomedizin in Erlangen ein.

6.2 E XPERIMENTELLE P RAXIS

IN

E RLANGEN

Ich möchte mich im Folgenden nun weiterhin der Frage nach der Erkenntnisproduktion im Nano-Bereich widmen. Im Anschluss an das bisher Dargestellte lässt sich die Erkenntnisproduktion als eine repräsentationale Praxis beschreiben. Die folgenden Ausführungen schließen also an die im vorangegangenen Teil des Kapitels vorgestellte Perspektive an, indem empirisch die »representational practice in science« (Lynch/Woolgar 1990) in den Mittelpunkt gestellt werden soll. Ich möchte darüber hinaus weiterhin dem ›ontological turn‹ der ANT folgen und die experimentelle Praxis in Erlangen als Objektivierungs- und Verwirklichungsprozesse betrachten. Bislang hatte ich im Besonderen die Rastersondenmikroskopie als eine spezifische Mediatisierungspraxis und somit als eine bestimmte Praxis, Repräsentati-

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onen wissenschaftlicher Erkenntnisse im Nano-Bereich herzustellen, vorgestellt. Diese Form repräsentationaler Praxis, so hatte ich ausgeführt, steht üblicherweise im Mittelpunkt, wenn es um Fragen der Erkenntnisproduktion geht. Ich hatte aber auch bereits gesagt, dass diese Form für die Erlanger Forschung nicht zentral ist. In dieser Hinsicht hatte ich darauf aufmerksam gemacht, dass Nanoforschung nicht nur auf ein Verfahren der Erkenntnisproduktion und eine Art von Repräsentation reduziert werden kann. In Bezug auf mein Forschungsfeld möchte ich daher nun im Einzelnen untersuchen, mit welchen repräsentationalen Verfahren Nanoforschung auch assoziiert sein kann. Während meines Aufenthaltes in der Forschergruppe gab es drei Formen experimenteller Praxis, die den Forschungsalltag bestimmten. Dazu zählen Tierversuche, Versuche in Zellkultur sowie die Arbeit mit dem sog. Arterienmodell. Die Versuche in der Zellkultur sind insbesondere auch begleitende Untersuchungen zu den Tierversuchen. Bei den Versuchen in Zellkultur werden Tumorzellen bestimmten Parameter bzw. Grundbedingungen des magnetischen drug targetings ausgesetzt. So werden bspw. Nano-Partikelsuspensionen in verschiedenen Konzentrationen getestet. Anders als im Tierversuch, wo man es ja mit einem ganzen Organismus zu tun hat, kann man in der Zellkultur Parameter auch unabhängig voneinander testen. Es stellt somit ein Versuchsmodell dar, das im Gegensatz zum Tiermodell weniger komplex ist. Wichtig sind die Zellversuche vor allem auch für die Untersuchung der Toxizität von Nanopartikeln.43 Auch wenn

43 Das Thema Toxikologie spielt eine große Rolle im Bereich der Nanoforschung, da sie als eine Form der Risikoforschung und somit als Begleitforschung integraler Bestandteil der Nanotechnologieentwicklung ist. Ziel ist es, mögliche Gefährdungen von Mensch und Umwelt durch Nanopartikel frühzeitig zu erkennen, um so eine positive Technologieentwicklung zu unterstützen und entsprechende Ängste und Befürchtungen gegenüber gesundheitlichen Gefahren aufzufangen. Für die Erlanger Forschung spielt das Thema Toxikologie zwar auch eine wichtige Rolle, da es sich jedoch um Forschung im Bereich der Onkologie handelt, kommt ihr noch einmal eine andere Bedeutung zu. So zeigen z.B. Versuche in Zelllinien, dass die Toxizität des Chemotherapeutikums erhöht werden kann, wenn es an Partikel angebunden ist (vgl. Dürr u.a. 2012). Die Toxizität ist in diesem Fall jedoch ein erwünschter Effekt. Für den Körper seien Nanopartikel (Ferrofluide) gut verträglich. Dies erklärt die Arbeitsgruppe in Bezug auf anderweitig durchgeführte Studien (vgl. hierzu Alexiou 2005a: 618). Studien zum Lebenszyklus der Nano-Partikel, die z.B. die Frage beantworten, wie sich die Partikel verhalten, wenn sie aus dem Körper ausgewaschen wurden sind, werden jedoch nicht durchgeführt. In einer Diskussion, die ich mit Stefan Lyer zu diesem Thema hatte, gab er an, dass die Partikel ja in gebundener Form, also im Urin

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die Zellversuche ein wichtiger und integraler Bestandteil der Beforschung des magnetic drug targetings sind, möchte ich mich in meinen folgenden Ausführungen jedoch vor allem auf die Tierversuche konzentrieren, da diese zentral für die Arbeit in Erlangen sind. Die Tierversuche möchte ich dann zunächst anhand einiger organisatorischer Aspekte behandeln, die der eigentlichen experimentellen Praxis vorausgehen. Ich möchte des Weiteren darstellen, welche Praktiken und Mittel notwendig sind, um Tiere zu Versuchstieren zu machen. Danach möchte ich eine ausführliche Beschreibung des Versuchsaufbaus und des Versuchsablaufs liefern. Einige Elemente des Versuchsaufbaus möchte ich dann herausgreifen und detaillierter charakterisieren. Konkret möchte ich dabei auf das hier zum Einsatz kommende bildgebende Verfahren zu sprechen kommen, als auch genauer kennzeichnen, was ein Nanopartikel ist. Als zweite repräsentationale Praxis möchte ich die Arbeit am Arterienmodell aufgreifen, da es sich hier um einen Versuchsaufbau handelt, der speziell in Erlangen in Zusammenhang mit der dortigen Forschung entwickelt worden ist. Das Besondere an der Beschreibung dieser Praxis wird sein, dass sich der ganze Weg von der Präparation der Arterie als Modell bis hin zum histologischen Schnitt in Form eines Bildes nachvollziehen lässt. In diesem Zusammenhang möchte ich aber auch die Vielfalt der Aufgaben nanomedizinischer Forschung sichtbar machen. Ziel dieses Kapitels ist zum einen die Beschreibung der Wege und Mittel, die die Praxis nanomedizinischer Forschung bestimmen und kennzeichnen. Diese Beschreibungen möchte ich jedoch auch dazu nutzen, die Erklärungskraft soziologischer Konzepte auf die Probe zu stellen. Hatte ich im vorangegangenen Teil Dualismen wie Natur – Kultur oder Subjekt – Objekt aus erkenntnistheoretischer Sicht kritisiert, so möchte ich mich in diesem Teil den Konsequenzen solcher Dualismen widmen, insbesondere im Hinblick darauf, was soziologische Konzeptualisierungen von Wissenschaft und wissenschaftlicher Praxis anbelangt. Die Soziologie greift diese Dualismen auf und verfestigt diese, insofern sie der Prämisse folgt, alles durch soziale Faktoren zu erklären. Insbesondere der Sozi-

oder Kot, austreten würden und somit keine Gefahr bestünde, dass diese bspw. eingeatmet werden. Doch über den endgültigen Verbleib könne er keine Angabe machen. Er machte jedoch darauf aufmerksam, dass man es in diesem Themenkomplex nicht allein mit Fragen nach dem Verbleib der Partikel zu tun habe, sondern dass man auch mit dem allgemeinen Problem von Medikamentenrückständen konfrontiert sei, da ja auch Teile des Chemotherapeutikums durch das Filtersystem des Organismus ausgespült werden, die dann in die Umwelt gelangen. Mögliche Risiken sind hier also nicht nur in Bezug auf die verwendeten Nano-Materialien zu beachten, sondern betreffen auch ein altes und bekanntes Problem aus der Pharmatoxikologie.

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alkonstruktivismus hat sich dieser Prämisse und dieser Perspektive verschrieben. Daher möchte ich mich im Folgenden mit Erklärungsansätzen des Sozialkonstruktivismus auseinandersetzen. Ich nehme hierbei auf die bereits angesprochene Kontroverse zwischen einer sozialkonstruktivistischen Perspektive und der ANT Bezug. 6.2.1 Tierversuche Tierversuche stellen einen zentralen Bezugspunkt nanowissenschaftlicher Praxis in Erlangen dar. Das Tiermodell dient dazu, physiologische Eigenschaften zu simulieren, das Therapieverfahren also innerhalb eines Organismus zu studieren und zu testen. Interpretiert man nanomedizinische Innovationen als die Einführung und Etablierung eines neuen Akteurs innerhalb medizinischer Forschung und Praxis, so lassen sich die Tierversuche als die zentrale Ressource bestimmen, die es möglich machen soll, diesen neuen Akteur zu inszenieren und ›zu Wort‹ kommen zu lassen. Bislang haben wir Nanopartikel nur als virtuelle Objekte kennengelernt. Durch die experimentelle Praxis werden diese Nanopartikel nun verschiedenen Tests unterzogen. Diese geben den Partikeln die Möglichkeit, durch Aktionen innerhalb dieser Tests sichtbar zu werden, indem sie bestimmte Wirkungen zeigen, deren Ursache auf sie zurückgeführt wird.44Auf diesem Weg wird ihnen die Chance gegeben, ein Mehr an Realität zu gewinnen. Bevor ich jedoch zur Beschreibung tierexperimenteller Praxis komme, möchte ich zunächst ein paar organisatorische Aspekte aufgreifen und darstellen, die notwendig sind, damit überhaupt Tierversuche durchgeführt werden können. Logistik Unter dem Stichwort Logistik sollen nun all die Aktivitäten beschrieben und besprochen werden, die notwendig sind, damit überhaupt eine experimentelle Praxis möglich ist. Die Beobachtung des Forschungsalltags in der Arbeitsgruppe von Herrn Alexiou hat gezeigt, dass das Experiment, also das, was man üblicherweise unter Forschung versteht, erst am Ende eines komplexen und aufwendigen Geflechts organisatorischer und logistischer Arbeit steht. Beschränkt man sich also nur auf die Beschreibung des Experiments, so werden all jene Tätigkeiten unsichtbar gemacht, die dem Experiment vorausgehen und die Bedingungen

44 Bruno Latour spricht hier von »Kompetenzen«, die den Dingen zugeschrieben werden und die durch experimentelle »Performanzen« definiert sind (vgl. Latour 2000b: 148).

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und die Vorraussetzungen des Experiments darstellen. Ich möchte hingegen einige dieser Tätigkeiten herausgreifen und darstellen. Tierstall und Versuchstiere Für die Tierversuche werden Kaninchen verwendet, sog. weiße Neuseeländer. Der Grund dafür, dass Kaninchen als Versuchstiere genutzt werden, liegt zum einen darin, dass sie aufgrund ihrer Größe einfach in der Handhabung sind. Dieser Aspekt spielt gerade auch für den Transport der Tiere vom Tierstall in die Untersuchungslabore der Arbeitsgruppe eine Rolle. Aufgrund ihrer Größe ist es einfach und bequem, sie in entsprechenden Transportboxen zu befördern. Es können sogar mehrere Tiere gleichzeitig transportiert werden. Allerdings dürfen die Versuchstiere auch nicht zu klein sein, weil man sonst schlecht an den Gefäßen der Tiere arbeiten kann. Entsprechend wären Mäuse für die Art von Versuchen, die in der Arbeitsgruppe durchgeführt werden, zu klein. Die Kaninchen werden für Versuchszwecke über einen entsprechenden Anbieter für Versuchstiere bestellt, d.h. diese Kaninchen werden speziell für Forschungszwecke gezüchtet. Untergebracht sind sie im Franz-Penzoldt-Zentrum, einem Tierstall, in dem alle Tiere für Versuchszwecke der unterschiedlichen, medizinischen Forschungseinheiten in Erlangen untergebracht sind. Der Leiter des Zentrums, Herr Jörges, war vormals auch Mitarbeiter der Arbeitsgruppe um Herrn Alexiou. Es besteht hier also ein guter Kontakt zwischen den Mitarbeitern. Der Tierstall ist ca. 10 Gehminuten von der Forschungssektion entfernt. Die Tiere befinden sich in einer sog. »offenen Tierhaltung«. Offen bedeutet, dass die Tiere für Experimente aus dem Tierstall in die jeweilige Arbeitsgruppe geholt werden dürfen, sie müssen aber – über Nacht – wieder in den Tierstall zurückgebracht werden. Im Gegensatz dazu dürfen Tiere aus geschlossener Tierhaltung den Tierstall gar nicht verlassen. Nachdem ein Jahr vor meinem Forschungsaufenthalt in Erlangen ein Virus in den Tierstall eingeschleppt wurde und viele Tiere getötet werden mussten, herrschen sehr strenge Zugangs- und Hygieneregelungen. Daher dufte ich während meines Forschungsaufenthaltes auch nie die MitarbeiterInnen in den Tierstall begleiten, wenn sie dort u.a. den Gesundheitszustand der Tiere kontrolliert, Medikamente verabreicht oder das Tumorwachstum überprüft haben. Erst bei meinem vorletzten Aufenthalt in der Arbeitsgruppe durfte ich zusammen mit Jenny Mann in den Tierstall gehen. Vorraussetzung dafür war, dass ich die entsprechenden Hygienemaßnahmen beachte. Um zu den Tierställen mit den Kaninchen zu gelangen müssen wir in das Untergeschoß des Gebäudes gehen. Bevor man die Tierställe betreten darf, muss man sich mit einer Schutzkleidung ausstatten, bestehend aus kurzärmeligen grünen Oberteilen und langen grünen Hosen. Diese liegen in einer Art Wäsche-

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kammer in Metall-Rollcontainern nach Konfektionsgrößen geordnet bereit. Zum Umziehen geht man dann in einen Umkleideraum, der aussieht wie Umkleideräume, so wie man sie aus Turnhallen kennt. Der Umkleideraum ist vollgestellt mit Schränken und Schließfächern sowie mit Bänken, auf denen zusammengefaltete Kleidungsstücke liegen. Auf dem Boden stehen allerlei Straßenschuhe und Pantoffel aus Kunststoff. In einigen Ecken stehen Tonnen, die für die Wäscherei bestimmt sind und in denen sich getragene Hemden und Hosen stapeln. Jenny und ich ziehen uns um, die Straßenschuhe kann ich anbehalten. Dann gehen wir durch verschiedene Gänge im Untergeschoß des Franz-PenzoldtZentrums. Bevor wir einen weiteren Gang betreten, ziehen wir uns blaue Plastiküberzieher über unsere Schuhe. Wir gehen dann einen weiteren Gang entlang, auf dem sich jeweils auf der linken Seite Türen befinden, in denen bullaugenartige Fenster eingelassen sind. An der ersten Tür hängt ein Zettel, auf dem »Quarantäne« steht. Durch das Bullaugenfenster kann ich in diesen Raum hineinschauen. Er ist abgedunkelt. Es leuchtet lediglich ein dunkelrotes Licht. Links und rechst an der Wand sind kleine Tierkäfige zu erkennen. Diese sind sehr klein, daher vermute ich, dass in diesen Käfigen Mäuse sitzen. An der nächsten Tür ist auf einem Zettel das Wort »Schweine« zu lesen. Ich schaue beim Vorbeigehen hinein. In dem Raum sind jeweils links und rechts die Wand entlang Tierboxen eingerichtet. Die Schweine kann ich jedoch nicht entdecken. Die nächste Tür ist mit der Aufschrift »Schafe« versehen. Auch dieser Raum ist mit Tierboxen ausgestattet, die in diesem Fall leer sind. Die Schafe befinden sich nämlich zu der Zeit im Freigehege, dass man durch Fenster auf der rechten Seite des Ganges sehen kann. In dem Freigehege zähle ich ca. 7-9 Schafe. Die Arbeitsgruppe um Herrn Alexiou arbeitet in der Zeit meines Forschungsaufenthaltes jedoch ausschließlich mit Kaninchen. Daher sind für die Arbeitsgruppe nur die Räume von Belang, in denen die Kaninchen untergebracht sind. Die Kaninchen sind im Franz-Penzoldt-Zentrum auf zwei verschiedene Weisen einquartiert. Die Tiere, die bereits für Versuche gebraucht wurden, sitzen in einem Raum, jeweils einzeln in einem Käfig. Diese Käfige sind links und rechts an den Wänden montiert. Es sind ca. 24 Käfige in einem Raum. Manche dieser Käfige sind leer, aber in den meisten sitzen weiße Kaninchen. Nicht alle diese Kaninchen sind Versuchstiere der Arbeitsgruppe von Herrn Alexiou, sie können auch Versuchstiere anderer Arbeitsgruppen sein. An den Kaninchenkäfigen hängen entsprechend Zettel, auf denen eine Nummer vermerkt ist sowie der Name der Leiterin bzw. des Leiters der Arbeitsgruppe, die mit dem entsprechenden Kaninchen experimentiert. Die Kaninchenkäfige sind ca. einen guten ½ m2 groß. Jeder Stall ist mit einer Gittertür verschlossen. Die Kaninchen sitzen auf hellgrauen Plastikböden, in die Löcher eingestanzt sind. Unter diesen Böden

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liegt eine Platte mit Streu. Hier werden die Hinterlassenschaften der Tiere aufgefangen. Im Käfig gibt es eine Art Haus, in das sich ein Kaninchen verkriechen kann. Lange Zeit waren alle Kaninchen auf diese Art – also Haltung in Einzelkäfigen – untergebracht. Für Tiere, die behandelt wurden sei dies, so wurde mir erklärt, auch eine angemessene Weise, die Tiere unterzubringen. Tiere mit Verletzungen und Wunden würden nämlich von anderen Tieren attackiert. Deshalb gäbe es keine andere Wahl, als sie einzeln in Käfigen zu halten. Während des Jahres meines Forschungsaufenthaltes haben sich jedoch die Richtlinien über die Art und Weise der Unterbringung der Kaninchen geändert, die nicht unmittelbar in Versuche eingebunden sind und unter bestimmten Schutz- oder Quarantänebedingungen gehalten werden müssen. Auch diese neue Art der Unterbringung kann ich mir einmal ansehen. Die Ställe hierfür befinden sich in einem anderen Gang. In dem Raum, den wir dort betreten, sind jeweils links und rechts 4 Kaninchenlaufställe zu finden. Die einzelnen Gehege sind mit ca. 1 m hohen Absperrungen versehen und jeweils mit Gittertüren verschlossen. Der Boden ist mit Stroh bedenkt und es stehen kleine Holzhütten in den Ställen. Nicht alle dieser Ställe sind besetzt. Meist sitzen die Kaninchen in 2-er, 3-er oder 4-er Gruppen ruhig am Boden. Ängstlichere huschen in die Holzhütten, als wir den Raum betreten. Nur in einem Stall rasen 3 kleine Kaninchen wie wild hin und her. Jenny meint, dass dies bestimmt Neuankömmlinge seien, die sich erst noch akklimatisieren und sich an die neue Umgebung gewöhnen müssen. Diese Art der Tierhaltung soll nun dem sozialen Charakter der Tiere mehr entgegenkommen, also den Austausch zwischen Artgenossen ermöglichen. Diese neue Art der Kaninchenhaltung korrespondiert mit Einsichten aus der Verhaltensbiologie, die in Bezug auf das Wohlergehen von Tieren betont, dass die Anwesenheit von Sozialpartnern und die Möglichkeit der Erfahrung sozialer Situationen von großer Bedeutung seien. Dies gälte insbesondere für Säugetiere, denn, so schreibt der Verhaltensbiologe Norbert Sachser: »[…] bei diesen Tieren ist ein großer Teil der täglichen Erwartungen, Handlungsbereitschaften und Verhaltensweisen auf Begegnungen mit Sozialpartnern und den von ihnen hinterlassenen Zeichen, wie beispielsweise Duftmarken, gerichtet.« (Sachser 2009: 3) Der Einfluss von Umweltfaktoren auf das Wohlbefinden von Tieren beschränkt sich jedoch nicht allein auf die Anwesenheit von Sozialpartnern. Auch die Strukturierung des Lebensraumes, welche unter dem Stichwort »Environmental Enrichment« diskutiert wird, könne einen Einfluss auf das Wohlergehen von Tieren haben (ebd.: 10). Unter »Environmental Enrichment« sind Arten der Tierhaltung gemeint, die bemüht sind, dem spezifischen Verhalten von Tierarten entgegenkommen und somit Arten der Unterbringung entgegenstehen, die lediglich auf Kostenaspekte oder auf Fragen der

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Praktikabilität achten (vgl. Baumans 2005). Insbesondere für Labortiere sei eine solche unterstütze Unterbringung, die Verhaltensstörungen entgegenwirken soll, von Bedeutung.45 Ob und inwieweit solche Erkenntnisse und Einsichten zur Änderung der Unterbringung der Kaninchen geführt haben, oder welche Aspekte stattdessen von Relevanz waren, konnte ich während meiner Forschungsaufenthalte leider nicht im Einzelnen nachvollziehen oder verifizieren. Was mir jedoch während meiner Forschungszeit immer wieder begegnete waren Diskussionen in der Arbeitsgruppe darüber, dass es Probleme mit den Versuchstieren gab, die auf die Art der Tierhaltung – also die Einzelhaltung von Tieren – zurückgeführt wurden. Zum einen seien Tiere häufig sehr dick. Dies wurde nicht allein auf das Trockenfutter zurückgeführt, dass im allgemeinen verfüttert wurde und sehr kalorienreich ist, sondern auch auf die mangelnde Bewegung. Die neuen Kaninchenställe bieten demgegenüber die Möglichkeit von Auslauf. Die Tiere können sich hier also mehr bewegen als in den kleinen Einzelställen. Bei den Tieren der Arbeitsgruppe trat mitunter das Problem auf, dass Tiere begannen, an ihren eigenen Pfoten zu nagen. Dies kann physiologische Gründe haben, die nach einer Operation auftreten können. Auf diesen Aspekt werde ich später bei der Beschreibung der Tierversuche noch einmal ausführlich zu sprechen können. In einem Fall gab es jedoch ein Versuchstier, das in der Kontrollgruppe eines experimentellen Settings war und entsprechend eigentlich gar keine Behandlung erhalten hatte. Daher meinte man, für das Anknabbern der Pfote physiologische Gründe ausschließen zu können und ist zu der Ansicht gelangt, dass es auch einfach Langeweile sein könne, die dazu führt, dass sich die Tiere selbst Verletzungen beibringen würden. Da es nun im Tierstall zunächst nicht die Möglichkeit gab, Kaninchen auch in Gruppen zu halten, diskutierte man innerhalb der Arbeitsgruppe die Möglichkeit, im Keller der eigenen Räume eine Art ›Krabbelgruppe‹ für die Tiere einzurichten. Man kann also hier sehen, dass sich innerhalb der Zeit meiner Forschungsaufenthalte die Praxis der Tierhaltung verändert hat. Wie lässt sich nun diese Praxis der Tierhaltung, die ein bestimmtes Verhältnis zwischen Menschen und Versuchstieren zum Ausdruck bringt, soziologisch fassen? Ein Aspekt, der in der Kontroverse zwischen Sozialkonstruktivismus und ANT eine Rolle spielte, war die Frage, ob nicht-menschliche Wesen handeln können (vgl. Collins 1998; Collins/Yearly 1992; Callon/Latour 1992). Harry Collins verteidigt seine Version

45 Die Diskussion von Aspekten der Unterbringung von Versuchstieren zielt natürlich auch darauf ab, aus Tieren ›bessere Versuchstiere‹ zu machen. So ist im Zusammenhang mit dem Testen neuer therapeutischer Verfahren das Wohlergehen der Tiere von Bedeutung, da es für die Genesung förderlich ist.

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des Sozialkonstruktivismus mit der These, dass es eine klare Grenze zwischen Entitäten gäbe, die Sozialität aufweisen und Entitäten, die nicht über sie verfügen. Sozialität (socialness) verbindet er mit Fähigkeiten und Eigenschaften wie ›tacit knowledge‹ und ›collective consciousness‹, oder kurz gesagt: »entities that can follow rules within a form of life« (Collins 1998: 495). Insofern Tiere keinen Regeln folgen, sondern sich nur verhalten, werden sie von Collins als Handlungsträger in einer soziologischen Analyse ausgeschlossen. Mit ihrem Konzept »anthropzoogenetic practice« schlägt Vinciane Despret anstelle einer klaren Trennung vor, das Verhältnis zwischen Mensch und Tier im Sinne einer unbestimmten Verteilung an Handlungsträgerschaft zu verstehen (Despret 2004: 120). Unter »anthropzoo-genetic pracice« versteht sie dann eine Praxis »[…] that constructs animal and human.« (ebd.: 122). Diese Praxis zeichnet sie unter anderem an der Geschichte des ›Klugen Hans‹ nach. Der Kluge Hans war ein Pferd. Sein Besitzer war der ehemalige Lehrer und Mathematiker Wilhelm von Osten. Der Kluge Hans verfügte über die Fähigkeit, auf Fragen, die ihm gestellt wurden, mit Hufklopfen zu antworten. Diese Fähigkeit löste eine große Kontroverse darüber aus, ob das Pferd tatsächlich über diese Fähigkeiten verfüge, oder ob alles nur ein fauler Trick war. Es wurde eine wissenschaftliche Kommission einberufen, die das Tier testen sollte. Hans wurden nun allerlei Rechenaufgaben aufgetragen, die er zum Erstaunen aller Kommissionsmitglieder richtig beantwortete. Was ist nun des Rätsels Lösung? Die Fähigkeiten des Pferdes bestanden nicht in Kenntnissen der Mathematik, sondern es war besonders sensibel und empfänglich gegenüber kleinsten Zeichen und Bewegungen in Mimik und Gestik seines jeweiligen Gegenübers. Diese unwillkürlichen Zeichen machte der jeweilige Fragensteller immer dann, wenn das Pferd das entscheidende richtige Hufklopfen machte. Für Vinciane Despret zeigt die Geschichte des Klugen Hans eindrücklich, wie Handeln in einem beinah unentwirrbaren Geflecht von Körpern, Bewusstsein und Affekten generiert wird. Diese Zusammenhänge werden in der Interaktion von Mensch und Pferd hergestellt, artikulieren sich gleichsam in dieser Interaktion und werden somit sichtbar. »Hans«, so schreibt Despret, »embodied the chance to explore other ways by which human and non-human bodies become more sensitive to each other.« (ebd.: 114) In diesem Geflecht aus Körpern, Bewusstsein und Affekten könne man dann auch nicht mehr genau unterscheiden, wer wen beeinflusst, sondern beide, Pferd und Mensch, sind Ursache und Wirkung gegenseitigen körperlichen Austauschs. Insofern steht der sozialkonstruktivistische Ansatz, so wie ihn Collins formuliert hat, in Frage, wenn hier die Möglichkeit der Teilhabe und Gestaltung sozialer Wirklichkeit nur in der Fähigkeit regelgeleitenden Handelns gesehen wird. So mögen Tiere nicht

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bewusst Regeln folgen, aber sie reagieren auf ihre Umwelt und diese Reaktionen können wiederum Einfluss auf menschliches Handeln nehmen. In meinem Untersuchungsfall sind es ebenso körperliche Anzeichen, die einen Effekt darauf haben, dass man sich Gedanken über die Art der Haltung der Kaninchen macht. Das Verhältnis von Mensch zu Versuchstier ist in dieser Hinsicht also kein festgelegtes Verhältnis, in dem handlungsunfähige Tiere dem Willen eines handlungsfähigen Menschen ausgeliefert sind. Auch hier finden wir eine affektuelle Beziehung zwischen Tier und Mensch, die sich über Zeichen des Körpers artikuliert. Dies führt letztlich dazu, dass sich Gewohnheiten und Regeln ändern und sich das Verhältnis zwischen Tier und Mensch, was die Bedeutung einer artgerechten Haltung der Versuchstiere anbelangt, neu bestimmt. Die ANT kann ohne Probleme an eine solche Perspektive anschließen. Das Verhältnis zwischen Mensch und Tier ist nicht durch die Zuweisungen bestimmter Eigenschaften und Charakteristika a priori vorbestimmt, sondern die jeweiligen Identitäten sind ein Effekt bestimmter Relationen. Das, was jeweils den Menschen und das Tier ausmacht, ist nur empirisch zu bestimmen, denn es wird durch Praxis hergestellt (vgl. Law/Lien 2012). Man muss zwar konstatieren, dass diese Grade an Widerstand, so wie im eben genannten Beispiel, in der tierexperimentellen Praxis, gerade im Bereich der Medizin, eher gering ausfallen. Radikal formuliert kann man sagen, dass es für Versuchstiere kaum eine andere Artikulationsform gibt als zu sagen, dass das Experiment gelungen ist, oder auch nicht. Dieses Urteil wird aber nicht ganz meinen Beobachtungen und Erfahrungen gerecht. In der Beobachtung der Praxis zeigte sich mir ein differenzierteres Bild. Dass es Unterschiede gibt, war bspw. selbst für mich als Beobachterin erfahrbar. Ob ein Versuchstier noch lebendig war, unter Narkose lag, oder schon tot war, markierte für mich einen zentralen Unterschied als Beobachterin. Oft habe ich die noch lebenden Kaninchen, wenn sie in ihrer Box saßen und auf die jeweilige Behandlung warteten, gestreichelt. Zu Tieren hatte ich bislang nur einen »lebensweltlichen« Zugang (Schütz/Luckmann 1979), der durch Haustiere geprägt ist, die man um sich hat. Dabei vergisst man, dass Tiere in ganz unterschiedlichen Kontexten zu finden sind (vgl. Birke/Arluke/Michael 2007). Die Haltung von Tieren als Nutztiere kann hier bspw. genannt werden. Je unterschiedliche Umstände setzen Mensch und Tier in je unterschiedliche Verhältnisse zueinander. Die lebendigen Tiere entsprachen nun meinen alltäglichen Erfahrungen. Hier eine ›Distanz zu meinem Beobachtungsgegenstand‹ herzustellen viel mir recht schwer. Bei narkotisierten Tieren fiel mir die Distanzierung schon leichter. Auch dies hat wiederum mit einer emotional-affektuellen Verbindung mit den Tieren zu tun. So assoziiert man mit der Narkose, dass Gefühle und somit auch Leid und Schmerz aufgehoben sind. Daher fiel mir die Beobachtung bei

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getöteten Tieren auch am leichtesten, denn in diesen Fällen war es sicher, dass die Tiere keinen Schmerz mehr empfinden können. Die Ethnografie stellt dabei eine Methode dar, die solche affektuellen Verbindungen zu ihrem Forschungsgegenstand nicht kategorisch ausschließt. Im Gegenteil, für Malinowski stellen Gefühle und das Teilen von Gefühlen eine Informationsquelle zum Verständnis seiner Forschungsobjekte dar (vgl. Lotter 2000: 177). Affektuelle Teilhabe kann somit als ein Instrument innerhalb der teilnehmenden Beobachtungen betrachtet werden, ein Instrument, das bestimmte Dinge artikulieren kann. Dieser Bezug auf Affekte stellt ganz deutlich die Vorstellung der Ethnografin als unabhängige Beobachterin in Frage und macht stattdessen auf das Involviert-sein aufmerksam. Es zeigt sich zudem, dass dieses Involviert-sein auf ganz unterschiedliche Weise stattfinden kann, sich also nicht allein auf die körperliche Anwesenheit oder den verbalen Austausch beschränkt sein muss. Diese Form des affektuellen Involviert-seins beinhaltet nun eine spezifische Möglichkeit, den Dingen eine Stimme zu geben. Etwas, dass stumm ist, wird durch die ethnografische Erfahrung versprachlicht (vgl. Hirschauer 2001: 445 f.). Die Ethnografin wird, um es in den Worten von Michel Callon zu sagen, zur ›Fürsprecherin‹ stummer Akteure (Callon 1986). Affektuelle Teilhabe stellte jedoch nicht nur ein Instrument meiner Beobachtung dar, sondern war auch Teil der von mir beobachteten Praxis. Es gab Begebenheit und Momente, wo sich eine emotional-affektuelle Verbindung zwischen ExperimentatorInnen und Versuchstieren ausmachen ließen. So streichelte ein Mitarbeiter einem Kaninchen sanft über die Augen, als ihm eine Dosis von Narkosemittel verabreicht wurde, dass das Kaninchen töten sollte. Eine Mitarbeiterin erzählte von einer schlaflosen Nacht, weil sie sich Sorgen um ein Versuchstier machte, bei dem es am Vortag bei der Behandlung Probleme gab. Ein Mitarbeiter fragt seine Kollegin, ob sie wirklich zur Verabreichung einer Injektion eine so große Nadel verwenden muss, sie müsse doch von sich selbst kennen, wie unangenehm eine solche große Nadel sei. Ein Experiment wurde gleich zu Beginn wieder abgebrochen, weil man das Ohr eines Kaninchens, das noch nicht in Narkose lag, bei dem Versuch einen intravenösen Zugang zu legen schon zu sehr zerstochen hatte, so dass man keinen weiteren Versuch unternehmen wollte. Während meiner Aufenthalte und in Gesprächen wurde mehrmals thematisiert, dass man sich darüber bewusst sei, dass man den Tieren ›Leid‹ zufüge. Daraus wurde gleichsam eine Verantwortung für die Tiere abgeleitet. Diese Verantwortung manifestierte sich z.B. darin, dass man Ferien und Wochenenden ›opferte‹, wenn es nötig war, um nach dem Befinden der Tiere zu schauen. Zu dieser Verantwortung gehörte auch, dass man Tiere tötete, bei denen keine Chance auf Heilung bestand, um so die Tiere keinem ›unnötigen Leiden‹ auszusetzen. Han-

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deln wird hier also in der Verbindung von empfindsamen und leidensfähigen Körpern vermittelt. Es lassen sich jedoch auch Strategien beobachten, deren Ziel es ist, diese emotionale Verbindung mit den Tieren und den persönlichen Bezug zu ihnen zu minimieren, um schließlich wissenschaftlich mit ihnen arbeiten zu können. Eine dieser Strategien, die vielfach im Umgang mit Versuchstieren zu Einsatz kommt, ist die Kennzeichnung der Tiere mit Nummern anstatt mit Namen. Solche Objektivierungen machen es dann bspw. auch möglich, dass man Tiere, die sich wehren, festhält, damit man ihnen Injektionen verabreichen kann. Für mich als Beobachterin wurde die Distanzierung vor allem durch die Regelmäßigkeit der stattfindenden Versuche hergestellt. Die Versuche waren in der Lebenswelt das Labors Routine und Standard und in der alltäglichen Praxis eine Selbstverständlichkeit. Für mich wurde diese Selbstverständlichkeit durch die Routinisierung in der alltäglichen Praxis auch immer mehr erfahrbar. Hier zeigt sich, dass es nicht nur ein Verhältnis zwischen Mensch und Tier gibt, sondern das In-Verhältnis-Gesetzsein kann sich unterscheiden. In spezifischen, situativen Praktiken werden unterschiedliche, performative Verhältnisse zwischen Mensch und Tier hergestellt (Law/Lien 2012). Das Verhältnis zwischen Mensch und Versuchstier als reines Machtverhältnis zu sehen, in dem der Experimentator uneingeschränkt Macht über sein Versuchstier besitzt, ist auch deshalb keine angemessene Beschreibung, weil diese vergisst, dass tierexperiementelle Praxis nicht allein im Verhältnis von Mensch und Tier gedacht werden kann, sondern diese ist eingebettet in eine materiale Praxis. Es sind weitere Dinge nötig, damit Experimente an Tieren durchgeführt werden können. Und diese Dinge sind wiederum durch und durch heterogen. Dazu zählen Tierversuchsanträge, die gestellt und genehmigt werden müssen, dazu gehören gesetzliche Bestimmungen, die festlegen, welche Art von Experimenten mit welcher Art von Tieren durchgeführt werden dürfen, dazu zählt eine spezielle Zucht von Labortieren, es Bedarf der Organisation der Haltung dieser Tiere in entsprechenden Einrichtungen und nicht zuletzt all die Materialien und Instrumente, die vor Ort während des Tierversuches zum Einsatz kommen. Erst in der Verbindung dieser heterogenen Elemente werden Menschen zu Tierexperimentatoren und Tiere zu Versuchstieren. Durch ›Nano‹, als neue Technologie, werden Menschen und Tiere nun wiederum in ein neues, spezifisches Verhältnis zueinander gesetzt. Zwar ist mit ›Nano‹ vielfach der Anspruch verbunden, Tierversuche zu reduzieren oder diese gar zu ersetzen. Tatsächlich ist es – und das betrifft insbesondere den Bereich der Nanomedizin – nicht zu einer merklichen Verminderung von in-vivo Model-

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len gekommen (vgl. Ferrari 2009).46 Insofern wird durch eine neue Möglichkeit medizinischer Therapie ein neuer Bedarf an tierexperimentellen Tests erzeugt. Doch handelt es bei diesen Tests nicht um etablierte und standardisierte Verfahren, denn neue Therapieformen gehen mit einer neuen Definition von Krankheit, Leben und Tod einher. Insofern kommt es im Hinblick auf dieses neue Verständnis ebenso zu einer Transformation von Körpern. Zudem stellen Tierexperimente nur einen Zwischenschritt zu einer Anwendung am Menschen dar. Der Tierorganismus übernimmt hier in der Form präklinischen Tests eine Übersetzungsfunktion auf dem Weg zur Anwendung in der Klinik. Tiertransport Um mit den Tieren zu arbeiten, müssen sie zunächst aus dem Tierstall geholt werden. Der Transport der Versuchstiere stellt einen Aspekt von Organisation und Logistik dar, den die Arbeitsgruppe zu bewältigen hat. Meist fährt Stefan Lyer mit seinem Privat-PKW zum Tierstall und bringt die Tiere mit, die jeweils einzeln in Plastik-Tierboxen transportiert werden. Hin und wieder habe ich erlebt, dass im Tierstall zu wenig Tiertransportboxen frei waren, da ja auch andere Arbeitsgruppen für den Transport ihrer Tiere solche Boxen benötigten. So konnte es vorkommen, dass man weniger Tiere in die Arbeitsgruppe holen konnte, als geplant. Unter Umständen bedeutete dies aber auch, dass man mehrmals am Tag zwischen Tierstall und Laborgebäude hin und her fahren muss. Für die Versuche wurden die Kaninchen häufig betäubt. Bevor sie dann jedoch wieder zurück in den Tierstall gebracht werden konnten, mussten sie auch wieder wach sein. Wann die Tiere aufwachen, konnte dabei nicht genau geplant werden, denn die Narkosemittel konnten ihre Wirkung bspw. von Tier zu Tier verschieden stark entfalten. Das konnte mitunter unerwünschte Wartezeiten bedeuten. Manchmal kollidierten diese Wartezeiten mit privaten Verpflichtungen und Arrangements. Einige MitarbeiterInnen hatten Kinder, die zu einer bestimmten Zeit vom Kindergarten abgeholt werden mussten. In einem solchen Fall konnte es dann vorkommen, dass der jeweilige Mitarbeiter den Arbeitsplatz verließ und später wieder zurückkam, während ein anderer Mitarbeiter in der Zwischenzeit ein Auge auf die Tiere hatte. Man musste sich also in solchen Momenten nicht nur gut innerhalb der Arbeitsgruppe absprechen und organisieren, sondern mithin musste auch das Privatleben in Bezug auf die Forschungstätigkeit ausgerichtet werden. Das erfordert dann nicht nur das persönliche Engagement der Mitarbeiter, son-

46 Dies soll über das Verständnis von Phänomenen auf der atomaren und molekularen Ebene ermöglicht werden, denn diese, so die Überzeugung, machten Untersuchungen in Studienorganismen obsolet.

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dern auch eine gute Absprache mit Kollegen und mitunter auch das Verständnis von Familienangehörigen. Engagement und Verständnis sind aber nicht nur in Bezug auf den Aspekt des Tiertransportes von Belang, sondern sind auch von Bedeutung, was das Verfahren der Bildgebung betrifft. Ich hatte schon gesagt, dass das Bildgebungsverfahren eng verkoppelt ist mit den Versuchen im Tiermodell. Daher musste auch dies stets gut geplant und vorbereitet werden. Neuroradiologie Für die Tierversuche ist die Organisation der Bildgebung von entscheidender Bedeutung. Die Bildgebung muss vor jeder Tier-OP durchgeführt werden. Das bildgebende Verfahren, das hier nun zum Einsatz kommt, ist die Angiografie. Unter Angiografie versteht man die Darstellung von Gefäßstrukturen mithilfe diagnostischer Bildgebungsverfahren, wie z.B. Röntgen oder Magnetresonanztomografie. Hierbei werden sog. Kontrastmittel in die Gefäße injiziert. Die auf diese Weise gefüllten Gefäße werden dann auf dem Röntgenbild sichtbar (vgl. Roche 2003). Für die Arbeitsgruppe ist dieses Verfahren von großer Bedeutung, da es Informationen über die jeweilige Gefäßstruktur eines Tieres liefert. Die Arbeitsgruppe nutzt in ihrem Therapieverfahren, wie schon beschrieben, die Gefäßstruktur auf eine bestimmte Art und Weise. Durch die Bildgebung soll dann nicht nur die Gefäßstruktur selbst sichtbar gemacht werden, sondern auch die Lage des jeweiligen Tumors innerhalb der Gefäßstruktur. Die Bildgebung soll somit auch Aufschluss darüber geben, welche Gefäße den Tumor auf welche Art und Weise versorgen. Nur durch dieses Wissen kann dann eine zielgerichtete Applikation der therapeutischen Nanopartikel erfolgen, d.h. konkret, der Katheter zur Applikation der Nanopartikel kann exakt in Tumornähe platziert werden. Bevor die Arbeitsgruppe über ein eigenes Angiografiesystem verfügte, wurde die Bildgebung in der neuroradiologischen Abteilung der Uniklinik Erlangen gemacht. Die Arbeitsgruppe für experimentelle Neuroradiologie um Herrn Prof. Arnd Dörfler ist diesbezüglich ein wichtiger Kooperationspartner für die nanomedizinische Forschung. Die Termine für die Bildgebung zu Forschungszwecken muss hier nun mit dem Belegplan der Klinik abgestimmt werden, denn, so sagt mir ein Mitarbeiter der Arbeitsgruppe für experimentelle Neuroradiologie im Interview, Patienten haben immer Vorrang. Entsprechend muss also Forschungszeit in patientenfreie Zeiten gelegt werden, d.h. meist handelt es sich dann um Termine am frühen morgen, zwischen 6.00 und 7.00 Uhr, bevor der Klinikalltag beginnt, oder am Nachmittag, frühestens ab 16 Uhr, wenn der Klinikverkehr beendet ist, oder, so der Mitarbeiter:

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»[…] durchaus auch am Wochenende.« [Interview 9/2011]

Forschung, so kann man hier sehen, kann also bedeuten, dass man keinen stabilen, geregelten Arbeitstag im Sinne eines Nine-to-five-Jobs hat, sondern Forschung ist hier mit einem flexiblen Umgang mit Arbeitszeit verbunden. Dies beinhaltet auch entsprechende Anforderungen, wie bspw. das ›Opfern‹ eines Wochenendes zu Forschungszwecken. Für die Mitarbeiter heißt das dann auch, ihr Berufs- und ihr Privatleben jenseits festgelegter, verlässlicher Arbeitszeiten zu strukturieren und zu organisieren. Mitunter verlief die Planung von Forschung auch sehr kurzfristig. So berichtet mir der Mitarbeiter der Neuroradiologie: »Im optimalen Fall haben wir ne Vorlaufzeit von ein paar Tagen, dass wir wissen, wann wir Kaninchen, in dem Fall, messen mussten. Es kam aber auch schon vor, dass in der Früh angerufen wurde und quasi die Nachfrage kam, geht’s heut Abend? « [Interview: 9/2011]

Er fügt hinzu: »Und wenn’s recht kurzfristig ist, es laufen natürlich auch Patientenstudien und wie es so schön heißt, wer zuerst kommt malt zuerst.« [Interview 9/2011]

Die Aushandlung von Terminen muss sich also nicht allein mit dem Klinikbetrieb arrangieren, sondern steht auch in Konkurrenz zu anderen Forschungsprojekten, die ebenfalls die jeweiligen Geräte zu Forschungszwecken nutzen. Zu diesem Zweck existiert ein Belegungsplan, der für die Mitarbeiter der Klinik einsehbar ist und der die Terminplanung regelt. Nun mag es eine Eigenschaft von Forschern sein, dass sie neugierig und experimentierfreudig – im wahrsten Sinne des Wortes – sind und gern etwas ausprobieren, also nicht nur ihre Messungen stur nach Plan durchführen. So lautete einer der Lieblingssätze von Stefan Lyer: »Ich hab da mal eine Idee.« Diese Ideen münden mitunter in neue Projekte. Um diese jedoch konkretisieren und realisieren zu können, bedarf es manchmal bestimmter Informationen. Messungen, die sowieso anstehen, werden dann gerne genutzt, um diese Informationen zu generieren. In Bezug auf das Zeitmanagement meint dann Stefan: »Und das ist dann sowieso schon Abend, dann ist eh wurscht, wenn man ehrlich ist, ob ich dann um neun oder um zehn heim komm, hm.« [Interview 3/2010]

Er sagt aber auch dazu:

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»[…] das muss ich dann nur mit meiner Frau ausdiskutieren. [lacht]« [Interview 3/2010]

Forscherleben und Familienleben sind hier also eng miteinander verknüpft, sie sind nicht mit festen Tageszeiten verbunden, sondern müssen jeweils ausgehandelt und gestaltet werden. Als Ergebnis kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass durch die Notwendigkeit der Kooperation mit der neuroradiologischen Abteilung des Universitätsklinikums zu Zwecken der Bildgebung die Arbeitsgruppe, was den Aspekt der Forschungsplanung und -organisation anbelangt, bestimmten Bedingungen unterworfen ist. Die Forschungskooperation bedeutet, dass sich die Arbeitsgruppe mit den institutionellen Rahmenbedingungen der Klinik arrangieren muss, welche vorsehen, dass der Klinikbetrieb gegenüber der Forschung eine höhere Priorität hat.47 Die Planung steht weiterhin in Konkurrenz zur Planung anderer Forschergruppen, die für ihre Forschung ebenfalls die entsprechenden Geräte nutzen. Ein großer Schritt in Bezug auf die Erleichterung von Koordinationsund Planungsprozessen der Forschung, der insbesondere Abstimmungsprozesse mit der Klinik obsolet machte, war die Installation einer eigenen CT-Anlage (das sog. Angiografiesystem Artis zee in Verbindung mit der Bildgebungsapplikation Dyna CT) innerhalb der Arbeitsgruppe. Diese steht dann der Arbeitsgruppe nicht nur jederzeit zur Verfügung, sondern sie ist auch zu reinen Forschungszwecken installiert. Finanziert wurde diese Ausstattung u.a. durch die Spitzenclusterförderung »Exzellenzzentrum für Medizintechnik« durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, in Kooperation mit einem Partner aus der Industrie. Die für die Tierexperimente notwendigen Verfahren der Bildgebung lassen sich nun prinzipiell jederzeit realisieren. In zeitlicher Perspektive bedeutet dies eine mögliche Beschleunigung von Forschung. Im Hinblick auf die Beschreibung nanomedizinischer Forschung soll mithilfe solcher Beschreibungen logistischer Aspekte der Organisation von Forschung darauf hingewiesen werden, dass Forschung sich nicht allein als experimentelle Praxis und Wissenspraxis beschreiben lässt. Die Beobachtung nanomedizini-

47 Wenn ich hier von institutionellen Rahmenbedingungen spreche, dann benutze ich eine Abkürzung, indem ich auf eine Kollektivität Bezug nehme, die bereits versammelt ist. In diesem konkreten Fall haben wir es mit einer Versammlung zu tun, die das Verhältnis von Forschung und Klinik regelt. Diese Regelung, die bspw. in den Statuten der Klinik festegelegt ist, stellt eine black-box dar, es ist etwas, das akzeptiert ist und nicht immer wieder neu verhandelt werden muss. Es bedarf jedoch solcher Hilfsmittel wie Belegungspläne, die diese Regelung aktualisieren und damit realisieren.

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scher Forschung in Erlangen macht deutlich, dass sich Forschung durch spezifische Praktiken (Möglichkeiten, aber auch Hindernisse) kollegialer bzw. institutioneller aber auch familiärer Organisation charakterisieren lässt. Hier kann man nun sehen, dass Wissenschaftler vielfältige Überzeugungsarbeit leisten müssen. Einmal eine Form von Überzeugungsarbeit, wie ich sie im Hinblick auf immutable mobiles beschrieben hatte und die sich vor allem auf die experimentelle, repräsentationale Praxis bezog. An dieser Stelle finden wir Überzeugungsarbeit, die der experimentellen Praxis vorausgeht, bzw. sie begleitet. Diese Überzeugungsarbeit lässt sich nun dadurch charakterisieren, dass unterschiedliche Interessen und Ziele unterschiedlicher Institutionen zu einem neuen gemeinsamen Interesse und einem neuen gemeinsamen Ziel zusammengeführt werden müssen. Erst wenn diese Art der Überzeugungsarbeit erfolgreich geleistet wurde, kann sich die weitere Überzeugungsarbeit – bspw. in der Form bestimmter Forschungsergebnisse – anschließen. Dieser Aspekt, der die Vorraussetzungen und Bedingungen experimenteller Praxis betrifft, findet sich auch in einem weiteren Planungsschritt, der mit der Organisation der Tierexperimente einhergeht und auf den ich nun zu sprechen komme. Physikalisch-Technische Bundesanstalt Um beurteilen zu können, ob eine Therapie erfolgreich war, kann man natürlich beobachten, ob der Tumor bei einem Tier zurückgeht, das Tier also geheilt werden konnte. Dies kann u.a. ebenfalls über bildgebende Verfahren verfolgt und kontrolliert werden. Die Arbeitsgruppe verwendet jedoch noch weitere Methoden, welche die Parameter und Wirkungsweisen der Therapie sichtbar und nachvollziehbar machen sollen. Dazu zählen u.a. Bioverteilungsstudien. Diese werden maßgeblich in der Arbeitsgruppe selbst, von der chemisch-technischen Assistentin Eveline Schreiber, durchgeführt. In diesen Studien wird die Konzentration und Verteilung des Chemotherapeutikums, das in der Therapie zur Anwendung kommt, im Tumor, aber auch in den verschiedenen Organen eines Tieres bestimmt (vgl. Alexiou 2003). Diese Studien werden an Tumoren und Organen durchgeführt, die jeweils einem getöteten Tier entnommen wurden. Um hier einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, bedarf es in diesem Fall nur Abstimmungsprozesse innerhalb der Arbeitsgruppe selbst. Es kommen jedoch noch weitere Messverfahren zum Einsatz, die dann auch für die Koordination der Tierversuche von größerer Bedeutung sind, da diese mit einem größeren logistischen Aufwand verbunden sind. Dazu zählt die Methode der Magnetrelaxometrie, einem Bioanalyseverfahren zur Quantifizierung der Nanopartikel. Diese Methode kommt in der Arbeitsgruppe um Herrn Alexiou im Rahmen eines von der DFG geförderten Projektes in Kooperation mit der Physi-

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kalisch-Technischen Bundesanstalt in Berlin zum Einsatz. Auch bei dieser Methode nutzt man die magnetischen Eigenschaften der Nanopartikel. Bei der Magnetrelaxometrie werden die Nanopartikel kurz aufmagnetisiert. Mittels hoch empfindlicher Magnetfeldsensoren, sog. Squids (superconducting quantum interference device; dt. supraleitende Quanteninterferenzeinheit), wird die Relaxation der magnetischen Momente der Partikeln in ihren Ausgangszustand beobachtet (vgl. Plank u.a. 2007). Die Amplitude des Relaxationssignals wird dabei als quantitatives Maß für die Menge bzw. Konzentration magnetischer Nanopartikel gelesen (ebd.). An der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Berlin stehen dann nicht nur die entsprechenden Messgeräte für diese Methode zur Beurteilung der Effektivität und Wirkungsweise des Therapieverfahrens mittels magnetischer Nanopartikel zur Verfügung, sondern hier wurde ein spezielles Magnetrelaxometer in Form eines Zylinders entwickelt, das es erlaubt, die Messmethode an Kleintieren wie Kaninchen durchzuführen.48 Dieses Verfahren ist auch so etabliert, dass die Messungen in vivo durchgeführt werden können, d.h. es ist nicht länger notwendig, Tiere zur quantitativen Bestimmung der Nanopartikel zu töten. Das bringt den Vorteil mit sich, dass Messungen zu unterschiedlichen Zeiten durchgeführt werden können und damit Aussagen zu verschiedenen Zeitpunkten ermöglicht werden, die als Verlaufskontrollen interpretiert werden können (vgl. Alexiou u.a. 2007). Auch im Sinne der Vermeidung zu vieler Tierversuche ist dieses Verfahren positiv zu werten, denn die Tiere bleiben am Leben. Man kann an diesen Tieren dann außerdem den weiteren Verlauf der Therapie beobachten. Wie erwähnt, finden diese Messungen nun in Berlin statt. Der übliche Ablauf der Tierexperimente sieht vor, dass die Quantifizierung der Nanopartikel ein Tag nach dem experimentellen Eingriff, also der Applikation der therapeutisch beladenen Nano-Partikel, erfolgt. Stefan Lyer fährt dann mit seinem PKW und den in Tierboxen verstauten Kaninchen meist sehr früh am morgen nach Berlin, dort werden dann die Messungen durchgeführt, so dass Stefan am selben Tag zurück nach Erlangen fahren kann. Bei der Terminkoordination muss sich hier jedoch die Arbeitsgruppe mit den Forschungsaktivitäten der Berliner Kooperationspartner abstimmen, so dass, ähnlich wie bei der Forschungsplanung in Zusammenarbeit mit der Neuroradiologie, nicht jederzeit die Möglichkeit besteht, die eigene Forschung voranzutreiben. In der Zeit meines Forschungsaufenthaltes ist zudem der Fall eingetreten, dass das entsprechende Messgerät gewartet wurde und da-

48 Vgl. hierzu: http://www.ptb.de/cms/presseaktuelles/zeitschriften-magazine/ptb-news/ ptb-news-ausgaben/ptb-news/news08-1/magnetische-nanoteilchen-fuer-die-krebsthe rapie-geeignet.html

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her etwa einen Monat lang überhaupt keine Messungen durchgeführt werden konnten. Da die Tierversuchsreihen jedoch innerhalb eines bestimmten, im Tierversuchsantrag angegebenen Zeitraums, durchgeführt und abgeschlossen werden müssen, entstand hier ein gewisser Termindruck. Die Erlanger Forschung ist hier also wiederum abhängig von den Kapazitäten ihrer Kooperationspartner. Wichtig ist hierbei auch zu sehen, dass die Organisation von Forschung nicht nur eine rein menschliche Angelegenheit ist, sondern, dass dabei auch Technik und Geräte eine Rolle spielen. Im Falle der Magnetrelaxometrie ist es ein Messgerät, das zu einem zentralen Akteur bei der Frage wird, ob Forschung stattfinden kann oder nicht. Die Forschung kann sich hier nur in der Verknüpfung mit diesem Gerät realisieren, und wenn dieses »streikt« (vgl. Latour 1996c), kann diese Form von Forschung nicht stattfinden. Herstellung therapeutischer Nanopartikel und Analytik Damit die Tierexperimente durchgeführt werden können, müssen entsprechend präparierte Partikel hergestellt werden, so dass für die Operation therapeutische Nano-Partikel zur Verfügung stehen. Für diese Arbeit ist Eveline zuständig. Um zu zeigen, inwiefern die Partikelherstellung im Rahmen der Planung der Tierexperimente eine Rolle spielt, welche forschungsorganisatorischen Aspekte hier also zum Vorschein kommen, möchte ich aus einem meiner Beobachtungsprotokolle zitieren, um eine konkrete Situation zu schildern: »Als Stefan und Gabi aus dem Tierstall kommen berichten sie, dass die Tumore schon so groß seien, dass die Tiere behandelt werden müssen. Stefan will dazu zuerst mit Berlin telefonieren und erfragen, ob es möglich sei, in den nächsten Tagen mit den Tieren für eine Untersuchung vorbei zu kommen. Geplant sei, die Tiere am nächsten Tag zu operieren und am übernächsten Tag nach Berlin zu fahren. Allerdings ist dieser Plan sehr knapp, denn am Vormittag des nächsten Tages findet eine Brandschutzübung statt, so dass am Vormittag auch kein Laborbetrieb ist. Auch für Eveline wird es jetzt ein bisschen stressig, da sie jetzt noch schnell Partikel mit MTO [Chemotherapeutikum] beladen muss, da sie ja eben am nächsten Morgen nicht dazu kommt. Stressig ist dies deshalb, weil Eveline nicht nur die Partikel mit dem Medikament beladen muss, sondern auch eine vollständige Analytik durchführen muss. Wenn die Beladung nicht gut funktioniere, dann müsse sie nicht nur die Beladung, sondern auch die gesamte Analytik wiederholen. Für die Beladung benutzt sie eine neue Charge von Partikeln. Hier habe sie versuchsweise schon mal eine Beladung mit MTO gemacht, war hier aber mit den Ergebnissen nicht hundertprozentig zufrieden. Die Beladung habe mit der Charge davor besser geklappt. Man möchte aber nicht mehr die alten Partikel verwenden, da die Vermutung bestehe, dass alte Partikel auch schneller kollabieren.« [Erlangen, 20.06.2011]

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Die Partikel werden chargenweise in einem Verfahren der Nasschemie hergestellt.49 Ein gewisser Vorrat an Rohpartikeln ist auf diese Weise stets vorhanden. Vor einer Operation müssen diese jedoch noch mit dem Medikament, also einem Chemotherapeutikum, beladen werden. Dieses Beladen kann nur relativ zeitnah vor einer Operation stattfinden, da das Medikament auch nur eine bestimmte Zeit an den Partikeln gebunden bleibt. Neben dieser Beladung der Partikel gehört gleichzeitig noch eine Analytik, die stets nach jeder Beladung durchgeführt wird. Hier werden die Partikel in Bezug auf bestimmte Parameter, auf die ich auch noch im Einzelnen zurückkommen werde, analysiert. Diese Analyse ist wichtig, um partikelspezifische Parameter zu generieren, anhand derer das Gelingen bzw. Nicht-Gelingen einer Therapie bemessen und beurteilt werden kann. Dies sind dann gleichsam Parameter, die man in Bezug auf eine Veränderung bzw. Verbesserung der Therapie verändern kann. Ein Beispiel dafür, dass einzelne Aspekte der Therapie grundsätzlich veränderlich sind, kann man in der zitierten Passage finden: Es gibt Partikelchargen, an denen das Medikament besser anbindet und wiederum andere, bei denen die Medikamentenanbindung nicht so gut gelingt. Bemessen wird dies dadurch, dass der Gehalt an Medikament bei den beladenen Partikeln bestimmt wird und ins Verhältnis zu dem Volumen an Medikament gesetzt wird, das insgesamt den Partikeln zugegeben wurde. Die Bestimmung des Medikamentengehaltes ist dann ein Parameter der Analytik, der stets durchgeführt und festgehalten wird. Die Vorbereitung der Partikel und die dazugehörige Analytik nehmen ein paar Stunden in Anspruch. Das Zitat aus dem Beobachtungsprotokoll zeigt jedoch, dass diese Verfahren nicht immer gelingen, was eine Wiederholung der gesamten Prozedur bedeutet. So werden bspw. Partikel verworfen, wenn zu wenig Volumen des Medikamentes an die Partikel gebunden werden konnte. Diese wären für das Experiment und für die Behandlung nicht geeignet, denn man müsste Tieren dann ein größeres Volumen an Partikeln verabreichen, um die therapeutisch benötigte Menge an Medikament zu transportieren. Wenn jedoch ein zu großes Volumen an Partikeln verabreicht wird, besteht die Gefahr, dass die Gefäße verstopfen. Partikel und Medikament müssen also in einem entsprechenden Verhältnis stehen, damit diese für die Tierexperimente genutzt werden können. Das Zitat zeigt zudem, dass diese Prozesse der Partikelsynthese und Analytik mitunter auch mit anderen Verpflichtungen – in diesem Fall einer Brandschutzübung – kollidieren können, die die MitarbeiterInnen der Arbeitsgruppe entsprechend in Anspruch nehmen. Hier kann man nun wiederum sehen, dass Forschung kein linearer, planbarer Prozess ist, sondern der Koordination und Ge-

49 Auf die Herstellung der Rohpartikel werde ich in Unterkapitel 6.2.1 eingehen.

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staltung bedarf. Vor dem Hintergrund, dass ein Erfolg solcher Koordinationsprozesse in keiner Weise gegeben ist, lässt sich Forschung als kontingent charakterisieren. Diese Kontingenz beruht nun aber nicht allein auf der Notwendigkeit, sich mit Kollegen und Kooperationspartner zu arrangieren und abzusprechen. Sie ist auch auf der stofflichen Ebene zu finden. Am Beispiel der Magnetrelaxometrie hatte ich schon darauf hingewiesen, dass auch nicht-menschliche Akteure integraler Bestandteil für das Funktionieren von Forschung sind. Dieses Argument möchte ich nun noch einmal aufnehmen und ausführlicher anhand von zwei Beispielen ausführen. Stoffliche Kontingenz Der Bezug zu stofflicher Kontingenz, also Unsicherheiten, die auf Objektebene zu beobachten sind, ergibt sich aus der generellen Perspektive meiner Untersuchung, nämlich wissenschaftliche Praxis nicht als Praxis aufzufassen, die durch ›soziale Faktoren‹ bestimmt wird (vgl. z.B. Whitley 2000, Collins 1985).50 Ich möchte zeigen, dass die Praxis im Labor nicht adäquat beschrieben werden kann, wenn stofflich-materiale Aspekte und nicht-menschliche Akteure bei der Rekonstruktion nanomedizinischer Forschungspraxis analytisch ausgeschlossen werden. Daher möchte ich mich diesen Aspekten hier ganz konkret zuwenden. Inwieweit nicht-menschliche Akteure bei der Planung und Durchführung der Forschung in Erlangen eine Rolle spielen, möchte ich nun anhand zweier Beispiele illustrieren. Beide Beispiele können ebenfalls dem oben zitierten Ausschnitt aus dem Beobachtungsprotokoll entnommen werden. Das erste Beispiel bezieht sich auf die Unsicherheit, ob die Partikelbeladung – also die Anbindung eines Therapeutikums – gelingt oder nicht. Zwar stellt die Partikelbeladung ein standardisiertes Verfahren dar, was bedeutet, dass man bei solchen Verfahren nach Herstellungsprotokollen und Messvorschriften arbeitet, doch Eveline berichtet mir, dass man nie genau mit den gleichen Mengen und Volumina arbeiten könne, wie sie bspw. in einer Methodenvorschrift angegeben sind. Dies hat seinen Grund darin, dass z.B. durch Pipettieren Volumen verloren ginge oder durch Umschütten von Flüssigkeiten immer auch Rückstände in den Bechergläsern blieben. Auch wenn Verfahren standardisiert sind, so laufen sie aus den eben genannten Gründen nicht immer gleich ab. Dieser Unterschied zwischen Methodenvorschrift und tatsächlicher experimenteller Praxis lässt sich im Sinne von Annemarie Mol und Marc Berg (1994) als ein spezifisches Verhältnis von »principle and practice« beschreiben. Im Beispiel der Partikelsynthese lässt sich dabei die Vorschrift ge-

50 Vgl. Unterkapitel 4.2 sowie 4.3.

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genüber der Praxis als eine Idealisierung und Simplifizierung charakterisieren. Die jeweiligen Partikelsynthesen sind das Ergebnis einer konkreten Laborsituation, in der sowohl die speziellen Fertigkeiten einer Experimentatorin eine Rolle spielen, als auch die verwendeten Materialien und Instrumente mit ihren jeweiligen stofflich-materialen Eigenschaften und Bedingungen. Der zitierte Ausschnitt aus dem Beobachtungsprotokoll beinhaltet auch das zweite Beispiel, dass ich anführen möchte. Es beginnt mit der Feststellung, dass die Tumore die Größe erreicht hätten, dass sie nun einer Behandlung unterzogen werden müssen. Tumore, darauf soll im folgenden Unterkapitel detailliert eingegangen werden, werden den Tieren implantiert, um sie dann der Behandlung zu unterziehen und damit einen Behandlungserfolg sichtbar zu machen. Das Tumorwachstum spielt dabei eine wichtige Rolle für das Experiment. Auf der einen Seite müssen diese eine gewisse Größe erreicht haben, um an ihnen einen Therapieerfolg darstellen zu können51. Der Therapieerfolg hängt aber auch davon ab, dass die Tumore noch nicht zu groß geworden sind und zu stark metastisieren. In einem solchen Fall wären die Heilungschancen aufgrund der dann bestehenden schlechten physiologischen Verfassung der Tiere generell geringer. Das Tumorwachstum stellt dann eine Variable dar, die der Experimentator nicht kontrollieren kann. Kontingenz besteht hier in der Weise als nicht sicher ist, dass der Tumor in gewünschter Weise wächst. Die Geschwindigkeit des Tumorwachstums ist weder beeinflussbar noch kontrollierbar.52 In dieser Hinsicht ist es also das Wachstum des Tumors, das die Abläufe der Behandlung vorgibt und somit die Forschung bestimmt. Das Tumorwachstum steht dabei außerdem nicht immer in Gleichklang mit den in diesem Kapitel beschriebenen Koordinationsprozessen. Die Notwendigkeit, vor jeder Operation noch eine Bildgebung durchzuführen soll hier noch einmal beispielhaft genannt werden. Anhand dieser beiden Beispiele wollte ich verdeutlichen, dass sich der Forschungsprozess nicht allein durch Formen sozialer Organisation beschreiben lässt, mit denen sich Sozialtheorie üblicherweise beschäftigt, nämlich Formen menschlicher personaler, organisationaler und institutioneller Koordinations-

51 Die Tumore erreichen üblicherweise nach zwei bis drei Wochen eine therapienotwendige Größe. 52 So kann es sein, dass ein Tumor innerhalb von zwei Tagen unerwartet groß wird und man dann auch im Sinne des Wohlergehens der Tiere überlegen muss, wie vorzugehen ist. Um zu großes Leiden zu verhindern kann es mitunter auch zu der Entscheidung kommen, ein Tier zu töten und somit keine Behandlung durchzuführen.

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und Abspracheprozesse (vgl. Whitley 2000)53. Auch Materialien und Dinge sind an diesen Prozessen beteiligt (vgl. Latour/Woolgar 1986). Dinge und Materialien organisieren und strukturieren Forschungsprozesse konstitutionell mit. Auch sie verfügen über performative und integrative Fähigkeiten (Pels/Hetherington/ Vandenberghe 2002: 2). Forschung kann in dieser Hinsicht dann nur erfolgreich sein, wenn menschliche und nicht-menschliche Akteure in ein bestimmtes relationales Verhältnis zueinander gebracht werden können. Dieses Abstimmungsverhältnis zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren ist ein zentraler Aspekt in der Beschreibung experimenteller Praxis, der uns auch im Weiteren immer wieder beschäftigen wird. Doch zunächst soll das bisher Gesagte in Bezug auf die Praxis des Netzwerkbildens zusammengeführt werden. Netzwerkbildung Die Laborethnografie hat uns ins Forschungslabor als den Ort geführt, an dem Erkenntnis fabriziert wird. Ziel war es dabei, die Verfahren, Methoden und Mittel zu betrachten, die in der täglichen Forschungspraxis zum Einsatz kommen. Zentraler Untersuchungsgegenstand ist somit die experimentelle Praxis. Mein Forschungsaufenthalt in Erlangen hat nun gezeigt, dass experimentelle Praxis nicht gleichzusetzen ist mit Forschungsalltag – Forschungsalltag verstanden als all das verstanden, was Tag für Tag in einer Forschungseinheit oder in einer Arbeitsgruppe passiert. Hier wird ein Augenmerk auf alle Tätigkeiten gelegt, die sich in der Begleitung der täglichen Arbeit beobachten lassen. Beschränke man sich also nur auf die Beschreibung experimenteller Praxis, so werden all die Arbeiten und Tätigkeiten unsichtbar gemacht, die eine experimentelle Praxis ermöglichen. Ich konnte beobachten, dass das Experiment erst am Ende eines komplexen Gefüges unterschiedlicher Überzeugungs- und Organisationspraktiken steht, an denen menschliche und nicht-menschliche Akteure gleichermaßen beteiligt sind. Zwar sind diese Arbeiten, die zur Vorbereitung und Ermöglichung experimenteller Praxis nötig sind, nicht charakteristisch für nanomedizinische Forschung, sondern sie werden stets Teil jeglicher Art von Forschung sein. Wenn man jedoch nanomedizinische Innovation als die Etablierung und Inszenierung eines neuen Akteurs in der medizinischen Forschung und Praxis versteht, so sind diese Praktiken Teil des Netzwerkes, das dazu dienen soll, ›Nano‹ als neuen Akteur in der Medizin in Erscheinung treten zu lassen. Will man also im Sinne der ANT den Akteuren folgen, so sind auch diese Aspekte der Netz-

53 So charakterisiert Whitley die Wissenschaft als ein spezielles Arbeitsfeld, das bestimmten Formen intellektueller und sozialer Organisation unterworfen ist, die er im Sinne von Abhängigkeiten bzw. Faktoren für Unsicherheiten interpretiert.

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werkbildung in die Analyse und Beschreibung nanomedizinischer Praxis mit einzubeziehen. Einige dieser genannten Elemente (bspw. Forschungskooperationen mit anderen Instituten) beziehen sich auf Aspekte von Forschung, die häufig als ›institutioneller Rahmen‹ von Forschung beschrieben werden und denen der ›Inhalt‹ von Forschung gegenübergestellt wird (vgl. Laudel/Gläser 2014). Laborstudien werden an dieser Stelle als Arbeiten charakterisiert, die zwar reiche und vielfältige Einblicke in die Interaktionsbeziehungen innerhalb des Labors liefern, die jedoch Einflüsse von außen vernachlässigen bzw. systematisch ausschließen, was zur Kritik des ›Internalismus‹ führte (vgl. Weingart 2003: 70). Laborethnografien stellten einen mikrosoziologischen Ansatz dar, der keine Aussagen über die Mesoebene oder die strukturelle Makro-Ebene von Forschung machen könnten. Die ANT macht an dieser Stelle nun den Vorschlag, anstelle der Unterscheidungen von innen und außen als mikro und makro kontinuierlich den Verbindungen zu folgen, die Orte, Zeiten und Akteure miteinander verbinden (Latour 2007: 299 ff.). Die Unterscheidung Mirko – Makro stellt in diesem Verständnis dann keine Unterscheidung dar, die im vorhinein zu treffen ist und ist deshalb auch nicht als Analyserahmen geeignet. Das, was unter Mikro und Makro zu verstehen ist, ist jeweils der Effekt von Übersetzungsprozessen, die aus MikroAkteuren, Makro-Akteure macht: »[…] klein sein heißt unverbunden sein, groß sein heißt verbunden sein.« (Ebd.: 310)

Mikro und Makro sind somit keine Unterschiede von Ebenen, sondern eine Frage der Distanz von Verknüpfungen: Mikro ist das was nah und verortet ist, Makro ist, was ausgedehnt und entfernt ist. Anstelle einer Unterscheidung von Mikro und Makro, zwischen Mikrosoziologie und Makrosoziologie, schlagen van Loon und Unsöld (2014) vor, eine Soziologie zu betreiben, die sich für »Intensitäten« interessiert und Grade von Intensität beforscht (ebd.: 7): Etwas ist mehr oder weniger auf etwas anderes bezogen und entsprechend mehr oder weniger voneinander entfernt. Analog zur Diskussion des Repräsentationsbegriffes ist die Erklärung wiederum nicht in Bezug auf einen Pol (Repräsentant – Repräsentiertes, Mikro – Makro) zu finden, sondern in dem Dazwischen, in der Bewegung, denn für den Forscher gibt es nicht verschiedene Ebenen, keinen Unterschied zwischen Rahmen und Inhalt. Für den Forscher gibt es nur eine Motivation und somit eine Bewegung, die es zu verfolgen gilt, nämlich die Forschung am Laufen zu halten, Elemente zu assoziieren und damit an Einfluss zu gewinnen.

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Als ANT-Forscherin muss ich mich deshalb also nicht entscheiden, auf welche Ebene ich mich begeben soll, welche Ebene jeweils die andere auf welche Art und Weise beeinflusst: der Rahmen die Interaktionen, oder die Interaktionen den Rahmen. Meine Aufgabe ist es, den Verbindungen zu folgen und nachzuzeichnen, wie lokale Situationen und Interaktionen zu anderen Orten und zu anderen Akteuren führen. Als Ethnografin habe ich jedoch das Problem, dass ich nicht jede Verbindung verfolgen kann, weil ich bspw. nicht gleichzeitig an unterschiedlichen Orten sein kann. Es kann auch sein, dass sich das Verfolgen von Spuren aufgrund bestimmter Gegebenheiten einfach nicht realisieren lässt. So hatte ich eigentlich geplant, Stefan Lyer auch einmal in die PhysikalischTechnische Bundesanstalt in Berlin zu begleiten. Dies war jedoch nie möglich, da vereinbarte Termine plötzlich abgesagt wurden, neue Termine zu kurzfristig gesetzt wurden, so dass ich diese nicht einrichten konnte oder, wie auch beschrieben, aufgrund der Gerätewartung es lange Zeit überhaupt keine Möglichkeit gab, nach Berlin zu fahren. So gibt es also Verbindungen, die ich nicht weiter beobachtend verfolgen kann und die somit nicht Teil meiner Beschreibung sind. Wie jedoch in der Darstellung meines methodischen Vorgehens dargestellt, lässt sich die Beobachtung als nur ein mögliches Untersuchungsinstrument kennzeichnen.54 Versteht man im Sinne der ANT Forschung als ein Nachzeichnen von Verbindungen anhand von Spuren, die Akteure hinterlassen haben, so kann man festhalten, dass diese Spuren auf vielfältige Weise erzeugt werden und sich auf diese Weise auch auf unterschiedliche Arten nachvollziehen lassen. Insofern ist es also ein Mix unterschiedlicher Untersuchungsmethoden, die nanomedizinische Innovationen nachvollziehbar machen. Sind nun die von mir unter dem Stichwort ›Logistik‹ beschriebenen Überzeugungs- und Organisationspraktiken erfolgreich, kann die experimentelle Tätigkeit beginnen. Dieser möchte ich mich nun zuwenden. Dazu soll in einem ersten Schritt die experimentelle Praxis selbst aufgegriffen und dargestellt werden. Die tierexperimentelle Praxis lässt sich in Bezug auf bestimmte Bestandteile charakterisieren. Dazu gehören der Untersuchungsgegenstand und der Versuchsaufbau, der sich anhand der zur Anwendung kommenden Methode als auch anhand der dazu benötigten Werkzeuge beschreiben lässt. Als erstes möchte ich nun auf die Herstellung des Untersuchungsobjektes eingehen. Herstellung des Untersuchungsobjektes Die Tierversuche dienen der Simulation und Erprobung des Therapieverfahrens, so, wie es später auch am Menschen angewendet werden soll. Im Gegensatz zu

54 Vgl. Unterkapitel 5.5.

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der späteren klinischen Praxis, bei der man es mit erkrankten Patienten zu tun haben wird, sind die Tiere zu Beginn üblicherweise gesund, d.h. die Tumore, die man in der Therapie behandeln möchte, sind noch gar nicht vorhanden. Der erste Schritt der experimentellen Anordnung sieht dann vor, gesunde Kaninchen in tumortragende Tiere zu transformieren. Dieses Verfahren wird in der Arbeitsgruppe mit dem Begriff »Tumoranimpfung« umschrieben und soll nun kurz dargestellt werden. Als erstes erhalten die Tiere eine Narkose. Diese wird üblicherweise mittels einer Injektion verabreicht. Für den Fall, dass diese nicht ausreicht, d.h. die Tiere nicht richtig schlafen, wird noch eine intravenöse Narkose vorbereitet, die in den entsprechenden Fällen dann sofort zum Einsatz kommen kann. Bei dieser Vorbereitung werden alle Spritzen mit der Nummer des jeweiligen Tieres beschriftet, dem sie verabreicht werden sollen. Zusätzlich werden beschriftete Röhrchen bereit gelegt, die zur Blutabnahme dienen. Dann werden die Tiere unter Narkose gesetzt. An dem Tag, an dem ich beobachte, sind es vier Tiere, bei denen nacheinander die Tumore angeimpft werden. Neben der Narkotisierung der Tiere müssen außerdem die Tumore für die Transplantation vorbereitet werden. Das übernimmt die biologisch-technische Assistentin Jenny. An diesem Tag wird eine sog. kalt-warm Transplantation vorgenommen, d.h. man transplantiert Tumorstücke von einem eingefrorenen Tumor in ein lebendes Tier. Eine andere Möglichkeit wäre eine warm-warm Transplantation. Hier entnimmt man den Tumor aus einem Tier, das frisch getötet wurde und pflanzt Stücke dieses Tumors in ein anderes Tier ein. Dabei ist nicht immer gewährleistet, dass der Tumor bei einem Tier auch anwächst. Der Unterschied zwischen diesen beiden Verfahren, so erklärt mir Jenny, liegt in der Rate des Erfolges, dass der Tumor bei dem entsprechenden Tier auch anwächst. Die kalt-warm Transplantation sei diesbezüglich nicht so optimal gegenüber einer warm-warm Transplantation. Bei einer warm-warm Transplantation läge die »Angehrate« bei etwa 95 %. Für die Transplantation hat Jenny den Tumor mittels eines Skalpells in kleine Stücke zerkleinert. Diese Stücke gibt sie dann in Spritzen. Als alle Vorbereitungen abgeschlossen sind, kann die Prozedur der Tumortransplantation beginnen. Dazu möchte ich wieder direkt eine Passage aus meinem Beobachtungsprotokoll zitieren: »Das erste Kaninchen ist nun narkotisiert. Es wird auf den OP Tisch gelegt. Das Kaninchen schläft aber noch nicht richtig. Deshalb bekommt es noch eine intravenöse Narkose über ein Ohr. Als es dann schläft wird an dem anderen Ohr Blut abgenommen. Dann wird das Kaninchen auf den Rücken gelegt und am Schienbein des linken Beines wird das Fell mithilfe eines Rasierers entfernt. Dann versucht Stefan eine Kanüle unter die Haut zu

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schieben. Die Kanüle scheint sich recht schwer einführen zu lassen. Einmal zuckt das Bein. Daraufhin wird noch etwas intravenöse Narkose eingespritzt. Dann kann Stefan die Kanüle einführen, auf die Kanüle wird die Spritze mit den Tumorstücken gesetzt und in das Bein, unter die Haut eingespritzt. Die Spritze wird mit Ringerlösung durchgespült. Diese Lösung, die nun auch noch die letzten in der Spitze verbliebenen Tumorstücke hinausspülen soll, wird dann wieder in das Bein eingespritzt. Zum Schluss wird dem Kaninchen noch eine Spritze mit Ringerlösung appliziert. Das Kaninchen, das außerdem noch etwas Augensalbe erhalten hat, wird dann wieder zurück in seine Box gelegt.« [Erlangen, 18.07.2011]

Das in der Diskussion um den Repräsentationsbegriff angeführte Argument, das sich gegen eine Vorstellung von Repräsentation als Abbildung wendete, kann an dieser Stelle aufgegriffen und empirisch nachvollziehbar gemacht werden, denn die Beschreibung der Herstellung des Untersuchungsobjektes macht deutlich, das hier nicht etwas repräsentiert wird, was schon existiert und das lediglich dargestellt wird.55 Vielmehr ist zu erkennen, wie Wissenschaft in spezifischen Objektivierungspraktiken Repräsentationen herstellt. Die Präparation der Tierkörper kann in diesem Sinne als die Schaffung von Objekten als experimentelle Umgebung für die Untersuchung und Erprobung der nanomedizinischen Therapie gelesen werden. Von der Herstellung des Untersuchungsobjektes kann dann insofern gesprochen werden, als Tierkörper nicht einfach als eine Art Analogie des menschlichen Organismus genutzt werden, sondern diese Körper, so zeigt die zitierte Passage aus meinem Beobachtungsprotokoll, werden mithilfe vieler einzelner Arbeitsschritte erst zu dem Körper transformiert, der dann im Sinne einer Analogie gelesen wird.56 Man hat es dann nicht länger mit Tierkörpern als ›natürliche‹ Organismen zu tun, sondern die Tierkörper werden in der experimentellen Praxis als manipulierte, spezifische Anordnungen genutzt (vgl. Lynch 1988). In den Worten von Hans-Jörg Rheinberger werden Tiere also zu »epistemischen Dingen« (Rheinberger 2001) und sind als solche bestimmte lokale, soziale, institutionelle, technische und instrumentelle Einheiten, bzw. »durch und durch mischförmige, hybride Anordnungen.« (Ebd.: 8). Auch der Konstruktionscharakter repräsentativer Praxis wird deutlich, denn die Tierkörper, als epistemische Dinge, stellen eine Zusammenführung und Verknüpfung verschiedener Handlungen, Elemente und Werkzeuge, wie Tierkörper, Tumore, Anästhesie, Infusionen etc., dar.

55 Vgl. Unterkapitel 6.1.6. 56 Vgl. hierzu auch Lewis u.a. 2013, S. 779.

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Als epistemisches Ding fungiert der Tierkörper dann insofern, als er es erlaubt, Spuren zu erzeugen, was ich in der oben geführten Diskussion wissenschaftlicher Repräsentativität als die Hauptaufgabe und das Hauptelement wissenschaftlicher Arbeit charakterisiert hatte. Wie dieses Erzeugen von Spuren nun genauer abläuft soll nun in einem weiteren Schritt der Beschreibung des Versuchsaufbaus genauer betrachtet werden. Versuchsaufbau Tierexperimente Die Tierversuche stellen einen zentralen Arbeitsschwerpunkt der Forschergruppe in Erlangen dar. Für sie steht ein eigenes Labor zur Verfügung, der sog. Tier-OP. Hier ist auch das Angiografiesystem untergebracht, das ich schon erwähnt hatte. Diese Anlage hat dann nicht nur die Vorbereitungen für eine Operation erheblich vereinfacht, wie oben beschrieben. Dieses bildgebende System strukturiert auch die Experimente auf eine spezifische Weise. Das Zusammenspiel von Tieren, Experimentatoren und den verschiedenen, für die Versuchsanordnung notwendigen Instrumente und Techniken bildet dann ein sozio-technisches Gefüge, dessen Zusammenwirken ich nun anhand der Beschreibung des Versuchsablaufes genauer charakterisieren möchte. In einem weiteren Schritt sollen dann einige Aspekte der experimentellen Praxis herausgegriffen und genauer beleuchtet werden. Versuchsbeschreibung Das Experiment lässt sich allgemein als eine ›Behandlung‹ eines tumortragenden Tieres charakterisieren. Im Experiment werden also die Verfahren angewendet und die Handgriffe ausgeübt, die später auch bei der Behandlung eines Patienten zum Einsatz kommen sollen. In diesem Sinne lassen sich die Experimente als eine Simulation einer Behandlungssituation kennzeichnen. Hierzu müssen sich alle grüne OP Kleidung anziehen, so, wie es auch später in der Klinik der Fall sein wird. Die MitarbeiterInnen, die den Eingriff durchführen werden, tragen zusätzlich Haar- und Mundschutz sowie sterile Handschuhe. Außerdem wird alles für den Eingriff notwendige – Spritzen mit Ringerlösung, Spritzen mit Narkosemittel, OP-Besteck, Tupfer etc. – bereitgelegt. Das zu behandelnde Tier wurde schon aus dem Tierstall geholt und steht nun in einer Tierbox am Boden. Es wird aus der Box geholt und mithilfe einer Injektion wird ihm Narkosemittel verabreicht. Zum Einschlafen wird es zurück in die Tierbox gelegt. Als das Kaninchen eingeschlafen ist, wird ihm zunächst durch einen Einstich in eine Arterie am Ohr Blut abgenommen. Dieses Blut wird mittels vier verschiedener Röhrchen aufgefangen. Die Blutabnahme funktioniert an diesem Tag unterschiedlich gut. Am Anfang fließt das Blut so stark, so dass es teilweise auf den Boden tropft und

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mithilfe von Papiertüchern wieder aufgewischt werden muss. Mit der Zeit nimmt der Blutfluss jedoch stark ab, so dass es immer schwieriger wird, genügend Blut in einem Röhrchen zu sammeln. Zum Schluss sind 4 Röhrchen mit Blut gefüllt. Die Nadel zur Blutabnahme wird entfernt und die entsprechende Einstichstelle am Ohr mit dem Finger so lange abgedrückt, bis der Blutfluss gestoppt ist. Die Röhrchen mit Blut werden auf eine Apparatur gelegt, die die Röhrchen stetig in Bewegung hält. Als nächstes wird das Fell an dem Bein, an dem der Tumor gewachsen ist und an dem der Eingriff stattfinden soll, mit einem Rasierapparat abrasiert. Der Tumor ist deutlich zu sehen. Er bildet eine ca. nussgroße Geschwulst unter der Haut. Die vorbreitenden Tätigkeiten finden noch auf einem kleinen Beistelltisch statt. Nun wird das Kaninchen auf die Bank der Bildgebungsanlage gelegt, die vorher mit OP Tüchern bedeckt wurde. Dem Kaninchen wird nun an dem Ohr, an dem kein Blut abgenommen wurde, noch eine intravenöse Leitung zur Verabreichung von Anästhetikum gelegt. Dies ist notwendig, da das per Injektion verabreichte Narkosemittel mit der Zeit seine Wirkung verliert. Wenn das Kaninchen dann Anzeichen erkennen lässt, dass es aufwacht, wird intravenös zusätzliches Narkosemittel nachgegeben. Dieser Zugang am Ohr wird außerdem zum Verabreichen des Kontrastmittels genutzt, das für die Bildgebung von Bedeutung ist. Hierfür wird eine Kanüle in die Vene des Ohres eingeführt und mittels Klebeband sorgfältig fixiert. Die Fixierung der Kanüle steht im Zusammenhang mit der Gabe des Kontrastmittels, denn dieses muss mit recht hohem Druck verabreicht werden. Damit dann die Kanüle nicht aus dem Ohr springt, muss sie gut am Ohr befestigt sein. Als erstes wird nun die Angiografieanlage zum Einsatz kommen. Es werden angiografische Aufnahmen gemacht, die Aufschluss über die Gefäßstruktur des Kaninchens geben sollen. Diese Aufnahmen wurden vorher, wie ich bereits beschrieben hatte, in der Neuroradiologie der Klinik durchgeführt und waren mit einigem organisatorischen Aufwand verbunden. Nun können diese Aufnahmen ohne externe Absprachen, direkt vor der Operation durchgeführt werden. Alle, die nicht direkt an der Behandlung des Tieres beteiligt sind, müssen den Tier OP nun verlassen. Dies ist aufgrund von Strahlenschutzrichtlinien notwendig. Wir können aber die Operation durch das Fenster von der Mikrobiologie aus beobachten. Die beiden MitarbeiterInnen, die heute die Operation durchführen, legen einen Strahlenschutz an. Dazu gehört eine lange Schürze, die den Beinbereich schütz, eine Schutzweste und eine Schutzbrille. Als erstes wird dann die Untersuchungsbank des Angiografiesystems justiert. Sie wird so positioniert, dass der bewegliche Röntgenarm der Anlage um 360° um die Bank mit dem Untersuchungstier schwenken kann. Der Tier OP ist ein eher kleiner Raum. Das

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Angiografiesystem ist hingegen recht groß. Daher muss außerdem darauf geachtet werden, dass der Schwenkarm nicht an irgendetwas anstößt. So müssen auch alle Beistelltische, Hocker etc. aus dem Weg geräumt werden. Als dann alles bereit scheint, wird das Angiografiesystem angeschaltet. Nun darf wirklich keiner mehr den Tier OP betreten. Als erstes spritzt Stefan Lyer, der als Biologe der Hauptverantwortliche für die Tierexperimente ist und auch an diesem Tag die Behandlung durchführt, Kontrastmittel über den Venenzugang am Ohr in das Kaninchen. Dann setzt er das Angiografiesystem in Bewegung, d.h. der Röntgenschwenkarm rotiert um die Untersuchungsbank mit dem Kaninchen. Nach kurzer Zeit erscheinen dann Aufnahmen, die die Gefäße des Kaninchens zeigen, sowohl auf den Bildschirmen im OP Raum, als auch an den Kontrollmonitoren in der Mikrobiologie, wo ich und die anderen MitarbeiterInnen die Vorgänge beobachten können. Es werden Aufnahmen in 2D und in 3D gemacht. Dann wird das Angiografiesystem wieder abgestellt und der OP Raum kann wieder betreten werden. Zunächst werden die angiografischen Aufnahmen betrachtet und besprochen und der Gefäßteil identifiziert, der nun operativ freigelegt wird, um an dieser Stelle dann die mit Chemotherapeutikum beladenen Nanopartikel intraarteriell einzuspritzen. Die Operation wird von Stefan Lyer durchgeführt. Gabriele Nepf wird ihm assistieren. Mit einem Skalpell schneidet Stefan dann in die Haut am Bein des Kaninchens. Es blutet ein wenig, jedoch nicht so stark, wie ich es erwartet hätte. Stefan klärt mich auf, dass die Stärke der Blutung davon abhinge, wie viel Gefäße man beim Schneiden verletze. Die Arterie, die freigelegt werden soll ist an einer lila Färbung zu erkennen. Daneben deutet Stefan auf einen weißen Strang – ein Nerv. Die Herausforderung bei der Operation bestehe dann u.a. darin, solche Nerven nicht zu durchtrennen, da dies dazu führen könnte, dass das Kaninchen nach der OP Schwierigkeiten hätte, das Bein zu bewegen. Die Arterie wird etappenweise freigelegt, indem stückchenweise Fleisch, das die Arterie bedeckt, mit einer Pinzette aufgetrennt wird. Mit einer weiteren Pinzette in der anderen Hand fixiert Stefan jeweils das Stück Fleisch, an dem er arbeitet. Gabi assistiert Stefan dabei, indem sie, ebenfalls mit einer Pinzette, die Haut an der entsprechenden Stelle beiseite zieht. So wird Schritt für Schritt das Bein des Kaninchens an einer Stelle geöffnet. Insgesamt dauert das Herauslösen der Arterie etwa 15-20 Minuten. In dieser Zeit kontrolliert Gabi auch stets, ob die Narkose noch wirkt. Dazu fährt sie immer wieder mit einem Finger über ein Auge des Kaninchens. Solange es nicht blinzelt, ist das Tier noch ausreichend narkotisiert. Hin und wieder gibt sie durch eine Spritze, die an dem intravenösen Eingang am Kaninchenohr hängt, etwas Narkosemittel nach.

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Unter die freigelegte Arterie wird nun ein weißer, steriler Faden gezogen. Mit Hilfe dieses Fadens soll die Arterie ein wenig angehoben werden, was das Einführen der Kanüle für die Applikation der medikamentenbeladenen Partikel einfacher gestalten soll. Dann wird die Kanüle eingeführt. Dies muss mit sehr viel Sorgfalt und Behutsamkeit geschehen, denn die Arterie ist recht dünn und soll mit der Kanüle nicht durchstochen werden. Es gelingt Stefan jedoch auf Anhieb. Dennoch möchte er die Position der Kanüle überprüfen. Dazu werden erneut angiografische Aufnahmen gemacht. Bis auf Stefan müssen alle wieder den Operationsraum verlassen. Stefan macht erneut Aufnahmen der Gefäße, die nach und nach auf den Bildschirmen erscheinen. Die Kanüle ist gut darauf zu erkennen. Da die Position der Kanüle in Ordnung ist, kann es mit der Behandlung weiter gehen. Gabi muss erneut Narkosemittel in Spritzen aufziehen, das, bei Bedarf, dem Kaninchen intravenös verabreicht werden kann. Stefan montiert an die Kanüle, die er in die Arterie eingeführt hat, einen schmalen Plastikschlauch (Katheter). Über diesen werden gleich die Nanopartikel appliziert. Eveline hatte in der Zwischenzeit ein Röhrchen mit Nanopartikeln, die mit Chemotherapeutikum beladen sind, auf den Operationstisch gelegt. Stefan nimmt nun dieses Röhrchen und zieht die Partikelsuspension in einer Spritze auf. Diese Spritze wird dann am Plastikschlauch fixiert. Als nächstes justiert Stefan den Operationstisch und den Magneten so, dass der Magnet direkt auf den Tumor fokussiert ist. Er schaltet den Magneten an. Dieser soll gleich die eingespritzten Partikel in den Tumor ziehen. Dann nimmt sich Stefan einen Hocker, setzt sich damit an den Operationstisch und beginnt, die Partikel einzuspritzen. Das Einspritzen der Partikel dauert etwa 20 Minuten. Die Partikel werden nicht auf einmal appliziert, sondern ein bestimmtes Volumen an Partikeln wird innerhalb festgelegter Zeitintervalle (im Minutenabstand) eingespritzt. Auf diese Weise erhofft man sich, dass die Partikel besser durch die Arterie in den Tumor gezogen werden können. Bei einer einmaligen Applikation der ganzen Partikelsuspension bestünde eher die Gefahr, dass die Partikel verklumpen und sich so nicht mehr transportieren ließen. Während der Applikation gibt das Kaninchen immer wieder Urin ab. Gabi erklärt mir, dass dies durch das Kontrastmittel ausgelöst wird, das über die Nieren und die Blase immer wieder ausgeschieden wird. Am Bein des Kaninchens kann man durch die Haut beobachten, dass sich die Gefäße durch die schwarze Partikelsuspension dunkel färben und man kann erkennen, wie diese Gefäße zum Tumor führen. Nachdem die Applikation der Partikel abgeschlossen ist, zieht Stefan die Kanüle wieder vorsichtig aus der Arterie und drückt an der Einstechstelle so lange mit dem Finger, bis kein Blut mehr fließt. Er gibt auf die Wunde ein entzündungshemmendes Medikament und beginnt dann damit, die Wunde zu nähen. Dies geschieht in zwei Schritten. Einmal wird die offene Stelle an der Ar-

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terie genäht, danach wird die Haut über der Wunde verschlossen. Außerdem wird mit zwei verschiedenen Arten von Fäden gearbeitet. Ein Fadentyp ist dadurch charakterisiert, dass er nach einer Weile absorbiert werden würde. Ein zweiter Fadentyp ist etwas fester. Dieser wird verwendet, damit die Kaninchen den Faden nicht so leicht aufbeißen können. Das soll verhindern, dass die Tiere an der Wunde knabbern. Genäht wird, indem mit einer Pinzette der Faden an der entsprechenden Stelle eingeführt wird. Dann werden die beiden Fadenenden miteinander verknotet und die Überstände abgeschnitten. Auf diese Weise wird dann Knoten an Knoten gesetzt. Als das Nähen beendet ist, wird nochmals eine Bildgebung gemacht. Diese dient vor allem dazu zu überprüfen, ob die Gefäße durch die Applikation der therapeutischen Nanopartikel noch gut versorgt werden, sich also an keiner Stelle Pfropfen gebildet haben, die zu Gefäßverschlüssen führen. Zum Abschluss wird dann noch einmal Blut abgenommen und das Kaninchen zurück in die Tierbox gelegt. Angiografie und Dyna CT In der Diskussion der Rastersondenmikroskopie hatte ich gezeigt, dass diese Form der Mediatisierung, die allgemein für die Nanoforschung als kennzeichnend gilt, für die Erlanger Forschung keine sichtbare Relevanz hat. Wie schon erwähnt, war ein Lichtmikroskop die einzige Mikroskopieart, die in den Erlanger Laboren zu finden war. Es wurde jedoch sehr rasch deutlich, und die Beschreibung der tierexperimentellen Praxis belegt dies, dass ein anderes Visualisierungsinstrument von großer Bedeutung war, nämlich ein Angiografiesystem. Dieses stellte in vielerlei Hinsicht einen zentralen Bezugspunkt für die Erlanger Forschergruppe dar. Daher möchte ich dieses Verfahren genauer beleuchten und charakterisieren. Wie die eben ausgeführten Darstellungen des Versuchsaufbaus tierexperimenteller Praxis zeigen, ist die bildgebende Anlage ein integraler Bestandteil dieser Praxis. Die Aufgabe, die Funktion bzw. die Bedeutung der Anlage für die Tierversuche kann dann in zweifacher Weise bestimmt werden. Zum einen kann sie als ein Mediator bzw. als ein »Mittler« (Latour 2007: 70) innerhalb der experimentellen Praxis interpretiert werden, zum anderen – im Sinne von Latour und Woolgar – als »inscription device« (Latour/Woolgar 1986: 51 ff.). Als erstes möchte ich auf die Rolle der Angiografie als Mediator eingehen. Angiografie als Mediator Interpretiert man das Angiografiesystem als Mediator bzw. als Mittler, so wird auf dessen performative Bedeutung innerhalb des Versuchsarrangements verwiesen. Was mit performativer Bedeutung gemeint ist, lässt sich anhand der Unter-

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scheidung der Begriffe von »Mittler« und »Zwischenglied«, so wie sie Bruno Latour bestimmt, beschreiben (Latour 2007: 66 ff.). Als Zwischenglied definiert Latour ganz allgemein etwas, das Bedeutungen oder Kräfte transportiert, ohne diese dabei zu verändern. Technisch gesprochen kann man sagen, der Input ist gleich dem Output (ebd.: 70). Zwischenglieder lassen sich so charakterisieren, dass sie passiv eine Wirkung, eine Information, eine Aktion übertragen. Zwischenglieder stellen nur eine Verbindung her, ohne selbst an der Art und Weise dieser Verbindung aktiv beteiligt zu sein. Mittler haben demgegenüber eine aktive Rolle inne. Sie »[…] übersetzen, entstellen, modifizieren und transformieren die Bedeutung oder die Elemente, die sie übermitteln sollen.« (Ebd.) Hier lässt sich anhand des Inputs nicht voraussagen, wie der Output sein wird. Der Übertragungsprozess durch einen Mittler ist mit Veränderung verbunden, d.h. ein Handlungsablauf wird unterbrochen, angepasst, modifiziert, oder sogar neu bestimmt. Mittler haben in diesem Sinne einen ›Akteursstatus‹. Wie lässt sich nun dieser Akteursstatus der Bildgebung innerhalb der tierexperimentellen Praxis beobachten und inwieweit lässt sich die Bildgebung als Mittler interpretieren? Ich hatte schon erwähnt, dass das bildgebende Verfahren der Angiografie in Erlangen dazu genutzt wird, um Informationen sowohl über die Gefäßstruktur eines Tieres als auch über die Lage des zu behandelnden Tumors innerhalb dieser Struktur zu erhalten. Für das Verfahren des zielgerichteten Medikamententransportes sind diese Informationen essentiell, denn das Verfahren des zielgerichteten Transports benötigt die Kenntnis der Gefäßanordnung. Bedeutsam ist dies nicht allein in Bezug auf die optimale Platzierung der Kanüle zur Applikation der Nanopartikel, da durch die genaue Kenntnis der Gefäßverteilung der operative Eingriff zur Freilegung der entsprechenden Arterie so minimal wie möglich gestaltet werden kann (vgl. Lyer 2010).57 Auch für die Positionierung des Magneten ist dieses Wissen wichtig (ebd.). Daher kann man sagen, dass man durch die Angiografie die Möglichkeit erwirbt, diese spezielle Form der Therapie zur Anwendung zu bringen und umzusetzen. Die aktive Rolle des bildgebenden Verfahrens der Angiografie kommt ihr durch die Ermöglichung der Erforschung und die Entwicklung einer neuen Therapieform in der Onkologie zu. An einem Beispiel möchte ich nun konkret nachvollziehen, wie sich die Angiografie

57 Für die Tiere heißt das, dass der invasive Eingriff auf das nötigste beschränkt ist und somit auch die Verwundung der Tiere klein gehalten wird. Damit verbunden sind im günstigsten Fall auch kürzere Operationszeiten, wobei die Tiere auch kürzer einer Narkose, mit den damit verbundenen (unerwünschten) Nebenwirkungen, ausgesetzt sind. Diese Aspekte können dem Wohlbefinden der Tiere und damit letztlich auch einem möglichen Erfolg der Therapie entgegenkommen.

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als Mittler und somit als Akteur manifestiert. Es soll also gezeigt werden, inwiefern die Angiografie im Zusammenhang tierexperimenteller Praxis einen Unterschied macht, wie sie also Praxis verändert. Dazu möchte ich mich auf eine Begebenheit während einer meiner Forschungsaufenthalte beziehen. Als ich an diesem Tag ins Labor in die Glückstrasse komme, öffnet mir Gabi mit den Worten die Tür: »Wir sind gerade ein bisschen im Stress.« Im Tier OP findet gerade die Behandlung eines Kaninchens statt, bei der es zu einer Komplikation gekommen ist. Gabi betastet das Bein des Kaninchens. Sie meint, dass es sich ganz kalt anfühle. Auch einen Puls könne man am Bein nicht fühlen. Sie beginnt das Bein zu bewegen. Dabei winkelt sie es an und zieht es dann wieder in die Länge. Diese Bewegungen führt sie eine Weile durch. Gabi berichtet mir, dass diese OP eigentlich längst beendet sein sollte. Der Plan für diesen Tag hätte vorgesehen, dass jetzt schon ein zweites Kaninchen behandelt werden sollte, und bis zum Mittag wollte man die OP abgeschlossen haben. Die Angiografie nach der Applikation der Nanopartikel hätte jedoch gezeigt, dass ein Gefäß verstopft sei und somit die Durchblutung des Beines nicht mehr gegeben sei. Es wird dann versucht, die Durchblutung wieder herzustellen. Nachdem eine Kortisonspritze verabreicht wurde macht Stefan Lyer den Vorschlag, einen Katheder zu legen, um darüber das Gefäß durchzuspülen. Dies wird dann auch gemacht. Weitere angiografische Aufnahmen nach diesem Eingriff lassen dann keinen Hinweis mehr darauf erkennen, dass Gefäße noch verstopft sind. Entsprechend kann diese Behandlung dann mit dem Nähen der Wunde auch abgeschlossen werden. Stefan weist mich dabei darauf hin, dass es bei diesem Zwischenfall gut sichtbar geworden ist, wie wichtig die Angiografie für ihre Arbeit sei. Als die Bildgebungsanlage noch nicht für die Versuche zur Verfügung stand, man die Behandlung also ohne Angiografie während und nach der Behandlung durchführte, hätte man nicht gesehen, dass die Gefäße verstopft seien und hätte die Wunde einfach vernäht und das Kaninchen zurück in den Tierstall gebracht. Dass die OP nicht gut verlaufen ist, hätte sich dann erst ein paar Tage später gezeigt, bspw. durch ein Schwarz-Verfärben der Kaninchenkrallen, was ein Zeichen dafür sein kann, dass das Kaninchenbein nicht genügend bzw. gar nicht mit Blut versorgt wird. Man sieht hier, dass sich das Verstopftsein der Gefäße auf unterschiedliche Weise artikulieren kann. Die Nutzung der Angiografie macht hier jedoch einen entscheidenden Unterschied. Durch die Möglichkeit der Visualisierung der Gefäße und deren Durchblutung kann man sofort Gegenmaßnahmen einleiten, wenn hier Probleme auftreten. Somit hat man hier die Möglichkeit, eine Behandlung erfolgreich zu Ende zu führen. Macht sich die Verstopfung erst ein paar Tage später bemerkbar, ist es nahezu ausgeschlossen, hier noch vermittelnd einzugreifen.

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Die Rolle als Mediator füllt das bildgegebenden System jedoch nicht nur innerhalb einer konkreten Behandlungssituation aus, sondern sie ermöglicht auch Übersetzungsprozesse, die für den Gesamtzusammenhang der Erforschung und Entwicklung des magnetic drug targetings von großer Bedeutung sind. So erklärt mir der Chemiker der Arbeitsgruppe, Rainer Tietze, kurze Zeit bevor das Angiografiesystem in der Arbeitsgruppe installiert wurde: »[…] also wir kriegen jetzt erst diese Bildgebungsanlage bei uns rein und das ist ja ein wahnsinniger Erkenntnisgewinn, dass man direkt dann auch beobachten kann, was man während der Operation oder kurz danach auch, was man da eigentlich genau treibt, also wo die Partikel eigentlich sich genau befinden und da kann man zum jetzigen Zeitpunkt, also wenn es mal einen Fehlschlag gegeben hat bei einer Operation, nicht genau sagen, woher kommt es dann auch, ja, und das ist, wenn wir dann diese Anlage haben, ist das ein absoluter Erkenntnisgewinn einfach auch, ja, also weil wenn irgendwas noch nicht funktioniert so, hat das wahnsinnig viele Möglichkeiten, auch von biologischer Seite auch, woran es gelegen haben kann, ja, weil man weiß nicht, man kann ja nicht so einfach angucken, wo die Partikel jetzt gelandet sind, oder was da während der Operation genau passiert ist dann auch. Und dann macht es eigentlich Sinn also alles genau zu evaluieren oder so was, dann wenn jetzt mal eine Operation nicht funktioniert hat, woran hat es gelegen oder so. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das eben noch eine Grauzone, was man da, ja, was die Beurteilung hinterher angeht, sagen kann.« (Interview 2/2011)

Die Bildgebung übernimmt somit also nicht allein bestimmte Aufgaben in einer konkreten Behandlungssituation. Sie liefert auch Hinweise und Informationen, die im Zusammenhang der Gesamtevaluierung der Operationen von Bedeutung sind, und dann im Kontext möglicher Veränderungen einzelner Komponenten des Operationsablaufes eine wichtige Rolle spielen. In dieser Hinsicht sollte die Angiografieanlage nicht länger allein als Visualisierungsapparat thematisiert werden. Sie ist nicht nur Instrument oder Werkzeug, das lediglich die technische Herstellung von Bildern ermöglicht (vgl. Burri 2001). Die Anlage stellt vielmehr einen ›Akteur‹ innerhalb der experimentellen Praxis dar. Ihr Akteursstatus manifestiert sich dadurch, dass sie den Handlungsablauf, also das, was die Experimentatoren in einer konkreten Situation tun, verändern kann. Sie hat über die konkrete Situation hinaus auch einen Einfluss auf die Beurteilung und mögliche Veränderung des Gesamtzusammenhangs des magnetic drug targetings als Behandlungsmethode. Sie erzeugt also nicht allein Bilder und ändert nicht allein die Form einer Repräsentation durch die Übersetzung eines tierexperimentellen Modells in ein Bild. Sie ändert auch die Bedeutung und generiert Realität, an der sich weiteres Handeln orientiert. Dies soll nicht heißen, dass der Aspekt der Bil-

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derzeugung nur peripher wichtig ist. Er ist jedoch auf spezifische Weise bedeutsam. Darauf möchte ich nun eingehen. Bildgebung als »inscription device« Der Aspekt der technischen, apparativen Herstellung von Bildern erlangt Bedeutung, wenn man das Angiografiesystem – im Sinne von Latour und Woolgar – als »inscription device« deutet. Sie definieren inscription devices als Maschinen bzw. Apparaturen, die Materiales in Dokumente transformieren (Latour/Woolgar 1986: 51). Die Angiografieanlage erzeugt Bilder, die gespeichert und ausgetauscht werden können. Sie ermöglicht es damit, Tierversuche auch außerhalb der konkreten Operationssituation verfügbar zu machen. Hier ist die Arbeitgruppe jedoch mit einem ganz spezifischen Problem konfrontiert – es wird genügend Speicherplatz benötigt, was unter Umständen nicht so leicht zu bewerkstelligen ist, da man es mit sehr großen Datenmengen zu tun hat. Bisweilen bedeutet das, dass man ältere Aufnahmen löschen muss, um neue Speicherkapazitäten zu sichern. Die Konservierung dieser Art von Inskription ist also nicht selbstverständlich und auch nicht immer dauerhaft. Inwieweit lässt sich nun das Angiografiesystem als inscription device beschreiben. Zunächst einmal kann man festhalten, dass die Bildgebungsanlage ein Problem löst, das ich oben bereits diskutiert hatte – das Problem von Unsichtbarkeit. Allerdings, so hatte ich bereits gezeigt, ist diese Unsichtbarkeit in der Arbeitsgruppe in Erlangen nicht auf ›Nano‹ bezogen.58 Die Unsichtbarkeit kommt hier mit den Tierversuchen ins Spiel. Das Unsichtbare markiert hier das Nichtsichtbar-sein von Vorgängen und Prozessen, die sich im Organismus, also in den Tierkörpern abspielen. Welche physiologischen Aspekte hierbei u.a. eine Rolle spielen und wie diese nachvollziehbar gemacht werden, hatte ich gerade beschrieben. Hier war die Angiografie im Zusammenhang mit den Tierversuchen und der Behandlung von Tieren von Bedeutung. Sie ist aber auch wichtig für die Ergebnisdarstellung. Der Erfolg der Forschung bemisst sich an den Erfolgen in der Behandlung tumortragender Tiere. Optimaler Behandlungserfolg besteht in einer vollkommenen Reduktion des Tumors. Auch dies ist wiederum mit Prozessen verbunden, die sich in den Körpern der Tiere abspielen. Um sie nachvollziehbar zu machen, bedarf es wiederum einer Übersetzung in Form einer Visualisierung. Auch hierfür leistet das Angiografiesystem die entsprechenden Übersetzungsprozesse. Mithilfe der Bildgebungsapplikation Dyna CT werden CT ähnliche Schnittbilder erzeugt. Schnittbilder bedeutet, dass die innere räumliche Struktur von Objekten anhand von Darstellungen sichtbar gemacht wird, so, als

58 Vgl. Unterkapitel 6.1.4.

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hätte man diese Objekte aufgeschnitten. Das Angiografiesystem rotiert außerdem mit dem sog. C Bogen um seinen Untersuchungsgegenstand um 360°. Auf diese Weise werden Bilder aus unterschiedlichen Positionen gemacht. Diese können computerunterstütz zu 3D Bildern umgewandelt werden. Dieses Bildgebungsverfahren ist also ebenso wie die Rastersondenmikroskopie auf die vermittelnde Arbeit des Computers angewiesen. Die durch das Gerät erzeugten Bilder lassen sich dann gleichsam als virtuelle Objekte charakterisieren. Diese Bildapplikation stellt nun eine Darstellungsmöglichkeit des Beleges eines Therapieerfolges und somit einen Nachweis für das Wirken des Therapieansatzes dar. Entsprechend werden solche Aufnahmen auch auf Postern oder in Publikationen genutzt. Wie lassen sich diese Bilder nun in dem uns interessierenden Zusammenhang interpretieren? Diese Bilder lassen sich als die Produktion von Einschreibungen (inscriptions) charakterisieren, die die Arbeitsgruppe als Argumente verwenden kann, um, ganz allgemein gesprochen, die wissenschaftliche Community von der eigenen Arbeit zu überzeugen. Sie sollen zeigen, dass die Forschung zu magnetic drug targeting zu positiven, nachvollziehbaren Ergebnissen führt. Auf diese Weise soll der Wert der Forschung demonstriert werden, was dann wiederum ein weiteres Vorantreiben und Fördern des Forschungsvorhabens ermöglichen soll (vgl. Latour/Woolgar 1986: 69f.). Das Versammeln der Akteure, um experimentieren zu können, und das Versammeln von Akteuren innerhalb experimenteller Praxis zum Zweck der Datengewinnung sind nicht die einzigen Tätigkeiten, die ein Wissenschaftler zu bewerkstelligen hat. Damit sich die Untersuchungsergebnisse als Erkenntnisse durchsetzen können, muss es Kollegen geben, die die Untersuchungsergebnisse und die Erkenntnisse anerkennen. »Mit der Datengewinnung«, so schreibt Bruno Latour, »hört das Zirkulieren der Referenz nicht auf«. (Latour 2000a: 125) Inscription devices machen die Herstellung solcher Einschreibungen möglich, insofern sie als Apparate definiert sind, die es bewerkstelligen können, Materialien und Substanzen in etwas zu transformieren (Grafiken, Diagramme, Bilder etc.), das dann in Papierform vorliegt und genutzt werden kann und sich auch weiter verbreiten lässt (Latour/Woolgar 1986: 51).59 Inskriptionen lassen sich dann wiederum im Sinne der oben angeführten Definition als Zischenglieder interpretieren. Sie machen Orts-

59 Die Einschreibungen werden dabei so betrachtet, dass sie einen direkten Bezug zu dem ursprünglichen Untersuchungsmaterial haben: »The final diagram or curve thus provides the focus of discussion about properties of the substance. The intervening material activity and all aspects of what is often a prolonged and costly process are bracketed off in discussions about what the figure means. The process of writing articles about the substance thus takes the end diagram as a starting point.« (Ebd.)

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veränderungen von Elementen möglich, die sonst an die Umgebung des Labors gebunden sind. Dies geschieht durch die Transformation von Materialitäten in Zeichen (vgl. Latour 2000c: 62ff.). Die Beschreibung der Bildgebung im Sinne von Inskriptionen ist zwar für meinen Untersuchungsgegenstand spezifisch, denn wenn ich mich dafür interessiere, wie sich Nanomedizin als Forschung in Erlangen etabliert und wie sie sich Kredit verschafft, dann muss ich auch untersuchen, mit welchen Mitteln dies bewerkstelligt wird. Die Herstellung bestimmter Inskriptionen gehört dann als ein wichtiger Übersetzungsprozess zu dem Akteur-Netzwerk der Erlanger Forschung. Für die Wissenschaftsforschung gehört das Konzept der Inskriptionen zum etablierten Vokabular. Ich möchte mich diesem Konzept an dieser Stelle jedoch noch einmal als Ethnografin zuwenden. Zunächst einmal kann man ganz intuitiv der Beschreibung folgen, dass Inskriptionen die Mittel zur Verfügung stellen, um andere zu überzeugen und somit Wertschöpfung für die eigene Forschung zu produzieren. Der Prozess des Überzeugt-werdens muss jedoch aus ethnografischer Perspektive implizit bleiben. Ethnografisch macht es einen Unterschied, Bildgebung als Mediator oder Bildgebung als inscription device zu beschreiben, da hier unterschiedliche Ketten von Übersetzungen in den Blick geraten. Wenn ich die Bildgebung als Mediator innerhalb der experimentellen Praxis beschreibe, so habe ich es mit kurzen Ketten zu tun, deren Übersetzungsprozesse ich konkret im Labor Schritt für Schritt beobachten kann. Wenn ich die Bildgebung als inscription device kennzeichne, dann werden die Ketten länger, sie führen aus dem Labor hinaus, an andere Orte, wie z.B. in Konferenzräume, zu Postersessions, zu Redaktionsräumen von Wissenschaftsjournalen, zu Instituten von Begutachtern usf. Vor Ort lassen sich nur bestimmte Indikatoren dafür finden, dass die Arbeit der Produktion von Inskriptionen auch erfolgreich ist und entsprechend honoriert werden. So zieren einige Urkunden und Auszeichnungen die Wände der Laborgänge in Erlangen. Publikationen in ›renommierten‹ Fachzeitschriften oder überhaupt die Anzahl von Publikation können weitere Indikatoren sein. Doch diese Indikatoren bezeugen nur den Erfolg von Überzeugungsprozessen. Die einzelnen Schritte des Überzeugens bleiben für mich als Ethnografin eine black-box, deren Inhalt ich nicht im Einzelnen nachgehen und dokumentieren kann. Hier wären ergänzende Studien, die die ›Karriere‹ einer wissenschaftlichen Publikation von ihrer Begutachtung hin zu ihrer Veröffentlichung begleiten, aufschlussreich. Bildgebung und Nanomedizin Bislang hatte ich gezeigt, dass die Nanopartikel – in Form von Ferrofluiden – in der täglichen Arbeit mit ›Nano‹ in Erlangen mit Sichtbarkeit assoziiert sind. In-

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nerhalb der tier-experimentellen Praxis wird ›Nano‹ nun zu einem unsichtbaren Akteur, der im Inneren eines Tierkörpers agiert. Dennoch konnten wir schon mehr über ›Nano‹ als Akteur erfahren. ›Nano‹ ist realer geworden, aber nicht in Form eines Bildes auf das man deuten und sagen kann, dass ›Nano‹ existiert. Wir konnten andere Artikulationsformen beobachten, denn in der tierexperimentellen Praxis haben die Nanopartikel Spuren hinterlassen, sei es in Form verstopfter Gefäße, oder in einer Reduktion von Tumoren. Auch wenn ›Nano‹ im Zusammenhang der Tierexperimente im Verborgenen agiert und unsichtbar bleibt, so können doch Spuren, die ›Nano‹ als Akteur hinterlässt, mittels bildgebender Verfahren sichtbar und damit nachvollziehbar gemacht werden. Die Bedeutung von bildgebenden Verfahren für das Verfahren der gezielten Tumortherapie mittels Nanopartikel sollte in der Analyse der Angiografie und der Computertomografie deutlich geworden sein. Die Frage, die in diesem Zusammenhang noch offen ist, die aber zu den zentralen Fragen meiner Untersuchung gehört, ist, inwieweit ›Nano‹ bezogen auf diese Aspekte der Therapie eine Rolle spielt. Hierauf antwortet mir ein Kooperationspartner aus der Industrie, der die Arbeitsgruppe insbesondere hinsichtlich der Bildgebung unterstützt: »Bezüglich der Angiographie ist die Nanotechnik eigentlich nicht relevant. D.h. also ich kann mit der Nanotechnologie, die kann ich nicht sehen in der Durchleuchtung, ich kann sie nicht nachvollziehen und kann auch nichts in dieser Richtung irgendwie, ja, beschleunigen oder verbessern.« [Interview 4/2011]

Die bildgebenden Verfahren in der Arbeitsgruppe ermöglichen also keine ›direkten‹ Abbildungen der Nanopartikel und es gibt keine direkte Interaktion zwischen Partikel und Angiografie bzw. CT – so wie es mittels Rastersondenmikroskopie möglich ist, wo die Sonde mit der Oberfläche einer Probe interagiert. Es gibt aber eine indirekte Vermittlung, wobei die Spuren, die die Nanopartikel mit ihren Aktionen hinterlassen haben, mittels Bildgebung anhand einer linearen Kette von Ursache und Wirkung nachvollziehbar gemacht werden können. Wendet man hier also wieder die von Joost van Loon vorgeschlagenen Formen von Mediatisierung an, so kann man sagen, dass das bildgebende Verfahren, das in der Forschung in Erlangen zur Anwendung kommt, eine optische Mediatisierung ermöglicht. Die Einbindung der Angiografie und des CT’s in die Forschung zu Zwecken der Übersetzung macht dann auch deutlich, das ›Nano‹, um als Akteur in Erscheinung zu treten, auf Vermittlungen und Übersetzungen anderer Akteure angewiesen ist. Insofern ist die Heuristik des Akteur-Netzwerkes so zu verstehen, dass Akteure aus Netzwerken hervorgehen, und dass Netzwerke auf der Handlungsmacht von Akteuren beruhen. In dieser Hinsicht lassen sich Akteure

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also nicht als selbstgenügsame Entitäten begreifen, die mit bestimmten Eigenschaften und Fähigkeiten ausgestattet sind. Akteure generieren und verlieren, transportieren und transformieren Handlungsmacht vielmehr im Zusammenspiel und als Ergebnis von Vermittlungs- und Übersetzungsprozessen mit anderen heterogenen Akteuren. Ein Akteur ist auf diese Weise immer auch ein Netzwerk, das aus heterogenen Akteuren zusammengesetzt ist, während Netzwerke sich gleichsam aus der Handlungsmacht verschiedener Akteure zusammensetzen. Auf die Frage danach, wer handelt, wer also als Akteur in Betracht zu ziehen ist, möchte ich zum Abschluss der Beschreibung tierexperimenteller Praxis und in einer Diskussion der Subjekt-Objekt-Dichotomie noch einmal zurückkommen. Im Folgenden möchte ich genauer auf die Heuristik des Akteur-Netzwerkes eingehen und konkret fragen und herausstellen, wie sich tierexperimentelle Praxis denken lässt, wenn man sie als Netzwerke konzipiert. Zur Fragilität experimenteller Anordnungen Experimente lassen sich zunächst erstmal ganz allgemein als das zentrale Instrument wissenschaftlicher Tätigkeit charakterisieren. Mit ihnen sollen anhand einer bestimmten und manipulierbaren Ordnung Funktionen und Mechanismen sichtbar gemacht werden, um entsprechende reale Phänomene verstehen zu können (vgl. Hacking 1983). Zwar stellen Experimente stets eine bestimmte, man kann auch sagen ›künstliche‹ Ordnung dar, die bestimmte Aspekte unter kontrollierten Laborbedingungen beobachten will (vgl. Knorr-Cetina 2002b). Dennoch muss diese spezifische Ordnung stets neu hergestellt werden. Experimente laufen nicht immer wieder in gleicher Weise ab, sondern sind kontingent. Diese Offenheit von Experimenten kennzeichnet Matthias Groß als das Element, das schließlich zur Generierung von Wissen, also zur Wissensproduktion, beiträgt: »Indeed, surprising effects of experimentations can be seen as the motor force for producing new knowledge since surprise help the scientists become aware of their own ignorance.« (Groß 2010: 5)

In dieser Argumentation ist es die Offenheit von Experimenten, die es möglich macht, bisher Unbekanntes aufzudenken und somit neues Wissen zu generieren. Für den Ablauf von Experimenten heißt das aber auch, dass immer wieder Arbeit notwendig ist, um die Praxis des Experimentierens aufrecht zu erhalten und ihr Stabilität und Kontinuität zu verleihen. Wie dies genau geschieht möchte ich nun empirisch im Zusammenhang tierexperimenteller Praxis untersuchen. Für die Tierversuche werden Kaninchen verwendet, die üblicherweise ein bestimmtes Alter aufweisen, d.h. konkret, es sind ausgewachsene Tiere, die un-

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gefähr ein Körpergewicht von 3-4 kg auf die Waage bringen. Die Tiere werden nach Bedarf bei einem entsprechenden Anbieter für Versuchstiere bestellt. Außerdem laufen die Tierversuche innerhalb eines Rahmens ab, der in einem Tierversuchsantrag festgelegte wurde, d.h. es wurde ein Plan ausgearbeitet, der angibt, wann welche Versuche stattfinden und zu absolvieren sind. Dieser Tierversuchsantrag legt dann gleichsam die Zielvorgaben für die Tierexperimente fest. Die Möglichkeiten der Einhaltung dieser Zielvorgaben sind von verschiedenen Aspekten abhängig, einige dieser Aspekte hatte ich ausführlicher im Hinblick auf logistische Aspekte beschrieben. Hier hatte ich auch schon erwähnt, dass insbesondere der Ausfall eines Messgerätes in der Physikalisch-TechnischenBundesanstalt aufgrund von Wartungsarbeiten dazu geführt hat, dass die Arbeitsgruppe gegen Ende des Jahres unter Zeitdruck gerät, was die Tierversuche anbelangt. Bis zum Jahresende muss noch eine bestimmte Anzahl von Versuchen durchgeführt werden, damit man die Zielvorgabe, die im Tierversuchsantrag angegeben war, erreicht. Falls man dieses Ziel nicht erreichen würde, wäre die Beantragung weiterer Tierversuche etwas schwieriger. Man müsste zumindest gut erklären können, warum man die Zielvorgaben nicht erreicht hat. Das Einhalten der Zielvorgaben kann mit Schwierigkeiten verbunden sein. So passierte es, dass bei der Bestellung von Versuchstieren keine ausgewachsenen Tiere vorrätig waren, so dass die Arbeitsgruppe mit jüngeren Tieren arbeiten musste, die anstelle der 3-4 kg, nur etwa 2 kg schwer waren. Wenn man gewartet hätte, bis die Tiere ausgewachsen sind, wäre das Einhalten der Zeitvorgabe evt. nicht mehr möglich gewesen. Daher hat man sich in der Arbeitsgruppe entschlossen, mit den kleinen Tieren zu arbeiten. Doch schon allein das abweichende Gewicht der Tiere verändert die experimentelle Praxis. Ich konnte beobachten, wie das leichtere Gewicht der Tiere einen Einfluss auf die Anästhesie hatte. Kleinere Kaninchen veratmen das Narkosemittel stärker. Das hat zur Folge, dass mehr Narkosemittel verabreicht werden muss. Dann kam es auch während der Operationen, also der Behandlung des Tumors, immer wieder zu Komplikationen. Dazu zählte, dass die Tiere das Kontrastmittel, das zu Zwecken der Angiografie verabreicht wird, schlechter vertrugen, ihre Physiologie also schlechter mit den Operationsbedingungen zurechtkamen. Für die Tiere bedeutet die Injektion des Kontrastmittels eine ungewöhnlich hohe Flüssigkeitszufuhr.60 Herzin-

60 Hierzu berichtet Gabi aus ihrer praktischen Erfahrung als Tierärztin, dass ein Kaninchen pro Tag ca. 50ml Flüssigkeit benötigen würde. Wenn ein Tier mit Flüssigkeitsmangel zu ihr in die Tierarzt-Praxis käme, dann würde sie dem Kaninchen 20ml Flüssigkeit auf 6 Stunden verabreichen. Für die Bildgebung werden jeweils 10 ml in-

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suffizienzen und Lungenödeme sind dann zwei Anzeichen, die die Tiere als Symptome für die Unverträglichkeit dieser Flüssigkeitszufuhr zeigten. Ein Tier ist als Folge eines Herzversagens dann auch während einer OP verstorben. Bei weiteren OP’s versuchte man daher sofort Gegenmaßnahmen zu ergreifen, als entsprechende Symptome auftraten. Dazu zählte das Verabreichen von Medikamenten zur Entwässerung. Diese Medikamente waren jedoch in der Regel nicht vorrätig. Entsprechend musste erst eine Medikamenten-Anforderung erstellt werden, und es musste organisiert werden, dass ein Mitarbeiter der Arbeitsgruppe die benötigte Arznei in der Klinikapotheke abholt. Die Gabe von Medikamenten kann dann wiederum Effekte für die Behandlung mit Nanopartikeln und Chemotherapeutikum haben. Hier hatte ich schon erwähnt, dass das Problem des Verklumpens von Partikeln auftreten kann, was nicht zuletzt dazu führt, dass Gefäße verstopfen und die Blutzufuhr behindert wird. Dies kann dazu führen, dass der Tumor nicht entsprechend mit dem Medikament versorgt werden kann. Im schlimmsten Fall kann es auch ein Absterben der entsprechenden Extremität zur Folge haben. Aus der Literatur sei bekannt, so berichten mir die MitarbeiterInnen der Arbeitsgruppe, dass das Aufeinandertreffen von Partikelsuspension und Blutserum dazu führen kann, dass die Partikel kollabieren und zusammenklumpen.61 Die Erfahrungen der tierexperimentellen Praxis haben aber auch dazu geführt, dass man den Tieren, im Zuge der Optimierung der Behandlungen, immer mehr Medikamente verabreichen musste. Einen konkreten Zusammenhang, der zu einer weiteren Medikamentengabe führte, habe ich gerade beschrieben. Hier stelle sich die Frage, in welcher Weise diese Medikamente dann wiederum einen Einfluss auf den Behandlungsablauf haben. Offene Fragen seien hier bspw., ob und wie diese Substanzen mit dem Chemotherapeutikum, mit den Partikeln oder aber auch mit anderen Substanzen, die zur Behandlung genutzt werden, interagieren. Man kann hier also sehen, dass durch die Hinzunahme weiterer Elemente zur experimentellen Anordnung Probleme, die aufgetreten sind, gelöst werden können, die Hinzunahme aber stets auch neue Unsicherheiten mit sich bringen. Diese Unsicherheiten, die in der täglichen, tierexperimentellen Praxis auftreten können, kommentierte Stefan Lyer einmal mit dem Satz: »Es ist doch jedes mal wieder anders.« (Erlangen, 25.11.2011)

jiziert und dies mehrmals innerhalb kurzer Zeit, da ja während der OP öfter Aufnahmen gemacht werden. 61 Diese Problematik versucht die Arbeitsgruppe mithilfe weiterer, entsprechender Experimente mit Blutseren genauer zu erforschen.

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Was heißt das nun für die Betrachtung dieser Experimente? In Anschluss an Harry Collins kann man an dieser Stelle auf die lokale Spezifizität experimenteller Anordnungen verweisen (Collins 1985). Collins stellt somit die Universalität von wissenschaftlicher Praxis in Frage. Universell wäre diese Praxis dann, wenn Experimente stets in gleicher Weise ablaufen würden, also wiederholbar wären. Er betont demgegenüber jedoch, dass experimentelle Anordnungen durch die jeweils gegebenen, lokalen Bedingungen definiert, an diese gebunden und somit prinzipiell nicht in gleicher Weise wiederholbar seien. Diese lokale Verortung definiert Collins durch einen spezifischen Umgang mit bestimmten Geräten und Instrumenten, der an Qualifikationen und Fertigkeiten gebunden sei, die nur innerhalb einer gegebenen konkreten Laborsituation zur Verfügung stünden. Collins schlussfolgert daraus, dass es nicht wissenschaftsinterne Aspekte wie Objektivität und Rationalität sind, wodurch sich wissenschaftliche Praxis erklären lässt, sondern soziale Faktoren. Konkret angewandt auf experimentelle Praxis sind es demnach soziale Aspekte wie Glaubwürdigkeit, Status oder auch Macht, die die Gültigkeit von Experimenten herstellen. Diese Aussage begründet Collins in Bezug auf seine These des experimentellen Regresses, in der er das Verhältnis von Theorie und Experiment diskutiert (ebd.: 83 ff.). Die These des experimentellen Regresses lässt sich in ihrer Argumentation wie folgt zusammenfassen: Das Funktionieren eines experimentellen Arrangements, also die Frage, ob gute, d.h. valide Ergebnisse erzielt wurden, wird auf der Grundlage der Theorie beurteilt, die diesem experimentellen Arrangement zugrunde liegt. Jedoch soll diese Theorie auch durch das Experiment getestet werden. Es liegt hier also ein Zirkelschluss vor. Experimente erhalten ihre Gültigkeit vor dem Hintergrund einer Theorie, die ihrerseits durch das Experiment verifiziert werden soll. Collins argumentiert weiter, dass ein solcher experimenteller Regress für wissenschaftliche, experimentelle Praxis charakteristisch sei, aus den eben genannten Gründen lokaler Spezifizität experimenteller Arrangements. Da sich nun auf diese Weise das Problem der Gültigkeit von Experimenten weder in Richtung des Experimentes noch in Richtung Theorie auflösen lässt, führt Collins soziale Kräfte an, die die Stabilität experimenteller Praxis herstellen. Auch in unserem Fallbeispiel kann man sehen, dass die Wiederholbarkeit der tierexperimentellen Praxis – aufgrund der Offenheit und damit prinzipiellen Veränderlichkeit der jeweiligen Gegebenheiten – in Frage steht. In meinen theoretisch-konzeptuellen Überlegungen und in Auseinandersetzung mit dem Sozialkonstruktivismus hatte ich jedoch argumentiert, dass das Soziale nicht als gegeben angenommen werden kann, insbesondere in dem Feld, das ich untersuche –

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das Feld wissenschaftlicher Innovationen.62 Insofern man nanomedizinische Forschung als den Versuch interpretiert, eine neue Ordnung herzustellen und zu etablieren, eine Ordnung, die ich ›Nano-Sozialität‹ genannt habe, dient nanomedizinische, experimentelle Praxis dazu, diese neue Form von Sozialität auszuloten, zu testen und herzustellen. Die Beobachtung der Tierexperimente macht an dieser Stelle deutlich, dass diese Form von Sozialität noch fragil ist. Zwar konnte die Forschergruppe schon Erfolge erzielen, d.h. tumortragende Tiere konnten geheilt werden, doch ist dieser Therapieerfolg noch nicht stabil, sondern muss – so zeigt auch das Fallbeispiel – immer wieder neu hergestellt werden. Dazu zählt nicht zuletzt die Klärung der Frage, welche Elemente und welche Akteure auf welche Weise in die experimentelle Ordnung einzubinden sind und welche Aufgaben und Funktionen sie jeweils übernehmen sollen. Das Beispiel zeigt auch, dass es unter Umständen immer wieder nötig wird, neue Akteure und Elemente – also Nicht-Soziales, im Sinne von Noch-nicht-verbunden-sein – mit einzubinden, um der experimentellen Praxis Kontinuität und Stabilität zu verleihen. Hier ist der Gegensatz zu Collins Argumentation zu sehen. Für ihn muss das Soziale bereits ein versammeltes Aggregat darstellen, da er aus dieser Ordnung die Argumente seiner Erklärung zieht. Für ihn sind es soziale Kräfte, die die experimentelle Praxis stabilisieren können. Seine Argumentation spielt sich des Weiteren zwischen zwei Polen ab. Auf der einen Seite findet sich die Welt der Wissenschaft und der Naturgesetze. Die Welt des Sozialen stellt den anderen Pol dar. Collins konstatiert in Bezug auf wissenschaftliche Kontroversen, die er u.a. anhand der Fragen nach Darstellbarkeit und Messbarkeit von Gravitationswellen nachzeichnet, dass diese nicht mit der Natur, also mit Fakten aufgelöst werden könnten, denn die Fakten seien unsicher und somit zu schwach, um Kontroversen zu einem Ende zu führen. Die Argumente, die in der Debatte um die Gravitationswellen mobilisiert werden, würden nicht den Kriterien wissenschaftlicher Rationalität standhalten, da sich diese als zu kontingent darstellten. Collins sucht dann die Elemente seiner Erklärung am anderen Pol und führt soziale Argumente ins Feld, die die Kontroverse beendet haben.63 Seine Erklärung macht also, und das wäre die Kritik an seinem sozialkonstruktivistischen Ansatz, einen Sprung von einem Pol mit einem entsprechenden Erklärungsrepertoire hin zu einem anderen (vgl. Callon/Latour 1992). Diesen Sprung kann man dann Collins glauben

62 Vgl. Unterkapitel 4.2 und 4.3. 63 In einer sozialkonstruktivistischen Perspektive ist hier dann von »Schließungsprozesse« die Rede (vgl. u.a. Pinch/Bijker 1984). Diese Schließungsprozesse sind durch eine Praxis der Aushandlung verschiedener Machtverhältnisse und soziale Interessen gekennzeichnet.

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oder nicht – er ist aber als solcher nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus setzt Collins eine Ordnung voraus, die er eigentlich erklären sollte. Experimente zeichnen sich gerade dadurch aus, dass durch sie neue Konfigurationen sozialer und natürlicher Ordnungen und ihre Relationen zueinander getestet und erprobt werden (vgl. Knorr-Cetina 2002a: 45). Dies kann gelingen, kann aber auch scheitern. Die Fragilität experimenteller Anordnungen, so wie sie sich mir im Feld gezeigt hat, macht deutlich, dass Ordnung etwas ist, das hergestellt und stabilisiert werden muss. Stabilisierung kann dann auch bedeuten, dass immer wieder neue Akteure, Elemente und Materialien mit eingebunden werden müssen. Unsicherheit und Kontingenz sind in dieser Vermischung von sozialen und materialen Aspekten und Elementen begründet – sie sind ein Effekt von Heterogenität. Der Sozialkonstruktivismus kann Heterogenität nicht denken, denn er unterscheidet a priori zwischen einer Welt objektiver Mechanismen und Gesetze und einer Welt subjektiven Handelns. Insofern kann er die Fragilität von Experimenten nur epistemologisch-kognitiv mit Begriffen wie ›überraschende Effekte‹ (vgl. Zitat Groß oben) oder auch›Ungewissheit‹, ›Nicht-Wissen‹ oder ›NochNicht-Wissen‹ (vgl. Wehling 2001) beschreiben. Diese Erklärung ist jedoch unbefriedend, insofern sich nicht weiter nachvollziehen lässt, woher die Überraschung kommt und woran sich Ungewissheit festmacht und begründet. Mit dem Begriff der »Heterogenität« (vgl. Law 2006) wird demgegenüber versucht, Realität jenseits einer Kluft zwischen Natur und Kultur, zwischen der Welt der Dinge und der Welt der Menschen, zwischen Subjekten und Objekten zu fassen und zu beschreiben. Hierauf werde ich gleich zurückkommen. Konzipiert man experimentelle Praxis nun als Praxis heterogener Elemente, so muss man nicht länger von einem analytischen Vokabular (Naturkräfte) zu einem Anderen (soziale Kräfte) wechseln (Law 2006: 217). Ich kann stattdessen empirisch untersuchen, welche einzelnen Entitäten an den Stabilisierungs- aber auch De-Stabilisierungsprozessen experimenteller Praxis beteiligt sind. Diese Elemente lassen sich dann identifizieren und benennen, ohne dass man prinzipiell einen Unterschied zwischen den einzelnen Elementen und ihren Bewegungen machen muss. In dem von mir untersuchten Fallbeispiel zeigte sich, dass ganz unterschiedliche Kräfte, Mechanismen und Strategien gleichermaßen zu finden sind, seien es nun experimentelle Konventionen, biologische Eigenschaften, medizinisch-pharmakologische Konditionen, organisatorische Aspekte usf. Die Fragilität der Experimente lässt sich in einer solchen Betrachtungsweise dann so charakterisieren, dass Experimente Netzwerke heterogener Elemente formen, wobei einige Elemente das Aufeinanderbezogen-Sein in diesem Netzwerk erhalten, andere hingegen zu dessen Auflösung streben. So lange ein solches Netzwerk noch instabil ist und sich als fragil erweist, ist zum einen noch nicht klar definiert, welche Ak-

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teure zu diesem Netzwerk gehören und Teil des Netzwerkes sind, noch sind die Aufgaben und Rollen der einzelnen Akteure in dem Netzwerk festgeschrieben. All dies muss noch ausgehandelt werden. Um diese Aushandlungs-, Stabilisierungs- und Destabilisierungsprozesse beschreiben und untersuchen zu können, stellt die Laborethnografie eine gute Methode dar, denn im Labor kann man der Offenheit noch begegnen – im Gegensatz zu einer Analyse wissenschaftlicher Publikationen bspw., in denen die Dinge veröffentlicht werden, die bereits erfolgreich stabilisiert werden konnten. Bevor ich gleich auf Nanopartikel als ein weiteres Element tierexperimenteller Praxis zu sprechen komme, möchte ich zunächst noch kurz bei den eben beschriebenen Charakteristika der Offenheit, Kontingenz und Fragilität experimenteller Praxis bleiben und diese konzeptuell-methodologisch, also in Auseinandersetzung mit einer ANT Beforschung nanomedizinischer Innovationen, diskutieren. Offenheit, Struktur und ANT Eben hatte ich von Fragilität, Offenheit, aber auch von Stabilisierungsprozessen gesprochen. Wie verhalten sich aber nun genau diese Begriffe zueinander, wie sind diese zu konzeptualisieren und wie lassen sie sich beforschen? Hierzu möchte ich noch einmal auf die Versuchsbeschreibung der Tierexperimente zurückkommen und anhand dieser sowie weiterer Beobachtungen Begriffe wie Offenheit und Struktur innerhalb der ANT – im Besonderen im Bezug auf die Heuristik des Akteur-Netzwerkes – diskutieren. Ich hatte in der Versuchsbeschreibung den experimentellen Prozess als eine Behandlung eines tumortragenden Kaninchens mit magnetischem drug targeting beschrieben. Diese Versuchsbeschreibung ist idealtypisch zu betrachten, idealtypisch in der Weise, als der Behandlungsablauf ohne ›Zwischenfälle‹ bleibt. Als Zwischenfälle können all die Aspekte betrachtet werden, die ich bislang als Komplikationen dargestellt hatte: Lungenödeme, Herzinsuffizienzen und Durchblutungsstörungen waren einige der Komplikationen, die während meiner Forschungsaufenthalte aufgetreten sind und die ich beobachten konnte. Dabei zeigte sich, dass es in der experimentellen Praxis nicht darum ging, die Zwischenfälle auszuschließen, den Handlungsablauf also so zu stabilisieren, dass es nur eine Variante dieses Ablaufes gibt, sondern wichtiger war, dass man mit diesen Zwischenfällen so umging, dass sie nicht zu einer Unterbrechung des Experimentes führten, dass man also jeweils die Behandlung zu einem Abschluss bringen

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konnte.64 Ein fester Handlungsablauf spielte deshalb nicht so eine große Rolle, da es ja in der Klinik auch keinen festen Ablauf geben wird. Auch bei der Behandlung von Patienten muss man ganz individuell auf die konkreten Umstände in einer Behandlungssituation eingehen. In dieser Hinsicht, so erklärten mir die Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe, habe man eine recht kliniknahe Situation, in der es darauf ankommt, flexibel zu bleiben, um auf die jeweiligen Gegebenheiten entsprechend reagieren zu können. Das soll nun nicht heißen, dass die experimentelle Praxis vollkommen willkürlich abläuft. Natürlich gibt es Standards, die man insbesondere auch im Hinblick auf die Zulassung des Verfahrens berücksichtigen und erfüllen muss. Darauf werde ich gleich noch einmal zurückkommen. Im Zeitverlauf hat die tierexperimentelle Praxis eine Entwicklung durchgemacht, die Jenny, die biologisch-technische Assistentin, wie folgt beschreibt: »Also ich muss sagen, die Tierversuche haben sich im Vergleich, als ich angefangen habe, sehr, sehr gut entwickelt. Also es ist wesentlich professioneller geworden, wesentlich besser auch vom zeitlichen Ablauf her und von der Handhabung.« [Interview 12/2011]

Die Entwicklung erklärt sie so: »Ich denk, dass ist zum einen halt davon abhängig, unter welchen Bedingungen du arbeitest, wie viel man ist, vielleicht auch irgendwo ne Erfahrungssache, oder jeder bringt neue Ideen mit hinein, was man verbessern kann, um die Sachen quasi optimaler zu gestalten. Auch das Dyna CT bringt jetzt einiges. Und das ist schon wesentlich besser, als vor anderthalb, zwo Jahren.« [Interview 12/2011]

Im Zeitverlauf hat es also Veränderungen in der experimentellen Praxis hin zu mehr »Professionalität«, man könnte auch sagen, hin zu mehr Standards gegeben. Dies wurde u.a. durch eine bessere Mitarbeiterstruktur und durch eine verbesserte technische Ausrüstung möglich. Auf diese Weise finden also Standardisierungen und man kann somit auch sagen, Stabilisierungen statt. Dennoch, so

64 So kam es während meines Forschungsaufenthaltes durchaus dazu, dass es zu einem grundsätzlichen Abbruch und somit zu einem Scheitern experimenteller Praxis kam. Zu solchen Rückschlägen gehörte u.a., dass Kaninchen bei der Operation an Komplikationen, die man aufheben konnte, verstarben. Dazu gehörte aber auch, dass man Kaninchen töten musste, um die Tiere vor unnötigem Leiden zu bewahren. Dies war u.a. dann der Fall, wenn Tumore zu stark gewachsen waren, so dass keine Heilungschance mehr bestand.

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hatte ich argumentiert, ist es im Hinblick auf das Gelingen von Experimenten notwendig, sich eine gewisse Offenheit zu bewahren. Wie lässt sich dies nun konzeptuell fassen? Akteur-netzwerktheoretisch lassen sich Stabilisierungsprozesse zunächst ganz allgemein als die Prozesse beschreiben, über die ein Akteur seine Handlungsmacht aufbaut. Dazu gilt es Verbündete zu finden, d.h. ein Akteur versucht, andere Akteure davon zu überzeugen, dass man für alle Seiten relevante Ziele und Interessen nur gemeinsam erreichen kann. Durch die Assoziation weiterer Akteure, Elemente und Entitäten gewinnt ein Akteur an Macht, gleichzeitig entsteht ein Akteur-Netzwerk. In der ANT wurden diese Netzwerke in der Regel eher als stabile Netzwerke beschrieben (vgl. u.a. Callon 2006; Law 2006; Latour 1993). Diese Stabilität resultiert dabei nicht zuletzt daraus, da Netzwerke beschrieben wurden, die sich bereits etabliert haben und man rekonstruktiv beschrieben hat, wie sich Akteure durchsetzen konnten. Für meine Untersuchung gilt nun zum einen, dass wir es mit einem Akteur-Netzwerk zu tun haben, dass sich noch in der Forschungs- und somit auch noch in der Aufbauphase befindet. Darüber hinaus hat sich aber auch gezeigt, dass sich für die konkrete Praxis vor Ort, aber auch in einer möglichen klinischen Praxis, ein stabiles Netzwerk dysfunktional sein kann, wenn man unter Stabilität ein fixes Set an Elementen versteht, die das Netzwerk formen. Funktional ist hingegen, sich Anschlussmöglichkeiten offen zu halten. In dieser Hinsicht muss das Konzept der Stabilisierung reformuliert werden: Stabilisierung heißt nicht, dass man eine stabile Struktur im Sinne festgesetzter Relationen zwischen festgesetzten Elementen herstellt, sondern Stabilisierung heißt, mit Situationen so umgehen zu können, dass Dinge am Laufen gehalten werden. Um diese Form der Stabilisierung zu ermöglichen, bedarf es einer Offenheit gegenüber der Elemente des Akteur-Netzwerkes, denn man muss die Möglichkeit haben, neue Elemente assoziieren zu können um somit zusätzliche Ressourcen zu mobilisieren. Die ANT – insbesondere die Arbeiten von Michel Callon und Bruno Latour – denkt in dieser Hinsicht in der Regel also viel zu strukturtheoretisch.65 In Bezug auf meine Beobachtungen müssen Netzwerke eher prozessorientierter gedacht werden, um den Prozessen der Verschiebung und der Adaption, die für die nanomedizinische Forschung und Praxis eine große Rolle spielen, Rechnung zu tragen. Dies lässt sich bewerkstelligen, indem man den Fokus seiner Analysen von der Beschreibung der Elemente und

65 Erste Ansätze, Akteur-Netzwerke weniger stabil zu denken, wurden schon vorgelegt. So beschreiben bspw. Vicky Singleton und Mike Michel Akteur-Netzwerke, für deren Aufrechterhaltung Aspekte wie Ambivalenz, Dislokation (Singleton/Michael 1993) oder auch Instabilitäten (Singleton 1995) von Bedeutung sind.

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der Struktur von Elementen in einem Netzwerk hin zur Darstellung der Prozesse des Verbindens verschiebt. Offenheit kann also als Kennzeichen experimenteller-repräsentationaler Praxis in der nanomedizinischen Forschung in Erlangen genannt werden. Diese Offenheit ist aber nicht nur im Hinblick auf die Praxis des Experimentierens zu erkennen, sondern auch in Bezug auf die Akteure, auf denen das Hauptaugenmerk meiner Untersuchung liegt, den Nano-Partikeln. Diesen möchte ich mich nun zuwenden und versuchen, sie zu charakterisieren. Nanopartikel Die Beforschung und Anwendung von Nano-Partikeln stellen die zentralen Bezugspunkte der nanomedizinischen Forschung in Erlangen dar und sind entsprechend zentrale Elemente tierexperimenteller Praxis. Wie bereits mehrfach erläutert nutzt die Arbeitsgruppe SEON magnetische Nanopartikel für ihre lokale Tumortherapie zum gezielten Wirkstofftransport. Wie lassen sich diese nun charakterisieren? Zunächst kann man allgemein festhalten, dass Nano-Partikel in populärmedialen Darstellungen zum Thema ›Nano‹ stets einen prominenten Stellenwert einnehmen. Vielfach lassen sich hier Beschreibungen wie die folgenden finden: »Boom der Nano-Partikel. Kleine Teilchen, großes Risiko Nanoteilchen sind überall: in Sonnencreme, in Zahnpasta, in Unterhosen. Sie machen Salben cremiger, Textilien frischer, Wurst rosiger. Jetzt mehren sich Hinweise, dass von den Wunderpartikeln Gesundheitsgefahren ausgehen.« (Spiegel-online 2008)

oder: »Gefährliche Zwerge Nanopartikel können als Fähren für Medikamente in der menschlichen Blutbahn dienen. Oder zur Entgiftung verseuchter Böden. Doch sie bergen auch Gefahren.« (Focus-Wissen 2008)

Diese Beschreibungen verweisen auf die Heterogenität des Feldes ›Nano‹, was alles unter dem Begriff Nanopartikel zu verstehen ist. Aufgrund ganz unterschiedlicher Anwendungsmöglichkeiten (sie können in Kosmetik, in Textilien, in der Landwirtschaft oder auch in der Medizin zum Einsatz kommen) kann entsprechend auch nicht allgemein von ›dem‹ Nanopartikel gesprochen werden. Was einen Nanopartikel ausmacht, kann in der jeweiligen Anwendung sehr verschieden sein. Auch die Art und Weise, wie der Mensch – oder der menschliche

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Körper – mit Nanopartikeln in Berührung kommt ist von Anwendung zu Anwendung verschieden. Die Frage, ob und inwieweit Nanopartikel nützlich sein können oder ob sie dem menschlichen Organismus schaden, hängt aber ganz entscheidend von der Art der Anwendung und des Einsatzes von Nanopartikeln ab. Daher möchte ich genauer beschreiben und analysieren, was denn ›Nanopartikel‹ in der Erlanger Forschung bedeutet. Die Erlanger Arbeitsgruppe verwendet Nanopartikel zum drug targeting. Um Nanopartikel für diese Anwendung nutzbar machen zu können, müssen diese bestimmte Anforderungen erfüllen: es müssen biokompatible Partikel mit einem therapeutischen Nutzen sein.66 Diese Partikel werden dann in verschiedenen Arbeitschritten, mithilfe verschiedener Verfahren und in der Verwendung mehrerer Materialien, hergestellt. Die Herstellung setzt sich aus drei grundlegenden Prozessen zusammen: die Herstellung von Rohpartikeln, die Beschichtung (zur Stabilisierung der Partikel und zur Sicherstellung der Verträglichkeit der Partikel) und die Bindung mit einem Chemotherapeutikum. Allein für die Herstellung der Rohpartikel gibt es ganz unterschiedliche Methoden mit unterschiedlichen Verfahren. Die Arbeitsgruppe hat im Jahr 2004 mit der Partikelsynthese begonnen. 2006 hat sich dann das Verfahren etabliert, dass in der Zeit meiner Forschungsaufenthalte zur Anwendung gekommen ist, auch wenn hin und wieder andere Verfahren oder Modifikationen des Verfahrens vorgenommen und ausprobiert wurden. Das etablierte Verfahren zur Herstellung der Rohpartikel ist der Ansatz nach Khalafalla und Reimers, der wie folgt beschrieben werden kann: In einem 100 mL Becherglas löst man 8 g (30 mmol) FeCl3.6H2O und 4 g (20 mmol) FeCl2.4H2O in 33 mL H2O. Dies entspricht einem Fe3+/Fe2+-Ausgangsmolverhältnis von 3/2. Innerhalb von ca. 5 min werden unter starkem Rühren 16,7 mL (224 mmol) einer 25%igen NH3-Lösung zugetropft und dann der Ansatz 5 min nachgerührt. Die Magnetpartikel setzen sich nach zweiminütigem Stehen auf einem Ringmagneten am Boden des Becherglases ab. Der Überstand wird dekantiert. Der Rückstand wird je nach der weiteren Verwendung mit 1,3 %iger NH3-Lösung oder 10-4 mol/L NaOH chloridfrei gewaschen. Zu diesem Zweck gibt man dem Rückstand 50 mL Waschflüssigkeit zu und rührt 2 min lang. Dann stellt man den Ansatz 2 min auf einen Ringmagneten. An diesem setzen sich die Magnetpartikel ab. Dann wird der Überstand dekantiert. Dieser Vorgang wird sechsoder siebenmal wiederholt, bis kein Chlorid mehr im Überstand nachgewiesen werden kann. Nach der Zugabe von 50 mL Waschflüssigkeit rührt man 2 min, deckt die Fällung

66 Biokompatibel heißt, dass sie für den menschlichen und tierischen Organismus verträglich sein müssen.

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mit Parafilm ab und lässt diese bis zur weiteren Verwendung stehen. (zitiert nach Hodenius 2002)

An dieser Beschreibung werden Nanopartikel sichtbar in der Form von verschiedenen Elementen (Wasser, Eisenchloride, Ammoniak), Laborhandgriffen (Lösen, Rühren, Zutropfen und Dekantieren) und Laborutensilien (Bechergläser, Magneten). Doch zu dieser Ansammlung von Elementen werden weitere Elemente assoziiert. Denn zu diesem Zeitpunkt hat man lediglich Rohpartikel hergestellt, die noch nicht zu einer Anwendung zu gebrauchen sind. Mit der Zeit würden diese Rohpartikel einfach agglomerieren, d.h. verklumpen und in der Trägerflüssigkeit ausflocken. Um den Partikeln Stabilität zu verleihen und um sie auch für eine Anwendung verträglicher zu machen, müssen die Partikel mit einer Hülle versehen werden, also beschichtet werden. Für die Beschichtung kommen wiederum verschiedene Möglichkeiten, was Materialien und Methoden anbelangt, in Frage, z.B. eine Beschichtung mit Borsäure, eine Beschichtung mit Laurinsäure oder auch eine Beschichtung mit Stärke.67 Den bisherigen Elementen und Arbeitschritten werden weitere hinzugefügt. Die Beschichtung mit einer Säure bspw. erfolgt durch Erhitzen der Partikelsuspension und einer tropfenweisen Zugabe der Säure unter ständigem Rühren. Diese Beschreibungen zeigen, dass man nicht einfach von ›Partikeln‹ sprechen kann, im Sinne von Substanzen, die über bestimmte Eigenschaften und Attribute verfügen, sondern es sind vielmehr unterschiedliche Materialien und verschiedene Formen von Verfahren und Prozessen, die die Partikel mit bestimmten Eigenschaften ausstatten und ihnen somit bestimmte Attribute einschreiben. Die Partikel sind eine Assoziation und Versammlung heterogener Elemente. Der Assoziierungsprozess der Nanopartikel ist nun mit der Beschichtung noch nicht abgeschlossen, denn schließlich müssen die Partikel noch mit einem Chemotherapeutikum beladen werden. Hierdurch erlangen die Partikel dann ihren therapeutischen Nutzen. Auch hier gibt es wiederum verschiedene Möglichkeiten, welches Medikament an die Partikel gebunden wird. In der Zeit meines Forschungsaufenthaltes hatte sich ein Wirkstoff etabliert. Dennoch gab es immer wieder Überlegungen und Diskussionen darüber, andere Wirkstoffe zu verwenden. Der Chemiker der Arbeitsgruppe beschreibt mir in einem Interview die Überlegungen hierzu wie folgt:

67 Die Entwicklung einer experimentellen Methode der Ummantelung stellte einen wichtigen Aspekt der Innovationsleistung der Arbeitsgruppe dar und beanspruchte allein 2 Jahre Forschungszeit.

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»[…] wir haben ja nur eine Art von Tumor, einen Experimentaltumor und es ist so, dass nicht jeder Wirkstoff für jeden Tumor funktioniert und da muss man einfach ne gewisse Bandbreite auch zur Verfügung stellen um jeden verschiedenen Tumor auch verschieden therapieren zu können, dann auch, ja. Also am Anfang wird es nicht gehen, weil wir ja die Synthese jetzt so weit ausgereift haben und das ist schwierig, dass dann gleich ganz schnell auf eine andere Substanzklasse übertragen zu können, […].« [Interview 2/201]

Auch hier wird deutlich, dass man nicht von einer substantiellen Definition von Nanopartikeln ausgehen kann. Die Verknüpfung Partikel – Wirkstoff stellt jeweils eine spezifische Verknüpfung dar: nicht jeder Wirkstoff passt an jeden Partikel. Diese spezifische Verknüpfung bestimmt dann wiederum, welche weiteren Verknüpfungen möglich sind, also welcher Tumor jeweils geheilt werden kann. ›Nanopartikel‹ werden also durch die jeweilige »Akteurs-Welt« (Callon 2006: 176) und damit den spezifischen Assoziationen innerhalb dieser Akteurs-Welt bestimmt.68 Öffnet man also die black-box, so werden die unterschiedlichsten Konstruktionsprozesse des Objektes ›Nanopartikel‹ sichtbar. Es wird zudem deutlich, dass die Bestimmung dessen, was man unter einem Nanopartikel versteht, sich im Laufe der Forschung auch verändern kann. Konstruktionsprozesse verweisen somit auf die »Geschichtlichkeit« von Objekten (Latour 2000b, 1996b, 1994) – sie werden auf eine bestimmte Weise hervorgebracht, sind jedoch stets auch wandelbar, nicht zuletzt, weil es neben den gewählten Assoziationen stets auch eine Vielzahl anderer möglicher Assoziationen und somit gleichsam eine Vielzahl anderer möglicher Realitäten gibt (vgl. Mol 2002). Die Wissenschaft produziert also keine Fakten über naturgegebene Dinge und Objekte in Form unbestreitbarer Tatsachen (matters of facts), sondern sie stellt Existenzformen her, die sich durch Mannigfaltigkeit charakterisieren lassen und eben aufgrund dieser Mannigfaltigkeit kontrovers und umstritten sind (matters of concern) und es immer wieder in Frage steht, welche Assoziationen Bestand haben, welche sich durchsetzen und welche sich wieder auflösen (vgl. Latour 2004). Beschreibungen von Nanopartikeln, wie sie oben bspw. unter der Überschrift »Kleine Teilchen, großes Risiko« zu lesen sind, stellen also Generalisierungen hoch komplexer und kontingenter Zusammenhänge dar. Hinter der begrifflichen Einheit ›Nanopartikel‹ verbirgt sich eine Vielzahl heterogener Praktiken, Materialien, Ver-

68 Der Begriff der »Akteur-Welt« bezeichnet nach Callon das Repertoire aller Entitäten, die versammelt werden, wobei alle Elemente als gleichwertig betrachtet werden. Die Akteur-Welt sagt aber nicht nur etwas über die Zusammensetzung aus, sondern auch über die Reichweite (vgl. Callon 2006: 176 ff.).

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fahren und Prozesse. Es lässt sich zudem zeigen, dass die Konstruktion von Nanopartikeln noch nicht abgeschlossen ist. Man hat es noch mit fragilen Komplexen zu tun, bei denen die Prozesse des Assoziierens noch nicht beendet sind. Die Art und Weise, wie wir bspw. in einer medizinischen Therapie mit diesen funktionalisierten Nanopartikeln in Verbindung treten, hängt zum jetzigen Zeitpunkt davon ab, ob die Prozesse des Assoziierens so stabilisiert werden können, dass die Partikel ihre zugeschriebene Rolle innerhalb der Therapie ausfüllen können. In diesem Sinne strebt die Arbeitsgruppe mit ihrer Therapie eine mögliche Form von Welt an, deren Realisierung jedoch noch in Frage steht. Wichtige Konstruktions- und Assoziationsprozesse stehen zum Zeitpunkt meines Forschungsaufenthaltes noch aus, denn sie sind mit den Tierversuchen noch nicht abgeschlossen. Diese sind zwar als präklinische Tests Vorraussetzung für die Übersetzung in die klinische Phase, sie sind aber keine Garantie dafür, dass die Übersetzung, die schließlich zu einer Anwendung in der Klinik und am Patienten führt, erfolgreich sein wird, denn, das war häufig Thema bei verschiedenen Gesprächen, die Ergebnisse im Tiermodell sind nicht unmittelbar übertragbar auf die Behandlung eines Patienten. Eine wichtige Hürde, die dabei u.a. noch zu nehmen ist, ist die Standardisierung und Zulassung der Partikel. Die therapeutischen Nanopartikel müssen zunächst in sog. Prüfmuster transformiert werden. Hier arbeitet die Arbeitsgruppe eng mit der Klinikapotheke in Erlangen zusammen. Diese ist autorisiert, Prüfmuster für die klinische Anwendung nach den in der EU geltenden Herstellungs- und Zulassungsrichtlinien herzustellen. Die Herstellung von Prüfmustern unterliegt in der EU laut § 13 AMG den Qualitätsanforderungen der ›guten Herstellungspraxis‹ (good manufacturing practice). Sowohl die Verträglichkeit als auch die Sicherheit von Präparaten müssen gewährleistet sein. Dr. Frank Dörje, der Leiter der Klinikapotheke in Erlangen, nennt mir im Interview u.a. folgende Qualitätsanforderungen an die therapeutischen Nanopartikel: Partikelfreiheit, insbesondere zum Ausschluss von Thrombosen, Reinheit in Bezug auf fiebererzeugende Stoffe (endotoxinfrei), Keimfreiheit, Wirkstoff muss Hauptagens sein, aber auch keine unerwünschten Nebenwirkungen beinhalten, und die Partikel sollten dem ph-Wert des Blutes entsprechen. Er führt dann weiterhin aus: »Dazu gilt es gleich mehrfach, mehrdimensional, den Wirkstoff zu charakterisieren, in seinen physikalisch-chemischen Eigenschaften, in seiner Reinheit, in der Herstellungsweise der ihn ausmachenden Moleküle muss es also, abschließend gesagt, darf es keinerlei Zweifel an der Qualität des Gesamtprüfpräparates geben und diese nur in Ansätzen jetzt vorsichtig skizzierten Qualitätsanforderungen, die genügt es nicht nur einzuhalten, nein, man muss sie auch, wenn man im Herstellungsbetrieb erlaubnispflichtig sozusagen, das

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Wort war jetzt wichtig, ein Prüfpräparat herstellt, muss man mit pharmazeutischen Überwachungsbehörden regelmäßig, Bundesoberbehörden, also das BfArM und das Paul Ehrlich Institut, sog. ein IMPD erstellen, das ist ein investigational medicinal product dossier, ja, in dem wir all diese Qualitätsnachfragen adressieren und sozusagen der Bundesoberbehörde vorlegen und die hat das zu genehmigen und ohne Genehmigung kann dieses Prüfpräparat nicht hergestellt werden, ja. Es ist also mit erheblichsten Auflagen verbundene Verfahrensweise, die letztlich zu ner Prüfpräparatherstellung führt.« [Interview 6/2011]

Die Biografie der Nanopartikel ist also mit den Tierexperimenten noch nicht abgeschlossen. Ihnen werden weitere Eigenschaften hinzugefügt.69 Am Ende des Zulassungsverfahrens plant die Arbeitsgruppe eine Ausgründung. Das Forschungslabor verwandelt sich dann also zu einem Wirtschaftsunternehmen und die Partikel werden zu einem Produkt. Die Partikel hätten als Produkt dann den Status eines immutable mobiles erreicht. Sie sind dann eine standardisierte Version der zahlreichen und unterschiedlichen Praktiken, die mir im Labor noch begegnet sind. Die Laborpraxis verschwindet in einer black-box und wird unsichtbar. Doch solange die Prozesse des Versammelns, so wie ich sie eben beschrieben habe, noch nicht abgeschlossen sind, steht diese Zukunft noch in Frage. Dennoch ist es m.E. wichtig, diese Prozesse des Assoziierens zu begleiten und sichtbar zu machen, wenn man die Prozesse des Assoziierens als politische Prozesse beschreibt (Latour 2005). Es sind Prozesse des ›Versammelns‹, in denen die Akteure benannt werden, die als ›relevante‹ Akteure behandelt werden und denen ein Mitspracherecht in der Entwicklung zugeteilt wird. Sie sind politisch, da es um Prozesse des Einschließens aber auch des Ausschließens geht – mit jeder Assoziation wird der Weg einer möglichen Zukunft beschritten, wobei andere ausgeschlossen werden, denn aus ihnen gehen bestimmte Formen von Kollek-

69 Zum Zeitpunkt meines Forschungsaufenthaltes arbeitete die Arbeitsgruppe bereits über drei Jahre intensiv mit der Klinikapotheke zusammen. Den tatsächlichen Aufwand (zeitlicher aber auch personeller Art) konnte mir Herr Dörje zum diesem Zeitpunkt noch nicht konkret nennen. Unklar war auch, ob die Partikel als Medizinprodukte zugelassen werden, was die Zulassung einfacher gestalten würde, oder als Arzneimittel, was mit einem größeren Zulassungsaufwand verbunden wäre. Die entsprechenden Regulierungsregeln hierfür schienen also nicht eindeutig zu sein. Offene Regulierungsfragen kennzeichnen den Nanobereich noch vielfach (vgl. SchaperRinkel 2006).

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tiven und damit dann auch bestimmte Formen von Welt hervor.70 In den Worten von Donna Haraway könnte man auch formulieren: »[…] die Dinge hätten anders sein können […]« (Haraway 1995: 109).71 Um also etwas über Nano-Wirklichkeiten und Nano-Sozialitäten zu erfahren, muss man sich den Objekten zuwenden, die diese Welten mitformen und mitgestalten. Um dies in meiner Forschung umzusetzen, hatte ich mein Vorgehen auch als objekt-orientierte Forschung gekennzeichnet. An dieser Stelle, an der wir schon einiges über die Objekte nanomedizinischer Forschung – wie Tierkörper, Bildgebungsanlagen, Nanopartikel – erfahren haben, möchte ich nun ein paar methodologische Anmerkungen anschließen und danach fragen, wie sich Objekte konzeptualisieren und soziologisch erforschen lassen. Die Beforschung von Nanopartikeln soll dabei meinen Bezugspunkt darstellen. Was sind Objekte und wie lassen sich Objekte beforschen? In der Beschreibung der Nanopartikel hatte ich diese als Versammlung und Assoziation heterogener Elemente beschrieben. Dazu zählten unterschiedliche Verfahren der Synthese und der Analytik, als auch unterschiedliche Möglichkeiten bei der Wahl der jeweiligen Materialien. Diese, so hatte ich bislang gesagt, haben sich im Laufe der Forschungszeit verändert. In dieser Weise lassen sich die Partikel als kontingent bezeichnen. Diese Kontingenz zeigte sich jedoch nicht nur in einer längerfristigen Forschungsperspektive, also in Bezug auf die Entwicklung von Nanopartikel als nanomedizinische Innovation, sondern diese Kontingenz wurde auch während meiner Forschungsaufenthalte ganz kurzfristig und in der alltäglichen Forschungspraktik sichtbar, d.h. es kam immer wieder zu einer Veränderung der Zusammensetzung der Partikel, also der jeweiligen Assoziationen. Diese Veränderungen korrespondierten dabei mit den Erfahrungen aus den Tierexperimenten. Die Identität der Objekte ist somit das Resultat der Interaktion innerhalb eines bestimmten Akteur-Netzwerkes, das sich um und durch das Objekt assoziiert und sukzessive das Objekt immer mitkonfiguriert. Für mich als Ethnografin erzeugten diese (Re-)Konfigurationen nun eine Menge an Material. So konnte ich Assoziationen beobachten, die nur sehr kurze Zeiten wirksam

70 Für Isabelle Stengers ist damit jede wissenschaftliche Erkenntnis, die bestimmte Dinge und damit bestimmte Welten herstellt, auch mit Verantwortung verbunden (Stengers 1997: 224 ff.). 71 Sie betont dabei, dass ›anders‹ nicht verstanden werden soll als ›beliebig‹ oder ›willkürlich‹, sondern sie möchte auf die jeweils spezifische Weise aufmerksam machen, in der Subjekte und Objekte Beziehungen eingehen und damit Wirklichkeit kreieren (Haraway 1995: 109).

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waren. So kamen bspw. Substanzen versuchsweise zur Anwendung, hatten aber nur ein oder zwei Tage lang Bestand und wurden dann wieder verworfen. Analyseverfahren kamen nicht immer in gleicher Weise und vor allem nicht in gleichem Umfang zur Anwendung. Eine bestimmte Systematik und Kontinuität in der Analytik war etwas, was in meiner Forschungszeit als ein anzustrebendes Ziel formuliert wurde und war daher etwas, das erst erarbeitet wurde. Im Laufe meiner Forschungsaufenthalte veränderte sich dann sogar die Gestalt der Partikel. Ausschlaggebend war hierfür die Nutzung der Elektronenmikroskopie. Diese sollte Aufschluss über die Morphologie der Partikel liefern, aus der wiederum Rückschlüsse auf die Bindungen der jeweiligen Elemente an die Partikel gezogen wurden. Diese Aufnahmen stellten dann die Vorstellung von einem Kugelmodell in Frage, bei dem die einzelnen Elemente als Schichten um einen Kern gedacht wurden. Die elektronenmikroskopischen Aufnahmen deuteten demgegenüber darauf hin, dass das Chemotherapeutikum, wie in einer Seenplatte, zwischen den Partikeln liegt. Wie lässt sich nun aber im Hinblick auf diese vielen, unterschiedlichen ethnografischen Materialien eine Geschichte über ein Objekt erzählen, ein Objekt, das mitunter täglich eine andere Versammlung darstellte. Hierzu möchte ich nun kurz unterschiedliche soziologische Zugangsweisen und Erklärungsmuster bezüglich objektiver (im Sinne von objektbezogener) Realitäten diskutieren. Für den Technikdeterminismus sind Fragen nach der Identität von Objekten nicht relevant, sie tauchen gar nicht auf. Der Technikdeterminismus bezieht sich auf ›matters of facts‹. Er beschäftigt sich lediglich mit den gesellschaftlichen Folgeerscheinungen wissenschaftlicher und technologischer Entwicklungen, die Dinge selbst werden als Tatsachen keiner soziologischen Betrachtung unterzogen. Hier lassen sich entsprechend auch keine Konzepte zur Beforschung von (wissenschaftlich-technologischen) Objekten finden. Aufschlussreicher ist demgegenüber der sozialkonstruktivistische Ansatz. Dieser kann durchaus mit der Mannigfaltigkeit von Objekten umgehen. Im Hinblick auf unterschiedliche Methoden, Verfahren oder Theorien wäre hier epistemologisch von unterschiedlichen ›Perspektiven‹ auf ein Objekt die Rede.72 Als ein Kennzeichen von Nanoforschung und Nanotechnologie wird ja die Interdisziplinarität genannt (vgl. u.a. BMBF 2006, Roco/Bainbridge 2001). Hier könnte man ja sagen, dass die unter-

72 Die Perspektiven eines solchen Ansatzes lägen bspw. darin, auf die Grenzen der jeweiligen Zugänge einzugehen, was etwa die jeweiligen Darstellungsmöglichkeiten in Bezug auf eine Sache betrifft, oder man würde über die jeweilige historische Bedingtheit und Einbettung bestimmter Erkenntnisperspektiven sprechen (vgl. z.B. Boehm 2001: 52).

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schiedlichen Disziplinen verschiedene Zugangsweisen und somit auch verschiedene Konzepte von Nanopartikeln haben.73 In diesem Verständnis würde man von einer Multiplizität von Perspektiven auf ein Objekt sprechen. Doch trifft eine solche Konzeptualisierung für meinen Forschungsgegenstand nicht zu. Zwar ist die Arbeitsgruppe interdisziplinär besetzt, doch was ich über Nanopartikel erfahren habe beschränkte sich auf die ›chemische Perspektive‹, durch Beobachtungen im Chemielabor sowie Gespräche mit dem Chemiker der Arbeitsgruppe und der chemisch-technischen Assistentin. Unterschiede beruhten nicht auf unterschiedlichen Perspektiven, sondern auf unterschiedlichen Verfahren und Materialien. Wenn ich mich nun wiederum auf die ANT berufe, so kann man hier auf eine lange Tradition der Beforschung von Objekten verweisen. Zunächst einmal ist für die ANT ein Objekt auch ein Akteur-Netzwerk. Objekte werden als Akteur-Netzwerke konzeptualisiert und als solche auch beforscht. In einer ursprünglichen Version gab es entsprechend eine spezifische und klar umrissene Definition eines Objektes: »Objects are an effect of stable arrays or networks of relations. The suggestion is that objects hold together so long as those relations also hold together and do not change their shape.« (Law 2002: 92)

In dieser ursprünglichen Definition waren es ›immutable mobiles‹, die in der ANT die Position von Objekten besetzten. In der Beforschung von Objekten zeigte sich jedoch, dass diese Definition zu rigide ist. Viele Objekte, die beforscht worden, zeigten nicht die Stabilität von Relationen, die vormals noch als Vorgabe für den Bestand eines Objektes unverzichtbar war. Entsprechend wurde der Objektbegriff weiter differenziert.74 Ich möchte an dieser Stelle weiter meinem Interesse an der ›Ontotologie‹ von Dingen folgen. In einer solchen Perspektive sind Objekte dann nicht unabhängig von der Praxis zu denken, die sie hervorbringen. Dies ist eine Perspektive, die insbesondere von Annemarie Mol (2002) in ihrer Studie über Arteriosklerose erarbeitet wurde. Sie schreibt:

73 Eine solche Vorstellung wurde von Susan Leigh Star und James R. Griesemer mit dem Konzept des »boundary object« umschrieben (Star/Griesemer 1989). 74 So entwickeln Vicky Singleton und John Law vier verschiedene Objektbegriffe: Objekte, als Ausdehnungen in einem euklidischen Raum; Objekte, als stabile Netzwerkkonstellationen, Fluide, die geringfügig ihre Gestalt verändern, und ›fire objects‹, die sich in einem Wechselspiel von Anwesenheit und Abwesenheit manifestieren (Law/Singleton 2005).

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»If practices are foregrounded there is no longer a single passive object in the middle, waiting to be seen from the point of view of seemingly endless series of perspectives. Instead, objects come into being – and disappear – with the practices in which they are manipulated. And since the object of manipulation tends to differ from one practice to another, reality multiplies.« (Mol 2002: 5)

Wenn wir nun den Begriff Nanopartikel im Zusammenhang des Forschungsprozesses betrachten, so zeigt sich, dass sich hinter diesem Begriff ganz unterschiedliche Realitäten verbergen können. Jedes Verfahren und jede Methode, das jeweils zur Anwendung kommt, stellt eine spezifische Wirklichkeit dessen her, was man unter Nanopartikel versteht. Neue Methoden und neue Verfahren multiplizieren gleichsam diese Wirklichkeiten. In einer solchen Sichtweise sind Objekte nur real, wenn sie praktisch hergestellt werden und haben nur Bestand, wenn diese Praxis auch aufrecht erhalten wird. Setzt sich eine Praxis nicht durch, so verschwindet mit ihr auch das jeweilige Objekt und mit ihm eine mögliche Realität. Kommt eine andere Praxis zum Einsatz, so realisiert sich ein neues Objekt. So werden Objekte also gestaltet und lassen sich als »Ablagerungen von Interaktionen und Beziehungen« (Haraway 1995: 109) interpretieren. In Anlehnung an Annemarie Mol kann man in Bezug auf die Forschungspraxis in Erlangen sagen, dass sich der Forschungsprozess so kennzeichnen lässt, dass er mit einer Multiplizität von Objekten (Mol 2002: 51) verbunden ist und so lange der Forschungsprozess noch nicht abgeschlossen ist, multipliziert sich die objektive Realität der Nanopartikel. In einer solchen Konzeption heißt dann eine objektorientierte Forschung, die Praxis zu beobachten und zu beschreiben, die Objekte herstellt und realisiert. Eine Soziologie der Übersetzung, die Prozesse der Wirklichkeitsbildung als Verknüpfungsprozesse konzipiert, muss dann jedoch nicht an diesem Punkt, da festgestellt wurde, dass unterschiedliche Praxis unterschiedliche Objekte herstellt, stehenbleiben. Insofern, als jedes Objekt mit einer ihm spezifischen Identität ausgestattet ist, beinhaltet es, so hatte ich eben schon gesagt, bestimmte Möglichkeiten von Welt, denn je nachdem, welches Objekt sich realisiert, werden bestimmte Anschlussmöglichkeiten geschaffen, andere ausgeschlossen. Tierexperimentelle Praxis kann dann so interpretiert werden, dass sich die jeweiligen Realitäten manifestieren und artikulieren. In den bisherigen Beschreibungen haben sich bereits unterschiedliche Wirklichkeiten gezeigt, Wirklichkeiten, in denen Versuchtiere mit Hilfe magnetischer Nanopartikel zum Medikamententransport geheilt werden konnten, doch diese Realisierungen sind noch nicht stabil. Teil-

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weise zeigten die Partikel aber auch schädliche oder gar tödliche Wirkungen.75 Allgemein formuliert kann man somit sagen, dass jedes Objekt eine je spezifische Realität und damit gleichsam eine je spezifische Zukunft beinhaltet. Ein solches Denken über Realität ist bereits in der Soziologie Gabriel Tardes angelegt, den Bruno Latour als intellektuellen Vorfahren der ANT bezeichnet (Latour 2009). In seinem Buch Monadologie und Soziologie schreibt Tarde (2009): »Am Grunde eines jeden Dings liegt jedes wirkliche oder mögliche andere Ding.« (Ebd.: 50 )

Die Idee, die sich mit dieser Art monadischen Denkens verbindet, ist, dass das Verständnis für größere Zusammenhänge (z.B. Gruppen, Institutionen, Gesellschaften), stets im Kleinen, im Individuellen angelegt ist. Entsprechend liegt der Schlüssel des Verständnisses im Kleinen und Individuellen. Das heißt auch, dass das Kleine komplexer ist als das Große, denn alle Möglichkeiten sind hier schon angelegt. Damit sagt Tarde dann nicht nur (in Opposition zu Emile Durkheim), dass gesellschaftliche Zusammenhänge im Vergleich mit dem Individuellen nicht so reich an Differenz und Komplexität sind, sondern seine Monadologie wendet sich auch gegen das Primat menschlicher Handlungsträgerschaft. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch in seinem Gesellschaftsbegriff. Gesellschaft meint für Tarde nicht allein der kollektive Zusammenschluss menschlicher Individuen, sondern er plädiert dafür, jedes Ding als eine Gesellschaft zu behandeln, da jedes Phänomen eine soziale Tatsache bildet (Tarde 2009).

75 Isabelle Stengers argumentiert diesbezüglich, dass die Beurteilung darüber, ob es sich bei einem wissenschaftlichen Unternehmen um gute oder um schlechte Wissenschaft handelt, nicht in Bezug auf epistemologische Fragen zu analysieren und zu beurteilen seien, sondern anhand der Ontologie bewertet werden sollte, also im Hinblick auf die Art von Welt, die die Wissenschaft produziert (Stengers 2008). So können Partikel, die nicht so konstruiert sind, dass sie stabil sind, sondern stattdessen verklumpen, Gefäße verstopfen, den Blutkreislauf unterbrechen und den Hinterlauf eines Kaninchen dann absterben lassen, als schlecht konstruierte Partikel beschrieben werden. Dies sind dann jedoch auch Konstruktionen und Realitäten, die keinen Bestand haben werden. Beständig werden nur gute Konstruktionen sein, die mit einer Heilung der Versuchstiere verbunden sind. Mit ihnen verbinden sich das Potential und die mögliche Zukunft, Krebserkrankungen auch beim Menschen therapieren zu können. Als ›gute Konstruktion‹ kann man sie in der Hinsicht betrachten, als wir von ihr profitieren können.

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Die eben vorgeschlagene Konzeption von Objekten muss konsequenter Weise auch zu einer Rekonzeptualisierung des Verhältnisses von Subjekt und Objekt führen. Diese Argumentation möchte ich zum Abschluss meiner Beschreibungen tierexperimenteller Praxis aufnehmen, bevor ich zum Arterienmodell übergehe. Objektivierungen – Subjektivierungen Eine übliche Charakterisierung wissenschaftlicher Praxis findet sich in der Unterscheidung von Forschungsobjekt und Forschungssubjekt. Wenn ich bislang auch hin und wieder vom Untersuchungsobjekt gesprochen habe, so bezieht sich diese Charakterisierung auf die wissenschaftliche Konvention, diese Unterscheidung zu treffen. Üblicherweise werden die Begriffe Subjekt und Objekt als Gegensatzpaar gebraucht. Als Gegensatzpaar verweisen sie auf die dominante erkenntnistheoretische Grundstruktur abendländischen Denkens.76 Das Subjekt steht als Erkennendes dem Objekt als Erkenntnisgegenstand gegenüber. Mit der Trennung von Subjekt und Objekt geht also eine bestimmte Kompetenzzuschreibung einher: Das Subjekt agiert. Das Objekt ist Gegenstand subjektiven Handelns, es selbst ist passiv. Das Objekt ist somit das Produkt und die Manipulation eines handlungsmächtigen Akteurs. Betrachten wir hierzu noch einmal die tierexperimentelle Praxis. Nachdem alle Vorbereitungen getroffen wurden, werden zunächst angiografische Aufnahmen gemacht. Diese, so hatte ich gesagt, sind die Vorraussetzung, um die Partikel tumornah applizieren zu können und somit den gewünschten Therapieerfolg zu erzielen. Es kommt hier also zu einer ersten Delegation. Erst durch die Übersetzungsleistung der Angiografie wird der weitere experimentelle Ablauf möglich. In dieser Hinsicht hatte ich die Angiografie auch als Akteur bezeichnet. Als nächstes kommt es zum Herauslösen der Arterie. Auch sind die Experimentatoren nicht allein aktiv, denn sie brauchen Unterstützung von Instrumenten wie Skalpelle und Pinzetten. Das Herauslösen der Arterie geschieht Schritt für Schritt, da sich die Experimentatoren an den materialen Bedingungen im Untersuchungstier orientieren müssen. Dieses Wechselspiel zwischen Tier und Experimentatoren ist auch im Hinblick auf die Narkose zu beobachten. Ob eine weitere Dosis Anästhetikum verabreicht werden muss, wird durch das Blinzeln des Tieres angezeigt. Wenn die Arterie dann soweit präpariert ist und erneut Kontrollaufnahmen gemacht wurden, kommen die Nanopartikel zum Einsatz. Diese werden über einen Katheder in die Arterie gespritzt. Damit die Partikel, die zu therapeutischen Zwecken mit einem Medikament beladen sind, ihre Arbeit im Tumor verrichten können, also das Medikament freisetzen, was dann wiederum

76 Vgl. hierzu Unterkapitel 6.1.9.

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zu einer Reduktion des Tumors dienen soll, muss wieder eine Delegation stattfinden. Man braucht einen Magneten, der über ein Magnetfeld die Partikel an den Zielort transportiert. Diese Beschreibung kann man nun immer weiter führen. Was jetzt aber schon sichtbar geworden sein sollte ist, dass sich der eben beschriebene Handlungszusammenhang nicht allein durch die vollkommene Kontrolle eines Experimentators über seinen Gegenstand erklären lässt. Das Experiment folgt nicht allein den Entscheidungen eines Experimentators und wird nicht nur durch ihn manipuliert. Damit dieser Handlungszusammenhang auf diese Weise zustande kommt, in Gang gehalten werden kann und nicht abbricht, ist er auf die Hilfe vieler weiterer Akteure und ihren jeweiligen Übersetzungsleistungen angewiesen. Der Handlungszusammenhang wird erst durch eine Reihe verteilter subjektiver und objektiver Praktiken möglich und verständlich, wobei die Anteile an Aktionen jeweils reziprok verteilt sind (vgl. Latour 1996b). In diesen Reziprozitätsverhältnissen kommt es zum Austausch von Fertigkeiten und Kompetenzen. Auf diese Weise bestimmen sich die Akteure innerhalb des Experimentes gegenseitig – sie sind aufeinander angewiesen. Das Verhältnis von Subjekt und Objekt stellt sich in der Beobachtung experimenteller Praxis als ein offenes und auszuhandelndes Verhältnis dar. Gerade für das Experiment ist ja die Verflechtung von subjektiver und objektiver Wirkkraft konstitutiv. Für die Beforschung einer solchen Praxis heißt das dann, dass sich das Verhältnis von Subjekt und Objekt nur empirisch nachvollziehen lässt. Die jeweiligen Identitäten – also die Fähigkeiten und Eigenschafen, die jeweils das Subjekt bzw. das Objekt bestimmen – stehen nicht im Vorhinein fest. Sie sind das Resultat und ein Effekt eines gegenseitigen Austauschprozesses. Wie lässt sich nun vor diesem Hintergrund das Verhältnis von Subjekt und Objekt in der experimentellen Praxis bestimmen. Isabelle Stengers plädiert dafür, die Unterscheidung von Subjekt und Objekt nicht vollständig zu eliminieren. Zwar weist auch sie darauf hin, dass die klassische Unterscheidung eine »polemische Spaltung« (Stengers 1997: 204) sei, die die Machtverhältnisse im Laboratorium auf eine bestimmte Art und Weise definiert, in ihr kommt jedoch eine bestimmte Bedeutung experimenteller Praxis zum Tragen, wenn man diese als »Erprobungsverhältnis« (ebd.: 206) charakterisiert. ›Erprobung‹ verweist auf die Dezentrierung des Subjektes. In diesem Sinne deutet sie gleichsam den Begriff der ›Objektivität‹ wissenschaftlicher Erkenntnis um. Objektivität versteht sie nicht länger als die neutrale, von den subjektiven Annahmen und Vorurteilen des Wissenschaftlers freie Beobachterobjektivität. Objektivität bezieht sich in ihrer Lesart auf Objekte. Das, was sich als ›Fakt‹ oder auch als ›Tatsache‹ etabliert, gilt deshalb als ›wahr‹ oder objektiv, weil es in der experimentellen Praxis und in Auseinandersetzung mit einer widerständigen Objektwelt produziert wurde. Stengers schreibt:

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»Wenn die Verbindungen, die die Wissenschaftler zur Wirklichkeit herstellen, gesichert sind, wenn wir rückblickend von ihnen sagen können, daß sie »objektiv« sind, dann liegt das gerade daran, daß sie das Resultat von Kontroversen sind. ›Objektiv‹ sind sie, weil sie sich zunächst an Beurteilungskriterien wenden, deren Rolle darin besteht, die Beweisführung zu hinterfragen und mit aller Kraft nach Mittel suchen, diese zu erschüttern.« (Stengers 1998: 54)

In diesem Verständnis erlangen wissenschaftliche Aussagen ihre Legitimität in Bezug auf die Dinge und Objekte, die sie existent macht. Um also das Verhältnis von Subjekt und Objekt nicht ganz zu verwerfen, der Kritik an der klassischen Definition jedoch gerecht zu werden, kann an einen Vorschlag von Joost van Loon angeschlossen werden. Auch er kritisiert die ursprüngliche Definition, wenn er schreibt: »The a-piori – that is a non-empirical seperation between subjects and objects as essentially two different substances – makes two mistakes at once: (a) it assumes subjectivity and objectivity are caused by something that belongs to the ›being‹ of an entity and (b) it assumes that this ›essence‹ is an absolute modality of being: one is either active or passive.« (van Loon 2012: 195)

In Folge schlägt er vor, von Objektivierung und Subjektivierung zu sprechen: »Objectification is the creation (or invention) of objects, entities that resist and therefore become real; subjectification is the enablement of action, of inaugurating possibilities and thereby, for example but not exclusively, the need for decision.« (van Loon 2012: 199)

Wie lassen sich vor diesem Hintergrund die Ergebnisse meiner Forschung deuten? Zum einen kann man sagen, dass sich die Arbeitsgruppe immer noch in den Aushandlungsprozessen von Subjektivierung und Objektivierung befindet, denn die Forschung ist noch nicht abgeschlossen, es wird weiterhin experimentiert und das erforschte Therapieverfahren kommt noch nicht in der in der klinischen Praxis zur Anwendung. Die Rollen sind noch nicht klar zugewiesen, die gegenseitige Identifizierung noch nicht abgeschlossen. Insofern der »proof of concept« erbracht wurde und Tiere geheilt wurden teilen die Nanopartikel und die Forscher der Arbeitsgruppe ein gemeinsames ›Schicksal‹, doch ob und welche Zukunft die Nanopartikel in der onkologisch-medizinischen Forschung und in der onkologischen Praxis in Erlangen haben werden, steht noch nicht fest. Genauso wenig steht fest, ob und inwieweit sich die Erlanger Arbeitsgruppe als Nanoforscher und als Nanomediziner etablieren werden, ob also ihr Bemühen, ›Nano‹ in

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die medizinisch-onkologische Praxis der Klinik zu implementieren, erfolgreich sein wird. Was sagt ein solches Denken nun über soziale Wirklichkeit insbesondere im Zusammenhang mit technologischen Entwicklungen und Innovationen aus? Es zeigt, dass soziale Wirklichkeit nicht allein auf der Wirkmacht von Dingen und Techniken beruht, die durch je inhärente Sachzwänge gesellschaftliche Zusammenhänge prägen und formen (so wie es ja der Technikdeterminismus beschreibt). Es sagt aber auch aus, dass sich das Soziale nicht nur anhand von Sozialem erklären lässt und somit die stofflich-materialen Bedingungen von Sozialität als solche unberücksichtig bleiben (so, wie der Gesellschaftsbegriff sozialkonstruktivistisch gedacht wird). Ich möchte die Beschreibungen tierexperimenteller Praxis nun mit der allgemeinen These beenden, dass wissenschaftlichtechnische Entwicklungen, und daran anschließend soziale Wirklichkeiten, sich nur als relationale Entwicklungen begreifen lassen. Insofern meiner Untersuchung die Methodologie der verallgemeinerten Symmetrie zugrunde liegt, wird uns der Aspekt der Relationalität wieder begegnen. Ebenso wird sich in konkreter Weise experimentelle Praxis als widerständige Praxis zeigen. Hierzu möchte ich nun auf die zweite Form experimenteller Praxis in Erlangen zu sprechen kommen und mich dem ›Arterienmodell‹ zuwenden. Anhand der Beschreibung dieser Praxis möchte ich wiederum Charakteristika dieser repräsentationalen Praxis herausarbeiten. 6.2.2 Arterienmodell Wie ich bei der Vorstellung meines Forschungsgegenstandes schon ausführlich dargestellt habe, wird beim magnetic drug targeting ein Wirkstoff mittels magnetischer Nanopartikel gezielt an einen Wirkort transportiert. Hier kommt also ein weiterer Akteur ins Spiel, der Magnet. Es ist zwar auf der einen Seite eine Eigenschaft der Partikel, magnetisierbar zu sein, es bedarf dann jedoch eines externen Magnetfeldes und damit eines Magneten, damit sich diese Eigenschaft realisieren kann. Der Transport der Partikel wird dann erst im Zusammenspiel von Magneten und Partikeln möglich. Ich hatte schon gezeigt, dass das magnetic drug targeting nur über eine entsprechende Bildgebung möglich ist, da diese die Vorraussetzung für eine zielgerichtete Anwendung schafft. Mit dem Magneten lernen wir nun ein weiteres Element kennen, das für diese neue Therapieform unerlässlich ist. Somit lässt sich der magnetische Wirkstofftransport im Zusammenspiel von drei zentralen Akteuren beschreiben: Bildgebung, Partikel und Magnet. Man kann dann zudem beobachten, wie sich diese drei Akteure im Zusammenspiel gegenseitig beeinflussen und bestimmen. So hatte ich gezeigt, dass

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weitere Forschung bei den Partikeln notwendig ist, da diese hin und wieder nach der Applikation verklumpt sind, sich also nicht in der gewünschten Weise transportieren ließen. Die Bildgebung muss auf den Magneten abgestimmt werden, denn, so sagt mir der Industriepartner, der die Bildgebungsanlage betreut: »Also das System mag normalerweise kein Magnetismus und also, was kann man machen, um das zu schützen.« [Interview 4/2011]

Auch der Magnet muss wiederum an die Anforderungen des magnetischen Wirkstofftransports angepasst und modifiziert werden. In dieser Hinsicht stellt der gezielte Wirkstofftransport nicht nur eine neue Form einer pharmazeutischen Anwendung dar, sondern mit ihm geht auch eine Geräteentwicklung einher. Man kann also sagen, dass ›Nano‹ hier einen Unterschied macht, denn diese neue Therapieentwicklung lässt sich nicht beschreiben als das Einbringen eines neuen Akteurs in ein bestehendes und dann auch beständiges Netzwerk, sondern bestehende Komponenten verändern sich und müssen im Zusammenspiel mit dem neuen Akteur modifiziert werden. Im Hinblick auf den Magneten spielen dann verschiedene Parameter eine Rolle. So hat bspw. die Reichweite und die Stärke des Magnetfeldes einen Einfluss darauf, wie gut sich die Partikel in der gewünschten Körperregion anreichern lassen. Die Partikelkonzentration im Tumor hat einen Einfluss auf einen möglichen Therapieerfolg, da von dieser abhängig ist, wie viel Wirkstoff seinen Wirkort erreicht. Die Partikelgröße spielt eine Rolle in Bezug auf die Möglichkeiten des Transportes, ebenso wie die physiologischen Eigenschaften der Körperregion (z.B. Strömungseigenschaften des Blutflusses), in die die Partikel injiziert werden, usw. Um diese unterschiedlichen Parameter bei unterschiedlichen Bedingungen untersuchen zu können, hat die Arbeitsgruppe das sog. ›Arterienmodell‹ entwickelt. Hierbei handelt es sich um einen Versuchsaufbau, welcher der Arbeitsgruppe als ›in-vitro Gefäßmodell‹ dient. Dieses Gefäßmodell soll den natürlichen Blutfluss simulieren und eine Untersuchung der Applikation von Partikeln bei unterschiedlichen Bedingungen untersuchen. Der ›Makrokosmos‹ des Organismus wird hier in den ›Mikrokosmos‹ eines Arterienmodells übersetzt und somit experimentell zugänglich gemacht. (vgl. Callon/Lascoumes/Barthe 2011: 48 ff.) Aus dieser Reduktion und Übersetzung einer unüberschaubaren Makrowelt in eine überschaubare und handhabbare Mikrowelt geht die Stärke wissenschaftlichen Arbeitens hervor (Latour 1993: 74). Durch die Reduktion – in diesem Fall einer Reduktion von Wirkungen eines Organismus auf einzelne mechanische Effekte – entsteht die Möglichkeit des Manipulierens und der Kon-

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trolle.77 Entsprechend kennzeichnet Hans-Jörg Rheinberger wissenschaftliche Modelle in zweifacher Hinsicht als »ideale Wissenschaftsobjekte« (Rheinberger 2000: 242). Er führt dies wie folgt aus: »Erstens eignen sie sich in ganz bestimmter Hinsicht besonders gut für das experimentelle Manipulieren. Das ist die praktische Bedeutung von ›ideal‹. Zweitens sind es idealisierte Objekte in dem Sinne, daß sie – in gewissem Ausmaß – standardisierte, gereinigte, isolierte, verkleinerte und in ihren Funktionen reduzierte Entitäten sind.« (Ebd.)

Modelle transformieren also bestimmte wissenschaftliche Fragestellungen in eine Form, mit der im Labor umgegangen und gearbeitet werden kann. Für die Arbeitsgruppe in Erlangen soll das Arterienmodell neben den Tierversuchen weitere Daten und somit zusätzliche Informationen liefern, denn im Tierversuch sind viele Parameter nicht variierbar oder kontrollierbar, sondern gegeben, wie z.B. der Blutfluss.78 Das Arterienmodell stellt dann ein Zwischenglied zur Produktion von histologischen Schnitten und entsprechenden Mikroskopaufnahmen dar. Auch auf die Histologie möchte ich in diesem Zusammenhang kurz eingehen und beschreiben. Wir können also im Folgenden eine repräsentationale Praxis in ihrem Verlauf von der Präparation eines Untersuchungsobjektes hin zu repräsentablen Objekten in Form von histologischen Schnitten beobachten. Hinter dem Arterienmodell und den dann entsprechenden histologischen Bildern verbirgt sich eine lange Kette von Akteuren und Praktiken, die ich nun im Einzelnen darstellen möchte. Präparation der Arterie Die Versuche zum Arterienmodell werden in Erlangen von Doktoranden durchgeführt. Eine Doktorandin hatte zu der Zeit, in der ich in der Arbeitsgruppe war, ihre Versuchsreihe bereits abgeschlossen und war mit der schriftlichen Ausführung ihrer Ergebnisse beschäftigt. Ihre Nachfolgerin, Gabriele Nepf, konnte ich

77 Mit Gabriel Tarde gesprochen könnte man sagen, das Arterienmodell versucht die Physiologie eines Organismus »nachzuahmen« (Tarde 1908). In diesem Sinne hat man es dann nicht auf der einen Seite mit natürlichen Dingen und auf der anderen Seite mit menschlicher Aktivität zu tun, sondern dieser Versuchsaufbaus lässt sich im Sinne Gabriel Tardes aufgrund seines Nachahmungscharakters als einen sozialen Zusammenhang interpretieren. 78 An dieser Stelle ist anzumerken, dass es sich hier um ›gegebene‹ und nicht um ›feste‹ Variablen handelt, denn die jeweiligen Bedingungen können auch von Tier zu Tier unterschiedlich sein.

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jedoch einen Tag lang bei ihrer Arbeit mit dem Arterienmodell begleiten. Gabi ist eine ausgebildete Tierärztin und hat schon in diesem Beruf gearbeitet. Für ihren weiteren beruflichen Werdegang ist es ihr aber wichtig, zu promovieren. Gabi ist in der Arbeitsgruppe mit einer ¼ Stelle angestellt. Sie fühlt sich in der Arbeitsgruppe sehr wohl. Vor allem auch, weil sie als Tierärztin wenig Erfahrung mit Laborarbeit hat, ist es ihr wichtig, dass sie jederzeit die MitarbeiterInnen der Arbeitsgruppe um Rat oder um Hilfe fragen kann. Was den experimentellen Aufbau der Versuche angeht, die sie durchführt, so hat sie diesen von ihrer Vorgängerin übernommen und wurde von ihr auch eingewiesen. Im August 2010 hat Gabi mit ihrer experimentellen Arbeit begonnen. Bis zum Abschluss der Versuchsreihe dauert es ca. ein Jahr. Insgesamt werden Versuche mit einer Variation verschiedener Parameter mit 100 Arterien durchgeführt. An dem Tag, an dem ich Gabi begleite, muss ich schon früh nach Erlangen anreisen, denn die Arterien, mit denen sie arbeitet, werden um 9.30 Uhr am morgen frisch aus dem Schlachthof in Erlangen abgeholt. Doch zuvor muss Gabi im Labor noch Vorbereitungen für die Versuche treffen. Wir gehen dazu ins Chemielabor. Gabi muss hier zwei Flüssigkeiten herstellen, zum einen den sog. ›Puffer‹. Diese Flüssigkeit soll den natürlichen Blutfluss simulieren. Dann wird noch eine zweite Flüssigkeit hergestellt, die dafür sorgen soll, dass die Arterie stabil bleibt und nicht kollabiert. Diese Tätigkeit ist nach ein paar Minuten erledigt. Gabi hat diese Tätigkeiten schon oft ausgeführt, ist also darin routiniert. Wir fahren dann beide mit ihrem Auto zum Schlachthof in Erlangen. Wir stellen das Auto auf dem Parkplatz ab. Wir gehen an einem Tiertransporter vorbei, aus dem gerade Kühe ausgeladen wurden. Aus den Hallen des Schlachthofes sind Tiergeräusche zu hören. Wir gehen aber nicht durch diese Hallen, sondern in ein Büro, das in einem gesonderten Verwaltungsgebäude untergebracht ist. Gabi kommt viermal die Woche hierher, entsprechend ist Gabi bei den Mitarbeiterinnen des Büros bekannt. Als wir hereinkommen sagt eine Mitarbeiterin entsprechend gleich, dass die Arterien noch nicht da seien und geht dann zum Telefon. Sie telefoniert. Dann geht sie zum Kühlschrank und holt eine Tüte mit ›blutigem Inhalt‹ heraus. Die Arterien sind doch schon vorbeigebracht worden. Gabi nimmt die Tüte entgegen und wir verabschieden uns wieder. Zum Dank für ihre Kooperation erhalten die Mitarbeiter des Schlachthofes ab und zu ein Trinkgeld, erzählt mir Gabi. Die Arterien müssen speziell für die Versuche von den Mitarbeitern des Schlachthofes aus den frisch getöteten Kühen herausgeschnitten werden. Die Arterien müssen frisch sein, um für die Experimente genutzt werden zu können, denn sie dürfen nicht kollabieren. Ob die Versuche mit den Arterien klappen, hängt dann auch davon ab, ob die Arterien gut herausgetrennt wurden, d.h. nicht

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zu viele Einschnitte haben und dadurch zu porös sind. Für diese Art von Versuchen ist man von einer guten Zusammenarbeit mit dem Schlachthof abhängig. Experimentelle Praxis wird im Allgemeinen als Laborpraxis begriffen, also als eine Praxis, die in der Abgeschlossenheit des Labors stattfindet. Das Labor wird dabei als eine ›künstliche Welt‹ im Sinne eines geschaffenen Raumes interpretiert, dessen Abschließung es ermöglicht, sowohl bestimmte Effekte zu erzeugen als auch Störfaktoren auszuschließen (vgl.Bonß/Holfeld/Kollek 1993: 57). Das Labor wird also als ein Ort gesehen, dessen Erfolg aus dieser Abgeschlossenheit und Abgeschiedenheit resultiert (vgl. Callon/Lascoumes/Barthe 2011: 41 ff.). Bei dem Arterienmodell handelt es sich um ein Experiment und um einen Versuchsaufbau, der speziell in der Arbeitsgruppe im Hinblick auf die Anforderungen entwickelt wurde, die mit ihrer Art der Forschung und ihrer Art der Therapieform einhergehen. Dieses Modell stellt also eine Innovation dar. Das Arterienmodell ist somit eine neuartige Versammlung bestimmter Elemente, die es dann möglich machen, dass die Arbeit des Magneten und die Arbeit der Nanopartikel sichtbar werden und sich somit auch repräsentieren lassen. Diese Versammlung hat es nun auch nötig gemacht, das Labor zu verlassen. Hier muss zum einen Überzeugungsarbeit geleistet werden, um neue Akteure zu assoziierten, also die Materialien zur Verfügung gestellt zu bekommen, die die neue Art der Versammlung benötigt. Ein regelmäßiges Trinkgeld ist hier ein spezifisches Mittel, um bei bestimmten Akteuren dieser Versammlung Überzeugungsarbeit zu leisten und sie im Sinne eigener Belange assoziieren zu können. Gelingt das Überzeugen, so kommen hier Akteure ins Spiel, die man üblicherweise nicht mit Wissenschaft in Verbindung bringt oder als wissenschaftlich bezeichnen würde, wie bspw. ein Schlachtbetrieb.79 Und dieser Schlachtbetrieb liefert dann nicht einfach nur das nötige Material, das man für die Versuche benötigt. Die Schlachter tragen durch ihre Arbeit auch zum erfolgreichen Ablauf der Versuche bei, denn sie müssen bei ihrer Arbeit des Heraustrennens von Fettgewebe mit den Arterien mit einer gewissen Sorgfalt arbeiten, eine Sorgfalt, die in ihrer üblichen Arbeitsroutine keine Rolle spielt, denn da müssen sie nicht darauf achten, Arterien herauszutrennen, ohne sie zu sehr zu verletzen. Das Arterienmodell stellt auf

79 Hier zeigt sich, dass die Grenze von Wissenschaft und Nicht-Wissenschaft hin und wieder gar nicht so leicht zu ziehen ist, zumindest nicht, wenn man mit vorgefertigten Kategorien arbeitet und sich bereits vorher festgelegt hat, welche Akteure in Bezug auf wissenschaftliche Praxis relevant sind und untersucht werden müssen. Für eine Wissenschaftsforschung bspw., die Wissenschaft nur anhand von Epistemologie beschreibt, sind solche Aspekte nicht fassbar und finden keinen Eingang in die Erklärung wissenschaftlicher Praxis.

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diese Weise eine experimentelle Anordnung dar, bei der die Arbeit des Schlachters ebenso in das Experiment einfließt, wie die Arbeit des Wissenschaftlers, der die Arterie dann weiter für den Versuch präpariert. Auf die weitere Präparation wird nun eingegangen. Zusammen mit den Arterien fahren Gabi und ich zurück in die Labore der Arbeitsgruppe in die Glückstrasse. Hier holt Gabi noch die zwei Flüssigkeiten, die sie am morgen vorbereitet hat. Dann gehen wir zusammen in die HNOKlinik. Wir können uns dabei nicht zu viel Zeit lassen, da die Arterien sonst kollabieren würden. Wir gehen in das Untergeschoss der HNO-Klinik. Hier befindet sich ein Raum, in dem zu Beginn meines Forschungsaufenthaltes auch noch Tier-OP’s durchgeführt wurden.80 Gabi muss in diesem Raum arbeiten, weil hier der Magnet steht, der für die Experimente nötig ist. Dieser Magnet wird sowohl für die Tierversuche als auch für die Experimente mit dem Arterienmodell genutzt. Bevor es mit dem weiteren Präparieren der Arterien losgeht, zieht sich Gabi zunächst einmal einen weißen Kittel und Handschuhe an und setzt sich eine Schutzbrille auf. Auch ich muss eine solche Schutzbrille aufsetzen. Dann legt sich Gabi die Instrumente an einem Platz zurecht, die sie für ihre Arbeit benötigt: Skalpelle, Bindfäden und Klemmen sowie die beiden Flüssigkeiten, die sie am morgen bereits vorbreitet hatte. Als erstes muss Gabi nun die Arterien mithilfe eines Skalpells aus dem Fett- und Muskelgewebe heraustrennen. Dies bedarf Geschick, aber auch Erfahrung, denn Gabi muss hier zwischen den Arterien, die sie für die Experimente benötigt und den Venen, die ebenso im Gewebe eingelassen sind, unterscheiden. Gabi erklärt mir, dass die Arterien durch ihre vergleichsweise dickeren Gefäßwände von den Venen zu unterscheiden seien. Außerdem muss Gabi beim Heraustrennen der Arterien darauf achten, dass sie die jeweiligen ›Abgänge‹ der Arterien (die dann die Nebenäste der Arterie bilden) ebenfalls sorgfältig aus dem Gewebe herauslöst. Dies, so berichtet mir Gabi, sei zu Beginn besonders schwierig gewesen. Sie musste diese Fähigkeit also durch entsprechende Praxis erst erwerben.81 Gelangt Gabi beim Heraustrennen der Ar-

80 Die Arbeitsgruppe hatte zuvor alle ihre Arbeitsräume in der HNO-Klinik, bevor sie, finanziert durch die Else-Kröner-Fresenius-Stiftung, ein Gebäude in der Glückstrasse bezogen hat. 81 Auf die Bedeutung solcher Fertigkeiten, die nicht allein auf formales Wissen zurückgreifen können, sondern durch praktische Erfahrungen erlernt werden müssen, haben schon Pinch, Collins und Carbone in ihrer Studie zur operativen Praxis in der Veterinärmedizin hingewiesen (Pinch/Collins/Carbone 1996). Polanyi hat für diese Form von Wissen, das auf Erfahrung beruht und als individuelles Wissen leiblich gebunden ist, den Begriff »tacit knowledge« bzw. »tacit knowing« geprägt (Polanyi 1985).

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terie an einen solchen Abgang, so fixiert sie ihn zunächst mit einer Klemme und bindet ihn dann mit schwarzem Faden ab. Dies ist für das spätere Durchspülen der Arterie mit dem Puffer sowie der Emulsion mit den Nanopartikeln wichtig, denn die Flüssigkeiten sollen durch die Arterie hindurchgespült werden, ohne dass etwas aus den Abgängen heraustritt. Es dauert etwa eine Stunde bis Gabi ca. 20 cm Arterie aus dem Gewebe herausgetrennt hat. Die lange Arbeitszeit resultiert u.a. daher, dass abgebundene Abgänge von Zeit zu Zeit auch immer wieder aufgehen, so dass Gabi sie neu abbinden muss. Dennoch, so berichtet mir Gabi, konnte sie im Vergleich zum Beginn ihrer Arbeit mit dem Arterienmodell die Arbeitszeit, die sie benötigt, mindestens halbieren. Während der Präparationszeit hat Gabi die Arterie zudem immer wieder in ein Flüssigkeitsbad getaucht, das verhindern soll, dass die Arterie kollabiert. Eine zusammengefallene Arterie wäre für den folgenden Versuchsaufbau einer Simulation des Blutkreislaufes unbrauchbar. Abb. 5: Präparierte Arterie

Foto: Wiebke Pohler, Erlangen, 14.03.2011

Nachdem die Arterie aus dem Gewebe herausgetrennt wurde und alle Abgänge abgebunden sind, führt Gabi an den beiden Enden der Arterie Kanülen ein und bindet diese ebenfalls fest an die Arterie. Durch diese Kanülen spritzt Gabi nun mithilfe einer Spritze Flüssigkeit durch die Arterie. Gabi möchte auf diese Weise testen, ob Flüssigkeit austritt, die Arterie also an Stellen noch undicht ist. Damit Gabi und mir diese Flüssigkeit nicht in die Augen spritzt, tragen wir die Schutzbrillen. Tritt nun an einer Stelle die Flüssigkeit aus, so bindet sie Gabi mit einem Stück schwarzen Fadens ab. Diese Prozedur wird einige Male durchgeführt. Wenn sich eine Stelle gar nicht abbinden lässt oder sich immer wieder öffnet,

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dann schneidet Gabi dieses Stück der Arterie komplett weg. Auf diese Weise wird die Arterie, die zu Beginn dieser Arbeitsschritte noch 20 cm lang war, stetig kürzer. Damit die Arterie jedoch für die anschließende Versuchsanordnung genutzt werden kann, müssen mind. 10 cm Arterie übrig bleiben. Gabi erzählt mir, dass dieses Aufgehen bereits abgebundener Abgänge besondere Geduld erfordere und dies auch dazu führe, dass sie während der Präparation der Arterie häufig fluche. An dem Tag, an dem ich Gabi begleite, ärgert sie sich auch hin und wieder und schimpft. Dieses mal ärgert sie sich aber weniger über die Abgänge, die sie immer wieder neu abbinden muss, sondern über die Kanülen, die sie an den Enden der Arterie festgebunden hatte, denn diese springen immer wieder heraus.82 Dieser Vorgang des Präparierens, der nicht immer so gelingt wie geplant, zeigt die Widerständigkeit von Materialität, mit der man in der Wissenschaft umgehen muss (vgl. Latour 2007: 218). Gabi wird in ihrer Arbeit des Präparierens immer wieder zurückgeworfen. Arbeitsprozesse sind kontingent und nicht uneingeschränkt plan- und steuerbar. Prinzipiell besteht immer auch die Möglichkeit des Scheiterns. Gabi erzählt mir, dass dies ihrer Einschätzung nach einen zentralen Unterschied zu ihrer Arbeit und ihrer Erfahrung als Tierärztin markiere, insbesondere der Umstand, dass die Dinge nicht so funktionieren, wie man es sich vorgenommen hatte. Dies kann bisweilen auch dazu führen, dass man es am nächsten Tag einfach erneut versuchen muss. Hier möchte ich kurz anmerken, dass das, was ich als nanomedizinische Forschungspraxis beobachten konnte, nichts zu tun hat mit meiner Vorstellung von der Nanowelt und einer entsprechenden Nanoforschung. Man hat es hier nicht mit etwas winzig Kleinem zu tun, etwas, was sich dem menschlichen Auge verschließt. Anstelle von kleinen, unsichtbaren Dingen begegneten mir hier makroskopische, klitschige und widerständige Dinge. Bislang habe ich das Präparieren der Rinder-Arterie beschrieben. Dieser Präparationsvorgang ist jedoch nur die Vorbereitung für das Experiment. Doch wie die eben dargestellten Aspekte deutlich gemacht haben sollten, gingen essentielle Bestandteile der Beschreibung wissenschaftlicher Arbeit verloren, würde man diese Vorbereitungsaspekte nicht in die Beschreibung mit einbeziehen, sondern wissenschaftliche Arbeit nur anhand von Experimenten und ergebnisorientiert beschreibt, so wie es häufig in der Literatur zur Wissenschaftsforschung gemacht wird (z.B. Rheinberger 2001; Amann 1994; Latour/Woolgar 1986; Collins 1985). Rückt man alleinig das wissenschaftliche Experiment in den Fokus der

82 Insofern Wissenschaft und ihre Objekte von jeweils bestimmten lokalen Erzeugungsbedingungen und Erzeugungsmechanismen abhängig sind, kann man von »situiertem Wissen« (Haraway 1995) sprechen.

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Beschreibung von Wissenschaft, verliert man alle Tätigkeiten aus dem Auge, die für das Funktionieren oder auch Nicht-Funktionieren von Experimenten ebenso eine Rolle spielen. Dass die Vorbereitung und das Präparieren der Arterien von großer Bedeutung sind, lässt sich sowohl in einer qualitativen Dimension als auch in einer quantitativen Dimension bemessen. Die qualitative Bedeutung bemisst sich dadurch, als die Sorgfalt bei der Präparation der Arterie einen Einfluss darauf hat, ob das Experiment seinen geplanten Verlauf nehmen kann (also bspw. keine Flüssigkeit an Rissen oder Abgängen der Arterie austritt, sondern hindurchgespült werden kann). Zum anderen spielt die Sorgfalt der Präparation auch eine Rolle in Bezug auf die Produktion der Ergebnisse. Wie ich oben bereits erwähnt hatte, werden mit dem Arterienmodell verschiedene Parameter, die für den gezielten Wirkstofftransport von Bedeutung sein könnten, getestet. Ein Parameter, der hier z.B. eine Rolle spielt, ist die Stärke des Magnetfeldes, mit der die Partikel in der Tumorregion angereichert werden sollen. In der experimentellen Praxis werden entsprechend verschiedene Magnetfeldstärken erprobt. In dieser Weise werden dann aber auch entsprechende Ergebnisse erwartet, wie bspw. dass durch ein schwächeres Magnetfeld weniger Partikel angereichert werden können als bei einem stärkeren. Man erwartet auf diese Weise also bestimmte Ergebnisse – sie müssen einer bestimmten Logik folgen. Wenn das Experiment nicht zum ›richtigen‹ Ergebnis geführt hat, so wird dies auf individuelle Unterschiede der Arterien zurückgeführt – bspw. in der Form, dass bei einer Arterie ein Abgang zu fest abgeschnürt wurde und es an dieser Stelle dann zu spezifischen Verwirbelungen kam, die einen Einfluss darauf hatten, auf welche Weise die Arterie insgesamt durchspült wurde. Weichen Ergebnisse von dieser Logik ab, so werden die Versuche wiederholt. Die Bedeutung lässt sich jedoch auch in einer quantitativen Dimension bemessen, nämlich anhand der Zeit, welche die vorbereitenden Arbeitsschritte benötigen. Wie ich gleich zeigen werde, nimmt die Vorbereitung im Vergleich zur Durchführung des Experimentes, viel mehr Zeit in Anspruch. Arterienmodell – Das Experiment Da ich nun auf die Wichtigkeit der Arbeitsschritte zur Vorbereitung des Experiments verwiesen habe, möchte ich nun aber auf das Experiment mit der Arterie selbst eingehen. Die präparierte Arterie wird nun in einen Versuchsaufbau eingespannt, mithilfe dessen eine Blutzirkulation simuliert werden soll. Hierfür spannt Gabi die Arterie in einen Glaskolben. An die Kanülen, die jeweils an den Enden der Arterie festgebunden sind, werden Schläuche angebracht. Über dem Glaskolben wird der Magnet an einer bestimmten Stelle der Arterie und in einem bestimmten Abstand positioniert. Den Abstand reguliert Gabi mit kleinen Holz-

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klötzchen, die sie zwischen Glaskolben und Magneten schiebt. Dann schaltet Gabi den Motor für eine Pumpe an. Dieser sorgt dafür, dass die Pufferlösung, die Gabi bereits am morgen vorbereitet hatte, nun durch die Arterie gespült wird. Dieser Vorgang dauert ca. 10 min. Dann schaltet Gabi den Magneten ein. Innerhalb der nächsten 10 min. appliziert Gabi eine Emulsion mit Nanopartikeln, die somit ebenfalls in den Kreislauf eingebracht werden. Nach 20 min. werden die Pumpe als auch der Magnet wieder abgestellt und die Arterie aus dem Glasbehälter entnommen. Wie man hier nun sehen kann, hat das Experiment 40 min. gedauert, während Gabi mit der Vorbereitung den ganzen Vormittag beschäftigt war. Gabi schneidet die Arterie dann in 11 gleichgroße Segmente. Dies geschieht mittels einer Vorrichtung, die Stefan Lyer speziell für diesen Zweck angefertigt hat.83 Abb. 6: Vorrichtung zum Schneiden von Arterienstücken

Foto: Wiebke Pohler, Erlangen, 14.03.2011

Die einzelnen Arterienstücke gibt Gabi dann in beschriftete Röhrchen mit einer Formalinlösung, die verhindern soll, dass sich die Arterien zersetzen – diese Lö-

83 Auf diesen Aspekt des Bastelns von Dingen für den Forschungsprozess soll in Unterkapitel 6.3.1 im Zusammenhang mit dem Innovationsbegriff noch einmal eingeganegen werden.

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sung fixiert also die Arterien, d.h. sie macht sie haltbar. In den nächsten Tagen wird Gabi die Arterienstücke wieder entwässern und in Parafin gießen. Hierzu werden die einzelnen Arterienstücke in eine passende, vorgestanzte Silikonform gegeben. Mittels eines dafür vorgesehenen Gerätes wird das warme, flüssige Parafin über die Silikonform gegeben. Wenn das Parafin ausgekühlt ist, werden die Stücke wieder aus der Silikonform entfernt. Die Arterienstücke sind also auf diese Weise konserviert. In dieser Form können sie für weitere Untersuchungen, die v.a. im Hinblick auf eine Ergebnisproduktion von Bedeutung sind, genutzt werden. Ergebnisproduktion bedeutet hier, dass Resultate geschaffen werden, die sich bspw. in Papers veröffentlichen lassen. Die Arterie hat bis hierher schon eine Reihe von Manipulationen und Transformationen durchlaufen (vgl. Latour 2000c). Doch sind diese Transformationen an dieser Stelle noch nicht abgeschlossen. Einen weiteren Schritt hin zu Objekten, die für Veröffentlichungen genutzt werden können, stellt die Histologie dar. Bevor ich jedoch auf die Histologie eingehe, also jene Praxis, die einen weiteren Schritt in der repräsentationalen Praxis des Arterienmodells markiert und somit zur Ergebnisproduktion beiträgt, möchte ich zunächst am Beispiel der Arterienstücke sichtbar machen, dass Wissenschaft in der alltäglichen Routine nicht ausschließlich mit repräsentationaler Praxis beschäftigt ist. Von Plastiktöpfchen und Türklingeln Eine Art der Ergebnisproduktion, die mithilfe der Arterienstücke erfolgt, ist die Bestimmung der Verteilung magnetischer Nanopartikel in den Arterienstücken, um nachvollziehbar und damit rückverfolgbar zu machen, wie viele Partikel durch den eben beschriebenen Versuchsaufbau in der Arterie angereichert werden konnten. Die Ergebnisse der Verteilung liefern in diesem Sinne auch einen Beitrag zum Verständnis des zielgerichteten Transports mittels Nanopartikel. Ein Verfahren hierfür ist eine röntgentomografische Untersuchung der Arterienstücke (vgl. Rahn u.a. 2010). Diese Messung wird jedoch nicht in Erlangen durchgeführt, sondern bei einem der Kooperationspartner der Arbeitsgruppe – an der Professur für Magnetofluiddynamik, Mess- und Datentechnik (Prof. Dr. Stefan Odenbach) an der TU Dresden. Hierzu müssen die Arterienstücke also nach Dresden versandt werden. Gabis Aufgabe ist es dabei, die Arterienstücke einzeln in kleine Plastiktöpfchen zu geben und entsprechend zu beschriften. Gabi hatte schon einige Tage mit dieser Tätigkeit verbracht, als ich wieder einen Forschungsaufenthalt in Erlangen habe. In dieser Zeit sind Gabi jedoch die kleinen Plastiktöpfchen ausgegangen und es mussten neue bestellt werden. Dies stört den Arbeitsablauf von Gabi. Sie versucht die Zeit mit der Ausarbeitung des theoretischen Teils ihrer Dissertation zu überbrücken. Gabi versucht sich auch durch die

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Übernahme anderer Tätigkeiten zu beschäftigen, so lange sie auf die Lieferung der neuen Töpfchen wartet. An dem Tag, an dem ich wieder in der Arbeitsgruppe bin, hat Gabi bspw. den Klingeldienst übernommen. Die Klingel an der Eingangstür ist relativ leise, so dass sie, insbesondere wenn in den Laboren gearbeitet wird, nur schlecht zu hören ist. Daher ist es Gabis Aufgabe, auf die Klingel zu achten und ggf. die Tür zu öffnen. So hat sie mir an diesem Tag auch die Tür geöffnet. Ansonsten bleibt Gabi an diesem Tag nichts weiter übrig, als am Rechner anhand der Sendungsverfolgung auf der Homepage der Speditionsfirma nachzuvollziehen, ob das Päckchen mit den neuen Töpfchen an diesem Tag noch geliefert wird, um entsprechend darauf zu warten. Hier zeigt sich also, dass Forschungsprozesse nicht allein durch experimentelle Praxis strukturiert werden, sondern so banale Dinge wie das Fehlen von Verpackungsmaterial können dazu führen, dass die Arbeit ins Stocken gerät. Die Zeit des Wartens ist für Gabi damit jedoch noch nicht vorbei. Nachdem sie alle Arterienstücke verpackt, beschriftet und versandt hat, muss sie nun darauf warten, dass die Messungen vom Kooperationspartner durchgeführt werden und die Arterienstücke mit den entsprechenden Messergebnissen wieder zur Arbeitsgruppe zurückkommen. Diese Ergebnisse stellen einen zentralen Bezugspunkt für die Doktorarbeit von Gabi dar, sie ist also auf diese Ergebnisse angewiesen und kann ihre Arbeit ohne diese Ergebnisse nicht fertig stellen. In dieser Wartezeit arbeitet sie weiter an den Kapiteln ihrer Arbeit, die sie ohne die entsprechenden Ergebnisse schon einmal fertig stellen kann, oder sie hilft bei anderen Tätigkeiten in der Arbeitsgruppe – so wird Gabi bspw. zunehmend an den Tierversuchen beteiligt. Gabi hatte die Arterienstücke Mitte April versandt. Anfang August kommen sie mit den entsprechenden Messergebnissen wieder in Erlangen an. Gabis Aufgabe ist es nun, die Arterienstücke wieder aus den Töpfchen zu holen und, als Vorbereitung für die Histologie, in kleine Pappschächtelchen umzusortieren. Ich bin Gabi bei dieser Arbeit ein wenig behilflich. Wichtig ist dabei, die Arterienstücke in der richtigen Reihenfolge (also die Reihenfolge, in der die Versuche stattgefunden haben), zu sortieren. Gabi schimpft ein wenig darüber, dass die Arterienstücke von den Messungen teilweise recht durcheinander zurückgekommen sind. Also gilt es zunächst, die Reihenfolge wieder herzustellen. Die kleinen Plastiktöpfchen mit den Arterienstücken stecken in ausgestanzten Schaumstofftabletts. Zunächst müssen hier alle 12 Töpfchen mit einer gemeinsamen Versuchsnummer zusammengestellt werden. Zu einer Reihe von Töpfchen gehört je eine sog. Negativprobe. Dies ist nur ein Stückchen Parafin, das als Kontrollprobe jeweils auch mitgemessen wurde. Die anderen 11 Töpfchen einer Reihe sind mit den Ziffern -5 bis 5 beschriftet. Das Töpfchen mit der Nummer 0 bezeichnet dabei das Arterienstück, auf das der Magnet in der expe-

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rimentellen Anordnung, die eben oben beschrieben wurde, direkt gerichtet war. Die Töpfchen mit den Ziffern -5 und 5 beinhalten dann entsprechend die Arterienstücke, die bei dem Versuch am weitesten von der Polspitze entfernt waren. Gabi und ich werden die Töpfchen mit den Versuchsnummern 76, 77 und 78 bearbeiten. Im Labor für Zellkultur besorge ich mir noch ein paar sterile Handschuhe, die ich tragen soll, um meine Haut vor dem Parafin zu schützen. Gabi und ich arbeiten dann an dem großen Tisch im Besprechungsraum. Zunächst werden von DIN A4 Blättern, auf denen kolumnenweise Ziffern ausgedruckt sind, kleine Zettelchen mit je einer Nummer ausgeschnitten. Dann wird jedes Arterienstück aus dem Plastiktöpfchen geholt. Das Töpfchen wird in einen Eimer, der neben dem Arbeitstisch steht, geworfen. Mit Hilfe von Tesafilm wird dann ein Zettelchen, das eben zurechtgeschnitten wurde, um die Arterienprobe geklebt. Die so beschrifteten Proben werden dann der Reihe nach in ein kleines Pappschächtelchen sortiert. Weit über 100 Arterienproben müssen auf diese Art und Weise bearbeitet, beschriftet und sortiert werden. Dass ich bei dieser Arbeit problemlos mithelfen konnte zeigt, dass es hierfür keiner besonderen wissenschaftlichen Ausbildung und Qualifikation bedarf. Wichtig ist es hier vielmehr, jede Menge Geduld mitzubringen. In der Einleitung dieser Publikation habe ich die Beschreibung von ›Nano‹ als neues und zukunftsweisendes Forschungs- und Entwicklungsfeld aufgegriffen. Entsprechend einer solchen Beschreibung würde man in Bezug auf die Nanoforschung auch allerlei spannende, innovative Forschungspraktiken erwarten. Die Praxis, die ich eben beschrieben habe, hinterlässt demgegenüber den Eindruck, dass die Alltagspraxis nanomedizinischer Forschung auch davon geprägt sein kann, dass man sich mit langweiligen und wenig anspruchsvollen Tätigkeiten beschäftigen muss – mit Tätigkeiten, die zumindest nicht besonders spektakulär sind. So scheint es nun in der Beschreibung von ›Nano‹ als Forschungs- und Entwicklungsfeld, aber auch in deren begleitenden Forschung, viel attraktiver und aufregender zu sein, die Rastersondenmikroskopie in den Mittelpunkt zu stellen und diese zu beschreiben. Man kann sich dann bspw. mit Fragen wie, inwieweit das neue Verfahren der Rastersondenmikroskopie die bisherigen Beschreibungen wissenschaftlicher Praxis herausfordert, auseinandersetzen, oder diskutieren, ob man es mit einer neuen Form wissenschaftlicher Erkenntnisproduktion zu tun hat. Als etwas Neues stellt die Rastersondenmikroskopie ein spektakuläres Untersuchungsobjekt dar. In diesem Abschnitt wollte ich hingegen zeigen, dass zu der Alltagspraxis nanomedizinischer Forschung nicht allein das Spektakuläre und die Herausforderung durch ›das Neue‹ gehören, sondern auch einfache, banale, langweilige und unspektakuläre Tätigkeiten.

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Histologie Die Arterienstücke, die fein säuberlich geordnet und beschriftet in Pappschächtelchen verstaut sind, warten nun darauf, histologisch geschnitten zu werden. Diese Schnitte sind dann Ausgangspräparate für mikroskopische Untersuchungen des Arteriengewebes. Als solche werden sie dann zudem zur Ergebnisdarstellung genutzt, d.h. sie werden in Veröffentlichungen verwendet, um Ergebnisse zu illustrieren und nachvollziehbar zu machen. Bezogen auf die oben geführte Diskussion zum Repräsentationsbegriff kann an dieser Stelle gesagt werden, dass die Histologie in der Serie der Transformationen, die in Bezug auf das Arterienmodell bereits vollzogen wurden – von den Schlachtabfällen hin zur Fertigung eines Präparates, von der präparierten Arterie hin zu einem experimentellen Objekt, vom Versuchsobjekt hin zu konservierten Untersuchungsgegenständen – einen weiteren Schritt der Transformation darstellt, der es nun möglich machen soll, ein ›immutable mobile‹ zu schaffen, das dann in der wissenschaftlichen Community zirkulieren und von der Arbeit in Erlangen Zeugnis ablegen kann (Latour 2000c). Anhand des histologischen Schnittes soll dargestellt werden, inwieweit sich Nanopartikel in dem Arterienmodell durch Einsatz eines Magneten anreichern lassen. Gezeigt werden soll, dass die Anreichung umso größer ist, je näher sich das entsprechende Arteriensegment am Polschuh des Magneten befindet. Die Arbeit des Magneten soll also evident gemacht werden. Für die Histologie ist Jenny als biologisch-technische Assistentin zuständig. Es ist jedoch nicht ihr einziges Aufgabengebiet. Im Interview befrage ich sie zu ihren Tätigkeiten in der Arbeitsgruppe und Jenny berichtet mir, dass sie ursprünglich auf die Histologie spezialisiert war und außerdem bei Tierversuchen mitgeholfen habe. In ihrer Zeit in der Arbeitsgruppe hat sich dann ihr Arbeitsspektrum jedoch erheblich erweitert. Die Arbeit in der Zellkultur habe sich zum einen recht intensiviert. Diese umfasst nun nicht mehr nur das Züchten, Pflegen und Vermehren von Zellen, sondern sie arbeitet auch an den Zellversuchen mit, welche die Toxizität der Nanopartikel überprüfen möchten. Ihre Tätigkeiten im Bereich der Tierversuche beschränken sich dann außerdem auch nicht mehr allein auf die Vorbereitung und Nachbereitung der OP’s sowie auf die Pflege der Versuchstiere. Mit dem Einbau der Angiografieanlage in der Arbeitsgruppe ist ein weiteres Aufgabengebiet für Jenny hinzugekommen. Diese Aufgabe erfordert dann wiederum bestimmte Kenntnisse, die sie erwerben muss. Hierzu zählt u.a. eine sicherheitstechnische Unterweisungen, die sie in der Neuroradiologie zu absolvieren hat. Ich hatte darauf hingewiesen, dass die Definition dessen, was man denn nun genau unter Nanowissenschaft und Nanotechnologie zu verstehen hat, sehr vage ist. Wenn man nun die Tätigkeiten und Aufgabenbereiche der

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Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe betrachtet, so gibt es nicht immer klare, vorher festgelegte Profilbeschreibungen ihrer Tätigkeiten. Zwar sind die Mitarbeiter jeweils Hauptverantwortliche für bestimmte Bereiche, die ihrer jeweiligen disziplinären Ausbildung entspricht, aber ihre tatsächliche Arbeit lässt sich nicht immer in diesen disziplinären Grenzen denken. So konnte ich beobachten, wie der Humanmediziner zum Tiermediziner wird, wenn eine Assistenz bei den Tierversuchen benötigt wurde, die Chemikerin zur Biologin, wenn ihr die Obhut der Kaninchen aufgetragen wird, oder die Biologin wird zur Radiologin, wenn die Bildgebung essentieller Bestandteil der Tierversuche ist. Die jeweilige Arbeit, die die Mitarbeiter zu erledigen haben, richtet sich somit nach Aufgaben, die zu erledigen sind. Insofern man die Forschung in Erlangen als Nanoforschung beschreibt, kann man also resümieren, dass man nicht zum Nanoforscher durch eine vorgängige Definition und ein entsprechendes Tätigkeitsprofil wird. Diese jeweiligen Tätigkeiten bestimmen sich durch situative Bedarfe und Notwendigkeiten, also der Frage: Was ist zu tun? Doch sind es diese Tätigkeiten, die das, was man im Nachhinein als Nanoforschung verstehen wird, formen und definieren. In Anschluss daran kann man also sagen, man ist kein Nanoforscher, sondern man wird zum Nanoforscher.84 In dem von Jenny genannten Spektrum an Aufgabengebieten haben dann einige Tätigkeiten Vorrang gegenüber anderen. So brauchen die Zellen beständige Pflege, sonst würden sie eingehen und könnten nicht mehr für Versuche verwendet werden.85 Auch die Tierversuche müssen nicht allein im Hinblick auf den Schutz der Versuchstiere vor unnötigem Leiden kontinuierlich betreut werden. Die Versorgung der Tiere mit Schmerzmitteln nach der Behandlung ist dann ein Aspekt, der erfüllt werden muss. Demgegenüber gibt es Tätigkeiten, dazu gehört die Histologie, die man auch mal verschieben und liegen lassen kann. Es gibt also bestimmte Prioritäten in Bezug auf die zu erledigende Arbeit. Die Gründe für diese bestimmte Priorisierung kann man in den Objekten finden. Bei den Kaninchen handelt es sich um empfindsame Lebewesen. Daher steht die Sorge um diese Tiere an erster Stelle. Die Zellen benötigen zwar auch eine umfangreiche Pflege, doch wenn man Zellversuche abbricht, so hat man lediglich umsonst Zeit und Arbeit investiert. Die Histologie kann demgegenüber problemlos ›vernachlässigt‹ werden, weil die Objekte, mit denen man hier arbeitet, konserviert sind. Es sind somit materiale Eigenschaften, die die Ordnung der jeweiligen Tätigkeiten organisieren.

84 Bzw. Nanomediziner. 85 Es kann auch schon mal vorkommen, dass Zellversuche abgebrochen werden müssen, weil hierfür keine freie Zeit zur Verfügung steht.

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Bei meinen Forschungsaufenthalten habe ich außerdem gesehen, dass es nicht allein wissenschaftliche Tätigkeiten sind, denen die technischen Assistentinnen nachgehen, sondern sie sind vielfach auch mit einer Vielzahl verschiedenster organisatorischer Tätigkeiten betraut. Während der Vorbereitungszeit zur Einweihungsfeier der Sektion waren die technischen Assistentinnen bspw. damit beschäftigt, Genehmigungen einzuholen, den Aufbau des Festzeltes zu organisieren, das Catering zu bestellen etc. Hier blieb so gut wie nie Zeit für das Arbeiten im Labor. Entsprechend sagt mir Jenny im Interview, als ich sie auf ihre Arbeit in der Histologie anspreche: »Also die Histologie liegt komplett brach, da fehlt die Zeit einfach dafür, weil da kann ich nicht mal ne halbe Stunde sitzen, sondern wenn ich anfange zu schneide, da macht es mehr Sinn, wenn ich da drei, vier, fünf Stunden investiere, die ich einfach nicht hab. Deswegen liegt das einfach.« [Interview: 12/2011]

Man kann also sagen, dass der Weg vom Versuch zum Ergebnis nicht selbstverständlich ein Weg ist, der kontinuierlich verfolgt wird bzw. verfolgt werden kann. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass Zeit eine wichtige Variable dafür ist, inwieweit ein stetiges Fortschreiten eines Experiments hin zur Ergebnisdarstellung möglich ist. In der Arbeitsgruppe in Erlangen zeigte sich am Beispiel des Arterienmodells, dass Zeit eine begrenzte Ressource darstellt, d.h. eine Tätigkeit stand in Konkurrenz zu verschiedenen anderen Tätigkeiten. Welche sich dabei durchsetzte, musste jeweils im Forschungsprozess selbst ausgehandelt werden. Die Histologie stellte in diesem Aushandlungsprozess einen Tätigkeitsbereich dar, der sich meist nicht durchsetzte und entsprechend zurückgestellt wurde, was für die histologische Form der Ergebnisdarstellung des Arterienmodells gleichsam bedeutete, dass auch diese vielfach nicht umgesetzt werden konnte. Während meines Forschungsaufenthaltes hatte ich dennoch einmal die Möglichkeit, Jenny bei der Herstellung histologischer Schnitte zu beobachten. Für diese Arbeit gehen wir in das Labor für Mikrobiologie. Hier steht das Gerät, das Jenny für das Scheiden verwendet, ein sog. ›Rotationsmikrotom‹. Jenny ist sehr stolz auf dieses Gerät, da es in der Anschaffung recht teuer gewesen sei, aber es erleichtere das Schneiden sehr bzw. man könne ohne ein solches Gerät bestimmte Schnitte gar nicht herstellen. Um diese Art von Ergebnissen überhaupt produzieren zu können bedarf es also einer bestimmten technischen Form der Vermittlung, über deren Möglichkeiten innerhalb der Arbeitsgruppe verhandelt werden muss. Während meines Forschungsaufenthaltes ist ab und zu eine Diskussion bezüglich der Anschaffung von Geräten aufgekommen, bzw. mir wurde davon

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berichtet. Diskutiert werden muss eine Anschaffung insofern, als ja verschiedene Tätigkeiten verrichtet werden müssen, man aber nur über ein begrenztes Budget für Geräte verfügt. Daher muss genau abgewogen werden, welche Anschaffung unbedingt notwendig ist. Die Ansicht über die Notwendigkeit kann dann natürlich unter den einzelnen MitarbeiterInnen variieren. In dieser Hinsicht herrscht dann eine gewisse Konkurrenz zwischen den LabormitarbeiterInnen. Daran kann man sehen, dass die wissenschaftliche Ergebnisproduktion nicht allein im Hinblick auf deren technische Vermittlung betrachtet werden kann. Wie meine Forschungsergebnisse zeigen, sind sie auch verbunden mit einem kommunikativen Aushandlungsprozess über begrenzte finanzielle Ressourcen innerhalb einer Forschergruppe. Wenden wir uns nun aber wieder der Praxis des Schneidens zu. In einer Schachtel mit div. Geräteteilen sucht Jenny zunächst nach einem passenden Adapter, um die zu schneidende Probe in das Schneidegerät einzuspannen. Daneben bereitet sie noch ein Wasserbad vor und baut eine Wärmeplatte auf. Sie stellt sich zudem eine Schachtel mit Glasblättchen, sog. Objektträgern, zurecht, die sie bereits beschriftet hat. Dann justiert sie die Probe und beginnt, ein paar hauchfeine Schnitte des Parafins zu machen. Dies ist gewissermaßen ein Probelauf, der zeigen soll, ob die Probe auch richtig justiert ist. Dann spannt Jenny die Probe wieder aus und legt sie eine kurze Zeit auf eine Kühlplatte. Dies ist notwendig, um das Parafin, das bei Wärme etwas weich wird (z.B. wenn man es lange in den Händen hält), wieder zu festigen, um so dann auch wieder besser schneiden zu können. Als das Parafin wieder gekühlt und fest ist, spannt Jenny die Probe erneut in das Schneidegerät ein und justiert es wieder. Dann macht sie weitere hauchdünne Schnitte. Dabei wird das eingespannte Objekt mithilfe einer Rotationsbewegung, die Jenny durch das Drehen an einem Rad erzeugt, an einem Messer vorbeigeführt. Auf diese Weise entsteht auf der Ablage vor dem Messer ein hauchdünner Parafinfilm mit je eingelassenen Gewebestücken. Mithilfe eines Pinsels zieht Jenny diesen Film, der sich am Messer immer wieder anstaut, gerade. Nachdem sie auf diese Weise eine kurze Kette mit Schnitten produziert hat, nimmt Jenny eine Pinzette zur Hand, trennt mit dieser die einzelnen Schnitte Stück für Stück ab und gibt sie in das vorbereitete Wasserbad. Sie nimmt dann einen beschrifteten Objektträger aus der Schachtel, taucht diesen ebenfalls ins Wasserbad und zieht mithilfe der Pinzette den Schnitt auf den Objektträger. Diesen legt sie dann auf die Wärmeplatte zum trocknen. Dieser Vorgang wiederholt sich nun ca. 20-mal. Zwischendurch spannt Jenny die Probe wieder aus und gibt sie zum Kühlen. Dann werden wieder weitere Schnitte angefertigt. Die Schnitte bleiben bis zum nächsten Tag zum Trocknen liegen und müssen dann, zu Zwecken der Mikroskopie, noch eingefärbt werden. Jenny

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hofft, dass die Schnitte auch gut geworden sind. Eigentlich sei sie ja, so erzählt sie mir, in der Arbeitsgruppe dafür eingestellt wurden, weil sie gute Schnitte machen könne. Was damit gemeint ist, wenn von »guten Schnitten« die Rede ist, konnte ich gleich an meinem ersten Beobachtungstag in Erlangen erfahren. Jenny betrachtete mit Stefan Lyer ein paar mikroskopische Aufnahmen von Arterienstücken, die für ein Paper verwendet werden sollen, und sie diskutierten darüber. Dabei betont Stefan, dass es für Paper wichtig sei, dass die Bilder, die man hierfür verwendet, auch ›schön‹ seien. Beide waren dann etwas unzufrieden mit den Aufnahmen der Arterienstücke, denn in den Aufnahmen waren eingeschlossene Luftblasen zu sehen. Diese Luftblasen sind beim Einschließen des Arterienschnittes auf dem Objektträger entstanden. Hier wird also deutlich, worauf bereits Lynch und Edgerton (1988) in ihrer Studie zur Bildproduktion in der Astrophysik hingewiesen haben: Bei der Bilderproduktion geht es nicht allein um die Darstellung eines Ergebnisses, denn sonst könnte man auch die Bilder mit den eingeschlossenen Luftblasen für ein Paper verwenden, schließlich enthalten auch diese die wesentlichen Ergebnisse des Arterienexperimentes. Die Bilder müssen demgegenüber zusätzlich einem gewissen ästhetischen Standard genügen. Lynch und Edgerton verweisen hierbei auf ein spezifisches Verständnis von Ästhetik, nämlich auf eine Ästhetik im Sinne einer Perfektionierung der Natur, die mithilfe einer bestimmten Technik und handwerklichen Geschicks hergestellt werden soll (ebd.). Ziel einer Bearbeitung eines Bildes sei es, die Natur mit einer ihr entsprechenden Adäquatheit darzustellen. Es geht in diesem Sinne also nicht per se darum ästhetisch ansprechende Bilder zu produzieren (vgl. Müller 2007:106). Die Luftblasen entsprechen dann nicht einem solchen wissenschaftlich-ästhetischen Verständnis, da sie darauf hinweisen, dass die Technik der Präparation des abzubildenden Objektes in nicht zufriedenstellender Weise ausgeübt wurde – die Luftblasen verweisen auf einen Makel aufgrund mangelnder Fertigkeit und Sorgfalt bei der Herstellung. Beim Schneiden in der Histologie meint nun Jenny zu mir, dass sie lange nicht mehr geschnitten habe und sie deshalb gespannt sei, ob ihr die Schnitte denn auch gelungen sind. Am Beispiel der Arterienpräparation hatte ich gezeigt, dass es bei einigen Tätigkeiten Erfahrung und Übung bedarf, damit sie so funktionieren, wie man es sich vorgenommen hatte. Hier kann man nun zusätzlich sehen, dass bereits Erlerntes nicht automatisch dazu führt, dass man eine Tätigkeit zufriedenstellend ausführt, sondern es bedarf kontinuierlicher Praxis, um bestimmte Fertigkeiten zu bewahren. Von der Ergebnisdarstellung zur Tätigkeitsbeschreibung In diesem Unterkapitel habe ich das Arterienmodell vorgestellt, das eines der wichtigen experimentellen Felder nanowissenschaftlicher Arbeit in Erlangen

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darstellt. Entsprechend meines ethnografischen Zugangs habe ich versucht, das Arterienmodell nicht – wie es ein sozialkonstruktivistisch-epistemologischer Zugang tun würde – anhand der kognitiven Ebene des Wissens, also in Bezug auf einen bestimmten Sachverstand, zu untersuchen und zu beschreiben, sondern ich habe die wissenschaftliche Praxis in ihrer täglichen Routine als Ausgangspunkt meiner Betrachtung gewählt.86 Bei dieser Untersuchung wurden verschiedene Aspekte wissenschaftlicher Praxis sichtbar, die nun noch einmal kurz zusammengefasst werden sollen. Zum einen zeigte sich, dass sich wissenschaftliche Praxis in Bezug auf die alltäglichen Forschungssituationen in verschiedenen Tätigkeiten realisiert. Diese Tätigkeiten bedürfen vielfach handwerklichen Geschicks. Sie sind also mit entsprechenden Fähigkeiten der ExperimentatorInnen verbunden sind.87 Diese Fertigkeiten müssen sowohl erlernt, als auch praktiziert werden, denn sie können auch wieder verloren gehen. Sie sind also an eine beständige Praxis gebunden. Es bedarf neben den entsprechenden körperlichen Fähigkeiten auch noch der Mobilisierung weiterer Ressourcen, die es ermöglichen, eine wissenschaftliche Praxis aufrecht zu erhalten. Dazu zählen zum einen materielle Ressourcen. Ich konnte dies am Fall Erlangen in Bezug auf die Verfügbarkeit bestimmter Geräte zeigen. Eine weitere Ressource ist Zeit. Eine Arbeitsgruppe, wie die Arbeitsgruppe in Erlangen, besteht aus einer begrenzten Anzahl von MitarbeiterInnen, die häufig nicht nur für eine, sondern für mehrere Tätigkeiten zuständig sind. Diese einzelnen Tätigkeiten konkurrieren untereinander bezogen auf die knappe Ressource Zeit. Dies sind zudem Faktoren, die gezeigt haben, dass der Weg vom Experiment zur Ergebnisproduktion kontingent ist, d.h. der stetige Fortgang eines Verfahrens ist also – bezogen auf diese Ressourcen – stets umkämpft. Zudem würde eine rein ergebnisorientierte Beforschung wissenschaftlicher Praxis solche Tätigkeiten, die alltägliche Forschung in starkem Maße bestimmen und von denen letztlich auch die Ergebnisdarstellung abhängig ist, aus den Augen verlieren. Zu diesen Tätigkeiten gehören dann nicht allein das Experimentieren oder die Visualisierung der Ergebnisse, sondern auch all die einfachen oder gar langweiligen Handlungen, die Experimente vor- oder

86 Wissenssoziologisch würde man sich dann für die unterschiedlichen Dimensionen und Formen von Wissen interessieren, was auch mit dem Begriff der »Wissenskultur« umschrieben werden kann (Knorr-Cetina 2002a). Wissenschaftliches Wissen würde in diesem Zusammenhang als eine bestimmte Wissenskultur betrachtet werden, in dem Sinne, dass es in einem bestimmten Kontext hervorgebracht wird und entsprechend an bestimmte Vorraussetzungen und Bedingungen geknüpft ist. 87 Friedrich Schrecker (1982) beschreibt dies als »verkörperte Praktiken« (vgl. Lynch/Livingston/Garfinkel 1985).

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auch nachbereiten. Diese Tätigkeiten haben dann wenig – und darauf hat auch schon die feministische Wissenschaftskritik hingewiesen – mit einem Wissenschaftsbild von »big events« und »big men« (vgl. Schleich 2001: 80) gemein, sie bestimmen jedoch den wissenschaftlichen Alltag und machen diesen aus. In diesem Sinne soll an dieser Stelle für einen tätigkeitsorientierten Blick wissenschaftlicher Praxis plädiert werden, denn dieser macht, entgegen eines reinen Bezugs auf wissenschaftliche Ergebnisproduktion und Ergebnisdarstellung, all jene situationsabhängigen Aspekte und Handlungen wissenschaftlichen Alltags sichtbar. Diese tätigkeitsorientierte Perspektive macht es dann auch möglich, die einzelnen Schritte repräsentationaler Praxis zu betrachten. In diesem Teil des Kapitels konnte ich den Weg einer Arterie aus dem Schlachthof bis hin zu einem histologischen Schnitt begleiten und nachzeichnen. Hier werden auch all die Manipulationen und Transformationen deutlich, die ein wissenschaftliches Objekt durchlaufen muss, bis es die Form erreicht, die dann als wissenschaftliches Ergebnis und damit als neue Erkenntnis Eingang in die wissenschaftliche Debatte finden kann. Eine wichtige Etappe wissenschaftlicher Arbeit, die Bruno Latour mit den Worten »Mobilisierung der Welt« (Latour 2000a: 120 ff.) umschreibt, ist nun absolviert. In dieser Etappe galt es, Dinge in die Form »unveränderliche[r] und kombinierbarer Elemente« (ebd.) (immutable mobiles) zu bringen. Daran waren verschiedene Personen beteiligt und es kamen unterschiedliche Verfahren zum Einsatz. Diese Verfahren und Methoden waren mit ganz unterschiedlichen Fertigkeiten und Kompetenzen verbunden. Um nun den so hergestellten wissenschaftlichen Objekten und somit wissenschaftlicher Erkenntnis Geltung zu verleihen, sind von einem Forscher nun weitere Kompetenzen gefragt, denn nun müssen Vorträge vorbereitet und gehalten werden und es müssen Paper formuliert und veröffentlicht werden. Das, was einmal blutig und klitschig war, wird nun in Worte und Zeichen transformiert. Es findet also eine weitere Übersetzung statt. Und wenn man hier von Übersetzung spricht, so gibt es auch keinen Bruch zwischen der Welt der Dinge und der Welt der Worte, zwischen Natur und Sprache, sondern beide Elemente sind Teile einer Kette von Transformationen (Latour 2000c).88 Auch die Forscher selbst beschreiben dies nicht als Bruch. So berichtet mir Herr Alexiou in einer E-Mail von den Neuigkeiten aus der Arbeitsgruppe:

88 Ein Bruch, der nur über das Konzept der ›Referenz‹ zusammengehalten wird (Latour 2000a).

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»Bei uns gehen die Arbeiten kontinuierlich weiter und wir konnten aktuell die weltweit größte Studie zur Anwendung von magnetischen Nanopartikeln in der Tumortherapie in der Zeitschrift Nanomedicine (NBM) veröffentlichen, die zu den führenden Zeitschriften zählt (Impact.6,9).«

Nach der Etappe der Mobilisierung wird nun ein weiterer Aspekt wissenschaftlicher Arbeit verwirklicht. Die Bedeutung dieses nächsten Schrittes liegt darin, sich wissenschaftlichen Kredit zu verschaffen.89 Nano-Objekte nehmen für diese Etappe eine andere Form an. Das, was Materie war, wird nun zu Bildern und zu Worten. Um an dieser Stelle nochmals die Begrifflichkeiten des ›talking-Nano‹ und des ›doing-Nano‹ aufzugreifen, so könnte man sagen, dass das ›doing-Nano‹ in ein ›talking-Nano‹ transformiert wird. Doch stellt diese Transformation keinen Bruch, dar. ›Talking-Nano‹ und ›doing-Nano‹ sind dann nicht länger verschiedene und voneinander unabhängige Tätigkeiten. Sie hängen vielmehr miteinander zusammen. Beide sind Bestandteile von Übersetzungsprozessen, wobei ›talking-Nano‹ dann so verstanden werden kann, dass es erlaubt, ›doing-Nano‹ in anderer Form und mit anderen Mitteln weiter zu treiben – oder, um es in den Worten von Herrn Alexiou zu sagen, es ist ein Prozess der als »kontinuierlich« zu betrachten ist. Das ›talking-Nano‹ verweist dann auf Verknüpfungen, die das Labor verlassen, also über die Mauern des Labors hinausreichen. Welche Bedeutungen diese Art von Verknüpfungen haben, die das Innen des Labors mit dem Außen verbinden, darauf möchte ich im dritten Teil zu sprechen kommen. Zunächst möchte ich die Ergebnisse dieses zweiten Teils noch einmal zusammenfassen und resümieren. 6.2.3 Zusammenfassung und Fazit In diesem Teil des Kapitels bin ich weiterhin der Frage nach der Erkenntnisproduktion des Phänomens ›Nano‹ nachgegangen. Im Zentrum stand dabei die experimentelle Praxis in der Sektion für experimentelle Onkologie und Nanomedizin in Erlangen, die ich beobachtend begleiten durfte. Ziel dieses Teils war es ›Nano im Labor‹ sichtbar zu machen. Hierzu bin ich konkret auf die Praxis von Tierexperimenten und das Arterienmodell eingegangen, zwei Forschungsprakti-

89 Ein solcher Kredit, so kann man auch aus der zitierten Passage entnehmen, besteht heute u.a. in einer Veröffentlichung mit einem sog. Impact Faktor, also einer bibliometrischen Maßzahl, die angibt, wie häufig Artikel aus dieser Zeitschrift in anderen wissenschaftlichen Zeitschriften zitiert werden.

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ken, die für die Arbeit in Erlangen eine zentrale Rolle spielen und auf dessen Ergebnisse sich die Arbeitsgruppe maßgeblich stützt. Die nanomedizinische Forschungspraxis zeigte sich hier als eine sehr heterogene und mediatisierte Praxis. Bei der Beschreibung tierexperimenteller Praxis konnte ich zunächst festhalten, dass, bevor die tatsächlichen Experimente überhaupt stattfinden können, eine Vielzahl logistischer und organisatorischer Arbeit zu bewerkstelligen ist. Diese Arbeit umfasst dabei u.a. das Verfügbarmachen der Versuchstiere, was Aspekte der Unterbringung von Versuchstieren im Tierstall, als auch deren Transport vom Tierstall in die Einrichtung der Sektion betrifft. Weiterhin gehören hierzu die Planung und Organisation von Arbeitszeiten und möglichen Versuchszeiten. Am Beispiel der Nutzung von Untersuchungs- und Messinstrumenten wie bildgebende Verfahren oder das Messverfahren der Magnetrelaxometrie konnte ich zeigen, wie hierbei familiale, kollegiale und auch institutionelle Bedingungen und Gegebenheiten miteinander abgestimmt und vereinbart werden müssen. Weitere Aspekte der Koordination und Gestaltung von Forschungsprozessen habe ich anhand der Herstellung und Analytik therapeutischer Nanopartikel aufgegriffen. Auch diese Arbeiten gehen als vorbereitende Tätigkeiten den eigentlichen Experimenten voraus. In diesem Zusammenhang habe ich auf die Offenheit und Kontingenz bei der Gestaltung von Forschung hingewiesen. Dabei zeigte sich insbesondere, dass Offenheit und Kontingenz nicht allein Effekt und Ergebnis einer sozialen bzw. kulturellen Praxis sind, sondern dass diese maßgeblich auch in stofflich-materialer Hinsicht hervorgebracht und vermittelt werden. Dargestellt habe ich diese Offenheit und Kontingenz auf Objektebene anhand von Unsicherheiten bei der Herstellung therapeutischer Nanopartikel sowie anhand des nicht-planbaren und nicht-kontrollierbaren Tumorwachstums bei den Versuchstieren. Ziel war es an dieser Stelle zu zeigen, dass sich Forschungspraxis nicht allein als soziale Praxis verstehen lässt, insofern diese allein auf menschliche, organisationale und institutionelle Aspekte fokussiert. Meine Beforschung nanomedizinischer Forschung in Erlangen machte deutlich, dass auch Dinge und Materialien Forschungsprozesse konstitutionell beeinflussen und mitgestalten. Aus der Beschreibung der einzelnen, logistischen Tätigkeiten habe ich geschlussfolgert, dass das eigentliche Experiment erst am Ende eines komplexen Gefüges unterschiedlicher Überzeugungs- und Organisationspraktiken steht, einem Gefüge bzw. eines Netzwerkes, an dessen Etablierung menschliche und nicht-menschliche Akteure gleichermaßen beteiligt sind. Netzwerkbildung habe ich dann als eine Arbeit des Versammelns heterogener Elemente charakterisiert, die sich der, in der Sozialforschung (im Besonderen in der Sozialtheorie) üblichen Trennung von Mikro- und Makroebene entzieht, insofern die Mikroebene auf wissenschaftlich-experimentelle Forschungspraxis im Sinne eines Inhaltes

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von Forschung verweist, dem institutionelle Rahmenbedingungen in der Form makrostruktureller Voraussetzungen von Wissenschaft gegenüber gestellt werden. Ich hatte im Anschluss an die ANT argumentiert, dass Mikro und Makro nicht als unterschiedliche Bereiche oder Ebenen konzipiert werden sollten, sondern als unterschiedliche Formen und unterschiedliche Grade des VerknüpftSeins zu verstehen sind, die sich anhand unterschiedlicher Intensitäten des Miteinander-verbunden-Seins beforschen lassen. Dies führte mich zu der methodischen Anmerkung, dass es bei meiner Beforschung nanomedizinischer Forschung leichter zu bewerkstelligen war, intensive Verknüpfungen zu untersuchen, die sich an einem Ort beobachten ließen und als »kurze Ketten« charakterisiert werden können, als Verknüpfungen, die über das Labor und vor allem über Erlangen hinausreichten. Ich hatte aber auch angemerkt, dass für eine ANTForschung, die sich das Ziel gesetzt hat, den Spuren von Akteuren zu folgen um somit Verbindungen nachzuzeichnen, die Beobachtung nur eine mögliche Untersuchungsform darstellt. Spuren werden auf vielfältige Weise erzeugt und somit kann man auch andere Spuren zur Beschreibung und Charakterisierung von nanomedizinischer Forschung nutzen. Nachdem ich all jene Tätigkeiten dargestellt habe, die der eigentlichen experimentellen Praxis vorausgehen und diese vorbereiten, bin ich dann zu einer detaillierten Beschreibung tierexperimenteller Praxis übergegangen. Die Tierexperimente habe ich anhand ihres Untersuchungsgegenstandes, anhand des Versuchsaufbaus und der mit ihm zusammenhängenden Untersuchungsmethoden und Untersuchungsinstrumente gekennzeichnet. Als erstes bin ich auf das Präparieren der Tiere zu Versuchstieren eingegangen. Hier habe ich nochmals Bezug genommen zu der Kritik eines abbildungsbezogenen Repräsentationsverständnisses, das als solches von etwas Gegebenen ausgeht, das es zu repräsentieren gilt. Meine Beobachtungen zeigten demgegenüber, dass der Untersuchungsgegenstand überhaupt nicht gegeben ist, sondern mithilfe unterschiedlicher Verfahren und verschiedener Materialien erst hergestellt, also auf spezifische Weise objektiviert wird. Ich bin dann zu einer detaillierten Beschreibung des Versuchsaufbaus und des Ablaufes von Versuchen übergegangen. Die bildgebenden Verfahren Angiografie und Dyna CT habe ich dann als zentrale Bestandteile der Tierversuche herausgegriffen und genauer diskutiert und gekennzeichnet. Hierzu habe ich die der ANT entliehenem Begrifflichkeiten der ›Mediatioren‹ sowie der ›inscription devices‹ genutzt. Die Beschreibung der Angiografie als Mediator betont deren performative Bedeutung innerhalb tierexperimenteller Praxis. Sie weist die Bildgebung mittels Angiografie als einen Akteur aus, der die tierexperimentelle Praxis in Erlangen, als das Erforschen eines neuen Therapiekonzeptes zur lokalen Behandlung von Tumoren, überhaupt erst in dieser Weise ermöglicht und diese maßgeblich mitgestaltet. Der Angiografie

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kommt also, was den Ablauf von Tierexperimenten anbelangt, eine konstitutive Rolle zu. Die Bildgebung habe ich dann zudem im Sinne eines ›inscription devices‹ interpretiert. Als solches realisiert sie Übersetzungsprozesse, die insbesondere auch für das Veröffentlichen der Untersuchungsergebnisse von Bedeutung sind. Sie macht tierexperimentelle Praxis in der wissenschaftlichen Community nachvollziehbar und ermöglicht es so, sich wissenschaftlichen Kredit zu verschaffen. Beschreibt man ›Nano‹ als eine spezifische Form von Verknüpfung, so werden an dieser Stelle nun Ketten erzeugt, die über das Labor hinausreichen. Was eine direkte Begleitung dieser Ketten und somit die Prozesse des Überzeugens in der wissenschaftlichen Community anbelangt, so meine methodische Anmerkung an dieser Stelle, muss die Laborethnografie, im Sinne von Beobachtungen im Labor, mit weiteren und ergänzenden Untersuchungsinstrumenten erweitert werden. In meiner Untersuchung wurde der wissenschaftliche Erfolg der Forschung lediglich in Form von Indikatoren wie Auszeichnungen oder Veröffentlichungen in renommierten Zeitschriften sichtbar. Die Bedeutung der Bildgebung konnte ich schließlich darin bestimmen, dass sie es möglich macht, ›Nano‹ als Akteur sichtbar zu machen. Die Angiografie sowie das CT ermöglichen zwar keine direkten Abbildungen von Nanopartikeln, wie die Rastersondenmikroskopie. Nanopartikel hinterlassen jedoch in den Tierversuchen Spuren, indem sie bestimmte Wirkungen zeigen. Diese werden nun mittels Bildgebung anhand einer linearen Kette von Ursache und Wirkung – also in der Form optischer Mediatisierung – nachvollziehbar. Für die tierexperimentelle Praxis in Erlangen ließ sich als Kennzeichen also festhalten, dass es bestimmter Übersetzungsprozesse und somit der Vermittlung eines Netzwerkes bedarf, um ›Nano‹ als Akteur in Erscheinung treten zu lassen. Die Heuristik des Akteur-Netzwerkes spielte dann auch in der Beschäftigung mit der Fragilität experimenteller Anordnungen eine Rolle. Experimente hatte ich zunächst allgemein als künstliche Anordnungen charakterisiert, die komplexe Zusammenhänge auf bestimmte Funktionen und Mechanismen reduziert. Die experimentelle Praxis zeigte dabei, dass man nicht von stabilen Ordnungen sprechen kann. Anhand eines Beispiels meiner Forschung konnte ich nachvollziehen, wie immer wieder Arbeit notwendig ist, um Experimente am Laufen zu halten. Im Anschluss an Collins habe ich hier auf die lokale Spezifizität von Experimenten verwiesen. Collins diskutiert die Frage der Offenheit bzw. der Stabilität von Experimenten in seiner These des experimentellen Regresses in der Unterscheidung von wissenschaftsinternen und sozialen Faktoren. Die Stabilität experimenteller Praxis sieht Collins dann nicht durch harte Fakten bzw. Naturkräfte begründet, sondern für ihn sind es soziale Faktoren, die für die Gültigkeit experimenteller Ergebnisse ausschlaggebend sind und diese begründen. Ich habe Collins These kritisiert mit dem Verweis, dass seine

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Argumentation auf einer Trennung von Natur und Kultur, Sozialem und NichtSozialem beruht, einer Trennung, die einem adäquaten Verständnis experimenteller Praxis nicht gerecht wird. Diese zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie versucht, natur-kulturelle Zusammenhänge auf neue Art und Weise herzustellen und zu ordnen. Insofern greift Collins mit seiner Erklärung durch soziale Faktoren auf eine Ordnung des Sozialen zurück, die durch Experimente gerade in Frage gestellt und erklärungsbedürftig wird. Ich habe dagegen gezeigt, dass die Offenheit und Fragilität von Experimenten in deren Heterogenität begründet liegt. Experimentelle Praxis lässt sich dann als ein Netzwerken unterschiedlicher Elemente beschrieben, wobei es auszuhandeln gilt, welche Elemente Akteure eines Netzwerkes sind und welche nicht. Offenheit bzw. Stabilisierung können dann im Hinblick auf Assoziations- bzw. Dissoziationsprozesse konzipiert und beforscht werden. Die Laborethnografie hatte ich dann als eine gute Methode gekennzeichnet, um solche Prozesse zu beobachten und nachzuvollziehen. Die Begriffe Offenheit und Stabilität habe ich dann noch einmal konzeptuellmethodologisch in einer Diskussion der Heuristik des Akteur-Netzwerkes genauer betrachtet. Dabei habe ich kritisiert, dass insbesondere die Arbeiten von Michel Callon und Bruno Latour Akteur-Netzwerke häufig zu strukturtheoretisch betrachteten. Stabilisierung heißt dann hier die Herstellung festgesetzter Relationen zwischen bestimmten Elementen. Meine Beforschung tierexperimenteller Praxis zeigte hingegen, dass Stabilisierung nicht die Festsetzung und das Arrangieren eines fixen Sets an Elementen meint. Ein solches Vorgehen wäre für die Art der medizinischen Anwendung, so wie sie in Erlangen beforscht und entwickelt wird, nicht zweckmäßig. Stabilisierung erwies sich hier vielmehr als ein souveräner Umgang mit Offenheit. Dies bedeutet u.a. auch, dass die Elemente, die ein nanomedizinisches Akteur-Netzwerk in Erlangen formen, nicht feststehen, sondern dass stets auch neue Elemente assoziiert und somit neue Akteure in das Netzwerk eingebunden werden können. In dieser Hinsicht habe ich den Vorschlag gemacht, Akteur-Netzwerke prozesslogischer zu konzipieren und zu denken. Dann habe ich mich Nanopartikeln und somit dem zentralen Akteur meiner Untersuchung zugewandt und diese näher charakterisiert. Hier zeigte sich, dass sich Nanopartikel nicht substantiell, durch die Angabe bestimmter, inhärenter Eigenschaften oder Kennzeichen definieren lassen. Meine Forschung machte Nanopartikel als Mannigfaltigkeiten sichtbar, die aus einer Vielzahl von Praktiken, Materialien, Verfahren und Prozessen hervorgehen. Die Identität bzw. die Kennzeichen der Partikel lassen sich in diesem Sinne als ein Effekt der Assoziierung unterschiedlicher Elemente interpretieren. Mit jeder Assoziation werden den Partikeln weitere Eigenschaften hinzugefügt und somit bestimmte Akteurs-Welten geformt. Für die Nanopartikel, die für das magnetic drug targeting

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genutzt werden sollen, konnte ich zudem zeigen, dass diese noch fragile Komplexe darstellen, bei denen die Prozesse des Versammelns heterogener Elemente noch nicht abgeschlossen sind. Für die Beforschung von Objekten habe ich daraus geschlussfolgert, dass die Realität von Objekten nicht unabhängig von der Betrachtung der Praktiken bestimmt werden kann, die jeweils ein Objekt herstellen. Objekt-orientierte Forschung heißt dann, die Praktiken nachvollziehbar und sichtbar zu machen, die zur Realisierung bestimmter Objekte führen. Darüber hinaus habe ich festgehalten, dass jedes Objekt eine bestimmte Art von Welt beinhaltet, da jedes Objekt unterschiedliche Möglichkeiten weiterer Verknüpfungen beinhaltet. Somit ist das, was in großen Zusammenhängen von Bedeutung ist, bereits in kleinen Verknüpfungszusammenhängen angelegt. Hier habe ich auf das monadische Denken Gabriel Tardes verwiesen, das uns lehrt, dass der Schlüssel für das Verständnis des Großen in der Analyse des Kleinen liegt. Zum Abschluss meiner Beschreibung tierexperimenteller Praxis bin ich auf die Subjekt-Objekt Dichotomie eingegangen. Hier konnte ich als Ergebnis meiner Beforschung der Tierexperimente schlussfolgern, dass sich diese nur als relationale Praxis verstehen und angemessen beschreiben lassen und somit die übliche Trennung von Forschungssubjekt und Forschungsobjekt unterlaufen und in Frage gestellt wird. Allgemeiner habe ich dies im Zusammenhang von technologischer Entwicklung und sozialer Wirklichkeit formuliert. Innovationen artikulieren sich in Verknüpfung und gegenseitiger Durchdringung technisch-sozialer Zusammenhänge. Als weitere experimentelle Praxis habe ich dann das Arterienmodell vorgestellt, ein in-vitro Gefäßmodell, das die Arbeitsgruppe dafür nutzt, das Zusammenspiel von Partikeln, Magneten und weiteren Parametern zu beforschen. Ich habe dabei auf der einen Seite das Arbeiten mit dem Arterienmodell beschrieben und charakterisiert, und auf der anderen Seite den Weg des Modells von seiner Herstellung und Präparation bis hin zur Ergebnisdarstellung in Form histologischer Schnitte nachvollzogen. Bei der Beschreibung der Präparation der Arterie hat sich zum einen gezeigt, wie viel Zeit, Geschick und Geduld allein für die Vorbereitung eines Experimentes investiert werden müssen. Hier wurde insbesondere auch die Widerständigkeit der Objektwelt sichtbar, was zeigt, dass der Umgang mit Objekten nicht als rein menschliche Manipulation aufgefasst werden kann. Nanomedizinische Forschung erwies sich zudem als eine Tätigkeit, die nicht allein auf den Umgang mit winzig kleinen, für das menschliche Auge unsichtbaren Dingen beschränkt ist. Das Arbeiten mit dem Arterienmodell zeigte sich als ein Arbeiten mit makroskopischen und klitschigen Dingen. Bei der Beschreibung des Experimentes selbst fiel auf, dass es im Vergleich zu dessen Vorbereitung sehr wenig Zeit in Anspruch nahm. Betrachtete man dann den Weg

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von der Präparation des Ausgangsmaterials zu einem Gefäßmodell, über das Experiment selbst bis hin zur Konservierung der Endprodukte der Experimente, so wurde deutlich, wie viele Manipulationen und Transformationen nötig sind, um Forschungstätigkeiten in die Form präsentabler Ergebnisse zu bringen. Ich habe dabei außerdem gezeigt, dass Forschungstätigkeit nicht immer besonders spannend und spektakulär sein muss, sondern dass der Forschungsalltag auch mit einfachen, banalen oder gar langweiligen Tätigkeiten gefüllt sein kann. Die Vielzahl an Arbeit, die in einer Forschergruppe zu erledigen ist führt auch dazu, dass der Weg von der Vorbereitung, über das Experiment hin zur Ergebnisdarstellung nicht kontinuierlich verfolgt werden kann, was wiederum zeigt, dass es Anstrengungen und Arbeit bedarf, die Dinge am Laufen zu halten. Um Wissenschaft in dieser Hinsicht sichtbar zu machen, habe ich für eine Beforschung wissenschaftlicher Praxis plädiert, die sich nicht allein auf die Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit bezieht, sondern Wissenschaft tätigkeitsorientiert in der Beobachtung alltäglicher Routinen beschreibt. Wissenschaftliche Praxis wird so über die Beobachtung und Beschreibung bestimmter Verknüpfungen sichtbar und nachvollziehbar. Wie lässt sich nun vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse nanomedizinische Forschungspraxis kennzeichnen und soziologisch beschreiben? Es sollte deutlich geworden sein, dass nanomedizinische, experimentelle Praxis nicht als ein Aufdecken neuer ›Fakten‹ interpretiert werden kann – Fakten im dem Sinne, dass sie auf eine neue Form ›objektiv-gegebener Wirklichkeit‹ verweisen, die mit bestimmten Naturkausalitäten ausgestattet ist. Wenn man die Praxis nanomedizinischer Forschungspraxis untersucht und beschreibt wird deutlich, dass man Begrifflichkeiten wie ›objektive Wirklichkeit‹ oder ›Objektivität‹ vielleicht nicht verwerfen muss, sie aber einen neuen Gehalt bekommen. Nano-Wirklichkeiten sind in der Weise objektiv, als sich nanomedizinische Praxis als Gestaltung, Handhabung, Modifizierung, Verwerfung und Neu-Gestaltung unterschiedlicher Objekte und unterschiedlicher Formen von Objektivierung begreifen lässt. Dies wurde nicht allein in Bezug auf die vielfältigen Methoden, Materialien und Verfahren deutlich, die angewandt wurden, um Dinge auf bestimmte Art und Weise zu objektivieren, so dass sie im Rahmen bestimmter Experimente genutzt werden können. In dieser Hinsicht lässt sich nanomedizinische Forschungspraxis nicht als eine Beforschung und Durchsetzung neuer unbestreitbarer Tatsachen (matters of facts) charakterisieren. Nanomedizinische Forschungspraxis hängt vielmehr mit umstrittenen Tatsachen (matters of concern) zusammen, denn die Forschungsobjekte zeigten sich als Mannigfaltigkeiten, die sich innerhalb von Experimenten als widerständig erwiesen. So verhielten sie sich das eine Mal stabil und übernahmen die Rolle, die ihnen innerhalb des Experimentes zugewiesen

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wurde. Ein anderes Mal verhielten sie sich jedoch instabil, was zur Assoziierung neuer Elemente und neuer Akteure führte oder die experimentelle Praxis auch unterbrechen konnte. Umstritten sind Objekte in der Weise, als sie sich als Versammlungen heterogener Elemente erweisen, wobei noch nicht feststeht, welche Elemente zu integrieren sind und einbezogen werden müssen und welche nicht. In dieser Hinsicht hatte ich nanomedizinische Forschungspraxis als eine Praxis gekennzeichnet, die noch offen ist, in der Prozesse der Assoziierung bzw. Dissoziierung noch nicht abgeschlossen sind. Im Hinblick auf diese Offenheit hatte ich weiterhin argumentiert, dass sich nanomedizinische Forschungspraxis nicht anhand sozialer Faktoren erklären lässt, da die Offenheit und Fragilität nanomedizinischer Experimente ja gerade darauf verweist, dass es eine Vermischung zwischen Sozialem und Nicht-Sozialem gibt. Auf diese Weise kann man nanomedizinische Praxis nicht erfassen, wenn man natürliche Faktoren und soziale Faktoren voneinander trennt. Sie beruht weder auf der Regelhaftigkeit einer natürlichen Ordnung noch auf den Regeln der sozialen Welt. Das Ziel experimenteller Praxis ist die Herstellung einer neuen natur-kulturellen Ordnung, die sich als Nano-Sozialität umschreiben lässt. Nanomedizin heißt dann die Sozialisierung von Nano-Objekten im Bereich der Medizin und im Zusammenhang neuer therapeutischer Verfahren. Es ist diese Nano-Sozialität, für die sich die Soziologie bei der Beforschung nanomedizinischer Innovationen interessiert, die sie erklären und nachvollziehen soll. Dieses Nachvollziehen lässt sich jedoch nur bewerkstelligen, wenn man alle Elemente, die an der Konstruktion dieser neuen Form von Sozialität beteiligt sind, in seine Analysen mit einbezieht, also kein vorgängiges Urteil darüber trifft, welche Elemente soziologisch von Relevanz sind und welche nicht. Die Frage der Relevanz – also ›what matters‹ – ist eine Frage der Praxis und somit eine empirische.

6.3 N ANOMEDIZINISCHE F ORSCHUNG IN E RLANGEN Im vorangegangen Teil habe ich mich mit Aspekten beschäftigt, die man wohl in erster Linie mit Forschung und Wissenschaft assoziiert. Ich habe die Praktiken beschrieben, in denen durch experimentelle, repräsentative Tätigkeit Objekte hergestellt werden, über die man sich – in Form von Repräsentationen – Geltung unter den Kollegen verschaffen möchte. In dieser Hinsicht können diese Tätigkeiten als Praktiken interpretiert werden, die das Innen des Labors mit der Außenwelt der wissenschaftlichen Community verbinden. In diesem Teil des Kapitels möchte ich zwar weiterhin der Fragestellung folgen, was nanomedizinische Forschung in Erlangen charakterisiert und was sie

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voran bringt, ich möchte dabei den Fokus jedoch ein wenig verschieben, was die wissenschaftliche Arbeit anbelangt und dabei Tätigkeiten betrachten, die über das Experimentieren im Labor hinausgehen. Hier sollen u.a. auch Tätigkeiten nachvollzogen werden, die über die Mauern des Labors hinausführen. Dabei verlasse ich aber keineswegs die Welt der Wissenschaft. Nanoforschung, so möchte ich zeigen, heißt nicht nur Arbeit im Labor. Es muss auch Arbeit geleistet werden, damit Experimente stattfinden können. Konkret möchte ich dabei Aspekte wie Forschungsfinanzierung, Forschungskooperationen und Öffentlichkeitsarbeit behandeln. In den folgenden Betrachtungen möchte ich auch die Erlanger Arbeitsgruppe etwas genauer charakterisieren. Außerdem möchte ich in diesem Zusammenhang einige Aspekte aufgreifen, die in der Diskussion um ›Nano‹, also in dem Netzwerk, dass ich ›Nano-Figuration‹ genannt habe, immer wieder auftauchen: Dazu zählen Schlagworte wie ›Innovation‹, ›Visionen‹, ›Interdisziplinarität‹ oder ›Erwartungen‹. Thema soll auch der Begriff ›Nano‹ selbst sein, dessen Definition insbesondere in der Wissenschaftsforschung kontrovers diskutiert wird. Analog zum vorangegangen Teil dieses Kapitels möchte ich die Themen kennzeichnen, bei denen ›Nano‹ eine Rolle spielt, also als Akteur sichtbar wird. Auch wenn diese Themen nicht immer in aller Tiefe und en detail dargestellt und erörtert werden können, so ist es mir doch wichtig nachzuzeichnen, ob und inwiefern sich die nanomedizinische Forschung in Erlangen hier selbst zuordnet bzw. wie sie sich vor dem Hintergrund meiner Beobachtungen zuordnen lässt. Während ich im vorangegangen Teil dieses Kapitels insbesondere die Praxis untersucht habe, die die Tätigkeit im Labor ausweitet und somit eine Verbindung nach außen schafft, werde ich nun mein Augenmerk auf die Praxis legen, die, im Hinblick auf die eben angesprochenen Themen, das Außen mit dem Innen verbindet. Dabei möchte ich diese Themen jedoch nicht als ein Außen im Sinne gesellschaftlicher Rahmenbedingen von Wissenschaft behandeln und nach sozialen Erklärungen für Wissenschaft suchen. Anstelle einer Unterscheidung von wissenschaftlichen und außerwissenschaftlichen Faktoren, möchte ich wiederum den Akteuren folgen und Wissenschaft anhand ihrer Praxis nachvollziehen und beschreiben. Ziel ist es dabei, vor dem Hintergrund dieser Praxis das Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft auf den Prüfstein zu stellen. Beginnen möchte ich nun mit einer Diskussion des Begriffs der ›Innovation‹. 6.3.1 Zum Begriff der Innovation Wie könnte man ›Nano‹ beschreiben? Man könnte es als ›neues Wissen‹ oder ›neue Form von Erkenntnis‹ etikettieren. Man könnte es in Bezug auf ›neue Methoden‹ kennzeichnen oder im Sinne ›neuer Forschungsfragen‹ interpretieren.

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Stattdessen wird auf den Begriff der ›Innovation‹ zurückgegriffen. Dabei zeigt sich jedoch zum einen, dass der Begriff auf ganz unterschiedliche Weise Verwendung findet und unterschiedlich gedeutet wird. In diesem Zusammenhang kann man auch eine Diskussion darüber finden, inwieweit ›Nano‹ denn überhaupt innovativ sei. Ich möchte im Folgenden nun zunächst den Begriff der Innovation so kennzeichnen, wie er im Nanodiskurs zu finden ist, um daran anschließend die Kritik an dieser Begriffsverwendung aufzuzeigen. In einem nächsten Schritt möchte ich empirisch danach fragen, inwieweit die Forscher in Erlangen ihre Arbeit als Innovation kennzeichnen. Dabei möchte ich selbst eine Begriffbestimmung und Differenzierung des Innovationsbegriffes vorschlagen. Im Hinblick auf die Frage, inwieweit mit ›Nano‹ Neuerungen in der Medizin, konkret mit Neuerungen in der Onkologie einhergehen, möchte ich etwas genauer in die Geschichte der Therapie des zielgerichteten Wirkstoffstransports blicken und ihre Ursprünge benennen. Schließlich möchte ich begründen, warum ich in Bezug auf das Therapieverfahren nicht von Innovation in der Einzahl spreche, sondern den Begriff in der Mehrzahl verwende. Der Innovationsbegriff im Nanodiskurs In Bezug auf den Begriff der Innovation kann man ganz allgemein festhalten, dass der Nanodiskurs in der politischen Diskussion in erster Linie als Innovationsdiskurs geführt wird. Der Begriff der Innovation ist also zentral. In diesem Zusammenhang hat er dann eine bestimmte, nämlich ökonomisch geprägte Konnotation. ›Nano‹ gilt hier als innovativ insofern durch neues Wissen und neue Technologie neue Produkte entwickelt werden können, was gleichsam mit der Möglichkeit der Erschließung neuer Märkte einhergeht. So weist bspw. der VDI die Nanotechnologie explizit als »wirtschaftlichen Wachstumsmarkt« aus (VDI 2004). Diese Erwartungshaltung mit entsprechenden Versprechen des Nutzens von ›Nano‹ im Hinblick auf vielfältige gesellschaftliche Belange findet sich in beinah allen Industrienationen, die die Nanotechnologie dann auch entsprechend fördern (vgl. Wullweber 2008: 31). In Bezug auf die von mir vorgestellten, sozialwissenschaftlichen Perspektiven auf technologische Entwicklungen, lässt sich diese Form des Innovationsverständnisses als ein technikdeterministisches Verständnis kennzeichnen, denn hier wird eine lineare Kausalität zwischen Technologieentwicklung und wirtschaftlicher Entwicklung hergestellt. Ökonomische Belange werden an Sachargumenten festgemacht, d.h. ›Nano‹ als Technologie werden bestimmte Charakteristika zugeschrieben, wie bspw. die Eigenschaft hoher Effizienz. In einer Innovationsbroschüre des BMBF werden diese Effizienzerwartungen u.a. durch Adjektive wie »kleiner«, »schneller«, »schonend«, »intelligenter«, »energiesparend«, »preiswert« und »leistungsfähiger« umschrieben

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(BMBF 2006). Im Hinblick auf diese in der Nanotechnologie inhärenten Potentiale, werden nanowissenschaftliche und nanotechnologische Forschungs- und Entwicklungsfelder von den wissenschaftspolitischen Akteuren als ›Leitinnovationen‹ stilisiert, was bedeutet, dass zur Ausschöpfung von Innovationspotentialen Wissenschaft und Wirtschaft von Anbeginn eng miteinander verkoppelt werden sollen. Im Aktionsplan des BMBF zur Förderung von ›Nano‹ heißt es entsprechend: »Leitinnovationen sind strategisch angelegte Forschungskooperationen, die entlang der Wertschöpfungskette optimale Hebelwirkung auf Wachstum und Beschäftigung auslösen sollen. Ziel ist die Sicherung und der Ausbau bestehender Märkte sowie die Erschließung neuer Wachstumsfelder. Leitinnovationen zeichnen sich durch die Kooperation aller für eine Markterschließung notwendigen Akteure einer Branche aus, vom Grundlagenforscher über den Zulieferer bis zum Kunden.« (BMBF 2006: 17)

Insofern kann man sagen, dass die Förderstrategien das innovative Potential von ›Nano‹ in der Form neuer Produkte interpretiert. Fördermaßnahmen sind dementsprechend zur Durchsetzung dieser Innovationen konzipiert. Neben diesen Äußerungen eines hohen Innovationspotentials von ›Nano‹ finden sich jedoch in gleicher Weise Einschätzungen, die mit ›Nano‹ gar keine neue wissenschaftlich-technologische Entwicklung verbinden, sondern den ›Nano-Hype‹ vielmehr im Sinne von altem Wein in neuen Schläuchen interpretieren. Dies resultiere nicht zuletzt aus der unspezifischen, unscharfen und auch umstrittenen Definition von ›Nano‹ (vgl. Nethöfel 2006; Paschen u.a. 2003). Diese definiert – als gewissermaßen kleinsten gemeinsamen Nenner – ›Nano‹ als die gezielte Analyse und Manipulation auf molekularer und atomarer Ebene. In dieser Hinsicht umfasst und adressiert ›Nano‹ eine Vielzahl natur- und technikwissenschaftlicher Disziplinen (vgl. Schummer 2009: 38). In diesem Zusammenhang finden sich dann wissenschaftliche Traditionen, die in ihren Entwicklungslinien weit über die Etablierung von ›Nano‹ als Forschungs- und Entwicklungsfeld hinausreichen und sich schon viel länger mit entsprechenden Forschungsfragen beschäftigen.90 Eine entsprechende Forschungslinie lässt sich auch im Hinblick auf das Verfahren des magnetischen Wirkstofftransportes ausmachen. Hier kann man einen kontinuierlichen Forschungs- und Entwicklungspfad zum For-

90 Ein Beispiel, das von Christian Kehrt und Peter Schüßler in diesem Zusammenhang genauer beleuchtet wird, ist die Kristallografie. In ihrer Untersuchung finden sie dann sowohl disziplinäre Anschlüsse an das Feld Nano, als auch bewusste disziplinäre Abgrenzungen (Kehrt/Schüßler 2010).

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schungsfeld der Kolloidchemie knüpfen (vgl. Woyke 2008). Wichtige Vorraussetzungen heutiger nanotechnologischer Anwendungen, was theoretische, terminologische und auch experimentell-methodische Aspekte anbelangt, wurden maßgeblich bereits Mitte des 19. Jh., u.a. von dem Chemie-Nobelpreisträger Richard Zsigmondy (1865–1929) und Wolfgang Ostwald (1883–1943) geprägt (ebd.: 60). Der Begriff Kolloid wurde 1861 von dem britischen Physiker Thomas Graham eingeführt. Kolloid bedeutet so viel wie leimartig und beschreibt die für Kolloide spezifische Eigenschaften von Trübheit und Zähflüssigkeit. Ganz allgemein bezeichnen Kolloide kleinste Partikel, die homogen in einem Trägermedium (Wasser oder auch Luft) verteilt sind. Kolloide können natürlichen Ursprungs sein (biologische Kolloide, organischer oder auch anorganischer Art), sie können aber auch synthetisch hergestellt werden. Bereits Anfang des 19. Jh. beobachtete und beschrieb der Biologe Brown unregelmäßige Bewegungen von Bärlappsporen in Wasser (vgl. Hofmann 2004). Die Kolloidforschung war lange Zeit ein Studien- und Arbeitsgebiet der Chemie, doch zunehmend begannen sich auch andere Disziplinen für Kolloide zu interessieren. Dazu zählt insbesondere die Polymerphysik. Die Entwicklung gezielter Synthesen kolloidaler Flüssigkeiten, insbesondere auch neue Methoden der Selbstorganisation von Tensidsystemen, machten die Kolloid- und Polymerwissenschaften in den letzten 10-20 Jahren zu anwendungsnahen Forschungsgebieten (ebd.). Kolloide verfügen zum einen über besondere Stoffeigenschaften. Ihre Größe bemisst sich laut einer Definition der International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC) von 1971 in mindestens einer Dimension auf 1 nm bis zu 1000 nm. Daneben werden sie durch makroskopisch beobachtbare Systemeigenschaften charakterisiert, die sich auf eine homogene, innerhalb eines definierten Beobachterzeitraums unveränderliche Verteilung von Partikeln in einem Medium beziehen. Ein weiteres und zentrales Kennzeichen von Kolloiden sind die großen Oberflächen, über die Kolloide verfügen. Insofern kommen Oberflächeneigenschaften gegenüber den Festkörpereigenschaften eine größere Bedeutung zu und darum spielen bei Kolloiden auch Reaktionen an der Oberfläche eine wichtige Rolle (ebd.). Ferrofluide, die im Verfahren des magnetischen Wirkstofftransports zum Einsatz kommen, stellen eine besondere Form der gezielten Herstellung von Kolloiden dar. Entsprechend dieser Historie von Ferrofluiden, aber auch anderer nanobasierter Anwendungen, plädiert Andreas Woyke dafür, Beschreibungen des revolutionären Charakters von ›Nano‹ und die dadurch überzogenen Innovationserwartungen, durch die Verortung von ›Nano‹ in einen wissenschafts- und technikhistorischen Kontext zu relativieren (Woyke 2008). Wie wird nun in meinem Untersuchungsfall auf den Begriff der Innovation Bezug genommen? Ich habe dazu in meinen Interviews die Frage gestellt, in-

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wieweit das, woran geforscht wird, als innovativ beschrieben werden kann. Folgende Antworten habe ich dabei erhalten: »Innovativ ist es natürlich insofern, dass man sagt, ich hab eine neue Möglichkeit Medikamente vor Ort zu halten, hm, also was man normalerweise nicht hat, das man’s, ja, entgegen allen Auswaschprozessen, die der Körper so mit sich bringt, halt irgendwo fixieren kann und dadurch halt diese Nebenwirkungen von der Chemotherapie reduzieren. Das ist ein neuer Ansatz. Die Sachen, mit, dass ich dieses Chemotherapeutikum z.B. lokal appliziere oder in den Tumor hinein, das gab es ja schon vorher. Aber jetzt halt eben dieses an magnetische oder an kleine magnetisierbare Eisenpartikel anzubinden und diese dann halt eben von außen festzuhalten, dass ist halt eben dieser neue Schritt, den man jetzt gehen möchte.« [Interview 4/2011] »Es ist insofern sehr innovativ, als das, so wie es jetzt ausschaut, wenn es dann mal an den Patienten kommt, im konkreten Zusammenhang mit dem Plattenepithelzellkarzinom ne lokal extrem hohe Anreicherung an Chemotherapeutikum erreicht werden kann, was auf jeden Fall positiv für den Patienten ist, insofern, dass die Nebenwirkungen reduziert werden können und lokal die Wirkung, hoffentlich, oder was heißt hoffentlich, sehr wahrscheinlich auch deutlich erhöht wird.« [Interview 9/2011] »Es ist ein interessanter Ansatz, den noch keiner so in dieser Art verfolgt. Ich mein, es gibt natürlich auch andere Gruppen, die ähnliche Sachen machen, aber, ich denke, gerade das mit dem Magneten ist schon ne gute Sache, die innovativ ist, weil man kann das auf andere Sachen verwenden, mit Magneten irgendwelche Teile im Körper hinziehen oder irgendwie zumindest zu steuern und das ist wirklich, glaub ich, das innovative, weil der Rest, gut, Partikelherstellung, selber herstellen, ist noch was, was, ja, neu ist, oder was man halt selber macht, sich abgrenzt von den Firmen, die halt irgend welche anderen Sachen herstellen, andere Partikel herstellen, auch von den Charakteristika.« [Interview 12/2011] »Ja gut, die Innovation ist einfach, dass man eine Chemotherapie durchführen kann, mit viel weniger Chemotherapeutikum, weil es halt an die Nanopartikel gekoppelt ist und direkt in den Wirkort gebracht wird. Ich denk mal, dass ist die Innovation, dass es halt nicht, ja, nicht so viel Nebenwirkungen auslöst, weil es halt die anderen Organe, ja, verschont, sagen wir so.« [Interview 7/2011]

Innovation wird hier also so verstanden, dass das Verfahren des magnetischen Wirkstofftransportes als etwas Neues beschrieben wird, das es so in dieser Weise noch nicht gibt. Das Neue wird in Abgrenzung zu dem formuliert, das schon

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existiert – der (konventionellen) Chemotherapie. Der Unterschied wird im Transport von Partikeln und der lokalen Anreicherung durch einen Magneten beschrieben. Dabei wird vielfach auch auf das Positive, also die Vorteile dieser neuen Methode verwiesen, nämlich einer Verringerung von Nebenwirkungen bei gleichzeitiger Reduktion an benötigtem Therapeutikum. Das Neue erscheint hier also als etwas, das man nun tun kann und was man vorher noch nicht tun konnte. Es ist zudem mit einer Verbesserung verbunden. Der Begriff der Innovation wird aber nicht nur in diesem Sinne verwendet, dass etwas Neues bezeichnet wird, sondern in meinen Interviews wurde der Begriff auch mit dem Verweis auf ein Produkt gebraucht. Hierbei dürfte nicht überraschen, dass der Kooperationspartner aus der Industrie auf diese Verwendung des Innovationsbegriffes zurückgreift. So antwortet dieser Kooperationspartner auf meine Frage nach dem Innovativen: »Die Ansätze sind vielversprechend, aber überhaupt noch nicht im Menschen belegt, auch noch nicht in verschiedenen Tumormodellen belegt. Also es gibt frühe Ansätze, insofern ist es für diese frühe Phase, ist es sehr innovativ, aber ne Innovation ist erst dann erfolgreich, wenn wir ein Produkt und eine wirkliche Verbesserung im Markt haben. Und da sind wir noch nicht. Also insofern kann man sagen, relativ hohes Risiko, relativ hohe Chancen, aber eine Innovation ist es halt definitiv noch nicht, die ist auch noch nicht abgeschlossen.« [Interview 10/2011]

Der Begriff der Innovation wird hier eher im Sinne eines Entwicklungsweges benutzt. Es gibt eine neue Idee und ein neues Konzept für eine Behandlungsmethode, der Innovationsprozess ist jedoch erst dann angeschlossen, wenn am Ende der Forschungs- und Entwicklungsphase ein Produkt steht. Die unterschiedlichen Bedeutungen des Begriffes Innovation, die mal mehr und mal weniger spezifisch sind, haben auch zur Folge, dass die Verwendung dieses Begriffes ganz und gar vermieden wird. Dies ist mir im Interview mit Frau Schultz-Hector aufgefallen, die zum Vorstand der Else-Kröner-FreseniusStiftung gehört, also der Stiftung, die die Forschungsprofessur in Erlangen ins Leben gerufen hat. Ich frage sie daher, warum sie den Begriff Innovation gar nicht benutzt: »Also, ich gebrauch dieses Wort auch deshalb nicht, weil des so, ähm, unterschiedlich interpretiert und definiert wird. Innovation, in dem Sinne, dass etwas wirklich Neues, also qualitativ Neues mit einem potentiellen Anwendungshorizont entdeckt wird, ja, unbedingt, und klar ist es das, was wir fördern wollen.« [Interview 13/2012]

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Von Seiten der Stiftung wird also wieder auf ein allgemeiner gefasstes Verständnis von Innovation im Sinne von etwas Neuem verwiesen. Eine Beschränkung des Begriffes, die nicht nur auf Forschung zielt, sondern auch deren wirtschaftliche Umsetzung adressiert, lehnt die Stiftung ab. Dies macht Frau Schultz-Hector explizit und begründet dies mit der Stiftungsphilosophie: »[…] also klar, vieles, was auch in den von uns geförderten Projekten erarbeitet wird, kann dann am Ende nur dann wirklich irgendwann mal, was weiß ich, als Tablette auf dem Tresen landen und beim Patienten landen, wenn es dann sozusagen nach der Forschungsphase eine Entwicklungsphase gibt, in der ein Unternehmen sagt ja, das ist interessant, ich entwickel des jetzt und stecke diese vielen Millionen Euro, die es braucht, da hinein in diese klinischen Prüfungsphasen. Das ist alles wichtig und alles toll, aber es ist nichts ˗ das Terrain einer gemeinnützigen Stiftung.« [Interview 13/2012]

Als gemeinnützige Stiftung verfolgt also die Else-Kröner-Fresenius-Stiftung andere Förderzwecke als öffentliche Träger wie bspw. das BMBF. Es geht in diesem Zusammenhang also nicht um Innovationen, die mit wirtschaftlichen Interessen assoziiert sind, sondern im Zusammenhang der Forschungsförderung des Forschungsvorhabens der Erlanger Arbeitsgruppe um Herrn Alexiou geht es um die Entwicklung von etwas Neuem. Diese unterschiedlichen Verwendungen des Begriffes Innovation legt es nun nahe, zumindest zwischen zwei Formen zu unterscheiden. Joseph Alois Schumpeter, dessen Theorien zu den einflussreichsten in Bezug auf die Innovationsforschung gehören, unterscheidet zwischen Invention (Erfindung) und Innovationen (Verwertung und Umsetzung von Inventionen in neue Produkte)(Schumpeter 1952).91 Der Begriff der Invention ist somit auf der Ebene der Ideenentwicklung und Ideengenerierung angesiedelt. Interessant ist dieser Inventionsbegriff, weil man hierzu ein soziologisches Pendant finden kann. Den Begriff der »Erfindung« verwendet nämlich auch Gabiel Tardes in seiner Soziologie der Nachahmung (Tarde 1908: 84). Für Gabriel Tarde stellt die Gesellschaft ja ein Nachahmungsphänomen dar. Sozialität resultiert daraus, dass etwas nachgeahmt wird. Nachahmung erklärt also, wie es zu kollektiven Willens-, Verhaltens- und Wissensformen kommt und wie sich diese verbreiten (vgl. Borch/Stäheli 2009: 10). Jeder sozialen Tatsache ist somit ein Nachahmungscharakter zu eigen. Das Soziale resultiert aus Wiederholungen und in dem Sinne aus Routinisierungen. Erfindungen stellen dann Innovationen in der Weise dar, als sie neue Nachahmungsstrahlen erzeugen und hervorbringen. Den etwas eigentümlich anmutenden Be-

91 Vgl. hierzu auch Akrich/Callon/Latour 2002, S. 187 f.

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griff des Nachahmungsstrahls könnte man problemlos durch andere Begriffe wie »Mutation«, »Selektion« oder auch »Replikationsstrategie« ersetzen (Latour 2009: 54). Man könnte den Begriff des Nachahmungsstrahles auch ohne weiteres mittels des Konzeptes des Akteur-Netzwerkes umschreiben. ›Nachahmungsstrahl‹ bezeichnet das Band, das zwischen einer Erfindung als einer ursprünglichen Idee und ihren Wiederholungen besteht. In der Akteur-Netzwerktheorie sind Dinge in Form von Assoziationen als nachvollziehbare und rückverfolgbare Ketten miteinander verbunden. Betrachtet man Wissenschaft unter dem Zeichen der Nachahmung, so lässt sich wissenschaftliche Tätigkeit als Produktion neuer Nachahmungsstrahlen charakterisieren. Nachahmungsstrahlen produzieren dann das, was sich als soziale Wirklichkeit kennzeichnen lässt. Dabei liegt jeder sozialen Wirklichkeit und jedem kollektiven Phänomen zunächst etwas zutiefst Individuelles zugrunde: »Jeder Assoziation von Menschen liegt also ursprünglich die Assoziation zwischen Ideen eines und desselben Menschen zugrunde.« (Tarde 1908: 84)

Die Erfindung ist auf diese Weise ein psychologisches Phänomen, das erst durch die Nachahmung zu einem sozialen Phänomen wird. Das Soziale ist damit für Tarde – wie auch für die ANT – nur durch das Nicht-Soziale erklärbar. Wichtig beim Tardschen Begriff der Erfindung ist außerdem, dass etwas nicht plötzlich, ungedacht und ungeahnt geschaffen wird, sondern Erfindung meint, dass sich zwei Nachahmungsstrahlen kreuzen (vgl. Borch/Stäheli 2009: 15). Erfindung ist somit stets mit etwas verbunden, dass bereits nachgeahmt wurde.92 Die Erfindung stellt eine Assoziation von Etwas her, das noch nicht miteinander verbunden war. In der Kombination von bislang Unverbundenem entsteht etwas Neues. In dieser Weise lassen sich Innovationen stets auch historisch, und somit in Zusammenhang mit spezifischen, vorgängigen Entwicklungspfaden denken. Das Neue und das bereits Etablierte stellen eine Einheit dar. Sie stehen sich nicht als Gegensätze gegenüber. Betrachtet man ›Nano‹ nun als Nachahmungsphänomen, so lassen sich all die Forschungszentren für Nanotechnologie, all die etablierten neuen Studiengänge für Nanotechnologie und Nanowissenschaften, als auch all die nanowissenschaftlichen und nanotechnologischen Veranstaltungen wie Kongresse oder

92 Für die Akteur-Netzwerktheorie ist der entscheidende Begriff in diesem Zusammenhang der der ›Übersetzung‹. Durch Übersetzung wird etwas Neues geschaffen, wobei dieses Neue stets einen Bezug und eine Verbindung mit bereits Bestehendem hat, dass aber eben durch Übersetzung eine Veränderung erfährt.

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Symposien als Nachahmungsphänomene beschreiben. Sie institutionalisieren ›Nano‹ als soziale Wirklichkeit und realisieren somit das, was ich als NanoSozialität bezeichnet hatte. Auch die Forschung in Erlangen kann als ein Nachahmungsphänomen von ›Nano‹ betrachtet werden. Als solches soll es im Folgenden weiter charakterisiert werden. Dabei wird sich zeigen, dass die Forschung der Erlanger Arbeitsgruppe einen spezifischen Nachahmungsstrahl von ›Nano‹ darstellt. Ihm liegt eine Verknüpfung von ›Nano‹ mit dem Feld der Onkologie zugrunde. Um also die Erlanger Forschung einordnen zu können, müssen die jeweiligen Elemente dieser Verknüpfung betrachtet und benannt werden. Ferrofluide in der Medizin Zunächst kann ein Element und damit verbunden ein Entwicklungspfad benannt werden, den ich eben schon angesprochen hatte – die Kolloid-Forschung. Das Verfahren des magnetischen Wirkstofftransports basiert auf der Nutzung von Ferrofluiden, also auf kolloiden Dispersionen, die aus nanogroßen magnetischen Partikeln bestehen. In der Medizin gibt es generell verschiedene Anwendungsbereiche für magnetische bzw. magnetisierbare Nanopartikel.93 Sie können für Zell-Separationsverfahren (z.B. Extraktion von Stammzellen oder Separation versch. Blutbestanteile), oder als Marker zu Dedektionszwecken genutzt werden (vgl. TA-Swiss 2003: 25 ff.). Besondere Bedeutung kommt ihnen aber im Bereich der Onkologie zu. Hier lassen sich prinzipiell zwei unterschiedliche Anwendungen und entsprechende Therapieformen finden: der magnetische Wirkstofftransport, so wie er u.a. in Erlangen erforscht und entwickelt wird und die Hyperthermie. Ein konkretes Verfahren stellt hier die Nano-Krebs-Therapie dar (Jordan/Thiesen 2010). Diese Form der Thermotherapie ermöglicht es, solide Tumore lokal zu behandeln. Im Gegensatz zum magnetischen Wirkstofftransport werden bei diesem Verfahren die Partikel direkt in den Tumor eingebracht. Durch ein magnetisches Wechselfeld werden die Partikel erhitzt. Die dadurch erzeugte Wärme zerstört entweder das Tumorgewebe direkt, oder macht es sensibler für andere Therapieformen wie Radio- oder Chemotherapie. Die jeweilige Wirkung ist abhängig von der erzielten Temperatur im Behandlungsgebiet und der jeweiligen Einwirkdauer. Die lokale Thermotherapie kann in Kombination mit anderen Therapien zum Einsatz kommen. Sie hat, im Gegensatz zur Strah-

93 Die Medizin ist dabei jedoch nur ein möglicher Anwendungsbereich unter anderen. Ferrofluide werden bspw. zum reibungslosen Abdichten von rotierenden Wellen und Lagern genutzt. Für diese Anwendung wurden Ferrofluide ursprünglich hergestellt. Die wichtigste Anwendung ist die Nutzung von Ferrofluiden als Wärmeleitmedium. Die Fluide dienen hier zur Abkühlung von Lautsprechern (vgl. Odenbach 2001).

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lentherapie, keine Dosisgrenze und kann daher auch wiederholt angewendet werden. Dies ist auch aufgrund des Verbleibs der Partikel in der Tumorregion möglich. Dieses Therapiekonzept stellt ein bereits zugelassenes Verfahren dar, das durch die Ausgliederung der Charité Berlin, MagForce Nanotechnologies AG, angeboten wird. Es kommt hier bei der Rückkehr von Gehirntumoren zum Einsatz.94 Diese Formen der Krebstherapie stellen neuartige, alternative Therapiemethoden in der Onkologie für die Behandlung von Tumorerkrankungen dar. Um diese im Sinne von ›Erfindungen‹ in der Onkologie einzuordnen, soll ein kurzer Blick auf die Geschichte der Onkologie als medizinische Gebiet geworfen werden. Onkologie als Forschungs- und Praxisfeld Die Onkologie als ein Bereich der Inneren Medizin ist als eigenständiges medizinisches Forschungs- und Praxisfeld noch nicht so alt. Die Onkologie als spezialisierte Disziplin, die sich mit Krebserkrankungen beschäftigt, diese nicht nur therapiert, sondern auch grundlegend erforscht, existiert in der Weise, wie wir sie heute kennen, erst seit den 60er Jahren des letzen Jahrhunderts (vgl. vgl. Keating/Cambrosio 2012).95 Unter Krebserkrankungen versteht man ganz allgemein, das unkontrollierte Wachstum von Zellen in einem bestimmten Bereich des Körpers. Je nach Körperregion werden entsprechend unterschiedliche Formen von Krebs differenziert. Erstmalig wird von Krebs in einem altägyptischen medizinischen Text aus dem Jahr 3000 v. Chr. berichtet, auch wenn hier das Wort Krebs selbst noch nicht verwendet wird (American Cancer Society o.A.). Auch erste fossile Funde stammen von mumifizierten Leichen aus dem Alten Ägypten. Der Begriff ›Krebs‹ (ursprünglich carcinos bzw. carcinoma) wird auf den griechischen Arzt Hippokrates zurückgeführt. Ab dem 15. Jh. und dem Zeitalter der Renaissance begannen Wissenschaftler wie Galileo oder Newton, sich wissenschaftlich mit Krankheiten auseinanderzusetzen und diese wissenschaftlich zu untersuchen. Das Wissen über Vorgänge des menschlichen Körpers nahm stetig zu. 1761 führte der Mediziner und Anatom Giovanni Morgagni (Padua, Italien) erstmals Autopsien durch, stellte also Verbindungen von Krankheiten zu patho-

94 Vgl.:

http://www.charite.de/charite/presse/pressemitteilungen/artikel/detail/charite_

etabliert _nanothermR _therapie_bei_rueckfaellen_von_gehirntumoren/. 95 Auch wenn es zuvor natürlich bereits Kliniken gab, die sich auf die Behandlung von Krebs spezialisiert hatten. Diese Spezialisierung bezog sich dann jedoch nur auf die Therapie von Krebs. Forschung zu Krebs – was bspw. zu verbesserten, oder auch zu spezifischen Tumortherapien hätte führen können – wurde hier noch nicht betrieben.

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logischen Befunden nach dem Tod von Patienten her. Dies legte den Grundstein für die Onkologie als wissenschaftliche Disziplin. Der schottische Arzt John Hunter, der als Begründer der wissenschaftlichen Chirurgie gilt, entwickelte erste Ansätze und Theorien über die operative Behandlung bestimmter Tumorentitäten. Mit der Entwicklung der Anästhesie ein Jahrhundert später wurden erste Operationen durchgeführt, wie die auch heute noch zur Anwendung kommende Entfernung der Brust bei bösartiger Erkrankung. Im 19. Jh. konnte dann das Verständnis von Krebs durch die Möglichkeiten der Mikroskopie, u.a. auch durch den Pathologen Rudolf Virchow, maßgeblich erweitert werden. Dies hatte wiederum Einfluss auf die Entwicklung und Verbesserung operativer Methoden. Die Pathologie schaffte somit wichtige Voraussetzungen, damit sich die Onkologie als wissenschaftliche Disziplin etablieren konnte (ebd.). Zur Etablierung gehörte aber auch, dass sich die Onkologie institutionell verankerte. Von Bedeutung war hier zum einen, dass sich neben den verschiedenen bereits existierenden Ärztevereinigungen oder medizinischen Gesellschaften auch eigene, onkologische Organisationen etablierten. Wichtige onkologische Organisationen wurden Anfang des 20. Jh. von Ärzten, vielfach auch mit der Unterstützung privater Investoren und mithilfe von Spenden, gegründet. Dazu zählen z.B. die Deutsche Krebsgesellschaft (1900), der Imperial Cancer Research Fund (1902), die American Association of Cancer Research (1907; heute die American Cancer Society), die Japanese Foundation for Cancer Research (1908) sowie die Cancer Society in Stockholm (1910) (vgl. Keating/Cambrosio 2012: 34). Zur Institutionalisierung der Onkologie war es weiterhin wichtig, dass sie im Rahmen eigener Veröffentlichungen sichtbar wurde. Ende des 19. Jh. erschienen wissenschaftliche Journale, die sich speziell mit dem Thema Krebs befassten. Die erste Zeitschrift war das französische Journal Revue des maladies cancéreuses (1896), darauf folgten die deutsche Zeitschrift für Krebsforschung (1904), die japanische Zeitschrift Gann (1907), das italienische Journal Tumori (1911) und das American Journal of Cancer Research (1916) (vgl. ebd.). In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen wurden zudem eine Reihe weiterer nationaler und auch internationaler Organisationen gegründet, die sich der Kontrolle von Krebs verschrieben, darunter auch die weltweit größte Organisation, die US-amerikanische National Cancer Institute (NCI, 1937). Das NCI gründete zusammen mit der Medical School der University of California 1947 eine klinische Forschungseinheit, das Laboratory of Experimental Oncology in San Francisco. Man kann also sagen, dass die Krebsforschung seit Ende des 2.Weltkrieges eine umfassende Infrastruktur gebildet hat, die sich sowohl mit der Behandlung, als auch mit der Beforschung und der Prävention von Krebs befasst (ebd.: 35).

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Auch wenn die Onkologie als Forschungs- und Praxisfeld eine recht junge Disziplin darstellt, so hat sie dennoch bereits unterschiedliche Formen des Umgangs mit Krebs, was Diagnose und Behandlung anbelangt, entwickelt. Insbesondere moderne Screening-Methoden haben für viele Tumorerkrankungen die Diagnose- und Therapiemöglichkeiten und somit auch den Verlauf der Krankheit entscheidend geprägt und verändert (vgl. Kaufert 2000). Als Goldstandart der Behandlung zählt in der Onkologie bislang immer noch die operative Entfernung eines Tumors mit begleitender Chemo- oder Strahlentherapie (vgl. Zechbauer 2011: 64). Um etwas über das alternative Therapiekonzept zu erfahren, das in Erlangen in der Arbeitsgruppe um Herrn Alexiou beforscht und entwickelt wird, möchte ich nun die Geschichte dieser Therapie kurz vorstellen. Geschichte der Therapie Das Therapiekonzept, dass von der Arbeitsgruppe um Herrn Alexiou entwickelt und erforscht wird, knüpft an ein Konzept der Nutzung von Ferrofluiden in der Medizin an, dass in den 60er Jahren entwickelt wurde. Die Erlanger Arbeitgruppe verweist in ihren Publikationen explizit auf die Arbeiten von Alksne, Fingerhut und Rand, die Ferrofluide erstmals in einer medizinischen Anwendung nutzten (vgl. Alexiou u.a. 2011b). Alksne et al. haben Ferrofluide in der Neurochirurgie zum Verschließen von Aneurysmen bei Gehirngefäßen genutzt. Aneurysmen sind dünnwandige Ausbuchtungen von Adern, bei einem Riss können sie zu Gehirnblutung führen. Der Spiegel berichtete 1966 im Heft 46 unter dem Titel »Heilendes Eisen« von diesem Verfahren (Der Spiegel 1966). Bislang, so berichtet der Artikel, wurden Aneurysmen, insofern sie sich durch kleinere Blutungen ankündigten, mit Metall- oder Fadenschlingen abgeklemmt, lecke Gefäßwände bspw. mit Muskelgewebe geflickt. Diese Therapiemethoden waren jedoch sehr risikoreich. So konnte das Aneurysma bspw. während des Freilegens, bei dem der Schädel geöffnet werden musste und Bereiche des Gehirns unter Umständen weggedrückt wurden, aufplatzen. Auch verschlossene Aneurysmen waren häufig nicht so stabil, so dass Patienten auch nach dem Eingriff noch starben. Daher wurde nach einem einfacheren, aber auch effektiveren Verfahren geforscht. Wie die Ärzte um John F. Alksne nun bei der Behandlung von Aneurysmen im Gehirn vorgingen, beschreibt der Spiegel-Artikel wie folgt: »Dr. John F. Alksne, Neurochirurg am General Hospital in Torrance (US Staat Kalifornien), spannte den Kopf des Kranken in die stählernen Bügel der Zielvorrichtung. Dann bohrte er ein fingernagelgroßes Loch in den Schädel und schob eine bleistiftstarke Sonde mit magnetischem Kopf durch die Hirnmasse.

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Zielpunkt des Vorstoßes in das empfindliche Organ war ein pulsender Blutsack an einer Hirnarterie des Patienten. Jede Sekunde konnte die dünnwandige Ausbauchung der Ader – Fachwort der Mediziner: Hirn-Aneurysma – platzen und das Hirn mit Blut überfluten. Doch der Arzt kam dem drohenden Blutsturz ins Gehirn zuvor – mit einem Schrottschuß. Er schob eine Hohlnadel durch die Bohrung der Sonde bis in das Innere der Blutblase. Dann injizierte er die heilende Ladung: mikroskopisch kleine Eisenkugeln (Durchmesser: drei bis fünf tausendstel Millimeter), halb so groß wie Blutkörperchen. Drei Tage nach der Operation konnte der Arzt die Sonde aus dem Schädel des Patienten entfernen. Der Magnet hatte das Eisenpulver in dem Blutsack festgehalten. Zwischen den Eisenteilchen war alsbald das Blut zu einem festen Pfropf geronnen – nun konnte der Blutstrom wieder an der Ausbuchtung vorbeipulsen, ohne daß er die Aderwand noch weiter aufblähte oder gar sprengte.« (Der Spiegel 1966: 184f.)

Abb. 7: Veranschaulichung der Therapie

Abb. aus Der Spiegel 1966, S. 184

Die Forschergruppe Alksne et al. hatte herausgefunden, dass sich Eisenstaub gut dazu eignete, Aneurysmen zu schließen. Dieses musste auch nur in geringen Mengen verwendet werden, da es sich mittels eines Magneten zielgerichtet an den gewünschten Wirkort steuern ließ. Die Verwendung einer Magnetsonde stellte zudem eine behutsamere und schonendere Behandlungsmethode dar, als das bisherige Öffnen des Gehirns und das Freilegen des Aneurysmas. Dies war

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nicht zuletzt deshalb von Bedeutung, da ja das Gehirn eine sehr empfindliche Körperregion darstellt. Man hatte nun eine weniger invasive Methode entwickelt. Ein weiterer Vorteil dieser Behandlungsmethode bestand darin, dass der Behandlungsprozess von außen mittels Röntgentechnik beobachtet und kontrolliert werden konnte. Die Behandlung konnte zudem bei Bewusstsein der Patienten durchgeführt werden. Das Aufbohren des Schädelsknochens sei schmerzlos und, so zitiert der Spiegel Dr. Alksne »ähnlich wie beim Zahnarzt« (ebd.: 188). Im Interview habe ich Prof. Alexiou gefragt, wie die aktuelle Forschung des magnetischen drug targetings entstanden ist, wie sich also das Forschungsprojekt entwickelt hat. Im Rekurs auf die eben beschrieben Geschichte der Therapie antwortet Herr Alexiou: »Ich hab das wieder neu aufgegriffen, dahingehend, weil ich mir gedacht hab, dass durch diese Art der Applikation, die intra-arterielle Applikation, wir eine sehr klinik-nahe Forschung betreiben können, die zwar Grundlagencharakter auf der einen Seite hat, nachhaltig, wie wir es auch hier zeigen, auf der anderen Seite aber auch nen klaren TranslationsGedanken hat. Und das hat mich eigentlich dahingehend auch bestärkt zu sagen, wenn ich klinisch weiter arbeiten möchte, was ich tun möchte, und aber auch forschungstechnisch arbeiten möchte, dann muss ich versuchen, da einen Link zu schaffen. Und der Link geht nur dadurch, dass man eben eine anwendungsorientierte Grundlagenforschung macht, die zum Ziel hat, bestehende Therapiemodi zu verbessern oder neu zu implementieren. Und das hat mich eigentlich dazu bewegt, da weiter zu gehen, weil wenn sie in der Klinik arbeiten, dann müssen sie immer die knappe Zeit, die wir alle nur haben, aber die in der Klinik insbesondere ist, dass man da entsprechend nachhaltig ein Projekt sich überlegt, selber, und dann da auch weiter gestaltet, wenn der Anwendungscharakter da ist.« [Interview 5/2001]

Betrachtet man die Geschichte der Therapie und die Entwicklung der Erlanger Forschung, so kann man sehen, dass Innovation hier nicht heißt, dass ein völlig neuartiger Therapiemodus entwickelt wird. Die Erlanger Forschung lässt sich vielmehr im Sinne der Übersetzung eines Therapiekonzeptes auf eine andere Art der Anwendung – nämlich deren Anwendung im Bereich der Onkologie – interpretieren. Das Verfahren von Alksne et al. ist jedoch nur unzureichend beschrieben, wenn man es nur epistemologisch, als ›reines Konzept‹ und ›bloße Theorie‹ beschreiben würde. Stattdessen möchte ich vorschlagen, das von Alksne und seinen Mitarbeitern etablierte Verfahren als eine bestimmte Versammlung von Elementen zu betrachten, oder, um es noch deutlicher zu formulieren: Das von Alksne et al. beschriebene Verfahren beschreibt ein Akteur-Netzwerk, AkteurNetzwerk im dem Sinne, dass zentrale Akteure, die auch für die in Erlangen zu

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erforschende und zu entwickelnde Tumortherapie eine Rolle spielen, bereits versammelt sind. Dazu gehören magnetisierbare Partikel, die mit einem therapeutischen Nutzen verbunden sind, ein Magnet, der die Partikel steuert und ein nichtinvasives bildgebendes Verfahren, das zur Kontrolle der Prozedur dient. All diese Akteure sind bereits in einem Netzwerk, welches die von Alksne et al. entwickelte Behandlungsmethode ermöglicht und realisiert, miteinander verbunden. Der Interviewpassage von Herrn Alexiou kann dann entnommen werden, dass es für seine Forschungszwecke und sein Forschungsinteresse von Relevanz ist, dass hier bereits eine Versammlung von Elementen und Akteuren besteht. Diese Versammlung vermittelt das, was Herr Alexiou »Translations-Gedanken« nennt. Dieser Gedanke der Translation verbindet sich für Herrn Alexiou mit dem Anspruch, eine anwendungsnahe, d.h. in seinem Fall, eine kliniknahe Forschung zu betreiben. Ziel ist die Anwendung in der Klinik und die Behandlung von Patienten. Gleichzeitig spricht er von Grundlagenforschung. Grundlagenforschung heißt für die Forschung in Erlangen, dass die einzelnen Elemente und Akteure der Therapie im Sinne der für ihre Therapie erforderlichen Anforderungen modifiziert und neu abgestimmt werden. Dass es hier zu Anpassungen im Bereich der Bildgebung kommt, hatte ich bereits dargestellt.96 Auch der Magnet verändert sich im Vergleich zu dem Verfahren des Aneyrismenverschlusses. Hier wurde der Magnet noch mit der Hohlnadel als Sonde in den Körper eingebracht. Beim magnetischen drug targeting bleibt der Magnet als Gerät außerhalb des Körpers. Die magnetische Wirkung wird über Magnetfelder vermittelt. Und auch die Partikel haben sich im Vergleich zum dem Verfahren von Alksne et al. verändert. Während da noch Partikel im Mikrometer-Bereich benutzt wurden, werden für den gezielten Wirkstofftransport Partikel im Nanometer-Bereich verwendet.97 Interessant ist hierbei, dass Herr Alexiou die Forschung seiner Arbeitsgruppe als »anwendungsorientierte Grundlagenforschung« bezeichnet und somit zwei Begrifflichkeiten miteinander vermengt, die in der Wissenschaftstheorie oder auch der Wissenschaftsforschung meist als unterschiedliche Begriffe gehandhabt werden, da hier jeweils unterschiedliche Formen von Wissenschaft adressiert werden. Die Grundlagenforschung gilt hier als theoriegeleitete Forschung, die sich der Erkenntnis von Naturzusammenhängen verschrieben hat. Im Gegensatz dazu zielt anwendungsorientierte Wissenschaft auf die Nutzung von Forschungsergebnissen ab. Ihr Erkenntnisinteresse speist sich dabei durch den jeweiligen An-

96 Vgl. hierzu Unterkapitel 5.2.2. 97 Alksne et al. nutzen für ihre Behandlung sog. Alnico 5 Magnetpartikel, die sich aus einer Metalllegierung zusammensetzen (vgl. Alksne et al. 1967).

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wendungskontext (vgl. Carrier 2007).98 Nimmt man diese Unterscheidung auf, so ließe sich Nanoforschung als ein Paradebeispiel anwendungsorientierter Forschung charakterisieren. Im Gegensatz zu einem traditionellen Verständnis wissenschaftlicher Tätigkeit, das Wissenschaft als die Formulierung und Überprüfung von Theorien und Hypothesen begreift, zeichne sich Nanoforschung vielmehr durch ihr qualitatives Vorgehen aus, bei dem es um die »Aneignung neuer Handlungs- und Eingriffsmöglichkeiten« (Nordmann 2005: 209) gehe.99 Die ANT würde eine solche Trennung ablehnen, bei der sich Formen, Wissenschaft zu betreiben, substantiell voneinander unterscheiden. Sie würde konstatieren, dass mit dieser Unterscheidung weitere Trennungen einhergehen, wie die Trennung von Wissenschaft und Technik, Natur und Kultur, oder auch die Aufteilung von externen und internen Faktoren wissenschaftlicher Tätigkeit, worauf ich gleich noch einmal zurück komme werde. Die ANT stellt solche grundsätzlichen Trennungen in Frage und verweist darauf, dass die Praxis stets verschiedene Aspekte miteinander vermischt (vgl. Wieser 2012: 121). Entsprechend interpretiert sie dann Grundlagen- und Anwendungsforschung im Sinne unterschiedlicher Verknüpfungstypen. Man kann hier auch auf die Begrifflichkeit zurückgreifen, die Herr Alexiou selbst benutzt. Es ist eine Frage der »Translation«, also der Übersetzung. Grundlagen und Anwendung, Wissenschaft und Technik, sind nur zwei Pole eines Kontinuums, die durch Übersetzungsprozesse miteinander verbunden werden. Die Erlanger Forschung lässt sich dann in der Weise als anwendungsnah und somit als kliniknah bezeichnen, als hier bereits Akteure aus der

98 Mitunter wird hier noch einmal begrifflich differenziert zwischen »angewandter Forschung«, die mit einer praktischen Anwendung wissenschaftlicher Ergebnisse einhergeht und »anwendungsorientierter« bzw. »anwendungsbezogener Forschung«, deren Forschungsinteresse durch die jeweiligen Verwendungszwecke und somit durch externe, praktische Probleme bestimmt wird (vgl. Anderson 1977: 65). Vgl. hierzu insbesondere auch die These einer »Finalisierung von Wissenschaft« (Böhme u.a. 1973). 99 Durch diese enge Verknüpfung von Wissenschaft und Technik, die sich nicht länger als »verwissenschaftliche Technik« oder als »technisch angewandte Wissenschaft« kennzeichnen ließe, schlägt Alfred Nordmann den Gebrauch des Begriffes der »Technowissenschaften« vor. In diesem in der Wissenschafts- und Technikforschung populär gewordenen Konzept wird auf die Hybridität von Wissenschaft und Technik verwiesen. Während Autoren wie Bruno Latour den Begriff der Technowissenschaften deskriptiv verwenden (vgl. Latour 1987), versteht Nordmann diesen eher als Epochenbegriff, der mit einem grundlegenden Wandel von Wissenschaftskultur verbunden ist (Nordmann 2005).

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Klinik beteiligt sind. Ein paradigmatisches Beispiel war hier für Herrn Alexiou stets die operative Ausstattung des bildgebenden Systems, denn durch die Installation des Angiografiesystems war es möglich geworden, Arbeitsabläufe so zu organisieren und zu strukturieren, wie es später einmal in der Klinik der Fall sein wird. Beschreibt man nun die in Erlangen beforschte Therapie als AkteurNetzwerk, so lässt sich nun weiter untersuchen, zu welchen Veränderungen ein neu gestaltetes Akteur-Netzwerk im Zusammenhang mit der Tumortherapie führt. Im Folgenden frage ich also danach, inwieweit hier etwas Neues produziert wird. Innovation durch Nanomedizin In Bezug auf Nanopartikel hatte ich bereits den Begriff der »Akteur-Welt« von Michel Callon aufgegriffen. Eine Akteur-Welt hatte ich so charakterisiert, dass sie all die Elemente umschreibt, die einen Akteur ausmachen (Callon 2006). In der Akteur-Welt sind die Elemente zudem in Bezug aufeinander auf bestimmte Art und Weise definiert, d.h. Akteur-Welten sind mit bestimmten Bedeutungen verbunden, stellen bestimmte Ordnungen dar. Sie konstruieren und konstituieren eine bestimmte Form von Wirklichkeit. Die Etablierung einer neuen Therapieform kann in dieser Hinsicht dann so interpretiert werden, dass eine alte Ordnung durch eine neue ersetzt wird. Diese neue Ordnung lässt sich dann dadurch charakterisieren, dass neue Akteure, neue Praktiken und somit auch neue Identitäten ›erfunden‹ werden. Damit kommt es gleichsam zu einer Veränderung von Deutungen und Bedeutungen. Im Interview umschreibt Herr Alexiou Veränderungen, die mit Behandlungsmethoden des zielgerichteten Wirkstofftransports verbunden sind, wie folgt: »Es handelt sich dabei um Verfahren, bei denen ein erkrankter Körperbereich als eine biologische Einheit gesehen und infolgedessen auch isoliert behandelt wird.« (Alexiou 2011b: 406)

Das in Erlangen beforschte Therapieverfahren, das ja eine bestimmte Variante der zielgerichteten Arzneimittelapplikation darstellt, geht also mit einer neuen Deutung von Krebserkrankungen einher, was insbesondere einen Einfluss auf die Art der Behandlung hat. Konkret lässt sich hier eine Veränderung in der Konstellation von Körper und medizinischer Anwendung erkennen. Tumorerkrankungen beziehen sich meist auf lokal einzugrenzende Bereiche, doch fand dies bislang kein Äquivalent in der Therapie, denn diese zielte, was die Standardprozedur der systemischen Chemotherapie anbelangt, von der man sich in Erlangen stets abgrenzt (vgl. Alexiou 2011b: 405), auf die Behandlung des gan-

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zen Körpers ab. Dabei bedeutet Chemotherapie nicht allein Heilung, denn sie ist mit unerwünschten Nebenwirkungen im Sinne negativer Begleiterscheinungen verbunden. Der Einsatz von Zytostatika, der zur Schädigung und Zerstörung von Zellen führt, ist nicht auf die Tumorregion beschränkt, sondern greift auch gesunde Zellen im Körper an. Haarausfall, Übelkeit und Erbrechen sind dabei wohl die bekanntesten Symptome dieser Nebenwirkungen. In einem Artikel in der Zeitschrift »Der Onkologe« kommentiert Herr Alexiou diese durch die Chemotherapie verursachten Nebenwirkungen: »Dies sind Schäden, die zusätzlich zur eigentlichen Erkrankung die Lebensqualität von Tumorpatienten oftmals stark beeinträchtigen.« (Alexiou 2011b: 405)

Durch die Zielgerichtetheit des magnetischen Wirkstofftransportes, der zugleich mit einer viel geringeren Dosis an Chemotherapeutikum auskommt, soll es möglich werden, Nebenwirkungen zu minimieren oder ganz aufzuheben.100 Es soll hier also ein Weg eröffnet werden, Tumorerkrankungen mit besseren Lebensumständen zu verbinden. Dies versucht man durch eine Reduktion starker körperlicher Einschränkungen und damit verbunden, mit einer Minimierung von Schmerzen und Leiden zu erreichen. Betrachtet man nun also neue Therapieformen in dieser Weise und im Hinblick auf veränderte Deutungen und Bedeutungen, so wird zum einen die Historizität von Krankheiten sichtbar. Es gibt nicht eine gegebene, natürliche Deutung einer Krankheit, sondern Krankheitsverständnisse können sich ändern, je nachdem, in welche Akteur-Netzwerke sie eingebunden sind. Neue Technologien bedeuten dann in diesem Zusammenhang, dass es zu einem neuen Ins-Verhältnissetzen von Technologie und menschlichen Körpern kommt. Dies resultiert dann auch in veränderten Körperlichkeiten (vgl. Cambrosio/Young/Lock 2000: 11). Nimmt man eine solche Perspektive ein, so wird der Mensch als Patient in den Fokus von Innovationen gestellt. Damit wird auch eine individuelle und emotionale Ebene in die Diskussion eingeführt, denn Innovationen bedeuten dann nicht allein Veränderungen kollektivem Verständnisses und kollektiver Praxis in Bezug auf Krankheiten. Sie spielen auch eine Rolle in Bezug auf persönliche (Krankheits-)Geschichten. Zu diesen Geschichten zählen dann Erfahrungen wie das Betroffenseins von einer lebensgefährlichen Krankheit, von Krankenhausaufenthalten, von operativen Eingriffen, von medikamentösen Behandlungen, die u. U. mit hohen Nebenwirkungen und damit mit körperlichen

100 In Tierversuchen konnten erfolgreiche Tumorbehandlungen ohne negative Nebenwirkungen bereits gezeigt werden (vgl. Alexiou u.a. 2011a).

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Einschränkungen und mit Schmerzen verbunden sind usw.. Patricia A. Kaufert macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass die Medizin und ihre spezifischen Formen von Diagnose und Therapie nicht allein medizinische Verfahren darstellen, die bestimmte Ordnungen und Standards im Umgangs mit Krankheit festlegen und definieren, sondern dass sie stets auch mit einer philosophischen Dimension verbunden sei, die auf Fragen nach Bedeutungen von Körpern, Menschen, Krankheit, Leben und Tod verweist (Kaufert 2000: 166). Welche Dimension adressiert wird, kann auch für die Implementierung neuer Therapieformen bedeutsam sein. Folgt man einem Innovationsverständnis, dass sich an ökonomischen Maßstäben orientiert, so werden auch nur diese für die Beurteilung von Innovationen herangezogen werden. Die Kriterien, die dann zur Bewertung neuer Therapieformen zur Anwendung kommen, werden rationaler Art sein wie: Inwieweit verlängert eine Therapie die Lebenserwartung, welche Risiken und Nebenwirkungen sind damit verbunden, wie kennzeichnet sich das Verhältnis von Kosten und Nutzen, wie ist die Effektivität zu beurteilen. Die Frage, ob sich die Investitionen in die Beforschung einer neuen Therapieform lohnen, bezieht sich auf ein bestimmtes Verständnis des Nutzens einer Therapie, der sich in spezifischen Formen messbaren Nutzens äußert, wie z.B. wie viel Leben konnten gerettet werden, mit welchen Kosten ist die Therapie verbunden usw. Herr Alexiou äußert sich in Bezug auf den Nutzen einer neuen Therapieform und die Darstellung dieses Nutzen im Interview so: »Ach, wissen sie, bestehende, also, sagen wir mal, ich versuch’s mal auf uns runter zu brechen. Wir nehmen ja, ein Bestandteil unserer Therapie ist ja die Chemotherapie, die seit vielen Jahrzehnten bekannt ist, deren Effizienz auch nachgewiesen ist, deren hohe Nebenwirkungsrate bloß eben ggf. eben dazu führt, dass die Leute da eher abgeneigt sind. Dadurch ist es ja so, dass wir nicht völliges Neuland beschreiten, sondern wir nehmen ja, also eine Komponente dieser Nanomedizin-Therapie, des drug-delivery, ist ja bekannt. Auf diese Daten stützen wir uns und wir vergleichen uns mit der derzeit etablierten systemischen Chemotherapie, um dann hier natürlich den Vorteil unserer Therapie darzustellen, d.h., wir werden sicher darauf zurück greifen, je nachdem, wie die, wie die momentane Lage ist. Oder ein anderes Beispiel ist die Antikörper-Therapie, da ist ja versucht wurden, jetzt was Neues zu implementieren und das ist ein faszinierendes Feld, aber da wird dann auch immer wieder halt nachgefragt, Kosten-Nutzen-Effizienz. Und für mich, als Mediziner, stellt sich diese Frage eben nicht, denn ich sag einfach, wenn ich, ich versuch als Mediziner einem Patienten zu helfen, natürlich, in aller erster Linie unter kuratibler Absicht, also, aber, wenn dies nicht möglich ist, aus verschiedensten Gründen, dann muss ich zumindest eine Lebenszeitverlängerung dem Patienten irgendwie beibringen können, zu ner qualitativ, ja, lebenswerten Situation, wobei das ein weiter Begriff ist, dass ist mir

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schon klar, aber ich versuch’s. Und da glaub ich, wenn man ganz zu Beginn, glaub ich, wenn wir an den Patienten gehen, sicher einen wesentlichen Beitrag leisten können. Das ist meine feste Überzeugung. Wir müssen uns dann, der hehre Anspruch ist natürlich, dass wir unter kurabler Ansicht, unter kurabler Absicht das zu machen, aber, da müssen wir uns gegen die etablierten Verfahren, und ich bin ja jemand, der die Schulmedizin etabliert auch fährt, da müssen wir uns mit dem Goldstandard vergleichen und der ist schon sehr, sehr hoch. Und man muss aber immer sagen, dass der Goldstandard nicht ohne Not verlassen werden sollte, nur es gibt leider eine Vielzahl von Tumorerkrankungen, wo eben neue Therapiemodi implementiert werden müssen, um Patienten wirklich Hilfestellung zu geben.« [Interview 5/2011]

Auch Herr Alexiou verweist auf das Bestehen unterschiedlicher Dimensionen für die Beurteilung einer Therapie. Er bringt zum Ausdruck, dass die ökonomische Dimension, die sich in einem Kosten-Nutzen-Verhältnis artikuliert, für seine eigene Position als Arzt keine Rolle spiele. Er versucht hingegen die persönliche Dimension zu betonen, die zum einen den Menschen als Patienten, aber auch den behandelnden Arzt adressiert. Dabei stellt auch er körperlich-emotionale Aspekte in den Mittelpunkt, die etwas mit Sorge und Verantwortung für einen Patienten und dessen Leben zu tun haben. Doch die Beurteilung, darauf macht er auch aufmerksam, erfolgt nicht allein in Bezug auf die Innovation an sich, sondern sie steht im Verhältnis und in Konkurrenz zu anderen Verfahren. Um seine Innovation voran zu bringen, muss Herr Alexiou versuchen, Wege und Mittel zu finden, um seine Position zu stärken und sich somit einen Vorteil gegenüber anderen Positionen zu schaffen. Wie er dies bewerkstelligt soll im Folgenden weiter verfolgt werden. »Innovationen« in der Nanomedizin Bevor ich weiter nachvollziehen möchte, wie sich die Erlanger Forschung konstituiert und etabliert hat, möchte ich nochmals kurz auf den Begriff der Innovation zurückkommen, den ich ja bisher stets in der Mehrzahl verwendet habe. Betrachtet man das Therapieverfahren als eine alternative Behandlungsmethode, so, wie ich sie eben gekennzeichnet hatte, dann würde es ja genügen, von Innovation in der Einzahl zu sprechen. Ich hatte jedoch bereits in Unterkapitel 6.2.2 zum Arterienmodell darauf hingewiesen, dass ›Nano‹ zunächst einmal bedeutet, dass ein neuer Akteur zur Tumortherapie eingeführt wird, dass damit aber gleichzeitig auch Veränderungen anderer Komponenten verbunden sind. Auch die Interviewpassagen zum Innovationsbegriff betonen mitunter unterschiedliche Aspekte. Während man vielfach das Zusammenspiel von Nanopartikeln und Magneten als Innovation sieht, wird in einem anderen Zitat allein auch die Entwicklung der

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Partikel (Synthese und Analyse) als Innovation ausgewiesen. Schon in dieser Hinsicht kann man also von Innovationen im Plural sprechen. Allerdings werden mit diesen Innovationen bereits die Endprodukte der Forschung benannt, auch wenn der Forschungsprozess selbst dafür nicht immer abgeschlossen ist. Ich habe mich bei meiner Beforschung der Erlanger Arbeitsgruppe jedoch nicht allein für die Herstellung von Innovationen interessiert, also für die Ergebnisse von Forschung, sondern auch für die Forschungsprozesse selbst. Sowohl in meinen Beobachtungen, als auch in meinen Interviews habe ich die Frage, inwieweit sich in der täglichen Praxis der Innovationscharakter zeigt und bemerkbar macht, in den Mittelpunkt gestellt. Die beiden technischen Assistentinnen, Eveline und Jenny, die ja insbesondere mit praktischen Forschungstätigkeiten betraut sind, haben mir im Interview dazu folgende Auskünfte geben können: »Es ist halt, ja, viele Arbeitsschritte sind halt vorne weg nicht vorausschaubar, also wie jetzt, wenn du irgend was testest, wenn du jetzt, ja, ein Spielzeug auf die Funktion testest, sondern du – manchmal ergibt sich halt was, was man vorher noch nicht gedacht hat und muss halt neue Wege eingehen, also du kannst halt, ja, viel freier dir dann auch irgendwelche Versuchsplanungen überlegen und so. Das ist auf jeden Fall – weil es halt was ganz Neues ist […].« [Interview 7/2011]

Jenny ergänzt dies: »Ja, also dadurch, dass wir uns meistens in irgend einem Grenzbereich befinden, muss man sich schon Sachen überlegen und man muss auch irgendwie teilweise sogar selber bauen, weil es, erstens Zeichnungen so zu konstruieren, dass ein Mechaniker damit was anfangen kann ist relativ schwer und viel – zeitaufwendig und dann ist es natürlich einfacher, wenn man es irgendwie selber bauen kann, wenn man das Material zu hat. Und, wir müssen überall austesten, wenn man irgendwelche neuen Sachen macht, muss man immer erst mal gucken, wie kommt man zu seinem Ziel und grade bei den Partikeln haben wir ja die einen oder anderen Probleme, die wir lösen müssen. Und das ist eigentlich das Schöne, dass du halt immer kreativ denken musst, wie du zu deinem Ziel kommst und so, dass es halt auch wissenschaftlich fundiert ist.« [Interview 12/2011]

Fasst man Wissenschaft üblicherweise als zielgerichtete, geplante und geordnete Praxis auf, so charakterisieren Eveline und Jenny Innovationsforschung mit Worten wie Zufall (»manchmal ergibt sich halt was«), Freiheit und Kreativität. Diese Kreativität zeigt sich, wie auch Jenny ausführt, u.a. darin, dass man Dinge für Versuche baut. Ein Beispiel hierfür, das extra etwas für eine Tätigkeit angefertigt werden musste, hatte ich bereits mit der Vorrichtung zum Schneiden von

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Arterienstücken vorgestellt. Stefan Lyer musste dafür für einige Zeit seine wissenschaftlich-experimentelle Praxis ruhen lassen und ›heimwerkerische Fähigkeiten‹ aktivieren. Hierzu war im Untergeschoss der Sektion extra ein Arbeitsplatz mit den nötigen Werkzeugen eingerichtet: Abb. 8: Werkbank in der Arbeitsgruppe

Foto: Wiebke Pohler, Erlangen, 17.11.2011

Ein anderes Mal habe ich Jenny in eine Schlosserei begleitet. Sie benötigte für die Histologie eine bestimmte Gussform, mit Hilfe derer sie Organe oder auch Tumore in Parafin gießen konnte. Die Standard-Gussformen haben hierfür nicht gepasst. Die Schlosserei hat ihr dann zwei Metall-Winkel angefertigt, die sie zu einer Form zusammenfügen kann. Das Problem, dass die ›Standard-Laborausstattung‹ nicht passte, konnte ich hin und wieder beobachten. Ein Ausweg war, wie eben beschrieben, dass man Dinge selbst baute oder bauen ließ. Eine andere Möglichkeit bestand im Umfunktionieren von Dingen und Geräten. Für die Bioverteilungsstudien ist es in Bezug auf die Aufbereitung von Organen für Untersuchungszwecke notwendig, diese zu zerkleinern. Eveline erklärte mir, dass sie dazu schon verschiedene Geräte ausprobiert habe, ein gewöhnlicher Haushaltsmixer, der üblicherweise in der Küche zum Zerhacken von Kräutern genutzt wird, stellte sich dabei als die beste Lösung heraus. Dies war jedoch nicht die einzige Gelegenheit, bei der auf die Nutzung gewöhnlicher Haushaltsgeräte zurückgegriffen wurde. Zur Illustration einer weiteren Gelegenheit möchte ich kurz aus einem Beobachtungsprotokoll zitieren:

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»Rainer meint zu Jenny, dass er für Versuche Gelplatten brauche und wann sie diese herstellen könne. Sie müssen auch eine bestimmte Größe haben. Lange wird überlegt, wie man die Gelplatten in das richtige Maß bekommt. Man überlegt, sich Platten mit dem Skalpell zurechtzuschneiden, oder mit einem Draht. Diese Ideen werden aber wieder verworfen. Jenny hat die Idee Ausstechförmchen zu besorgen. Sie könne ja mal im Haushaltswarenladen vorbei schauen. Dann geht sie an ihren Rechner und recherchiert erst mal eine Weile im Internet nach Ausstechförmchen. Eveline fragt Jenny, was sie denn suche. Jenny erklärt Eveline was sie braucht und wofür sie es braucht. Eveline beginnt dann auch im Internet auf div. Seiten für Haushalts- und Gastronomiebedarf nach Ausstechförmchen zu suchen. Begeistert stellen sie fest, dass es Ausstechförmchen aller Art gibt: Tiere, Märchenmotive, Hände und Füße usw. Nach längerer Suche finden beide auch Förmchen mit verschiedenen geometrischen Formen. Eines hat auch das richtige Maß.« [Erlangen, 17.11.2011]

Was können wir an diesen Beispielen also über Innovationsforschung erfahren. Schaut man sich Broschüren zu Innovationsforschung an, so wie z.B. die vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung herausgegeben Broschüre »Nanomedizin. Innovationspotentiale in Hessen für Medizintechnik und Pharmazeutische Industrie« (2008), so sieht man hier Forscher in weißen Kitteln, die Schutzbrillen und eine Haarschutz tragen und in isolierten Räumen arbeiten. Zwar findet man solche Bedingungen auch bei der Forschung in Erlangen, doch ist Forschung mehr als das. Forschen kann auch Heimwerken und Basteln bedeuten. Innovation hat nicht nur mit High-Tech zu tun. Es können auch ordinäre, alltägliche Dinge zum Einsatz kommen. Auch hier kann wiederum festgehalten werden, dass solche Aspekte der Forschung nur sichtbar gemacht werden, wenn man diese vor Ort im Labor begleitet. Und es zeigt wiederum die Objektbezogenheit von Forschung. Wenn man also Nanopartikel als neue Objekte und neue Akteure in der Medizin beschreibt, oder so, wie ich es oben genannt habe, als ›Erfindung‹, so sieht man nun, dass es weiterer Objekte und Akteure und weiterer Erfindungen bedarf, um die Dinge zum Laufen zu bringen – man kann auch sagen, um Nachzuahmen. Dass Nachahmung eine Rolle spielt zeigt sich am Schluss des Zitates von Jenny, wo sie darauf hinweist, dass es nicht genügt ›irgendwie‹ an sein Ziel zu kommen, sondern es muss dem Maßstab der Wissenschaftlichkeit genügen. Ich frage entsprechend nach, wie dies bewerkstelligt wird. Jenny antwortet diesbezüglich: »Ja gut, wir lassen ja die Tests meistens dreifach laufen, um zu schauen, ob wir sie auch reproduzieren können. Man muss halt schon zusehen, dass du es immer auch reproduzie-

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ren kannst, auch noch nach nem Jahr, damit es nicht nur ein Zufallstreffer ist.« [Interview 12/2011]

Wichtig ist also die Reproduzierbarkeit von Ergebnissen. Man kann auch von Wiederholung und schließlich – im Sinne Gabriel Tardes – wiederum von Nachahmung sprechen. Insofern man Innovationen also als ›Erfindungen‹ bezeichnet, kann man nun sagen, dass sie sich durch Nachahmung als wissenschaftliche Fakten etablieren und somit gleichsam zu sozialer Wirklichkeit werden. Bisher habe ich selbstverständlich die Beschreibungen der Arbeitsgruppe wie ›Nanomedizin‹ oder auch ›Nanopartikel‹ übernommen. Ich möchte nun genauer untersuchen, auf welche Weise sie ihre Arbeit mit ›Nano‹ assoziieren und sich mit ›Nano‹ identifizieren. 6.3.2 Wieso ›Nano‹? In meinen Ausführungen klang schon mehrfach an, dass der Begriff ›Nano‹, ganz gleich, ob er in der Begrifflichkeit von Nanowissenschaft(en) bzw. Nanotechnologie(n) verwendet wird, ein unscharfer Begriff sei, was eine klare, eindeutige und wirklich distinkte Definition anbetrifft. Da es ja in einer Ethnografie darum geht, die Deutungen und Definitionen der Akteure selbst zu untersuchen und diese entsprechend in den Mittelpunkt zu stellen, habe ich die Mitarbeiter der Arbeitsgruppe sowie Kooperationspartner im Interview danach befragt, was der Begriff Nanomedizin für sie bedeutet und wie sie sich mit ihrer Forschung da zuordnen würden. Folgende Definitionen habe ich dabei erhalten: »Ja, Medizin mithilfe von kleinen Nanoteilchen, sei es jetzt zur Bildgebung oder zur Therapie, ja.« [Interview 7/2011] »Ah, weil wir versuchen Krebs mit Nanopartikeln zu behandeln, tatsächlich. Das ist eigentlich schon der Grund. Also ich mein, wenn’s jetzt irgendein anderes Medikament wäre, nicht auf Nanopartikeln, dann wären wir nicht Nano.« [Interview 3/2011] »Ja, Nanomedizin ist ein sehr umfangreiches Gebiet, Diagnostik, Therapie, regenerative Medizin, umfasst dies in-vitro, in-vivo Diagnostik und entsprechend dahingehend ist im Bereich der Nanomedizin das wohl vielversprechendste drug-delivery. Das ist eben ein wichtiger Aspekt und den verfolgen wir bei uns.« [Interview 5/2011: 31-34] »Das ist eigentlich ein extrem umfangreicher Begriff. […] Deswegen, ich wende ihn dann, oder wende ich den Begriff lieber hier auf die konkrete Arbeit an, und zwar definieren mit

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möglichst kleinen, oder zur Hilfenahme möglichst kleiner Partikel Medikamente gezielter zu verabreichen bzw., was unter Umständen auch sein könnte, Medikamente irgend wann mal in entsprechend geringer Dosis bzw. die, wie soll man sagen, ja, Medikamentenpartikelmoleküle auch entsprechend klein verabreichen zu können.« [Interview 9/2011]

Es wird also darauf aufmerksam gemacht, dass nicht allein der Begriff ›Nano‹, sondern schon die Konkretisierung auf das Feld der Nanomedizin umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsfelder beinhalten kann, die jeweils auch andere Umgangsweisen mit Erkrankungen bedeuten können: So bezieht sich Nanomedizin nicht allein auf Formen von Therapie, sondern auch auf Diagnostik und regenerative Medizin. Daher wird der Begriff sehr schnell auf die eigene Forschung – der zielgerichtete Wirkstofftransport – angewandt und ›Nano‹ mit den Partikeln im Nanometerbereich, die hierfür zur Anwendung kommen, in Verbindung gebracht. Allgemein kann man die Definitionsversuche mit einem Arbeiten (Forschen, Entwickeln, Anwenden) mit kleinen Teilchen beschreiben. In diesem Zusammenhang kann man sagen, dass sich die Arbeitsgruppe einer Miniaturisierung von Therapie verschrieben hat. Miniaturisierung heißt dann die Verkleinerung von Objekten auf Nanogröße, so, dass die funktionellen Struktureigenschaften der Nanowelt genutzt werden können. Konkret heißt dies für die Arbeitsgruppe in Erlangen, dass sie für ihren Medikamententransport die große Oberfläche von Nanopartikel im Vergleich zu ihrem Volumen nutzt. Sie verfolgt also in diesem Sinne einen sog. ›top-down‹ Ansatz. Demgegenüber kennzeichnet der ›bottom-up‹-Ansatz das Herstellen von Werkzeuge und Instrumente ausgehend von der atomaren und molekularen Ebene. Buttom-up bezeichnet die gezielte Manipulation, bei der Moleküle oder Atome so zusammengefügt werden, dass Objekte mit bestimmten gewünschten Eigenschafen entstehen. Dabei spielen auch Effekte der natürlichen bzw. technisch-kontrollierten Selbstorganisation eine Rolle (vgl. Fleischer/Grunwald 2005: 137). Dieser bottum-up Ansatz lässt sich nicht auf das magnetische drug targeting anwenden, so, wie es in Erlangen erforscht und entwickelt wird. Somit nutzt die Erlanger Forschergruppe ›Nano‹ auf bestimmte Weise, indem sie sich auf die Skalenebene von ›Nano‹ bezieht, nutzt aber demgegenüber nicht alle Möglichkeiten, die mit ›Nano‹ einhergehen. Für Autoren, die nun nach einer umfassenden und kennzeichnenden Definition von ›Nano‹ suchen, stellt diese Definition, die lediglich die Skalenebene adressiert, sicherlich eine eher unbefriedigende Definition dar, da der Bezug auf eine Größe recht allgemein und eher unspezifisch ist. Betrachtet man einzelne Definitionsversuche, so lassen sich hier sogar Definitionen finden, wonach es fraglich erschiene, ob eine Zuordnung zu ›Nano‹, so wie sie in Erlangen zu finden ist, überhaupt gerechtfertigt sei, da sich die Grundidee von ›Nano‹ nicht auf eine

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Miniaturisierung und somit auf bloße Skaleneffekte beschränken ließe. Dass, was das qualitativ Neue des Nanokosmos ausmache, könne nicht allein anhand einer Größenangabe ausgedrückt werden (vgl. Grunwald 2008: 37). Ich möchte nun nicht einzelne Definitionen vergleichen und bewerten, sondern meine Argumentation an dieser Stelle weiter verfolgen, die versucht, ›Nano‹ als Nachahmungsphänomen zu betrachten. Im Gegensatz zu Annäherungen an das Feld ›Nano‹, die zunächst einmal versuchen, das Feld anhand einer allgemeine Definition abzustecken, um diese dann auf konkreten Beispiele zu beziehen und anzuwenden, geht die Theorie der Nachahmung zunächst vom konkreten Fall aus, um dann weiter zu betrachten, wie das Konkrete wiederholt und nachgeahmt wird. Im vorangegangenen Kapitel bin ich bereits auf Gabriel Tardes monadisches Denken eingegangen. In dieser Art zu Denken liegt ja der Schlüssel, Dinge zu begreifen, stets im Kleinen und Konkreten. Das Große und Allgemeine ist immer nur eine Abstraktion des Konkreten und die Standardisierung eines Elements des Kleinen (vgl. Latour 2009: 49). In diesem Sinne werden Phänomene dann nicht durch eine ihnen zugrunde liegende Ordnung oder Struktur erklärt, sondern Tarde versteht Realität als ein »heterogenes Werden« (Wieser 2012: 227). Wenn nun für ›Nano‹ eine hohe Heterogenität in Bezug darauf festgestellt wird, was jeweils unter ›Nano‹ verstanden und praktiziert wird, so könnte man nun im Sinne Tardes sagen, dass der Grund darin zu suchen ist, dass ›Nano‹ auf individuell-unterschiedliche Weise nachgeahmt und wiederholt wird. Für Gabriel Tarde ist Nachahmung stets spezifisch und mit Veränderung verbunden, oder, wie Friedrich Balke zusammenfasst: »Die Wiederholung ist also für Tarde keineswegs ein Mechanismus identischer Reproduktion, sondern unvermeidlich Selbstabweichung (›Variation‹). Die Wiederholung funktioniert als eine immer spezifische und singuläre Nachahmung, d.h. sie lässt sich niemals ›von oben‹ durch die Unterstellung globaler Ähnlichkeiten oder ›Geistestypen‹ erklären, sondern muß auf der basalen, ereignishaften Ebene gesellschaftlicher Reproduktion immer wieder aufs neue und ›im Detail‹ produziert werden.« (Balke 2009: 145)

Wenn man nun die Analyse, Nutzung und Manipulation auf molekularer und atomarer Ebene als kleinsten gemeinsamen Nenner von ›Nano‹ identifiziert, dies jedoch als globale Definition von ›Nano‹ nutzt, so mag dies eine unzulässige Verallgemeinerung eines viel heterogenen Feldes sein. Beschreibt man jedoch ›Nano‹ im Sinne der Monadologie Gabriel Tardes, so lässt sich ›Nano‹ – als Bezug auf die kleinste Größenordnung – als eine neue Differenz beschreiben. ›Nano‹ stellt eine Monade dar (Tarde 2009). Was entsprechend Nanoforschung und Nanotechnologie ausmacht und was ihnen gleichermaßen zugrunde liegt ist, dass

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man sich auf diese Differenz und diese Monade bezieht. In den jeweiligen Ausprägungen bzw. in den jeweiligen Nachahmungen kann sich ›Nano‹ dann durchaus als sehr heterogen erweisen. ›Nano‹ produziert also unterschiedliche Nachahmungsstrahlen. ›Nano‹ realisiert sich nicht nur in einer Form von Realität, sondern prägt unterschiedliche Formen von Nano-Sozialitäten aus. In den Worten der ANT könnte man diesen Gedanken so ausdrücken, dass ›Nano‹ zunächst einmal die Mobilisierung eines neuen Akteurs beschreibt, mit dessen Hilfe werden jedoch sehr spezifische und unterschiedliche Akteur-Netzwerke geformt. Wenn sich ›Nano‹ nun, was die Forschungslandschaft anbelangt, als große »Erfolgsgeschichte« erweist (Schummer 2009: 9), so ist dies dem Erfolg und der Durchsetzungskraft einer Monade geschuldet: »der es gelungen ist, die anderen dazu zu bringen, ihren Gesichtspunkt zu teilen.« (Latour 2009: 47, Herv.i.O.) In Anschluss an Gabriel Tarde würde man also ›Nano‹ nicht als Makrophänomen erklären wollen, also als ein Feld, dass eine bestimmte Ordnung, bestimmte Eigenschaften und eine bestimmte Identität besitzt, sondern die Erklärung wird in einer Mikrofundierung des Phänomens gesucht (Wieser 2009: 228). Tarde geht dabei von der Grundannahme aus, dass die Welt aus einer Vielzahl von Monaden besteht, die jeweils die kleinste Differenz und somit die letzte, unteilbare Entität ausmachen. Diese Monaden versuchen sich durch die Kräfte des Begehrens und des Überzeugens auszubreiten und zu verwirklichen (Tarde 2009: 33). Begehren beschreibt dann eine affektuelle Anziehung, wohingegen Überzeugen kognitiv, als intellektuelles Erfassen, gedacht wird (vgl. Tarde 1908: 17). Welche Überzeugungskraft bzw. welche Formen des Begehrens lassen sich nun im Fall der Erlanger Arbeitsgruppe identifizieren, oder in anderen Worten ausgedrückt, wieso war es wichtig, den Begriff ›Nano‹ auch für die Namensgebung der Sektion zu nutzen und damit schließlich die erste bundesweite W3Professur für Nanomedizin zu etablieren? Herr Alexiou erklärt dazu im Interview: »Es ist so, dass die Nanomedizin, wie gesagt, Diagnostik, Therapie, regenerative Medizin, diese drei großen Säulen hat, ich hab’s genannt »Sektion für experimentelle Onkologie und Nanomedizin«, weil es beides verbindet, oder die drei Punkte meinerseits verbindet, zum einen meine klinisch operative Ausrichtung, ich bin zwar im ganzen HNO-Gebiet tätig, aber sicher ein Fokus auf Tumortherapie und da ist es mir wichtig, dass sich die Nanomedizin, die sich da auch wiederspiegelt, aber hier letztendlich auch in Hinsicht auf Onkologie den Transfer findet, auch im Namen, und ich hab die Sektion deshalb, letztendlich so installiert, weil’s eine profil-schärfende Organisationseinheit werden soll, d.h., auch einen Wiedererkennungswert hat, weil sonst Nano ist sehr viel, dass ist momentan sehr modern [lacht], in zehn Jahren heißt es dann irgendwie Mikro, oder Super-Nano

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[lacht], ich weiß es nicht. Aber das ist so momentan der Begriff, die Begriffsbibliothek, die momentan da ist und ich denke, dass wir nur mit einer Wiedererkennungsstruktur, grad weil es ja erstmalig bundesweit installiert wurde, da auch ein gewisses, sagen wir mal, ja, Implementierungscharakter gestalten wollen, und drum der Name experimentelle Onkologie und Nanomedizin. Also, ist vielschichtig, aus meiner klinischen Tätigkeit heraus, aus der Tätigkeit der, oder aus dem Begriff Bereich Nanomedizin und eben auch, dass wir hier sicher einen Fokus auf die Onkologie legen, aber nicht ausschließlich.« [Interview 5/2011]

Ganz allgemein gefasst kann man sagen, dass der Begriff ›Nano‹ für Prozesse der Gruppenbildung eine Rolle spielt (vgl. Latour 2007: 50ff.). Im Sinne von Definitions- und Identifikationsprozessen ist hier zunächst einmal die Arbeit, eigene Gruppengrenzen zu ziehen, von Bedeutung (ebd.: 56f). Um dabei die Aussage von Herrn Alexiou in andere Worte zu kleiden könnte man formulieren, dass für die Arbeitsgruppe ›Nano‹ eine Differenz darstellt, die Differenz schafft. Durch den Bezug auf ›Nano‹ kann sich die Arbeitsgruppe als Sektion und »Organisationseinheit« innerhalb der Klinik – aber auch darüber hinaus – unterscheiden und verschafft sich somit eine eigene Sichtbarkeit und Existenz. Ganz im Sinne Tardes kann man sagen: »Existieren heißt differieren […].« (Tarde 2009: 71) ›Nano‹, als Begriff, birgt für die Sektion die Möglichkeit, als Forschergruppe eine eigene Identität zu schaffen und ein eigenes Profil aufzubauen. Als interessant erweist sich dabei, dass es nicht der Begriff ›Nano‹ allein ist, der diesen profilbildenden Unterschied macht, sondern die Verbindung von ›Nano‹ und der Medizin. Die Vielschichtigkeit von ›Nano‹, auf die ja auch in den Interviews hingewiesen wird, versucht man also in der Namensgebung einzuschränken und kennzeichnet somit ›Nano‹ in der Medizin als einen spezifischen Nachahmungsstrahl. Die Nutzung des Begriffes folgt also einem strategischem Kalkül, dass der Profilbildung und somit der Wiedererkennung dient.101 In der Interviewpassage wird dabei aber auch ersichtlich, dass ›Nano‹ nur ein Nachahmungsphänomen unter anderen darstellt, denn, so Herr Alexiou, der Begriff ›Nano‹ stellt nur

101 Dieser strategische Umgang mit Nano ist nicht nur in Erlangen zu finden. Am Beispiel der Toxikologie zeigen Monika Kurath und Mario Kaiser auf, dass Nano auch zu einer disziplinären Neuorientierung und Reorganisation führen kann (Kurath/ Kaiser 2010). Diese entwickle sich in zunehmendem Maße als »Prüfdisziplin« zu einer Begleitwissenschaft zu den Nanowissenschaften und erfährt in dieser Weise eine disziplinäre Stärkung. In ähnlicher Weise argumentiert Martina Merz in Bezug auf die Empa (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt), die Nano als Ressource zur Repositionierung ihres Institutes im Sinne einer modernen, wissenschaftsbasierten Forschungsorganisation mobilisiert (Merz 2010).

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einen möglichen Begriff in einer »Begriffsbibliothek« dar. Hier zeigt sich, dass der Name ›Nano‹ eher willkürlich, zumindest nicht zwingend ist. Man könnte seine Forschung im Prinzip auch anders nennen. In dieser Hinsicht kann man resümieren, dass ›Nano‹ kein ›natürliches‹ Phänomen darstellt, das als solches über bestimmte inhärente Eigenschaften und Charakteristika verfügt. Das, was ›Nano‹ ist, ist also nicht festgeschrieben. Dies kennzeichnet wiederum den figurativen Charakter von ›Nano‹. ›Nano‹ weist sich hier jedoch als ein Akteur aus, in dem Sinne, dass ›Nano‹ eine spezifische Ressource darstellt, die aktiviert werden kann, um die Forschung voranzutreiben. Als Ressource scheint sie dann nur interessant, als es ihr gelingt, weitere Kräfte des Begehrens und Überzeugens zu entfalten, d.h. Akteure zu gewinnen, die für die Möglichkeit zu forschen nötig sind. Wie dies im Fall der Arbeitsgruppe in Erlangen gelungen ist, möchte ich nun anhand der Einbindung von Kooperationspartnern und anhand der Forschungsfinanzierung zeigen. Diese beiden Aspekte der Forschungskooperation und der Forschungsfinanzierung, die ich unter dem Titel »Allianzen knüpfen« darstellen möchte, stellen zwei wichtige Bausteine im Hinblick auf die Frage dar, wie sich die nanomedizinische Forschung in Erlangen konstituiert und kennzeichnen wichtige Verknüpfungen dieses Akteur-Netzwerkes. 6.3.3 Allianzen knüpfen Meine Beobachtungen machten deutlich, dass sich nanomedizinische Forschung nicht allein anhand der Arbeit im Labor hinreichend beschreiben lässt. Es zeigte sich vielmehr, dass die Forscher zudem mit einer Vielzahl anderer Tätigkeiten beschäftigt waren. Im Anschluss an das eben Gesagte möchte ich im Folgenden weitere Formen von Überzeugungsarbeit betrachten, diesmal insbesondere Formen, die über die Mauern des Labors hinausreichen. Kooperationen Wie gezeigt wurde, besteht das in Erlangen entwickelte Therapieverfahren aus unterschiedlichen Komponenten: Partikel, Bildgebung und magnetische Steuerung. Um all diese Komponenten realisieren und umsetzen zu können, bedarf es der Einbeziehung von Kooperationspartnern. Was die Erlanger Forschung anbelangt, können an dieser Stelle zum einen Kooperationen genannt werden, die eher inoffizieller Natur sind. Inoffiziell heißt, dass diese Kooperationen nicht über gemeinsame Projektanträge vertraglich miteinander geregelt sind. Als Beispiele solcher Formen der Zusammenarbeit können umliegende Institute und auch das Klinikum in Erlangen genannt werden, die im Auftrag der Arbeitsgruppe Messungen durchführen (z.B. Bestimmung bestimmter Partikelparameter,

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Bestimmung von Blutwerten usw.) bzw. Messgeräte für Analysen bereitstellen. Diese Kooperationen werden dadurch aufrecht erhalten, dass man im Gegenzug selbst die Geräte, die in der Sektion vorhanden sind, bei Bedarf zur Verfügung stellt, oder man bedankt sich mit einer kleinen ›Spende für die Kaffeekasse‹. Daneben gibt es offizielle Projektpartner, die über gemeinsame Projektanträge und entsprechender Finanzierung miteinander verbunden sind, bzw. Partner, mit denen gemeinsame Projekte geplant sind. Als Beispiele möchte ich an dieser Stelle den Lehrstuhl für Feststoff- und Grenzflächenverfahrenstechnik (Prof. Dr.-Ing. W. Peukert) in Erlangen, die Experimentelle Radiologie des Universitätsklinikums Jena (Prof. Dr. rer. biol. hum. Ingrid Hilger) sowie den Partner aus der Industrie herausgreifen. Im Interview habe ich danach gefragt, wie die Kooperationen zustande gekommen sind. Prof. Peukert beschreibt das Zustandekommen der Zusammenarbeit so: »Ähm, es ist glaube ich zustande gekommen über die – über diese Stiftungsprofessur, wo ich irgendwie kleine Bausteine zuliefern durfte, dass das irgendwie hier her kommt. So, und dann sind wir da irgendwie mal ins Gespräch gekommen und dann ist rausgekommen, dass der Herr Alexiou Nanopartikel braucht, d.h., er braucht Konstrukte, die eine bestimmte Funktion haben. So, und unser Fachgebiet ist Partikel und wir sind vorwiegend methodisch orientiert und sagen nicht, wir sind die Spezialisten für Partikel für Industrie A oder B, oder Anwendung A oder B, sondern wir machen Partikel, generell. Ok? Und die Anwendungen sind uns erst mal relativ gleich. So, was wir brauchen, wenn wir sehr stark in die Anwendung gehen, von der, wo wir natürlich, z.B. medizinisch, keine Experten sind, brauchen wir einen Partner in der Medizin, der uns sagt, was er von unseren Partikeln erwartet. So, und das klappt mit dem Herrn Alexiou ziemlich gut, der sagt, sozusagen, ich wünsch mir folgende Eigenschaften und wir können uns überlegen, wie man solche Eigenschafen machen kann. Und dann treffen wir uns in der Mitte und fangen halt an, sozusagen, zusammen zu arbeiten und dann die Systeme entsprechend weiter zu entwickeln. Das ist – das medizinische Thema ist natürlich ein riesen Gebiet, es ist wissenschaftlich sehr interessant, es ist hoch komplex und, wenn man dort Partikeln, sozusagen, einsetzen kann, und wir was beitragen können, dann ist es ja natürlich, dass man sich dafür interessiert und versucht dort das eine oder andere voranzutreiben.« [Interview 8/2011]

Es handelt sich hier also um eine Forschungskooperation, die zunächst über eine Antragstellung – konkret die Einwerbung der Stiftungsprofessur nach Erlangen – zustande gekommen ist. Das, was den Lehrstuhl von Herrn Peukert und die Sektion von Herrn Alexiou zusammenführt, sind die Partikel. ›Nano‹, so kann man hier sagen, spielt also eine zentrale Rolle für das Zustandekommen dieser Verbindung: Herr Alexiou benötigt Nanopartikel für die Entwicklung seiner Thera-

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pie, der Lehrstuhl von Herrn Peukert besitzt die Expertise zur Partikelherstellung. In dieser Hinsicht profitiert die Arbeitsgruppe durch diese Kooperation, was die Herstellung von Nanopartikeln anbelangt. Der Lehrstuhl von Herrn Peukert profitiert aber auch von der Kooperation, denn um Partikel für medizinische Anwendungen herzustellen, und somit den eigenen Kompetenzbereich mit dem Bereich der Medizin zu verbinden und sich da zu etablieren, ist die Expertise eines Mediziners nötig. So werden zwar zunächst unterschiedliche Interessen verfolgt, auf der einen Seite die Forschung an einer medizinischen Anwendung, auf der anderen Seite das Vorantreiben des Forschungsgebietes der Partikelentwicklung, doch können diese beiden Interessen miteinander vereint werden. Es sind also in diesem Zusammenhang die Partikel für den magnetischen Wirkstofftransport, die einen gemeinsamen Bezugspunkt bzw. Passagepunkt (›obligatory point of passage‹) darstellen, der die Partner im Hinblick auf ein gemeinsames Ziel verbindet. Über die Kooperation mit der Experimentellen Radiologie berichtet Prof. Hilger: »Ach ja, die Kooperation ist zustande gekommen – also mit Herrn Alexiou haben wir uns mal getroffen auf einem Kongress, in Rostock war das. Das war im Mai, das war da in Warnemünde. Das war ein ganz toller, ganz tolle Location. Und da hat er mal nen Vortrag gehalten und da haben wir uns unterhalten. Wir kennen uns eigentlich schon ganz lange. Dann waren wir beide Mitglied in einem Schwerpunktprogramm von der DFG, da gings also auch um Ferrofluide, also um diese Eisenoxide. Und ja, dann ist dieses Schwerpunktprogramm ausgelaufen und dann haben wir gedacht, ach Mensch, er macht ne Therapiemodalität, er ist Mediziner, er ist biologisch-medizinisch orientiert, wir auch – wir können ja zusammen einen Antrag stellen. Dann haben wir noch zwei weitere Partner – also zwei weitere Partner sind dazu gekommen, von der Herstellung – oder drei eigentlich – Herstellung, Bildgebung, ja Magnetofluidik, also rheologische Aspekte sind da auch noch mit reingekommen. Also es sind noch weitere Partner hinzugekommen, so dass wir also praktisch eine, ja, ein interdisziplinäres Konsortium haben. Also eigentlich ist das aus einem Kongress gewachsen, aus einer Bekanntschaft, aus, eh, ja, Kontakte, Austausch, so dass man dann gesagt hat, ach Mensch, das würde doch gut passen, wenn wir miteinander einen Antrag stellen.« [11/2011]

Auch dieser Kooperation liegt ein gemeinsames Forschungsinteresse zugrunde. Auch hier sind es die Nanopartikel, die Frau Hilger jedoch mit der Bezeichnung Ferrofluide bzw. Eisenoxide beschreibt. Somit findet auch diese Kooperation auf der Objektebene im Nanometerbereich statt. In diesem Fall der Kooperation kommt jedoch noch eine weitere, eine persönliche Komponente ins Spiel. Frau

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Hilger gibt auch an, dass man sich schon lange kennt, bereits (gut) zusammen gearbeitet hat, so dass es »passen« würde, wenn man erneut zusammenarbeitet. So lassen sich wissenschaftliche Kooperationen nicht ausschließlich durch gemeinsame wissenschaftliche Interessen und Forschungsziele definieren, mitunter können auch zufällige, bei einem Kongress gemachte Bekanntschaften und somit persönliche Beziehungen das Eingehen von Kooperationen mitbestimmen. Auf den Aspekt, dass Persönlichkeitsmerkmale für den Erfolg von Forschung eine Rolle spielen, möchte ich später bei der Charakterisierung der Forschergruppe noch einmal zurückkommen. Zunächst möchte ich aber noch auf die Kooperation mit dem Partner aus der Industrie eingehen und danach fragen, wie dieser erfolgreich in die Forschungsarbeit integriert werden konnte. Dabei habe ich in meiner Frage im Interview auch noch einmal explizit auf ›Nano‹ Bezug genommen und gefragt, inwieweit die Nanomedizin wichtig für die eigene Arbeit ist: »Nanomedizin für meine Arbeit wichtig? Ehrlich gesagt, ähm, entscheide ich die Wichtigkeit von bestimmten Begriffen oder Projekten oder Fachgebieten daran, inwieweit ich mir vorstellen kann, dass sie zusammen mit unserer Ausrichtung unseres Geschäftsgebietes oder generell mit unseren bildgebenden Modalitäten, die es bei [anonymisiert: Name der Firma] gibt, irgend eine Relevanz gibt oder irgendwo eine Vision geben kann, dass dort ein neues Produkt, eine neue Methode, ein neuer Workflow raus kommt, der letztlich irgendwo die Gesundheitsversorgung verbessert. Und so unterscheidet sich eigentlich Nanomedizin jetzt nicht prinzipiell davon, dass ich sag, wir haben einen neuen multimodalen Ansatz, um irgendetwas zu therapieren. Es ist eigentlich, im ersten Moment, ist es gleichwertig. Nano ist ein positiv belegter Begriff, das ist auch bei mir so, aber ich werd da relativ schnell, sagen wir mal, realistisch und versuche dann rauszufinden, ist diese positive Grundhaltung, dem Nano gegenüber, für unser Geschäft und für das, was wir uns in der Innovation vornehmen, in unserem Geschäftsgebiet, in irgend einer Weise relevant. Die Verbindung von Nano mit der Onkologie wird schon spannender, wenn man das beides jetzt verbindet, in der Onkologie, das ist für uns tatsächlich ein Feld, in dem wir weitere Möglichkeiten sehen. Wie gesagt, die Angebote für Diagnostik und Therapie weiter zu verbessern und wenn man dann noch dazu kommt, dass man sagt, wir haben hier eine Möglichkeit, Substanzen konstant an einem Fleck im Körper zu halten, was aufgrund des Blutstromes, des natürlichen Blutstromes, sonst nicht möglich ist, dann ist das einfach irgendwie ne neue Qualität, dann fängt man an zu denken und sagt, ok, das scheint irgendwo ne Möglichkeit für uns drin zu sein, um hier wirklich was Neues zu kreieren. Also insofern kann man sagen, Nano letztlich schon, aber nur weil das Umfeld auch passt. Ansonsten ist mir Nano relativ egal aus geschäftlichen – aus geschäftlicher Sicht.« [10/2011]

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Das Interesse an dieser Kooperation wird also ganz klar benannt. Es geht um die Entwicklung einer Methode und eines klinischen Behandlungsablaufs (Workflow), der sich in ein neues Produkt übersetzen lässt. ›Nano‹ kommt in diesem Fall so ins Spiel, dass durch die Verknüpfung mit ›Nano‹ die Entwicklung einer neuen onkologischen Therapieform ermöglicht wird. Es ist also die neue Problemdefinition von Krebserkrankungen, die durch ›Nano‹ möglicht ist, die das Forschungsinteresse der Arbeitsgruppe mit dem Interesse des Industriepartners verbindet. Wendet man an diesem Fall die Unterscheidung der beiden Kräfte des ›Begehrens‹ und des ›Überzeugens‹ an, so lässt sich dieses ›Interesse‹ noch weiter differenzieren, denn zum einen erklärt der Kooperationspartner: »Also der Innovationsgrad, sagen wir mal in dieser frühen Phase, ist extrem hoch, für uns, für unser Geschäft. Typischerweise haben wir Innovationsprojekte, da ist die Sicherheit, dass wir nachher auch einen Erfolg erzielen, etwas höher. Hier sind wir tatsächlich ein bisschen disruptiv unterwegs.« [Interview 10/2011]

Anderseits gibt er an: »Das ganze Team, was Professor Alexiou hier hat, das kostet ne ganze Menge Geld. Das ist mir auch bewusst. Ich kenn auch den Antrag [lacht]. Und das wäre in dem Rahmen von unserer Firma aus, in meiner Abteilung, wäre das eigentlich – wär das nicht zu finanzieren gewesen. So, und jetzt hat uns das Spitzencluster halt diesen Rahmen geboten und dadurch sind wir dann auch zu der Entscheidung gekommen, da einzusteigen. Also das hier etwas höhere Risiko in Kauf zu nehmen und das dann tatsächlich so zu machen.« [Interview 10/2011]

Es lassen sich hier also Beweggründe finden, die nicht rein rational sind. Es ist nicht ausschließlich ein Kalkül ökonomischen Nutzens, dass dazu geführt hat, in das Projekt einzusteigen, Das stellt doch einen recht bemerkenswerten Befund dar. Es gibt aber auch rationale Gründe, die überzeugt haben und die sich darin äußern, dass man sich in einem Forschungsverband engagieren kann, bei dem ein Anteil finanzieller Ressourcen zur Verfügung gestellt wird, so dass man Profitieren kann, ohne allein die finanziellen Kosten dafür tragen zu müssen. Es wird also deutlich, dass Kooperationen durch vielfältige Kräfte des Überzeugens und Begehrens zustande kommen. Wichtig ist, dass ein gemeinsamer Bezugpunkt kreiert wird, der aus zunächst unabhängigen Interessen ein gemeinsames Ziel definiert, welches man dann nur in der Zusammenarbeit verwirklichen kann. Kooperationen drücken sich durch eine wechselseitige Beziehung aus.

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Wie lassen sich nun Kooperationen im Zusammenhang wissenschaftlicher Arbeit deuten? In der Wissenschaftsforschung wird üblicherweise zwischen wissenschaftlichem Inhalt (›research content‹) und organisationalen bzw. institutionellem Kontext von Wissenschaft unterschieden (z.B. Gläser 2012). Beide werden auch unterschiedlich untersucht. Während der wissenschaftliche Inhalt, also die Prozesse der Wissensproduktion, unter epistemologischen Gesichtspunkten betrachtet werden, was mit einem Bezug zu ›wissenschaftlicher Faktoren‹, wie Methoden, Theorie und Regeln einhergeht, werden Fragen nach den Kontextbedingungen im Rahmen von science policy studies beforscht, die sich mit Prinzipien der Politik, des Rechts oder der Ökonomie, oder auch institutionellen Aspekten auseinandersetzen. Diese Trennung, so zeigt sich, stellt eine künstliche Trennung dar. Zwar gibt es Tätigkeiten im Labor und Tätigkeiten, die über die Mauern des Labors hinausführen, doch lässt sich diese Differenzierung nicht in eine Unterscheidung von wissenschaftsinternen und wissenschaftsexternen Faktoren überführen. Die Art und Weise, wie sich Wissenschaft einen Stand verschafft und sich durchsetzt, wird erst in der Verbindung dieser Faktoren verständlich (Latour 2000a). Sie stehen, wie eben gesagt, in einer immanenten Wechselbeziehung. So ist die Forschung im Labor auf Kooperationen angewiesen, da sie sonst nicht alle für die Forschung notwendigen Komponenten umsetzen kann. Gleichzeitig müssen jedoch auch Erkenntnisse produziert werden, die beide Kooperationspartner voranbringen, so dass beide profitieren und die Kooperation aufrecht erhalten wird und fortbesteht. Es zeigt sich auch, dass diese Verbindungen nicht per se bestehen, sondern sie müssen aktiv durch die Akteure hergestellt werden. Forschungskooperationen sind meist verknüpft mit einer entsprechenden Finanzierung, die gemeinsame Projekte ermöglicht. Auf den Aspekt der Forschungsfinanzierung möchte ich nun eingehen. Forschungsfinanzierung Die Arbeitsgruppe in Erlangen wird in erster Linie durch die Else-KrönerFresenius-Stiftung in der Form einer Stiftungsprofessur finanziert. Die ElseKröner-Fresenius-Stiftung widmet sich der Förderung medizinischer Forschung, wobei insbesondere die Förderung wissenschaftlichen Nachwuchses im Mittelpunkt von Förderinitiativen steht. Dies wurde testamentarisch durch die Stiftungsgründerin, Else Kröner, so festgeschrieben. Als Hauptkriterien für eine Förderung durch die Stiftung nennt Frau PD Dr. med. Susanne Schultz-Hector im Interview ganz allgemein: »wissenschaftliche Qualität, Originalität und Relevanz der Projekte« [Interview 13/2011]

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Wie bereits im Kapitel zum Innovationsbegriff angesprochen, ist die ElseKröner-Fresenius-Stiftung eine gemeinnützige Stiftung, die sich einer bestimmten Stiftungsphilosophie verschrieben hat und entsprechende Stiftungszwecke und Förderrichtlinien verfolgt. In dieser Hinsicht sieht sich die Arbeitsgruppe von Herrn Alexiou durch die Förderung durch die Else-Kröner-FreseniusStiftung zunächst einmal nicht mit den Erwartungen – evt. auch Erwartungsdruck – wissenschaftspolitischer Akteure konfrontiert, die, zumindest in der öffentlichen Darstellung, schon recht konkret von Anwendungen und von Produkten mit entsprechenden Marktpotentialen in bereits definierten Zeithorizonten sprechen (vgl. z.B. BMBF 2006: 11). Ich frage aber im Interview auch noch einmal konkret nach der Bedeutung solcher Erwartungen für die Förderung durch die Stiftung: »Also wir möchten gerne, dass die Projekte eine, einen potentiellen Anwendungshorizont haben, aber, auch nur die Frage, ob das gelingt oder nicht, muss ja eine offene sein, denn sonst bräuchte ich das Experiment ja nicht machen. Das ist einfach das Wesen von Wissenschaft, das es Neuland betritt und dabei, auch wenn alle Beteiligten alles richtig machen, man manchmal nicht weiter kommt und manchmal ein Punkt kommt, wo man sagt, ok, jetzt haben wir das ausprobiert und jetzt wissen wir, dass es so nicht geht [lacht] […]« [Interview 13/2012]

Das Verständnis von wissenschaftlicher Erkenntnisproduktion, Technologieentwicklung und Technologiediffusion hatte ich im Hinblick auf wissenschaftspolitische Akteure bereits als ein deterministisches gekennzeichnet: neue Erkenntnisse führen unweigerlich zu neuen Technologien. Dass nun aber die Wissenschaft in der Herstellung ihrer Erkenntnisse nicht dem Prinzip von Linearität und Kausalität gehorcht, darauf macht Frau Schultz-Hector im Interview aufmerksam. Auch meine Untersuchung nanomedizinischer Forschung im vorangegangenen Teil des Kapitels hat empirisch gezeigt, dass Forschung mit Kontingenzen, Fragilitäten und auch Rückschlägen konfrontiert ist. Trotz alledem, das Thema Nanomedizin wurde nun durch die Gremien der Stiftung als ein vielversprechendes, neues Forschungsfeld identifiziert, das man fördern möchte. Entsprechend wurde für dieses Themenfeld eine Stiftungsprofessur wettbewerblich unter medizinischen Fakultäten ausgeschrieben. In dieser Hinsicht musste also ein entsprechender Bewerbungsantrag keine Überzeugungsarbeit für die Nanomedizin an sich leisten und die Relevanz und Förderungswürdigkeit von Nanomedizin herausstellen. Was eine Bewerbung jedoch leisten musste war, sich gegen andere Bewerbungen durchzusetzen. Bevor man also darlegt, welche Forschung man betreiben möchte, und wie man plant, diese

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umzusetzen, muss man zunächst den Bedarf, genau diese Art von Forschung zu betreiben, begründen. Man muss also ein starkes Argument für die eigene Forschung entwickeln. Wenn man sich in diesem Zusammenhang nun Publikationen der Arbeitsgruppe betrachtet, oder auch Vorträge von Herrn Alexiou verfolgt, so beginnen diese stets mit Ausführungen, die die Bedeutung und Relevanz der Forschung verdeutlichen. Als Beispiel möchte ich kurz aus einem Artikel zitieren: »Krebs ist nach wie vor eine der Haupttodesursachen weltweit. Global betrachtet, wurden im Jahre 2007 7,9 Mio. krebsbedingte Todesfälle (13% aller Todesfälle) registriert, und es wird prognostiziert, dass diese Zahl weiter steigen und im Jahre 2030 12 Mio. erreichen wird. In der Europäischen Union gibt es jährlich ca.1,6 Mio. neue Krebserkrankungen und über 1 Mio. Krebstote. In Deutschland traten 2004 436.500 Krebsneuerkrankungen auf, und 208.824 Menschen starben an Krebs. Dies bedeutet eine Steigerung der Erkrankungszahlen um 3% gegenüber 2002 und um 10% im Vergleich zum Jahr 2000. Die Tendenz geht zukünftig allen Bemühungen zum Trotz leider weiter klar in Richtung steigender Erkrankungszahlen, bedingt unter anderem durch die älter werdende Bevölkerung in Deutschland, Europa und auch weltweit.« (Alexiou 2011b: 405)

In Konkurrenzsituationen, in denen man seine Forschung gegenüber anderen durchsetzen muss, verschafft man sich eine starke Position, wenn man seine Forschung mit einem starken Bedarf verbinden kann. Was den konkreten Fall der Arbeitsgruppe in Erlangen anbelangt, so kann man sehen, dass hier statistische Daten mobilisiert werden, die die Relevanz ihrer Forschung belegen und die auf die Dringlichkeit ihrer Forschung hinweisen, und – wie man sehen kann – entwickeln sie daraus ein starkes Argument: Es geht um Fragen nach Leben und Tod. Der nächste Schritt besteht darin darzulegen, was man zur Lösung des Problemzusammenhangs, den man konstruiert hat, beitragen möchte und wie man dies umsetzen will. Auch hier muss man wieder überzeugen. Den Unterschied, des Erlanger Antrages, zu anderen Bewerbungen, der zu einer Förderung des Forschungsvorhabens von Herrn Alexiou geführt hat, fasst Frau Schultz-Hector mit den Worten zusammen, dass dieser Antrag am »konkretesten« und am »klarsten« war und führt weiter aus zusammen: »Es war nicht eine vage Absichtserklärung, sondern es is, es war wirklich ein ganz, ganz klares, ähm, Konzept, was, was auch mit den Partnern sehr weit durchgedacht war, und auch etwas gemacht hat, was der Stiftung sehr gut gefallen hat, das es gesagt hat, ja, des is ein riesen Gebiet und vom Anfang bis zum Ende gibt es noch ganz viele schwarze Löcher und Dinge, wo noch ganz viel grundlegende Arbeit fehlt, wir nehmen aber jetzt mal das,

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was jetzt da ist, und stricken daraus ein prä-klinisches Tierexperiment und gucken einfach mal, an einem Beispiel, ob so was überhaupt durchführbar ist. Und das hat uns sehr, sehr gut gefallen. Und, ähm, das waren eigentlich die Hauptkriterien und ja, zurückkommend auf das, was ich vorher gesagt hab, zu der Nachwuchsförderung, es war hier, ähm, wirklich sehr überzeugend, dass die gesamte Fakultät und diese breite Anzahl an Kooperationspartnern sehr, sehr stark dahinter stand, und des is, glaub ich, wirklich grad in so ner Situation, das jemand einerseits Oberarzt in einer Klinik, anderseits, selbstständiger, und viel Zeit für seine Forschung hat und der nicht für die Klinik da sein kann, ähm, da ist das unglaublich wichtig, dass des, dass die anderen das mittragen und, und mit fördern und nicht einer sagt, woh, warum is der nie in der Klinik, der is gar nicht fleißig, oder was [lacht] […].« [Interview 13/2012]

Aus der Aussage von Frau Schultz-Hector wird ersichtlich, dass der Antrag der Arbeitsgruppe in Bezug auf Ideen, Konzepte, Methoden und Versuchsanordnungen überzeugen konnte, dass aber für die Förderung gleichzeitig auch institutionelle und organisationale Aspekte, wie Forschungskooperationen und – im Fall der Arbeitsgruppe um Herrn Alexiou als praktizierender Arzt an einer Uniklinik besonders wichtig – auch eine gute Abstimmung und Koordination mit der medizinischen Fakultät und der Klinik ausschlaggebend waren. Und auch hier zeigt sich, dass beide Aspekte gleichzeitig wichtig sind, dass sie also nicht im Hinblick unterschiedlicher Ebenen voneinander getrennt werden sollten. ›Inhalt‹ und ›Kontext‹: beides ist wichtig. Das erfolgreiche Einwerben der Stiftungsprofessur hat nun nicht nur für eine finanzielle Grundsicherung für einen bestimmten Zeitraum gesorgt, sie hat auch einen symbolischen Wert. So sagt mir Rainer im Interview: »[…] und mein Chef ist dadurch dann auch Professor geworden dann auch und hat schon mal einen anderen Rahmen insgesamt dann auch, als wenn man nur jetzt nur eine Arbeitsgruppe unter Anführungszeichen eine Arbeitsgruppe ist, genau.« [Interview 2/2011]

Und er konkretisiert dies: »Also man diskutiert auf einer anderen Ebene wenn man jetzt mit Kooperationspartnern redet auch, wenn man jetzt einen eigenen Lehrstuhl hat, ja, das ist ein definitiver Unterschied, genau.« [Interview 2/2011]

Die Stiftungsprofessur bedeutet also nicht nur Geld, sondern auch Prestige, Prestige, das man, ganz im Sinne Pierre Bourdieus, als Währung einsetzen kann (Bourdieu 1983).

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Auch wenn das Einwerben der Stiftungsprofessur nach Erlangen erfolgreich war, so sind damit die Bemühungen um Finanzierung der Forschung noch nicht abgeschlossen. Zunächst einmal ist die Stiftungsprofessur nur eine Anfinanzierung für 5 Jahre, langfristig soll diese dann von der Universität weitergeführt und verstetigt werden, was dann mit internen Mitteln finanziert werden muss. Doch muss dies organisiert und auch gesichert werden. Frau Schultz-Hector berichtet, dass an vielen deutschen Universitäten eine Vielzahl von Stiftungsprofessuren eingeworben wurden, es dann jedoch zu finanziellen Schwierigkeiten in der Verstetigung dieser Stiftungsprofessuren kam. Dies ist u.a. ein Grund dafür, warum die Else-Kröner-Fresenius-Stiftung nur noch vereinzelt Stiftungsprofessuren ausschreibt. Neben der Grundfinanzierung durch die Stiftungsprofessur werden jedoch stets weitere Finanzierungsquellen benötigt. So tauchen nicht zuletzt im Forschungsprozess Fragestellungen auf, die weiter verfolgt werden müssen und wo es grundlegender Forschung bedarf. Diese Forschungsfragen werden in der Form eines Projektes operationalisiert. Dafür wird dann eine materielle, mitunter auch eine zusätzliche personelle Ausstattung benötigt. In dieser Hinsicht ist also die Sicherung finanzieller Ressourcen nie abgeschlossen. Dies ist auch mit Effekten für den Forschungsalltag verbunden, so berichtet Rainer: »Ja, also das war, als ich hier angefangen hab, war das ein anderer Arbeitsalltag als jetzt, ne, Du hast wahrscheinlich mitbekommen, dass ich eigentlich nur am Schreiben bin hier, und ich bin 2007 hierher gekommen und hab quasi den ganzen Tag experimentiert. Das war toll. Also da waren halt alle Anträge geschrieben, alle Finanzierungen waren gestanden und mein Kollege ist dann gegangen, also es war nichts zu tun, was jetzt so Antragssituation anging. Und es gab eine definierte Problemstellung, nämlich biokompatible Partikel, die den therapeutischen Nutzen haben im Tiermodell und da haben manche Sachen funktioniert, vorher schon, z.B. die Fällung, also die Herstellung der Rohpartikel, das war soweit eigentlich ausgereift, allerdings die Beschichtung hinterher, das hat zu dem gegenwärtigen Zeitpunkt damals nicht funktioniert, also die waren weder stabil, noch so verträglich für die Tiere, wie sie es heute oft sind, also auch nicht immer, und da gab es einen erheblichen Forschungsbedarf, einfach. Da hat man ganz verschiedene Synthesen eben ausprobiert und das war ein also richtiges Spielfeld auch für uns, wo wir uns dann austoben konnten. Dazu die Analytik dann auch, also es nützt ja nix, wenn man jetzt nur den Wirkstoff jetzt drauf bringt, aber man weiß jetzt gar nicht, wieviel man draufgebracht hat hinterher, und auch später, wie viel im Tier jetzt angekommen ist. Und da mussten wir auch ne komplette Analytik entwerfen. Also kann man sagen, die ersten zwei Jahre waren eigentlich hauptsächlich davon geprägt, dass man ganz, ganz viel im Labor gemacht hat, viele Sachen ausprobiert hat, das dokumentiert hat und also ich würd mal sagen, fast alle Innovationen, die wir heute noch nutzen, kommen aus der Zeit, also was die Partikel jetzt

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angeht, so meinen Bereich angeht, genau. Und der Aufgabenbereich, hat sich jetzt defacto dahingehend verschoben, dass es jetzt immer größere Phasen gibt, wo Anträge geschrieben werden, oder sonstigen wissenschaftliche Texte verfasst werden müssen und der praktische Teil ist eigentlich immer mehr zurückgedrängt wurden, seitdem. Ja, das muss man so, kann man so sagen, genau.« [Interview 2/2011]

Dass es des Schreibens von Anträgen bedarf, um die Forschung zu ermöglichen, ist nun eher eine banale Einsicht, auch dass der Forscher stets zwei Dinge bewerkstelligen muss: Auf der einen Seite gute wissenschaftliche Arbeit abliefern, auf der anderen Seite die Finanzierung der Forschung sichern. Es sind also Tätigkeiten, die sich gegenseitig bedingen, aber, was den Forschungsalltag betrifft, auch gegenseitig ausschließen. Diese Situation, so habe ich erfahren, ist für Forscher nicht immer zufrieden stellend. Rainer hat bspw. die Arbeit im Labor vermisst, da er persönlich große Freude am Experimentieren und der Entwicklung der Partikelsynthese hatte. Er machte weiterhin auf ein Problem aufmerksam, dass sich im Zuge einer Arbeitsteilung entwickele, bei der sich der Fokus zu sehr auf die Tätigkeit des Antragsstellens verschiebe: Man verliere nämlich mit der Zeit sein experimentelles Wissen und seine experimentellen Fähig- und Fertigkeiten. Er äußerte im Interview das Gefühl, auf dem Niveau seiner Promotion verblieben zu sein, was das Experimentieren anbelange.102 Betrachtet man nun die Erlanger Arbeitsgruppe im diesem Zusammenhang der Forschungsfinanzierung, so lässt sich schließlich feststellen, dass sie hier sehr erfolgreich ist. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass die Anzahl der Mitarbeiter im Laufe der Zeit im Vergleich zu der Zeit meiner Forschungsaufenthalte deutlich gestiegen ist. Umfasste die Arbeitsgruppe zu dieser Zeit 7 WissenschaftlerInnen, so hat sich die Zahl der Mitarbeiter verdoppelt. Auf die MitarbeiterInnen und die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe möchte ich nun im Folgenden im Sinne weiterer Kennzeichen nanomedizini-

102 Es war ihm aber wichtig, sich nicht nur über diese Situation in der Forschung zu beklagen – im Gegensatz zu anderen Mitarbeitern der Arbeitsgruppe, die sich durchaus eine idealere Forschungssituation vorstellen konnten, die weniger projektorientiert und somit auch längerfristig gesichert sei, aber keinen Sinn darin sahen, darüber zu lamentieren. Als konstruktiven Beitrag zur Verbesserung der Situation zur Forschungsfinanzierung machte Rainer den Vorschlag, die Praxis der Einwerbung von Forschungsgelder so zu gestalten, dass diese nicht individuell von jeder Arbeitsgruppe selbst geleistet werden muss, sondern auf einer ›allgemeineren‹ Ebene, wie der Ebene des Fachbereichs. Von hier aus könne dann das Geld an die Arbeitsgruppen verteilt werden.

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scher Forschung in Erlangen zu sprechen kommen. Ich möchte dies im Zusammenhang mit dem Aspekt der ›Interdisziplinarität‹ tun. 6.3.4 Interdisziplinäres Arbeiten Betrachtet man den Aspekt der ›Interdisziplinarität‹ so fällt auf, dass man kaum eine offizielle Veröffentlichung findet, die nicht auf den interdisziplinären Charakter von Nanoforschung verweist (z.B. BMBF 2009; VDI 2004; Roco/ Bainbridge 2001). Ich hatte eingangs, bei der Charakterisierung von ›Nano‹ gesagt, dass diese als eine ›Querschnittstechnologie‹ beschrieben und gekennzeichnet wird. ›Nano‹ beinhaltet und umfasst als solche Begrifflichkeiten, Prinzipien und Methoden unterschiedlicher, traditionell getrennter Fächer und Disziplinen, wie bspw. der Physik, der Chemie, oder der Biologie (Paschen u.a. 2003: 45). Mein Interviewpartner Prof. Peukert, vom Lehrstuhl für Feststoff- und Grenzflächenverfahrenstechnik in Erlangen, bringt dies wie folgt auf den Punkt: »Biology, chemistry and physics meet at the nanoscale«. [Interview 8/2011]

Insofern könnte man danach fragen, ob ›Interdisziplinarität‹ ein Kennzeichen von ›Nano‹ ist. Ähnlich wie beim Innovationsbegriff finden sich jedoch auch an dieser Stelle wiederum Kommentare aus der Wissenschaftsforschung, die hinter der Proklamation von Interdisziplinarität lediglich wissenschaftspolitische Interessen sehen. Den Grund eines solchen wissenschaftspolitischen Leitgedankens, der interdisziplinäre bzw. transdisziplinäre Kooperation als eine Notwendigkeit bezeichnet, bestimmt Joachim Schummer wie folgt: »Dahinter steht das Unbehagen an einer zunehmenden Spezialisierung, Ausdifferenzierung und Fragmentierung disziplinären Wissens sowie der Glaube, daß nur interdisziplinäre Forschung innovativ sein könnte.« (Schummer 2009: 80)

Hinter der Forderung und Förderung einer interdisziplinär ausgerichteten Forschungskultur stehe, so Schummer, abermals der Wunsch nach neuen technologischen Entwicklungen. Ihre Relevanz liege in disziplinübergreifenden Anwendungsproblemen begründet. Dass nun in der Tat viele unterschiedliche Disziplinen an staatlichen Förderprogrammen zu ›Nano‹ partizipieren verweist nach Schummer weniger auf die Interdisziplinarität von ›Nano‹. Sie deute vielmehr darauf hin, dass ›Nano‹ ein »multidisziplinäres Konglomerat« (ebd.: 88, Herv.i.O.) darstelle: »[…] bei dem jede klassische Disziplin ihre eigene Nano-

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technologie kultiviert ohne nennenswerte interdisziplinäre Zusammenarbeit.« (Ebd.) Vor dem Hintergrund dieser Einschätzung mag man es nun als Besonderheit der Erlanger Arbeitsgruppe betrachten, dass diese tatsächlich interdisziplinär besetzt ist und diese Interdisziplinarität nicht allein im Sinne von Forschungskooperationen unterschiedlicher Disziplinen zustande kommt, sondern, dass Interdisziplinarität in einer Arbeitsgruppe anzutreffen ist, indem sie Mediziner, Biologen und Chemiker einschließt.103 Die Arbeitsgruppe möchte ich nun kurz anhand ihrer Mitarbeiter vorstellen, um im Anschluss die Aufgaben und das Zusammenspiel der vertretenden Disziplinen zu kennzeichnen. Zur Arbeitsgruppe gehörten zur Zeit meiner Forschungsaufenthalte im Jahr 2011 Dr. Stephan Dürr. Wie der Projektleiter und Stiftungsprofessor, Herr Alexiou, ist auch Stephan als Facharzt im Universitätsklinikum Erlangen tätig. Wie er zur Forschergruppe gekommen ist, erklärt er im Interview so: »Und wie bin ich hierher gekommen – ich war in der Klinik und hab irgendwann mal mit dem Herrn Alexiou über das Projekt gesprochen und eigentlich gesagt, weiß ich gar nicht mehr genau, wie wir drauf gekommen sind und dann hab ich einen Antrag gestellt, dass ich da mitmachen kann und hab das gemacht.« [Interview 1/2011].

Innerhalb der Arbeitsgruppe ist er mit einem Projekt betraut, bei dem es in Zellkultur-Versuchen um Fragen der Toxikologie geht. Er ist in dieser Hinsicht also mit biologischen Komponenten des zielgerichteten Wirkstofftransports beschäftigt. Finanziert wird dies durch personenbezogene Anträge, die ihn von der Arbeit in der Klinik freistellen, denn, so sagt er im Interview, was den Zeitaufwand seiner Forschung betrifft: »Das ist eine Sache, die lässt sich nicht miteinander vereinbaren, Grundlagenforschung und Klinik. Das ist unmöglich, wenn man es einigermaßen selber machen will.« [Interview 1/2011]

Zur Zeit meiner Forschungsaufenthalte hat Stephan also seine praktische Tätigkeit als Arzt ruhen lassen, um sich ganz der Forschungstätigkeit zu widmen. Stephan nannte den in der Klinik übliche Schichtdienst als einen Grund dafür, dass sich Forschung und Klinik nur schwer vereinbaren ließen.

103 In meinen Interviews wurde interdisziplinäres Arbeiten weniger als Besonderheit, sondern vielfach als wissenschaftlicher Alltag und Selbstverständlichkeit beschrieben.

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Die Leitung und Organisation des biologischen Bereichs der Sektion oblag Stefan Lyer. Stefan hat in Erlangen Biologie studiert, wobei er auf den Bereich der Mikrobiologie spezialisiert war. Nach dem Studium hat er am Heidelberger DKFZ (Deutsches Krebsforschungszentrum) gearbeitet, in einer Arbeitsgruppe, die in erster Linie Genomforschung betrieben hat. In diesem Themenbereich hat er auch promoviert. Berufliche und private Gründe haben ihn dann zurück nach Erlangen geführt. Von der Stelle in der damals noch Drittmittel-finanzierten Arbeitsgruppe von Herrn Alexiou hat er von einer öffentlichen Ausschreibung Kenntnis genommen. Seine Motivation, sich zu bewerben und dann die Stelle auch anzutreten, beschreibt er so: »Aber ich fand’s dann spannend und hab der ganzen Aktion mal so ein halbes Jahr/Jahr gegeben und hab gesagt, jetzt guckst du mal, wohin das läuft und dann hab ich für mich entschieden, das läuft in die richtige Richtung und, ja, also, dieses Risiko, dass tatsächlich für den Biologen in dieser Arbeitsgruppe besteht, im Sande zu verlaufen, eingegangen und bin immer noch überzeugt, dass das kein Fehler war. D.h. also ich mein, was ich jetzt hier mach, damit kann ich mich jetzt nicht nirgends wo weiter bewerben auf dem Gebiet, also wieder in die Genetik zurück, wenn du mal so ein paar Jahre nicht mehr drin warst, dann sagen alle, hm, da hat er’s da nicht geschafft, was wollen wir dann hier mit ihm, so ungefähr. Also das ist schon ne Entscheidung gewesen, die ich bewusst getroffen habe, also hätt ich auch nicht getroffen, wenn ich nicht der Meinung gewesen wäre, dass tatsächlich ne realistische Chance besteht, dass wir das in die Klinik bringen, weil sonst stehe ich Mitte 50, oder Anfang 50 da, oder Mitte 40 und es ist Essig, da komm ich dann nicht mehr weit.« [Interview 3/2011]

Für Stefan war also der Wechsel vom Bereich der Genetik zur Nanomedizin ein berufliches und karrieretechnisches Risiko, da er sich im Bereich der Genetik schon profilieren konnte. Auch sein persönlicher Werdegang ist vom Erfolg der Forschung und der Zukunft der Nanomedizin in Erlangen abhängig. Was den biologischen Arbeitsbereich der Arbeitsgruppe betrifft, wird Stefan von der biologisch-technischen Assistentin Jenny Mann unterstützt. Jenny hat vorher in einer anderen Arbeitsgruppe gearbeitet, in der sie v.a. auf den Bereich der Histologie spezialisiert war. Wie ich bei der Darstellung histologischer Schnitte bereits gesagt habe, hat sich das Arbeitsspektrum von Jenny in der Arbeitsgruppe um Herrn Alexiou um viele Komponenten erweitert, die mitunter über den Bereich der Biologie hinausreichen. Zur biologischen Abteilung kann man auch Gabriele Nepf zählen. Ich hatte Gabi bereits als Tierärztin vorgestellt. Gabi verband mit der Arbeit in der Arbeitsgruppe persönliche Ziele beruflicher Qualifizierung. Dazu wollte sie in der Sektion promovieren.

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Für chemische Aspekte des zielgerichteten Wirkstofftransports ist zur Zeit meiner Forschung Rainer Tietze federführend verantwortlich. Rainer hat Lebensmittelchemie in Frankfurt am Main studiert. Er wollte sich jedoch mit der beruflichen Zukunft als staatlich geprüfter Lebensmittelchemiker, wo man in erster Linie in Prüflaboren und in Bereichen von Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement tätig ist, nicht begnügen. Auch er strebte eine Weiterqualifizierung und eine Promotion an. In diesem Zusammenhang hat er sich bereits dem Feld der Medizin zugewandt und im Bereich der Nuklearmedizin gearbeitet und promoviert. Die Stelle, die er in der Arbeitsgruppe innehat, wurde frei, da der Mitarbeiter, der diese Stelle besetzte, aus der Arbeitsgruppe ausschied. Dieser sah seine Zukunft nicht länger in befristeten Stellen in drittmittelgeförderten Projekten und strebte eine langfristigere Anstellung in der Pharmaindustrie an. Zu Beginn Rainers Tätigkeit in der Arbeitsgruppe war er maßgeblich mit der Entwicklung der Partikel betraut, eine Arbeit, die er von seinem Vorgänger fortführte. Wie ich jedoch schon erwähnt habe, fokussierte sich seine Tätigkeit für die Zeit meiner Forschungsaufenthalte insbesondere auf das Verfassen von Paper und das Schreiben von Anträgen. Für die praktische Arbeit im Labor war dann in erster Linie die chemisch-technische Assistentin Eveline Schreiber zuständig. Vor ihrer Tätigkeit in der Arbeitsgruppe hat Eveline in anderen Laboren in Forschung und Industrie gearbeitet. Herr Alexiou ist Hals-Nasen-Ohrenarzt und Oberarzt in der HNO-Klinik des Universitätsklinikums in Erlangen. Vor der Zeit in Erlangen war er in München, im Klinikum rechst der Isar, beschäftigt. Bereits hier hatte er mit der Arbeit an dem Projekt des zielgerichteten Wirkstoffstransports mittels Nanopartikel begonnen. Er hat sich in diesem Zusammenhang auch habilitiert. In Erlangen hat er dann mit dem Aufbau der Arbeitsgruppe begonnen. Den Grund für deren interdisziplinäre Besetzung erläutert Herr Alexiou im Interview wie folgt: »Also, als ich angefangen hab, das was ja vor fünfzehn Jahren im Klinikum rechts der Isar in München, war es ja so, das war ja erst einmal proof of principle erarbeiten. Wenn sie als ›One-man-show‹ arbeiten, dann ist es neben der Klinik, ist es einfach eine zeitliche Limitation, das ist so, sie können nur begrenzt Versuche machen, weil sie ja auch nur begrenzt physisch und psychische Leistungskapazitäten haben. Mit der Zeit, und da bin ich eben sehr froh, dass das in Erlangen war und vor allem durch die Stiftungsprofessur ist es so, dass wir uns jetzt auf breitere Füße stellen konnten, um das wirklich das systematisch auch in den einzelnen Komponenten abzuarbeiten, um entsprechend auf den einzelnen Ebenen auch Gesprächspartner unsererseits zu präsentieren, die mit entsprechenden Gegenüber auf gleicher Augenhöhe argumentieren können. Sie tun sich in der Medizin immer sehr schwer, wenn sie jetzt mit ausschließlich Chemikern oder ausschließlich Physi-

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ker oder ausschließlich Ingenieuren sprechen oder Chemiker, weil denen die Sachkompetenz einfach fehlt, das ist einfach so, und es ist auch nicht anzustreben, diese Sachkompetenz zu 100 Prozent sich anzueignen, das geht gar nicht, sondern man muss versuchen, diese Expertise in einer, meines Erachtens, in einer Forschungsgruppe zu bündeln, um diese dann intern zu nutzen, um selber a) zu lernen und b) natürlich dann auch das Projekt weiter voranzutreiben.« [Interview 5/2011]

Die interdisziplinäre Zusammensetzung resultiert also, so Herr Alexiou, aus den einzelnen Komponenten, die für das Projekt von Bedeutung sind. Sie ergibt sich also durch das Forschungsvorhaben selbst. Es ist im Verfahren des zielgerichteten Wirkstofftransports und somit gleichsam in den Objekten, die man erforscht und mit denen man umzugehen hat, begründet. Diese Forschungsobjekte liegen quer zu den traditionell getrennten Disziplinen. Betrachtet man in dieser Hinsicht nanomedizinische Forschung in Erlangen, so kann man sagen, dass diese eine interdisziplinäre Forschung darstellt, die sich nicht länger in der Differenz von Disziplinen denken lässt. Sie realisiert sich vielmehr in der Überschreitung von Disziplinen-Grenzen. Nanomedizinische Forschung realisiert sich in der Bezugnahme verschiedener Disziplinen auf die jeweiligen Forschungsobjekte und lässt sich in dieser Hinsicht durch eine Inklusivität von Disziplinen kennzeichnen.104 Von dieser Inklusivität der Disziplinen profitiert die Arbeitsgruppe nach innen, indem man voneinander lernen kann und die Arbeit durch das interne Zusammenarbeiten voran bringt. Sie stärkt die Arbeitsgruppe aber auch nach außen. Indem sie verschiedene Kompetenzen in der Gruppe bündelt, verschafft sie sich einen strategischen Vorteil, was nicht zuletzt auch in der Kommunikation nach außen nach Bedeutung ist. Die Arbeitsgruppe lässt sich jedoch nicht nur in Bezug auf die involvierten Disziplinen der einzelnen Mitarbeiter charakterisieren, sondern auch anhand ihrer Persönlichkeiten und ihrer internen Organisation, denn auch von solchen Faktoren, die bspw. darauf verweisen, wie gut man zusammenarbeiten kann, hängt erfolgreiche Forschung ab. Eine solche Charakterisierung möchte ich im Folgenden vornehmen. 6.3.5 Charakterisierung der Arbeitsgruppe Ziel der folgenden Darstellungen ist es, die Zusammenarbeit in der Gruppe zu charakterisieren. Dabei möchte ich weniger auf disziplinäre Zuordnungen eingehen, sondern vielmehr auf persönliche Aspekte zu sprechen kommen. Beginnen

104 Vgl. hierzu Schillmeier/Pohler 2011.

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möchte ich hier in der Vorstellung und Charakterisierung des Projektleiters, Prof. Alexiou. Er zeichnet sich verantwortlich sowohl für die Entwicklung des Projektes magnetisches drug targeting als dessen Ideengeber und dessen Erfinder. Zum anderen ist er auch Initiator und Leiter einer Forschergruppe und hat damit maßgeblichen Einfluss auf deren Zusammensetzung und deren Etablierung. In dieser Hinsicht muss er also zwei Aspekte miteinander vereinen: die intellektuelle Leistung der Entwicklung eines neuen Therapieansatzes, als auch die notwendigen Kompetenzen, diesen in Form von Forschung in die Tat umzusetzen. Dass also der Erfolg des Unternehmens »nanomedizinische Innovationen« nicht allein auf gute Forschung – im Sinne nachhaltigen Experimentierens und Veröffentlichens – zurückgeführt werden kann, sondern auch auf persönliche, individuelle Kompetenzen, darauf macht mich u.a. auch der Projektpartner Herr Dörje, Leiter der Klinikapotheke, im Interview aufmerksam. Konkret bezogen auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Arbeitsgruppe und zwischen den Praxispartnern erläutert Herr Dörje: »In dem speziellen Projekt von Herrn Prof. Alexiou et al. ist es natürlich schon in sich selbst angelegt, dass ist auch in der Person des Forschungsleiters dort spürbar auch umgesetzt und zwar hervorragend aus meiner Sicht umgesetzt, dass Herr Alexiou in der Lage ist, sehr quervernetzt, sehr – mit hoher Kommunikationskompetenz, ich sage mal zum rechten Zeitpunkt die in das Gesamtmosaik notwendig einzupassenden Gruppen und Funktionen einzupassen, d.h., er betreibt das aus meiner Sicht ganz, ganz ausgezeichnet, dass er interdisziplinär, um sein Ziel zu erreichen, das er natürlich als »PI«, als »principle investigator« führt, rechtzeitig in einem ausgeklügelten letztlich Entwicklungsplan für seine grundsätzliche Zielsetzung die notwendigen Gruppen einbindet und da sind wir jetzt, als Pharmazeuten, ein Teil davon, aber in meiner bescheidenen Kenntnis des ganzen Vorhabens, gibt es erhebliche Vernetzungen zu weiteren medizinischen Fachdisziplinen, Radiologie, Neuroradiologie, anderen Systemtechniken, Firmenkompetenzen, Firma [anonymisiert], etc. etc. All das, grade bei seinem Grundsatzforschungsansatz gar nicht anders denkbar, muss ja zusammengeführt werden, um letztlich das ganze zum Erfolg zu machen.« [Interview 6/2011]

Und er ergänzt diese Aussage: »Ja, Projektmanagementkompetenz kann man sagen, ja. Das muss ja nicht so sein, ne, wenn andere Menschen da federführend sein würden, dann würden wir hoffen, dass es genauso sein würde, aber das ist schon erheblich sicher auch mit diesen Managementkompetenzen, auch Führungskompetenzen im Sinne von »Was ist das Ziel?«, »Wann muss ich mit welcher..?« – ich brauche jetzt nicht über die Grundsätze des Projektmanagements zu

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berichten, die kennen sie auch selbst, aber »Wann muss ich mit welchen Meilensteinen, mit welchen Projektpartnern welche Ziele erreichen, um den nächsten Schritt gehen zu können?« usw. Ich denke, dass das ganz gut hier bis sehr gut betrieben wird.« [Interview 6/2011]

Betrachtet man also diese Charakterisierung des Projektleiters, so kann man sehen, dass eine persönliche Zuschreibung vorgenommen wird, was die Entwicklung des Forschungsansatzes, die Zusammenstellung und Einbindung der nötigen Ressourcen, die Organisation und die Herstellung des Zusammenhalts der einzelnen Elemente anbelangt, was letztlich auch mit dem Erfolg der Erlanger Innovationsforschung verbunden wird. Diese Zuschreibung findet dabei seinen Ausdruck in einem wirtschaftwissenschaftlichen Jargon. Dies verleitet dazu, an dieser Stelle erneut eine Verbindung zur Innovationstheorie von Schumpeter herzustellen, denn die Charakterisierung des Projektleiters erinnert stark an die von Schumpeter in seinem Buch »Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung« eingeführte Figur des »dynamischen Unternehmers« (Schumpeter 1952). Der »dynamische Unternehmer« übernimmt für Schumpeter eine wichtige Rolle im Innovationsprozess, denn er zeichnet sich nicht nur verantwortlich für die Entwicklung einer Innovation, sondern stellt auch den entscheidenden Antrieb und Motor für deren Umsetzung und Verwirklichung dar. In Anschluss an Emese Borbély lassen sich drei Leistungen des dynamischen Unternehmers benennen, die diesen als Persönlichkeit und als Pionier hervorheben: Er betritt Neuland, das er selbst gestalten muss und gestalten will. Dabei besteht mitunter der Bedarf, bislang unbeschrittene Wege zu gehen und in diesem Sinne Risiken einzugehen. Er muss vom Erfolg der Innovation überzeugt sein und dabei auch mit Rückschlägen und Misserfolgen umgehen können (Borbély 2008: 403). Die Motivation, die hinter dem dynamischen Unternehmer steht, ist für Schumpeter natürlich der Unternehmergewinn. Übersetzt in das Feld der Forschung könnte man hier auch von wissenschaftlichem Credit sprechen, der angestrebt wird.105 Im Fall der Arbeitsgruppe ist jedoch auch der finanzielle Aspekt nicht belanglos, auch wenn er keine zentrale Rolle spielt. So hatte ich bereits ausgeführt, dass man im Hinblick auf die Partikel im Zusammenhang einer wirtschaftlichen Ausgründung durchaus auch eine eigene Vermarktung anstrebt. Doch auch für Schumpeter sind es nicht allein finanzielle Interesse, auf denen sich Motivation gründet.

105 Wissen lässt sich in dieser Hinsicht wie eine Ware interpretieren, die einen Tauschwert besitzt und sich in (wissenschaftlichen) Profit umwandeln lässt. In diesem Sinne muss Wissen, wie Kapital, akkumulieren werden (Latour 1996d).

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Auch ›psychologische Motivationen‹ wie der Genuss intellektueller Freiheit und schöpferische Kreativität spielen eine Rolle (ebd.: 404). Herr Alexiou verbindet nach meinem Eindruck, aber, wie ich zeigen konnte, auch in den Augen seiner Partner und Mitarbeiter, diese Eigenschaften des »dynamischen Unternehmers« in positiver Weise, so, dass es ihm gelingt, das Projekt ›nanomedizinische Innovationen‹ voranzutreiben. Das Wort ›positiv‹ möchte ich deshalb herausstellen, weil die Fokussierung auf den Projektleiter als Initiator, Innovator und Führungsfigur leicht auch den Eindruck eines ›Übermenschens‹ erwecken könnte, der über allem steht, keine Verantwortung aus Hand geben und alles kontrollieren möchte. Herrn Alexiou war es im Gegenteil wichtig und er betonte stets, dass er den Erfolg des Zusammenarbeitens seiner Arbeitsgruppe darin sehe, dass man sich – um es in seinen Worten zu sagen – »nicht über Schulterklappen« definiere. Meine Erfahrungen als Ethnografin bestätigen diesen Anspruch, was ich kurz anhand der Darstellung einer Beobachtungssituation belegen möchte. Ich war Teilnehmerin eines Meetings, bei dem ein möglicher Kooperationspartner in die Sektion geladen war, mit dem man im Rahmen eines größeren Konsortiums eine Zusammenarbeit auf internationaler Ebene anstrebte. Zu diesem Treffen, bei dem erste Fragen zum Konsortium und zur Antragsstellung erörtert wurden, waren alle Mitglieder der Arbeitsgruppe anwesend. Nach dem Meeting und nach Verabschiedung der Gäste lud Herr Alexiou alle Mitarbeiter in die Küche ein, um sich mit ihnen über dieses Meeting und die damit zusammenhängenden Pläne auszutauschen und zu beratschlagen. Jede(r) MitarbeiterIn konnte hierzu seine Meinung äußern und eine Einschätzung abgeben. Was also Formen von Mitspracherecht und Gestaltungsmacht betrifft kann man hier zeigen, dass sich in der Arbeitsgruppe keine Hierarchien artikulieren. Auch im alltäglichen Umgang der MitarbeiterInnen konnte ich beobachten, dass Hierarchien bzw. akademischer Titel keine Bedeutung hatten. Wenn nun während der Forschung kleinere Probleme bzw. Fragen auftauchten, so beratschlagte man sich gegenseitig. Dies geschah zumeist spontan und ungezwungen. Bei diesen Beratschlagungen spielte die Unterscheidung ›technisches Personal‹, ›wissenschaftliches Personal‹ keine Rolle, wurde nicht also solche sichtbar, was bspw. die Akzeptanz von Vorschlägen oder Redezeiten anbelangte. Im Gegenteil, mitunter konnte man von den ›praktischen Tipps‹ des technischen Personals, das ja maßgeblich mit den praktischen Tätigkeiten des Experimentierens betraut waren, profitieren. In dieser Hinsicht kann man auch festhalten, dass sich wissenschaftliche Erfahrung nicht immer an akademischen Titeln festmacht, sondern v.a. auch an Praxis.

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Und eine dritte Beobachtung möchte ich anführen, die einen weiteren Aspekt der Motivation der Mitarbeiter betrifft und somit ein weiteres Element im Hinblick auf erfolgreiches Zusammenarbeiten liefert. In Zusammenhang mit der Figur des ›dynamischen Unternehmers‹ hatte ich bereits auf die Rolle des wissenschaftlichen Credits in Bezug auf die Frage nach der Motivation hingewiesen. Dieser wissenschaftliche Credit kann die Form von Veröffentlichungen annehmen, es können Einladungen zu Vorträgen sein, es kann sich hierbei jedoch auch um Auszeichnungen handeln. Schaut man auf die Homepage der Arbeitsgruppe, so zeigt sich, dass diese schon eine Reihe von Auszeichnungen aufweisen kann.106 Dazu zählen Poster-Preise, Preise für Vorträge sowie verschiedene Forschungs-, Innovations- und Medizinpreise. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass Herr Alexiou Wert darauf legte, dass dieser wissenschaftliche Credit nicht allein ihm oder den wissenschaftlichen Mitarbeitern zuteil wurde, sondern er betonte stets mit Stolz, dass auch die chemisch-technische Assistentin Eveline einen Poster-Award gewinnen konnte, ihre Arbeit also honoriert wurde. Als Ziel formulierte er, dass jeder Mitarbeiter mindestens eine wissenschaftliche Auszeichnung erhalten sollte. Dadurch, dass hier versucht wird, alle Mitarbeiter am Erfolg der Forschung teilhaben zu lassen, findet eine besondere Art der Einbindung der Mitarbeiter statt. Man kann hier nochmals auf den Begriff der ›Inklusivität‹ zurückgreifen. Durch die Einbeziehung aller Mitarbeiter, die eine bestimmte Form von Motivation darstellen und erzeugen kann, gewinnt man intern und damit gleichsam nach außen an Stärke. Wenn man also solche Faktoren wie ›Status‹, ›Hierarchie‹ oder ›Prestige‹ als Gesichtspunkte für die Charakterisierung einer Arbeitsgruppe heranzieht, so artikulieren sich diese in den von mir genannten Beispielen nicht als Aspekte, die die Arbeitsgruppe intern differenzieren.107 Man kann hier die Grenzen eines Vorgehens erkennen, das versucht, etwas durch vorgefertigte Kategorien zu beschreiben. Anstelle einer Differenzierung der Ar-

106 Vgl.: http://www.hno-klinik.uk-erlangen.de/seon-nanomedizin/auszeichnungen/ 107 Diese Beobachtungen sollen jedoch nicht zu der Generalisierung führen, dass diese Differenzierungen niemals von Bedeutung sind, sie müssen sich jedoch als solche ereignen, um sichtbar und somit zu einer Realität zu werden. Und natürlich lassen sich dann in dieser Hinsicht auch zahlreiche Praxen identifizieren, die Differenzen herstellen. Anhand der Einweihungsfeier der Sektion, ein Beispiel, das ich im Folgenden gleich noch einmal ausführlicher behandeln werde, lassen sich einige dieser Praxen aufzeigen: so ist es Herr Alexiou, der auf den Einladungen zur Feier als Gastgeber erscheint, er eröffnet die Veranstaltung und ist zentraler Ansprechpartner für die Gäste usw.. Es sind diese Praxen, die Herrn Alexiou als Projektleiter profilieren.

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beitsgruppe anhand solcher Kategorien, habe ich versucht die Praxis der Gruppengestaltung nachzuzeichnen. In dieser Darstellung und Charakterisierung der Arbeitsgruppe habe ich nun versucht weitere Argumente dafür zu sammeln, dass Forschung nicht in einer Unterscheidung von Wissenschaft und Gesellschaft, von Natürlichem und Sozialem beschrieben werden kann. Mit der Beschreibung persönlicher Aspekte und Aspekte der Zusammenarbeit habe ich mich dabei auf Gesichtspunkte konzentriert, die üblicherweise als ›soziale‹ Faktoren oder ›soziale‹ Determinanten behandelt und besprochen werden (z.B.: Bourdieu 1988). Ich möchte aber betonen, dass diese Beobachtungen für meine Frage, wie sich nanomedizinische Forschung in Erlangen etabliert und durchsetzt in gleicher Weise eine Rolle spielen, wie die Aspekte des Experimentierens, die ich im vorangegangenen Teil des Kapitels vorgestellt hatte. Diese Aspekte stehen in Zusammenhang und können nur in der Verbindung miteinander nanomedizinische Forschung in Erlangen erklären. Und an dieser Stelle möchte ich auch noch einmal auf die Möglichkeiten der Ethnografie verweisen. Erst in einer regelmäßigen und andauernden Anwesenheit in einer Forschergruppe werden Aspekte, wie ich sie hier dargestellt habe, sichtbar und erfahrbar. Ich möchte damit die Charakterisierung der Arbeitsgruppe verlassen und ein weiteres Thema aufgreifen, das in der Diskussion des Phänomens ›Nano‹ zu finden ist – das Thema ›Öffentlichkeit‹. Dieses Thema erhält seine Relevanz, wenn es um Fragen der gesellschaftlichen Implementierung von ›Nano‹ als neue Technologie geht. In diesem Zusammenhang gerät insbesondere auch das Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft in den Blick und es werden Formen von Kommunikation zwischen diesen Bereichen diskutiert. Auf solche Formen der Kommunikation möchte ich nun eingehen, wobei ich bei meinen Darstellungen wiederum das Augenmerk auf die Prozesse der Verknüpfung von Wissenschaft und Öffentlichkeit lege. 6.3.6 Öffentlichkeit Ich hatte eingangs bei der Charakterisierung des Phänomens ›Nano‹ bereits angesprochen, dass die frühe Einbindung der Öffentlichkeit als ein Charakteristikum der Nanoforschung und der Nanotechnologieentwicklung genannt wird.108 Ich hatte gesagt, dass der Anspruch, der sich damit verbindet, in dem Bemühen zu sehen ist, die Folgeproblematik nanowissenschaftlicher und nanotechnologischer Entwicklungen schon sehr früh in gesellschaftliche Debatten einzuführen –

108 Vgl. Kapitel 3.

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auch wenn, wie ich gezeigt habe, dieser Anspruch durchaus kritisch kommentiert wird. Nichtsdestotrotz lassen sich die Bemühungen um öffentliche Debatten als ein Versuch interpretieren, die Möglichkeiten von ›Nano‹ zu artikulieren und zur Diskussion zu stellen. Insofern man nanomedizinische Forschung als die Erfindung neuer Akteure und neuer Objekte versteht, die als solche auch das Leben von Menschen beeinflussen oder gar verändern können, erhält das Thema ›Öffentlichkeit‹ Bedeutung, weil man auch hier Überzeugungsarbeit leisten und den Nutzen und den Wert der Forschung plausibilisieren muss. Doch wie lässt sich diese Adressierung von Öffentlichkeit in der frühen Phase der Innovationsentwicklung bewerkstelligen, wo Forschung noch im Gange ist, man es bislang vielfach erst mit potentiellen Entwicklungen zu tun hat und die Objekte, nur in Forschungszusammenhängen zur Verfügung stehen? Welche Vermittlungsstrategien kommen hier zum Einsatz? Ich möchte auf zwei dieser Strategien nun kurz eingehen. Zum einen werde ich sog. ›Nano-Visionen‹ vorstellen. Konkret möchte ich dabei auf visionäre Bilder zu sprechen kommen und deren Rolle in der Nano-Debatte, aber auch für die Erlanger Arbeitsgruppe, kennzeichnen. Zum anderen möchte ich beschreiben, auf welche Art und mit welchen Mitteln die Erlanger Arbeitsgruppe versucht, ›Öffentlichkeit‹ zu adressieren. Die Verknüpfung mit der Öffentlichkeit stellt wiederum ein weiteres Element in der Versammlung bzw. im AkteurNetzwerk nanomedizinischer Forschung dar. Nano-Visionen In der Thematisierung von ›Nano‹, z.B. in Tageszeitungen, Broschüren, Wissenschaftsjournalen, aber auch in fachwissenschaftlichen Publikationen tauchen sowohl visionäre Beschreibungen, v.a. aber auch bildliche Darstellungen möglicher nanotechnologischer Anwendungen auf. So werden bspw. Bakterien gezeigt, die sich mithilfe von Geißeln fortbewegen können. Sie stehen für die Vision medizinischer Nano-U-Boote, die sich durch die Blutbahn fortbewegen können. Oder es werden Nano-Roboter mit Greifarmen gezeigt, die sich auf Oberflächen bewegen und z.B. Moleküle transportieren. Diese Visionen werden zum einen utopisch interpretiert, also als Möglichkeiten und Innovationen, die durch ›Nano‹ hervorgebracht werden. Sie tauchen aber auch in dystopischer Deutung auf, nämlich im Sinne von Risken, v.a. neue Formen von Risiken und Gefahren, die ›Nano‹ produziert. Als ein vielzitiertes Beispiel einer dystopischen NanoVision kann Michael Crichtons Roman »Beute« genannt werden. Sowohl auf die eine als auch auf die andere Weise stellen diese Bilder Zukunftskonstruktionen dar, die versuchen, zukünftige Entwicklungen bereist gegenwärtig thematisierbar zu machen. Ulrike Felt schreibt hierzu:

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»Diese Zukunftskonstruktionen sind nicht nur als eine marginale Begleiterscheinung des wissenschaflich-technischen ›Kerngeschäfts‹ zu verstehen, sondern sie zeigen eine performative Wirkung, sind Ressource […] und Projektionsfläche für mögliche Entwicklungen.« (Felt 2010: 24)

In der Diskussion um ›Nano‹ lässt sich dabei weiterhin beobachten, dass NanoVisionen unterschiedlich gehandhabt und unterschiedlich bewertet werden. So finden sich visionäre Bilder, die dem Bereich der Science-Fiction zugeordnet werden, und Bilder, die als mögliche zukünftige Anwendungen interpretiert werden, auch wenn eine Trennung zwischen Fantasie und Möglichem – zwischen Fakt und Fiktion – nicht immer leicht zu bewerkstelligen ist. So schreibt Astrid Schwarz: »Im Nanodiskurs wurde die Grenze zwischen Fakt und Vision von Anfang an umspielt, bei den Befürwortern, wie auch den Gegnern dieser Technologie.« (Schwarz 2007: 109

105)

Die Verwendung visionärer Darstellungen und die Anlehnung an Elemente der Science Fiction sind zwar generell keine neue Erscheinung, sondern begleiten seit spätestens dem 20. Jahrhundert wissenschaftlich-technische Neuerungen und Entwicklungen, im Fall von ›Nano‹ sind diese jedoch mit einer hohen Aufmerksamkeit verbunden, nicht zuletzt auch dem Interesse, das ihnen durch die Wissenschaftsforschung zuteil wird (Lucht 2010: 112 f.). So hat bspw. Andreas Lösch den Rückgriff auf visionäre Bilder (von Nanorobotern und Nano-UBooten) in populärwissenschaftlichen Magazinen, in Tages- und Wochenzeitungen und in der Wirtschaftspresse in einem Zeitraum von über 10 Jahren untersucht (Lösch 2010). Als Ergebnis hält er fest, dass sich die bildlichen Darstellungen in diesem Zeitraum kaum verändert haben, auch wenn sich durchaus ein Wandel in deren Beurteilung und Interpretation hinsichtlich möglicher Zukünfte im Untersuchungszeitraum zeigte. Daraus schließt Lösch, dass die Bedeutung dieser Bilder nicht so sehr in deren Bildinhalten zu sehen ist, sondern vielmehr

109 Astrid Schwarz weist dabei darauf hin, dass Wissenschaft nicht entlang einer Grenzziehung von Fakt und Fiktion zu verorten sei, sondern dass das Fiktionale durchaus ein wichtiges Mittel und Instrument der Erkenntnisproduktion sein kann. Als Beispiel für ein solches fiktives Instrument führt sie das Gedankenexperiment an (Schwarz 2007: 106 f.).

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in deren Rolle als Kommunikationsmittel und als Kommunikationsmedien.110 Er schreibt hierzu: »Der Gebrauch der Bilder als Kommunikationsmedien ermöglichte sinnstiftende Kommunikation zwischen wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und massenmedialen Bewertungen der Potentiale gegenwärtiger nanotechnologischer Entwicklungen. Damit sind die Bilder nicht nur ein Mittel zur Kommunikation. Die visionären Bilder konstituieren die Kommunikation. Denn als Medien wechselseitiger Kommunikation der Diskurse betrachtet, eröffnen sie einen Möglichkeitsraum, in dem unterschiedliche und variierende Zukünfte der Nanotechnologie denkbar, verhandelbar und diskursspezifisch bewertbar werden.« (Lösch 2010: 143)

Für Andreas Lösch stellen visionäre Bilder also Kommunikationsmittel dar, die es ermöglichen, Verbindungen zwischen unterschiedlichen Akteuren herzustellen. In einer akteur-netzwerktheoretischen Interpretation der systemtheoretischen Analyse von Andreas Lösch kann man an dieser Stelle formulieren, dass visionäre Bilder – als Elemente der Nano-Figuration – als Akteure mobilisiert werden, um ›Nano‹ thematisieren zu können und um ›Nano‹ zu aktualisieren. Sie können in diesem Sinne als Ressource zum Aufbau und zur Etablierung von Netzwerken genutzt werden. Auf diese Prozesse der Netzwerkbildung – also der Verknüpfung der Innen- und Außenwelt des Labors – habe ich ja meinen Fokus in diesem Teilkapitel gelegt. In diesem Zusammenhang hat mich dann interessiert, inwieweit visionäre Bilder auch für die Kommunikation der Erlanger Arbeitsgruppe eine Rolle spielen. Angesprochen auf Bilder, die dem Genre der ScienceFiction entlehnt sind, antwortet Stefan Lyer: »Also der Mensch funktioniert ja, zumindest meine Erfahrung, ganz gut über Bilder oder viele Menschen zumindest, und das ist ein Bild, das man sich gut merken kann. Die Realität ist dann natürlich weit entfernt davon, also es wird in absehbarer Zeit keine Maschine geben, die mit irgendwelchen Zangen bestückt jetzt tatsächlich durch Blut schwimmt.« [Interview 3/2011]

In Anschluss an Andreas Lösch kann man auch hier konstatieren, dass Bilder im Hinblick auf dessen Funktion bewertet werden. Sie dienen dazu, dass man sich etwas vorstellen kann. Der Bildinhalt wird jedoch als Fiktion interpretiert und somit als Vision, die sich in absehbarer Zeit nicht realisieren wird. Nimmt man an dieser Stelle noch einmal die Argumentation zur Visualisierung mithilfe der

110 Vgl. hierzu auch Lösch 2006.

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Rastersondenmikroskopie auf, so lässt sich genauer kennzeichnen, was Bilder der Rastersondenmikroskopie – also Bilder aus der Nanowelt – von fiktionalen Bildern unterscheidet. Die Bilder der Rastersondenmikroskopie hatte ich als zusammenhängende Ketten interpretiert, bei denen mittels verschiedener Übersetzungsprozesse Materie in ein Bild transformiert wird. Fiktionale Bilder können zwar auch Ketten herstellen, also Verknüpfungen zwischen verschiedenen heterogenen Akteuren, es sind jedoch keine zusammenhängenden Ketten in dem Sinn, dass sie über denselben materialen Bezug verfügen. Dennoch kann ich zeigen, dass sich auch in der Arbeitsgruppe in Erlangen Visionen finden lassen. So konnte ich bei Vorträgen von Herrn Alexiou beobachten, dass er zur Vorstellung der Arbeit seiner Arbeitsgruppe neben den Ergebnissen, die man schon produziert hatte, stets auch einen computeranimierten Film zeigte, in dem das Verfahren des magentic drug targeting in einer klinischen Anwendungssituation gezeigt wird.111 Auch das Wirkprinzip der therapeutischen Nanopartikel bei der Bekämpfung eines Tumors wird dargestellt. Dieser Film stellt eine Vision dar, weil eine Therapie ins Bild gesetzt wird, die es so – also in der klinischen Anwendung – noch nicht gibt. Diese Vision unterscheidet sich jedoch von den oben erwähnten visionären Bildern entscheidend, denn es stellt eine Vision dar, die sich in der konkreten Arbeit in der Arbeitsgruppe verorten lässt. Die Forschung in Erlangen stellt die Entwicklung einer neuen Therapieform dar, das Ziel dieser Arbeit liegt in der Anwendung in der Klinik und am Patienten. Als eine in dieser Hinsicht konkrete und verortete Vision übernimmt diese wichtige Funktionen für die Arbeitsgruppe: Sie vermittelt dabei nach außen und nach innen. Wie gezeigt, stellt die Arbeitsgruppe ein heterogenes Gebilde sowohl unterschiedlicher Disziplinen als auch unterschiedlicher Praxispartner (sowohl aus dem universitären Bereich, aber auch aus der Wirtschaft) dar. Um hier ein Zusammenarbeiten zu ermöglichen, bedarf es, unterschiedliche Interessen und unterschiedliche Ziele miteinander zu vereinen. Damit sich also die Arbeitsgruppe als kohärente Gruppe definiert und als solche agiert, muss Arbeit zur Gruppenbildung geleistet werden. Bruno Latour schreibt hierzu: »Groups don’t exist by themselves and they need to be constantly whipped into existence, reminded of what they have in common, propped to action, stirred into taking their destiny into their hands, and mobilized toward some goal.« ( Latour 2001: 125)

111 Er zeigte diesen Film u.a. bei der Veranstaltung »Nanotechnologie. Einfluss auf die Gesundheit. Nutzen und Risiko« der European Academy for Environmental Medicine, die am 7. und am 8. Mai 2011 in Würzburg stattfand und für die Herr Alexiou als Redner geladen war.

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Im Interview frage ich Stephan Dürr in dieser Hinsicht, auf welche Weise die unterschiedlichen Mitarbeiter zu einer Gruppe versammelt werden. Er antwortet: »Aber der Blickwinkel insgesamt ist der gleiche: Wir wollen das in die klinische Anwendung bringen, ganz klar, das ist bei allen das gleiche, da gibt es keinen Unterschied.« [Interview 1/2011]

Nach innen übernimmt die Vision der klinischen Anwendung also die Funktion, einen gemeinsamen Blickwinkel zu definieren und somit ein Ziel zu formulieren, dass alle Mitarbeiter gemeinsam tragen. Somit wird die Arbeit in eine Richtung geführt. Die Verwendung des Films bei Vorträgen markiert demgegenüber seine Funktion nach außen, eine Funktion, die mich ja an dieser Stelle maßgeblich interessiert: Durch die Darstellung der Anwendungsmöglichkeiten der Forschung vermittelt der Film so etwas wie den Wert oder den Nutzen der Forschung. Man kann mit diesem Film einen Bedarf für die Forschung aufzeigen und kann auf diese Weise Akzeptanz für die Forschung generieren. Diese Akzeptanz ist wichtig, denn sie ist mit Rückwirkungen verbunden (vgl. Latour 2000a: 128). Forschung, die nicht akzeptiert wird, deren Nutzen in Fragen steht, oder die gar als schädlich erachtet wird, wird sich langfristig nicht durchsetzen können. Wie lässt sich nun die Erlanger Nano-Vision deuten? Als Vision übernimmt sie die Funktion einer Übersetzung und somit einer Verknüpfung, die sich wiederum in dem Verhältnis des Innen und Außen des Labors artikuliert: Sie verbindet die aktuelle Forschung im Labor mit der zukünftigen Anwendung in der Klinik. Um diese Verknüpfung herstellen zu können, bedarf es eines weiteren Übersetzers, dem Medium des Films. Man kann also sehen, dass hier ganz andere Medien und damit auch ganz andere Bilder mobilisiert werden, als im vorangegangen Teil des Kapitels: Beispiele waren hier histologische Schnitte oder computertomografische Aufnahmen. Im Gegensatz zu solchen ›Fakten‹ lässt sich der Film eher als ›Fiktion‹ beschreiben, auch wenn die Unterscheidung zwischen Fakt und Fiktion eine recht grobe Unterscheidung ist, weil sie diese als zwei Pole gegenüberstellt. Auf jeden Fall darf die Unterscheidung von Fakt und Fiktion nicht so verstanden werden, dass sich Fakten auf ›Wirkliches‹ beziehen und Fiktionen nicht. Denn auch Fiktionen können bestimmte Wirklichkeiten erzeugen. So übernimmt auch der Film eine wichtige Aufgabe für die Forschung in Erlagen, indem er Übersetzungen leistet. Der Unterschied zwischen Fakt und Fiktion lässt sich dann in der Weise interpretieren, dass sie andere Arten von Verknüpfungen realisieren. Doch stellt der Film nicht die einzige Art und Weise dar und das einzige Mittel dar, wie das Innen und das Außen miteinander verknüpft werden. Daher

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möchte ich mit meinen Beobachtungen zur ›Einweihungsfeier‹ noch ein zweites Beispiel von ›Öffentlichkeitsarbeit‹ vorstellen. Einweihungsfeier Seit dem Beginn meiner Forschungsaufenthalte in Erlangen fieberte man einem großen Ereignis entgegen – der Einweihungsfeier. Durch die Ausstattung durch die Stiftungsprofessur ist die Arbeitsgruppe um Herrn Alexiou aus den Kellerräumen des Gebäudes der HNO-Klinik, in denen bis dahin die Arbeitsräume und Labore untergebracht waren, ausgezogen und hat ein eigenes Gebäude in unmittelbarer Nähe zur Klinik bezogen. Der Umzug allein genügte der Arbeitsgruppe jedoch nicht, die Eröffnungsveranstaltung zu organisieren, man wartete stattdessen, bis die bildgebende Einheit – das Angiografiesystem Artis zee – im Tier-OP installiert war. Auch hier wird wiederum die Bedeutung dieser Anlage deutlich. Sie steht für die Arbeit und das Forschungsziel der Arbeitsgruppe. Die Arbeitsgruppe präsentiert sich im Zusammenhang öffentlicher Darstellung also nicht anhand von Theorien oder Methoden, die entwickelt werden, sondern anhand eines technischen Gerätes. Dass das Gerät im Sinne eines Übersetzers interpretiert werden kann, der die klinische Anwendung inkorporiert, darauf hatte ich schon hingewiesen. Aufgrund dieser Übersetzungsfunktion ist das Gerät auch für die Außendarstellung so bedeutsam. In Anschluss an Peter Bionik lässt sich die Einweihungsfeier nun als ›Event‹ charakterisieren, bei dem: »[…] das Wissenschaftsfeld Nanowissenschaften gegenüber einer Öffentlichkeit inszeniert wird, die sich aus Mitgliedern verschiedener wissenschaftlicher Spezialgebiete und Forschungseinrichtungen, wirtschaftlicher Organisationen und Unternehmen sowie anderer Gesellschaftsbereiche zusammensetzt. Damit ermöglichen es Events zu analysieren, wie Nanowissenschaften sich in einem breiteren gesellschaftlichen Kontext positionieren.« (Bionik 2013: 199)

Im Hinblick also auf die hier stattfindenden Prozesse der Kontextualisierung, die sich auch als »situative Vergemeinschaftung heterogener Akteure« (Bionik 2013: 200) kennzeichnen lassen, können wir weitere Aspekte kennenlernen, die für die Konstruktion nanomedizinischer Forschung in Erlangen von Bedeutung sind. Als Mitte des Jahres 2006 die Arbeiten am Einbau des Angiografiegerätes in der Sektion abgeschlossen sind, beginnen die Planung und die Vorbereitung zur Einweihungsfeier: Es werden Einladungen verschickt, Vorträge organisiert, ein Partyzelt wird aufgestellt, ein Catering geordert usf. Mit diesen Tätigkeiten wa-

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ren insbesondere Jenny und Eveline betraut. Während dieser Organisationstätigkeiten ruhte wiederum die Arbeit im Labor, denn um öffentlichkeitswirksam zu sein, bedarf es ganz anderer Tätigkeiten. Am Vorabend der Eröffnungsfeier fand bereits eine Vortragsveranstaltung in den Räumlichkeiten der HNO-Klinik mit dem Titel »Magnetic Nanoparticles and Biomedical Applications« statt. Hier haben zwei rumänische WissenschaftlerInnen ihre Arbeit vorgestellt, mit denen man eine intensivere Zusammenarbeit, was die Entwicklung der Partikel anbelangt, anstrebt. Auch in dieser Hinsicht der Erweiterung seines wissenschaftlichen Netzwerkes kann solch ein Anlass genutzt werden. Indem also neue Assoziationen geknüpft werden, können Events auch über das situative Geschehen hinaus wirken und für die Forschung von Bedeutung sein. Auch hier kann wieder darauf verwiesen werden, dass Kooperationen nicht in einem vom Labor abgekoppelten Raum, der ›Kontext‹ genannt wird, stattfinden, sondern sie werden, wie in diesem Fall, persönlich hergestellt und sind verortet. Der Abend klingt mit einem gemeinsamen Abendessen aus. Der Tag der Einweihungsfeier beginnt ebenfalls mit öffentlichen Vorträgen in einem Hörsaal der Universität. Auf die Veranstaltung verweist u.a. ein großes Banner, das über die Straße am Hörsaal gespannt ist und das mit der Aufschrift »Nanomedizin Erlangen« versehen ist. Nanomedizin findet also nicht mehr nur im Labor statt, sondern wird öffentlich zelebriert – plötzlich ist ganz Erlangen – so verheißt die Aufschrift auf dem Banner – ›Nanomedizin‹. Der Vortragsteil der Veranstaltung wird eingeleitet durch die Grußworte von Prof. Jürgen Schüttler, dem Dekan der Medizinischen Fakultät sowie Prof. Heinrich Ivo, dem Direktor der HNO-Klinik. Man präsentiert sich also in dieser Hinsicht nicht allein als Arbeitsgruppe, sondern als Teil der Medizinischen Fakultät und der HNO-Klinik. Die beiden Grußworte zeigen die Unterstützung dieser Institutionen für die Forschung der Sektion. Sie verkörpern auf diese Weise nun auch ›Nanomedizin‹. Ein weiteres Grußwort erfolgt durch Frau Schultz-Hector im Namen der Else-Kröner-Fresenius-Stiftung. Moderiert wird die Veranstaltung durch Stephan Lehmann, der beim Rundfunksender Bayern 1 tätig ist, der aber vor allem als Stadionsprecher des FC Bayern Münchens bekannt ist. Hierbei ist zu erwähnen, dass die Wahl eines Moderators bzw. einer Moderatorin ein vieldiskutiertes Thema innerhalb der Arbeitsgruppe darstellte. Man legte hierbei großen Wert darauf, dass ein bekannter Moderator durch die Veranstaltung führt. Betrachtet man dies unter strategischen Gesichtspunkten, so kann man sagen, dass man durch prominente Gäste eine gesteigerte Aufmerksamkeit erzeugen kann. Herr Lehmann erzählte dann in seiner Moderation, wie ihn Herr Alexiou durch ein persönliches Telefonat für die Veranstaltung gewinnen konnte. So war er zunächst über die Anfrage erstaunt, da er bislang keine Verbindung in die

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Welt der Wissenschaft hatte und war in dieser Hinsicht auch nicht sicher, ob er der richtige Ansprechpartner für die Moderation sei, Herr Alexiou hätte ihn jedoch schnell durch seine enthusiastische und überzeugende Art für die Forschung in der Sektion begeistern und für die Veranstaltung gewinnen können. Auch die einzelnen Vorträge sind, was den Bereich der Wissenschaft, aber auch die Politik anbelangt, prominent besetzt und vermittelten inhaltlich ein breites Spektrum zum Thema ›Nano‹. So berichtet Wolf-Michael Catenhusen, Staatssekretär a.D., Vorsitzender der NanoKommission der Bundesregierung und Mitglied des Deutschen Ethikrates, unter dem Vortragstitel »Chancen und Risiken der Nanotechnologie« über die Ergebnisse der NanoKommission. Mit dem Vortrag von Herrn Catenhusen ist es der Arbeitsgruppe gelungen, auch einen politischen Entscheidungsträger in die Veranstaltung und somit auch in ihr Netzwerk nanomedizinischer Forschung einzubinden. Über die Nanomedizin im Zusammenhang mit neuen Konzepten für drug-delivery spricht Prof. Claus-Michael Lehr vom Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland. Wolfgang Heckl, Physikprofessor und Generaldirektor des Deutschen Museums, der gleichzeitig als einer der bekanntesten Botschafter von ›Nano‹ zählt, zeigt in eher visionärer Absicht neue Chancen für die Medizin durch Nanotechnologie auf. Zum Abschluss ergreift Herr Prof. Alexiou selbst das Wort und stellt die Forschung der Sektion für Experimentelle Onkologie und Nanomedizin vor. Der zweite Teil der Veranstaltung findet auf dem Gelände der Sektion in der Glückstraße statt. Hier erwartet die Gäste ein Sektempfang. Zudem begrüßt Herr Alexiou auch hier noch einmal alle Gäste und zeigt sein Talent als Gastgeber und Unterhalter, indem er das Mittagsbüffet auf standesgemäß-bayerische Art mit dem Anzapfen eines Bierfasses eröffnet. Die Gäste können außerdem in Begleitung der Mitarbeiter die Labore und Arbeitsräume in der Sektion besichtigen. Musik umrahmt die Feier. Mehr als 150 Gäste haben an der Einweihungsfeier teilgenommen. Dazu zählten nicht nur wichtige Persönlichkeiten aus dem NanoFeld, sondern auch Kollegen vor Ort, Familienangehörige und Freunde. Um als Forscher erfolgreich zu sein genügt es also nicht, sich in die Forschungslabore zurückzuziehen und neue Erkenntnisse zu produzieren, sondern man muss auch ein Talent und ein Gespür für diese Art öffentlichkeitswirksamer Arbeit haben. Dabei zeigt sich abermals, dass die Verbindung von Wissenschaft und Öffentlichkeit keine Verbindung ist, die per se existiert, sondern auch diese muss aktiv durch die Akteure selbst hergestellt werden. Diese Art der Öffnung des Labors bietet dann zudem die Möglichkeit, über das anwesende Fachpublikum hinaus weitere Teile von Öffentlichkeit und somit andere Menschen zu erreichen und sichtbar zu werden, denn ein solches Ereignis kann dazu benutzt werden, Medienvertreter einzubinden und für eine Berichterstattung zu nutzen.

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Entsprechend waren an den Vortagen der Feier auch Presse- und Medienvertreter in die Arbeitsgruppe geladen, woraus Fernsehberichte und Meldungen in Tageszeitungen resultierten. Abb. 9: Zeitungsbericht über die Erlanger Arbeitsgruppe

Aus: AZ vom 15.09.2011

Dies stellt eine weitere Verknüpfung dar, die das, was ich als nanomedizinische Forschung in Erlangen kennengelernt habe, kennzeichnet. Diese Verknüpfung führt dann zu der Übersetzung, die Nanomedizin nun auch in Redaktionsräumen stattfinden lässt und darüber hinaus in die Wohnzimmer von Lesern und Fernsehzuschauern führt. Dass diese Art Öffentlichkeitsarbeit tatsächlich Effekte hat, macht sich unmittelbar nach Veröffentlichungen solcher Art bemerkbar. So berichten mir die Mitarbeiter, dass in den Tagen nach dem Erscheinen eines Artikels oder nach dem Senden eines Fernsehbeitrages vermehrt Betroffene oder auch Angehörige in der Sektion anrufen und sich danach erkundigen, ob denn die dargestellte Therapieform schon zur Verfügung stehe. Es zeigt sich also in dieser Hinsicht ein Bedarf für die Forschung, der nicht allein durch die Wissenschaftler selbst formuliert und definiert wird. Dadurch erhält die Forschung, neben den Begründungen durch die Wissenschaftler, noch einmal eine andere Form von Legitimität. Dennoch wird die Medienberichterstattung in der Arbeitsgruppe selbst durchaus auch ambivalent betrachtet, denn es bestehe stets

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auch die Gefahr negativer Schlagzeilen, die die Akzeptanz und somit auch die Forschung gefährden könnten. Doch ließen sich solche Verbindungen erst untersuchen, wenn sie existieren: Die Welt außerhalb des Labors gerät nur ins Blickfeld und wird relevant, wenn sie die Arbeit im Labor beeinflusst (Oudshoorn 1997: 42). Bezogen auf die Frage, wie sich nanomedizinische Forschung in Erlangen konstituiert, kann an dieser Stelle zusammenfassend resümiert werden: Events wie die Einweihungsfeier ermöglichen es, neue Akteure zu adressieren und einzubinden und somit neue Assoziationsketten zu generieren. Neben der Assoziierung mit neuen Objekten, wie ich sie im vorangegangen Teil des Kapitels vorgestellt habe, und der Einbindung von wissenschaftlichen Kollegen, Partnern aus Unternehmen und der Sicherstellung des Etats, was im Fokus dieses Teils stand, wird hier die Assoziation ›nanomedizinische Forschung in Erlangen‹ um weitere Elemente ergänzt und vergrößert und gewinnt somit wiederum an Stärke (Latour 2000a). Was nun konkret die nanomedizinische Forschung in Erlangen anbelangt muss man sagen, dass die Frage, wie sich diese Forschung etabliert, also inwieweit sie tatsächlich in eine neue klinische Therapieform und Behandlungsmethode übersetzt werden kann, eine offene Frage bleiben muss, was meine Untersuchung anbelangt, denn auch zum Zeitpunkt der Fertigstellung meiner Dissertation ist die Translation in die Klinik noch nicht vollzogen wurden. Dennoch möchte ich zum Abschluss einen kleinen Ausblick in die Zukunft der Nanomedizin geben und mich mit dem Thema Erwartungen auseinandersetzen. 6.3.7 Erwartungen und die Zukunft von Nanomedizin Betrachtet man an dieser Stelle nochmals die offizielle und die mediale Berichterstattung zu ›Nano‹, so zeigen sich vielfach sehr hohe Erwartungen, die an ›Nano‹ als Forschungs- und Entwicklungsfeld gestellt werden. Diese äußern sich nicht allein im Hinblick auf wirtschaftliche Interessen, also in Form möglicher neuer, nanobasierter Produkte, die neue Märkte erschließen sollen. Es finden sich, gerade was die Medizin anbelangt, auch konkrete Hoffnungen, was die Bereiche Diagnostik und Therapie betrifft. So werden zum einen frühzeitigere und auch effizientere Diagnoseverfahren erwartet, als auch verträglichere und damit nebenwirkungsärmere Behandlungsmethoden. Auch wenn die Erwartungen revolutionärer Veränderungen im Bereich der Medizin nicht von allen geteilt werden, so erhofft man sich doch zumindest eine verbesserte Gesundheitsversorgung. Erwartungen artikulieren dabei bestimmte Formen von Zukunft und haben in dieser Hinsicht auch einen konstituierenden Charakter, als sie nicht nur Wün-

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sche äußern, sondern auch Wünschenswertes produzieren (vgl. Erlemann/ Lucht/Ben 2010: 9). Sie lassen sich in dieser Hinsicht als wichtigen Bestandteil von Wissenschafts- und Technologieentwicklung interpretieren (Brown/Michael 2003). Auf den Trugschluss, dass neue Erkenntnisse und neue zur Verfügung stehenden Mittel unmittelbar zu neuen Anwendungen führen, darauf habe ich schon mehrfach im Verweis auf meine empirischen Ergebnisse, hingewiesen. Nichtsdestotrotz spielen Erwartungen bei ›Nano‹ eine ausgewiesen große Rolle (vgl. Felt 2010: 24 ff.). Das, was ich als ›Nano-Figuration‹ gekennzeichnet habe, arbeitet ja sehr stark mit dem Argument zukünftiger Entwicklungen, mit NanoVisionen, so wie ich sie auch vorgestellt habe. Durch sie begründen sich die hohen Investitionen in ›Nano‹ als Forschungsfeld. Erwartungen werden hier also als Ressource mobilisiert, um Akteure zusammenzubringen und Netzwerke zu formen. Was meine Forschung in Erlangen anbelangt, so konnte ich in meiner Analyse nanomedizinischer Innovationen nur den Bereich der Forschung beobachten und begleiten. Zur klinischen Anwendung ist es hier noch nicht gekommen. Ob sich hier also die an die Forschung gestellten Erwartungen erfüllen, muss eine offene Frage bleiben. Ich habe dennoch an dieser Stelle einige Interviewzitate zusammengetragen, die – vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrung im Forschungs- und Entwicklungsfeld ›Nano‹ – Einschätzungen zur Zukunft der Erlanger nanomedizinischen Forschung bzw. allgemeiner zur Zukunft von Nanomedizin abgeben und u.a. auch danach fragen, ob und inwieweit sich die Nanomedizin als eigenständiger Bereich innerhalb der Medizin etablieren wird: »Aber ich denke doch und würde hoffen, dass – wir hatten ja ganz zu Anfang jetzt unseres Gespräches das schon definiert, dass es ja Nanomedizin auch in unterschiedlichen Ansätzen geben kann und darf und wird. Von dem Ansatz, den wir hier mit der Arbeitsgruppe Alexiou sehen, über den Ansatz liposomaler Einschluss von Wirkstoffen und dadurch Verträglichkeitsverbesserungen, also in jedem Fall glaub ich, dass solche nanomedizinische Ansätze weiter auch tragen werden und ich glaube, dass die Verträglichkeitssache die eine Dimension ist. Ob jetzt dauerhaft unsere große Hoffnung, dass das intellektuelle Konzept, dass wir hier in der Arbeitsgruppe, in der Arbeitsgruppe Alexiou, jetzt verfolgen und versuchen umzusetzen, dauerhaft tragen kann, das wird man sehen. Also das kann ich ihnen nicht abschließend bewerten, weil dazu sind wir einfach in ner Phase, die viel zu früh ist. Wir haben vielversprechende Ergebnisse gesehen. Auch das bitte ich natürlich in Relation zu der Situation der Patienten zu sehen, also sozusagen Patienten, die ja im metastasierten oder weit fortgeschrittenem Krebsstadium sich befinden, die ja teilweise primär im Fokus stehen, nicht immer, aber im ersten Schritt, und da wird es natürlich genau

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wesentlich darauf ankommen, wie belastend ist das Verfahren, wie verträglich ist es und vor allen Dingen, was ist es im Vergleich zu anderen, bisher geübten Therapiemöglichkeiten im Delta an Fortschritt und da kann ich jetzt aus meiner, nicht projektführenden Sicht, nicht wirklich valide eine Prognose geben.« [Interview 6/2011] »Also Entwicklungspotentiale sind sicherlich hoch, aber die Frage ist sozusagen, inwieweit oder wann man soweit sein wird, das man das richtig einsetzen kann und ob dieser Weg, sagen wir mal schneller ist, also ein anderer. Dafür wird es letztendlich abhängen, was die Nanotechnologie erreichen kann und was für Kombinationen zwischen verschiedenen Wegen. Aber das lässt sich schwer vorhersagen. Das kann man so nicht benennen. Das kann eine sehr große Rolle spielen, das kann aber fast keine Rolle spielen. Je nachdem, wie man mit seiner Forschung weiter kommt.« [Interview: 1/2011] »Ähm, das die Nanomedizin irgendwann mal sich weiterentwickeln wird, das ist glaub ich – es gibt da ja verschiedene Modelle, also das man sagt, irgendwelche Motoren, Transmitter, Transporter, weiß der Kuckuck was, irgendwelche Schlüssel, das ist, na, dieses Schlüssel-Loch-Schlüssel Prinzip... – nee, das heißt anders. Aber das ist ja auch egal, auf jeden Fall, da gibt es ja sehr viele Ansätze, wo man halt eben diese Kleinstpartikel verwenden möchte und dass das mehr und mehr kommt, das glaub ich schon. Ob das jetzt unbedingt diese, dieser kleine Bereich ist, den wir jetzt gerade verfolgen mit dem magnetischen Nanopartikeln, die ich mit einem Magneten anziehen kann, ich dann thermisch erwärme und dadurch dann halt eben meinen Tumor besiegen kann. Wird’s dieses Modell, was wir heute haben, wirklich mal zum Erfolg führt, weiß ich nicht. Also ich wünsch es mir schon, ich denke auch das es geht.« [Interview 4/2011] »Ähm, ob sich das Etablieren wird. Ja, also ich denke schon. Es gibt ja viele interessante Ansätze, oder es hat sich ja teilweise schon etabliert, wenn man jetzt so die, ja, die Kontrastmittelanwendung in der Magnetresonanztomographie betrachtet. […] Obwohl die Kontrastmittel teilweise aus dem Markt genommen worden sind, aber das war jetzt nicht, sagen wir mal, fachlich bedingt, sondern eher kommerziell, weil andere Kontrastmittel sich einfach besser verkaufen ließen und Patente ausgelaufen sind. Aber ich glaube schon, dass man – dass es sich etablieren wird, weil man dadurch, ja, praktisch targeting, Therapie vereinen kann, also auch Materialien konzipieren kann, die vielseitig einsetzbar sind, nich. Also sehen sie alleine unser Beispiel, wenn wir jetzt Eisenoxide nehmen, die man sowohl für die Diagnostik als auch für die Therapie grundsätzlich nehmen kann, hat man ja verschiedene Modalitäten vereinigt, da kann ich noch zusätzlich Chemotherapeutika dran koppeln, d.h. ich kann auch noch verschiedene Wirkungsweisen, verschiedene therapeutische Wirkungsweisen vereinigen. Also ich glaube schon, dass sich das langfristig etablieren wird, aufgrund der Vielseitigkeit der Möglichkeiten. Ja.« [Interview 11/2011]

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»Also das – der Nanoaspekt wird immer nur ein Werkzeug sein für irgend etwas, was ich erreichen will und hier wird er jetzt zufällig mal in der Onkologie angewendet, vielleicht kann man ihn irgendwann mal für Diabetes anwenden, oder Herz-KreislaufErkrankungen, gewisse Aspekte, oder was auch immer. Für mich ist Nano da tatsächlich ein Werkzeug, genauso, wie Röntgenstrahlen oder die Magnetresonanz oder sonst etwas, nen Werkzeug letztlich, oder ein Medium letztlich, für bestimmte Ziele, die man in der Bildgebung verfolgt. Also von daher bin ich da vielleicht nicht so enthusiastisch zu sagen, es – wir haben da mit Nano ein neues Feld aufgetan, was mit einmal ungeahnte Perspektiven bietet. Jedes Projekt, was sich irgendwelcher Nanopartikel oder ähnlichem bedient, wird wieder beweisen müssen, dass es besser ist als die Standarttherapie, die wir schon haben und das ist nicht gesagt, dass jedes Nanoprojekt dann auch wirklich der Gewinner sein wird. [lacht]« [Interview 10/2011] »Nee, ein medizinisches Fach in dem Sinn ist es ja nicht und kann’s auch nicht sein. Ähm, es ist etwas methodengesteuertes und jetzt in dieser Anfangsphase ist es sicherlich sehr, sehr wichtig, dass man da sehr eng mit den, diesen Zusammenschluss zwischen den Naturwissenschaften und der Medizin sucht und dann wird es in einer nächsten Phase sozusagen wieder in die Fachdisziplinen hinein fließen, da wo es Anwendung findet, aber es ist kein Organsystem, es ist keine Behandlungsmethode, oder so, […]«. [Interview 13/2012]

Wie sich zeigt, wird in den Interviews sowohl die Entwicklung der eigenen Forschung eingeschätzt, als auch, darüber hinaus, allgemeiner die Entwicklung von Nanomedizin bewertet. Auch in den Interviews wird darauf verwiesen, dass Forschung – und dies kann durchaus auch erfolgreiche Forschung mit »vielversprechenden Ergebnissen« sein – kein Garant dafür ist, dass sich das Verfahren als Anwendung durchsetzen wird. Dazu werden auch konkrete Gründe benannt, was das eigene Forschungsvorhaben anbelangt. Es geht nicht allein darum, dass man die Wirksamkeit und Vorzüge seines Verfahren demonstriert, man steht auch in Konkurrenz zu anderen Verfahren, die entweder schon etabliert sind, oder sich in der Forschungs- bzw. Entwicklungsphase befinden. Damit es also zu einer Übersetzung von Forschung in eine Anwendung kommt, muss man sich gegen andere, konkurrierende Verfahren durchsetzen. In Bezug auf das konkrete, in Erlangen verfolgte Konzept, wird zudem darauf aufmerksam gemacht, dass es hier selbst in der Forschung noch Probleme und offen Fragen gibt, die es zu lösen und zu beantworten gilt. Zudem wird das Verfahren in den ersten klinischen Anwendungen einem harten Test unterzogen werden, denn die ersten Anwendungen werden an Patienten stattfinden, bei denen die klinisch-etablierten Therapien nicht zu einer Heilung bzw. Verbesserung des Gesundheitszustandes geführt haben. Auch in dieser Hinsicht muss man die Wirksamkeit gegenüber den

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Standardprozeduren aufzeigen können. Ob sich die Nanomedizin als eigenständiger Bereich und unabhängiges Praxisfeld etablieren kann, wird in den Interviews nicht eindeutig bewertet. Zum einen wird das Potential von Nanomedizin im Hinblick auf unterschiedliche Ansätze und unterschiedliche Anwendungsmöglichkeiten gesehen. Hier kann ebenfalls nicht abschließend beurteilt werden, ob sich diese verschiedenen Ansätze und Anwendungen im Hinblick auf einen Bereich, der dann ›Nanomedizin‹ genannt wird, miteinander verbinden, denn eine solche Beurteilung reicht weit über die dieser Publikation zugrundeliegenden Ergebnisse hinaus. Auf der anderen Seite wird ›Nano‹ in den Interviews lediglich als ein weiteres Werkzeug in der Medizin betrachtet, dass aber durchaus in verschiedenen Bereichen der Medizin Anwendung finden kann. In diesem Fall würde ›Nano‹ wohl immer nur mit einem Bindestrich zu den bestehenden medizinischen Bereichen hinzugefügt werden. So oder so, dass Schicksal von ›Nano‹ im allgemeinen, aber auch das Schicksal von ›Nano‹ im konkreten Fall der Erlanger Arbeitsgruppe – und darauf wird in den zitierten Interviewpassagen verwiesen – liegt in der Frage, ob es gelingt, den Weg vom Labor in die Klinik zu beschreiten, ob also das, was man im Labor erforscht und entwickelt hat, in einer klinischen Anwendung zum Einsatz kommt. Erst durch die Anwendung als klinische Behandlungsmethode, als Technik, kann man sich langfristig etablieren. Technik lässt sich in Anschluss an die ANT so beschreiben, dass sie ein stabiles Akteur-Netzwerk darstellt, eines, in denen die notwendigen Übersetzungsprozesse erfolgreich waren, die Akteure die ihnen zugewiesenen Rollen übernehmen und in Bezug aufeinander als Gesamtheit operieren.112 Die Stabilität von AkteurNetzwerken führt dann zu einer Dauerhaftigkeit sozialer Konstellationen (Latour 2006). Das, was ich als ›Nano-Figuration‹ gekennzeichnet habe, muss also in Technik überführt werden, um fortzubestehen. Man kann auch sagen, es muss verobjektiviert werden. Ansonsten droht der Figuration, bedeutungslos zu werden oder sich gar aufzulösen. Es lässt sich aber auch eine andere Frage stellen, die zumindest für die Forschung und für die Investitionen in die Forschung eine Rolle spielt, nämlich wann etwas umgesetzt wird. Dass man hier durchaus unterschiedliche Erwartungen finden kann, zeigte sich auch unmittelbar im Projektzusammenhang und in Bezug auf Projektpartner. Ich möchte an dieser Stelle den Kooperationspartner aus der Industrie zitieren: »Und die Herausforderungen haben wir hier natürlich auch, dass – ich muss auch immer klar machen, in diesem Projekt, dass wir hier wirklich an einer konkreten Innovation ar-

112 Michel Callon bezeichnet diesen Übersetzungsprozess »enrolement« (Callon 1986).

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beiten wollen, dass es für mich keine Grundlagenforschung über viele, viele Jahre sein kann, sondern hier ist ja schon viel Grundlagenforschung reingeflossen, es hat schon nen gewissen Reifegrad erreicht und wir müssen einfach sehen, dass wir hier den Weg in die Klinik relativ bald aufzeigen können. Und dann gibt es vielleicht andere Projektpartner, mei, ich nehm jetzt einfach mal die Kollegen von [Firmenname anonymisiert], die sagen ok, hier gibt es Anforderungen Elektromagnete anders zu designen und mit Wechselfeldern zu belegen und ähnlichen Dingen, das hat für uns vielleicht einen längerfristigen Reiz, das ist jetzt nicht so kurzfristig geschäftsorientiert.« [Interview 10/2011]

Es zeigt sich, dass aus Geschäftsperspektive Erwartungen in Bezug auf Umsetzung und Verwertung viel kurzfristiger gedacht und veranschlagt werden. Dass diese unterschiedlichen Erwartungen bestehen, darüber ist man sich in der Forschung durchaus bewusst. Dazu möchte ich abschließend Herrn Alexiou zitieren: »Also ich glaub schon, ich glaub schon, dass sich das etablieren wird. Es ist eben nur abhängig davon, wie gut es, z.B. auch unserer Gruppe jetzt auch gelingen wird, hier, auch weltweit, aber auch unserer Gruppe auch gelingen wird, das proof of concept und die Implementierung in die Klinik zu schaffen. Davon wird es abhängig sein, weil natürlich die geneigte Öffent˗, oder die interessierte Öffentlichkeit dann eine gewisse zeitlang interessiert zuschaut und dann sagt, dass muss doch mal an den Menschen gehen, das hör, erfahr ich jeden Tag. Ich versuch da immer zu kontern, indem ich sag, ich werd der Erste sein, der am Menschen ist, aber nur unter den Bedingungen, wie sie letztendlich auch rechtlich möglich sind, hier in Deutschland. Und ich glaub, dass man einfach sagen muss, dass die Nachhaltigkeit der Wertstellung der Nanomedizin in Zukunft in der Medizin, wie gesagt, davon abhängig sein wird, wie gut die einzelnen Gruppen und Strukturen interdisziplinärer Forschungsverbünde es schaffen, den Übertrag in die Klinik zu schaffen, davon ist es entscheidend abhängig, weil wenn man da dann irgend wann mal die Möglichkeit findet, wenn man bloß nur ein paar Patienten behandelt, in Anführungszeichen, ein paar, und dort gute Erfolge zeigen kann natürlich, dann wird sich das langsam voranbringen. Und wichtig ist auch, das hab ich ja in dem Buch auch geschrieben, dass sie auch zugesendet bekommen auch, dass ist da das letzte Kapitel, wichtig ist auch natürlich, dann auch für eine nachhaltige Implementierung, wie gut es den einzelnen Forschungsgruppen möglich ist, die Industrie davon zu überzeugen, dass das wirklich ein Markt ist, der, den es gilt, weiter zu verfolgen.« [Interview 5/2011]

Wenn ich also bislang eher auf Aspekte der Ermöglichung von Forschung eingegangen bin, die durch die Verknüpfung zwischen dem Innen und des Außen des Labors erzeugt werden, so wird an dieser Stelle deutlich, dass auch Verbindungen entstehen können, die Forschung behindern, unter Druck setzen und gar

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auch aufheben können, wenn Erwartungen enttäuscht werden und damit dann bspw. nicht mehr investiert wird. Insbesondere für das Feld ›Nano‹, das so stark mit Erwartungen als Motivation und Antrieb operiert, die, so hatte ich auch gezeigt, in politischen Programmen im Sinne von Entwicklungszeiten sehr konkret benannt sind, so dass sie in gewisser Weise Zielvorgaben gleich kommen, so ist die Gefahr recht groß, dass das Interesse an ›Nano‹ verloren geht und dass ›Nano‹ durch eine neue Innovationsstrategie ersetzt wird. Auch wenn einzelne konkrete Anwendungen durchaus erfolgreich sind bzw. sein werden, die Erwartung an ›Nano‹ als eine neue, alles revolutionierende Technologie erfüllte sich bislang nicht. 6.3.8 Zusammenfassung und Fazit Ziel dieses Teilkapitels war es weiterhin zu verfolgen und nachzuzeichnen, wie sich die nanomedizinische Forschung in Erlangen gestaltet und wie sie sich Geltung verschafft. Dazu habe ich mich zunächst damit auseinandergesetzt, ob und inwieweit die Erlanger Forschung als ›Innovation‹ beschrieben werden kann. Zunächst habe ich mich dabei mit dem Begriff der Innovation im ›NanoDiskurs‹ auseinander gesetzt. Hier orientiert sich der Begriff der Innovation sehr stark an einer ökonomischen Definition. Unter Innovationen werden neue Produkte und entsprechende Absatzmärkte verstanden. Vor dem Hintergrund der Diskussion um dieses Innovationsverständnis, als auch in Bezug auf unterschiedliche empirische Bezüge zum Innovationsbegriff in meinen Interviews, habe ich in Anschluss an Joseph Schumpeter eine Begriffsdifferenzierung vorgeschlagen. Schumpeter unterscheidet zwischen ›Invention‹ als intellektueller Leistung einer Ideenentwicklung und ›Innovation‹ als Umsetzung und Verwertung dieser neuen Idee. Der Begriff der Invention, also der Erfindung, erwies sich als anschlussfähig an die Theorie der Nachahmung Gabriel Tardes. Die Erfindung lässt sich im Sinne Tardes als die Erzeugung eines neuen Nachahmungsstrahls interpretieren, der seine Bedeutung und soziale Relevanz dann dadurch erhält, dass er wiederholt und nachgeahmt wird. Nachahmungsstrahlen stellen dabei eine Kreuzung vorheriger Nachahmungen dar, indem bislang unverbundenes zu etwas Neuem zusammengefügt wird. Wendet man nun diese Begriffsbedeutung an und versteht ›Erfindung‹ als eine neue Kombination, so lassen sich nanomedizinische Innovationen gleichsam in einem wissenschafts- und technikhistorischen Rahmen verorten. Konkret hatte ich dies anhand der Kolloidforschung und deren Grundlegung für Verfahren wie das magnetische drug targeting gezeigt. Um nanomedizinische Innovationen zu kennzeichnen, habe ich diese zudem in Bezug zur Onkologie als Forschungs- und Entwicklungsfeld dargestellt und die einzel-

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nen Elemente und Ursprünge des Therapieverfahrens des zielgerichteten Wirkstofftransports aufgezeigt. Darüber hinaus habe ich argumentiert, dass man nicht von ›Innovation‹ in der Einzahl sprechen kann. Meine Beobachtungen als Ethnografin haben gezeigt, dass es zahlreicher weiterer ›Erfindungen‹ bedarf, um das Verfahren des magnetischen drug targetings beforschen und entwickeln zu können. Anhand meiner Beobachtungen habe ich hierbei auch versucht zu zeigen, was man sich denn unter ›Innovationsforschung‹ vorzustellen habe. Ich habe dann nachgezeichnet, wie sich die Erlanger Forschung zum Begriff ›Nano‹ in Bezug setzt. In Anschluss an Tarde hatte ich ›Nano‹ allgemein als eine neue Differenz (Monade) bezeichnet, die Nachahmungen mittels der Kräfte des Begehrens und Überzeugens erzeugt. Die nanomedizinische Forschung in Erlangen ließ sich dann als einen spezifischen Nachahmungsstrahl von ›Nano‹ im Bereich der Onkologie kennzeichnen. Der Begriff ›Nano‹ dient der Arbeitsgruppe dabei zu Zwecken der Definition und der Profilbildung. Um als Arbeitsgruppe erfolgreich zu sein ist es nötig, andere von seiner Forschung zu überzeugen. Die Notwendigkeit, Allianzen zu knüpfen, habe ich in Bezug auf Forschungskooperationen und die Forschungsfinanzierung gezeigt und nachgezeichnet, welche Mittel des Begehrens bzw. des Überzeugens hier in Anschlag gebracht werden und zur Wirkung kommen. Des Weiteren habe ich die Organisation und die Arbeitsweise in der Arbeitsgruppe im Hinblick auf Gesichtspunkte wie Interdisziplinarität, wissenschaftliche Positionen und persönliche Aspekte untersucht und anhand des Begriffes der ›Inklusivität‹ gekennzeichnet. Sowohl beim Thema Allianzen knüpfen, als auch in Bezug auf die Interdisziplinarität konnte man sehen, dass ›Nano‹ als Akteur in Erscheinung tritt, indem ›Nano‹ den Bezugspunkt für eine bestimmte Praxis darstellt. ›Nano‹ entwickelt die Kräfte, die bestimmte Verbindungen hervorbringen. Im Zusammenhang des Bezugs der Arbeitsgruppe zum Begriff ›Nano‹ habe ich aber auch darauf verwiesen, dass dieser Akteur auch anders heißen könnte. Dies unterstützt meine Interpretation von ›Nano‹ als Figuration. Wie es den Erlanger ForscherInnen dann weiter gelingt, sich als Arbeitsgruppe erfolgreich aufzustellen, habe ich schließlich im Zusammenhang mit Öffentlichkeitsarbeit betrachtet. Welche Kommunikationsmittel bzw. -medien hier eine Rolle spielen, habe ich am Beispiel von Nano-Visionen, als visionären Darstellungen möglicher Zukünfte, analysiert. Als weiteres Beispiel öffentlichkeitswirksamer Arbeit habe ich die Einweihungsfeier der Sektion dargestellt. Solche Events, so habe ich zu zeigen versucht, dienen dazu, die Relevanz der Forschung über die Mauern des Labors hinweg sichtbar zu machen. Zum Abschluss habe ich mich dem Thema ›Erwartungen‹ und der Zukunft von Nanomedizin zugewandt. Als Fazit habe ich hier formuliert, dass die Zukunft von Nanomedizin davon abhängig ist, ob und wann sich nanomedizinische Verfahren erfolgreich in

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klinische Anwendungen übersetzen lassen. Dies betrifft die Nanomedizin im Allgemeinen, wie auch die Forschung in Erlangen im Besonderen. Neben einer weiteren Kennzeichnung nanomedizinischer Forschung in Erlangen war es Ziel dieses Kapitelteils, all jene Tätigkeiten aufzuspüren, die das Innen des Labors mit dem Außen verbinden. Die Unterscheidung von internen und externen Faktoren habe ich dabei als eine künstliche Trennung der Wissenschaftsforschung kritisiert. Anhand der Praxis konnte ich zeigen, dass Wissenschaft eine Tätigkeit ist, die stets das Interne mit dem Externen verbindet und auf diese Verbindungen angewiesen ist. Erst durch die Verbindungen kann sich Forschung etablieren und an Stärke und Einfluss gewinnen und erst in der Verknüpfung kann der Erfolg (oder auch der Misserfolg) von Wissenschaft erklärt werden. In dieser Hinsicht lässt sich auch nanomedizinische Forschung nicht in einer Unterscheidung von wissenschaftlichen und außerwissenschaftlichen, gesellschaftlichen Faktoren erklären. Vielmehr zeigt sich, dass nanomedizinische Forschung ein unentwirrbares Gewebe von sozialen, ökonomischen, politischen, institutionellen, organisationalen, persönlichen und natürlichen Elementen formt und gestaltet.

7 Zusammenfassung und Fazit

Ziel meiner Untersuchung war es, einen Beitrag zur sozialwissenschaftlichen Beforschung techno-wissenschaftlicher Innovationen zu leisten. Der inhaltliche Beitrag fokussierte dabei auf eine Fallstudie zu nanomedizinischen Innovationen, in deren Mittelpunkt das ›magentic drug targeting‹ stand, ein Verfahren, das mittels Nanopartikel eine zielgerichtete und damit nebenwirkungsarme Tumortherapie etablieren möchte. Ich habe zum einen nanomedizinische Forschung in der Form experimenteller Praxis in der ›Sektion für experimentelle Onkologie und Nanomedizin‹ in Erlangen betrachtet. Außerdem habe ich all jene Tätigkeiten begleitet und untersucht, die ›Nano‹ als Forschungs- und Entwicklungsfeld im Bereich der Medizin etablieren sollen. Mein Interesse galt also allen Tätigkeiten, die – im Sinne Bruno Latours – den ›Blutkreislauf‹ von Wissenschaft ausmachen und erklären können, wie nanomedizinische Innovationen produziert werden, wie sie sich Geltung verschaffen, und wie sie Einfluss nehmen. Die Tätigkeiten zur ›Mobilisierung von Welt‹ umfassten all jene Praktiken, die notwendig waren, ›Nano‹ als Akteur sichtbar zu machen und als neues Mitglied einer neuen Versammlung zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Wesen ins Gespräch zu bringen. Es geraten somit all jene Praktiken in den Blick, die ›Nano‹ in die Form von Repräsentationen überführen. Als einen ersten Schritt zu dieser Sozialisierung eines neuen Akteurs habe ich die Rastersondenmikroskopie als die Mediatisierungsform vorgestellt, die die Art von Wirklichkeit realisiert, die man als Nanowelt bezeichnet. Auch wenn die Rastersondenmikroskopie, wie ich argumentiert habe, nicht allein als Visualisierungsinstrument betrachtet werden kann, sondern unterschiedliche Formen der Mediatisierung ermöglicht, so stellt die visuelle Mediatisierung die Übersetzungsleistung dar, die ›Nano‹ als Forschungs- und Entwicklungsfeld eröffnet hat. Es zeigte sich jedoch auch, dass es nicht allein einer Mediatisierung durch die Rastersondenmikroskopie bedarf, um Nanoforschung zu betreiben. Es gibt also in dieser Hinsicht nicht nur eine

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Form, in der sich ›Nano‹ repräsentieren lässt. Die unterschiedlichen experimentellen Praktiken, die ich dargestellt habe, zeigten, dass ›Nano‹ nicht nur ein Akteur ist, weil er sichtbar ist. Als nanomedizinische Innovation stellt ›Nano‹, mit Gabriel Tarde gesprochen, eine ›Erfindung‹ im Bereich der Onkologie dar, die eine neue Form der Krebstherapie ermöglichen soll. Als neues onkologisches Therapieverfahren ist es dadurch gekennzeichnet, dass es nebenwirkungsärmer ist als die etablierten Verfahren. ›Nano‹ kann sich also auch auf andere Art und Weise realisieren, indem es auf andere Art und Weise Wirkungen zeigt und somit Beweise für seine Existenz liefert. Dieses Existent-Machen, das ich auch als Objektivierung gekennzeichnet habe, lässt sich nur in der Form von Übersetzungen und in Gestalt reversibler Transformations- und Substitutionsketten realisieren. Es sind solche Ketten, die es ermöglichen, Dinge und Materie in Sprache und Schrift zu überführen. Auf diese Weise kann ›Nano‹ als neuer Akteur in der Form von Paper, Poster oder Konferenzbeiträgen in wissenschaftliche Debatten eingeführt und zur Diskussion gestellt werden und sich hier Geltung verschaffen. Dies umfasst weitere Arten von Tätigkeiten, die für wissenschaftliches Arbeiten nötig sind und die als ›Autonomisierung‹ gekennzeichnet werden können. Hier erlangt der Wissenschaftler Renommee und seine Arbeit wird mit Glaubwürdigkeit versehen. Meine Forschung zeigte an dieser Stelle, dass es der Arbeitsgruppe vielfach erfolgreich gelungen war, ›Nano‹ als Akteur sichtbar zu machen, indem es in Tierversuchen die gewünschten Wirkungen zeigte und erfolgreich zur Krebstherapie eingesetzt werden konnte. Es bedarf jedoch weiterer Forschung, um dies mit größerer Stabilität und Kontinuität zu bewerkstelligen. Damit diese Forschung möglich ist und aufrechterhalten werden kann, bedarf es wiederum anderer Tätigkeiten. Diese habe ich zum einen in Bezug auf das ›Eingehen von Allianzen‹ untersucht. Das produktive Zusammenarbeiten in Forschungskooperationen als auch das erfolgreiche Einwerben von Finanzierungen standen hier im Fokus meiner Darstellungen. Und schließlich bin ich auf die Bedeutung der Herstellung von ›Öffentlichkeit‹ für die Möglichkeit, Nanoforschung zu betreiben, eingegangen. Auch wenn all diese Tätigkeiten unterschiedlicher Mittel, unterschiedlicher persönlicher Kompetenzen und unterschiedlicher Praktiken und Methoden bedürfen, sie sind dennoch alles Bestandteile dessen, was die nanomedizinische Forschung in Erlangen ausmacht und kennzeichnet. Diese Tätigkeiten lassen sich nicht untergliedern in Tätigkeiten, die einen Kern nanomedizinischer Forschung ausmachen und Tätigkeiten, die äußere Faktoren oder Rahmenbedingungen nanomedizinischer Forschung darstellen. Nanomedizinische Innovationen können nur begriffen werden, wenn man all diese Tätigkeiten in Verknüpfung zueinander betrachtet, und sich dabei die Wege und Mittel anschaut, mit denen diese Verknüpfungen hergestellt werden. Hier lassen sich

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durchaus Unterschiede erkennen. Die Tätigkeiten zur Mobilisierung von Welt, die ich in Form experimenteller Praxis untersucht und beschrieben habe, produzieren im Zuge von Übersetzungsprozessen eher kurze Ketten – kurz in dem Sinne, dass Verknüpfungen hergestellt werden, die in der Regel das Labor nicht verlassen. Sie haben zudem einen sehr starken materialen Bezug. Diese Übersetzungsprozesse habe ich als Objektivierungsprozesse gekennzeichnet. Es sind entsprechend in erster Linie Objekte, die in diesen Ketten zirkulieren. ›Nano‹ wird als Akteur sichtbar, indem es materiale Wirkungen erzeugt. Die anderen Tätigkeiten produzieren demgegenüber Ketten, die immer weiter über die Mauern des Labors hinausreichen. Sie beinhalten eher diskursive Elemente. Sprache, Bilder, Visionen oder Argumente sind hier (aber nicht nur ausschließlich hier) die Mittel, die als Überzeugungsmittel zum Einsatz kommen. In diesem Zusammenhang konnte ich zeigen, dass das, was ich als ›Nano-Figuration‹ bezeichnet habe, durchaus wirksam war, denn von den positiven Erwartungshaltungen und der Finanzierungsbereitschaft, die mit dem Schlagwort ›Nano‹ verbunden sind, konnte auch die Arbeitsgruppe in Erlangen profitieren. Auch weitere Elemente, die die ›Nano-Figuration‹ ausmachen, wurden in spezifischen Formen verorteter Praxis sichtbar: Hierzu zählten Aspekte wie Nano-Visionen, interdisziplinäres Zusammenarbeiten, Erwartungen, als auch die Beschreibung der eigenen Forschung als ›Innovation‹. Auch diese Aspekte habe ich im Zuge bestimmter Praktiken begleitet und sie somit als spezifische Verknüpfungen nachvollzogen. Stabilität können diese Verknüpfungen nur dann erlangen, wenn es gelingt, die Elemente, die versammelt wurden, um das zu formen, was ›Nano‹ genannt wird, in Technik zu überführen. Nur so kann die Konstellation bzw. Figuration ›Nano‹ auf Dauer wirksam sein. Im Falle meines Untersuchungsfeldes heißt das konkret: ›Nano‹ muss als nanomedizinische Anwendung in eine klinische Anwendung überführt werden. Betrachtet man ›Nano‹ nun in dieser Weise als Verknüpfungsphänomen, so wird deutlich, dass man das Phänomen ›Nano‹ nicht aufspalten kann in ein gesellschaftlich-diskursives Phänomen (›talking-Nano‹) auf der einen Seite und Nanoforschung als wissenschaftliche Tätigkeit (›doing-Nano‹) auf der anderen. In dieser Hinsicht erweist sich eine Unterscheidung von Wissenschaft und Gesellschaft als eine künstliche, intellektuelle Trennung, insofern sie diese als jeweils eigenständige Bereiche handhabt, die durch unterschiedliche Eigenschaften gekennzeichnet werden. Hierzu zählen u.a. die Unterstellung anderer Rationalitäten, Handlungsweisen und Handlungslogiken sowie der Bezug zu unterschiedlichen Akteuren, die als relevant betrachtet werden müssen. Dass eine Trennung von Wissenschaft und Gesellschaft nicht aufrechterhalten werden kann, habe ich in dreifacher Weise gezeigt. Auf erkenntnistheoretischer Ebene

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wird die Unterscheidung von Wissenschaft und Gesellschaft in einer bestimmten Denkart wirksam. Dabei habe ich gezeigt, dass es genau diese Form des Denkens ist, welche es schwierig macht, das Phänomen ›Nano‹ adäquat zu erfassen. Diese Denkart beruht auf einer Trennung natürlicher und gesellschaftlicher Zusammenhänge in der Art, als eine Opposition zwischen Geist und Materie vollzogen wird. Der denkende Mensch wird dann ins Zentrum von Erkenntnisprozessen gestellt und Erkenntnisprozesse ausschließlich in Form epistemologischer Fragen behandelt. Ich habe demgegenüber vorgeschlagen, ›Nano‹ nicht im Hinblick auf eine bestimmte Epistemologie zu betrachten, sondern die Praxis von Nanoforschung zu untersuchen. Repräsentationen der Nanowelt erwiesen sich dann nicht als Produkte reiner geistiger Tätigkeit, sondern als Produkte einer Praxis, die sukzessive materiale Dinge in Sprache, Symbole oder Bilder überführt. Das, was wir also über die Nanowelt wissen, ist das Resultat von Übersetzungsprozessen. In Zusammenhang dieser Übersetzungsprozesse wurde auch die Medialität von ›Nano‹ bzw. nanomedizinischer Innovationen deutlich. Dabei habe ich mich an eine medientheoretische Betrachtung angeschlossen, die die Bedeutung medialer Übersetzung im Nanobereich nicht allein im Sinne von Visualisierung begreift. Visuelle Mediatisierung stellt nur eine mögliche Übersetzungsform dar. Es lassen sich vielmehr ganz unterschiedliche Modalitäten von Mediatisierung finden, die unterschiedliche Realitäten vermitteln und herstellen. Der Verweis auf unterschiedliche Formen von möglicher Realität macht auch die konstitutive Rolle von Medien in der Herstellung von Wirklichkeiten deutlich. Somit kann Wirklichkeit nicht länger auf das reduziert werden, was der Mensch wahrnimmt. Es ist nicht allein der erkennende Mensch, der Bezugspunkt von Weltbildungsprozessen ist. Wirklichkeiten sind vielmehr das Resultat spezifischer Übersetzungsprozesse. Die Bedeutung von Medien kommt dann nicht mehr darin zum Ausdruck, dass sie die Wahrnehmungsmöglichkeiten des Menschen erweitern, sondern sie liegt darin, dass sie es ermöglichen, dass ganz unterschiedliche Entitäten vermittelt und übersetzt werden können und sich somit gleichsam die Verknüpfungen von menschlichen und nicht-menschlichen Wesen vervielfältigen lassen. Die Praxis der Übersetzung, als repräsentationale Praxis, habe ich dann in einem zweiten Schritt genauer betrachtet. Hier zeigte sich, dass nanomedizinische Forschung nicht begriffen werden kann, wenn man von vornherein zwischen einer objektiven Welt wissenschaftlicher Wirklichkeit und sozialen Aspekten einer gesellschaftlichen Realität unterscheidet, denn, so zeigte sich, weder das Objekt wissenschaftlicher Erkenntnis, noch das Subjekt sozialer Praxis stehen fest und kann zum Ausgangspunkt einer Erklärung experimenteller Praxis gemacht werden. Weder Objekt noch Subjekt können substantiell bestimmt und definiert

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werden. Die Eigenschaften und Fähigkeiten von Subjekten und Objekten werden vielmehr in der experimentellen Praxis im Sinne eines Erprobungsverhältnisses ausgehandelt und in einem Prozess gegenseitiger Zuweisung gestaltet. Sowohl erfolgreiche Experimente als auch Unsicherheiten und Misserfolge lassen sich nur in der Verknüpfung objektiver und subjektiver Anteile begreifen. Sie verweisen somit auf die Heterogenität nanomedizinischer Forschung. Auch die verschiedenen Tätigkeiten, die in der Begleitung wissenschaftlicher Arbeit sichtbar wurden, konnten nicht im Sinne einer Aufteilung wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Aspekte differenziert werden. Nanomedizinische Innovationen erwiesen sich auch hier als ein spezifisches Verknüpfungsphänomen, das in verschiedenen Praktiken und mit unterschiedlichen Mitteln das Innen des Labors mit dem Außen verband. Nanomedizinische Innovationen sind dann nur in Form dieses unentwirrbaren Gefüges unterschiedlichster Aspekte und Elemente verständlich. Was bedeutet dies nun für die soziologische Beforschung techno-wissenschaftlicher Innovationen? Sie muss Wege und Mittel finden, um die natur-kulturelle Unbestimmtheit, als auch die Heterogenität technowissenschaftlicher Innovationen nachvollziehen zu können. Ich habe dazu in meinen Ausführungen sowohl einen entsprechenden theoretisch-konzeptuellen Vorschlag unterbreitet, als auch ein bestimmtes methodisches Vorgehen vorgeschlagen. Diese möchte ich nun auch noch einmal zusammenfassend darstellen. Um dem Anspruch zu entsprechen, nanomedizinische Innovationen als heterogenes Gefüge zu untersuchen und zu analysieren, bedarf es eines konzeptuellen Zugangs, der dieses Gefüge jenseits tradierter gesellschaftlicher und soziologischer Grenzen und Grenzziehungen, wie z.B. Natur/Kultur, menschlich/nichtmenschlich oder sozial/nicht-sozial betrachten und beschreiben kann. Mit der Heuristik des Akteur-Netzwerkes habe ich eine Möglichkeit eines soziologischen Zugangs zur Beforschung nanomedizinischer Innovationen aufgezeigt. Ich habe dabei jedoch herausgearbeitet, dass hierzu die Anwendung dieser Heuristik – anders, als dies bislang innerhalb der ANT getan wird – den Fokus stärker auf die Prozesse des Verbindens legen muss und weniger auf die Beschreibung von Elementen und Strukturen von Netzwerken. Insbesondere in Auseinandersetzung mit dem Sozialkonstruktivismus, der Wissenschaft und technowissenschaftliche Innovationen stets anhand sozialer Faktoren erklärt, habe ich gezeigt, dass eine solche soziologische Perspektive zu kurz greift und nicht zum eigentlichen Kern der Frage, wie Innovationen sozial Relevanz erlangen, vordringen kann. Die Relevanz lässt sich dadurch kennzeichnen, dass die Ordnung des Sozialen durch den Einbezug neuer Akteure in Frage gestellt wird. Experimentelle Praxis hatte ich dahingehend als einen Aushandlungsprozess beschrieben, bei dem es genau darum geht zu bestimmen, wie das Soziale neu zusammengesetzt werden kann,

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welche Akteure dabei einzubeziehen sind und welche Aufgaben und welche Rollen die Akteure jeweils zu übernehmen haben. Diese Offenheit des Sozialen lässt es dann nicht zu, in seinen Analysen auf ein bereits festgelegtes Repertoire sozialer Akteure zurückzugreifen, und durch dieses erklären zu wollen, wie neue Verbindungen zwischen den verschiedenen Elementen hergestellt werden. In dieser Hinsicht muss die Soziologie ihr Repertoire der Entitäten, denen Handlungsmacht zugeschrieben wird, erweitern. Konkret heißt das, dass auch Objekte und nicht-menschliche Wesen als Akteure behandelt werden, insofern sie menschliches Handeln beeinflussen, gestalten oder verändern. Auf welche Art und Weise nicht-menschliche Wesen konstitutiv an der Gestaltung sozialer Zusammenhänge beteiligt sind, habe ich vielfach gezeigt. Objekte sind in einer solchen Denkart weder Dinge, die sich durch substantielle materiale Eigenschaften kennzeichnen lassen, noch können sie anhand unterschiedlicher Perspektiven auf ein Objekt hinreichend erfasst werden. Ich habe gezeigt, dass es die Mannigfaltigkeit und die Multiplizität von Objekten ist, die Objekte zu Zentren und Kristallisationspunkten einer neu zu gestaltenden Form des Sozialen machen. ›NanoSozialität‹, als eine sich neu entfaltende Sozialität, kann soziologisch nur objektbezogen konzipiert und analysiert werden. Nanomedizinische Innovationen verweisen somit unmittelbar auf die Relevanz der Heterogenität von Objekten für die sozialwissenschaftliche Beforschung von Wirklichkeit. Um die Offenheit als auch die Objektbezogenheit des Sozialen methodisch umzusetzen, habe ich die Methode der Ethnografie gewählt. Hierbei habe ich jedoch dafür plädiert, die Ethnografie nicht allein auf die Methode der teilnehmenden Beobachtung zu beschränken, sondern sie im Sinne eines MethodenMixes anzuwenden. Meine Untersuchung zeigte, dass eine Beschränkung auf Beobachtung leicht an Grenzen der Umsetzbarkeit stößt. Dies war nicht zuletzt beim Nachvollziehen von Verknüpfungen der Fall, die die Räumlichkeiten des Labors verließen. Es zeigte sich jedoch auch, dass das Nachzeichnen von Verknüpfungen auf mannigfaltige Weise nachvollzogen werden kann, nicht zuletzt deshalb, weil unterschiedliche Akteure auch über unterschiedliche Wege und Mittel verfügen, um Spuren zu hinterlassen. In dieser Hinsicht lässt sich die soziologische Beforschung nanomedizinischer Forschung nicht nur anhand des Bedarfs an einer theoretisch-konzeptionellen Offenheit kennzeichnen, sondern auch durch die Notwendigkeit einer methodischen Offenheit. Welche Methoden gewählt werden hängt davon ab, welchen Spuren man folgen und welche Ketten man nachzeichnen möchte. Betrachtet man nanomedizinische Innovationen nun auf diese Weise, so hat dies Konsequenzen für das, was man üblicherweise unter Wissenschaft und auch unter Gesellschaft versteht. Das Bild der Wissenschaft ändert sich, insofern sie

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nicht mehr allein epistemologisch betrachtet wird, sondern anhand der Praxis beschrieben wird, wie sie sich in der Begleitung technowissenschaftlicher Innovationen und der Form technowissenschaftlicher Forschung beobachten lässt. Wissenschaft erscheint hier nicht länger als kühle, distanzierte, die Gesetze der Natur aufspürende Tätigkeit. Es sind nicht allein die spektakulären wissenschaftlichen Erfolge, die Wissenschaft kennzeichnen, sondern die Praxis der Wissenschaft umfasst ebenso Unsicherheiten, Fehlschläge, einfache, triviale, langweilige und unspektakuläre Tätigkeiten. Ebenso verändert sich das, was unter Gesellschaft verstanden wird. Gesellschaft kann sich nicht länger auf Formen und Elemente von Sozialität beziehen, die stabil und unveränderlich sind. Gerade Innovationen machen deutlich, dass sich Sozialität im Rahmen verschiedener Assoziationen entfalten kann: So werden Assoziationen aufgelöst, neue Akteure eingeführt und somit neue Assoziationen geschaffen. Die Erfindung von ›Nano‹ stellt dann ein solches neues Element dar. Die soziologische Relevanz einer Beforschung von technowissenschaftlichen Innovationen liegt darin, dass sich hier die Möglichkeit bietet, die Elemente und die Wege nachvollziehen zu können, die neue Formen von Sozialitäten ermöglichen, hervorbringen und stabilisieren. Das Sichtbarmachen der Elemente und der Art und Weise, wie sie miteinander verknüpft sind, ist die Leistung einer soziologischen Beforschung technowissenschaftlicher Innovationen. Die Soziologie geht bei dieser Art von ›Innovationsforschung‹ jedoch ein Risiko ein. Sie kann sich nicht länger auf das beziehen, was sie bislang als Stärke ihrer Erklärungsansätze betrachtete, nämlich den Bezug auf ›das Soziale‹. Meine Innovationsforschung macht deutlich, dass das Soziale nicht vorausgesetzt werden kann, sondern dass es das ist, was erklärt werden muss. Insofern sich die Soziologie nicht mehr auf die sichere Position einer stabilen und damit erklärungskräftigen Sozialität zurückziehen kann, muss sie nicht allein ihre angestammten Arbeitsräume verlassen und in die Labore gehen. Sie ist auch auf eine interdisziplinäre Zusammenarbeit angewiesen. Insofern nanomedizinische Innovationen aus einem Zusammenspiel verschiedener disziplinärer Praktiken hervorgeht, wie bspw. chemischer, biologischer, radiologischer oder medizinischer Art, muss die Soziologin auch Chemikern, Biologen, Radiologen oder Medizinern folgen, um die Verbindungen und Übersetzungen solcher heterogener Anwendungsbereiche nachvollziehen zu können. Die Relevanz nanomedizinischer Innovationen für soziale Zusammenhänge kann nicht unabhängig von chemischen, biologischen oder auch medizinisch-physiologischen Aspekten gedacht werden, sondern muss als deren Effekt betrachtet werden. In diesem Sinne stellt nicht nur die Herstellung und die Emergenz nanomedizinischer Sozialität ein interdisziplinäres Projekt dar, sondern auch ihre Beforschung und ihr Nachzeichnen. So kann man abschließend resümieren: Die Nano-Sozialität, die sich

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mit dem Verfahren des magnetischen Wirkstofftransports mittels Nanopartikel herausbildet und manifestiert, führt Fächer wie die Chemie, die Biologie, die Medizin, die Radiologie und die Soziologie auf der Nano-Ebene zusammen.

Anhang

• Interview 1/2011: Dr. Stephan Dürr (HNO-Arzt und Mitarbeiter der Arbeits-





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gruppe), Sektion für experimentelle Onkologie und Nanomedizin Erlangen, 14.03.2011 Interview 2/2011: Dr. Rainer Tietze (Chemiker und Mitarbeiter der Arbeitsgruppe), Sektion für experimentelle Onkologie und Nanomedizin, Erlangen, 04.04.2011 Interview 3/2011: Dr. Stefan Lyer (Biologe und Mitarbeiter der Arbeitsgruppe), Sektion für experimentelle Onkologie und Nanomedizin, Erlangen, 11.4.2011 Interview 4/2011: Projektpartner Industrie, Erlangen, 05.08.2011 Interview 5/2011: Prof. Dr. med. Christoph Alexiou (Facharzt in der HNOKlinik und Leiter der Sektion für experimentelle Onkologie und Nanomedizin), Sektion für experimentelle Onkologie und Nanomedizin, Erlangen 18.08.2011 Interview 6/2011: Dr. Frank Dörje, Leiter der Apotheke des Universitätsklinikums, Erlangen, 07.09.2011 Interview 7/2011: Eveline Schreiber (Chemisch-technische Assistentin) Sektion für experimentelle Onkologie und Nanomedizin, Erlangen, 22.09.2011 Interview 8/2011: Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Peukert, Lehrstuhl für Feststoffund Grenzflächenverfahrenstechnik (Projektpartner), Erlangen, 13.10.2011 Interview 9/2011: Projektpartner Neuroradiologie, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, 13.10.2011 Interview 10/2011: Projektpartner Industrie, Erlangen, 03.11.2011

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• Interview 11/2011: Prof. Dr. rer. biol. hum. Ingrid Hilger, Experimentelle Ra-

diologie, Universitätsklinikum Jena (Projektpartner), Jena 04.11. 2011 • Interview 12/2011: Jenny Mann (Biologisch-technische Assistentin), Sektion

für experimentelle Onkologie und Nanomedizin, Erlangen, 17.11.2011 • Interview 13/2012: PD Dr. med. Susanne Schultz-Hector (Vorstand Else-Krö-

ner-Fresenius-Stiftung), München, 28.09.2012

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Anna Froese, Dagmar Simon, Julia Böttcher (Hg.) Sozialwissenschaften und Gesellschaft Neue Verortungen von Wissenstransfer Februar 2016, 342 Seiten, kart., 39,99 €, ISBN 978-3-8376-3402-0

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